(Ausgegeben am 10. November 2016)

Niedersächsischer Landtag

Stenografischer Bericht

110. Sitzung

Hannover, den 28. Oktober 2016

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 32: Dr. Gero Hocker (FDP) ...... 11199 Clemens Große Macke (CDU) ...... 11200 Mitteilungen des Präsidenten ...... 11179 (GRÜNE) ...... 11201 Feststellung der Beschlussfähigkeit ...... 11179 (Die Antworten zu den Anfragen 2 bis 62, die nicht in der 110. Sitzung des Landtages am 28. Oktober 2016 be- Tagesordnungspunkt 33: handelt und daher zu Protokoll gegeben wurden, sind in

der Drucksache 17/6785 abgedruckt.) Mündliche Anfragen - Drs. 17/6705 ...... 11179 Tagesordnungspunkt 34: Frage 1:

Wie entwickelt sich der Ökolandbau in Nieder- Erste Beratung: sachsen? ...... 11179 Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie Hans-Joachim Janßen (GRÜNE) korrigieren - ältere Menschen und junge Familien ...... 11179, 11185, 11195 nicht von Wohnimmobilienkrediten ausschließen Christian Meyer, Minister für Ernährung, - überschießende Regulierung zurücknehmen - Landwirtschaft und Verbraucherschutz Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/6681 .... 11201 ...... 11180 bis 11201 Heinrich Scholing (GRÜNE) ...... 11184 und Julia Willie Hamburg (GRÜNE) ...... 11184 Meta Janssen-Kucz (GRÜNE)...... 11186 Tagesordnungspunkt 35: Regina Asendorf (GRÜNE) ...... 11188

Uwe Strümpel (SPD) ...... 11189 Erste Beratung: Wiard Siebels (SPD) ...... 11190 Wohneigentum fördern - Bessere Umsetzung der (GRÜNE) ...... 11191 Wohnimmobilienkreditrichtlinie - Antrag der Frak- Gerald Heere (GRÜNE) ...... 11192 tion der FDP - Drs. 17/6684 ...... 11201 Thomas Schremmer (GRÜNE) ...... 11193 Dr. Stephan Siemer (CDU) (GRÜNE) ...... 11194 ...... 11201, 11206, 11208 Helmut Dammann-Tamke (CDU) ... 11196, 11198 Christian Grascha (FDP) ...... 11203 Hermann Grupe (FDP) ...... 11196 (GRÜNE) ...... 11205 Renate Geuter (SPD)...... 11206, 11208 Christian Meyer, Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz . 11208 Ausschussüberweisung (TOP 34 und 35) ...... 11209

I Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 110. Plenarsitzung am 28. Oktober 2016

Tagesordnungspunkt 36: Tagesordnungspunkt 40:

Erste Beratung: Erste Beratung: Videoüberwachung ist ein wertvolles Instrument Strategie zur Regulierung von Kreuzkrautarten für mehr Sicherheit - Die Landesregierung muss jetzt entwickeln - Antrag der Fraktion der FDP - es stärker nutzen und bessere rechtliche Voraus- Drs. 17/6687 ...... 11239 setzungen schaffen! - Antrag der Fraktion der CDU Hermann Grupe (FDP) ...... 11239 - Drs. 17/6682 ...... 11209 Wiard Siebels (SPD) ...... 11240 Angelika Jahns (CDU) ...... 11210, 11213 Hans-Joachim Janßen (GRÜNE) ...... 11240 Belit Onay (GRÜNE) ...... 11212, 11213 Otto Deppmeyer (CDU)...... 11241 Jan-Christoph Oetjen (FDP) ...... 11213 Ausschussüberweisung ...... 11242 Karsten Becker (SPD) ...... 11214 Ausschussüberweisung ...... 11216 Tagesordnungspunkt 41:

Tagesordnungspunkt 37: Erste Beratung: Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zur Erste Beratung: Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Cannabis entkriminalisieren - Jugendschutz stär- Prozessbegleitung im Strafverfahren - Gesetzent- ken - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/6683 wurf der Landesregierung - Drs. 17/6689 ...... 11242 ...... 11216 (eine Beratung hat nicht stattgefunden) Dr. Stefan Birkner (FDP) ...... 11216 Dr. Christos Pantazis (SPD) ...... 11218 Zur Geschäftsordnung: Volker Meyer (CDU) Jens Nacke (CDU) ...... 11243, 11244 ...... 11220, 11221, 11222, 11223 Helge Limburg (GRÜNE) ...... 11243 Thomas Schremmer (GRÜNE) Jörg Bode (FDP) ...... 11243 ...... 11221, 11222, 11223 Grant Hendrik Tonne (SPD) ...... 11244 Helge Limburg (GRÜNE) ...... 11222 Ausschussüberweisung ...... 11224 Tagesordnungspunkt 43:

Tagesordnungspunkt 38: Abschließende Beratung: Jagdzeiten für Wildgänse zur Vermeidung über- Erste Beratung: mäßiger Schäden an landwirtschaftlichen Kultu- Landesprogramm zum Abbau von Langzeitar- ren verlängern - Antrag der Fraktion der FDP - beitslosigkeit - Arbeit statt Arbeitslosigkeit finan- Drs. 17/4952 - Beschlussempfehlung des Ausschus- zieren! - Antrag der Fraktion der SPD und der Frak- ses für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucher- tion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/6685 ...... 11224 schutz und Landesentwicklung - Drs. 17/6677 Holger Ansmann (SPD) ...... 11224 ...... 11242 Dr. Max Matthiesen (CDU) ...... 11226 Hermann Grupe (FDP) ...... 11244, 11249 Gabriela König (FDP) ...... 11228 Hans-Joachim Janßen (GRÜNE) ...... 11245 Thomas Schremmer (GRÜNE) ...... 11229 Hans-Heinrich Ehlen (CDU) ...... 11246 Olaf Lies, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Wiard Siebels (SPD) ...... 11247, 11250 Verkehr ...... 11231 Helmut Dammann-Tamke (CDU) ...... 11249 Ausschussüberweisung ...... 11233 Christian Meyer, Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz . 11250 Tagesordnungspunkt 39: Beschluss ...... 11251 (Erste Beratung: 87. Sitzung am 22.01.2016) Erste Beratung: Die Energiewende zum Erfolg führen - Angebot Nächste Sitzung ...... 11251 und Nachfrage zusammenbringen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/6692 ...... 11233 Volker Bajus (GRÜNE) ...... 11233 Dr. Gero Hocker (FDP) ...... 11234, 11238 Karsten Becker (SPD) ...... 11235 Axel Miesner (CDU)...... 11236 , Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz ...... 11237, 11238 Ausschussüberweisung ...... 11239

II Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 110. Plenarsitzung am 28. Oktober 2016

Vom Präsidium:

Präsident Bernd Busemann (CDU) Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta (SPD) Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann (SPD) Vizepräsident Karl-Heinz Klare (CDU) Schriftführerin Gabriela Kohlenberg (CDU) Schriftführer Klaus Krumfuß (CDU) Schriftführer Clemens Lammerskitten (CDU) Schriftführer Markus Brinkmann (SPD) Schriftführer Stefan Klein (SPD) Schriftführerin Sigrid Rakow (SPD) Schriftführerin Sabine Tippelt (SPD) Schriftführer Belit Onay (GRÜNE) Schriftführerin Elke Twesten (GRÜNE) Schriftführerin Hillgriet Eilers (FDP)

Auf der Regierungsbank:

Minister für Inneres und Sport Boris Pistorius (SPD)

Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD)

Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Staatssekretär Jörg Röhmann, Cornelia Rundt (SPD) Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung

Kultusministerin Staatssekretärin Erika Huxhold, Frauke Heiligenstadt (SPD) Kultusministerium

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf Lies (SPD)

Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz Christian Meyer (GRÜNE)

Justizministerin Staatssekretärin Stefanie Otte, Antje Niewisch- Lennartz (GRÜNE) Justizministerium

Ministerin für Wissenschaft und Kultur Dr. Gabriele Heinen- Kljajić (GRÜNE)

Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Staatssekretärin Almut Kottwitz, Stefan Wenzel (GRÜNE) Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz

III Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 110. Plenarsitzung am 28. Oktober 2016

IV Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 110. Plenarsitzung am 28. Oktober 2016

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr. Die erste Frage kommt von der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen: Präsident Bernd Busemann: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 110. Sitzung im 39. Tagungsabschnitt des Nieder- Frage 1: sächsischen Landtages der 17. Wahlperiode. Wie entwickelt sich der Ökolandbau in Nieder- sachsen?

Tagesordnungspunkt 32: Mitteilungen des Präsidenten Im Einzelnen wird Ihnen diese Frage Herr Kollege Hans-Joachim Janßen vortragen. Bitte sehr!

Ich kann schon jetzt die Beschlussfähigkeit des Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): Hauses feststellen. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sit- Herren! Wie entwickelt sich der Ökolandbau in zung mit Tagesordnungspunkt 33 - Mündliche Niedersachsen? Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratun- Die Nachfrage nach Bioprodukten wächst: sowohl gen - mit Ausnahme des Tagesordnungspunk- im Supermarkt, im Naturkosthandel als auch in der tes 42, den wir bereits gestern behandelt haben - Direktvermarktung. Verbraucherinnen und Ver- in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die braucher setzen auf Biogemüse, Fleisch und Milch heutige Sitzung kann gegen 15.40 Uhr enden. aus kontrolliertem Ökolandbau und sind bereit, für Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt diese Qualität auch mehr zu bezahlen. Allein im Ihnen nunmehr die Schriftführerin Frau Twesten vergangenen Jahr ist der Umsatz von Bioproduk- mit. ten in Deutschland um 11 % gestiegen. Bislang wird ein erheblicher Anteil der Bioprodukte jedoch importiert. Die Entwicklung des Ökolandbaus in Schriftführerin Elke Twesten: Deutschland hält nicht mit der wachsenden Nach- Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! frage Schritt. Für heute haben sich entschuldigt: von der Lan- desregierung Herr Ministerpräsident Stephan Weil, Gefahren für den ökologischen Landbau drohen von der Fraktion der CDU Frau Ingrid Klopp und u. a. durch die von der EU-Kommission geplante Frau Heidemarie Mundlos, von der Fraktion der Totalrevision der EU-Ökoverordnung und durch die SPD Ulf Prange und von der Fraktion der FDP fehlende Nutzung von flächendeckenden, bun- Dr. Marco Genthe. desweiten Genpflanzenanbauverboten durch das Bundesagrarministerium. Präsident Bernd Busemann: 1. Wie hat sich der Biolandbau in Niedersachsen Vielen Dank, Frau Twesten. - Meine Damen und im Jahr 2016 entwickelt? Herren, wir beginnen mit dem 2. Welche Maßnahmen plant das Land, um den Ökolandbau gemäß den Wünschen von Verbrau- Tagesordnungspunkt 33: cherinnen und Verbrauchern weiter zu stärken? Mündliche Anfragen - Drs. 17/6705 3. Ist der Ökolandbau in Niedersachsen durch das von der Bundesregierung geplante Gentechnikge- setz gefährdet? Die für die Fragestunde geltenden Regelungen unserer Geschäftsordnung setze ich, wie immer, (Beifall bei den GRÜNEN) als bekannt voraus. Um dem Präsidium den Über- blick zu erleichtern, bitte ich darum, dass Sie sich Präsident Bernd Busemann: schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatz- frage stellen möchten. Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Landesregie- rung antwortet der Landwirtschaftsminister. Herr Ich halte die Uhrzeit fest: Es ist jetzt 9.07 Uhr. Minister Meyer, bitte sehr!

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Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- rund 2 Milliarden Euro umgesetzt, so waren es im wirtschaft und Verbraucherschutz: letzten Jahr bereits rund 8,5 Milliarden Euro. Also Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und eine Vervierfachung des Umsatzes in 15 Jahren. Herren! Im Namen der Landesregierung beantwor- Das Wachstum erreichte im letzten Jahr einen te ich die Frage wie folgt: Der bedarfsgerechte neuen Rekordwert. Eine Steigerung um 11 % ge- Ausbau des Ökolandbaus ist ein wichtiges Ziel der genüber dem Jahr 2014. Es geht hier um Lebens- Niedersächsischen Landesregierung. Ein Grund mittel. Wir haben es hier mit einem Mengenwachs- dafür sind die erheblichen positiven Auswirkungen tum zu tun, weil mehr Bioprodukte gekauft worden dieser Wirtschaftsweise auf die Umwelt und hier sind. Solch ein Wachstum ist enorm. insbesondere auf die biologische Vielfalt, die Ar- Rechnet man das auf die Bevölkerungszahl Nie- tenvielfalt, das Grund- und Oberflächenwasser, dersachsens herunter, kann man davon ausgehen, den Boden und die Luft sowie auf den Tierschutz dass bei uns mit Biolebensmitteln ein jährlicher bzw. auf das Tierwohl, dem bei der ökologischen Umsatz von 850 Millionen Euro erreicht wird - und Tierhaltung eine besonders hohe Bedeutung zu- das Wachstum geht weiter. Die Landesregierung kommt. hat sich deshalb in ihrer Koalitionsvereinbarung das Ziel gesetzt, den Ökolandbau in Niedersach- Basis für die genannten Auswirkungen sind die sen bedarfsgerecht auszubauen. spezifischen und die gesetzlich kontrollierten Pro- duktionsweisen des ökologischen Landbaus. Dazu Anlässlich der Pressekonferenz im Landwirt- gehören vor allem der Verzicht auf die Anwendung schaftsministerium zur Vorstellung des Aktions- chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel, die plans Ökolandbau Niedersachsen am 1. Septem- Begrenzung des Stickstoffeinsatzes durch den ber wies die für Niedersachsen zuständige Vertre- Verzicht auf mineralischen Kunstdünger und der terin der EDEKA Minden-Hannover, Frau Stolt, begrenzte Zukauf organischer Dünger sowie eine darauf hin, dass ihr Unternehmen im vergangenen flächengebundene Tierhaltung, die auch das Ziel Jahr ein hohes zweistelliges Wachstum im Bio- der Bundesregierung ist, ferner die Einhaltung Segment verzeichnen konnte. Ich zitiere: „Dieser weiter Fruchtfolgen mit vielfältigen Kulturen sowie Zuwachs liegt deutlich über dem bundesweiten der Verzicht auf gentechnisch veränderte Pflan- Trend und fällt in Niedersachsen sogar überpropor- zen, was Sie in Ihrer Frage ebenfalls thematisiert tional hoch aus.“ Auch in diesem Jahr, so Stolt, haben. gehe diese Entwicklung dynamisch weiter.

Der Ökolandbau geht damit in vielen Bereichen in Die Niedersachsen kaufen demnach sogar mehr Richtung Nachhaltigkeit voran. Daher messen wir Bioprodukte - zumindest bei der EDEKA - als im dem Ökolandbau auch eine hohe Bedeutung für bundesweiten Vergleich. Davon profitieren auch die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft sehr viele niedersächsische Unternehmen und insgesamt zu. Und Sie wissen: Nicht ohne Grund Verarbeiter. wird sowohl in Niedersachsen als auch im Bund im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundes- Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass wir bei regierung der Flächenanteil des Ökolandbaus als einigen Erzeugnissen im Biobereich bereits zu den Schlüsselindikator der Nachhaltigkeit herangezo- Marktführern in Deutschland gehören, z. B. bei gen. Der Bundesagrarminister strebt einen Flä- Obst, Kartoffeln und Eiern. Selbst bei diesen Pro- chenanteil von 20 % bundesweit an. dukten besteht jedoch weiterhin Entwicklungsbe- darf, da sehr viele Bioprodukte immer noch aus Ein weiterer Grund, seitens der Landesregierung dem Ausland kommen. Deshalb wollen wir das den ökologischen Landbau bedarfsgerecht zu för- Angebot steigern. In vielen Bereichen wird das dern, ist aber auch die unaufhörlich weiter wach- aufgrund der großen Nachfrage bestehende Pro- sende große Nachfrage nach Bioprodukten. Die duktions- und Vermarktungspotenzial bisher bei Verbraucherinnen und Verbraucher in Niedersach- Weitem nicht ausgeschöpft. Deshalb hat die Lan- sen verlangen immer mehr Bioprodukte. Deshalb desregierung den erwähnten Aktionsplan Öko- will ich als Verbraucherminister diesen steigenden landbau aufgelegt. Wünschen auch im Sinne der Wirtschaft folgen. Auch kleinere Bioläden profitieren. Frau Moeller- (Zustimmung bei den GRÜNEN) Schritt, die Geschäftsführerin des Oldenburger Naturkostgroßhandels Kornkraft, bestätigte für ihr Dieses wirtschaftliche Wachstum ist enorm. Wur- Unternehmen einen jährlichen Zuwachs um 10 %. den im Jahr 2000 noch Bioprodukte im Wert von

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Ich zitiere: (Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Die Abgeordneten haben nach der Fläche „Alles was wir regional beziehen können, gefragt!) kaufen wir auch regional. Doch die man- gelnde Verfügbarkeit in Niedersachsen wirkt - Ja, das ist eine gute Frage. Sie können das aus- als Wachstumshemmnis.“ rechnen: 100 Betriebe, 1 200 ha Zuwachs. Das war im Jahr 2015. Heute kann ich Ihnen sozusa- Unser Bundesland benötigt nicht nur aufgrund der gen ganz aktuell die Zahl mitteilen. In Niedersach- zahlreichen positiven Auswirkungen auf die Tiere, sen haben wir 2016 bei den Zahlen der Umsteller den Boden, das Wasser und die Biodiversität deut- ein Rekordwachstum zu vermelden. Wir haben lich mehr ökologisch bewirtschaftete Fläche, son- einen wirklichen Sprung nach vorn gemacht. Der dern auch, um die Nachfrage nach einheimischen letzte Stand, der uns vorliegt: 140 Betriebe haben Ökoprodukten zu befriedigen und die damit ver- einen Antrag auf Umstellung gestellt. Die dabei bundenen Chancen für unsere Wirtschaft zu nut- angemeldete Fläche beträgt derzeit fast 11 000 ha. zen. Damit stärken wir die Einkommen im ländli- (Beifall bei den GRÜNEN) chen Raum und schaffen Arbeitsplätze. Produkte aus dem ökologischen Landbau führen zu höheren Bei einem Wachstum um 1 000 ha steht das für Einkommen für die Landwirte, und ihre Herstellung eine Verzehnfachung des Wachstums. Damit ma- ist arbeitsintensiver. Damit werden also auch deut- chen wir 2016 einen richtigen Sprung nach vorn. lich mehr Arbeitsplätze als in der industrialisierten Das ist natürlich vielen Milchviehhaltern zu verdan- Massenproduktion geschaffen. ken, aber auch im Gemüsebau, Kartoffelbau und in vielen anderen Bereichen verzeichnen wir in Nie- (Beifall bei den GRÜNEN) dersachsen erfreuliche Wachstumszahlen. Von Unter den gegebenen Bedingungen in Nieder- daher kann man sagen: In diesem Jahr boomt sachsen mit zum Teil sehr hohen Pachtpreisen, mit Niedersachsen und hat eine wirkliche Rekordzahl der Konkurrenz um Flächen aufgrund der hohen an Umstellerinnen und Umstellern. Ich hätte nie Tierdichte und mit höheren Arbeitskosten ist es gedacht, dass wir einmal in einem Jahr mehr als zugegebenermaßen für viele Landwirte nicht leicht, 10 000 ha von konventionell auf ökologisch um- kurzfristig auf ökologischen Landbau umzustellen. stellen. Das ist der Landesregierung sehr bewusst. Des- (Zustimmung bei den GRÜNEN) halb arbeiten wir seit Beginn unserer Regierungs- zeit mit einem umfangreichen Bündel von Maß- Unter den 140 Betrieben befinden sich zum jetzi- nahmen daran, diese Situation zu ändern und den gen Zeitpunkt rund 50 Milchviehbetriebe, die auf Umfang der Ökofläche in unserem Bundesland Ökomilcherzeugung umstellen. nachhaltig zu erhöhen. (Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dies vorausgeschickt, komme ich zur Beantwor- Zweitens. Welche Maßnahmen plant das Land, um tung der drei Fragen: den Ökolandbau gemäß den Wünschen von Ver- braucherinnen und Verbrauchern weiter zu stär- Zur ersten Frage: Wie hat sich der Ökolandbau in ken? Niedersachsen im Jahr 2016 entwickelt? Ich habe gesagt, die aktuellen Zahlen aus Nieder- Hier gibt es wirklich einen Durchbruch. Ich nehme sachsen zeigen, dass die Landwirte in Nieder- Bezug auf die Kleine Anfrage der Kollegen Dam- sachsen verstärkt auf den Ökolandbau setzen. mann-Tamke, Oesterhelweg und Ehlen vom Au- Derzeit stellen so viele Betriebe ihre Produktion um gust vergangenen Jahres: Wirkt Grün wirklich? - wie noch nie. Das hat sicherlich auch etwas mit Da wurde noch gefragt, wie ich mir die Abnahme den niedrigen Preisen für konventionell erzeugte der Ökoflächen in Niedersachsen erkläre. Ich muss Produkte - ich denke an die Milchpreise, aber auch heute feststellen, dass wir - damals lagen die Zah- an andere - zu tun. Das ist aber auch ein Ergebnis len für 2015 noch nicht vor - im Jahr 2015 mit mehr der umfangreichen und zielgerichteten Förder- als 1 500 Ökohöfen eine Rekordzahl bei den Öko- maßnahmen der Landesregierung, die wir von erzeugern in Niedersachsen erreicht hatten. Dies Beginn unserer Regierungszeit an angeboten und ist ein Zuwachs von 106 Betrieben oder 7,6 % im weiterentwickelt haben. Vergleich zum Vorjahr. Nach jahrelanger Stagnati- Niedersachsen war das Schlusslicht unter on seit dem Jahr 2009 haben wir - - - Schwarz-Gelb. Es gab die geringsten ökologischen

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Fördersätze aller Bundesländer. Sie wissen, dass tere Impulse für das Wachstum geben soll. Darin wir die Förderung - die Honorierung der Leistungen geht es nicht nur um den Anbau und die For- des ökologischen Landbaus - in mehreren Stufen schung, sondern auch um die Vermarktung, um sehr deutlich erhöht haben. Weiteres gerne später. den Zugang zu Flächen und - auch sehr wichtig - um die Beratung. Sehr froh bin ich auch darüber, dass wir die Aus- bildung verbessert haben. Durch eine Zusammen- Wir haben uns entschieden, in den Aktionsplan ein arbeit mit dem Kultusministerium, dem Landvolk, konkretes Entwicklungsziel aufzunehmen, das den Ökoverbänden, dem Kompetenzzentrum Öko- ehrgeizig, aber nach den aktuellen Zahlen erreich- landbau und der Landwirtschaftskammer ist es bar ist. Unser Ziel ist es, die Zahl der Biobetriebe in gelungen, ein sehr umfangreiches Maßnahmenpa- Niedersachsen bis zum Jahr 2025 zu verdoppeln. ket für eine bessere Verankerung des ökologi- Das würde bedeuten, dass es dann im Jahr 2025 schen Landbaus in der Aus- und Weiterbildung in Niedersachsen etwa 3 000 Biobetriebe geben unserer jungen Landwirtinnen und Landwirte um- würde und ungefähr 8 % der gesamten landwirt- zusetzen. Auch das ist, glaube ich, ein ganz wich- schaftlichen Fläche in unserem Bundesland ökolo- tiger Beitrag - genauso wie die Bereiche der For- gisch bewirtschaftet würden. Das läge immer noch schungsförderung, die das Wissenschaftsministe- unter dem Bundesdurchschnitt, also ein Nachholen rium verstärkt hat. Damit verstärken wir die Ausbil- der Entwicklung. Uns geht es aber gerade auch dung, die Bildung, die Wissenschaft und die For- um die Vielzahl der Betriebe, die umstellen. Des- schung für den ökologischen Landbau. halb halte ich es für angemessen und aktuell auch für realistisch. Wichtig für die Entwicklung sind auch verlässliche rechtliche Grundlagen. Deshalb bin ich sehr in Meine Damen und Herren, mit unserer Biooffensi- Sorge, dass die EU-Kommission weiterhin auf ve möchten wir dieser positiven Entwicklung weite- einer Totalrevision der aus unserer Sicht bewähr- re Impulse geben und dazu beitragen, dass der ten EU-Bioverordnung besteht. Vorgelegt hat sie Ökolandbau in Niedersachsen vom Anteil der Be- diesen Vorschlag im März 2014. Mir ist kein Wirt- triebe wie auch der Fläche her endlich den Stel- schaftssektor bekannt, in dem in so kurzer Zeit die lenwert erhält, den er verdient hat, den die Ver- gesetzlichen Grundlagen vollständig auf den Kopf braucherinnen und Verbraucher nachfragen. gestellt werden sollen. Ich hoffe, wir sind uns hier Die Ökolandbauverbände haben zum Aktionsplan im Landtag einig, dass dieser Entwurf nicht Reali- gesagt: tät werden darf, weil er durch verschiedenste Um- kehrungen der Spielregeln dazu führen würde, „Die geplanten Maßnahmen des Aktions- dass es keine Planungssicherheit und keine Si- plans können dazu beitragen, die ökologi- cherheit für ökologische Betriebe gäbe. sche Landwirtschaft in Niedersachsen dau- erhaft auf eine breite Basis zu stellen“. Niedersachsen hat sich von Beginn an gegen die- se Revision ausgesprochen, auch im Rahmen von „Wir sind in vielen Bereichen bereits gut auf- durch uns initiierten Anträgen zur Agrarminister- gestellt, aber Niedersachsen kann noch sehr konferenz oder im Bundesrat. Ich sehe keine Ver- viel mehr Ökolandbau vertragen. Das schafft anlassung, davon abzuweichen. Wir sind vielmehr nicht zuletzt Arbeitsplätze im ländlichen der Auffassung, dass nach drei Jahren Verhand- Raum“, lungen dieser Entwurf seitens der Kommission so die Vorsitzende des Fachbeirats zur Förderung zurückgezogen werden sollte, um die große Ver- des ökologischen Landbaus, Frau Grieshop. Ich unsicherung der Ökobauern und des Ökohandels denke, dem ist nichts hinzuzufügen. zu beenden. Das wäre, glaube ich, auch ein gutes Zeichen für Lernfähigkeiten aufseiten der EU-Kom- Damit zur letzten und dritten Frage: Ist der Öko- mission. Damit hätten die Ökobetriebe endlich landbau in Niedersachsen durch das von der Bun- wieder Rechtssicherheit für die Zukunft. Alle Be- desregierung geplante Gentechnikgesetz gefähr- triebe - egal, ob öko oder konventionell - brauchen det? Planungssicherheit. - Das als Blitzlicht. Wie Sie wissen, hat Bundeslandwirtschaftsminister Ich habe gesagt: Wir haben einen langen Aktions- Schmidt - übrigens ohne Ressortabstimmung in- plan zur Stärkung unter dem Titel „Ökologisch - nerhalb der Bundesregierung; das ist in der Koali- tiergerecht - verbrauchernah - Aktionsplan für mehr tion noch nicht geeinigt - den Ländern einen Ent- Ökolandbau in Niedersachsen“ vorgelegt, der wei- wurf für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Gen-

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technikgesetzes vorgelegt, mit dem die sogenann- Zweitens. Die Forderung, in der Phase 1 eine be- te Opt-out-Richtlinie der EU zur Beschränkung und gründete Erklärung aufgrund zwingender Gründe Untersagung des Anbaus von genetisch veränder- vorzulegen, geht weit über die gemeinsame Ver- ten Organismen in den Mitgliedstaaten der EU in ständigung, Positionierung und Erläuterung durch Deutschland umgesetzt werden soll. Die EU hat ja die Länder hinaus und ist auch in der EU-Richtlinie gesagt, dass die einzelnen Mitgliedstaaten der EU nicht vorgesehen. entscheiden dürfen, dass auf dem eigenen Gebiet keine genmanipulierten Pflanzen angebaut wer- Angesichts der vorgenannten Erschwernisse ist zu den. Dafür brauchen wir in Deutschland ein Um- erwarten, dass regelmäßig die in § 16 g Abs. 5 setzungsgesetz. vorgesehene Länderöffnungsklausel zum Tragen kommt. Es bleibt jedoch unklar - und das stellt Alle Bundesländer - unisono, über die Parteigren- einen großen Schwachpunkt des Entwurfs dar -, zen hinweg - haben immer wieder an den Bund wann die Länder selbst tätig werden dürfen. appelliert: Bitte mach auf der Bundesebene ein einheitliches Gesetz! Wir brauchen keinen Flicken- Bei der Erstellung der Rechtsverordnung in Pha- teppich, sodass womöglich im Saarland der Anbau se 2 ist die im Eckpunktepapier vorgesehene akti- stattfinden darf, in Rheinland-Pfalz nicht - oder ve Prüfung durch den Bund, ob und inwieweit auf anders herum; denn wir wissen: Genpflanzen Bundesebene die Voraussetzungen für ein recht- überschreiten die Grenzen, genauso wie das auch lich und fachlich tragfähiges Verbot vorliegen, er- Bienen tun. Deshalb haben wir gesagt: Regelt das satzlos entfallen. Der Bund entzieht sich damit in Deutschland bitte einheitlich! seiner Mitarbeit an der Begründung für eine Rechtsverordnung, was insbesondere deshalb Gemessen an diesen Forderungen des Bundesra- problematisch ist, da dann zentral auf der Bundes- tes bzw. der Bundesländer und den Vorgesprä- ebene gebündelte Informationen und Kompeten- chen mit dem Bund, läuft der nun vorgelegte Ent- zen nicht genutzt werden können. Man kann also wurf dieser Verständigung mit den Bundesländern sagen: Der Bund lässt die Länder hier im Stich. in ganz wesentlichen Punkten zuwider. Mit den vorgelegten Änderungen werden zusätzliche Hür- Zudem - für den Ökolandbau sehr relevant! - den errichtet, um den Anbau von GVO in Deutsch- schwelt ein Streit bei der Bewertung einer neuer land zu untersagen. Die Begründungslast für die Züchtungstechnik, der sogenannten CRISPR - Untersagung wird wiederum auf die Länder verla- Technologie, ob sie der Gentechnologie zuzurech- gert. Der Bund will sich daran also nicht beteiligen. nen ist. Die Staatssekretäre der grün regierten Landwirtschaftsministerien haben sich in diesem Mit der vorgesehenen Regelung ist daher zu er- Zusammenhang im März dieses Jahres an ihre warten, dass es eben kein bundeseinheitliches An- Kollegen im Bundeslandwirtschaftsministerium ge- bauverbot geben wird, wie es der Bundesagrarmi- wandt. In diesem gemeinsamen Brief bitten sie den nister versprochen hat und wie es auch die Länder Bund, sich auf der europäischen Ebene dafür ein- im Bundesrat gefordert haben. Damit ist eine ein- zusetzen, anzuerkennen, dass die sogenannten vernehmliche Regelung für ein GVO-Anbauverbot neuen Züchtungstechniken laborgestützte gen- zwischen Bund und Ländern wieder in weite Ferne technische Verfahren nutzen und deshalb Verfah- gerückt. Ich hoffe, dass die SPD-geführten Res- ren zur Erzeugung gentechnisch veränderter Or- sorts in der Bundesregierung bei dem Kollegen ganismen sind und somit auch dem Gentechnik- Bundeslandwirtschaftsminister noch etwas nach- recht unterliegen müssen. steuern. Beide Fragen, also sowohl das Anbauverbot als Aus Sicht der Länder widerspricht der Vorschlag auch die neuen Züchtungstechniken, sind natürlich des Bundes in mehreren Punkten dem Kompro- auch von großer Bedeutung für den Ökolandbau, missvorschlag der Bundesländer: da in ihm der Einsatz gentechnisch veränderter Erstens. Für die Nutzung von Phase 1 - die An- Organismen generell verboten ist. So würde der meldung eines Verbots - soll ein Einvernehmen Anbau genveränderter Organismen in Deutschland zwischen sechs Bundesressorts erforderlich sein. wieder die Frage in den Fokus rücken, ob und Das war nicht Gegenstand des Eckpunktepapiers unter welchen Bedingungen eine Koexistenz zwi- und würde mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu füh- schen Ökolandbau und der Pflanzung von genma- ren, dass die Phase 1 nicht genutzt wird, womit nipulierten Produkten überhaupt möglich ist. Das das deutsche Hoheitsgebiet nicht durch den An- würde schaden. Vor allem würde es zu erhöhten tragsteller vom GVO-Anbau ausgenommen wird. Kosten für die Ökobetriebe führen. Ihnen entste-

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hen heute schon sehr hohe Kosten für Untersu- Biokartoffelacker nicht zwingend einen höheren chungen auf GVO bei importierten Erzeugnissen; Ertrag als ein bayerischer oder ein ostdeutscher. diese sind erforderlich, um es wirklich sortenrein zu Wenn aber die Boden- und Pachtpreise sehr hoch haben. sind - dazu gibt es eine Reihe von Studien -, ist es sehr schwer, besonders flächenintensiven ökologi- Von daher beantworte ich die letzte Frage wie schen Landbau zu betreiben. Deshalb sind wir ja folgt: Sollte das neue Gentechnikgesetz dazu füh- auch dabei, die Flächenverfügbarkeit für die öko- ren, dass ein erleichterter Anbau von GVO- logischen Betriebe zu verbessern. Sie wissen, Pflanzen in Deutschland möglich ist, würde das dass wir an einem Grundstücksverkehrsrecht ar- den gentechnikfreien Ökolandbau in Deutschland beiten, um bäuerliche Betriebe - egal, ob konventi- erheblich gefährden. Deshalb hoffen wir, dass das, onell oder ökologisch - auch bei den Flächen zu was Niedersachsen und andere Länder im Bun- stärken. Es gibt eine Reihe von Initiativen, damit desrat gefordert haben, umgesetzt wird und nicht Biobetriebe einen besseren Zugang zu Flächen der neue Entwurf des Bundeslandwirtschaftsminis- bekommen; denn das ist sicherlich ein Grund ge- ters. wesen. Danke fürs Zuhören. Ein Grund ist natürlich auch die Ausrichtung in (Beifall bei den GRÜNEN und bei der einigen Regionen auf eine sehr industrielle Tierhal- SPD) tung. Da ist es natürlich für Biobetriebe besonders schwer. Wir haben es ja gestern schon erlebt. Präsident Bernd Busemann: Wenn die konventionellen Betriebe bestimmte Orte Vielen Dank, Herr Minister. - Die erste Zusatzfrage aufgrund der Erreichung der Emissionswerte möchte der Abgeordnete Heiner Scholing stellen. schon ausgegrenzt haben, dann ist es schwierig, einen Biostall zu bauen. Wenn die Emissionswerte Heinrich Scholing (GRÜNE): schon durch einen konventionellen Schweinestall überschritten werden, dann kann zusätzlich nichts Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da es mehr gebaut werden. Deshalb müsste man schau- bei ökologischen Produkten ein erkennbares Miss- en, wie man den ökologischen Landbau gerade in verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage gibt, diesen Regionen ermöglicht. frage ich: Wie erklärt sich dieses Missverhältnis, und zwar auch vor dem Hintergrund, dass es hier (Beifall bei den GRÜNEN) einen erkennbaren Aufwuchs gibt? (Zustimmung bei den GRÜNEN) Präsident Bernd Busemann: Vielen Dank, Herr Minister. Präsident Bernd Busemann: (Unruhe) Danke schön. - Herr Minister, bitte! - Meine Damen und Herren, ich bitte darum, die Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- Gespräche am Rande des Plenums entweder ein- wirtschaft und Verbraucherschutz: zustellen oder draußen fortzusetzen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt Es folgt jetzt Frau Julia Willie Hamburg. sicherlich eine Vielzahl von Gründen, warum Nie- dersachsen, was den Flächenumfang angeht, bis- Julia Willie Hamburg (GRÜNE): lang Schlusslicht in Deutschland war. Das kann Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! etwas damit zu tun haben, dass die Förderung Da ich vor ein paar Jahren bei Biobäckern und unter Schwarz-Gelb in den vergangenen Jahren auch in Reformhäuser keine oder nur wenige und sehr, sehr schwach war. Faktisch war es die ge- sehr teure Dinkelprodukte kaufen konnte, es meine ringste Förderung aller Bundesländer. Es lag viel- geliebten Brötchen nicht mehr gab und mir die leicht auch an der unzureichenden Projektförde- Biobäcker und Reformhäuser in dem Zusammen- rung. Vielleicht mangelte es auch an der Wert- hang mitteilten, dass es eine Dinkelkrise gibt, schätzung. (Ulf Thiele [CDU]: „Dinkelkrise“?!) Ein wichtiger Punkt sind aber auch die Boden- und Pachtpreise. Das sehen wir an der Korrelation in frage ich die Landesregierung, ob die Bauern hie- den Ländern, in denen die Boden- und Pachtpreise rauf mittlerweile reagiert haben und ob der Din- sehr hoch sind. Natürlich hat ein niedersächsischer kelanbau zugenommen hat, und zwar auch vor

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dem Hintergrund der Erhöhung der Nachfrage, von Ich freue mich aber auch, wenn es bei diesem der Sie ja gesprochen haben. hohen Niveau bleibt.

(Beifall bei den GRÜNEN) (Beifall bei den GRÜNEN - Ulf Thiele [CDU]: Meinen Sie das hohe Niveau Präsident Bernd Busemann: der Debatte?) Vielen Dank, Frau Kollegin. (Unruhe) Präsident Bernd Busemann: - Herr Minister, einen Moment, bitte! - Meine Da- Vielen Dank, Herr Minister. - Es folgt jetzt Kollege men und Herren, im Moment vor allem auf der Janßen. rechten Seite des Hauses: Die Geräuschkulisse ist (Jens Nacke [CDU]: Das Verteilen von so groß, dass selbst ich die Frage der Kollegin Dinkelmarken konnte verhindert wer- akustisch kaum verstehen konnte. Das kann ja den! - Weitere Zurufe von der CDU) wohl nicht richtig sein. - Noch einmal, liebe Kollegen: Ich bitte darum, hier (Jens Nacke [CDU]: Es ging um die Ruhe einkehren zu lassen; das macht sonst keinen Dinkelkrise! - Anhaltende Unruhe) Spaß. - Ich warte noch einen Moment. - Herr Minister, bitte sehr! Bitte, Herr Janßen.

Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): wirtschaft und Verbraucherschutz: Jetzt fällt mir dazu gerade nichts ein. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gab große Schlagzeilen, als es vor (Jens Nacke [CDU]: Was ist mit Pas- mehreren Jahren kaum noch Dinkel gab tinaken?) (Jens Nacke [CDU]: Schrecklich!) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage jetzt nicht nach Pastinaken, sondern vor dem und Reformhäuser und Biobäckereien das Prob- Hintergrund, dass ja die Genehmigung für Käfig- lem hatten, dass der Preis wegen kaum noch vor- haltung bei Eiern ausgelaufen ist, frage ich die handener Rohstoffe fast ins Unermessliche stieg. Landesregierung, wie sich die Entwicklung im (Jens Nacke [CDU]: Ich konnte nachts Bioeiermarkt in Niedersachsen darstellt. schon gar nicht mehr schlafen!) (Heiterkeit bei der CDU - Jörg Bode Das ist auch ein Grund dafür, dass wir einen ver- [FDP]: Haben wir auch eine Eierkrise?) mehrten Anbau von Produkten haben. Wie es na- türlich so ist: Wenn der Preis steigt, dann stellen - Nein, überhaupt nicht. Aber auch da gibt es eine die Landwirte um. Man kann es aber nicht herzau- hohe Nachfrage, und es ist halt die Frage, inwie- bern, und es dauert dann eben mehrere Jahre. Die weit Niedersachsen an dieser hohen Nachfrage gute Nachricht für alle Käuferinnen und Käufer von durch Anbau partizipiert. Das ist meine Frage, Herr Biodinkelbrötchen und anderen Biodinkelprodukten Bode. ist - für die Biobauern ist sie nicht ganz so gut, weil (Björn Thümler [CDU]: Eier baut man natürlich der Preis dann wieder fällt -: Wir haben doch nicht an! - Weitere Zurufe von letztes Jahr bei Biodinkel in Niedersachsen einen der CDU - Unruhe) Anbauzuwachs um 27 % auf 1 852 ha gehabt.

(Beifall bei den GRÜNEN) Präsident Bernd Busemann: Da ist dann die Reaktion, dass fast ein Drittel mehr Herr Minister, noch einmal einen Moment! - Ich Anbaufläche für Biodinkel geschaffen worden ist. sehe keinen Grund, warum es hier eine gewisse Der Preis ist jetzt nicht mehr ganz so hoch. Das Heiterkeit gibt. führt dazu, dass alle, die auf Biodinkelbrötchen oder Dinkel als Produkt setzen, wahrscheinlich (Björn Thümler [CDU]: Das finde ich ganz gute Angebote kriegen. auch gar nicht witzig!) (Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!) Bitte sehr!

