(Ausgegeben am 27. Juni 2019)

Niedersächsischer Landtag

Stenografischer Bericht

51. Sitzung

Hannover, den 19. Juni 2019

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 15: Persönliche Bemerkung: Doris Schröder-Köpf (SPD) ...... 4630 Mitteilungen der Präsidentin ...... 4611 Uwe Schünemann (CDU) ...... 4631 Feststellung der Beschlussfähigkeit ...... 4611 Tagesordnungspunkt 17: Tagesordnungspunkt 16: Abschließende Beratung: Aktuelle Stunde ...... 4611 Die Hälfte der Macht den Frauen! - Enquetekom- mission für ein niedersächsisches Parité-Gesetz - a) Verpflichtendes Tierwohllabel bringt Verbrau- Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - cher und Landwirtschaft zusammen - Antrag der Drs. 18/3244 - Beschlussempfehlung des Ältestenra- Fraktion der CDU - Drs. 18/3974 ...... 4611 tes - Drs. 18/3946 ...... 4631 Dirk Toepffer (CDU) ...... 4611 Anja Piel (GRÜNE) ...... 4631, 4637 (GRÜNE) ...... 4613 Dana Guth (AfD) ...... 4632 Dana Guth (AfD) ...... 4614 Dr. Esther Niewerth-Baumann (CDU) ...... 4633 Hermann Grupe (FDP) ...... 4615, 4616 (GRÜNE) ...... 4634 Wiard Siebels (SPD) ...... 4617 Johanne Modder (SPD) ...... 4635, 4637, 4638 Barbara Otte-Kinast, Ministerin für Ernährung, Dr. Marco Genthe (FDP) ...... 4637, 4639 Landwirtschaft und Verbraucherschutz ... 4618 Dr. Carola Reimann, Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung ...... 4640, 4641 b) „#HauAbGesetz“ verhindern - Seehofers men- Imke Byl (GRÜNE) ...... 4641, 4642 schenrechtswidriges Abschiebepaket im Bun- Beschluss ...... 4644 desrat stoppen - Antrag der Fraktion Bünd- Erste Beratung: 44. Sitzung am 27.03.2019 nis 90/Die Grünen - Drs. 18/3977 ...... 4619 Belit Onay (GRÜNE) ...... 4619, 4629 Zur Geschäftsordnung: Doris Schröder-Köpf (SPD) ...... 4621 Helge Limburg (GRÜNE) ...... 4640 Uwe Schünemann (CDU) ...... 4622 Dr. Marco Genthe (FDP) ...... 4624 Jens Ahrends (AfD) ...... 4625 Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport ...... 4626

I Niedersächsischer Landtag - 18. Wahlperiode - 51. Plenarsitzung am 19. Juni 2019

Tagesordnungspunkt 18: Harm Rykena (AfD) ...... 4661 Dr. Stefan Birkner (FDP) Abschließende Beratung: ...... 4662, 4664, 4667, 4669 a) Näher am Verbraucher, näher am ökologischen Björn Thümler, Minister für Wissenschaft und und ökonomischen Optimum - Chancen der Digi- Kultur ...... 4666, 4667, 4668, 4669 talisierung in der Landwirtschaft nutzen - Umset- Beschluss ...... 4671 zung durch das Agrarinvestitionsförderungspro- Erste Beratung: 25. Sitzung am 13.09.2018 gramm (AFP) voranbringen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/161 - b) Digitalisierung in der Persönliche Bemerkung: Landwirtschaft: Chancen nutzen - Abhängigkei- Harm Rykena (AfD) ...... 4670 ten und Datenklau vermeiden - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/2895 - Beschluss- Tagesordnungspunkt 21: empfehlung des Ausschusses für Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz - Drs. 18/3950 Abschließende Beratung: ...... 4644 a) HVV stärken - Nahverkehr im Hamburger Um- Hermann Grupe (FDP) ...... 4644 land vernetzen und ausbauen - Antrag der Fraktion Miriam Staudte (GRÜNE) ...... 4646 der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/2031 - Dana Guth (AfD) ...... 4646 b) HVV-Qualitätsoffensive - Nahverkehr im Ham- Dr. Marco Mohrmann (CDU) ...... 4647 burger Umland stärken, optimieren, vernetzen Jörn Domeier (SPD) ...... 4648 und ausbauen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Barbara Otte-Kinast, Ministerin für Ernährung, Grünen - Drs. 18/2577 - Beschlussempfehlung des Landwirtschaft und Verbraucherschutz ... 4649 Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Beschluss ...... 4650 Digitalisierung - Drs. 18/3953 ...... 4671 Zu a: Erste Beratung: 7. Sitzung am 25.01.2018 Heiner Schönecke (CDU) ...... 4671, 4672, 4674 Zu b: Direkt überwiesen am 21.02.2019 Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE) ...... 4673, 4674, 4677 Tagesordnungspunkt 19: Stefan Henze (AfD) ...... 4674 Jörg Bode (FDP) ...... 4675 Abschließende Beratung: Stefan Klein (SPD) ...... 4675, 4677 Missstände in Schlachthöfen: Systemfehler be- Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, heben - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Arbeit, Verkehr und Digitalisierung ...... 4678 und der Fraktion der FDP - Drs. 18/3255 - Beschlus- Beschluss ...... 4680 sempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Zu a: Erste Beratung: 31. Sitzung am 14.11.2018 Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Zu b: Direkt überwiesen am 16.01.2019 Drs. 18/3951 ...... 4650 Hermann Grupe (FDP) ...... 4650 Tagesordnungspunkt 22: Miriam Staudte (GRÜNE) ...... 4651 Karin Logemann (SPD) ...... 4652 Abschließende Beratung: Helmut Dammann-Tamke (CDU) ...... 4654, 4655 Carsharing und Elektromobilität voranbringen - Dana Guth (AfD) ...... 4655 Öffnungsklauseln für innerstädtische Parkplatz- Barbara Otte-Kinast, Ministerin für Ernährung, bewirtschaftung gestalten - Antrag der Fraktion der Landwirtschaft und Verbraucherschutz ... 4656 SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/1853 - Beschluss ...... 4657 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirt- Erste Beratung: 46. Sitzung am 29.03.2019 schaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung - Drs. 18/3913 ...... 4680 Tagesordnungspunkt 20: und Abschließende Beratung: Imam-Weiterbildung an der Uni Osnabrück erhal- Tagesordnungspunkt 23: ten - nachhaltige Lösungen finden - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/1527 - Erste Beratung: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissen- Landesförderprogramm für alternativ angetriebe- schaft und Kultur - Drs. 18/3952 ...... 4657 ne Taxis in Niedersachsen - sauber, modern und Eva Viehoff (GRÜNE) ...... 4657, 4668 leistungsfähig! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Alptekin Kirci (SPD) ...... 4658, 4662 Grünen und der Fraktion der FDP - Drs. 18/3931 neu Burkhard Jasper (CDU) ...... 4659, 4660, 4664 ...... 4680 Jörg Bode (FDP) ...... 4680, 4682, 4685 Oliver Schatta (CDU) ...... 4681, 4683

II Niedersächsischer Landtag - 18. Wahlperiode - 51. Plenarsitzung am 19. Juni 2019

Thordies Hanisch (SPD) ...... 4683 Petra Emmerich-Kopatsch (SPD) ...... 4703 Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE) ...... 4684 Stefan Henze (AfD) ...... 4705 Frank Henning (SPD) ...... 4686 Jörg Bode (FDP) ...... 4705, 4708 Stefan Henze (AfD) ...... 4687 Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung ...... 4706 Arbeit, Verkehr und Digitalisierung ...... 4687 Beschluss ...... 4708 Beschluss (TOP 22) ...... 4688 Direkt überwiesen am 25.03.2019 Ausschussüberweisung (TOP 23) ...... 4689 Zu TOP 22: Erste Beratung: 28. Sitzung am 25.10.2018 Tagesordnungspunkt 27:

Tagesordnungspunkt 24: Abschließende Beratung: Für eine digitale Radiozukunft - Antrag der Frakti- Abschließende Beratung: on der FDP - Drs. 18/1955 - Beschlussempfehlung Digitales Bauen in Niedersachsen voranbringen - des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen Potenziale des Building Information Modelings - Drs. 18/3957 ...... 4708 (BIM) nutzbar machen - Antrag der Fraktion der Dr. Stefan Birkner (FDP) ...... 4708 SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/3260 - Dr. Alexander Saipa (SPD) ...... 4709 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirt- Christopher Emden (AfD) ...... 4710 schaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung - Christian Meyer (GRÜNE) ...... 4710 Drs. 18/3955 - Änderungsantrag der Fraktion Bünd- Clemens Lammerskitten (CDU) ...... 4711 nis 90/Die Grünen - Drs. 18/3998 ...... 4689 Beschluss ...... 4711 Thordies Hanisch (SPD) ...... 4689 Direkt überwiesen am 25.10.2018 Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE) ...... 4690 Karl-Heinz Bley (CDU) ...... 4690 Tagesordnungspunkt 28: Stefan Henze (AfD) ...... 4691 Jörg Bode (FDP) ...... 4692, 4693 Abschließende Beratung: Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, Zulage auch für pädagogische Fachkräfte in the- Arbeit, Verkehr und Digitalisierung ...... 4693 rapeutischer Funktion - Antrag der Fraktion der Beschluss ...... 4694 FDP - Drs. 18/1029 - Beschlussempfehlung des Erste Beratung: 46. Sitzung am 29.03.2019 Kultusausschusses - Drs. 18/3958 ...... 4711 Björn Försterling (FDP) ...... 4712 Tagesordnungspunkt 25: Christian Fühner (CDU) ...... 4712, 4715 Julia Willie Hamburg (GRÜNE) ...... 4714, 4715 Abschließende Beratung: Kerstin Liebelt (SPD) ...... 4715 Bahnverkehr voranbringen, Bürgerbeteiligung Harm Rykena (AfD)...... 4716 gewährleisten, Lärmschutz stärken - Antrag der Beschluss ...... 4717 Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Direkt überwiesen am 07.06.2018 Drs. 18/2901 - Beschlussempfehlung des Ausschus- ses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung Tagesordnungspunkt 29: - Drs. 18/3914 ...... 4694 Karsten Heineking (CDU) ...... 4695 Abschließende Beratung: Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE) ...... 4695, 4699 Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertra- Stefan Henze (AfD) ...... 4696 ges - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Jörg Bode (FDP) ...... 4697, 4700 Drs. 18/3651 - Beschlussempfehlung des Ausschus- Stefan Klein (SPD) ...... 4698 ses für Bundes- und Europaangelegenheiten und Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, Regionale Entwicklung - Drs. 18/3911 ...... 4717 Arbeit, Verkehr und Digitalisierung ...... 4699 Dragos Pancescu (GRÜNE) ...... 4717, 4718 Beschluss ...... 4700 Jörn Schepelmann (CDU) ...... 4718 Erste Beratung: 42. Sitzung am 28.02.2019 Claudia Schüßler (SPD) ...... 4720 Stefan Wirtz (AfD) ...... 4721 Tagesordnungspunkt 26: Dr. Stefan Birkner (FDP) ...... 4722, 4723 Stephan Weil, Ministerpräsident ...... 4723 Abschließende Beratung: Beschluss ...... 4723 Niedersächsisches Rüstungsindustrie-Kataster - Erste Beratung: 49. Sitzung am 16.05.2019 Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/3256 - Beschlussempfehlung des Ausschus- ses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung - Drs. 18/3956 ...... 4700 Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE) ...... 4701, 4702 Thomas Ehbrecht (CDU) ...... 4701

III Niedersächsischer Landtag - 18. Wahlperiode - 51. Plenarsitzung am 19. Juni 2019

Tagesordnungspunkt 30:

Abschließende Beratung: Ermäßigten Mehrwertsteuersatz auch für elektro- nische Presse schnell umsetzen - Antrag der Frak- tion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/3261 - Beschlussempfehlung des Ausschus- ses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 18/3912 ...... 4723 Dr. Karl-Ludwig von Danwitz (CDU) ...... 4723 Peer Lilienthal (AfD) ...... 4724, 4725 Dr. Alexander Saipa (SPD) ...... 4724 Christian Meyer (GRÜNE) ...... 4725 Dr. Marco Genthe (FDP) ...... 4726 Reinhold Hilbers, Finanzminister ...... 4726, 4727 Helge Limburg (GRÜNE) ...... 4727 Beschluss ...... 4671 Erste Beratung: 45. Sitzung am 28.03.2019

IV Niedersächsischer Landtag - 18. Wahlperiode - 51. Plenarsitzung am 19. Juni 2019

Vom Präsidium:

Präsidentin Dr. Gabriele Andretta (SPD) Vizepräsidentin Petra Emmerich- Kopatsch (SPD) Vizepräsident Bernd Busemann (CDU) Vizepräsident Frank Oesterhelweg (CDU) Vizepräsidentin Meta Janssen- Kucz (GRÜNE) Schriftführer Markus Brinkmann (SPD) Schriftführer Matthias Möhle (SPD) Schriftführerin Hanna Naber (SPD) Schriftführerin Sabine Tippelt (SPD) Schriftführer Rainer Fredermann (CDU) Schriftführerin Gerda Hövel (CDU) Schriftführerin Gudrun Pieper (CDU) Schriftführer Heiner Schönecke (CDU) Schriftführer Belit Onay (GRÜNE) Schriftführerin Hillgriet Eilers (FDP) Schriftführer Christopher Emden (AfD) Schriftführer Stefan Henze (AfD)

Auf der Regierungsbank:

Ministerpräsident Staatssekretär Dr. Jörg Mielke, Stephan Weil (SPD) Staatskanzlei

Minister für Inneres und Sport Staatssekretär Stephan Manke, Boris Pistorius (SPD) Ministerium für Inneres und Sport

Finanzminister Staatssekretärin Doris Nordmann, Reinhold Hilbers (CDU) Finanzministerium

Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Staatssekretär Heiger Scholz, Dr. Carola Reimann (SPD) Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung

Kultusminister Staatssekretärin Gaby Willamowius, Grant Hendrik Tonne (SPD) Kultusministerium

Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisie- Staatssekretär Dr. Berend Lindner, rung Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitali- Dr. Bernd Althusmann (CDU) sierung

Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Staatssekretär Rainer Beckedorf, cherschutz Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Barbara Otte- Kinast (CDU) cherschutz

Justizministerin Staatssekretär Dr. Stefan von der Beck, Barbara Havliza (CDU) Justizministerium

Minister für Wissenschaft und Kultur Staatssekretärin Dr. Sabine Johannsen, Björn Thümler (CDU) Ministerium für Wissenschaft und Kultur

Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Staatssekretär Frank Doods, Olaf Lies (SPD) Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klima- schutz

Staatssekretärin Jutta Kremer, Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung

V Niedersächsischer Landtag - 18. Wahlperiode - 51. Plenarsitzung am 19. Juni 2019

VI Niedersächsischer Landtag - 18. Wahlperiode - 51. Plenarsitzung am 19. Juni 2019

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr. verpflichtet, uns jeder Form von Menschenverach- tung, Hetze und Gewalt entschieden entgegenzu- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: stellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Ich möchte Sie nun bitten, sich von den Plätzen zu 51. Sitzung im 19. Tagungsabschnitt des Nieder- erheben. Halten wir einen Moment inne und wid- sächsischen Landtages der 18. Wahlperiode. men Walter Lübcke ein stilles Gedenken. (Die Anwesenden erheben sich) Tagesordnungspunkt 15: Ich danke Ihnen. Mitteilungen der Präsidentin Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir treten nun in die Tagesordnung ein. Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest. Ich rufe auf den Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen die Schriftführerin Frau Eilers mit. Bitte, Frau Eilers! Tagesordnungspunkt 16: Aktuelle Stunde Schriftführerin Hillgriet Eilers: Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wie aus der Tagesordnung zu ersehen ist, hat der Für heute haben sich entschuldigt: von der Lan- Ältestenrat die Aktuelle Stunde in der Weise aufge- desregierung Frau Birgit Honé, Ministerin für Bun- teilt, dass heute die Anträge der Fraktion der CDU des- und Europaangelegenheiten und Regionale und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und mor- Entwicklung, von der Fraktion der SPD Herr Stefan gen die Anträge der anderen drei Fraktionen be- Klein ab 16.30 Uhr, Herr Dr. Christos Pantazis, handelt werden sollen. Frau Dr. Thela Wernstedt und Herr Matthias Arends. Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: setze ich als bekannt voraus. Vielen Dank, Frau Eilers. Ich eröffne die Besprechung zu Meine Damen und Herren, am 2. Juni 2019 wurde der Kasseler Regierungspräsident und ehema- lige hessische Landtagsabgeordnete Dr. Walter a) Verpflichtendes Tierwohllabel bringt Ver- Lübcke Opfer eines Mordanschlages. Es deutet braucher und Landwirtschaft zusammen - An- derzeit vieles darauf hin, dass es sich um einen trag der Fraktion der CDU - Drs. 18/3974 politisch motivierten Mord mit rechtsextremisti- schem Hintergrund handelt. Ich erteile dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, Walter Lübcke hatte Verantwortung für unsere De- Herrn Kollegen Toepffer, das Wort. Bitte! mokratie übernommen. Wegen seiner politischen Aussagen und Haltungen zur Flüchtlingsfrage war (Vereinzelt Beifall bei der CDU) er Anfeindungen und Drohungen aus rechtsradika- len Kreisen ausgesetzt. Vor allem in den sozialen Dirk Toepffer (CDU): Netzwerken wurde gegen ihn menschenverach- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die tend gehetzt. Der Hass endete auch nicht mit sei- Landesregierung hat gestern den Entwurf eines nem Tod. Entschließungsantrages des Bundesrats zur Ein- führung eines verpflichtenden Tierwohllabels be- Der Mord an Walter Lübcke erschüttert uns zu- schlossen. Das war eine gute Entscheidung für tiefst. Wenn das Eintreten für die Werte einer offe- das Tierwohl, für Niedersachsen, für die Verbrau- nen und freiheitlichen Gesellschaft und das Recht cher, aber vor allem auch für die Landwirtschaft. auf freie Meinungsäußerung einen Menschen das Leben kosten, dann trifft dies unsere freiheitliche Ein immer größerer Teil der Menschen in unserem Demokratie ins Mark. Die Tat ist erschütternd und Land begreift Tiere nicht als Sachen, sondern als beängstigend zugleich. Dennoch: Wir Demokraten Mitgeschöpfe. Fragen der Tierethik gewinnen da- dürfen uns nicht einschüchtern lassen. Wir sind her immer mehr an Bedeutung. Das ist einer der

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Gründe, weshalb wir uns in der Großen Koalition ben wollen, und sie verdient die Gelegenheit, dies vorgenommen haben, unschöne Dinge im Bereich auch zu beweisen. der Ernährung nicht schönzureden, sondern statt- (Beifall bei der CDU und Zustimmung dessen offene Fragestellungen aufzugreifen, öf- bei der SPD) fentlich anzusprechen und die Probleme zu lösen, (Beifall bei der CDU und bei der SPD) Meine Damen und Herren, da, wo diese Standards nicht eingehalten werden, ist es meistens nicht die Probleme, die offensichtlich auch ein grüner Land- Landwirtschaft, die dafür Verantwortung trägt. Ver- wirtschaftsminister nicht ohne Weiteres lösen antwortlich sind vorrangig jene, die Standards for- konnte. Anders sind die unsäglichen Bilder, die wir dern, aber deren Einhaltung nicht mit Mehrpreisen vor nicht allzu langer Zeit aus niedersächsischen bezahlen wollen, und verantwortlich sind jene, die Schlachthöfen erhalten haben, nicht zu erklären, Standards festlegen, die Einhaltung aber über Bilder, die dazu geführt haben, dass wir daran Umwelt- und Bauvorschriften unmöglich machen. arbeiten, dass sie sich nicht wiederholen werden. Wer Weidehaltung von Schweinen und Offenhal- Mit dem jetzigen Antrag zum verpflichtenden Tier- tung fordert, der muss eben manchmal Geruchsbe- wohllabel geht die Landesregierung einen Schritt lästigungen in Kauf nehmen. Wer den Umbau von weiter. Die Schlachtung folgt einem tierischen Le- Ställen fordert, muss bei der Finanzierung unter- ben. Die Menschen in diesem Land wollen aber, stützen. Und wer möchte, dass sich weiterhin jun- dass nicht nur die Schlachtung, sondern auch die ge Menschen in der Tierhaltung engagieren, muss Tierhaltung Standards erfüllt, die heute als zeitge- diesen Menschen Planungssicherheit geben, statt mäß empfunden werden. Diese Standards einzu- sie durch ständiges Hin und Her zu verunsichern. halten, ist Sache der Erzeuger, diese Standards festzulegen, Sache der Politik und der Verbrau- (Beifall bei der CDU und Zustimmung cher. bei der SPD) Was die Verbraucher aber zu Recht erwarten, ist Unsere Landwirtschaft ist zu Recht verärgert, dass Transparenz und damit das Wissen, dass diese von interessierter Seite immer wieder der Eindruck Standards auch tatsächlich eingehalten werden. erweckt wird, Niedersachsens Landwirtschaft wür- Eben hierzu bedarf es eines Tierwohllabels, und de sich vor dem Wettbewerb drücken. Dazu be- zwar eines verpflichtenden Tierwohllabels. steht keinerlei Anlass! Unsere Landwirtschaft muss den Wettbewerb suchen, weil sie einfach besser (Beifall bei der CDU und bei der SPD) oder vielleicht auch nur weiter ist. Über 80 % der Verbraucher wünschen ein solches Schauen wir doch einmal, wie Tierhaltung außer- verpflichtendes Label, u. a. deshalb, weil das halb Deutschlands organisiert wird! Wer glaubt Durcheinander der vorhandenen freiwilligen Güte- denn tatsächlich, dass es tierethisch besser wäre, zeichen, Labels und Herkunftsbezeichnungen Fleisch im Ausland zu produzieren, um es hier zu kaum noch zu durchblicken ist. Aber - und das ist verbrauchen? Aber es sind genau diese Mitbewer- das eigentlich Hervorzuhebende - es ist auch die ber, mit denen sich unsere Landwirtschaft in einem Landwirtschaft, die dieses verpflichtende Label Wettbewerb befindet. Und darin liegt ein Teil des mehrheitlich will. Sowohl der Zentralverband der Problems. Deutschen Geflügelwirtschaft als auch die Interes- sengemeinschaft der Schweinehalter Deutsch- Wer ein verpflichtendes Tierwohllabel in Deutsch- lands haben sich bereits ausdrücklich für ein Tier- land einführt, macht es manchem ausländischen wohllabel ausgesprochen, und zwar für ein ver- Mitbewerber möglicherweise schwer, weil wir eben pflichtendes Tierwohllabel. Ähnliche Signale kom- bei den Standards weiter sind. Probleme mit der men auch aus dem Landvolk und anderen Ver- EU und der Welthandelsorganisation sind daher in bänden. der Tat zu erwarten, wenn wir über ein ver- pflichtendes Label faktisch einen Standard setzen, Diese Haltung ist ganz leicht zu erklären: Unsere den man außerhalb unserer Landwirtschaft nicht Landwirte sind längst in der Lage, die von den ohne Weiteres einhalten kann. Verbrauchern gewünschten Standards einzuhal- ten. Mehr noch: In vielen Bereichen werden diese Wir müssen diesen Weg trotzdem gehen. Wenn Standards bereits eingehalten, weil unsere Land- sich Verbraucher und Erzeuger einig sind, darf die wirtschaft in Niedersachsen bereits viel, viel weiter Politik nicht bremsen. Politik muss nun Mittel und ist, als viele in Politik und Öffentlichkeit es wahrha- Wege finden, um das verpflichtende Label zu reali-

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sieren - zum Wohle der Tiere, der Verbraucher, der diese Punkte müssen einfließen. Es kann auch Landwirtschaft. Wer das nicht begreift, der treibt nicht sein, dass man schon dann ein Tierwohllabel die Spaltung zwischen Erzeugern und Verbrau- Stufe 1 bekommt, wenn man die gesetzlichen Rah- chern voran. menbedingungen einhält, oder sogar dann, wenn man nicht einmal die Rechtslage berücksichtigt - (Beifall bei der CDU und bei der SPD) Stichwort „Kastenstand“. Das war der Vorschlag von Frau Klöckner. Es kann doch nicht sein, dass : Präsidentin Dr. Gabriele Andretta das sozusagen noch ausgelobt wird. Vielen Dank, Herr Kollege Toepffer. - Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Insofern werden wir uns ganz genau anschauen, Kollegin Staudte. Bitte! was Sie in Ihrer Bundesratsinitiative formulieren werden. Miriam Staudte (GRÜNE): Wir begrüßen es aber wirklich sehr, dass sich die Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- Fraktionen so engagiert eingebracht und vielleicht ten Damen und Herren Abgeordnete! Wir Grüne auch dem Ministerium etwas den Weg gezeigt sagen: Lieber spät als nie! Natürlich begrüßen wir haben. Im April dieses Jahres, als wir schon ein- den Sinneswandel bei den Koalitionsfraktionen, die mal über dieses Thema debattiert haben, hat die sich jetzt für eine verpflichtende Haltungskenn- Agrarministerin ja noch das freiwillige Label unter- zeichnung einsetzen. Wir müssen aber sagen: stützt - auch auf der Agrarministerkonferenz. Es Bitte wagen Sie gleich den großen Wurf! - Sie ha- wäre natürlich schön gewesen, wenn man sich in ben ja gerade selber davon gesprochen, dass es Kontinuität mit der Vorgängerregierung da schon bei Regierungswechseln kein Hin und Her geben für eine verpflichtende Kennzeichnung eingesetzt darf. Deswegen: Diese verpflichtende Haltungs- hätte. Aber gut - es ist, wie es ist. Wir begrüßen, kennzeichnung, die Sie angehen wollen, muss dass Sie in diesem Bereich voranschreiten wollen. dann für alle Tierarten gelten. Sie darf nicht nur für Ich möchte betonen: Der Anteil der verarbeiteten Fleisch, sondern muss für alle tierischen Produkt- Produkte nimmt im Marktsegment immer mehr zu. arten gelten. Und sie muss auch für verarbeitete Das zu berücksichtigen, ist wahnsinnig wichtig. Bei Produkte gelten. Aber ich meine, gelesen zu ha- den Debatten über die Verwendung von Käfigeiern ben, dass Sie diesen Punkt tatsächlich bearbeiten in Nudeln und Backwaren haben wir schon dar- wollen. über gesprochen. Aber es geht auch um den Gas- (Beifall bei den GRÜNEN - Dirk Toe- trobereich. Viele von Ihnen haben vielleicht heute pffer [CDU]: So ist es!) Morgen im Hotel Rührei gegessen. Das ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus Das sind die wichtigen Punkte, wenn Sie wirklich in Käfigeiern aus der Ukraine hergestellt worden. die Zukunft gerichtet arbeiten wollen. Beim Stichwort „Ukraine“ möchte ich noch auf Natürlich darf es dabei nicht nur um Pseudover- einen Punkt eingehen, den Sie eben angespro- besserungen gehen - irgendwo ein paar Zentime- chen haben, nämlich das Thema Herkunft. Wenn ter mehr, was dann als Heldentat verkauft wird. Es eine große Initiative für eine Haltungskennzeich- muss wirklich darum gehen, eine Änderung im nung gestartet wird, dann darf sich Niedersachsen Verbrauchsverhalten zu erreichen, den Auslauf auf nicht damit zufriedengeben, dass am Ende viel- der Wiese zu kennzeichnen, wegzukommen vom leicht nur eine Herkunftskennzeichnung à la „made Kastenstand in der Sauenhaltung, vom betäu- in Niedersachsen“ aufgenommen wird. Das reicht bungslosen Kastrieren, vom Kupieren der Ringel- nicht aus. Die Verbraucherinnen und Verbraucher schwänze, vom Schnabelkürzen bei den Puten - wollen eine Haltungskennzeichnung, und zwar leider wurde vor Kurzem eine Verlängerung dieser eine aussagekräftige. Praxis beschlossen. Anfang der Woche haben wir über die Eierproduktion ohne Kükenschreddern (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- gesprochen. stimmung von Dirk Toepffer [CDU]) Das sind ganz wichtige Punkte, die alle berück- Insgesamt fragen wir uns natürlich, ob das nur eine sichtigt werden müssen, genauso wie kürzere neue Positionsbestimmung ist bzw. wie glaubwür- Transportwege und das Thema Schlachtung - Sie dig dieses Anliegen ist und mit wie viel Nachdruck haben es eben angesprochen, und darüber wer- es verfolgt werden wird. Da kann ich nur an die den wir heute auch noch intensiv beraten. Alle SPD appellieren, auch im Bund Druck auf ihren

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Koalitionspartner, die CDU, auszuüben. Es gab total egal, welches Leid sich hinter ihrem 99-Cent- innerhalb der Fraktion dazu ja schon Äußerungen, Schnitzel verbirgt - passt. die ich begrüße. Aber das muss auch durchgesetzt Die Schuldigen sind ausgemacht, doch jetzt naht werden. Es reicht nicht, nur neue Positionen zu die Rettung - natürlich aus der Politik. Ein Tier- bestimmen; denn die Verbraucherinnen und Ver- wohllabel wird es richten. Ein weiteres buntes Bild- braucher warten auf Taten. chen auf der Verpackung verspricht die Aufklärung In Richtung CDU und Ministerium möchte ich sa- des Verbrauchers und die Änderung des Konsum- gen: Frau Klöckner ist ja aufgrund der Gülleprob- verhaltens. Was ist passiert, meine Damen und lematik gerade nicht sehr gut auf Niedersachsen Herren von der Groko? Haben Sie gemerkt, dass zu sprechen. Deutschland hat insgesamt ein Prob- die Verbraucher mehr Tierschutz wünschen? lem, weil Niedersachsen ein Problem hat und es Glauben Sie ernsthaft, dass eine Kennzeichnung nicht ausreichend angeht. Wenn Sie im Bereich ein grundsätzliches Problem löst? der Tierhaltungskennzeichnung mit Frau Klöckner Das wirkliche Tierschutzproblem, meine Damen weiterkommen wollen, dann müssen Sie auch und Herren, sind weder die Landwirte noch der dieses andere Problem angehen und bearbeiten. Handel noch der Verbraucher. Das wirkliche Prob- Ansonsten wird es, glaube ich, schwierig. lem sind Sie! Die Ursachen für diese unhaltbaren Vielleicht noch einen letzten Satz: Herr Toepffer, Zustände sitzen in Hannover, in Berlin und in Sie hatten gerade durchklingen lassen, dass es Brüssel. Eine jahrzehntelange Agenda von Globa- Leute gebe, die eine Spaltung zwischen Verbrau- lisierung, internationalen Märkten und einer gren- chern und Erzeugern betreiben. Ich habe heraus- zenlosen EU hat Länder und Produktionsbedin- gehört, dass das ein bisschen in unsere Richtung gungen in Konkurrenz gesetzt, die in keiner Weise gesprochen war. Ich hoffe, Sie haben das nicht so zu vergleichen sind. gemeint. Denn diejenigen, die die Zustände hinge- (Christian Meyer [GRÜNE]: Glauben nommen haben, die nicht gehandelt haben, sind Sie, dass das in Nationalstaaten bes- diejenigen, die die Spaltung vorangetrieben haben. ser ist?) (Beifall bei den GRÜNEN) Sie haben zugelassen, dass sich Handelsketten zu Marktbeherrschern entwickelt haben und dass Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: kleine landwirtschaftliche Betriebe immer weiter Vielen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Es spricht zugunsten von Großbetrieben verdrängt wurden. nun für die AfD-Fraktion die Vorsitzende, Frau Ihre Politik hat zugelassen, dass wir so ziemlich Guth. die höchsten Wohn- und Energiekosten in Europa haben, dass wir bei Steuern und Abgabenlasten Spitzenpositionen einnehmen. Wen wundert es da, Dana Guth (AfD): dass Nahrungsmittel billig sein müssen? Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da- men und Herren! Schlachthofskandale, Ferkelkast- Bereits heute hat der Verbraucher Möglichkeiten, ration, Kükentöten, betäubungsloses Schlachten, beim Einkauf darauf zu achten, was er kauft. Bio- Tiertransporte - alles Themen, die uns in den letz- siegel und regionale Kennzeichnung können da ten anderthalb Jahren hier in diesem Plenum be- helfen - tun sie aber kaum. Warum? - Es ist vielen schäftigt haben. Alle eint eines: der unglaubliche Menschen schlicht zu teuer. Weil sie böse und Umgang mit unseren Mitgeschöpfen. - Jeder von gedankenlos sind? - Nein, weil sie arm sind. Da- uns hat in den letzten Monaten mehr Details dar- ran, meine Damen und Herren, wird kein Siegel über erfahren, als er jemals wissen wollte. der Welt etwas ändern. Im Übrigen sind Ihnen die Probleme eines solchen Suchen wir nach den Sündenböcken! - Die Land- Siegels durchaus bereits jetzt bewusst. Und Sie wirte! Sind es doch die Bauern, die möglichst aus selbst können nur hoffen, dass die Produkte, die jedem Lebewesen den maximalen Gewinn ab- dann zwangsläufig teurer werden, vom Verbrau- schöpfen wollen - ganz einfach. Die Handelsket- cher auch gekauft werden. ten! Diktieren sie doch die Preise, die es den Landwirten immer schwerer machen, mit ihren Be- Aber noch deutlicher wird das Problem auf ganz trieben ein vernünftiges Einkommen zu erzielen - anderer Ebene. Kollege Toepffer, Sie befürchten - geht auch. Die Verbraucher! Schielen diese doch wahrscheinlich völlig zu Recht -, dass es mit einem immer nur auf den Preis, und ist es ihnen doch verpflichtenden Siegel in Deutschland Probleme

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mit der - Achtung! - „Genehmigung durch die EU“ Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: geben könnte. Erstens könnte dieser Prozess sehr Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die FDP-Fraktion lange dauern, und zweitens - jetzt kommt es! - hat nun Herr Kollege Grupe das Wort. Bitte, Herr könnte die EU ein solches Siegel als einen Eingriff Kollege! in den Wettbewerb und den Schutz gegen auslän- dische Konkurrenz brandmarken. Hermann Grupe (FDP): Wo kämen wir denn hin, wenn die deutsche Politik Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen ihre eigenen Landwirte gegen ausländische Kon- und Kollegen! Das Thema Tierwohl beschäftigt uns kurrenz schützten würde? Pfui! Nachher kommt schon seit Jahren, und das vollkommen zu Recht. irgendwann wieder einmal so ein „Made-in-Ger- Wir werden auch heute noch eingehend darüber many“-Quatsch auf uns zu. Wer kann das schon diskutieren. Vom Grundsatz her ist es natürlich wollen? sehr zu begrüßen, dass auch hier darauf abgeho- ben wird. Sie beweisen hier einmal mehr: Die Politik in Deutschland hat schon lange jede Entscheidungs- Herr Kollege Toepffer, Sie haben sehr viel Richti- befugnis abgegeben. Die Brüsseler Zentralregie- ges gesagt, insbesondere bezüglich der Leistungs- rung schaltet und waltet. Fordern Sie die Bundes- fähigkeit unserer Landwirtschaft in Niedersachsen, regierung auf! Diese geht vielleicht in Brüssel fra- bezüglich des Bemühens der Kollegen, mit den gen. Warten Sie ein paar Jahre, und stellen Sie natürlichen Ressourcen sorgsam umzugehen, aber dann fest: Es ist wieder einmal nichts passiert. auch gerade Tiere angemessen und ordentlich zu halten. Die Frage ist, wie wir weitere Fortschritte Ein letzter Punkt zum Thema Tierwohl. In den letz- erzielen können. Sie schlagen nun ein ver- ten eineinhalb Jahren wurde hier Folgendes bean- pflichtendes Tierwohllabel vor, während Ihre Par- tragt und beraten: Weidetierprämie - abgelehnt. teikollegen in Berlin ein freiwilliges Label bevorzu- Mehr Geld für Veterinärämter zur Verbesserung gen. der Kontrollen - abgelehnt. Verbot des betäu- bungslosen Schlachtens - abgelehnt. Einsatz für (Dirk Toepffer [CDU]: Nicht alle!) die Einführung eines vierten Weges bei der Ferkel- Wir erleben hier also eine innerparteiliche Uneinig- kastration - bisher nichts passiert. Verbot von Tier- keit der CDU. Die Frage ist, ob uns das heute be- transporten in Drittländer - abgelehnt. Ein wirklich deutende Schritte weiterbringt. guter Antrag von der FDP und von den Grünen zur Schlachthofproblematik - eingedampft und in ein Mein Kollege Gero Hocker hat im Bundestag zu Feel-good-Papier verwandelt. der Initiative Ihrer Bundesministerin gesagt: nichts Halbes und nichts Ganzes. Unsere niedersächsi- All das, meine Damen und Herren von der GroKo, sche CDU-Ministerin meint dazu - ich sage es hätten Sie im Sinne des Tierschutzes mit einer einmal mit meinen Worten -, dass das ja nett ge- überwältigenden Mehrheit in den letzten eineinhalb meint ist, aber nicht weit genug geht. Sie ist sich Jahren entscheiden können. Sie hätten für den also mit Gero Hocker vollkommen einig: Es ist Schutz der Tiere und bessere Haltungsbedingun- nichts Halbes und nichts Ganzes und nichts Ver- gen eintreten können. Sie hätten mehr erreichen nünftiges, was man dort in Berlin plant. können. Sie hätten großes Leid beenden können. Sie haben es nicht getan. (Beifall bei der FDP) Sollte dieses Tierwohllabel tatsächlich irgendeinem Insofern besteht schon einmal in dieser Frage Tier in seiner Haltung irgendetwas bringen, sollte völlige Einigkeit. es die Lebensbedingungen von irgendeinem Tier Lieber Herr Kollege Hocker - - - verbessern, sind wir selbstverständlich sehr gern bereit, dem zuzustimmen. Ansonsten: Wenn Ihre (Heiterkeit - Ulrich Watermann [SPD]: Antwort auf die Probleme, die es hier in der Tier- Den hast du schon weggeschickt! - haltung gibt, bunte Bildchen auf Verpackungen Dirk Toepffer [CDU]: Schade, dass er sind, die vermutlich nie genehmigt werden, dann weg ist!) sieht es schlecht für unsere Tiere aus. Lieber Herr Kollege Toepffer, die Frage ist eben, Vielen Dank. was wir mit einem zusätzlichen Label erreichen können. Frau Ministerin Otte-Kinast hat gemeint, (Beifall bei der AfD) die Chance, dass Verbraucherinnen und Verbrau-

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cher bereit seien, höhere Preise zu zahlen, bei cher - es gibt nicht „den“ Verbraucher, aber die einer verbindlichen Kennzeichnung größer sei. Die Masse der Verbraucher - billig. Sie kauft nicht Wahrheit, die wir seit Jahrzehnten erleben, ist lei- preiswert, sondern billig. der eine ganz andere. Die Kosten, die von einer (Ulrich Watermann [SPD]: Das ist Durchschnittsfamilie für die Ernährung aufgebracht doch das Motto der FDP!) werden müssen, sinken Jahr für Jahr. Jetzt haben wir die Marke von 10 % nach unten gerissen. Ich Und dabei hätte man gern auch noch ein reines habe mir gemerkt, dass es einmal 25 % waren. Gewissen. Ich sage: die große Masse der Ver- Nach dem Krieg mussten die Menschen 45 % für braucher. die Ernährung ausgeben. Dass dies jetzt unter Wir brauchen Maßnahmen, die wirklich dem Tier- 10 % sind, besagt eine Meldung des Landvolks wohl dienen und die wirklich etwas verändern. von vor ein paar Tagen. Aber wir brauchen nicht etwas, was vielleicht das Das RedaktionsNetzwerk Deutschland, das Ihre gute Gewissen vieler Menschen beruhigt. Wenn Bemühungen näher schildert, sagt zu Ihrer Initiati- hier steht, heute steht die CDU an der Seite der ve: Die CDU, die früher immer stramm an der Seite Verbraucher, dann sage ich: an der Seite derer, der Landwirte stand - man merke: die früher immer die das Wahlvolk sind, an der Seite der Landwirte stand -, vertritt jetzt (Ulrich Watermann [SPD]: Wo steht genauso vehement die Interessen der Verbrau- denn die FDP?) cher. und denen man deswegen meint, etwas präsentie- (Dirk Toepffer [CDU]: Da steht: „Ge- ren zu müssen, was aber in der Sache wenig nauso“!) bringt. Sie haben die Fronten hin zum Populismus ge- Deswegen, liebe Frau Ministerin, würde uns sehr wechselt. Früher standen Sie an der Seite der interessieren, wie Sie denn durchsetzen wollen, Bauern. dass auch bei den Bauern etwas ankommt, dass (Dirk Toepffer [CDU]: Das ist falsch! nicht nur wieder Standards gesetzt werden. Die „Genauso“ steht da! Das ist unglaub- Interessengemeinschaft der Schweinehalter be- lich! - Ulrich Watermann [SPD]: Her- fürchtet eben, dass wieder Kosten auf die Landwir- mann, Populismus kennst du gar te zukommen, ohne dass irgendwelche Einnah- nicht, nicht wahr? - Glocke der Präsi- men generiert werden können. dentin) Ein Wort noch zu Frau Guth von der AfD. Frau - Das schreiben die, das sage ja nicht ich. Guth, Sie haben festgestellt, dass die Menschen heute so kaufen, wie sie kaufen, weil sie arm sind. (Zurufe von der CDU) Ich verstehe das richtig? - Im Jahr 1950 haben also die Menschen 45 % für die Ernährung ausge- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: geben. Die waren reich? Heute geben sie 10 % Einen Moment, Herr Kollege Grupe! - Herr Kollege dafür aus, weil sie so arm sind? Toepffer, wir können uns jetzt wohl wieder beruhi- gen und weiter den Worten von Herrn Grupe fol- (Ulrich Watermann [SPD]: Milchmäd- gen. chenrechnung! - Zurufe von der AfD) (Unruhe) Richtig ist, dass die Landwirtschaft einen großen Beitrag dazu leistet, dass der Lebensstandard in - Ich darf um Ruhe bitten! Deutschland so hoch ist, wie er ist, weil die Basis dafür durch sehr günstige Nahrungsmittel gelegt Hermann Grupe (FDP): ist. Es gibt Menschen, die mit dem Geld sehr Der erste Teil des Satzes ist relativ einfach zu knapp sind. Aber summa summarum leben wir in verstehen. Bei dem zweiten, in dem es heißt „an einer sehr reichen Gesellschaft. Daher sollte man der Seite des Verbrauchers“, ist zu fragen: Was sich grundsätzlich überlegen, ob man bereit ist, will der Verbraucher? Liebe Kolleginnen und Kol- mehr als 10 % für Lebensmittel auszugeben, ob legen, wenn man feststellt, dass nur noch 10 % man bereit ist, die Leistung der Landwirte zu be- des Einkommens für Lebensmittel ausgegeben zahlen. Niemandem ist geholfen, wenn Sie einfach werden, dann muss man einfach sagen: In die Fronten wechseln und populistisch etwas for- Deutschland kauft die große Masse der Verbrau- dern, was bei den Landwirten als Kosten ankommt

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und mit dem die Landwirte in einen noch größeren Niedersachsen ist Agrarland Nummer eins. Wir Verdrängungswettbewerb getrieben werden. wollen, dass das so bleibt, und wir wollen die ge- sellschaftliche Akzeptanz für die Tierhaltung in Vielen Dank. Niedersachsen erhalten. Das wird man nur errei- (Beifall bei der FDP - Zurufe von der chen können, wenn wir die Bedingungen nachhal- CDU) tig und auf ganzer Breite verbessern. Die jahrelange Diskussion „Hat der Verbraucher Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: die Schuld, haben die Landwirte die Schuld, oder Vielen Dank, Herr Kollege. hat die Politik die Schuld?“ - genau das haben Sie (Zurufe von der CDU: Kurzinterventi- in Ihrer Rede ja wieder markiert - gleicht der Dis- on!) kussion - und das passt vielleicht ein bisschen ins Bild -, ob Henne oder Ei zuerst da gewesen ist. Wir setzen die Aussprache fort. Das Wort hat Herr Dieser Widerspruch bzw. diese Frage danach Kollege Siebels, SPD-Fraktion. muss aufgelöst werden. Die Bürger wollen mehr (Ulrich Watermann [SPD]: Kurzinter- Tierschutz. 81 % der Verbraucher wollen das. Das vention? - Unruhe) hat Herr Toepffer zu Recht hier deutlich gemacht. - Ich darf noch einmal alle um Aufmerksamkeit Die Landwirte wollen es auch, meine Damen und bitten! Herren. Sie sehen sich nur wirtschaftlichen Zwän- gen ausgesetzt und haben Angst vor Billigkonkur- Wiard Siebels (SPD): renz. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen (Ulf Thiele [CDU]: So ist es!) und Herren! Kurzinterventionen im Rahmen der Aktuellen Stunde gibt es nicht, Herr Watermann. - Deshalb ist ein Tierwohllabel richtig, damit der Das war die erste Vorbemerkung. Verbraucher an der Ladentheke entscheiden kann. „Freiwillig“ ist aber das Problem, weil Verbraucher (Zurufe von der CDU) bei den bisherigen Labels nicht sicher sein konn- ten, ob das Label dann auch tatsächlich ein ent- - Wir verstehen uns gut. sprechendes Produkt nach sich zieht und sie an Ich möchte noch zwei Vorbemerkungen machen. der Ladentheke genau das Produkt bekommen, das nach den Kriterien dieses Labels produziert Herr Grupe, eine Kritik an Ihrem Vortag habe ich worden ist. Außerdem laufen wir Gefahr, dass tatsächlich. durch zu viele einzelne freiwillige Labels - und (Dirk Toepffer [CDU]: Eine?) einen solchen Trend gibt es ja - der Verbraucher am Ende den Überblick verliert und weiterhin vor - Sie ist allerdings eine zentrale. allem nach dem Kriterium „Preis“ kauft - oder viel- Sie sprechen von Fronten zwischen Landwirten leicht müsste man beinahe sagen: kaufen muss. und Verbrauchern. Ich glaube, wer das Agrarland Deshalb, meine Damen und Herren, brauchen wir Nummer eins Niedersachsen voranbringen will, der Verbindlichkeit. Ich freue mich wirklich sehr dar- muss genau dieses Frontdenken auflösen. Die über, dass diese Regierung, diese rot-schwarze CDU hat das begriffen. Sie haben diesen Lernpro- Koalition dieses wichtige Thema jetzt in Angriff zess offensichtlich noch vor sich. nimmt und dem Bund gelegentlich zeigt - als Ag- (Beifall bei der SPD und bei der CDU) rarland Nummer eins steht uns das wohl auch zu -, wie man es macht. Ich bin unserem Ministerpräsi- Die zweite Vorbemerkung kann ich mir auch nicht denten und unserer Landwirtschaftsministerin sehr verkneifen. Verehrte Frau Guth von der AfD- dankbar für diese Positionierung. Das ist ein weite- Fraktion, zu diesem Thema abermals eine Partei- rer Meilenstein - das will ich ganz deutlich sagen - tagsrede zu halten und die fehlenden inhaltlichen für das Agrarland Niedersachsen. Übrigens tun wir Antworten auf diese Herausforderung durch das das - insofern geht ein großes Lob an den Koaliti- wiederholte Benutzen von Kampfbegriffen und onspartner -, obwohl dieses Thema nicht im Koali- Textbausteinen kompensieren zu wollen, wird der tionsvertrag geregelt ist. Vielmehr machen wir es Sache nicht gerecht. aus der Situation heraus, weil wir in der Sache (Beifall bei der SPD und bei der CDU) gemeinsam voranschreiten wollen.

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(Beifall bei der SPD und bei der CDU Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: - Christian Meyer [GRÜNE]: Aber die Vielen Dank, Herr Siebels. - Das Wort für die Lan- Bundesregierung lehnt es doch ab!) desregierung hat nun Frau Landwirtschaftsministe- rin Otte-Kinast. Bitte, Frau Ministerin! Dabei kommt es zunächst - aber wirklich nur zu- nächst - noch gar nicht im Detail darauf an, wel- Barbara Otte-Kinast, Ministerin für Ernährung, chen höheren Level gegenüber den bisherigen Landwirtschaft und Verbraucherschutz: gesetzlichen Vorgaben man am Ende oder jeden- falls zum Einstieg erreicht, sondern eher darauf an, Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und den Markt möglichst weitgehend zu durchdringen - Herren! Auch ich möchte eine Bemerkung vorweg- erstens, weil es nur dann eine wirkliche Verbesse- schicken: Unsere Landwirtinnen und Landwirte rung des Tierwohls geben kann, und zweitens, weil sowie ihre Familien sind im Übrigen auch Verbrau- nur so vorstellbar ist, dass die dann entstehenden cherinnen und Verbraucher. Mehrkosten - Herr Grupe ist ja zu Recht auf diesen (Beifall bei der CDU sowie Zustim- Punkt eingegangen - auch tatsächlich durch den mung bei der SPD und bei der AfD) Markt erbracht werden und wir nicht einen Struk- turwandel im großen Stil anheizen, den niemand, Meine Damen und Herren, die Landwirtschaft und wirklich niemand wollen kann. hier insbesondere die Tierhaltung steht seit Länge- rem in gesellschaftlicher Kritik. Umso erfreulicher Nur wenn man das verbindlich regelt, schließt sich ist es, dass der Bund vor einiger Zeit angekündigt die Lücke zwischen den Preisen am Markt und den hat, eine Nutztierstrategie umzusetzen, mit der das entstehenden Kosten möglichst weitgehend, wo- Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher durch der Anteil an staatlichen Mitteln reduziert in unsere Landwirtschaft zurückgewonnen werden wird - ich will das ausdrücklich ansprechen -, den soll. man zusätzlich mindestens übergangsweise auf- (Christian Meyer [GRÜNE]: Leider bringen muss, um den Tierhaltern für diesen Über- kein Tierschutzlabel!) gang eine Brücke in die Zukunft zu bauen, meine Damen und Herren. Einer der Bausteine dieser Nutztierstrategie soll das staatliche Tierwohlkennzeichen sein, dessen (Beifall bei der SPD und Zustimmung Eckpfeiler der Bund vor fast genau einem Jahr bei der CDU) zum ersten Mal vorgestellt hat. Das Ganze - Genehmigungsverfahren und alle (Christian Meyer [GRÜNE]: Da gab es diese Dinge sind angesprochen worden - muss keine Kritik von Ihnen!) natürlich Teil einer Gesamtstrategie Nutztierhal- tung sein. Demnach soll das staatliche Tierwohllabel drei Klassen umfassen. Es soll alle Stufen von der Ge- Ich will es einmal so zusammenfassen, meine burt bis zur Schlachtung beinhalten, es soll nicht Damen und Herren: Das Auto der Zukunft soll in nur für Frischfleisch, sondern auch für Verarbei- Deutschland - wie ich finde, möglichst in Nieder- tungsware gelten, und es soll mehr als eine reine sachsen - vom Band rollen. Das Schnitzel der Zu- Handelskennzeichnung sein. So weit, so gut! kunft, sofern die Leute eines essen wollen, soll Nicht nachvollziehbar ist aber die Tatsache, dass unter den besten Bedingungen zu anständigen das Tierwohllabel nur auf freiwilliger Basis ange- Preisen in Deutschland und am besten in Nieder- wendet werden soll. Dies hatte Niedersachsen von sachsen produziert werden. Dafür streitet die SPD. Beginn der Beratungen an abgelehnt - Und ich bin richtig stolz auf unsere Agrarministerin, Frau Otte-Kinast - das darf ich ganz persönlich (Christian Meyer [GRÜNE]: Lesen Sie sagen -, die hier mit uns gemeinsam voranschrei- einmal Ihre Pressemitteilungen von tet. Das ist ein guter Tag für das Agrarland Nieder- April!) sachsen. ebenso übrigens auch die Wirtschaftsbeteiligten, Herzlichen Dank. verschiedenste Tierschutzorganisationen und un- sere Verbraucherschutzverbände. (Beifall bei der SPD und bei der CDU Leider sind all die Einwände und Einlassungen - Christian Meyer [GRÜNE]: Die hierzu an der Bundesministerin völlig abgeperlt. Es GroKo im Bund lehnt es doch ab!) ist daher höchste Zeit, eine andere Bühne zu nut-

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zen, um dem Bund in aller Deutlichkeit klarzuma- Umweltvorschriften, die verhindern, dass Landwirte chen, dass an einem verpflichtenden Label ein- Neu- oder Umbauten vornehmen können, um an schließlich der Herkunftskennzeichnung kein Weg dem Tierwohllabel des Bundes teilzunehmen. vorbeiführt. (Christian Meyer [GRÜNE]: Die Union (Beifall bei der CDU und bei der SPD) regiert seit 14 Jahren im Bund!) Meine Damen und Herren, Fakt ist, dass unsere Hier müssen schnelle und pragmatische Lösungen Verbraucherinnen und Verbraucher sich eine gefunden werden - und hier steht auch der Bund in Kennzeichnung für Lebensmittel tierischer Herkunft der Verantwortung -, damit das Tierwohllabel nicht wünschen, die Auskunft über das Tierwohl bei der von vornherein zu einem Nischendasein verurteilt Haltung, beim Transport und auch bei der Schlach- wird. tung gibt. Da sind wir mit dem Bund d’accord. Meine Damen und Herren, die Initiative Nieder- Fakt ist aber auch, dass die Verbraucherinnen und sachsens ist ein wichtiger und notwendiger Schritt Verbraucher eine Vollkennzeichnung des Fleisch- für mehr Tierwohl in der Fläche. Sie ist aber auch und Wurstwarensortiments wollen, sich zu einer ein sehr starkes Signal für unsere vielen engagier- heimischen Erzeugung bekennen und dann hof- ten Landwirtinnen und Landwirte sowie nicht zu- fentlich bereit sind, mehr Tierwohl auch zu honorie- letzt ein überaus wichtiger Meilenstein für den ren. Verbraucherschutz. Ich bin überzeugt, dass wir mit der Forderung nach einem verpflichtenden Label Ein freiwilliges Label kann diese Erwartungen nicht den einzig richtigen Weg eingeschlagen haben. erfüllen. Vielen Dank. Vielmehr sind wir der Auffassung, dass ein freiwil- liges Tierwohllabel kaum Chancen hat, den Markt (Beifall bei der CDU und bei der SPD) in der gesamten erforderlichen Breite zu durch- dringen, dass ein freiwilliges Label die Absatzkanä- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: le außerhalb des Lebensmitteleinzelhandels wie Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmel- Gastronomie, Großküchen und Außerhausverkauf dungen liegen nicht vor, sodass ich die Bespre- kaum bzw. nur sehr unzureichend einbindet, dass chung zur Aktuellen Stunde der CDU-Fraktion ein freiwilliges Label den Wunsch der Verbrauche- schließen kann. rinnen und Verbraucher nach einer Vollkennzeich- Ich eröffne die Besprechung zu nung des gesamten Fleisch- und Wurstwarensor- timents sowie einer Herkunftsangabe schlichtweg nicht erfüllt und dass ein freiwilliges Label nicht b) „#HauAbGesetz“ verhindern - Seehofers geeignet ist, für mehr Tierschutz in der Fläche zu menschenrechtswidriges Abschiebepaket im sorgen. Bundesrat stoppen - Antrag der Fraktion Bünd- Zudem kritisieren wir, dass das Tierwohllabel des nis 90/Die Grünen - Drs. 18/3977 Bundes nicht einmal ansatzweise mit dem Hal- tungskompass des Lebensmitteleinzelhandels in Einklang steht - ganz zu schweigen davon, dass Eingebracht wird diese Aktuelle Stunde von Herrn das Label die vielen Tausend Betriebe, die bei der Kollegen Onay. Bitte! Initiative Tierwohl engagiert dabei sind, nicht mit- nimmt. Hier bedarf es einer deutlich besseren Ab- Belit Onay (GRÜNE): stimmung zwischen dem Tierwohllabel und dem Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Haltungskompass des Handels. Nur so können wir und Kollegen! Der Rechtsausschuss des Bundes- größtmögliche Effekte für Tiere, Tierhalterinnen rates hat hinsichtlich des sogenannten Geordnete- und Tierhalter sowie insbesondere auch für Ver- Rückkehr-Gesetzes dem Bundesrat empfohlen, braucherinnen und Verbraucher realisieren. den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das tut auch not, denn dieses Abschottungs- und Ab- Und schließlich fordern wir mit unserer Initiative schiebepaket von Seehofer ist eine absolute Un- ein, dass der Bund endlich eine umfassende und verhältnismäßigkeit. Es dokumentiert den Verlust ressortübergreifende nationale Nutztierstrategie von Maß und Mitte im Bereich der Migrationspolitik vorlegt, die ihren Namen dann auch verdient. Zur- der Großen Koalition im Bund, meine sehr geehr- zeit gibt es jede Menge Zielkonflikte zwischen Tier- ten Damen und Herren, wohlmaßnahmen sowie verschiedenen Bau- und

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(Beifall bei den GRÜNEN) Insgesamt ist das Beratungsverfahren - wir in Nie- dersachsen nennen es gerne - Schweinsgalopp; und es ist in vielen Punkten verfassungs- und eu- anders ist es auch nicht zu beschreiben. Es gab roparechtswidrig. Deshalb kommt auf Niedersach- zwei Tage später die Anhörung im Innenaus- sen eine große Verantwortung zu, hierzu im Bun- schuss. Obwohl die Protokolle noch nicht einmal desrat tätig zu werden. vorlagen, wurde die Abstimmung im Ausschuss Dazu einige Gründe aus dem Inhalt des Gesetzes. sozusagen erzwungen. Zwei Tage später erfolgte Darin ist jetzt die Einführung einer Duldung zweiter mit einigen weiteren Änderungen die Verabschie- Klasse für Personen mit ungeklärter Identität vor- dung im Bundestag. Das ist wahrscheinlich auf gesehen, die ein absolutes Arbeitsverbot und da- Seehofers Masche zurückzuführen. Er hatte in mit die Verhinderung von Teilhabe vorsieht. Sehr einem Interview ja durchblicken lassen, dass man richtig ist der Hinweis unseres Innenministers Boris Gesetze möglichst kompliziert gestalte, Pistorius, der in einem Gespräch mit der HAZ An- (Helge Limburg [GRÜNE]: Ja!) fang März gesagt hat, dass die „Duldung light“ in Verbindung mit der Streichung von Leistung oder damit sie nicht verständlich sind und nicht durch- Arbeitsverboten ein Flüchtlingsprekariat schaffe schaut und durchblickt werden können. Genauso und nicht helfe, Abschiebungen zu erleichtern oder kompliziert ist dieses Paket. Dennoch stechen gar zu beschleunigen. Pistorius sagte dort wörtlich: besondere Probleme ins Auge. Deshalb ist der Vermittlungsausschuss das richtige Mittel, sehr „Es kann nicht unser Interesse sein, dass geehrter Herr Kollege Nacke, um diese Verfah- Menschen hierbleiben und bleiben müssen rensfehler, die gemacht worden sind, zu korrigie- und gleichzeitig zum Nichtstun gezwungen ren. sind.“ (Beifall bei den GRÜNEN - Jens Na- (Beifall bei den GRÜNEN) cke [CDU]: Ein schlechter Scherz, das Recht hat er. Recht hat der Innenminister auch vor wissen Sie ganz genau! So kann man dem Hintergrund der Entscheidungen des Bun- Politik nicht machen!) desverfassungsgerichts, das 2012 gerade mit Blick Dennoch gab es ja sowohl von der CDU, aber vor auf die Kürzung von Sozialleistungen entschieden allem auch von der SPD immer wieder den Ver- hat, dass das Existenzministerium nicht migrati- such, trotz dieser Hast und Eile zu versuchen, onspolitisch relativierbar ist, meine sehr geehrten einige Punkte geradezubiegen, zu beschönigen Damen und Herren. Das macht, glaube ich, sehr und zu übertünchen, indem darauf hingewiesen deutlich, wie weit vom Kurs die Große Koalition wurde, es hätte in den Verhandlungen Verbesse- hier abgekommen ist. rungen gegeben, z. B. bei der Kriminalisierung von NGOs und Flüchtlingsinitiativen. Dem, meine sehr Ein weiterer und vielleicht sogar der eigentliche geehrten Damen und Herren, ist nicht so. Es gibt Hammer in diesem Gesetzespaket ist, dass die zwar eine abgemilderte Form, aber nach wie vor ist Bundesregierung von den Ländern verlangt, dass die Verschärfung enthalten, dass bestimmte Infor- Abschiebehäftlinge nun in Strafhaft kommen sol- mationen über Abschiebungen der Geheimhal- len, meine sehr geehrten Damen und Herren. Nicht tungspflicht unterliegen. Das kann zu einer Krimi- nur, dass die Voraussetzungen völlig andere sind, nalisierung führen, u. a. des Flüchtlingsrats Nie- obwohl die Begriffe „Abschiebehaft“ und „Strafhaft“ dersachsen, aber auch vieler weiterer Initiativen, vielleicht etwas anderes vermuten lassen. Auch die wir hier in unseren Kommunen und auch im das Europarecht sagt ganz klar, dass eine solche ganzen Land Niedersachsen haben. Im Kern geht Vermischung nicht zulässig ist, dass das europa- es darum, dass Menschen, die von Abschiebung rechtswidrig ist. Diese neue Regelung betrifft vor betroffen sind, sich auf ihren Rechtsschutz berufen allem auch Familien mit Kindern. Diese müssen können. Darum geht es und um nichts anderes, sich nichts anderes vorwerfen lassen, als nicht und in diesem Bereich wird eine Kriminalisierung ausgereist zu sein. Sie würden dann in Strafhaft vorangetrieben. mit zum Teil gefährlichen Inhaftierten kommen. Das ist eine migrationspolitische und humanitäre Auch noch weitere Punkte sind kritisch, z. B. die Bankrotterklärung dieser Großen Koalition im Betretungsregelung für Wohnungen ohne Richter- Bund, meine sehr geehrten Damen und Herren. vorbehalt, längere Aufenthalte in den Ankerzen- tren, aber auch die „unabhängige“ Beratung durch (Beifall bei den GRÜNEN) das BAMF für diese Personengruppe. Meine Da-

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men und Herren, ich will das klar sagen: Die Große Damals seien die Feinde der Republik zu milde Koalition wird ihre Sympathiepunkte im Bund nicht davongekommen, das habe die Autorität der Re- dadurch steigern, dass man Schikane von Geflüch- publik unterhöhlt. Das dürfe auf gar keinen Fall teten vorantreibt. noch einmal passieren. - So oder ähnlich lautet der Tenor in vielen Medien und in vielen persönlichen (Beifall bei den GRÜNEN) Gesprächen. Ich komme zum Schluss. Sehr geehrter Herr Minis- Eines schält sich in der Betrachtung der ersten terpräsident Stephan Weil, sehr geehrter Herr Republik auf deutschem Boden besonders deutlich Bernd Althusmann, sehr geehrter Innenminister heraus: Die Radikalisierung der politischen Ränder Boris Pistorius, machen Sie im Bundesrat den Weg beeinflusste auch damals Sprache und Verhalten frei, um den Vermittlungsausschuss noch einmal der demokratischen Kräfte, führte zu Spaltungen anzurufen, um am 28. Juni eine weitere Beratung dort, wo der gemeinsame Kampf gegen die Demo- und eine Korrektur dieses Gesetzespaketes voran- kratiefeinde hätte aufgenommen werden sollen. zutreiben. In diesen Zeiten müssen wir Demokratinnen und Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Demokraten sehr achtsam miteinander umgehen, (Beifall bei den GRÜNEN) und das will ich auch tun. Zumal vor dem Hinter- grund des Mordes an einem Menschenfreund wie Walter Lübcke noch einmal deutlich geworden ist, Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: dass der Themenkomplex Flucht, Abschiebung, Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Für die SPD- Zuwanderung der Nährboden für Menschen- und Fraktion spricht nun Frau Kollegin Schröder-Köpf. Demokratiefeinde schlechthin ist; das ist der Nähr- Bitte, Frau Kollegin! boden für Rechtsterrorismus. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, Sie Doris Schröder-Köpf (SPD): kennen mich aus der engen und vertrauensvollen Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da- Zusammenarbeit in der zurückliegenden Legisla- men und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! turperiode gut genug, um zu wissen, dass auch ich Wie könnte man in dieser Woche eine Rede zum über Teile des sogenannten Migrationspaketes Themenkomplex „Flucht und Abschiebung“ halten, sehr unglücklich bin, z. B. über § 1 Abs. 4 Asylbe- ohne über Walter Lübcke zu sprechen? Vor gut werberleistungsgesetz. Danach ist für vollziehbar zwei Wochen wurde der CDU-Politiker und Kasse- ausreisepflichtige Menschen mit Schutzstatus in ler Regierungspräsident, also ein Nachbar aus einem EU-Land oder Drittstaat eine vollständige Hessen, nachts auf der Terrasse seines Hauses Leistungskürzung auf null - ich wiederhole: auf erschossen, höchstwahrscheinlich von einem be- null - vorgesehen. Diese Regelung soll den Druck kannten Neonazi. zur Ausreise erheblich erhöhen, so ist die Hoff- Walter Lübcke hatte im Herbst 2015, am 14. Okto- nung. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, darf ber, seine Freude über das riesige ehrenamtliche man diese Menschen - in Niedersachsen sind da- Engagement für Geflüchtete geäußert und bei von ca. 1 500 betroffen - wirklich in die Obdachlo- einer Veranstaltung den Hatern vom Pegidaable- sigkeit schicken? Sollen sie unter Brücken schlafen ger Kagida entgegengeschmettert: Wer die Werte und um Essen betteln? Unsere Behörden, vor des Grundgesetzes nicht vertrete, der könne jeder- allem das Innenministerium, haben große Zweifel zeit das Land verlassen. Das sei die Freiheit eines an diesem Part des Gesetzes. Es sei fraglich, ob jeden Deutschen. - Seither war Walter Lübcke eine vollständige Leistungseinstellung verfas- Zielscheibe von ungeheuerlicher rechter Hetze bis sungsrechtlich tragfähig sei und vom Bundesver- hin zu Lynchaufrufen. Aus Worten ist in der Nacht fassungsgericht gebilligt würde. Ich denke, auch des 2. Juni eine Tat geworden, ein Mord. ohne Entscheidung eines Gerichtes kann man bereits jetzt sagen: Das geht nicht. Spiegel-Online schrieb gestern, ich zitiere: (Beifall bei der SPD und bei den „Wenn man jedoch das Unfassbare dieser GRÜNEN) Tage einordnen und vergleichen will, landet Es ist unanständig, Menschen ohne Obdach und man in der Weimarer Republik: den Mord an Essen zu lassen. Irgendeine Stelle wird sich dann einem Politiker aus rechtsextremen Grün- kümmern müssen, seien es die Kommunen, seien den.“ es die Tafeln oder gar die Polizei. Das können wir

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nicht wollen, das hat mit geordneter Rückkehr Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Lage ist also nichts zu tun, sondern nur mit dem Abschieben wesentlich komplexer als der Titel für Ihre Aktuelle von Kosten und Verantwortung zulasten Dritter. Stunde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, das Lassen Sie mich mit einem Zitat von Bert Brecht sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz als Teil schließen: „Ein guter Mensch sein! Ja, wer wär’s des Berliner Migrationspaketes sieht aber auch nicht gern?“ Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor, die Schwelle zur erleichterten Abschiebung spreche ich auch Herrn Seehofer nicht ab. von Straftätern abzusenken. Dieser Teil könnte ein Wir werden im Ausschuss weiterreden. Beitrag sein, die Akzeptanz der Bevölkerung ge- genüber Flüchtlingen langfristig sicherzustellen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Aus zahlreichen Gesprächen und Veranstaltungen (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei in meinen sechs Jahren als Landesbeauftragte für der CDU) Migration und Teilhabe weiß ich, dass das Thema Kriminalität von geflüchteten und auch gegen ge- Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: flüchtete Menschen besonders aufwühlt. Deshalb Vielen Dank, Frau Kollegin. - Es spricht nun für die ist es im Sinne derer, die bei uns künftig noch Zu- CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Schünemann. flucht suchen werden - und die Zahlen könnten Bitte! wieder ansteigen -, wenn Straftäter bei geringeren Strafen als bisher ausgewiesen werden können, (Vereinzelt Beifall bei der CDU) u. a. bei einer Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr, bei- Uwe Schünemann (CDU): spielsweise in Fällen von Drogenkriminalität. Auch Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen bei antisemitischen Hassstraftaten wird künftig das und Herren! Der Mitvorsitzende der Sozialdemo- Ausweisungsinteresse schwer wiegen, und das ist kratischen Partei Deutschlands hat vor Kurzem die gut so. Grünen in Verbindung mit Populismus gebracht. Sehr geehrte Damen und Herren, der Name „Ge- Wenn es noch eines Beweises bedurft hat, dann ist es die Überschrift dieser Aktuellen Stunde. ordnete-Rückkehr-Gesetz“ ist sicher ein Euphe- mismus. Das Ziel ist natürlich eine Erleichterung (Lebhafter Beifall bei der CDU - Wi- von Abschiebungen. Aber Ihren Titel „‚#HauAbGe- derspruch bei den GRÜNEN) setz‘ verhindern - Seehofers menschenrechtswid- riges Abschiebepaket im Bundesrat stoppen“ emp- Meine Damen und Herren, „#HauAbGesetz“, finde ich als sprachlich grenzwertig. „menschenrechtswidriges Abschiebepaket“: Das ist reiner Populismus, (Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der (Christian Meyer [GRÜNE]: Rechts- CDU und bei der AfD) ausschuss des Bundesrates! - Weite- re Zurufe von den GRÜNEN) Im Bundestag und hier im Landtag gehören die Grünen zur Opposition. Doch da, wo die Grünen und das ist eine Verunglimpfung von Regierungs- im Maschinenraum der Realpolitik arbeiten, spre- mitgliedern und demokratischen Fraktionen, die chen sie mit anderem Zungenschlag. nichts anderes machen, als geltendes und gespro- chenes Recht umzusetzen. Das ist genau der In unserem Nachbarland Hessen hat die grüne Punkt, um den es hier geht. Sozialministerin kürzlich noch den Versuch vertei- digt, eine hochschwangere Frau aus der Marbur- (Lebhafter Beifall bei der CDU - Anja ger Gegend, Fatima Abidi, nach Algerien abzu- Piel [GRÜNE]: Ja, so wie bei der schieben. Maut! Das haben Sie bei der Maut auch gesagt! - Christian Meyer Und der Landtag in Kiel hat im März ein Abschie- [GRÜNE]: Wie viele verfassungswid- behaftgesetz verabschiedet, das ursprünglich so- rige Gesetze haben Sie gemacht? - gar vorsah, die Menschen nachts standardmäßig Weitere Zurufe von den GRÜNEN - in ihren Zimmern einzuschließen. Das hat übrigens Glocke der Präsidentin ) die SPD-Opposition heftig kritisiert. Der Passus Sehr geehrter Herr Limburg, Sie brandmarken zu wurde gestrichen. Aber dazu mehr am Donnerstag. Recht Stilmittel wie Populismus an anderer Stelle.

