Plenarprotokoll 13/48

Deutscher

Stenographischer Bericht

48. Sitzung

Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Inhalt:

Zurückweisung von Äußerungen des Ab- zu dem Entschließungsantrag der Grup- geordneten Gerhard Zwerenz 3953 B pe der PDS zum Antrag der Bundesre- gierung Gerhard Zwerenz PDS (Erklärung nach (Drucksachen 13/1802, 13/1835, 13/1828, § 32 GO) 3953 D 13/1808, 13/1855) Benennung der Abgeordneten Gerhard Dr. , Bundesminister AA . 3955 B Scheu und Horst Schmidbauer (Nürn- SPD 3959A berg) als Mitglieder für den Stiftungsrat Dr. Wolfgang Schäuble CDU/ HIV-Hilfegesetz 3954 C CSU 3965B, 4006A, 4008 C Abweichung von den Richtlinien für die Rudolf Scharping SPD 3968 B Fragestunde, für die Aktuelle Stunde so- Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE wie der Vereinbarung über die Befragung GRÜNEN 3969 A der Bundesregierung in der Sitzungswo- Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ che ab 4. September 1995 3954 C DIE GRÜNEN 3970D, 4008 B Erweiterung der Tagesordnung 3954 D Dr. F.D.P 3975 C Dr. PDS 3978 C Tagesordnungspunkt 17: Dr. F.D.P. . . . . 3982 A Hans-Ulrich Klose SPD 3982 D Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses CDU/CSU 3983A, 4009A Norbert Gansel SPD 3985 B zu dem Antrag der Bundesregierung: Günter Verheugen SPD . . 3987D, 4006B, 4008 C Deutsche Beteiligung an den Maßnah- BÜNDNIS 90/DIE men zum Schutz und zur Unterstützung GRÜNEN 3991 B des schnellen Einsatzverbands im frü- Dr. Burkhard heren Jugoslawien einschließlich der Hirsch F D P. 3993 A Unterstützung eines eventuellen Ab- Ulrich Irmer F.D.P 3993 B zugs der VN-Friedenstruppen Manfred Opel SPD 3994 B zu dem Entschließungsantrag der Frak- Uwe Hiksch SPD 3994 D lion der SPD zum Antrag der Bundesre- Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . 3995 B gierung SPD 3995 D zu dem Entschließungsantrag der Frak- (Bremen) BÜNDNIS 90/ lion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum DIE GRÜNEN 3997 A Antrag der Bundesregierung Gerhard Zwerenz PDS 3997 A II Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 3997 D Zusatztagesordnungspunkt 8:

Gernot Erler SPD 4001 A Abschließende Beratungen ohne Aus- Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ sprache DIE GRÜNEN 4001D, 4009 D a) - e) Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4003 C Beschlußempfehlungen des Petitions- ausschusses: Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . 4005 C - Dr. Theodor Waigel CDU/CSU 4006 C Sammelübersichten 50, 51, 52, 53 und 54 zu Petitionen (Drucksachen 13/1867, Andrea Lederer PDS 4007 A 13/1868, 13/1869, 13/1870, 13/1871) . . 4028A CDU/CSU 4009 B Norbert Gansel SPD 4011A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4029* A Michael Glos CDU/CSU 4012 D Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE Anlage 2 GRÜNEN (Erklärung nach § 31 GO) . . 4014 A Erklärungen nach § 31 GO zur Abstim- Dr. Christian Schwarz-Schilling CDU/CSU mung über die Beschlußempfehlung zu (Erklärung nach § 31 GO) 4014 D dem Antrag der Bundesregierung: Deut- Margitta Terborg SPD (Erklärung nach sche Beteiligung an den Maßnahmen zum § 31 GO) 4015D Schutz und zur Unterstützung des schnel- len Einsatzverbands im früheren Jugosla- Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ wien einschließlich der Unterstützung ei- DIE GRÜNEN (Erklärung nach § 31 GO) . 4016A nes eventuellen Abzugs der VN-Friedens- truppen und zu den Entschließungsanträ- Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/ gen der Fraktionen von SPD und BÜND- DIE GRÜNEN (Erklärung nach § 31 GO) . 4022 C NIS 90/DIE GRÜNEN sowie zu dem Ent- schließungsantrag der Gruppe der PDS Namentliche Abstimmungen . . .4013C, 4019C, D Dr. SPD 4029* B Hans Martin Bury SPD 4030* B Ergebnisse 4017A, 4020A, 4023A, 4026A Dr. Marliese Dobberthien SPD 4030'D Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Zusatztagesordnungspunkt 6: NEN 4031* D

Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes Antje Hermenau BÜNDNIS/DIE GRÜNEN 4032' D (Vermittlungsausschuß) zu dem Sieb- Stephan Hilsberg SPD 4033* A zehnten Gesetz zur Änderung des Bun- Dr. F D P. 4033* A desausbildungsfôrderungsgesetzes Birgit Homburger F D P. 4033* C (Drucksachen 13/1301, 13/1553, 13/ 1813, 13/1872) 4025 C Gerhard Jüttemann PDS 4034* B Volker Kröning SPD 4034* D Horst Kubatschka, Uwe Hiksch, Christa Zusatztagesordnungspunkt 7: Lörcher, Antje-Marie Steen (alle SPD) . 4034* D Konrad Kunick SPD 4035* B Beschlußempfehlung des Ausschusses Waltraud Lehn SPD 4036' A nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz Margot von Renesse SPD 4036* B zur Änderung des Bundes-Immissions- Waltraud Schoppe BÜNDNIS 90/DIE schutzgesetzes (Drucksachen 13/1524, GRÜNEN 4036* D 13/1754, 13/1812,13/1890) 4025D Josef Vosen SPD 4037* C Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . 4037* D Dr. Winfried Wolf PDS 4038* C Tagesordnungspunkt 20:

Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Anlage 3 Heuer, Dr. Ludwig Elm, weiterer Abge- Erklärungen nach § 31 GO der Abgeord- ordneter und der Gruppe der PDS: Ein- neten , Ingrid Matthäus-Mai- setzung einer Enquete-Kommission er, Rudolf Purps, Verena Wohlleben, Horst „Gleichstellung von Menschen mit Be- Schild, Dietmar Thieser, Christine Kurz- hinderung" (Drucksache 13/813) . . . 4028B hals, Dieter Schloten, Sabine Kaspereit, Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 III

Volkmar Schultz (Köln), Reinhard Schultz NIS 90/DIE GRÜNEN sowie zu dem Ent- (Everswinkel), Reinhold Robbe, Kurt Palis, schließungsantrag der Gruppe der PDS . 4039* A Wieland Sorge, Susanne Kastner, Arne Börnsen (Rittershude), Peter Zumkley, Manfred Hampel, Karl Hermann Haack (Extertal), Brigitte Schulte (Hameln), Wal- Anlage 4 ter Kolbow, Robert Leidinger, Rolf Schwa- Zu Protokoll gegebene Reden zu Tages- nitz, Christian Müller (Zittau), Hans Ber- ordnungspunkt 20 (Antrag: Einsetzung ei- - ger, Hermann Rappe (Hildesheim), Volker ner Enquete-Kommission „Gleichstellung Neumann (Bramsche), Erwin Horn, Ernst von Menschen mit Behinderung") Kastning, Tilo Braune, Thomas Krüger, , Johannes Singer, Karsten Heinz Schemken CDU/CSU 4039* D D. Voigt (Frankfurt), Renate Jäger, Hans- Karl Hermann Haack (Extertal) SPD . . 4040* B Ulrich Klose, Gerhard Neumann (Gotha), Dr. Eberhard Brecht (alle SPD) zur Abstim- (Köln) BÜNDNIS 90/DIE mung über die Beschlußempfehlung zu GRÜNEN 4040* D dem Antrag der Bundesregierung: Deut- Uwe Lühr F.D.P 4041* C sche Beteiligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung des schnel- Petra Bläss PDS 4042* C len Einsatzverbands im früheren Jugosla- wien einschließlich der Unterstützung ei- nes eventuellen Abzugs der VN-Friedens- truppen und zu den Entschließungsanträ- Anlage 5 gen der Fraktionen von SPD und BÜND Amtliche Mitteilungen 4043* D