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Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- Wir können froh sein, dass wir in diesem Bereich wirtschaft und Verbraucherschutz: wirklich eine Wende geschafft haben. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und (Beifall bei den GRÜNEN - Jens Na- Herren! Wir haben hier nicht nur mehr glückliche cke [CDU]: Ich hoffe nur, die Biolege- Hühner, sondern auch viele, viele glückliche Land- hennen fressen keinen Dinkel!) wirte und Erzeuger. Niedersachsen ist in den letz- ten dreieinhalb Jahren dieser rot-grünen Regie- Präsident Bernd Busemann: rung zum Bioeierproduzenten Nummer eins in Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatz- Deutschland geworden. Wir haben ein enormes frage stellte Kollegin Meta Janssen-Kucz. Bitte Wachstum in dem Bereich. Es sind zahlreiche sehr! Ställe entstanden. Wir haben jedes Jahr einen deutlichen Zuwachs. In diesem Jahr dürften wir (Zuruf von Helmut Dammann-Tamke fast 2 Millionen Biolegehennenplätze in Nieder- [CDU]) sachsen haben. Vor zwölf Jahren waren es noch 245 000. Von daher ist das ein enormes Wachs- - Herr Dammann-Tamke, möchten Sie bitte einen tum. Allein im letzten Jahr hatten wir einen Zu- Zettel abgeben? - Das ist einfacher. wachs um 250 000 Biolegehennenplätze in Nie- dersachsen, also um rund 15 %. Seit dem Regie- Meta Janssen-Kucz (GRÜNE): rungsantritt von Rot-Grün haben wir einen Zu- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die wachs von 1,45 Millionen auf jetzt mehr als 2 Milli- Landesregierung hat dargestellt, dass sie seit der onen zu verzeichnen. Das sind mehr als 40 %. Regierungsübernahme verstärkt den Biobereich fördert. Ich frage daher die Landesregierung: Wel- Der Marktanteil bei Bioeiern liegt mittlerweile bei che Fördermaßnahmen im Biobereich kommen fast 45 %. Das ist die Gruppe, bei der es den verstärkt zum Tragen? Welche Förderprogramme höchsten Umsatz gibt. Durch die Kennzeichnung, greifen? die eine rot-grüne Bundesregierung damals einge- führt hat und bei der zwischen Bio, Käfig, Boden, (Beifall bei den GRÜNEN) Freiland unterschieden werden muss, haben wir in dem Bereich eine besonders hohe Nachfrage nach Präsident Bernd Busemann: Bioprodukten. Bioeier sind also das Produkt, das in Danke schön. - Herr Minister, bitte sehr! Deutschland von allen Biolebensmitteln am meis- ten konsumiert wird, mit steigender Tendenz. Da- Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- von profitieren gerade unsere Betriebe. wirtschaft und Verbraucherschutz: Der Anteil der Biolegehennen liegt in Niedersach- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und sen jetzt bei 11 oder 12 %. Weil Bioeier deutlich Herren! Eine der wichtigsten Fördermaßnahmen ist mehr wert sind als z. B. Käfigeier, erzielt man mit natürlich die Prämie, mit der die Umwelt- und Tier- Bioeiern einen höheren Umsatz; ihr Anteil am Um- schutzleistung der Betriebe des ökologischen satz liegt 15 bis 20 %. Landbaus honoriert wird. Diese Prämie wird aus EU-Mitteln gezahlt. In unserem ELER-Programm (Zuruf von Helmut Dammann-Tamke haben wir sowohl die Fördersätze als auch die [CDU]) Fördersumme deutlich erhöht, weil wir von einem Das ist ein Erfolg dieser rot-grünen Landesregie- Wachstum in diesem Bereich ausgehen, um die rung. Ein solches Wachstum gab es weder zu Umweltleistungen dieser Betriebe besser zu hono- Zeiten der schwarz-gelben Landesregierung in rieren. Zurzeit liegt bei der EU-Kommission unser Niedersachsen noch in anderen Bundesländern. Antrag auf die dritte Stufe bei den Umstellungs- Dieser Erfolg zeigt, dass es sich lohnt, dass es und Beibehaltungsprämien; damit würde das bun- eine gute Investition in die Zukunft ist. desweite Maximum erreicht. 44 % der deutschen Bioeier kommen aus Nieder- Eine Umstellungsprämie wird in den ersten zwei sachsen. Ich habe nichts dagegen, wenn das Jahren gezahlt, wenn schon nach biologischen Wachstum bei Bioeiern - der Nachfrage entspre- Standards gearbeitet wird, die Ware aber noch chend - jedes Jahr 10 % beträgt. Zu stark sollte konventionell verkauft werden muss. Die Prämie das Wachstum natürlich nicht sein, damit die Prei- soll jetzt auf über 400 Euro pro Hektar Acker- oder se nicht fallen. Grünland steigen.

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Auch bei der Beibehaltungsprämie planen wir eine Ich glaube, in der vergangenen Woche hat das erhebliche Steigerung auf rund 270 Euro pro Hek- Forschungsministerium die ausgewählten Projekte tar. Diese Prämie fördert die dauerhafte Beibehal- mitgeteilt. Es sind sehr viele Projekte dabei, die tung des ökologischen Landbaus. Zu Zeiten Ihrer richtig z. B. in die Züchtung von Sorten für den Landesregierung betrug die Beibehaltungsprämie ökologischen Gemüse- und Obstbau oder von nur 137 Euro; wir haben sie also fast verdoppelt. Rassen für die Tierhaltung gehen. Es wird also mit erheblichen Forschungsmitteln dieser Bereich Ich will noch einmal betonen: Mit diesen Prämien gestärkt. Dabei wird ein besonderer Wert auf die werden die Umwelt- und Tierschutzleistungen ho- Praxisrelevanz gelegt. noriert. Durch die steigenden Boden- und Pacht- preise werden die Steigerungen allerdings ziemlich (Beifall bei den GRÜNEN) schnell aufgefressen. Also: 3 Millionen Euro Mittelvolumen, fünf neue Deshalb brauchen wir eine ganze Reihe von weite- Forschungsverbünde zum Thema nachhaltige ren Maßnahmen, um den ökologischen Landbau Agrarproduktion ausgewählt. In diesen Verbünden nach vorn zu bringen. arbeiten Hochschulen, außeruniversitäre For- Dazu gehören die Projekte des Kompetenzzent- schungsinstitute, Unternehmen und Verbände rums Ökolandbau Niedersachsen. Diese Einrich- zusammen. Die Wissenschaftliche Kommission tung wurde immer von allen Parteien mitgetragen Niedersachsen (WKN) hatte die eingereichten und gelobt. In diesem Zusammenhang danke ich Anträge begutachtet und die insgesamt sehr hohe dem Landtag dafür, dass er die Haushaltstitel für wissenschaftliche Qualität gelobt. das Zentrum immer wieder erheblich erhöht hat. „Wir stärken die landesweiten Forschungs- Mit diesem Mitteln stärken wir die Beratung von aktivitäten für eine moderne, innovative und Landwirten. Zurzeit gibt es ein Sonderprogramm nachhaltige Agrarproduktion. Damit leisten für Milchbauern, die auf Bio umsteigen wollen. Bei wir einen wichtigen Beitrag zur Agrarwen- dieser Beratung erfahren sie, was sie bei der Um- de." stellung beachten müssen. Des Weiteren laufen dort Projekte im Fleisch- und im Gemüsebereich. So die Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Gab- riele Heinen-Kljajić. Damit tun wir sehr viel auch im Wir haben immer wieder über das Wegwerfen Bereich Transfer. männlicher Küken diskutiert, das auch im Biobe- reich noch stattfindet. Aus Landesmitteln haben wir z. B. das Eiweißpro- (Ulf Thiele [CDU]: Was? Unglaublich!) jekt unterstützt. Der ökologische Landbau kann keine Gensoja für die Tiere importieren. Gerade er Wir sind nach meiner Kenntnis das einzige Bun- will daher Eiweißfutter selbst erzeugen. Auf der desland, das eine konzernunabhängige ökologi- Grünen Woche gab es letztes Jahr einen Stand, sche Tierzucht fördert. Da geht es z. B. darum, im an dem private Hühnerhalter gentechnikfreies Biobereich Zweinutzungshühner zu etablieren, Hühnerfutter aus Niedersachsen mitnehmen konn- deren männliche Küken nicht weggeworfen wer- ten, das im Rahmen dieses Projekts erzeugt wur- den. de. Es stärkt den ökologischen Landbau, dass wir Biobetriebe brauchen besondere Hühner- oder mehr Eiweißfuttermittel für die Geflügelmast zur auch Schweinerassen. Darauf zielt die geförderte Verfügung haben. ökologische Tierzucht ab. Von der Hochschule Wir unterstützen natürlich auch eine Reihe von Osnabrück und der Ökologischen Tierzucht GmbH Feldtagen und Forschungen. Wir unterstützen die werden Projekte durchgeführt, die der Züchtung Beratung von Tierhaltern, die umstellen wollen, von Legehennen- und Masthähnchenrassen die- und von Saatgutzüchtern. nen, die besser an die Bedingungen des ökologi- schen Landbaus angepasst sind. Mit dem Projekt Eiweißfuttermittel sind wir im Ge- Was mich sehr freut, ist, dass das Wissenschafts- flügelmast- und Legehennenbereich auf große ministerium in enger Abstimmung mit uns im Rah- Resonanz gestoßen. In diesem Jahr wurde es auf men der sogenannten Vorabmittel der VW-Stiftung dem Betrieb des Landwirtschaftskammerpräsiden- eine Ausschreibung zur nachhaltigen Agrarproduk- ten Schwetje vorgestellt. Auch er nimmt an diesem tion durchgeführt hat. Da haben wir 3 Millionen Projekt teil, das sowohl dem ökologischen als auch Euro für Projekte der Agrarwende reserviert. dem konventionellen Landbau dient.

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Immer wieder diskutiert wird die Frage des Flä- dass alles auf den Kopf gestellt werden müsste chenverbrauchs. Mit dem Landkreis Grafschaft und dass man das von Neuem anfangen müsste. Bentheim und dem Landvolk haben wir jetzt ein Der jetzige Kommissar hat das fortgesetzt. Modellprojekt gestartet. Dabei geht es darum, dass Es gab Bemühungen, dieses Projekt zu Fall zu die Kompensation für eine Straßenbau- oder sons- bringen. Leider hat Deutschland - anders als die tige Infrastrukturmaßnahme auch durch die Um- Niederlande - nicht gesagt, man soll das mal las- stellung von Flächen auf ökologischen Landbau sen. Jetzt wird seit drei Jahren verhandelt. erfolgen kann. Das Modellprojekt sollten Sie sich wirklich einmal anschauen. Durch das Projekt wer- Der Kommissionsvorschlag sieht z. B. vor, die den die Flächen nicht aus der Nutzung genom- Verantwortung für Dinge an den Ökolandwirt zu men, und es wird der ökologische Landbau ge- delegieren, für die er nichts kann. Bislang sehen stärkt. die Regeln vor, dass er keine Pflanzenschutzmittel Eine neue Maßnahme im Rahmen der EU-Förde- und keinen künstlichen Dünger verwenden darf. rung ist die Europäische Innovationspartnerschaft. Die EU-Kommission plant nun aber, zwei Grenz- Sie betrifft nicht nur den ökologischen Landbau. werte für schädliche Stoffe einzuführen. Dabei setzen wir auf Innovationen. Zwei Projekte Das kann aus meiner Sicht nicht sein. Wenn ein im Bereich des ökologischen Landbaus sind aus- Stoff schädlich ist, dann muss ein Grenzwert ein- gewählt worden und bekommen jetzt eine erhebli- gehalten werden. Im ökologischen Landbau kann che Förderung. aber kein strengerer Grenzwert für Schadstoffbe- Sie sehen: Auch durch eine ganze Reihe von lastungen gelten als im konventionellen Bereich. Maßnahmen in Ausbildung und Studium tragen wir Das führt vor allem zu etwas, wofür der Ökoland- dazu bei, dass sich der Trend bei den Verbrauche- wirt manchmal nichts kann. Kein Landwirt erzeugt rinnen und Verbrauchern auf die Landwirtschaft Dioxin - kein konventionell und kein ökologisch überträgt. Dieses Jahr haben wir Rekordzahlen bei arbeitender -, es ist aber ubiquitär vorhanden. der Umstellung auf ökologischen Landbau erreicht. Wenn man in einer bestimmten Region ist, in der Viele Leute haben Lust auf ökologischen Landbau. durch Industrieabgase Dioxin vorhanden ist, und Auf diesem Weg begleiten wird sie mit einer Viel- man einen Extrawert für Bioeier hätte - man also zahl von Maßnahmen. sagen würde, dass in Bioeiern weniger Dioxin sein muss als in anderen -, würde das zu einem Prob- (Beifall bei den GRÜNEN) lem führen. Denn ein Landwirt kann das nicht ge- währleisten. Das würde zu einer großen Unsicher- Präsident Bernd Busemann: heit führen.

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatz- Wir sind der Meinung, dass wir das honorieren, frage möchte die Kollegin Regina Asendorf, Bünd- was ein Landwirt macht und tut, nämlich eine bes- nis 90/Die Grünen, stellen. Bitte sehr! sere Tierhaltung und Gentechnikfreiheit zu ge- währleisten, die Standards einzuhalten sowie auf Regina Asendorf (GRÜNE): Pflanzenschutzmittel und künstliche Düngemittel Seit drei Jahren soll die EU-Ökoverordnung über- zu verzichten. arbeitet werden. Was ist eigentlich geplant? Die EU-Kommission will verschiedene Grenzwerte einführen. Welche Motive stehen dahinter? - Viel- Präsident Bernd Busemann: leicht kontrollieren bestimmte Regionen in Südeu- Danke schön. - Herr Minister! ropa nicht so gut auf Schadstoffe und wollen die guten Kontrollen, die wir in Niedersachsen ma- Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- chen, damit diskreditieren. Es darf nicht sein, dass wirtschaft und Verbraucherschutz: bestimmte Regionen - gerade Niedersachsen ge- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und hört dazu - aus dem Biosystem herausgekickt wer- Herren! Wir haben eine EU-Ökoverordnung, die den, weil man Biolandwirte für etwas verantwortlich europaeinheitlich die Kennzeichnung mit dem Bio- macht, wofür sie nichts können. Das sorgt für Ver- siegel regelt. Sie legt klare Standards fest, die unsicherung. europaweit gelten. Dann ist eine ganze Vielzahl von Spielregeln in der Leider hat der vorige EU-Agrarkommissar gesagt, Diskussion. Es gibt offenbar die Debatte, ob man dass eine Totalrevision gemacht werden müsste, im Ökobereich das Schnabelkürzen nicht wieder

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erlauben sollte. Diese Diskussion führt Frankreich. schaft ist Niedersachsen insbesondere überregio- Das ist eine tolle Debatte. Wir verbieten das gera- nal in der Vorreiterrolle? de im konventionellen Bereich. Einige Spielregeln werden gerade auf den Kopf gestellt. Deshalb Präsident Bernd Busemann: sagen die Agrarminister aller Länder - ob von der Danke schön. - Herr Minister, bitte! CDU, der CSU, der SPD oder den Grünen -: Bitte lasst die Ökoverordnung so, wie sie ist, sie hat sich bewährt! Man kann an kleinen Punkten etwas Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- nachsteuern, aber das kann man machen, indem wirtschaft und Verbraucherschutz: man bestimmte Begrifflichkeiten konkretisiert, z. B. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und definiert, was regionaler Anbau ist. 20 % des Fut- Herren! Ich habe gesagt, dass wir bei Bioeiern ters muss regional angebaut werden. In Deutsch- bundesweit vorn sind. Wir sind übrigens auch bei land haben wir die Auffassung, dass „regional“ Bioäpfeln bundesweit vorn. Ungefähr jeder dritte „Bundesland“, „Nachbarbundesland“ oder „Nach- Bioapfel in Deutschland kommt aus Niedersach- barprovinz“ heißt. Die Niederlande schreiben mir sen, mit steigender Tendenz. regelmäßig, „regionaler Anbau“ heißt „Mitglieds- staat der Europäischen Union“. Dazu gehören (Ulf Thiele [CDU]: Wir sind auch kon- meines Wissens auch Zypern und Rumänien. ventionell bundesweit vorn!)

(Heiterkeit bei den GRÜNEN) Wir haben das dank des Schulobstprogramms noch einmal richtig ausgeweitet. Da wäre eine Klarstellung notwendig. Aber dafür muss man die Verordnung nicht ändern, sondern Ich habe gesagt, wir haben Probleme in der Flä- man muss „regional“ definieren, damit wir gleiche che. Das ist richtig. Aber wir haben viele ganz tolle Wettbewerbsbedingungen für alle Tierhalterinnen führende Verarbeiterinnen und Verarbeiter aus und Tierhalter haben. Das sind Punkte in der Niedersachsen. Zwei davon haben gerade den Ökoverordnung, die wir diskutieren. deutschen Nachhaltigkeitspreis bekommen: das Unternehmen Lebensbaum aus Diepholz, das Wir haben auf der vergangenen Agrarministerkon- viele kennen, und die Bohlsener Mühle aus der ferenz beschlossen, dass das entweder unter der Region Uelzen. Den Preis haben sie für Vorbild- slowakischen Präsidentschaft bis Jahresende fertig lichkeit in dem Bereich bekommen. Wir verfügen werden muss - das Europäische Parlament hat ja bei der Verarbeitung über viele Marktführer. Da auch erhebliche Kritik geäußert - oder dass sich sind deutlich über dem Schnitt. Unsere Biounter- die Bundesregierung dafür einsetzen soll, dass nehmen, die Bioprodukte verarbeiten, haben mitt- diese Totalrevision der EU-Ökoverordnung zu- lerweile zweistellige Umsätze. Insgesamt sind rückgezogen wird, damit wir endlich wieder Pla- 1 300 Unternehmen bei uns beheimatet, die öko- nungssicherheit haben. logisch erzeugte Produkte verarbeiten und sich dafür habenlizensieren lassen. Da sind wir wirklich Denn wenn diese Standards so durchkommen, vorn. kann ich keinem Landwirt sagen, welche Stan- dards er in ein oder zwei Jahren einhalten muss. Ich war kürzlich erst wieder auf der BioNord. Dort Ich bin dafür, dass er das einhalten soll, was er spürt man gerade in Niedersachsen eine richtige einhalten kann, nämlich das, was er durch eigenes Aufbruchsstimmung bei den Unternehmen. Sie Verhalten beeinflussen kann. suchen weiterhin Landwirte, die umstellen. Die Molkereien wollen mehr Biomilch. Die Unterneh- (Beifall bei den GRÜNEN) men sagen: Wir wollen mehr Umsteller, wir wollen noch mehr Produkte aus Niedersachsen. Präsident Bernd Busemann: Der Bundesminister - jetzt lobe ich ihn mal - vergibt Danke schön, Herr Minister. - Die nächste Zusatz- ja immer einen Ökolandbaupreis der Bundesregie- frage kommt aus der SPD-Fraktion vom Abgeord- rung. Dieses Jahr ging er nach Niedersachsen an neten Uwe Strümpel. Bitte! einen Grünlandbetrieb von Herrn Wehmeyer im Harz sowie an einen Ökozüchter im Wendland, Uwe Strümpel (SPD): Herrn Müller. Den Bundespreis Ökologischer Land- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In wel- bau der Bundesregierung bekamen also zwei Tier- chen Bereichen der ökologischen Ernährungswirt- halter bzw. Pflanzenzüchter aus Niedersachsen im

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Biobereich. Das zeigt, dass Niedersachsen mitt- teilung gab - ich glaube, der FDP -, in der stand, lerweile sehr, sehr weit vorne ist. dass unter Schwarz-Gelb der Ökolandbauzuwachs sogar höher gewesen sei als jetzt unter Rot-Grün. Wie gesagt, bei Eiern beträgt der Anteil an der Vor zwei oder drei Jahren haben Sie so etwas deutschen Bioerzeugung 44 %, bei Äpfeln sind es behauptet. Dabei wissen Sie, dass da immer so 33 %; bei Kartoffeln beträgt der Anteil Niedersach- lange Perioden betrachtet werden. Ich habe ge- sens am bundesweiten Bioabsatz 25 %. Bei der sagt, dass sich das in diesem und auch schon im Milch wollen wir uns mindestens um 50 % steigern. letzten Jahr deutlich geändert hat. Die Ökoflächen Denn bei der Biomilch war der niedersächsische in Niedersachsen umfassten 2009 74 728 ha. Anteil sehr gering; da gibt es noch ein erhebliches 2010 gab es einen Rückgang um minus 428 ha auf Potenzial. Bislang kommen nur 6 % der Biomilch 74 300 ha. 2011 gab es einen weiteren Rück- aus Niedersachsen. Aus Bayern kommen über gang - das betrifft immer noch Ihre Regierungs- 52 %. Ich finde, die Biomilch, die wir in Nieder- zeit - um minus 993 ha oder minus 1,3 % auf sachsen konsumieren, können unsere Milchbäue- 73 307 ha. rinnen und Milchbauern auch selber erzeugen. (Zuruf von Helmut Dammann-Tamke (Zustimmung bei den GRÜNEN und [CDU]) bei der SPD) - Wollen Sie das jetzt selber vorlesen? Eigentlich Präsident Bernd Busemann: beantworte ich die Fragen. Danke, Herr Minister. - Es folgt Herr Kollege Sie- (Helmut Dammann-Tamke [CDU] hält bels, SPD-Fraktion. eine Broschüre hoch) - Es schmerzt ihn ja; ich weiß das. Wiard Siebels (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und 2012 hatten wir dann einen Zuwachs um 1 189 ha Herren! Ich frage die Landesregierung, wie sich auf 74 496 ha. Das war das letzte Jahr Ihrer Regie- der Ökolandbau in den vergangenen Jahren - ins- rungszeit. Da bahnte sich der Regierungswechsel besondere während der schwarz-gelben Regie- schon an und sind wahrscheinlich schon viele vo- rungszeit im Vergleich zur rot-grünen Regierungs- rauseilend umgestiegen. zeit - entwickelt hat. Ich bitte den Minister, diese (Heiterkeit und Zustimmung bei den Frage möglichst ausführlich zu beantworten. GRÜNEN und bei der SPD - Hermann (Heiterkeit und Zustimmung bei der Grupe [FDP]: Darüber muss er selber SPD und bei den GRÜNEN - Her- lachen!) mann Grupe [FDP]: Das habt ihr doch 2013 und 2014, in den ersten beiden Jahren unse- abgestimmt! - Reinhold Hilbers [CDU]: rer Regierungszeit, gab es erhebliche Rückgänge. Damit keine Fragen mehr gestellt Das war ein Prozess. Da waren es - - - werden können! - Frank Oesterhelweg [CDU]: Solche Fragen sind ja völlig (Zurufe von der CDU) überflüssig! - Weitere Zurufe von der CDU und von der FDP) Präsident Bernd Busemann: Herr Minister, einen Moment, bitte! - Liebe Leute, Präsident Bernd Busemann: bei aller Heiterkeit sollten wir eine gewisse Diszip- Herr Kollege, der Minister antwortet selbstver- lin wahren. Außerdem ist es so, dass die Abgeord- ständlich ausführlich. neten fragen und der Minister antwortet - nicht umgekehrt. Also alles der Reihe nach! - Herr Minis- (Frank Oesterhelweg [CDU]: Der Text ter! ist fertig! - Ulf Thiele [CDU]: Er trägt ständig aus derselben Broschüre vor, Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- die kann er auch verteilen!) wirtschaft und Verbraucherschutz: 2013 waren es also 72 574 ha. 2014 waren es Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- 71 296 ha. Das ist die Zahl, auf die Sie sich beru- wirtschaft und Verbraucherschutz: fen haben. Das war diese sehr bedauernswerte Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich Senkung. Die anderen konventionellen Preise erinnere mich daran, dass es mal eine Pressemit- waren sehr hoch. Deshalb haben wir die Förde-

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rung ja in drei Schritten angehoben. Das war wich- wachsen also die Biobetriebe. Das ist eine Bran- tig. che, die weiterhin wächst. Deshalb müssen wir uns natürlich um den konventionellen Bereich beson- Im letzten Jahr hatten wir seit Langem mal wieder ders kümmern, darum, dass es dort höhere Preise einen Zuwachs, nämlich auf 72 497 ha, also plus gibt. Denn mein Ziel ist nicht die Halbierung der 1 201 ha. Wenn man das mit Blick auf die Be- Betriebe, und wir wollen auch möglichst keine Hal- triebszahlen umrechnet, sind das ungefähr 10 ha bierung der Preise, wie es bei der Milch der Fall pro Betrieb; denn Biobetriebe sind weiterhin kleiner war, sondern wir wollen anständige Preise sowohl geworden. Und das ist die neue und schöne Bot- im konventionellen als auch im ökologischen Be- schaft, die ich Ihnen heute verkünden kann: Ich reich, damit wir unsere konventionellen und ökolo- habe eben gesagt, dass der maximale Zuwachs gischen Betriebe halten können. Aber um die kon- etwa 1 200 ha betrug. Wir rechnen damit, dass wir ventionellen Betriebe muss man sich wirklich Sor- in diesem Jahr um die 10 000 bzw. 11 000 ha Zu- gen machen, wenn sich die Ausrichtung auf „billig“ wachs in Niedersachsen erreichen und am Jah- so fortsetzt. resende vielleicht auf 80 000 ha kommen. (Beifall bei den GRÜNEN) (Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich habe Ihnen ja die Umsteller-Zahlen genannt. Präsident Bernd Busemann: Es kommt natürlich immer vor, dass sich noch jemand abmeldet. Aber ich rechne damit, dass wir Danke schön, Herr Minister. - Die nächste Zusatz- 2016 einen erheblichen Flächenzuwachs errei- frage kommt aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- chen. Dieser Zuwachs wäre dann deutlich höher, nen. Herr Kollege von Holtz, bitte! als er es jemals in Ihren Regierungszeiten war. Den höchsten Zuwachs gab es übrigens unter der Ottmar von Holtz (GRÜNE): SPD-Alleinregierung, als Renate Künast die Öko- Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister Meyer, landbauförderung 1999 bis 2003 eingeführt hat. Sie haben Anfang September den Aktionsplan Damals wurde auch das Biosiegel eingeführt. Na- Ökolandbau vorgestellt. Ich frage die Landesregie- türlich befinden wir uns immer in einem bundes- rung, wer daran beteiligt war. weiten Rahmen; das habe ich Ihnen geschildert. Sie sollten also nicht weiter an der Legende stri- Präsident Bernd Busemann: cken, Bio würde in Niedersachsen unter Rot-Grün Danke schön. - Herr Minister Meyer, Sie haben schrumpfen. Das Gegenteil ist der Fall. In Nieder- das Wort. Bitte! sachsen hat es in jedem Jahr mehr Betriebe gege- ben. Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- Wir diskutieren hier ja auch oft über das Höfester- wirtschaft und Verbraucherschutz: ben und den Strukturwandel. Dazu möchte ich Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und noch eine Zahl nennen, die in der Broschüre mit Herren! Wir haben den Fachbeirat zur Förderung den aktuellen Zahlen auch enthalten ist, die Sie des ökologischen Landbaus, wenn man so will, lobenswerterweise erwähnt haben. wiederbelebt; denn es gab ihn auch schon vorher. (Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Wir Vertreten sind darin u. a. die ALECO Biosuper- lesen sie sogar!) märkte, Studentenwerke, viele Bioobsterzeuger, die Bauckhöfe, eine Reihe von Biohöfen, die Ver- Darüber sollten Sie sich mal Gedanken machen; bände Demeter, Bioland, Naturland, aber auch denn wir haben ja gesagt, dass wir eine Vielfalt Vertriebe wie Gemüseabos, Abokisten, die Marke- von Betrieben wollen. Bei den konventionellen tinggesellschaft der niedersächsischen Land- und landwirtschaftlichen Betrieben gibt es von 2005 auf Ernährungswirtschaft, die Autostadt Wolfsburg, 2013 einen Rückgang um 13 000 Betriebe in Nie- aber auch Unternehmen, die konventionell und dersachsen - minus 25 %. Bei den Biobetrieben ökologisch arbeiten wie FRoSTA, Molkereien, eine gibt es in dem gleichen Zeitraum, in den letzten Reihe von Verarbeitern wie Lebensbaum, die Mol- zehn Jahren, eine Steigerung um 34 %. Das ist kerei Söbbeke, das Ökokontor. Insgesamt nehmen also ein umgekehrter Strukturwandel - mehr Be- 27 Vertreter aus Wirtschaft, Handel, Wissenschaft, triebe, mehr Arbeitsplätze pro Hektar, mehr Ein- Beratung, aus den Verbänden, der Landwirt- nahmen pro Produkt. Während leider das Höfe- schaftskammer und der Marketinggesellschaft teil. sterben im konventionellen Bereich weitergeht,

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Sie haben diesen Aktionsplan aufgestellt. Der ers- aber auch im Hinblick auf die Verbraucherwün- te Teil ist eine lange Bilanz aller Maßnahmen - sche. Diese Debatten werden dort auch sehr posi- keine Angst, ich lese sie Ihnen nicht vor -, die wir tiv geführt. schon ergriffen haben. Sie finden sie auf der ent- sprechenden Webseite. Dabei geht es um Ausbil- Ich freue mich sehr über die Unterstützung aus der dung, Fördermaßnahmen, einzelne Forschungs- Wirtschaft. Denn das ist ein richtiger Wirtschafts- projekte, aber z. B. auch um Kooperationen. Ich zweig geworden - vom Naturkostladen bis zu den habe mich oft darüber geärgert, wenn ich im Su- Supermärkten. Das ist die Wachstumschance im permarkt war, dass so viele Biokartoffeln aus Lebensmittelbereich. Wenn wir als führendes Ägypten kommen. Denn wir sind schließlich füh- Agrarland einen immer höheren Anstieg der Um- rendes Kartoffelland; dann könnten die doch auch sätze in diesem Bereich hinkriegen, dann haben aus Niedersachsen kommen. wir auch immer mehr Wertschöpfung in diesem Bereich. Wir machen deshalb Kooperationen z. B. mit Un- ternehmen wie Edeka, aber auch mit anderen und (Beifall bei den GRÜNEN) sagen gemeinsam: Bio und regional gehört zu- sammen. Auf der BioNord ist z. B. eine neue Präsident Bernd Busemann: Kennzeichnungskarte vorgestellt worden, auf der Danke schön, Herr Minister. - Meine Damen und man sehen kann, wo bio und regional zusammen- Herren, jetzt folgt wiederum aus der Fraktion fällt und wie die Absätze sind. Wir haben das „100- Bündnis 90/Die Grünen die nächste Frage, und Kantinen-Programm“ mit der Marketinggesellschaft zwar von Herrn Kollegen Heere. Bitte! aufgelegt. Ich kann Ihnen jetzt zwei Kantinen in Hannover und eine in Oldenburg empfehlen; das Gerald Heere (GRÜNE): sind die drei Preisträger, die die Marketinggesell- schaft kürzlich in Hannover vorgestellt hat. Eine Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehr- davon war, glaube ich, die Bahlsen-Kantine in ten Damen und Herren! Als Braunschweiger habe Hannover; eine andere war die Kantine der Lan- ich die Bedeutung des Zuckerrübenanbaus für dessparkasse in Oldenburg. Diese setzen vorbild- Niedersachsen besonders vor Augen. Diesbezüg- lich nicht nur auf Bio, sondern auch auf regionale lich würde ich gerne wissen, wie sich die ökolo- Produkte, auf das Projekt KlimaTeller, auf Nach- gisch bewirtschaftete Fläche in 2016 im Vergleich haltigkeit und vor allem auf Kontakt und Bezug zum Vorjahr entwickelt hat. zum Landwirt. Gerade auch in der Außerhausver- Vielen Dank. pflegung der Kantinen ist also sehr viel Potenzial enthalten. Darum geht es. (Zustimmung bei den GRÜNEN) Im zweiten Teil des Aktionsplans haben wir darge- stellt, was noch zu tun ist, wo Probleme sind und Präsident Bernd Busemann: wie wir es erreichen können, dass die wachsende Danke, Herr Kollege. - Herr Minister Meyer, bitte Verbrauchernachfrage möglichst mit Produkten sehr! aus Niedersachsen befriedigt wird. Dabei geht es um Fragen, wie man an Flächen kommt, um ein- (Hermann Grupe [FDP]: Das Heft ha- zelne Fördermaßnahmen und vor allem um For- ben wir auch! - Ulf Thiele [CDU]: Der schung und Entwicklung in diesem Bereich. Denn liest schon die ganze Zeit aus dem wenn etwas nur einen kleinen Anteil hat, dann wird Heft vor!) natürlich nicht so in Biosaatgut investiert, wie es vielleicht in einem großen Bereich der Fall ist. Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz: Die Verbände haben sich auch zum Baurecht ge- äußert, zu den Themen. Auch die Ökoverbände Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nein, sind übrigens im interministeriellen Arbeitskreis für die Frage ist ja - - - die moderne Tierhaltung vertreten, die wir entwi- ckeln, weil natürlich ein Biostall ein anderer Stall ist Präsident Bernd Busemann: als ein Normstall. Man muss natürlich gucken, wie Herr Minister, ein Moment! Bitte keine Zwiegesprä- die Schweinehaltung auf Stroh im Außenbereich che, Herr Grupe und Herr Thiele - und wen das zu bewerten ist. Da gibt es Konflikte in der Abwä- sonst noch angeht! gung zwischen Tierwohl und Umweltemissionen,

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Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- Thomas Schremmer (GRÜNE): wirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Der Kollege Grupe schätzt mich Es ist doch schön, dass wir ein Wachstum bei allen völlig falsch ein. Es ist doch völlig klar, welche wichtigen Kulturen auch im Ökoackerbau haben. Frage jetzt kommt. Wir haben hier viel über die Tierhaltung geredet. (Heiterkeit) Es ist schön, dass es auch dort vorangeht, nicht nur bei Kartoffeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hanf ist eine viel- seitige Pflanze, Bei Zuckerrüben waren wir zugegebenermaßen (Heiterkeit und Zustimmung bei den auf einem sehr, sehr niedrigen Niveau. Wir hatten GRÜNEN und bei der FPD) bislang nur 18 ha Biozuckerrübenanbau. 2016 haben wir jetzt eine Steigerung auf 83 ha, also Übrigens im Gegensatz zu Tabak und Hopfen, die plus 65 ha. Wenn man das ausrechnet, beträgt meistens nur für einen Zweck angebaut werden. das Plus 352 %. Das ist noch auf einem sehr nied- Deswegen möchte ich persönlich auch aus sehr rigen Niveau, aber es zeigt vielleicht auch im Hin- großem Interesse von der Landesregierung wis- blick auf den Ausstieg aus der Zuckerquote - wir sen - der Anbau von Nutzhanf ist ja seit Längerem haben im Zuckerbereich ja noch Mindestpreise -, wieder zugelassen -, wie sich der Anbau von Bio- dass das vielleicht auch ein Potenzial ist. Denn Sie hanf, sofern es ihn in Niedersachsen überhaupt wissen, auch bei Süßigkeiten im Biobereich wird gibt, man Zucker brauchen. Da muss auch nicht immer (Jörg Bode [FDP]: Doch, gibt es!) der Biorohrzucker importiert werden. entwickelt hat. Auch hier ist es sinnvoll, dass wir für die Rüben- bauern im Biobereich gerade in Ostniedersachsen (Beifall bei den GRÜNEN - Unruhe) Perspektiven bieten. Ein Anstieg um 352 % in ei- nem Jahr ist enorm. Das zeigt, dass wir dort viel- Präsident Bernd Busemann: leicht auch eine funktionierende Struktur aufbauen Danke schön, Herr Kollege. - Nur wenn Ruhe müssen. Denn ganz wichtig ist immer: Wir brau- herrscht, wird die Landesregierung antworten. chen auch einen Verarbeiter, der das macht, der (Zurufe - Anhaltende Unruhe) nicht nur eine kleine Menge nimmt. Man braucht eine Vielzahl von Betrieben, wie das im Getreide- - Herr Dammann-Tamke, hier sind wir! bau z. B. mit der Bohlsener Mühle der Fall ist, wie Herr Minister, bitte! man das bei Kartoffeln hat. Dort gibt es eine Viel- zahl von Erzeugern und auch eine große Menge, Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- die gemeinsam vermarktet werden kann. Es wird wirtschaft und Verbraucherschutz: wichtig sein, solche Strukturen immer wieder auf- zubauen. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das weiß man ja geschichtlich: Nieder- (Beifall bei den GRÜNEN) sachsen ist sehr gut geeignet für Hanfanbau. His- torisch gesehen weiß man, dass für die Nutzung Präsident Bernd Busemann: von Hanf für vielfältige Produkte die sehr, sehr guten Böden gut geeignet sind. Hanf ist übrigens Vielen Dank, Herr Minister. - Sind Ihnen, liebe eine Pflanze, die so gut wie kaum Pestizide Kolleginnen und Kollegen, die Zettel für die Wort- braucht. Sie wuchert sehr viel über. meldungen ausgegangen? - Herr Grupe? Das ist also eine sehr natürlich, nah angebaute (Jörg Bode [FDP]: Was wir fragen Pflanze, die auch kaum Düngung braucht. Sie ist würden, kann er nicht beantworten!) vielseitig verwendbar: für Kleidung, für Lebensmit- Ich glaube, wir wissen doch, wie das hier zugeht. - tel usw. Deshalb ist es gut, dass Nutzhanf seit Die nächste Frage stellt Herr Thomas Schremmer - Längerem wieder zugelassen ist. und nur der. Wenn Hanf in Biokleidung, in Lebensmitteln ver- wendet wird, wird natürlich auch auf Bio geachtet. (Zuruf von Hermann Grupe [FDP] - Deshalb gibt es natürlich auch einen Biohanfanbau Zurufe: Frag mal nach Rhabarber! - in Niedersachsen. Denn gerade diese Konsumen- Heiterkeit) ten wollen Hanfschokolade oder einen Hanfpullo-

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ver haben. Ich kenne auch Feuerwehren, die (Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Hanfseile haben; die wollen das möglicherweise in Seite 7 des Heftes! Das ist doch lä- Bioqualität. Der Hanfanbau in Niedersachsen hat cherlich!) sich im letzten Jahr um 253 % gesteigert. (Zuruf von den GRÜNEN: Bravo! - Zu- Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- ruf von Christian Dürr [FDP]) wirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und - Biohanf! Die Zahlen über den Anbau des anderen Herren! Wir haben eine sehr unterschiedliche habe ich jetzt nicht dabei. Die Fläche beträgt Struktur. Wir haben Kreise, die über 10 % der Flä- 79 ha. Da ist also noch Potenzial nach oben. Da ist che ökologisch bewirtschaften. Sie liegen überwie- noch einiges drin. Aber das zeigt auch, dass wir gend im Nordosten. Das sind Landkreise wie das auch im Biohanfanbau - ich will jetzt nicht sagen, Wendland, der Heidekreis. Lüneburg liegt bei dass wir Biohanfanbau Land Nummer eins sind; 8,4 % der Fläche. Aber auch ein Landkreis wie ich weiß es nicht; Osterholz liegt deutlich über dem Schnitt, während (Björn Thümler [CDU]: Ja, kann man wir gerade in Westniedersachsen, wo auch die behaupten!) Bodenpreise am höchsten sind, eher niedrige Wer- das müsste man einmal untersuchen - erfolgreich te haben. sind. Auf jeden Fall ist das genauso wie bei Raps, Frau Kollegin Polat, im Osnabrücker Land haben wie bei Sonnenblumen, wie bei Weißem Senf, wie wir einen Flächenanteil von 1,8 %. Das liegt unter bei anderen Ölpflanzen eine ganz wichtige Per- dem Schnitt, ist aber für Weser-Ems, gegenüber spektive. Deshalb ist es gut, dass es Bio- und kon- Cloppenburg und Vechta, die leider unter 1 % lie- ventionellen Hanfanbau gibt. Auch bei mir in der gen, zumindest nicht ganz so schlecht. Die Zahl Region gibt es Nutzhanfanbau. Ich glaube, das ist der Betriebe müsste man Ihnen gegebenenfalls ein sehr wichtiger Wirtschaftszweig, da man Hanf noch nachreichen. Auch dort gibt es eine Vertei- vielseitig nutzen kann. Wie gesagt, Hanf ist wirklich lung. In Ihrem Bereich sind aber sehr viele Betrie- eine sehr nachhaltige Pflanze. be; denn sie haben einen großen Anteil bei den (Beifall bei den GRÜNEN) Biolegehennen. Das große Wachstum im Segment der Biolege- Präsident Bernd Busemann: hennen findet vor allem in drei Landkreisen statt: Danke schön, Herr Minister. - Es sind noch ein Grafschaft Bentheim, Osnabrück-Land und Ems- paar Fragen angemeldet worden. Ich will aber land. Dort sind die meisten Biolegehennenställe. insbesondere die beteiligten Ministerien darauf Die Ursache ist, dass diese Betriebe wenig Fläche hinweisen, dass die Frage 2 zum Zulassungsver- brauchen. Das Huhn selbst kriegt zwar viel Fläche. bot für Pkw mit Benzin- und Dieselmotoren und die Mit dem Flächenverbrauch dieser Betriebe verhält nachfolgenden Fragen zu DITIB und zur Pflegeein- es sich aber anders, als wenn man einen breitflä- richtung „Haus der Heimat“ nicht mehr aufgerufen chigen Ackerbau oder Getreidebau betreibt. Des- werden. Die Vertreterinnen und Vertreter der betei- halb kann man das auch in Landkreisen mit sehr ligten Ministerien können also ihren originären hohen Bodenpreisen, wie Osnabrück-Land, sehr Tätigkeiten nachgehen. gut machen. Deshalb gibt es in Ihrem Bereich sehr Wir setzen jetzt fort. Die nächste Zusatzfrage stellt viele Hühnermobile und ein Wachstum der Biobe- die Kollegin Filiz Polat. Bitte sehr! triebe, vor allem bei Legehennen. Ich glaube, dass das im Landkreis Osnabrück ein Filiz Polat (GRÜNE): ganz gutes Potenzial hat. Denn man darf Folgen- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und des nicht vergessen: Es sind Betriebe, die flä- Herren! Ich würde gerne wissen, in welchen Regi- chenarm sind, aber sehr spezialisiert sind, wie onen in Niedersachsen sich der Ökolandbau be- Gemüsebau und Obstbau. Ich nenne das Alte sonders stark entwickelt hat. Mich interessiert na- Land. Wir sind mittlerweile die führende Obstbau- türlich insbesondere die Region bzw. der Landkreis region in Deutschland geworden, wenn nicht sogar Osnabrück. in Europa. Da haben wir bessere Potenziale. Des- halb sind wir in der Biotierhaltung und auch im Präsident Bernd Busemann: Bioobst- und -gemüsebereich vorn, während alles, Danke schön. - Herr Minister, bitte sehr! was viel Fläche braucht, wie Ackerbau und Getrei-

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de, in Ländern, in denen es günstigere Bodenprei- wir dort oben im Nordwesten nicht nur eine, son- se gibt, oder in Ländern mit niedrigen Lohnkosten, dern wahrscheinlich sogar zwei Biomolkereien. wie Rumänien oder Bulgarien, deutlich bessere Potenziale hat. Die Molkerei Ammerland als zweitgrößte Molkerei hat, was mich sehr gefreut hat, ihre Zulieferbetrie- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der be gefragt, ob sie auf Bio umsteigen wollen. Viele SPD) sind interessiert. Wir begleiten das. Das ist ein riesiger Markt. Die Molkerei hat sich entschieden, Präsident Bernd Busemann: in der Stadt Oldenburg eine Molkerei auf Bio um- Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatz- zustellen. Das wird sozusagen die Zentrale. Des- frage stellt Herr Kollege Janßen, Bündnis 90/Die halb werden wir in zwei Jahren, höchstens andert- Grünen. Bitte sehr! halb Jahren oder sogar schon in einem Jahr erst- malig von diesen Betrieben Biomilch aus Nieder- sachsen haben. Die Molkerei rechnet mit einer Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): Kapazität von 30 Millionen l zusätzlich. Von den 54 Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die neuen Milchviehbetrieben werden ungefähr 45 ihre Molkerei Ammerland hat angekündigt, eine eigene Milch an die Molkerei Ammerland liefern. Ein paar Bioschiene aufzumachen. Welche Auswirkungen liefern auch zum Hamfelder Hof in Schleswig- auf die Biomilchproduktion erwartet die Landesre- Holstein oder bleiben bei der Lilienthaler Hofmolke- gierung in Niedersachsen? rei Dehlwes, die es schon gibt. Das sind dann drei (Miriam Staudte [GRÜNE]: Mehr!) Betriebe. Manche wollen sogar selber vermarkten. Bislang liegt der Anteil der Biomilch an der Ge- Präsident Bernd Busemann: samtmilchmenge bei unter 1 %. Der Bundesschnitt Danke schön. - Herr Minister Meyer möchte ant- liegt bei 2,3 %. Deshalb haben wir ein großes worten. Bitte! Wachstumspotenzial. Ich höre aus dem Süden, aus Bayern, den Niederlanden und von den Dänen (Zurufe von Helmut Dammann-Tamke immer Stimmen, wonach Niedersachsen nicht so [CDU]) viel Biomilch produzieren soll. Ich sage dazu im- mer: Noch werden 30 % der Biomilch und des Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- Biokäses, der in Deutschland verzehrt wird, impor- wirtschaft und Verbraucherschutz: tiert. Das kommt aus Dänemark, aus den Nieder- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und landen etc. Herren! Herr Dammann-Tamke, ich glaube, Sie sind nicht Minister. Wir haben kurze Wege. Unsere Bauern können Milcherzeugung sehr gut. Ich glaube, die anderen (Hermann Grupe [FDP]: Das wäre haben Angst vor der guten, hoch qualitativen Bio- aber eine gute Idee!) milch, die wir in Niedersachsen bald erzeugen werden. Denn man muss hier in unseren Super- Sie antworten aber immer auf alles. Vor allem ant- märkten nicht Biomilch aus Bayern - ich nenne die worten Sie auch noch falsch. Marken jetzt bewusst nicht - kaufen, sondern man (Zurufe von der CDU) wird ab dem nächsten Jahr eine schöne Alternative haben, Biomilch aus Niedersachsen zu kaufen. In der von Ihnen zitierten Broschüre des Ökokom- Diese Milch wird wahrscheinlich - so sagt es die petenzzentrums wird sehr positiv dargelegt, dass Molkerei Ammerland - sogar einen Bioland- die Biomilchmenge aus Niedersachsen um 50 % Standard haben, also von einer Qualität sein, die ansteigen wird. Ich habe Ihnen vorhin gesagt, wie über dem EU-Standard für Bio liegt. Dann wird ein gering die Anteile von Biomilch aus Niedersachsen richtig schönes Wachstum dieser Betriebe erfolgen bislang waren. Das liegt vor allem daran, weil viel und wird der steigenden Verbrauchernachfrage Biomilch, die in Niedersachsen erzeugt wurde, in entsprochen werden. andere Bundesländer gefahren worden ist, weil Niedersachsen keine größeren Molkereistrukturen Wenn wir den Bayern dadurch mal wieder ein paar hatte. Biobauern aus Ostfriesland mussten also Marktanteile abjagen, ist das vielleicht auch ganz nach Söbbeke in Nordrhein-Westfalen liefern, und richtig; denn dann bleibt auch das Geld hier. Denn die Bauern aus dem Wendland lieferten zur Glä- Sie wissen, dass der Preis für Biomilch immer sernen Molkerei nach Brandenburg. Jetzt kriegen noch bei 48 oder 49 Cent pro Liter liegt, während