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Aber Sie verspielen Ihre Glaubwürdigkeit, wenn Monate lang können beruflich Qualifizierte jetzt Sie das genau in der gleichen Weise auch in die- einen Arbeitsplatz suchen. sem Zusammenhang tun. (Christian Meyer [GRÜNE]: Er blickt ja (Christian Meyer [GRÜNE]: Bei Popu- auch nur nach rechts!) lismus sind Sie Experte!) Meine Damen und Herren, auch das ist wirtschaft- Ich sage Ihnen: Im Kampf gegen Extremismus lich vernünftig. brauchen wir alle demokratischen Kräfte. Verspie- Aber dass diejenigen, die Integrationsverweigerer len Sie nicht Ihre Glaubwürdigkeit durch solch sind, diejenigen, die ihre Identität verschleiern, einen Populismus! diejenigen, die straffällig geworden sind, in der (Lebhafter Beifall bei der CDU und Zukunft weniger Rechte und eben auch weniger Zustimmung bei der AfD) Leistungen bekommen, das ist nicht menschen- rechtswidrig, sondern gerecht - denen gegenüber, Wir stehen vor großen Herausforderungen, denen die sich rechtsstaatlich verhalten. nur mit differenzierten, sachlichen Antworten zu (Lebhafter Beifall bei der CDU und begegnen ist. Gerade mit Fake News, gerade mit Zustimmung bei der AfD) Vereinfachungen und Verkürzungen spalten wir eher unsere Gesellschaft. Selbstverständlich bekommen diejenigen, die sich total verweigert haben, nicht überhaupt keine Leis- In der Frage der Migration geht es doch darum, tungen mehr, sondern sie kommen in Sammelun- dass wir ein Miteinander brauchen, einen Zusam- terkünfte und bekommen dort Sachleistungen. menhalt und, meine Damen und Herren, gegensei- Insofern muss ich Sie, liebe Frau Schröder-Köpf, tigen Respekt. Das kann ich in dieser Form sicher- hier wirklich korrigieren. Das ist schlichtweg falsch. lich nicht erreichen. (Christian Meyer [GRÜNE]: Aha! Gro- (Beifall bei der CDU) Ko-Streit! Regieren Sie noch zusam- Worum geht es beim Migrationspaket der Großen men?) Koalition in Berlin? - Es geht um gesteuerte Zu- Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt ist: wanderung. Das kann man mit drei Punkten über- Wenn ich Rückführungshilfen nicht in Anspruch schreiben: Humanität, wirtschaftliche Erfordernisse nehme, muss ich doch damit rechnen, abgescho- und Rechtsstaatlichkeit. ben zu werden. Jeder, der als Verfolgter in unser Land kommt, (Christian Meyer [GRÜNE]: Schauen bekommt uneingeschränkten Schutz und maximale Sie mal nach links und nicht nur nach Unterstützung, damit er ein selbstbestimmtes Le- rechts!) ben in seiner neuen Heimat leben kann. Dass man dann auch tatsächlich in die Wohnung (Christian Meyer [GRÜNE]: Das sind hineingehen kann, in der ich mich verstecke, ist Fake News!) doch in Ordnung. Und dass ich, wenn ich zweimal vor der Abschiebung untergetaucht bin, in Ab- Mit dem Migrationspaket erhalten langfristig Ge- schiebehaft genommen werde, ist richtig. duldete mehr Möglichkeiten der Ausbildung. Sie erhalten jetzt eine Beschäftigungsduldung, gerade (Christian Meyer [GRÜNE]: Das müs- diejenigen, die sich nichts haben zuschulden sen Sie der linken Seite erklären!) kommen lassen. Bereits nach 30 Monaten be- Es ist auch nicht richtig, dass Kinder in Abschiebe- kommen sie einen legalen Aufenthaltstitel. Meine haft genommen werden. Auch das muss ich zu- Damen und Herren, das ist nicht menschenrechts- rückweisen. Es ist schlichtweg nicht wahr. widrig, sondern das ist vernünftig und auch human. (Zuruf von den GRÜNEN: Doch! - An- (Beifall bei der CDU - Christian Meyer ja Piel [GRÜNE]: Herr Schünemann, [GRÜNE]: Bei der SPD klatscht kei- das ist doch passiert! - Weitere Zurufe ner!) von den GRÜNEN - Glocke der Präsi- dentin) Was den Fachkräftezuzug angeht, haben wir neu geregelt, dass gerade auch Personen mit berufli- Meine Damen und Herren, zusammengenommen: cher Qualifikation zu uns kommen können. Sechs Wenn Sie ein Asylrecht wollen, das jedem, der

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„Asyl“ ruft, erlaubt, auf Dauer hierzubleiben, dann lich oder auch rechtlich in Deutschland schon inte- müssen Sie dafür politische Mehrheiten suchen. griert waren. Und ausgerechnet die, die wir als Solange es aber noch eine gesteuerte Zuwande- Gefährder bezeichnen müssen, sind wir nicht los- rung gibt, Regeln und Gesetze, muss der Staat in geworden. Dass der Gesetzgeber an dieser Stelle der Lage sein, die Einhaltung dieser Gesetze tätig werden muss, das, glaube ich, sollte uns allen durchzusetzen. Das ist meiner Ansicht nach klar sein. Rechtsstaatlichkeit. (Beifall bei der FDP und Zustimmung (Zustimmung bei der CDU) bei der SPD)

Wir werden uns für Rechtsstaatlichkeit in unserem Meine Damen und Herren, es ist auch richtig, Kon- Land einsetzen und, meine Damen und Herren, sequenzen zu ziehen, wenn ein Asylbewerber, ein auch gegen Populismus. Das will ich Ihnen eindeu- Flüchtling über seine eigene Identität täuscht. Der tig sagen: Es gibt nicht guten Populismus und erste Entwurf des Bundesministers Seehofer ging schlechten Populismus, sondern Populismus ist an dieser Stelle ganz sicher zu weit. Aber mit dem immer ein Angriff auf unsere Demokratie. Dem nach der Ressortabstimmung geänderten Entwurf werden wir uns entgegensetzen. können wir Freidemokraten jedenfalls leben.

Vielen Dank. Aber dieses Gesetz hat auch Schatten. Dass die (Lebhafter Beifall bei der CDU - Chris- Information über den Ablauf einer Abschiebung tian Meyer [GRÜNE]: Es sprach der nun strafrechtlich als Geheimnis eingeordnet wird, Populismusexperte! Mit Populismus das ist auf jeden Fall ein großes Problem. kennen Sie sich aus!) (Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN) Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Vielen Dank. - Jetzt kehrt wieder Ruhe ein. Zunächst einmal ist es Aufgabe einer Behörde, die eigene Organisation so zu strukturieren, dass die Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Vertraulichkeit tatsächlich gewahrt wird. An dieser Genthe. Stelle mit dem Strafrecht zu kommen - dem (Unruhe) schärfsten Schwert eines Staates -, halte ich für total überzogen. - Ich darf noch einmal um etwas Ruhe bitten. - Vielen Dank. - Bitte, Herr Dr. Genthe! Das führt im Übrigen schnell zu einem Problem, vor dem Rechtsanwälte stehen können. Wenn sie Dr. Marco Genthe (FDP): Informationen über die Organisation der Abschie- bung erhalten - aus welcher Quelle auch immer -, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die müssen sie sich fragen, ob sie das ihrem Mandan- Art und Weise der Debatte eben zeigt, glaube ich, ten überhaupt mitteilen dürfen bzw. ob sie das ganz deutlich, wie wir im Bereich des Ausländer- ihrem Mandanten sogar mitteilen müssen, damit er rechtes nicht diskutieren sollten. Rechtsbehelfe einlegen kann. Ich versuche lieber, bei Frau Schröder-Köpf einzu- steigen, ein bisschen in medias res zu gehen und Ein weiteres Problem, das hier auch schon ange- das Gesetz zu betrachten. Dieses Gesetz hat näm- sprochen wurde, ist die Unterbringung von Ab- lich für uns Freidemokraten sowohl Licht als auch schiebehäftlingen in Justizvollzugsanstalten. Meine Schatten. Damen und Herren, es gibt ein Abstandsgebot. Abschiebehäftlinge sind keine Straftäter. Es ist doch richtig, sich damit zu beschäftigen, wie Aufenthaltsbeendigungen zu organisieren sind. Es (Beifall bei der FDP und bei den ist auch richtig, sich damit zu beschäftigen, wie GRÜNEN) Überstellungen in andere europäische Länder zu Das bedeutet, dass die Tagesgestaltung eine an- organisieren sind. Es ist auch richtig, darüber zu dere sein muss, dass die Besuchsregelung eine diskutieren und zu regeln, wie Abschiebungen in andere sein muss und dass sie eigentlich auch in Heimatländer zu organisieren sind. Wir haben anderen Gebäuden untergebracht werden müss- nämlich viel zu oft das Problem gehabt, dass die ten. Und da sehe ich erhebliche organisatorische Falschen abgeschoben wurden. Zum Teil mussten Probleme auf uns zukommen. ausgerechnet die gehen, die sprachlich, wirtschaft-

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Meine Damen und Herren, wir Freie Demokraten An verschiedensten Stellen haben wir über die stehen dafür ein, das Ausländerrecht konzeptionell Probleme der Abschiebung gesprochen und fest- in einem einheitlichen Gesetz zu regeln. Zurzeit ist gestellt, dass Abschiebungen sehr häufig nicht die Handhabung in den einzelnen Bundesländern - funktionieren. Monatlich kommen ca. 15 000 Men- und zum Teil sogar innerhalb eines einzelnen schen - also ca. 180 000 Menschen pro Jahr - zu Bundeslandes - völlig unterschiedlich. Aber das uns. Wir schieben etwa 25 000 Personen ab, und darf nicht sein. Es darf nicht sein, dass Abschiebe- ca. 31 000 Abschiebungen funktionieren gar nicht entscheidungen vom Zufall abhängen, wo in erst. Deutschland ein Asylbewerber sich gerade befin- Sehr viele Asylbewerber bleiben langfristig in unse- det: im Norden, im Süden, im Westen oder im Os- ren Sozialsystemen und leben ausschließlich von ten. Viel besser wäre es - und das ist auch unser Hartz IV und Transfergeldern. Ich frage Sie allen Vorschlag im Bundestag gewesen -, wenn für die Ernstes: Wo soll das hinführen, meine Damen und Aufenthaltsbeendigung der Bund zuständig wäre, Herren? um eine einheitliche Handhabung in Deutschland sicherzustellen. Wir haben zudem das Problem der Kriminalität mancher Asylbewerber und das Problem des zu- Meine Damen und Herren, ob dieses Gesetz allen gewanderten islamistischen Terrors. Wir haben Ansprüchen genügt, wird sich zeigen. Für uns das Problem der zugewanderten Clans und das jedenfalls hat es eine ganze Menge Licht, aber Problem der zig Milliarden Kosten. Und genau das eben auch eine ganze Menge Schatten. versucht der CSU-Innenminister zumindest etwas Vielen Dank. in den Griff zu bekommen. (Beifall bei der FDP und bei den Warum ist das für Grüne und Teile der SPD kein GRÜNEN) Argument? - Die Gesetze schreiben vor, dass Menschen nach einem abgelehnten Asylantrag Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: unser Land wieder zu verlassen haben. So ist die Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Für die AfD- Rechtslage. Es geht hier also darum, das Gesetz Fraktion spricht nun Herr Abgeordneter Ahrends. wieder durchzusetzen - Gesetze, die Gott sei Dank Bitte, Herr Kollege. in diesem Land noch Gültigkeit haben. Asyl zu gewähren, meine Damen und Herren von den Jens Ahrends (AfD): Grünen, ist kein automatisches Menschenrecht, sondern eine zeitlich begrenzte Maßnahme, die Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und unser Land Menschen freiwillig und großzügig Herren! Selten musste ich meinen Vorrednern so zukommen lässt. viel Applaus spenden. Eines der Hauptprobleme bei der Abschiebung ist, Der Titel dieser Aktuellen Stunde macht mich dass die entsprechenden Personen nicht angetrof- nachdenklich. Zum einen übernehmen Sie von den fen werden. Hier gilt es also sicherzustellen, dass Grünen diesen sehr kindlichen Titel „#HauAbGe- die Abzuschiebenden vor ihrer Abholung so unter- setz“, und zum anderen wollen Sie Minister See- gebracht sind, dass man auch weiß, wo man sie hofers Vorstoß, das von Ihnen bezeichnete „men- abholen kann. Wenn dafür keine Kapazitäten vor- schenrechtswidrige Abschiebepaket“, im Bundes- handen sind, müssen diese geschaffen werden. rat stoppen. - Ich persönlich empfinde es als Das haben wir von der AfD-Fraktion bereits im Frechheit, die Maßnahmen des Bundesministers November-Plenum 2018 gefordert. Übergangswei- und der Koalition aus Union und SPD als „men- se können diese Personen in Justizvollzugsanstal- schenrechtswidrig“ zu bezeichnen. ten untergebracht werden - natürlich getrennt von Das Recht auf Asyl ist im Grundgesetz in Arti- den Straftätern. Was ist so schlimm daran? kel 16 a geregelt. In Absatz 2 steht ausdrücklich, Es ist doch keinem Steuerzahler zu vermitteln, dass, wer aus einem sicheren Herkunftsland dass Menschen, die kein Anrecht auf Asyl haben kommt, keinen Anspruch auf Asyl hat. Nur weniger und vollziehbar ausreisepflichtig sind, die sich ihrer als 1 % aller Menschen, die die Regierung in unser Abschiebung widersetzen oder entziehen, immer Land gelassen hat, hat laut unserem Grundgesetz noch Geld von diesem Staat bekommen. Das einen Anspruch auf Asyl. Und trotzdem sind ca. Streichen von staatlichen Leistungen ist eine logi- 2 Millionen Menschen, von denen ca. 240 000 aus- sche Konsequenz für die Menschen, die in einem reisepflichtig sind, in unserem Land. anderen Land bereits Schutz bekommen haben.

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Diese Menschen sind ja nicht wegen des Geldes Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: hier, sondern weil sie angeblich verfolgt werden - Vielen Dank. - Für die Landesregierung hat nun oder etwa nicht? Wenn sie also in einem sicheren Herr Innenminister Pistorius das Wort. Bitte! Land bereits Schutz bekommen haben, dann soll- ten sie auch bitte schön dorthin wieder zurückge- (Unruhe) hen und nicht hier nach Deutschland kommen, nur weil wir eventuell etwas mehr Geld als andere - Einen Moment, bitte, Herr Minister! - Ich darf um etwas Aufmerksamkeit bitten. - Danke, Herr sichere Länder zahlen. Dr. Birkner. Und wer uns über seine Identität täuscht oder wer sich weigert, bei der Beschaffung von Ersatzpapie- Bitte, Herr Minister! ren zu unterstützen, bekommt einen verminderten Duldungsschutz. Die Frage, die sich mir und vielen Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: Bürgern stellt, lautet: Warum haben so wenige Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Migranten ihre Pässe dabei? Jeder hat sein Handy Herren! In den vergangenen Wochen ist viel über mit, aber niemand hat irgendwann zuvor seinen das nun vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Pass fotografiert. Dabei ist das doch das, was viele besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht disku- Urlauber im Ausland machen. tiert worden. Das ist richtig und wichtig; denn das Gesetz ist ein wichtiger Schritt im Bereich der Asyl- Ich erinnere Sie auch daran, dass im Fall von Ali und Migrationspolitik. Bashar - dem Mörder der 14-jährigen Susanna - über Nacht Ersatzpapiere beschafft werden konn- Gerade weil es ein so wichtiges Thema ist, sollte ten, damit er Deutschland verlassen kann. Deut- sich jede und jeder davor hüten, zu polemisieren sche ohne Pass bekommen ein Bußgeld; Migran- und leichtfertig zuzuspitzen. Die Ereignisse der ten ohne Pass bekommen ein Taschengeld - das letzten Wochen haben deutlich gemacht, wohin ist niemandem, der Steuern zahlt, noch zu vermit- das führen kann. teln, meine Damen und Herren! Wenn ich mir den Titel dieser Aktuellen Stunde (Beifall bei der AfD) anschaue, dann scheinen allerdings nicht alle die- Nach unserer Auffassung muss dringend auf Sach- se Meinung zu teilen. Bevor ich in meiner Rede auf leistungen umgestellt werden. die Inhalte im Einzelnen eingehe, sage ich an die Kolleginnen und Kollegen und Freundinnen und Eines ist doch klar: Wenn entschieden wurde, dass Freunde von den Grünen gerichtet: Nicht jede Personen keinen Anspruch auf Asyl haben und Zuspitzung hilft der inhaltlichen Auseinanderset- dass diese abzuschieben sind, dann müssen Be- zung über eine notwendige Frage. hördenmitarbeiter, die den Asylbewerber vor dem Termin der Abschiebung warnen, sanktioniert wer- (Christian Meyer [GRÜNE]: Was war den. Aber auch das geschieht nicht in jedem Fall. denn mit Herrn Schünemann? - Zuruf von Helge Limburg [GRÜNE]) Menschenrechtsverletzungen können wir bei die- sem Gesetz nicht feststellen. Umso mehr stellen Der Titel dieser Aktuellen Stunde war mit Sicher- wir fest, dass dieses Gesetz von Minister Seehofer heit keine glückliche Wahl - so viel will ich mal nur der erste richtige Schritt in eine richtige Rich- sagen. tung ist. Es muss noch einiges geschehen, bis wir (Beifall bei der SPD und Zustimmung die Migration wieder unter Kontrolle haben. von der CDU) Ein Anfang wäre es z. B., die Grenzen zu kontrol- Ich möchte die Inhalte dieses Gesetzes in den lieren und niemanden ohne Pass in unser Land zu Vordergrund stellen. lassen - zumindest solange nicht, wie wir die Men- schen ohne Pass nicht abschieben können. Erst Das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Aus- wenn wir die Abschiebung wieder im Griff haben, reisepflicht ist ein Kompromiss. Es ist ein Kom- können wir weitere Migranten aufnehmen. Ansons- promiss, mit dem ich leben kann. Ich bin allerdings ten wird unser Sozialsystem langfristig kollabieren. der Auffassung, dass bei diesem Gesetzesvorha- ben zu sehr auf das Tempo gedrückt wurde. Es Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. wäre besser gewesen, noch ein wenig mehr Raum (Beifall bei der AfD) für Diskussionen zu lassen.

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Umso wichtiger ist für mich Folgendes - darauf will hauptet, verdreht die Wahrheit. Es ist keine Straf- ich sehr deutlich hinweisen, weil das in der Be- haft, die hier vorgesehen ist, sondern es ist eine schreibung dessen, was hier geschehen ist, gerne Abschiebungshaft. Und zweitens ist Niedersach- übersehen wird -: Schon unmittelbar nach Vorlage sen von der Regelung, die der Bund getroffen hat, des ersten Referentenentwurfs haben wir, die überhaupt nicht betroffen; denn wir haben 48 Ab- A-Länder, Kritik und Änderungswünsche vorgetra- schiebungshaftplätze, die wir übrigens immer wie- gen und auch durchbringen können. Es ist uns der und gerne auch Bundesländern zur Verfügung dadurch gelungen, den ursprünglichen Entwurf an stellen, die keine eigenen Abschiebungshaftplätze wichtigen Punkten zu entschärfen. Wir haben ge- haben. Ich weiß also gar nicht, wohin die Diskussi- meinsam dafür gesorgt, dass bei diesem Gesetz on hier führen soll. am Ende nicht überzogen wird. Gleichzeitig ist ein (Helge Limburg [GRÜNE]: Die Dis- Gesetz entstanden, das in einigen Fragen zu Ver- kussion soll verhindern, dass es zu besserungen bei Abschiebungen führen kann. Ich einem rechtswidrigen Gesetz kommt!) nenne einige Beispiele: Die ursprünglich geplante Regelung zu einer „Dul- Eine weitere Anmerkung: In Niedersachsen wurde dung light“ wurde sehr deutlich abgeschwächt; und wird auch in Zukunft keine Familie in Abschie- Marco Genthe hat darauf hingewiesen. Im Kern bungshaft genommen - anders als in anderen geht es jetzt darum, sich auf diejenigen zu kon- Bundesländern. Auch das will ich noch einmal zentrieren, die durch Täuschung oder mangelnde deutlich sagen, meine Damen und Herren. Mitwirkung bei der Identitätsklärung oder Passbe- (Zustimmung bei der SPD - Helge schaffung ihre Abschiebung selbst verhindern. Limburg [GRÜNE]: Jetzt widerspre- Unter die ursprüngliche Regelung wären bei- chen Sie Herrn Schünemann!) spielsweise auch all diejenigen Menschen gefallen, die irgendwann einmal falsche Angaben gemacht Ich will hier nur daran erinnern, dass ich schon seit haben. Jetzt hingegen sind die Voraussetzungen, meinem Amtsantritt im Jahr 2013 immer von den wann die Betroffenen wieder eine normale Dul- zwei Seiten der Flüchtlingspolitik gesprochen ha- dung bekommen können, klar definiert. Es gibt be. Das können Sie nachlesen; auch Herr Limburg also einen Weg zurück und damit letztlich auch kann das nachlesen. Auf der einen Seite ist es Perspektiven für ein Bleiberecht. Die Betroffenen notwendig, richtig und geboten, denjenigen, die haben dann auch Zugang zum Arbeitsmarkt und einen Schutzanspruch haben, die vor Krieg, Ge- zu Integrationsmaßnahmen. Und genau das sind walt und Verfolgung fliehen, den nötigen Schutz die Maßnahmen, die erforderlich sind, um ein Pre- und eine Bleibeperspektive zu bieten. Dazu gehö- kariat von Flüchtlingen zu verhindern, meine Da- ren natürlich auch intensive Bemühungen um In- men und Herren! Es ist richtig, dass Ausländerin- tegration. Aber auf der anderen Seite - auch das nen und Ausländer bisheriges Fehlverhalten bei habe ich als Minister schon seit 2013 gesagt - der Identitätsklärung korrigieren können, indem sie müssen wir auch diejenigen, die keine Bleibeper- Mitwirkungshandlungen nachholen. Das heißt, spektive haben, in ihre Heimatländer zurückführen. Sanktionen fallen weg, und sie haben wieder eine Das gilt übrigens erst recht für diejenigen, die volle Duldung. schwere Straftaten begangen haben. Zudem war im ersten Entwurf eine Art Beugehaft Das sind die eindeutigen Anforderungen, die der vorgesehen, die wir von Anfang an als unverhält- Rechtsstaat an uns stellt und denen wir gerecht nismäßig und ineffektiv zurückgewiesen haben. werden müssen, meine Damen und Herren. Diese Stattdessen gibt es im Gesetz jetzt nur noch eine Aufgabe müssen wir wahrnehmen, und zwar so sogenannte Mitwirkungshaft. Diese Mitwirkungs- humanitär wie möglich und so konsequent wie haft kann überhaupt nur in sehr, sehr seltenen nötig. Das hat schlicht und einfach auch etwas mit Einzelfällen zum Einsatz kommen, nämlich dann, Glaubwürdigkeit zu tun. wenn sich Personen ihrer Mitwirkungspflicht zur Viele der nun beschlossenen Regelungen greifen Identitätsklärung entziehen. Konkret soll die Mit- an den Stellen, an denen es deutliche Schwierig- wirkungshaft es z. B. ermöglichen, sie einer Exper- keiten gibt. Dazu gehört, dass Abschiebungen tenanhörung zuzuführen. immer wieder daran scheitern, dass die Betroffe- Zwei Bemerkungen zur Abschiebungshaft, wie es nen nicht angetroffen wurden, ihre Papiere nicht übrigens korrekt heißt: Sie ist erstens keine Straf- vorhanden waren oder sie nicht ausreichend oder haft, und jeder, der fahrlässig etwas anders be- gar nicht bei ihrer Identitätsklärung mitgeholfen

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haben. Das Gesetz sieht nun klare Regelungen Es ist das klare gesetzliche Bekenntnis, dass vor. Es wurden beispielsweise gesetzliche Mitwir- Deutschland ein Einwanderungsland ist und Ein- kungspflichten bei der Identitätsklärung und der wanderung aktiv steuern und gestalten muss. Wir Passbeschaffung weiter konkretisiert. Künftig wird schaffen viele wichtige Regelungen für die Men- dadurch - anders als bisher - klar und rechtssicher schen, die zu uns kommen wollen, um zu arbeiten. unterschieden zwischen denen, die bewusst ihre Das ist ein wichtiger und aus sozialdemokratischer Identität verschleiern, und denen, die unverschul- Sicht längst überfälliger Schritt. det in dieser Situation sind. Das ist dann eine Fra- (Beifall bei der SPD) ge der Fairness. Meine Damen und Herren der Fraktion Bünd- Natürlich gibt es auch Punkte, die ich mir im Er- nis 90/Die Grünen, natürlich ist es legitim, wenn gebnis anders gewünscht hätte, oder die mir, um Sie als Opposition dieses Gesetz und die Dinge es deutlich zu sagen, nicht gefallen. Die Einstel- insgesamt anders sehen als die Landesregierung. lung von Leistungen nach zwei Wochen an Aus- länderinnen und Ausländer, die in anderen EU- (Helge Limburg [GRÜNE]: Das ist Mitgliedstaaten eine Schutzanerkennung haben, aber generös! - Anja Piel [GRÜNE]: ist hierfür ein Beispiel. Frau Schröder-Köpf hat es Das brauchen Sie uns nicht zu sagen! komplett richtig dargestellt. Nach zwei Wochen - Gegenruf von Wiard Siebels [SPD]: bekommen diese Menschen keine Leistungen Und wenn er das nicht sagt, ist wieder mehr, nur noch in Härtefällen. Das ist die klare Alarm!) gesetzliche Regelung. Ich halte sie für falsch. Ich - Ach, seien Sie doch nicht so empfindlich! Ich bin halte sie auch für verfassungsrechtlich sehr be- doch ganz ruhig mit Ihnen. denklich, meine Damen und Herren. (Unruhe - Glocke der Präsidentin) (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Meyer [GRÜNE]: Ich sage aber noch einmal: Auch Abschiebungen Da soll Schünemann mal seine Un- gehören zu einer verantwortungsvollen Politik, ob wahrheit zurücknehmen!) uns das gefällt oder nicht. Wir müssen gewährleis- ten, dass die Akzeptanz für eine humanitäre Ich will aber auch darauf hinweisen - weil hier der Flüchtlingspolitik, wie wir sie gemeinsam verste- Eindruck erweckt wird, wir blieben untätig -: Wir hen, erhalten bleibt. haben im Innenausschuss des Bundesrats einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht, der (Zuruf von Anja Piel [GRÜNE]) aber leider keine Mehrheit gefunden hat. Seien Sie Das, liebe Frau Piel, sehen übrigens auch viele sicher: Ich werde jetzt dafür eintreten, dass bei der Ihrer Parteikollegen so, zumindest diejenigen, die verwaltungspraktischen Anwendung der Spielraum in anderen Ländern Regierungsverantwortung genutzt wird, der zur Verfügung steht. tragen. Sogar Ihre Bundesvorsitzende Annalena Meine Damen und Herren, das Gesetz zur besse- Baerbock hat eingeräumt, dass geltendes Recht ren Durchsetzung der Ausreisepflicht ist nur ein angewandt und auch bei Rückführungen der Element dieses Gesetzespakets. Mit diesem Paket Rechtsstaat durchgesetzt werden müsse. Auch bin ich insgesamt einigermaßen zufrieden, und das das grün regierte Baden-Württemberg folgt dieser nicht nur, weil wir in vielen Punkten eine Verbesse- Linie. rung des Vollzugs bei Rückführungen erreichen (Anja Piel [GRÜNE]: Das ist doch gar können, gleichzeitig aber auch faire und verlässli- nicht strittig! Das ist nicht der Punkt, che Bedingungen schaffen, die in Deutschland um Herr Pistorius! - Unruhe - Glocke der Aufnahme bitten. Präsidentin) Erstmals, meine Damen und Herren, in der Ge- Erst Ende des letzten Jahres hat die Ministerpräsi- schichte Deutschlands gibt es ein echtes Einwan- dentenkonferenz einstimmig einen Beschluss zur derungsgesetz. Das ist ein Meilenstein der Migrati- Ausländer- und Flüchtlingspolitik gefasst. Mit die- onspolitik. Es ist höchste Zeit, dass sich durch sem Beschluss hat sich auch der grüne Minister- dieses Gesetz die politischen Ansichten der Reali- präsident Kretschmann für eine deutliche Ver- tät anpassen. schärfung des Ausweisungsrechts und eine kon- sequente Anwendung von Leistungskürzungen (Beifall bei der SPD) sowie für erweiterte Möglichkeiten zur Klärung und

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Feststellung der Identität ausgesprochen. Auch in Denselben Vorwurf müssten Sie dann im Grunde Hessen sind die in Regierungsverantwortung ste- auch der Menschenrechtskommissarin des Euro- henden Grünen in dieser Hinsicht ziemlich unmiss- parats machen; denn auch sie hat sich in die De- verständlich. Auch hier gilt offenbar: Das Sein be- batte im Bundestag eingeschaltet, und zwar mit stimmt das Bewusstsein, je nach dem, auf wel- der Sorge, dass die Meinungsfreiheit und die sozi- chem Stuhl man in einem Parlament Platz nimmt. ale Bindung der Menschen massiv bedroht sind. Sie hat genau dieselben Kritikpunkte angebracht, Das zeigt doch, wie komplex und vielschichtig das die auch ich hier angebracht habe. Thema ist! Beim Thema Flüchtlingspolitik ist nie- mandem geholfen, wenn wir in dieser wichtigen (Beifall bei den GRÜNEN) Frage pauschalieren, polemisieren und dringende Handlungsbedarfe ignorieren. Nicht der Politik Zu der Kritik an der Regelung zu den Sozialleis- nützt das, nicht den vielen Menschen, die sich für tungen, die Frau Schröder-Köpf hier noch einmal Flüchtlinge und Asylbewerber einsetzen, und erst sehr gut dargestellt hat - nämlich das Herabsetzen recht nicht den Menschen, die zu uns kommen. auf null -, möchte ich auf das Urteil des Bundesver- fassungsgerichts aus dem Jahr 2012 hinweisen, Lassen Sie uns deshalb bitte weiter an der Sache das ich eben schon erwähnt habe: Das Existenz- arbeiten! Lassen Sie uns weiter nach den Vorga- minimum lässt sich nicht migrationspolitisch relati- ben handeln, die der Rechtsstaat macht, so wie wir vieren, meine sehr geehrten Damen und Herren. es seit Jahren in Niedersachsen tun. Davon wer- Aber genau das geschieht eben mit diesem Ge- den wir - so viel kann ich sagen - auch in Zukunft setz! keinen Millimeter abweichen. Niedersachsen wird seiner humanitären Linie in der Flüchtlingspolitik (Beifall bei den GRÜNEN) weiter treu bleiben und sich weiter an dem Prinzip der Ausgewogenheit und der Besonnenheit orien- Deshalb hat auch der Bundesrat in einem weiter- tieren. gehenden Kritikpunkt am 17. Mai eingefordert, dass das Kindeswohl stärker berücksichtigt wird. Vielen Dank. Herr Schünemann, Sie behaupten hier die Un- (Beifall bei der SPD und Zustimmung wahrheit, wenn Sie sagen, dass Kinder und Fami- bei der CDU) lien nicht betroffen sind. Schauen Sie bitte in die Vorlage, § 62 Abs. 1 Satz 3 des Aufenthaltsgeset- zes! Dort finden Sie die entsprechende Regelung. Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Was Sie hier in den Raum gestellt haben, ist die Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Noch einmal Unwahrheit. um das Wort gebeten, nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung, hat Herr Kollege Onay. Herr (Beifall bei den GRÜNEN - Helge Minister Pistorius hat um fünf Minuten überzogen. Limburg [GRÜNE]: Sie haben die Un- Die gleiche Redezeit erhalten auch Sie. Bitte! wahrheit gesagt, Herr Schünemann!)

Belit Onay (GRÜNE): Herr Minister Pistorius, ich möchte auch Ihrem Satz widersprechen, dass mit Abschiebungen die Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Akzeptanz für die Migrationspolitik gesteigert wird. und Kollegen! Ich halte erst einmal fest, dass sich Das ist nicht der springende Punkt. Wir haben hier Herr Kollege Schünemann den Satz des Kollegen in Niedersachsen sowohl in der Vergangenheit als Schäfer-Gümbel zu Eigen gemacht hat, der einen auch aktuell einen Vorschlag vorgelegt, der zeigt, Bezug zwischen Grünen und AfD hergestellt hat. wie wir uns das vorstellen. Es geht darum, im Das werden wir für die weitere Diskussion in Erin- Rahmen der rechtlichen Gegebenheiten zu han- nerung behalten. deln. Und ich weise auch noch einmal darauf hin: Aber ich greife auch gerne Ihren Hinweis zum Po- Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind nicht pulismus auf. Sie haben uns hier Populismus vor- gottgegeben, sondern sie werden von Parlamen- geworfen. ten, vom Bundestag und vom Landtag, gemacht und von den ausführenden Stellen umgesetzt. (Jens Nacke [CDU]: Wir besprechen das dann im Ältestenrat! - Gegenruf (Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von von Helge Limburg [GRÜNE]: Hör mal Johanne Modder [SPD] und Jens Na- zu, Jens!) cke [CDU] - Unruhe)

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Wir haben es in der Hand, hier klare Kante gegen einmal zusammengerauscht sind. Heute ist es eine Verschiebung nach rechts zu zeigen. aber der Fall.

Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Es ist sicher schwierig für jemanden wie Sie, der im Innenministerium gearbeitet hat und sich sozu- Einen Moment bitte, Herr Kollege Onay! Die Rede- sagen als Erfahrungsjurist empfindet, die Sachen zeit wird angehalten. Sie haben noch ausreichend zu bewerten. Ich bin keine Juristin. Also habe ich Zeit. - Ich möchte wirklich darum bitten, dass wir echte Juristinnen und Juristen gefragt, was es mit alle Herrn Onay die Möglichkeit geben, dass wir der Einführung des § 1 Abs. 4 Asylbewerberleis- ihn auch hier verstehen. tungsgesetz auf sich hat. Und diese Juristinnen Bitte! und Juristen haben mir gesagt - ich möchte das einmal zitieren -: Für vollziehbar ausreisepflichtige (Ulrich Watermann [SPD]: Ich kann Menschen mit Schutzstatus in einem anderen EU- ihn nur hören, verstehen kann ich ihn Mitgliedstaat oder Drittstaat wird eine vollständige nicht!) Leistungskürzung auf null vorgesehen. - Danke, Herr Watermann, für diesen hilfreichen Kommentar, aber jetzt hat Herr Onay das Wort. (Helge Limburg [GRÜNE]: So! Das ist die Wahrheit!)

Belit Onay (GRÜNE): Das ist das, was Juristinnen und Juristen sagen. Aber vielleicht ist dieser letzte Satz verständlich: Ich weiß nicht, welchen beruflichen Hintergrund Ich greife gern den Appell auf, hier klare Kante ge- Sie haben. gen rechts zu zeigen. „Klare Kante gegen rechts“ gilt nämlich auch, wenn Gesetze diskutiert werden. (Beifall bei der SPD und bei den Es darf keinen Raum für Vorschläge und Forde- GRÜNEN) rungen von weit rechts geben, die wie u. a. auch Wir werden in Niedersachsen natürlich nicht zulas- bei diesem Gesetzespaket zu einer massiven Ver- sen, dass die Menschen hungern müssen. Aber schiebung nach rechts führen. das werden dann eben andere machen: Es wer- Vielen Dank. den andere die Kosten tragen müssen, es werden sich andere verantwortlich fühlen müssen. Das (Beifall bei den GRÜNEN) habe ich erwähnt.

Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: Ich finde es nicht anständig, was dort in der bun- Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Weitere Wort- desgesetzlichen Regelung vorgesehen ist, und das meldungen zur Aussprache liegen nicht vor. werde ich auch so wiederholen. Wenn Sie da an- dere juristische Interpretationen haben, dann erklä- Es gibt jetzt noch eine Wortmeldung von Frau ren Sie jetzt, vor welchem Hintergrund Sie das hier Schröder-Köpf, und zwar zu einer persönlichen gesagt haben! Bemerkung nach § 76 unserer Geschäftsordnung. Frau Kollegin, Sie sind mit dem Inhalt vertraut. (Beifall bei der SPD und bei den Bitte! GRÜNEN)

Doris Schröder-Köpf (SPD): Vizepräsident Bernd Busemann: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- Vielen Dank, Frau Kollegin Schröder-Köpf. ten Damen und Herren! Ich hatte versucht, einen etwas anderen Ton anzuschlagen und einen ande- (Uwe Schünemann [CDU] meldet sich ren Stil zu finden - vor dem Hintergrund des Mor- zu Wort) des an Ihrem Parteifreund. Es scheint aber nicht - Herr Schünemann, unter welchem Aspekt? gelungen zu sein. (Vizepräsident Bernd Busemann über- (Uwe Schünemann [CDU]: Persönli- nimmt den Vorsitz) che Bemerkung!) Herr Schünemann, Sie sind persönlich geworden, - Persönliche Bemerkung. Dann ist das okay. Bitte! deswegen werde ich das jetzt auch. Es ist eigent- (Imke Byl [GRÜNE]: Eine Entschuldi- lich ein Wunder - seit dem Wahlkampf 2012 sind gung wäre angebracht!) wir uns oft begegnet -, dass wir nicht schon früher

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Uwe Schünemann (CDU): Vizepräsident Bernd Busemann: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Vielen Dank, Herr Kollege Schünemann. - Das Herren! Liebe Frau Schröder-Köpf, ich habe mich waren zwei persönliche Bemerkungen unter Aufar- zu denjenigen geäußert, die noch keinen Schutz- beitung der Sachdebatte, aber das eine hat mit status haben, und da habe ich gesagt, dass es dem anderen möglicherweise zu tun. durchaus in Sammelunterkünften Sachleistungen (Unruhe) gibt. Wenn man sich, wie Sie es getan haben, auf den Paragrafen bezieht, wonach man schon in Mir liegen zu diesem Tagesordnungspunkt, zu einem anderen europäischen Land einen Schutz- dieser Aktuelle Stunde keine weiteren Wortmel- status erhalten hat - wenn man z. B. in Griechen- dungen vor. Wenn jetzt die notwendige Ruhe ein- land Asyl bekommen hat und dann wieder nach gekehrt ist, können wir fortsetzen. Deutschland gekommen ist -, dann ist es richtig, Ich rufe auf den dass man nach zwei Wochen, wie es der Innenmi- nister gesagt hat, Tagesordnungspunkt 17: (Johanne Modder [SPD]: Ausgehun- Abschließende Beratung: gert wieder zurückfährt!) Die Hälfte der Macht den Frauen! - Enquete- keine Leistungen mehr bekommt, es sei denn, es kommission für ein niedersächsisches Parité- handelt sich um einen Härtefall. Gesetz - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- nen - Drs. 18/3244 - Beschlussempfehlung des (Johanne Modder [SPD]: Genau! Jetzt Ältestenrates - Drs. 18/3946 sind wir bei der Wahrheit!)

Ich sage Ihnen: Es gibt in dem Zusammenhang Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, den Antrag abzu- auch überhaupt kein Abschiebungshindernis, weil lehnen. das Asyl in dem Land schon gegeben ist. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. (Christian Meyer [GRÜNE]: Sie lassen Wir treten in die Beratung ein. Für die antragstel- die hungern! - Anja Piel [GRÜNE]: Die lende Seite hat sich die Fraktionsvorsitzende Frau können dann hier auf der Straße ver- Kollegin Piel gemeldet. Bitte sehr, ich erteile Ihnen hungern, Herr Schünemann! Dann das Wort! sagen Sie das doch auch so! Frau Schröder-Köpf hat recht!) Anja Piel (GRÜNE): Deshalb ist es meiner Ansicht nach durchaus rich- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr tig, dass man alles daransetzt, dass diejenigen, die geehrte Frau Kollegin Modder, im Januar haben einen Schutzstatus erhalten haben, wieder in das Sie ein flammendes Plädoyer für ein Parité-Gesetz entsprechende Land zurückgehen. Und in dem gehalten. Sie haben gesagt, dass Sie nicht länger Zusammenhang ist gesagt worden, dass die Leis- vertröstet werden wollen und dass es Zeit ist für tungen zurückgefahren worden sind - nur zu dem Veränderungen, dass wir Frauen uns solidarisieren Punkt, dass man wieder, beispielsweise nach und Widerstände überwinden müssen. Griechenland, zurückgeführt wird. (Johanne Modder [SPD]: Genau!) (Johanne Modder [SPD]: Dann kann Sie haben berühmte Sozialdemokratinnen zitiert, man ohne Essen wieder zurück und die vor 100 Jahren das Wahlrecht erkämpft und dann hungern!) vor 70 Jahren für Artikel 3 des Grundgesetzes gestritten haben. Ich frage Sie, Frau Modder: Was Das ist meiner Ansicht nach der richtige Punkt, und würden Elisabeth Selbert, Clara Zetkin und Marie wenn das hier falsch interpretiert worden ist, bitte Juchacz wohl sagen, wenn sie diese Debatte heu- ich um Entschuldigung. Aber das ist der Sach- te verfolgen könnten? - Über die letzte Debatte stand, und ich halte das fachlich auch für völlig in hätten sie sich wahrscheinlich sehr gewundert. Ordnung. (Zustimmung bei den GRÜNEN) (Beifall bei der CDU und Zustimmung Ich bin mir sehr sicher: Diese Frauen würden nicht bei der AfD) begreifen, dass dieses Parlament auch nach 100

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Jahren Frauenwahlrecht und 70 Jahren Grundge- (Beifall bei den GRÜNEN) setz noch immer zu zwei Dritteln aus Männern Wir haben Ihnen dafür ein Angebot gemacht, wir besteht. haben die Hand ausgestreckt, wir haben eine En- (Beifall bei den GRÜNEN) quetekommission vorgeschlagen. Und nein: Wir wollten damit keinen Keil in die Koalition treiben. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Weil, Das haben wir eben schon gesagt. Und das wäre (Christian Meyer [GRÜNE]: Er ist nicht auch völlig unnötig, weil Sie die Keile schon alle da!) selbst hineingetrieben haben. im Januar dieses Jahres haben Sie gesagt: (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN) „Wir müssen mit Bedauern, aber nüchtern Was wir wollen, ist, die Hälfte der Macht den Frau- feststellen, dass es ohne entsprechende en zu geben, weil sie ihnen schon viel zu lange Vorgaben nicht gelingt, dass Männer und verwehrt ist. Wenn Sie diesen Weg heute tatsäch- Frauen in gleichem Maße in den Parlamen- lich nicht mitgehen wollen und unsere ausgestreck- ten vertreten sind.“ te Hand an dieser Stelle ausschlagen, kann ich - Das ist richtig, Herr Weil. Ihnen, Frau Modder, und Herrn Weil, der sicherlich Wichtigeres zu tun hat, nur Danke sagen. Danke (Christian Meyer [GRÜNE]: Der ist für nichts! nicht da!) (Beifall bei den GRÜNEN) - Er verlässt den Saal, um die Quote herzustellen, weil er nämlich an der Stelle einfach nichts getan Vizepräsident Bernd Busemann: hat, um mit unserem Antrag zu versuchen, eine Basis für die Debatte zu schaffen. Vielen Dank, Frau Kollegin Piel. - Es hat sich jetzt die Kollegin Dana Guth für die Fraktion der AfD (Beifall bei den GRÜNEN) gemeldet. Bitte sehr! Sehr geehrte Frau Kollegin Modder, in einer Pres- semitteilung vom 18. Januar sagen Sie: Dana Guth (AfD): Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Da- „Die Sozialdemokratie ist nach wie vor die men und Herren! Zuerst möchte ich mich ganz treibende Kraft für die Gleichberechtigung herzlich bedanken, dass das beratende Gremium von Mann und Frau.“ zu dem Ergebnis gekommen ist, den vorliegenden (Johanne Modder [SPD]: Genau!) Antrag zur Ablehnung zu empfehlen. - Ja, aber wo bleibt denn die entsprechende par- Die Verhinderung eines weiteren kostenträchtigen lamentarische Initiative der Sozialdemokratie? Projektes, welches nur das Ziel haben kann, einen (Beifall bei den GRÜNEN) Weg zu finden, um bestehende Wahlgesetze so zu verbiegen, dass man dem hehren Ziel, endlich Wenn ich in Ihre Reihen schaue, scheint mir das einen Anteil von 50 % Frauen im Parlament zu mit der „treibenden Kraft“ eine sehr gewagte These haben, näher kommt. zu sein. Sie schaffen es ja noch nicht einmal par- teiintern, Ihre Mandate und Funktionen zur Hälfte Was genau treibt Sie an? - Sind Sie wirklich der an Frauen zu vergeben. Ansicht, dass es eine bessere Politik gibt, wenn Sie die Parlamentssitze nach Geschlechtern vertei- (Johanne Modder [SPD]: Und Sie ha- len? ben es nicht geschafft, bei der Ober- bürgermeisterwahl eine Frau aufzu- (Anja Piel [GRÜNE]: Ja, das glaube stellen! - Gegenruf von Helge Limburg ich tatsächlich!) [GRÜNE]) Was genau finden Sie an Ihren männlichen Kolle- Es ist also höchste Zeit, endlich etwas zu bewe- gen so frauenfeindlich, dass Sie sich ständig be- gen, und der richtige Ort dafür - das hätten die nachteiligt fühlen? Verfechterinnen, die ich eben zitiert habe, sicher- (Johanne Modder [SPD]: Sie haben lich auch so gesehen - ist das Parlament. Denn eine Sichtweise, die ist unterirdisch! - Parität ist ein Thema, das alle Parteien betrifft, und Wiard Siebels [SPD]: Was ist denn deshalb sollen auch alle mitreden. das für eine Parteitagsrede! - Gegen-

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ruf von Klaus Wichmann [AfD] - Wei- Wenn wir also alle Geschlechtermerkmale weitest- tere Zurufe) gehend auslöschen wollen, ist es bigott, diese bei politischen Mandaten als Grundlage für Kandidatu- Welche Anträge zu Frauenthemen können Sie ren festzulegen. denn als weibliche Abgeordnete nicht stellen? Welche Anträge wurden abgelehnt, weil die männ- (Beifall bei der AfD) liche Übermacht sich damit nicht befassen wollte? Unser Land ist groß geworden aufgrund fabelhaf- Es ist der ewige Kampf seit es die Emanzipations- ter Leistungen von Frauen und Männern. Wir ha- bewegung gibt. Sie wollen gleiche Rechte? - Die ben eine Gleichberechtigung, die grundgesetzlich haben wir, und das ist gut so. - Sie wollen die glei- geschützt ist, und wir haben freie und geheime chen Möglichkeiten? - Die haben wir ebenfalls. Wahlen. Dabei sollten wir es belassen.

(Eva Viehoff [GRÜNE]: Ne!) Vielen Dank. (Lebhafter Beifall bei der AfD) Trotzdem setzen sich die Parlamente nach wie vor nahezu prozentual deckungsgleich zu den Mitglie- Vizepräsident Bernd Busemann: dern in politischen Parteien zusammen. Nun wäre der Weg ziemlich einfach: Sie motivieren Frauen, Vielen Dank, Frau Kollegin Guth. - Jetzt ist für die in Parteien einzutreten, sich politisch zu engagie- Fraktion der CDU die Kollegin Dr. Esther Niewerth- ren und nach politischen Ämtern und Mandaten zu Baumann an der Reihe. Ich erteile Ihnen das Wort, streben. Sie unterstützen sie auf diesem Weg, Frau Kollegin. vernetzen sich und aktivieren Wählerstimmen. Ich verspreche Ihnen, binnen kürzester Zeit würde sich Dr. Esther Niewerth-Baumann (CDU): die Zusammensetzung der Parlamente verändern. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe acht Nichten und sieben Neffen. Am letzten (Eva Viehoff [GRÜNE]: Darauf warten Samstag haben wir den 82. Geburtstag meines wir schon so lange!) Vaters gefeiert, und alle kamen zusammen. Dabei Aber das ist der schwierigere Weg. Er ist langwie- konnte ich ein Gespräch zwischen meiner kleinen rig, und es ist gar nicht so einfach, genug Frauen Nichte und meinem kleinen Neffen mitbekommen. zu finden, die sich in diesem Bereich einbringen Beide unterhielten sich darüber, was sie einmal wollen. Natürlich werden wir gleich wieder hören: werden möchten, und es kam die Frage auf, ob die Doppelbelastung, die Zeiten, immer abends. denn mein Neffe auch die Möglichkeit hätte, Bun- Wenn diese Argumente stimmten, müssten sich deskanzler zu werden oder Bundesvorsitzender. zumindest Massen von älteren Frauen mit erwach- Meine Nichte erklärte ihm gleich, dass das nicht senen Kindern engagieren. Das tun sie aber auch ginge, das wäre ein Job, den nur Frauen ausüben nicht. könnten, es gebe nur eine - weibliche - Bundes- kanzlerin und eine - weibliche - Bundesvorsitzen- Also, was nun? - Was nicht passt, wird passend de. Nein, er könne nicht Bundeskanzler werden gemacht, bar jedes Arguments. Es sind im Schnitt und diesen Beruf nicht ausüben. Mein Neffe ent- nur ca. 30 % weibliche Mitglieder in den Parteien, schied sich dann sogleich, stattdessen Lokomotiv- aber Sie fordern per Gesetz 50 % der Mandate. führer zu werden. Dann sind alle Probleme in diesem Land gelöst. (Heiterkeit - Beifall bei der CDU) Dass dieser Weg im Sinne freier Wahlen nicht nur Einem kleinen Jungen aus einem FDP-Haushalt höchst bedenklich ist, sondern diese durch Ihr kann das sicherlich nicht so gehen. Herzensprojekt Genderideologie ad absurdum geführt werden, spielt dabei keine Rolle. Sie be- (Zuruf: Der wird Steuerberater!) mühen sich nach Kräften, Geschlechterrollen auf- Er hat das Problem nicht, der kann vielleicht Bun- zuweichen, Geschlecht als gesellschaftliches Kon- desvorsitzender werden. Oder wie viele - weibli- strukt und anerzogen darzustellen. Hannover, als che - Bundesvorsitzende hatten Sie so? großer Vorreiter, vermeidet Anreden wie „Herr“ und „Frau“, macht aus Lehrern Lehrende, aus Wählern (Sebastian Zinke [SPD]: Wir brauchen Wählende und schreckt auch nicht vor toten Ge- mehr Lokführer als Kanzler!) genständen wie dem Rednerpult zurück und macht Meine Damen und Herren, in Deutschland leben daraus ein Redepult. 42 Millionen Frauen und 41 Millionen Männer. Im

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Niedersächsischen Landtag haben wir nur einen Helge Limburg (GRÜNE): Frauenanteil von 27 %. Das ist sicherlich zu wenig. Und in unseren Parteien sieht es noch schlimmer Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischen- aus. Selbst bei den Grünen sind deutlich weniger frage zulassen. Vor dem Hintergrund Ihrer Ausfüh- als 40 % Frauen aktiv. rungen zur befürchteten Verfassungswidrigkeit frage ich Sie, ob Sie das Landeswahlgesetz in (Zuruf: Aha!) Brandenburg für verfassungswidrig halten und ob Die Frage, die sich natürlich stellt, ist: Brauchen wir Ihre Kollegen der CDU-Fraktion dagegen klagen eine Enquetekommission? - Aktuell tagt regelmä- werden. ßig die Enquetekommission zur Sicherstellung der (Beifall bei den GRÜNEN) ambulanten und stationären medizinischen Ver- sorgung. 14 Termine haben schon stattgefunden, 14 weitere sind geplant. Eine Enquetekommission Dr. Esther Niewerth-Baumann (CDU): ist zeitintensiv, kostet den Steuerzahler Geld und bindet große Personalressourcen des Landtages. Ich kann Ihnen sagen, dass ein solches Gesetz Natürlich ist sie in diesem Zusammenhang sehr allgemein für verfassungswidrig gehalten wird. In notwendig. Jetzt fragen wir uns: Was würde eine den mündlichen Prüfungen, von denen ich eben Kommission für ein Paritätsgesetz bringen? - Nicht gesprochen habe, ist es ganz klares Ergebnis, nur nach Auffassung der CDU-Fraktion, sondern dass ein solches Gesetz verfassungswidrig ist. auch nach herrschender Meinung in Literatur und Was meine Kollegen in Brandenburg machen, Rechtsprechung wäre jede Art von Paritätsgesetz weiß ich nicht, aber ich halte es für verfassungs- verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Ich habe widrig. Das ist richtig. zu meiner letzten Rede zum Paritätsgesetz meine (Beifall bei der CDU sowie Zustim- Tochter mitgebracht. Auch sie hat mir berichtet, mung von Klaus Wichmann [AfD]) dass man eine mündliche Prüfung in dem entspre- chenden Bereich nicht besteht, wenn man etwas Wir haben jetzt schon die unausweichliche Er- anderes annimmt. Da gibt es große Bedenken. kenntnis, dass wir ein Paritätsgesetz nicht verfas- (Imke Byl [GRÜNE]: Deshalb eine sungskonform hinbekommen. Wir sollten also nicht Enquetekommission!) Zeit, Geld und Personalressourcen des Landtages für ein Ergebnis verschwenden, das jetzt schon Mit einem Paritätsgesetz würden wir in die wichti- feststeht. Meine Kollegin Mareike Wulf hat zum gen Wahlrechtsgrundsätze aus Artikel 38 des Thema „100 Jahre Frauenrecht“ ausgeführt: Wir Grundgesetzes und Artikel 8 der Landesverfas- müssen Wege schaffen, dass sich mehr Frauen sung eingreifen. - Wir würden in wichtige Parteien- dafür motivieren können, sich zu engagieren, in rechte eingreifen. Das kann ohnehin nur der Bund den Parteien mitzuwirken und sich wählen zu las- machen. sen. Ich erinnere noch einmal an die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes und an die Vorstellungen, (Anja Piel [GRÜNE]: Davon kann man die sie von Repräsentation hatten. Repräsentation auch noch in 20 Jahren reden!) bedeutet Handeln für das Volk und Verantwortlich- keit gegenüber dem Volk. Repräsentation verlangt Mit einem Gesetz - das muss man immer beden- keine Abbildungsgleichheit zwischen dem Parla- ken - ändern wir nur die Symptome, aber nicht die ment und dem Volk. Ursachen der mangelnden Vertretung von Frauen im Parlament. Wir alle müssen unsere Parteien Vizepräsident Bernd Busemann: attraktiver für Frauen machen. Ohne Zweifel müs- sen wir etwas tun. Aber weder eine Enquetekom- Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage des mission noch ein Parité-Gesetz sind hierfür der Kollegen Limburg zu? richtige Weg. Dr. Esther Niewerth-Baumann (CDU): Danke schön. Ja. (Lebhafter Beifall bei der CDU sowie Vizepräsident Bernd Busemann: Zustimmung von Klaus Wichmann Bitte! [AfD])

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Vizepräsident Bernd Busemann: schaffen wir Partizipationsformen, von denen mög- Vielen Dank, Frau Kollegin. - Jetzt nimmt für die lichst viele Menschen angesprochen werden? Fraktion der SPD die Vorsitzende Frau Johanne Ich nehme allerdings zur Kenntnis - Frau Piel, jetzt Modder das Wort. Bitte sehr! sollten Sie ein bisschen zuhören -,

Johanne Modder (SPD): (Anja Piel [GRÜNE]: Ich höre die gan- ze Zeit zu, Frau Modder! Das ist eine Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Unverschämtheit! Das ist wirklich eine Herren! Die SPD hat Anfang dieses Jahres mit Unverschämtheit!) dem Vorschlag, die Einführung eines Parité-Ge- setzes in Niedersachsen voranzubringen, aus mei- dass sich die FDP in Niedersachsen für die Ein- ner Sicht einen wichtigen Aufschlag gemacht und richtung einer Enquetekommission und damit für dadurch natürlich wieder eine längst überfällige ein Parité-Gesetz stark macht. und - wie soll es anders sein? - kontroverse Dis- (Christian Grascha [FDP]: Das haben kussion ausgelöst. Das ist gut so. wir nicht gesagt! Da haben Sie nicht (Beifall bei der SPD) zugehört!) Dabei war uns von Anfang an klar, dass es keine Das finde ich klasse. Sie heben sich von der Bun- vorschnellen Entscheidungen geben kann - allein desebene ab. Super! schon deswegen, weil wir mehrere Modelle in der (Christian Grascha [FDP]: Da haben Diskussion haben. Die Autonomie der Parteien bei Sie nicht zugehört! - Gegenruf von der Kandidatenaufstellung wird berührt. Eine Wiard Siebels [SPD]: Das war ein Wahlkreisreform hätte tiefgreifende Eingriffe in die Lob! Dann können Sie auch mal Dan- Wahlordnung. Dies will gut überlegt und auch in ke sagen! - Unruhe) den Parteien diskutiert sein, meine Damen und Herren. Zumindest in meiner Partei will man disku- - Ich komme noch dazu. tieren und diskutiert man aktuell sehr munter dar- über. Vizepräsident Bernd Busemann: Ich darf um Ruhe bitten! Wir haben aus meiner Sicht keine Erkenntnisdefizi- te, die eine Enquetekommission rechtfertigen wür- Johanne Modder (SPD): den. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Untersu- chungen, vielfältige Modelle und entsprechende Ich zitiere den Parlamentarischen Geschäftsführer juristische Ausarbeitungen dazu. der FDP auf Bundesebene, Herrn Ruppert: Ich will auch hier noch einmal auf die juristisch- „Der Vorschlag, eine Frauenquote einzufüh- politische Fachtagung unserer Landtagspräsiden- ren, ist aber die falsche Schlussfolgerung tin, Frau Dr. Gabriele Andretta, im September 2018 und aus verfassungsrechtlicher Perspektive aus der Veranstaltungsreihe „Offenes Plenum“ höchst bedenklich. Denn so wird der Bürger hinweisen. Sie haben dazu ein Heftchen bekom- als Souverän stark in seiner Wahlfreiheit men. Lesen Sie es einfach mal durch! eingeschränkt. Die Forderung nach einer Frauenquote ist also kein tauglicher Vor- (Anja Piel [GRÜNE]: Ich war da, Frau schlag für mehr Demokratie, sie bewirkt so- Modder! Waren Sie auch da?) gar das Gegenteil.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns doch Oder nehmen wir die Generalsekretärin der FDP weitgehend darüber einig - ich nehme die AfD aus Brandenburg - das ist noch interessanter -: dabei aus; denn es hat keinen Sinn, zumindest mit „Wer glaubt, ein Geschlecht zu fördern,“ Frau Guth eine Diskussion darüber zu führen -, dass der Frauenanteil dringend erhöht werden (Anja Piel [GRÜNE]: Frau Modder, muss und dass alle Parteien daran arbeiten müs- lassen Sie uns doch hier im Landtag sen, wie wir mehr Frauen für die Politik begeistern bleiben! Sie sollen sich doch ent- können. scheiden! Wir reden jetzt doch nicht über andere Landtage! - Gegenruf Unsere parteiinternen Strukturen stehen auf dem von Wiard Siebels [SPD]: Hören Sie Prüfstand. Ja, wir müssen klären: Sind Familie, doch zu!) Beruf und Ehrenamt miteinander vereinbar? Wie

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„indem ein anderes diskriminiert wird, findet So ist diese Kommission angelegt. Und was ma- sich nicht zu gleichen Teilen im Parlament chen Sie? - Sie sagen: Nein, Parité lieber nicht, wir wieder, sondern vor dem Verfassungsge- reden mal über die Rahmenbedingungen! richt.“ (Beifall bei der SPD - Wiard Siebels Jetzt komme ich zu der FDP in Niedersachsen. Ich [SPD]: Genau! - Christian Grascha habe dem Wortbeitrag der Kollegin Bruns im [FDP]: Wir wollen eine verfassungs- Fachausschuss entnommen - - - feste Lösung!) (Zurufe von Anja Piel [GRÜNE] und Wer so mit diesem wichtigen Thema umgeht, Herr Gegenrufe von Wiard Siebels [SPD]) Grascha, der hat sich aus einer ernsthaften Debat- te komplett verabschiedet. Vizepräsident Bernd Busemann: (Beifall bei der SPD - Wiard Siebels Einen Moment, bitte! - Ich darf um Ruhe bitten, [SPD]: So ist es! - Christian Grascha insbesondere Frau Piel! - Es geht weiter. [FDP]: Sagen Sie doch mal, was Sie eigentlich wollen, und bringen Sie das Johanne Modder (SPD): ein, damit wir diskutieren können! Ich habe der Wortmeldung von Frau Bruns im Nicht nur große Ankündigungen ma- Fachausschuss entnommen, dass auch Sie ein chen! Das ist ja unglaublich!) Parité-Gesetz sehr kritisch sehen und eine En- Meine Damen und Herren, alle Parteien sind auf- quetekommission deswegen befürworten, um ge- gefordert - Herr Grascha, alle Parteien -, den in- meinsam - jetzt kommt es - „vertieft Lösungsmög- nerparteilichen Prozess zur Förderung von Frauen lichkeiten zur Steigerung des Anteils von Frauen weiter zu intensivieren und auch über Möglichkei- … zu erörtern“. ten zur Statutenänderung nachzudenken, um offe- (Helge Limburg [GRÜNE]: Ja! Sehr ner und attraktiver für Frauen zu werden. Denn von gut! - Anja Piel [GRÜNE]: Das ist doch der wirklichen Gleichberechtigung sind wir weit ein ehrenwertes Unterfangen!) entfernt. Wollen Sie jetzt ein Parité-Gesetz, Frau Piel, oder Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen, Frau wollen Sie lieber über Lösungsmöglichkeiten re- Piel: Die SPD in Niedersachsen ist auf dem Weg den, wie wir den Anteil der Frauen - - - zu einem Parité-Gesetz. (Anja Piel [GRÜNE]: Frau Modder, (Christian Grascha [FDP]: Aber wa- sagen Sie doch, was Sie wollen! Wir rum will man das hier nicht diskutie- reden nicht über Sylvia Bruns! Wir re- ren? Das ist doch der Punkt!) den über die SPD! Sie haben sich Wir diskutieren die verschiedenen Modelle und doch aus dem Fenster gelehnt! - Wei- freuen uns über jede Unterstützung. Wir halten tere Zurufe - Unruhe) aber eine Enquetekommission zu dieser Thematik - Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die FDP nicht für erforderlich und lehnen deshalb diesen hat hier - - - Zwischenschritt, den Sie machen wollen, ab. Vielen Dank. Vizepräsident Bernd Busemann: (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Einen Moment, bitte! Jetzt unterbrechen wir! der CDU - Christian Grascha [FDP]: Reine Taktik! Reine politische Spiel- Johanne Modder (SPD): chen!) Die FDP hat mit Ihnen in Absprache - was ich nicht hoffe - oder ohne Absprache mit Ihnen hier ein Vizepräsident Bernd Busemann: taktisches Spielchen in den Raum geworfen: Wir Vielen Dank, Frau Modder. tun mal so, als wenn wir für eine Kommission, für ein Parité-Gesetz wären. (Christian Grascha [FDP]: Im Hinter- zimmer diskutieren! Das ist ein reines (Christian Grascha [FDP]: Wir sind für politisches Spielchen!) eine Enquetekommission, genau wie es die Kollegin Bruns gesagt hat!) - Herr Grascha!