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3953

48. Sitzung -

Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Beginn: 9.05 Uhr

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Meine Damen und befassen müssen. Herr Zwerenz hat in einer Presse- Herren! Die Sitzung ist eröffnet. mitteilung vom 22. Juni 1995 Mitgliedern des Bun- destages ein „int rigantes Zusammenspiele mit dem (Zahlreiche Abgeordnete der Gruppe der Bundesbeauftragten Joachim Gauck und Bärbel Boh- PDS tragen T-Shirts, die mit einem Slogan ley vorgeworfen. bedruckt sind) Durch den wörtlichen Bezug auf die Affäre Dreyfus Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, muß ich werden sie in die Nähe von Rassisten und Antisemi- der Gruppe der PDS mit allem Nachdruck sagen, ten gerückt. Diese Äußerungen setzen Bürgerrecht- daß diese demonstrative Kleidung im Parlament ler, die gegen das SED-Unrechtsregime gekämpft nicht geduldet wird. haben, in unerträglicher Weise herab. (Beifall bei der CDU/CSU der SPD und der Die Ankündigung „Wir werden die Umtriebe pro- F.D.P. - Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: tokollieren für die nächste Wende" Uniformierung!) (Zurufe von der CDU/CSU: Unglaublich! Wir haben das mehrfach im Ältestenrat besprochen, Pfui! - Ch ristian Schmidt [Fürth] [CDU/ und ich fordere die PDS-Mitglieder auf, sich mit ent- CSU]: Kommunisten lernen nicht dazu) sprechender Kleidung zu versorgen. kann nur verstanden werden als Versuch, die Mit- glieder des Deutschen Bundestages massiv unter (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sich zu Druck zu setzen. Der Deutsche Bundestag läßt dies entfernen!) nicht zu. Eine andere Regelung ist nicht möglich, sonst müßte (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem ich Sie vom Plenum ausschließen. Ich fordere Sie also BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.) auf zu gehen. Die Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. so GRÜNEN und F.D.P. haben die Äußerung des Abge- wie bei Abgeordneten der SPD) ordneten Gerhard Zwerenz im Ältestenrat scharf ver- urteilt. Als Präsidentin habe ich das Ansehen des Ich fordere Sie nochmals auf, den Saal zu verlas- Deutschen Bundestages zu wahren. Die Äußerungen sen. - Ich habe Sie zweimal aufgefordert, den Saal zu des Abgeordneten Zwerenz sind nicht hinnehmbar. verlassen. - Ich sehe sonst keine andere Möglichkeit, Ich weise sie strikt zurück. als Sie nach § 38 unserer Geschäftsordnung für heute auszuschließen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P. (Beifall bei der CDU/CSU - Die angespro - Einige Abgeordnete der PDS betreten chenen Abgeordneten der PDS verlassen wieder den Saal in der gleichen Kleidung den Saal) wie zu Beginn - Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Raus!) - Herr Köhne, würden Sie bitte den Saal verlassen. Es wird gebeten, eine Erklärung nach § 32 unserer (Rolf Köhne [PDS] verläßt den Saal) Geschäftsordnung abzugeben. Das kann außerhalb der Tagesordnung geschehen. - Bitte. Noch ein zweites: Der Ältestenrat hat sich gestern mit Äußerungen des PDS-Abgeordneten Gerhard Zwerenz Gerhard Zwerenz (PDS) (mit Beifall von der PDS begrüßt): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und (Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Pfui Teu Herren! Ich möchte mich bei der Bundestagspräsi- fel!) dentin für die Ermöglichung eines kurzen Gesprächs 3954 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Gerhard Zwerenz gestern abend und für die zwei Minuten Redezeit, Ich erkläre hiermit: Ich bin gern bereit, mit jedem, die mir zugestanden worden sind, bedanken. der sich beleidigt fühlt, zu sprechen. Ich bin aber erst dann bereit, wenn wir weder kollektiv noch individu- Ich kann meinen Dank leider nicht auf den Älte- ell beleidigt werden. Wir werden fortwährend belei- stenausschuß ausweiten, weil da keine Anhörung digt. stattgefunden hat. Ich hätte gern mit dem Ältesten- ausschuß gesprochen. (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Unerhört ist das!) (Siegfried Scheffler [SPD]: Zur Sache!) Das andere ist jetzt Ihr Problem, meines ist es nicht Dies hat sich als nicht möglich erwiesen. mehr. (Beifall bei der PDS) (Zuruf von der SPD: Nicht nur da!)