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sich der Preis für konventionell erzeugte Milch täre der Länder Niedersachsen, Schleswig-Hol- gerade mal wieder in Richtung 30 Cent bewegt. stein, Baden-Württemberg, Hessen - ich glaube, Man kriegt also pro Liter Milch auch eine höhere auch Rheinland-Pfalz war dabei -, Bremen etc. an Wertschöpfung im ländlichen Raum. Das ist etwas, den Bund gibt, in dem sie klar gesagt haben, dass was direkt bei den Betrieben ankommen muss. so etwas aus ihrer Sicht dem Gentechnikgesetz und den Gentechnikrichtlinien der EU unterfalle, (Beifall bei den GRÜNEN und bei der weil das aus ihrer Sicht Gentechnik sei und des- SPD) halb auch den entsprechenden Regeln unterfallen müsse. Präsident Bernd Busemann: Danke schön, Herr Minister. - Die nächste Zusatz- (Miriam Staudte [GRÜNE]: Ganz ge- frage kommt aus der CDU-Fraktion. Herr Kollege nau!) Dammann-Tamke, auf geht’s! Die Bundesregierung äußert sich dazu leider noch nicht so eindeutig. Helmut Dammann-Tamke (CDU): (Miriam Staudte [GRÜNE]: Wie im- Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie mer!) sind in Ihren Ausführungen auf das Thema GVO und den Vorstoß des Bundesministers zu diesem Die EU-Kommission prüft, worum es sich dabei Thema eingegangen. Vor dem Hintergrund, dass handelt. Aus meiner Sicht wäre es auch für den Sie auch erwähnt haben, dass es neue Methoden ökologischen Landbau sehr gefährlich, wenn man gibt, beispielsweise CRISPR/Cas, die in diesem damit sozusagen Gentechnik durch die Hintertür Bereich eine Grauzone beschreiten, da nichts zulassen würde. Im Bundesratsbeschluss haben Neues in die Zellen eingeführt wird, sondern ledig- wir deshalb einen Vorschlag zum Opt-out gemacht. lich eine Veränderung in der vorhandenen Zelle Es gibt die klare Aussage, dass wir keinen Gen- vorgenommen wird, frage ich die Landesregierung, technikanbau wollen. Ich bin sehr froh, dass die ob sie solche neuen Gentechnikmethoden, die SPD-Bundestagsfraktion in der vergangenen Wo- keine klare Veränderung der Zelle im Sinne des che in der Debatte zum Gesetzentwurf von Bun- Einbringens neuen Materials beinhalten, ablehnt desminister Schmidt, den Sie erwähnt haben und und wie sie die Biobetriebe davor schützen will, da der mit der Bundesumweltministerin noch nicht diese Methode bekanntlich nicht nachweisbar ist. abgestimmt ist, klar gesagt hat, dass dieser Ge- setzentwurf so nicht verabschiedet werden kann (Beifall bei der CDU - Miriam Staudte und dass das Ziel bundesweite Anbauverbote sein [GRÜNE]: Wenn man etwas von müssen. Sie dagegen wollen diese Gentechnikme- Ihnen aus der DNA herausschneidet, thoden jetzt anscheinend zulassen. sind Sie auch ein anderer Mensch! - Zuruf von der CDU: Eine sehr gute (Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Es Frage!) geht darum, dass das nicht nachweis- bar ist!) Präsident Bernd Busemann: Es geht um die Frage, ob das Gentechnik ist oder Herr Minister Meyer, bitte sehr! nicht. Unsere Position dazu ist ganz klar: Das ist Gentechnik! Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- (Beifall bei den GRÜNEN) wirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Präsident Bernd Busemann: Herren! Vielleicht war die Einführung, die ich vorhin Vielen Dank, Herr Minister. - Zu einer weiteren auf die Anfrage gegeben habe, zu kurz. Zusatzfrage hat sich soeben Herr Grupe gemeldet. (Björn Thümler [CDU]: Das wahr- Bleiben Sie gleich hier vorne! Sie sind schon dran! scheinlich auch!) Das war sozusagen eine Last-minute-Meldung. Als ich zum Thema Gentechnik ausgeführt habe, (Heiterkeit) habe ich erwähnt, was wir zur Thematik dieser neuen Züchtungstechnologien - CRISPR etc. - Hermann Grupe (FDP): sagen. Ich habe darauf verwiesen, dass es einen Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie Brief der Umwelt- und Landwirtschaftsstaatssekre- haben ausgeführt, dass es Ihr Ziel ist, im Jahr

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2025 92 % konventionelle Landwirtschaft in Nie- müssen. „Bio“ und „regional“ gehören doch zu- dersachsen zu haben. Vor dem Hintergrund, dass sammen. das bedeutet, dass Sie dann den Anteil des Bio- landbaus auf 8 % verdoppeln müssten, frage ich (Zustimmung bei den GRÜNEN) Sie: Wie begegnen Sie der großen Sorge der Bio- Deshalb mache ich mir überhaupt keine Sorgen, betriebe, dass dann das Angebot die Nachfrage dass wir in Niedersachsen ein Überangebot an deutlich überschreiten kann? Sie haben ja ausge- Bioanbau bekommen. Dafür sind die Pachtpreise führt, dass sich der Preis am Milchmarkt für Biobe- nun auch wirklich zu hoch. Das lohnt sich nur bei triebe bei über 40 Cent gehalten hat - was uns besonderer Förderung und in besonderen Berei- sehr freut -, weil die Nachfrage größer als die sehr chen. Wir haben bei unseren Bioprodukten auf- geringe Produktion war. Wie begegnen Sie der grund der guten Kontrollen sogar hohe Exportpo- Sorge, dass dann die Preise im Biomarkt sehr tenziale, und auf Kontrollen legen ja viele sehr stark nachgeben werden? großen Wert. Von daher mache ich mir nicht so (Beifall bei der FDP und bei der CDU) sehr Sorgen darüber, dass der Biomarkt über- schwemmt wird, sondern eher darüber, dass wir die Nachfrage nicht bedienen können. Präsident Bernd Busemann: Danke schön. - Herr Minister, bitte sehr! Die Supermärkte, die Handelsunternehmen, die Verarbeiter und die kleinen Bioläden sagen hände- Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- ringend, sie brauchten mehr Bioprodukte, sie könn- wirtschaft und Verbraucherschutz: ten noch viel mehr verkaufen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder Wir müssen die Kette vom Erzeuger bis zum Han- ein bisschen Marktwirtschaft - ich habe ja Volks- del gemeinsam in Einklang bringen. Aber dazu wirtschaft studiert. gehört natürlich auch, dass sich ein Supermarkt verpflichtet, die Ernte auch dann zu einem be- Momentan wächst die Nachfrage nach Bioproduk- stimmten Preis abzunehmen, wenn sie einmal ten in Deutschland stärker als das Angebot. Auch nicht so gut ist. Der Handel muss sich auf langfris- im letzten Jahr und im vorletzten Jahr betrug der tige Vertragsabschlüsse einlassen, damit die Bio- Mengenzuwachs bei den Biolebensmitteln bei den betrieb mehr Planungssicherheit haben. Wir arbei- Verbrauchern 10 bis 11 %. Dieser Zuwachs ist seit ten mit der Wirtschaft zusammen, damit das funk- Jahren konstant. Es gibt keinen Abbruch dieses tioniert. Booms. Jedes Jahr werden ungefähr 10 % mehr Bio nachgefragt. Das ist zwar je nach Sparte ver- (Beifall bei den GRÜNEN) schieden, aber eigentlich hat man überall, sowohl bei Biomilch als auch bei Bioeiern oder Biokartof- Präsident Bernd Busemann: feln, einen Wachstumstrend. Bei dem einen Le- Vielen Dank, Herr Minister. - Es folgt noch einmal bensmittel ist er mal etwas höher und bei dem Kollege Hermann Grupe. anderen mal etwas geringer. Das ist so wie mit dem Dinkel, über den ich vorhin berichtet habe. Dort schwankt der Wert manchmal. Hermann Grupe (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, weil Diesen starken Anstieg um 10 bis 11 % in jedem Sie meine Frage nicht beantwortet haben, versu- Jahr gibt es seit Jahren ohne jeglichen Einbruch che ich es mit einer anderen. Sie haben von in- und unabhängig von Wirtschaftskrisen oder finan- dustrieller Massenproduktion gesprochen und da- ziellen Situationen. Obwohl die Fläche des ökolo- von, dass Sie im Gegensatz dazu den Biolandbau gischen Landbaus im vergangenen Jahr in Nieder- fördern wollen. Vor dem Hintergrund, dass es auch sachsen um 1 200 ha und auch im Bund ganz im Biobereich sehr gut strukturierte große Betriebe leicht gestiegen ist, wurde wieder mehr importiert. mit Zigtausenden von Tieren gibt - die Ihrer Defini- Wir sind unterversorgt. Wir sind bei Bioeiern unter- tion von industrieller Massentierhaltung mit Sicher- versorgt, und wir sind bei Biomilch unterversorgt. heit entsprechen -, frage ich Sie: Werden Sie diese Deshalb gibt es aus meiner Sicht ein erhebliches Biobetriebe mit Ihrer Polemik genauso verfolgen Potenzial, hier mehr Produkte zu erzeugen. Es wie die konventionellen Betriebe? kann doch nicht sein, dass wir die Biokartoffeln aus (Beifall bei der FDP) Neuseeland, Südamerika oder Südafrika einfliegen

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Präsident Bernd Busemann: draufsteht, muss auch „bio“ drin sein. Wir sorgen für Vertrauen und Akzeptanz. Danke schön. - Herr Minister, bitte sehr! Wir sollten also nicht anfangen, konventionell ge- Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- gen bio auszuspielen; denn beiden haben eine wirtschaft und Verbraucherschutz: Chance und eine Perspektive in Niedersachsen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das mit (Beifall bei den GRÜNEN - Hermann der Polemik weise ich zurück. Wir wollen in beiden Grupe [FDP]: Das hat er von mir ab- Bereichen die bäuerlichen Familienbetriebe schüt- geschrieben! Das geht doch nicht! Der zen und keine großen anonymen Agrarkonzerne. kann doch nicht einfach meine Sätze So steht es im Koalitionsvertrag, und eigentlich nachlabern!) dachte ich auch, dass das unser gemeinsames Ziel ist. Selbst das Landvolk grenzt sich in einem Präsident Bernd Busemann: Positionspapier von solchen fremd- bzw. investor- Vielen Dank, Herr Minister. - Kollege Dammann- gesteuerten Betrieben ab. Das gilt für bio genauso Tamke, Sie sind der Nächste. Bitte! wie für konventionell.

(Beifall bei den GRÜNEN) Helmut Dammann-Tamke (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, ich Ich habe vorhin gesagt, ich mache mir sogar Sor- habe die gleiche Vorlage wie wir alle. gen, dass die Biobetriebe kleiner werden. Die An- zahl der Betriebe wächst Jahr um Jahr, aber ihre (Hermann Grupe [FDP]: Wer lesen Größe sinkt. Ich meine, wir liegen beim Biobetrieb kann, ist klar im Vorteil!) jetzt zwischen 45 bis 50 ha. Wenn Pachtverträge Ich werde nicht auf die Seite 1 eingehen, in der die auslaufen, bietet einer, der Mais für eine Biogasan- Geschäftsführerin des KÖN selbst davor warnt, lage erzeugen will, eben mehr als einer, der Bio- dass der Biomilchmarkt im Moment zu stark auf- kartoffeln oder Bioweizen anbauen möchte. Auch wächst, sondern ich habe eine Frage bezüglich der da benötigen wir sicherlich ein gesundes Wachs- Seite 11, und zwar vor dem Hintergrund Ihrer Wor- tum. Wir benötigen aber auch kleine Betriebe. te von vorhin, dass man bio nicht gegen konventi- Wenn man 3 000 oder 6 000 Legehennen hat, onell ausspielen solle. Ein wesentlicher Kritikpunkt kann man davon leben. Die Bioverordnung enthält an der konventionellen Tierhaltung ist ja immer Obergrenzen - aus Verbrauchergründen. Diese wieder, dass die wesentliche Grundlage der Ei- Obergrenzen sind konsentiert. Danach sollen nicht weißversorgung in Form von Soja importiert wer- mehr als 3 000 Biotiere pro Stall gehalten werden. den muss. In dem Zusammenhang frage ich Sie: Diese Regeln entsprechen sowohl den Bedürfnis- Wie viel Prozent der Eiweißfuttermittel können die sen der Tiere als auch denen der Verbraucher. niedersächsischen Biobetriebe nach gegenwärti- Viele Verbände haben solche Obergrenzen: Neu- gem Stand selbst erzeugen? - Die Antwort ist für land - auch wenn die nicht bio sind -, Bioland, De- uns deshalb besonders interessant, weil Sie wäh- meter usw. Die Verbraucher finden diese Grenzen rend der Beantwortung dieser Frage mehrmals auf manchmal ziemlich hoch. 3 000 Hühner, 1 000 den Punkt der Regionalität hingewiesen haben. oder 2 000 Schweine sind aus Sicht des Verbrau- (Beifall bei der CDU) chers schon ziemlich viel. Aber aus Sicht des Landwirtes ist es eher Durchschnitt. Das muss Präsident Bernd Busemann: man sehen. Aber wie gesagt: Ziel muss immer sein, gerade die kleinen und mittleren Betriebe Danke schön. - Herr Minister Meyer, bitte sehr! mitzunehmen. Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- Im Übrigen, Herr Grupe, haben Sie recht: Die wirtschaft und Verbraucherschutz: Landwirtschaft wird auch in zehn Jahren noch Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die überwiegend konventionell betrieben werden. Ver- Antwort steht auf Seite 11. Unter „Engpass Eiweiß“ ändern müssen sich beide. Auch im Ökolandbau heißt es: gibt es Probleme. Jetzt haben wir bei den Kontrol- len etwas getan. Darüber beklagen sich einige „Hätte man die Eiweißfuttermittel 2015“ immer wieder. Diese Kontrollen sorgen aber auch - für den Biolandbau - für Wettbewerbsgleichheit und Fairness. Wo „bio“

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„vollständig in Niedersachsen erzeugen Präsident Bernd Busemann: müssen, wären rechnerisch 2 500 ha Acker- Meine Damen und Herren, es braucht immer eine bohnen, 3 500 ha Erbsen, 6 000 ha Soja gewisse Ruhe, sonst kann es hier nicht vernünftig sowie 10 000 ha Ölpflanzen wie Raps oder weitergehen. - Der Nächste ist Dr. Gero Hocker, Sonnenblumen nötig gewesen. Angebaut FDP-Fraktion. Bitte sehr! wurden: 1 121 ha Ackerbohnen, 1 231 ha Erbsen, 259 ha Soja, dazu 168 ha Raps und Dr. Gero Hocker (FDP): 25 ha Sonnenblumen.“ Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehr- Bei Sonnenblumen ist übrigens noch Luft nach ten Damen und Herren! Herr Minister, vor dem oben. Hintergrund dass Sie gerade darauf hingewiesen haben, dass Sie Volkswirtschaftslehre studiert „Der hohe Bedarf an Eiweißfuttermitteln re- haben, und dass Sie ausgeführt haben, dass der sultiert aus den hohen Geflügelbeständen.“ Absatz von Bioprodukten ungeachtet der Tatsa- Diese Lücke müssen wir schließen. Jetzt können che, dass es ja auch Krisen gegeben hat, in den Sie das rechnerisch noch einmal machen. letzten Jahren konstant gestiegen ist, frage ich Sie: Würden Sie meiner Aussage zustimmen, dass es Ja, wir wollen mehr Eiweißfuttermittelanbau aus sich bei diesen Produkten dann per Definition um Niedersachsen. Aber Sie sehen dort im Biobereich Luxusgüter handelt? eine Steigerung von 6 770 ha auf 7 999 ha im Jahr 2016. Auch im konventionellen Bereich wächst der (Beifall bei der FDP - Hermann Grupe Anbau von Leguminosen. [FDP]: Du hast wohl auch studiert, was?) (Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Meine Frage war: Wie viel Prozent Präsident Bernd Busemann: des Bioeiweißfuttermittels können wir in Niedersachsen selbst anbauen? - Danke schön. - Herr Minister! Lesen können wir selbst!) Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- - Wir können unseren Biofuttermittelanbau natür- wirtschaft und Verbraucherschutz: lich selbst decken. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und (Hermann Grupe [FDP]: Wir können Herren! Das sind die Umsatzsteigerungen im Bio- was?) lebensmittelbereich in Deutschland: von 2 Milliar- den Euro auf 8,62 Milliarden in 2015. Das stelle ich Ich habe auf die Lücke hingewiesen. Natürlich Ihnen gerne zur Verfügung. Ein solches Wachstum können wir 2 500 ha Ackerbohnen, 3 500 ha Erb- hätte man gerne in vielen Bereichen. Ich möchte sen, 6 000 ha Soja sowie 10 000 ha Ölpflanzen in gerne, dass das von vielen Niedersachsen bedient Niedersachsen anbauen. Dann hätte man die öko- wird. - Das dazu. logische Tierhaltung vollständig versorgt. Übrigens ist das auch im Naturkostbereich der Fall. (Hermann Grupe [FDP]: Insgesamt!) Die kleinen Bioläden haben davon genauso profi- - Wie viel Hektar man brauchen würde, steht doch tiert wie die Supermärkte. Das ist ja gerade das da. Schöne, dass wir diese kleinen Strukturen stärken. (Unruhe) (Dr. Gero Hocker [FDP]: Wo haben Sie studiert?) Aber vielleicht haben Sie ja ein anderes Verständ- nis als ich. Wir können einem Bauern doch nicht - Ich habe in Göttingen studiert. vorschreiben, was er anbaut. Deshalb sage ich: (Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann Das ist das Potenzial. übernimmt den Vorsitz) (Hermann Grupe [FDP]: Das ist wahr!) Sie haben gesagt, Luxusartikel wären von einer Wie viel Hektar man braucht, habe ich Ihnen gera- Krise nicht betroffen, und insofern wären Biopro- de vorgelesen. Das ist doch ganz einfach. dukte Luxusartikel. Das ist eine interessante Theo- rie. Aber ich glaube, wenn wir über eine Mündliche (Hermann Grupe [FDP]: Endlich mal Anfrage zum ökologischen Landbau diskutieren, ist ein richtiger Satz! - Weitere Zurufe) das nicht der richtige Zeitpunkt, um zu überlegen,

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wer in Krisen gewinnt, ob das Gutverdiener oder Beim Bioschweinefleisch gibt es durchaus noch Geringverdiener sind. Potenzial nach oben. Ich würde mich freuen, wenn wir in Niedersachsen mehr Bioschweinefleisch (Zuruf von Dr. Gero Hocker [FDP]) erzeugen würden und wenn wir in diesem Bereich - Ihre These war, dass Bioprodukte Luxusartikel auch Verarbeiter hätten. werden - was nicht stimmt - Aber noch einmal: Diese Landesregierung (Beifall bei den GRÜNEN) schreibt, anders als die Opposition es will, nicht vor, welche Produkte auf den Markt kommen und weil sie in Krisen genauso gekauft werden. Erfreu- wer die dann am Ende essen muss. licherweise ist der Anteil der Reichen und Gutver- dienenden aber nicht in dem Maße gestiegen wie (Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der Absatz der Bioprodukte. Auch viele Geringver- Hans-Heinrich Ehlen [CDU]) diener und Bezieher mittlerer Einkommen können sich Bioprodukte leisten, und das ist auch gut so. Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: (Zustimmung von Susanne Menge Meine Damen und Herren, ich schließe mich dem [GRÜNE]) an, was Präsident Busemann eben gesagt hat: Wenn das Ganze hier ordentlich ablaufen soll, Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: dann geht das nur, wenn wir alle ruhig sind. - Herr Ehlen, Sie waren eben der Lauteste im Saal. Sie Vielen Dank, Herr Minister. - Eine weitere Zusatz- können von Ihrem Platz aus keine Rede halten, frage stellt der Kollege Clemens Große Macke. aber Sie können gerne eine Frage stellen. Clemens Große Macke (CDU): Aber jetzt ist erst noch einmal der Kollege Clemens Danke, Herr Präsident. - Vor dem Hintergrund, Große Macke mit seiner zweiten Frage dran. Bitte! dass in dem von Minister Meyer gerade gezeigten Umsatzwachstum auf 8 Milliarden Euro natürlich Clemens Große Macke (CDU): auch eine ganze Ecke Wurst drin ist - die von ei- Herr Präsident! Vor dem Hintergrund der ungenü- nem recht bekannten Unternehmen aus Nordwest- genden Aussagen, die von wenig fachlicher Kom- deutschland kommt -, frage ich die Landesregie- petenz zeugen, rung: Wann geht sie davon aus, dass die erste (Beifall bei der CDU) Bioleberwurst auf den Markt gebracht wird? und vor dem Hintergrund, dass die Landesregie- (Beifall bei der CDU - Helge Limburg rung nicht sagen kann, wann in Niedersachsen [GRÜNE]: Das kann ich Ihnen sagen! eine Bioleberwurst auf den Markt kommt, frage ich Die gibt es schon lange! Wo kaufen als Landwirt, der im Ökobereich tätig ist: Warum ist Sie denn ein, Herr Kollege?) nach Meinung der Landesregierung denn bislang keine Bioleberwurst auf dem Markt? Gibt es dafür Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Gründe, die allgemein bekannt sein dürften? Bitte, Herr Minister Meyer! (Beifall bei der CDU) Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz: Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vielen Dank für diese Frage. - Es antwortet Herr CDU in Schleswig-Holstein hat ja einen Antrag Minister Meyer. Bitte schön! eingebracht, der zum Ziel hatte, Schweinefleisch in Kantinen und Kindergärten vorzuschreiben. Noch Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- einmal: Diese Landesregierung schreibt nicht vor, wirtschaft und Verbraucherschutz: wann eine Bioleberwurst auf den Markt kommt. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe gerade erfahren, dass es von einem nieder- (Beifall bei den GRÜNEN - Helge sächsischen Unternehmen, nämlich von Ökoland, Limburg [GRÜNE]: Sehr gut!) Bioleberwürste geben soll. Das hat mir meine In einer Marktwirtschaft entscheiden die Unter- Fachebene gesagt. nehmen, welche Produkte sie wann und wie anbie- (Helge Limburg [GRÜNE]: Das ist ten. Wir würden uns natürlich freuen, wenn es richtig!) auch beim Fleisch mehr Bioprodukte gäbe.

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Ich schlage vor, wir gehen einmal zusammen ein- Landesregierung, Fragen der Opposition zu be- kaufen und schauen, ob es Bioleberwürste gibt. werten. (Beifall bei den GRÜNEN) (Beifall bei den GRÜNEN)

Aber ich finde es schon interessant, dass der Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: CDU-Fraktion zum Thema Ökolandbau anschei- Vielen Dank, Herr Minister. - Ich stelle fest, dass nend nur die Frage einfällt, ob es eine Bioleber- weitere Zusatzfragen nicht vorliegen. Der für die wurst gibt. Ich weiß nicht, was das soll. Fragestunde vorgesehene Zeitrahmen ist deutlich Anscheinend gibt es Bioleberwürste auf dem überschritten worden. Damit ist die Fragestunde Markt. Wer sie essen möchte, soll sie essen. Wir für diesen Tagungsabschnitt beendet. schreiben das niemandem vor. Die Antworten der Landesregierung auf Fragen, (Beifall bei den GRÜNEN) die jetzt nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsord- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: nung zu Protokoll gegeben. Sie stehen Ihnen in Kürze im Intranet und im Internet als unkorrigierte Machen wir mal eine kleine Beruhigungspause! - 1 Herr Limburg, Sie möchten eine Frage stellen. Drucksache elektronisch zur Verfügung. Bitte schön! Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 34 und 35 (Zuruf von Hermann Grupe [FDP]) auf, die wir vereinbarungsgemäß zusammen bera- ten, also - Jetzt ist Herr Limburg dran, nicht Sie, Herr Grupe.

Helge Limburg (GRÜNE): Tagesordnungspunkt 34: Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Erste Beratung: Herren! Vor dem Hintergrund der Frage des Kolle- Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie gen Große Macke, die unterstreicht, dass er offen- korrigieren - ältere Menschen und junge Fami- sichtlich keine Ahnung davon hat, welche Biopro- lien nicht von Wohnimmobilienkrediten aus- dukte in niedersächsischen Supermärkten angebo- schließen - überschießende Regulierung zu- ten werden - neben Bioleberwurst gibt es dort rücknehmen - Antrag der Fraktion der CDU - schon seit Langem Biobratwurst, Biomettwurst, Drs. 17/6681 Biomortadella, Biosteaks, Bioschnitzel und andere Biofleischprodukte, die sehr schmackhaft sind -, frage ich die Landesregierung, ob sie es nicht auch Tagesordnungspunkt 35: bedauerlich findet, dass die CDU-Fraktion dieses Erste Beratung: für das Agrarland Nummer eins sehr wichtige Wohneigentum fördern - Bessere Umsetzung - Antrag der Thema hier so ins Lächerliche zieht. der Wohnimmobilienkreditrichtlinie Fraktion der FDP - Drs. 17/6684 (Beifall bei den GRÜNEN)

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Wir kommen zu den Einbringungsreden. Zunächst Herr Minister Meyer antwortet. Bitte schön! hat für die CDU-Fraktion der Kollege Dr. Stephan Siemer das Wort. Bitte, Herr Kollege! Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- (CDU): wirtschaft und Verbraucherschutz: Dr. Stephan Siemer Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man Herren! Eine wesentliche Ursache der Finanz- und merkt halt, wer sich bei Bio auskennt, wo es viele Wirtschaftskrise im Jahr 2008/2009 war das Plat- Biokonsumenten und wo es wenige Biokonsumen- zen der Immobilienblase in den USA. Auch in Eu- ten gibt. Wir freuen uns, wenn viele Produkte aus ropa sind in dieser Zeit in Ländern wie z. B. Spani- Niedersachsen konsumiert werden, vor allem aus regionalem Anbau, egal ob bio oder konventionell. 1 Die Landesregierung wird nicht kommentieren, ob Die Antworten zu den Anfragen 2 bis 62, die nicht in der 110. Sitzung des Landtages am 28. Oktober 2016 be- die Opposition mit ihren Fragen ein Thema ins handelt und daher zu Protokoll gegeben wurden, sind in Lächerliche zieht. Es ist nicht die Aufgabe der der Drucksache 17/6785 abgedruckt.

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en die Immobilienmärkte in schweres Fahrwasser aus Einkommen und mangels freiem weiteren geraten - mit schwerwiegenden Folgen für alle: Die Vermögen nicht geleistet werden kann. Menschen, die Wirtschaft, soziale Einrichtungen. Ein junges Ehepaar, er 28, sie 25 Jahre alt, beide Staatshaushalte wurden durcheinandergebracht. berufstätig, will sich ein Einfamilienhaus kaufen, Gerade die Immobilienkreditnehmer haben die das etwa 325 000 Euro kosten soll. Sie selbst kön- existenzgefährdenden Folgen einer solchen Krise nen 70 000 Euro Eigenkapital organisieren. Es unmittelbar zu spüren bekommen. müssen also noch 255 000 Euro kreditiert werden. Damit Immobilienblasen in dieser Form nicht mehr Das für die Finanzierung angefragte Institut muss entstehen und um Verbraucher vor einer überzo- aber aufgrund der neuen Richtlinie ablehnen, da genen Verschuldung bei der Finanzierung nicht bei Nachwuchs nur auf die potenziellen negativen dauerhaft werthaltiger Immobilien zu schützen, hat Folgen für das Erwerbseinkommen abgestellt wer- die Europäische Union 2015 eine neue Verbrau- den muss. Positive Umstände wie z. B. familiäre cherschutzrichtlinie in Kraft gesetzt. Der Bundes- Unterstützung bei der Kinderbetreuung können gesetzgeber - deshalb sprechen wir heute über hier nicht zur Anrechnung gebracht werden. dieses Thema - hat auf Basis dieser Richtlinie am Ich habe von Banken mehr als 50 weitere Beispie- 21. März dieses Jahres das deutsche Gesetz zur le bekommen - selbstverständlich anonymisiert -, Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie auf die allesamt aufzeigen, dass die Wohnimmobilien- den Weg gebracht. Federführend war dabei das kreditrichtlinie im Markt zu erheblichen Problemen SPD-geführte Bundesjustizministerium mit Justiz- geführt hat. Es betrifft einen Mann, 19 Jahre alt, minister Heiko Maas. der das Haus seiner Eltern übernehmen möchte, Der Bundesjustizminister hat die EU-Richtlinie in einen Rentner, 75 Jahre alt, ein Ehepaar, beide unnötiger und auch für Verbraucher geradezu erwerbstätig mit drei Kindern, einen Kunden, 53 schädlicher Form verschärft. Man kann in aller Jahre alt, berufstätig. Selbstständige Gewerbetrei- Kürze sagen: Heiko Maas hat hier das Maß verlo- bende können nicht umfinanzieren, und auch Ar- ren. beitnehmer, deren Arbeitgeber in Insolvenz gera- ten, sind bezüglich ihrer weiteren Immobilienfinan- (Beifall bei der CDU - Zuruf von Rena- zierung unmittelbar gefährdet. te Geuter [SPD]) Fazit: Viele junge Familien und Senioren können Ich möchte Ihnen einige Beispiele aus der Praxis bei deutschen Banken keinen Immobilienkredit nennen: mehr bekommen, weil die hohen Anforderungen der Wohnimmobilienkreditrichtlinie, die in einem Eine Privatperson, 50 Jahre alt, polnischer Ab- Anflug von überzogenem Verbraucherschutz, wie stimmung, hat hier einen unbefristeten Arbeitsver- gesagt, federführend im Bundesjustizministerium trag. Seine Frau und sein Sohn wohnen noch in auf den Weg gebracht wurde, Polen. Der Kunde möchte ein renovierungsbedürf- (Renate Geuter [SPD]: Und vom tiges Haus erwerben, um seine Familie hierherzu- Deutschen Bundestag verabschiedet holen. Die notwendigen Arbeiten an dem Objekt wurde!) möchte er zusammen mit seinem Sohn vorneh- men. Wegen der neuen Richtlinie, die alleinig auf die Verbraucher eben nicht schützt, sondern sie das Einkommen des Kunden abstellt, ist eine Dar- entmündigt. Diese Verschärfung ist durch Heiko lehensvergabe in realistischer Größe nicht mög- Maas verursacht worden. lich. Bei geringster Tilgung würde dann die Lauf- zeit über 40 Jahre betragen. Bei einem Alter von (Beifall bei der CDU und Zustimmung 50 Jahren sieht man, dass das zu Problemen führt. von Christian Grascha [FDP]) Nachdem ich gerade Einzelbeispiele genannt ha- Eine Rentnerin, 65 Jahre alt, und Eigentümerin be, will ich jetzt auch noch einmal in genereller eines Resthofes mit einem Verkehrswert von ca. Form auf die Probleme eingehen. 400 000 Euro plant den Umbau einer ehemaligen Stallung zu einer barrierefreien Wohnung zur Die Banken dürfen nach der neuen Wohnimmobili- Selbstnutzung. Die Umbaukosten würden 100 000 enkreditrichtlinie nur noch auf die Wahrscheinlich- Euro betragen. Die Belastung wäre mietähnlich. keit der Rückzahlung innerhalb der statistischen Die Bank muss diesen Kreditvertrag wegen der Lebenszeit des Kreditnehmers abstellen. Das führt neuen Richtlinie ablehnen, da eine Rückzahlung zu unüblich hohen Raten. Außerdem gibt es in der

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neuen Wohnimmobilienkreditrichtlinie zahlreiche sem Bereich vornehmlich tätig sind, zu einem er- unbestimmte Rechtsbegriffe wie z. B. „Wahr- heblichen Rückgang der Kreditvergabe geführt. scheinlichkeit der Rückzahlung“. Das erzeugt Deshalb haben sowohl die CDU- als auch die Rechtsunsicherheiten. Diese Rechtsunsicherheiten FDP-Landtagsfraktion jeweils einen Entschlie- gehen ausschließlich zulasten der Banken und ßungsantrag auf den Weg gebracht. lassen diese bei der Kreditvergabe natürlich noch Wir haben unseren Entschließungsantrag bereits vorsichtiger werden. Das maßgebliche Kriterium im September in der Fraktion behandelt. Gegen- für die Kreditvergabe ist das Einkommen. Auf den stand dieses Entschließungsantrages sind u. a. die Wert der Immobilie darf nicht mehr abgestellt wer- Herausnahme der unbestimmten Rechtsbegriffe den. Auch schon bestehende Kreditverträge müs- aus der neue Richtlinie, das Abstellen des Kredits sen, wenn sie in die Verlängerung gehen, einer auf den Wert der zu finanzierenden Immobilie, sehr verschärften Kreditwürdigkeitsprüfung unter- keine erneute Kreditwürdigkeitsprüfung bei Be- zogen werden. standsverträgen vornehmen zu müssen und klar- Andere Länder wie z. B. Österreich haben die EU- zustellen, dass Gewerbeimmobilien von der Richt- Richtlinie 1 : 1 umgesetzt. Dies ist also ein Fall, an linie nicht betroffen sein sollen. dem nicht Europa schuld ist, sondern für den die Die Länder Baden-Württemberg - grün-schwarz Verantwortung beim Bundjustizministerium liegt. regiert -, Bayern - schwarz-regiert - und Hessen - Ich möchte noch einmal auf die Bedeutung des schwarz-grün regiert - haben eine Bundesratsinitia- Problems eingehen. In der Bundesrepublik tive auf den Weg gebracht, die im Wesentlichen Deutschland gibt es ca. 41 Millionen Wohnungen. auf diese Punkte abzielt. 2014 wurden knapp 290 000 Wohnungen umge- (Zustimmung bei der CDU) baut oder neu gebaut. Das sind die aktuellsten Zahlen, die mir vorliegen. In der Vergangenheit Wir fordern die Niedersächsische Landesregierung lagen diese Zahlen schon einmal höher. Im Jahr auf, ebenfalls in diesem Sinne im Bundesrat tätig 1990 wurden 600 000 Wohnungen um- oder neu zu werden, um eine Änderung der Richtlinie zu gebaut. erreichen. Wir wollen alle, dass zusätzlicher Wohnraum im Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss Bestand erschlossen wird, beispielsweise durch und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. den Ausbau von Dachgeschossen. Wir wollen (Beifall bei der CDU und bei der FDP) modernisierte, altersgerechte Wohnungen, und wir wollen energetisch sanierte Wohnungen. Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Die Zahlen zeigen, dass der Bauboom in Deutsch- Vielen Dank, Herr Dr. Siemer. - Zur Einbringung land ca. 20 Jahre zurückliegt. In Deutschland ist in des Antrags der FDP-Fraktion hat der Kollege der Finanzkrise 2008/2009 keine Immobilienblase Christian Grascha das Wort. geplatzt, und die aktuellen Zahlen weisen auch nicht darauf hin, dass hier so etwas geschehen Christian Grascha (FDP): wird. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle- (Christian Grascha [FDP]: So ist es!) ginnen und Kollegen! Das Prinzip der Baufinanzie- rungen funktioniert in Deutschland seit über 150 Natürlich steht außer Frage, dass der Verbraucher Jahren, und zwar relativ unspektakulär, man könn- geschützt werden muss. Ein Immobilienkredit te auch sagen: relativ langweilig. macht ein Vielfaches des Jahreseinkommens aus. Deshalb können wir uns hier auf die Fragen des Wie läuft so etwas in der Regel ab? - Man geht zu Verbraucherschutzes konzentrieren und brauchen seiner Bank und sagt, dass man eine Finanzierung die Befürchtungen, die bei der EU im Raum ste- möchte. Die Bank erkundigt sich nach dem Preis hen, nämlich dass eine Immobilienblase platzen der Immobilie. Anschließend wird anhand des Ein- könnte, nicht weiter zu berücksichtigen. kommens und der Bonität ausgerechnet, welche Belastung an Zins und Tilgung man tragen kann. (Christian Grascha [FDP]: So ist es!) Ferner wird nach dem Anteil des Eigenkapitals gefragt. Der macht in der Regel 20 % aus. Die neue Wohnimmobilienkreditrichtlinie hat bei den Banken und hier insbesondere bei den Spar- Wenn alles passt, wird die Finanzierung geneh- kassen und Genossenschaftsbanken, die in die- migt. Die Bank oder Sparkasse sichert das Ganze

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mit einer Grundschuld im Grundbuch ab. Geht Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Was müssen dann etwas schief, beispielsweise dass der Kredit- wir bei der Umsetzung - da kommen wir so ohne nehmer arbeitslos oder krank wird oder dass er es Weiteres auf die Schnelle nicht raus - besser ma- sich aus sonstigen Gründen nicht mehr leisten chen? - Üblicherweise ist es ja so: Die Diskussion kann, die Finanzierung weiterzuführen, wird das wird geführt, und dann wird von den Bankenvertre- Objekt veräußert oder gegebenenfalls sogar ver- tern darauf hingewiesen, dass das etwas ist, was steigert. von der europäischen Ebene kommt. Vergessen hat die deutsche Politik allerdings, darauf hinzu- Dieses Prinzip hat sich in Deutschland bewährt. Es weisen, dass das, was auf der europäischen Ebe- führte einerseits dazu, dass wir hier eine relativ ne verabschiedet wurde, hier nicht 1 : 1 umgesetzt gesunde Marktentwicklung haben. Der Kollege wurde, sondern dass noch etwas draufgesattelt Siemer hat schon darauf hingewiesen, dass es in wurde. Das aber geht aus unserer Sicht in die Deutschland keine Anzeichen für eine Immobilien- falsche Richtung. Deswegen begrüßen wir die blase gibt, und das schon seit Jahrzehnten. Ande- Bundesratsinitiative der Länder Hessen und Bay- rerseits wurden die Banken durch dieses Prinzip ern und fordern mit unserem Antrag die Landesre- auch davon verschont, sich übermäßige Risiken in gierung auf, diese Bundesratsinitiative zu unter- ihre Bücher zu holen. stützen.

In den Jahren 2008 und 2009 gab es dann die Die Umsetzung der Kreditrichtlinie trifft vor allem Immobilienkrise in den USA. In den USA wurden ältere und junge Kreditnehmer. Dieser Personen- die Immobilienfinanzierungen aber ganz anders kreis wird durch die Umsetzung massiv benachtei- gestaltet als hier. Dort wurde hauptsächlich auf ligt. Ich würde hier sogar das Wort „verfassungs- den Wert der Immobilie abgestellt. Man setzte widrig“ oder zumindest „fragwürdig“ verwenden; darauf, dass die Immobilienpreise permanent stei- denn hier werden einzelne Gruppen diskriminiert, gen, und hat die Objekte zu 100 % finanziert bzw. was wir keinesfalls zulassen können. beliehen, zum Teil sogar noch darüber hinaus. Das Prinzip war also ein gänzlich anderes. (Zustimmung bei der FDP und bei der CDU) Hinzu kam, dass in den USA derartige Finanzie- rungen nicht, wie in Deutschland, mit einer über 10 Im Einzelnen geht es darum - das haben wir in bis 15 Jahre festen Verzinsung ausgestattet wur- unserem Antrag angeführt -, dass wir einerseits bei den, sondern mit einer variablen Verzinsung. Das der Umsetzung der Kreditrichtlinie mehr Rechtssi- heißt, ein Anstieg der Zinssätze hat sich 1 : 1 in cherheit haben wollen; denn Rechtssicherheit der Zinsbelastung der Darlehen widergespiegelt. sorgt letztendlich dafür, dass Banken bei der Vergabe von Krediten auf der sicheren Seite sind. Und darüber wurden die Immobilienkredite dann Andererseits wollen wir einzelne Punkte verän- auch noch weiterverkauft, und zwar in Form von dern, sodass diese Diskriminierung insbesondere Verbriefungen. Das hat dieses ganze System letzt- von jungen und älteren Menschen gar nicht erst lich ins Wanken gebracht und ist eine Ursache eintritt. Wir appellieren, wie gesagt, an die Nieder- dafür, dass wir heute über diese Wohnimmobilien- sächsische Landesregierung, diese Bundesratsini- kreditrichtlinie auf der europäischen Ebene reden. tiative zu unterstützen und dadurch mit dazu beizu- tragen, dass der bewährte Baufinanzierungsmarkt, Aber wie gesagt, das alles sind Faktoren, die auf der bewährte Immobilienmarkt in Deutschland den deutschen Immobilienfinanzierungsmarkt nicht durch diese Kreditrichtlinie nicht in eine Schieflage zutreffen. Das heißt, man muss nicht nur die Um- gerät. setzung dieser Richtlinie in deutsches Recht infra- ge stellen - was wir mit unserem Antrag genauso Vielen Dank. wie die Kollegen von der CDU-Fraktion tun -, son- dern man muss auch die Richtlinie an sich infrage (Zustimmung bei der FDP und bei der stellen. Denn das, was darin an Konsequenzen CDU) gezogen wird, hat mit dem deutschen Immobilien- finanzierungsmarkt letztlich nichts zu tun. Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann:

(Beifall bei der FDP und Zustimmung Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Damit sind von Dr. Stephan Siemer [CDU]) beide Anträge durch die Fraktionen eingebracht worden. In der Beratung hat jetzt zunächst für die

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Mir- auch der barrierefreie Umbau von Bestandswoh- iam Staudte das Wort. nungen. Ich glaube, das wollen wir alle auf gar keinen Fall. Menschen, die ihre eigene Autonomie Miriam Staudte (GRÜNE): bewahren wollen, die in ihrem Haus weiterleben Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten und einen Umbau durch einen Kredit finanzieren Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter wollen, müssen diese Möglichkeit haben, und zwar Herr Siemer! Sehr geehrter Herr Grascha! Grund- insbesondere dann, wenn sie in einem schon ab- sätzlich ziehen wir hier, glaube ich, an einem bezahlten Haus wohnen. Es wäre doch absurd, Strang und können alle feststellen, dass die Um- dieses Haus dann nicht als Sicherheit anzuerken- setzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in nen. deutsches Recht tatsächlich zu sehr, sehr negati- Zum Thema „Energiesparen im Gebäudebestand“ ven Auswirkungen geführt hat. Nun kann man sagen ja immer alle: Das Sorgenkind ist der Alt- sagen: Im Nachhinein ist man immer schlauer. - bau. - So steht es auch im Antrag der FDP- Ich glaube, es wäre nicht richtig, Herr Siemer, jetzt Fraktion, sehr geehrter Herr Hocker. Es geht also die ganze Last bei Herrn Maas abzuladen; denn auch um die energetische Sanierung. Probleme damals hat auch die CDU dieses Gesetz mit be- gibt es nicht beim Neubau, sondern beim Woh- schlossen. Sicherlich aber ist allen klar, dass ein nungsbestand. Diese Sanierungen müssen auch deutlicher Handlungsbedarf besteht. älteren Menschen möglich sein.