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(Johanne Modder [SPD] - zur FDP -: terhakt - mit der Forderung nach Einrichtung einer Sie diskutieren nicht in Ihrer Partei? - Enquetekommission und meiner Erklärung, wie Gegenruf von Christian Grascha das hier war, in Verlegenheit gebracht habe. [FDP]: Im Hinterzimmer, nur im Hin- Den Ordnungsruf trage ich übrigens mit Haltung. terzimmer! Hier ist der Ort der Diskus- Da nehme ich auch nichts zurück. sion! - Unruhe) (Wiard Siebels [SPD]: Das ist ja ein - Meine Damen und Herren, ich darf bei aller Lei- Verhalten! Unglaublich!) denschaft hier um Ruhe bitten! (Weitere Zurufe) Ich sage Ihnen hier an dieser Stelle: Das Vorge- hen, mit dem Ministerpräsidenten, der sich keinen - Wollen Sie noch debattieren, oder sollen wir un- Millimeter für diese Debatte interessiert, terbrechen? (Beifall bei den GRÜNEN) (Christian Grascha [FDP]: Ich bin mit meinen Zwischenrufen fertig!) Anfang des Jahres an die Presse zu gehen, waren taktische Spielchen, Herr Siebels. - Bitte? (Christian Meyer [GRÜNE]: Das ist ei- (Christian Grascha [FDP]: Ich bin mit ne Missachtung des Parlaments!) meinen Zwischenrufen fertig!) Kriegen Sie doch erst einmal Ihre Reihen voll bei - Sie wissen ja: Wenn der Präsident unterbricht, dieser Debatte! Das ist ja lächerlich! dann dauert es mindestens 30 Minuten. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der (Christian Grascha [FDP]: Deswegen FDP - Wiard Siebels [SPD]: Das ist ja höre ich jetzt auch auf! - Heiterkeit) abenteuerlich! Von oben herab!) Eine Bemerkung: Verehrte Frau Kollegin Piel, Sie haben mehrfach die Rednerin gestört und auch Vizepräsident Bernd Busemann: den Begriff „Unverschämtheit“ verwendet. Dafür Frau Modder will antworten. Danach kommt noch erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. eine weitere Kurzintervention. (Helge Limburg [GRÜNE]: Für „Un- (Jörg Bode [FDP]: So geht es eigent- verschämtheit“ gibt es einen Ord- lich nicht! Eine Antwort auf die Kurzin- nungsruf?) terventionen!) - Ja, in Verbindung mit den Störungen. So ist es. Johanne Modder (SPD): Was? (Helge Limburg [GRÜNE]: Aha! Wir nehmen das mal so mit!) (Die Rednerin trinkt einen Schluck Wasser am Redepult) Jetzt liegt die Wortmeldung zu einer Kurzinterven- tion vor. Frau Piel, ich erteile Ihnen das Wort. Vizepräsident Bernd Busemann: Anja Piel (GRÜNE): Die Kollegen haben recht, Frau Modder. Wir neh- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich men Herrn Dr. Genthe noch dazu. weise für meine Fraktion den Vorwurf taktischer (Zuruf: Das Glas Wasser hat sie Spielchen in dieser Frage weit zurück. schon zur Seite gestellt! - Heiterkeit) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der - Das Glas ist noch halb voll! Bitte sehr! Sie haben FDP) 90 Sekunden. Frau Modder, ich kann ja verstehen, dass ich Sie nach dem großen Aufschlag zu Beginn des Jah- Dr. Marco Genthe (FDP): res - der Demonstration mit den weißen Blusen Dass Sie mir jetzt auch noch das Wasser austrin- und dem In-Aussicht-Stellen, dass wir jetzt alle ken, ist wirklich die Krönung von allem! Eine Un- damit rechnen können, dass die SPD allen voran verschämtheit! hier mit parlamentarischen Initiativen einmarschiert (Heiterkeit) und den Koalitionspartner bei diesem Thema un-

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Aber ganz im Ernst, Frau Modder: Ich habe in mei- (Anja Piel [GRÜNE]: Ach du meine ner ersten Rede bei der Einbringung versucht dar- Güte!) zustellen, welche verfassungsrechtlichen Probleme ein Parité-Gesetz aufwirft. Entweder haben Sie mir Ich habe deutlich gesagt - Herr Dr. Genthe, ich nicht zugehört, oder Sie haben das nicht begriffen. höre Ihnen auch immer genau zu; seien Sie versi- Ich habe an keiner Stelle gesagt, dass wir ein Pa- chert -, natürlich gibt es verfassungsrechtliche rité-Gesetz wollen, weil es das Parité-Gesetz gar Probleme dabei. Die Lösung in Brandenburg ist nicht gibt. Es gibt ganz viele unterschiedliche Auf- auch nicht unumstritten. Wenn die Grünen mir fassungen und Möglichkeiten, das zu regeln. sagen, dass sie ein Parité-Gesetz wie in Branden- burg wollen - Listenaufstellung: Frau, Mann, Mann, (Wiard Siebels [SPD]: Wollen Sie Frau -: solch ein Gesetz?) (Helge Limburg [GRÜNE]: Ja!) Was wir allerdings wollen, ist, den Anteil der Frau- Frau Piel, soviel ich weiß, haben Sie das schon. en in den Parlamenten zu erhöhen. Wir wollen diskutieren, auf welchem Weg das geht - möglich- (Anja Piel [GRÜNE]: Darüber brau- erweise auch gesetzgeberisch, möglicherweise chen wir gar nicht mehr zu sprechen!) aber nicht. Es gibt ein gutes Instrument dafür, das zu klären, nämlich eine Enquetekommission. Die Also kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie sich haben wir befürwortet. damit zufrieden geben. Verschiedene Modelle sind auf dem Weg. (Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN) (Anja Piel [GRÜNE]: Hören Sie erst einmal zu! - Christian Meyer [GRÜ- Die Enquetekommission ist nicht die Lösung des NE]: Das hätte man in der Enquete- Problems, sondern ist ein Mittel, um die Lösung zu kommission klären können!) finden. Das haben Sie offensichtlich nicht verstan- den. Was ich Ihnen vorwerfe - den Grünen und der FDP -, ist, zu glauben, Sie könnten mit der Bean- Was ich bei Ihnen kritisiere, ist, dass Sie hier tragung einer Enquetekommission deutlich ma- nichts auf den Weg bringen oder dass Sie hier chen, dass Sie für ein Parité-Gesetz seien und wir irgendetwas vorschlagen, sondern einfach nur nicht. sagen: „Wir haben ja mal ein Heftchen an alle Ab- geordneten verteilt“ - das scheint ja bei Ihnen zu Ich sage Ihnen noch einmal deutlich: Wir wollen reichen -, „und den Rest klären wir innerhalb der das Parité-Gesetz. SPD!“ - Das ist jedenfalls der Angelegenheit nicht (Zuruf von den GRÜNEN: Wo denn?) angemessen. Unser Koalitionspartner hat deutlich gemacht, er (Beifall bei der FDP und bei den nicht. Das ist eben die Auseinandersetzung. Es GRÜNEN) steht Parteien auch frei, unterschiedliche Meinun- gen zu haben. Ich glaube, der Druck auf die CDU Vizepräsident Bernd Busemann: wird noch größer werden. Danke schön, Herr Kollege Dr. Genthe. - Frau (Anja Piel [GRÜNE]: Von Ihnen si- Modder, jetzt! Sie haben 90 Sekunden. Bitte! cherlich nicht! In der Enquetekommis- sion hätte man Druck aufbauen kön- (SPD): Johanne Modder nen!) Herr Kollege Dr. Genthe, ich entschuldige mich in aller Form, dass ich hier noch einen Schluck Was- Die Frauen-Union, alle wollen das. Aber das ist ser getrunken habe. Ich gebe nachher einen aus. das Problem der CDU. Bloß ich sage Ihnen: Wer versucht, deutlich zu machen, dass die FDP und (Zustimmung bei der SPD) die Grünen zusammen mit dieser Enquetekommis- sion ein Parité-Gesetz auf den Weg bringen wol- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Piel len, vergisst, dass Welten zwischen Ihnen und der und lieber Dr. Genthe, ich glaube, dass ich mit der FDP liegen. Auslösung dieser Kurzintervention genau dort hin- eingestochen habe, wo der Kern des Problems ist. (Wiard Siebels [SPD]: Genau!)

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Das habe ich hier deutlich gemacht, und das müs- ten, ist zumindest umstritten. Nach Artikel 3 verbie- sen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Das hier sind ten sich insbesondere solche Regelungen, bei in meinen Augen taktische Spielchen. denen es darauf ankommt, ob der Betroffene ein Mann oder eine Frau ist. Das ist vorliegend aber (Beifall bei der SPD und Zustimmung gerade nicht der Fall, da das Wahlrecht ge- bei der CDU - Zuruf von Anja Piel schlechtsneutral geregelt ist. [GRÜNE] - [GRÜNE] spricht mit Christian Grascha [FDP]) Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten teilen in jedem Fall die Ansicht, den Anteil der Vizepräsident Bernd Busemann: Frauen in den Parlamenten erhöhen zu müssen. Danke schön. - Wenn Herr Grascha das auch will Tatsache ist, dass die Frauen in allen Parlamenten und Herr Wenzel das zulässt, kann Herr Dr. deutlich unterrepräsentiert sind. Genthe zum Rednerpult schreiten und für die FDP Forscht man nach den Ursachen, kommt man sehr sprechen. - Bitte sehr! schnell auf die politischen Parteien zu sprechen. Die Bedingungen in den Parteien scheinen insge- Dr. Marco Genthe (FDP): samt für Frauen noch schwieriger zu sein als für Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Männer. Die Abläufe, die Gremien, die Arbeitsfor- Modder, ich glaube, dass Ihre Ausführungen zu men der Parteien sind offenbar eine Hauptursache den taktischen Spielchen schlicht und ergreifend für dieses Problem. dazu dienen, zu überdecken, dass Sie an dieser Meine Damen und Herren, es reicht jedoch nicht, Stelle völlig blank sind. Das ist einfach so. diese Umstände zu beklagen. Sinnvoll wäre es (Beifall bei der FDP und bei den sicherlich, bereits hier anzusetzen und den „Job“ GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: für Frauen in den Parteien attraktiver zu gestalten. Sie wollen es nicht! Sagen Sie es ein- Ob hingegen der Weg über eine gesetzliche Ver- fach mal!) pflichtung der richtigere wäre, erscheint zumindest als heikel. Auf jeden Fall sind sich, was die Diskussionskultur hierzu betrifft, Grüne und Liberale offenbar näher Meine Damen und Herren, die verfassungsrechtli- als die Koalitionsfraktionen, meine Damen und chen Fragen sind sicherlich nicht in der Tiefe ge- Herren. klärt. Das haben wir nun mehrfach gehört. Es gibt ja auch nicht nur das eine Parité-Gesetz, (Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: (Johanne Modder [SPD]: Eben!) Oh!) sondern es gibt viele Vorschläge. So ist u. a. auch Ich versuche, das Ganze mal wieder auf den Kern die Wahlkreisreform in Frankreich ein sehr interes- zu bringen und inhaltlich zu werden. Ich hatte be- santer Ansatz, der in einer Enquetekommission reits in der ersten Beratung gesagt, dass die Dis- auch hätte diskutiert werden können. kussion über ein Parité-Gesetz keine einfache ist. (Zustimmung bei der FDP und bei den Sie berührt nämlich grundlegende verfassungs- GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: rechtliche Fragen und auch grundlegende Funda- In der Tat! - Miriam Staudte [GRÜNE]: mente der Demokratie. Das liegt schlicht und er- Richtig!) greifend daran, dass die geschlechterneutrale Regelung des Wahlrechts aufgehoben werden Angesichts der offenen verfassungsrechtlichen müsste. Somit wäre eine geschlechtsneutrale Fragen und des von uns geteilten Ziels, den Frau- Wählbarkeit zumindest formal nicht mehr gewähr- enanteil in den Parlamenten zu erhöhen, hätten wir leistet. als FDP jedenfalls die Enquetekommission sehr begrüßt. Das wäre der richtige Ort gewesen, um Das ist ein verfassungsrechtliches Schwergewicht, diese Fragen vertieft zu diskutieren. Die vage An- das jeder Befürworter eines Parité-Gesetzes aus kündigung der Großen Koalition, einmal irgend- dem Weg räumen müsste. wann irgendetwas zu machen, reicht uns jedenfalls Dieser Eingriff wäre nur zu rechtfertigen, wenn er nicht. verhältnismäßig wäre. Ob der generelle Förderauf- (Wiard Siebels [SPD]: Gemeinsam ei- trag nach Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes aus- ne Lösung suchen, die Sie wollen!) reicht, um die Verhältnismäßigkeit zu gewährleis-

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Meine Damen und Herren, meine konkrete Nach- Regelungen, um den Frauenanteil in den Parla- frage im Rechtsausschuss, als wir dies diskutiert menten zu erhöhen. haben, was denn genau die Große Koalition vor- (Christian Meyer [GRÜNE]: Aber Ihr legt bzw. was möglicherweise schon im Ältestenrat Koalitionspartner nicht!) liegt oder ob da überhaupt schon etwas liegt, wur- de mit einem ganz einfachen „Nö“ beantwortet. Ich möchte nicht einfach hinnehmen, wie schlecht Das kann man im Protokoll nachlesen. Das wird es immer noch um die Gleichberechtigung von diesem Thema jedenfalls nicht gerecht. Frauen bei der politischen Beteiligung bestellt ist.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung (Christian Meyer [GRÜNE]: Legen Sie bei den GRÜNEN) doch ein Gesetz vor!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir ha- Vizepräsident Bernd Busemann: ben das Jahr 2019, und noch immer liegen Welten Herr Limburg, zur Geschäftsordnung! - Aus dem zwischen dem geschriebenen Recht auf der einen Plenum liegen zur Beratung als solcher keine An- Seite und den politischen und parlamentarischen träge vor. Aber Herr Limburg hat sich zur Ge- Realitäten auf der anderen Seite. Über alle politi- schäftsordnung gemeldet. Bitte sehr, fünf Minu- schen Ebenen hinweg haben wir stark männerdo- ten! Sie wissen, wie es geht. minierte Parlamente; dabei haben wir keinen Man- gel an klugen, politikinteressierten Frauen in unse- rem Land. Es ist also ein strukturelles Problem. Helge Limburg (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. - Vor dem Hinter- Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord- grund, dass es ja außerhalb dieses Parlaments, nete, wenn wir dem Gleichstellungsauftrag aus aber teilweise auch in diesem Parlament viele dem Grundgesetz wirklich nachkommen wollen, Äußerungen von Kolleginnen und Kollegen gab, müssen wir aufhören zu reden und endlich han- die sich eigentlich für ein Parité-Gesetz ausge- deln, sprochen haben und jetzt trotzdem dieses Gremi- (Anja Piel [GRÜNE] lacht) um ablehnen wollen, das die Diskussion voran- wie es mutige Frauen vor 70 Jahren bringen soll, beantrage ich im Namen meiner Frak- tion eine namentliche Abstimmung über diesen (Christian Meyer [GRÜNE]: Sie kön- Punkt. nen ja einmal ein Gesetz vorlegen!)

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- zur Geburtsstunde unseres Grundgesetzes getan stimmung bei der FDP - Johanne haben. Ihr öffentlicher Protest hat dafür gesorgt, Modder [SPD]: Das ist doch wohl dass der Satz „Frauen und Männer sind gleichbe- nicht euer Ernst! - Christian Meyer rechtigt“ in unsere Verfassung aufgenommen wur- [GRÜNE]: Guckt euch an, wer bei de. Sie haben Menschen mobilisiert und Unterstüt- euch Partner ist!) zerinnen und auch Unterstützer für ihr wichtiges Anliegen gefunden. Vizepräsident Bernd Busemann: Meine sehr geehrten Damen und Herren, da Pari- Ich darf darum bitten, dass Ruhe einkehrt. - Jetzt tät alle politischen Ebenen betrifft, sollten wir alle hat zunächst die Landesregierung das Wort. Frau gemeinsam dafür eintreten. Deshalb hat auf meine Dr. Reimann, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr! Initiative hin Niedersachsen bei der diesjährigen Gleichstellungsministerinnenkonferenz einen An- Dr. Carola Reimann, Ministerin für Soziales, Ge- trag gestellt, der unterstreicht, dass Bund und sundheit und Gleichstellung: Länder Gesetzesinitiativen zur Schaffung der Pari- tät in den Parlamenten ergreifen sollten. Ich freue Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und mich, dass trotz der heterogenen Situation im Herren! Unabhängig von der parlamentarischen Bund und im Land, die Hanne Modder ja darge- Entscheidung zu der Enquetekommission, die Sie, stellt hat, dieser Antrag eine große Mehrheit ge- meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord- funden hat. nete, heute treffen müssen, freue ich mich über alle Akteurinnen und Akteure, die sich für Parité in (Christian Meyer [GRÜNE]: Wenn die unseren Parlamenten starkmachen. Persönlich FDP zustimmte, hätten wir heute auch stehe ich ganz klar für die Einführung gesetzlicher eine Mehrheit mit der FDP!)

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Meine sehr geehrten Damen und Herren, es zeigt kunden; das reicht nicht zum Reden. Mit Blick auf sich, dass Bewegung in die Sache kommt. Hier ins die Redezeit der Ministerin erteile ich Ihnen weitere Parlament kommt auch Bewegung. Mir ist wichtig, zwei Minuten. Bitte! heute zu sagen, dass wir offen sein sollten für innovative Ideen und Konzepte. Wir müssen mutig Imke Byl (GRÜNE): sein. Denn wer nicht wagt, der nicht gewinnt oder - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen besser gesagt - die nicht gewinnt. Die Frau nicht, und Herren! Ganz ehrlich: Ich bin auch nach dieser die kein Mandat erhält und ihr Wissen nicht in die Debatte wieder ziemlich erschüttert - erschüttert politische Entscheidung und in das parlamentari- über das Verhalten der CDU, aber gerade auch sche Verfahren einbringen kann, die Partei nicht, der SPD. die nicht von den Erfahrungen und Sichtweisen der Frauen profitieren kann, und - noch wichtiger - die Im Januar hat der Ministerpräsident selbst, Ste- Gesellschaft nicht, die auf Entscheidungen von phan Weil, erklärt, dass er für ein Paritätsgesetz Parlamenten angewiesen ist - - steht. Und heute hält er es nicht einmal mehr für notwendig, der Debatte zu folgen. (Unruhe) (Zustimmung bei den GRÜNEN und Vizepräsident Bernd Busemann: bei der FDP) Frau Ministerin, einen Moment, bitte! - Meine Da- Danke, dass Sie wieder hier sind - aber das erst men und Herren, es ist zu unruhig im Plenum. Ich ganz am Ende; das ist respektlos. darf darum bitten, dass Sie Ihre Plätze aufsuchen und die Gespräche einstellen. Die Parlamentari- (Wiard Siebels [SPD]: Wir reden nicht schen Geschäftsführer mögen allenthalben für über ein Gesetz, sondern über eine Vollzähligkeit sorgen; das sei zugestanden. Aber Enquetekommission!) wir brauchen Ruhe; die Ministerin möchte weiter- - Die Enquetekommission sollte ja gerade gemein- reden. Bitte sehr! sam einen Weg für ein niedersächsisches Pari- tätsgesetz finden, weil das eine schwierige Frage Dr. Carola Reimann, Ministerin für Soziales, Ge- ist. sundheit und Gleichstellung: (Beifall bei den GRÜNEN - Wiard Sie- Ich hatte ausgeführt: Wer nicht wagt, der nicht bels [SPD]: Es geht um eine Enquete- gewinnt oder - besser gesagt - die nicht gewinnt: kommission!) die Frau nicht, die kein Mandat erhält und ihr Wis- sen und ihre Ideen nicht einbringen kann, die Par- Ganz ehrlich: Ich wollte mich gar nicht wieder an tei nicht, die nicht von den Erfahrungen der Frauen der SPD abarbeiten müssen. profitieren kann, und auch - noch wichtiger! - die (Wiard Siebels [SPD]: Müssen Sie Gesellschaft nicht, die auf Entscheidungen von auch nicht!) Parlamenten angewiesen ist, die aber derzeit die Belange aller nicht immer ausreichend in den Blick Ich hatte eigentlich unseren Antrag so im Sinn, nehmen können, weil Frauen auf den Entschei- dass wir damit der CDU, und nicht erst der SPD, dungsebenen als Entscheidungsträgerinnen feh- eine Brücke bauen und ihr die Hand reichen. Das len. hat aber wieder nicht geklappt. Das war wieder einmal ein gutes Beispiel dafür, dass die SPD erst Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Forderungen presseöffentlich darstellt und sie Erfahrung zeigt mir: Freiwillige Selbstverpflichtun- dann ein paar Monate danach komplett fallenlässt. gen bringen uns nicht weiter. Deshalb bin ich ganz Das geht nicht, meine Damen und Herren! persönlich für ein Paritätsgesetz. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den GRÜNEN - Wiard Sie- bels [SPD]: Abenteuerlich!) (Beifall bei der SPD) Frauenpolitik ist zu wichtig, als dass sie einfach nur Vizepräsident Bernd Busemann: für ein paar Presseaufschläge genutzt und dann wieder fallen gelassen werden kann. Vielen Dank, Frau Ministerin. - Jetzt hat - sicherlich unter Hinweis auf § 71 Abs. 3 unserer Geschäfts- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der ordnung - die Kollegin Byl um weitere Redezeit FDP - Wiard Siebels [SPD]: Genau! - gebeten. Sie haben originär nur ganz wenige Se- Johanne Modder [SPD]: Nicht für sol-

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che taktischen Spielchen! - Weitere (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Zurufe von der SPD) FDP - Anja Piel [GRÜNE]: Das müss- te ganz schnell gehen!) Wir müssen dringend gemeinsam an einer Lösung arbeiten, an einer rechtskonformen - - - Vizepräsident Bernd Busemann: (Anhaltende Zurufe von der SPD) Vielen Dank, Frau Kollegin. - Meine Damen und - Darf ich hier vielleicht mal etwas sagen, ohne Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht unterbrochen zu werden? vor, sodass wir in das Abstimmungsverfahren ein- treten können. (Wiard Siebels [SPD]: Aber selbstver- ständlich! - Helge Limburg [GRÜNE]: Es ist namentliche Abstimmung über die Beschlus- Und Frau Piel kriegt für sowas einen sempfehlung des Ältestenrates in der Drucksache Ordnungsruf!) 17/3946, die Sie alle kennen, beantragt worden. Diesem Antrag ist zu entsprechen, wenn mindes- Das zeigt doch dieses Parlament - - - tens zehn Mitglieder des Landtags dies verlangen. Ich bitte daher diejenigen um ein Handzeichen, die Vizepräsident Bernd Busemann: für die namentliche Abstimmung sind. - Das ist die Frau Kollegin, einen Moment! Die Redezeit wird gesamte Fraktion der Kolleginnen und Kollegen angehalten. - Wir brauchen dringend Ruhe, damit von Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist die notwen- Sie der Rednerin zuhören können. Innerlich kön- dige Unterstützung gegeben. nen Sie sich auch schon auf die namentliche Ab- Wir kommen zur namentlichen Abstimmung. stimmung vorbereiten. Vollzähligkeit wäre er- wünscht. Jeder möge auf seinem Platz bleiben. Das Verfahren für die namentliche Abstimmung ist Auch Smalltalk, Herr Kollege, in der letzten und in § 84 Abs. 2 und 4 unserer Geschäftsordnung vorletzten Reihe der CDU, ist nicht gefordert - bei geregelt. Danach ruft ein Mitglied des Sitzungsvor- aller Heiterkeit. - Jetzt setzen Sie bitte fort. stands alle Mitglieder des Landtags in alphabeti- scher Reihenfolge mit ihrem Namen auf. Die Auf- Imke Byl (GRÜNE): gerufenen geben ihre Stimme durch den Zuruf Danke schön. „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ ab. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, worum es Dass wir ganz dringend mehr brauchen als nur geht: Es geht um die Beschlussempfehlung des irgendwelche Pressemitteilungen, zeigen doch Ältestenrats, die da besagt: Der Ältestenrat emp- dieses Parlament und der heutige Tag wieder. fiehlt dem Landtag, den Antrag abzulehnen. - Wer Denn hier wird ein Parlament, das in einer deutli- der Beschlussempfehlung also zustimmen möchte, chen Mehrheit von Männern besetzt ist, darüber der ruft „Ja“; wer dagegen ist, „Nein“, und wer sich entscheiden, was mit diesem Frauenrecht passiert. der Stimme enthalten möchte, „Enthaltung“. Ganz ehrlich: Hundert Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts müsste es doch endlich Zeit für Ich bitte Sie, so laut abzustimmen, dass es vom ein gleichberechtigtes Parlament sein. Wenn ich Sitzungsvorstand gut zu verstehen ist. Im Steno- mich umschaue, sehe ich aber, dass das noch grafischen Bericht wird vermerkt, wie jedes Mit- nicht der Fall ist. Da reicht es nicht, immer wieder glied des Landtags abgestimmt hat. öffentlich zu erklären, dass man eine Lösung gut Wir beginnen mit der namentlichen Abstimmung. finden würde. Man muss auch einmal darüber Wir sind übereingekommen, dass Frau Kollegin reden, welche Lösung das sein könnte, und eine Tippelt die Namen laut, deutlich, vernehmbar - so rechtskonforme Lösung bieten. Sie denn ruhig sind, Herr Kollege Calderone! - (Beifall bei den GRÜNEN und bei der verliest. FDP) (Schriftführerin Sabine Tippelt verliest Daher freue ich mich darauf - das erwarte ich die Namen der Abgeordneten. auch -, dass die SPD nach der Sommerpause Die Abstimmung verläuft wie folgt: einen konkreten Vorschlag liefert, wie sie sich das vorstellt. Wenn es keine offenen Fragen mehr gibt, Thomas Adasch (CDU) Ja sollte das ja kein Problem sein. Dirk Adomat (SPD) Ja Jens Ahrends (AfD) Ja Danke schön. Dr. Bernd Althusmann (CDU) Ja

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Dr. Gabriele Andretta (SPD) Ja Reinhold Hilbers (CDU) Ja Holger Ansmann (SPD) Ja Jörg Hillmer (CDU) Ja Matthias Arends (SPD) entsch. Eike Holsten (CDU) Ja Martin Bäumer (CDU) Ja Gerda Hövel (CDU) Ja Karsten Becker (SPD) Ja Gerd Hujahn (SPD) Ja Jochen Beekhuis (SPD) Ja Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) Nein Dr. Stefan Birkner (FDP) Nein Burkhard Jasper (CDU) Ja Karl-Heinz Bley (CDU) Ja Petra Joumaah (CDU) Ja André Bock (CDU) Ja Rüdiger Kauroff (SPD) Ja Jörg Bode (FDP) Nein Alptekin Kirci (SPD) Ja Marcus Bosse (SPD) Ja Stefan Klein (SPD) Ja Stephan Bothe (AfD) Ja Veronika Koch (CDU) Ja Axel Brammer (SPD) Ja Horst Kortlang (FDP) Nein Christoph Bratmann (SPD) - Dunja Kreiser (SPD) Ja Markus Brinkmann (SPD) Ja Deniz Kurku (SPD) Ja Thomas Brüninghoff (FDP) Nein Clemens Lammerskitten (CDU) Ja Sylvia Bruns (FDP) Nein Sebastian Lechner (CDU) Ja Bernd Busemann (CDU) Ja Dr. Silke Lesemann (SPD) Ja Imke Byl (GRÜNE) Nein Kerstin Liebelt (SPD) Ja Christian Calderone (CDU) Ja Dr. Dörte Liebetruth (SPD) Ja Helmut Dammann-Tamke (CDU) Ja Olaf Lies (SPD) Ja Dr. Karl-Ludwig von Danwitz (CDU) Ja Peer Lilienthal (AfD) Ja Jörn Domeier (SPD) Ja Helge Limburg (GRÜNE) Nein Uwe Dorendorf (CDU) Ja Thomas Ehbrecht (CDU) Ja (Ulrich Watermann [SPD]: Warum das Christoph Eilers (CDU) Ja denn?) Hillgriet Eilers (FDP) Nein (Schriftführerin Sabine Tippelt setzt Christopher Emden (AfD) Ja die Verlesung der Namen fort: Petra Emmerich-Kopatsch (SPD) Ja

Björn Försterling (FDP) Nein Karin Logemann (SPD) Ja Rainer Fredermann (CDU) Ja Oliver Lottke (SPD) Ja Christian Fühner (CDU) Ja Bernd Lynack (SPD) Ja Dr. Marco Genthe (FDP) Nein Christian Meyer (GRÜNE) Nein Immacolata Glosemeyer (SPD) Ja Volker Meyer (CDU) Ja Christian Grascha (FDP) Nein Anette Meyer zu Strohen (CDU) Ja Hermann Grupe (FDP) Nein Axel Miesner (CDU) Ja Dana Guth (AfD) Ja Johanne Modder (SPD) Ja Julia Willie Hamburg (GRÜNE) Ja - Matthias Möhle (SPD) Ja Entschuldigung: Nein! Dr. Marco Mohrmann (CDU) Ja (Lachen und Zustimmung bei der Hanna Naber (SPD) - CDU - Zuruf von der CDU: Es gibt Jens Nacke (CDU) Ja keinen Fraktionszwang!) Dr. Esther Niewerth-Baumann (CDU) Ja Frank Oesterhelweg (CDU) Ja (Schriftführerin Sabine Tippelt setzt Belit Onay (GRÜNE) Nein die Verlesung der Namen fort: Wiebke Osigus (SPD) Ja Dragos Pancescu (GRÜNE) Nein Thordies Hanisch (SPD) Ja Dr. Christos Pantazis (SPD) entsch. Karl Heinz Hausmann (SPD) - Anja Piel (GRÜNE) Nein Frauke Heiligenstadt (SPD) Ja Gudrun Pieper (CDU) Ja Tobias Heilmann (SPD) Ja Boris Pistorius (SPD) Ja Karsten Heineking (CDU) Ja Christoph Plett (CDU) Ja Frank Henning (SPD) Ja Stefan Politze (SPD) Ja Stefan Henze (AfD) Ja Guido Pott (SPD) Ja Bernd-Carsten Hiebing (CDU) Ja Ulf Prange (SPD) -

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Philipp Raulfs (SPD) Ja Wurde noch jemand nicht aufgerufen oder hat Laura Rebuschat (CDU) Ja jemand noch nicht abgestimmt? - Das ist nicht der Thiemo Röhler (CDU) Ja Fall. Somit kann ich die Abstimmung schließen. Ich Harm Rykena (AfD) Ja bitte Sie, sich einen Moment zu gedulden. Das Dr. Alexander Saipa (SPD) Ja Ergebnis wird in wenigen Augenblicken vorliegen. Uwe Santjer (SPD) Ja Meine Damen und Herren, ich darf darum bitten, Marcel Scharrelmann (CDU) Ja dass Sie Ihre Gespräche beenden und Ihre Plätze Oliver Schatta (CDU) Ja wieder aufsuchen. - Besteht bei der „Versamm- Jörn Schepelmann (CDU) Ja lung“ der FDP Interesse, das Abstimmungsergeb- Dr. Frank Schmädeke (CDU) Ja nis zur Kenntnis zu nehmen? Heiner Schönecke (CDU) Ja Andrea Schröder-Ehlers (SPD) Ja (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Bei mir Doris Schröder-Köpf (SPD) Ja ganz bestimmt!) Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE) Nein Uwe Schünemann (CDU) Ja - Ich meinte Ihre Kollegen. Man hat sich jetzt aber Claudia Schüßler (SPD) Ja ganz diskret aufgelöst. Susanne Victoria Schütz (FDP) Nein Meine Damen und Herren, ich darf das Ergebnis Annette Schütze (SPD) Ja der Abstimmung bekanntgeben: Abgestimmt ha- Uwe Schwarz (SPD) Ja ben 132 Mitglieder des Landtages. Davon haben Kai Seefried (CDU) Ja 109 mit Ja gestimmt, mit Nein haben 23 Kollegin- Volker Senftleben (SPD) Ja nen und Kollegen gestimmt, niemand hat sich der Wiard Siebels (SPD) Ja Stimme enthalten. Damit wurde der Beschluss- Dr. Stephan Siemer (CDU) Ja empfehlung des Ältestenrats gefolgt und gleichzei- Miriam Staudte (GRÜNE) Nein tig der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Ulf Thiele (CDU) Ja in der Drucksache 18/3244 abgelehnt. Björn Thümler (CDU) Ja Sabine Tippelt (SPD) Ja Ich rufe auf den Dirk Toepffer (CDU) Ja Eva Viehoff (GRÜNE) Nein Ulrich Watermann (SPD) Ja Tagesordnungspunkt 18: Stephan Weil (SPD) Ja Abschließende Beratung: Stefan Wenzel (GRÜNE) Nein a) Näher am Verbraucher, näher am ökologi- Lasse Weritz (CDU) Ja schen und ökonomischen Optimum - Chancen Dr. Thela Wernstedt (SPD) entsch. der Digitalisierung in der Landwirtschaft nutzen Editha Westmann (CDU) - - Umsetzung durch das Agrarinvestitionsförde- Klaus Wichmann (AfD) Ja rungsprogramm (AFP) voranbringen - Antrag Stefan Wirtz (AfD) Ja der Fraktion der FDP - Drs. 18/161 - b) Digitalisie- Mareike Wulf (CDU) Ja rung in der Landwirtschaft: Chancen nutzen - Sebastian Zinke (SPD) Ja) Abhängigkeiten und Datenklau vermeiden - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Vizepräsident Bernd Busemann: Drs. 18/2895 - Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Ver- Alle Namen wurden verlesen. Befindet sich - mitt- braucherschutz - Drs. 18/3950 lerweile, könnte ich sagen - ein Mitglied des Land- tages im Saal, das noch nicht abgestimmt hat? - Frau Naber, Herr Prange und Herr Hausmann. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, die Anträge in Frau Naber, wie möchten Sie abstimmen? einer geänderten Fassung anzunehmen. (Hanna Naber [SPD]: Ja!) In der Reihenfolge der Antragsteller erteile ich Herr Hausmann? zunächst Herrn Kollegen Hermann Grupe für die FDP-Fraktion das Wort. Bitte sehr! (Karl Heinz Hausmann [SPD]: Ja!) Herr Prange? Hermann Grupe (FDP): Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen (Ulf Prange [SPD]: Ja!) und Kollegen! Wir haben heute einen Feiertag: Im

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Juni feiern wir exakt den zweiten Geburtstag unse- ganz andere Probleme. Aber die neue Meldung ist res Ursprungsantrags zur Digitalisierung in der jetzt, wenn ich das richtig verstanden habe, Frau Landwirtschaft. Falls sich jemand wundert: Wir Otte-Kinast, dass Sie es bis Oktober schaffen wol- hatten ihn in der letzten Wahlperiode eingebracht. len. Damit schaffen Sie es auch nicht bis zur Er ist durch das Ende der Wahlperiode weggefal- Herbstbestellung. Der Raps wird im August gesät, len. In der neuen haben wir ihn wortwörtlich gleich und die Gerste wird im September gesät. Vielleicht wieder eingebracht. liegt es ja unter dem Weihnachtsbaum. Dann sind wir wieder bei der Frühjahrsbestellung, allerdings Im Ausschuss haben wir eine Anhörung durchge- des kommenden Jahres. führt, die, wie ich denke, bei uns allen, über alle Fraktionsgrenzen hinweg, aber auch bei den Ex- Meine Damen und Herren, es muss endlich etwas perten, die an ihr teilgenommen haben, Begeiste- passieren. Als wir den Antrag gestellt haben, wa- rung ausgelöst hat, als erörtert wurde, welche ren wir ganz vornedran. Da haben die ersten bei- Möglichkeiten die Digitalisierung für eine moderne, den Länder das verwirklicht. Mittlerweile sind es zukunftsfähige Landwirtschaft bietet. Das gilt für schon acht Länder, die das umgesetzt haben. Hier den Biobereich genauso wie für den konventionel- in Niedersachsen steht man auf der Bremse. Mei- len Bereich. ne Damen und Herren, das kann doch nicht so schwierig sein. Man könnte sich ja bei den ande- Wir haben leider diese zweijährige Beratungszeit ren acht Ländern erkundigen, wie man das denn gebraucht. Die GroKo wollte zwischenzeitlich den macht. Es scheint aber so zu sein, dass Sie das Antrag einfach ablehnen. Durch einen Änderungs- nicht wollen. Es vergeht Jahr um Jahr. Wie ich antrag der Grünen sind wir dann wieder ins Ge- erwähnt habe, beraten wir seit zwei Jahren. Im spräch gekommen. Heute liegt ein Antrag vor, der digitalen Zeitrahmen ist das eine Generation. Das die Einigkeit aller Fraktionen verdeutlicht. Dafür sind Welten, die wir durch unnötig lange Beratung bedanke ich mich bei allen Seiten. Wichtig ist aber leider verloren haben. auch, dass, nachdem eine solche Basis gelegt ist, Taten folgen. Diesbezüglich habe ich dann doch Einen Punkt muss ich natürlich ansprechen. Wir etwas mehr Bedenken, meine Damen und Herren. hätten im AFP gerne auch Geld für Digitalisierung Die Große Koalition aus CDU und SPD hatte zwi- in der Landwirtschaft gehabt. Das ist von Ihnen schenzeitlich einen Punkt aus unserem Antrag herausgestrichen worden. Es wäre sehr wün- herausgegriffen: das exakte Korrektursignal, das schenswert, wenn wir diese Maßnahmen, die der Zwei-Zentimeter-Signal, kostenfrei zu stellen. Das Ökologie genauso nutzen wie der Ökonomie, mehr wurde einhellig beschlossen. in die Breite bekämen und wenn wir Investitionsan- reize in die Landwirtschaft hinein geben könnten, Die Ministerin - - - Sie ist gar nicht da. Wo ist sie damit etwas passiert. Vielleicht kommen wir ja in denn? Frau Otte-Kinast ist nicht da. Gut. Damals den nächsten Beratungen noch dazu. war sie da. Da konnte ich sie fragen, wann denn dieses Korrektursignal kommen sollte. Leider hinkt, was die Umsetzung angeht, das Ag- rarland Nummer eins auf Krücken hinter den ande- (Ministerin Barbara Otte-Kinast betritt ren Ländern her. Es passiert nichts. Alle Verspre- den Plenarsaal) chungen werden gerissen. Immerhin legen wir mit - Da kommt sie. diesem Antrag eine Grundlage dafür, auf der dann in Zukunft etwas passieren kann. Insofern bleiben (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Danke, wir optimistisch. Aber es ist dringend notwendig, dass Sie sich hierher bemühen! - dass endlich wirklich tatkräftig gehandelt wird. Christian Meyer [GRÜNE]: Was für ein Parlamentsverständnis! Das hätte Vielen Dank. ich einmal machen sollen!) (Beifall bei der FDP und bei den Frau Otte-Kinast, ich war gerade an dem Punkt, zu GRÜNEN) schildern, dass ich Sie gefragt hatte, wann denn das Korrektursignal kostenfrei zur Verfügung ge- Vizepräsident Bernd Busemann: stellt werden sollte. Sie hatten mir damals geant- Vielen Dank, Herr Kollege Grupe. - Jetzt ist Kolle- wortet, Ihr Ziel sei, das zur Frühjahrsbestellung zu gin Miriam Staudte, Bündnis 90/Die Grünen, an der tun. Es ist nicht da. Wer die Frühjahrsbestellung Reihe. Bitte sehr! heute noch nicht abgeschlossen hat, hat noch

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Miriam Staudte (GRÜNE): mung vorliegt, einige unserer Forderungen zu Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen Prüfaufträgen abgeschwächt worden sind. Da geht und Kollegen! Auch ich halte unseren gemeinsa- es z. B. um die herstellerübergreifende Kompatibili- men Beschluss, den wir heute zum Thema „Digita- tät der unterschiedlichen Maschinen und Software lisierung in der Landwirtschaft“ fassen, für wirklich usw., die unserer Meinung nach ohne Leistungs- wegweisend. Ich freue mich, dass wir hier mit Hilfe verluste gewährleistet werden muss. Das ist jetzt aller eine gemeinsame Positionierung erarbeiten ein Prüfauftrag. Es soll gefragt werden, ob das konnten, die den Landwirtinnen und Landwirten in irgendwie geht. Ich hoffe, dass man da nicht die Niedersachsen helfen wird - auch gegen die zu- Hersteller fragt. Sie wollen ja ihr ganzes Sortiment nehmende Monopolisierung im Agrarsektor. Es verkaufen und werden womöglich sagen: Nein, geht nämlich nicht nur um die Chancen, die die das geht gar nicht. - Das muss natürlich auch Digitalisierung bietet, sondern auch um die Risi- technisch überprüft werden. Der andere Punkt ken, die eingedämmt werden müssen. betrifft die Konzentration über die Sektorgrenzen hinweg. Auch dies ist als Prüfauftrag formuliert, Herr Grupe hat den Verlauf gerade schon geschil- inwieweit das gemacht werden kann. dert. Es gab zunächst den Antrag der FDP und dann die umfangreiche Anhörung im Ausschuss, Insgesamt halte ich es für wegweisend, weil mei- bei der von den Expertinnen und Experten sehr nes Wissens bisher auch kein anderes Bundes- eindrücklich geschildert wurde, auf was für eine land einen so umfangreichen Beschluss gefasst Entwicklung man auch zusteuern kann, gerade in hat. Das Thema ist für uns aber nicht abgehakt. Bezug auf Datenschutz. Wir haben als Grüne dann Wir werden mit den Mitteln der Opposition auf einen Änderungsantrag vorgelegt. Der heute vor- jeden Fall nachforschen, inwieweit das, was wir liegende Beschlusstext ist wirklich sehr nah an heute hier beschließen werden, auch tatsächlich unserem Antrag mit der Überschrift „Digitalisierung umgesetzt wird. Der Umgang mit dem RTK-Signal in der Landwirtschaft: Chancen nutzen - Abhän- ist jetzt nicht gerade ermutigend. Eigentlich würde gigkeiten und Datenklau vermeiden“. ich erwarten, dass bei einer Kabinettsklausur, bei der es um die Verteilung des Geldes geht, dann Ich möchte einige Punkte aufgreifen, die ich für auch dafür gestritten wird. Aber wenn man nicht da wirklich essenziell halte, und beginne mit dem ist, kann man das natürlich leider nicht machen. Thema Datenhoheit. Alle erhobenen Daten sollen ausschließlich den Landwirtinnen und Landwirten Danke schön. gehören. Es muss auch vollständig informiert wer- (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- den, wenn solche Daten weitergegeben werden. stimmung bei der FDP) Für die Landwirtinnen und Landwirte muss auch überprüfbar sein, ob das auch eingehalten wurde. Vizepräsident Bernd Busemann: Wir haben den Zugriff auf alle öffentlichen Wetter- Vielen Dank, Frau Kollegin. - Der nächste Rede- daten. beitrag kommt aus der Fraktion der AfD. Kollegin Dana Guth, bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort. Wir haben aber auch z. B. die Forderung nach einem stärkeren Schutz vor Cyberangriffen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Schließlich geht es im Dana Guth (AfD): Gesamtkomplex um Ernährungssicherheit. Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Da- men und Herren! Heute wird nun abschließend Wenn die Anschaffung von unterschiedlichen Ge- über zwei Anträge zum Thema Digitalisierung in rätschaften etc. gefördert werden soll, dann sollen der Landwirtschaft beraten - ein Thema, das sich vornehmlich die kleinen und mittleren Betriebe seit Monaten durch Plenarsitzungen und Aus- gefördert werden. Ich halte das für einen wichtigen schüsse zieht. Punkt, um den Strukturwandel nicht weiter anzu- heizen. Ansonsten wäre es ja so, dass die Großen (Vizepräsidentin Petra Emmerich- sich dann die Anschaffung leisten können und Kopatsch übernimmt den Vorsitz) womöglich auch noch die Förderung abgreifen, Die Anträge der FDP aus dem Januar 2018 - gera- während die Kleinen es einfach nicht hinbekom- de haben wir gehört, dass er sogar noch ein hal- men. bes Jahr älter ist - und der Grünen aus dem Feb- Ein kleiner Wermutstropfen ist, dass in dem For- ruar 2019 wurden nun in eine Beschlussempfeh- mulierungsvorschlag, der uns heute zur Abstim- lung des Ausschusses eingedampft, die so belie-

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big und belanglos ist, dass sie selbst bei positiver Ferner heißt es: ob die herstellerübergreifende Entscheidung kaum Wirkung entfalten wird. Aber Kompatibilität von Landmaschinen und Software es hört sich erst einmal gut an. ohne Leistungsverluste abzusichern ist, inwiefern Datenbanken für zulassungspflichtige Betriebsmit- Schauen wir an, was ursprünglich gefordert wurde! tel usw. bereits verfügbar sind oder entwickelt und Die FDP verlangte u. a., das AFP wieder auf kostenfrei bereitgestellt werden können, inwieweit 40 Millionen Euro aufzustocken und die Digitalisie- tierschutzfördernde Neuerungen, z. B. die Sensor- rung als Förderschwerpunkt zu kennzeichnen, die technik in Mähwerken, besonders unterstützt wer- flächendeckende Versorgung des ländlichen Rau- den können, usw. usf. mes mit schnellem Internet zu gewährleisten, Geodaten, satellitenbasierte Korrekturdienste und Einmal mehr erleben wir, wie wirklich gute Anträge agrarmeteorologische Informationen kostenfrei zur so lange beraten werden, bis es nichts mehr zu Verfügung zu stellen, eine Bereitstellung von Da- entscheiden gibt. Wir stimmen heute mal wieder tenbanken für zulassungspflichtige Betriebsmittel, über ein Papier ohne jede Verbindlichkeit ab. Das Pflanzenschutz- und Tierarzneimittel und den un- ist an Beliebigkeit nicht zu überbieten. Da dieses eingeschränkten Einsatz von Drohnen. Bittgesuch keinem weh tut, nutzt es nichts, schadet aber auch nicht. Von daher kann man dem zu- Die Grünen forderten u. a. einen Rechtsanspruch stimmen, umso mehr, als dass die wesentliche auf schnelles Internet, eine herstellerübergreifende Voraussetzung dafür nicht gegeben ist und in den Schnittstellenkompatibilität, die Daten sollen aus- nächsten Jahren auch nicht gegeben sein wird, schließlich den Landwirten gehören, und tier- nämlich eine flächendeckende Internetversorgung schutzfördernde Maßnahmen wie Sensortechnik auf dem Land. an Mähwerken sollten bei Neuanschaffungen ver- pflichtend werden. Liebe Kollegen von der FPD und von den Grünen, Sie können jetzt sicherlich froh sein, dass Sie Ihren Ich muss Ihnen sagen: Das sind hervorragende Antrag zur Digitalisierung durchbekommen haben. Forderungen, wirklich jede einzelne, allesamt un- Was Sie damit wirklich erreichen, werden wir se- terstützenswert und tatsächlich sehr, sehr sinnvoll hen. Wenn Wunschzettel ohne Durchschlagskraft für unsere Landwirte. bereits ein politischer Erfolg der Opposition sind, dann können Sie sich heute gratulieren. Im Ergebnis erhalten wir heute eine Beschlussvor- lage, die mit alldem nicht mehr wirklich viel zu tun Vielen Dank. hat. Wir entscheiden heute über insgesamt zwölf (Beifall bei der AfD) Punkte, die sich jetzt gemeinsam in dieser Vorlage wiederfinden. Die Nrn. 1 bis 6 stehen unter der Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: Überschrift: „Der Landtag bittet daher die Landes- Vielen Dank, Frau Guth. - Für die CDU-Fraktion regierung, sich bei der Bundesregierung und der spricht nun Dr. Marco Mohrmann. EU dafür einzusetzen“. Unter Nr. 1 heißt es dann beispielsweise, dass eine gute Internetverbindung Dr. Marco Mohrmann (CDU): auf dem Land sichergestellt werde. - Wir erinnern uns, wie sich die Forderungen ehemals anhörten! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kollegin- nen und Kollegen! Ich freue mich abermals, an Die Nrn. 7 bis 12 laufen unter der Agenda: „Wei- dieser Stelle deutlich machen zu können, dass sich terhin bittet der Landtag die Landesregierung zu die Landwirtschaft Niedersachsens in ausgepräg- prüfen“, z. B. wie der sinnvolle Einsatz von Droh- ter Vorreiterrolle in Fragen der Digitalisierung sieht. nen in der Landwirtschaft ermöglicht werden kann. - Das hat mit klaren Forderungen nicht mehr wirk- (Zustimmung bei der CDU) lich etwas zu tun. Und das Schöne an Bitten ist, Digitale Anwendungen halten in großen Schritten man kann ihnen nachkommen, oder man kann es Einzug in die landwirtschaftliche Praxis. Wenn man lassen. mal in die Treckerkabinen schaut, erkennt man, dass diese mittlerweile mit beeindruckender Tech- Schauen wir uns weitere Formulierungen dieser nik vollgestopft sind. Wenn man ebenso die Digita- Beschlussvorlage an! Unter anderem sollen Land- lisierungsentwicklung in der Tierhaltung beobach- wirte mit ihren betriebsbezogenen Schnittstellen tet, wo sogenannte RFID-Systeme die Basis für auf möglichst alle Wetterdaten zugreifen können. - Identifikation, Nachverfolgbarkeit und Datenver- Vielleicht, vielleicht auch nicht. knüpfung mit Sensordaten der Tiere sind, erfährt

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man, dass dadurch Tag für Tag umfangreiche „Digitalisierung in der Landwirtschaft: Chancen Datenmengen in der Landwirtschaft produziert nutzen - Herausforderungen meistern“ werden. Vielen Dank. Meine Damen und Herren, die Zeit ist reif, dass die (Beifall bei der CDU und Zustimmung Politik hier die richtigen Rahmenbedingungen un- bei der SPD sowie von Miriam ter Berücksichtigung der besonderen Struktur der Staudte [GRÜNE]) Landwirtschaft und ihrer geringen Marktmacht schafft. Wir wollen alles dafür tun, dass die Land- Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: wirtschaft die Hoheit über die auf ihrem Betrieb Vielen Dank, Herr Dr. Mohrmann. - Für die SPD- gewonnenen Daten hat und hierzu auch das Bin- Fraktion hat sich nun der Kollege Jörn Domeier zu nenverhältnis zwischen Verpächter, also dem Wort gemeldet. Grundeigentümer, und dem Pächter in dieser Fra- ge geklärt wird. Hierbei ist uns auch die schon Jörn Domeier (SPD): genannte herstellerübergreifende Schnittstellen- kompatibilität wichtig. Sie ermöglicht die Digitalisie- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- rung auch älterer Maschinenbestände und ist da- ten Damen und Herren! Wir haben es heute ge- her ein entscheidendes Detail im Transformations- hört, und der Ministerpräsident hat es bei seinem prozess hin zur digitalen Landwirtschaft. Regierungsantritt auch festgestellt: Niedersachsen ist das Agrarland Nummer eins. - Das war richtig, An dem ganz hervorragenden und auch von der und das soll auch weiterhin richtig sein. Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner geför- Aber wie immer geht von der Nummer eins etwas derten Projekt der GeoBox in Rheinland-Pfalz, auf ganz Besonderes aus. Völlig zu Recht erwartet das wir uns im Antrag beziehen, arbeitet Nieder- man von ihr nicht nur Standards, sondern das Be- sachsen mit. Hier sollen Systeme entwickelt wer- sondere. Mit diesem Antrag haben wir heute die den, die die Daten des Betriebs mit öffentlichen Chance, gemeinsam etwas zu beschließen, was Daten verknüpfen. Ziel ist dabei die Entwicklung so bisher noch kein anderes Bundesland geschafft einer Drehscheibe in der digitalen Kommunikation hat. Wir wollen nicht mehr und nicht weniger, als zwischen Landwirt, Lohnunternehmen und Offizi- auf die Digitalisierung nicht nur zu reagieren, son- alberatung. Hier ist also bereits Schnittstellenkom- dern sie auch zu gestalten. petenz vorhanden. Daher kann es nur zielführend sein, sich der Kenntnisse dieses Projektes anzu- Ich möchte gerne das Beispiel aufgreifen, das Frau nehmen. Staudte angeführt hat: Marktbeherrschende Unter- nehmen und globale Zusammenschlüsse wollen Ich freue mich, dass es nun schlussendlich gelun- wir insoweit verhindern, als dass wir nicht wollen, gen ist, ein Papier zu entwickeln, das auch die dass mit der Betriebssoftware bereits klar ist, wel- Zustimmung von Grünen und FDP findet, indem ches Düngemittel, welches Pflanzenschutzmittel wir Einigkeit in den Punkten herstellen konnten, die gekauft wird, welcher Schlepper gesteuert wird uns gemeinsam wichtig sind. Im Januar haben wir oder auch, welcher Kunde am Ende bedient wird. in diesem Hohen Haus bereits die Freistellung von Das geht viel zu weit. Gebühren für das RTK-Korrektursignal beschlos- sen. Nun senden wir die gemeinsame Botschaft (Beifall bei der SPD und Zustimmung aus, dass wir die niedersächsische Landwirtschaft bei den GRÜNEN) in der Digitalisierung insgesamt nach vorne brin- Aus diesem Grund wollen wir der Zukunft einen gen wollen. Denn das ist der Schlüssel zu Nach- Rahmen geben und die Anträge in der Form be- haltigkeit, Ressourceneffizienz, Tier- und Verbrau- schließen, wie wir es gesagt haben. Wir wollen cherschutz. Das ist ein wichtiges Signal, auch an Standards setzen und aufzeigen, wohin wir wollen. alle Verbraucherinnen und Verbraucher im Lande Und mit „wir“ meine ich tatsächlich nicht nur die Niedersachsen. regierungstragenden Fraktionen, sondern nenne (Beifall bei der CDU und Zustimmung ebenfalls und ausdrücklich die Grünen und die bei der SPD) FDP. Wie immer, wenn etwas erfolgreich zu sein scheint, gilt, dass es mehrere Mütter und Väter des Meine Damen und Herren, daher bitte ich nach Erfolges gibt. Ich werte es als Kompliment und als dem positiven Votum im Agrarausschuss nun auch Auszeichnung unserer gemeinsamen guten Arbeit, hier um Zustimmung für den Entschließungsantrag dass die Eigentümerschaft der guten Ideen bereits

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für sich reklamiert wurde. Ich sage aber auch: Oh- Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: ne die umfangreiche Anhörung, ohne die Qualität Danke sehr, Kollege Domeier. - Für die Landesre- der Beteiligten an dieser Anhörung wäre das gierung bekommt nun die Landwirtschaftsministe- wahrscheinlich so nicht machbar gewesen. rin Frau Otte-Kinast das Wort. (Beifall bei der SPD sowie Zustim- (Vereinzelt Beifall bei der CDU) mung bei den GRÜNEN und bei der FDP) Barbara Otte-Kinast, Ministerin für Ernährung, Wir vier arbeitenden Parteien im Ausschuss haben Landwirtschaft und Verbraucherschutz: uns wirklich Zeit genommen. Wir haben wirklich Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Ich versucht, gemeinsam die unterschiedlichen Punkte freue mich sehr, dass sich der Landtag heute mit zu bewerten, und sind der Auffassung, dass die dem wichtigen Thema der Digitalisierung in der Sicherheit und auch die Versorgungssicherheit des Landwirtschaft beschäftigt. Für die Wirtschaftlich- Agrarlands Nummer eins nicht gefährdet sein dür- keit, für die Arbeitserledigung, für den Ressour- fen. Und es darf nicht um Eitelkeiten gehen. Das cen-, Klima- und Umweltschutz und auch für den sage ich ganz ausdrücklich, weil jetzt gerade von Tierschutz bietet die Digitalisierung erhebliche ganz rechts ein bisschen Unruhe aufkommt. Dabei Chancen. Diese Chancen wollen wir nutzen. kritisiere ich nicht, dass man sich eventuell hat vertreten lassen. Das ist ganz normal. Nein, ich Allerdings müssen wir auch die Risiken im Blick kritisiere, dass man im Ausschuss nichts zur Sa- behalten. Auch hierzu werden im Entschließungs- che sagt, dann aber hervorhebt, was alles falsch antrag wichtige Punkte angesprochen. Sowohl auf sei. - Mitarbeit wäre gern gesehen und wäre auch der technischen als auch auf der politischen Ebene möglich gewesen. müssen wir nach Lösungen für diese kritischen Aspekte suchen. (Dana Guth [AfD]: Sind Sie eigentlich da in den Ausschüssen? Hören Sie Mir ist es wichtig, dass eben nicht nur Technikher- auch einmal zu?) steller und Agrarkonzerne, sondern auch die Landwirtinnen und Landwirte sowie die Verbrau- - Beim letzten Mal waren Sie z. B. nicht da, Frau cherinnen und Verbraucher vom Einsatz der digita- Guth. len Technologien profitieren. (Dana Guth [AfD]: Ja, da bin ich ver- Ein wichtiger Meilenstein für den Ausbau der digi- treten worden!) talen Infrastruktur wurde in der vergangenen Wo- che mit der Vergabe der 5G-Lizenzen erreicht. Für mich gilt, dass wir das Beschlossene werden Jetzt kommt es darauf an, auch in den vielen länd- machen müssen. Herr Grupe hat es richtig er- lichen Regionen Niedersachsens ein schnelles und wähnt: SAPOS-Dienste sind ein Beispiel dafür. Wir leistungsfähiges Netz zu etablieren. wollen das, was im Januar mit beschlossen wurde, umsetzen. Unser Ziel war die Frühjahrsbestellung. Um das Innovationspotenzial der Digitalisierung Das galt nicht nur für „agrarheute“ und andere auszuschöpfen, plant mein Haus die Einrichtung Kommunikationswege, sondern das war das, was von Experimentierfeldern digitale Landwirtschaft wir wollten. und des Digitalen Stalls der Zukunft. Neue Lösun- gen für die Tier- und Pflanzenproduktion sollen Wir erwarten, dass diese Punkte mit umgesetzt besser als bisher für die landwirtschaftliche Praxis werden. Aber dafür wird es sicherlich eine Erklä- nutzbar gemacht werden. Es sollen überzeugende rung geben. Dafür werden wir weiter ringen. Ge- Showcases geschaffen werden, um die breite Nut- nau das werden wir weiter machen. Wir werden zung digitaler Technologien zu ermöglichen. Auch diesen Antrag nicht nur heute beschließen, son- einige der kritischen Aspekte rund um die Digitali- dern natürlich sukzessive weiterverfolgen, damit sierung können in diesen modellhaften Betrieben die Punkte umgesetzt werden. adressiert werden. Vielen Dank. Meine Damen und Herren, wir stehen mit der Digi- (Beifall bei der SPD sowie Zustim- talisierung in der Landwirtschaft eben nicht mehr mung von Dr. Marco Mohrmann am Anfang. Es sind aber noch manche Probleme [CDU], Miriam Staudte [GRÜNE] und zu lösen. Dem wollen wir uns mit Nachdruck stel- Hermann Grupe [FDP]) len.

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Verehrte Frau Staudte, selbstverständlich ist der Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag in Streit um das Geld in unseren Ministerien längst im geänderter Fassung anzunehmen. vollen Gange. In der Haushaltsklausur des Kabi- Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. netts werde ich mich persönlich beim Finanzminis- ter und beim gesamten Kabinett weiter für unser Wir kommen jetzt zur Einbringung. - Na ja, es ist ja Ministerium einsetzen. eine abschließende Beratung. Aber Herr Grupe, der Kollege von der FDP, darf den Tagesord- Vielen Dank also für Ihren Antrag. Ich freue mich nungspunkt 19 trotzdem wieder einbringen. auf Einigkeit und habe einfach Spaß daran, die Digitalisierung in Niedersachsen mit Ihnen allen (Ulrich Watermann [SPD]: Hermann, voranzubringen. du stehst heute ständig da vorne! - Miriam Staudte [GRÜNE]: Wir wollen Danke. auch mal einbringen!) (Lebhafter Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD) Hermann Grupe (FDP): Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: und Kollegen! Das ist wieder ein Antrag, der nicht Vielen Dank, Frau Ministerin. - Hierzu liegen keine alltäglich ist, sondern der ein Grundsatzproblem weiteren Wortmeldungen vor, sodass wir zur Ab- aufgreift und einen ganzen Bereich betrifft. stimmung kommen können. Ich darf allen Fraktionen unseren Dank abstatten. Wer also der Beschlussempfehlung des Aus- Dieser Punkt liegt uns sehr am Herzen. Im Laufe schusses zustimmen und damit die Anträge der der Beratungen hat der Antrag immer mehr an Fraktion der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Substanz gewonnen. Wir sind den Zielen, die wir Grünen in der sich aus der Beschlussempfehlung da verwirklichen wollen, immer näher gekommen. ergebenden geänderten Fassung annehmen will, Es herrscht absolute Einigkeit, über alle Fraktionen den bitte ich nun um sein Handzeichen. - Gibt es hinweg. Gegenstimmen? - Eine Gegenstimme bei der FDP. Ein ordnungsgemäßer, tiergerechter Umgang mit (Dr. Stefan Birkner [FDP] gibt ein unseren Mitgeschöpfen liegt uns allen am Herzen. Handzeichen - Gegenruf von Jens Das ist der Inhalt dieses Antrages. Nacke [CDU]: Du hättest unserem Frau Ministerin Otte-Kinast, bitte nicht erschre- gemeinsamen Antrag auch zustim- cken: An dieser Stelle muss ich als Vertreter der men können! - Dr. Stefan Birkner Opposition Sie loben. [FDP]: Entschuldigung! Das war ein Missverständnis, Frau Präsidentin! (Johanne Modder [SPD]: Das wird Herr Nacke hatte mich abgelenkt! - extra vermerkt!) Heiterkeit) Denn Sie, Frau Otte-Kinast, haben sich erlaubt, - Es gibt keine Gegenstimme. Gibt es denn Enthal- schon vor über einem Monat mehrere Forderungen tungen? - Das ist auch nicht der Fall. Die Be- aus diesem Antrag zu übernehmen. Die waren fast schlussempfehlung ist angenommen. wortgleich in Ihren Ausführungen enthalten. Wir haben das sofort aufgegriffen und Ihnen dafür Wir können zum nächsten Tagesordnungspunkt gedankt - das möchte ich an dieser Stelle aus- kommen, und zwar zum drücklich wiederholen -, (Zustimmung bei der FDP, bei der Tagesordnungspunkt 19: SPD und bei der CDU) Abschließende Beratung: dass wir gerade bei diesem Thema, bei dem es um Missstände in Schlachthöfen: Systemfehler ethische Fragen geht, bei dem es um die Frage - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die beheben geht, wie wir Menschen mit den Tieren umgehen, Grünen und der Fraktion der FDP - Drs. 18/3255 - so völlig ohne jede Taktik - so empfinde ich es - an Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernäh- einem Strange ziehen. rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Drs. 18/3951 Die GroKo hat diesen Antrag ganz kurz vor der abschließenden Ausschusssitzung noch einmal ergänzt und etwas umgeschrieben. Da wir den

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Änderungsvorschlag nicht gelesen hatten, haben Wir haben uns dann im Ausschuss - Herr Grupe wir uns im Ausschuss enthalten. Es hat sich inhalt- hat es gesagt - sehr intensiv mit der Thematik be- lich nichts Substanzielles verändert. fasst und hatten auch eine sehr gute Anhörung, die allerdings auch ein wirklich erschreckendes Frau Kollegin Logemann, Sie haben insbesonde- Bild von den Zuständen in den Schlachthöfen ge- re - wenn ich das richtig lese - die Belange der zeichnet hat. Arbeitnehmer noch einmal herausgestellt. Das haben Sie in den Debatten hier immer getan. Das Wir haben dann zusammen mit der FDP einen ist ein Punkt, der uns gemeinsam sehr am Herzen Antrag mit den vielen notwendigen Änderungen liegt. Denn wir wollen ja, dass an dieser Stelle formuliert. Heute liegt uns ein Entwurf der GroKo verantwortungsvoll mit den Tieren umgegangen vor, der, wie gesagt, im Ausschuss nicht mehr wird. Deswegen ist an diesem Arbeitsplatz hoch- diskutiert werden konnte, weil er erst kurz vor der qualitative Arbeit gefordert. Deswegen müssen die Sitzung übermittelt wurde. Arbeitsbedingungen so gut sein, dass wir Arbeit- nehmer gewinnen, die diese Tätigkeit - die direkte Vielleicht deswegen kommen wir zu ein bisschen Tötung des Tieres - sehr sorgfältig und verantwor- unterschiedlichen Einschätzungen. Wir Grüne tungsbewusst ausüben. werden uns zu diesem Entwurf enthalten. Wir se- hen schon, dass in ihm sehr viele Punkte ange- Deswegen müssen wir auch mit der Kameraüber- sprochen sind, die auch unser gemeinsamer An- wachung aufpassen. Es kann keine Totalüberwa- trag mit der FDP enthielt. chung sein. Optimal wäre, wenn durch digitale Hilfe erkannt werden könnte, ob es ordnungsge- Wenn man bedenkt, dass wir von einer Debatte mäß läuft oder nicht, wenn man also einerseits kamen, in der vonseiten des Ministeriums nur ge- eine Kontrolle hätte, andererseits aber auch einen sagt wurde, man wolle mit einer Videoüberwa- Arbeitsplatz, auf dem Menschen tätig sind, die chung durch die Betriebe selbst reagieren, dann wirklich hochqualitativ arbeiten. muss man wirklich von einem großen Fortschritt sprechen. Das ist richtig. Aber angesichts der gra- Meine Damen und Herren, ich will hier ausdrück- vierenden Verstöße gegen das Tierschutzrecht, die lich feststellen: Die Inhalte unseres Ursprungsan- in der Anhörung zur Sprache kamen und die in trages sind vollumfänglich erhalten geblieben. Dies Form bewegter Bilder öffentlich wurden, reicht die ist ein sehr positives Beispiel für mich, bei dem der Beschlussempfehlung aus unserer Sicht nicht wirk- Antrag im Laufe der Beratungen noch an Sub- lich aus. stanz, an Klarheit gewonnen hat, insbesondere durch den Änderungsantrag der Grünen, durch Ein zentraler Punkt unseres gemeinsamen Antrags den noch Aspekte eingearbeitet wurden. Somit mit der FDP-Fraktion war das Verbot der Akkord- haben wir hier am Ende einen Antrag, dem wir mit arbeit; denn wir sagen, dass man unter Zeitdruck großer Freude zustimmen. nicht tierschutzgerecht schlachten kann. Vielen Dank. In dem Antrag der GroKo ist nun formuliert, dass (Beifall bei der FDP, bei der SPD und die Akkordarbeit nur für den Bereich der Betäu- bei der CDU) bung und des Tötens verboten werden soll. Das klingt erst einmal sinnvoll. Aber wir haben in der Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: Anhörung gehört, dass in den Schlachtbetrieben ein immenser Gruppendruck herrscht. Wenn vorne Herzlichen Dank, Kollege Grupe. - Für Bünd- im Bereich der Betäubung und des Tötens lang- nis 90/Die Grünen erhält nun die Kollegin Miriam sam gemacht wird, wird hinten am Zerlegefließ- Staudte das Wort. band weniger Geld verdient. Und wenn man dann bedenkt, dass die Menschen zusammen unterge- Miriam Staudte (GRÜNE): bracht sind und in denselben Zimmern übernach- Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine lieben Kol- ten: Da wird sich niemand diesem Gruppendruck leginnen und Kollegen! Ich möchte daran erinnern, entziehen können und wirklich langsam und sorg- warum wir heute eigentlich diskutieren. Wir waren sam arbeiten. Wir haben sogar gehört, dass die ja wirklich alarmiert von den schrecklichen Bildern, Kontrolleurinnen und Kontrolleure nicht nur unter die Tierrechtsorganisationen in niedersächsischen Druck gesetzt werden, sondern sich regelrecht Schlachthöfen gefilmt und veröffentlicht hatten. bedroht fühlten.

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Ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen, Beim Thema Tiertransporte fordern Sie eine Ver- der sich in dem Antrag der GroKo ebenfalls nicht schärfung des Bußgeldkatalogs, obwohl im Mo- wiederfindet, und zwar auf die Übertragung der ment so gut wie keine Bußgelder verhängt werden Zuständigkeit von den Kommunen auf das Land. und Niedersachsen das Schlupfloch für die langen Tiertransporte ist, die andere Bundesländer ver- Wir lesen zu den unterschiedlichsten Themen aus hindern wollen. Das ist überhaupt nicht glaubwür- dem Zuständigkeitsbereich der Veterinärämter dig. immer wieder, dass die Kommunen die Erfüllung dieser Aufgabe im Moment nicht gewährleisten (Beifall bei den GRÜNEN) können. Deswegen halten wir daran fest, dass das auf Landesebene erfolgen muss. Daran, dass es Präsidentin Dr. Gabriele Andretta: unangekündigte Schwerpunktkontrollen der Vete- rinärämter zusammen mit dem LAVES gibt, sieht Danke, Frau Kollegin. - Für die SPD-Fraktion erhält man ja, dass das Land es den Kommunen an- nun Frau Kollegin Karin Logemann das Wort. scheinend auch nicht mehr zutraut, das alleine hinzubekommen. Deswegen sollten man den kon- Karin Logemann (SPD): sequenten Schritt wagen und diese Übertragung Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren zumindest überprüfen. Abgeordnete! Frau Staudte, mit Verlaub: Ihr Ver- (Beifall bei den GRÜNEN) halten ist für mich absolut bedauerlich. Ich finde auch keine Erklärung dafür. Wir hatten in den ver- Ansonsten finden sich in dem Antrag der GroKo schiedenen Ausschusssitzungen sehr konstruktive viele Appelle und Selbstverständlichkeiten: Runde Diskussionen. Ihre Versuche, die Enthaltung, die Tische, Schulungen, die Forderung nach kontinu- Sie angekündigt haben, zu erklären, wirken auf ierlicher und nachhaltiger Fachaufsicht. Eigentlich mich ein bisschen hilflos. Sie ziehen einzelne For- ist es eine Ohrfeige, wenn man fordern muss, dass derungen heraus und bemängeln deren Wirksam- die Aufsicht ausgeübt wird. Gleiches gilt auch für keit. Aber es ist doch klar, dass man immer nur mit die Forderung an den Bund, einheitliche Anforde- einem gesamten Strauß von Maßnahmen etwas rungen an die Verifizierung der Einhaltung von erreichen kann, wenn man zu Verbesserungen Vorschriften zu formulieren. Gerade im Bereich kommen will. des Schlachtens gibt es unterschiedliche Gesetze und Verordnungen. Die Aufsichtsbehörden sind (Beifall bei der SPD und bei der CDU) zuständig. Da muss man den Bund doch nicht noch bitten, etwas Einheitliches herauszugeben, Meine Damen und Herren, Tierquälereien, Aus- weil man nicht weiß, wie man überprüfen soll. Das beutung von Werksvertragsarbeitern, an Tuberku- kann nicht sein. lose erkrankte Arbeiter - seit Monaten produziert die Schlachthofbranche in Niedersachsen Negativ- (Beifall bei den GRÜNEN) schlagzeilen. 755 Millionen Nutztiere werden jähr- Ich finde es grundsätzlich gut, dass in den Antrag lich in Deutschland geschlachtet. Das bedeutet der GroKo Themen wie die Arbeitssituation des Verantwortung, und das muss Ansporn sein, die Personals aufgenommen worden sind. Das betrifft Prozesskette vom Verladen der Tiere auf dem die Menschen aus Rumänien und sonst woher, die landwirtschaftlichen Betrieb über den Transport bis hier unter sehr schlechten Bedingungen arbeiten zur Schlachtung permanent zu analysieren und zu und wohnen müssen. Aber dass ein Runder Tisch verbessern - permanent! Es darf mit so einem mit der Schlachtindustrie den Durchbruch bringen Antrag auch nicht zu Ende sein. wird, wage ich zu bezweifeln. Bilder aus den Schlachthöfen in Niedersachsen, Wir haben das heute ja schon im Zusammenhang Sachsen-Anhalt und Brandenburg stellten in der mit den Labeln behandelt: Ich glaube, mit Freiwil- Vergangenheit negative Beispiele dar, die sich ligkeit kommt man da nicht weiter. Die Kommunen niemand wünscht. Deshalb müssen wir handeln. müssen die Möglichkeiten nutzen und scharf kon- Die Erkenntnislage ist vielfältig. Es wurde schon trollieren. Sie haben die Aufsicht über die Wohnun- gesagt: Die Auseinandersetzung der politischen terkünfte und Sammelunterkünfte. Sie könnten auf Gremien mit der Situation war und ist intensiv. menschenunwürdige und gesundheitsgefährdende Anhörungen, Unterrichtungen und der Kontakt mit Zustände hin kontrollieren. Das Land müsste das den Praktikern aller beteiligten Bereiche gaben uns Wohnraumgesetz verschärfen. tiefe Einblicke in die praktizierten Abläufe.