Mir ist mitgeteilt worden, daß man sich im Älte- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Meine Damen und stenausschuß beleidigt fühlt. Mein Rat ist, eine ge- Herren, ich komme zu den amtlichen Mitteilungen. richtliche Klärung herbeizuführen. Dann ist wenig- stens gewährleistet, daß man angehört wird und Das HIV-Hilfegesetz wird voraussichtlich am seine Belege vorweisen kann. 31. Juli 1995 in Kraft treten. Nach § 8 Abs. 1 dieses Gesetzes entsendet der Deutsche Bundestag zwei (Freimut Duve [SPD]: Das sagt ein Mitglied Mitglieder in den Stiftungsrat. Damit der Stiftungsrat des Schriftstellerverbandes?! Gerhard!) unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes seine Arbeit aufnehmen kann, bittet der Bundesminister - Herr Duve, wir kennen uns - - für Gesundheit, die beiden Mitglieder des Deutschen Bundestages zu benennen. (Zurufe von der CDU/CSU und der SPD) Die Fraktion der CDU/CSU schlägt hierfür den Ich bin auch bereit, mich zu entschuldigen, wenn Kollegen Gerhard Scheu und die Fraktion der SPD sich die beleidigte Gegenseite bereit erklärt, die den Kollegen Horst Schmidbauer (Nürnberg) vor. PDS-Abgeordneten dieses Parlaments fernerhin Sind Sie mit den Vorschlägen einverstanden? - Ich nicht mehr als MdBs zweiter Klasse zu behandeln. höre keinen Widerspruch. Damit sind die genannten Kollegen als Mitglieder für den Stiftungsrat HIV-Hil- (Zuruf von der CDU/CSU, der SPD, dem fegesetz benannt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.: Oh!) Der Ältestenrat hat in seiner Sitzung am 29. Juni 1995 vereinbart, in der Sitzungswoche vom 4. Sep- Das begann bekanntlich mit der Mißachtung des Al- tember 1995 mit Rücksicht auf die Haushaltsberatun- terspräsidenten zu Beginn im Berliner Reichstag, das gen keine Befragung der Bundesregierung, keine führt über viele Stationen bis zu neuesten Beleidi- Fragestunden und keine Aktuellen Stunden durch- gungen und auch Lügen. Die CDU/CSU-MdBs E rika zuführen. Steinbach und Norbe rt Geis tun dies - durch den Äl- testenrat ungerügt - auch jetzt noch. Erst gestern Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die nannte Herr Geis mich einen treuen Gefolgsmann heutige Tagesordnung um die Ihnen in einer Zusatz- des SED-Regimes. punktliste vorliegenden Punkte erweitert werden: 6. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses (Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Wolfgang nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsaus- Schäuble [CDU/CSU]: Protokoll für die schuß) zu dem Siebzehnten Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (17. BAföGAndG) nächste Wende!) - Drucksachen 13/1301, 13/1553, 13/1813, 13/1872 - 7. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses Wahr ist: Ich wurde von 1956 bis 1989 vom Staats- nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsaus- sicherheitsdienst verfolgt und zum Schluß auch im schuß) zu dem Gesetz zur Ä nderung des Bundes-Immis- Westen noch observiert. Das kann man bei der sionsschutzgesetzes - Drucksachen 13/1524, 13/1754, Gauck-Behörde abfragen. Ich bin jederzeit bereit, al- 13/1812, 13/1890 - les zu tun, damit Ihnen das möglich ist. Aber Sie wol- 8. Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache len das ja nicht wissen. a) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsaus- schusses: Sammelübersicht 50 zu Petitionen - Druck- Ebenso hatte ich 32 Jahre lang das Verbot, die sache 13/1867 - DDR überhaupt zu betreten. Ich hatte jahrelang so- b) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsaus- gar ein Transitverbot, während die großen Demokra- schusses: Sammelübersicht 51 zu Petitionen - Druck- ten, die sich jetzt so aufregen, ihre führenden Politi- sache 13/1868 - ker jederzeit zu Treffen mit den Herren Honecker c) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsaus- und Schalck-Golodkowski geschickt haben, die ich schusses: Sammelübersicht 52 zu Petitionen - Druck- sache 13/1869 - nicht kennenlernen durfte; denn ich durfte die DDR überhaupt nicht betreten. Das soll man wenigstens d) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsaus- schusses: Sammelübersicht 53 zu Petitionen - Druck- wissen, wenn man mich fortwährend beschuldigt, sache 13/1870 - Dienstmann des Honecker-Regimes gewesen zu e) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsaus- sein. Ich verzichtete gern auf das P rivileg, mit diesen schusses: Sammelübersicht 54 zu Petitionen - Druck- Politikern zu verkehren. sache 13/1871 - Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3955