Es gibt auch positive Aspekte wie die Pflicht zu Sicherlich gibt es aber auch Länder und Regionen, einer stärkeren Risikoberatung auch gegenüber in denen die Tendenz in Richtung einer Immobi- künftigen Kreditnehmern, damit die nicht in Kredite lienblase geht. Spanien wurde eben schon ge- getrieben werden, die sie nicht bedienen können. nannt. In Deutschland aber ist eine systematische Aber wie gesagt: Hier wird deutlich über das Ziel Überbewertung von Immobilien meines Erachtens hinausgeschossen. nicht zu verzeichnen. Insofern müssen die Aus- In den eigenen vier Wänden zu wohnen, ist, glau- nahmetatbestände, die die Richtlinie ja zulässt, be ich, der große Wunsch vieler Menschen. Sie genutzt werden, um diese negativen Auswirkungen wollen auch im hohen Alter weiterhin in ihren eige- auszuschließen. Meiner Meinung nach kann man nen vier Wänden wohnen bleiben. Das müssen wir auch nicht sagen, dass die jungen Familien bzw. unterstützen, und das war ja auch immer politisch die Rentnerinnen und Rentner diejenigen sind, die gewollt. Bis vor wenigen Jahren gab es auch noch die Immobilienpreise im Moment nach oben trei- die Eigenheimzulage, damit die Wohneigentums- ben. Wir haben ein niedriges Zinsniveau. Vielmehr quote in Deutschland erhöht werden kann. Sie liegt sind es die Vermögenden, die sozusagen nicht in Deutschland sehr weit unter dem EU-Schnitt von wissen, wohin mit ihrem Geld, und auch bereit 71 %. In Deutschland leben hingegen nur etwa sind, sehr hohe Preise zu bezahlen. 53 % der Menschen in einer eigenen Wohnung. Wir als Politik sind nicht nur von der Kreditwirt- Durch diese sehr strenge Umsetzung in deutsches schaft angesprochen, sondern auch von der Recht bleibt dieser Wunsch nach den eigenen vier Handwerkerschaft, von den Handwerkskammern, Wänden für viele Menschen aber nur ein Traum. vom Verband der Wohnungswirtschaft. Ich möchte Vielfach ist dieser Traum schon geplatzt; denn an dieser Stelle einmal Herrn Litmathe, Herrn einige hatten bereits Zusagen, die dann aber wie- Mang, Herrn Steinmann und Herrn Pott ganz herz- der zurückgenommen worden sind. Das sind si- lich danken für ihr Schreiben, das sie an uns ge- cherlich sehr dramatische Entwicklungen für die richtet haben, um auf diese akuten Entwicklungen betroffenen Menschen. hinzuweisen. Es ist gerade schon erläutert worden: Es darf nicht Gerade eben wurde es schon erwähnt: Es gibt mehr die Immobilie selbst als grundpfandliche eine Bundesratsinitiative der Länder Baden-Würt- Sicherheit hauptsächlich in die Bewertung der temberg und Hessen. Unsere Landesregierung hat Kreditwürdigkeit einbezogen werden, sondern es signalisiert, dass sie diese Initiative ausdrücklich geht um die Höhe des Einkommens und die statis- unterstützt, da auch sie die genannten Probleme tische Lebenserwartung. Wieviel Zeit haben die sieht. Ich glaube aber, dass es trotzdem angemes- Menschen noch, um die Kredite zurückzuzahlen? - sen ist, dass wir uns als Parlament im Ausschuss Dadurch wird - gerade für einkommensschwache mit den beiden von Ihnen soeben eingebrachten Familien - nicht nur der Erwerb erschwert, sondern Anträgen befassen und ein deutliches Zeichen

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setzen. Letztendlich geht es darum, dass wir im Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Bundesrat eine Mehrheit bekommen, damit dieses Das war es, Herr Kollege. Vielen Dank. Gesetz geändert wird. (Zustimmung bei der CDU) Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Frau Staudte, möchten Sie? - Nein. Okay. Keine (Zustimmung bei den GRÜNEN und Erwiderung. - Dann ist jetzt Frau Kollegin Renate bei der SPD) Geuter für die SPD-Fraktion an der Reihe. Sie haben das Wort. Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vielen Dank, Frau Kollegin. - Herr Dr. Siemer Renate Geuter (SPD): möchte kurzintervenieren. Er hat dazu für 90 Se- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem kunden die Möglichkeit. Bitte schön! Anfang des Jahres vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Umsetzung der Dr. Stephan Siemer (CDU): Wohnimmobilienkreditrichtlinie sollte erreicht wer- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! den, Verbraucherinnen und Verbraucher vor Zah- Frau Staudte, ich freue mich, dass wir hier ein lungsunfähigkeit zu schützen und Banken zu ver- großes Maß an Übereinstimmung haben. Unser pflichten, ihre Kundinnen und Kunden vor der Kre- Dank gilt auch den Vertretern der Sparkassen und ditvergabe besser zu prüfen. Der Bundesjustizmi- der Genossenschaftsbanken - Sie haben ja Herrn nister, der bekanntlich nicht Mitglied des Bundes- Litmathe und andere genannt -, die hier tätig ge- tages ist, konnte über dieses Gesetz nicht abstim- worden sind. men. Es entspricht auch nicht unserem Verständ- nis von Gewaltenteilung, dass einzelne Minister Ich möchte allerdings noch einen Punkt ergänzen: Gesetze verabschieden können. In der Tat ist es so, dass die Banken schon jetzt Kreditanträge sehr sorgfältig prüfen bzw. so oder (Beifall bei der SPD) so prüfen müssen. Banken und Sparkassen sind jetzt gehalten, nicht (Miriam Staudte [GRÜNE]: Ja, im ei- nur hauptsächlich den Immobilienwert, sondern genen Interesse!) auch die Lebensumstände der Kreditnehmer stär- ker in den Blick zu nehmen. Verstößt eine Bank Die Sachbearbeiter klagen über ein enormes Aus- gegen die gesetzliche Vorgabe, die Prüfung dezi- maß an Bürokratie. Da hat ihnen die neue Richtli- diert zu dokumentieren, und kommt so ein Vertrag nie sozusagen gerade noch gefehlt. Ich kann nicht trotz fehlender Kreditwürdigkeit zustande, kann der erkennen, dass irgendeine Bank übermäßig Kredi- Kunde den Kreditvertrag jederzeit ohne Zahlung te vergibt. einer Vorfälligkeitsentschädigung kündigen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist - das ist Diese Regelungen zur Kreditwürdigkeitsprüfung auch in der Bundesratsinitiative klargestellt wor- führen - so wird vor allem von Sparkassen und den -, dass wir nicht nur das Gesetz zur Umset- Genossenschaftsbanken beklagt - zu negativen zung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ändern Folgen gerade für junge Familien und Senioren. müssen, sondern wir müssen auch das BGB än- Auch bei einer Anschlussfinanzierung und bei der dern, da es auch solche Finanzberater gibt, die Finanzierung von Umbau- und Renovierungsmaß- den Anforderungen an die Banken eventuell nicht nahmen soll es Probleme bei der Kreditvergabe unterworfen sind. Aber auch an die müssen die geben. Allerdings ergibt sich - das gehört dazu - gleichen Maßstäbe angelegt werden wie an die bei der Bewertung möglicher Folgen der Wohnim- Banken; denn sonst erleiden die Banken hier er- mobilienrichtlinie noch ein nicht ganz einheitliches hebliche Nachteile. Bild. Nicht alle Banken sehen diese geschilderten Eine Blase würde ich nicht so sehr an den Preisen Probleme. festmachen. In Spanien ist die Blase deshalb ge- Auch der Bundesverband der Verbraucherzentrale platzt, weil dort extrem viele Wohnungen gebaut fordert aktuell noch keine konkreten Veränderun- worden sind, die kein Mensch gebraucht hat. Auch gen und verweist darauf, dass das Gesetz zur in den USA war das der Fall. In fast allen deut- Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie schen Städten aber - ob in Hannover, Vechta oder ausreichend Handlungsspielräume biete. In die- sonst wo - können wir sehen, dass das nicht der sem Zusammenhang gibt es auch bei Fachleuten Fall ist. die Vermutung - die zu überprüfen ist -, dass die

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Angst vor möglichen Regressansprüchen bei man- Am 14. Oktober 2016 haben im Bundesrat die gelhafter Beratung so groß sein könnte, dass zum Länder Baden-Württemberg und Hessen die bishe- Teil vorsichtshalber erst gar keine Kredite an rigen Diskussionen zu diesem Thema aufgegriffen Rentner und an junge Familien vergeben werden. und u. a. beantragt, die von mir angesprochene Ausnahmemöglichkeit der EU-Richtlinie für Sub- Belastbare Daten zur Vergabe von Wohnimmobili- stanzkredite in das Gesetz aufzunehmen. Wie enkrediten und zur Anzahl der abgelehnten Wohn- meine Vorrednerin schon gesagt hat, hat Nieder- immobilienkreditanträge nach Inkrafttreten des sachsen durchaus signalisiert, dass es diese Ziel- Gesetzes einschließlich der Gründe für deren Ab- setzung unterstützt. lehnung liegen zurzeit noch nicht vor. Darauf ha- Die Diskussion dazu im Bundesrat hat aber auch ben sowohl ein Vertreter der Bundesregierung in gezeigt, dass es nur gelingen kann, zu einer Ver- diesem Monat im Bundesrat als auch Vertreter der änderung zu kommen, wenn die vorgetragenen Landesregierung vor wenigen Wochen bei einer Sachverhalte auch mit Fakten unterlegt werden Unterrichtung im Haushaltsausschuss des Landta- können. Dafür brauchen wir eine solide Datenbasis ges hingewiesen. Dennoch sind wir uns sehr einig und aussagekräftiges Zahlenmaterial. Wir werden in dem Ziel, dass wir in dieser heutigen Zeit, in der daher in den jetzt anstehenden Beratungen in den wir gemeinsam die Notwendigkeit von zusätzli- betroffenen Ausschüssen überlegen müssen, wie chem Wohnungsbau, von energetischer Sanierung es gelingt, belastbare Daten auch für Niedersach- und von altersgerechtem Umbau sehen, alle Hem- sen zur Verfügung zu stellen. mnisse beseitigen sollten, die das Voranschreiten des Wohnungsbaus unnötig behindern. Wir benötigen auch eine sichere Problemanalyse, die die Frage beantwortet, ob die Probleme bei der Daher nehmen wir selbstverständlich die Hinweise Auslegung des Gesetzes entstanden sind oder ob auf Probleme sehr ernst, die aktuell gerade aus das Gesetz selbst geändert werden muss und wie den Reihen der Genossenschaftsbanken und wir weiter damit umgehen; denn die EU-Richtlinie Sparkassen geäußert werden und die auch schon verfolgt den völlig richtigen Grundsatz, Verbrau- bei der Anhörung zu den Gesetzentwürfen Anfang cherinnen und Verbraucher vor Überschuldung dieses Jahres geäußert worden sind. Niedersach- und Banken vor faulen Krediten zu bewahren. sen hat auch deshalb - daran sei erinnert - bei der (Zustimmung bei der SPD und bei den Beratung des Gesetzes zur Umsetzung der GRÜNEN) Wohnimmobilienkreditrichtlinie im Februar dieses Jahres im Bundesrat gemeinsam mit anderen Bei allem Bedarf an notwendiger Veränderung, Bundesländern die Sorge geäußert, dass durch die den auch wir sehen, müssen wir daher darauf ach- sehr strikten Regelungen des Gesetzes die Kredit- ten, dass wir dieses Ziel weder unterlaufen noch vergabe an bestimmte Zielgruppen wie junge Fa- aushebeln. Altersgerechter Umbau des Gebäude- milien, Senioren und Menschen mit stark schwan- bestandes, energetische Sanierung und Eigen- kendem Erwerbseinkommen erschwert werden tumsbildung junger Familien dürfen nicht durch könne. überbordende Restriktionen bei der Kreditaufnah- me erschwert werden. Leider ist der Deutsche Bundestag der Anregung In diesem Sinne unterstützen wir die Zielsetzung der Länder nicht gefolgt, die in der EU-Richtlinie der vorliegenden Anträge. In der Diskussion in den ausdrücklich zugelassene Ausnahme für Sub- betroffenen Ausschüssen werden wir daher klären, stanzkredite für die Fälle, in denen der Kreditver- welche dazu erforderlichen Maßnahmen noch auf trag zum Bau oder zur Renovierung einer den Weg zu bringen sind. Aber, wie gesagt, in der Wohnimmobilie dient, zu übernehmen. Auch der Zielsetzung sind wir uns einig. Appell an den Bund, im weiteren Gesetzgebungs- verfahren die unbestimmten Rechtsbegriffe der (Beifall bei der SPD und bei den Kreditwürdigkeitsprüfung so zu konkretisieren, GRÜNEN) dass nur die Verbraucher von Krediten ausge- schlossen werden, bei denen weder aufgrund der Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: persönlichen Verhältnisse noch unter Berücksichti- Vielen Dank, Frau Kollegin Geuter. Auch auf Ihren gung der Immobilie von einer Rückzahlung ausge- Beitrag möchte der Kollege Dr. Siemer kurzinter- gangen werden kann, ist nicht auf fruchtbaren venieren. - Sie erhalten die Gelegenheit dazu. 90 Boden gefallen. Sekunden, bitte schön!

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Dr. Stephan Siemer (CDU): ments sehr ernst nehmen sollten. Ich nehme mit Vielen Dank; die 90 Sekunden brauche ich wahr- Interesse zur Kenntnis, dass in diesem Fall - zu- scheinlich nicht. mindest in Teilen der CDU-Fraktion - offensichtlich andere Vorstellungen bestehen. Erstens. Der Justizminister war durchaus für das Gesetz federführend verantwortlich. Insofern hilft Ich möchte noch einmal klarstellen: Ich habe aus- es nicht, sich mit der Frage, ob er ein Mandat im drücklich darauf hingewiesen, dass wir die Zielset- Bundestag hat, herauszureden. Die Verantwortung zung der Anträge von CDU und FDP unterstützen, liegt ganz klar bei ihm. dass wir aber auch daran arbeiten müssen, Mehr- heiten für diese Zielsetzungen zu bekommen, so- Zweitens hatten Sie, Frau Geuter, angesprochen, wohl im Bundesrat als auch im Bundestag. Von dass es vonseiten der Banken unterschiedliche daher sehe ich es jetzt gerade auch in den Aus- Stellungnahmen gibt. Das liegt - ganz einfach! - schussberatungen als unsere Aufgabe an, dass daran, dass die Genossenschaftsbanken und die wir die Argumentation unterstützen und erweitern, Sparkassen in dem Bereich der Wohnungsbaufi- die wir brauchen, um tatsächlich eine Veränderung nanzierung führend sind. Die Privatbanken sind in zu erreichen. diesem Bereich nicht so stark. Deshalb gehen sie etwas anders an dieses Thema heran. Das sollte Wie gesagt, in der Zielsetzung sind wir uns einig, uns aber nicht davon abhalten, dieses Thema mit und Ihre Vorstellungen über Gesetzgebungsver- hoher Priorität zu behandeln. fahren nehme ich mit Interesse zur Kenntnis. Wir werden an anderer Stelle sicherlich noch einmal Außerdem sprechen wir hier im Parlament häufig darauf zurückkommen können. davon, EU-Richtlinien 1 : 1 umzusetzen. Sich jetzt dahinter zu verstecken, dass wir noch belastbare (Zustimmung bei der SPD und bei den Daten brauchen usw., finde ich nicht in Ordnung. GRÜNEN) Wir alle sollten sagen: Wir setzen die EU-Richtlinie 1 : 1 um, dann ist das Problem gelöst. Bitte alles Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: rausstreichen, was zusätzlich reingekommen ist! Schönen Dank, Frau Geuter. - Für die Landesre- Wir brauchen keine belastbaren Daten. Wir haben gierung hat sich Herr Minister Christian Meyer zu im Moment belastete Familien, Senioren usw., das Wort gemeldet. Bitte, Herr Minister! sollte uns Argument genug sein. Die Zusätze, die (Zuruf von der CDU: Meyer spricht zu aufgenommen wurden, oder die Dinge, die im Ge- Krediten! - Gegenruf von Miriam setz bewusst weggelassen wurden, um die Situati- Staudte [GRÜNE]: Es spricht der Ver- on zu verschärfen, müssen meines Erachtens braucherschutzminister! Im Bund war geändert werden. Da tut es eine Ausführungsver- es Verbraucherschutzminister Maas!) ordnung nicht; denn die Rechtsunsicherheit liegt bei den Banken, und diese hält sie davon ab, Kre- Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- dite zu vergeben. wirtschaft und Verbraucherschutz: Danke. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch (Beifall bei der CDU) angesichts des Zwischenrufs will ich erklären, wie Gesetze verabschiedet werden. Sie werden nicht Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: von einem für Verbraucherschutz zuständigen Vielen Dank, Herr Dr. Siemer. - Frau Kollegin Geu- Justizminister verabschiedet, sondern Gesetze ter möchte erwidern. Auch Sie erhalten die Gele- werden vom Bundestag oder vom Landtag, also genheit dazu für bis zu 90 Sekunden. von Parlamenten, verabschiedet. Hierbei geht es um ein Gesetz zur Umsetzung einer EU-Richtlinie. Renate Geuter (SPD): Deshalb sollte die CDU einmal eine Überlegung anstellen: Die CDU/CSU ist die stärkste Fraktion Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir im Bundestag. Sie hat damit auch die stärkste haben in diesem Hause in den letzten Wochen und Zustimmung zu diesem Gesetz gegeben. Monaten sehr oft über das Selbstverständnis die- ses Parlaments bei der Verabschiedung von Ge- Jetzt - zu Recht - auf die Probleme hinzuweisen, setzen gesprochen. Gerade von der Seite der Op- ist auch ziemlich schlank. Ich weise darauf hin, position ist immer ganz ausdrücklich darauf hinge- dass das Land Niedersachsen am 8. Oktober wiesen worden, dass wir die Rechte des Parla- 2015 - vor einem Jahr - eine Stellungnahme abge-

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geben hat, die genau die Kritikpunkte anspricht, Ich habe viel Sympathie für die Anträge aus Hes- die Sie jetzt aufgreifen. Wir haben nämlich kriti- sen und Baden-Württemberg. Aber es ist so: Der siert - das haben wir auch in der Antwort auf eine Bundesrat hat alle diese Forderungen bereits vor Kleine Anfrage dargestellt - und einem Jahr erhoben. Es kommt darauf an - viel- leicht hat die CDU-Landtagsfraktion einen guten „deutlich gemacht, dass die Kreditwürdig- Draht, und der Kollege Siemer bräuchte sich nicht keitsprüfung konkretisiert werden sollte. am Justizminister abzuarbeiten, sondern er kann Ferner wurde die Sorge gegenüber der sich vielleicht auch mal an der CDU/CSU-Bundes- Bundesregierung zum Ausdruck gebracht, tagsfraktion abarbeiten -, dass wir eine vernünftige dass die Kreditvergabe an bestimmte Ziel- Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie gruppen (junge Familien, Senioren, Men- erreichen, die dem Schutz der Verbraucherinnen schen mit stark schwankenden Erwerbsein- und Verbraucher vor unlauterem Geschäftsgeba- kommen) nicht unnötig eingeschränkt wer- ren dient, die aber auch nicht ältere und jüngere den sollte.“ Menschen daran hindert, Kredite für den Woh- Leider folgten die Bundesregierung und vor allem nungsbau zu erhalten. Wir dürfen nicht durch ein auch der Bundestag diesen Bundesratsbeschlüs- aus der Sicht der Landesregierung nicht so gut sen nicht. Es geht hierbei um mehr Verbraucher- formuliertes Gesetz ein Hemmnis erhalten. Viel- schutz. Es ist richtig, dass wir eine gute Beratung leicht sollte man jetzt, nach einem Jahr, die Vor- haben. schläge der Länder doch einmal ernsthaft prüfen und aufnehmen. Wir haben übrigens zusammen mit Nordrhein- Westfalen auch einen Antrag eingebracht, um die (Beifall bei den GRÜNEN) Verbraucher vor einer Abzocke durch Dispozinsen zu schützen. In unserem Koalitionsvertrag heißt es Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: ja, dass die Dispozinsen bei acht Prozentpunkten Vielen Dank, Herr Minister. über dem Nominalzinssatz gedeckelt werden sol- len. Auch hierzu haben wir einen gemeinsamen Weitere Wortmeldungen zu diesen verbundenen Änderungsantrag eingebracht - nach meiner Erin- Tagesordnungspunkten liegen nicht vor, sodass nerung zusammen mit Nordrhein-Westfalen -, um wir zur Ausschussüberweisung kommen. das umzusetzen. Auch das wurde von der Bundes- Federführend soll sich der Ausschuss für Haushalt regierung und vor allem auch vom Bundestag nicht und Finanzen, mitberatend der Ausschuss für aufgegriffen. Wenn es also erhöhte Dispozinsen Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien und gibt, können Sie sich gerne bei der CDU/CSU- Regionalentwicklung damit befassen. Angeregt Fraktion bedanken, die das dort anscheinend blo- wurde ferner, auch den Unterausschuss „Verbrau- ckiert hat. cherschutz“ zu beteiligen, was der federführende Zur Umsetzung: Vom Prinzip her ist es positiv, Ausschuss im Einzelnen noch veranlassen kann. dass es eine bessere Information und Beratung Ich gebe das erst einmal erst so zu Protokoll, da der Verbraucherinnen und Verbraucher gibt. Aber ein formaler Antrag auf Überweisung an den Un- in der Tat ist Deutschland an vielen Stellen über terausschuss hier nicht vorliegt, sondern nur die das Ziel hinausgeschossen. Es gibt dieses Prob- Anregung. Aber nach der Geschäftsordnung kann lem für die älteren Menschen, wobei es heißt: Gibt darüber der federführende Ausschuss entschei- es eine Gewähr, dass der Kreditnehmer den Kredit den. - Wer diese Ausschussüberweisung unter- zurückzahlt? - Dann wird geprüft, ob die Lebens- stützt, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist erwartung noch so hoch ist, dass er in beispiels- ausreichend unterstützt und wird so geschehen. weise 20 Jahren noch lebt. - Das kann es natürlich Ich rufe auf den nicht sein! Man braucht dabei vernünftige Prioritä- ten. Wir haben Ihnen übrigens in der Antwort der Lan- Tagesordnungspunkt 36: desregierung auf die Anfrage zur Umsetzung der Erste Beratung: Wohnimmobilienkreditrichtlinie vom 8. September Videoüberwachung ist ein wertvolles Instru- auch geschildert, dass die Sparkassen in Nieder- ment für mehr Sicherheit - Die Landesregierung sachsen von einem Rückgang um 12 % beim Zu- muss es stärker nutzen und bessere rechtliche - Antrag der Fraktion sagevolumen für Wohnimmobilienkredite spre- Voraussetzungen schaffen! chen. Deshalb gibt es die Probleme. der CDU - Drs. 17/6682

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Die Einbringung wird nun die Kollegin Angelika Herr Präsident, meine Damen und Herren, in der Jahns für die CDU-Fraktion vornehmen. Bitte SPD hat aber scheinbar ein Lernprozess stattge- schön, Frau Kollegin! funden. Im Mai 2013 sprach Minister Pistorius zwar laut heise online vom 19. Mai 2013 auf entspre- Angelika Jahns (CDU): chende Vorschläge der CDU von reflexhaften For- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das derungen, die nur wenig hilfreich bei der Beurtei- Thema Videoüberwachung ist politisch höchst lung von Sachfragen seien. Im Januar dieses Jah- umstritten. Die rot-grüne Koalition hat sich bereits res sagte er dann aber laut NDR, dass er absolut zu Beginn der Wahlperiode festgelegt. Im Koaliti- dafür sei, mehr öffentliche Plätze per Video über- onsvertrag heißt es: wachen zu lassen. Taten folgten diesen Worten allerdings nicht. Wir zitieren dieses und auch die „Die rot-grüne Koalition wird die von der ab- sehr lobenswerten Pläne zur umfassenden Video- gelösten Landesregierung ausgeweitete Vi- überwachung in Bussen und Bahnen von Minister deoüberwachung einschränken.“ Lies in unserem Antrag. Der Kollege Onay von den Die CDU-Fraktion hingegen fordert den Ausbau Grünen reagierte übrigens auf die Ankündigung der Videoüberwachung. Frau Kollegin Modder von Minister Lies sehr ablehnend. sagte zu dieser und unseren anderen Forderungen (Belit Onay [GRÜNE]: Sehr gut!) zur Verbesserung der Sicherheit in der Aussprache zur Regierungserklärung am 17. August 2016: Auf Bundesebene gibt es inzwischen wohl Einig- keit, dass die Videoüberwachung auch im privaten „Ich bin der festen Überzeugung, dass die Bereich ausgedehnt werden soll. Das Bundesin- Mehrheit in diesem Land genau das nicht nenministerium hat entsprechende Pläne, insbe- will, meine Damen und Herren.“ sondere z. B. für Einkaufszentren, vorgelegt. Der Sehr geehrte Frau Kollegin Modder, Sie irren mal innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestags- wieder. Wir zitieren es auch im Antrag: Mehr als fraktion, Herr Lischka, sagt hierzu laut Welt online 81 % der Befragten einer Umfrage von Infratest- vom 26. Oktober 2016: Dimap forderten bereits vor den Ereignissen der „Die gewachsene Terrorgefahr gebietet es, letzten Silvesternacht mehr Videoüberwachung auf dass nicht nur öffentliche Plätze wie Bahn- öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen. höfe und Flughäfen, sondern auch Ein- (Beifall bei der CDU) kaufszentren und große Veranstaltungen vi- deoüberwacht werden.“ So viel zu Ihrem Glauben, was die Mehrheit in diesem Land will, Frau Modder. Sie vertreten hier Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Minderheitenposition. Herr Lischka hat recht. Der Amoklauf von München hat gezeigt, dass eine vollständige Überwachung Wir fordern nicht die totale Überwachung von je- des Einkaufszentrums sinnvoll gewesen wäre. dem und allem zu jeder Zeit. Wir haben auch keine Datenschutz ist wichtig, aber nicht grenzenlos. Überwachungsfantasien, wie die Grüne Jugend Gegenwärtig übertreiben wir es hier manchmal. dem Bundesinnenminister auf entsprechende Plä- Schockiert hat mich beispielsweise ein Bericht ne hin unterstellte. über einen Gastwirt in Berlin, der bei sich Überwa- Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir chungskameras installierte, nachdem er einmal wollen nicht, dass sich Frauen, Männer, ältere überfallen und zweimal bei ihm eingebrochen wur- Menschen nicht mehr in Busse, in Bahnen, auf de. Dieser Gastwirt hatte Aufnahmen der öffentli- Bahnhöfe und auf öffentliche Plätze trauen, weil chen Straße vor seiner Gaststätte, die entschei- sie sich dort nicht sicher fühlen. Viele Menschen dend halfen, die Entführung und Ermordung des fühlen sich dort nicht mehr sicher, und zwar nicht, vierjährigen Mohamed und des sechsjährigen Elias weil sie sich vom Staat verfolgt fühlen, sondern sie aufzuklären. Der Täter konnte deshalb vor Kurzem fürchten Übergriffe und haben Angst vor Strafta- zur Höchststrafe verurteilt werden. Dieser Wirt ten. Diese Angst ist begründet, wenn eine Landes- wurde anschließend wegen der unerlaubten Ka- regierung nicht dafür Sorge trägt, dass sich die mera angezeigt, weil es diese Aufnahmen nach Bürger durch verschiedene Sicherheitsvorkehrun- dem geltenden Datenschutzrecht nicht hätte geben gen in ihren Ängsten ernst genommen fühlen. dürfen. Nehmen Sie das nicht ernst, verlieren Sie die Hier in Niedersachsen konnten wir im Mai lesen, Menschen an Populisten. dass die Polizei in Hannover knapp zwei Drittel

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ihrer Videoüberwachungsanlagen demontieren Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, werde. Hintergrund war ein Gerichtsverfahren, uns ist bewusst, dass hier viele Daten gesammelt aber auch der Koalitionsvertrag, der die Reduzie- werden. Daher legen auch wir großen Wert darauf, rung der Zahl der Anlagen vorsieht. Ich bitte den dass diese gut geschützt werden und keine unbe- Innenminister, darzulegen, wie viele der Kameras fugten Dritten hierauf Zugriff haben. Das ist natür- tatsächlich abgebaut wurden. Ich habe auf der lich auch für den privaten Bereich sicherzustellen. Übersicht der Videoüberwachungsanlagen der Polizeidirektion Hannover nachgeschaut, wie viele Wir fordern die Landesregierung auf, die nieder- Kameras noch da sind. Wenn ich es richtig beurtei- sächsischen Gesetze an die Erwartungen der Be- le, sind zu meiner persönlichen Überraschung völkerung anzupassen. Insbesondere für die noch alle 77 Kameras da. Herr Minister Pistorius, Überwachung in Bussen und Bahnen ist das Land vielleicht können Sie das kurz aufklären. Haben zuständig, wie das Verwaltungsgericht Hannover Sie entsprechend dem Koalitionsvertrag und der festgestellt hat. Hier sollten wir die Gesetze weiter Presseankündigungen Kameras abgebaut, oder modernisieren. Das Land Niedersachsen sollte stehen diese noch in vollem Umfang in Hannover auch die Bemühungen des Bundes unterstützen richtigerweise zur Verfügung? und nicht hinter den Regelungen des Bundes zu- rückbleiben. Die Gegner der Videoüberwachung wenden nicht ganz zu Unrecht ein, dass die meisten von Kame- Ich will es noch einmal deutlich machen: Die Vi- ras hergestellten Bilder gar nicht betrachtet werden deoüberwachung ist ein wichtiges Instrument, poli- können. Selbstverständlich können nicht 77 Poli- zeiliche Erkenntnisse zum Zwecke der Gefahren- zeibeamte z. B. in Hannover die ganze Zeit auf abwehr zu gewinnen und Strafverfolgungen viel- den Bildschirm schauen und die Bilder überwa- leicht erst zu ermöglichen. In den anstehenden chen. Es gibt aber inzwischen auch intelligente Beratungen unseres Antrages bin ich auf die viel- Videoüberwachung, die z. B. erkennt, ob Gepäck fältigen Hinweise und Anregungen der Kolleginnen stehen gelassen wird, ob jemand stürzt oder ob es und Kollegen gespannt. ähnliche Vorkommnisse gibt. Die Technik entwi- ckelt sich also weiter, und zwar so, dass auch Wir wollen möglichst viele Menschen bei diesem mehr Nutzungsmöglichkeiten bestehen. Das gilt Thema mitnehmen. Die klare Mehrheit der Bevöl- auch für die Qualität der übertragenen und aufge- kerung ist aber eindeutig für eine maßvolle Aus- zeichneten Bilder. Das macht die Systeme effizien- dehnung der Videoüberwachung - natürlich unter ter, ist aber natürlich datenschutzrechtlich relevant. Beachtung der Datenschutzregelungen. Ich hoffe Hier müssen wir moderne Lösungen finden, die deshalb, die Landesregierung und die sie tragen- nicht das Grundrecht auf informationelle Selbstbe- den Fraktionen können sich dazu durchringen, stimmung völlig einseitig gegenüber dem Recht auf Videoüberwachung in geeigneter Form in Nieder- körperliche Unversehrtheit überbetonen. sachsen zuzulassen und damit den hohen Stel- Herr Minister Pistorius sagt ja auch gerne, Sicher- lenwert der Gefahrenabwehr zu unterstreichen. heit sei kein Supergrundrecht. Wir halten es für wichtig, dass sich die handelnden (Belit Onay [GRÜNE]: Es ist so!) Personen erklären. Bei Frau Kollegin Modder ha- ben wir bereits gehört, dass sie sich irrt. Beim In- Aber, Herr Präsident, meine Damen und Herren, nenminister ist medial nicht klar zu erkennen: Ist er die Vorfälle von Köln wären ohne Videoaufzeich- jetzt für Videoüberwachung oder dagegen? Einzig nungen noch weniger aufzuklären, als sie es jetzt Verkehrsminister Lies spricht da eher eine deutli- schon sind. Das liegt zum Teil an unzureichender che Sprache. Überwachung und der schlechten Qualität der Bilder. Deshalb muss dieses verbessert werden. Wir freuen uns auf die Beratungen. Ich denke, im Auch hier in Niedersachsen sind die bestehenden Hinblick auf die Sicherheit in Niedersachsen sind Anlagen nicht auf dem technisch neuesten Stand. wir unseren Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet. Ändern Sie das, meine Damen und Herren, um Wir werden sicherlich auch kluge Lösungen finden. den Menschen wieder ein stärkeres Gefühl der Sicherheit in Niedersachsen zu geben! Danke schön.

(Beifall bei der CDU) (Beifall bei der CDU)

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Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: men und Herren. Auch das haben Sie schon an- gesprochen, Frau Jahns. Vielen Dank, Frau Kollegin Jahns. - Für die Frakti- on Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Belit Ich möchte nun nicht sagen, dass Videoüberwa- Onay das Wort. chung überall und immer falsch ist. Aber wir haben da einen klaren rechtlichen Kompass: Ein solcher Belit Onay (GRÜNE): Eingriff, eine solche Maßnahme muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Um es auf den Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen Punkt zu bringen: Er muss verhältnismäßig sein. und Kollegen! Sehr geehrte Frau Jahns, es ist schon interessant, zu beobachten, wie sich die (Zustimmung bei den GRÜNEN und Videoüberwachung mehr und mehr zu einer der von Jan-Christoph Oetjen [FDP] - Zu- Hauptsäulen der Sicherheitspolitik der Union ent- ruf von Angelika Jahns [CDU]) wickelt. Herr de Maizière hat aktuell Pläne zur - Das sagen Sie vielleicht hier in der Rede, Frau Erweiterung der Videoüberwachung auf Bundes- Jahns. Aber Beispiele, die ich zitiert habe, spre- ebene vorgestellt. Eine ähnliche Tonlage schlagen chen eine andere Sprache. nun auch Sie hier in Niedersachsen an. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bedeutet für Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen: Vi- Niedersachsen und für das gesamte Bundesgebiet deoüberwachung gibt es nicht umsonst, sondern auch, dass eine Ausweitung der Videoüberwa- nur auf Kosten flächendeckender Eingriffe in die chung nur auf Grundlage solider wissenschaftlicher Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Evaluation und konkreter Nachweise bestehender Man muss sich bei der Lektüre Ihres Antrags Gefahren erfolgen kann, also nicht beliebig. Vi- schon fragen, welches Grundrechtsverständnis Sie deoüberwachung darf eben nicht pauschal ausge- hier an den Tag legen. In der Begründung Ihres weitet werden, nicht - wie Sie es in Ihrem Antrag Antrages schreiben Sie: schreiben - auf alle Orte. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der „In öffentlichen Bahnen, Bussen, Bahnhö- SPD) fen, zentralen Plätzen und Straßen müssen Passagiere jederzeit damit rechnen, beo- Sie erwähnen das Beispiel Köln. Meines Wissens bachtet zu werden.“ waren auf die Fläche, auf der die Vorfälle stattge- funden haben - im Bereich des Bahnhofs und dar- Meine sehr geehrten Damen und Herren, in einem über hinaus -, 80 Videokameras - korrigieren Sie Rechtsstaat ist das natürlich nicht der Fall. Bürge- mich gegebenenfalls - gerichtet. Durch diese Vide- rinnen und Bürger müssen eben nicht damit rech- okameras konnte aber letztlich leider keiner dieser nen, jederzeit beobachtet zu werden. Und das ist Übergriffe verhindert werden. Denn Technik allein auch gut so. verhindert keine Straftaten. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der (Christian Dürr [FDP]: Dafür braucht FDP) man mehr Polizisten! - Angelika Jahns Denn selbstverständlich sind auch Bahnhöfe, [CDU]: Das Sicherheitsgefühl wird ge- Straßen und öffentliche Plätze Orte der Kommuni- stärkt!) kation und der Demonstration. Sie sind - um es mit Das Sicherheitsgefühl ist das Stichwort, sehr ge- dem Bundesverfassungsgericht zu sagen - „Orte ehrte Frau Jahns. Leider ist es doch eher eine des Verweilens und der Begegnung“ und eines kurze, subjektive und trügerische Sicherheit. Das „allgemeinen kommunikativen Verkehrs“. Hier ein- zeigen die Zahlen der Infratest-Studie, die Sie fach davon zu sprechen, dass eine Beobachtung zitiert haben, deutlich. Natürlich fühlen sich man- selbstverständlich sei, ist schon ein schräges che Menschen durch Videoüberwachung erst ein- Rechts- und Staatsverständnis. mal sicherer. Aber für wirkliche Sicherheit können sie nicht sorgen. Keine Kamera kann herunterhüp- Weiter behaupten Sie in dem Antrag sogar, dass fen und Menschen retten. der Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung den „Schutz der Bürgerinnen Abschließend noch ein Zitat: Sie sprechen in Ihrem und Bürger und ihren Zugang zum öffentlichen Antrag davon, dass eine Ablehnung Ihrer Vor- Raum“ verletzen könnte. Das Supergrundrecht schläge dem Geist, den „Vorstellungen der 80er- Sicherheit lässt grüßen, meine sehr geehrten Da- Jahre“ entsprechen würde. - Mich als Kind der

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80er hat die Lektüre Ihres Antrages in der Tat an Von daher müssen wir etwas differenzierter an die die 80er erinnert, vor allem an „1984“, das Buch Sache herangehen. Videoüberwachung allein ist von George Orwell. keine Antwort auf die Sicherheitsherausforderun- gen unserer Gesellschaft. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glau- be, das Verständnis, das Sie in Ihrem Antrag of- (Beifall bei den GRÜNEN - Mechthild fenbaren, kann nicht unbedingt als Diskussions- Ross-Luttmann [CDU]: Nicht allein!) grundlage dienen. Aber ich bin gespannt auf die Beratungen im Innenausschuss. Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vielen Dank, Herr Onay. - Das Wort hat jetzt für Vielen Dank. die FDP-Fraktion der Kollege Jan-Christoph Oet- (Beifall bei den GRÜNEN) jen.