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Deutlich spürbar ist aber immer wieder und an Was ist dabei herausgekommen? - Das zeigt, wie allen Stellen die Bereitschaft zur Veränderung. wichtig die Einrichtung dieser Arbeitsgruppe war: Dabei gilt es, verschiedene Aspekte zu betrachten. Bei unangekündigten Kontrollen niedersächsischer Der eine Aspekt betrifft das Tierwohl. Ein anderer Schlachthöfe sind weitere Mängel entdeckt wor- Aspekt, der besonders wichtig ist - vielen Dank an den. 14 von 18 kontrollierten Betrieben wiesen Hermann Grupe -, sind die Arbeits- und Lebensbe- Mängel auf, teilte das Landwirtschaftsministerium dingungen des eingesetzten Personals. Ich per- Anfang des Jahres mit. Das ist nicht hinnehmbar. sönlich bin zutiefst davon überzeugt, dass beides Daran wird weiterhin intensiv gearbeitet. unmittelbar miteinander zusammenhängt: Die Ar- Als technische Mängel seien etwa Wartungsmän- beit in den Schlachtbetrieben ist anstrengend und gel bei den Bolzenschussapparaten oder nicht monoton, und daher sorgt eine menschenwürdige geeignete Fixationseinrichtungen beanstandet Behandlung der Angestellten meiner Auffassung worden, heißt es. Die Abstellung dieser Mängel nach auch für eine bessere Einhaltung des Tier- werde jetzt von den kommunalen Überwachungs- schutzes. behörden veranlasst und überwacht. Das ist ein Konkret soll das dadurch erreicht werden, dass ganz wichtiger Punkt in dieser Prozesskette, an z. B. - Sie haben es angesprochen - die Betäu- dem man auch schon dran ist. Hermann Grupe hat bung und das Töten von Tieren vom weiteren es gesagt: Man kann wirklich nur Danke sagen, Schlachtvorgang und der Zerlegung entkoppelt dass das Ministerium, die Ministerin mit ihrem werden. Das ist ein erster Baustein. Akkordarbeit Team unabhängig von diesem Antrag sofort tätig in Schlachthöfen darf nur noch zulässig sein, wenn geworden sind. sichergestellt ist, dass der Tod des Schlachttieres Die freiwillige Kameraüberwachung wurde zwi- eingetreten ist. Eine Mindestwartezeit - auch das schen Vertretern von Fleischwirtschaft, Handels- ist Bestandteil des Antrags - zwischen dem Entblu- verbänden und kommunalen Veterinärbehörden tungsschnitt und der weiteren Schlachtung wird vereinbart. Auf Betreiben der Landesregierung gibt festgelegt werden. Akkordarbeit verursacht Druck; es eine Bundesratsinitiative. Das wissen wir alle. Druck verursacht Stress, der wirkt auf die Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter. (Glocke der Präsidentin)

Was wurde bisher getan? - Unsere Ministerin han- Wir wollen, dass es genügend tierärztliches Perso- delte. Daher auch von unserer Seite ein herzlichen nal gibt, um die Einhaltung der Vorschriften zu Dank an die Landwirtschaftsministerin! Ein Dank überwachen, und viele Dinge mehr, die Teil dieses geht aber gleichzeitig auch an das Wirtschaftsmi- Antrags sind. Wir wollen natürlich Schulungen - sie nisterium, weil die gesamte Arbeitsprozesskette sind sehr wichtig -, damit in Zukunft Fehler vermie- ministeriumsübergreifend zu betrachten ist. den werden können. Meine Redezeit läuft ab. Deshalb muss ich etwas (Zustimmung von der SPD und von abkürzen. der CDU) Was uns besonders gut gefällt, ist der Weg, den Die Ministerin handelte. Es gibt gemeinsame un- die Goldschmaus-Gruppe mit der Festanstellung angekündigte Schwerpunktkontrollen der kommu- der osteuropäischen Werkvertragsarbeiter im nalen Veterinärbehörden - Sie haben es ange- Kerngeschäft jetzt geht. Das ist ein ganz wesentli- sprochen - und der landesweiten Zulassungsbe- cher Punkt. Das ist in ihren Kundenaudits sehr hörde zur Überprüfung der Einhaltung tierschutz- positiv aufgenommen worden. Das ist ein gutes rechtlicher Vorgaben in niedersächsischen Zeichen, an dem wir sehen: Auch der Einzelhandel Schlachtbetrieben. unterstützt das und hält das für wichtig.

Es wurde eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des (Glocke der Präsidentin) Landwirtschaftsministeriums, der kommunalen Die Herausforderung ist erkannt. Das Thema steht Spitzenverbände und des Niedersächsischen Lan- im Fokus. Eigentlich herrscht über die Aufgaben- desamtes für Verbraucherschutz und Lebensmit- stellung Einigkeit. Ich will an der Stelle - im über- telsicherheit zur weiteren Verbesserung der amtli- tragenen Sinne - sagen: Jetzt muss Butter bei die chen Tierschutzkontrollen eingerichtet. Uns muss Fische! - Wir wollen das gerne machen. doch klar sein, dass uns nur eine gemeinsame Arbeit von allen Beteiligten weiterbringt. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

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(Beifall bei der SPD und bei der CDU) Um die Wertigkeit des Tierschutzes noch einmal auf den Punkt zu bringen: Viele, die voller Abscheu Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: und zu Recht auf diese Skandale in den Schlacht- Vielen Dank, Kollegin Logemann. - Zu Wort ge- höfen und in der Landwirtschaft schauen, tun dies meldet hat sich der Kollege Helmut Dammann- aus der Perspektive heraus, bei dem ihr Kontakt zu Tamke für die CDU-Fraktion. Tieren in der Regel über ihre Haustiere - ihre Hun- de oder ihre Katzen - in ihren Wohnungen besteht. Zum Teil halten diese Menschen Tiere, und Helmut Dammann-Tamke (CDU): manchmal haben diese Tiere in der häuslichen Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Gemeinschaft sogar den Stellenwert von Ersatz- und Kollegen! Tierschutzverstöße an unseren familienmitgliedern. Schlachthöfen sind nicht hinnehmbar. Ich bin sehr froh, dass wir das heute in einer sehr Im totalen Gegensatz dazu steht - darin stimmen sachlichen Atmosphäre hier debattieren, dass wir wir hier, glaube ich, überein -, dass unser Lebens- im Ausschuss über die Anhörung zu weitgehend mitteleinzelhandel nach wie vor das Lebensmittel einvernehmlichen Lösungen gekommen sind und Fleisch einzig und allein über den Preis bewirbt. dass wir hier - vermutlich bei Enthaltung durch die Ob Sie sich einen Fernsehwerbespot anschauen, Grünen - heute den Änderungsvorschlag, den die ob Sie einen Radiowerbespot hören oder ob Sie in Regierungsfraktionen eingebracht haben, verab- die Beilagen des Lebensmitteleinzelhandels in den schieden werden. Anzeigenblättern schauen: Das Lebensmittel Fleisch ist nach wie vor das Lockmittel schlechthin, Aber seit der Einbringung des Ursprungsantrags um Verbraucher in die Supermärkte zu holen. durch Grüne und FDP ist ja ein weiterer Fall hinzu- gekommen, nämlich der sogenannte Schlacht- Gleichzeitig wundern wir uns, dass ein Wirt- hofskandal in Düdenbüttel bei Stade. Videotechnik schaftssystem, das so auf Effizienz, so auf das hat dort nach meiner subjektiven Wahrnehmung Merkmal Preis getrimmt ist, leider zu den Aus- eindeutige Tierschutzverstöße aufgedeckt. Es wüchsen führt, die wir alle in diesen Bereichen bleibt den weiteren staatsanwaltschaftlichen Er- beklagen. Die Schlachthöfe setzen das unter die- mittlungen vorbehalten, hierzu die weiteren Schrit- sem wirtschaftlichen Druck um. Man sollte nicht te einzuleiten. glauben, dass dieser wirtschaftliche Druck im Öko- oder Biobereich definitiv anders aussieht; denn Wir haben für unseren Änderungsvorschlag den einige der Schlachthöfe, die hier in den Fokus Titel „Arbeitnehmerschutz und Tierschutz in geraten sind, hatten u. a. auch eine Zulassung für Schlachthöfen verbessern - System ganzheitlich den Öko- bzw. Biobereich. denken“ gewählt. Ich werde in meinen Ausführun- gen ganz wesentlich auf diesen ganzheitlichen Was will ich mit meinen ausschweifenden Ausfüh- Ansatz abzielen. Wir haben seitens der Regie- rungen zu diesem Themenbereich sagen? rungsfraktionen den Themenblock „Arbeitnehmer, Arbeitnehmerunterbringung, Arbeitnehmerbeschäf- (Helge Limburg [GRÜNE]: Rein sach- tigung über Subunternehmer“ aufgeführt - vollkom- lich! Alles gut! - Unruhe - Glocke der men zu Recht. Aber in meinen Augen geht dieses Präsidentin) Thema ja sehr viel weiter. Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahr- Wir haben hier einen ganzen Katalog von Forde- zehnten zu arbeitsteiligen Produktionsprozessen in rungen auf den Weg gebracht, die alle richtig sind, unseren Wirtschaftssystemen verändert, und das die alle im Einzelnen ihren Beitrag leisten werden, hat auch vor der Landwirtschaft nicht haltgemacht. damit das Risiko, dass wir in Zukunft solche Tier- Wie selbstverständlich gehen uns heute Begriff- schutzverstöße an unseren Schlachthöfen zur lichkeiten wie „industrielle Tierhaltung“ oder „Mas- Kenntnis nehmen müssen, minimieren wird. Aber sentierhaltung“ über die Lippen. Parallel dazu ha- wir sollten heute bei der Verabschiedung dieses ben wir in den letzten Jahrzehnten das Thema Entschließungsantrags nicht so naiv sein, davon Tierschutz in unser Grundgesetz aufgenommen. auszugehen, dass wir uns in einer wie auch immer Allein an diesen Begrifflichkeiten sehen wir, dass gearteten Sicherheit dahin gehend wiegen können, sich hier zwei Stränge in vollkommen unterschied- dass wir in Zukunft von solchen Bildern verschont liche Richtungen entwickelt haben. bleiben werden;

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(Zustimmung von Helge Limburg Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: [GRÜNE] und Miriam Staudte [GRÜ- Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion erhält nun die NE]) Fraktionsvorsitzende, Frau Guth, das Wort. denn wir brauchen ein Umdenken in den Köpfen aller an diesem Wirtschaftsprozess Beteiligten - bis Dana Guth (AfD): hin zum Konsumenten. Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da- (Glocke der Präsidentin) men und Herren! Die Grausamkeiten, die uns aus Schlachthöfen wie Bad Iburg und Oldenburg be- Wir brauchen ein Umdenken in den Köpfen der kannt wurden, haben uns alle erschüttert. Vor- Landwirte; denn es waren Landwirte, die gegen kommnisse, die man in einer zivilisierten Gesell- Gesetze verstoßen haben, die Tiere, die offen- schaft nicht für möglich gehalten hätte, offenbaren sichtlich nicht transportfähig waren, auf Anhänger ein komplettes Systemversagen bei Landwirten, verladen haben. Diese Landwirte haben zumindest Transporteuren, Schlachtbetrieben und Kontrolleu- Ordnungswidrigkeiten begangen, wenn nicht gar ren. Straftaten. Die Empörung darüber fand sich auch in dem Ent- Es waren die Transporteure, die das Gesetz ge- schließungsantrag von FDP und Grünen aus dem brochen haben; denn sie hätten diese Tiere nie- März 2019 wieder - zu Recht! Es ist an der Zeit zu mals transportieren dürfen. handeln. Bei 755 Millionen Schlachttieren, die jähr- Es waren offensichtlich Veterinäre, die bei der lich in deutschen Schlachthöfen geschlachtet wer- Annahme an den Schlachthöfen nicht genau hin- den, macht bereits eine Fehlerquote im Promillebe- geschaut haben. Oder es war vielleicht sogar kri- reich eine unvorstellbar große Anzahl gequälter minelle Energie in den Schlachthöfen vorhanden, Tiere aus. dass diese besonders kritischen Tiere, die dort gar So forderte man mit breiter Brust die Landesregie- nicht hätten ankommen dürfen, vielleicht sogar an rung auf, die Arbeitsbedingungen an Schlachthö- der Lebendbeschau vorbei ins System einge- fen zu verbessern und auf Akkordarbeit zu verzich- schleust wurden. ten, verpflichtende Schulungen für Mitarbeiter ein- Was will ich damit sagen? - Solange das Lebens- zuführen, das Töten nur vollständig betäubter Tie- mittel Fleisch weiterhin einzig und allein über den ren zu erlauben - außer, natürlich, man möchte mit Preis wertgeschätzt wird, wird es weiterhin Kreati- staatlicher Genehmigung schächten -, Wartezeiten vität geben, wird es weiterhin Bereitschaft geben, zwischen Entblutungsschnitt und Weiterverarbei- tung einzuführen, (Glocke der Präsidentin) (Unruhe - Glocke der Präsidentin) Ordnungswidrigkeiten und Rechtsverstöße zu be- gehen. Dann ist der Übergang zu kriminellem flächendeckende und standardisierte Schlachthof- Handeln fließend. Deshalb sind wir alle aufgerufen, überprüfungen einzuführen - auch wenn man mehr unseren Beitrag dazu zu leisten, eine gesell- Mittel dafür bei den letzten Haushaltsberatungen schaftspolitische Debatte dahin gehend auf den abgelehnt hat -, die Verantwortung von den Kom- Weg zu bringen, dass wir auch dem Verbraucher munen an das Land zurückzuübertragen und Rota- deutlich machen - tionssysteme für Amtsveterinäre einzuführen, Tier- schutzverstöße unverzüglich so zu sanktionieren, Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: dass eine Abschreckungswirkung entsteht - das Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. wäre nötig -, eine verpflichtende Zulassung und Kontrolle von Betäubungsgeräten und einiges Helmut Dammann-Tamke (CDU): mehr - ein Antrag, der sehr geeignet war, viele der ich bin beim letzten Satz -: Tierschutz fordern, aber Probleme anzugehen und auch verlässlich in den die Kaufentscheidung für das Lebensmittel Fleisch Griff zu bekommen. im Wesentlichen am günstigen Preis festzuma- In den Ausschusssitzungen hörten wir dann, wel- chen, ist ein nicht auflösbarer Zielkonflikt! che Probleme in der Realität vorliegen: Arbeiter Ich danke für die Aufmerksamkeit. aus Ostblockländern unter unwürdigen Arbeitsbe- dingungen, Schulungen für Personal, das zum Teil (Beifall bei der CDU, bei der SPD und nach wenigen Stunden ein Zertifikat erhält, das bei den GRÜNEN) man nur als Feigenblatt bezeichnen kann, zu we-

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nig Kontrollpersonal, Kungeleien zwischen Betrei- Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: bern und Behörden, Bedrohung von Amtsveterinä- Vielen Dank auch Ihnen. - Abschließend hat sich ren usw. usf. - genug, um den dringenden Hand- die Landesregierung zu Wort gemeldet. Es spricht lungsbedarf festzustellen! Frau Ministerin Otte-Kinast. Wenn Sie jetzt in die Beschlussempfehlung des Ausschusses schauen, werden Sie merken, dass Barbara Otte-Kinast, Ministerin für Ernährung, auch hier wiederum nicht viel Verbindliches übrig Landwirtschaft und Verbraucherschutz: geblieben ist. Aus der Forderung, etwas sicherzu- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und stellen, wurde eine Bitte an die Landesregierung. Herren! Auf den Schlachthöfen in Deutschland - Diese beinhaltet, Runde Tische mit den Schlacht- nicht nur in Niedersachsen - müssen die Anstren- hofbetreibern durchzuführen und sie aufzufordern, gungen zur Verbesserung des Tierschutzes von zu prüfen, ob ausreichende Schulungsangebote allen Beteiligten nochmals deutlich intensiviert vorliegen, darauf hinzuwirken, sich beim Bund werden. Und hier sind tatsächlich alle in der Pflicht: dafür einzusetzen, die Akkordarbeit nur noch zu die Tierhalter, die ihre Tiere zur Schlachtung ab- genehmigen, wenn das Tier tot ist, und, und, und. geben, die Transporteure, die diese Tiere zum Wie wir der Anhörung im Ausschuss entnehmen Schlachthof verbringen, die Schlachthofbetreiber konnten, wären diese Vorkommnisse bei Einhal- und ihre Mitarbeiter, die alles unternehmen müs- tung gültigen Rechts bereits nach jetziger Geset- sen, um unnötiges Leid der ihnen anvertrauten zeslage unmöglich gewesen. Sie sind trotzdem Tiere zu vermeiden, die amtlichen Kontrolleure, die passiert. Hier nunmehr auf ein Einsehen der Ver- die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Bestim- ursacher zu setzen, darauf zu warten, dass sich mungen überprüfen sollen. eine Branche selbst in die Pflicht nimmt oder dass Tierschutz hat nicht nur etwas mit Sachkunde und es die Bundesregierung löst, ist nichts als Symbol- dem Wissen um die rechtlichen Bestimmungen zu politik. tun, sondern kostet unter Umständen auch Geld - Die Probleme sind vielschichtig und enden alle Geld, das man für bauliche Maßnahmen, für aus- beim Thema Geld. Der Preisdruck erzeugt natür- reichend viel und hervorragend qualifiziertes Per- lich schlecht ausgebildete Arbeitskräfte in Anstel- sonal und für die Anpassung der Betriebsabläufe lung und schlechte Arbeitsbedingungen. Wenn es an das Wohl der Tiere investieren muss. Und die- zu wenig Personal für die Kontrollen gibt, wird es ses Geld ist gut investiert. Das haben nicht zuletzt auch zu wenige Kontrollen geben. Und im Hinter- die Ergebnisse der mittlerweile 47 Schwerpunkt- grund steht natürlich immer die Drohung: Ver- kontrollen an niedersächsischen Schlachthöfen schärfen wir die Auflagen, wird die Produktion gezeigt. einfach in ein anderes Land verlagert. Es ist seit vielen Jahren Grundsatz der europäi- Dieses Problem ist nicht mit Herumdoktern an schen Verbraucherschutz- und Tierschutzgesetz- Symptomen zu beheben. Die Vorkommnisse sind gebung, die Eigenverantwortung der Unternehmen systemverursacht: immer mehr, immer billiger - die für die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen Ware Tier. Solange einheimische Produzenten zu betonen. Obwohl dieser Grundsatz weiterhin dem enormen Konkurrenzdruck ausgesetzt blei- gilt, sind sich in Deutschland mittlerweile alle zu- ben, werden sich die Verhältnisse nicht ändern. Es ständigen Ministerien einig, dass die amtlichen müssen endlich Lösungen gefunden werden für Kontrollen intensiviert werden müssen. „Vertrauen unsere Bevölkerung, für unsere Produzenten und ist gut, Kontrolle ist besser“, könnte man sagen. das daran hängende Gewerbe. Und wir müssen Das gilt im besonderen Maße für den Tierschutz aufhören, Zeit und Steuergeld für Anträge zu ver- an Schlachthöfen, für dessen Einhaltung wir mehr schwenden, die eben nichts weiter als Feel-good- amtliche Kontrollen benötigen. Erklärungen sind. Wir werden der vorliegenden Der von der FDP und den Grünen eingebrachte Beschlussvorlage natürlich trotzdem zustimmen, Entschließungsantrag ist intensiv im Agraraus- weil es besser ist als nichts, aber - schade! - dem schuss beraten worden und hat durch die ab- ursprünglichen Antrag hätten wir lieber zuge- schließende Fassung noch zusätzliche konkretisie- stimmt. rende Ergänzungen erfahren. Es wäre meines Vielen Dank. Erachtens ein ganz starkes Signal dieses Hauses, wenn der umfangreiche Maßnahmenkatalog mit (Beifall bei der AfD) der Unterstützung aller Fraktionen heute gefasst

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werden könnte. Ich kann Ihnen auf jeden Fall zusi- Wir kommen nun zum chern, dass sich unser Haus mit ganzer Kraft für die Umsetzung der dort zusammengestellten Maß- nahmen einsetzen wird. Tagesordnungspunkt 20: Abschließende Beratung: Meine Damen und Herren, es gibt Gerüchte, dass Imam-Weiterbildung an der Uni Osnabrück weiterhin kranke, nicht transportfähige Tiere aus erhalten - nachhaltige Lösungen finden - Antrag niedersächsischen Tierhaltungen gesetzeswidrig der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/1527 zu Schlachthöfen in Niedersachsen oder anderen - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wis- Bundesländern verbracht werden. Teilweise wur- senschaft und Kultur - Drs. 18/3952 den solche Transporte bei der Anlieferung an den Schlachthöfen entdeckt und die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet. Sollten sich begründete Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag in Verdachtsmomente ergeben, dass nicht transport- geänderter Fassung anzunehmen. fähige, kranke Tiere geschlachtet werden und der Versuch unternommen wird, das Fleisch dieser Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen, so- Tiere in die Lebensmittelkette zu bringen, wird das dass wir zur Aussprache kommen können. für die Verantwortlichen sehr weit reichende Kon- Zunächst hat sich für die SPD-Fraktion der Kollege sequenzen haben. Alptekin Kirci gemeldet. Ich möchte hier nochmals betonen: Die Schlach- (Eva Viehoff [GRÜNE]: Vielleicht kann tung kranker, nicht transportfähiger Tiere ist kein ich erst einmal für die antragsstellen- Kavaliersdelikt. de Fraktion sprechen? Ich dachte, ich hätte den Zettel früh genug abgege- (Beifall) ben! - Wiard Siebels [SPD]: Wir sind Wer so etwas macht, setzt seine berufliche Exis- halt immer ein bisschen schneller!) tenz aufs Spiel und hat strafrechtliche Konsequen- - Es hat sich Kollegin Eva Viehoff gemeldet. zen zu erwarten. Lassen Sie uns also gemeinsam in den nächsten Eva Viehoff (GRÜNE): Jahren daran arbeiten, dass Bilder, wie wir sie alle Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit in den vergangenen Monaten und Jahren sehen der jetzt vorliegenden Beschlussempfehlung, in mussten, in niedersächsischen Schlachthöfen bald der maßgeblich unserem Antrag aus dem Septem- der Vergangenheit angehören. Vielen Dank, dass ber letzten Jahres gefolgt wird, kommen wir end- wir bei diesem Thema alle gemeinsam so sachlich lich dazu, uns mit der Imam-Ausbildung und der diskutieren konnten. Weiterbildung am Institut für Islamische Theologie zu beschäftigen. Wir Grünen werden diesem An- Danke sehr. trag heute auch zustimmen. Denn mit diesem An- (Beifall bei der SPD und bei der CDU) trag geben wir - das Parlament - der Landesregie- rung den Arbeitsauftrag, sich konstruktiv für die Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: Imam-Ausbildung in Niedersachsen einzusetzen Danke schön, Frau Ministerin. - Weitere Wortmel- und zu handeln. dungen liegen nicht vor, sodass wir zur Abstim- (Beifall bei den GRÜNEN) mung kommen können. Wir werden sehr genau beobachten, welche Kon- Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zepte die Landesregierung in den nächsten Wo- zustimmen und damit den Antrag der Fraktion chen und Monaten vorschlägt, um endlich in die Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP Frage einzusteigen, wie eine grundständige Imam- in der sich aus der Beschlussempfehlung erge- Ausbildung in Niedersachsen aussehen kann. benden geänderten Fassung annehmen will, den Meine Damen und Herren, Herr Thümler, es ist bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegen- also an der Zeit, zu handeln, und wir erwarten Ihre stimmen? - Das ist nicht der Fall. - Gibt es Enthal- Vorschläge. tungen? - Bei Enthaltung der Fraktion Bündnis Dass dies möglich ist, liegt auch daran - und das 90/Die Grünen wurde so beschlossen. Vielen Dank ist gut so -, dass das Institut für Islamische Theo- dafür. logie an der Universität Osnabrück weiter in vollem

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Umfang mit Mitteln in Höhe von 1,4 Millionen Euro Diese wollen wir gestalten, um die Integration in gefördert wird und diese Förderung auch sicherge- den muslimischen Gemeinden voranzubringen. stellt ist. An dieser Stelle möchte ich der Uni Osn- Ich danke für die breite Zustimmung zu diesem abrück und dem Institut für die wertvolle Arbeit der unseren Antrag. vergangenen Jahre und ihren Beitrag zur Entwick- lung belastbarer Strukturen für eine akademische Danke. Qualifizierung von Imamen und muslimischen Seelsorgern danken. Ganz herzlichen Dank dafür! (Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: Danke sehr, Frau Viehoff. - Jetzt bekommt der Das Programmangebot in Osnabrück ist einmalig Kollege Alptekin Kirci für die SPD-Fraktion das in der Bundesrepublik Deutschland, und das Wei- Wort. terbildungsprogramm wurde ja auch dreimal ver- längert. Das Personal und die Ressourcen werden Alptekin Kirci (SPD): vorgehalten. Dass es zurzeit nicht angeboten wird, ist schade und sollte am Bildungsstandort Nieder- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen sachsen auch nicht zur Regel werden. Denn wir und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! brauchen weiterhin eine Weiterbildung. Sie kann - Mit Beginn des Monats Juni ist der Fastenmonat wie gesagt - auch der Einstieg in eine akademi- Ramadan zu Ende gegangen. Ich weiß nicht, wer sche Imam-Ausbildung sein. Die Imame lernen in von Ihnen den bestimmt zahlreichen Einladungen diesen Programmen mehr über deutsche Struktu- der Moscheegemeinden in den Wahlkreisen an- ren und können sich besser in die Aufgaben der lässlich des Fastenbrechens gefolgt ist. Beim Fas- Gemeinde einleben. Gut ausgebildete Imame wer- tenbrechen können wir einiges über das Zusam- den in den Gemeinden gebraucht, weil sie beson- menleben lernen. Die tatsächliche Situation in ders für junge Muslime wichtig sind. Diese erwar- zahlreichen islamischen Gemeinden ist, dass sich ten, dass ihre Imame die hiesigen Strukturen ken- dort Menschen begegnen, um ihren Glauben aus- nen. zuüben und aktiv das Gemeindeleben zu gestal- ten. Das Bekenntnis zum Islam ist ein Bekenntnis Der heutige Beschluss gewährleistet, dass Struktu- zu Frieden und Mitmenschlichkeit. So lebt die ren und Module am Institut für Islamische Theolo- Mehrheit der Musliminnen und Muslime bei uns in gie weiter vorgehalten werden und die zweise- Niedersachsen - übrigens relativ unabhängig da- mestrige Weiterbildung bei ausreichender Nach- von, ob die Imame türkische Beamte sind bzw. das frage fortgeführt werden kann. Wir würden uns Geld für die Predigerstellen vielleicht aus dem freuen, wenn es möglich wäre, dieses zweisemest- Ausland kommt. rige Angebot möglichst schnell wiedereinzurichten. Verehrte Damen und Herren, wir sind davon über- Wie gesagt, die Personalausstattung vor Ort ist zeugt, dass die theologische Ausbildung von Ima- vorhanden. men an Hochschulen in Deutschland der richtige Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass das Weg ist. Natürlich soll ein Imam auch Seelsorger Land endlich zusammen mit den islamischen Ver- sein, der die Nöte und Ängste in einer Gemeinde bänden und Moscheegemeinden Konzepte für kennt und einschätzt sowie die richtige Unterstüt- eine grundständige Imam-Ausbildung entwickelt. zung in schwierigen Lebenssituationen gewähren Auf der Basis der durch die Universität Osnabrück kann. Insofern ist der Ausgangspunkt dieses An- in den vergangenen Jahren entwickelten wissen- trages richtig. schaftlichen Grundlagen und mit ihrer wissen- Wir sind inzwischen übereingekommen, dass die schaftlichen Begleitung wird das sicher gelingen. auf die Seelsorge abzielende Zusatzausbildung an Die Muslime in Niedersachsen brauchen dringend der Universität Osnabrück weiterhin als Bildungs- eine eigenständige Imam-Ausbildung. Nur so angebot bestehen bleibt. Es ist ein wichtiges Sig- schaffen wir eine echte Berufsperspektive für nie- nal, dass staatliche Institutionen positiv im Rahmen dersächsische Imame und islamische Theologin- kultureller Bildung und Vermittlung mitwirken, ohne nen und Theologen im Land. die Trennung zwischen Staat und Kirche aufzuhe- ben. Jugendarbeit nach hiesigem Muster, Extre- (Beifall bei den GRÜNEN) mismusprävention und ein Verständnis dafür, wel-

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chen Gegebenheiten junge Musliminnen und Mus- nach den Beratungen im Antrag steht. Im Koaliti- lime in unserer Gesellschaft gegenüberstehen und onsvertrag dieser Regierung ist die Verbesserung wo mögliche Bruchpunkte von traditionellen Rol- der Integration der muslimischen Religionsgemein- len- und Familienmustern gegenüber westlichen schaften jedenfalls klar postuliert. Die SPD- Alltagsvorstellungen existieren - zu diesen Themen Fraktion wird die Landesregierung in dieser Frage sollen Imame, die in überwiegend muslimischen unterstützen. Ländern sozialisiert sind, Anleitung und Hilfe erfah- Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ren. (Beifall bei der SPD und bei den Zur ganzen Wahrheit gehört allerdings, dass in GRÜNEN sowie Zustimmung bei der dem nunmehr acht Jahre währenden Programm CDU) insgesamt 150 Personen in seelsorgerischer Arbeit und kulturellem Verständnis weitergebildet worden sind - bei durchaus schwankenden Teilnehmerzah- Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: len, die zuletzt eher abgenommen haben. Die Wir- Vielen Dank, Herr Kirci. - Jetzt hat sich der Kollege kung hinein in die muslimische Gemeinschaft war Burkhard Jasper für die CDU-Fraktion gemeldet. also begrenzt, und vermutlich bleibt sie das auch in (Beifall bei der CDU) Zukunft, so segensreich es im Einzelfall auch ist.

Von der Frage der Fortführung oder Nicht-Fort- Burkhard Jasper (CDU): führung dieser Zusatzausbildung kann man also Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da- kaum ableiten, der Landesregierung fehle der Wille men und Herren! Das Institut für Islamische Theo- zur Integration, so wie es die Grünen zu Beginn logie in Osnabrück ist von Christian Wulff mitiniti- der Debatte behauptet hatten. Vielmehr - und das iert worden. Dieser ist bekanntlich CDU-Mitglied, findet sich jetzt nach der Beratung im Ausschuss und er hat heute Geburtstag. Ich möchte ihm des- wieder; dafür bin ich den Grünen auch sehr dank- halb von dieser Stelle aus recht herzlich gratulieren bar - muss es uns um eine umfänglichere Betrach- und ihm alles Gute für die Zukunft wünschen. tung der Ausbildungs- und Beschäftigungsper- spektive islamischer Theologen gehen. (Beifall bei der CDU sowie Zustim- mung bei der SPD, bei den GRÜNEN Verehrte Damen und Herren, es ist nach wie vor und bei der FDP) richtig, dass die Moscheegemeinden nur mit gerin- gen finanziellen Mitteln arbeiten. Hier ausgebildete Der Antrag und die Anfrage der Fraktion Bünd- Imame besitzen in den islamischen Gemeinden nis 90/Die Grünen sollten nun offensichtlich den keine echte Beschäftigungsperspektive. Insofern Eindruck erwecken, dass die aktuelle Landesregie- ist es gut und richtig, nun die Chancen auszuloten rung und die sie tragenden Fraktionen von SPD und die guten Erfahrungen in der Ausbildung mus- und Grünen weitere Mittel für das Institut nicht zur limischer Religionslehrer mit den Fragen zu ver- Verfügung stellen, eine Imam-Weiterbildung ver- knüpfen, die wir anlässlich dieses Antrages disku- hindern und keine Modelle zur Imam-Ausbildung tieren. Dabei wird es ganz erheblich darauf an- entwickeln wollen. kommen, wie die Moscheegemeinden und musli- (Helge Limburg [GRÜNE]: Wir tragen mischen Verbände bei der Beantwortung der Fra- aber die Landesregierung gar nicht, ge, wie eine eigenständige und unabhängige Herr Jasper!) Imam-Ausbildung aussehen könnte, mitwirken werden. Diese Modelle sind nur gemeinschaftlich Das stimmt nicht. Das beweist die Beschlussemp- zu entwickeln. Es bedarf auf der Seite der muslimi- fehlung des Ausschusses für Wissenschaft und schen Gemeinden und Verbände eines Bewusst- Kultur. seins, Lösungen in größerer Unabhängigkeit von der Finanzierung etwa durch die türkische Religi- (Eva Viehoff [GRÜNE]: Herr Jasper, onsbehörde zu erreichen. das müssen Sie doch jetzt nicht tun! Wir haben uns doch geeinigt! - Weite- Das Land war bereits auf einem guten Weg in re Zurufe) dieser Diskussion. Ich will nicht verhehlen, dass die Chancen für eine erfolgreiche Diskussion in Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: dieser Frage zuletzt nicht größer geworden sind. Herr Kollege Limburg und Kollegin Viehoff! Daher ist es vernünftig, dass diese Aufgabe nun

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(Belit Onay [GRÜNE]: Herr Jasper, wir Die Universität bietet mit dem Theologiestudium haben doch einen gemeinsamen An- die Grundlage für eine Imam-Ausbildung. Mit der trag! Der ist doch gut! - Eva Viehoff Einrichtung des Instituts ist somit nur der erste [GRÜNE]: Sie müssen doch jetzt nicht Schritt gemacht worden. Ich begrüße sehr, dass dagegen reden!) sich ein Workshop der Deutschen Islam Konferenz an der Leibniz Universität Hannover mit der Imam- Burkhard Jasper (CDU): Ausbildung beschäftigt. Frau Viehoff, Sie haben eben wieder gesagt, dass Bei der Prüfung von Modellen müssen drei Fragen das nur durch diesen Antrag auf den Weg ge- beantwortet werden. bracht worden sei, Für die weitere Ausbildung zur seelsorgerischen (Eva Viehoff [GRÜNE]: Das stimmt ja Arbeit sind die Religionsgemeinschaften verant- auch!) wortlich. Hier müssen die islamischen Verbände aber genau das stimmt nicht. Das wollte ich jetzt entsprechende Strukturen schaffen. Der Staat darstellen. Und ich glaube, dass ich das hier ma- kann hier eine Hilfestellung anbieten. chen kann. Die jungen Imame wollen eine finanzielle Sicher- (Beifall bei der CDU - Christian Meyer heit. Dazu hat Minister Björn Thümler den Vor- [GRÜNE]: Irgendwie haben Sie die schlag unterbreitet, die Imame auch als Religions- Wahlergebnisse in Osnabrück nicht lehrer einzusetzen. Dafür müssen natürlich dann verkraftet!) auch pädagogische Fähigkeiten vorhanden sein. Eine Qualitätssicherung muss erfolgen. Das Institut für Islamische Theologie wird weiterhin 1,4 Millionen Euro erhalten. Dort werden Lehrer für Schließlich müssen die Moscheegemeinden in das Fach islamische Religion ausgebildet. Inzwi- Deutschland ausgebildete Imame akzeptieren. Die schen gibt es vier Lehramtsanwärterinnen in zwei Auswahl der Geistlichen unterliegt nach unserer Studienseminaren. Im nächsten Jahrgang werden Verfassung dem Selbstverwaltungsrecht der Reli- es mehr sein. Dieses Fach soll zur Sprechfähigkeit gionsgemeinschaften. über den eigenen Glauben beitragen. Dies ist eine Das Institut für Islamische Theologie ist ein deutli- Voraussetzung für das Erlernen eines respektvol- ches Zeichen für die Religionsfreiheit in Deutsch- len Umgangs mit Vielfalt. Der Abschluss als Theo- land. Es soll propagandistischen Aktivitäten salafis- loge bietet Möglichkeiten der Berufsausübung in tischer Prediger entgegenwirken und die Integrati- Wissenschaft, Wirtschaft, Medien, Politik und sozi- on in unsere Gesellschaft fördern. Dabei sind wir in alen Einrichtungen. Niedersachsen auf einem guten Weg. Weiterbildungsangebote können bei entsprechen- Es gibt aber auch Ängste in der Bevölkerung. Die der Nachfrage auch in Zukunft gemacht werden. sollten wir nicht einfach wegreden. Dies zeigt eine Allerdings muss festgestellt werden, dass dieses aktuelle Studie, nach der 13 % der Menschen in Angebot in der achtjährigen Laufzeit nur von etwa unserem Bundesland meinen, der Anteil der Mus- fünf DITIB-Imamen genutzt wurde. Offensichtlich lime in der niedersächsischen Bevölkerung liege werden bestimmte Personen, für die eine Weiter- bei 20 bis 30 %. 12 % gehen von 15 bis 20 % aus. bildung erforderlich wäre, nicht erreicht. 14 % schätzen, dass 10 bis 15 % Moslems seien. Übrigens kamen viele Studierende aus Nordrhein- Der Anteil liegt aber nur bei etwa 3 %. Westfalen. Das beweist, dass dieses Programm Im Landtag sollten Anträge und Anfragen so ge- auch über die Landesgrenze hinaus bekannt ist stellt werden, dass sich der falsche Eindruck nicht und insofern eine weitere Werbung länderweit, wie verfestigt, sondern ein Beitrag dazu geleistet wird, es im Ursprungsantrag vorgesehen war, nicht er- dass sich die Einheimischen auf wachsende Viel- forderlich ist. falt einlassen. Ein Ziel ist es weiterhin, dass in Deutschland aus- (Eva Viehoff [GRÜNE]: Muslime sind gebildete Imame in den Moscheegemeinden wir- auch Einheimische in Niedersachsen! ken. Wir brauchen Imame, die in Deutschland so- - Helge Limburg [GRÜNE]: „Der Islam zialisiert sind, weil nur sie die neue Generation gehört zu Deutschland“, hat der von erreichen. Jetzt kommen jedoch etwa 80 % der Ihnen gelobte Herr Wulff gesagt! - Un- Imame aus dem Ausland, für die unsere Gesell- ruhe - Glocke der Präsidentin) schaft oft fremd ist.

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- Ich weiß überhaupt nicht, was Sie haben! (Zuruf von der SPD: Die Schura wird doch nicht anerkannt!) (Helge Limburg [GRÜNE]: Das kann ich Ihnen sagen: Weil Sie so tun, als - Indirekt schon! seien Muslime hier nicht einheimisch!) Meinen Sie die DITIB und die Schura, die im theo- Die Einheimischen können von den Zuwanderern logischen Beirat im Institut für Islamische Theolo- keine kulturelle Assimilation, die Aufgabe der eige- gie in Osnabrück sitzen und bereits jetzt die Aus- nen Kultur verlangen. Zugleich ist von den Ein- bildung der Lehrkräfte für islamischen Religionsun- wanderern zu erwarten, dass sie die alltagskultu- terricht in ihrem Sinne beeinflussen? Oder meinen relle und geschichtlich-kulturelle Prägung des Lan- Sie vielleicht den gerade erst gegründeten Ver- des akzeptieren, in dem sie heimisch werden wol- band Muslime in Niedersachsen, bei dem noch len. Das islamische Institut soll diesen Prozess nicht absehbar ist, ob er nicht genauso wie die unterstützen. Deshalb werden wir es auch weiter Schura demnächst von strenggläubigen Muslimen fördern. unterwandert wird?

Danke schön. (Alptekin Kirci [SPD]: Das ist ja aben- (Beifall bei der CDU - Jörg Bode teuerlich!) [FDP] - zur SPD -: Aber das ist schon Warum benennen Sie in dem Antrag nicht die Ge- ein gemeinsamer Antrag?) meinden und die Verbände, die für das Projekt als Partner infrage kommen? Gibt es die überhaupt? Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: Oder sind die allesamt zu kontrovers, um sie na- Danke, Kollege Jasper. - Für die AfD-Fraktion er- mentlich zu benennen? hält nun das Wort Herr Harm Rykena. Des Weiteren schreiben Sie in Ihrem Antrag, dass Ihre Regierung konkrete Initiativen umgesetzt ha- Harm Rykena (AfD): be, um die Abhängigkeit niedersächsischer Mo- Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da- scheegemeinden von ausländischen Finanzmitteln men und Herren! In dem vorliegenden Antrag geht und Förderern zu reduzieren. Von welchen Initiati- es vordergründig um die Weiterbildung von Ima- ven reden Sie eigentlich? - Und kommen Sie mir men aus dem Ausland am Institut für Islamische nicht mit der Aussetzung der Verhandlungen über Theologie in Osnabrück. Aber wie wir gerade ge- den Staatsvertrag! Denn Nichtstun ist keine Initiati- hört haben, findet das kaum statt. ve. Das sollten Sie schon wissen.

Wir finden in diesem Antrag aber auch die Forde- (Belit Onay [GRÜNE]: Was schlagen rung, Imame in Zusammenarbeit mit den Erdogan- Sie denn vor?) Verbänden hier in Deutschland auszubilden. DITIB und Schura beeinflussen immer noch über (Jörg Hillmer [CDU]: Nein, das steht den theologischen Beirat die Ausbildung nieder- da nicht!) sächsischer Lehrkräfte für das Schulfach Islami- Der Änderungsantrag von CDU und SPD steht sche Religion. Ihr Ministerpräsident trifft sich zum dabei geradezu etwas schizophren da, und zwar in Fastenbrechen mit DITIB- und Schura-Vertretern in zweierlei Hinsicht: Erstens. Die Koalitionsparteien Hannover und spricht von einer Zusammenarbeit. wollen die Weiterbildung bei ausreichender Nach- Immer noch predigen hier in Niedersachsen in der frage fortführen, obwohl die fehlende Nachfrage Türkei und in arabischen Staaten ausgebildete gerade der Grund für die Beendigung des Pro- Imame, die Sie weiterbilden wollen, damit diese gramms war. Zweitens. Die Landesregierung soll unser Land besser unterwandern können. Wie mit nicht näher genannten Moscheegemeinden gefährlich eine Zusammenarbeit mit den von der und muslimischen Verbänden zusammenarbeiten, türkischen Regierung kontrollierten Verbänden ist, um eine eigenständige und unabhängige Imam- zeigt eine Aussage des heutigen Präsidenten Re- Ausbildung zu schaffen. cep Erdogan, die er 1998 getätigt hat. Dazu habe ich ein paar Fragen: Meinen Sie mit (Zuruf von der SPD: 1998?) diesen Verbänden die DITIB und die Schura, die quasi von der türkischen Regierung kontrolliert - Ja. Aber das ist der Mann, der heutzutage die werden? türkische Politik maßgeblich beeinflusst.

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(Alptekin Kirci [SPD]: Was sagen Ich hätte mich gefreut, wenn Sie im Ausschuss mal denn ständig Ihre Leute zum Natio- etwas gesagt hätten. Dort lächeln Sie immer nur nalsozialismus? - Unruhe - Glocke der nett. Präsidentin) (Wiard Siebels [SPD]: Genau! - Belit Er sagte: Onay [GRÜNE]: Wenigstens das!)

„Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir Dort sagen Sie gar nichts, und hier holen Sie die aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Mo- Keule heraus, scheen sind unsere Kasernen, die Minarette (Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der unsere Bajonette,“ CDU, bei den GRÜNEN und bei der (Eva Viehoff [GRÜNE]: Oh nein!) FDP) weil Sie hoffen, dass Sie dann Nachhall in der „die Kuppeln unsere Helme und die Gläubi- Presse finden. gen unsere Soldaten.“ (Christian Meyer [GRÜNE]: Alles für Das war die Aussage des türkischen Präsidenten. YouTube!) (Helge Limburg [GRÜNE]: Das stimmt Wahrscheinlich feiern Sie sich jetzt wieder in ei- nicht ganz! Damals war er noch Bür- nem YouTube-Video ab, damit Sie Ihre Hass- und germeister!) schrecklichen Botschaften weiterverbreiten kön- - Ja, das ist richtig. nen. Wir werden Sie aber jedes Mal inhaltlich stel- len; denn inhaltlich haben Sie gar nichts gesagt. (Unruhe - Glocke der Präsidentin) (Dr. Silke Lesemann [SPD]: Richtig!) Und Sie glauben als Landesregierung, mit Geld Wir können nichts dafür, dass Sie ein großer Erdo- und ein paar Pöstchen DITIB und Schura auf Ihre gan-Fan sind. Sie kennen sich da ja auch mit den Seite ziehen zu können? - Sie merken nicht, dass Zitaten hervorragend aus. Ich gratuliere dazu! man nur mit Ihnen spielt. Wahrscheinlich passen Sie besser zu Herrn Erdo- „Eine Islamisierung Deutschlands findet nicht gan als jeder andere hier von den demokratischen statt“, behaupten Sie immer. - Doch! Natürlich Fraktionen im Parlament. findet sie statt. Der Antrag, den Sie heute hier be- (Beifall bei der SPD und bei den schließen werden, ist ein weiteres Mosaikstein- GRÜNEN) chen auf diesem Wege. Ihre Fraktion, Sie sind genau aus demselben Holz Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. geschnitzt. Wenn Sie hier das Sagen hätten, dann würden solche Leute wie ich ausgegrenzt werden. (Beifall bei der AfD) (Zuruf von Stephan Bothe [AfD]) Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: - Natürlich! - Ja, jetzt lächeln Sie alle. Auf diesen Beitrag hat sich Herr Kirci zu einer (Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- Kurzintervention gemeldet. NEN und bei der FDP) Alptekin Kirci (SPD): Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: Herr Rykena, Ihre Rede hat ja auch gezeigt, dass Herr Rykena? - Sie gar kein Interesse haben, daran mitzuarbeiten, wie der Islam, die islamische Ausbildung der Ima- (Jörg Hillmer [CDU]: Er hat keinen me hier fest verankert werden kann und wir noch Redetext mehr!) besser werden können. Sie schüren ständig die- Offenbar möchte Herr Rykena nicht antworten, selben Vorurteile. Ich muss sagen, ich bin davon sodass wir zum Beitrag von Dr. Stefan Birkner für auch persönlich betroffen, weil ich Moslem bin. Ich die FDP-Fraktion kommen können. lasse das nicht jeden Tag heraushängen. Aber das, was Sie hier betreiben, ist Ausgrenzung. Sie Dr. Stefan Birkner (FDP): bereiten durch Ihre Reden den Nährboden für Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Hass, für Verunglimpfung und auch für Übergriffe. Herren! Wir würdigen und schätzen die Arbeit des

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Instituts in Osnabrück ausdrücklich. Es ist zu Zei- mehr da sind und dass ein Jahrgang ausläuft und ten von CDU und FDP von der damaligen Regie- keine neuen Bewerber mehr kommen. Da sind Sie rung auf den Weg gebracht worden. Es ist ein eben blank. Dort liegt nichts vor. Auch das ist ei- wichtiger Bestandteil, um tatsächlich Menschen gentlich Ausdruck von Hilflosigkeit - dass Sie jetzt islamischen Glaubens hier weiter zu festigen, zu gezwungen sind, einfach die Strukturen aufrecht- integrieren und Einflussmaßnahmen von außen zuerhalten. Wir erhalten mit Geld nur Strukturen zurückzudrängen und eine deutschsprachige und aufrecht, um dann wieder ansetzen zu können, kulturell bedingte Islamvermittlung, insbesondere wenn sich denn hoffentlich Bewerber finden, die Imam-Ausbildung, zu ermöglichen. Das ist ein diese Ausbildung tatsächlich in Anspruch nehmen. ganz wesentlicher Bestandteil dessen, was in Os- Das ist - so denke ich - schon Ausdruck dieser nabrück gemacht wird. Das würdigen und schätzen konzeptlosen Politik der Landesregierung. wir ausdrücklich. (Zuruf von Jörg Hillmer [CDU]) (Beifall bei der FDP sowie Zustim- mung bei der SPD und bei den GRÜ- In Nr. 2 des Antrags sagen Sie dann, dass der NEN) Landtag die konkreten Initiativen der Landesregie- rung begrüßt, die Abhängigkeit niedersächsischer Wir sind aber, was den Antrag angeht, doch sehr Moscheegemeinden von ausländischen Finanzmit- irritiert. Herr Jasper, es ist genau so, wie Sie be- teln und Förderern zu reduzieren. Da, meine sehr hauptet haben, dass es nicht sei. Dieser Antrag ist geehrten Damen und Herren, ist wirklich die span- eigentlich ein Dokument des Scheiterns der Regie- nende Frage: Welche Initiativen sind das denn rungspolitik von SPD und CDU, was genau die bitte? Frage angeht, wie wir eigentlich mit DITIB umge- hen, mit Schura weiter umgehen, wie es tatsäch- Diese Landesregierung hat schlechterdings keine lich gelingt, die Abhängigkeiten, die ja historische Initiativen ergriffen. Wir haben wiederholt danach Gründe haben, zurückzudrängen - Abhängigkei- gefragt - nicht nur wir, sondern auch andere Kolle- ten, über die man lamentieren kann, die aber so gen haben wiederholt in dieser Legislaturperiode sind, wie sie sind, was die Bezahlung der Imame Fragen gestellt -, was die Landesregierung eigent- angeht und damit auch die Einflussnahmen dort. lich unternimmt, um die Unabhängigkeit der Ver- bände zu fördern und sie zu unterstützen, und Wenn Sie sich diesen Antrag einmal genauer an- welche Initiativen es gibt. schauen, dann sehen Sie, dass er natürlich nur zustande gekommen ist, weil die Fraktion der Grü- Da wird immer nur gesagt: Wir kommunizieren an nen ihn eingereicht hat. die Verbände, dass uns eine Steigerung der Un- abhängigkeit wichtig ist. - Aber konkrete Initiativen Sie hatten das offensichtlich vorher gar nicht auf über das eine oder andere Gespräch oder die eine dem Schirm. Die Initiative kommt aus dem Sep- oder andere Aufforderung hinaus hat uns die Lan- tember 2018. Darin ging es darum, dass im Sep- desregierung bisher nicht kundgetan. tember 2018 die Imam-Ausbildung ausgelaufen ist. Wo sind denn die Initiativen von SPD und CDU ge- Das finde ich schon ein starkes Stück. Dass Sie wesen? - Da war eben nichts zu sehen. auf der einen Seite ein Stück weit hilflos agieren, (Beifall bei der FDP und bei den ist einerseits das politisch zu Beanstandende, dass GRÜNEN) Sie aber auf der anderen Seite hier einen Be- schluss vom Landtag fassen lassen wollen, mit Wenn Sie sich dann diesen Antrag weiter an- dem Initiativen begrüßt werden sollen, die nicht schauen, stellen Sie fest, dass allein der Umstand, existent sind, um nach außen den Eindruck zu dass man in diese Situation hineingelaufen ist, erwecken, Sie würden hier tatsächlich tatkräftig dass man jetzt eigentlich der Entwicklung hinter- vorangehen und Initiativen ergreifen, das geht nun herrennt und meint, jetzt aber die Strukturen auf- gar nicht. Etwas Falsches werden wir als FDP- rechterhalten zu müssen, damit sie uns nicht weg- Fraktion deshalb nicht mittragen, obwohl wir das brechen, die Frage aufwirft: Wieso ist es denn Institut unterstützen. überhaupt so weit gekommen? Wo ist denn die verantwortliche und verantwortungsvolle Politik (Beifall bei der FDP) dieser Landesregierung, diesen Entwicklungen Der eigentlich spannenden Frage stellen Sie sich schon im Vorfeld zu begegnen? Das fällt doch eben nicht, meine Damen und Herren. nicht vom Himmel, dass plötzlich keine Bewerber

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(Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz (Helge Limburg [GRÜNE]: Ja!) übernimmt den Vorsitz) und diese von der einheimischen Bevölkerung In dem Antrag wird ja dann weiter gesagt, ja, wir getrennt haben. müssen jetzt Konzepte entwickeln. Da fragt man (Helge Limburg [GRÜNE]: Ja!) sich, was Sie die ganze Zeit gemacht haben. Denn das Thema liegt ja auf dem Tisch, und zwar mitt- Diese Trennung ist erst einmal künstlich. lerweile seit Jahren, und das völlig klar nach der (Beifall bei der FDP und bei den Putschsituation in der Türkei, als wir hier die gan- GRÜNEN - Zuruf von Christian Meyer zen Diskussionen schon geführt haben. Was ha- [GRÜNE]) ben Sie denn tatsächlich gemacht, um die Unab- hängigkeit zu steigern, um eine grundständige Denn es spielt überhaupt keine Rolle, welchen Imam-Ausbildung in Niedersachsen zu entwickeln? Glauben ein Mensch hat. Es geht darum, diesen - Es sind eben seitens der Landesregierung keine Zusammenhalt zu stärken und den Einfluss von Initiativen gekommen. autoritären Regimen zurückzudrängen. Auch auf die Frage, wie es mit den Imamen wei- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: tergeht, wenn sie ausgebildet sind, haben Sie kei- ne Antworten, und ich sehe da seitens der Landes- Herr Dr. Birkner, kommen Sie bitte zum Schluss. regierung auch konzeptionell nichts. Am Ende ist doch das Entscheidende, dass die Moscheege- Dr. Stefan Birkner (FDP): meinden gar nicht in der Lage sind, die Imame Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. - Dafür selbst zu finanzieren. Das heißt, man muss mit den sind wir gern bereit, gemeinsame Wege zu gehen. Moscheegemeinden und den Verbänden darüber Aber dieses Thema weiter so blauäugig anzuge- sprechen, wie man das verbessern kann. Da sind hen, vor sich herzuschieben, geht nicht. Der Minis- dann politische Lösungsansätze und Vorschläge - terpräsident, der im Moment leider nicht hier ist, insbesondere dann, wenn wir ausgebildete Imame geht dann zum Fastenbrechen, hält wieder irgend- haben - gefragt. Die brauchen ja auch eine Be- eine nichtssagende Rede, und dann wissen wir rufsperspektive. Die müssen die Möglichkeit ha- schon, dass die nächsten zwei Jahre wieder nichts ben, hier auch tatsächlich beschäftigt zu werden. passiert. Das ist zu wenig für dieses wichtige Feld. Da will ich für die Freien Demokraten ausdrücklich Vielen Dank. anbieten, dass wir bereit sind, hier sehr weitge- (Beifall bei der FDP und bei den hend zu unterstützen. Aber da müssen dann eben GRÜNEN) auch Vorschläge und Initiativen kommen und darf nicht nur deshalb, weil eine Fraktion im Landtag Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: wieder einmal den Finger in die Wunde gelegt hat, ein Antrag formuliert werden, der am Ende nur Auf den Wortbeitrag von Herrn Dr. Birkner wird Zeugnis von Hilflosigkeit und Konzeptionslosigkeit eine Kurzintervention von Herrn Abgeordneten gibt. Jasper gewünscht. Bitte!

Ich halte das, was Sie hier in diesem Politikfeld Burkhard Jasper (CDU): bisher gemacht haben, wirklich für ein Armuts- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und zeugnis dieser Landesregierung. Denn allen ist Herren! Wenn Sie den Schluss meiner Rede kriti- klar, dass wir da ein Riesenthema haben, dass wir sieren, möchte ich darauf hinweisen, dass das uns um dieses Thema kümmern müssen, dass wir inhaltlich dem Wort der Kirchen zur Zuwanderung nicht immer nur fordern dürfen und sagen können, und zur Integration in Deutschland entspricht. Inso- Unabhängigkeit müsse gefördert werden, dass wir fern bin ich schon sehr erstaunt. aber auf der anderen Seite keine konkreten Ideen und Vorstellungen entwickeln. Das droht dann Dann haben Sie eben gesagt, dass der Antrag tatsächlich zur Spaltung beizutragen. Diese Spal- dazu geführt habe, dass wir aktiv würden. tung gilt es zu überwinden. Schauen Sie in die Koalitionsvereinbarung hinein. Dann, Herr Jasper, muss ich auch sagen, ich war Darin steht das Ziel. sehr irritiert, dass Sie im Kontext mit Menschen muslimischen Glaubens, islamischen Glaubens (Belit Onay [GRÜNE]: Ja, das steht von Zugewanderten gesprochen haben darin, aber es passiert nichts!)

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Insofern stimmt das, was Sie sagen, überhaupt Wir wollen Sie gerne an Ihren Taten messen, aber nicht. da ist eben nichts zu messen. Insofern sollten Sie lieber in eine kritische Selbstbetrachtung gehen Ich habe viele Besuche im Institut für Islamische und feststellen, dass das, was Sie im Koalitions- Theologie gemacht und dort Gespräche geführt. vertrag vereinbart haben, vielleicht gar nicht umge- Ich weiß auch, dass es Initiativen gibt, wie wir dort setzt wird. vorankommen. Sie dürfen nicht den Eindruck er- wecken, als wäre eine Imam-Ausbildung so ein- (Beifall bei der FDP) fach zu installieren. Ich stimme Ihnen zu - damit bin ich sehr einver- (Zuruf von Belit Onay [GRÜNE]) standen -: Natürlich lässt sich eine Imam- Da können wir hier im Landtag nicht einfach sa- Ausbildung nicht vom Landtag verordnen oder so. gen, dass wir das machen, sondern wir müssen Genau das habe ich aber auch gesagt. In diesem dort Gespräche mit den islamischen Verbänden Gesamtkomplex geht es nämlich vor allem um die führen. Es bringt auch überhaupt nichts, wenn wir Frage - darum dreht sich die Diskussion ja viel -, allein dort eine Einrichtung schaffen. Diese muss wie es gelingen kann, in Deutschland und in Nie- von den Moscheegemeinden auch akzeptiert wer- dersachsen nach einem natürlich von den Religi- den. Insofern bringt es nichts, sich hier im Landtag onsgemeinschaften zu bestimmenden Kodex, der hinzustellen und zu sagen, die Landesregierung aber auch unserer Verfassung entsprechen muss, tue nichts. - Das ist nicht so einfach. Gespräche Imame auszubilden, die tatsächlich unabhängig werden geführt. Wir werden weiter darauf hinwir- sind. Das ist die Frage. An diese Frage nach der ken, dass wir hier in Deutschland ausgebildete Ausbildung schließt sich aber auch gleich die Fra- Imame haben werden. ge an, wie deren Beschäftigung und Finanzierung in Deutschland gelingen kann. Wenn Sie diese (Beifall bei der CDU) Frage einvernehmlich mit den Beteiligten geklärt haben, dann wird sich im Übrigen nach meiner Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Überzeugung auch die Frage nach der Imam- Vielen Dank, Herr Kollege Jasper. - Herr Dr. Birk- Ausbildung sehr schnell klären, weil dann die Per- ner möchte antworten. spektive klar ist. Die Frage der Finanzierung von Imamen zu klären, Dr. Stefan Birkner (FDP): ist aus meiner Sicht die Kernaufgabe, der sich Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Politik stellen muss. Da würde ich mir wesentlich Herren! Herr Jasper, gern schaue ich mir das Wort mutigere Schritte wünschen - der Kirchen an, aber ich bin mir relativ sicher, dass sie diesen Gegensatz, (Glocke der Präsidentin) (Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!) sowohl von den Verbänden als auch von der Poli- tik bzw. von der Landesregierung. Dieses Lavieren den Sie hier im Kontext der Rede zwischen Ein- wird dazu führen, dass wir auch in zwei, drei Jah- heimischen und Menschen mit muslimischem ren weiter davon sprechen, dass nichts vorangeht Glauben aufgebaut haben, ganz gewiss nicht so und wie fürchterlich das alles ist. Und die Spaltung hergestellt haben. in dieser Gesellschaft wird zunehmen. Sie als die (Beifall bei der FDP und bei den die Regierung tragenden Parteien sind gefordert, GRÜNEN sowie Zustimmung von Do- dem entsprechende Konzepte entgegenzusetzen. ris Schröder-Köpf [SPD]) Wir wirken daran gerne mit. Aber da lasse ich mich gern eines Besseren beleh- (Beifall bei der FDP und bei den ren. GRÜNEN) Zweite Anmerkung: Auch der Hinweis auf den Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Koalitionsvertrag, darin würde das ja stehen und das sei ein Beleg für Initiativen der Landesregie- Vielen Dank. - Es liegt uns seitens der Landesre- rung, geht natürlich völlig fehl. Denn das allein gierung eine Wortmeldung des Abgeordneten führt ja nicht dazu, dass man etwas tut. Björn Thümler vor. Bitte schön, Herr Thümler! (Christian Meyer [GRÜNE]: Klima- (Helge Limburg [GRÜNE]: Des Abge- schutzgesetz zum Beispiel!) ordneten?)

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- Entschuldigung, auch des Ministers Björn Thüm- Weiterbildungsangebot wiederaufnehmen zu kön- ler. nen. (Belit Onay [GRÜNE]: Er ist multitas- Dieses Angebot war an bereits ausgebildete Ima- kingfähig! - Helge Limburg [GRÜNE]: me und in den Moscheegemeinden tätiges seel- Doppelte Redezeit! - Minister Björn sorgerisches Personal gerichtet. Es ging hierbei Thümler: Als was soll ich denn?) primär um die Vermittlung gesellschaftspolitischer Kompetenzen, die für ein gedeihliches Miteinander Björn Thümler, Minister für Wissenschaft und in einer religiös-pluralistischen Gesellschaft wichtig Kultur: sind. Den in den Moscheegemeinden bereits täti- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen gen Personen sollte damit das Rüstzeug vermittelt und Herren! Der heutigen Verabschiedung des werden, noch wirksamer in ihren Gemeinden und Entschließungsantrags in der vorliegenden Fas- zugleich integrationsfördernd tätig zu werden. Die- sung ist eine intensive und, wie ich finde, auch ses Angebot war und ist wichtig und hat auch viele sehr gute Diskussion vorausgegangen. Man wird Imame erreicht. Es war aber naturgemäß irgend- dieses Thema auch weiter diskutieren müssen; wann nicht mehr so stark nachgefragt, weil ir- eine Umsetzung wird nicht einfach per Klick funkti- gendwann die Masse der Imame erschöpft ist. onieren, sondern man muss sich inhaltlich weiter Deshalb muss man bei einem solchen zweise- damit auseinandersetzen. mestrigen Weiterbildungsangebot gegebenenfalls mit Pausen arbeiten. Genau eine solche Pause Der Antrag ist richtig und sendet auch wichtige wird jetzt eingelegt. Signale. Die Diskussion im Vorfeld hat gezeigt, wie komplex diese Thematik ist und wie schnell Dinge Das heißt, wenn wieder vermehrt Muslime aus miteinander verwoben werden, die nicht zusam- Moscheegemeinden ein entsprechendes Weiter- mengehören. Wir haben das in dem Beitrag von bildungsangebot in Anspruch nehmen wollen, also Herrn Rykena gerade leider wieder hören müssen. ein Bedarf besteht, wird die Universität Osnabrück Vor dem Hintergrund der Komplexität der Thematik diese Weiterbildung selbstverständlich sofort wie- kann man sich nicht immer nur auf ein Thema der anbieten; die Strukturen dafür bleiben erhalten. fokussieren, sondern man muss sich schon die Ich will ausdrücklich darauf hinweisen - Stefan Mühe machen, die Dinge auseinanderzuhalten. Birkner hat das gerade in den Raum gestellt -, Oder man sagt dann vielleicht doch nichts dazu, dass es sich eben nicht um eine Imam-Ausbildung weil das am Ende falsch bzw. populistisch wird, die handelt; das wird ganz gerne mal verwechselt. Wir Leute es nicht verstehen und in die Irre geführt bilden in Deutschland keine Imame aus. werden. Deswegen, Herr Rykena, sollten Sie noch einmal darüber nachdenken, ob das, was Sie hier (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ist klar!) gesagt haben, richtig sein kann. Dieses Angebot haben Imame in Anspruch ge- (Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei nommen, die beispielsweise aus der Türkei zu uns den GRÜNEN und bei der FDP) gekommen sind und deren Moscheegemeinden der Auffassung waren, dass eine solche Weiterbil- Der Antrag, meine Damen und Herren, enthält sehr dung ihnen - gerade vor dem Hintergrund der ge- wichtige Grundaussagen. Das Parlament unter- sellschaftspolitischen Struktur dieses Landes - stützt das Ziel dieser Landesregierung, Imame, die ganz gut täte und eine Perspektive eröffne. Das in Deutschland tätig sind, auch in Deutschland muss man auseinanderhalten. auszubilden. Das klingt erst mal einfach, ist es aber leider nicht. Ich komme gleich darauf zurück. (Zuruf von Belit Onay [GRÜNE]) Die Landesregierung sieht in zweifacher Hinsicht - Ich sage das nur noch einmal, um das klarzustel- eine Verpflichtung, hier tätigen Imamen das not- len: Wir bilden also keine Imame aus. Man könnte wendige Rüstzeug zu vermitteln, um den Integrati- auch sagen: Wir bilden Imame noch nicht aus. onsprozess der Muslime und des Islam in der Herr Birkner hat auch gerade in den Raum gestellt, Bundesrepublik Deutschland weiter zu befördern. bei diesem Thema würde nichts mehr passieren. Zum einen enthält der Entschließungsantrag die Beim Institut für Islamische Theologie wird es in Aufforderung an die Landesregierung, Strukturen jedem Jahr Absolventen geben. Das heißt, pro und Module an der Universität Osnabrück weiter Jahr werden dort etwa 20 Theologen einen Ab- vorzuhalten, um im Bedarfsfall das zweisemestrige schluss machen - im Lehramtsbereich sind es

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etwas weniger. Das heißt, auch da geht es immer Welche konkreten Initiativen sind das denn, die wir weiter. hier begrüßen sollen?

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Bei der Imam-Fortbildung?) Björn Thümler, Minister für Wissenschaft und Kultur: - Bei den Imamen ist das anders; darauf komme ich gleich zurück. - Dort werden Diplom-Theologen Ich komme im zweiten Teil meiner Rede gleich ausgebildet, die heute durchaus schon in Mo- darauf zu sprechen; denn es geht darum, wie wir scheegemeinden wirken könnten. Sie können aber tatsächlich eine eigenständige und unabhängige den Imam nicht ersetzen; das müssen wir ausei- Imam-Ausbildung aufbauen können. Es wird ja nanderhalten. immer ein Dilemma bleiben: Es gibt ganz viele unterschiedliche Religionsgemeinschaften bzw. Zum anderen enthält der Entschließungsantrag die Moscheegemeinden - es gibt ja nicht nur DITIB Bitte an die Landesregierung, Modelle für eine und Schura -, die unterschiedliche Ausrichtungen eigenständige und unabhängige Imam-Ausbildung haben und sich untereinander auch nicht wirklich in Niedersachsen zu prüfen und eine Berufsper- einig sind; das muss man auch mal sagen. Milli spektivem für Imame in Niedersachsen zu gestal- Görüs beispielsweise betrachtet die Dinge ganz ten. Das ist ein schöner Satz, der aber komplexer anders als die Aleviten oder DITIB oder Schura. nicht sein könnte. Das macht deutlich, wie schwie- Deswegen kann man nicht - das ist im Staatskir- rig das gesamte Themenfeld ist. chenrecht geregelt - 1 : 1 verbindlich Absprachen in dieser Frage treffen, sondern man muss immer (Dr. Stefan Birkner [FDP] meldet sich) einzelne Absprachen treffen. Darauf komme ich - Wollten Sie eine Zwischenfrage stellen? aber gleich zurück.

Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Hier in Niedersachsen haben wir uns auf den Weg gemacht: Erste Sondierungsgespräche zur Ent- Herr Minister Thümler, ich wollte Sie gerade fra- wicklung von Modellen einer Imam-Ausbildung gen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen. unter Einbindung der wissenschaftlichen Expertise der Universität Osnabrück sind mit dem Bundes- Björn Thümler, Minister für Wissenschaft und ministerium des Innern nicht nur bereits geführt Kultur: worden, sondern durchaus auch schon gediehen. Ja, ich mach schon! Herr Jasper hat freundlicherweise darauf hinge- wiesen, dass in den vergangenen zwei Tagen hier Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: in Hannover ein Workshop des Bundesinnenminis- teriums stattgefunden hat, der sich im Rahmen der Alles klar, wunderbar, danke für die Arbeitsteilung! Deutschen Islam Konferenz bewegt und sich mit dem Thema Imam-Ausbildung in Deutschland Björn Thümler, Minister für Wissenschaft und beschäftigt hat. Dort wurde noch einmal deutlich Kultur: gemacht, worauf es im Grunde genommen an- Gerne. kommt.