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: 4 700 und 3 600 Blauhelmen die größten Kontin- gente; aber auch Länder wie Pakistan, Kanada, die Beratung der Beschlußempfehlung und des Niederlande und Spanien sind mit beachtlichen Ver- Berichts des Auswärtigen Ausschusses bänden präsent. 172 Soldaten haben im früheren Ju- (3. Ausschuß) goslawien im Einsatz für den Frieden als UNPRO- - zu dem Antrag der Bundesregierung FOR-Soldaten ihr Leben gelassen, über 1 000 wur- den schwer verwundet. Frankreich und Großbritan- Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen nien hatten die größten Verluste an Menschenleben zum Schutz und zur Unterstützung des zu tragen. Uns Deutschen sind solche Opfer erspart schnellen Einsatzverbands im früheren Ju- geblieben. goslawien einschließlich der Unterstüt- zung eines eventuellen Abzugs der VN- Dennoch, auch wir haben durch hohe finanzielle Friedenstruppen Beiträge für die humanitären Leistungen einen be- - zu dem Entschließungsantrag der Fraktion achtlichen Beitrag geleistet. Wir liegen mit diesen der SPD zum Antrag der Bundesregierung Beiträgen mit an der Spitze: durch unsere Versor- gungsflüge, durch den Bau von Flüchtlingsdörfern, - zu dem Entschließungsantrag der Fraktion die Mithilfe bei der Überwachung der Embargomaß- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Antrag nahmen, den Wiederaufbau in Mostar, durch um- der Bundesregierung fangreiche Materialhilfen für UNPROFOR, durch un- - zu dem Entschließungsantrag der Gruppe sere Mitwirkung in der Kontaktgruppe und nicht zu- der PDS zum Antrag der Bundesregierung letzt durch die Aufnahme von über 400 000 Flüchtlin- gen aus dem früheren Jugoslawien in Deutschland; - Drucksachen 13/1802, 13/1835, 13/1828, 13/ das sind doppelt so viele, wie alle anderen euro- 1808, 13/1855 - päischen Länder zusammen aufgenommen haben. Berichterstattung: (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Abgeordnete Karl Lamers Karsten D. Voigt (Frankfurt) Im Namen der Bundesregierung danke ich von Gerd Poppe Herzen allen Angehörigen der Bundeswehr, die an Ulrich Irmer der Luftbrücke nach Sarajevo, an den gefährlichen Andrea Lederer Airdrop-Aktionen über den eingeschlossenen Städ- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind ten, an den AWACS-Flügen und an den Marineope- für die Aussprache vier Stunden vorgesehen, wobei rationen im Mittelmeer teilgenommen haben. Sie ha- die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 40 Minuten ben in selbstlosem Einsatz ihr Leben riskiert, um und die Gruppe der PDS 25 Minuten erhalten sollen. Menschen zu helfen. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Wir verfahren entsprechend. (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des wir im An- Ich weise schon jetzt darauf hin, daß BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) schluß an die Aussprache vier nament liche Abstim- mungen durchführen werden. Gleicher Dank gilt dem Bundesgrenzschutz, den Ich eröffne die Aussprache. Das Wo rt hat der Bun- Zollangehörigen und vor allem auch allen privaten desminister des Auswärtigen, Herr Kinkel. Hilfsorganisationen und privaten Helfern, die für die Menschen im ehemaligen Jugoslawien, oft wenig beachtet, außerordentlich viel getan haben. Sie ha- Bundesminister des Auswärtigen: Dr. Klaus Kinkel, ben Mitmenschlichkeit bewiesen. Wir können auf sie Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der stolz sein. Nachkriegszeit gab es wichtige politische Weichen- stellungen, um die im Deutschen Bundestag und in (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU so- der Öffentlichkeit hart gerungen wurde: die Aufstel- wie bei Abgeordneten der SPD und des lung der Bundeswehr, der Beitritt zur NATO, der BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Verzicht auf Nuklearwaffen, die Nachrüstung, die Politik der Aussöhnung mit unseren östlichen Nach- Ich danke auch Hans Koschnick, der in Mostar un- barn. Auch die heute zu treffende Entscheidung ist ter Lebensgefahr für Versöhnung und Wiederaufbau von besonderer Tragweite. arbeitet. Erstmals nach dem Urteil des Bundesverfassungs- gerichtes vom 12. Juli 1994 geht es um den Einsatz (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU und deutscher Soldaten in einem gefährlichen internatio- der SPD sowie bei Abgeordneten des nalen Konflikt. Seit über drei Jahren versucht die BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Völkergemeinschaft, die militärischen Auseinander- PDS) setzungen, das Töten, Verwüsten und Vertreiben im früheren Jugoslawien zumindest einzudämmen und Ich danke den weit über hundert deutschen Mitar- den geschundenen Menschen zu helfen. Rund beitern der EU-Administra tion dort, die als Zivilange- 40 000 Soldaten aus 39 Ländern sind dort in der bis- stellte oder als Polizisten gemeinsam mit ihren euro- her größten Operation der Vereinten Nationen im päischen Partne rn ihren Dienst für den Frieden lei- Einsatz. Frankreich und Großbritannien stellen mit sten. Ich danke auch unserem Botschafter Preisinger 3956 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Bundesminister Dr. Klaus Kinkel und seinen Mitarbeitern in Sarajevo für unermüdli- satzverband beschlossen. Er soll durch Schutz und chen und wahrhaft mutigen Einsatz. Unterstützung der Blauhelmsoldaten einen quasi letzten Versuch