(FDP): Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Jan-Christoph Oetjen Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kollegin- Herr Onay, bleibe Sie bitte stehen. Ich wollte Sie nen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen bei Ihren Gedanken nicht unterbrechen. Aber jetzt und Herren! Videoüberwachung ist immer ein Ein- möchte ich die Chance nutzen, Sie zu fragen, ob griff in das Grundrecht auf informationelle Selbst- Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Jahns beant- bestimmung. Daher ist es wichtig, dass jede Nut- worten würden. zung der Videoüberwachungstechnik genau mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestim- Belit Onay (GRÜNE): mung abgewogen wird und dass geprüft wird: Ist Ja. es wirklich notwendig, eine Videokamera aufzustel- len? Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Soll es aus Sicht der FDP Videoüberwachung ge- Bitte, Frau Kollegin! ben? - Ja, meine sehr verehrten Damen und Her- ren, an Brennpunkten, wo Videoüberwachung Angelika Jahns (CDU): Straftaten verhindern oder aufklären kann. Danke. - Lieber Herr Kollege Onay, statistische Derzeit liegt uns der Gesetzentwurf zum Gefah- Zahlen belegen, dass an öffentlichen Plätzen, an renabwehrgesetz vor. Er sieht vor, dass Video- denen Videoüberwachung eingerichtet wurde - das überwachung auch zur Bekämpfung von Ord- sind natürlich speziell gefährdete Plätze -, die Kri- nungswidrigkeiten genutzt werden darf. Das halten minalität tatsächlich gesunken ist und dass die wir als Freie Demokraten für falsch. Der Ordnungs- Menschen da tatsächlich ein besseres Sicher- widrigkeitenbegriff sollte da gestrichen werden. Wir heitsgefühl haben. Widersprechen Sie diesen Sta- sollten nur auf die Verhinderung und Aufklärung tistiken? von Straftaten rekurrieren. (Beifall bei der FDP) Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Meine Damen und Herren, wir als FDP haben uns Bitte, Herr Onay! in verschiedenen Anfragen erkundigt, was die Landesregierung im Bereich der Videoüberwa- Belit Onay (GRÜNE): chung plant. Ich will denen gar nicht widersprechen. Aber das An vielen Standorten, insbesondere auch hier in Beispiel Köln widerspricht diesem Einwand. Es gibt Hannover, haben wir alte Videotechnik, analoge übrigens auch sehr gute Studien, die gezeigt ha- Kameras. Wir sind der Überzeugung, dass wir ben, dass die nahezu flächendeckende Überwa- dieses analogen Kameras möglichst schnell durch chung in London vor allem zu einer Verlagerung digitale Kameras ersetzen müssen. Warum? - der Kriminalität in unbeobachtete Räume führt, in Digitale Kameras ermöglichen es, Teilbereiche zu denen sich Straftäterinnen und Straftäter bei ihren verpixeln, wenn in private Bereiche gefilmt wird. Untaten sicher fühlen. Digitale Kameras ermöglichen es, einen daten- (Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig! - schutzrechtlich besseren Schutz zu gewährleisten. Petra Tiemann [SPD]: So ist es!) Deswegen erwarte ich von dieser Landesregie- rung, dass sie endlich einen konkreten Plan dafür

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entwickelt, sehr geehrter Herr Minister Pistorius, wir mit Videokameras eine Scheinsicherheit, die wie dort, wo Videoüberwachung notwendig ist, die niemandem hilft. Umstellung von analogen auf digitale Kameras Vielen Dank. vorgenommen werden kann. (Beifall bei der FDP und Zustimmung (Beifall bei der FDP) bei der CDU) Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Es wurde gerade richtig gesagt: 77 Kameras in Hannover dürfen bald nicht mehr filmen und müs- Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Für die SPD- sen abgeschaltet werden. Ein Gericht hat hier dem Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Karsten Becker Datenschutz zur Geltung verholfen. Es hat klar das Wort. festgestellt: So, wie die Kameras im Moment instal- liert sind, ist das ein Verstoß gegen den Daten- Karsten Becker (SPD): schutz. - Wir haben die große Aufgabe, in diesem Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen, Bereich nachzusteuern. Verbleiben sollten Kame- liebe Kollegen! Sehr geehrte Frau Jahns, ich greife ras nur an Standorten, deren Zulässigkeit daten- einmal den Titel Ihres Antrages auf: „Videoüber- schutzrechtlich abgeprüft und mit dem Landesbe- wachung ist ein wertvolles Instrument für mehr auftragten für den Datenschutz abgestimmt ist. Sicherheit“. Der Wahl des Begriffs „Instrument“ stimme ich zu. Mit dem Rest, insbesondere mit der (Beifall bei der FDP und bei den Wahl des Attributs, habe ich so meine Probleme. GRÜNEN) Videoüberwachung in Bussen und Bahnen vorzu- Ein multifunktionales Mittel mit durchschlagender halten - die Kollegin von der CDU hat auch dieses Wirkung gegen den Terrorismus ist die Video- Thema angesprochen -, kann sinnvoll sein, und überwachung jedenfalls ganz bestimmt nicht. Trotz zwar dort, wo Sicherheitsgründe sie notwendig aller Euphorie sollten wir nicht vergessen, dass sie machen. Derzeit plant die Landesregierung jedoch einen sehr empfindlichen Eingriff in das Grund- eine flächendeckende und tageszeitunabhängige recht auf informationelle Selbstbestimmung dar- Aufzeichnung. Das ist aus meiner Sicht daten- stellt. Meine Vorredner haben das völlig zu Recht schutzrechtlich unzulässig. Ich erwarte von dieser so gewertet. Ich meine, mit diesem Aspekt gehen Landesregierung und von Minister Lies - er ist im Sie in Ihrem Antrag - insbesondere in der Begrün- Moment nicht da -, diese datenschutzrechtlich dung - ein bisschen oberflächlich um, wenn Sie unzulässigen Pläne zu stoppen. dort ohne tragfähige Begründung feststellen, dass der Staat bei seiner Verpflichtung, die Menschen (Beifall bei der FDP) zu schützen, durch überzogene Datenschutzrege- Wir Freien Demokraten wollen keine flächende- lungen behindert werde. ckende und tageszeitunabhängige Totalüberwa- Ich wäre sehr daran interessiert, zu erfahren, wie chung. Das ist nicht unser Weg. Tatsächlich helfen das Bundesverfassungsgericht Ihre hingeworfene würde Videoüberwachung in Bussen und Bahnen Begründung werten würde, dass das Grundrecht nur in Form einer Echtzeitbeobachtung. Dafür, auf informationelle Selbstbestimmung der Vorstel- verehrte Kollegin Jahns, braucht man nicht 77 lung der 80er-Jahre entspreche und nicht mehr Menschen vorzuhalten. zeitgemäß sei. Da machen Sie es sich ein wenig (Glocke des Präsidenten) zu leicht, meine Damen und Herren von der CDU. Aber nur wenn sich jemand tatsächlich die Bilder (Beifall bei der SPD und bei den ansieht, kann im Notfall geholfen werden - und das GRÜNEN) wollen wir in diesem Fall doch erreichen. Aber Ihr Timing ist wirklich gut. Wenn Ihr Antrag (Beifall bei der FDP) Begleitmusik zu der von Bundesinnenminister de Maizière angedachten Videoüberwachungsoffensi- Ich komme zum Schluss, sehr geehrter Herr Präsi- ve sein sollte, dann hätten Sie ihn terminlich kaum dent. besser platzieren können. Auch bei Herrn de Mai- Videoüberwachung sollte maßvoll eingesetzt wer- zière können wir uns bedanken, nämlich dafür, den: dort, wo Sicherheitsaspekte sie notwendig dass er offensiver und prägnanter deutlich ge- machen und sie mit dem Grundrechtseingriff ord- macht hat, wie die CDU das Spannungsfeld zwi- nungsgemäß abgewogen wurde. Ansonsten haben schen dem Grundrecht auf informationelle Selbst-

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bestimmung und der Videoüberwachung austa- Die Hoffnung, dass das Sicherheitsempfinden riert. deutlich verbessert wird, wurde hingegen nicht bestätigt. Wenn überhaupt, nimmt das Sicherheits- (Thomas Adasch [CDU]: Die SPD gefühl der Bevölkerung nur sehr kurzzeitig zu. macht da doch mit!) Außerdem tauchen sehr schnell Fragen nach den Videoüberwachung an öffentlichen Orten wie Ein- unterstellten Sicherheitsdefiziten an einer Örtlich- kaufszentren, Sportstätten, Parkplätzen, in Bussen keit auf, an der videoüberwacht wird. Es stellt sich und Bahnen soll es im Kampf gegen den Terroris- die Frage: Warum stehen hier eigentlich Kameras? mus jetzt also richten - unterstützt von Technik zur Wer sich einmal in britischen Städten die Ankündi- automatischen Gesichtserkennung. Das ist es ja gungen von Videoüberwachung, diese Großplaka- wohl, was Sie im Forderungsteil Ihres Antrags mit tierungen, anschaut, der kann das auch recht gut „modernen Formen der ‚intelligenten‘ Videoüber- nachvollziehen. Ich will es einmal so sagen: Lawi- wachung“ umschreiben. nenartige Wohlfühleffekte lösen diese Hinweise Meine Damen und Herren, es wäre grundfalsch, jedenfalls nicht aus. den Herausforderungen der terroristischen Bedro- (Beifall bei der SPD und bei den hungen mit Ignoranz zu begegnen; davon bin ich GRÜNEN) auch weit entfernt. Ich bin sehr dafür, neue techni- sche Überwachungsmöglichkeiten auf ihre Eig- Zum dritten Effekt: Dass Kameras abschrecken nung für den Einsatz gegen Kriminalität und Terro- und so der Verhinderung von Straftaten dienen, ist rismus zu untersuchen. Aber den Anspruch, nicht ebenfalls zweifelhaft. Es gibt dazu sehr dezidierte, nur alten Wein in neue Schläuche zu gießen, soll- weitgehende Erfahrungen aus Großbritannien. ten wir schon haben. Dort wird zwar ein moderater Rückgang der Krimi- nalität ausgewiesen - das stimmt -, allerdings Welche Wirkung wir von einer Videoüberwachung hauptsächlich in Parkhäusern. Auch dieser Effekt ganz konkret erwarten dürfen, können wir eigent- wird in entsprechenden Untersuchungen aus den lich heute schon recht präzise beschreiben, Frau USA nicht bestätigt. Auch da wird man noch ein- Jahns. Das sieht etwas anders aus, als Sie es mal genauer hingucken müssen. gerade im Rahmen Ihrer Kurzintervention auf den Beitrag des Kollegen Onay beschrieben haben. Meine Damen und Herren, wie gehen wir jetzt mit Mit Videoüberwachung werden eigentlich drei Er- diesen Erkenntnissen aus der Videoüberwachung wartungen verknüpft - die Verhinderung von Straf- im Hinblick auf die aktuellen Bedrohungsszenarien um? - Ignoranz - das habe ich schon gesagt - wäre taten, eine bessere Unterstützung bei der Ermitt- lung von Tätern und die Verbesserung des Sicher- sicherlich der schlechteste Weg. Jubelnde Begeis- terung und unkritische Hinwendung zu mehr Vide- heitsempfindens der Bevölkerung -, ografie, meine Damen und Herren von der CDU, (Angelika Jahns [CDU]: Das stimmt machen es aber auch nicht viel besser. nicht!) (Angelika Jahns [CDU]: Das habe ich die aber nur eingeschränkt auf die bisherigen Er- auch nicht gesagt!) fahrungen mit dieser Technik gestützt werden kön- nen. Es ist nämlich keine schöne Vorstellung, dass ein den Überwachungskameras nachgeschalteter, Ich will mit der Unterstützung bei der Ermittlung selbstlernender Algorithmus einen Menschen, der von Tätern beginnen. Dass Kameras bei der Er- sich in einem Bahnhof oder Flughafen bewegt, von mittlung von Tätern hilfreich unterstützen können, Raum zu Raum, von Stockwerk zu Stockwerk be- hat sich in der Praxis bestätigt. Das ist so. obachtet, sein Aussehen und/oder sein Verhalten (Angelika Jahns [CDU]: Also doch!) bewertet und entsprechend seiner Programmie- rung das Ganze als außergewöhnliches Ereignis - Ja, klar. Ich habe auch überhaupt keine Beden- einstuft und dementsprechende Alarmierungen ken, das so zu beschreiben. oder weitergehende Maßnahmen auslöst. Allerdings ist auch nie untersucht bzw. überprüft Dass Sie in Ihrem Antrag hohe Standards der worden, wie viele Taten auch ohne Videobilder technischen Datensicherheit gegen den Zugriff hätten aufgeklärt werden können. Dennoch bleibt durch Unbefugte fordern, meine Damen und Her- es dabei: An der Stelle können wir von auswertfä- ren von der CDU, ist - bei aller Anerkennung - nicht higen Videoaufnahmen tatsächlich etwas erwarten. mehr als eine Selbstverständlichkeit. Das Grund-

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problem ist nämlich viel weiter gehend. Das Der Antrag wird für die FDP-Fraktion durch den Grundproblem liegt darin, dass bereits das Be- Kollegen Dr. Stefan Birkner eingebracht. Sie ha- wusstsein, beobachtet zu werden, zu einem ver- ben das Wort. änderten Verhalten von Menschen führt. Dr. Stefan Birkner (FDP): (Dr. Gero Hocker [FDP]: So ist es!) Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Auch wenn diese Prozesse auf der Ebene des Herren! Strafrechtliche Sanktionen unterliegen Unterbewussten ablaufen, müssen wir doch den einem Rechtfertigungszwang. Sie bedürfen einer dahinterstehenden Eingriffscharakter anerkennen Begründung, die es rechtfertigt, dass man das und konstatieren, dass man hier mit bloßen Über- Verhalten, das man unter Strafe stellen will, tat- legungen zur technischen Datensicherung deutlich sächlich am Ende bestraft. Wenn man das tut, zu kurz springt. dann muss die Strafe bestimmten Zwecken die- nen. Es gibt generalpräventive Zwecke, d. h. dass Unser Auftrag wird es jedenfalls sein, genau zwi- die Strafe eine abschreckende Wirkung haben soll, schen dem Sicherheitsgewinn einer weitergehen- damit nicht auch andere solche Straftaten bege- den Videoüberwachung und den damit verbunde- hen. Es gibt auch die Spezialprävention, d. h. die nen Einschränkungen der individuellen Freiheit Strafe soll dazu dienen, dass einzelne Straftäter abzuwägen. Das werden wir im Ausschuss tun. Ich ihre Straftat nicht wiederholen. wäre sehr dankbar, wenn ich dabei von Argumen- ten wie „Wer sich nichts zuschulden hat kommen Wenn man etwas unter Strafe stellen will, dann ist lassen, der muss ja auch nichts befürchten!“ ver- bei der Umsetzung der Strafzwecke und Strafziele schont bliebe. das Verfassungsprinzip der Verhältnismäßigkeit in besonderer Weise zu berücksichtigen. Das heißt, Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. die Strafe, die man ausspricht, muss erforderlich, geeignet und im engeren Sinne auch verhältnis- (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei mäßig sein; denn am Ende - das muss man sich den GRÜNEN sowie Zustimmung bei immer wieder klarmachen - geht es hier um ele- der FDP) mentare Eingriffe in Grundrechte, die mit der Strafe verbunden sind. Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Wir meinen, dass im Hinblick auf das bestehende Vielen Dank, Herr Kollege Becker. - Weitere strafrechtliche Sanktionssystem bezüglich Canna- Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt bis diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, liegen nicht vor, sodass wir zur Ausschussüber- und folgen mit dieser Einschätzung den Meinun- weisung kommen. gen von zahlreichen Strafrechtsprofessorinnen und Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, den Ausschuss für -professoren, die dies in einer Resolution zum Inneres und Sport mit dem Antrag zu befassen. Ausdruck gebracht haben. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um das Meine Damen und Herren, wir sind der Auffas- Handzeichen. - Wir brauchen mindestens 30 sung: Die Prohibitionspolitik bezüglich Cannabis ist Stimmen und keine Gegenstimmen. 30 Stimmen gescheitert. waren es. - Da gerade nicht alle Arme oben waren, musste ich feststellen, dass es mindestens 30 (Beifall bei der FDP und bei den waren. - Die Ausschussüberweisung ist beschlos- GRÜNEN) sen. Das zeigt sich an Folgendem: Trotz des Betäu- Ich rufe auf den bungsmittelgesetzes haben sich die Verfügbarkeit und der Konsum von Cannabis nicht wesentlich verändert. Gerade der Effekt einer Generalpräven- Tagesordnungspunkt 37: tion, also andere in der Gesellschaft von dem Kon- Erste Beratung: sum und Besitz von Cannabis abzuhalten, ist nicht Cannabis entkriminalisieren - Jugendschutz eingetreten. Im Gegenteil, wir beobachten weiter, stärken - Antrag der Fraktion der FDP - dass es nicht reglementierte, illegale Märkte gibt, Drs. 17/6683 und wir erleben auch, dass der Konsum bei Ju- gendlichen, der in besonderem Maße in das Blick- feld genommen werden muss, weiterhin auf einem

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hohen Niveau vorhanden ist, auch wenn er diesem Hintergrund bejahen wir einen Reformbe- Schwankungen unterliegt - und dies trotz Prohibiti- darf. onspolitik. Die Ziele unserer Reformüberlegungen sind in Meine Damen und Herren, auch spezialpräventive erster Linie, dass wir dem verfassungsrechtlichen Wirkungen sind nicht erzielt worden, insbesondere Verhältnismäßigkeitsprinzip hier tatsächlich Gel- im Hinblick auf den Konsumenten. Denn lässt er tung verschaffen, und in zweiter Linie, dass wir den sich tatsächlich durch die Bestrafung künftig davon Jugendschutz stärken. Wir sehen natürlich sehr abhalten, ein solches Verhalten zu wiederholen? - wohl, dass man die Dinge zwischen Erwachsenen Gerade im Hinblick auf den Konsumenten ist das und Jugendlichen differenzieren muss. Denn gera- fraglich. Klar ist auch, dass sich etwaige Süchte de bei Jugendlichen sind sehr wohl Schädigungen nicht durch Strafe bekämpfen lassen, sondern am im Entwicklungsprozess zu befürchten, wenn es Ende nur durch Therapieangebote. entsprechende Einwirkungen in der pubertären Phase gibt. (Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN) (Zustimmung von Christian Grascha [FDP]) Meine Damen und Herren, es wird immer noch das Argument angeführt, man müsse sozusagen sei- Welche Mittel, meine Damen und Herren, wollen tens des Staates die Konsumenten davor schüt- wir anwenden? - Wir wollen eine partielle Entkrimi- zen, dass negative gesundheitsschädliche Auswir- nalisierung. Wir wollen die Aufhebung der Straf- kungen bei ihnen durch den Konsum eintreten. - barkeit des Konsums von und des Handels mit Dem kann man prinzipiell folgen; das kann zumin- Cannabis für Erwachsene. Wir wollen einen kon- dest eine legitime staatliche Erwägung sein. Aber trollierten Handel mit Cannabis im Rahmen eines dann muss sich der Staat auch an seinem eigenen Lizenzmodells zur Abgabe an Erwachsene; denn Verhalten an anderer Stelle messen lassen nur legale Märkte können durch den Staat regle- mentiert und kontrolliert werden. Nur so kann die (Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!) Qualität der Ware sichergestellt werden, nur so und darf sich nicht zu Wertungswidersprüchen kann eine gezielte Aufklärung über Wirkungen und hinreißen lassen. Die Gefährlichkeit von Cannabis mögliche Nebenwirkungen erfolgen, und nur so ist zumindest auf der gleichen Ebene - auch wenn kann mindestens in diesem Feld der Kontakt zu das nicht im Detail vergleichbar ist - wie bei Alko- dem Dealer vermieden werden, der auch andere, hol und anderen Drogen, die legal erworben wer- möglicherweise härtere Drogen an den Mann und den können, zu sehen. Insofern besteht hier der- an die Frau bringen will. zeit ein gewisser Wertungswiderspruch. Unseres (Beifall bei der FDP und bei den Erachtens ist es nicht gerechtfertigt, dass der Staat GRÜNEN) meint, wir müssten diesen Schutzanspruch bezüg- lich Cannabis durchsetzen, aber nicht bezüglich Meine Damen und Herren, wir wollen insbesonde- anderer Drogen. Dieser Widerspruch muss aufge- re keine Abgabe an Jugendliche und keine Entkri- hoben werden. minalisierung des Handels mit Cannabis gegen- über Jugendlichen. Ganz im Gegenteil. Wir wollen (Beifall bei der FDP und bei den hier differenzieren - so, wie das beim Alkohol der GRÜNEN) Fall ist -, und wir wollen, dass hier die Aufklärungs- Meine Damen und Herren, zu diesen Aspekten, und Präventions- sowie Bildungsarbeit gestärkt aufgrund derer wir meinen, dass die Prohibitions- werden, insbesondere durch die Steuermehrein- politik gescheitert ist, kommen weitere dazu, die für nahmen, die man durch einen reglementierten und eine Aufhebung der Prohibition sprechen: zum besteuerten Handel erreichen kann. Insofern ist einen die Belastung der Strafverfolgungsbehörden klar: Es muss zwischen der Abgabe an Erwachse- mit aus unserer Sicht nicht gerechtfertigten Ermitt- ne und an Jugendliche differenziert werden, näm- lungs- und Strafverfahren, zum anderen auch eine lich die Abgabe an Erwachsene straffrei stellen aus unserer Sicht ungerechtfertigte und nicht er- und für Jugendliche die Prävention stärken, aber forderliche Bestrafung von Bürgerinnen und Bür- auch diejenigen, die an Jugendliche Drogen ver- gern, die zu konkreten individuellen, persönlichen kaufen, noch härter und gezielter verfolgen und Beeinträchtigungen auch von Lebensläufen führt, bestrafen. die man vermeiden kann und muss; denn dieses (Beifall bei der FDP) Verbot in dieser Form ist unverhältnismäßig. Vor

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Meine Damen und Herren, ich will deutlich sagen, Die Legalisierung auch des nichtmedizinischen dass wir uns das als Fraktion nicht leicht gemacht Cannabis in den US-Staaten Colorado und haben. Wir haben das sehr intensiv diskutiert. Wir Washington State 2014 hat auch hier eine Debatte haben eine Fachanhörung gemacht und haben ausgelöst, die in dem nun vorliegenden Antrag das Für und Wider abgewogen. Wir meinen, wir seinen Niederschlag findet. sehen auch viele andere Argumente. Am Ende ist Die darin enthaltenen Aspekte wie Auswirkungen eine Gesamtabwägung durchzuführen, die das Für des Verbots auf den Jugendschutz, Prävention, und Wider in ein Verhältnis zueinander stellt. Wir Entkriminalisierung, die staatliche Kontrolle und die meinen, dass die Prohibitionspolitik vor dem Hin- Regulierung des Marktes sind immer wiederkeh- tergrund dessen, was wir wissenschaftlich sachlich rende Faktoren genau dieser Debatte. Hierzulande zur Kenntnis nehmen müssen und was wir in der hat das in unserer unmittelbaren Nachbarschaft Realität beobachten, in dieser Form gescheitert ist. dazu geführt, dass beispielsweise die Freie Han- Man muss zu einer Lösung kommen, wie wir sie sestadt Bremen ein wissenschaftlich begleitetes vorgeschlagen haben, um am Ende auch den ver- Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Can- fassungsrechtlichen Ansprüchen der Verhältnis- nabis durchführen möchte. mäßigkeit von strafrechtlichen Sanktionen zu ge- nügen. Schaut man sich die aktuellen Rahmendaten an, stellt man fest, dass Cannabis sowohl international Herzlichen Dank. als auch in Deutschland die mit Abstand am häu- (Lebhafter Beifall bei der FDP und figsten konsumierte illegale Droge ist. Laut epide- Zustimmung bei den GRÜNEN) miologischen Suchtumfragen haben 4,5 % der deutschen Erwachsenen im letzten Jahr Cannabis geraucht. Besonders häufig ist der Konsum bei 18- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: bis 25-Jährigen. Die Zwölf-Monats-Prävalenz be- Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Für die SPD- läuft sich auf 16,2 %. In dieser Altersgruppe kon- Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Christos sumieren etwa 4 % regelmäßig Cannabis, wobei Pantazis das Wort. die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung „regelmäßig“, also häufig, als mehr als zehnmal Dr. Christos Pantazis (SPD): pro Jahr definiert. Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kollegin- In diesem Zusammenhang erscheint allerdings nen und Kollegen! Kaum ein anderes Thema der erwähnenswert, dass entsprechende Werte für den Drogen- und Suchtpolitik wird öffentlich so vehe- riskanten Alkoholgebrauch um das Vierfache und ment und kontrovers diskutiert wie die Frage nach für regelmäßiges Tabakrauchen um das Zehnfa- der Legalisierung von Cannabis. Während sich die che höher liegen. Wohlgemerkt: Hier handelt es sonst gegenüberstehenden Glaubenspositionen sich um sogenannte legale Drogen - ein Umstand, beim Einsatz von medizinischem Cannabis mitt- der die drogenpolitische Widersprüchlichkeit offen- lerweile einig sind, stehen diese sich in der Frage bart. der Legalisierung von nichtmedizinischem Canna- bis nahezu unversöhnlich gegenüber. Medizinisch (Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!) betrachtet, gilt es heute als erwiesen, dass Can- Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn ich nabinoide bei verschiedenen Erkrankungen wie hier nicht auf alle Punkte des vorliegenden Antrags Spastik bei Multipler Sklerose oder neuropathische dezidiert eingehen werde, möchte ich von seiner Schmerzen einen therapeutischen Nutzen besit- Stoßrichtung her grundsätzliche Leitlinien von zen. Suchtpolitik skizzieren. Dazu gehören erstens die Verhinderung und Reduzierung von gesundheitli- (Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!) chen Schäden durch Suchtmittelkonsum und zwei- So beschloss das Bundeskabinett vor Kurzem erst tens die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilha- ein Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtli- be aller. Unter genau diesen beiden Aspekten ist cher Vorschriften, um chronisch kranke Patienten die Diskussion über die Legalisierung von Canna- nach ärztlicher Indikation zulasten der gesetzlichen bis zu führen. Krankenversicherung mit Medizinalhanf kontrollier- Hinsichtlich des ersten Aspektes ist mittlerweile barer pharmazeutischer Qualität versorgen zu wissenschaftlich fundiert belegt, dass abhängig können. von Alter, Dosierung und individueller Disposition

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unterschiedliche akute Folgeschäden durch Can- erinnere an den jugendlichen Alkoholtestkäufer - nabiskonsum auftreten können. hat es sich hinsichtlich einer Beschränkung des Substanzmissbrauchs als wenig effektiv gezeigt. (Thomas Schremmer [GRÜNE]: Wie Grundsätzlich ist das Gemeinwohl gegenüber dem beim Alkohol!) individuellen Interesse Einzelner abzuwägen. Hierzu gehören exemplarisch Panikattacken, psy- Eine im Antrag geforderte Freigabe von Cannabis chotische Symptome, mangelnde Konzentration über eine staatliche Regulierung im Hinblick auf und eine gestörte motorische Koordination. Insbe- Anbau und Qualität, Handel und Abgabe inklusive sondere ein hoch dosierter, langjähriger intensiver Kontrollen würde ferner zu nicht kalkulierbaren Cannabisgebrauch - die Daten hatte ich vorhin Kosten führen. Beim Aufbau eines entsprechenden genannt - sowie ein Konsumbeginn im Jugendalter Verwaltungsapparates würden die entstehenden können mit Abhängigkeit, spezifischen Entzugs- Kosten von der Allgemeinheit zu tragen sein, der symptomen, Psychosen und körperlichen Schädi- Nutzen aber nur einer kleinen Gruppe der Bevölke- gungen vor allem respiratorischer und kardiovas- rung zugutekommen. kulärer Erkrankungen einhergehen. (Helge Limburg [GRÜNE]: Das kann Diese Darstellung macht deutlich: Cannabis ist man über Gebühren regeln!) mitnichten eine harmlose Substanz. Eine gesetzli- che Freigabe zu Genusszwecken ist gerade aus Verehrte Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie suchtfachlicher Sicht kritisch zu hinterfragen. mir, abschließend festzuhalten, dass die von mir skizzierten suchtfachlichen und gesellschaftspoliti- Bezüglich des zweiten Aspekts besteht Konsens, dass auch Suchtmittel konsumierende Menschen schen Aspekte gegen die grundsätzliche Legalisie- rung bzw. Freigabe von nichtmedizinischem Can- grundsätzlich vollständig und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben sollten. Die nabis auf Länderebene sprechen. Allerdings ist es sicherlich politisch nachvollziehbar, sich über neue strafrechtliche Drogenprohibition kann bei Canna- Wege in der Drogenpolitik Gedanken zu machen, bis im Gegensatz zu Alkohol und Nikotin die ge- sellschaftliche Teilhabe jedoch erheblich ein- weil die Prävalenz von Cannabis trotz repressiven Ansatzes nicht abgenommen hat. schränken. Der hier vorliegende Antrag stellt die Argumentati- Ziel muss es sein, einen breiten gesellschaftlichen on auf, dass die derzeitigen gesetzlichen Regelun- Konsens zur Lösung dieser - ich nenne sie einmal gen ihr Ziel nicht erreicht hätten. Dies ist allerdings so - Glaubensfrage herbeizuführen. Hierzu spricht wissenschaftlich nicht belegbar. So berichtet die sich beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Suchtfragen für das Einsetzen einer Ethikkommis- Drogensucht, dass - Zitat - „Änderungen des Straf- sion auf Bundesebene aus. Wir hier vor Ort wer- rechts oder seiner Anwendung in anderen europä- den die notwendige Fachexpertise im federführen- ischen Staaten keinen eindeutigen Effekt, weder in den Sozial- und Gesundheitsausschuss sicherlich Richtung Konsumrückgang noch Ausweitung des hinzuziehen. Konsums aufwiesen“. In diesem Sinne freue ich mich auf die Ausschuss- Im Sinne eines sogenannten generalpräventiven beratungen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksam- Effekts erscheint eher eine Anpassung erforderlich, keit. wie durch die Einführung einer bundeseinheitlichen (Beifall bei der SPD und bei den Eigenverbrauchsgrenze für den Besitz geringer GRÜNEN sowie Zustimmung von Edi- Mengen von Cannabis. Die vorhandenen Rege- tha Lorberg [CDU] und Dirk Toepffer lungen sind allerdings auch weiterhin sinnvoll. [CDU]) Folglich müsste die politische Handlungsmaxime lauten: Entkriminalisierung - ja, Legalisierung - Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: nein. Vielen Dank, Herr Dr. Pantazis. - Für die CDU- Der hier vorliegende Antrag fokussiert sich in juris- Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Volker tischer Hinsicht auch auf das Jugendschutzgesetz. Meyer. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass dies kein (Beifall bei der CDU - Karl-Heinz Klare geeigneter Ersatz für die gesetzlichen Regelungen [CDU]: Du kennst dich damit also des Betäubungsmittelgesetzes im Umgang mit aus!) Cannabisprodukten sein kann. In der Praxis - ich

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Volker Meyer (CDU): Es kann doch nicht unser Ziel sein, durch Legali- Keine Angst, ich kenne mich damit nicht wirklich sierung eines Marktes Cannabis kontrolliert an gut aus. Ich habe es noch nicht probiert. Das kann Erwachsene zu verkaufen und dann die erzielten ich ganz beruhigend hier feststellen. Einnahmen in Aufklärungs- und Präventionsarbeit einzusetzen! Dies ist aus unserer Sicht der falsche Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehr- Weg; denn diese Einnahmen werden Sie zukünftig ten Damen und Herren! Ich möchte einleitend zu- sicherlich in höherem Maße in ambulante und sta- nächst gerne feststellen, dass wir den Einsatz von tionäre Behandlungsmöglichkeiten investieren Cannabis aufgrund medizinischer Indikationen müssen. absolut unterstützen und der Auffassung sind, (Thomas Schremmer [GRÜNE]: Das dass in diesem Bereich weiter geforscht werden bezweifle ich!) muss. Ich möchte einen kleinen Vergleich anstellen: Beim (Beifall bei der CDU) Rauchen wollen wir durch Schockbilder eine Ab- Werfen wir einmal einen Blick auf die Konsumsitu- schreckung erreichen, um den Konsum zu reduzie- ation in der Bundesrepublik. Der Kollege Pantazis ren und Gesundheitsrisiken zu minimieren, hat das schon getan. 7,8 % der Jugendlichen im (Thomas Schremmer [GRÜNE]: Das Alter von 12 bis 17 Jahren haben in ihrem Leben hat ja auch geklappt!) bereits einmal Cannabis genommen, 1,3 % davon regelmäßig. Abhängigkeit von Cannabis oder - darauf gehe ich nachher noch detaillierter ein -, missbräuchlicher Gebrauch dieser Substanz be- und beim Cannabiskonsum, der nachweislich deut- stehen bei etwa 0,5 % der deutschen Erwachse- lich gesundheitsgefährdender ist, wollen Sie eine nen. Cannabiskonsum ist mittlerweile bei den unter Legalisierung herbeiführen. Dies ist aus unserer 25-Jährigen der Hauptgrund für eine ambulante Sicht und gerade aus der Sicht der jungen Gruppe und stationäre Behandlung sowie die Inanspruch- absolut unverantwortlich. nahme von Einrichtungen der Suchthilfe. Hochge- (Beifall bei der CDU) rechnet ist davon auszugehen, dass rund 600 000 vorwiegend junge Menschen Probleme mit dem Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser gemeinsa- Konsum von Cannabis haben. mes Ziel muss doch eigentlich ein anderes sein. Wir müssen uns doch gemeinsam dafür einsetzen, Vor dem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kolle- dass wir eine möglichst drogenfreie Gesellschaft gen der FDP, schreiben Sie in Satz 2 Ihres Antra- bekommen. Hieran sollten wir gemeinsam arbei- ges: „Insbesondere der Jugendschutz kann durch ten. Die von Ihnen gemachten Vorschläge sind die derzeitige Rechtslage kaum gewährleistet wer- hierfür nicht geeignet. Eine bessere Verfügbarkeit den.“ von Cannabis würde sicherlich nicht dazu beitra- gen, dass der Konsum insgesamt sinkt, und ist (Thomas Schremmer [GRÜNE]: Das sicherlich auch nicht im Sinne des Jugendschut- scheint ja so zu sein!) zes. In Satz 4 führen Sie aus: „Es ist offensichtlich, Lassen Sie uns noch einmal - der Kollege Pantazis dass ein besserer Schutz junger Menschen vor hat das auch schon angesprochen - einen Blick den negativen Folgen des Cannabiskonsums nur auf die Auswirkungen von Cannabiskonsum wer- durch gezielte Legalisierung und dadurch ermög- fen. Jugendlicher Cannabiskonsum beeinträchtigt lichte Regulierung erreicht werden kann.“ die Entwicklung des Gehirns, und bleibende Schä- (Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- den sind nicht auszuschließen. Die aktuelle For- nimmt den Vorsitz) schungslage belegt, dass vor allem im Jugendalter begonnener hochdosierter, langjähriger und inten- Die von Ihnen in Satz 2 gewählte Formulierung siver Cannabiskonsum mit einer ganzen Reihe von kann man unter Umständen noch teilen. Die dann gesundheitlichen Problemen verbunden ist. Ge- jedoch von Ihnen gezogene Schlussfolgerung, nannt seien nur Abhängigkeit, Entzugssymptome, dass der Jugendschutz durch eine Legalisierung kognitive Einbußen, Angststörungen sowie körper- des Cannabismarktes verbessert werden kann, ist liche Schäden an Lunge und Herz. Etwa 10 % der aus unserer Sicht überhaupt nicht nachvollziehbar. regelmäßigen Cannabiskonsumenten entwickeln eine Abhängigkeit. Bei denen, die jung beginnen, (Beifall bei der CDU) steigt dieses Abhängigkeitsrisiko um das Sechsfa-

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che an. In der Regel haben starke Cannabiskon- nal; denn sie würde dazu führen, dass die Risiko- sumenten zusätzlich Persönlichkeitsstörungen, wahrnehmung des Cannabiskonsums zurückgeht. Angststörungen, Depressionen und andere Sucht- Mit dieser falschen Botschaft, mit der Sie aus un- probleme. serer Sicht den Eindruck erwecken, das Kiffen sei harmlos, besteht die Gefahr, dass mehr konsu- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: miert wird. Herr Meyer, ich darf Sie kurz unterbrechen. Herr (Widerspruch bei den GRÜNEN - Schremmer würde Ihnen gerne eine Zwischenfra- Thomas Schremmer [GRÜNE]: Das ge stellen. hat keiner gesagt!)

Volker Meyer (CDU): Gerade der in diesem Antrag beschriebene Aus- Gern! schluss Minderjähriger und von Personen mit be- sonderen Auffälligkeiten für Psychosen führt doch Thomas Schremmer (GRÜNE): dazu, dass es weiterhin einen illegalen Markt für Vielen Dank, Herr Kollege Meyer, dass Sie die Cannabis geben wird. Zwischenfrage zulassen. Wenn man das Prostitutionsgesetz als Vergleich Ich würde Sie gerne fragen, weil Sie gesagt haben, heranzieht, könnte man sich bei der Legalisierung dass der Konsum auch im Jugendalter relativ hoch von Cannabis eine ähnliche Entwicklung vorstel- ist, und Sie haben auch einiges zum Jugendschutz len: Am Ende wird nichts besser, sondern die Aus- ausgeführt. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie beutung nimmt zu und die Profite der Kriminellen in gerne fragen, wo Sie im Augenblick in der aktuel- der Gesellschaft ebenfalls. len Situation eine öffentliche Cannabisprävention in der Gesellschaft sehen. Wo findet das denn im (Beifall bei der CDU) Augenblick tatsächlich statt? Am Ende rudert der Staat dann wieder zurück und (Beifall bei den GRÜNEN - Helge versucht, zu retten, was noch zu retten ist. Auf- Limburg [GRÜNE]: Gute Frage! - Dirk grund der Gefahren solcher Entwicklungen ist so Toepffer [CDU]: Zur Sekunde hier im etwas mit der CDU-Landtagsfraktion nicht zu ma- Landtag!) chen.

Vizepräsident Karl-Heinz Klare: (Beifall bei der CDU) Herr Meyer, bitte schön! Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe vorhin bereits von einer möglichst drogenfreien Volker Meyer (CDU): Gesellschaft gesprochen. Wir sollten uns gemein- Sehr geehrter Herr Kollege Schremmer, die findet sam darüber Gedanken machen, wie wir dieses leider zu wenig statt. Darin gebe ich Ihnen unein- Ziel z. B. durch eine noch bessere Aufklärungsar- geschränkt recht. Da sind Sie eigentlich als Lan- beit und effektivere Handlungsmöglichkeiten für desregierung gefordert und hätten dieses Thema Polizei und Justiz erreichen können. Ihr Antrag schon längst aufgreifen können. bietet hierfür keine praktikablen Lösungen an. (Beifall bei der CDU - Jörg Bode Wir sollten aber auch den Innenausschuss, dessen [FDP] - zur SPD und zu den GRÜ- Aufgabenbereich aus unserer Sicht mit betroffen NEN -: Aha, ihr seid schuld! Da seht ist, diesen Antrag mitberaten lassen. ihr es! - Gegenruf von Helge Limburg [GRÜNE]: Wir sind nicht die Regie- Wenn wir mit dem Thema verantwortungsbewusst rung! - Gegenruf von Jörg Bode umgehen - ich behaupte, das machen wir -, kann [FDP]: Jetzt, auf einmal! - Heiterkeit) die Message an die jungen Menschen nur lauten: Sie blenden in Ihrem Antrag völlig aus, liebe Kolle- Finger weg vom Drogenkonsum! Keine Macht den ginnen und Kollegen der FDP, dass Cannabis eine Drogen! berauschende Substanz ist, deren Missbrauch gesundheitsgefährdend ist. Eine Legalisierung von Vielen Dank. Cannabis ist aus gesundheitlicher Sicht nicht zu (Beifall bei der CDU) verantworten. Die Freigabe wäre ein falsches Sig-

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Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Vielen Dank, Herr Meyer. - Es liegt jetzt eine Herr Meyer, bitte schön! Kurzintervention vor. Herr Kollege Limburg, Sie haben das Wort. Bitte schön! Volker Meyer (CDU): Herr Kollege Limburg, ich kann nur schwerlich Helge Limburg (GRÜNE): bewerten, wer recht hat und wer nicht. Dazu besit- Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen ze ich auch nicht die Fachkompetenz. und Kollegen! Herr Kollege Meyer, Sie haben hier Wir kommen einfach zu einer Abwägung; der Kol- gerade der FDP unterstellt, sie würde mit dem lege Birkner sprach es an. Wir finden nicht, dass Antrag suggerieren, Cannabis sei harmlos. Das man etwas legalisieren muss, nur weil man fest- haben weder Herr Dr. Birkner noch der Kollege stellt, dass man ihm mit dem Strafgesetzbuch nicht Pantazis hier in irgendeiner Form in den Raum Herr wird. Wie wollen Sie denn dann bei Ge- gestellt. Nein, keiner sagt: Kiffen ist harmlos. schwindigkeitsüberschreitungen, bei Wohnungs- einbrüchen oder bei Diebstählen verfahren? Wol- Die Kernfrage ist eine andere, Herr Kollege Meyer. len Sie die entsprechenden Paragrafen im Straf- Die Kernfrage ist, ob es in einem Rechtsstaat an- gesetzbuch abschaffen? Das kann doch nicht das gemessen und richtig ist, diesem Problem, dem Ziel Ihrer Arbeit sein. Drogenkonsum, mit dem schärfsten Schwert des Rechtsstaates, dem Strafrecht, zu begegnen. Herzlichen Dank. Herr Meyer, wenn Sie sich das Betäubungsmittel- (Beifall bei der CDU - Helge Limburg gesetz mit seinen Strafvorschriften einmal an- [GRÜNE]: Das ist nicht der Punkt!) schauen, werden Sie feststellen, dass der § 29 BtMG bei normaler Druckweise eine ganze Vizepräsident Karl-Heinz Klare: DIN-A4-Seite füllt mit dem verzweifelten Versuch, Vielen Dank. - Jetzt hat sich der Kollege Thomas jede irgendwie denkbare Variante des Besitzes, Schremmer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü- der Weitergabe, des In-Berührung-Kommens mit nen gemeldet. Bitte schön! Cannabis in irgendeiner Form unter Strafe zu stel- len; § 29. Das ist nur der erste von insgesamt vier Thomas Schremmer (GRÜNE): Paragrafen, die sich allein mit der Bestrafung von Betäubungsmittelbesitz und -konsum in Deutsch- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kolle- land beschäftigen. Meine Damen und Herren, das gen! Ich will gleich an den letzten Punkt anschlie- kann nicht richtig und angemessen sein. ßen. Herr Meyer, wenn Sie mit dem Auto rasen oder die anderen Dinge tun, die Sie gerade ge- (Beifall bei den GRÜNEN) nannt haben, dann bringen Sie andere Menschen in Gefahr. Die Realität zeigt: Es funktioniert auch nicht. (Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig! - (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Jörg Hillmer [CDU]: Das ist das Krite- FDP) rium? Das ist ja abenteuerlich!) Herr Meyer, die Botschaft ist nicht, dass Drogen Das ist der gravierende Unterschied zum Konsum harmlos sind. Die Botschaft ist, dass diese Gesell- von Alkohol, von Cannabis oder von Tabak. schaft einen Irrweg geht, wenn sie es mit der straf- rechtlich bewehrten Sanktionierung versucht. (Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!) Die Kernfrage ist hier doch: Haben Sie, Herr Mey- er, recht, oder hat der frühere UNO-General- Ob ich das tue oder nicht, darf ich selbst entschei- sekretär Kofi Annan recht mit seinem Fazit „Die den. Das ist mein grundgesetzlich verbürgtes Prohibition ist gescheitert“? - Ich meine, Herr Ann- Recht. Beim Rasen mit dem GTI sieht das schon an hat recht. ein bisschen anders aus. (Jörg Hillmer [CDU]: Und was ist dann Vielen Dank. mit Heroin, Herr Schremmer?) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bin den FDP) Kollegen von der FDP ausgesprochen dankbar für

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diesen Antrag; denn das Thema Cannabis wird in ten, und es geht um Konsumsicherheit. All das der Öffentlichkeit sehr konstruktiv diskutiert. leistet ein Verbot nachweislich nicht, wie man z. B. im Görlitzer Park in Berlin sehen kann. Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Cannabis ist wie alle Drogen eine, deren Konsum Kollege Schremmer, Entschuldigung! Ich muss Sie negative Auswirkungen haben kann. Deshalb hat gleich am Anfang unterbrechen. Herr Meyer würde man sich entschlossen, es zu verbieten. Die ge- Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. sellschaftliche Realität zeigt jedoch, dass 2,5 Milli- onen Menschen in Deutschland es dennoch re- Thomas Schremmer (GRÜNE): gelmäßig konsumieren. Man kann also nicht sa- Die lasse ich selbstverständlich zu. gen, dass das Verbot in irgendeiner Weise erfolg- reich ist. Es führt lediglich dazu, dass es eine mas- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: sive Schwarzmarktaktivität ohne jeglichen Ver- Bitte schön! braucher- und Jugendschutz gibt. Im Jugend- schutz kommt das Wort Cannabis überhaupt nicht Volker Meyer (CDU): vor. Vielen Dank, Herr Kollege. - Sie sagten, dass Sie (Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!) sich mit dem Konsum von Cannabis oder Alkohol nur selbst gefährden. Aber wie halten Sie es denn Deswegen ist auch die Frage, an welcher Stelle damit, wenn Sie nach dem Konsum von Cannabis Prävention stattfindet. oder Alkohol am Straßenverkehr teilnehmen? Se- Wir haben vorhin schon gehört, dass viel Geld in hen Sie darin keine Gefährdung anderer? die Strafverfolgung investiert wird - jährlich (Helge Limburg [GRÜNE]: Hier wird 150 000 Verfahren bei geringem Konsum. Man der Konsum zusätzlich bestraft! Ohne könnte sagen, das Schädlichste an Cannabis ist Straßenverkehr! - Weitere Zurufe von seine Kriminalisierung. den GRÜNEN) (Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der FDP) Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Ich sage es jetzt einmal bewusst ein bisschen pro- Herr Schremmer fährt in seinen Ausführungen fort. vokant: Das Verbot von Cannabis ist ungefähr Bitte schön! genauso sinnvoll wie das seinerzeitige Verbot in der DDR, Westfernsehen zu schauen. Das hat ja Thomas Schremmer (GRÜNE): auch nichts gebracht. Zuerst einmal die Antwort auf Herrn Meyer: Das ist ein völlig anderer Fall. Selbstverständlich kann es (Heiterkeit bei der FDP - Zurufe bei eine Gefährdung von anderen nach sich ziehen, der CDU) wenn ich nach dem Konsum von Alkohol oder Was ist also zu tun? - Wir können diesen Zustand Cannabis am Straßenverkehr teilnehme. Ich würde so beibehalten und die Fakten ignorieren. Oder wir sogar sagen, das gilt sogar auch dann, wenn ich gehen neue Wege in der Drogenpolitik, weil wir im Auto Tabak konsumiere. nichts daran ändern können, dass Menschen Can- (Beifall bei den GRÜNEN - Helge nabis aus Genussgründen konsumieren - auch Limburg [GRÜNE]: Richtig!) wenn Sie nicht dabei sind, Herr Meyer -, wir aber Jugend- und Verbraucherschutz dennoch sicher- Deswegen fordert die FDP in ihrem Antrag ja auch stellen wollen und auch müssen. ausdrücklich, Grenzwerte für Cannabis einzufüh- ren, wenn es denn sozusagen frei zugänglich ist. Die Kollegen der FDP haben recht: Es ist Aufgabe Sie hingegen versuchen offensichtlich, den Can- einer Landesregierung, den Jugend- und Verbrau- nabiskonsum zu diskreditieren. Den Antrag haben cherschutz sicherzustellen. Das kann man aber Sie vermutlich gar nicht gelesen. nicht, solange Cannabis kriminalisiert wird und wir nicht in der Lage sind, das Jugendschutzgesetz (Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- insoweit zu ändern. mung bei der FDP) (Beifall bei den GRÜNEN) Worum geht es? - Es geht um Prävention! Es geht um Aufklärung. Es geht um Stärkung von Selbst- Der Antrag der FDP zeigt also den richtigen Weg wirksamkeit. Es geht um Vernunft der Konsumen- auf. Die Grünen haben im Bundestag den Entwurf