Dr. Stefan Birkner (FDP): Ich weise mit Nachdruck darauf hin, dass ich an Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister, verschiedenen Stellen in diesem Haus bereits vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage gestatten. mehrfach gesagt habe, dass der Staat in eigener Ich frage das jetzt, weil Sie gerade schon zur Bitte Verantwortung leider keine Imame ausbilden kann. des Landtages unter Nr. 2 des Antrags vorgetra- Wenn er es könnte, wäre vieles einfacher. Das gen haben. können wir aber nicht, und deswegen sind wir - wie bei der Ausbildung von Priestern, Pfarrern oder In dem Antrag steht ja vorher auch: Rabbinern - immer mit den Obliegenheiten der Religionsgemeinschaften befasst, die, wie ich ge- „Der Landtag begrüßt die konkreten Initiati- rade andeutete, durchaus komplex sind. Es ist ven der Landesregierung, die Abhängigkeit nicht so einfach, dort einen vernünftigen Weg zu niedersächsischer Moscheegemeinden von finden. Man kann sozusagen auch unterstellen, ausländischen Finanzmitteln und Förderern dass ein gemeinsames Curriculum aller Religions- zu reduzieren.“ gemeinschaften überhaupt nicht vorstellbar ist, weil

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es viel zu viele Diversifikationen gibt und es keine staatlichen Bereichen kann es Möglichkeiten ge- Einheit geben kann. ben. Vor allen Dingen kann aber der ganze große Bereich der sozialen Tätigkeiten eine Rolle spielen. Nichtsdestotrotz ist an der Universität Osnabrück Darauf sollten wir uns in den nächsten Wochen in den vergangenen Jahren neben der Religions- und Monaten fokussieren. pädagogik eine hervorragende grundständige is- lamische Theologie aufgebaut worden, die wir jetzt Die Landesregierung wird daher weiter im Ge- noch weiter abfedern, um weitere wissenschaftli- spräch mit den Moscheegemeinden und den Ver- che bzw. Ausbildungsmöglichkeiten in islamischer bänden bleiben und nach gemeinsamen Lösungen Theologie auch für Imame in der zweiten Ausbil- suchen. Vor allen Dingen werden wir aber mit dem dungsphase zu schaffen. Die seelsorgerischen Bundesinnenministerium das, was wir jetzt verein- Anforderungen müssen dann jeweils gemeinsam bart haben, weiter vorantreiben. Ich glaube, heute mit den Religionsgemeinschaften aufgesetzt wer- kann man so weit gehen zu sagen, dass wir ein den. Modellprojekt auflegen werden, um tatsächlich damit zu beginnen. Wir müssen es jetzt einfach Ich bitte jedoch, zu bedenken, dass wir mit unse- tun; denn wenn wir es jetzt nicht tun, werden wir ren Vorschlägen nicht nur auf ungeteilte Begeiste- es, wie gesagt, in den nächsten Jahrzehnten auch rung stoßen. Ich habe am Montag bei dieser Kon- nicht tun. Das wäre ein Sündenfall gegenüber den ferenz selbst ein Grußwort sprechen und anschlie- muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. ßend mit den Verbandsvertretern diskutieren dür- Diese dürfen nicht darunter leiden, dass wir keinen fen. Schon bei der Diskussion, die wir geführt ha- Weg finden, aus diesem Hamsterrad auszubre- ben, ist plötzlich ein sehr differenziertes Bild auf chen. uns niedergeprasselt. Ich habe immer gesagt: Wenn wir es nicht schaf- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: fen, anzufangen und wirklich irgendwo einen Imam Herr Minister Thümler, erlauben Sie eine Zwi- auszubilden, dann werden wir aus dem Hamster- schenfrage der Frau Kollegin Viehoff? rad nicht herauskommen. Das heißt, wir müssen den Mut aufbringen, tatsächlich einen Imam oder Björn Thümler, Minister für Wissenschaft und auch zwei oder drei Imame auszubilden und an Kultur: Moscheegemeinden zu vermitteln, um zu schauen, Ja, bitte! wo Bedarf für eine Nachsteuerung besteht; denn sonst werden wir, wie gesagt, diesen Kreislauf nie Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: durchbrechen. Wir können uns nicht noch die nächsten 10, 15 oder 20 Jahre damit beschäftigen, Bitte, Frau Viehoff! wie wir das erreichen, sondern wir müssen jetzt (GRÜNE): anfangen, etwas zu tun. Und dazu sind wir bereit, Eva Viehoff meine Damen und Herren. Danke, Herr Minister, dass Sie die Frage zulassen. (Beifall bei der CDU und Zustimmung Mich interessiert, wann Sie planen, dieses Modell- bei der SPD) projekt einzurichten, ob es schon einen Zeitplan dafür gibt. Wichtig dabei ist, auf die Bedarfe der Moscheege- meinden hinzuweisen, die finanziell eben nur be- Björn Thümler, Minister für Wissenschaft und dingt in der Lage sind, einen wissenschaftlich voll Kultur: ausgebildeten, akademisch qualifizierten Imam zu Es gibt keinen definierten Zeitplan, dass wir sagen, beschäftigen. Das ist eine Herausforderung, die wir fangen zum 1. August 2019 an. Vielmehr wer- nicht trivial ist. Sie wissen, dass einige die Einfüh- den wir das weiter entwickeln. - Herr Birkner lacht. rung einer Moscheesteuer oder Ähnliches vorge- Aber das Problem besteht immer noch darin, dass schlagen haben, um den Gemeinden dies aus auch die Verbände der Deutschen Islam Konfe- eigenen Mitteln zu ermöglichen. Mein Weg wäre, renz auf diese Reise mitgenommen werden müs- dass wir zunächst versuchen, diese qualifizierten sen. Wenn ein Großteil der Verbände querschießt, Menschen, die diese Imam-Ausbildung absolviert dann wird es mit der Akzeptanz schon wieder haben, auch mit anderen Berufsbereichen in Ver- schwierig. Das heißt, wir müssen Möglichkeiten bindung zu bringen. Das kann beispielsweise die und Wege finden, wie wir dies gemeinsam mit dem Schule sein, muss es aber nicht sein. Es kann Bundesinnenministerium angehen. auch der soziale Bereich sein. Auch in anderen

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Wie gesagt, wir sind dazu bereit. Die Strukturen gang mit den Islamverbänden zu gestalten. Aber sind an der Universität auch entsprechend einge- genau deshalb bin ich auch irritiert, dass wir immer stellt, und entsprechende Konzepte sind entwickelt noch darüber sprechen, dass man das endlich - die innerhalb der Community aber auch kritisch einmal irgendwie machen muss. Die Betonung betrachtet werden; das darf man ebenfalls nicht liegt auf „irgendwie“. Sie haben bis heute keine ganz vergessen. Deswegen werden wir das eben Antwort auf die Frage des Wie. Es reicht eben nicht in wenigen Wochen übers Knie brechen kön- nicht aus, einfach nur zu sagen, wir müssten jetzt nen. Vielmehr brauchen wir ausreichend Zeit, um anfangen, und gleichzeitig darauf hinzuweisen, es richtig zu machen. Wir werden danach immer dass, würden Gespräche geführt, alles komplex, noch nachsteuern müssen, und ich kann Ihnen schwierig und widersprüchlich ist. Damit werden jetzt schon versprechen - wahrscheinlich tun wir Sie aus dem Hamsterrad, wie Sie gesagt haben, das auch gegenseitig -, dass wir noch häufig dar- eben nicht ausbrechen. über reden müssen, weil natürlich der eine oder Ich erwarte von einem Minister und einer Landes- andere sagt, dass das nun aber in die völlig fal- regierung, dass man nicht nur sagt, wir müssen sche Richtung geht. Aber ich sage es noch einmal: jetzt irgendwie etwas machen, sondern dass Sie Wenn wir nicht anfangen, werden wir nie über uns verraten, wie und was konkret Sie zu tun ge- irgendetwas Inhaltliches reden können, sondern denken. - Das war der erste Hinweis. nur sagen: Das könnte man möglicherweise so oder so machen. Deswegen brauchen wir meiner Der zweite Hinweis, den ich geben möchte, ist, Meinung nach diesen Dialog. dass ich auf meine Frage keine Antwort erhalten Meine Damen und Herren, zum Schluss: Der Weg habe. Ich habe gefragt: Was sind die konkreten des Dialogs mit den muslimischen Mitbürgerinnen Initiativen der Landesregierung, die die Abhängig- und Mitbürgern ist uns allen ein gemeinsames keit niedersächsischer Moscheegemeinden von Anliegen. Ihn sollten wir gehen, auch aus der Ver- ausländischen Finanzmitteln und Förderern redu- antwortung heraus, die wir für die gesamte Gesell- zieren, die wir hier begrüßen sollen? - Also die sind schaft haben. Wir haben es schon häufig gehört: ja dann schon erfolgt. Das muss ja in der Vergan- Ausgrenzung ist der absolut falsche Weg, und die genheit liegen. Was sollen wir konkret begrüßen? Integration ist das Entscheidende. Dazu gehört Vielleicht können Sie uns dazu etwas Konkretes auch, dass wir den Weg hin zu einer Imam-Aus- sagen, was über schriftlich gegebene Antworten bildung gehen. hinausgeht, in denen es immer hieß: Wir sind mit ihnen im Gespräch. Was sind die konkreten Initia- Vielen Dank. tiven, um die Unabhängigkeit zu fördern? Mein (Beifall bei der CDU und bei der SPD) Eindruck ist, es gibt keine. Aber vielleicht können Sie mir jetzt welche nennen.

Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: (Beifall bei der FDP und bei den Vielen Dank, Herr Minister Thümler. GRÜNEN) (Dr. Stefan Birkner [FDP] meldet sich Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: zu einer Kurzintervention) Herr Minister Thümler möchte so weit wie möglich - Eine Kurzintervention ist nicht möglich, aber sehr antworten. Wir befinden uns nicht in der Frage- wohl kann zusätzliche Redezeit in Anspruch ge- stunde, sondern in einer Aussprache. Aber ich nommen werden. Wenn Sie diese jetzt beanspru- denke, wir kriegen das gemeinsam hin. Der Minis- chen, haben Sie zwei Minuten zur Verfügung. ter hat ja auch sehr deutlich gemacht, dass wir (Helge Limburg [GRÜNE]: Er wollte reden müssen, und es scheint noch viel Redebe- ein Z hochhalten!) darf zu bestehen. - Wir haben alles verstanden. - Bitte sehr! Björn Thümler, Minister für Wissenschaft und Kultur: Dr. Stefan Birkner (FDP): Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Ich bin Herrn Birk- Vielen Dank für die Fürsorge. ner dankbar. Mit aller gebotenen Vorsicht - das Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und alles steht immer unter bestimmten Vorbehalten - Herren! Herr Thümler, ich weiß, dass es Ihnen ein kann ich sagen, dass wir gemeinsam mit Verbän- Anliegen ist, diese Fragen und gerade den Um- den - ich muss das offen formulieren und von Ver-

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bänden sprechen - im Herbst dieses Jahres in der (Belit Onay [GRÜNE]: Das ist mir Lage sein werden, einen Verein zu gründen, der schon aufgefallen! - Christian Grascha Träger für die zweite Phase der Imam-Ausbildung [FDP]: Das ist schon aufgefallen!) werden wird. Das ist so vorbesprochen und soll weil diese Unabhängigkeit für uns ein hohes Gut quasi den Einstieg dazu bilden, dass wir wirklich ist. Wir brauchen nicht um den heißen Brei herum- Imame auch in Deutschland ausbilden können. Wir zureden. Wir sind ja nicht zum Wattebauschwerfen können dies, wie ich vorhin schon einmal gesagt hier. Das muss man sehen. Dahinter steht eben habe, als Staat ja nicht selbst tun. eine nicht triviale Frage. Diese müssen wir mitei- nander - nicht im parteipolitischen Gegeneinan- Das wäre sozusagen der Beginn dieser Imam-Aus- der - vernünftig lösen. Meiner Meinung nach ist es bildung in Deutschland. Sprich: Islamische Theolo- nur im Konsens auch dieses Hauses, zumindest gen, die in Deutschland studiert haben, erhalten in der Mehrheit dieses Hauses, möglich, den richti- der zweiten Phase die Imam-Ausbildung nach den gen Weg einzuschlagen. Sie haben in Ihrem Wort- Grundsätzen der islamischen Religionslehre. beitrag gesagt, dass sich die FDP dem nicht ent- Staatlich unabhängig, d. h. in diesem Verein wer- gegenstellen wird, sondern im Gegenteil daran den die Verbände eine breite Mehrheit haben mitarbeitet. Das wäre auch meine herzliche Bitte. müssen. Anders ist es nicht möglich, weil wir sonst Das ist nur möglich, wenn es von den demokrati- gegen die deutschen Rechtsgrundsätze verstoßen, schen Parteien entsprechend getragen wird. die wir an der Stelle haben. - Dazu müssen wir kommen. (Beifall bei der CDU)

Das Zweite, was wir konkret machen, betrifft die Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Frage, wie ein ausgebildeter Imam wo unterge- Vielen Dank, Herr Minister. - Es liegen keine weite- bracht wird. Dazu kann ich Ihnen sagen, dass es ren Wortmeldungen vor. im Raum Osnabrück Moscheegemeinden gibt, die sich bereit erklärt haben - ich sage es in einfachen Bevor wir zur Abstimmung kommen, haben wir Worten -, Imame in Ausbildung aufzunehmen, allerdings noch eine Wortmeldung zu einer per- diese Imame auch tatsächlich auszuprobieren, und sönlichen Bemerkung nach § 76 der Geschäfts- dass wir an anderen Stellen auch darüber reden, ordnung. Sie kommt vom Abgeordneten Harm wie wir mit weiteren Angeboten islamischen Religi- Rykena von der AfD-Fraktion. Ich weise an dieser onstheologen Beschäftigungsmöglichkeiten geben Stelle noch einmal deutlich darauf hin, dass Sie in können. Das Ganze ist eben nicht so trivial, dass dieser persönlichen Bemerkung nur Angriffe zu- man jetzt sagen kann, das ist alles schon passiert rückweisen, die in der Aussprache gegen Sie ge- und wird dann sozusagen abgeschlossen sein. richtet wurden, oder eigene Ausführungen berich- Das ist ein fortlaufender, sehr schwieriger Diskus- tigen dürfen. Bitte, Herr Rykena! sionsprozess, bei dem jetzt aber konkret weitere Schritte erfolgen werden. Harm Rykena (AfD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Mir wurde vorhin (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das hat mit vorgehalten, ich sei ja wohl ein Fan von Präsident der Unabhängigkeit nichts zu tun!) Erdogan. Das bin ich selbstverständlich nicht. Aber ich muss den Namen Mustafa Erkan erwähnen. Er - Doch, das hat auch immer etwas mit der Unab- saß für die SPD-Fraktion bis 2017 hier im Landtag hängigkeit zu tun; denn am Ende lautet ja der und ist heute Berater der Regierung Erdogan. Vorwurf, den wir z. B. DITIB machen, die Imame würden von der Türkei, vom Staat, bezahlt. Wenn (Christian Meyer [GRÜNE]: Sie sollen wir jetzt umgekehrt Imame in Deutschland ausbil- Angriffe zurückweisen! - Belit Onay den und sie zu Staatsangestellten machen, dann [GRÜNE]: Sprechen Sie jetzt für machen wir ja nichts anderes als das, was wir der Herrn Erkan oder für sich? - Zurufe Türkei vorwerfen. von der SPD) Zum Zweiten - - - An dieser Stelle müssen wir natürlich sauber blei- ben und vorsichtig sein. Deswegen - ich sage es Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: einmal so - eiern wir an der Stelle auch ein biss- Der zweite Teil, Herr Rykena, ist keine persönliche chen herum, Erklärung, der erste, in dem Sie das zurückgewie-

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sen haben, schon. Was haben Sie noch zurück- schaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung - zuweisen? Drs. 18/3953

Harm Rykena (AfD): Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, die Anträge in Zum Zweiten hat man mir Hassrede vorgeworfen. geänderter Fassung anzunehmen. Ich möchte Sie bitten, sich morgen einmal das Protokoll anzuschauen. Sie werden lange suchen Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. müssen, bevor Sie dort irgendwie einen Aufruf zu Wir steigen in die Beratung ein. Als erste Wortmel- Hass finden werden. Ich habe lediglich darauf hin- dung liegt eine Wortmeldung des Abgeordneten gewiesen, dass im Beirat des Instituts in Osna- Heiner Schönecke, CDU-Fraktion, vor. Bitte schön, brück Vertreter von Verbänden sitzen, die maß- Herr Schönecke! geblich nicht mit unserer freiheitlichen demokrati- schen Grundordnung in Einklang zu bringen sind, (Beifall bei der CDU) und habe davor gewarnt. Inwiefern das ein Aufruf zu Hass sein soll, erschließt sich mir nicht. Heiner Schönecke (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! (Beifall bei der AfD) „HVV stärken - Nahverkehr im Hamburger Umland vernetzen und ausbauen“: Ich meine, man braucht Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: keine prophetischen Gaben zu haben, um voraus- Danke schön. zusagen, dass wir über diesen Antrag heute am Ende in der zweiten Lesung positiv abstimmen Wir kommen jetzt zur Abstimmung. werden. Das ist auch korrekt, nötig und folgerich- Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses tig; denn es geht immerhin um 20 % der Nieder- zustimmen und damit den Antrag der Fraktion sachsen, die ab 2019 den HVV nutzen können. Bündnis 90/Die Grünen in der sich aus der Be- Die Landkreise Cuxhaven, Rotenburg (Wümme), schlussempfehlung ergebenden geänderten Fas- Heidekreis und Uelzen sowie Teile des Landkrei- sung annehmen will, den bitte ich um ein Handzei- ses Lüchow-Dannenberg, die dazukommen, freu- chen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit en sich darauf. ist dieser Antrag mehrheitlich so angenommen Der HVV ist eine länderübergreifende Erfolgsge- worden. schichte. Dass man heute mit einem Fahrschein vom Hamburger Jungfernstieg bis zur Nordseeküs- Wir kommen jetzt vor der Mittagspause noch zum te und von Soltau bis nach Pinneberg fahren kann, Tagesordnungspunkt 21. bedeutet auch eine wesentliche finanzielle Entlas- (Unruhe) tung für die Pendler. An dieser Erfolgsgeschichte schreibt unser Verkehrsminister Dr. Bernd Althus- - Ich lese gleich wieder vor, welche Tagesord- mann nicht nur mit, sondern er arbeitet auch täg- nungspunkte wir hier gemeinsam aufrufen, und lich daran. Er kennt die Sorgen und Nöte unserer bitte an dieser Stelle um etwas Ruhe. - Das gilt Pendler. Wir finden das gut. auch für die Kollegen PGF. - Vielen Dank, die Her- ren. (Beifall bei der CDU)

Ich rufe auf den Besonders im engeren südlichen Bereich rund um Hamburg ist der Erfolg auf den Schienenstrecken ganz besonders an den Steigerungen der Pendler- zahlen zwischen 2005 und 2017 festzumachen. Tagesordnungspunkt 21: Diese Zahlen sind vorzeigbar. Es sind stolze Zah- Abschließende Beratung: len - z. B. eine Steigerung von 14 000 auf 27 000 a) HVV stärken - Nahverkehr im Hamburger zwischen Buchholz und Hamburg. Umland vernetzen und ausbauen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - (André Bock [CDU]: Winsen!) Drs. 18/2031 - b) HVV-Qualitätsoffensive - Nah- - Und Winsen, Herr Kollege Bock. Da sind die Zah- verkehr im Hamburger Umland stärken, opti- len von 16 000 auf 27 000 gestiegen; auch eine mieren, vernetzen und ausbauen - Antrag der Erfolgsgeschichte. - Das ist die positive Seite der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/2577 - Medaille. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirt-

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Auf der anderen Seite kommen der Zugverkehr (Heiterkeit und Beifall) und auch unser ÖPNV an die Leistungsgrenze. - Habe ich das wirklich so gewollt? Wer erinnert sich nicht an die Vielzahl der Schre- ckensmeldungen in den letzten Jahren für die Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Pendler, die chaotischen Szenen auf dem Ham- burger Hauptbahnhof und die Vollsperrungen un- Herr Kollege Schönecke, das war ein Versprecher. serer S-Bahn? Daran waren eben nicht nur die (CDU): Frühjahrsstürme und Herbststürme schuld, son- Heiner Schönecke dern - und das trifft uns im Grunde genommen Es ist also - - - alle - ein gigantischer Investitionsstau über Jahr- (Anja Piel [GRÜNE]: Der rot-grüne zehnte. Salat! - Christian Meyer [GRÜNE]: Meine Damen und Herren, leider wird dieser Ärger Bald ist da auch mehr Grün drin!) weitergehen. Deshalb ist es gut und richtig, dass dieses Parlament sich zum ersten Mal mit der Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: HVV-Problematik auseinandersetzt. Wir Nieder- Warten Sie ganz kurz, Herr Kollege Schönecke, sachsen stellen die Ampeln also auf Grün. Wir bis sich alle wieder beruhigt haben. schieben dort an, wo wir zuständig und verantwort- lich sind. Heiner Schönecke (CDU): Ich fand die Reaktion gut, Frau Präsidentin. Wir müssen unsere Bahnhöfe fit machen, damit der Leidensdruck der Reisenden nicht noch größer Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: wird. Die vorhandenen Studien über den Harbur- ger Knoten und den Ausbau des Hamburger Ja, ich fand es auch nicht schlimm. Solche Ver- Hauptbahnhofs liegen ja vor. Wenn der Erste Bür- sprecher kommen vor. germeister von Hamburg, Herr Tschentscher, an- (Anja Piel [GRÜNE]: Er isst auch Ge- kündigt, dass sein Hamburger Hauptbahnhof um- müse! Dann ist alles gut!) gebaut werden soll, hat er ja recht. Nur: Wann? Heiner Schönecke (CDU): Als ich am 14. Juni dieses Jahres um 16.30 Uhr die Bahnsteige im Hamburger Hauptbahnhof Daher sind wir alle dafür, dass wir einen funktionie- wechselte, habe ich gedacht: Das sind hier ja wohl renden SPNV schaffen, weil wir ihn brauchen. Die indische Verhältnisse. - Wenn man oben steht und 15 Punkte der Beschlussempfehlung sollen dazu mit der Rolltreppe herunter zum S-Bahn-Bahnsteig beitragen, dass es hier zu einer Verbesserung fahren will, bekommt man das Zeichen, man solle kommt. lieber nicht mehr herunterfahren, weil es zu voll ist. Es beginnt mit der erneuten Überprüfung z. B. der In die S-Bahn, die über Neugraben und Buxtehude Frage, ob das System S-Bahn denn nicht auch auf weiter in Richtung Stade fährt, kommt niemand niedersächsischem Gebiet weiter ausgebaut wer- mehr hinein, weil sie zu voll ist, sodass die Türen den kann. Natürlich weiß ich, dass viele sagen, nicht zugehen. Da müssen wir uns fragen: Was das sei gegebenenfalls zu teuer. müssen wir besser machen? Alleine die Türen zu schließen, ist das eine. Indische Verhältnisse Aber alle anderen Punkte betreffen natürlich auch möchte keiner auf den Bahnhöfen haben. die Dinge, die wir heute machen sollten. Warum muss der Metronom heute im Hamburger Haupt- Liebe Freunde, es ist an Hilflosigkeit nicht zu über- bahnhof stehen und die Gleise als Parkplatz nut- bieten, wenn man dann in den Schlagzeilen der zen? Warum fahren diese Züge nicht weiter bis Hamburger Presse liest, dass der neue Verkehrs- nach Schleswig-Holstein hinein? senator Westhagemann sagt, er möchte doch am Ich glaube, dass der Verkehrsminister hier noch liebsten Millionenstrafen verhängen. Da sagt man eine große Aufgabe hat, das an dieser Stelle mit sich: Regieren heißt aber auch, dass man etwas zu verändern. Das können doch nicht nur Aus- machen muss. schreibungsprobleme zwischen Bundesländern Da ist unser Antrag, der heute zur Beschlussfas- sein. Diese Probleme müssen gelöst werden. sung ansteht, sicherlich hilfreich. Für diese Hilfe- Meine Damen und Herren, ich komme zu meinem stellung ist der rot-grüne Salat - nein, Senat in Lieblingsthema in dieser Frage. Schauen Sie sich Hamburg - - - bitte einmal diese Karte an!

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(Der Redner zeigt eine Karte mit den henden Regionalbahnen zu arbeiten. Auf der Stre- Tarifzonen des HVV) cke von Hamburg-Harburg nach Lüneburg ließe sich das im Übrigen ganz einfach lösen, indem Diese Karte hängt heute an jedem Fahrscheinau- man das dort vorhandene dritte Gleis mit mehr tomaten des HVV. Aber wer wird daraus überhaupt Signal- und Weichenstellungen ausstattet. noch schlau? Es gibt klügere und bessere Syste- me. Hier ist die Zukunft doch eigentlich schon an- Das elementare Problem Ihres Antrages ist aber, gekommen. Sie ist digitaler, und wir sollten sie dass Sie die Tarifzoneneinteilung im HVV völlig nutzen. Die Fahrscheine von heute sind eine Sa- ausblenden. Das ist schade, besteht doch gerade che von gestern. Keine Karten, keine Automaten - hier großer Handlungsbedarf. Wenn heute jemand ich denke, es gibt bessere Systeme, als die Ta- mit dem Zug von Winsen (Luhe) nach Hamburg rifzonen zu verändern. Die gehören abgeschafft. pendelt, bezahlt er ca. 109 Euro. Wenn er aber 5 km entfernt in Ashausen einsteigt, bezahlt er nur (Beifall bei der CDU und Zustimmung 69 Euro. Die Folge ist, dass die Pendlerinnen und bei der SPD) Pendler nicht ihren Heimatbahnhof benutzen, son- dern die 5 km weiter mit dem Auto zum nächsten Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Bahnhof fahren. Die Konsequenz ist, dass das Vielen Dank, Herr Kollege Schönecke. - Für die Parkhaus in Winsen (Luhe) - mit Landesmitteln Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeord- gefördert - halb leer steht, während in Ashausen nete Detlev Schulz-Hendel das Wort. Bitte schön! die Menschen gar nicht mehr wissen, wo sie ihre Autos parken sollen. - Das ist ein Thema, das man Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE): hätte aufgreifen müssen. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schönecke, vielleicht ist der Antrag Wenn Sie, Herr Minister Althusmann, ernsthaft ja gut gemeint, aber tatsächlich ist er in weiten mehr Menschen vom Auto auf die Schiene bringen Teilen schlecht gemacht. Wer den HVV im Ham- wollen, müssen Sie im Rahmen einer HVV-Quali- burger Umland wirklich stärken will und mehr tätsoffensive auch eine Reaktivierung der betroffe- Pendlerinnen und Pendler auf die Schiene bringen nen Bahnstrecken im HVV-Bereich in Betracht möchte, darf sich nicht auf langfristige Maßnahmen ziehen, um die Kapazitäten zu erhöhen. oder überflüssige Prüfaufträge beschränken, son- (Beifall bei den GRÜNEN) dern muss untersuchen, wo die Pendlerinnen und Pendler der Schuh drückt. Aber das haben Sie und Dazu gehören der Moorexpress von Stade nach Herr Minister Althusmann offensichtlich nicht ge- Bremerhaven ebenso wie die Strecken Jesteburg– tan; denn sonst hätten Sie im Anhörungsverfahren Harburg, Lüneburg–Amelinghausen und Lüne- den Vorschlag des DGB aufgegriffen, aus dem burg–Bleckede. Aber bei dem Thema Reaktivie- Antrag der Grünen und Ihrem Antrag einen zu rung von Bahnstrecken gewinne ich zunehmend machen, damit er auch wirklich schlagkräftig wird. den Eindruck, dass Ihnen das Konzept fehlt oder Denn wir unterhalten uns mit Pendlerinnen und dass Sie es eigentlich gar nicht wollen. Pendlern in der Region, und wir wissen, wo der Und die Menschen im Amt Neuhaus wollen Sie Schuh drückt. auch weiterhin nicht in vollem Umfang am HVV (Zuruf von der CDU: Wir auch!) teilhaben lassen. Die Durchbindung der Heidebahn von Hannover über Soltau nach Hamburg-Harburg Ich möchte nun auf ein paar Einzelpunkte einge- soll bei Ihnen nur noch langfristig realisiert werden. hen. Sie fordern die Prüfung von S-Bahn-Verlän- Eine Durchbindung der Regionalbahn von Ham- gerungen in Richtung Buchholz, Tostedt und in burg nach Hannover im Stundentakt haben Sie Richtung Winsen (Luhe). Aber genau das ist so ein vorsorglich gänzlich aus Ihrem Änderungsantrag überflüssiger Prüfauftrag; denn eine Erweiterung herausgenommen. des S-Bahn-Betriebs ist bereits 2015 geprüft wor- den. Dabei war die einhellige Meinung aller Fach- Keine Rolle in Ihrem Antrag spielt die Notwendig- experten, dass die S-Bahn-Beförderungskapazitä- keit einer optimalen Anschlusssicherung zwischen ten zu gering sind und dass die notwendigen Sys- Bahn und Bussen im HVV-Bereich. Aber gerade temwechselstellungen mit erheblichen Investitions- diese Anschlusssicherung ist für viele Menschen kosten, nämlich von mehr als 100 Millionen Euro, das entscheidende Kriterium, vom Auto auf öffent- verbunden wären. Es wäre also besser gewesen, liche Verkehrsmittel umzusteigen. Inakzeptable jetzt intensiv an einer Taktverdichtung der beste- Wartezeiten und Anschlussverluste sorgen aus-

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schließlich für Frust. Um diesen Bereich kümmern Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Sie sich in Ihrem Antrag aber ebenso wenig wie Herr Kollege Schulz-Hendel möchte darauf antwor- um viele andere Dinge. ten. Er hat ebenfalls 90 Sekunden Zeit. Bitte! Zu guter Letzt lässt Ihr Antrag den Mut vermissen, sich auch mit Themen wie einer einheitlichen Ver- Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE): triebs- und Tarifstruktur in ganz Niedersachsen zu Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! beschäftigen. Das ist natürlich ein dickes Brett, Lieber Herr Schönecke, wenn Sie ernsthaft ein aber wenn man Mut und Gestaltungswillen hat, anderes Tarifsystem wollen, dann verstehe ich dann wäre es jetzt richtig gewesen, mindestens nicht, warum Sie das nicht in Ihrem Antrag darge- einheitliche Vertriebsstrukturen zwischen den Ver- legt haben. Das finde ich mit keinem Wort. Sie kehrsverbünden einzufordern. wollen am Sankt-Nimmerleins-Tag irgendetwas evaluieren. Aber wenn Ihre Forderung richtig ist, Alles in allem schlecht gemacht, meine Damen und dass die Tarifzonen generell abgeschafft gehören - Herren. Wir lehnen Ihren Antrag ab. und diese Auffassung teile ich mit Einschränkun- gen sogar -, dann hätten Sie das in Ihren Antrag (Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von aufnehmen müssen. Aber weil das dort nicht zu der CDU: Das war mir klar!) finden ist, gilt: Solange wir Tarifzonen haben, müs- sen wir endlich für Gerechtigkeit in der Tarifzonen- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: einteilung des HVV sorgen. Dafür muss auch das Vielen Dank, Herr Kollege Schulz-Hendel. - Auf Land Niedersachsen Verantwortung übernehmen Ihren Wortbeitrag liegt eine Kurzintervention des und Geld in die Hand nehmen. Das ist die Maß- Abgeordneten Schönecke vor. Bitte sehr! Wie ge- nahme, die wir zuerst ergreifen müssen. habt, beträgt die Redezeit 90 Sekunden. (Beifall bei den GRÜNEN)

Heiner Schönecke (CDU): Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Herr Schulz-Hendel, wir reden über eine Verbesse- Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der rung des Systems. Wir nutzen hier nicht das, was Abgeordnete Henze. Bitte schön, Herr Henze! wir uns heute schon fast überall erlauben, z. B. die digitale Fahrkarte. Und warum machen wir das Stefan Henze (AfD): nicht? - Weil der HVV ein schwieriges Konstrukt ist: über drei Länder hinweg. An dem HVV ist Nie- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- dersachsen mit 2 % beteiligt, die beteiligten Land- ten Damen und Herren Kollegen! Am 14. Novem- kreise mit 9,5 %. Die neuen Landkreise, über die ber haben wir den Antrag der Regierungskoalition wir derzeit noch gar nicht reden, kommen in diesen „HVV stärken“ vom 6. November 2018 bereits be- Gesellschafterkreis gar nicht hinein. Deshalb raten. Herr Schulz-Hendel, damals traten Sie noch braucht es eine starke niedersächsische Ansage, als der große Motivator auf und waren zuversicht- dass es hier zu Veränderungen kommt. lich, dass alle hier im Parlament vertretenen Frak- tionen schon einen gemeinsamen Beschluss fas- (Detlev Schulz-Hendel [GRÜNE]: sen würden, der den HVV und insbesondere der Aber wo ist die denn? Wo ist denn Stärkung des niedersächsischen Umlandes nutzt. diese starke Ansage?) Alle Fraktionen? - Na ja, in gewohnter Manier, die den Bürger aber inzwischen langweilen dürfte, Es kann doch nicht im Sinne der Pendler sein, klammern Sie uns bei den Mutmachern mal wieder dass wir weiterhin mit diesen Ringen arbeiten. Es aus. Das ist eben so. kann doch nur dahin gehen, dass wir endlich zu Systemen kommen, die es im Rahmen des ÖPNV Aber als Ergebnis Ihrer vollmundigen Ankündigung ermöglichen, dass man, wenn man in Sottrum müssen wir festhalten, dass Ihre Fraktion nicht einsteigt und in Pinneberg aussteigt, den Fahrpreis kompromissfähig war, schlicht weil Sie meinen, für vom Konto abgebucht bekommt. Die derzeitige Art den Hamburger und niedersächsischen Nahver- des Bezahlens muss in Deutschland doch endlich kehr die goldenen und einzig wahren Lösungsan- mal ein Ende haben. sätze zu haben. Die Wahrheit ist: Sie waren von Anfang an nicht konsensbereit. Das zeigt schon Ihr (Beifall bei der CDU) nachgeschobener Antrag vom 15. Januar.

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Meine Fraktion sagt ja zu der Beschlussempfeh- müssen: die Tarifstruktur, die Ausweitung etc. Das lung, wohl wissend, dass die dort genannten Punk- hätte man stärker in den Vordergrund stellen sol- te eine große Herausforderung, in Teilen sogar ein len. Auch bei der Infrastruktur hätte man etwas tun Wunschkonzert sind. Am Thema Tarife müssen wir sollen. unbedingt gemeinsam weiterarbeiten. Bahnsteig- Einem Punkt hätte ich vielleicht doch gerne zuge- verlängerungen, der Ausbau der Zweigleisigkeit stimmt - da werden Sie einmal konkret; das sollten und die Abmilderung der Trassenkonflikte müssen Sie aber vielleicht besser formulieren, damit es alle schnell umgesetzt werden, auch um als Politik und verstehen -: In Ziffer 14 kritisieren Sie gemeinsam in diesem Zusammenhang insgesamt glaubhaft zu Umweltminister Olaf Lies - das kann man durchaus bleiben. so tun -, indem Sie anmahnen, er solle mit der Wir hoffen, dass diesem Antrag bald Taten folgen. Bahn die Drucksache 18/33 zum Grünschnittmana- gement endlich vernünftig umsetzen. - Das stimmt, Vielen Dank. da muss man einiges tun. Da tut das Umweltminis- (Beifall bei der AfD) terium wahrscheinlich - zu diesem Ergebnis sind Sie ja gekommen - noch nicht genug. Aber Sie Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: sollten es bitte etwas deutlicher formulieren. Olaf Vielen Dank Ihnen. - Für die FDP-Fraktion spricht Lies war am Anfang dieser Debatte noch im Saal. der Abgeordnete Bode. Bitte schön! Er hat aber, glaube ich, gar nicht gemerkt, dass er in der Entschließung, die Sie annehmen wollen, Jörg Bode (FDP): eine eigene Ziffer bekommen hat. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von daher: Ja, die Landesregierung muss mehr In der Tat - Herr Henze hat ein richtiges Wort ge- tun. Wir werden dieser Beschlussempfehlung aber sagt - wäre es bei diesem Thema eigentlich sinn- nicht zustimmen können. voll gewesen, fraktionsübergreifend eine gemein- (Beifall bei der FDP) same Position des Landtags zu bringen. Denn natürlich sind dicke Bretter zu bohren, wenn man Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: gemeinsam mit Hamburg, mit anderen Kommunen, Städten und Ländern eine Verbesserung für die Vielen Dank, Herr Bode. - Für die SPD-Fraktion Pendler und die anderen Nutzer des ÖPNV errei- spricht der Abgeordnete Klein. Bitte schön! chen will. Aber es hat nicht einmal die Bemühung gegeben, so etwas zu erreichen. Stefan Klein (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten eine große, gute Anhörung. Viele Punk- In der Tat gibt es im Hamburger Verkehrsverbund te der Anhörung fanden sich in dem Änderungs- große Handlungsbedarfe und Herausforderungen, vorschlag der GroKo aber gar nicht wieder. Sie denen wir - SPD und CDU - uns mit unserem An- sind nur in das Protokoll der Ausschusssitzung trag und auch mit den konkreten Vorschlägen, die aufgenommen worden. wir aufgegriffen und aufgenommen haben, stellen. Herr Kollege Schönecke, ich schätze Sie sehr und Gut zweieinhalb Millionen Fahrgäste sind tagtäg- freue mich über das, was Sie hier gesagt haben. lich im Hamburger Verkehrsverbund unterwegs. Aber die Aktivitäten, die Sie auslösen wollen - das, Das ist eine enorme Zahl. Gerade weil die Nach- was Sie zu Recht angemahnt haben -, finden sich frage massiv steigt, aber das Angebot eben nicht in der Beschlussempfehlung nicht wieder. Sie ist mit der Nachfrage Schritt halten kann, kommt es massiv mit Prüfaufträgen gespickt. Aber relativ natürlich automatisch zu Überlastungen. unkonkret ist sie, was Handlungsaufträge und For- derungen angeht, übrigens auch was finanzielle Wir haben in unserem Antrag mehrere Punkte Unterstützung etc. angeht. Das ist aus unserer aufgegriffen, die zu einer Verbesserung der Situa- Sicht bei diesem Thema schlicht und ergreifend zu tion beitragen können und bei Umsetzung auch wenig, wenn man wirklich ein Zeichen setzen und werden. Wir haben auch aufgrund der Anhörung vorankommen will. im Wirtschaftsausschuss unseren Antrag an meh- reren Punkten angepasst, ergänzt oder verändert. Uns eint - das kann man, glaube ich, schon sa- gen - das gemeinsame Interesse, dass hier deut- An dieser Stelle herzlichen Dank an die Verbände, lich etwas passieren muss. Aber man hätte sich Unternehmen und Personen für viele sinnvolle zunächst auf die wichtigsten Punkte konzentrieren Hinweise und Anmerkungen, auch an die Fraktion

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der Grünen für die konstruktiven Änderungsvor- Erster Punkt: Sie kritisieren, dass wir Ihrer Forde- schläge, die sie eingebracht hat; von der FDP ha- rung nach der Aufnahme der Reaktivierung von be ich keine gesehen. Nun sind nicht alle aufge- Bahnstrecken nicht gefolgt sind. nommen worden. Das mag Ihnen nicht gefallen. Ich finde es nicht ganz fair, dass Sie uns hier Untä- Aber das, was wir mittragen konnten, das steht tigkeit vorwerfen. Sie wissen doch genau, wie der eben jetzt mit in unserer Beschlussempfehlung. Verfahrensstand ist. Es gab vor wenigen Wochen ein Gespräch mit dem Wirtschaftsministerium, zu Nun mag man sagen, sie sei nicht konkret genug. dem das Ministerium eingeladen hatte, in dem uns Aber ich will eindeutig sagen: An mehreren Punk- klar und deutlich gesagt worden ist, dass man ten können wir eben nicht alleine entscheiden. Das dabei ist, ein alternatives Bewertungsverfahren mit heißt, natürlich sind da Prüfungen und auch Ab- Hessen oder anhand von Hessen zu erarbeiten, sprachen mit anderen Akteuren notwendig. Von und danach dieses Thema wiederaufgreifen will. daher ist das genau so in die Beschlussempfeh- Es macht keinen Sinn, jetzt eine neue Runde zu lung aufgenommen worden, wie wir es auch um- beginnen, wenn wir dasselbe Verfahren wieder setzen können. anwenden würden. Dann würden die Strecken, die Sie genannt haben, wieder rausfallen. Daran kann Herr Schönecke hat bereits mehrere konkrete uns nicht gelegen sein. Punkte angesprochen, die in der Beschlussemp- fehlung fixiert sind; ich möchte das ergänzen: Aus- Deshalb ist die Absprache ganz klar: Sobald da bau in Hamburg; Ausbau des Knotens Harburg; etwas Konkretes, Belastbares vorliegt, greift die bessere Baustellenkoordination im Schienennetz; Koalition das Thema auf. Das wollen wir, so steht Schaffung zusätzlicher Treppenaufgänge im Ham- es im Koalitionsvertrag: Reaktivierungen werden burger Hauptbahnhof, um Standzeiten von Zügen weitergeführt - aber eben erst, wenn wir etwas zu verkürzen; Schaffung von Kapazitäten und Ver- haben, womit wir arbeiten können, und nicht vor- kürzung von Standzeiten durch Durchbindung von her. Zügen; Wiederherstellung der Anbindung der Hei- debahn an die schnelleren metronom-Züge in Zudem will ich Sie fragen, was Sie den Leuten, die Buchholz; weitere finanzielle Förderung der Ein- an Strecken im Süden des Landes wohnen, sagen richtung von Radabstellmöglichkeiten und der wollten, wenn wir jetzt im HVV einige Reaktivie- Schaffung von Infrastruktur für „Park and ride“ und rungen vor die Klammer zögen. Das wollen wir „Bike and ride“ sowie für Pedelecs und E-Fahr- nicht. Wir wollen das ganzheitlich betrachten, so- zeuge durch das Land; Zweigleisigkeit zwischen bald wir dazu in der Lage sind. Himmelpforten und Hechthausen; Verlängerung Zweiter Punkt: Sie haben uns im Ausschuss vor- von Bahnsteigen an verschiedenen Haltepunkten, geworfen, dass unsere Formulierungen zur Erwei- z. B. in Hittfeld und Klecken, um die Nutzung von terung des HVV-Tarifgebiets ausdrückten, dass Sieben-Wagen-Zügen zu ermöglichen. - Es ist damit für uns die Ausdehnung auf niedersächsi- schon eine ganz umfangreiche Forderungsliste, sches Gebiet abgeschlossen sei. die wir in diese Beschlussempfehlung aufgenom- men haben. Das ist mitnichten so. Ich weiß gar nicht, woher Sie das nehmen. Das steht da nicht drin. Aber es kommt noch ein Punkt hinzu: Wir müssen Die Erweiterung auf die Landkreise, die Herr darauf achten, dass auch die anderen Regionen Schönecke eben genannt hat - Rotenburg, Uelzen, Niedersachsens Berücksichtigung finden - auch Heidekreis und Cuxhaven -, ist ein Riesenerfolg, das ist hier aufgeführt -: das Bremer Umland, Han- vor allem für die Pendlerinnen und Pendler. Denn nover, die Region Braunschweig, das Weserberg- sie können damit günstiger fahren. land. Auch da gibt es Handlungsbedarfe, die wir definieren und bearbeiten müssen. Der Antrag Sie könnten einmal uns und unsere Regierung bearbeitet also primär den HVV, lässt aber auch dafür loben, dass wir das gemacht haben! Denn andere Regionen nicht außer Acht. hier ist gemeinsam mit den Kommunen ein Rie- senerfolg erreicht worden - und nichts anderes. Bei den Ausschussberatungen und auch heute hat Kritisieren können Sie immer. Aber es wäre ein mein geschätzter Kollege Schulz-Hendel wieder guter Ansatz, auch einmal Dinge lobend hervorzu- einige Kritikpunkte aufgeworfen. Ich möchte gerne heben. Es würde uns freuen, wenn Sie das einmal auf zwei, drei eingehen. machen würden.

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(Beifall bei der SPD und bei der CDU) Das heißt: Möglicherweise beinhaltet der Antrag zwei, drei kleinere Positionen, die man hätte über- Letzter Punkt: digitales Bezahlsystem. Das lässt nehmen können. viele Möglichkeiten offen, zu einer Veränderung der Tarifstruktur zu kommen. Denn logischerweise Das Problem, Herr Klein, ist ein ganz anderes. Wir verändert sich das ganze System, wenn es nur haben uns mit dem HVV sehr intensiv auseinan- noch digital ist. Dafür sind wir offen. Dieser Punkt dergesetzt. Bevor wir unseren Antrag eingebracht ist bewusst offen formuliert, weil es vor Ort ver- haben - deswegen ist er auch etwas später ge- schiedene Ansätze gibt, ob und wie man das Sys- kommen -, haben wir uns sehr viel mit Pendlerin- tem verändern will. Deswegen haben wir das hier nen und Pendlern unterhalten. Herr Klein, ich bin offengelassen. davon überzeugt: Wenn wir beide den Antrag hät- ten erarbeiten müssen, hätten wir einen gemein- Insgesamt sollten Sie unsere Anträge positiver samen Antrag zustande bekommen. Ich weiß sehen und so, wie gesagt, auch einmal positiv nicht, warum die CDU-Fraktion das aus welchem bewerten. Wir - SPD und CDU - waren es, die das politischen Kalkül nicht will. Es wäre für die Pend- Thema HVV aufgegriffen haben. Das waren nicht lerinnen und Pendler in der Region gut, wenn wir Sie. Aber es war absolut richtig, das Thema aufzu- gemeinsam eine starke HVV-Qualitätsoffensive greifen, weil große Bedarfe und große Handlungs- auch mit Maßnahmen im kurz- und mittelfristigen notwendigkeiten bestehen. Bereich auf den Weg gebracht hätten. Vor Ihnen liegt eine gute Beschlussempfehlung, (Zustimmung bei den GRÜNEN) der auch Sie guten Gewissens zustimmen können. Da haben Sie sich verweigert. Das finde ich sehr Über Ihre Zustimmung würden wir uns freuen. schade. Manchmal dauert ein guter Antrag eben In diesem Sinne: Danke fürs Zuhören! Glückauf! ein bisschen länger als ein Schnellschuss, wie Sie ihn gemacht haben. (Beifall bei der SPD und bei der CDU) (Beifall bei den GRÜNEN - Wiard Sie- bels [SPD]: Ein richtiges Lob war das Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: jetzt nicht! - Helge Limburg [GRÜNE]: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Klein. - Auf Ihren Das ist mehr Lob, als Ihr gewöhnlich Wortbeitrag hin liegt eine Wortmeldung zu einer in den Zeitungen kriegt!) Kurzintervention des Kollegen Schulz-Hendel vor. Bitte, 90 Sekunden! Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: (Unruhe) Vielen Dank. - Der Kollege Klein möchte antwor- ten. Bitte, Herr Klein! - Meine Damen und Herren, vielleicht kommt jetzt das vielfach eingeforderte Lob. Ich weiß es nicht, Stefan Klein (SPD): lassen wir uns überraschen. Also bitte! Herzlichen Dank, Herr Schulz-Hendel, für die Ge- legenheit, noch mal etwas sagen zu dürfen. Erster Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE): Punkt: Ich weise Ihren Vorhalt entschieden zurück, Ja, genau. - Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! wir würden nicht mit Pendlern reden. Das machen Liebe Kolleginnen! Sehr geschätzter Kollege Klein, wir gleichermaßen. Wir haben bei der Beratung wenn Sie mir am Anfang meiner Rede richtig zu- des Antrages bewusst mit unseren Kommunalpoli- gehört hätten, hätten Sie das kleine Lob erkannt. tikern und auch mit Pendlerinnen und Pendlern gesprochen. Also sprechen nicht nur Sie mit den (Heiterkeit bei der SPD) Bürgern, sondern wir machen das gleichermaßen.

Erstens habe ich Ihnen unterstellt, dass Sie es (Zustimmung bei der SPD - Detlev möglicherweise tatsächlich gut gemeint haben Schulz-Hendel [GRÜNE]: Wir haben könnten. Ich habe zweitens gesagt: Ihr Antrag ist auf den Bahnhöfen gestanden und in weiten Teilen schlecht. haben nachgefragt! - Unruhe)

(Wiard Siebels [SPD]: Er will loben, Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: aber er kriegt es nicht hin! - Jörg Hill- Herr Schulz-Hendel, Sie hatten die Gelegenheit, mer [CDU]: Sie können nicht loben!) Ihre Kurzintervention vorzubringen. Der Kollege

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Klein antwortet jetzt. Ich bitte darum - auch in An- man zeitlich unter Druck war, gegebenenfalls mit betracht der anstehenden Mittagspause und der dem Taxi oder mittels Carsharing weiterzureisen. Präsidiumssitzung -, dass Ruhe einkehrt und wir Ich weiß um die Situation in den Zügen des HVV- diesen sehr wichtigen Tagesordnungspunkt ge- Gebietes. Das, was der Kollege Schönecke gesagt meinsam zu Ende beraten. - Bitte, Herr Klein! hat, stimmt: Wir müssen die Kapazitäten der Wag- gons, die Zugtaktung, die Komfortabilität, den Ser- Stefan Klein (SPD): vice im Bereich des Schienenpersonennahver- Ich habe leider den zweiten Punkt vergessen; Sie kehrs deutlich steigern. Ich persönlich bin davon haben Glück, Herr Schulz-Hendel. - Aber einen überzeugt, dass der Schienenpersonennahverkehr Punkt habe ich noch. Sie haben zu unserem An- gerade in der Metropolregion Hamburg der ent- trag gesagt: gut gemeint, schlecht gemacht. - Ich scheidende Wachstumsmotor für die gesamte sage: gut gemeint, gut gemacht, und zwar von Metropole sein wird. SPD und CDU gemeinsam; jetzt ist mir der Punkt wieder eingefallen. Vergessen wir nicht: In der Metropolregion Ham- burg leben etwa 5,4 Millionen Menschen. Das sind Dieser Antrag ist ein gemeinsamer Antrag. Sie mehr Menschen als in Norwegen oder in Irland können versuchen, uns auseinanderzudividieren, leben. Die Wirtschaftskraft dieser Region ist des- wie Sie wollen: Das wird Ihnen nicht gelingen. halb besonders stark, weil jeden Tag rund 325 000 Denn bei diesem Antrag passt kein Blatt zwischen Menschen nach Hamburg pendeln, um zu ihrem die beiden Koalitionäre. Den Antrag haben wir Arbeitsplatz zu gelangen. Etwa rund 100 000 Men- gemeinsam auf den Weg gebracht. schen kommen aus Niedersachsen. (Jörg Bode [FDP]: Oh! Oh!) Der HVV ist seit 1965 bis heute eine Erfolgsge- - Bei diesem Antrag passt kein Blatt dazwischen. schichte - sicherlich mit Höhen und Tiefen und Daher wollen und werden wir ihn gemeinsam in schwierigen Verhandlungen um Ringe des Tarif- Gänze so nach außen vertreten. gebietes. Wir gehen zum Dezember 2019 in die Erweiterung um Cuxhaven, Rotenburg, Heidekreis, Herzlichen Dank dafür. Uelzen und Lüchow-Dannenberg. Das ist ein Rie- (Beifall bei der SPD und bei der CDU senerfolg. - Unruhe) Das Land Niedersachsen beteiligt sich - erneut - an der Erfolgsgeschichte des HVV mit 1,4 Millio- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: nen Euro. Ich finde, das darf durchaus positiv her- Vielen Dank. - Ich bitte noch einmal darum, dass vorgehoben werden. Ruhe einkehrt. - Zu Wort gemeldet hat sich Herr (Beifall bei der CDU und bei der SPD) Minister Dr. Althusmann. Bitte schön! Meine Damen und Herren, wer die Fahrgastzahlen (Zuruf von Helge Limburg [GRÜNE]) auf der Schiene in den nächsten Jahren verdop- Herr Kollege Limburg, bleiben Sie ganz ruhig. Der peln möchte, wie es z. B. der Bund vorhat, der Herr Minister spricht jetzt. Danach gehen wir in die muss in die Schieneninfrastruktur investieren und Abstimmung. Bitte! insbesondere die gestiegene Nachfrage im Schie- nenpersonennahverkehr - gerade zu den Haupt- Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, verkehrszeiten - in den Blick nehmen. Dabei spielt Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: das Thema Mobilität die entscheidende Rolle. Die Sehr verehrte Frau Präsidentin! Die Koalition steht Infrastruktur - Straße, Schiene, Wasser - zu erhal- geschlossen - geschlossener denn je. Gerade zum ten und bedarfsgerecht auszubauen, das ist Politik Thema Verkehr kann ich Ihnen sagen, dass wir dieser Landesregierung. Wir versuchen gerade, versuchen wollen, im Sinne der Pendler in Nieder- beim HVV-Gebiet in den Blick zu nehmen, wo eini- sachsen bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. ge Verbindungen auch aufgrund von Baustellen überlastet sind. Bevor ich wieder zurück in den Landtag kehrte, war ich selber einige Zeit einer von diesen Pend- Wir versuchen deshalb schon seit Längerem, mehr lern, die sich jeden Morgen entscheiden mussten, Züge im Nahverkehr Richtung Hamburg anzubie- ob sie mit dem Auto oder mit dem Metronom nach ten. Das ist derzeit aufgrund der Engpässe im Hamburg pendeln, um vom Hauptbahnhof Ham- Bereich der Schieneninfrastruktur des Bundes burg nach Winterhude mit dem Bus oder, wenn nicht möglich.

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Die Vorschläge aus dem Entschließungsantrag Tarifstruktur. Der Abgeordnete Schönecke hat werden wir aufgreifen. Wir werden gemeinsam mit absolut recht: Digitalisierung wird diesen Bereich Hamburg gutachterlich untersuchen lassen, ob die verändern. Wir müssen aber auch anerkennen, Durchbindungen von Niedersachsen nach Schles- dass Hamburg teilweise ein anderes Interesse als wig-Holstein hilfreich sind, um die Kapazitäten zu Schleswig-Holstein und Niedersachsen hat. Die erhöhen. Erarbeitung der Tarifringe ist damals ein sehr aus- gewogenes Konstrukt gewesen, das auf den Weg Nur ein kleiner Blick in die Realität: Da stehen sich gebracht wurde. Jede Veränderung an diesen auf einem Gleis in Hamburg zwei Züge gegenüber. Tarifringen - das weiß der Abgeordnete Schön- Der eine Zug fährt Richtung Schleswig-Holstein, ecke - bedeutet für den einen oder anderen Ver- der andere Zug fährt Richtung Niedersachsen. kehrsträger mehr Belastung. Schon vor Jahren ist man auf die Idee gekommen zu fragen: Interessiert den Kunden dieses SPNV Dieses zusätzliche Geld muss auch aufgebracht tatsächlich, ob er beim Aufgabenträger Schleswig- werden. Hierbei unterhalten wir uns immerhin über Holstein, Hamburg oder Niedersachsen mitfährt? einen - wenn auch einstelligen - Millionenbetrag. Oder will er einfach nur kurze Taktzeiten haben, Das wissen alle Beteiligten, und das habe ich auch damit er zu seinem Arbeitsplatz kommt - und das den beteiligten Landkreisen Niedersachsens in möglichst in mehr Waggons, auf verlängerten den letzten Verhandlungen zur Steigerung um Bahngleisen mit entsprechenden Einstiegsmög- 1,4 Millionen Euro für die Erweiterung ganz deut- lichkeiten? lich gesagt. Das Thema SPNV in der Region des Hamburger Insofern ist es gut, dass nach dem Ausbau der Verkehrsverbundes wird maßgeblich darüber ent- Strecken durch das Alpha-E auch kapazitätsstei- scheiden, ob die Metropolregion Hamburg in den gernde Maßnahmen in den Knoten Hamburg und nächsten Jahren erfolgreich sein wird. Hannover folgen werden, um das Thema Alpha-E hier gleich mitzudenken. Wir werden im Herbst dieses Jahres ein Ergebnis der OECD zur Wirtschaftskraft der Metropolregio- Meine Damen und Herren, das Thema „HVV und nen haben; das wird im Übrigen in Seevetal vorge- Stärkung des HVV“ sollte ein Anliegen aller im stellt. Ich habe die Vermutung, dass die Metropol- Landtag vertretenen Fraktionen sein. Dass man region Hamburg, an der wir als Niedersachsen über das eine oder andere Detail sehr wohl strei- maßgeblich beteiligt sind, möglicherweise nicht so ten kann, macht es am Ende nicht einfacher. Inso- gut dastehen wird. fern habe ich auch Respekt vor den in der Be- schlussempfehlung vorgesehenen Änderungen. Insofern wollen wir einiges tun, um den SPNV zu Aber die Zielrichtung ist letztendlich richtig, weil verbessern. Dazu gehören ein echter Mehrwert für nicht nur die Metropolregion Hamburg und der die Reisenden, mehr Züge aus Richtung Lüneburg gemeinsame Verkehrsverbund, sondern der ge- und Buchholz, aber auch die Reaktivierung einzel- samte Bereich Niedersachsens - nicht nur Nord- ner Strecken, u. a. der Strecke Jesteburg. niedersachsen und das Hamburger Umland -, dem Ich freue mich, dass es in einzelnen Projekten des Grunde nach also das gesamte Bundesland, von Wirtschaftsministeriums gelungen ist, seit Dezem- einer wirtschaftlich starken Metropolregion Ham- ber 2018 die Heidebahn bis nach Hamburg- burg profitieren. Das ist nun einmal der Erfolg einer Harburg auch an Wochenenden durchzubinden. länderübergreifenden Zusammenarbeit. Diese Seitdem gibt es zusätzliche Verkehre zum Ama- Erfolgsgeschichte sollten wir gerade mit Blick auf zon-Standort in Winsen. den Norden unseres Bundeslandes, aber ebenso in Bremen, ebenso in Braunschweig, ebenso in Wir haben im Moment das große Problem des Hannover in den nächsten Jahren fortsetzen. Hamburger Knotens; die Schieneninfrastruktur ist überlastet. Sie wird umgebaut. Solange der Ham- Vielen Dank. burger Knoten nicht um- und ausgebaut und erwei- (Beifall bei der CDU und bei der SPD) tert ist, werden wir tagtäglich noch erhebliche Be- lastungen für die Pendler haben. Daran können wir Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: nichts ändern. Vielen Dank, Herr Minister. Wenn es aber einmal ausgebaut ist, werden wir Uns liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. uns auch um die Beantwortung weiterer Fragen Daher kommen wir jetzt zur Abstimmung. kümmern. Das betrifft u. a. die Frage nach der

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Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses Dann fahren wir mit den Wortmeldungen in der zustimmen und damit die Anträge der Fraktionen Reihenfolge des Eingangs fort. der SPD und der CDU sowie der Fraktion Bünd- Das Wort hat Herr Kollege Bode, FDP-Fraktion. nis 90/Die Grünen in der sich aus der Beschluss- Bitte schön! empfehlung ergebenden geänderten Fassung annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Jörg Bode (FDP): Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Anträge wurden mehrheitlich so angenommen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mobilität wird sich in der Zukunft gravierend Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die verändern, und wir sind in dieser spannenden Zeit Mittagspause ein. Wir treffen uns um 15.30 Uhr in der Position, diese Wandlung tatsächlich mitge- wieder. Ich wünsche Ihnen eine gute Mittagspau- stalten zu können und manchmal auch mitgestal- se, einen guten Appetit. ten zu müssen. Dabei ist das Carsharing aus dem Antrag der GroKo, der in der zweiten Beratung ist, Danke. auch ein Modell. Aber bezüglich der Frage, wie wir (Unterbrechung der Sitzung von eine neue Mobilität gerade in unseren Städten 13.51 Uhr bis 15.30 Uhr) emissionsarm schaffen, müssen wir uns darauf fokussieren, den Verkehr gerade mit Blick auf die Vizepräsident Frank Oesterhelweg: schweren Fahrzeuge der öffentlichen Hand und der Kommunen, die Lieferverkehre und den ÖPNV Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir möglichst CO -neutral und emissionsarm zu ge- treten wieder in die Tagesordnung ein. Dazu bitte 2 stalten. Es gibt viele Förderprogramme. In der Ver- ich um Ruhe und Aufmerksamkeit. gangenheit gab es auch viele Initiativen, die sich Die Tagesordnungspunkte 22 und 23 rufe ich ver- aber immer eher auf den klassischen Bereich des einbarungsgemäß zusammen auf, also öffentlichen Personennahverkehrs konzentrierten, in der Regel auf große Busflotten, auf Züge etc. Ein wesentlicher Baustein für die Mobilität der Zu- Tagesordnungspunkt 22: kunft im öffentlichen Personennahverkehr ist die Abschließende Beratung: Frage, wie ich zum Schluss von dem Bus oder Carsharing und Elektromobilität voranbringen - dem Zug die letzte Meile individuell zu meinem Öffnungsklauseln für innerstädtische Park- Zielort kommen kann. Dies wird im ÖPNV von den platzbewirtschaftung gestalten - Antrag der Taxen geleistet. Damit ÖPNV funktionieren kann, Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - sollten wir das nicht aus dem Auge lassen, son- Drs. 18/1853 - Beschlussempfehlung des Aus- dern auch in den Fokus nehmen und daran den- schusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digita- ken, wie wir es dort schaffen, emissionsarm zu lisierung - Drs. 18/3913 werden, um sozusagen die Städte lebenswerter zu machen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FDP und bei den Tagesordnungspunkt 23: GRÜNEN) Erste Beratung: Landesförderprogramm für alternativ angetrie- Es gibt - das muss man durchaus sagen - tatsäch- bene Taxis in Niedersachsen - sauber, modern lich Förderprogramme und Initiativen des Bundes. und leistungsfähig! - Antrag der Fraktion Bündnis Aber sie sind nur sehr schwer erreichbar und um- 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP - setzbar. Das liegt einmal daran, dass wir im Taxi- Drs. 18/3931 neu gewerbe kleine mittelständische Unternehmen haben, die vielleicht nur ein bis zwei Autos haben. Ob man dann selbst auf ein neues emissionsar- Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unter mes Antriebssystem umrüstet, das man nicht kennt Tagesordnungspunkt 22 in geänderter Fassung und von dem man nicht weiß, ob es im Gesamt- anzunehmen. system tatsächlich funktionieren kann, kann dann schon eine existenzielle Frage sein, die dort an- Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. steht. Mir liegt hier eine Wortmeldung zur Einbringung Die „bürokratiearme“ Verwaltung - hier nicht die des Antrages unter Tagesordnungspunkt 23 vor. Landesverwaltung, sondern die Bundesverwal-

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tung - schafft es beispielsweise bei einer Förde- iert. Dort fahren benzingetriebene Bullis - ob mit rung für zwei E-Taxen in Hannover, nach insge- Fahrgast oder ohne - den ganzen Tag durch Han- samt 13 Monaten bisheriger Bearbeitungsdauer nover und jagen CO2 in die Luft. Das ist, klimamä- zumindest anzukündigen, dass man demnächst ßig gesehen, ein wesentlich negativer Aspekt. einen Bescheid erlassen will. 13 Monate! Minister Unser Ansatz ist wesentlich besser, und auch die Althusmann hat vor ein oder zwei Wochen gesagt, Landesregierung sollte sich in der Tat überlegen, er möchte Bearbeitungsdauern auf drei Monate ob man diese Benzinfahrzeuge - es sind Benzin- reduzieren. Daran sieht man mal, wie viel Zeit fahrzeuge, Herr Minister Althusmann - fahren lässt dazwischen liegt. Da kann man wirklich besser anstatt emissionsarme Fahrzeuge. werden. Herzlichen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Land (Beifall bei der FDP und bei den hat in der Haushaltsumstellung im Bereich des GRÜNEN) Wirtschaftsförderfonds des Umweltministeriums einen großen Millionenbetrag für Luftreinhaltung Vizepräsident Frank Oesterhelweg: zur Verfügung gestellt. Deshalb sind wir der Mei- nung, dass wir hier auch tatsächlich Maßnahmen Herzlichen Dank, Herr Kollege Bode. - Für die fördern und initiieren, die bei dieser wichtigen letz- Fraktion der CDU hat sich nun der Kollege Oliver ten Wegstrecke für den öffentlichen Personennah- Schatta gemeldet. Bitte schön! verkehr ansetzen, (Vereinzelt Beifall bei der CDU) (Beifall bei der FDP und bei den Oliver Schatta (CDU): GRÜNEN) Herr Kollege Bode, für Bewegung im Automobil- dass man nicht nur die kleinen mittelständischen markt stehe auch ich natürlich ganz gern ein. Das Unternehmen im Fokus hat, sondern dass man würde auch dem ganzen Markt helfen. das mit Infrastrukturfragen in der Kommune kom- biniert. Wie kann man beispielsweise, wenn man Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolle- auf E-Taxis geht, die Haltestellen, an denen die ginnen und Kollegen! Seitdem wir hier das letzte Taxis stehen, mit induktiven Ladesystemen aus- Mal über Mobilität - genauer: über Maßnahmen zur statten? Wie kann man dort Attraktivität schaffen? Förderung von Carsharing und Elektromobilität - Wie kann man beispielsweise Brennstoffzellen- diskutiert haben, ist schon einige Zeit vergangen. fahrzeuge oder andere emissionsarme Fahrzeuge In der Zwischenzeit haben wir uns intensiv mit dem einbinden? Thema auseinandergesetzt und standen im Aus- tausch mit Kommunen, Unternehmen und Verbän- (Beifall bei der FDP und bei den den. Die so erlangten Erkenntnisse haben wir nun GRÜNEN) in den vorliegenden Änderungsvorschlag eingear- beitet und hoffen, dass Sie, liebe Kolleginnen und Man sollte hier in der Tat alle Möglichkeiten nut- Kollegen, uns dabei unterstützen werden. zen, damit das ein attraktives Instrument wird und vielleicht auch Vorbildcharakter hat. Jeder, der mal Wir wollen das Carsharing sowie die Elektromobili- Taxi fährt, überlegt sich dann vielleicht auch, dass tät in Niedersachsen weiter voranbringen. Natürlich er, wenn er selbst umstellt, auf ein emissionsarmes werden wir die anderen Antriebe, insbesondere die Fahrzeug für den Privatgebrauch geht. Vielleicht emissionsarmen, emissionsfreien und lokal emis- kann man auch im eigenen Umfeld dafür werben, sionsfreien Antriebe, nicht vernachlässigen. Doch dass jemand, wenn er sich ein Auto kauft, auch heute geht es um Elektromobilität und um Carsha- einmal etwas anderes anschaut, sodass dort eine ring. entsprechende Begeisterung in den Markt kommt. Die Relevanz des Themas hat in den vergangenen Meine sehr geehrten Damen und Herren, letzter Monaten nicht nachgelassen, und noch immer Punkt dabei - das will ich durchaus noch kritisch herrscht akuter Parkplatzmangel in den urbanen anmerken -: Gerade wenn man hier in der Stadt Zentren, und das obwohl einige Städter mittlerwei- Hannover über Klimanotstand spricht und über le sogar auf einen eigenen Pkw verzichten und Maßnahmen entscheidet, dann sollte man sich statt auf ein Auto auf eine Kombination aus Alter- wirklich überlegen, ob man nicht sicherheitshalber nativen wie Fahrrad, ÖPNV, Taxi und eben Car- in so etwas wie emissionsarme Taxen investiert sharing setzen. Neu auf dem Markt und für mich oder ob man einen Modellversuch von Moia initi- ein Beispiel einer neuen Variante der Mobilität ist

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Moia. Das ist ein Versuch. Ich gebe zu: Natürlich Carsharing leistet auch einen Beitrag zu mehr wäre es schön, wenn Volkswagen das elektrisch Elektromobilität. So liegt der Anteil der E-Fahr- bewerkstelligen würde; da bin ich ganz bei Ihnen. zeuge innerhalb der Carsharing-Flotten bei rund Aber die unkomplizierte Buchung mittels der App in 10 % und damit deutlich über dem Anteil von Elek- Kombination mit geringen Kosten macht diese Art trofahrzeugen im sonstigen Individualverkehr. der Fortbewegung auch für junge Menschen äu- Ich leite nun zum zweiten Antrag über. Der Vor- ßerst attraktiv. Dass hier das Taxigewerbe nach- stoß, dass auch Taxiunternehmen zukünftig ver- ziehen und zeitgemäße Angebote schaffen kann mehrt auf Elektromobilität setzen sollen, ist durch- und auch muss, ist nachvollziehbar. Aber zum aus begrüßenswert. Allerdings sehe ich die Ge- FDP-Antrag komme ich gleich. fahr, dass hier drei Schritte vor dem ersten getan Zunächst zum Carsharing: Auch hier gilt, dass werden sollen. dank des mobilen Internets und der jeweiligen Mit dem Bundesförderprogramm gibt es bereits die Apps Carsharing mittlerweile sehr unkompliziert Möglichkeit, den Umstieg der Taxiunternehmen auf nutzbar ist. Das ist sicherlich ein Grund, warum E-Mobilität zu fördern. Bevor das Land hier mit Carsharing stark an Popularität gewonnen hat. eigenen Mitteln einsteigt, gilt es, die bisherigen Laut der aktuellen Statistik nutzen im Jahr 2019 Erfolge des Bundesförderprogramms zu evaluie- bundesweit 2,46 Millionen Menschen Carsharing- ren. Angebote. Das ist eine Steigerung um ganze 16,6 % im Vergleich zum Vorjahr. Ich kann als Verantwortlich für die geringe Nutzung von E-Au- Teilnehmender im Markt des Automobils von sol- tos im Individualverkehr ist vorrangig noch immer chen Steigerungsraten nur träumen. Das ist schon die mangelhafte Ladeinfrastruktur. Diese auszu- ein Erfolg. Folglich ist auch die Zahl der zugelas- bauen, hat oberste Priorität, wenn wir E-Mobilität senen Fahrzeuge gestiegen, nämlich um beträcht- voranbringen wollen. Ohne Lademöglichkeit wird liche 12,5 %. niemand - kein Carsharing-Anbieter, kein Taxi-Un- ternehmer und auch keine Privatperson - auf ein Aufgrund der infrastrukturellen Unterschiede ist E-Auto umsteigen. Gerne können wir im Aus- zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten schuss darüber diskutieren, wie der Ausbau der zu unterscheiden. So werden Carsharing-Angebo- elektrischen Flotte bei den Carsharing-Anbietern te vermehrt in den urbanen Zentren genutzt, aber oder den Taxiunternehmen und anderen ÖPNV- der Trend zum Carsharing bleibt. Anbietern dazu beitragen kann, dieses Problem zu Meine Damen und Herren, es wird Zeit, das im lösen. Jahr 2017 verabschiedete Carsharing-Gesetz des Ich werbe daher für Ihre Zustimmung zum Carsha- Bundes nun endlich auch auf Länderebene umzu- ring-Antrag und bin auf die weiteren Beratungen setzen, um das Carsharing in Niedersachsen vo- zum Thema Elektromobilität im Ausschuss ge- ranzubringen. Hierbei legen wir großen Wert da- spannt. rauf, dass den Kommunen ein großes Maß an Handlungsspielraum belassen wird. Genau darum Vielen Dank. geht es in diesem Antrag. (Beifall bei der CDU und Zustimmung (Beifall bei der CDU) bei der SPD) Vor allem geht es darum, günstige Rahmenbedin- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: gungen und Rechtssicherheit für die Kommunen zu schaffen, damit sie Flächen für die Sondernut- Vielen Dank, Herr Kollege Schatta. - Es liegt die zung von Carsharing ausweisen und ein möglichst Meldung zu einer Kurzintervention des Kollegen bürokratiearmes Antragsverfahren schaffen, damit Bode vor. Bitte schön, Herr Kollege Bode! - Herr flexibel auf einen zusätzlichen Bedarf reagiert wer- Kollege Schatta, ich bitte noch um etwas Aufmerk- den kann. samkeit. Das ist jetzt für Sie. - Bitte schön!