machen, UNPROFOR, den UN-Trup- (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU und pen, doch noch den Verbleib zu sichern. der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bei der Tagung der Verteidigungsminister am Wer in Sarajevo war, weiß, was do rt von unseren Leu- 3. Juni in Paris wurden wir gefragt, ob auch Deutsch- ten geleistet wird. land einen Beitrag zum Schutz und zur Unterstüt- zung dieses bis zu 12 500 Mann starken Verbandes- Die Lage in Bosnien hat sich zugespitzt. Sarajevo leisten könne. Da wir alle Entscheidungen des UN- steht wieder unter Beschuß schwerer Waffen. Un- Sicherheitsrates, der NATO und der Europäischen schuldige Menschen müssen täglich, auch in dieser Union zur Schaffung dieses Einsatzverbandes mitge- Stunde, grausam sterben. Es kam zu unverantwortli- tragen haben, konnte es in der Konsequenz dieser cher, demütigender Geiselnahme von über 300 UNO- Politik für die Bundesregierung nur eine Entschei- Blauhelmsoldaten. In den ostbosnischen Enklaven dung geben: Wir wollen und müssen Solidarität lei- Gorazde und Srebrenica und in Bihac ist die Lage sten. verzweifelt, leiden Frauen und Kinder, Alte und Ver- wundete unter täglichem Beschuß, Hunger und dem (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU so Fehlen ärztlicher Versorgung. wie bei Abgeordneten der SPD) Im Kosevo-Krankenhaus in Sarajevo, für das wir So hat das Bundeskabinett am vergangenen Mon- nach meiner Reise dorthin die Patenschaft übernom- tag entschieden, daß wir den Einsatzverband unter- men haben, gab es in den letzten Tagen 17 Gra- stützen wollen, und zwar durch Sanitätseinheiten, nateinschläge, die zum Teil ungeheuer schweren Lufttransporte, zusätzliches Personal für die interna- Schaden verursacht haben. Im Durchschnitt werden tionalen Hauptquartiere und durch Entsendung von dort im Augenblick täglich 20 bis 30 Operationen ECR- und Aufklärungs-Tornados sowie von Breguet Schwerverwundeter durchgeführt, u. a. in den von Aufklärungsflugzeugen der Marine. Sollte es zum uns eingerichteten neurochirurgischen Sta tionen, die Abzug der UNO-Truppen kommen, was wir wohl wir gerade noch rechtzeitig hineinbringen konnten. aile gemeinsam nicht wollen, wollen wir zusätzlich Wir bemühen uns, alles Weitere, was bereitgestellt zu dem, was ich eben geschildert habe, durch Pio- ist, auch noch nach Sarajevo zu bringen. Wie schwie- nierkräfte helfen. rig das ist, wissen Sie. Die Bundesregierung bittet den Deutschen Bun- Eine kleine Minderheit unter einer radikalen ver- destag um Zustimmung zu dieser Entscheidung. antwortungslosen Führung in Pale trägt für all das die Verantwortung. Sie tyrannisiert im wahrsten Meine Damen und Herren, Deutschland hat in der Sinne des Wortes die Menschen in Bosnien und die Nachkriegszeit von seinen Partnern und Freunden in Völkergemeinschaft. An Karadzic zu appellieren ist Sicherheitsfragen ohne Wenn und Aber Schutz und ganz offensichtlich leider zwecklos. Solidarität erfahren. Wir führen den politischen Verhandlungsprozeß (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU so fort. Unser deutsches Kontaktgruppenmitglied Stei- wie bei Abgeordneten der SPD) ner ist im Augenblick wieder in Sarajevo. Carl Bildt, der frühere schwedische Premierminister, tragt als Wer hat uns denn in der schweren Zeit der Teilung neuer Beauftragter der Europäischen Union unsere Deutschlands und in vielen dramatischen Situatio- Hoffnung. Oberstes Ziel muß es bleiben, eine politi- nen in und um Berlin geholfen? Wir konnten uns in sche Lösung für diese Tragödie zu finden. schwierigsten Zeiten auf Partner und Freunde verlas- sen, auch bei der Wiedervereinigung. Jetzt wollen (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der und müssen auch wir Solidarität zeigen. SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gleichzeitig müssen nach einhelliger Meinung der (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU so Kontaktgruppe und des UN-Sicherheitsrates die wie bei Abgeordneten der SPD) UNO-Blauhelme in der Konfliktregion bleiben. Bei Unsere Partner und die Menschen in Bosnien erwar- einem Abzug würde es mit Sicherheit zu noch weit ten das von uns mit Recht. Wie würden wir denn vor schlimmeren militärischen Auseinandersetzungen uns selber dastehen, wenn wir jetzt kneifen? kommen, und die Versorgung der Bevölkerung mit humanitären Hilfsgütern würde - das läßt sich sicher Bei der heute zu treffenden Entscheidung ist je- absehen - zusammenbrechen. Deshalb müssen die doch nicht nur unsere Solidarität gefragt. Es geht UNO-Soldaten dortbleiben. auch um ureigenes deutsches Interesse und um die (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU und Konsequenz und Glaubwürdigkeit unserer bisheri- der SPD sowie bei Abgeordneten des gen Politik. Deutschland hat von Anfang an die Poli- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) tik gegenüber dem ehemaligen Jugoslawien in NATO wie in WEU und EU, in der Kontaktgruppe In dieser Situation, meine Damen und Herren, hat und vor allem auch in der UNO, wo wir im Augen- der UN-Sicherheitsrat am 16. Juni auf Ini tiative blick die Präsidentschaft im Sicherheitsrat haben, Frankreichs, Großbritanniens und der Niederlande mitgetragen. Daraus erwächst uns Mitverantwor- das Mandat für einen zusätzlichen schnellen Ein- tung. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3957