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für ein Cannabiskontrollgesetz vorgelegt. An dem Ausschuss sehr intensiv mit diesem Antrag befas- Wort erkennen Sie schon, was gemeint ist: Es geht sen. nicht um die Legalisierung nach dem Motto „Gebt Erlauben Sie mir, zum Schluss etwas humorvoll zu das Hanf frei!“ oder was hier noch alles diskutiert sagen: Herr Bode, wissen Sie, worauf ich mich am wird, sondern darum, dass der Erwerb von Canna- meisten freue, wenn Cannabis freigegeben ist? - bis durch lizensierte Stellen möglich werden soll. Auf den Joint, den ich rauche, wenn ich Sie mit Der Schwarzmarkt würde dadurch eingedämmt. Ihrem alten GTI an jeder Ampel mit meinem hoch- Wir hätten eine Situation, die wir viel besser kon- modernen e-Golf abziehe. trollieren können. Vielen Dank. Insgesamt kann man sagen: Cannabis ist nur ein Teilaspekt der Debatte um den Umgang mit Dro- (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- gen. Wir haben es heute schon gehört: Der Kon- NEN) sum von Alkohol und Tabak spielt in unserer Ge- sellschaft eine große Rolle, und wir können uns Vizepräsident Karl-Heinz Klare: nun einmal nicht der Tatsache verschließen, dass Herr Bode, wollen Sie eine Zwischenfrage stellen? die Menschen manchmal unvernünftig sind. Aber (Jörg Bode [FDP]: Ich frage ihn direkt! wir sollten ihnen auch nicht vorschreiben, wie sie - Heiterkeit) das machen, wenn sie das zu Hause tun wollen. - Alles klar. Stellen Sie sich einmal vor, Sie gehen in den Su- permarkt, um einen Kasten Bier zu kaufen. An der Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen Kasse weist das Personal Sie darauf hin, dass Sie zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor. sich zuerst registrieren müssen, um alkoholische Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Getränke zu erwerben. Erst dann wären Sie dazu befugt, könnten jedoch nur fünf Flaschen und kei- Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag zur nesfalls die ganze Kiste kaufen. Schließlich sei federführenden Beratung an den Ausschuss für Alkohol schädlich, und jedes Jahr würden 74 000 Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migra- Menschen an den Folgen des Konsums sterben. tion zu überweisen. Auf Antrag der Fraktion der FDP soll er zur Mitberatung noch an den Aus- Dieses Szenario, meine Damen und Herren, hört schuss für Inneres und Sport und den Ausschuss sich für Alkohol zugegebenermaßen ziemlich ab- für Rechts- und Verfassungsfragen überwiesen surd an. Aber es macht deutlich, dass diese Debat- werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich te um eine Entkriminalisierung von Cannabis kom- um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Sehe ich plett unsachlich und ideologisch geführt wird. Denn nicht. Stimmenthaltungen auch nicht. Dann ist das was für den Erwerb von Alkohol absurd klingt, das so beschlossen. schlagen wir für den Erwerb von Cannabis vor. Den Handel und auch den Erwerb zu kontrollieren, Ich rufe auf den wäre ein richtiger Schritt im Umgang mit Cannabis. (Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- Tagesordnungspunkt 38: mung bei der FDP) Erste Beratung: Ich fasse zusammen: Es geht erstens um konse- Landesprogramm zum Abbau von Langzeitar- quenten und wirksamen Jugendschutz. Es geht beitslosigkeit - Arbeit statt Arbeitslosigkeit zweitens um staatlich kontrollierbare und damit finanzieren! - Antrag der Fraktion der SPD und sicher zu konsumierende Produkte, also so eine der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/6685 Art Reinheitsgebot. Es geht drittens um wirksame offene und öffentliche Prävention in allen Teilen der Gesellschaft. Die Einbringung übernimmt der Kollege Holger Ansmann von der SPD-Fraktion. Sie haben das Der Kollege Meyer hat es schon gesagt, das ist Wort. heutzutage nicht möglich. Aber das liegt aus- schließlich am Verbot. Holger Ansmann (SPD): Ich glaube, das wäre der richtige Weg. Alle ande- Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe ren Strategien sind nach meiner festen Überzeu- Kolleginnen und Kollegen! Niedersachsen ist ein gung zum Scheitern verurteilt. Wir werden uns im wirtschaftlich starkes und erfolgreiches Bundes-

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land. Die positive Entwicklung bei der Schaffung Zusammenarbeit von den Arbeitskreisen Wirtschaft neuer sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze und Soziales. hat aktuell zu einer im Vergleich zu früheren Jah- ren erheblich geringeren Arbeitslosenquote von (Beifall bei der SPD und bei den aktuell 5,9 % im Durchschnitt des Landes geführt. GRÜNEN) Dabei dürfen wir allerdings nicht vergessen: Hinter An dieser Stelle möchte ich daher folgerichtig die dieser Quote stehen fast 250 000 Menschen, die Mitberatung durch den Ausschuss für Wirtschaft, einen Arbeitsplatz suchen. Arbeit und Verkehr beantragen. Was die Spaltung des Arbeitsmarktes besonders Wir wissen natürlich, liebe Kolleginnen und Kolle- deutlich macht: Über 90 000 Menschen suchen gen, dass die Grundlage für ein verlässliches und seit einem Jahr oder länger einen Arbeitsplatz. Das langfristig angelegtes Beschäftigungsprogramm für ist eine Situation, die wir nicht akzeptieren können Langzeitarbeitslose neben der Definition der Ziel- und bei der es unserer engagierten Unterstützung gruppe die Finanzierung ist. bedarf, um mit geeigneten Maßnahmen gegenzu- steuern. Dazu sind wir bereit, liebe Kolleginnen Bei der Zielgruppe wollen wir uns auf die Men- und Kollegen. schen konzentrieren, die mindestens zwei Jahre (Beifall bei der SPD) lang im SGB-II-Bezug waren, mindestens 50 Jahre alt sind und mehrere Vermittlungshemmnisse auf- Bei der Arbeits- und Langzeitarbeitslosigkeit gibt weisen. Darunter sind im Übrigen viele Frauen mit es natürlich starke regionale Unterschiede. In mei- einer aufgrund ihrer Familiensituation ohnehin ner Heimatstadt Wilhelmshaven mit einer Arbeits- oftmals brüchigen Erwerbsbiografie. Der genannte losenquote von über 11 % betreut das Jobcenter Personenkreis hat es auf dem ersten Arbeitsmarkt allein fast 4 000 erwerbsfähige Leistungsberechtig- besonders schwer. te. Bei der Finanzierung eines allgemeinen öffentli- Der Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit, liebe Kol- chen Beschäftigungsmarktes brauchen wir eine leginnen und Kollegen, ist in den letzten Jahren enge Zusammenarbeit von Bund, Land und Kom- nicht wirklich vorangekommen und stellt eine der munen nach dem Grundsatz „Fordern und För- größten Herausforderungen in der Arbeitsmarktpo- dern“. litik in Niedersachsen dar. Mit dem vorliegenden Antrag mit der Überschrift Im Vorfeld unseres heutigen Antrages haben wir „Landesprogramm zum Abbau von Langzeitar- uns in einer fraktionsinternen Anhörung mit Vertre- beitslosigkeit - Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzie- tern der Jobcenter, der Wohlfahrtsverbände, der ren!“ stellen sich die Fraktionen von SPD und Gewerkschaften, der kommunalen Ebene, aber Bündnis 90/Die Grünen dieser Herausforderung. insbesondere auch mit Verantwortlichen aus Ba- den-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ausge- (Beifall bei der SPD und bei den tauscht, die mit ihren Landesprogrammen für öf- GRÜNEN) fentlich geförderte Beschäftigung auf bundesweite Wir wollen Beschäftigung in einem verlässlichen Aufmerksamkeit gestoßen sind. sozialen Arbeitsmarkt schaffen und einem Perso- Grundlage für die Finanzierung von öffentlichen nenkreis, der so nicht auf den ersten Arbeitsmarkt Beschäftigungsprogrammen ist der sogenannten vermittelbar ist, eine Perspektive mit sozialversi- Passiv-Aktiv-Tausch, bei dem der Regelbedarf und cherungspflichtigen Arbeitsplätzen und einer Ent- die Kosten der Unterkunft als Zuschuss für eine lohnung mindestens auf der Basis des geltenden Beschäftigung eingesetzt werden. Darüber hinaus Mindestlohns anbieten. werden Mittel des Eingliederungstitels und der Wir verstehen dabei die öffentliche Beschäftigung Länder benötigt. als zusätzliche Beschäftigung in Kommunen oder Vorrangig ist der Bund gefordert - so auch der sozialen Betrieben, vor allem in den Bereichen Tenor unseres Antrages -, zusätzliche Mittel in den Erziehung, Bildung, Pflege, Gesundheit und Kultur. Eingliederungstitel einzustellen und gesondert Hier gibt es viele sinnvolle Einsatzfelder, die keine auszuweisen, um die Finanzierung sozialer Ar- reguläre Beschäftigung verdrängen. beitsmärkte in den Ländern zu gewährleisten. Da- Ohnehin ist der Antrag in unserer Fraktion ein ech- für ist es auch notwendig, dass die Finanzierung tes WiSo-Projekt: beraten und eingebracht in guter eines sozialen Arbeitsmarktes auf der Basis eines

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Passiv-Aktiv-Tausches vom Bundesgesetzgeber ganz normalen und geregelten Beschäftigungsbe- im SGB II festgeschrieben wird. dingungen tätig werden. Bis dahin wollen wir jedoch die bestehenden För- (Beifall bei der SPD und bei den dermöglichkeiten des Bundes und der Jobcenter GRÜNEN) im Rahmen eines Landesprogramms zum Abbau Wir schaffen wieder Teilhabe an unserer Gesell- von Langzeitarbeitslosigkeit optimal nutzen. schaft, von der sich so viele Langzeitarbeitslose (Beifall bei der SPD und Zustimmung oftmals ausgegrenzt fühlen. von Thomas Schremmer [GRÜNE]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Etablie- Mit dem Instrument der Förderung von Arbeitsver- rung eines öffentlichen Beschäftigungssektors in hältnissen nach § 16 e SGB II kann die Beschäfti- Niedersachsen als Perspektive für den Abbau von gung von Langzeitarbeitslosen für die Dauer von Langzeitarbeitslosigkeit haben wir eine große, maximal 24 Monaten mit bis zu 75 % des zu be- aber, ich denke, auch schöne Aufgabe vor uns. rücksichtigenden Arbeitsentgelts gefördert werden. Die heutige Beratung soll hierfür nur der Anfang Für eine zeitnahe Realisierung eines von uns ge- sein. In diesem Sinne freue ich mich auf die in wünschten sozialen Arbeitsmarktes in Niedersach- Kürze folgenden Ausschussberatungen. sen sind daher ergänzende Mittel des Landes- Vielen Dank. haushalts notwendig. Hierüber werden wir im Zu- sammenhang mit den anstehenden Haushaltsbe- (Beifall bei der SPD und bei den ratungen für die Jahre 2017 und 2018 entschei- GRÜNEN) den. Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Unser Ziel ist, gemeinsam mit unseren Partnern in den Jobcentern und Kommunen zeitnah 1 000 Vielen Dank, Herr Ansmann. - Jetzt hat sich Herr Arbeitsplätze in einem verlässlichen sozialen Ar- Dr. Max Matthiesen, CDU-Fraktion, zu Wort ge- beitsmarkt in Niedersachsen zu schaffen. meldet. Bitte schön!

(Reinhold Hilbers [CDU]: Donnerwet- Dr. Max Matthiesen (CDU): ter!) Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Wir erhoffen uns dadurch - wir sind ja heute erst Lieber Holger Ansmann, Langzeitarbeitslosigkeit, am Anfang unserer Beratungen - natürlich die Un- also Arbeitslosigkeit von mindestens einem Jahr, terstützung des gesamten Niedersächsischen und verdeckte Langzeitarbeitslosigkeit sind die Landtages. Somit sind alle Fraktionen eingeladen, Schattenseite der anhaltend guten Wirtschaftslage mit uns gemeinsam ein Signal für die Menschen zu in Niedersachsen. senden, die zu den schwächeren in unserer Ge- Der rot-grüne Antrag hat den Mut, ein dickes Defi- sellschaft gehören. zit der rot-grünen Regierungspolitik in Niedersach- Bei unseren Beratungen im Ausschuss werden wir sen und der sozialdemokratischen Bundesarbeits- über das Auswahlverfahren, die notwendige Bera- ministerin seit 2013 beim Namen zu nennen. tung des ausgewählten Personenkreises und (Beifall bei der CDU) Maßnahmen im Bereich der gesundheitlichen und psychischen Betreuung sprechen. Bei diesem Seit Amtsantritt der rot-grünen Landesregierung in ganzheitlichen Ansatz soll der Blick natürlich auch Niedersachsen und der Bundesarbeitsministerin in immer auf die Möglichkeit einer späteren Rückkehr 2013 ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen deutsch- in den Arbeitsmarkt gerichtet sein. landweit bei 1 Million und in Niedersachsen bei 100 000 stabil geblieben. Gleichzeitig ist aber in Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Hilbers, wir diesem Zeitraum die Zahl der öffentlich geförderten wissen, dass wir mit unserem Vorhaben nur einen Stellen für Langzeitarbeitslose in Deutschland von Teilbereich der Langzeitarbeitslosen erreichen und rund 140 000 um 50 000 auf 90 000 zurückgegan- damit die Probleme einer verkrusteten Langzeitar- gen. beitslosigkeit in Niedersachsen nicht gänzlich lö- sen. Wir schaffen aber Perspektiven und Chancen Der Rückgang der öffentlich geförderten Stellen für langzeitarbeitslose Menschen und ihre Familien kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass Lang- und erhöhen das Selbstwertgefühl derjenigen, die zeitarbeitslose von der guten Konjunktur profitie- dann im öffentlichen sozialen Arbeitsmarkt unter ren. Der DGB Niedersachsen geht davon aus,

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dass über 80 % aller Abgänge aus der Langzeitar- Es muss jetzt tatsächlich dringend etwas Zusätzli- beitslosigkeit nicht auf den Widereinstieg ins regu- ches geschehen. Dafür sieht die CDU-Fraktion drei läre Berufsleben zurückzuführen sind. Nach wie Ansatzpunkte: vor 100 000 Langzeitarbeitslose in Niedersachsen Erstens die Förderinstrumente des SGB II sind dürfen uns nicht ruhen lassen. Dabei ist die Idee noch flexibler und praxistauglicher auszugestalten. des sozialen Arbeitsmarktes nichts Neues. Darüber wird in Berlin und auch bei uns diskutiert. Der Antrag von SPD und Grünen zielt dabei auf So könnten die FAV beispielsweise dadurch viel einen nur sehr kleinen Personenkreis. Das ihm flexibler gemacht werden, dass nicht mehr die zugrunde liegende Konzept des DGB Niedersach- Begrenzung auf 24 Monate in fünf Jahren vorge- sen zum Landesprogramm gegen Langzeitarbeits- sehen ist, sondern dass jährlich über diese Förde- losigkeit geht von nur 2 000 geförderten Plätzen rung zugunsten eines Menschen entschieden wer- aus und will dafür mit dem Instrument der Förde- den kann. Und es könnte einem von Langzeitar- rung von Arbeitsplätzen (FAV) gemäß § 16 SGB II beitslosigkeit Betroffenen der Zugang erleichtert arbeiten und damit das Ganze zu 75 % aus dem werden. Eingliederungstitel der Jobcenter bezahlen lassen, Als Beispiel möchte ich wiederum meine Heimat- also aus Bundesmitteln. Die restlichen 25 % sollen stadt Barsinghausen anführen. Dort gibt es eine aus Landesmitteln aufgebracht werden. Dafür ver- langzeitarbeitslose Tierpflegerin, die gerne im örtli- anschlagt der DGB 10 Millionen Euro. chen Tierschutzverein weiter tätig sein wollte. Das Das macht sich nun der Antrag von SPD und Grü- ist an der Grenze dieser Förderinstrumente ge- nen zu eigen, sagt es aber nicht ausdrücklich. scheitert. Ein weiteres Beispiel sind die Ein-Euro- Holger Ansmann hat es jetzt getan. Es sollen in Jobs. Die müssen gestärkt und vereinfacht wer- den kommenden zwei Jahren auch nur 1 000 den. Langzeitarbeitslose gefördert werden und dann Das geht übrigens auch in die Richtung eines Po- wohl im Bereich der sozialen Infrastruktur eine sitionspapiers der Bundesagentur für Arbeit, des öffentlich geförderte Beschäftigung finden. Rein- Landkreis- und des Städtetages vom Februar hold Hilbers hat es gerade eingeworfen. Das sind 2016. Das wurde sicherlich auch bei Ihnen be- nur 1 % von 100 000, also nur ein Tropfen auf den sprochen. heißen Stein. Zweitens ist es wichtig - in der Praxis ist immer Und jetzt kommt es. Die SPD bezeichnet dies als wieder zu sehen, wie notwendig das ist -, dass die ein Landesprogramm. Das ist aber kein Landes- Schlagkraft der Bundesagentur für Arbeit und der programm, weil es überwiegend aus Bundesmitteln Jobcenter noch deutlich gestärkt wird: durch die finanziert werden soll, nämlich über die freie För- Verlagerung der Entscheidungsverantwortung in derung und eben diese FAV. Laut Antrag sollen die Agenturen und Jobcenter vor Ort. Das muss Bundesmittel noch besser eingesetzt und zusätzli- mit den Kommunen verzahnt werden, und dann che Bundesmittel erschlossen werden. Da fehlt muss es möglich sein, dass die Kommunen selbst, wirklich der richtige landespolitische Ansatz. also in kommunaler Trägerschaft, eigene Maß- Es ist zutreffend, dass öffentliche Fördermaßnah- nahmen durchführen - mit finanzieller Unterstüt- men auf die häufigen Ursachen für Langzeitar- zung der Bundesagentur und Jobcenter. Das ist im beitslosigkeit abstellen müssen, insbesondere Moment nicht möglich. geringe Qualifizierung, Resignation, gesundheitli- Der dritte, für uns entscheidende Punkt ist: Dass che und individuelle Probleme und den Umstand, es deutlich besser geht, zeigen Erfolge beispiels- dass in Niedersachsen fast die Hälfte der Lang- weise in dem CDU-geführten Emsland als Opti- zeitarbeitslosen 50 Jahre und älter sind. onskommune und zugelassener kommunaler Trä- Das vor zwei Jahren ausgelaufene Bundespro- ger. gramm „Bürgerarbeit“ hat hier sehr gute Erfolge (Beifall bei der CDU und Zustimmung gebracht. In meiner Heimatstadt Barsinghausen bei der FDP) beispielsweise konnten damit gute Arbeitsplätze in der Betriebsgesellschaft für das Besucherbergwerk Bernd-Carsten Hiebing hat gerade eine Erfolgsbi- und die Zechenanlagen finanziert werden. Die lanz herausgebracht: „Zehn Jahre Option SGB II“. Beschäftigten waren sehr zufrieden. Leider floppen Er kommt darin zu dem Ergebnis, dass die Mitar- jetzt die beiden Anschlussprogramme der Bundes- beiterinnen und Mitarbeiter sehr gut über den arbeitsministerin. Die sind auch im Antrag erwähnt. Landkreis, über die Gemeinden Bescheid wissen,

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gute regionale Kenntnisse haben und vor allem Viele Wirtschaftsfachleute behaupten seit Jahr- über eine sehr gute Vernetzung mit der regionalen zehnten, dass es immer einen bestimmten Anteil Wirtschaft und den Gewerbetreibenden verfügen. an der Bevölkerung gibt, der nicht arbeitsfähig ist. Dadurch sind sie in der Lage, gut in Arbeit vermit- Das kann an krankheits- oder altersbedingte Hin- teln und auf den Job qualifizieren zu können, so- dernisse liegen oder auch an familiären Unterbre- dass dabei auch etwas herauskommt. Dieses Sys- chungen durch Pflege oder Betreuung. Das ken- tem wollen wir gerne zugrunde legen. Infolgedes- nen wir alle. sen können wir im Emsland eine Arbeitslosenquote von 1,4 % und eine SGB-II-Quote von nur 5,3 % Alle, die zwar arbeitsfähig, aber arbeitsunwillig verbuchen. oder schwer vermittelbar sind, werden allerdings auch schon seit ewiger Zeit von der Arbeitsagentur (Thomas Schremmer [GRÜNE]: Das und von den Jobcentern mit unterschiedlichen ist gut!) Projekten und Angeboten aufgefordert und einge- bunden. Hierfür gibt es unterschiedliche Projekte, Deswegen sagen wir: Nach diesem Vorbild sollten und diese werden auch immer wieder auf den wir die Kommunen noch besser in den Stand ver- Prüfstand gestellt. Die Arbeitsagentur hat für diese setzen, gegen Langzeitarbeitslosigkeit aktiv zu Maßnahmen auch ganz schön gefüllte Kassen und werden. Wir fragen uns: Warum können wir diese braucht deswegen auch gar nicht geschont zu 10 Millionen Euro nicht den Kommunen geben, um werden, zumal sie auch sehr versiert und gut auf- dort Stellen zu finanzieren, damit sie für den hier gestellt ist. Hinzu kommt, dass die Zahl der Lang- angesprochenen Personenkreis viel aktiver werden zeitarbeitslosen, also der SGB-II-Empfänger, rück- können? - Das halten wir für einen strukturell sehr läufig ist. Im Juli 2016 waren es 93 000, im August wichtigen Beitrag, der allen Langzeitarbeitslosen waren es 92 523 und im September, also im letz- zugutekommen würde, auch denjenigen, die Sie in ten Monat, waren es nur noch 91 202. Ihrem Antrag ansprechen. Stellen wir doch einfach einmal folgende Berech- Das wird auch Gegenstand unserer Diskussion im nung auf: Rechnen wir, weil die Menschen anfangs Ausschuss sein. Wir hoffen, dass für die arbeitslo- noch nicht voll, also keine 38 Stunden, sondern ein sen Menschen etwas dabei herauskommt. bisschen weniger arbeiten, mit 800 Euro im Monat. Danke schön. Aktuell haben wir, wie gesagt, ca. 90 000 Lang- zeitarbeitslose. Wenn wir also 1 000 Menschen im (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Jahr fördern, brauchen wir ca. 90 Jahre, um alle Langzeitarbeitslosen unterzubringen. - Ich glaube, Vizepräsident Karl-Heinz Klare: das brauchen wir nicht ernsthaft zu erörtern. In 90 Jahren leben die meisten von ihnen wahrscheinlich Vielen Dank, Herr Dr. Matthiesen. - Jetzt hat sich nicht mehr. Gabriela König für die FDP-Fraktion gemeldet. Bitte schön! Also muss eine Auslese erfolgen. Das ist natürlich schwierig. Nehmen wir das Beispiel der Altenpfle- Gabriela König (FDP): ge; denn wir wollen die Langzeitarbeitslosen ja auf einem Arbeitsmarkt unterbringen, der möglicher- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nie- weise im sozialen Bereich zusätzlich vorhanden mand ist glücklich darüber, dass wir Langzeitar- ist. Ich kenne das von den Ein-Euro-Jobbern. In beitslose haben. Und noch mehr würden wir uns der Altenpflege gibt es durchaus Hilfskräfte, die sicherlich freuen, wenn wir gar keine Arbeitslosen sagen, dass sie sich eine solche Arbeit gut vorstel- hätten. Aber leider ist das Problem da und muss len könnten. Aber was passiert dann? - Die Alten- angegangen werden. Und es wird auch angegan- und Pflegeheime müssen ihnen leider sagen, dass gen. ihnen für ihre Weiterbeschäftigung die notwendi- Allerdings muss man auch sehen: Die Arbeitslo- gen finanziellen Mittel fehlen. Und die Arbeitslosen sigkeit hat in Deutschland respektive in Nieder- stehen dann wieder ohne Beschäftigung da! sachsen einen historisch niedrigen Wert erreicht. Das gilt genauso für Kitas und für Schulen. Wir Das ist ein großer Verdienst unserer florierenden können nicht alle Arbeitslosen in Kitas und in Wirtschaft und damit unserer Unternehmen, die Schulen unterbringen, weil sie dafür gar nicht die nun sogar einem Fachkräftemangel begegnen erforderlichen Qualifikationen oder auch nicht das müssen. Gefühl, das man dafür haben muss, mitbringen.

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Auch bei den kommunalen Unternehmen gibt es Wenn Sie dann noch die 1,3 Millionen Aufstocke- Spannungen zwischen fest Angestellten und rinnen und Aufstocker sowie die 8 Millionen Men- Langzeitarbeitslosen. Auch das kennen wir. Das schen, die in Deutschland nach der Arbeitsmarkt- kann und würde auch sehr schnell zu Ungerech- reform im Niedriglohnsektor arbeiten, hinzurech- tigkeiten führen, die dann in anderen Bereichen nen, dann wissen Sie, dass Arbeitslosigkeit und möglicherweise zu einer anderen Arbeitslosigkeit prekäre Beschäftigung das größte Armutsrisiko führen mit der Folge, dass es zu einem Wettbe- darstellen. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass werb mit denjenigen Arbeitslosen kommt, die aus dies für die betroffenen Familien eine Bedeutung dem zweiten Arbeitsmarkt in den ersten Arbeits- hat. markt überführt werden und vielleicht auch auf genau diese Stellen drängen wollen. Das ist also Ich möchte es einmal etwas plakativer sagen. Was eine sehr, sehr schwierige Sache, die nicht unbe- passiert denn mit einem Menschen, wenn er über dingt sozialverträglich sein muss. Jahre hinweg eine Absage nach der anderen er- hält und sich dann im Maßnahmendschungel der Andererseits denke ich, dass man im Prinzip vor- Jobcenter oder bei der Arbeitsvermittlung wieder- sichtig damit umgehen muss. Wir wissen, dass findet? Wie ginge es mir, wenn ich nach jedem diese Dinge in vielen Bereichen einfach nicht mög- Bewerbungsversuch einen Brief in meinem Brief- lich sind und dass Qualifizierungsmaßnahmen in kasten finden würde, der folgenden Wortlaut ent- der Wirtschaft eine bessere Struktur hervorrufen hält: „Sehr geehrter Herr Schremmer! Wir bedan- sollten. Die Aufgabe, Menschen zu qualifizieren ken uns für Ihre Bewerbung. Leider haben wir uns und heranzuführen, ist, glaube ich, bei den Job- für einen anderen Mitbewerber entschieden. Wir centern, bei den Kommunen, die sich auf dem wünschen Ihnen bei der weiteren Suche viel Er- Arbeitsmarkt auch besser auskennen, und auch folg.“? - Bei zehn Absagen würde ich denken: Na bei der Arbeitsagentur besser angesiedelt. Denen ja, dann mache ich mal stringent weiter. - Bei hun- sollten wir das überlassen; denn wird dort eine dert Ablehnungen kommen Selbstzweifel auf. Ir- gute Arbeit geleistet, die ich nicht unbedingt auf gendwann würde ich aus Selbstschutz anfangen den Prüfstand stellen muss. zu glauben: Die Welt da draußen braucht mich nicht. - Daran ändern auch Qualifizierungsmaß- (Zustimmung bei der FDP und bei der nahmen nach meiner festen Überzeugung nichts, CDU) meine Damen und Herren.

Vizepräsident Karl-Heinz Klare: (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Danke schön. - Die nächste Wortmeldung kommt SPD) von Thomas Schremmer. Bitte, schön, Herr Sch- remmer! 1 Million Menschen in Deutschland sind genau mit dieser Situation konfrontiert. Wir laufen Gefahr - Thomas Schremmer (GRÜNE): das wird ja auch immer beklagt -, dass wir diese Menschen für die Gesellschaft auf Dauer verlieren. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Dann müssen wir uns fragen: Warum sind sie im Herren! Frau König, ich finde, man muss das eine Augenblick der Demokratie so abgeneigt? - Wir tun und das andere nicht lassen, um einmal an das brauchen neue Lösungen für die Bekämpfung der Letzte, das Sie gesagt haben, anzuknüpfen. Langzeitarbeitslosigkeit. Dem trägt dieser Antrag Auch ich finde, wir sollten unseren Fokus sehr Rechnung. Ich glaube, das haben diese 1 Million genau darauf richten, mit wem und mit wie vielen Menschen - davon 90 000 in Niedersachsen - auch wir es hier zu tun haben. 1 Million Menschen in verdient. diesem Land sind trotz sinkender Arbeitslosenzah- Dazu gehört, anzuerkennen, dass die Strategie len und trotz bester Konjunktur auf Dauer ohne des Bundes in den vergangenen Jahren geschei- Arbeit. Alle sagen das seit fünf Jahren: Der Ar- tert ist. Ein Bruchteil konnte integriert werden. Die beitsmarkt ist tief gespalten, tiefer gespalten als je meisten derjenigen, die Glück hatten, einen Job zu zuvor. 1 Million Menschen suchen seit mehr als ergattern, waren nur befristet beschäftigte Leihar- einem Jahr erfolglos eine Stelle; mehr als die Hälf- beiter. Nüchterne Bilanz: Nach kurzer Beschäfti- te von denen schon länger als zwei Jahre. Jeder gungsdauer sind die Langzeitarbeitslosen „wieder vierte SGB-II-Leistungsempfänger befindet sich da“. seit mehr als acht Jahren im Leistungsbezug.

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Die Sonderprogramme der Ministerin Nahles grei- SPD-Fraktion gemeinsam auf diesen Weg ma- fen - das muss man leider sagen - nicht oder nur chen. schleppend; auch da stehen wir vor der Situation: Meine Damen und Herren, Arbeitsmarktpolitik ist erster Arbeitsmarkt 50 % Lohnkostenzuschüsse Sozialpolitik und auch Gesundheitspolitik. Was wir maximal. - Sie können sich jetzt vorstellen, wie in der Arbeitsmarktpolitik nicht hinkriegen, fällt uns sich das entwickelt. Der erste Arbeitsmarkt, meine an anderen Stellen auf die Füße. Denjenigen, der Damen und Herren, löst dieses Problem nicht al- glaubt, nichts mehr zu verlieren zu haben, den lein. Das ist im Grunde der Kern dieser Überle- verliert unsere Gesellschaft möglicherweise auf gung. Dauer. Ich bin dem DGB sehr dankbar - Herr Niggemeyer (Zustimmung bei den GRÜNEN) vom DGB ist hier heute anwesend -, dass er ge- nauso wie die Landesarmutskonferenz immer wie- Wer resigniert ist, kann schneller krank werden der auf diesen Umstand hinweist. Ich glaube, wir und schafft es nicht, seine Familie und seine eige- machen uns hier auf den richtigen Weg. Wir brau- nen Kinder zu stärken. Unsere Aufgabe kann nicht chen einen Systemwechsel. Das sagen im Übrigen darin bestehen, Arbeitslosigkeit auf Dauer zu ali- alle Arbeitsmarktexperten - nicht nur der DGB - mentieren, wie das im Augenblick der Fall ist. Wir inklusive der Bundesagentur für Arbeit in einem müssen uns diesem Personenkreis widmen. Wir gemeinsamen Papier. Anfang des Jahres spra- haben nicht nur die Verantwortung dafür, von die- chen sich der Städtetag, der Landkreistag und die sen Menschen den Gang zum Jobcenter zu for- Bundesagentur für Arbeit für einen öffentlich ge- dern, sondern wir haben auch die Pflicht, diesen förderten sozialen Arbeitsmarkt aus. Aus ihrer Menschen eine echte Perspektive für einen echten Sicht sei öffentliche Beschäftigung unerlässlich, Arbeitsplatz zu liefern, auf dem sie dann auch mit um den Menschen wieder den Zugang zu gesell- ihrer eigenen Hände Arbeit - ich sage das jetzt schaftlicher Teilhabe zu eröffnen. einmal ein bisschen bildlich - wieder für ihre Fami- lie sorgen können. Dazu brauchen wir eine öffent- Immer mehr Bundesländer schließen sich dieser lich geförderte Beschäftigung, und zwar flächen- Sicht an. Es gibt mittlerweile, glaube ich, fünf oder deckend. sechs Bundesländer, die ähnliche Landespro- Ich glaube, dass wir mit diesem Antrag den richti- gramme erarbeitet haben. Wir in Niedersachsen gen Weg beschreiten. Ich bin mir relativ sicher, legen jetzt ein ähnliches Landesprogramm auf. Ich dass wir es schaffen werden, dies - wie Holger möchte, dass in Niedersachsen Arbeit finanziert Ansmann eben schon angekündigt hat - bei den wird, nicht aber Arbeitslosigkeit, meine Damen und Haushaltsplanberatungen entsprechend zu be- Herren. rücksichtigen. Das, woran Berlin bisher gescheitert ist, ist, glaube Zum Schluss noch einmal: Selbstverständlich geht ich, ganz einfach zu benennen: Es gibt kein flä- das nicht ohne die Kommunen, die Landkreise und chendeckendes Angebot. Deswegen ist auch die diejenigen, die vor Ort diese Eingliederung organi- Frage, wie wir da als Land einspringen können, sieren müssen. Deswegen ist das Emsland aus einfach zu beantworten, nämlich: Gar nicht. Es gibt meiner Sicht ein gutes Beispiel. Genau dafür ma- kein flächendeckendes Angebot für Langzeitar- chen wir dieses Programm. beitslose unter Berücksichtigung der Systemum- stellung auf einen Passiv-Aktiv-Transfer. Wir legen Ich bin auch dem Kollegen Hilbers sehr dankbar. hier aber nicht die Hände in den Schoß, sondern Ich weiß gar nicht, ob er gerade hier ist. wir packen das an. Wir machen das auch, um der (Zurufe von der CDU: Ja! Doch! In Bundesregierung ein bisschen aufs Pferd zu hel- voller Schönheit!) fen. Mal sehen, welche Wirkung das entfalten wird. Auch er war vor zwei Wochen bei der Landesar- Die Bundesregierung hätte sich ja auch den Vor- mutskonferenz. Auf die Frage hin, was er davon schlag der Bundestagsfraktion der Grünen aus hält, hat er gesagt, er könne sich vorstellen - weil dem Jahr 2012 zu eigen machen und den Passiv- er selbst Erfahrungen im Umgang mit solchen Aktiv-Transfer direkt in das SGB II einführen kön- Fragen hat und beim Kolpingwerk ehrenamtlich nen. Das aber hat sie nicht gemacht. Der Grund mitarbeitet -, dass auch in diesem Bereich, den wir dafür bleibt ihr Geheimnis. Deshalb freue ich mich mit unserem Antrag berühren, reguläre Arbeits- umso mehr, dass sich jetzt meine Fraktion und die plätze entstehen. Er hat zwar nicht gesagt, dass

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das am Ende 100 000 sein werden, aber ich bin täten verklärt, die viele Menschen in unserem Land mir sicher, dass Sie, Herr Hilbers, uns in unseren erleben. Natürlich haben wir weniger Arbeitssu- Bemühungen sehr intensiv unterstützen werden. chende. Natürlich haben wir mehr sozialversiche- rungspflichtig Beschäftigte. Natürlich haben wir Vielen Dank. einen kontinuierlichen Bedarf an Fachkräften und (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Arbeitskräften. Deswegen mutet es manchmal SPD) ungewöhnlich an, wenn wir auf der einen Seite über Fachkräftesicherung reden und auf der an- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: dern Seite über den sozialen Arbeitsmarkt. Ich Vielen Dank, Herr Schremmer. - Jetzt hat sich der glaube, es macht aber Sinn zu betrachten, dass Herr Minister zu Wort gemeldet. Herr Minister Lies, die Menschen, über die wir reden, vor besonderen bitte schön! Herausforderungen stehen. Im September 2016 waren insgesamt 247 000 , Minister für Wirtschaft, Arbeit und Ver- Olaf Lies Menschen als arbeitssuchend gemeldet. Dies ist kehr: ein besserer Wert als in der Vergangenheit, also Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und eine positive Entwicklung. Prognosen besagen, Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst dass sich die Situation weiter verbessert. Es gibt einmal möchte ich mich ganz herzlich dafür be- aber auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen - ob danken, dass wir hier diese Diskussion führen, es 92 000 oder 91 000 sind, ist nicht entschei- dass wir dieses Thema hier im Landtag auch sehr dend -, die im Vergleich zum Vorjahr nicht so deut- ernst nehmen und dass wir - ich finde, man hat es lich zurückgeht, wie wir es uns wünschen. merken können - hier auch sehr sachlich diskutie- ren; denn sicherlich haben wir alle diejenigen Von der wirtschaftlich positiven Entwicklung in den Menschen vor Augen, über die wir reden und die vergangenen Jahren haben in starkem Maße die- darauf angewiesen sind, dass wir, die wir uns in jenigen profitiert, die kurze Zeit arbeitssuchend einer anderen Situation befinden, uns über sie waren, und in wesentlich geringerem Maße haben Gedanken machen. diejenigen profitiert, die leider schon viel länger arbeitssuchend sind. Deshalb ist es gut, dass wir Ich glaube, hier ist deutlich geworden, dass die uns um dieses Thema kümmern. Vorschläge, die Sie, Herr Dr. Matthiesen, hier ge- macht haben, völlig konform gehen mit den Dis- Meine Damen und Herren, es ist unbestritten, dass kussionen, die wir hier führen. Ich glaube, gerade ein Teil dieser Gruppe der bereits lange Zeit Ar- das Thema „Instrumentenreform SGB II“ dient beitssuchenden vor besonderen Herausforderun- dazu, hier flexibler zu werden. gen bei dem Thema Arbeitsmarktintegration steht. Er befindet sich in einer besonderen Belastungssi- Die Sorge, die Sie, Frau König, hier geäußert ha- tuation, die die Integration in den Arbeitsmarkt ben - ist das am Ende sozialverträglich? -, darf erschwert. Wir haben das Thema Qualifikation; man haben, man muss aber den Blick auf die rich- häufig handelt es sich um gering Qualifizierte. Es ten, um die wir uns jetzt nicht kümmern können. geht um die Älteren. Es geht um diejenigen, die in Und das, was wir dort machen, ist nicht sozialver- der Verantwortung sind, für eine Familie da zu sein träglich. - Kinder zu betreuen oder Angehörige zu pflegen. Mit Sicherheit wird der Vorteil für die Menschen, Auch das darf man nicht vergessen. Wer längere die wir erreichen können, bedeutender sein als die Zeit aus dem Beruf heraus ist, hat größere Schwie- Sorgen, die wir haben müssen. Vielleicht bietet rigkeiten, wieder in ein Berufsumfeld zurückzu- sich tatsächlich vor allen Dingen die Ausschuss- kommen. diskussion an, um das noch einmal inhaltlich auf- Diesen stärkeren und sich häufig mehrenden Ver- zuarbeiten. Es wäre ein gutes Signal, wenn dieser mittlungshemmnissen müssen wir entsprechend Landtag sich mit der großen Geschlossenheit, mit begegnen. Für diese Menschen ist eine Arbeits- der er sich um viele Themen im Bereich von Wirt- marktintegration deutlich schwieriger. Unser Ziel ist schaft und Entwicklung kümmert, auch um diese nicht, diese Menschen vom ersten Arbeitsmarkt Frage geschlossen kümmern könnte. fernzuhalten. Wir haben überhaupt keine Beden- Das Problem ist ein bisschen, dass die vorteilhafte ken, diesen eine Perspektive zu öffnen. Es gelingt und gute wirtschaftliche Lage, die den Arbeitsmarkt nur nicht bei allen. Deshalb ist es klug, zunächst stärkt, manchmal ein wenig den Blick auf die Reali- eine Gruppe auszuwählen und mit den Tausend,