Dass bei der Erstellung von Ladeinfrastruktur und Jörg Bode (FDP): Carsharing-Parkraum auf Barrierefreiheit und gute Das ist auch für alle. Erreichbarkeit gesetzt wird, halte ich persönlich für selbstverständlich. Herr Kollege Schatta, es geht um Ihre Aussage, wir würden mit unserem Antrag den dritten Schritt (Beifall bei der CDU) vor dem ersten machen. Man kann als GroKo na-

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türlich durchaus der Meinung sein, dass wir tat- Zum Aufladen von Taxis: Ein Taxi verdient nur sächlich vor Ihrer Zeit und vor Ihren Themen sind. Geld, wenn es nicht steht. Es funktioniert, die Das mag durchaus richtig sein. Aber wenn wir nur Ladeinfrastruktur mit Induktionsschleifen zu instal- mit Tippelschritten anfangen, dann ist das nicht lieren, sogar bei uns in Braunschweig für einen vernünftig zu gestalten. Bus, den „Emil“. Das funktioniert bei dem Ringbus in Braunschweig ganz gut. Trotzdem muss das Noch einmal zu den Förderprogrammen des Bun- etwas sein, was man kaufen kann. Ein Taxiunter- des: Ich habe ja die Bearbeitungsdauer bei dem nehmer kann nur mit etwas Geld verdienen, wenn Bundesförderprogramm erwähnt: 13 Monate - aber er ein Produkt kaufen und damit arbeiten kann. nicht bis zum Bescheid, sondern bis zu der Ankün- Wenn wir das erst erfinden müssen, verlieren wir digung, dass irgendwann ein Bescheid kommen wieder Zeit. Das meinte ich mit dem zweiten und dürfte. Diese Dauer können wir uns in diesem Be- dritten Schritt. reich aber gar nicht leisten. Wichtig ist, dass wir das voranbringen. Und wie Wenn Sie sich dann die Möglichkeiten der Förde- gesagt: Ich freue mich auf die Beratung im Aus- rung ansehen, stellen Sie fest, dass es in der Tat schuss. schwerpunktmäßig um Ladeinfrastruktur im E-Be- reich geht. Aber die Fördersummen sind so, dass (Beifall bei der CDU und bei der SPD) man die Anschlüsse der Taxistände gar nicht pro- zentual ansprechend refinanziert bekommt. Dabei Vizepräsident Frank Oesterhelweg: bleibt tatsächlich ein Riesendelta bei den Istkosten Vielen Dank, Herr Kollege Schatta. - Für die Frak- für den Netzanschluss etc. übrig. Das heißt, das tion der SPD hat sich nun die Kollegin Thordies Programm funktioniert so, wie es ausgestaltet ist, Hanisch gemeldet. Bitte sehr! tatsächlich nicht. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Nieder- Thordies Hanisch (SPD): sachsen einmal innovativ ist. Wir sind doch ein Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Automobilland; das behaupten Sie jedenfalls im- Damen und Herren! Wir haben uns erlaubt, die mer. Man könnte auch einmal versuchen, mit sol- Redezeit zu teilen. Dann kann es auch nicht zu chen Mitteln neue Arten von alternativen Techno- einer Vermischung der beiden Anträge kommen. logien auszuprobieren, z. B. induktives Laden in Meine Aufgabe ist es, jetzt in der abschließend diesen Bereichen zu entwickeln. Denn wo kann Beratung zu dem Carsharing-Antrag zu sprechen. induktives Laden nicht besser als bei Taxen aus- probiert werden, die an den Taxiständen stehen, Überall im Land wird darüber diskutiert, wie die und wo könnte man beispielsweise auch mal bei Mobilität der Zukunft aussieht. Darauf habe auch Autos mit Brennstoffzellen und anderen Autos ich keine Antwort. Aber die eine Antwort wird es vorankommen? wohl auch kaum geben; denn so viel ist sicher: Die Mobilität der Zukunft besteht aus etlichen Baustei- Ehrlich gesagt, ein bisschen mehr Tempo würde nen. Ich bin schon ganz gespannt, was nach ich mir bei der GroKo wünschen. E-Bikes und E-Rollern als Nächstes folgen wird. Herzlichen Dank. Carsharing ist einer der Mobilitätsbausteine der (Beifall bei der FDP und Zustimmung Zukunft. Das allein zeigen schon die steigenden bei den GRÜNEN) Nutzerzahlen, die auch Herr Schatta schon er- wähnt hat. Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Carsharing bietet unterschiedliche Vorteile. Wenn Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Herr Kollege man ohne Auto in der Stadt wohnt und Bus und Schatta möchte antworten. Bitte schön! Bahn nutzt, kann Carsharing dazu beitragen, sich auch langfristig kein eigenes Auto anzuschaffen, Oliver Schatta (CDU): sondern genau dieses Angebot zu nutzen. Viele Ich möchte gerne ganz kurz darauf antworten. Leute leben ohne Auto in der Stadt. Wenn sich dann aber etwas ändert - ein gern erwähntes Bei- Wenn Bundesförderprogramme zu schwierig und spiel ist der Familienzuwachs -, ist ein eigenes zu langfristig sind, dann sollten wir daran arbeiten Auto plötzlich doch praktischer und bequemer: für und das Signal geben, das zu beschleunigen. den Einkauf, für die Fahrt zu Ärzten oder für den Auch das ist eine Aufgabe von uns. Familienausflug. Bei der Nutzung eines Carsha-

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ring-Angebotes bleibt es dann vielleicht bei genau auf dicke Luft in unseren Städten liefern können, diesen Fahrten. Wer aber erst einmal einen eige- stimmt mich zumindest zaghaft optimistisch. nen Wagen besitzt, nutzt ihn dann meistens auch Für unsere Mobilität brauchen wir alternative An- für Fahrten, die eigentlich gut mit dem Bus erledigt triebe, aber wir brauchen vor allem auch weniger werden könnten. Autos in den Städten. Ein kluges Instrument, das Carsharing-Autos werden von mehreren Nutzern aus weniger Autos mehr Mobilität macht, ist das genutzt. Das spart Stadtraum, weil man weniger Carsharing-Prinzip. Laut Studien kann ein Carsha- Parkplätze braucht. Stadtraum brauchen wir nicht ring-Auto bis zu 20 private Pkw ersetzen. nur zum Wohnen, sondern auch für die alternati- Es ist deswegen klug, den begrenzten Straßen- ven Mobilitätsangebote, die wir jetzt haben. Immer raum neu zu verteilen, um gerade in Stadtteilen mit mehr Menschen steigen um: auf das Fahrrad, auf hohem Parkplatzdruck herkömmliche Parkplätze E-Bikes und auf E-Roller, um kurze und mittlere für Carsharing-Autos zu reservieren. Ich finde, Strecken zu bewältigen, z. B. von der Wohnung bis besser lässt sich die Not gar nicht beheben, weil zum Bahnhof. Für genau diese Fahrzeuge brau- jedes Carsharing-Auto um ein Vielfaches entlas- chen wir Platz in der Stadt. Wir wollen es ermögli- tend auch auf die verbleibenden Noch-Autobe- chen, dass die Kommunen Parkplätze für Carsha- sitzerinnen und -besitzer wirkt. Abgesehen davon ring-Anbieter ausweisen, z. B. auch an Bahnhöfen ist das für die Menschen in Wohngebieten mit ho- oder Busbahnhöfen, um diese Mobilitätsangebote hem Parkdruck besonders attraktiv, das eigene miteinander zu verknüpfen. Auto abzuschaffen und auf Carsharing umzustei- Auch für emissionsarme Mobilität kann Carsharing gen. einen Beitrag leisten. Nicht der einzelne Nutzer Da muss auch niemand mehr überredet und schon muss sich ein teures neues emissionsarmes Auto gar nicht gezwungen werden. Die steigenden Zah- kaufen, sondern der Carsharing-Anbieter über- len bei den Carsharing-Anbietern in Ballungszen- nimmt das. Schon heute sind in der Carsharing- tren beweisen, dass sich die Menschen zuneh- Flotte bedeutend mehr E-Autos unterwegs als bei mend für eine neue Mobilität entscheiden. Wir den restlichen Autofahrern. Das bringt vor allem brauchen jetzt für das Carsharing-Gesetz des aufgrund der hohen Laufleistung ein großes Po- Bundes - das ist schon gesagt worden - eine An- tenzial zur Schadstoffentlastung in unseren Innen- passung an das Landesrecht, um Rechtssicherheit städten mit sich. zu schaffen. Deswegen bitten wir die Landesregierung, Rege- Ein bisschen kritisch sehen wir nach wie vor den lungen zum Carsharing in das Niedersächsische Punkt 4 des Antrags. Wer eine Forderung nach Straßengesetz zu integrieren. Ich würde mich über zusätzlichem Parkraum stellt, hat aus meiner Sicht eine breite Zustimmung sehr freuen. das Prinzip von Carsharing vielleicht noch nicht in Vielen Dank. Gänze verstanden. Aber da es ja ein Prüfauftrag ist, ist das insoweit auch in Ordnung. (Beifall bei der SPD und bei der CDU) Ich möchte der Vollständigkeit halber darauf hin- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: weisen, dass wir bei all diesen Maßnahmen immer Herzlichen Dank, Frau Kollegin Hanisch. - Für die die Barrierefreiheit für behinderte Menschen und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich nun der Menschen mit Nachteilen mitdenken. Kollege Detlev Schulz-Hendel gemeldet. Bitte sehr! (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD) Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE): Liebe Kolleginnen und Kollegen, so wie Carsharing Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ein Teil der Lösung ist, die Zahl der Fahrzeuge in Ich kann der Kollegin Hanisch schon die erfreuli- den Städten zu senken, so hilft die Förderung von che Mitteilung machen, dass wir den Carsharing- Elektromobilität, die Emissionen der Fahrzeuge zu Antrag unterstützen werden. senken. Wir brauchen konkrete und schnelle Lö- (Beifall bei der SPD und bei der CDU) sungen für die Städte, damit wir die Ziele der Luft- reinhaltung einhalten können. Wir alle wissen, dass vor allem der Verkehr unse- rem Klima kräftig einheizt. Dass uns heute gleich Hilfreich ist - wie der Kollege Bode das schon vor- zwei Initiativen vorliegen, die konkrete Antworten gestellt hat - unser gemeinsamer Antrag für ein

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Landesförderprogramm, um Betriebe und Bran- Damit bleiben insbesondere kleine Taxibetriebe chen beim Umstieg auf alternative Antriebe zu auf Summen sitzen, die sie finanziell gar nicht unterstützen, die im Stadtverkehr viel unterwegs stemmen können. In Hannover sind von insgesamt sind und die die Luft überdurchschnittlich belasten. rund 200 000 Euro Kosten vom Bund gerade mal Das Taxigewerbe bietet sich aus mehreren Grün- 40 000 Euro gefördert worden. Hätte die Region den für einen ersten Aufschlag in diese Richtung nicht einmalig 50 000 Euro zugeschossen, wäre an. Denn Taxen nehmen eine wichtige Rolle bei das Projekt gescheitert. Deshalb brauchen wir der Daseinsvorsorge unserer Gesellschaft ein. Sie auch auf Landesebene eine verlässliche sind neben dem ÖPNV ein verlässlicher Partner für (Glocke des Präsidenten) Mobilität, vor allem auch in den ländlichen Räu- men, und das rund um die Uhr. - letzter Satz - und realistische Förderkulisse. (Beifall bei den GRÜNEN) Ich freue mich, dass Sie so, wie wir Ihrem Antrag zustimmen, auch diesen richtigen Antrag im Aus- Alternativ angetriebene Taxen können darüber schuss wohlwollend prüfen und ihm letztlich zu- hinaus dazu beitragen, die Vorbehalte gegenüber stimmen. der neuen Antriebstechnik abzubauen und so zu ihrer Verbreitung beizutragen. Wer in ein E-Taxi Danke. steigt, mit dem Taxifahrer vielleicht sogar über die (Beifall bei den GRÜNEN) Praxistauglichkeit seines Wagens spricht, der hat dann selbst erlebt, wie sich das anfühlt, und weiß Vizepräsident Frank Oesterhelweg: anschließend, dass Elektromobilität im Alltag wirk- lich funktioniert. Vielen Dank, Herr Kollege Schulz-Hendel. - Es gibt auch hierzu den Wunsch nach einer Kurzinterven- Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich sind wir tion, und zwar vom Kollegen Bode. Bitte schön! nicht die Ersten, die die Idee hatten, die Umstel- lung von Taxiflotten zu fördern. Hannover hat sich Jörg Bode (FDP): schon vor Jahren auf den Weg gemacht, und das Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! jetzt mit den ersten zarten Erfolgen. Im Frühjahr Lieber Kollege Schulz-Hendel, ich kann durchaus 2020 sollen endlich die ersten beiden E-Taxis in nachvollziehen, dass sich die Grünen entschlos- der Landeshauptstadt getestet werden. sen haben, dem Antrag der Großen Koalition zum Da geht noch mehr, meinen wir. Deshalb fordern Carsharing jetzt doch zuzustimmen und sich nicht wir die Landesregierung auf, ein Landesförderpro- zu enthalten. Ich will aber sagen, wir als FDP kön- gramm für die Flottenumstellung und den Bau von nen Ihnen bei diesem Schritt nicht folgen. Für uns Ladesäulen aufzulegen und damit die mitunter gilt weiterhin, dass wir uns dazu enthalten werden, großen Lücken der Bundesförderung zu schließen. weil der Antrag der GroKo in diesem Bereich sehr viele unkonkrete Sachen enthält und weil in ihm (Beifall bei den GRÜNEN) die Prüfaufträge nicht wirklich mit einer echten Zielrichtung versehen sind. Ebenfalls sind einige In der Förderpraxis hat sich gezeigt, dass die Bun- Dinge schlicht und ergreifend beim Land gar nicht desprogramme mit ihren mittlerweile drei Aufrufen leistbar, sondern es müssten kommunale Prüfun- nicht ausreichend auf die Struktur der Taxibranche gen sein. Das gilt z. B. hinsichtlich der Frage, wie zugeschnitten sind. sich Veränderungen beim Parkraum auswirken. (Glocke des Präsidenten) Von daher bleibt es bei unserer Entscheidung, dass wir uns bei diesem Punkt enthalten werden. Denn z. B. von den rund 300 Betrieben in Hanno- Wir erkennen den guten Willen der GroKo von ver fährt der Großteil mit einem oder mit maximal Herzen an, aber nächstes Mal bitte ein bisschen zwei Wagen. Die Mindestmenge an Fahrzeugen, konkreter. die der Bund aber vorschreibt, verhindert, dass eine große Anzahl von Taxiunternehmen über- (Beifall bei der FDP - Zuruf von Ulrich haupt in den Genuss der Fördermittel kommt. Watermann [SPD])

Gleiches gilt dann auch für die Ladeinfrastruktur. Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Hier fördert der Bund zwar die Anschaffung, aber Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Herr Schulz- nicht deren Montage und den Netzanschluss. Hendel möchte nicht erwidern. Dann hat jetzt für

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die SPD-Fraktion der Kollege Frank Henning das Wir haben allerdings die Situation, dass wir im Wort. Bitte sehr! Rahmen des Sofortprogramms „Saubere Luft 2017 bis 2020“ eine Bundesförderung haben. Da geht Frank Henning (SPD): es um die Grenzwertüberschreitung bei Stickstoff- dioxid. Taxiunternehmen wird heute schon ein Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zuschuss von 4 000 Euro aus der Bundesförde- öffentliche Personennahverkehr und die den rung beim Ankauf von Elektrofahrzeugen gezahlt, ÖPNV ergänzenden Angebote wie z. B. Taxis spie- und bei Hybridfahrzeugen sind es 3 000 Euro. len natürlich bei der Verkehrswende und den nöti- Nach meiner Kenntnis sind die Mehrkosten für gen Maßnahmen zum Klimaschutz auch aus unse- Elektrofahrzeuge in den letzten Jahren aber deut- rer Sicht die entscheidende Rolle. Das alles ist lich gesunken. Zu Taxifahrzeugen liegen Erkennt- heute eigentlich schon gesagt worden. nisse vor, dass diese Mehrkosten höchstens 8 000 Trotz des vielfältigen Angebots an Bus- und Bahn- bis 10 000 Euro betragen. Die Betriebskosten von verbindungen wird es immer Lücken geben, die die E-Fahrzeugen sind auch deutlich geringer, sodass Taxen füllen können, um vor allen Dingen - wie hat man sich schon die Frage stellen muss, ob es sich es Herr Bode so schön gesagt? - die letzte Meile nicht heute schon mithilfe des Bundesprogramms, zurückzulegen, wenn es darum geht, vor die Haus- dieser 4 000 Euro, rechnet, ein E-Taxi anzuschaf- tür zu kommen. Dabei sind gerade im ländlichen fen. Wir werden uns das im Ausschuss darlegen Raum oft Taxis das letzte und einzige Mittel. lassen. Dazu werden wir eine Unterrichtung durch die Landesregierung beantragen. Denn Mitnahme- Für uns ist der Hinweis wichtig, dass es sich bei effekte wollen wir natürlich nicht haben, und wir Taxiunternehmen in der Regel um kleine und mit- wollen eben auch sorgsam mit dem Geld der telständische Unternehmen handelt, häufig Ein- Steuerzahlerinnen und Steuerzahler umgehen. oder Zwei-Mann-Betriebe bzw. Ein- oder Zwei- Deshalb wollen wir gucken, ob es nicht ausrei- Frau-Betriebe. Insofern hat die SPD als wirt- chend ist, hier das Bundesprogramm in Anspruch schaftsfreundliche Partei, zu nehmen. Weil wir das nicht abschließend beur- (Zuruf von der CDU: Da muss er sel- teilen können, werden wir das alles wunderbar im ber lachen!) Ausschuss machen. die sich immer für den Mittelstand und für die klei- Wir werden daher im Ausschuss intensiv, aber neren Handwerksunternehmen starkgemacht hat, wohlwollend - wie es Herr Schulz-Hendel gesagt große Sympathien für ein Landesförderprogramm hat - Ihren Antrag prüfen, und dann werden wir uns zur Unterstützung gerade kleinerer und mittelstän- dazu in der zweiten Beratung entsprechend verhal- discher Taxiunternehmen. Denn ein Landesförder- ten. programm könnte durchaus die von uns immer wieder geforderte wirtschaftsfördernde Wirkung Im Übrigen möchte ich noch darauf hinweisen, erzielen und möglicherweise auch eine gute Mittel- dass auch die Investition in Ladesäulen z. B. aus standsförderung darstellen. EFRE-Mitteln seitens der EU mit bis zu 50 % för- derfähig ist, sodass sich da möglicherweise eine Allerdings, meine Damen und Herren, gilt es auch Überförderung ergibt. Deshalb müssen wir auch hier, genau hinzuschauen, um Mitnahmeeffekte zu das noch einmal gegenüberstellen und prüfen, um vermeiden. Denn wie immer bei Landesförderpro- auszuschließen, dass wir Steuergelder nicht sinn- grammen handelt es sich ja in der Regel um Steu- voll einsetzen. Das werden wir dann weiter im ergeld, das uns von den Bürgerinnen und Bürgern Ausschuss beraten. Wir haben große Sympathie anvertraut wurde. Deswegen ist es sinnvoll, zu für den Antrag. prüfen und damit sorgsam umzugehen. Vielen Dank. Die Umstellung auf alternative Antriebe wie die Elektromobilität kann - wie gesagt - einen Beitrag (Beifall bei der SPD) zum Klimaschutz leisten. Insbesondere E-Taxis können dabei helfen, den CO -Ausstoß und die 2 Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Stickstoffdioxidbelastungen durch Dieselfahrzeuge zu minimieren und auf diese Art und Weise natür- Vielen Dank, Herr Kollege Henning. - Für die AfD- lich auch sinnlose Fahrverbote in den Innenstädten Fraktion hat nun der Kollege Stefan Henze das zu vermeiden. Wort. Bitte sehr!

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Stefan Henze (AfD): haben. Aber bei einem so günstigen Angebot sind Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und sie doch auf das Fahrzeug zurückgekommen. Ich Herren! Schlagworte wie Carsharing und Elektro- glaube, das ist ein falscher Anreiz. mobilität klingen zunächst fortschrittlich und inno- Danke. vativ - das habe ich hier schon einmal gesagt. Allerdings sehen wir weder das stationsgebundene (Beifall bei der AfD) Carsharing noch die Variante car2go als Lösung für den innerstädtischen Verkehr der Zukunft an. Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Bei der Variante car2go kommen das Öko-Institut Vielen Dank, Herr Kollege Henze. Ich wollte Ihre in Freiburg und das ebenso renommierte Institut Schlusssätze nicht unnötig unterbrechen, aber ich für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in einer muss schon sagen: Frau Kollegin Piel, es wäre Studie zu dem Ergebnis, dass diese Art des Car- sehr aufmerksam von Ihnen, wenn auch Sie auf- sharings die Umwelt nicht schützt. merksam wären und die Gespräche beenden wür- den. - Das Wort hat nun Herr Minister Dr. Althus- Bei der Variante des stationsgebundenen Carsha- mann. rings wiederum werden innerstädtische Parkflä- chen belegt, und zwar nicht wenige. Eine weitere Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, Verknappung des Parkraumes ist keinesfalls im Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: Interesse der City-Gemeinschaft Hannover oder anderer Städte. Schließlich wollen wir die Innen- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten städte als attraktive Einzelhandelsstandorte behal- Damen und Herren! Wir befassen uns mit einem ten. Ich denke, das ist hier Konsens. Teilaspekt eines der wohl wichtigsten Themen - - -

Die Nr. 6 Ihres Antrags, zu prüfen, wie sich eine Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Ausweisung von Carsharing-Parkplätzen in Wohn- Entschuldigung, Herr Minister! - Frau Piel, Sie gebieten auf Anforderungen nach der Niedersäch- hatten mich nicht verstanden? - Ich hatte darum sischen Bauordnung auswirken würde, hat einen gebeten, dem Redner - das habe ich schon einmal gewissen Charme. Dies würde aber nur etwas generell gesagt - nicht den Rücken zuzudrehen, nützen, wenn Carsharing zukünftig von mindestens sondern der Debatte hier zu lauschen. 50 % der Anlieger genutzt würde. Diese Entwick- lung sehen wir aber leider nicht. (Helge Limburg [GRÜNE]: Ich hatte sie noch mal angesprochen!) (Glocke des Präsidenten) Wenn es Gespräche geben soll, dann kann man Wir freuen uns auf die Beratungen im Ausschuss die draußen führen. zum Antrag zum Landesförderprogramm für alter- native Antriebe, der sich ja nicht nur auf Taxis be- Herr Minister, bitte schön! zieht, wie die Überschrift suggeriert. (Helge Limburg [GRÜNE]: Sie hat sich Noch einmal zurück zum Thema Carsharing, nur zu einer ganz kurzen Bespre- car2go und zu stationsgebundenen Carsharing- chung umgedreht!) Angeboten: Zum Thema car2go hatte mich die Kollegin Hanisch kürzlich gefragt, welche Studie Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, ich zitiert hätte - das habe ich damals dargelegt. Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: Ich habe mich dann auch beim Thema stationsge- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten bundenes Carsharing umgeschaut: Frankfurt z. B. Damen und Herren! Dann setze ich noch mal an: ist uns da voraus. Da gibt es die cityFlitzer von Ich glaube, dass wir uns heute mit einem Teilas- book-n-drive Frankfurt. Die haben 300 Stationen pekt eines der wichtigsten Themen für die Entwick- und 1 000 Fahrzeuge. Das kostet in der Stunde lung unseres Wohlstandes, unserer Wirtschaft, tatsächlich nur 1 Euro, und der Kilometer kostet unserer Umwelt mit Blick auf die kommenden Jah- 27 Cent. re auseinandersetzen: mit dem Aspekt Carsharing und Elektromobilität. Ich wage mal die kühne Be- (Glocke des Präsidenten) hauptung, dass gerade die jüngere Generation in - Ich bin sofort fertig, letzter Satz! - Man hat dort unserem Land, in Deutschland, in den nächsten eine Umfrage gestartet und festgestellt, dass die zehn Jahren ganz andere Bedürfnisse an das Leute vorher den öffentlichen Nahverkehr genutzt Thema Mobilität richten wird, als es vielleicht noch

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meine Generation oder die meiner Eltern und Carsharing ist eine Möglichkeit; Elektromobilität ist Großeltern tut bzw. getan haben. eine Möglichkeit. Gasantriebstechnologien und Wasserstoffantriebstechnologien über die Brenn- Die Frage der Individualität im Bereich der Mobilität stoffzelle werden am Ende für den Schienenper- wird nach meiner Einschätzung auch in der Zu- sonennahverkehr, für den Busverkehr und für den kunft eine große Rolle spielen. Das Gleiche gilt für Pkw-Verkehr mögliche, denkbare Alternativen sein. die Frage der Sicherstellung einer sauberen und Wir sollten mit Blick auf die Zukunft technologieof- sicheren Mobilität. fen an diese Fragen herangehen. Gegenüber neuen Mobilitätskonzepten und -anbie- Es ist an der Zeit, nach dem Vorbild des Carsha- tern sollten wir uns, denke ich, in keinem Falle ring-Gesetzes des Bundes auch für die Gemein- verschließen, sondern wir sollten dafür sehr offen de-, Kreis- und Landesstraßen in Niedersachsen sein. Am Ende wird übrigens der Kunde über die eine Rechtsgrundlage zu schaffen. Darin sind wir besten Konzepte entscheiden, und Carsharing als uns einig. neues Mobilitätskonzept sichert sicherlich ein Höchstmaß an Individualität. Wir wissen, dass ein Ob es für das Taxigewerbe noch einer weiteren privater Pkw die meisten Stunden während des eigenen Landesförderung bedarf, lassen Sie uns Tages still steht. Bei geringer Fahrleistung liegt der bitte im Rahmen der Beratung des entsprechen- Fixkostenanteil für einen Pkw bei bis zu drei Vier- den Antrags von Grünen und FDP genau erörtern. teln der jährlichen Gesamtkosten. Hier setzt die Denn es gibt schon eine Bundesförderung im Idee des Carsharings an. Die Idee ist, dass sich Rahmen des „Sofortprogramms Saubere Luft“ bis viele Nutzer ein Auto teilen und so am Ende die 2020. Es gibt ein weiteres Bundesprogramm für Fixkosten gesenkt werden. die Anschaffung von Elektrofahrzeugen, den so- genannten Umweltbonus. Auch Taxiunternehmen Forscher der Universität Kassel haben ermittelt, erhalten beim Kauf eines neuen Elektrofahrzeugs dass Sharing-Angebote in einer Stadt ab 50 000 hieraus bereits einen Zuschuss von 4 000 Euro - Einwohnern die tägliche Fahrleistung eines Pkw 3 000 Euro für einen Hybrid. Letztendlich wissen um 17 % verringern können. Ich denke, wir werden wir, auch mit Blick auf den Umweltbonus, dass sich in den kommenden zehn Jahren Stadtentwick- die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs, betriebs- lungskonzepte, Quartierskonzepte sowie die Mobi- wirtschaftlich betrachtet, durchaus rechnet. lität zwischen Ballungszentren und ländlichen Räumen neu denken und anlegen müssen und Lassen Sie uns sehr offen an die Frage eines ei- dabei die besten und neuesten Antriebstechnolo- genen Landesförderprogramms herangehen. Ins- gien der Zukunft nutzen. Dabei kann - nicht muss - besondere werden wir in Niedersachsen in die die Elektromobilität eine der wesentlichen Voraus- Ladeinfrastruktur investieren müssen, um dem setzungen bieten und gerade in Ballungszentren Käufer auch einen Anreiz zu bieten, tatsächlich auf die Antriebstechnologie sein. Elektromobilität umzusteigen, soweit das fachlich und sachlich vertretbar und sinnvoll ist. Wir sollten aber technologieoffen bleiben. Ich per- Lassen Sie uns gemeinsam die besten Mobilitäts- sönlich bin davon überzeugt, dass gerade hinsicht- konzepte für Niedersachsen entwickeln. E-Mo- lich der Herstellungskette bei einem vollelektrisch bilität, Carsharing und andere Konzepte gehören betriebenen Fahrzeug auch andere Fragen, Res- dazu. Wir sind da sehr offen, weil es um die Mobili- sourcenfragen, mit in den Blick genommen werden tät der Zukunft geht. müssen, z. B. zur Herstellung der Batteriezelle, die sehr energieintensiv ist. Wir beziehen Batteriezel- Vielen Dank. len zumindest für die Pkw-Verkehre zurzeit aus (Beifall bei der CDU und bei der SPD) dem Ausland, und zwar überwiegend aus China, wo sie sehr häufig mit Kernenergie oder Kohlever- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: stromung hergestellt werden. Herzlichen Dank, Herr Minister. - Weitere Wort- Das heißt, wer regenerative, alternative Mobilitäts- meldungen liegen nicht vor, sodass wir die Bera- konzepte auf den Weg bringen will, der muss am tung beenden und zu den Abstimmungen kommen Ende in Deutschland auch alle Voraussetzungen können. dafür schaffen, dass tatsächlich von regenerativen, Zunächst stimmen wir über Tagesordnungs- alternativen Konzepten für Mobilität gesprochen punkt 22 ab, den Antrag der Fraktionen von SPD werden kann. und CDU.

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Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses schiedlichen Bereichen, beispielsweise von Tech- zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der nikern, übereinanderlegen, eine sogenannte Kolli- SPD und der Fraktion der CDU in der sich aus der sionsprüfung durchführen und, vereinfacht ausge- Beschlussempfehlung ergebenden geänderten drückt, schauen, dass die Rohre und Leitungen in Fassung annehmen will, den bitte ich um das der Wand nebeneinander und nicht durcheinander Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - laufen, oder im 4-D-Bereich schauen, ob die zeitli- Der Beschlussempfehlung ist mit großer Mehrheit che Planung der Gewerke passt, dass nicht der gefolgt worden. Fliesenleger vor dem Estrichgießer kommt, weil jemand die Information nicht weitergegeben hat, Wir kommen zur Ausschussüberweisung zu Ta- dass erst noch eine Brandschutzbegehung ge- gesordnungspunkt 23. macht werden musste, bevor die Wände eingezo- Federführend soll hier der Ausschuss für Wirt- gen werden konnten. Das ist also eine super Sa- schaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung sein. che. Mitberatend soll der Ausschuss für Haushalt und Finanzen sein. Wer möchte dem so folgen? - Ge- Die Herausforderungen in diesem Bereich liegen genprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das so be- aber auch auf der Hand. Oft sind kleine Büros an schlossen. großen Projekten beteiligt, und wir alle wissen: Handwerker und Ingenieure sind gerade Mangel- Ich rufe auf den ware. In den Büros ist kaum Zeit für Fortbildung und die Auseinandersetzung mit neuen Möglich- keiten. Deswegen braucht es Unterstützung, um Tagesordnungspunkt 24: die Potenziale nutzbar zu machen. Das ist keine Abschließende Beratung: Frage von parteipolitischer Ausrichtung, sondern Digitales Bauen in Niedersachsen voranbrin- einfach ein Schritt in Richtung Zukunft im Baube- gen - Potenziale des Building Information Mo- reich, den wir mit diesem Antrag unterstützen. delings (BIM) nutzbar machen - Antrag der Frak- tion der SPD und der Fraktion der CDU - Deswegen fordern wir in diesem Antrag genau Drs. 18/3260 - Beschlussempfehlung des Aus- das: eine Unterstützung für die Beteiligten. Wann schusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digita- ist Building Information Modeling wie sinnvoll ein- lisierung - Drs. 18/3955 - Änderungsantrag der setzbar? In welchen Bereichen braucht es welche Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/3998 Unterstützung, um unsere Wirtschaft fit zu ma- chen? Wo muss was eingehalten werden, um dem Datenschutz zu entsprechen? - Dies sind die aktu- Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag in ellen Fragestellungen, die dem Antrag zugrunde einer geänderten Fassung anzunehmen. liegen. Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zielt auf eine Annahme des Antrags in Ich persönlich freue mich, zu sehen, dass parla- einer anderweitig geänderten Fassung. mentarische Arbeit funktioniert. So konnten wir durch die Anhörung von Verbänden, Institutionen Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. und Personen diesen Antrag um wesentliche Ele- Ich eröffne die Beratung. mente ergänzen. Vielen Dank allen Beteiligten für die konstruktive Beratung und vielen Dank an FDP Das Wort hat zunächst Frau Kollegin Thordies und Grüne für die sinnvollen Hinweise! Hanisch, SPD-Fraktion. Bitte sehr! Vielen Dank. Thordies Hanisch (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten (Beifall bei der SPD und Zustimmung Damen und Herren! Die Digitalisierung bringt in bei der CDU sowie von Anja Piel vielen Bereichen einen strukturellen Umbruch mit [GRÜNE]) sich. Es gibt Herausforderungen, und es gibt enorme Potenziale. Ein Potenzial liegt im Baube- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: reich. Mit Building Information Modeling kann man Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Fraktion nicht nur 3-D-Modelle erstellen, die es für alle Be- Bündnis 90/Die Grünen hat sich nun Herr Kollege teiligten einfacher machen, die Planung zu verste- Detlev Schulz-Hendel gemeldet. Bitte sehr! hen, man kann auch die Planungen von unter-

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Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE): Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Herr Kollege Schulz-Hendel. - Für die Digitales Bauen in Niedersachsen voranzubringen, Fraktion der CDU hat nun Herr Kollege Karl-Heinz ist angesichts zunehmender Digitalisierung der Bley das Wort. Bitte sehr! richtige Ansatz. Aber fortschreitende Digitalisierung verlangt auch ein besonderes Augenmerk auf den Karl-Heinz Bley (CDU): Datenschutz, der in der Beschlussempfehlung, so wie sie uns nun vorliegt, nur sehr verhalten Raum Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor gut findet. Es ist aber unabdingbar, dass Maßnahmen einem Jahr waren Wirtschafts-, Wissenschafts- des Datenschutzes und der Datensicherung von und Baupolitiker der CDU-Landtagsfraktion zu Beginn an bei allen Einführungskonzepten Berück- Gast im Institut für Baumanagement und digitales sichtigung finden. Dazu gehören Grundsätze der Bauen der Leibniz Universität. Im dortigen VR Lab Transparenz, der Zweckbindung von Daten, der konnten wir uns einen sehr plastischen Eindruck Datenvermeidung und der Datenminimierung. Das davon machen, was das digitale Bauen, was BIM muss bei allen Projekten von Anfang an eine ent- kann. scheidende Rolle spielen. Dort haben wir entschieden, dass wir etwas tun Hierzu verweise ich noch einmal ausdrücklich auf müssen, damit die Einführung des digitalen Bau- die Stellungnahme der Landesbeauftragten für den ens in Niedersachsen ein Erfolg wird. Ebenso wie Datenschutz in Niedersachsen, in der klargestellt unser Koalitionspartner waren wir uns sehr schnell wird, dass ein BIM-Verfahren so ausgestaltet sein einig und bewusst, dass die Einführung des digita- muss, dass es der Datenschutzgrundverordnung len Bauens und Planens sorgfältig vorbereitet wer- sowie dem Bundesdatenschutzgesetz Rechnung den muss. Besondere Rücksicht muss insbeson- trägt. dere den kleineren Ingenieur- und Architektenbü- ros gelten, die bereits durch hohe technische An- Wir hatten das im Ausschuss so vorgeschlagen. forderungen stark gefordert sind. Auch für Hand- Bisher haben Sie sich nicht durchgerungen, dies werk und Mittelstand ist eine praktikable Handha- ergänzend aufzunehmen. Es wäre schön, wenn wir bung von großer Bedeutung. dies heute nachholten. Dann könnten wir hier auch gemeinsam über den Antrag beschließen. Im Masterplan Bauen 4.0 wurden auf Bundesebe- (Beifall bei den GRÜNEN und Zustim- ne 20 Pilotprojekte für die Anwendung des BIM mung von Jörg Bode [FDP]) ausgewählt. Zweifelsohne waren diese Projekte geeignet, notwendig sind jedoch auch Pilotprojekte Darüber hinaus fehlt auch in der geänderten Be- im Bereich des Hochbaus mit unterschiedlichen schlussempfehlung eine eindeutige Perspektive für Budgets. Dass sich BIM für Hochschulen, Kran- kleine und mittlere Betriebe im Handwerk. Diese ist kenhäuser, ICE-Strecken oder Autobahnbrücken aber aus unserer Sicht zwingend notwendig, sind lohnt, ist wenig überraschend. Was aber ist mit doch immerhin rund 80 % der Betriebe des Bau- kleineren Erweiterungsbauten für Kultureinrichtun- gewerbes Handwerksbetriebe. Bei BIM ist auf die gen? Gilt dies auch für den privaten Hausbau? gesamte Wertschöpfungskette beim Bauen abzu- Funktioniert es auch bei der Planung neuer Rad- zielen, also auf Planung, Bauen und Nachnutzung. wege? Hierzu brauchen wir weitere Erkenntnisse, Daher wäre es wichtig, auch das Handwerk hier hier wollen wir mit den zusätzlichen Pilotprojekten besonders zu berücksichtigen und vor allem zu die Maßnahmen des Bundes sinnvoll ergänzen. prüfen, ob eigenständige Angebote für Hand- werksbetriebe geschaffen, gefördert und unter- Bauen muss günstiger werden, schneller werden, stützt werden können. ressourcenschonender werden. Ich bin davon überzeugt, dass das digitale Bauen hierzu einen Wenn wir uns heute noch auf diese beiden Punkte wichtigen Beitrag leisten kann. einigen könnten, dann könnten wir einen gemein- samen Antrag beschließen. Ansonsten würden wir Auf ihrer Klausurtagung hat die CDU-Landtags- uns, was die vorliegende Beschlussempfehlung fraktion vor zwei Wochen ein Positionspapier zum angeht, der Stimme enthalten. Städte- und Wohnungsbau entwickelt. In diesem Papier stellt das digitale Bauen einen wichtigen Danke. Baustein dar. Ein Dankeschön an die Fraktion, die (Beifall bei den GRÜNEN) dieses Papier entwickelt hat!

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(Beifall bei der CDU und Zustimmung Wissenschaft. Unter der Schirmherrschaft von bei der SPD) Staatssekretär Stefan Muhle wurde im Beisein von Staatssekretärin Dr. Sabine Johannsen, aber auch Wir brauchen eine sehr sinnvolle Weiterentwick- Staatssekretär Frank Doods am heutigen Mittwoch lung für alle beteiligten Akteure: für die kommuna- in der Landeshauptstadt Hannover das BIM- len Baubehörden, für Architekten- und Ingenieur- Cluster neu gegründet. büros, für kleine und mittelständische Unterneh- men der Bauwirtschaft und für Handwerker des Ich sage: Das ist ein guter Weg. Danke schön für Mittelstands. Dazu gehört die klare Zusage: Die diese Gründung! Trennung von Bau und Planung wird nicht infrage (Zustimmung bei der CDU und bei der gestellt. SPD) An den Standorten Oldenburg und Hannover be- Abschließend bitte ich um Zustimmung zu dem stehen schon heute gute Weiterbildungsmöglich- Antrag von SPD und CDU in der Fassung der Be- keiten zum Thema BIM. Die buildingSMART-Re- schlussempfehlung Drucksache 18/3955. Damit ist gionalgruppe und das BIM-Cluster Niedersachsen der Antrag der Grünen eigentlich überflüssig. Sie sollen intensiv in Überlegungen eingebunden wer- können unserem Antrag ruhigen Gewissens zu- den, wie die Weiterbildung an weiteren Standorten stimmen. verankert werden kann. Dabei setzen wir nicht nur auf die Hochschulen, sondern auch auf die Meis- Ich danke. terschulen des Handwerks sowie auf die berufliche (Beifall bei der CDU und bei der SPD Bildung. - Helge Limburg [GRÜNE]: Nein, Sie Im Wirtschaftsausschuss haben wir Ende Mai eine unserem!) äußerst aufschlussreiche mündliche Anhörung zu diesem Antrag durchgeführt. Die Rückmeldungen Vizepräsident Frank Oesterhelweg: der Experten haben sehr deutlich gemacht, dass Vielen Dank, Herr Kollege Bley. - Für die AfD- wir nicht nur ein wichtiges Thema angehen, son- Fraktion hat sich nun der Kollege Stefan Henze zu dern die Vorschläge bereits auf einen guten Weg Wort gemeldet. Bitte schön! gebracht haben. Mein besonderer Dank gilt hier auch den Kolleginnen Mareike Wulf und Thordies Stefan Henze (AfD): Hanisch, die zum Erfolg der Anhörung sowie zur Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen zügigen Erstellung eines Änderungsvorschlags und Herren Kollegen! Die Beschlussempfehlung in entscheidend beigetragen haben. der Drucksache 18/3955 zum Antrag in der Druck- Die Anhörung hat mehrere Verbesserungsvor- sache 18/3260 liegt uns zur abschließenden Bera- schläge in die Diskussion eingebracht. Auch hier tung vor. Ich nehme vorweg: Meine Fraktion trägt haben wir den Datenschutz gewürdigt, was in un- sie im Ergebnis mit. serem Antrag ausführlich beschrieben ist. Auch die Die Ausschussberatungen nebst Expertenanhö- Partei der Grünen oder die FDP hatte ja noch ein- rung am 24. Mai 2019 und die erste Plenardebatte mal einen weitergehenden Satz gefordert. Das am 29. März 2019 erbrachten einen im Vergleich erübrigt sich. Sie können diesem Antrag ruhigen mit der Vorlage der Regierungsfraktionen in der Gewissens zustimmen. Drucksache 18/3260 in weiten Teilen konkreter (Beifall bei der CDU und Zustimmung gefassten und somit verbesserten Entschließungs- von Ulrich Watermann [SPD]) antrag. Vieles ist in der Beschlussempfehlung berücksich- Bereits in der ersten Plenardebatte hatte ich un- tigt worden. missverständlich zum Ausdruck gebracht, was ich jetzt wiederhole: Für die AfD-Fraktion ist es zwin- Zum Schluss noch eine Information: Heute ist - gend, dass im Rahmen der BIM-Aktivitäten des welch ein Zufall! - dieses Papier zu lesen: Landes Niedersachsen die kleinen und mittleren Bauplanungs- und Bauausführungsunternehmen Digitalisierung schreitet in Niedersachsen voran. bei der Einführung des BIM materiell und ideell BIM-Cluster Niedersachsen wurde heute, am unterstützt werden. 19. Juni 2019, gegründet. Das BIM-Cluster sieht sich als Sprachrohr der regionalen Vertreter der Sie fragen nach dem Grund. Ich liefere die Antwor- Wirtschaft, der öffentlichen Hand und auch der ten: In den Unternehmen dieser Größenklasse,

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gerade den kleinen und mittleren, sitzt das nieder- Selbst Ihre Partei- und Regierungsfreunde im Aus- sächsische Know-how, werden in der Breite Ar- schuss waren überdies von derartigen Investiti- beitsplätze gestellt und wird das Unternehmertum onsankündigungen überrascht - ich formuliere es durch Übernahme von Unternehmerinitiative und einmal vorsichtig; „überrumpelt“ wollte ich jetzt Unternehmerrisiko vorbildlich gepflegt. Wenn dann nicht sagen. Auf meine Initiative unterrichteten Sie der Zahn der Zeit, hier vor allem die Möglichkeit den Wirtschaftsausschuss dann am 7. Juni 2019, der Digitalisierung, strukturelle Veränderungen in Herr Minister, dass es sich bei diesen Unterstüt- den Betrieben und der gesamten Prozesskette zungsankündigungen wohl um Mittel aus dem aller am Bau Beteiligten nötig macht, ist Anpas- Digitalbonus handele. Nun wissen immerhin wir sung gefragt. Abgeordneten und gleich auch die interessierte Öffentlichkeit mehr. In Kürze soll es über die Grundsätzlich wird diese Anpassung in freien NBank eine Förderung von bis zu 10 000 Euro für Märkten natürlich durch die Marktteilnehmer selbst kleine und mittlere Betriebe geben, die an BIM- geleistet. Im hier vorliegenden Fall rechtfertigt sich Investitionen geknüpft ist. nach meiner Überzeugung allerdings ein modera- ter Markteingriff durch den Staat, und zwar nicht Meine Damen und Herren Kollegen, ein kleiner nur aus den vorgenannten Gründen, sondern vor Informationsskandal, aber ein guter Ausgang für allem deshalb, weil Bauwerksdatenmodellierung die Wirtschaft! Wir stimmen also gerne zu, rügen als Methode der optimalen und optimierten Pla- aber auch an dieser Stelle die Informationspolitik nung, Ausführung und Bewirtschaftung von Ge- der Landesregierung ausdrücklich. Diese gelobte bäuden und anderen Bauwerken mithilfe von Soft- jetzt im Ausschuss Besserung, was dann auch in ware, die aufeinander angepasst sein muss, seit Punkt 13 der Beschlussempfehlung zum Ausdruck fast einem Jahrzehnt fachliches und politisches kommt. Thema ist. Vielen Dank. Ich freue mich, dass die AfD hier Liebe Regierung, Sie sind hier recht spät unter- wirken durfte. wegs. Unser Landtagsdokumentationssystem (Beifall bei der AfD) stützt diese Feststellung. Für die 16. und die 17. Wahlperiode liefert es jedenfalls zum Suchwort Vizepräsident Frank Oesterhelweg: „BIM“ keinen Treffer, für diese Wahlperiode initial Danke schön, Herr Kollege Henze. - Für die FDP- lediglich den hierzu vorhandenen Antrag von Fraktion hat sich nun der Kollege Jörg Bode ge- Ihnen, liebe Landesregierung. Buchstäblich auf meldet. Bitte sehr! den letzten Drücker handeln Sie nun, aber objektiv spät. BIM wird nämlich schon in Kürze - nach mei- Jörg Bode (FDP): nem Kenntnisstand ab 2020 - für alle neu zu pla- nenden größeren Infrastrukturprojekte und den Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! infrastrukturbezogenen Hochbau verpflichtend Herr Kollege Bley, Sie haben die Katze ja jetzt aus sein. Das ist ja erst überüberübermorgen. dem Sack gelassen. Die Antragsberatung musste so abrupt abgebrochen werden, weil die Unter- Die Ausschussanhörungen fördern außerdem zu- schrift zum BIM-Cluster heute stattfindet und Sie tage - ich finde das interessant -, dass Sie, diese diesen Antrag parallel abfeiern wollten. Der Landesregierung, selbst für Investitionsverzöge- Staatssekretär kann deshalb auch nur durch Ab- rungen bei den Unternehmen gesorgt haben. Sie wesenheit glänzen. Weil er anscheinend woanders stellten auf Veranstaltungen von Kammern und ist, konnte er Ihrer Rede auch nicht folgen. Verbänden mehrfach finanzielle Unterstützung bei Ich finde es schon schade, dass Sie diesen Weg der Einführung von BIM in Aussicht, allerdings gewählt haben und nicht einen fraktionsübergrei- ohne bis heute gegenüber den Unternehmen kon- fenden Antrag in diesem Bereich erzielen wollten. kreter zu werden. Das machen Sie gerne. Ihre vagen Ankündigungen haben nach dem Vortrag (Beifall bei der FDP, bei den GRÜ- eines Anzuhörenden zu massiven zeitlichen Ver- NEN und bei der AfD) zögerungen im Zusammenhang mit BIM-Inves- Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber es titionen in den Unternehmen geführt. Man wartet war auch schon komisch. Als Sie am 19. März natürlich ab, wenn es heißt, man bekomme noch 2019 diesen Antrag eingebracht haben, haben wir eine Unterstützung. Applaus für diese Meisterleis- in der FDP uns gedacht: Es klingt irgendwie ko- tung, liebes Digital- und Wirtschaftsministerium! misch; das haben wir alles irgendwo schon einmal

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gehört. - Dann haben wir einfach einmal die Lan- Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, desregierung gefragt, welche von den ganzen Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: Punkten, die in dem Antrag stehen, sie eigentlich Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und in der Vergangenheit bis heute schon umgesetzt Herren! Ich erinnere mich dunkel an Anträge aus hat. Was soll ich Ihnen sagen? Ich habe die Ant- der Regierungszeit von CDU und FDP, in denen wort auf unsere Frage durchgearbeitet und die wir unsere Landesregierung sehr stark gelobt ha- ganzen Punkte abgehakt. Alles, was Sie hier for- ben, Kollege Bode. dern, macht die Landesregierung schon seit Lan- gem. Da ist nichts Neues dabei. Es wird alles (Jörg Bode [FDP]: Das macht ihr heu- schon gemacht. te nicht mehr!)

Daraufhin habe ich gedacht: Okay; das war wohl Ich meine, da gab es mal etwas. ein Eigentor. Jetzt kommt ein Änderungsantrag der (Christian Meyer [GRÜNE]: Das war Großen Koalition mit einem großen Loblied auf die auch da schon falsch!) Landesregierung: Die Landesregierung ist so gut; sie hat in der Vergangenheit so toll gearbeitet; wir Ich glaube, da gab es etwas. Im Übrigen nehme haben es nur leider nicht gemerkt, macht bitte so ich an, dass es in den vergangenen fünf Jahren weiter. - Diesen Antrag habe ich tatsächlich erwar- Anträge von SPD und Grünen gab, in denen sie tet. Er kam aber nicht. Es war Ihnen wahrschein- eine Brücke zur aktuellen Regierungspolitik gebaut lich unangenehm, dass Sie selber gar nicht ge- und ihre Regierung gelobt haben. merkt haben, was Ihre Landesregierung alles (Helge Limburg [GRÜNE]: Die waren macht. Deshalb wollen Sie sie auffordern, jetzt das richtig!) zu machen, was sie schon seit Jahren tut. Es gibt auch allen Grund, diese Regierung heute Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist zu loben. einem Parlament in dieser Form tatsächlich nicht würdig. (Jörg Bode [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage) (Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN) - Bitte sehr! - Ach so. Entschuldigung, Herr Präsi- dent. Natürlich hätte man in dem Antrag das eine oder andere noch verbessern können und auch sollen, Vizepräsident Frank Oesterhelweg: u. a. die Frage des Datenschutzes. Wir hätten uns Sehr aufmerksam, Herr Minister. - Gestatten Sie auch gewünscht, dass man das Handwerk noch eine Zwischenfrage des Kollegen Bode? Offen- stärker berücksichtigt hätte. Ich will Ihnen aber sichtlich ja. - Bitte schön, Herr Kollege Bode! eines sagen: Wir könnten doch tatsächlich etwas vernünftiges Neues und Innovatives machen. Dazu Jörg Bode (FDP): geben Sie sich aber nicht her. Wenn Bauminister Olaf Lies vielleicht einmal unterhalb der BIM mit Ja, das stimmt, Herr Minister Althusmann. Wenn Vereinfachungen und Standards anfangen würde - eine Landesregierung Gutes getan hat - damals so könnte man sich bei abzugebenden Unterlagen war das ja so -, dann wird sie vom Parlament re- der Planer auf ein Format verständigen, ohne wei- gelmäßig gelobt. tere Kosten auszulösen -, wäre das der erste Können Sie mir in der Beschlussvorlage denn die Schritt hin zu einer Digitalisierung des Bauens. Stelle zeigen, an der Sie jetzt von Ihrer eigenen Aber davon ist leider sowohl bei der Landesregie- Fraktion gelobt werden? rung als auch in Ihrem Antrag nichts zu finden. Schade! Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, (Beifall bei der FDP) Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: Ich werde ständig von meiner Fraktion gelobt. Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Oder? Danke, Herr Kollege Bode. - Für die Landesregie- (Beifall bei der CDU) rung hat nun Herr Minister Dr. Althusmann das Die müssen das da gar nicht mehr hineinschrei- Wort. Bitte sehr! ben. Und ich lobe diese Fraktion auch immer wie-

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der. Deswegen haben wir ein ausgesprochen ent- (Beifall bei der CDU und Zustimmung spanntes Verhältnis. bei der SPD) (Christian Meyer [GRÜNE]: Auch un- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: verdient!) Herzlichen Dank, Herr Minister. - Weitere Wort- Also, lieber Kollege Bode, ein bisschen Gelassen- meldungen liegen nicht vor. Dann beenden wir die heit ist Trumpf! Beratung. Meine Damen und Herren, Building Information Der auf Annahme in einer geänderten Fassung Modeling ist eine wichtige Methode. Daraus leitet zielende Änderungsantrag entfernt sich inhaltlich sich eine moderne zukunftsfähige Bauplanung ab. weiter vom ursprünglichen Antrag als die Be- Dies wollen wir ab 2020 im Bereich Planen und schlussempfehlung. Nach § 39 Abs. 3 Satz 1 in Bauen für Infrastrukturprojekte gemäß dem Stu- Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 1 und Absatz 4 fenplan des Bundesministeriums für Verkehr und der Geschäftsordnung stimmen wir daher zunächst digitale Infrastruktur auch verbindlich einsetzen. über diesen Änderungsantrag ab. Falls der abge- Wir wollen das in Niedersachsen in den Verwal- lehnt wird, stimmen wir anschließend über die tungen sowie bei Planern und Projektträgern am Beschlussempfehlung ab. Ende ermöglichen. Wir kommen zur Abstimmung. Dabei wird aber entscheidend sein, ob wir und die Akteure des Bauwesens für das digitale Bauen auf Wer dem Änderungsantrag der Fraktion Bünd- der Basis des Building Information Modeling auch nis 90/Die Grünen in der Drucksache 18/3998 tatsächlich ausreichend qualifiziert wurden. Neben zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. den Experten in den Unternehmen, im Mittelstand, - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungs- in den freien Berufen und im Handwerk gilt dies antrag ist abgelehnt. natürlich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Wir kommen daher zur Abstimmung über die Be- den Bauverwaltungen. Unser gemeinsames Ziel schlussempfehlung des Ausschusses. wird es daher sein, durch gezielte Akquise sowie Qualifizierungsangebote und Weiterbildungskon- Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zepte bestehende Qualifizierungslücken zu schlie- zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der ßen. SPD und der Fraktion der CDU in der sich aus der Beschlussempfehlung ergebenden geänderten Eine dieser Qualifizierungslücken haben wir bereits Fassung annehmen will, den bitte ich um das geschlossen. Seit April stehen 2 Millionen Euro für Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich Building Der Beschlussempfehlung des Ausschusses ist Information Modeling im weitesten Sinne zur Ver- gefolgt worden. fügung. Die Umsetzung von Building Information Modeling unterstützen wir ab August dieses Jah- Wir kommen zum res, im Übrigen auch mit dem sogenannten Digi- talbonus, wonach bis zu 10 000 Euro für die Hard- ware- und Softwarebeschaffung eingesetzt werden Tagesordnungspunkt 25: können. Abschließende Beratung: Bahnverkehr voranbringen, Bürgerbeteiligung Insofern können wir heute nur feststellen: Wir ha- gewährleisten, Lärmschutz stärken - Antrag der ben Niedersachsen jetzt aufgestellt. Wir haben Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - heute den entsprechenden BIM-Cluster unter- Drs. 18/2901 - Beschlussempfehlung des Aus- zeichnet. Es war völliger Zufall, dass heute ein Me- schusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digita- morandum of Understanding mit den Experten und lisierung - Drs. 18/3914 Akteuren des Clusters unterzeichnet wurde. Als Landesregierung werden wir die Anwendung des Building Information Modeling im öffentlichen wie Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unver- im privatwirtschaftlichen Sektor mit den uns zur ändert anzunehmen. Verfügung stehenden Mitteln weiterhin fördern. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Vielen Dank für die Unterstützung der Fraktionen für diesen absolut richtigen Weg für die Zukunft Ich eröffne die Beratung. Das Wort hat der Kollege des Bauens in Niedersachsen. Karsten Heineking, CDU-Fraktion. Bitte sehr!

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(Beifall bei der CDU) (Detlev Schulz-Hendel [GRÜNE]: Wenn das bei den vielen Funklöchern Karsten Heineking (CDU): mal funktioniert!) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir All das optimiert Abläufe, ohne dass viel Geld auf- wollen den Bahnverkehr in Niedersachsen, in gewendet werden muss. Deutschland und insbesondere in Norddeutsch- Generell ist festzustellen, dass große Bauprojekte land voranbringen. Dabei wollen wir die Bürgerbe- im Bereich des Schienenverkehrs wesentlich kom- teiligung gewährleisten und den Lärmschutz nicht plexer geworden sind. Das liegt vor allem an den vergessen. Deshalb haben wir diesen Antrag vor gestiegenen Anforderungen an den Lärmschutz einiger Zeit eingebracht. Wir haben, wie ich finde, sowie an der Qualität und der Quantität der Öffent- eine ordentliche Beratung im Ausschuss gehabt, lichkeitsbeteiligung. Deshalb will dieser Antrag die wir haben eine wegweisende Unterrichtung durch Kommunikation mit den Bürgern vor Ort verbes- die Landesregierung erfahren, und am Ende ha- sern. Dies gilt auch für die ab 2021 beginnenden ben wir ein einstimmiges Votum für das Plenum und auf 15 Jahre ausgelegten umfangreichen Bau- erreicht. und Sanierungsarbeiten am Hauptbahnhof Hanno- ver. Damit hier unnötige Zugausfälle und Behinde- Ein modernes Schienennetz ist unerlässlich für rungen vermieden werden können, ist eine genaue Niedersachsens zahlreiche Pendlerinnen und Abstimmung mit dem zweiten großen Infrastruktur- Pendler, für unseren Hinterlandverkehr bei den projekt, dem Bau zweier zusätzlicher Gleise zwi- Häfen sowie für den Güter- und Personenverkehr schen Seelze und Porta Westfalica auf der Bahn- insbesondere auf den stark frequentierten Stre- verbindung Bielefeld–Minden–Hannover, erforder- cken zwischen Ost und West, aber auch zwischen lich. Orientiert werden kann sich dabei an den Nord und Süd und vor allem auch bei unseren positiven Erfahrungen des Dialogforums Schiene Verkehrsknotenpunkten in Bremen, Hamburg und Nord. Die hier gewonnenen Erkenntnisse sollen Hannover und auch mit Blick nach Nordrhein- besonders bei dem länderübergreifenden Baupro- Westfalen. jekt Anwendung finden, indem gemeinsam mit Darüber, dass sich das vorhandene Netz nicht in Nordrhein-Westfalen und dem Bund ein Konzept einem optimalen Zustand befindet, könnten wir uns für das Dialogforum erstellt wird. sicherlich schnell einig werden. Dies ist insbeson- Meine Damen und Herren, ich bitte alle, diesem dere Ausdruck der über Jahre verpassten Investiti- Antrag heute zuzustimmen, damit wir die Infra- onen, der Planungs- und Bauverfahren, deren struktur in Niedersachsen und in Norddeutschland kontinuierliche Verzögerungen nicht länger hin- weiter optimieren können. nehmbar sind. Der Bundesverkehrswegeplan hat bereits diverse Lösungen zur Entlastung der ange- (Beifall bei der CDU und Zustimmung spannten Situation finden können. Für andere bei der SPD) drängende Problemlagen - wie beispielsweise die angesprochenen Verkehrsknoten Hamburg-Har- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: burg und Hamburg-Hauptbahnhof - haben wir heu- Vielen Dank, Herr Kollege Heineking. - Für die te ebenfalls schon einen Beschluss gefasst. Ich Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort habe dies in meiner Rede zur Einbringung des der Kollege Schulz-Hendel. Bitte sehr! Antrages in der letzten Plenarsitzung schon näher ausgeführt. Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt jedoch auch kleine Fortschritte, die im Wer ernsthaft eine Verkehrswende möchte, der Bahnverkehr erreicht werden können und derer verlagert zum einen den Güterverkehr auf die sich unser Antrag auch annimmt. Einen Beitrag zur Schiene und macht zum anderen das Bahnfahren effizienteren Nutzung des vorhandenen und des attraktiv. neu zu bauenden Schienenverkehrs kann die Digi- talisierung liefern, beispielsweise durch digitale (Zustimmung bei den GRÜNEN) Leuchtbänder, Auslastungsanzeigen, synchroni- Damit es für diese zukunftsorientierte Verkehrspoli- sierte Bremssysteme, verlässlichere Echtzeitinfor- tik eine breite Akzeptanz gibt, brauchen wir Trans- mationen zu Zugverbindungen, Verspätungen und parenz im Verfahren, und wir brauchen einen brei- Ersatzverkehren. ten Bürgerdialog. Das waren auch die Gründe,

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warum Rot-Grün in der letzten Legislaturperiode Hafenhinterlandverkehre und -infrastruktur und mit dem Dialogforum Schiene Nord ein beispielhaf- natürlich auch den Güterverkehr auf den wichtigen tes Bürgerdialogverfahren für das Schienenaus- Ost-West- und Nord-Süd-Verbindungen. Diese bauprojekt Alpha-E auf den Weg gebracht hat. Investitionen müssen nun in einer Zeit nachgeholt werden, in der uns die Planungszeiten und vor Ich bin froh und glücklich, liebe SPD, dass es allem die Projektkosten immer mehr aus dem Ru- Ihnen auch aufgrund der guten Erfahrungen mit der laufen. Da sind Sie sehr spät dran, aus meiner Alpha-E gelungen ist, die CDU davon zu überzeu- Sicht viel zu spät. Meine Damen und Herren Kolle- gen, dass Bürgerdialogverfahren gut sind. Es ist gen, hier hätten Sie, wie gerade gesagt, viel früher deshalb auch folgerichtig, dass für den Strecken- handeln müssen, dies nicht zuletzt weil ein moder- ausbau Hannover–Bielefeld ein Bürgerdialogver- ner Schienenverkehr ein wichtiger Standortfaktor fahren in Gang gesetzt wird. Vor allem ist es für die für die niedersächsische Wirtschaft ist. Akzeptanz in der Bevölkerung unerlässlich, dass die Menschen auch beim Bestandsausbau der Bürgerbeteiligung und Lärmschutz: In diesem Zu- Strecke einen optimierten Lärmschutz - wie bei sammenhang führen Sie den aus Ihrer Sicht offen- einer Neubaustrecke - erhalten. bar sehr gelungenen Bürgerdialog zum Alpha-E- Projekt als Kronzeugen für gelungenes Handeln Ein neues Dialogforum entlässt CDU und SPD in an. Bei Herrn Schulz-Hendel wundert mich das, Niedersachsen aber nicht aus der Verantwortung, hatte er doch im Ausschuss noch eine leichte alsbald für Klarheit zu sorgen. Denn derzeit ist ja Kontroverse. Da lief es bei ihm in der Ecke auch zwischen der Landesregierung und der Bundesre- nicht so richtig. Aber gut. gierung überhaupt nicht geklärt, in welche Rich- tung der Bahnausbau gehen und welches Ziel er Auch Ihnen sind die aktuellen Proteste der poli- haben soll. In Ihrem Koalitionsvertrag ist die Rede tisch Verantwortlichen von Lehrte, Burgdorf und von einem Streckenausbau im Bestand. Aber Herr Sehnde im Zusammenhang mit Alpha-E bekannt. Ferlemann favorisiert ganz klar - und verkündet Man beschwert sich zu Recht, dass der Dialogpro- das auch mit gebetsmühlenartiger Wiederholung - zess Alpha-E gerade nicht umfassend und nicht einen gewaltigen Neubau mit nicht unerheblichen weiträumig genug war. Auch die Bürger dieser Auswirkungen auf Natur, Tourismus, Landwirt- Kommunen sind aber Teil der „betroffenen Öffent- schaft und vor allem die Bürgerinnen und Bürger. lichkeit“ im Sinne von § 25 Abs. 3 des Verwal- tungsverfahrensgesetzes. Das möchten Sie ja Vor einem Einstieg in das Bürgerdialogverfahren auch beim neuen Projekt gerne wieder nutzen. ist diese Frage zu klären. Sonst passiert nämlich genau Folgendes: Sie machen ein Bürgerdialog- Selbstverständlich muss man stets über die Gren- verfahren, sind für den Bestandsausbau und las- zen eines Projektgebiets hinausschauen und die sen die Bürgerinnen und Bürger, wenn Herr Fer- Randgebiete - hier eben die Zu- und Ablaufgebiete lemann sich durchsetzt, mit einem Riesenfrust Lehrte, Sehnde und Burgdorf - mit den Beteiligten zurück. Das führt zu einem Bruch des Vertrauens und mit den Bürgern einbeziehen. Irgendwo muss in die Politik. man natürlich auch eine Grenze machen. Aber doch auf jeden Fall nicht unmittelbar bei den vom (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- Projekt betroffenen Anrainern an den Ablaufstre- stimmung von Jörg Bode [FDP]) cken!

Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Hinzu kommt - das möchte ich betonen; wir haben es nämlich versucht -, dass sich die Deutsche Herzlichen Dank, Herr Kollege Schulz-Hendel. - Bahn leider nicht an gegebene Zusagen in diesem Für die Fraktion der AfD hat nun der Kollege Ste- Bereich hält, intransparent ist und auf Nachfrage fan Henze das Wort. Bitte schön! noch nicht einmal die Anzahl der Züge pro Tag auf einer Strecke mit Blockverdichtung nennen kann Stefan Henze (AfD): oder will. Man habe das outgesourct und wisse das Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und nicht. - Das können Sie den Bürgern vor Ort gerne Herren Kollegen! Wir sind bei Ihnen, wenn es da- einmal verkaufen! rum geht, den Schienenverkehr in Niedersachen Dass sich dann Bürgerinitiativen bilden, die Angst zu modernisieren. haben, dass bei ihnen im Ort - wie bei uns in Die jahrzehntelange Unterlassung von Investitio- Aligse - die Schranken gar nicht mehr hochgehen, nen rächt sich nun. Dies betrifft die Pendler, die ist nicht verwunderlich, sondern verständlich.

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Sorgen Sie dafür, dass bei Alpha-E entsprechend ren! Das löst ja Kosten aus! Schreibt lieber einen nachgebessert wird, nutzen Sie Ihren Einfluss auf unbestimmten Begriff in die Entschließung! Dann die Deutsche Bahn - vielleicht haben Sie ja wel- denkt jeder, es kommt alles, aber tatsächlich sieht chen -, und beziehen Sie beim neuen Projekt Han- es im Ergebnis anders aus. nover–Bielefeld wirklich alle Betroffenen in den Das ist eine Brücke, über die wir beim Lärmschutz Dialogprozess ein! So sähe unter den derzeitigen beispielsweise nicht gehen können. Wir wollen, gesetzlichen Rahmenbedingungen sorgfältige dass sowohl Bestands- als auch Ausbaustrecken Bürgerbeteiligung aus. Und bei vernünftiger Bür- mit dem technisch maximal möglichen Lärmschutz gerbeteiligung wissen Sie uns an Ihrer Seite. ausgerüstet werden. Vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Sys- (Beifall bei der AfD) tem des Bürgerdialogs ist im Grundsatz gut, richtig und sinnvoll. Sie wollen jetzt die positiven Aspekte Vizepräsident Frank Oesterhelweg: aus dem Alpha-E-Dialog übernehmen. Da hätte ich Vielen Dank, Herr Kollege Henze. - Für die FDP- mir gewünscht, dass Sie der Landesregierung Fraktion spricht nun der Kollege Jörg Bode. Bitte sagen, was aus Ihrer Sicht die positiven Aspekte sehr! sind. Denn auch beim Alpha-E ist nicht alles Gold, was glänzt. Jörg Bode (FDP): Beispielsweise gab es bei der Frage, wer sich im Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! norddeutschen Raum an dem Bürgerdialog beteili- Wir als FDP werden dem Antrag nicht zustimmen gen darf, durchaus Schwächen. Die Hamburger können, sondern uns enthalten. Das hat ein paar waren nur am Rande beteiligt, obwohl sie - das handfeste Gründe. haben wir bei der HVV-Debatte heute auch ge- Uns ist in der Tat nicht klar, was am Ende die Ziel- hört - durchaus massiv betroffen waren. Sie haben vorgabe für die Landesregierung sein soll, was sich erst am Ende beschwert, dass sie gar keine tatsächlich getan werden muss. Einige Punkte Stimme in diesem Gremium hatten. Das darf bei können durchaus für Verunsicherungen oder Fra- den anderen Maßnahmen nicht passieren. gestellungen sorgen. Wenn Sie hier allein über die Ausbaustrecke Han- Wir sollen jetzt beispielsweise fordern, sowohl bei nover–Bielefeld aus dem Bundesverkehrswege- Bestands- als auch bei Neubaumaßnahmen einen plan reden, dann wäre schon einmal die Frage zu „adäquaten“ Lärmschutz vorzusehen. stellen: Über welche Zielrichtung wollen Sie denn reden? Soll die Zielrichtung des Bürgerdialogs der Nun ist es so eine Sache mit den Rechtsbegriffen, Deutschland-Takt sein? Sollen das Bahnfahren die man im Gesetz findet, und den Begriffen, die und der ÖPNV so attraktiv gemacht werden - mit man im allgemeinen Sprachgebrauch und auch im vernünftigen Stundentakten überallhin auf den Plenum benutzt. Das war bei der Alpha-E-Debatte Fernstrecken -, dass man auch auf der Strecke auch so. Was heißt denn „bestmöglicher Lärm- vom Ruhrgebiet nach Berlin eine deutliche Verkür- schutz“, und was steht tatsächlich in dem Gesetz, zung der Fahrzeiten hat und tatsächlich eine bes- das der Deutsche Bundestag beschließt? sere Alternative beispielsweise zur Flugverbindung Das Wort „adäquat“ reichert die vielen Adjektive hat? zum Lärmschutz um ein weiteres an. Es kommt Wenn das das Ziel ist, reden Sie über ganz andere natürlich zu Frustration, wenn die Bürger der Mei- Volumina und auch Streckennotwendigkeiten, als nung waren, dass sie nun das Optimum kriegen, wenn wir jetzt „nur“ darüber reden, noch ein biss- und die Bahn sagt: Im Gesetz steht aber ein nied- chen mehr Güterverkehr auf die Schiene zu brin- rigerer Standard. gen und das mit dem vorhandenen Personennah- Von daher bitte ich, wenn man so etwas beschlie- verkehr abzugleichen. Denn das würde mit der ßen soll, schon darum, dass man es so genau Bestandsstrecke funktionieren. formuliert, dass man wirklich weiß, was gemacht Der Deutschland-Takt - das ist die allgemeine werden soll. Aussage auch von der Landesregierung - würde Ich kann mir aber auch vorstellen, dass Sie etwas auf der Bestandsstrecke nicht funktionieren, son- zum Lärmschutz sagen wollten und man im Minis- dern eine Neubaustrecke bedeuten. Sie haben terium gesagt hat: So dürft Ihr das nicht formulie- aber in Ihrem Koalitionsvertrag beschlossen: Sie

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wollen keine Neubaustrecke, sondern eine Be- sehr sinnvolle Ziele. Letztlich geht es nur noch um standsstrecke. Dennoch haben Sie den Bundes- die Details. verkehrswegeplan, in dem eine Neubaustrecke Herr Schulz-Hendel hat die Frage gestellt, die er vorgesehen ist, alle begrüßt und unterschrieben. auch im Ausschuss aufgeworfen hat: Was wollen Nur im Bereich Hannover–Bielefeld wollen Sie das wir überhaupt bezogen auf die Strecke Hannover– wahrscheinlich nicht so sagen. Bielefeld? - Dazu haben wir im Wirtschaftsaus- Sie müssen schon sagen: Nein, in diesem Bereich schuss eine sehr gute Unterrichtung erhalten, in wollen wir den Deutschland-Takt nicht! - Oder: Wir der deutlich gemacht worden ist, dass die disku- wollen nur im Bürgerdialog darüber reden, ob dies tierten Alternativen in Wirklichkeit keine Alternati- vor Ort tatsächlich akzeptiert werden könnte! ven sind. Die Konsequenz wären starke Eingriffe in Natur und Landschaft, und im Übrigen könnten die Welches Gebiet Sie beteiligen müssen, hängt da- angestrebten Zeitgewinne u. a. aufgrund der Struk- von ab, was Sie machen wollen. So werfen Sie tur des Gebietes, zumindest im Landkreis Schaum- dieses Thema quasi der Landesregierung vor die burg, gar nicht erzielt werden. Man muss abschich- Füße, nach dem Motto: Kümmert euch mal ein ten bei Minden, beim Landkreis Schaumburg und bisschen darum! Aber so richtig wollen wir uns dann noch einmal bei der Strecke Seelze–Wuns- nicht darauf festlegen, was ihr tun sollt. torf–Haste. Dort gibt es unterschiedliche Betroffen- Dafür ist dieses Thema aus unserer Sicht zu wich- heiten und Problemlagen. tig. Deshalb können wir uns bei dem Inhalt des Aber ich kann die Frage von Herrn Schulz-Hendel Antrags nur enthalten. durchaus beantworten. Wir von SPD und CDU Herzlichen Dank. haben uns im Koalitionsvertrag klar positioniert: (Zustimmung bei der FDP) „Die Koalition will sich für die Beseitigung des Engpasses auf der wichtigen Ost-West- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Verbindung Hannover–Bielefeld–Dortmund Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Für die SPD- einsetzen. Hierzu soll die Strecke Haste– Fraktion spricht nun der Kollege Stefan Klein. Bitte Löhne ausgebaut werden. Mit einem an das sehr! ‚Dialogforum Schiene Nord‘ angelehnten Prozess wollen wir die Planungen intensiv Stefan Klein (SPD): begleiten.“ Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kollegin- Ausbau - das ist unsere Position. Deshalb wird nen und Kollegen! Ich habe vernommen, dass den sich im Rahmen des Prozesses alles daran aus- Inhalten des Antrages grundsätzlich zugestimmt richten müssen. wird. Herr Bode hat zwar gemeint, dass die FDP Wir sind froh, dass dieser Dialogprozess auf den nicht zustimmen könne. Aber grundsätzlich spricht Weg gebracht wird; denn oftmals können Projekte nichts gegen die drei Kernpunkte Bürgerbeteili- bei einer frühen und intensiven Bürgerbeteiligung gung, Lärmvorsorge und eine bessere Abstim- schneller umgesetzt werden, bevor die großen mung von Projekten - auch bei Ihnen nicht. Des- Proteste aufkommen. wegen wäre es schön gewesen, wenn wir im Aus- schuss einige Änderungsvorschläge erhalten hät- Ausdrücklich loben muss ich den Landkreis ten, über die wir inhaltlich hätten reden können. Schaumburg. Es gibt dort einen großen Konsens Die gab es nicht, sodass jetzt über unseren Antrag der Regionen, die dieses Projekt trotz der Belas- abgestimmt wird. Das ist eben so. Wir sind immer tungen mittragen. Das sollte man nicht durch ande- diskussionsbereit und auch in der Lage, Dinge re Alternativen zerstören. Ich finde, das ist ein aufzunehmen. echtes Privileg in der Region. Deshalb mein Dank an die Akteure vor Ort dafür, dass sie das so hin- Inhaltlich geht es, wie bereits ausführt worden ist, bekommen haben - damals noch mit Minister Lies zum einen um ein Dialogforum bei der Schienen- zusammen. strecke Hannover–Bielefeld, zum anderen um die Lärmsanierung und Lärmvorsorge für die Anwoh- In diesem Sinne liegt ein guter Antrag vor, dem Sie nerinnen und Anwohner und zum dritten um die zustimmen können. Wir werden dem Antrag zu- bessere Abstimmung von Bauprojekten im DB- stimmen. Netz, speziell bei der Strecke Hannover–Bielefeld Danke fürs Zuhören. und dem Hauptbahnhof Hannover. Das alles sind

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(Beifall bei der SPD und bei der CDU) Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Minister Althusmann, dass Sie Vizepräsident Frank Oesterhelweg: meine Zwischenfrage zulassen.

Vielen Dank, Herr Kollege Klein. - Für die Landes- Sie haben sehr deutlich gesagt, dass diese große regierung erhält nun Herr Minister Dr. Althusmann Koalition für den Ausbau im Bestand steht. Das das Wort. schließt einen trassennahen Ausbau ein. Wie wol- len Sie das, was Sie mit Nordrhein-Westfalen ver- Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, abredet haben, dem Staatssekretär im Bundesver- Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: kehrsministerium, Herrn Ferlemann, klarmachen? Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Oder ist das schon klar? Gibt es die Zusage, dass Herren! Der Antrag hat eine lange Überschrift: der Staatssekretär von seinen Neubauplänen ab- „Bahnverkehr voranbringen, Bürgerbeteiligung ge- rückt, weil die GroKo in Niedersachsen den Aus- währleisten, Lärmschutz stärken“. Genau das sind bau im Bestand bzw. einen trassennahen Ausbau die drei Ziele der Niedersächsischen Landesregie- haben möchte? Oder habe ich das alles falsch rung. Insofern weist der Antrag natürlich in die verstanden, und haben Sie sich noch nicht festge- richtige Richtung. legt?

Es geht konkret darum, die Bahnverbindung zwi- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: schen Hannover und Bielefeld auszubauen. Davon Das waren jetzt drei Fragen; das dürfte erst mal müssen am Ende alle irgendwie profitieren. Das reichen. - Herr Minister, bitte schön! gilt für die Fahrgäste im Nahverkehr, für die Fahr- gäste im Fernverkehr, für die Anwohner der Stre- , Minister für Wirtschaft, cke auf niedersächsischem Gebiet, die einen bes- Dr. Bernd Althusmann Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: seren Lärmschutz erhalten sollen, und für die Un- ternehmen, die auf der Strecke transportieren wol- Ich halte diese Frage für völlig legitim, zumal es len. hinsichtlich der Zielrichtung bestimmter Baumaß- nahmen und der konkreten Auswirkungen im Land Um diesen Zielen gerecht zu werden, setzen wir Niedersachsen zwischen Bund und Land durchaus uns für einen Ausbau möglichst entlang der beste- unterschiedliche Auffassungen geben kann und henden Trasse ein. Der Antrag ist aus unserer geben muss. Insofern führen wir den Dialogpro- Sicht eine sehr gute Grundlage für eine Mitgestal- zess über die Trasse nicht nur mit den Bürgern. tung Niedersachsens. Wir befinden uns mit Herrn Ferlemann - oder bes- ser gesagt: mit dem Bundesverkehrsministerium - Ich hatte mit dem Verkehrsminister von Nordrhein- in einem ständigen Dialog. Und wir haben auch Westfalen, Herrn Wüst, vereinbart, dass wir diesen noch die Bahn. Dialogprozess gemeinsam länderübergreifend und analog dem Dialogprozess zu Alpha-E auch er- Dem Grunde nach plant und baut der Bund, die gebnisoffen führen. Das ist eine wichtige Grundla- Bahn wird als Besteller der Leistungen einbezo- ge. Ergebnisoffen heißt z. B., dass es keine Vor- gen, und wir sind sozusagen das begleitende, gabe von 300 km/h geben darf; denn das ließe nur ausführende, mitplanende Organ. Wir werden bei eine Neubaulösung zu. einer solchen Strecke nur dann auf Akzeptanz stoßen, wenn wir das analog dem Alpha-E- Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Verfahren auf eine breite Basis stellen. So stelle ich es mir auch vor. Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schulz-Hendel? Der Bund wäre schlecht beraten, würde er sich mit den zwei großen Bundesländern Nordrhein- Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, Westfalen und Niedersachsen in einer so wichtigen Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: verkehrspolitischen Frage gleichzeitig anlegen. Insofern können Sie davon ausgehen, dass Herr Ja. Wüst und ich versuchen werden, für unsere Positi- on zu werben. Der Antrag für den Ausbau eines Vizepräsident Frank Oesterhelweg: deutlich besseren Lärmschutzes ist im Übrigen die Bitte schön! Grundlage dafür.

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Unser Ziel ist die Angleichung von Lärmsanierung Bielefeld ist bereits Bestandteil des Bundesver- und Lärmvorsorge. Das ist ein wichtiger Punkt. kehrswegeplans 2030 und steht im vordringlichen Bislang haben die Anwohner an der Bahnstrecke Bedarf. Letztlich geht es darum, die vorhandenen Hannover–Bielefeld weitgehend nur eine Lärmsa- Planungen zu nutzen. Es wäre töricht, jetzt wieder nierung erhalten, und das auch nur, wenn die ganz von vorne anzufangen und damit die Reali- Häuser vor 1974 gebaut worden sind. Ich möchte, sierung weiterer Kapazitäten hinauszuschieben. dass mit dem Projekt für alle Anwohner eine Lärm- vorsorge erreicht wird, so wie es bei neueren Aus- Wir sollten bei diesem Thema entschlossen voran- baumaßnahmen gesetzlich geregelt ist. Gerne soll gehen. Wir alle wissen: Moderner Bahnverkehr ist auch der Lärmschutz darüber hinausgehen. Das auch ein Stück weit Klimaschutz. Insofern sollten haben wir beim Alpha-E-Verfahren im Übrigen wir alles dafür tun, in den nächsten Jahren die auch gemacht. Ich erinnere auch an den von die- entsprechenden Bahnverkehre in Deutschland sem Parlament einstimmig beschlossenen Ent- nachhaltig und am Ende möglichst klimaneutral zu schließungsantrag, in dem der Bund aufgefordert gestalten. Eine solche Baustrecke, die zum Teil wurde, auch außerhalb des Bundesverkehrswege- vielleicht auch einen Neubau vorsieht, voranzu- planes Mittel für den gesetzlichen Lärmschutz zur bringen, muss unser Ziel sein. Verfügung zu stellen. Ähnliches kann ich hier auch Insofern darf ich den Fraktionen herzlich dafür nur empfehlen. danken, dass sie mit uns gemeinsam vorangehen wollen. Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Herr Minister, Entschuldigung! Gestatten Sie eine Vielen Dank. Zwischenfrage des Kollegen Bode? (Beifall bei der CDU und bei der SPD) Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Ja. Vielen Dank, Herr Minister.

Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Bitte schön! Wir kommen zur Abstimmung.

Jörg Bode (FDP): Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses Vielen Dank, Herr Minister. - Ich habe eine Nach- folgen und damit den Antrag der Fraktionen von frage zu dem Komplex Lärmschutz. Sie haben SPD und CDU in der Drucksache 18/2901 unver- gerade gesagt, dass Sie die Lärmvorsorge und die ändert annehmen will, den bitte ich um sein Hand- Lärmsanierung angleichen und bei der Trasse zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Be- auch gerne darüber hinausgehen wollen. Der An- schlussempfehlung wurde mit großer Mehrheit trag spricht in der Frage eines adäquaten Lärm- gefolgt. schutzes aber nicht nur von der Trasse Hannover– Ich rufe auf den Bielefeld, sondern von allen Bahntrassen. Verste- he ich Sie richtig, dass Sie an allen Bahntrassen einen über den jetzigen Standard hinausgehenden Tagesordnungspunkt 26: Lärmschutz durchsetzen wollen? Abschließende Beratung: Niedersächsisches Rüstungsindustrie-Kataster Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: Drs. 18/3256 - Beschlussempfehlung des Aus- Nein. Ich habe mich zunächst auf Bahnstrecke schusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digita- Hannover–Bielefeld bezogen. Um die Frage kon- lisierung - Drs. 18/3956 kret zu beantworten: Unser Ziel ist es, bei der Bahnstrecke Hannover–Bielefeld eine weitgehen- de Lärmsanierung zu erreichen. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzu- Damit komme ich zum Schluss meiner Ausführun- lehnen. gen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, die Planun- Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. gen zu beschleunigen. Das Projekt Hannover–

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Ich eröffne die Beratung und gebe das Wort dem nach der Beschlussfassung im Landtag nicht beim Kollegen Schulz-Hendel von der Fraktion Bünd- zuständigen Bundesminister Altmaier nachgefragt nis 90/Die Grünen. Bitte schön! haben. Ich mache kein Hehl daraus, Herr Minister Althus- Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE): mann, dass ich schon sehr erstaunt bin, wie Sie Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! mit Beschlüssen dieses Landtages umgehen. Als Fast genau vor einem Jahr haben wir mit breiter Wirtschaftsminister dieses Landes stehen Sie in Mehrheit hier im Landtag auf Initiative unserer der Verantwortung, auch mit niedersächsischen Fraktion den Entschließungsantrag „Keine Beteili- Wirtschaftsunternehmen der Rüstungsindustrie gung niedersächsischer Unternehmen an Waffen- über Werte und Ethik bei der Ausübung ihrer wirt- exporten in Krisen- und Konfliktregionen …“ be- schaftlichen Betätigungen zu sprechen. schlossen. Dieser gemeinsame Entschließungsan- trag sollte ein Beitrag aus Niedersachsen zur Es kann Ihnen doch nicht egal sein, dass Unter- Fluchtursachenbekämpfung sein. Mit den Stimmen nehmen wie Rheinmetall Richtlinien für Rüstungs- der Fraktionen der SPD, der FDP, den Grünen exporte durch die Lieferung über Drittländer um- und, Herr Minister Althusmann, auch mit den gehen! Es kann Ihnen doch auch nicht egal sein, Stimmen Ihrer Landtagsfraktion haben wir die Lan- dass Bomben über Sardinien nach Saudi-Arabien desregierung und insbesondere Sie als zuständi- geliefert werden, um anschließend im Jemen-Krieg gen Wirtschaftsminister aufgefordert, auch in Nie- eingesetzt zu werden! Es kann Ihnen doch auch dersachsen einen verstärkten Dialog zu Rüstungs- nicht egal sein, dass Rüstungsexporte eine der exporten aus Niedersachsen zu initiieren. Hauptfluchtursachen sind! Und es kann Ihnen doch auch nicht egal sein, dass die Kirchen - und Neben dem politischen Wunsch gab es auch sei- nicht nur die Kirchen - diesen gesellschaftlichen tens der Kirchen und anderer Institutionen wie dem Dialog in Niedersachsen mehrfach eingefordert Flüchtlingsrat die Forderung, diesen Dialog auch in haben! Niedersachsen voranzutreiben. Damit ein solcher Dialog aber auf einer fundierten Datenbasis ent- Aber nicht nur Sie, Herr Minister Althusmann, stehen kann, halten wir ein niedersächsisches müssen sich die Frage nach einer Umsetzung von Rüstungskataster für unabdingbar! Gerade eine Landtagsbeschlüssen gefallen lassen. Auch die unabhängige wissenschaftliche Studie kann eine Fraktionen von CDU, SPD und FDP haben den ge- gute Grundlage für eine konstruktive öffentliche, sellschaftlichen Dialog eingefordert, lehnen aber aber auch parlamentarische Debatte sein. Wir ein Rüstungskataster als Datenbasis ab. Und auch brauchen eine Informationsbasis über tatsächliche sie haben bis heute nicht auf eine Umsetzung ih- Rüstungsexporte aus Niedersachsen heraus. Oh- res eigenen mitgetragenen Beschlusses gedrängt. ne diese Datenbasis wird der vom Landtag be- Da stellt sich durchaus die Frage, ob Sie das da- schlossene Dialog eher behindert und blockiert. mals nur wegen der positiven Außendarstellung Aber vielleicht ist es ja genau das, was Sie, Herr mitgetragen haben, in der Hoffnung, dass das Minister Althusmann, wollen. Vieles deutet darauf Thema am Ende versandet. Mir ist das nicht so hin, dass Sie den Dialog in Niedersachsen eben ganz klar. Ich fordere Sie auf, dass diese Be- nicht wollen. schlüsse des Landtages nun endlich umgesetzt Darauf deutet auch die knappe schriftliche Antwort werden. vom 4. Juni 2019 hin. Ich hatte nachgefragt, wie (Beifall bei den GRÜNEN) sich die Landesregierung vorstellt, einen Dialog, wie ihn der Landtag beschlossen hat, zu führen. Vizepräsident Frank Oesterhelweg: Die Antwort Ihres Referates: Eigene Veranstaltun- gen sind derzeit nicht geplant. - Und das rund ein Herzlichen Dank. - Für die Fraktion der CDU hat Jahr, nachdem der Landtag Sie, Herr Minister Alt- nun der Kollege Thomas Ehbrecht das Wort. Bitte husmann, dazu aufgefordert hat! Weiterhin hat Ihr sehr! zuständiges Referat zwar erklärt, dass Sie den Beschluss des Landtages an den zuständigen Thomas Ehbrecht (CDU): Bundesminister weitergeleitet haben. Aber bis Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und heute liegt keine Antwort vor. Herr Minister Alt- Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rüs- husmann, Sie müssen sich hier wirklich die Frage tungsthemen im Niedersächsischen Landtag - ich gefallen lassen, warum Sie auch rund ein Jahr könnte fast mit den Worten „A never ending story!“

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anfangen, meine sehr verehrten Damen und Her- Waffengewalt dauerhaft nicht erfolgreich sein ren. kann. Gerade die letzten Jahre haben aber ge- zeigt, dass bewaffnete Konflikte wieder eine Eska- Im Rahmen der internationalen Sicherheitspolitik lationsstufe erreicht haben, die enge Grenzen für leisten die Vereinten Nationen, die NATO und die waffenlose Konfliktlösungen ziehen. Es ist nicht Europäische Union wichtige Beiträge zur Friedens- genug, an die Diplomatie zu appellieren und an- schaffung und -sicherung. Neben dem finanziellen sonsten hilflos mit den Schultern zu zucken; denn, Beitrag hat Deutschland ebenfalls weitergehende liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, so gibt Bündnisverpflichtungen. Hierzu gehören auch Re- es auch keine Verringerung von Gewalt und Fluch- gelungen zur Rüstungskontrolle und zur Ausfuhr tursachen in der Welt. Heute habe ich im Focus von Rüstungsgütern an Partner und Verbündete. gelesen, dass derzeit über 70 Millionen Menschen Niemand in diesem Hause will in irgendeiner Wei- auf der Flucht innerhalb von Krisengebieten sind. se, meine Damen und Herren, den Einsatz deut- Meine Damen und Herren, bei aller nachvollzieh- scher Rüstungsexporte gegen eine wehrlose Zivil- baren Ablehnung von Waffengewalt darf eines auf bevölkerung unterstützen. Auch aus diesem Grund keinen Fall vergessen werden. haben wir gemeinsam den Antrag „Keine Beteili- gung niedersächsischer Unternehmen an Waffen- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: exporten in Krisen- und Konfliktregionen …“ in der Drucksache 18/1112 mit beschlossen, auf den Sie, Herr Kollege Ehbrecht, lassen Sie - - - verehrter Herr Schulz-Hendel, in Ihrem Antrag noch einmal Bezug nehmen. Thomas Ehbrecht (CDU): Wer auf die weltweiten Konflikte schaut, erkennt Damals wie heute wird deutlich, dass die Landes- schnell, dass wir für eine friedlichere Welt zivile regierung keine Umsetzungshoheit beim Thema und militärische Mittel der Konfliktlösung benöti- Rüstungsexporte hat und lediglich Appelle an die gen. Dafür brauchen wir künftig Militärbündnisse Bundes- und die Europaebene richten kann. wie die NATO. Dafür brauchen wir auch eine mo- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es derne Rüstungsindustrie in Deutschland; und auch durchaus gut und vernünftig, dass es in einem in Niedersachsen sind dort Arbeitsplätze gesichert. Landesparlament möglich ist, über Themen zu Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns im sprechen, die der Hoheit des Bundes unterliegen. zuständigen Ausschuss lange und konstruktiv mit Entscheiden können wir hier über diese Themen dem vorliegenden Thema auseinandergesetzt. Im allerdings nicht; denn es handelt sich bei der Rüs- Wirtschaftsausschuss wurden wir durch das Minis- tungskontrolle um ein rein bundespolitisches The- terium unterrichtet. Lassen Sie mich an dieser ma. Die Rüstungsexporte unterliegen strengen Stelle kurz aus dieser Unterrichtung auszugsweise Regeln, deren Einhaltung auf Bundes- und eben zitieren. nicht auf Landesebene zu kontrollieren ist. Daher ist die Landesregierung in dieser Frage ganz Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: schlicht und einfach der falsche Adressat. Herr Kollege Ehbrecht, bevor Sie daraus auszugs- (Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz weise zitieren: Der Kollege Detlef Schulz-Hendel übernimmt den Vorsitz) von der Grünen-Fraktion möchte Ihnen eine Zwi- Ich finde es deshalb doch sehr verwunderlich, dass schenfrage stellen. Lassen Sie diese zu? die Fraktion der Grünen solche Anträge immer wieder in den Landtag einbringt, wohl wissend - Thomas Ehbrecht (CDU): zumindest hoffe ich das -, dass der Niedersächsi- Sehr gerne. sche Landtag der falsche Ort für eine solche Dis- kussion ist. Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: (Zustimmung bei der CDU) Bitte schön, Herr Kollege!

Dieser Antrag ist nämlich, wenn ich mich richtig Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE): erinnere, bereits der dritte in dieser Legislaturperi- Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage ode zu dieser Thematik. zulassen. Ich mache es auch ganz kurz und Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere schmerzlos. Sie haben hier vorgetragen, dass wir Überzeugung, dass eine Konfliktlösung nur mit für alles das, was wir im letzten Jahr gemeinsam -

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auch mit Ihrer Stimme - beschlossen haben, nicht sächsisches Rüstungsindustrie-Kataster‘, zuständig sind. Können Sie mir im Nachhinein basierend auf öffentlich zugänglichen Infor- erklären, warum Sie dem Antrag vor einem Jahr mationen, welche durch die originären Bun- überhaupt zugestimmt haben? deszuständigkeiten, das Urteil des Bundes- verfassungsgerichts und die Unschärfe der (Beifall bei den GRÜNEN) Bundes-Statistik eingeschränkt werden, ebenfalls nicht die geforderte Qualität auf- Thomas Ehbrecht (CDU): weisen könnte.“ Herr Kollege Schulz-Hendel, wir haben - auch auf- grund Ihrer Initiative - die Intention aufgenommen - Meine Damen und Herren, nach den eben von mir vier Fraktionen -, diese Sache als Initiative an die zitierten Einschätzungen des Wirtschaftsministeri- Bundesregierung zu übergeben. Das hat das Wirt- ums und nach den konstruktiven Beratungen im schaftsministerium auch gemacht, um dort den zuständigen Ausschuss können wir daher nur zu Dialog zu führen. Das haben wir mit unterstützt. dem Schluss kommen, dass keine Notwendigkeit für ein eigenes landesweites Rüstungsindustrie- (Beifall bei der CDU) Kataster besteht. Wir werden deshalb den einge- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich brachten Antrag ablehnen. möchte hier zitieren: Meine Damen und Herren, der Niedersächsische „,Zuständig für statistische Informationen in Landtag ist ein Ort für innenpolitische Debatten. Deutschland ist das Statistische Bundesamt. Die Außenpolitik sollten wir also doch vornehmlich Die vom Statistischen Bundesamt erhobe- dem Bundestag überlassen. nen Daten zu den tatsächlichen Ausfuhren Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. beschränken sich auf Kriegswaffen. Um über das Thema Rüstungsexporte zu infor- (Beifall bei der CDU) mieren, veröffentlicht das BMWi regelmäßig einen detaillierten Bericht über die Ausfuhr- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: genehmigungen für Rüstungsgüter. Die Be- Vielen Dank, Herr Ehbrecht. Für die SPD-Fraktion richte enthalten u. a. Angaben in aggregier- hat sich die Kollegin Frau Abgeordnete Emmerich- ter Form zu dem Empfängerland, dem Wert Kopatsch zu Wort gemeldet. Bitte schön! der erteilten Einzelausfuhrgenehmigungen und der Art der exportierten Rüstungsgü- ter ... Petra Emmerich-Kopatsch (SPD): Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Zusätzliche Informationen, wie die Vertei- und Kollegen! Lieber Kollege Schulz-Hendel! Nach lung der Rüstungsexporte auf die einzelnen den Angriffen auf die Öltanker sehen wir insgesamt Bundesländer, werden grundsätzlich nur in- eine sehr kritische Lage im Nahen Osten, und die soweit erteilt, wie dem keine gegenläufigen Konfliktherde werden weiter geschürt. Kriegerische Verfassungswerte, wie z. B. Geschäfts- und Handlungen sind insgesamt nicht mehr auszu- Betriebsgeheimnisse oder Staatswohlinte- schließen. Eine komplett risikoreiche Lage! Der ressen entgegenstehen.“ Krieg im Jemen ist - wie Sie schon richtig sagten - Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrol- keinesfalls beendet. Auch Syrien und Afghanistan le - kurz: BAFA - sind noch nicht befriedet. Die Kriegstreiber sitzen allerdings nicht in Niedersachsen und eigentlich „weist darauf hin, dass Anträge nach dem auch nicht in der Bundesrepublik Deutschland, Außenwirtschaftsgesetz - AWG - statistisch meine Damen und Herren. in dem Bundesland erfasst werden, wo sie vom Antragsteller gestellt werden. Diese Da- Liebe Kolleginnen und Kollegen, von daher stellt ten geben daher nicht notwendigerweise der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen einen un- Aufschluss über den tatsächlichen Produkti- sinnigen Zusammenhang zwischen Standorten der onsstandort oder den tatsächlichen Aus- wehrtechnischen Industrie und den rüstungsex- fuhrort von Rüstungsgütern.‘ portpolitischen Entscheidungen der Bundesrepub- lik her. Herr Schulz-Hendel, wo soll den ein U-Boot Nach diesen Ausführungen des BAFA be- oder eine Fregatte gebaut werden, wenn nicht an steht somit die Möglichkeit, dass eine unab- den Küstenstandorten in Norddeutschland? hängige wissenschaftliche Studie ,Nieder-

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(Heiner Schönecke [CDU]: In Lüne- darauf hingewiesen, dass die Kriege und Bürger- burg!) kriege unserer Zeit vor allem mit Kleinwaffen und nicht etwa mit Panzern, U-Booten oder Fregatten Die entscheidende Frage ist doch nicht, wo Unter- geführt werden. nehmen ihren Sitz haben, sondern ob sie im Rah- men der beiden einschlägigen Gesetze - nämlich Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregie- dem Kriegswaffenkontrollgesetz und dem Außen- rung ist zudem seit der vorletzten Koalitionsverein- wirtschaftsgesetz - arbeiten. Natürlich tun sie das - barung auf Drängen dazu verpflichtet worden, den wenn nicht, würden sie sich schließlich strafbar Deutschen Bundestag regelmäßiger und zeitnaher machen. In welchem Umfang diese Unternehmen zu informieren, und die inzwischen halbjährlichen Rüstungsaufträge mit dem Ziel des Exports an- Berichte weisen ein weitaus höheres Maß an nehmen und nach Fertigstellung auch tatsächlich Transparenz als in der Vergangenheit auf. ins Ausland - egal ob NATO, EU oder Drittstaat - Liebe Kolleginnen und Kollegen, der letzte Rüs- liefern, unterliegt nicht der Entscheidungsbefugnis tungsexportbericht zeigt eindrücklich, dass diese des jeweiligen Unternehmens, sondern wird nach Politik Erfolg hat. Das liegt an der restriktiven Ge- Artikel 26 des Grundgesetzes der Bundesrepublik nehmigungspraxis der Jahre davor. Denn jeder geregelt. Die Bundesregierung vollzieht diese Ent- Export wirkt sich mit zeitlicher Verzögerung und scheidung dann im sogenannten Bundessicher- erst dann aus, wenn die Güter dann auch herge- heitsrat, und die Bundesregierung hat sich dabei stellt worden sind. Manchmal können Jahre dazwi- an die schon genannten Bundesgesetze zu halten schen liegen. Jetzt sieht man in der Statistik, dass wie auch an die seit dem Jahr 2000 geltenden und es eine Senkung gibt. Gerade unser damaliger mehrfach verschärften Rüstungsexportrichtlinien. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat in Diese Exportrichtlinien stammen übrigens aus der seiner Zeit sehr viel dazu beigetragen, dass Expor- Zeit der rot-grünen Bundesregierung. Auf dieser te gestoppt oder nicht genehmigt wurden. Grundlage hat Deutschland mit der Zustimmung (Detlev Schulz-Hendel [GRÜNE]: Ach der Grünen Rüstungsgüter auch in hochproblema- herrje!) tische Länder am Golf geliefert, weil es für die damaligen Minister und Jürgen Lieber Herr Schulz-Hendel, es handelt sich also Trittin offenbar um die Durchsetzung nationaler aus gutem Grund um eine bundesstaatliche Zu- Interessen Deutschlands ging. ständigkeit. Was soll ein niedersächsisches Lan- deskataster an Aufklärung und Erkenntnis brin- (Miriam Staudte [GRÜNE]: Das ist gen? Wissen dann alle mehr über Rüstungsex- aber schon sehr lange her!) portpolitik und die Folgen? Welche Auskunft gibt Liebe Kolleginnen und Kollegen, manches davon uns ein solches Kataster darüber, ob die gefertig- wäre allerdings nach der Verschärfung der Ex- ten Produkte bundeslandbezogen nur Zulieferun- portrichtlinien heute nicht mehr möglich. Diese gen für andere Mitgliedsaaten der EU sind, zu Rüstungsexportrichtlinien sagen z. B. eindeutig denen wir uns verpflichtet haben? Was meinen aus, dass ausschließlich Fragen des nationalen Sie? - Wir sind der Ansicht, das geforderte Katas- Interesses den Ausschlag für die Genehmigung ter beantwortet keine dieser Fragen. Es wäre viel- oder Verweigerung eines Exports von Rüstungsgü- mehr ein unscharfes und falsches Bild, was dort tern geben dürfen. Es wird sogar ausdrücklich abgegeben würde. Wir hätten eigentlich gar nichts darauf hingewiesen, dass wirtschaftliche Interes- gewonnen. Die Herkunft aus einem Bundesland sen und auch Arbeitsplätze kein Argument sind, bringt keinen Erkenntnisgewinn. um einen Rüstungsexport zu genehmigen. Zuletzt Was hier passiert, ist eigentlich, dass Unterneh- hat sich die Bundesregierung im Rahmen der Koa- men und ihre Beschäftigten in das Scheinwerfer- litionsvereinbarungen darauf verständigt, dass licht gestellt werden, die aber nichts anderes tun, sogenannte Drittstaaten, also Länder außerhalb als im Rahmen der Gesetze der Bundesrepublik der EU und der NATO und des Kreises vergleich- und des nationalen Interesses der Bundesrepublik barer Staaten, keine Kleinwaffen mehr exportiert zu arbeiten. Wer diese Unternehmen allerdings bekommen dürfen. Das ist ein großer Fortschritt. nicht in Niedersachsen haben will, der kann das Denn die Gemeinsame Konferenz Kirche und Ent- natürlich sagen oder für den Bundestag kandidie- wicklung, die in Deutschland seit vielen Jahren die ren und dort die Gesetze ändern. Hier haben wir wohl detaillierteste Kontrolle deutscher Rüstungs- diese Möglichkeit nicht. exporte im NGO-Bereich vornimmt, hat zu Recht

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Wir sind der Meinung, dass dieses Kataster nicht erhalten werden. Dies bedeutet auch: Wenn es zur Aufklärung beiträgt. Wir würden uns lieber über aufgrund von kriegerischen Auseinandersetzungen Fragen der Rüstungsgüter der Zukunft unterhalten nicht möglich ist, bestelltes Material oder auch wie über den ethisch-moralisch vertretbaren Ein- Großgerät an einen Kunden zu übergeben, sollen satz von Künstlicher Intelligenz, Drohnen, Hyb- alle Partner oder zumindest die an der Entwicklung ridwaffen und über alles, was in Zukunft wahr- und Produktion beteiligten Länder zusammen aus- scheinlich auf uns zukommt. Da würden wir gern loten, ob das Material von den eigenen Streitkräf- an einem Antrag mitarbeiten. Ansonsten lehnen wir ten abgenommen werden kann. Wenn dies nicht diesen Antrag ab, arbeiten aber gern weiter mit der Fall ist, sollte man eine zivile Verwendung Ihnen zusammen, wenn es um die Bekämpfung prüfen. der Fluchtursachen geht. Um ein Beispiel zu nennen: Für Saudi-Arabien (Beifall bei der SPD und bei der CDU) bestimmte Patrouillenboote aus der Peene-Werft in Wolgast könnten, so die bauliche Ausgestaltung Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: dies zulässt, bei der Bundeswehr, der Wasser- Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion hat sich der schutzpolizei oder auch zur Abwehr von Schlep- Abgeordnete Henze zu Wort gemeldet. Bitte perbanden und der illegalen Migration bei Frontex schön! eingesetzt werden. Sie sehen: Man kann die wehr- technische Entwicklung und damit die Verteidi- Stefan Henze (AfD): gungsfähigkeit und die Arbeitsplätze erhalten, Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und wenn man bereit ist, auch mal andere Wege zu Herren! Einführend weise ich darauf hin, dass ein gehen. Wir würden uns freuen, wenn Sie diese Rüstungskataster immer eine Bundesangelegen- Wege mit uns beschreiten würden. heit sein wird und wir hier auf Landesebene allen- Vielen Dank. falls dezente Hinweise geben können, wohin die Reise gehen soll. Das haben auch meine Vorred- (Beifall bei der AfD) ner ein ums andere Mal den Grünen ins Stamm- buch geschrieben. Da das aber jetzt auf dem Tisch Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: liegt, warum nicht einmal über Bundespolitik re- Danke. - Für die FDP-Fraktion spricht der Abge- den? ordnete Bode. Bitte schön! Grundsätzlich ist festzustellen, dass an Krieg füh- rende Staaten keine Waffen geliefert werden dür- Jörg Bode (FDP): fen. Gleichzeitig - das haben wir auch in verschie- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! denen Formen gehört - wollen wir den Erhalt der Sehr geehrter Herr Kollege Schulz-Hendel, bei Schlüsseltechnologien, unserer wehrtechnischen aller Freundschaft: Den Vorwurf, dass zumindest Industrie und der rund 200 000 Arbeitsplätze in die Fraktion der FDP den gemeinsamen Antrag vor Deutschland. einem Jahr nicht ernst genommen hat, weise ich Wenn wir das wollen, dann müssen wir auch der für uns entschieden und auch mit Empörung zu- wehrtechnischen Industrie Märkte öffnen. Denn die rück. Bundeswehr ist aufgrund ihrer kleinen Abnahme- (Zustimmung bei der FDP) mengen nicht in der Lage, so viele Güter abzu- nehmen, dass die wehrtechnische Industrie sie Ich habe in den letzten Monaten mehrfach mit allein in Deutschland innovativ entwickeln und Rheinmetall das Gespräch gesucht und gerade entsprechend dem Weltmarktstandard produzieren diese Fragestellung, wie man mit unterschiedlichen kann. Daher braucht sie Planungssicherheit und Exportrichtlinien umgeht, angesprochen und die Vertrauensschutz durch Genehmigungsverfahren, Situation entsprechend kritisiert und auch dort für gerade wenn es um Kooperationen mit Frankreich, einen entsprechenden Einsatz für Lösungen ge- England und Italien geht. Solche Entwicklungen worben. Ich habe auch die verteidigungspolitische dauern ja viele Jahre. Das hat meine Vorrednerin Sprecherin der Bundestagsfraktion der FDP in den gerade auch angesprochen. Wahlkreis vor Ort eingeladen und ebenfalls für dieses Thema sensibilisiert. Dass wir selber von Wichtig ist: Die Verteidigungsfähigkeit - noch ein- uns aus nichts dazu beitragen, wo dies möglich mal: Verteidigungsfähigkeit - unseres Landes muss wäre, weise ich also zurück. im Einklang mit unseren internationalen Partnern

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Im Ausschuss war ich es auch, der die Landesre- Werftenland wie Niedersachsen deutlich schwan- gierung gefragt hat, was sie eigentlich für den ge- ken. sellschaftlichen Dialog tun will, getan hat und auf Von daher sind das Anliegen und Ansinnen, die- der Agenda hat. Für uns weise ich das von daher sen gesellschaftlichen Diskurs voranzubringen, zurück, gerade weil unsere Mitarbeiter damals absolut richtig. Ich würde mir auch wünschen, dass gemeinsam maßgeblich die Einigung initiiert ha- die Landesregierung hier ein bisschen in die Pu- ben, als es zwischen Abgeordneten tatsächlich schen kommen würde. Denn es kann ja nicht sein, nicht mehr ging. In Bezug auf die GroKo mag das dass der Landtag Beschlüsse - auch einstimmige sein, in Bezug auf die FDP aber ganz bestimmt Beschlüsse - fasst und dann die Umsetzung liegen nicht. bleibt. Wir haben ja heute bei einem anderen Meine sehr geehrten Damen und Herren, dennoch Punkt erlebt, dass die GroKo selber bei Umweltmi- werden wir dem Antrag eines Rüstungskatasters nister Lies durch eine neue Beschlussfassung für Niedersachsen nicht folgen können. Denn es angemahnt hat, er möge die Drucksache 18/33 - stellen sich auch die Fragen, welchen Mehrwert es geht dabei um Grünschnitt bei Bahnlinien - end- man mit einer solchen Aussage bekommt und lich umsetzen - das war eine der ersten in dieser welche Aussagekraft ein solches länderspezifi- Legislaturperiode -, weil man mit ihm nicht zufrie- sches Kataster hat. Denn auch in der Rüstungsin- den ist. Es kann natürlich auch hier nicht angehen, dustrie wird nicht alles einheitlich an einem Stand- dass diese Beschlüsse nicht umgesetzt werden. ort gefertigt. Ein Beispiel ist Rheinmetall. Auch Sie Ich weiß sehr wohl, Herr Minister Althusmann, haben ja in der letzten Zeit nach dem, was ich dass das nicht bei Ihnen ruht und liegt und dass gehört habe, einen Dialog mit Rheinmetall geführt. hier auch die Staatskanzlei einen gehörigen Anteil Beispielsweise der Panzerstahl wird nicht in Nie- an Verantwortung hat. dersachsen gefertigt, aber nur durch das Ziehen Deshalb: Mehr Engagement in diesem Bereich und und Drehen in Niedersachsen wird aus dem Pan- das Parlament, wenn es einstimmige Beschlüsse zerstahl beispielsweise entweder eine Schutzein- gibt, auch ein bisschen ernst nehmen! Das ist nicht richtung für Transportsysteme oder eine Kanone. für die Galerie, sondern dafür, dass Sie etwas tun. Wo ist das dann rüstungstechnisch bei dem Katas- ter anzusiedeln, wenn es sozusagen beider Länder Herzlichen Dank. bedarf, um zu einem Produkt zu kommen? Bei- (Beifall bei der FDP - Minister Pistori- spielsweise beim Schützenpanzer „Puma“ gibt es us spricht mit Abgeordneten der ein Joint Venture insbesondere von zwei großen GRÜNEN) Konzernen, von denen der eine die Wanne und der andere den Turm baut. Erst dadurch, dass Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: beides zusammengeführt wird, wird das zu einem Panzer. Wäre das dann Niedersachsen zuzuord- Vielen Dank, Herr Bode. - Bevor Minister Althus- nen? Wäre es KraussMaffei? Wäre es dem Joint- mann zu Wort kommt, bitte ich darum, dass sich Venture-Konzernsitz in Hessen zuzuordnen? Wel- das Kleeblatt dort hinten auflöst. - Das Kleeblatt chen Mehrwert oder welche Aussagekraft bekä- dort hinten! men wir tatsächlich, wenn das aufgeteilt würde? (Helge Limburg [GRÜNE]: Die De- monstration war aber angemeldet!) Ich glaube von daher: Es ist richtig, dass wir dieses Thema auch mit Zahlen und Fakten untersuchen - Auch der Innenminister reicht nicht für eine sol- und dass wir das auch thematisieren. Das können che Anmeldung. Hier im Plenarsaal hat das Präsi- wir jedoch nur national, also bundesweit, in Rele- dium das Sagen. Wir haben uns das schon etwas vanz und Bedeutung bringen und Veränderungen länger angeschaut. entsprechend bewerten. Denn es ist ja auch so: Lüneburg bekommt eine neue Schleuse. Aber ich Bitte, Herr Minister Dr. Althusmann! würde infrage stellen, dass es sinnvoll wäre, dort eine Werft zu bauen, die U-Boote herstellt. Wenn Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, man mehr U-Boote oder mehr Schiffbau hat, kann Arbeit, Verkehr und Digitalisierung: ein entsprechendes länderspezifisches Kataster Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und zwischen Bayern, die definitiv U-Boote nicht bauen Herren! Ich will es kurz machen. Dieser Antrag, können - von dort könnte zum U-Boot-Bau höchs- eine Studie für ein Rüstungskataster auf der Basis tens zugeliefert werden -, und einem Küsten- und öffentlich zugänglicher Daten in Niedersachsen zu

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erstellen und die dafür notwendige Finanzierung Das Volumen der von der Bundesregierung erteil- von mindestens 50 000 Euro bereitzustellen, ist ten Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter ist zwar von den Grünen möglicherweise nett und gut im vergangenen Jahr um 23 % gegenüber 2017 gemeint, aber er will den falschen Anschein erwe- und damit deutlich zurückgegangen. Die Bundes- cken, wir könnten hier in Niedersachsen die Rüs- regierung verwies in ihrer Zuständigkeit auf eine tungs- und Sicherheitspolitik gestalten. Das ist die restriktive, verantwortungsvolle Rüstungsexportpo- ureigenste Aufgabe der Bundesregierung. Das gibt litik, und zwar in jedem Einzelfall unter Einbezie- auch unsere grundgesetzliche Lage so her. hung außen- und sicherheitspolitischer Erwägun- gen. Dieser Antrag wurde in den Ausschüssen mehr- fach mit breiter Mehrheit abgewiesen, insbesonde- Diese Aussage und Entwicklung entspricht dem re deshalb, weil die Zuständigkeiten auch bei Rüs- Geist dieser Landtagsentschließung in der Druck- tungsexporten nach dem Grundgesetz und den sache 18/1112, „Keine Beteiligung niedersächsi- weiteren Bestimmungen der Bundesregierung scher Unternehmen an Waffenexporten“, die ich in obliegen. An dieser Stelle sei auch auf die Antwor- meinem Schreiben vom 4. Oktober dem zuständi- ten auf verschiedenste Kleine Anfragen der Frakti- gen Bundesminister für Wirtschaft und Energie on Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die übersandt hatte. Derzeit sind auch keine eigenen Linke im Deutschen Bundestag zur Beschränkung Veranstaltungen geplant. Eine Diskussion zu die- der Auskunftspflicht bei den Bewertungs-, Abstim- sem Thema muss auf Bundesebene geführt wer- mungs- und Entscheidungsprozessen der Rüs- den. Dafür setzen wir uns ein. tungsexportkontrolle nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 21. Oktober Eine kleine Randnotiz zum Schluss mit Blick auf 2014 hingewiesen. Das ist auch im Deutschen Herrn Schulz-Hendel und den Antrag, der einen Bundestag immer und immer wieder wiederholt falschen Anschein erweckt: Eingeführt hatte Rot- worden. Diese Prozesse unterfallen dem Kernbe- Grün die sogenannten Rüstungsexportberichte, reich der exekutiven Eigenverantwortung. und zwar im Jahr 1999. Damals - im Jahr 1999 - wurden u. a. nach Saudi-Arabien Waffen in einem Nach dem Urteil beschränkt sich die Auskunfts- Gegenwert von 26,1 Millionen Euro exportiert. In pflicht bei Unterrichtungen des Parlaments nur auf den folgenden Jahren bis 2004, in diesen fünf Jah- abschließende positive Genehmigungsentschei- ren der Bundesregierung mit Gerhard Schröder an dungen sowie die Eckdaten von genehmigten Aus- der Spitze, wurden am Ende 2004 Waffen im Ge- fuhrvorhaben, d. h. Art und Anzahl der Rüstungs- genwert von 60 Millionen Euro nach Saudi-Arabien güter, das Empfängerland und das Gesamtvolu- exportiert - mit Beteiligung der Grünen. In den men. darauf folgenden Jahren 2008, 2009 der Großen Dennoch sind wir nicht untätig geblieben, wie Herr Koalition mit Beteiligung der SPD stiegen diese Abgeordneter Bode uns gerade vorgeworfen hat. Exporte auf 170 Millionen Euro. Wir haben uns beim Bundesamt für Wirtschaft und (Zuruf von der CDU: Aha!) Ausfuhrkontrolle, dem BAFA, um Auskunft zu Da- ten über Rüstungsexporte und Technologietrans- Insofern hat das zumindest dann einen anderen fers aus Niedersachsen gekümmert und um Aus- Anschein oder bekommt dann auch einen anderen kunft geben. Das BAFA verwies darauf, dass der Geschmack, wenn man sich noch einmal verge- jährliche Rüstungsexportbericht die Ausfuhren im genwärtigt, dass man in Regierungsverantwortung rechtlich zulässigen Rahmen erläutere und keine oftmals zu anderen Entscheidungen kommt als nur weiteren als die oben angegebenen Informationen bei der Formulierung eines Entschließungsantrags. veröffentliche. Im Weiteren erfolge keine Her- kunftsangabe nach Bundesländern. Dies mache Vielen Dank. auch aufgrund der meist bundesländerübergrei- (Zustimmung bei der CDU - Zuruf von fenden Konzernstrukturen schlicht keinen Sinn. der SPD: Hört, hört!) In der Summe sind diese Fakten in einer Studie aus öffentlich zugänglichen Informationen nicht Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: sinnvoll. Es kann auch keine verwertbare Aussage Vielen Dank, Herr Minister Dr. Althusmann. - Die für Niedersachsen getroffen werden. FDP-Fraktion hat um zusätzliche Redezeit nach Vielleicht wissen Sie, dass heute das Bundeskabi- § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung gebeten. nett den Rüstungsexportbericht 2018 gebilligt hat. Eine Restredezeit von einer Sekunde ist noch da.

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Wir stocken auf eine Minute auf, Herr Bode. Bitte lung des Ausschusses für Rechts- und Verfas- schön! sungsfragen - Drs. 18/3957

Jörg Bode (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister Alt- Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag in husmann, jetzt verstehe ich auch, warum das wie- geänderter Fassung anzunehmen. der schiefgeht, nämlich weil Sie nicht richtig dar- Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. über informiert worden sind, was im Ausschuss wirklich bemängelt worden ist. Für die FDP-Fraktion hat sich Dr. Stefan Birkner zu Wort gemeldet. Bitte schön! Ich habe nicht bemängelt, dass Sie diese Informa- tionen nicht beigeholt haben, sondern im gemein- Dr. Stefan Birkner (FDP): samen Entschließungsantrag ist ein Punkt, in dem Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und der gesamte Landtag die Landesregierung auffor- Herren! Mit dem Antrag „Für eine digitale Radiozu- dert, einen gesellschaftlichen Dialog zu initiieren kunft“ haben wir im Kern beantragt und direkt in und zwischen Politik, Wirtschaft, anderen interes- den Ausschuss eingebracht, dass wir uns bei der sierten und dazugehörigen Gruppen zu führen, um Frage, wie künftig Radio übertragen wird, darauf die ethischen und moralischen Fragestellungen zur konzentrieren, dass dies tatsächlich digital und Weiterentwicklung der Rüstungsexportstrategien über das Internet geschehen soll. zu diskutieren, fortzuentwickeln und dadurch Im- pulse zu setzen. Ihre Antwort eben war ja auch Gleichzeitig beantragen wir, dass wir kein UKW- wieder: Es sind keine Veranstaltungen geplant. Abschaltdatum festlegen, weil wir sehen, dass Radio in Deutschland immer noch von 92 % der Ich weiß wohl, dass es dafür keine Veranstaltung Menschen über UKW empfangen wird. des Wirtschaftsministeriums geben muss, sondern dass die aus der Staatskanzlei kommen. Deshalb Bei dieser Kombination von zukünftig digitalem wollten Ihre Mitarbeiter da ja auch noch einmal Radioempfang und mit Blick auf die Realität bei nachhaken. Es geht aber um diesen Punkt, dass UKW sind wir der Überzeugung, dass das, was wir sagen, Sie sollen eine gesellschaftliche Debat- man sich seit 20 Jahren in Deutschland vorge- te darüber initiieren, und dass sich die Landesre- nommen hat, nämlich diese DAB+-Technologie auf gierung anscheinend weigert, diesen umzusetzen - den Weg zu bringen, ein Weg ist, der sich nicht wer von Ihnen auch immer. bewährt hat, sondern dass man hier neue Wege (Beifall bei der FDP und bei den gehen muss und sich insbesondere von der Förde- GRÜNEN) rung von DAB+ über die Rundfunkbeiträge verab- schieden muss. Denn es zeigt sich, dass DAB+ am Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Ende eine teure Übergangstechnologie ist, die nicht zielführend ist. Vielen Dank. - Es liegen keine weiteren Wortmel- dungen vor. Damit schließe ich die Beratung. Insbesondere lässt sich beobachten, dass digitaler Radioempfang, der zukunftsfähig ist und in der Wir kommen zur Abstimmung. Zukunft Realität sein wird, bereits dort, wo er ge- Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses schieht, über Smartphones, Smartspeaker und folgen und damit den Antrag der Fraktion Bünd- andere digitale Endgeräte erfolgt. nis 90/Die Grünen in der Drucksache 18/3256 Deshalb sind wir der Auffassung, dass man eben ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - kein UKW-Abschaltdatum festsetzen soll, dass Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Stimm- man die Technologie, die sich bewährt hat und enthaltungen sehe ich nicht. Daher mehrheitlich funktioniert, zunächst weiter nutzen soll und dass abgelehnt. man bei DAB+ keine weitere Förderung aus den Wir kommen zu dem Beiträgen vornehmen sollte, weil eine Einführung von DAB+ für die öffentlich-rechtlichen Sender und die Förderung über die Rundfunkbeiträge ein rela- Tagesordnungspunkt 27: tiv einfacher Weg ist, aber eben auch - das ist Abschließende Beratung: gerade in Niedersachsen von großer Relevanz - Für eine digitale Radiozukunft - Antrag der Frak- für die privaten Sender eine große Herausforde- tion der FDP - Drs. 18/1955 - Beschlussempfeh- rung ist, die dann parallel zwei Technologien fi-

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nanzieren müssten und bei denen eine Refinanzie- Dr. Alexander Saipa (SPD): rung nicht gewährleistet ist. Das würde dann am Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ende wiederum auch die Vielfalt in Niedersachsen Bei dem Antrag sind wir uns alle einig, und deswe- gefährden. Also auch deshalb eine Beendigung gen möchte ich mich in meinen Ausführungen nur der Förderung von DAB+ aus den Rundfunkbeiträ- noch auf ein paar Punkte von Herrn Dr. Birkner gen! Das ist sozusagen die Intention, mit der wir beziehen, der eben ja schon vieles ausgeführt hat. diesen Antrag eingereicht und auch im Ausschuss beraten haben. Nichtsdestotrotz möchte ich noch einmal deutlich machen, dass für uns auch durch die umfangrei- Ich möchte mich ausdrücklich bei den Kolleginnen che Anhörung im Ausschuss, die wirklich sehr gut und Kollegen und den anderen Fraktionen bedan- war, noch einmal klar geworden ist, dass hierzu- ken, dass wir hier eine sehr intensive und, wie ich lande Radio von den Menschen überwiegend über finde, sehr aufschlussreiche Anhörung durchge- UKW gehört wird. führt haben, die uns in diesen Aussagen und in den Grundannahmen, die wir diesem Antrag zu- Ich finde auch, als Landespolitiker haben wir den grunde gelegt haben, bestätigt hat. Auftrag, deutlich zu machen, wie mit einer durch- Heute werden wir ja aller Voraussicht nach zu aus nicht mehr ganz modernen Technik wie DAB+ einem breit getragenen, wenn nicht sogar einstim- in den kommenden Jahren umzugehen ist - be- mig getragenen Beschluss kommen können, der sonders in dem Wissen, dass sich diese Technik am Ende vorsieht, dass wir die Landesregierung bisher bei uns, also bei den Verbraucherinnen und auffordern, zusammen mit dem Bund, den anderen Verbrauchern hier in Deutschland, nicht durchset- Ländern sowie den privaten und öffentlichen Sen- zen konnte. dern einen marktgerechten Übergang in eine digi- Die Ultrakurzwelle - UKW - ist, technisch gesehen, tale Radiozukunft zu gestalten und hierfür ein Kon- fast ein Relikt aus Urzeiten. 1949 ging der erste zept zu erarbeiten, das es in dieser Form noch UKW-Sender des Bayerischen Rundfunks an den nicht gibt. Start. Bis heute dominiert dieser Standard das Zweitens geht es darum, dass wir uns gegen ein deutsche Radio. Obwohl technisch überlegen, hat UKW-Abschaltdatum aussprechen, und darum, das Digitalradio einen schweren Stand: Gerade dass wir uns - drittens - innerhalb des Systems von einmal 6 % der Nutzer hören vorwiegend über Rundfunkauftrag und Rundfunkfinanzierung für DAB+, während UKW für fast 70 % der Nutzer die eine Beendigung von DAB+ zugunsten des Auf- Hauptempfangsart ist, wie es aus dem Digitalisie- baus zukunftsoffener Technologien wie z. B. dem rungsbericht Audio 2018 der Medienanstalten her- 5G-Standard einsetzen. vorgeht. Sogar das Internetradio ist mit knapp 10 % als Nutzungsart verbreiteter als DAB+. Ich empfinde dies als sehr positives und mutiges Signal und einen starken medienpolitischen Im- Ich finde, diese Zahlen können wir nicht ignorieren. puls, der von Niedersachsen in die bundesweite Wir müssen Vorschläge für die Zukunft machen - Debatte ausgeht, insbesondere im Hinblick auf die auch unter dem Aspekt, dass die europäische Beendigung der DAB+-Förderung aus Beitragsmit- Ebene bessere Bedingungen für DAB+ schaffen teln, weil es eben eine Übergangstechnologie ist wollte und im letzten Jahr beschlossen hat, dass und diese Beitragsmittel, wenn wir denn einmal neue Autos künftig - ab 2021 - mit Digitalradios den Auftrag formuliert haben, sicherlich zielgenau- ausgestattet sein müssen. Es ist aber fraglich, ob er und besser für die Auftragserfüllung anstatt für sich dadurch ein Umdenken bei den Verbrauchern eine Übergangstechnologie eingesetzt werden etabliert. Denn wenn man heute mit dem Auto können. durch Niedersachsen fährt - ich denke, das werden viele von uns machen; denn viele sind mit dem Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Auto unterwegs -, merkt man, dass der DAB+- (Beifall bei der FDP und Zustimmung Empfang nicht immer ganz rund läuft. Die meis- von Christian Meyer [GRÜNE]) ten - so war es zumindest bei mir - sind dann be- stimmt wieder auf UKW oder Internetradio umge- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: schwenkt. Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Für die SPD-Frak- Klar ist, dass wir in Zukunft - es ist richtig, was Herr tion: der Abgeordnete Dr. Alexander Saipa. Bitte Birkner gesagt hat - ein klares Konzept brauchen; schön! denn Internetradio kann man zwar heute schon

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hören, aber wir brauchen dafür dringend eine viel sein kann. Was hier passiert, ist eine unglaubliche bessere Mobilfunkversorgung und in Zukunft natür- Geldverschwendung. Und der ist Einhalt zu gebie- lich auch andere Modelle mit Blick auf die Nutzung ten. DAB+ ist ein schönes Beispiel dafür, wie es von Datenvolumen. nicht laufen sollte, wohin dieser Rundfunkbei- tragswahn führen kann, sehr geehrte Damen und Ich möchte nicht weiter auf die Inhalte eingehen. Herren. Herr Birkner hat die drei Punkte, die wir fordern, genannt. Ich freue mich sehr, dass wir mit dem von Wir unterstützen den Antrag - ganz klar. Er ist rich- uns eingebrachten Änderungsvorschlag einen tig. DAB+ hat sich nicht bewährt; davon muss man Konsens aller Fraktionen im Landtag herstellen loskommen. Die Zukunft sieht anders aus. Auch konnten. Das freut mich insbesondere deshalb, ein Abschaltdatum für UKW ist sicherlich verkehrt. weil wir so gemeinsam zeigen, dass die Zukunft Wir haben in einer umfassenden Ausschussbera- des Radios für uns sehr wichtig ist. Die Menschen tung, die diesen Namen auch verdient, in einer hören einfach Radio, und wir wollen sie darin un- breiten Anhörung lernen können, dass es gerade terstützen, auf dem besten Weg Radio zu hören. für die Privatsender wirtschaftlich quasi gar nicht machbar ist, neben der Investition im UKW-Bereich Vielen Dank. noch in den DAB+-Bereich zu investieren. Würde (Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei man DAB+ weiter betreiben, wäre das im Endef- den GRÜNEN und bei der FDP) fekt nur eine Marktverzerrung zugunsten des öf- fentlich-rechtlichen Rundfunks, der, wie gesagt, Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: das Geld dafür aus den Rundfunkbeiträgen be- Vielen Dank Ihnen. - Für die AfD-Fraktion liegt eine kommt, und zulasten der Privaten. Das unterstüt- Wortmeldung des Abgeordneten Christopher Em- zen wir von der AfD-Fraktion selbstverständlich den vor. Bitte! nicht. Deshalb werden wir diesem Antrag zustim- men. Christopher Emden (AfD): Danke. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- (Beifall bei der AfD) ren! Ja, die Diskussion über DAB+ zeigt, wohin Rundfunkbeiträge führen können. Das ist eine Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Technologie, die sich über zwei Dekaden um Ak- zeptanz bemüht hat. Bis ungefähr 2025 werden - Vielen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die so sind die Schätzungen -, wenn wir es nicht vor- Grünen: der Abgeordnete Christian Meyer. Bitte her stoppen, ungefähr 600 Millionen Euro aus den schön! Rundfunkbeiträgen in den Ausbau von DAB+ ge- flossen sein. Man muss feststellen: Das Ganze hat Christian Meyer (GRÜNE): es nicht gebracht. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin Herrn Dr. Birkner wirklich sehr Ganz ehrlich: In der freien Wirtschaft, wo man so dankbar für diesen Antrag. Das war eine sehr gute etwas nicht sicher über Rundfunkbeiträge refinan- Anhörung, die auch mir gezeigt hat, warum man zieren kann, würde es so etwas nicht geben. Da diesem Antrag guten Gewissens zustimmen kann. hätte man bereits nach den ersten Jahren feststel- Wir kennen die Erfahrungen mit DAB+ aus Norwe- len müssen: Das setzt sich nicht durch. Das stellen gen, wo UKW abgestellt worden ist, woraufhin die wir mal ein. - Hier ist aber nichts eingestellt wor- Hörerzahlen beim Rundfunk eingebrochen sind. den, sondern das wurde immer weiter betrieben. Wenn man in eine Übergangstechnologie - es wur- Wie gesagt: Mehrere Hundert Millionen Euro aus de schon gesagt - wie DAB+ so viel Geld hinein- den Rundfunkbeiträgen sind hier versenkt worden. steckt, dann werden davon das Programm und der (Helge Limburg [GRÜNE]: Die AfD Empfang nicht besser, sondern man muss nur in macht auch weiter, obwohl es nichts eine doppelte Infrastruktur investieren. bringt, was sie tut!) Wenn die Leute weiter UKW hören wollen, wenn Das muss man auch mal berücksichtigen. Und das gerade mittlere und kleinere Hörfunkanbieter - zeigt wieder einmal, dass die Situation bei den auch die nicht kommerziellen von Radio ZuSa bis Rundfunkbeiträgen heutzutage marktwirtschaftlich radio aktiv - bei UKW bleiben und nicht zusätzlich überhaupt nicht vertretbar und, meine ich, auch für in eine neue Infrastruktur für DAB+ investieren niemanden aufseiten der Zuhörer mehr akzeptabel wollen, was ja das Programm nicht verbessert,

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dann bedeutet das, dass man dort auf dem Holz- Privaten ist uns diese Übergangslösung UKW- weg war. Deshalb ist das, glaube ich, ein sehr Radio erhalten geblieben. wichtiges Zeichen, das wir hier in Niedersachsen Die Anhörung und die Diskussion haben gezeigt, setzen. dass zukünftig das Radio dann eine Chance hat, Es geht, glaube ich, bei der Verwendung des wenn wir Kommunikation in beide Richtungen be- Rundfunkbeitrags eher darum, die Qualität zu stei- treiben können. Es ist auch dargelegt worden, in gern, und nicht darum, in ein zusätzliches Netz zu welche Richtung das Ganze geht. Mit Internet, 5 G investieren. Denn entweder es entstehen Kosten und anderen Standards, die sicherlich noch dazu- für UKW und DAB+, oder man stellt UKW ab; dann kommen, werden wir ein zukunftsträchtiges Radio würde aber - das sind die Erfahrungen aus Norwe- bekommen. gen - die Zahl der Hörerinnen und Hörer einbre- An dieser Stelle möchte ich als Vorsitzender des chen. In Norwegen wird jetzt überlegt, wieder zu Medienausschusses der FDP ganz herzlich dafür UKW zurückzukehren, weil die Leute doch daran danken, dass sie diesen Antrag gestellt hat. Wir festhalten. Das ist ihr gewohntes System, und eine hatten eine interessante und aufschlussreiche weitere Struktur wie DAB+ bringt keinen qualitati- Anhörung, und am Ende konnten wir alle uns nach ven Mehrwert. intensiver Diskussion auf einen gemeinsamen Dass die AfD-Fraktion gleich wieder den Rund- Antrag einigen. Dafür sage ich herzlichen Dank. funkbeitrag generell abschaffen will, zeigt ja nur, (Beifall bei der CDU sowie Zustim- dass sie eigentlich am System herumdoktern will. mung bei der SPD und bei der FDP) Wir halten eine moderate Anpassung des Rund- funkbeitrags aber durchaus für richtig, wie sie die : KEK vorschlägt. Aber die muss in Inhalte investiert Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz werden. Man kann z. B. regionale Berichterstat- Vielen Dank. - Es liegen keine weiteren Wortmel- tung von Radiosendern im nicht kommerziellen Be- dungen vor. reich fördern. In Qualitätsjournalismus, in Recher- Wir kommen zur Abstimmung. che, in Inhalte, in mehr Vielfalt des Programms, in mehr regionale Berichterstattung wäre das Geld Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses deutlich besser angelegt. Deshalb sollten wir die- zustimmen und den Antrag der Fraktion der FDP in sem Antrag mit großer Mehrheit zustimmen. Wir der sich aus der Ausschussempfehlung ergeben- hoffen auch, dass sich die Landesregierung im den geänderten Fassung annehmen will, den bitte Kanon der Bundesländer dafür einsetzt, dass in ich um ein Handzeichen. Nach den Ankündigun- Qualität investiert wird und nicht in einen Holzweg. gen müssten ja alle Arme hoch gehen. - Wunder- bar. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Nein. Da- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der mit einstimmig angenommen. FDP sowie Zustimmung bei der SPD) Wir kommen jetzt zum Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer. - Für die CDU-Fraktion: der Abgeordnete Clemens Lam- Tagesordnungspunkt 28: merskitten. Bitte schön! Abschließende Beratung: Zulage auch für pädagogische Fachkräfte in Clemens Lammerskitten (CDU): therapeutischer Funktion - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/1029 - Beschlussempfehlung Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- des Kultusausschusses - Drs. 18/3958 gen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es gerade schon gehört: UKW und DAB+ sind Übergangslösungen. Der Sachverhalt ist von Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzu- allen ausführlich dargestellt worden. lehnen. Noch nicht angesprochen wurde, dass im letzten Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Jahr die privaten Radio- und TV-Sender die Über- gangslösung UKW für uns alle erhalten haben. Wir Wir kommen zur Beratung. haben eben gehört, wie viele Menschen in Nieder- Zu Wort gemeldet hat sich für die FDP-Fraktion der sachsen noch UKW-Radio empfangen: über 90 % Abgeordneter Björn Försterling. Bitte schön! der Hörer. Durch diese Millioneninvestition der