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die wir hoffentlich erreichen können, Erfahrungen Wie kann es denn sein, dass wir in unserer Gesell- zu sammeln, wie das Ganze funktioniert und um- schaft bereit sind, jemandem dafür, dass er nicht gesetzt werden kann. einer Beschäftigung nachgeht, Geld zu geben, aber nicht bereit sind, dieses Geld als Unterstüt- Ich will noch einen anderen Punkt nennen: die zung für die Möglichkeit einzutauschen, einer Be- nötige Transparenz. Wir stellen in Deutschland schäftigung nachzugehen? Das hat sich mir nicht gerne mit Statistiken dar, wie positiv sich alles erschlossen. Da müssen wir doch etwas verän- entwickelt hat. Ehrlicherweise ist das tatsächliche dern! Ausmaß der Langzeitarbeitslosigkeit deutlich höher als dargestellt. Es ist in der Statistik der Bunde- (Beifall bei der SPD und bei den sagentur deutlich unterzeichnet. Man ist nur dann GRÜNEN) statistisch langzeitarbeitslos, wenn es keine Deswegen ist das ein kluger Weg. Deswegen ha- „schädliche Unterbrechung“ - so heißt es im Juris- ben wir immer intensiv diskutiert: Lasst uns diesen tendeutsch -, was schrecklich klingt, gegeben hat. Passiv-Aktiv-Tausch voranbringen! - Nun muss Dazu gehört z. B. die Teilnahme an einer arbeits- man sagen: Wir selbst sind da in der Verantwor- marktpolitischen Maßnahme. Man ist langzeitar- tung und haben es nicht umgesetzt. Ich weiß das beitssuchend, geht in eine arbeitsmarktpolitische und kritisiere das immer wieder deutlich. Maßnahme und ist dann nur noch kurzzeitarbeits- suchend. Das ist eine Verfälschung der Statistik. Deswegen müssen wir dann, wenn das nicht funk- Zumindest vermittelt das kein objektives, transpa- tioniert, andere Wege suchen. Genau das machen rentes Bild. Zu diesem Thema gehört auch eine wir. Damit helfen wir nicht 90 000 Menschen. Aber Zeit längerer Krankheit. Alle diese Dinge spielen wenn es uns gelingt, 1 000 Menschen zu helfen - eine Rolle und verändern die Statistik. Ein ehrlicher und damit geben wir ja auch vielen Strukturen, Blick offenbart, dass die Zahl in Wirklichkeit deut- Organisationen und Kommunen die Gelegenheit, lich höher ist als die, über die wir reden. solche Stellen zu schaffen -, dann haben wir schon eine Menge erreicht und können hoffentlich mit Die Schwierigkeiten, die Menschen mit diesen dem, was wir machen, auch zusätzliche Argumen- Hemmnissen direkt in den Arbeitsmarkt zu integrie- te beim Bund generieren, um dafür zu sorgen, ren, sind offensichtlich. Deshalb ist es genau rich- dass wir nun über den Passiv-Aktiv-Tausch disku- tig, die Form der öffentlichen Beschäftigung zu tieren, wobei wir hoffnungsvoll sind, dass sich die wählen. Lage zukünftig verbessert und wir wirklich die Mög- Dabei geht es aber nicht nur um Beschäftigung. lichkeit haben, aus einem solchen Verfahren, wie Beschäftigung klingt danach: Die sollen einer Er- wir es generieren, ein Projekt für mehr oder viele werbstätigkeit nachgehen, die sollen arbeiten. - Wir Leute Realität werden zu lassen. alle wissen, dass es in unserer Gesellschaft beim (Beifall bei der SPD und bei den Thema Arbeit um mehr geht als nur um die Frage GRÜNEN) einer Beschäftigung. Es ist die Teilhabe am gesell- schaftlichen Leben. Dazu gehören eine Tages- Das ist der vernünftige Weg, meine Damen und strukturierung und die Integration in einen anderen Herren. Ich bin davon überzeugt, dass es klug und Teil der Gesellschaft als in den, in dem man sich richtig ist, sich hier sehr sachlich und sehr intensiv vielleicht befindet, wenn man länger arbeitssu- damit auseinanderzusetzen. chend ist. Das ist soziale Stabilisierung. Vielleicht kommt noch der eine oder andere As- Wenn es uns gelingt, ein solches Programm auf pekt, der zusätzlich mit eingebracht werden kann. den Weg zu bringen, sorgt dies am Ende dafür, Aber ein Signal, das von Niedersachsen, einem dass der Bedarf nach sozialen Leistungen auf starken Wirtschaftsstandort, ausgeht, dass wir bei Dauer reduziert wird und nicht weiter ansteigt. all den Diskussionen, die wir über Infrastruktur, Davon bin ich fest überzeugt. Volkswirtschaftlich über sich entwickelnde Unternehmen und über gesehen ist das ein absolut richtiger Weg, der Innovationen führen, nicht diejenigen vergessen, letztendlich auch den Betrieben hilft, die natürlich die sich von der Gesellschaft abgehängt fühlen, klagen, dass sie für bestimmte Aufgaben nieman- wäre ein tolles Signal des Landtags. Insofern freue den mehr bekommen. Wie finanzieren wir das? ich mich auf die weitere Beratung und danke für Seien wir ehrlich: Das einfachste Instrument - das das Einbringen des Antrags. ist mehrfach genannt worden - wäre der Passiv- (Beifall bei der SPD und bei den Aktiv-Tausch. GRÜNEN)

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Vizepräsident Karl-Heinz Klare: dem die Branche zu Hause ist, das Land, wo die Vielen Dank, Herr Minister. Energietechnologien von morgen schon heute entwickelt werden. Und unsere rot-grüne Landes- Wir kommen jetzt zur Ausschussüberweisung. regierung steht dafür, dass das auch so bleibt. Federführend soll der Ausschuss für Soziales, (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- Frauen, Familie, Gesundheit und Migration tätig stimmung bei der SPD) werden, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Auf Antrag von Herrn Ansmann für Pionierland zu sein, bedeutet aber auch, dass sich die SPD-Fraktion soll sich auch der Ausschuss für bei uns die praktischen Probleme der Energiewen- Wirtschaft, Arbeit und Verkehr mit dem Antrag de zuerst zeigen. befassen. Ein Beispiel: Ein strahlender Sonnentag an der Wer so abstimmen möchte, den bitte ich um ein Nordseeküste, der Wind weht. Es ist Sonntag, Handzeichen. - Einstimmig! Dann ist das so be- bestes Ausflugswetter. Die Windräder und die schlossen. Zähler der Photovoltaik-Anlagen laufen auf Hoch- Ich rufe jetzt auf den touren. Doch sonntags ist der Stromverbrauch bekanntlich eher gering. Große Verbraucher aus der Industrie fahren ihre Anlagen über das Wo- Tagesordnungspunkt 39: chenende herunter. An einem solchen Tag ist das Erste Beratung: Netz im Norden schon heute voll mit erneuerbarem Die Energiewende zum Erfolg führen - Angebot Strom. und Nachfrage zusammenbringen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Trotzdem wird dann noch zusätzlich klimaschädli- Grünen - Drs. 17/6692 cher Kohle- oder hochriskanter Atomstrom produ- ziert. Im Netz drängeln sich also Erneuerbaren-, Kohle- und Atomstrom. Was nicht verbraucht oder Die Einbringung übernimmt der Kollege Volker abtransportiert wird, gefährdet die Netzstabilität. Es Bajus von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. müssen also Anlagen abgeschaltet werden. Je- Bitte schön! doch sind die alten Kraftwerke ungefähr so gut steuerbar wie Ozeantanker - nämlich gar nicht. Sie Volker Bajus (GRÜNE): brauchen Stunden, um überhaupt Leistung zu Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und bringen, und Tage, um auf Volllast zu kommen. Herren! Vor wenigen Tagen habe ich mir das Pro- Deshalb sind es dann die Erneuerbaren, die es jekt enera angeschaut. Das war auch ein Thema trifft, weil eben Kohle- und Atomkraftwerke nicht so des gestrigen Parlamentarischen Abends der schnell herunter gefahren werden können. Umwelt- EWE, unter deren Führung das Projekt steht. In und klimapolitisch ist das völlig kontraproduktiv - diesem Projekt kommen über 70 Akteure in der und im Übrigen teuer; denn die Verbraucherinnen Region Nordwestniedersachsen zusammen. Sie und Verbraucher tragen die fälligen Entschädigun- lösen dort Fragen der Versorgungssicherheit, der gen für den nicht genutzten Ökostrom mit. Netzsteuerung und der natürlichen Schwankungen Auf diese Problemlage hat die Bundesregierung des erneuerbaren Stromaufkommens. Das Beson- derzeit leider nur eine Antwort: Die Energiewende dere: Es geht um eine Region, in der schon heute deckeln, bremsen, verlangsamen. Mit der Einfüh- mehr Ökostrom produziert wird, als vor Ort ge- rung sogenannter Netzausbaugebiete wird zudem braucht wird. der Windenergieausbau in großen Teilen Nord- Es ist schon beeindruckend, wenn man auf diese deutschlands um weitere 40 % vermindert. Expertinnen und Experten trifft und mit ihnen spricht. Sie trauen sich die Energiewende mit Meine Damen und Herren, das ist einfach Unsinn 100 % Erneuerbaren nicht nur zu, sondern sie und offensichtliche Folge der Einflüsterungen der stellen sich den damit verbundenen Herausforde- alten Stromwelt in Berlin, z. B. von den Fuchsens rungen und technischen Problemen schon heute. und Pfeiffers des wirtschaftspolitischen Flügels der CDU/CSU - und das alles auf Kosten der Klimazie- Das enera-Projekt ist ein gutes Beispiel dafür, dass le von Paris! Es kann doch nicht sein, dass sie so die Heimat der Energiewende Niedersachsen ist. schnell schon wieder vergessen sind! Wir sind das Land der Erneuerbaren, das Land, in

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Es ist doch nicht der Ökostrom, der die Netze ver- Ich bin sehr gespannt auf die Ausschussberatun- stopft, es ist der Strom der alten inflexiblen Meiler. gen und hoffe auf eine konstruktive Beratung mit Ihnen. (Zustimmung bei den GRÜNEN) Vielen Dank. Während das 40 Jahre alte Kohlekraftwerk in Wil- helmshaven oder das AKW in Lingen läuft, steht (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- am gleichen Standort, gleich nebenan, ein moder- stimmung bei der SPD) nes, klimaverträglicheres Gaskraftwerk still, das sich jederzeit flexibel hoch- und runterfahren ließe. Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Das ist genauso unsinnig wie die Schuldzuweisun- Vielen Dank, Herr Bajus. - Jetzt hat sich Dr. Gero gen des Bundes, der Norden verschleppe den Hocker für die FDP-Fraktion gemeldet. Bitte schön, Netzausbau. Die einzige Nullnummer beim Netz- Herr Hocker! ausbau leistet sich der Bund selber. - Aber lassen wir das; denn dieser Streit löst am Ende die Prob- Dr. Gero Hocker (FDP): leme nicht. Stattdessen sollten wir auf die Innova- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und tionskraft unserer Ingenieurinnen und Ingenieure Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen von setzen und die Chancen der Digitalisierung ge- den Grünen, ich gehöre diesem Landtag seit mitt- meinsam mit ihnen wahrnehmen. lerweile sieben Jahren an. Ich muss sagen, dass Wenn wir Angebot und Nachfrage endlich besser ich mich über Ihren Antrag freue; denn in diesen zusammen bringen würden, dann würden wir viele sieben Jahren habe ich von Ihrer Fraktion nicht der Probleme lösen, die wir genannt haben. Wa- einen einzigen Antrag vernehmen und hier disku- rum fördern wir nicht endlich eine flexible Nachfra- tieren dürfen, der sich mit genau diesem Thema ge nach Ökostrom, die sich der Tageszeit oder auseinandersetzt, nämlich mit der Frage, wie man dem Wetter anpasst, statt für abgeschaltete Anla- die volatile Einspeisung von aus erneuerbaren gen und Braunkohlereservekraftwerke zu zahlen, Energien erzeugtem Strom tatsächlich nachfrage- die nun keiner mehr wirklich braucht? Warum wer- gerecht anbringen kann. Alles was ich bislang den Speicheranlagen abgabenmäßig immer noch habe zur Kenntnis nehmen dürfen, sind Anträge, doppelt bestraft, statt sie endlich zu fördern? Wa- die sich allein damit beschäftigt haben, wie man rum bestimmen nicht Systemdienlichkeit und Kli- zusätzlichen volatil anfallenden Strom erzeugt. maverträglichkeit das Anreizsystem in diesem Aber es reicht nicht aus - und diese Erkenntnis sowieso staatlich hoch regulierten Sektor? scheint jetzt auch bei Ihnen angekommen zu Antworten haben z. B. die findigen Mitarbeiterin- sein -, Windkraftanlagen in die Landschaft zu set- nen und Mitarbeiter beim schon erwähnten enera- zen; denn diese vergrößern gerade die Abhängig- Projekt. Ihr Ansatz: Durch ein intelligentes dynami- keit von den fossilen Energieträgern, die Sie so sches Management von Angebot und Nachfrage gerne verdrängen wollen. könnten mit nur noch 5 % Abregelung von Öko- Eines muss ich Ihnen auch sagen, Herr Kollege strom doppelt so viele Erzeugungsanlagen an das Bajus: Sie benennen die Herausforderung, wie ich gleiche Netz angeschlossen werden, ohne dass ausdrücklich finde, richtig. Nur der Schluss, den die Versorgungssicherheit gefährdet wäre. Sie daraus ziehen, ist falsch; denn wenn Sie eine Bei der Energiewende geht es eben darum, nicht weitere Förderung, einen weiteren Ausbau der nur Ökostromanlagen zu bauen, sondern das gan- Stromerzeugung im EEG-Bereich fordern, dann ze System neu zu denken und intelligenter zu ge- befördern Sie gerade die Situation, dass wir immer stalten. mehr volatil erzeugten Strom in unseren Netzen haben, (Zustimmung bei den GRÜNEN) (Volker Bajus [GRÜNE]: Das ist das Dazu braucht es aber mehr Flexibilitätstechnik und Ziel!) Speichermöglichkeiten und natürlich entsprechen- de Anreizsysteme. Genau dafür setzt sich unser und dann wird die Abhängigkeit von grundlastfähi- Antrag ein. Wir wollen die Energiewende, und zwar gen Technologien - gerade von Kohle, gerade von schnell und effizient. Unnötiges Abbremsen ist Gas - immer größer. Von daher ist die Benennung Ressourcenverschwendung und hemmt die Inno- der Herausforderung richtig, aber die Schlüsse, die vationskraft unseres Landes und ist daher der Sie daraus ziehen, sind leider komplett falsch, falsche Weg. meine sehr verehrten Damen und Herren.

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(Volker Bajus [GRÜNE]: Umgekehrt Vizepräsident Karl-Heinz Klare: wird ein Schuh daraus!) Vielen Dank, Herr Dr. Hocker. - Die nächste Wort- meldung kommt von dem Kollegen Karsten Be- Die erneuerbaren Energien - das sollten vielleicht cker, SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Becker! auch Sie zur Kenntnis nehmen - genießen ohnehin einen Einspeisevorrang. Das heißt, dass sie per Karsten Becker (SPD): Gesetz ohnehin jede Kilowattstunde Strom ver- drängen, wenn sie erzeugt und eingespeist werden Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, können. Deswegen fallen die fossilen und eben liebe Kollegen! Mit dem weiteren Ausbau der er- nicht die erneuerbaren Energien hinten runter. neuerbaren Energien stehen wir vor der wachsen- den Herausforderung, das Stromsystem der Zu- Mit Ihrer Forderung unter Punkt 4 - ich gehe gerne kunft deutlich flexibler ausgestalten zu müssen. dezidiert darauf ein - , regionale Ausnahmen vom Der steigende Anteil erneuerbarer Energien an der Erneuerbare-Energien-Gesetz zurückzunehmen, Stromversorgung führt bereits heute dazu, dass in befördern Sie eben genau das Gegenteil; denn Sie Zeiten, in denen viel Wind weht und die Sonne befördern durch zusätzliche Windkraftanlagen stark scheint, große Überschussmengen an elekt- auch die Abhängigkeit des gesamten Energienet- rischem Strom produziert werden. Mit zunehmen- zes von fossilen bzw. grundlastfähigen Energieträ- dem Ausbau der erneuerbaren Energien wird sich gern. Es ist richtig analysiert. Aber die Schlüsse, dieses Problem natürlich weiter zuspitzen. die Sie daraus ziehen, sind leider unlogisch. In Niedersachsen als dem Energieland Nummer eins stellen sich diese Fragen für die Netzanpas- In einem Punkt allerdings gibt es dann auch bei sung, den Ausbau von Speichern oder die Koppe- der Beschreibung des Problems der Energiewende lung der Energiesektoren Strom, Wärme und Mobi- einen Fehler. lität natürlich früher als im Bundesgebiet. Aber auch Niedersachsen ist da nicht einheitlich aufge- Sie behaupten, dass zahlreiche Flexibilitäts- und stellt. In der enera-Modellregion - Aurich, Fries- Speicheroptionen einsatzbereit und erprobt sind. land, Wittmund und der Stadt Emden; Herr Bajus Sie haben völlig recht: Wir sind viel weiter bei hat das eben ausführlich erwähnt; ich kann das Technologien wie Pumpspeicherkraftwerken, Kraft- daher kurz machen - werden bereits heute 70 % Wärme-Kopplung, Power-to-Gas als vor 10 oder mehr Strom regenerativ erzeugt und in die Netze 15 Jahren. - Aber um diese Technologien tatsäch- eingespeist, als vor Ort benötigt wird - also 170 %. lich auch zur Marktreife führen zu können, benöti- Dort treten bereits jetzt die Herausforderungen und gen wir eines: Da benötigen wir finanzielle Mittel, Problemstellungen auf, die sich bundesweit wohl meine sehr verehrten Damen und Herren. erst nach 2050 ergeben werden.

Während 28 Milliarden Euro EEG-Umlage alleine Da die bestehenden Möglichkeiten zur unmittelba- in die Erzeugung von volatilem Strom fließen, feh- ren Stromspeicherung in Batterien auf absehbare len in dem Bereich, in dem darauf ankommt, näm- Zeit an der Wirtschaftlichkeitshürde scheitern, lich bei der Speicherung, die finanziellen Mittel. müssen wir nach anderen Wegen zur Nutzung des Deswegen glaube ich, dass es nur konsequent erzeugten Stroms suchen. Power-to-X-Projekte, wäre, wenn die Menschen nicht zusätzlich belastet also die Umwandlung von Strom in Flüssigkeiten, werden sollen, endlich auch Einschnitte beim EEG zum Beispiel Kraftstoffe für die Mobilität oder in in die Diskussion einzubringen. Wenn Sie sich da Gas, Wasserstoff oder Methan oder in chemische diskussionsbereit zeigen würden, um diese Mittel Grundstoffe sind ein möglicher Weg mit einer rea- aus dem EEG sozusagen abschneiden zu können listischen wirtschaftlichen Perspektive. Je flexibler und sie in den Bereich zu überführen, in dem sie das Zusammenspiel aus Erzeugung und Nutzung tatsächlich benötigt werden, nämlich bei der Spei- funktioniert, umso leistungsfähiger und robuster chertechnologie, dann wäre uns ein größerer wird das Gesamtsystem. Die Flexibilität umfasst Dienst erwiesen als mit Ihrem Antrag. Ich freue auch ausdrücklich eine mögliche Rückumwandlung mich auf die Diskussion. für Zeiten, in denen eben nicht genügend erneuer- bare Energien zur Verfügung stehen. Vielen Dank. Die verschiedenen Power-to-X-Wege sind auch eine wesentliche Voraussetzung für die Sektoren- (Zustimmung von Jörg Bode [FDP]) koppelung, also die Zusammenführung der we-

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sentlichen Energiebereiche Strom, Wärme und die meisten neuen Windparks entstanden sind Mobilität. Über eine stärkere Vernetzung dieser - also ganz Norddeutschland -, künftig mit etwas Sektoren können Stromüberschüsse in Zeiten mehr als der Hälfte des bisherigen Zubaus aus- eines Überangebots anderweitig genutzt oder ge- kommen müssen. speichert werden. Wenn man sich vor Augen führt, Der Antrag zeigt das Energieszenario der Zukunft dass die Sektoren Mobilität und Wärme zusammen auf. Wir können in Niedersachsen als Energieland etwa 80 % des Gesamtenergieverbrauchs im Ver- Nummer eins hier deutlich vorangehen und ein gleich zu lediglich 20 % des Stromsektors ausma- Beispiel mit einem funktionierenden Modell für chen, um den sich eigentlich der Großteil unserer ganz Deutschland und, ich denke, auch ein Stück Diskussionen rankt, wird die herausragende Be- weit für Europa geben. deutung des Power-to-X-Ansatzes nochmals deut- lich. Vielen Dank. Die Perspektiven zur Nutzung überschüssigen (Beifall bei der SPD und bei den Stroms aus regenerativen Quellen sind überzeu- GRÜNEN) gend. Die elektrische Energie kann nicht nur um- gewandelt werden. In Zeiten eines hohen Strom- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: angebots können auch Wärme elektrisch erzeugt Vielen Dank, Herr Becker. - Jetzt hat sich Axel und gespeichert oder die Batterien von Elektro- Miesner für die CDU-Fraktion gemeldet. Herr fahrzeugen geladen werden. Nötig sind dafür aber Miesner! deutliche Preisanreize, die den Kunden einen mo- tivierenden Preisvorteil einräumen. Axel Miesner (CDU): Richtig ist aber auch, dass die heutigen Ausbau- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und szenarien für die regenerative Energieerzeugung Herren! Da kann man wohl nur feststellen: Dieser bei Weitem nicht ausreichen, um auch die Sekto- Antrag übt zum einen deutliche Kritik an Ihrem ren Wärme und Mobilität mit Strom aus erneuerba- eigenen Ministerpräsidenten Weil - dazu komme ren Energien zu bedienen. Die Erneuerbare-Ener- ich gleich noch einmal -, zum anderen ist er inhalt- gien-Anteile am Stromverbrauch sollen auf 40 bis lich, wenn man so will, eine ganz dünne Suppe. 45 % im Jahr 2025, 55 bis 60 % im Jahr 2035 und (Zuruf von der CDU: Sehr richtig!) mindestens 80 % im Jahr 2050 steigen. Der Stromverbrauch im Jahr 2050 ist unter diesen Be- Wenn so eine dünne Suppe zur Mittagszeit ange- dingungen einer Sektorkoppelung insofern grund- boten wird, würde ich in dieser Kantine niemals legend für die Planung des Ausbaupfades für die etwas essen. Sie verstecken sich hinter dem Pro- erneuerbaren Energien. jekt enera, zu dem Sie, Herr Bajus, gar nichts bei- getragen haben. Ich denke, es ist schon ganz Die energiepolitischen Zielszenarien kommen aber schön mutig, was Sie hier zutage fördern und uns zu grundverschiedenen Ergebnissen. Die Spann- hier heute Mittag vorgetragen haben. breite des Bedarfs der zentralen Studien reicht von rund 450 bis hin zu 800 Terrawattstunden elektri- Kommen wir zu unserer Debatte am 9. Juni hier im scher Jahresarbeit. Vor diesem Hintergrund, meine Landtag! Da ging es um die EEG-Novelle 2016, Damen und Herren, ist es zu begrüßen, dass die die ja dann auch vor der Sommerpause beschlos- Landesregierung solche Projekte, die das Ener- sen wurde. Ministerpräsident Weil trägt laut Steno- giemanagement der Zukunft eben vordenken und grafischem Bericht vom 9. Juni dieses Jahres vor: in die Praxis überführen, maßgeblich fördert. Ne- „Ganz erfolgreiche Verhandlungen“ ist ein Stich- ben dem schon erwähnten enera-Projekt gilt das wort. Weiter geht es mit „beschleunigten Netzaus- exemplarisch vor allem für die Wasserstoffwirt- bau“. Es sei ein Kompromiss, aber die Planungssi- schaft Unterelbe. cherheit sei gewährleistet. Meine Damen und Herren, wir brauchen mehr von Weiterhin spricht er zum Thema Offshorewindkraft. diesen Projekten, die die Flexibilitätsoptionen und Hierzu sagt er ebenfalls, es bestehe Planungssi- die Speicheralternativen erhöhen und den regene- cherheit. Es heißt weiter im Protokoll: verlässliche rativ erzeugten Strom vor Ort nutzbar machen. und kontinuierliche Ausbauperspektive für die Damit werden zukünftig auch Entscheidungen der Offshorewirtschaft. - Dann sagt er zum Thema Bundesnetzagentur weniger wahrscheinlich, nach Onshorewindkraftanlagen, ein hinreichend hoher denen Regionen, in denen in der Vergangenheit Zubau von Windenergieanlagen an Land sei

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deutschlandweit sichergestellt. Abschließend stellt che Lamento! Mehr Ignoranz geht gar Ihr Ministerpräsident fest: nicht!)

„Ich glaube, letztlich ist es gelungen, für Kommen Sie endlich einmal in die Strümpfe! Niedersachsen gut vertretbare Regelungen Schönen Tag noch! durchzusetzen.“ (Beifall bei der CDU) Jetzt kommt mit diesem Antrag die ganz deutliche Kritik von den eigenen Regierungsfraktionen, dass Vizepräsident Karl-Heinz Klare: das wohl doch nicht so dolle sei, was Ihr Minister- Vielen Dank, Herr Miesner. - Jetzt hat sich der präsident in Berlin für Niedersachsen verhandelt zuständige Minister zu Wort gemeldet. Minister hat. Wenzel, bitte schön! (Heiner Schönecke [CDU]: Schna- cker!) Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz: - Genau, Herr Schönecke, der Ministerpräsident ist Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen ein Schnacker. Das kann ich unterstreichen, auch und Herren! Sehr geehrter Herr Miesner, wir kön- wenn ich mich dafür vielleicht gleich entschuldigen nen diese Diskussion noch einmal führen, wenn muss, Herr Präsident. Aber so ist es. Das haben Ihre Bundesregierung genauso viele Kilometer wir schon Mittwochvormittag festgestellt. Es wird in Stromnetze planfestgestellt hat wie die Nieder- Berlin immer schön verhandelt. Aber für Nieder- sächsische Landesregierung. sachsen springt dabei nicht viel heraus. (Beifall bei den GRÜNEN) Wenn wir feststellen, was auch im Bereich der Speicher überhaupt getan worden ist, so wissen Ich fürchte allerdings, es wird noch ein paar Jahre Sie auch, Herr Bajus und Herr Becker, dass die dauern, bis die Bundesregierung so weit ist. Nie- Netze nach wie vor der günstigste Speicher sind dersachsen hat die längsten Strecken, soweit es in und dass wir durch einen Netzausbau, den wir der Verantwortung der Länder liegt. Der Bund hat wirklich voranbringen müssen, viele Speichertech- deutlich mehr, hat davon aber noch keinen Kilome- nologien letztlich überflüssig machen, weil da eben ter planfestgestellt. Meine Damen und Herren, wir immer ein guter Ausgleich von Angebot und Nach- betreiben dieses Thema sehr ernsthaft und sehr frage stattfindet. Sie machen das mit der Über- konsequent. schrift in Ihrem Antrag deutlich: „Angebot und Aber der heute vorliegende Antrag befasst sich Nachfrage zusammenbringen“. insbesondere mit der volatilen Nachfrage, Herr Ja, dann bauen Sie doch endlich einmal die Netze Hocker. Das Thema ist nämlich viel älter. Die vola- aus, für die Sie die Planungskompetenz haben! tile Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbrau- Wir müssen heute leider feststellen, Herr Minister cher war beispielsweise der Grund, warum man Wenzel, dass Sie wieder keinen Schritt weiterge- schon vor vielen Jahrzehnten Pumpspeicherkraft- kommen sind. Wir debattieren fast jeden Monat im werke gebaut hat und warum man Nachtspeicher- Rahmen der Plenarwoche darüber, wie weit der heizungen eingesetzt hat. Netzausbau nun gediehen ist und inwieweit er in (Zuruf von Dr. Gero Hocker [FDP]) Niedersachsen umgesetzt wurde. Schauen Sie doch einfach einmal in die Monitoringberichte der - Hören Sie einmal zu, Herr Hocker! Vielleicht kön- Bundesnetzagentur! Bei den EnLAG-Projekten nen wir an der einen oder anderen Stelle noch sind Sie wieder keinen Schritt weitergekommen. zusammenkommen. Wieder weist Ihre Statistik null Kilometer Ausbau in Nachtspeicherheizungen hat man eingesetzt, weil diesem Bereich aus. Andere Bundesländer sind die Großkraftwerke nachts durchliefen. Das ist bis viel weiter. Schauen Sie sich die Karte an! Hier heute so. Gucken Sie sich einmal die Statistiken passiert gar nichts. Und Sie beschweren sich mit an! Die Leistung der Braunkohle- und Atomkraft- Ihrem Antrag, dass nichts passiert! Die Kritik Ihres werke liegt in den Diagrammen wie ein Brett da. Antrages richtet sich ganz eindeutig an Ihre eigene Sie trägt nicht dazu bei, auf eine volatile Nachfrage Regierung. oder auf ein volatiles Angebot zu reagieren. (Volker Bajus [GRÜNE]: Lesen Sie ihn Von daher ist dieser Antrag genau richtig. Er setzt doch einfach einmal! Immer das glei- nämlich dort an, wo die Bundesregierung noch

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nachlegen muss. Meine Damen und Herren, die ein Drittel oder gar ein Viertel zum Einsatz. Das Bundesregierung hat - ich will hier gar keine muss man ändern. schwarz-weiße Wäsche waschen - in einigen Be- (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- reichen sehr gut vorgelegt. Aber in anderen Berei- stimmung bei der SPD) chen, beispielsweise wo es um die Flexibilität geht, müssen wir nachsteuern. Deswegen haben wir energisch darauf gedrängt, alle Flexibilitätsoptionen für die Zukunft zu nutzen. Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Wir werden das auch weiterhin tun. Dabei gibt uns Herr Minister, ich möchte Sie kurz unterbrechen. dieser Antrag noch einmal Rückendeckung. Der Kollege Hocker würde Ihnen gern eine Zwi- (Helge Limburg [GRÜNE]: Rücken- schenfrage stellen. wind!) - Rückendeckung und Rückenwind, beides. Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz: Wir wollen vor allen Dingen noch einmal genau Ja, sehr gern. prüfen, wo noch Potenzial beispielsweise im Be- reich der Mindestleistungsvorgaben für die konven- Dr. Gero Hocker (FDP): tionellen Kraftwerke besteht. Wir haben aufgrund eines Gutachtens der Netzbetreiber festgestellt, Vielen Dank, Herr Minister, dass ich die Gelegen- dass, wenn der Wind weht und negative Preise heit habe, meine Zwischenfrage zu stellen. gelten, immer noch 25 GW konventionelle Leistung Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie das im Netz sind - viel mehr, als wir für die Regelleis- Hohelied auf die Speichertechnologie singen, frage tung benötigen. Das muss nicht sein, und das darf ich Sie, warum es vor einigen Monaten keine Un- nicht sein. Hier kann man Kosten sparen und terstützung seitens der Landesregierung oder auch gleichzeitig auch noch etwas für die Umwelt tun. seitens der Grünen-Fraktion für unseren Antrag Das ist wichtig und notwendig. Da wollen wir ran. gegeben hat, die Speichertechnologie zumindest (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- von Netzentgelten zu befreien, um diese Techno- stimmung bei der SPD) logie zu fördern. Auch ansonsten enthält der Antrag eine Vielzahl Vielen Dank. an technologischen Optionen, denen wir nachge- hen. Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Wir haben mit dem Projekt enera hier in Nieder- Okay. - Bitte schön! sachsen ein Schaufenster. In diesem Labor kön- nen wir zeigen, wie Energiewende funktionieren Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie und kann. Klimaschutz: Sehr geehrter Herr Dr. Hocker, vielen Dank für die Die Möglichkeiten und Chancen der Nutzung von Frage. Ich kann Ihnen sagen, dass diese Landes- Wasserstoff werden beispielsweise im Rahmen regierung schon viel länger bei der Bundesregie- des von der chemischen Industrie mit auf den Weg rung unterwegs ist, um dafür zu sorgen, dass gebrachten ChemCoast-Projektes im Dreieck zwi- Speichertechnologien nicht doppelt - beispielswei- schen Brunsbüttel, Hamburg und Stade deutlich. se mit Netzgebühren - belastet werden. Das ist ein hochinteressantes Projekt, das wir wei- ter begleiten und, wo möglich, auch unterstützen (Dr. Gero Hocker [FDP]: Aber nichts werden. wurde erreicht!) Wie haben die KEAN damit beauftragt, das Thema An dieser Stelle haben wir, glaube ich, gar keine Speicher weiter intensiv zu begleiten, um im tech- Uneinigkeit. nischen Umfeld hier in Niedersachsen das Know- how zu nutzen, das im wissenschaftlichen und Bei der Einspeisung und bei der Ausspeisung zum unternehmerischen Kontext vorhanden ist, und es Kunden fällt jeweils ein Netzentgelt an. Das ge- in diese Entwicklung einzuspeisen. fährdet die Geschäftsmodelle und führt z. B. dazu, dass Pumpspeicher nicht in dem längst installier- Von daher danke ich für diesen Antrag. Wir neh- ten Ausmaß genutzt werden. Es sind ja 8 600 MW men Ihre Anregungen sehr gern auf. Ich glaube, installiert; davon kommt in der Regel weniger als dass wir hier wirklich etwas zu bieten haben und

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dass wir angesichts der Gesamtentwicklung in es da weder mechanisch oder chemisch bekämpft Deutschland und Europa hier viele Zukunftstech- wird. nologien entwickeln und damit Arbeitsplätze in Die Grünen bei uns im Kreis Holzminden haben im unserem Land schaffen können. Kommunalwahlkampf dieses Thema aufgegriffen Ich danke Ihnen herzlich fürs Zuhören. und haben sich angeboten, dabei zu helfen, dieses hochgefährliche Zeug auszureißen. Ich weiß nicht, (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN ob sie vielleicht noch ein paar Schulklassen dafür und bei der SPD) gewinnen wollten. Es wurde jedenfalls bisher nie- mand gesichtet. Das war wohl mehr ein Wahl- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: kampfgag. Das Thema ist aber nicht witzig. Ich danke auch, Herr Minister. - Weitere Wortmel- dungen zu diesem Antrag liegen nicht vor. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Meine Damen und Herren, „Goldenstedter Schaf- halter werfen Land Eselei vor“, wie wir lesen kön- Vorgesehen ist eine Überweisung an den Aus- nen. Es geht um ein Projekt zum Herdenschutz. schuss für Umwelt, Energie und Klimaschutz. Wer Die grüne Staatssekretärin war ganz begeistert ihr zustimmen möchte, den bitte ich um ein Hand- von den Eseln, die ein Schäfer angeschafft hatte, zeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sehe um die Schafe vor dem Wolf zu schützen. Dieser ich nicht. Dann ist das so beschlossen. Schäfer will jetzt aber diese Esel abschaffen, weil Ich rufe jetzt auf den die Esel dieses Zeug fressen und zugrunde zu gehen drohen. Es hat also überhaupt keinen Zweck. Sie merken schon: Hier stehen der Wolfs- Tagesordnungspunkt 40: schutz und der Naturschutz in einem gewissen Erste Beratung: Widerspruch. Strategie zur Regulierung von Kreuzkrautarten (Zustimmung bei der FDP und bei der jetzt entwickeln - Antrag der Fraktion der FDP - CDU) Drs. 17/6687 Ein anderer Landwirt, der mitmachen sollte, be- klagt, dass bei dem Herdenschutzprojekt mehr als Die Einbringung macht der Kollege Hermann Gru- ein Jahr nichts passiert sei und ihm während die- pe, FDP. Bitte schön! ser Zeit etliche Schafe gerissen worden seien. Es sagt wörtlich: Ich habe die Schnauze gestrichen Hermann Grupe (FDP): voll. Ich will von denen in Hannover nichts mehr Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen wissen. und Kollegen! Jakobskreuzkraut ist für alle Wie- Nun - das ist der Kalauer schlechthin - reagiert derkäuer und Pferde stark giftig. Es enthält Pyrroli- dieser Landwirt, indem er die Landschaftsschutz- zidinalkaloide, die die Organe angreifen, die Leber gebietsflächen in Wolfsgebieten meidet und seine im Besonderen. Es gilt aber auch als krebsauslö- Schafe auf der Mülldeponie, die einen 2 m hohen send und erbgutschädigend. Embryotoxische Wir- Zaun hat, weiden lässt. kungen werden vermutet. Meine Damen und Herren, das ist das Ergebnis Die Pyrrolizidinalkaloide wurden bereits im Honig dieser Wolfs- und Umweltpolitik. Der Schäfer ist nachgewiesen. Es ist zu befürchten, dass sie auch froh, dass er gerade noch einen eingezäunten auf die Milch übergehen. Kühe allerdings meiden Bereich auf der Mülldeponie findet, in dem das dieses sehr bittere Kraut. Aber wenn sie es, wo es Grün, das die Schafe ernähren soll, nicht ihren Tod stark vorkommt, doch aufnehmen, ist zu befürch- bedeutet und sie gleichzeitig der Wolf nicht reißt. ten, dass die Milch damit belastet ist, wie uns Ex- perten sagen. Meine Damen und Herren, das ist Realsatire. So kann es nicht weitergehen. Das Raffinierte daran ist, dass die Vergiftungs- symptome erst nach Wochen oder Monaten deut- (Beifall bei der FDP) lich werden. Das Zeug ist höchst gefährlich. Es sind bereits Das ist also ein hochgefährliches Zeug. Es kommt mindestens 100 Pferde verendet. Die Dunkelziffer vor allen Dingen auf Naturschutzflächen vor, weil soll wesentlich höher sein. Aber es ist auch für den

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Menschen gefährlich. An dieser Stelle wird es wirk- Ich sage Ihnen, dass ich bei der ersten Forderung, lich sehr ernst. In Äthiopien sollen durch eine eng der Forderung ein Monitoring einzuführen, Schwie- verwandte Art mehr als 300 Menschen gestorben rigkeiten habe. Mit anderen Worten und auf den sein. In Deutschland soll ein Baby gestorben sein, Punkt gebracht: Es soll ein Kreuzkrautkataster weil - wie dann festgestellt wurde - dessen Mutter eingeführt werden. einen Gesundheitstee, der belastet war, getrunken Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion hat hat. Das ist tragisch. mit dieser Forderung Schwierigkeiten. Hier ist der Dieses Zeug breitet sich explosionsartig aus. Wir bürokratische Aufwand gegen den Nutzen, den ein alle sind gehalten, wirkungsvolle Bekämpfungsme- solches Kreuzkrautkataster hätte, abzuwägen. thoden ins Werk zu setzen. Hier steht der Natur- Sie sind in Ihrem Antrag nicht nur auf die Thematik schutz dem Verbraucherschutz entgegen. Meine von Flächen, die sich in privater Hand befinden Damen und Herren, es muss die Sicherheit von und entsprechend bewirtschaftet werden, zu spre- Mensch und Tier vorgehen. Das kann überhaupt chen gekommen, sondern heben vor allen Dingen nicht anders sein. Einer weiteren Ausbreitung die- auf öffentliche Flächen ab, die sich im Eigentum ses gefährlichen Krautes muss ohne ideologische des Landes oder der Kommunen befinden, näm- Scheuklappen Einhalt geboten werden. lich die Grün- und Seitenstreifen sowie die Wege- Vielen Dank. ränder, auf denen sich das Kreuzkraut verbreiten könnte. Sie fordern entsprechend, dass die Be- (Beifall bei der FDP und Zustimmung kämpfung dort über das Land zu regeln sei. bei der CDU) Ich kann es noch nicht abschließend beantworten, Vizepräsident Karl-Heinz Klare: sage aber vorab, dass wir mithilfe der Unterrich- tung der Landesregierung zunächst einmal zu Vielen Dank, Herr Grupe. - Jetzt hat sich Wiard klären haben, ob tatsächlich ein Handlungsbedarf Siebels für die SPD-Fraktion gemeldet. Bitte seitens des Landes besteht oder ob wir das über schön! die Kommunen zu regeln haben.

Wiard Siebels (SPD): Aber alle diese Fragen werden wir sicherlich im Ausschuss diskutieren, Herr Kollege Grupe. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe FDP! Herr Grupe, zunächst einmal Ich darf mich abschließend an dieser Stelle noch vielen Dank für Ihren Antrag, der in diesem Fall einmal für den Antrag bedanken. Wir werden - wie sicherlich ein sehr spezielles Thema behandelt. gesagt - im Ausschuss prüfen, welchen Hand- Aber für alle Pferde- und Schafhalter sowie für die lungsbedarf wir in dieser Frage tatsächlich aufsei- Halter von Wiederkäuern im Ganzen ist das sicher- ten des Landes haben. lich ein wichtiges Thema, das es hier entsprechend zu behandeln gilt. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und bei den (Hermann Grupe [FDP]: Auch für die GRÜNEN) Imker!)

- Genau, auch für die Imker selbstverständlich. Ich Vizepräsident Karl-Heinz Klare: will niemanden auslassen. Vielen Dank, Herr Siebels. - Jetzt hat sich Hans- Ob man tatsächlich einen direkten Bezug zum Joachim Janßen für Bündnis 90/Die Grünen ge- Thema Wolf herstellen muss, Herr Grupe, möchte meldet. Bitte schön, Herr Janßen! ich an dieser Stelle noch offenlassen, weil es, glaube ich, zunächst ein Thema ist, das es allge- Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): mein zu behandeln gilt. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem vorliegenden Entschließungsantrag Bevor wir in den Ausschussberatungen diskutie- stellen Sie von der FDP richtig fest, dass Kreuz- ren, in denen wir sicherlich eine Unterrichtung kräuter in den vergangenen Jahren vermehrt in durch die Landeregierung zu diesem Thema ent- den Fokus der Öffentlichkeit geraten sind und in gegennehmen werden, will ich noch ganz kurz die der Landwirtschaft sowie in der privaten Tierhal- Forderungen, die Sie in Ihrem Antrag aufgelistet tung aufgrund ihrer Giftigkeit als Problemkräuter haben, skizzieren. gelten. Das Jakobskreuzkraut ist bekanntermaßen

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für Wiederkäuer und Pferde durch direkte Aufnah- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: me giftig. Auf der Weide wird das Jakobskreuz- Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die CDU-Fraktion kraut aufgrund des bitteren Geschmacks von den hat nun Herr Kollege Deppmeyer das Wort. Bitte! Tieren in aller Regel nicht gefressen.

(Jörg Bode [FDP]: Es sei denn, man Otto Deppmeyer (CDU): ist ein Esel!) Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Die Giftigkeit und der bittere Geschmack sind der Das Jakobskreuzkraut wird zunehmend zum Pro- Selbstschutz der Pflanze, um nicht gefressen zu blem. Das haben alle drei Vorredner feststellt; werden. Der funktioniert in der Regel auch. In Heu darin sind wir uns einig. Warum ist es zum Prob- und Silage verliert das Jakobskreuzkraut den bitte- lem geworden? ren Geschmack, nicht aber seine Giftigkeit. Noch vor Jahrzehnten hat kein Mensch darüber (Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta gesprochen; es war kein Problem. Was hat sich übernimmt den Vorsitz) seit dem verändert? - Vor allem in der Bewirtschaf- Das Pflanzenschutzamt der Landwirtschaftskam- tung des Grünlandes hat sich seit dem eine Menge mer Niedersachsen berät intensiv über Maßnah- verändert. Die Bewirtschaftung wurde extensiver, men zur Eindämmung des Vorkommens von Ja- und vor allem an den Wegen - und zwar nicht nur kobskreuzkraut und hat dazu auch ein Merkblatt an Feldwegen nicht, sondern auch nicht an den veröffentlicht. Tierhalter wissen daher um diese Kreisstraßen und Landesstraßen - wurde über- Gefahr und werden alles daransetzen, ihr Winter- haupt keine Pflege des Grünlandes mehr vorge- futter frei von Jakobskreuzkraut zu halten. nommen. Diese Entwicklung zur extensiven Be- wirtschaftung hat dazu geführt, dass sich das Ja- Auf öffentlichen Grünflächen kann eine örtliche kobskreuzkraut so ausweiten konnte und damit vor Bekämpfung von Jakobskreuzkraut sinnvoll sein, allem auch in Naturschutzflächen und in der exten- vor allem dann, wenn durch die unmittelbare Nähe siven Nutzung zu einem großen Problem gewor- zu Weideflächen eine weitere Ausbreitung zu be- den ist. fürchten ist. Das Jakobskreuzkraut ist giftig; auch das wurde Über die Anordnung von entsprechenden Maß- geschildert und deutlich gemacht. Die Giftigkeit ist nahmen sollte aber von den zuständigen Behörden für die Tiere eine Bedrohung, wenn auch nicht vor Ort entschieden werden. Sie können die Lage akut, aber latent spielt sie eine besondere Rolle. vor Ort am besten beurteilen. Besonders kommt sie bei der Verfütterung von Meine Damen und Herren von der FDP, ob weiter- Heu zum Tragen. Die Tiere sind meist so schlau, gehende Maßnahmen erforderlich sind dieses giftige Kraut nicht zu fressen, wenn es im Grünland vorkommt, aber im Heu schmecken sie (Unruhe) es nicht; sie fressen es mit und erkranken. - ich habe noch zwei Minuten Zeit -, so wie Sie sie (Unruhe - Glocke der Präsidentin) vorschlagen, bedarf aus unserer Sicht der sorgsa- men Abwägung im Ausschuss. Die Gefährdungssi- Für die Menschen ist das insofern ein Problem, als tuation, die Möglichkeiten der Flächennutzer, der Konsum der Milch oder auch des Fleischs der selbst Vorsorge zu treffen, der mit den zusätzli- Tiere eine Gefährdung darstellt. Das Gleiche gilt chen Maßnahmen verbundene Bürokratieaufwand, für den Honig, der auch schon genannt wurde. Der dessen Vermeidung der FDP sonst ja sehr am Tod der Tiere kommt meist erst nach einer länge- Herzen liegt, ren Zeit. Das ist manchmal ein besonders großes (Hermann Grupe [FDP]: Auf jeden Problem. Fall! Immer!) Die Heunutzung - ich sagte es schon - ist das und gegebenenfalls andere Schutzzielen - z. B. in größte Problem. Von daher gilt es, sich Gedanken Naturschutzgebieten - müssen sorgfältig gegenein- darüber zu machen, wie man dagegen angehen ander abgewogen werden. Ich glaube, dazu wer- kann. In den Redebeiträgen meiner Vorredner den wir im Ausschuss Gelegenheit haben. Ich wurde dazu bisher meist auf die Diskussion über freue mich jedenfalls auf intensive Diskussionen. die Anbautechnik Bezug genommen, die eigentlich nicht hierher gehört. Ich habe mich gewundert, (Beifall bei den GRÜNEN) dass der Antragsteller, der zwar schriftlich einige

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Forderungen dazu gestellt hat, hier aber nichts Wir kommen zur Ausschussüberweisung. dazu gesagt hat. Federführend soll der Ausschuss für Ernährung, Meine Damen, meine Herren, wir müssen zu einer Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landes- nachhaltigen Bekämpfung der Kreuzkrautarten entwicklung sein. Wer so beschließen möchte, den kommen. Der Kollege von den Grünen hat dazu bitte ich um das Handzeichen. - Dann haben Sie schon auf das Blatt der Landwirtschaftskammer so beschlossen. verwiesen. Dort werden drei Maßnahmen aufge- zeigt: Handarbeit, biologische Bekämpfung und Ich rufe auf den chemische Bekämpfung.

Die biologische Bekämpfung ist praktisch aus- Tagesordnungspunkt 41: sichtslos. Handarbeit wäre vor allem dann, wenn Erste Beratung: das Problem sehr groß geworden ist, sehr umfang- Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zur reich und meist nicht zu schaffen. Chemische Be- Ausführung des Gesetzes über die psychoso- kämpfung ist nur in landwirtschaftlicher Nutzung ziale Prozessbegleitung im Strafverfahren - möglich; im Naturschutz und an den Wegerändern Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 17/6689 ist sie nicht möglich. Dies ist, meine Damen, meine Herren, das große Problem. Wenn wir hieran nichts ändern, dann wird das Problem über kurz Ich bitte um die Einbringung seitens der Landesre- oder lang so groß sein, dass wir es nicht mehr gierung. geregelt bekommen. (Zurufe von der CDU: Die Ministerin Die Gefahr der Verbreitung wird immer größer; wir ist nicht da!) werden sie nicht mehr beherrschen. Die Esel, die die Schafherden in der Hunteniederung schützen - Vielleicht gedulden wir uns noch einen kleinen sollten - das wurde hier auch schon angespro- Moment. chen -, sind bereits abgeschafft worden. In der (Jörg Bode [FDP]: Auf Abgeordnete Hunteniederung wird der Naturschutz nun nicht wartet man doch auch nicht! - Zurufe mehr durch Schafe ausgeübt. Dass so etwas pas- von der CDU: Vertagen! - Nächster siert, wollen wir ja gerade verhindern. Tagesordnungspunkt!) Wir müssen also dafür sorgen, dass sich das Ja- kobskreuzkraut nicht mehr vermehren kann. Das Da die Ministerin nicht anwesend ist und der Ge- ist möglich. Wir müssen es nur wollen. Was wir setzentwurf jetzt nicht eingebracht werden kann, von der CDU-Fraktion jedenfalls nicht wollen, ist rufe ich auf den mehr Bürokratie in diesem Zusammenhang. Es kommt darauf an, dass die landwirtschaftlichen Nutzer das in den Griff kriegen. Das können sie, Tagesordnungspunkt 43: wenn man ihnen die nötigen Mittel dazu gibt und Abschließende Beratung: sie nicht auf den Index setzt, sodass sie verloren Jagdzeiten für Wildgänse zur Vermeidung gehen. Und wir müssen die öffentliche Hand, die in übermäßiger Schäden an landwirtschaftlichen der Regel die Eigentümer der Wegeränder ist, Kulturen verlängern - Antrag der Fraktion der auffordern, ihre Pflicht zu tun und dafür zu sorgen, FDP - Drs. 17/4952 - Beschlussempfehlung des dass dieses giftige Kraut dort nicht weiter wachsen Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Ver- kann. Ansonsten wird es eine Gefahr für die Um- braucherschutz und Landesentwicklung - welt und danach für Mensch und Tier. Drs. 17/6677

Vielen Dank. (Unruhe) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) - Ich darf um etwas Ruhe bitten! Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzu- Vielen Dank, Herr Kollege Deppmeyer. - Weitere lehnen. Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Beratung schließen kann. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

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Bevor ich die Beratung eröffne, hat Herr Kollege (Miriam Staudte [GRÜNE]: Keine Nacke zunächst das Wort zur Geschäftsordnung. künstliche Aufregung!) Bitte! Jörg Bode (FDP): Jens Nacke (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist in der Tat ein einmaliger Vorgang, bei dem Ich befürchte, dass das nicht ohne Weiteres so ich mich jedenfalls in meiner Parlamentsgeschichte geht. Der Tagesordnungspunkt ist aufgerufen wor- nicht daran erinnern kann, dass es jemals zu so den; die Ministerin war nicht da, um ihn einzubrin- etwas gekommen ist. gen. Der Tagesordnungspunkt sollte abgeschlos- (Miriam Staudte [GRÜNE]: Meine Güte!) sen werden. Ich beantrage daher, den Tagesord- nungspunkt auf die nächste Sitzung zu verschie- Wir haben einen Gesetzentwurf der Landesregie- ben. rung, der eingebracht werden sollte. Die Frau Prä- sidentin hat die Landesregierung mehrfach zur (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Einbringung aufgerufen. Die Landesregierung war anwesend. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Es handelt sich hierbei nicht um einen Gesetzent- Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Bitte, Herr wurf der Privatperson Frau Ministerin Niewisch- Kollege Limburg! Lennartz, es handelt sich um einen Gesetzentwurf der Landesregierung in Gänze, der - so erwarte ich Helge Limburg (GRÜNE): jedenfalls - auf einer Kabinettssitzung von der Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Landesregierung in Gänze beschlossen worden und Kollegen! Das ist sicherlich keine ganz gute ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. Situation. Aber wir haben ja die erfreuliche Lage, (Beifall bei der FDP und bei der CDU) dass wir in der Abwicklung der Tagesordnung zeit- lich sehr deutlich vorangekommen sind. Ich vermu- Zumindest hätte das die Geschäftsordnung der te, dass es dadurch zu diesem kleinen Missver- Landesregierung so vorgesehen. ständnis gekommen ist. Aber wie ich sehe, ist die Das bedeutet, dass zumindest alle damals anwe- Ministerin jetzt hier. Insofern können wir den Punkt senden Ministerinnen und Minister der Landesre- anschließend noch ganz regulär abhandeln, oder gierung auch Kenntnis von diesem Gesetzentwurf der Gesetzentwurf muss direkt eingebracht wer- gehabt haben müssen; denn sie werden ja nichts den, was ich allerdings schade fände. beschließen, von dem sie nicht selber überzeugt Bei diesem Gesetzentwurf über die psychosoziale sind. Prozessbegleitung geht es ja darum, dass wir in (Heiterkeit bei der FDP und bei der dem wichtigen Thema der Stärkung des Opfer- CDU) schutzes in Niedersachsen mit Standards voran- kommen. Niedersachsen ist eines der ersten Län- Meine sehr geehrten Damen und Herren, insofern der, die diesen Bereich regeln wollen. Ich fände, hätte jedes hier anwesende Mitglied der Landes- das wäre es wert, den Opferschutz im Strafverfah- regierung die Einbringung vornehmen können. ren hier breit zu diskutieren. Trotz mehrfacher Aufforderung hat die Landesre- gierung dies nicht getan. Ich gehe davon aus, dass Vielen Dank. die Landesregierung scheinbar diesen Gesetzent- wurf doch nicht einbringen wollte. Zumindest hat (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- die Präsidentin diesen Tagesordnungspunkt abge- stimmung bei der SPD - Editha Lor- schlossen, berg [CDU]: Dann muss man hier sein! - Heiner Schönecke [CDU]: Ihr (Unruhe - Glocke der Präsidentin) seid Schlafmützen!) ohne eine Wortmeldung seitens der Regierung, ohne eine Einbringung dieses Gesetzentwurfs, und Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: sie hat den nächsten Tagesordnungspunkt aufge- Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Wir fahren rufen und verlesen. erst fort, wenn Ruhe eingekehrt ist. - Bitte, Herr Nach meinem Verständnis unserer Geschäftsord- Kollege Bode, zur Geschäftsordnung! nung ist damit die Einbringung des Gesetzentwurfs

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nicht erfolgt, und der Landesregierung steht es frei, ohne dass wir die Tagesordnung ändern oder er- eine erneute Einbringung beim Landtag zu bean- weitern müssten. Aber das mag geklärt werden. tragen. Einer Erweiterung der Tagesordnung wür- Wenn die Geschäftsordnung das nicht vorsieht, den wir heute widersprechen. dann ist der Weg vorgezeichnet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU) Wenn der Punkt nicht abgeschlossen ist, weil wir noch keine Beschlussempfehlung abgegeben ha- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: ben, dann wäre ich dafür, dass wir den Tagesord- nungspunkt an den jetzt aufgerufenen Punkt Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Wir fahren mit schlicht wieder dranhängen. Wortmeldungen zur Geschäftsordnung fort: Herr Nacke und dann Herr Tonne. - Bitte, Herr Nacke! (Beifall bei der SPD - Ulf Thiele [CDU]: War das ein Antrag zur Ge- (Unruhe) schäftsordnung? Dann brauchen wir jetzt eine Abstimmung! Zehn dage- - Ich darf alle um Ruhe bitten. Das Verfahren klä- gen, fertig!) ren wir heute. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Jens Nacke (CDU): Vielen Dank, Herr Kollege. - Ich stelle jetzt fest - in Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Bode Rücksprache mit der Verwaltung -: Es liegt ein hat recht. Vielen Dank für den Beitrag. Sie haben Geschäftsordnungsantrag des Kollegen Nacke vor. mich überzeugt. Insofern bin ich gezwungen, den Antrag zurückzuziehen, da der Tagesordnungs- (Jörg Bode [FDP]: Der wurde zurück- punkt bereits abgeschlossen ist und eine Erweite- gezogen! Den hat er zurückgezogen!) rung eben nur möglich wäre, wenn nicht mindes- - Der ist zurückgezogen worden. tens zehn Abgeordnete widersprechen. Insofern können wir in der Tagesordnung mit dem jetzt Ist ein Antrag auf Erweiterung der Tagesordnung gestellt worden? - Das ist auch nicht der Fall. aufgerufenen Tagesordnungspunkt fortsetzen. (Unruhe) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Dann fahren wir jetzt fort. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Das Wort zur Unruhe) Geschäftsordnung hat nun Herr Kollege Tonne, - Ich darf Sie noch einmal um Ruhe bitten. SPD-Fraktion. Bitte! Ich eröffne die Beratung zu dem bereits aufgerufe- (Unruhe) nen Tagesordnungspunkt 43. - Ich darf um Ruhe bitten. Dazu hat sich Herr Kollege Grupe zu Wort gemel- det. Bitte! Grant Hendrik Tonne (SPD): Hermann Grupe (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was unsere Geschäftsordnung vorsieht, wird sich Vielen Dank, Frau Präsidentin. - „Jagdzeiten für ja sicherlich klären lassen. Da wir zumindest den Wildgänse zur Vermeidung übermäßiger Schäden Tagesordnungspunkt nicht mit einer Beschluss- an landwirtschaftlichen Kulturen verlängern“, so empfehlung versehen haben, weder dazu abge- lautet das Thema. Ich trage das noch einmal vor, stimmt haben noch irgendetwas gemacht haben, damit jeder weiß, dass wir jetzt bei einem anderen glaube ich, dass wir ihn noch gar nicht abschlie- Punkt sind. ßend behandelt haben. Meine Damen und Herren, der Ausschuss hat das Thema ausgiebig beraten. Es geht um die Proble- (Ulf Thiele [CDU]: Doch!) matik, dass durch Wildgänse, die sich in den letz- Insofern wäre es auch unproblematisch, die Rei- ten Jahren und Jahrzehnten sehr stark vermehrt henfolge zu verändern, haben - von 1994 bis 2013 hat sich die Anzahl der Brutpaare versechsfacht -, zunehmend große (Zuruf von der CDU: Nein!) Schäden verursacht werden.

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(Unruhe - Glocke der Präsidentin) sonders hohe Schäden zu befürchten sind, besteht nicht die Möglichkeit, dort einzugreifen. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, das ist der letzte Punkt. Wir können zügig durchkom- Nun wird uns gesagt, ihr könnt ja nonletale Ver- men, wenn ich reden darf. grämungsmethoden anwenden. Ich sage Ihnen: Die Tiere sind klüger, als man manchmal denkt. Es geht darum, dass wir in keinem Fall brütende Die gewöhnen sich sehr schnell daran, wenn da Tiere schädigen, stören oder gar töten wollen, irgendwelche Knallapparate gezündet werden oder sondern darum, dass die nicht brütenden Trupps - wenn Vogelscheuchen aufgestellt werden oder wie Herr Kollege Ehlen es das letzte Mal zu Recht was auch immer. Die haben sehr schnell raus, festgestellt hat - bekämpft werden müssen. dass da nichts ist. Im Frühjahr haben wir den frisch gesäten Mais, die Wenn man allerdings einige Tiere entnimmt, wenn frisch gesäten Rüben, die von diesen Gänsen sehr man Jagd betreibt, dann schlägt das nach Aussa- stark geschädigt werden, die dann in diesen ge- ge der Jäger vor Ort wesentlich mehr durch. Auch nannten Trupps auf die Flächen fliegen. wenn man dadurch die Zahl natürlich auch nur in (Unruhe) geringem Maße regulieren kann, so ist es doch eine Maßnahme, die einen wesentlichen höheren Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Erfolg zeitigt. Deswegen wäre es dringend gebo- Moment bitte, Herr Kollege Grupe! Sie sind zwar ten, hier die unteren Naturschutzbehörden zu er- muntern, solche Anträge, wenn hier Gefahr be- stimmgewaltig, aber das reicht nicht. - Ich bitte wirklich alle Kolleginnen und Kollegen, die dieser steht, dass sehr große Schäden entstehen kön- nen, zu genehmigen. Wir fordern die Landesregie- Debatte nicht folgen wollen, den Plenarsaal zu rung auf, in dieser Richtung tätig zu werden. verlassen. Wir fahren hier erst fort, wenn im Ple- narsaal Ruhe eingekehrt ist. Und ich möchte das Vielen Dank. hier nicht im Minutentakt wiederholen. Deshalb werden wir erst fortfahren, wenn Ruhe eingekehrt (Beifall bei der FDP) ist. - Bitte, Herr Kollege! Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Hermann Grupe (FDP): Vielen Dank, Herr Kollege Grupe. - Wir fahren fort. Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Kollege Janßen, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, bitte! Aufgabe ist es also, die zu schützenden brütenden Tiere von den anderen zu unterscheiden. Das ist in Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): dieser Zeit - wie uns die Jäger, wie uns alle Exper- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen ten sagen - sehr gut möglich. Wir haben es in die- und Herren! Die FDP bezieht sich in ihrem Antrag ser Zeit auch nicht mit durchziehenden Gänsen zu auf hier in Niedersachsen brütende Gänse. Dazu tun, unter denen schützenswerte Arten sein könn- gehören die Graugans als heimische Art sowie die ten. Es ist also geradezu auszuschließen, dass zugewanderten Gänse Kanada- und Nilgans. Die- dort Fehler vorkommen, und es ist möglich, in die- se drei Arten haben in Teilen Niedersachsens ser Zeit übermäßige Schäden einzugrenzen. Hier deutlich im Bestand zugenommen, allerdings nicht müssen wir die Interessen der Landwirtschaft mit ganz um das Sechsfache - zumindest nach den denen des Naturschutzes vereinbaren. mir vorliegenden Daten -, sondern bei Graugänsen Aber es ist nicht nur die Landwirtschaft, meine um 29 %, bei Nilgänsen um 89 % und bei Kana- Damen und Herren, es sind im Zweifelsfall auch dagänsen um 97 % im Zeitraum 2010 bis 2014. angrenzende Seen und Parks, die zugekotet wer- Nun fordern Sie, meine Damen und Herren von der den, wodurch auch für die Nutzung durch die Men- FDP, die unteren Jagdbehörden anzuweisen, schen starke Belastungen hervorgerufen werden. Schonzeiten aufzuheben, wenn es keine anderen Das Anliegen ist also, die übermäßige Ausbreitung Maßnahmen gibt, um Wildschäden zu vermeiden. der Gänse und damit übermäßige Schäden einzu- Diese Vorgabe ist aus unserer Sicht schlicht über- grenzen, nicht etwa schützenswerte Gänsearten in flüssig, weil die unteren Jagdbehörden der Land- Mitleidenschaft zu ziehen. Dafür brauchen wir eine kreise in eigener Zuständigkeit und aufgrund der Ausweitung der Jagdzeiten. Diese ist erst ab 1. Au- örtlichen Situation schon jetzt Ausnahmen von den gust zulässig, und in der Frühjahrszeit, in der be- Schonzeiten erteilen können und dies auch tun.

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Ich habe hier volles Vertrauen in die zuständigen nicht nur richtig, sondern auch vonnöten ist. Er ist Behörden. Denen sollten wir keine weiteren Vor- vonnöten, weil der Landwirtschaft aufgrund der gaben machen. explodierenden Gänsepopulationen unheimlich viel Fraßschäden entstehen. Viele landwirtschaftliche Die Aufhebung der Schonzeiten während der Brut- Betriebe an der Küste sind, wenn diese Entwick- zeit vom 1. April bis 15. Juli ist aus unserer Sicht lung anhält, in ihrer Existenz gefährdet, meine nicht zulässig, da ein Abschuss brütender Tiere Damen und Herren. nicht auszuschließen ist. Im Gegensatz zu Ihren Ausführungen, Herr Grupe, kommen nämlich nicht (Beifall bei der CDU und bei der FDP) brütende und brütende Vögel durchaus gemein- Die Parlamente sind dafür da, dafür zu sorgen, sam auf Nahrungsflächen vor; zumindest ist das dass so etwas klar ausgesprochen und dann auch die Aussage von Fachleuten. Brütende Tiere ab- verhindert wird. zuschießen ist jedoch aus Tierschutzgründen ab- zulehnen. Auch so besteht die Möglichkeit, die (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Jagdzeiten auf bis zu 8,5 Monate pro Jahr auszu- Meine Damen und Herren, wir müssen unser Au- dehnen, nämlich auf das gesamte Jahr mit Aus- genmerk aber auch noch auf andere Dinge richten. nahme der Brutzeit vom 1. April bis zum 15. Juli. Herr Kollege Grupe hat es schon gesagt: Die Eu- Das müsste als Zeitraum für eine effektive Beja- trophierung unserer stehenden Gewässer, unserer gung eigentlich ausreichen. Die Bejagung muss Seen aufgrund des Eintrags von Gänsekot und dann allerdings auch effektiv durchgeführt werden. von Kot durch anderes Flugwild lässt Krankheitser- Als Grundlage für weitergehende Management- reger entstehen und führt dazu, dass sehr viele maßnahmen wird derzeit ein dreijähriges For- dieser Gewässer nicht mehr als Badeseeen, als schungsprojekt „Sommergänse Niedersachsen“ Viehtränken usw. genutzt werden können. Ich fin- unter Begleitung von Landvolk, Naturschützern de das sehr schlimm. und Jägern durchgeführt. Dies soll Ende 2018 Und neu kommt hinzu - darauf sollte man auch abgeschlossen werden und als Grundlage für ein achten -, dass sich unsere Luftverkehrsbetriebe Management dienen, das von allen akzeptiert wird. große Sorgen machen. Sie haben große Angst, Meine Damen und Herren von der FDP, mir ist dass es aufgrund der erhöhten Wildganspopulatio- völlig schleierhaft, was Sie dazu veranlasst, den nen zu Unfällen kommt, die eventuell großen unteren Jagdbehörden derartig das Misstrauen Schaden anrichten. auszusprechen, dass das Land sie anweisen soll, Der Kollege Janßen hat recht, dass die Aufhebung gesetzeskonform zu handeln. Die übrigen Teile der Schonzeiten heutzutage schon möglich ist. Ein Ihres Antrages, nämlich zu den Nrn. 2 und 3, die Landwirt in Nordrhein-Westfalen hat vor dem OVG Jagd während der Brutzeit zuzulassen, lehnen wir in Münster ein Urteil erreicht, durch das dies bestä- ab. Unter Einbeziehung aller Akteure wird auf wis- tigt wird. Von daher haben wir diese Möglichkeiten. senschaftlicher Basis ein Managementplan für Wir sollten sie auch nutzen. Sommergänse entwickelt - so viel zu Nr. 4. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Ihr Antrag ist zum einen Teil überflüssig und ver- stößt zum anderen Teil gegen das Tierschutzrecht. Aber jetzt kommt es, meine Damen und Herren: In Wir lehnen Ihren Antrag ab. Niedersachsen haben wir noch eine neue Varian- te. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Vielen Dank. Intervalljagd zu etablieren. Das heißt, dass in Vo- (Beifall bei den GRÜNEN) gelschutzgebieten die Jagd nur zu gewissen Zei- ten erlaubt werden soll. Das Land hat die unteren Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Jagdbehörden, also die Landkreise, damit beauf- Vielen Dank, Herr Kollege. - Wir fahren fort. Herr tragt, diese Möglichkeit einzuräumen. Kollege Ehlen, CDU-Fraktion, hat nun das Wort. - Uns wurde hier im Landtag gesagt, dabei hätten Ich darf noch einmal um Ruhe bitten. die Landkreise, die unteren Jagdbehörden, völlig freie Hand und könnten im Prinzip machen, was Hans-Heinrich Ehlen (CDU): sie wollten. Wenn man jetzt aber nachschaut, was Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! daraus geworden ist, stellt man fest, dass aus Ich bedanke mich recht herzlich bei der FDP- dieser Kannbestimmung per Erlass eine Sollbe- Fraktion, weil sie einen Antrag eingebracht hat, der stimmung geworden ist. Das heißt, es wird schon

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nachgeschaut, was in der Hinsicht in den einzel- Meine Damen und Herren, ich bitte das Hohe nen Landkreisen passiert - bis dahin, dass eine Haus, sich noch einmal zu besinnen und dem An- Berichtspflicht eingeführt wurde. trag der FDP stattzugeben.

(Björn Thümler [CDU]: So ist es!) Danke schön.

Meine Damen und Herren, das ist hier im Plenum (Lebhafter Beifall bei der CDU) vom Minister und auch von Herrn Janßen so dar- gestellt worden. Ich stelle fest, dass das, was uns Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: hier erzählt worden ist, wohl nicht richtig war. Vielen Dank, lieber Herr Kollege Ehlen. - Ich habe (Beifall bei der CDU und bei der FDP - gestern dem Kollegen Heiner Scholing für den Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Man einfachen „Quatsch“ einen Ordnungsruf gegeben. hat uns die Unwahrheit gesagt!) (Heiterkeit - Hermann Grupe [FDP]: Meine Damen und Herren, es ist ja richtig, wenn „Quatsch hoch drei“ ist etwas ganz man alle Dinge erforscht. Das gilt auch für das anderes!) Monitoring zur Gänsepopulation. Nur - das sage ich jetzt, ohne einen Namen zu nennen -: Wenn „Quatsch hoch drei“ ist dann auch ordnungsruf- man die Federführung dieser Aufgabe jemandem würdig. überträgt, von dem man von vornherein weiß, dass (Detlef Tanke [SPD] und Wiard Sie- dabei dann auch das Ergebnis herauskommt, das bels [SPD]: Drei!) man sich wünscht, dann kann man es auch gleich ganz sein lassen! - Nein, das gibt keine drei Ordnungsrufe, es gibt einen. (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei den GRÜNEN) Ich darf Ihnen mitteilen, dass der Ältestenrat dar- über diskutiert hat. Wir werden unseren Index Meine Damen und Herren, ich glaube schon, dass überarbeiten, und dann wird das Wort „Quatsch“ wir daran arbeiten müssen, dass wir in unserem gestrichen. Aber derzeit ist es noch drin. Land zu anderen Verhältnissen kommen und dass wieder Vertrauen in die Landesregierung und so- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) mit in die Gesetzgebung geschaffen wird. Es darf nicht durch die Hintertür versucht werden, die gan- Deshalb, Herr Ehlen, erteile ich Ihnen für „Quatsch ze Last von denjenigen Menschen tragen zu las- hoch drei“ einen Ordnungsruf. sen, die von der Landwirtschaft leben müssen. (Hermann Grupe [FDP]: Dann muss Es wird argumentiert, es gibt eine Gebietskulisse, er aber auch drei kriegen!) und alle, die ihr angehören, werden entschädigt. Nun hat das Wort Herr Siebels. Bitte! Aber was ist denn mit den Menschen, die ihre Flä- chen 10 m außerhalb dieser Gebietskulisse haben, Wiard Siebels (SPD): wo alles kahlfressen ist? - Die, meine Damen und Herren, gucken in die Röhre, da passiert nichts, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und da heißt es, die haben eigentlich selber und Herren! Die Sozialministerin rief mir gerade im schuld. Vorbeigehen zu: „Mach keinen Quatsch!“ Ich will mich bemühen, das hinzubekommen. Meine Damen und Herren, diese Gebietskulisse ist - ich sage das einmal mit meinen einfachen (Hermann Grupe [FDP]: Er hat Worten - Quatsch hoch drei. „Quatsch“ gesagt! - Weitere Zurufe) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) - Wir warten mal ab, was die Präsidentin gleich dazu sagt. Sie ist die Chefin hier. Da halte ich mich Wenn man einen Schaden hat, dann muss ent- immer ganz vornehm zurück. schädigt werden, auch wenn da gerade keine Ge- bietskulisse ist. Das gilt nicht nur für die Wildgän- Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: se, sondern auch für die Wölfe. Dort ist das gleiche Dilemma. Fahren Sie fort, und lassen Sie sich überraschen! (Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Heiterkeit)

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Wiard Siebels (SPD): Im Zusammenhang mit dem Oberverwaltungsge- Zunächst einmal möchte ich wie in der Plenarde- richtsurteil heißt es: batte, die wir zu diesem Antrag bereits gehabt „Für genau dieses Ermessen ist kein Raum. haben, und wie in den Ausschussberatungen dazu Das heißt, wenn die entsprechende Schon- betonen, dass das Thema Wildgänse in den be- zeitaufhebung zur Vermeidung übermäßiger troffenen Regionen tatsächlich sehr ernst zu neh- Wildschäden im Bereich der Landwirtschaft men ist. geeignet, erforderlich und angemessen ist, Zum Kollegen Ehlen darf ich sagen, dass ich ihm dann bleibt eben für eine solche Ablehnung in den Teilen seiner Rede, die das Thema nach dieser Jagdzeitausweitung kein Raum.“ vorne gehoben haben, zustimme. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: (Beifall bei der CDU - Hermann Grupe Herr Kollege Siebels, lassen Sie eine Frage des [FDP]: Sehr gut! Geht doch!) Kollegen Dammann-Tamke zu? - Lassen Sie sich überraschen! Das hat mir die Präsidentin gesagt, und das gilt in diesem Fall Wiard Siebels (SPD): auch für Sie. Nein, bis zum Ende der Legislaturperiode grund- Für die Formulierungen in diesem Antrag kann sätzlich nicht, Frau Präsidentin. diese Zustimmung allerdings nicht gelten. (Hermann Grupe [FDP]: Harte Worte, Die FDP hebt in ihrem Antrag vor allen Dingen auf hier!) das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein- Damit bleibt für eine solche Ablehnung der Jagd- Westfalen vom 30. März 2015 ab. Der Kollege zeitausweitung kein Raum, und damit hat sich der Ehlen ist auch darauf eingegangen. Der Kollege FDP-Antrag im Kern erledigt, meine Damen und Grupe, der den Antrag in der Plenarsitzung am Herren. 22. Januar dieses Jahres eingebracht hat, hat dazu selbst ausgeführt - ich zitiere aus dem Ple- Ich möchte aber trotzdem noch ein, zwei Sätze narprotokoll -: zum Thema Wildgänse sagen, was ja als Thema grundsätzlich diskussionswürdig ist. Dabei komme „Ist die Schonzeitaufhebung zur Vermeidung ich wiederum auf das zu sprechen, was hier und übermäßiger Wildschäden geeignet, erfor- was auch im Rahmen der Unterrichtung durch die derlich und angemessen, bleibt für die Ab- Landesregierung schon Thema gewesen ist. Die lehnung eines entsprechenden Antrags im Unterrichtung enthält viele Zahlen, Daten und Fak- Wege des Ermessens grundsätzlich kein ten, die ich Ihnen jetzt, am Freitagmittag, nicht Raum.“ unbedingt alle vortragen möchte. Das sagt das Oberverwaltungsgericht. Herr Grupe Ich möchte nur noch einmal auf das Thema Gän- führt dann weiter aus: „Es muss also genehmigt semonitoring zu sprechen kommen, weil ich es für werden“, dass die Jagdzeit auf die Wildgänse aus- richtig halte, dass wir uns im Rahmen des Gänse- geweitet werde, und er kommt zu dem richtigen monitorings sachlich und fachlich mit dieser wirk- Schluss: „Das ist also geltendes Recht.“ lich existenten Problemstellung auseinandersetzen Und weil es genau so ist, wie Sie gesagt haben, (Zuruf von Helmut Dammann-Tamke Herr Grupe, muss man Ihren Antrag ablehnen! Sie [CDU]) fordern durch eine politische Entscheidung etwas, was auch bei uns in Niedersachsen längst gelten- und versuchen, Herr Kollege Dammann-Tamke, des Recht ist. eine Lösung zu finden, die dem Problem Rech- nung trägt und es möglicherweise vielleicht sogar Das hat auch die Unterrichtung durch die Landes- löst. regierung ganz eindeutig ergeben. In der schriftli- chen Unterrichtung vom 14. März dieses Jahres Alle Fachleute vor Ort bescheinigen uns, dass die heißt es, Herr Kollege Grupe: Populationsdichte in einigen Teilbereichen unseres Landes heutzutage schon so groß ist - ich will „Es liegt im Ermessen der zuständigen exemplarisch Ostfriesland nennen -, dass es min- Jagdbehörden, die Schonzeit zur Verhinde- destens schwierig würde, dieses Problem auf dem rung von übermäßigen Wildschäden durch Wege der Jagd lösen zu wollen. Deswegen, glau- Wildgänse aufzuheben.“ be ich, ist es richtig, dass wir uns im Wege des

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Gänsemonitorings mit dieser Frage auseinander- Die brütenden Gänse wollen wir schützen. Aber setzen und dann tatsächlich zu einer adäquaten diese Gesellen wollen wir daran hindern, die Rü- und dauerhaften Lösung für die Landwirte, für den ben und den Mais zu vernichten. Umweltschutz und auch für die Wildnis, für die Gänse, kommen. - Die Kollegin zeigt auf die Uhr. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Ich deute das so, dass ich zum Schluss kommen soll. Vielen Dank, Herr Kollege. - Nun hat Herr Kollege Dammann-Tamke von der CDU-Fraktion das Wort Das ist unser Ansatz. Den Antrag der FDP muss zu einer Kurzintervention. - Ich darf noch einmal man aus genannten Gründen aber ablehnen. um Ruhe im Plenarsaal bitten. Vielen Dank. (CDU): (Beifall bei der SPD und bei den Helmut Dammann-Tamke GRÜNEN) Sehr geehrter Kollege Siebels, da Sie mir keine Möglichkeit gegeben haben, eine Frage zu stellen, Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: möchte ich auf diesem Wege Ihre Behauptung Vielen Dank, Herr Kollege Siebels. - Bevor jetzt die richtigstellen, die zusammengefasst lautet, in Ost- beiden Kurzinterventionen auf Sie aufgerufen wer- friesland gibt es mittlerweile so viele Gänse, dass den, erteile ich Ihnen aus Gründen der Gleichbe- man mit Jagd gar nicht mehr dagegen ankommen handlung einen Ordnungsruf. kann

(Hermann Grupe [FDP]: Dann haben Bei der Rabenkrähe hat sich gezeigt, dass es mit wir hier aber alle Glück gehabt! - Wei- modernen Jagdmethoden - ich spreche hier von tere Zurufe) Lockjagd - möglich ist, mit zwei oder drei Jägern Nun hat Herr Kollege Grupe von der FDP-Fraktion über einen halben Vormittag bemerkenswerte das Wort zur Kurzintervention. Strecken zu machen. Größenordnung: 30 bis 50 Tieren. Dazu muss allerdings der politische Wille da sein. Hermann Grupe (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Sie- Bei unserer Landesregierung ist ein solcher Weg bels, wir sind jetzt nicht mehr weit auseinander. Es allerdings nicht denkbar. Sie, meine Damen und geht nur noch um die Beurteilung, ob man den Herren von der SPD, wollen das nicht, weil Ihr Antrag ablehnen oder ihm zustimmen muss. Koalitionspartner Sie da ausbremst. Deshalb ge- ben Sie Millionen Euro aus der Jagdabgabe für Lieber Herr Kollege, das Problem ist: Wenn, wie es das Gänsemonitoring aus und beauftragen Wis- in der Praxis durchaus der Fall ist, die unteren senschaftler, die nicht offen und nicht objektiv sind. Jagdbehörden einen solchen Antrag ablehnen, - Das zum einen. obwohl es dafür keinen Spielraum gibt, dann kann der Landwirt sicherlich rechtlich dagegen vorge- (Zustimmung bei der CDU und bei der hen. Das ist dann für die Juristen sehr interessant - FDP) aber für die Gänse auch, weil sie ihrem Werk nachgehen können und die Rüben und der Mais Zum anderen zu der Aussage, die Jagdbehörden dann verschwunden sind. hätten das Ermessen. Es wäre schön, von Ihnen, Weil das so eindeutig ist und weil hier Handlungs- Herr Siebels, oder aus dem Munde des Ministers bedarf besteht, will unser Antrag klarstellen, dass zu hören, ob die unteren Jagdbehörden tatsächlich in einem solchen Fall einem solchen Antrag statt- nicht angewiesen werden, im Rahmen der Inter- zugeben ist, und zwar möglichst unbürokratisch, valljagd Intervallgebiete auszuweisen, ob das also sofort und gleich. wirklich, wie der Kollege Janßen und der Minister es hier im Parlament gesagt haben, einzig und Sie können vor Ort erleben, dass ein Rübenschlag allein in das Ermessen der unteren Jagdbehörden bei entsprechendem Gänsebesatz innerhalb von gestellt wird. Denn in dem Verordnungsentwurf zwei, drei Tagen leergefressen ist. Dann hat sich steht es explizit anders. das Thema erledigt. Das ist also nichts, worüber Bürokraten Tage, Wochen oder Monate brüten (Beifall bei der CDU und bei der FDP - können. Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig!)

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Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz: Vielen Dank. - Auf die Kurzinterventionen antwortet nun Herr Kollege Siebels. Bitte! Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will es kurz machen. Die Rechtsla- Wiard Siebels (SPD): ge hat schon mein Vorredner, Herr Siebels, darge- stellt. Die Jagdzeiten für Grau-, Kanada- und Nil- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen gänse betragen außerhalb bestimmter Vogel- und Herren! Zunächst zu Herrn Grupe. Sie haben schutzgebieten fünfeinhalb Monate. - Übrigens: angedeutet, dass es Fälle gibt, in denen die unte- Wir haben diese Zeiten gegenüber der schwarz- ren Jagdbehörden solche Anträge abgelehnt ha- gelben Zeit sogar ausgeweitet. - Sofern diese ben. Aber ausweislich der Protokolle und Unter- Jagdzeiten aufgrund regional übermäßiger Wild- richtungen, die mir vorliegen - vielleicht habe ich schäden durch Wildgänse nicht ausreichend sind, aber auch etwas übersehen -, ist kein einziger sind Zeiträume für die Schonzeitaufhebung außer- solcher Fall geschildert worden. Deshalb möchte halb der Brut- und Aufzuchtzeiten möglich und ich Sie bitten, Ross und Reiter zu nennen. Wenn geeignet. Damit kommt man, wie der Kollege es tatsächlich vielleicht sogar eine Vielzahl solcher Janßen schon vorgerechnet hat, sogar auf acht- Fälle gegeben hat, dann könnte ich mir vorstellen, einhalb Monate, in denen man in solchen Fällen dass man in irgendeiner Weise über einen Hand- Gänse bejagen kann. Dieser Hinweis sollte die lungsbedarf reden müsste. Debatte eigentlich etwas versachlichen. Zweitens zu Herrn Dammann-Tamke. Sie haben Es ist auch geschildert worden, dass die Jagdbe- gesagt, dass jagdlich sehr wohl eine Minimierung hörden bereits in der Vergangenheit Anträge aus des Problems denkbar sei. Aber wenn das so sein Gründen der Schadensabwehr wegen einer sehr sollte, Herr Kollege Dammann-Tamke - ich sage hohen Wildgänsepopulationsdichte auf landwirt- das in aller Zurückhaltung -, dann kann ich mir schaftlichen Flächen genehmigt haben. Ich erinne- nicht so recht erklären, warum dieses Problem, re mich an den Fall Hildesheim, der ja auch das uns heute tatsächlich beschäftigt, dann auch Schlagzeilen gemacht hat. Mir ist jedenfalls kein schon unter schwarz-gelber Regierungszeit be- Fall bekannt, bei dem die untere Jagdbehörde das standen hat. So fair und ehrlich müssen wir näm- abgelehnt hat. Aber ich weiß auch nicht alles; denn lich miteinander umgehen. Aus Ostfriesland wird ich als Minister bekomme das nur dann mit, wenn mir berichtet, dass das Problem innerhalb der ver- sich jemand beschwert. - Ich glaube also, dass es gangenen 20 Jahre stetig größer geworden ist und da einen Konsens gibt. Das, was Sie fordern, näm- auch schon bis 2013 in einem ganz erheblichen lich dass wir die unteren Jagdbehörden anweisen, Umfang bestanden hat. alle Anträge auch in der Brut- und Setzzeit zu ge- Und wenn Sie den Vorwurf erheben, dass Wissen- nehmigen, ist weder geeignet noch geboten. schaftler, die im Rahmen des Monitorings tätig Ich werde jetzt nicht das Wort wiederholen, für das sind, nicht objektiv sind, dann möchte ich Sie bit- es schon mehrere Ordnungsrufe gegeben hat. ten, das zu belegen. Herr Kollege Ehlen hat kritisiert, dass es nur inner- Abschließender Hinweis von mir, bevor die Rede- halb von Vogelschutzgebieten die Möglichkeit von zeit zur Neige geht: Das Thema Intervalljagd ist ein Fördermaßnahmen für Gänsemanagement gibt, anderes Thema. Das spielt im Rahmen dieses aber nicht außerhalb. Dazu möchte ich Ihnen sa- Antrags keine Rolle. Aber interessant ist, dass Sie gen, dass dieses Förderprogramm zu Zeiten von den Jagdbehörden dort das Ermessen überlassen Schwarz-Gelb eingeführt worden ist. Diese Lan- wollen, aber in diesem Fall nicht. Vertrauen oder desregierung ist gerade dabei zu schauen - Stich- Misstrauen - was gilt denn nun, Herr Kollege? wort „Lastspitzenmanagement“ -, wie man das anders verteilen kann. Also, das Wort, das hier (Beifall bei der SPD und bei den dreimal genannt wurde, fällt damit auf Sie zurück, GRÜNEN) weil Sie das selbst eingeführt haben, ist also ein Wort der Selbstkritik. Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Zum Abschluss etwas Versöhnliches: Ich habe Vielen Dank, Herr Kollege Siebels. - Für die Lan- eine Ökoleberwurst aus Niedersachsen besorgt. desregierung hat nun Herr Landwirtschaftsminister Die würde ich gerne dem Kollegen Große Macke Meyer das Wort. Bitte! geben. Wenn er gerade nicht hier ist, würde ich sie

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gerne der CDU-Fraktion geben. Damit ist auch diese heute Morgen offen gebliebene Frage, ob es

wirklich Bioleberwürste gibt, endlich geklärt. Ich als Verbraucherschutzminister muss mich darum kümmern.

Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta: Vielen Dank, Herr Minister Meyer. - Weitere Wort- meldungen sehe ich nicht, sodass ich die Beratung schließe.

(Unruhe)

Wenn Ruhe eingekehrt ist, kommen wir zur Ab- stimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 17/4952 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Ent- haltungen? - Damit wurde der Ausschussempfeh- lung mit Mehrheit gefolgt.

Ich komme zur Festlegung von Zeit und Tagesord- nung des nächsten Tagungsabschnitts. Der nächs- te - 40. - Tagungsabschnitt des Landtages findet als Festsitzung am Donnerstag, den 10. November 2016, in Oldenburg statt. Die Einladung zu diesem Tagungsabschnitt liegt Ihnen bereits vor.

Zum 41. Tagungsabschnitt des Landtages kom- men wir dann vom 22. bis zum 24. November 2016 - das ist von Dienstag bis Donnerstag - wie- der hier in Hannover zusammen. Der Präsident wird den Landtag dazu einberufen und im Einver- nehmen mit dem Ältestenrat den Beginn und die

Tagesordnung der Sitzung festlegen.

Bevor ich die Sitzung schließe, möchte ich noch mitteilen, dass unmittelbar im Anschluss der Rechtsausschuss tagt.

Ich schließe hiermit die Sitzung und wünsche Ihnen einen guten Nachhauseweg. Schluss der Sitzung: 14.12 Uhr.

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