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Björn Försterling (FDP): Fahrdienste getaktet sind. Da kommt eben kein Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Fahrdienst, weil Unterricht ausfällt, sondern eine Herren! An den Förderschulen im Land Nieder- Betreuung muss gewährleistet sein. Die findet sachsen gibt es pädagogische Mitarbeiter. Die dann in der Not eben auch durch pädagogische pädagogischen Mitarbeiter, die in unterrichtsbeglei- Mitarbeiter in therapeutischer Funktion statt. tender Funktion tätig sind, also jene, die dem Er- Deswegen können die pädagogischen Mitarbeiter zieherberuf zuzurechnen sind, bekommen seit in den Förderschulen diesen Unterschied nicht einigen Monaten eine Zulage, und die pädagogi- verstehen, und deswegen können auch wir als schen Mitarbeiter, die in therapeutischer Funktion FDP-Fraktion diesen Unterschied nicht verstehen. tätig sind, bekommen diese Zulage nicht. Denn diese sind den Gesundheitsfachberufen zugeord- (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wir net. Ihr Entgelt ist in einem anderen Abschnitt des auch nicht!) Tarifvertrags geregelt als das jener, die dem Erzie- Jetzt ist die Frage: Wie engagiert betreibt das Land hungsdienst zugerechnet werden und die Zulage eine Änderung auf Ebene des TV-L, der Tarifge- erhalten, weil irgendwann auf Ebene des TV-L meinschaft, um diesen Missstand zu beheben? Wir gesagt worden ist: Wir haben einen derart großen haben uns ein Jahr lang in immer wiederkehren- Wettkampf um Erzieher; wir müssen ihnen mehr den Beratungen im Kultusausschuss unterrichten bezahlen, damit sie in der Schule bleiben und nicht lassen, dass es der Finanzminister bei den letzten etwa in Kindertagesstätten oder Ähnliches abwan- Verhandlungen nicht geschafft hat, diesen Miss- dern. stand auszuräumen. Nunmehr war auch klar, dass Dabei kann man auch einmal die kritische Frage die Regierungsfraktionen kein Vertrauen mehr in stellen, ob es klug von den Ländern ist, hier in den Minister haben, diesen Missstand zu beseiti- einen Wettbewerb mit den Kommunen einzutreten. gen. Deswegen kommen wir nach einem Jahr jetzt zur abschließenden Beratung hier im Landtag. (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Sehr richtig!) Ich kann nur an Sie appellieren: Lassen Sie uns gemeinsam den Auftrag an die Landesregierung Jeder von uns, der in einer Förderschule unter- aussenden, diesen Missstand mit den verschiede- wegs ist und mit den pädagogischen Mitarbeitern nen Möglichkeiten, die wir aufgezeigt haben, zu spricht, erfährt, dass sich in der Praxis gar keine beseitigen! Die pädagogischen Mitarbeiter an den klare Abgrenzung machen lässt, ob jemand aus- Förderschulen werden es Ihnen danken. schließlich in therapeutischer oder ausschließlich in unterrichtsbegleitender Funktion tätig ist; denn (Beifall bei der FDP und Zustimmung die Ergotherapeuten und Logopäden, die in För- von Julia Willie Hamburg [GRÜNE]) derschulen tätig sind, mischen sich sehr wohl und : auch sehr zum Wohlgefallen der Lehrkräfte in den Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz Unterricht ein. Danke schön. - Für die CDU-Fraktion: der Abge- ordnete Christian Fühner. Bitte! (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Ja- wohl!) (Beifall bei der CDU)

Es geht nämlich darum, die Maßnahmen unter- Christian Fühner (CDU): richtsbegleitend durchzuführen und den Förder- Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kollegin- schüler nicht isoliert nur in dem Therapieangebot nen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Försterling, zu sehen, ihn dort zu unterstützen und dann wie- beim ersten Lesen des Antrags im Vorfeld dieser der in die Klasse zurückzugeben. Vielmehr findet Plenarwoche habe ich durchaus Sympathien für ein Miteinander statt. Ihren Antrag entwickelt. Natürlich kommt es auch vor - Sie alle wissen: die (Björn Försterling [FDP]: Er ist seit ei- Landesregierung hat die Unterrichtsversorgung an nem Jahr in der Beratung, und Sie den Förderschulen immer noch nicht im Griff -, haben Ihn letzte Woche gelesen?) dass therapeutische Kräfte Vertretungsunterricht wahrnehmen, weil ansonsten für die betreffenden Es ist nachvollziehbar dargestellt, warum sich eine Schülerinnen und Schüler keine Betreuung bzw. Berufsgruppe ungerecht behandelt fühlt. Hier Ab- kein Unterricht gewährleistet wäre, es sich hier hilfe zu schaffen, entspricht natürlich eindeutig aber um Förderschulen handelt, die sehr stark an auch unserem Gerechtigkeitsempfinden. Schaut

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man sich den Antrag und die Hintergründe etwas delt, auch auf Antrag der Niedersächsischen Lan- genauer an und beschäftigt man sich intensiv mit desregierung. der angesprochenen Zulagenregelung, lässt sich jedoch auch erklären, warum wir Ihren Antrag heu- Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich hätte mir bei den te ablehnen werden. Tarifverhandlungen auch ein anderes Ergebnis gewünscht. Dann hätten wir heute diese Debatte Im Februar 2017 haben die beiden Tarifvertrags- nicht. Aber leider sind diese Bemühungen in der parteien in der Tarifgemeinschaft der deutschen Verhandlungsrunde Ende Februar/Anfang März Länder und die Gewerkschaften des öffentlichen gescheitert, und die Tarifgemeinschaft der deut- Dienstes in einer Tarifeinigung Entgeltgruppenzu- schen Länder hat niedersächsische Bemühungen lagen in der Größenordnung von ca. 50 Euro bis um eine Erweiterung der Zulagenzahlung abge- 100 Euro an einige ausgewählte Beschäftigte im lehnt. Sozial- und Erziehungsdienst nach der Entgeltord- nung zum TV-L vereinbart. Bei der Recherche, Ich finde es ausdrücklich wichtig, dass wir diese warum es überhaupt zu dieser Vereinbarung ge- Entscheidung nun in Niedersachsen auch so mit- kommen ist, bin ich natürlich auf die Begründung tragen. Gestern haben wir noch über das Thema gestoßen, dass die schwierige Fachkräftegewin- der Beamtenbesoldung diskutiert und die Kritik nung in diesem Berufsfeld das große Thema war. gehört, dass die Länder unterschiedliche Anpas- (Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Aber sungen vornehmen. Wenn wir nun bei der heute in in anderen Bereichen ist es auch nicht Rede stehenden Gruppe eine eigene Landeslö- besser!) sungen anstrebten, so würden wir zwar dem Wunsch vieler Beschäftigter nachkommen, wir Grund für die Vereinbarung einer solchen Zula- würden aber gleichzeitig Begehrlichkeiten bei an- genzahlung war also ausschließlich die Verbesse- deren pädagogischen Fachkräften wecken, die rung der Wettbewerbssituation der in der Tarifge- eben keine Zulagen erhalten. Man muss sich also meinschaft zusammengeschlossenen Länder ge- schon die Frage stellen, welche Spielregeln wir genüber den kommunalen Arbeitgebern. Diese einhalten wollen und welche Begehrlichkeiten man haben bereits seit Oktober 2015 eine eigene Ent- mit einer eigenen Landesregelung wecken würde. gelttabelle mit höheren Entgelten sowie eine Struk- tur der Eingruppierung mit den Gewerkschaften Ausdrücklich möchte ich sagen, dass das Ganze vereinbart und 2018 noch einmal deutlich nachge- nichts mit einer Geringschätzung dieser Mitarbeite- bessert. Die Vereinbarung aus dem Jahr 2017 war rinnen und Mitarbeiter zu tun hat. Wir schätzen alle also zwingend erforderlich, um entsprechende pädagogischen Fachkräfte an unseren Förder- Fachkräfte für diesen Bereich zu gewinnen und sie schulen besonders wert und wollen diese auch auch halten zu können. weiter unterstützen. Deswegen kam in den Tarif- verhandlungen der erwähnte Antrag aus Nieder- Von dieser Zulagenregelung profitieren unsere sachsen. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und unsere Erzieherinnen und Erzieher, die als pädagogische Ein Teil des Entschließungsantrags hat sich erle- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter insbesondere in digt, da die Tarifverhandlungen vorbei sind. Uns ist den Förderschulen unseres Landes tätig sind. es aber auch wichtig, in Niedersachsen eine ver- Beschäftigte aus dem Bereich der Gesundheitsbe- nünftige, angemessene Finanzpolitik zu gestalten rufe, also auch die in diesem Antrag angesproche- und auch Lösungen der Tarifgemeinschaft der nen pädagogischen Fachkräfte, waren bei der Länder ernst zu nehmen. Deswegen werden wir Vereinbarung dieser Zulagenregelung nicht im dem Antrag heute nicht zustimmen. Fokus der Tarifparteien. Sie waren auch deshalb nicht im Fokus, weil gegenüber den Beschäftigten Vielen Dank. im Sozial- und Erziehungsdienst damals keine erhöhte Fachkräftegewinnung nötig war. (Beifall bei der CDU) Die Forderungen des Entschließungsantrags der FDP haben wir sehr wohl ernst genommen und im Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Ausschuss intensiv aus schulpolitischer, aber auch Vielen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die aus finanzpolitischer Sicht diskutiert. Im Rahmen Grünen: die Abgeordnete Julia Willie Hamburg. der diesjährigen Tarifverhandlungen wurde eine Bitte schön! Erweiterung auf diese spezielle Gruppe mitverhan-

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Julia Willie Hamburg (GRÜNE): Herr Fühner, wenn Sie doch so viel Sympathie Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! dafür haben, dann stärken Sie doch mit diesem Herr Fühner, das war wirklich ein sehr interessan- Antrag heute dem Finanzminister den Rücken. ter Auftritt. Ich würde mal vermuten, dass Ihre Kol- Nach den Tarifverhandlungen ist vor den Tarifver- leginnen und Kollegen, die in dem Ausschuss an- handlungen. wesend waren, deshalb nicht reden wollten, weil Ansonsten kann Niedersachsen auch viel in eige- es ihnen schlicht unangenehm ist, dass Sie diesen ner Regie tun. Wir können etwas für die Betroffe- Antrag hier und heute ablehnen und dass das Ta- nen tun. Wir müssen ihnen hier nicht ins Gesicht rifverhandlungsergebnis so ausgefallen ist, wie es schlagen. Es ist eben keine Wertschätzung, wenn ausgefallen ist. Anders kann ich mir nicht erklären, sie als Einzige keine Zulagen bekommen, liebe dass Sie hier reden, wenn Sie sich erst in der letz- Kolleginnen und Kollegen. ten Woche mit dem Antrag befasst haben. Mit Sachkenntnis haben Sie auch nicht gerade ge- (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- glänzt, wenn ich das einmal so sagen darf. stimmung bei der FDP) (Zustimmung bei den GRÜNEN - Zu- Man könnte aber auch vermuten, dass das ein rufe von der CDU) allgemeiner Stil der Landesregierung im Umgang Denn alle pädagogischen Fachkräfte kriegen eine mit pädagogischen Fachkräften ist. Schließlich Zulage, mit Ausnahme derer in therapeutischer haben wir noch weitere Themen. Beispielsweise Funktion. existiert immer noch kein Erlass für multiprofessio- nelle Teams und die Arbeit multiprofessioneller (Christian Fühner [CDU]: Das habe Teams an Schulen. Wo bleibt er? Wo ist da die ich doch gesagt!) Wertschätzung? Wo ist da die Regelung für ihre Wen wollten Sie denn hier ungleich behandeln? Es Arbeit an Schulen? - Pustekuchen! gibt nur eine Ungleichbehandlung, nämlich die dieser Fachkräfte, und die ist absolut unnötig. Ein weiteres Thema ist die Zwangsteilzeit. Wir haben etwa 2 000 bei uns beschäftigte pädagogi- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der sche Fachkräfte, die nicht Vollzeit arbeiten dürfen, FDP) weil das Land ihnen das schlichtweg verwehrt. Sie Und ganz ehrlich: Als wir im Ausschuss darüber haben maximal 80-%-Stellen - und das vor dem diskutiert haben, ob das Land nicht eigenmächtig Hintergrund des Fachkräftemangels. Ich sage diese Zulage einführen könnte, kam genau diese Ihnen ganz deutlich: Das kann sich Niedersachsen Ausrede. Es hieß: Wir können das nicht, weil wir nicht leisten. uns nicht von den anderen Ländern abheben kön- nen; das geht nicht; wir sind da doch loyal mit den (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- anderen Ländern. - Dann haben wir gehört: Herr stimmung bei der FDP) Hilbers übernimmt die Leitung der Tarifverhand- Ihr minimales Maßnahmenpaket, das Sie hier auf lungen; er ist stellvertretender Vorsitzender. - Da- den Weg bringen, reicht an dieser Stelle auch nicht raufhin haben wir gedacht, dass mit Herrn Hilbers aus. Sie haben 80 zusätzliche Stellen geschaffen, jetzt bestimmt die Zulage für die pädagogischen um gerade einmal 400 pädagogischen Fachkräften Fachkräfte in therapeutischer Funktion kommt. nun das Aufstocken auf eine Vollzeitstelle zu er- Aber Pustekuchen! Leider konnten Sie sich da möglichen. Das ist ungenügend. Liebe Kolleginnen nicht durchsetzen oder haben es nicht ausreichend und Kollegen, wenn Sie an den Schulen sind, mer- versucht. ken Sie, wie viel diese Kräfte arbeiten, wie viele Am Ende haben wir wieder die Situation einer Un- Überstunden sie machen und wie schlecht sie von gleichbehandlung an Schulen. Wir erleben dort ihrem Gehalt leben können. Ich bitte Sie inständig, derzeit pädagogische Fachkräfte, die die gleiche noch einmal zu überlegen, ob Sie hier nicht auch Arbeit machen, also eine gleichwertige Arbeit leis- einen größeren Schritt tun können. Denn an dieser ten, aber ungleich behandelt werden. Das ist nicht Stelle geht es um eine Wertschätzung von Men- zumutbar, liebe Kolleginnen und Kollegen. Diesen schen, die an den Schulen unglaublich verantwor- Missstand müssen wir beheben. tungsvolle und wertvolle Arbeit leisten. Es ist doch an uns Landespolitikern, dem auch gerecht zu (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- werden und als Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass stimmung bei der FDP) sie auch vernünftige Arbeitsbedingungen haben.

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Anders werden wir die Fachkräfte in Niedersach- (Christian Fühner [CDU]: Genau das sen verlieren, liebe Kolleginnen und Kollegen. habe ich gesagt!)

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der - Lassen Sie es uns nachlesen. Derjenige, der FDP) recht hat, braucht sich dann nicht zu entschuldi- gen, und der andere entschuldigt sich. Darauf Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: können wir uns einigen. Vielen Dank, Frau Hamburg. - Auf Ihren Wortbei- (Christian Fühner [CDU]: Okay!) trag liegt eine Kurzintervention des Kollegen Füh- Nun zu der anderen Frage: Ich freue mich sehr, ner vor. Herr Fühner, bitte! 90 Sekunden. dass Sie als Haushaltspolitiker hier Ihre Expertise einbringen. Ich verstehe Ihre Haltung auch durch- Christian Fühner (CDU): aus. Sie haben aber auch deutlich gemacht, dass Frau Präsidentin, vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Sie sich diesen Antrag erst kürzlich angeschaut Hamburg, sich hierhin zu stellen, nachdem man haben. Wenn Sie doch sagen, dass es ein haus- dem, was ich gerade gesagt habe, anscheinend haltspolitisch relevantes Thema ist, verstehe ich gar nicht vernünftig zugehört hat, und so zu tun, wirklich nicht, warum Sie das nicht schon früher als hätte ich die Unterschiede bei diesen pädago- gemacht haben, warum Sie sich da nicht ausge- gischen Mitarbeitern, die angeblich nicht zur Spra- tauscht haben und warum Sie dann nicht dafür che gekommen sind, hier nicht herausgestellt - gesorgt haben, dass Ihr Finanzminister so eine lesen Sie es gerne im Protokoll nach -, und zu Wucht mit auf die Bundesebene nimmt, sagen, fachlich sei ich da aber nicht richtig heran- (Christian Meyer [GRÜNE]: Weil er gegangen, ist schon einmal der erste große Fehler. keine Wucht hat!) Der zweite große Fehler, den Sie am Anfang ge- dass er dort auch etwas durchsetzt und Erfolge macht haben, liegt darin, dass Sie gesagt haben, verzeichnet. die Leute aus dem Kultusausschuss wollten hier nicht reden. Da es für uns aber auch um die Frage (Christian Fühner [CDU]: Er hat ja geht, warum wir den Antrag ablehnen, nämlich aus versucht, das durchzubekommen!) der Begründung heraus, dass die Tarifverträge Denn das hätten unsere therapeutischen Fachkräf- eingehalten werden müssen, die auf Länderebene te hier verdient, liebe Kolleginnen und Kollegen. nun einmal unterschiedlich geregelt werden, ist jemand, der im Ausschuss für Haushalt und Finan- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der zen sitzt, heute mit der Begründung vor Sie getre- FDP - Christian Meyer [GRÜNE]: Er ten. - Dies nur zur Erklärung, bevor man hier so hat keine Wucht!) einen Auftritt hinlegt. Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Vielen Dank. Vielen Dank. (Lebhafter Beifall bei der CDU und (Unruhe) Zustimmung bei der SPD) Wir warten jetzt erst einmal, dass etwas Ruhe Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: einkehrt, bevor die Kollegin der SPD-Fraktion, Frau Frau Abgeordnete Hamburg möchte erwidern. Liebelt, das Wort erhält. Bitte warten Sie so lange, Bitte! bis hier Ruhe einkehrt - auch in der CDU-Fraktion. Meine Herren, würden Sie bitte das Gespräch einstellen, damit ich der Kollegin der SPD das Wort Julia Willie Hamburg (GRÜNE): erteilen kann? - Liebe Frau Kollegin Liebelt, jetzt Herr Fühner, ich habe mich gerade noch einmal können Sie beginnen. mit Herrn Försterling abgestimmt. Wir haben beide gehört, dass Sie gesagt haben, dass es dann pä- Kerstin Liebelt (SPD): dagogische Fachkräfte gäbe, die keine Zulage Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr erhielten, und das ungerecht wäre. Das Umgekehr- geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach den aus- te ist der Fall. Momentan erhalten alle pädagogi- führlichen Beratungen im Fachausschuss - und ich schen Fachkräfte außer diesen Kräften diese Zu- gehöre diesem Ausschuss an - wird es für Sie, lagen. Damit ist es ungerecht. liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion,

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nicht weiter verwunderlich sein, dass wir Ihren zuständigen Fachleute der Ministerien im Kultus- Antrag ablehnen und somit der Beschlussempfeh- ausschuss bekommen haben, auch zugeben, dass lung des Kultusausschusses folgen werden. wir als Politik an diesem Punkt keine Veränderung mehr erreichen können. Schule bedeutet heute nicht mehr nur reine Wis- sensvermittlung durch Lehrerinnen und Lehrer. An Vielen Dank. unseren Schulen arbeiten die unterschiedlichsten (Beifall bei der SPD) Berufsgruppen mit unterschiedlichen Arbeitsfeldern in hervorragender Art und Weise zusammen und Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: sorgen so dafür, unseren Kindern und Jugendli- Vielen Dank, Frau Kollegin Liebelt. - Für die AfD- chen eine bestmögliche Ausbildung und Chancen- Fraktion Herr Rykena, bitte! gleichheit zu ermöglichen. Dadurch steht das Land im Wettbewerb um qualifi- Harm Rykena (AfD): zierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit anderen Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da- Arbeitgebern. So war die Gewährung einer Zulage men und Herren! Ehrlich gesagt, bin ich ein biss- ein Mittel, die Attraktivität des Landes Niedersach- chen gespannt, ob ich gleich wieder der Hassrede sen als Arbeitgeber zu steigern und so entspre- bezichtigt werde. Wir werden sehen. chende Fachkräfte zu gewinnen. (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Es kommt Im Ausschuss wurde uns vom MF ausführlich er- darauf an, was Sie sagen, Herr Kolle- läutert, dass eine offizielle Anerkennung unter- ge! Das haben Sie in der Hand! - Wei- richtsbegleitender Tätigkeiten keine Auswirkung tere Zurufe) auf die Zulagenberechtigung pädagogischer Mitar- - Sehen Sie! Genau das habe ich erwartetet. Egal, beiterinnen und Mitarbeiter in therapeutischer was ich sage: Es wird schon etwas kommen. Funktion hat. Die Gewährung der Entgeltgruppen- zulage ist ausschließlich an die Profession und (Beifall bei der AfD - Unruhe - Glocke nicht an den Aufgabenbereich geknüpft. Insofern der Präsidentin) hat bereits der erste Punkt Ihres Antrages, also die Anerkennung, dass diese Mitarbeiterinnen und Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Mitarbeiter sehr wohl auch unterrichtsbegleitende Herr Rykena, wir warten ganz kurz, bis wieder Tätigkeiten ausüben, keine Auswirkungen auf die Ruhe einkehrt. - Jetzt können Sie weitermachen. Zulagenberechtigung. Harm Rykena (AfD): Auch aus tarifrechtlicher Sicht gibt es keine Mög- lichkeit der Zahlung der Zulage. Die von Ihnen Danke schön. - Prinzipiell können wir dem Gedan- geforderte Maßnahme beträfe eine Vielzahl von ken, der hinter dem vorliegenden Antrag steht, Beschäftigten, und das Land Niedersachsen ist als folgen. Mitglied der TdL nicht befugt, allein zu entschei- (Zuruf: Bis jetzt ist es gut!) den, ob die Zulage gezahlt werden kann oder nicht. Nach der Satzung der TdL wäre für diese Die unterschiedliche Bezahlung ist für die betroffe- Maßnahme eine Zustimmung der Mitgliederver- nen Fachkräfte sehr ärgerlich und im Einzelfall sammlung erforderlich. sicherlich gar nicht zu verstehen. So gesehen, erscheint der Antrag zunächst einmal sehr unter- Das Land Niedersachsen hat seine Möglichkeiten stützenswert. Aus den Unterrichtungen durch die bei der TdL genutzt, um zu versuchen, die Schaf- Landesregierung ging im Folgenden allerdings fung einer Ausweitung der Zulage auf weitere Be- hervor, dass einer Umsetzung im Sinne des Antra- rufsgruppen zu ermöglichen. Da dies abgelehnt ges, wie wir eben auch gehört haben, etliche ver- wurde, sind uns hier die Hände gebunden. Natür- waltungstechnische Hürden im Weg stehen, da lich würden wir auch gerne diesen Mitarbeiterinnen auch tarifrechtliche Regelungen massiv davon und Mitarbeitern die Zulage zahlen. Aber auf die- betroffen sind - und vor allem die Tarifgemein- sem Wege ist es leider nicht möglich. schaft deutscher Länder. Das haben wir eben alles gehört. Wir erkennen natürlich an, dass Sie sich in Ihrem Antrag für die Interessen der Mitarbeiterinnen und Diese Hürden ließen sich bislang nicht aus dem Mitarbeiter einsetzen. Ehrlicherweise müssten Sie Wege räumen. Allerdings hat die FDP noch ein, aber nach den Ausführungen, die wir durch die zwei weitere Vorschläge gemacht, wie man sie

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vielleicht umgehen könnte. Diese Vorschläge sind ten Dragos Pancescu von der Fraktion Bünd- aber nach meinem Dafürhalten im Ausschuss gar nis 90/Die Grünen vorliegen. Bitte schön! nicht mehr richtig diskutiert worden. Dragos Pancescu (GRÜNE): Wir können den Grundgedanken des Antrages „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nachvollziehen. Sehr geehrte Frau Präsidentin Janssen-Kucz! Sehr Andererseits sehen wir ebenfalls die verwaltungs- geehrte Damen und Herren! Verantwortung zu rechtlichen Probleme. Wir halten das Thema ei- übernehmen, politisch die Zukunft zu gestalten und gentlich für noch nicht ausdiskutiert. Die AfD- sich für den Frieden in Europa einzusetzen, fällt Fraktion wird sich in der Abstimmung enthalten. der GroKo in Niedersachsen schwer, sehr schwer. Vielen Dank. (Widerspruch bei der SPD und bei der CDU) (Beifall bei der AfD) Noch schwerer fällt es der SPD und der CDU, sich Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: für Lösungen für ein atomwaffenfreies Europa einzusetzen. Mit Themen wie der Unterzeichnung Vielen Dank. - Es liegen keine weiteren Wortmel- eines Atomwaffenverbotsvertrages und europäi- dungen vor. Wir schließen deshalb die Debatte scher Friedenspolitik sind die beiden Parteien SPD und kommen zur Abstimmung. und CDU in Niedersachsen leider maßlos überfor- Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses dert. folgen und damit den Antrag der Fraktion der FDP Lösungsvorschläge der Grünen, eine Anhörung mit in der Drucksache 18/1029 ablehnen will, den bitte den verantwortlichen Atommächten oder mit einem ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Ent- Vertreter der Bundesregierung, lehnte die GroKo haltungen? - Mehrheitlich ist der Antrag daher im Ausschuss ab. abgelehnt. (Unruhe - Glocke der Präsidentin) Wir kommen zum Stattdessen beschloss die GroKo im Ausschuss eine Unterrichtung durch die eigene Landesregie- Tagesordnungspunkt 29: rung bzw. Staatskanzlei. Abschließende Beratung: Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertra- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: ges - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Herr Pancescu, bitte warten Sie eben ganz kurz. - Drs. 18/3651 - Beschlussempfehlung des Aus- Wir haben jetzt ausreichend Wortmeldungen vor- schusses für Bundes- und Europaangelegenheiten liegen, aber wir sollten den Wortbeiträgen dann und Regionale Entwicklung - Drs. 18/3911 auch folgen und das unterschiedliche Gemurmel auf beiden Seiten und in der Mitte einfach einstel- len. - Warten Sie bitte! - Ich denke, jetzt kann es Der Ausschuss empfiehlt - - - Herr Försterling, weitergehen. Bitte! eigentlich spreche ich jetzt. Vielleicht klappt das ja. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzu- Dragos Pancescu (GRÜNE): lehnen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgese- Vielen Dank. - Lösungsvorschläge der Grünen, hen. eine Anhörung mit den verantwortlichen Atom- Ich rufe jetzt die Beratung auf. Wir haben hier kei- mächten oder mit einem Vertreter der Bundesre- ne Wortmeldung vorliegen. Von daher würden wir gierung, lehnte die GroKo im Ausschuss ab. Statt- jetzt sofort zur Abstimmung kommen. dessen beschloss die GroKo im Ausschuss eine Unterrichtung durch die eigene Landesregierung (Beifall bei der CDU und bei der SPD bzw. Staatskanzlei. Die Spitze des Eisberges, liebe - Dragos Pancescu [GRÜNE] eilt zum Kolleginnen und Kollegen, waren die ca. 180 Se- Präsidium, um seine Wortmeldung kunden im Ausschuss, als die Staatskanzlei nichts abzugeben. - Zurufe: Zu spät! - Unru- gesagt hat, sondern uns nur das vorhandene Ge- he) setz vorgelesen hat. Und weil sich die SPD Nie- Wir bitten, darauf zu achten, wo wir in der Tages- dersachsen selbst keine eigene Meinung bilden ordnung sind, und die Wortmeldungen abzugeben. wollte und dies auch zukünftig nicht ernsthaft vor- Wir haben jetzt eine Wortmeldung des Abgeordne- hat, im Gegensatz zu der SPD im Berliner Land-

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tag, sprich im Abgeordnetenhaus, schob der Kol- Dragos Pancescu (GRÜNE): lege Pantazis im Ausschuss die Verantwortung Nein, also der Kollege Bothe - - - Es ist nämlich so, des Landes auf die GroKo im Bund. ich wollte das eigentlich gar nicht sagen. Bei der CDU wurde die Argumentation noch bun- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: ter. - Ja, Herr Thiele, Sie wissen, was ich meine. Der Kollege Thiele erzählte uns seine Verschwö- Nein, also Herr Pancescu, Ihre Redezeit ist soweit rungstheorien, abgelaufen. Ich habe zwei, drei Zwischenfragen. (Frank Oesterhelweg [CDU]: Ich hatte (Ulf Thiele [CDU] lacht) mich auch gemeldet! - Heiner Schön- indem er der Grünen-Fraktion vorwarf, wir hätten ecke [CDU]: Ich auch!) etwas ausgeheckt, um die NATO aufzulösen. Ich bin nicht dazwischengekommen, weil Sie doch (Lachen bei den GRÜNEN) noch etwas lauter waren als ich. (Dragos Pancescu [GRÜNE]: Kann Anschließend entschied sich die CDU auch, dass passieren!) der Ausschuss für Bundes- und Europaangele- genheiten nicht für eine Bundesangelegenheit Jetzt frage ich am Ende Ihrer Redezeit, ob Sie zuständig ist. Lesen Sie die Protokolle, liebe Kolle- diese Zwischenfragen, die in den letzten 20, 30 ginnen und Kollegen. Sekunden kamen, noch zulassen: Ja oder nein?

Sehr geehrte Damen und Herren, wir als Fraktion (Dirk Toepffer [CDU]: Oesterhelweg, haben unsere Hausaufgaben gemacht. Ich habe, ja!) wie im letzten Plenum angekündigt, die beiden Vertreter Russlands und der USA angeschrieben. Dragos Pancescu (GRÜNE): Letzte Woche kam eine Antwort aus Russland, und Nein, die Kollegen hätten sich im Ausschuss gut die Antwort aus den USA ist möglicherweise auch beteiligen können. Teilweise waren sie nicht dabei. unterwegs. Aber Sie konnten nicht abwarten und Danke. nickten alles ab, was die GroKo in Berlin vor- (Beifall bei den GRÜNEN) schlägt. : (Heiner Schönecke [CDU]: Was ha- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz ben denn die Russen geschrieben?) Damit ist das erledigt. Aber wir haben ja noch aus- reichend Wortmeldungen vorliegen. Wenn Sie hier unseren Antrag ablehnen, machen Sie keine Politik für Niedersachsen, sondern für die (Frank Oesterhelweg [CDU]: Was hat GroKo in Berlin. Und das müssen Sie Ihren Wähle- Russland gesagt?) rinnen und Wählern in Niedersachsen erklären. - Ich finde, gewisse Fragen können Sie außerhalb des Plenarsaals klären. Jetzt habe ich nämlich Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: eine Wortmeldung des Abgeordneten Jörn Sche- pelmann für die CDU-Fraktion vorliegen. Bitte, Herr Herr Pancescu! Herr Pancescu! Abgeordneter Schepelmann!

Dragos Pancescu (GRÜNE): (Beifall bei der CDU)

Wir sind verantwortungsvoll und machen gute Poli- Jörn Schepelmann (CDU): tik für Niedersachsen und für Europa. Wir laden Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehr- Sie auch dazu ein: Machen Sie mit, machen Sie ten Damen und Herren! Herr Pancescu, ich hätte bitte mit! Ihnen noch ein paar Sekunden Redezeit gegönnt. Herzlichen Dank. Ich hätte gern erfahren, was die Russen Ihnen geschrieben haben. Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: (Beifall bei der CDU und bei der AfD Herr Pancescu, ich konnte Sie gerade nicht unter- sowie Zustimmung bei der FDP) brechen. - Es gibt eine Zwischenfrage des Kolle- Aber vielleicht können Sie es ja gleich noch be- gen Bothe. Würden Sie diese zulassen? antworten.

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Seit einem Monat freue ich mich auf diesen Tag. in dieses Bündnis treiben? Was glauben Sie denn, Endlich geht es wieder um Atomwaffen. Nieder- was passieren würde, was passieren müsste, sachsen kann die Weltpolitik bestimmen. Ich kann wenn Deutschland diesen Vertrag unterschreiben es nicht verhehlen, der eine oder andere Kollege würde? - Wir würden einen verdammt großen meiner Fraktion kam auf mich zu und fragte, ob ich Schaden bei der NATO anrichten. Ich hoffe nicht, die Cantina Band mache und denselben Song dass Sie das ernsthaft wollen. einfach noch mal spiele. Leider muss ich Sie ent- (Zuruf von der CDU: Natürlich!) täuschen - obwohl, wieso eigentlich? In meiner letzten Rede zu diesem Antrag habe ich Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. eigentlich bereits alles gesagt. Der Atomwaffen- - Dies hat Kurt Schumacher einmal gesagt. verbotsvertrag ist und bleibt ein Thema des Bun- (Zustimmung bei der CDU und bei der des als Teil der Vereinten Nationen. AfD) (Helge Limburg [GRÜNE]: Wir haben So fern mir seine politischen Ansichten auch sind, einen Ausschuss für Bundesangele- liebe Kollegen der SPD, dieser Satz stammt von genheiten!) einem Mann, der von seinen schlimmen Erfahrun- Und der Landtag ist und bleibt für Ihre grüne Sym- gen der Vorjahrzehnte gezeichnet war. Was hat er bol- und Wohlfühlpolitik der falsche Ort. damit wohl sagen wollen? - Ich glaube, er hat da- mit Folgendes gemeint: Wir brauchen keine Tag- (Beifall bei der CDU und bei der AfD - träumer und keine Schönwetteranträge. Helge Limburg [GRÜNE]: Warum ha- ben wir eigentlich ein Ministerium für (Zustimmung von Uwe Dorendorf Bundesangelegenheiten?) [CDU]) Sie haben ja eben aus den Ausschussberatungen Wir brauchen Realisten, die mit offenen Augen berichtet. Die Ausschussberatung hat wenig über- durch die Welt gehen. raschend exakt diesen Umstand beschrieben. Ich (Lebhafter Beifall bei der CDU - Dra- darf aus dem Protokoll zitieren. Dort sagte Frau gos Pancescu [GRÜNE]: Dann ma- Oberregierungsrätin Benke: chen Sie Ihre Hausaufgaben!) „Abschließend zur Zuständigkeitsfrage: Über Die Grünen sind ganz offensichtlich den Ersten Artikel 32 Abs. 1 des Grundgesetzes liegt zuzuschreiben. Wir sind die Realisten. die Zuständigkeit für die Pflege der Bezie- hungen zu auswärtigen Staaten beim Bund.“ (Zustimmung von Uwe Dorendorf [CDU]) Damit, liebe Kollegen der Grünen, wäre das nun hoffentlich auch für Sie geklärt. Während die Grünen glauben, mit einem solchen Antrag die Welt atomwaffenfrei zu machen, wissen (Dragos Pancescu [GRÜNE]: Ihre ei- wir, dass dies hierdurch mitnichten erfolgen wird. gene Landesregierung!) Nordkorea und womöglich bald auch der Iran stre- Oder? Sie hatten es ja eben angesprochen. Viel- ben danach, Atommächte zu werden. Das muss leicht geht es Ihnen ja gar nicht um den Vertrag. uns allen Warnung genug sein. Aber glaubt irgend- Vielleicht wollen Sie etwas ganz anderes errei- jemand hier im Plenum, dass unsere Antwort da- chen? rauf die Unterzeichnung eines umstrittenen Vertra- (Zustimmung bei der CDU) ges sein kann? Nein, das kann es nicht sein! Sie wissen ganz genau, dass sämtliche NATO- (Beifall bei der CDU und Zustimmung Mitgliedstaaten diesen Vertrag nicht ratifiziert ha- von Christian Grascha [FDP]) ben. Ehe Sie mich falsch verstehen: Wir wollen natürlich (Dragos Pancescu [GRÜNE]: Aber kein neues Wettrüsten. Ja, auch weiterhin möchte nicht alle!) ich und möchten wir eine atomwaffenfreie Welt.

- Alle. Wir verschließen aber nicht die Augen vor der Realität, wie Sie es leider bei fast jedem Thema Wir sind ebenfalls Teil der NATO. Deswegen muss generell tun. ich Sie fragen: Wollen Sie allen Ernstes einen Keil

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(Lachen bei den GRÜNEN - Dragos Ich will aber doch ein paar Worte verlieren. Denn Pancescu [GRÜNE]: Das gibt es doch den Inhalt und die Intention Ihres Antrages kann nicht! - Helge Limburg [GRÜNE]: Eine man ja verstehen. Auch wir wollen eine atomwaf- Nummer kleiner geht es nicht?) fenfreie Welt. Herr Pancescu, das ist unser ganz klares Anliegen. Sie wissen ganz genau, dass eine alleinige Unter- schrift Deutschlands oder ein alleiniger Abzug der (Beifall bei der SPD und Zustimmung Waffen aus Deutschland rein gar nichts bringt. Wir von Bernd Busemann [CDU]) müssen als Europa und als Teil der NATO darauf Der UN-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen achten, dass Atomwaffen verschwinden, dass sie ist die Folge einer gescheiterten Überprüfungskon- insbesondere nie wieder zum Einsatz kommen. ferenz zum Atomwaffensperrvertrag im Jahr 2015. Das geht aber nicht mit einer Unterschrift. Es gab dann Frust unter den Beteiligten über die Dieser Antrag ist einfach nur Symbol- und Wohl- Nichteinhaltung dieses Vertrages aus dem Jahre fühlpolitik. Dafür sind wir nicht zu haben. Der An- 1968. Die Ziele des Vertrages - nämlich Abrüstung, trag muss abgelehnt werden. eine friedliche Nutzung der Kernenergie und Si- cherheit - sind kollidiert mit der faktischen Aufrüs- Danke. tung und der Modernisierung nuklearer Waffen und (Starker, anhaltender Beifall bei der auch mit der Reaktorkatastrophe in Fukushima. CDU und Zustimmung von Christian Daher sollte in einer Staatenkonferenz ein neuer Grascha [FDP]) Atomwaffenverbotsvertrag erarbeitet werden, was dann auch geschah. Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Über diesen Vertrag sprechen wir hier. Der Vertrag Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schepelmann. - wurde in der Folge weder von Russland noch den Für die SPD hat sich die Abgeordnete Claudia USA oder anderen NATO-Staaten unterzeichnet, Schüßler zu Wort gemeldet. Bitte! auch nicht von der Bundesrepublik Deutschland.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD - Un- Sehen Sie es mir nach: Wir würden schon gerne ruhe - Glocke der Präsidentin) erst die Antwort auf Ihren Brief erfahren, bevor wir dazu eine Stellungnahme abgeben. Aber ich gehe Noch einmal dasselbe Spiel: Erst einmal kehrt hier davon aus, dass nicht angeboten worden ist, dass Ruhe ein, bevor die Abgeordnete Schüßler an- dieser Vertrag nun von Russland unterzeichnet fängt, ihren Wortbeitrag zu halten. - Ich glaube, es wird. funktioniert. Bitte schön, Frau Schüßler! (Dragos Pancescu [GRÜNE]: Das wollten Sie gar nicht wissen! Sie ha- Claudia Schüßler (SPD): ben schon abgeschlossen!) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kol- leginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege - Na ja, wir sind ja schon über die Beratungen hin- Pancescu, natürlich ist es nicht so gewesen, dass aus. wir alles auf die GroKo abgeschoben haben. Dieser Vertrag sieht im Gegensatz zu dem vorhe- Ich hatte zunächst überlegt, ob ich hier jetzt über- rigen Vertrag keine Möglichkeit von Überprüfungen haupt noch einmal etwas zu dem Antrag sage. vor. Er sieht nicht vor, dass man evaluiert, was nun Denn in den Ausschussberatungen haben wir sehr tatsächlich passiert ist. klargemacht, dass die Zuständigkeit eben nicht bei Der Vertrag hat nur dann eine Wirkung, wenn sich uns liegt. Und wenn die Zuständigkeit nicht bei uns die beiden eigentlich beteiligten Staaten - die liegt, dann ist es natürlich schwierig, inhaltlich zu Atommächte Russland und die USA haben über diskutieren. Das haben Sie auch nicht getan. 90 % aller atomaren Sprengköpfe - an einen Tisch setzen und sich ernsthaft darum bemühen abzu- (Dragos Pancescu [GRÜNE]: Das ha- rüsten. Dann macht es auch Sinn, einen Vertrag zu ben die GroKo und die Staatskanzlei unterzeichnen, der in der Folge auch zu Abrüstung beschlossen, nicht das Parlament!) führt. - Nein, nein. Wir haben im Ausschuss darüber Wir würden mit einer Unterzeichnung dieses Ver- beraten und haben festgestellt, dass wir eben nicht trages nicht bewirken, dass eine Abrüstung erfolgt. zuständig sind. Wir würden tatsächlich einen riskanten Streit in-

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nerhalb der NATO riskieren, ohne dass es tatsäch- darin steht. Ich bin jetzt neugierig. Herr Oesterhel- lich zu Abrüstung kommt. weg ist nicht im Ausschuss. Herr Bothe ist nicht einmal Teilnehmer des Ausschusses. Ich war auch (Dragos Pancescu [GRÜNE]: Das auf Fraktionsklausur mit ihm - nicht mit Herrn sieht die SPD in Berlin aber anders!) Oesterhelweg; - Das sieht in Berlin niemand anders. Das ist Berlin (Frank Oesterhelweg [CDU]: Das fehl- genauso diskutiert worden. te noch, Herr Kollege! Bloß nicht!) Aus diesem Grund und aus keinem anderen Grund das wäre jetzt zu unübersichtlich. Aber wir müssen würden wir auch inhaltlich an dieser Sache nicht es auch noch herausfinden. Verraten Sie uns ein- festhalten. Aber noch einmal: Wir haben im Aus- fach das Geheimnis, das da aus Moskau gekom- schuss festgestellt, dass die Zuständigkeit nicht bei men ist! Ich glaube, dann können wir alle besser uns liegt. schlafen. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen. (Zuruf von der SPD: Ich dachte, Sie Vielen Dank. kennen die Antwort schon!) (Lebhafter Beifall bei der SPD und Die USA - das ist ein Satz, der in der Unterrichtung Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU]) kam und der auch im Bundestag gefallen ist - se- hen in diesem Vertrag - wenn er denn von NATO- Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz: Mitgliedern unterzeichnet wird - eine Delegitimie- Vielen Dank, Frau Schüßler. - Für die AfD-Fraktion rung der Abschreckungspolitik. spricht der Abgeordnete Wirtz. Die Abschreckungspolitik - so makaber das sein (Dragos Pancescu [GRÜNE]: Der mag; das habe ich schon beim letzten Mal er- nicht anwesend war!) wähnt - hat funktioniert. Sie hat mit dem Gleichge- wicht des Schreckens gearbeitet. Sie hat uns hier Bitte! lange den Frieden erhalten. Dieses Gleichgewicht besteht immer noch, und wir sind darauf angewie- Stefan Wirtz (AfD): sen, dass es besteht. Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da- men und Herren! Ich weiß, Sie erwarten jetzt von Andere Länder wie Indien, Pakistan, Nordkorea mir wie immer eine Beruhigung der Stimmung. Da und vielleicht irgendwann - wenn wir nicht aufpas- haben Sie völlig recht. sen - auch Iran sind nicht auf Abschreckung aus. Die sind anders orientiert. Die sind vielleicht sogar (Heiterkeit bei Dana Guth [AfD]) darauf orientiert, diese Waffen eines Tages einzu- Das Thema ist zu ernst - auch wenn ich den Ein- setzen. Gegen diese Gefahr ist der Atomwaffen- druck habe, dass der Antrag nicht ganz ernst ge- verbotsvertrag sicher eine sinnvolle Maßnahme. meint ist -, um es so zu behandeln, wie wir es zu Für die NATO und ganz sicher auch für Russland Anfang hatten. gilt das nicht. Deshalb ist der Vertrag bisher weder Aber Sie müssen schon zugeben, Herr Pancescu: von NATO-Mitgliedern noch wahrscheinlich von Mit dem Brief aus Moskau haben Sie uns wirklich Russland unterschrieben worden, und ich nehme neugierig gemacht. Das wollen wir jetzt alle wis- an, die Unterzeichnung wurde auch nicht ange- sen. Ich gebe Ihnen einen Tipp: Stellen Sie das bei kündigt, jedenfalls nicht Ihnen. Facebook ein! Dann haben Sie 130 Klicks sicher. Was haben Sie hier also vor? - 50 Länder sollen Das funktioniert. Dann haben Sie den größten diesen Vertrag mindestens unterschreiben. Dann Erfolg des Jahres - jedenfalls den größten eigenen sollen sie ein Vorbild sein für andere Länder sein, Erfolg. z. B. für die genannten, die nicht ganz so verant- (Beifall bei der AfD - Dragos Pances- wortungsvoll und sicher sind beim Einsatz - hof- cu [GRÜNE]: So machen Sie das! - fentlich Nicht-Einsatz, Niemals-Einsatz -, beim Helge Limburg [GRÜNE]: Das kennen Besitz, beim Verschaffen von Atomwaffen. Sie! Briefe aus Moskau kriegen sonst Aber worauf wollen Sie eigentlich hinaus? - Sie nur Sie!) übergehen in Ihrem Antrag die EU, die OSZE, die Wir können Ihnen da ein bisschen helfen. Stellen NATO sowieso. Deutschland soll einen Alleingang Sie es einfach ein! Wir wollen einfach wissen, was machen. Am besten soll Niedersachsen einen

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Alleingang machen, mit wehenden Fähnchen zu- gibt, als sich mit diesen originär sicherheits- und mindest die Bundesregierung bewegen, diesen außenpolitischen Fragestellungen zu befassen. Vertrag zu unterschreiben. Aber Sie wissen ja Wir sind gut beraten, die Kompetenzordnung, wie selber: Das war letztes Jahr schon Thema im Bun- sie das Grundgesetz aufgestellt hat, zu respektie- destag, und der Antrag ist dort abgelehnt worden. ren. Die Zuweisung der Kompetenz hat auch etwas (Vizepräsident Petra Emmerich- mit politischer Verantwortung zu tun. Wir könnten Kopatsch übernimmt den Vorsitz) es uns einfach machen und zu all den Dingen, für die wir nicht politisch verantwortlich sind, irgend- Es war ein Antrag der Linken. Die sollten Sie jetzt welche Forderungen aufstellen. Das aber hielte ich eigentlich nicht politisch beerben wollen. Aber hier für falsch, weil damit das Aufstellen von politischen sind ja zum Glück keine im Landtag. Forderungen und die Übernahme der Verantwor- tung auseinanderfielen. Zur Glaubwürdigkeit von Was ist also passiert? - Die Bundesregierung wird Politik gehört, dass beides zusammengehört. das Ganze nicht unterschreiben. Ich sage Ihnen aber auch: Die AfD-Fraktion im Bundestag hat sich Deshalb sind wir der Überzeugung, dass das nicht enthalten, und sie hat auch einen Grund dafür. hierher gehört. Ich finde es erstaunlich, dass CDU Denn dass immer ein atomares Inferno lauert, und SPD genauso argumentieren, aber am Ende wenn Atomwaffen verwahrt werden und wenn mit dann doch eine außenpolitische Debatte führen, ihnen hantiert wird, ist nun einmal nicht zu leug- weil sie nämlich erklären, warum sie das inhaltlich nen. ablehnen.

Dieses Thema ist, wie ich anfangs sagte, zu ernst. Ich möchte das mit einer Aufforderung an den Hier werden wir allerdings Ihren Antrag ablehnen. Ministerpräsidenten verbinden. Das, was wir für Denn wir haben jetzt oft genug gehört: Das Thema richtig halten, nämlich dass sich der Landtag um gehört nicht hierher. Sie haben sich bemüht. Wie näher liegende Dinge kümmern und diese Kompe- es aber oft mit dem Bemühen ist: Dabei bleibt es tenzordnung nicht ignorieren sollte, gilt auch für auch. Sie werden unsere Zustimmung dazu nicht den Ministerpräsidenten, wenn er sich etwa zu erreichen. Russlandsanktionen oder zur Ukraine-Politik der Bundesregierung äußert. Wir sind der festen Über- Schönen Dank fürs Zuhören. zeugung, dass sich ein Ministerpräsident insofern (Beifall bei der AfD) zurückhalten sollte, denn dort gilt das Gleiche: Auch dort fallen die Verantwortung und die Kom- petenzen deutlich auseinander. Beides liegt nicht Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: beim Ministerpräsidenten, sondern bei den Kolle- Danke, Herr Wirtz. - Für die FDP-Fraktion erhält ginnen und Kollegen im Bund, die den Außenmi- nun Herr Kollege Dr. Stefan Birkner das Wort. nister und die Bundesregierung stützen und tra- gen. Dr. Stefan Birkner (FDP): Man macht es sich einfach, wenn man aus der Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und zweiten oder dritten Reihe kluge Ratschläge gibt, Herren! So sehr das Anliegen der Fraktion Bündnis für die man dann aber keine Verantwortung über- 90/Die Grünen, eine atomwaffenfreie Welt zu er- nehmen muss. Das gilt nach unserer Überzeugung reichen, nachvollziehbar und wünschenswert ist, für dieses Parlament - weshalb wir den Antrag so wenig gehört es in diesen Landtag. ablehnen werden -, es gilt aber auch für eine Lan- desregierung, die diese Kompetenzordnung eben- Natürlich können wir uns mit allen bundespoliti- falls zu respektieren und sich in Zurückhaltung zu schen Themen befassen, wenn man fragt, wozu üben hat. wir einen solchen Ausschuss oder wozu wir ein solches Ministerium haben. - Die Frage, warum wir Vielen Dank. ein solches Ministerium eigentlich haben, stellen (Beifall bei der FDP) wir uns übrigens auch, wenn auch in anderen Zu- sammenhängen. - Natürlich findet man auch im- Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: mer einen Anknüpfungspunkt dafür, so etwas the- Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Es hat sich nun matisieren zu können. Ich glaube aber, dass es für Herr Ministerpräsident Stephan Weil zu Wort ge- Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes meldet. Niedersachsen wesentlich näher liegende Themen

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Stephan Weil, Ministerpräsident: Es ist nicht zielführend, wenn Ministerpräsidenten Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lie- auf einer Ebene agieren, für die sie keine Verant- ber Kollege Birkner, ich pflichte dem ersten Teil wortung tragen. Damit machen Sie es sich sehr Ihrer Ausführungen ganz und gar bei, muss Ihrem einfach. Wohlfeil in das Land zu kommunizieren, zweiten Teil jedoch widersprechen. Der Unter- dass wir auf eurer Seite stehen, aber gleichzeitig schied zwischen den beiden von Ihnen angespro- überhaupt keine Kompetenz oder Wirkungsmacht chenen Themen besteht nämlich darin, dass von in diesem Feld zu haben - das ist zu billig und ei- den Sanktionen ganz konkret niedersächsische nes Ministerpräsidenten auch nicht angemessen. Interessen betroffen sind. Wenn Sie beispielsweise (Beifall bei der FDP) mit der niedersächsischen Agrarwirtschaft spre- chen, werden Sie feststellen, dass in vielen Berei- Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: chen dort u. a. deswegen Probleme bestehen, weil früher vorhandene Märkte weggefallen sind und Nun liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, auch nicht wiederkommen werden, da in der Zwi- sodass wir zur Abstimmung kommen. schenzeit in dem Land selbst entsprechende Ka- Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses pazitäten aufgebaut worden sind. folgen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis Sie werde es mir nachsehen: Nach meinem Amts- 90/Die Grünen in der Drucksache 18/3651 ableh- verständnis besteht meine Aufgabe darin, die Inte- nen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - ressen von niedersächsischen Bürgerinnen und Gibt es Gegenstimmen? - Gegenstimmen der Grü- Bürgern, aber auch von Unternehmen zu vertreten. nen. Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Herzlichen Dank. Dann kommen wir jetzt zum letzten Tagesord- nungspunkt, zum (Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: Tagesordnungspunkt 30: Herr Dr. Birkner, ich gehe davon aus, dass Sie Abschließende Beratung: eine Zwischenfrage stellen wollen? Ermäßigten Mehrwertsteuersatz auch für elekt- (Dr. Stefan Birkner [FDP]: Nein, zu- ronische Presse schnell umsetzen - Antrag der sätzliche Redezeit!) Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/3261 - Beschlussempfehlung des Aus- - Gut. schusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 18/3912 Dr. Stefan Birkner (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Na- Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag in türlich ist es die Aufgaben eines Ministerpräsiden- geänderter Fassung anzunehmen. ten, niedersächsische Interessen zu vertreten. Ich Wie bereits erwähnt, sind die Fraktionen überein- verstehe insofern auch Ihren Anknüpfungspunkt. gekommen, dass zu diesem Tagesordnungspunkt Sie haben sich aber nicht nur dahin gehend geäu- eine Aussprache geführt werden soll. Zu Wort ßert, dass Sie niedersächsische Interessen vertre- gemeldet hat sich Herr Kollege Dr. Karl-Ludwig ten haben, sondern Sie haben sich ganz konkret von Danwitz von der CDU-Fraktion. gesagt, dass diese Sanktionen kein geeignetes (Vereinzelt Beifall bei der CDU) Instrument seien, um Russland zu einem anderen Verhalten zu bringen. Dr. Karl-Ludwig von Danwitz (CDU): Das geht weit darüber hinaus. Das ist eine klare Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir außenpolitische, sicherheitspolitische Einschät- sind uns, auch im Ausschuss, einig gewesen, dass zung, für die Sie, wie ich meine, kein Mandat ha- wir den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auch für ben. Das ist Sache des Außenministeriums, der elektronische Presse schnell umsetzen wollen. Bundesregierung, zu der Sie eigentlich einen ganz Presse und Zeitungen sind heute nicht mehr an vernünftigen Kontakt haben sollten. Aber der ist Papier gebunden - Presse ist Qualitätsjournalis- offensichtlich nicht in dem Maße gegeben, wie Sie mus, egal auf welchem Träger -, werden steuerlich sich das wünschen. aber immer noch so behandelt wie vor Jahrzehn-

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ten. Wir sind uns einig, dass wir das ändern wol- Zeit gewesen, das einmal zu machen. Aber da len. kam von Ihnen gar nichts.

Jetzt sind alle Voraussetzungen erfüllt. Nieder- Wir lehnen den Antrag ab. sachsen hat eine gute Anregung geliefert, und die EU hat ihren Job gemacht. Interessant übrigens für (Jens Nacke [CDU] - zur AfD -: Das ist alle Europakritiker: Das ging schnell, korrekt und doch keine Nachhilfeeinrichtung hier! erfolgsorientiert. Die Mehrwertsteuer-Richtlinie ist Sie können das auch selber lesen! jetzt angepasst. Selber lesen ist hilfreich!)

Nun können wir alle gemeinsam unseren Finanz- Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: minister in Berlin auffordern zu reagieren. Er muss Danke sehr. - Es hat sich nun der Kollege Dr. Ale- aktiv werden und steuerlich nachvollziehen, was im xander Saipa von der SPD-Fraktion zu Wort ge- Leben längst Normalität ist. meldet. Herzlichen Dank. Dr. Alexander Saipa (SPD): Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Vielen Dank, Herr Dr. von Danwitz. - Der nächste und Kollegen! Herr Lilienthal, ich konnte mir gera- Redner ist Herr Peer Lilienthal für die AfD-Fraktion. de ein Tränchen verdrücken, dass die anderen nicht mit Ihnen im Haushaltsausschuss geredet Peer Lilienthal (AfD): haben. Das tut mir wirklich sehr leid. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Aber wir haben das Thema im Medienausschuss ermäßigte Mehrwertsteuersatz hat finanzhistorisch gut beraten. Ich würde sagen, wir sind mit dem gesehen den Sinn, dass nicht zu viel vom Haus- Antrag, den wir auf den Weg gebracht haben, so haltseinkommen für lebenswichtige Dinge wie Nah- gut, dass das im Referentenentwurf des Bundesfi- rungsmittel oder auch Zeitungen verwendet wird. nanzministeriums vom 8. Mai zum Jahressteuer- Das bezieht sich natürlich nicht auf Substitute. gesetz 2019 so zu finden ist, wie wir das wollen. Plakativer ausgedrückt: Jemand, der eine Zeitung lesen möchte, kann das auch in Papierform tun. Er Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: muss dafür kein elektronisches Medium bemühen. Herr Dr. Saipa, gestatten Sie - - - Weil das insgesamt eine steuerrechtliche Frage ist, haben wir beschlossen - und damit meine ich uns Dr. Alexander Saipa (SPD): alle, das gesamte Plenum -, diesen Antrag im Damit ist das auf einen guten Weg gebracht wor- Haushaltsausschuss mitzuberaten, wohin er ja den. Jetzt warten wir, was der Bundesgesetzgeber eigentlich auch gehört. macht und ob er unsere Wünsche umsetzt. Ich habe im Rahmen dieser Beratungen die ein- Wir sollten das heute beschließen. Ich hoffe, dass bringenden Fraktionen darum gebeten zu erläu- wir dann auf einen guten Weg kommen und On- tern, wie sie den Vorteil einschätzen, der entstün- linezeitungen und -zeitschriften endlich auch dem de, wenn man die Senkung des Mehrwertsteuer- ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterliegen. satzes von derzeit 19 % auf dann 7 % an den End Vielen Dank. verbraucher weitergeben würde. Das ist nämlich ein Problem. Bei der Senkung des Mehrwertsteu- (Beifall bei der SPD) ersatzes für Hotelübernachtungen haben wir ge- sehen, dass die Senkung nicht an den Verbrau- Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: cher weitergegeben wurde. Dann kam die glorrei- Herr Dr. Saipa, der Kollege Lilienthal wollte Ihnen che Mitberatung der einbringenden Fraktionen. Ich eine Zwischenfrage stellen. Da Sie nicht reagiert zitiere: „Weitere Wortmeldungen ergaben sich haben, frage ich jetzt. nicht.“ Es wurde schlicht nicht darauf eingegangen, dass ich noch Fragen hatte. (Dr. Alexander Saipa [SPD]: Noch ein Tränchen verdrücken? Aber ich war Wir haben in den vergangenen zwei Tagen immer eigentlich schon fertig mit meiner Re- gehört, dass Sie uns inhaltlich stellen wollen. Dazu de!) sage ich: Im Haushaltsausschuss wäre es an der

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Jetzt meldet er sich zu einer Kurzintervention. Herr Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: Lilienthal! Herr Meyer, Entschuldigung! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Lilienthal? Peer Lilienthal (AfD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Christian Meyer (GRÜNE): Dr. Saipa, da Sie die Zwischenfrage nicht zugelas- Ja. Aber er war nicht im Medienunterausschuss. - sen haben, möchte ich Sie mit einer grundsätzli- Ich lasse die Frage zu. chen Frage, die sich uns allen stellt, konfrontieren: Es war nicht vorgesehen, dass der Haushaltsaus- Peer Lilienthal (AfD): schuss mitberät. Wir haben das dann hier vorge- Sehr geehrter Herr Dr. Meyer - - - schlagen, und auch Ihre Fraktion hat der Mitbera- tung durch den Haushaltsausschuss zugestimmt. (Christian Meyer [GRÜNE]: Dr. bin ich Ich frage Sie, Herr Dr. Saipa: Mit welchem Ziel? nicht!) (Beifall bei der AfD) Herr Meyer, vielen Dank für das Zulassen der Zwi- schenfrage. Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: Vor dem Hintergrund, dass Sie gesagt haben, die Herr Dr. Saipa möchte reagieren. Zeitungen würden durch diese Steuer irgendwie sparen - das ist eine Verbrauchssteuer - frage ich Dr. Alexander Saipa (SPD): auch Sie, wie Sie den Steuervorteil an den Endab- Frau Präsidentin! Herr Kollege, haben wir uns bei nehmer weitergeben wollen. der Sitzung im Haushaltsausschuss gesehen? Christian Meyer (GRÜNE): Danke. Ich weiß nicht, wie Sie das machen. Wenn ich (Beifall bei der AfD) Onlineangebote von Zeitungen nutze - ich nenne jetzt nicht die Zeitungen, die ich habe -, dann heißt Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: es bei der Preisangabe immer „inklusive Mehr- Das war sehr knapp gefasst. wertsteuer“. Da ist es selbstverständlich, dass ich momentan für die Nutzung einer Onlineapp einer (Peer Lilienthal [AfD]: Das ist die SPD Tageszeitung die Mehrwertsteuer in Höhe des 2019!) Grundsteuersatzes von 19 % und nicht den ermä- - Herr Lilienthal, wenn wir jetzt weitermachen könn- ßigten Steuersatz zahle. Von daher wird mit der ten, wären wir alsbald fertig. Absenkung das Angebot natürlich vergünstigt. Es kommt nun der Wortbeitrag von Herrn Christian Es ist schade, dass Sie Qualitätsjournalismus - - - Meyer für Bündnis 90/Die Grünen. Dass Sie diese Vergünstigung nicht möchten, zeigt Ihr Verhältnis zur Medienfreiheit und zu unabhän- Christian Meyer (GRÜNE): gigen Zeitungen, die der AfD ja nicht gefallen. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen Warum gilt denn für Printzeitungen seit Jahrzehn- und Herren! Wir stimmen dem Antrag zu, dass ten ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz? - Damit Regionalzeitungen, dass Qualitätsjournalismus als jede Bürgerin und jeder Bürger dieses Produkt als Onlineausgabe im Internet mehrwertsteuerrechtlich Daseinsvorsorge, quasi als Grundnahrungsmittel, genauso behandelt werden wie als Printausgabe. kaufen kann und damit es nicht am Preis liegt, Auch da soll der ermäßigte Satz gelten. dass man sich keine örtliche Tageszeitung kaufen kann. Die AfD lehnt das hier ab. Man muss feststellen: Sie möchte, dass die Regionalzeitungen weiterhin (Beifall bei den GRÜNEN) einen hohen Steuersatz zahlen. Qualitätszeitungen Deshalb ist es ganz wichtig, dass es zu der Ab- sollen online also hohen Belastungen unterliegen. senkung kommt. Dass das Onlineangebot des Göttinger Tageblatts Ganz wichtig finde ich aber auch die Betonung, oder des Täglichen Anzeigers Holzminden einem dass es uns hier um Zeitungen, Zeitschriften und höheren Mehrwertsteuersatz unterliegt, kann man presseähnliche Produkte geht. Es geht nicht um nicht nachvollziehen. Bücher. Das ist in der Beschlussempfehlung ganz

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klar enthalten. Ich möchte nicht, dass wir zu einem Nichtsdestotrotz: Wir sind uns in der Sache einig, ermäßigten Steuersatz für Amazon und Google und deshalb werden wir von der FDP-Fraktion Books kommen, sondern ich möchte, dass der zustimmen. ermäßigte Steuersatz weiterhin für die Bücher, die Vielen Dank. der örtliche Buchhändler vertreibt, gilt. Bei Büchern würden wir wirklich den falschen helfen; denn die (Beifall bei der FDP und bei den Onlinebücher werden in der Regel im Internet be- GRÜNEN) stellt und nicht bei dem lokalen Buchhändler. Das Onlineangebot meiner Regionalzeitung gibt es Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: zum Glück nicht bei Google und auch nicht bei Danke sehr, Dr. Genthe. - Abschließend hat sich Amazon; diese Einnahmen kommen direkt dem nun für die Landesregierung der Finanzminister, Zeitungs- und Zeitschriftenverlag zugute. Herr Reinhold Hilbers, zu Wort gemeldet. (Beifall bei den GRÜNEN) Reinhold Hilbers, Finanzminister: Deshalb sollten wir es bei dem Ziel belassen, wie Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen es im Antrag steht: die Möglichkeit der Reduzie- und Herren! Auch ich möchte zu diesem Antrag rung des Mehrwertsteuersatzes von Onlineange- gerne noch reden, damit ich mich nicht der Kritik boten von Zeitungen und vergleichbaren Medien aussetze, hier nicht reden zu wollen, wie das eben zu prüfen und politisch zu unterstützen. bei einem anderen Tagesordnungspunkt der Fall Dazu gab es übrigens schon in der letzten Periode war. einen Antrag, den Rot-Grün beschlossen hatte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Hö- Damals konnte er EU-rechtlich noch nicht umge- he des Mehrwertsteuersatzes auf Druckexemplare setzt werden. Jetzt ist das möglich. Deshalb sollten ist eine wichtige Angelegenheit im digitalen Zeital- wir diese Absenkung gemeinsam umsetzen. Das ter. Es ist ein erfreuliches Ereignis, dass sich heute ist wirklich gut für die Zeitungs- und Medienvielfalt sozusagen eine gute Tat wiederholt. Denn, Herr in Niedersachsen. Meyer, im Jahr 2015 hat die damaligen CDU-Frak- (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- tion aus der Opposition heraus mit dem Entschlie- stimmung bei der SPD) ßungsantrag in der Drucksache 17/3320 genau diese Initiative gestartet und für die Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Onli- Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: neangebote von Zeitungen und anderen Medien Danke schön, Kollege Meyer. - Nun hat sich geworben. Dr. Marco Genthe für die FDP-Fraktion gemeldet. Viele Bereiche des täglichen Lebens unterliegen dem Wandel der Zeit. Die digitale Welt gewinnt Dr. Marco Genthe (FDP): immer mehr an Bedeutung und zieht immer mehr Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich in die mediale Welt ein. Immer mehr Nutzer geben kann es ganz kurz machen und feststellen, dass dem Abruf von Presseinhalten aus dem Internet sich vier Fraktionen des Niedersächsischen Land- den Vorzug gegenüber dem Kauf von gedruckten tags in der Sache völlig einig sind. Zeitungen. Darauf muss man eben reagieren. Bis- lang ist der Umsatzsteuersatz für die beiden Berei- Das waren wir auch schon 2016, als wir das The- che unterschiedlich geregelt. Jetzt auch den ermä- ma schon einmal diskutiert haben. Damals war die ßigten Umsatzsteuersatz anzuwenden, wenn man Absenkung aber aufgrund der Situation auf der online auf die Beiträge zurückgreift, ist sehr sinn- EU-Ebene nicht möglich. Das hat sich nunmehr voll. geändert. Im Bereich des Steuerrechts wird es nun absehbar Ich bin in meiner grenzenlosen Naivität davon zu einer Anpassung der Steuersätze für elektroni- ausgegangen, dass die Bundesregierung dann sche Medien kommen. Eine entsprechende wirt- automatisch tätig wird. Warum jetzt die Große schaftliche Entwicklung wird eintreten. Mit der Än- Koalition in Berlin die Aufforderung durch die Gro- derungs-Richtlinie (EU) 2018/1713 des Rates der ße Koalition in Hannover braucht, um in dieser Europäischen Union vom 6. November 2018 wird Angelegenheit tätig zu werden, erschließt sich mir Artikel 98 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie der- nicht. gestalt geändert, dass den EU-Staaten die Mög-

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lichkeit gegeben wird, auf elektronisch erbrachte Helge Limburg (GRÜNE): Dienstleistungen in Form der Lieferung von Bü- Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie die Zwischen- chern, Zeitungen und Zeitschriften auf elektroni- frage zulassen. schem Weg einen ermäßigten Steuersatz vorzu- sehen. Ich wollte nur sichergehen, ob das gerade nur ein Versprecher oder eine bewusste Abgrenzung war. Einige Vorredner lagen da nicht richtig: Im Refe- Die Frage, ob auch E-Books von der Erleichterung rentenentwurf des Bundesministeriums der Finan- umfasst sein sollen, ist in der Tat eine zentrale. zen vom 8. Mai 2019 für ein Entwurf eines Geset- Der Antrag ist so zu verstehen, dass er sich aus- zes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elekt- drücklich an die Presse richtet, wovon E-Books ja romobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher nicht umfasst werden. Ihre Aufzählung beinhaltete Vorschriften ist dies schon aufgegriffen worden. aber gerade auch Ermäßigungen für E-Books. Der Referentenentwurf sieht neben anderen Ände- Insofern bitte ich Sie, klarzustellen, was auf Bun- rungen eben auch die Einführung einer neuen desebene geplant ist und was die Position der Mehrwertsteuerermäßigung für elektronische Ver- Landesregierung in dieser konkreten, sehr wichti- öffentlichungen in der neuen Nr. 14 in § 12 Abs. 2 gen Frage ist. des Umsatzsteuergesetzes vor. Das können Sie (Beifall bei den GRÜNEN) nachlesen. Diese Gesetzesänderung soll mit die- sem Gesetz also in die Tat umgesetzt werden. Reinhold Hilbers, Finanzminister: Es werden jetzt noch einige technische Dinge be- Die Nutzer journalistischer Onlineangebote und die sprochen. Insbesondere ist es wichtig - das ist Leser von E-Books werden erwarten können, dass eben schon einmal erwähnt worden -, bei der sie zukünftig Steuervorteile haben und dass diese Gleichstellung mit den Printmedien die Abgren- Steuervorteile von den Herausgebern dann auch zung von elektronischen Dienstleistungen und entsprechend an die Kunden weitergegeben wer- journalistischen Onlinebeiträgen genau vorzuneh- den. men. Wir wollen ja nur Tageszeitungen, Zeitschrif- Vielen Dank. ten, Druckexemplare und Bücher, E-Books und journalistische Onlineangebote unter den ermäßig- (Christian Meyer [GRÜNE]: Das ist ein ten Steuersatz stellen, aber nicht alles, was online Schlag für die Innenstädte!) zur Verfügung gestellt wird. Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch: Insofern werden noch einige Details geklärt wer- Vielen Dank. den müssen. Aber die Sache ist auf den Weg ge- Wir können jetzt zur Abstimmung kommen. bracht. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses Ich danke den Fraktionen herzlich für diese Unter- zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der stützung. Sie war durchaus interessant und auch SPD und der Fraktion der CDU in der sich aus der wichtig für die Beratungen in Berlin. Somit haben Beschlussempfehlung ergebenden geänderten wir einen Schritt getan, um die niedersächsische Fassung annehmen will, den bitte ich nun um sein Medienwirtschaft und die Zeitungs- und Verleger- Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gegen- landschaft in Niedersachsen zu stärken. Deswe- stimmen von der AfD. - Gibt es Enthaltungen? - gen ist das ein guter Tag für die Zeitungsland- Das ist nicht der Fall. schaft in Niedersachsen. Das Präsidium wünscht Ihnen einen wunderschö- Vielen Dank. nen Abend. Wir sehen uns morgen früh wieder. Schluss der Sitzung: 18.51 Uhr. Vizepräsidentin Petra Emmerich-Kopatsch:

Herr Minister Hilbers, Herr Kollege Limburg, wollte gern noch eine Zwischenfrage stellen.

Reinhold Hilbers, Finanzminister: Dann bleibe ich gern noch hier.

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