Bundesminister Dr. Klaus Kinkel Unser Engagement hat neben allem anderen auch Zum Schutz von Menschen, zur Abschreckung ei- noch einen zusätzlichen besonderen Grund: Wir sind ner menschenverachtenden Aggression notfalls auch von den Auswirkungen dieser Auseinandersetzun- militärisch beizutragen, das macht den Kern kollekti- gen in einer Frage mehr be troffen als andere. Rund ver Sicherheit aus. Und wer hierzu nicht bereit ist, 1,2 Millionen Menschen aus dem ehemaligen Jugo- bereitet den Boden für Renationalisierung der Sicher- slawien leben bei uns. Wir wären es in erster Linie - heitspolitik. Und das wollen wir ja wahrhaftig nicht. das wissen auch unsere Partner und Freunde -, die die bei einem Abzug der Blauhelme zu erwartenden (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) - neuen Flüchtlingsströme verkraften müßten. Meine Damen und Herren, drinnen, aber vor allem Meine Damen und Herren, wir waren im Hinblick draußen wird sehr genau beobachtet werden, wie auf unsere Vergangenheit in der Zeit der Ost-West- der Deutsche Bundestag heute entscheiden wird, ob Auseinandersetzungen und der Teilung Deutsch- auf die Deutschen Verlaß ist, lands in erster Linie auf die Verteidigung unseres (Unruhe bei der SPD) Landes eingestellt. Die Kultur der Zurückhaltung war gut und wurde weltweit akzeptiert. Freunde und ob wir solidarisch und bündnisfähig sind oder ob wir Partner hatten uns den Weg zurück in die Völkerge- uns abseits stellen, ob wir unseren Teil dazu beitra- meinschaft ermöglicht und zugleich Sicherheitsga- gen, daß die UNO-Friedensmission in Bosnien noch rantien für uns übernommen. eine, vielleicht letzte, Chance bekommt oder ob wir kneifen, während unsere Freunde und Partner eine Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, nach der zusätzliche große Kraftanstrengung machen. Wiedervereinigung und nach der Erlangung unserer vollen Souveränität wird von uns aber jetzt erwartet, Fest steht: Wer den Verbleib der Blauhelme wi ll - daß wir unseren aktiven Beitrag zum Schutz der in- ich habe es so verstanden, daß Sie das alle wollen, ternationalen Ordnung und der Menschenrechte lei- daß wir das alle wollen -, der muß allerdings auch sten, insbesondere in Europa. Der Konflikt im frühe- dazu beitragen, daß sie bleiben können, daß sie bes- ren Jugoslawien ist ein europäischer Konflikt. Dort ist ser geschützt werden, daß sie agieren und reagieren im wahrsten Sinne des Wortes die Barbarei nach Eu- können. ropa zurückgekehrt. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Wir haben eine politische und eine moralische Ver- Darum geht es der Bundesregierung und nicht, pflichtung zur Hilfe, auch und gerade im Hinblick auf unsere Vergangenheit. Es waren schließlich die Herr Verheugen, wie Sie gesagt haben, um eine Sen- kung der Schwelle der Militäreinsätze. Diese Alliierten, die uns - übrigens unter Anwendung mili- Schwelle liegt für uns nach wie vor sehr hoch. Es tärischer Gewalt - von der Nazidiktatur befreit und uns den demokratischen Neuanfang ermöglicht ha- geht nicht darum, Krieg zu führen; es geht um das ben. Das haben wir zu schnell vergessen. Verhindern des Krieges. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, DIE GRÜNEN]: Wir haben das nicht verges haben sich wie wir für den Verbleib der UNO-Blau- sen!) helme ausgesprochen. Ich verstehe nicht ganz, wie sich das mit Ihren Anträgen, vor allem aber mit der Wir haben es allein nicht geschafft, auch nicht die Ablehnung der Entsendung der ECR-Tornados ver- mutigen Männer und Frauen des 20. Juli 1944 und einbaren läßt. Der Verbleib von UNPROFOR bis zum viele andere. letzten Franzosen oder Briten kann doch nicht Ihre, Deshalb hat das heutige Votum des Deutschen kann wahrhaftig nicht unsere Politik sein. Bundestages auch Bedeutung über den aktuellen ( [SPD]: Ist es auch nicht!) Anlaß hinaus. Es geht nämlich um die Schaffung ei- ner gemeinsamen europäischen Außen- und Sicher- Unser vorgesehener Beitrag steht - das muß man heitspolitik und um die Glaubwürdigkeit und das deutlich sagen - weit hinter dem Engagement der Ansehen Deutschlands in der Welt. anderen zurück. Man erwartet von uns nicht mehr, weil man unsere Situation genau kennt und auf un- (Unruhe bei der SPD) sere Situation Rücksicht nimmt. Weniger dürfen wir aber wahrhaftig nicht anbieten. Man darf über gemeinsame Außen- und Sicherheits- politik nicht nur dauernd reden, man muß sie auch (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- praktizieren! ten der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Unser Beitrag bedeutet keine Abkehr von unserer wohlbedachten Politik: Keine deutschen Boden- Leider gibt es heute noch Umstände, unter denen kampftruppen ins ehemalige Jugoslawien. Dabei verantwortungsvolle Sicherheitspolitik auf militäri- wird es bleiben. sche Mittel als Ultima ratio nicht verzichten kann und darf. Wer das nach Jahren brutaler Kriegführung (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ in Bosnien, in Jugoslawien nicht sieht, der verwei- DIE GRÜNEN]: Warum? - Günter Verheu- gert sich ganz einfach der Realität. gen [SPD]: Warum?) 3958 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Bundesminister Dr. Klaus Kinkel Diese Einschränkung wird auch von unseren Pa rt destages unterstützt und mitgetragen. Das ist unge- -nern verstanden. Aber sie würden nicht verstehen, heuer wichtig. wenn wir uns weigern würden, Sanitätshilfe zu lei- sten und ihren Soldaten mit unseren Flugzeugen (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Schutz zu gewähren, den unter den Europäern je- Und sie müssen wissen, wofür wir ihnen so viel ab- denfalls nur wir in dieser Form geben können. verlangen. Wir schicken sie in diesen Einsatz, damit sie den Menschen im ehemaligen Jugoslawien noch (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) eine Friedens-, ja Überlebenschance bewahren. Es Es wird der Vorwurf erhoben, die Tornados sollten geht um einen zutiefst humanitären Auftrag und Ein- Krieg führen. Das stellt die Dinge auf den Kopf. Un- satz - das muß man betonen -, um einen humanitä- sere Flugzeuge kommen nur im Fall einer Aggres- ren Einsatz. sion gegen die Soldaten des schnellen Einsatzver- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) bandes zum Einsatz, die dort auf Grund eines Be- schlusses des UN-Sicherheitsrats ihren Friedens- Unsere Freunde und Verbündeten sollen wissen, daß dienst tun. Sie leisten Unterstützung bei der Nothilfe die gewachsene Verantwortung des wiedervereinig- für die Blauhelmsoldaten. ten Deutschlands für die Bundesregierung und auch für den Deutschen Bundestag kein bloßes Lippenbe- Die Bundesregierung hat für das deutsche Engage- kenntnis ist. ment keinen formellen gesetzt. Dennoch Zeitrahmen Meine Damen und Herren, dies ist nicht die ist klar, daß es sich hier nicht um eine Dauermaß- Stunde für taktische innenpolitische Überlegungen. nahme handeln kann. Es geht darum, die Lage der Dafür ist das Thema zu ernst. Blauhelme wieder zu normalisieren, sie gegen An- griffe und Geiselnahme abzusichern. (Rudolf Scharping [SPD]: Wohl wahr!) Ob das gelingt, ob sich letztlich ein Abzug nicht Die Bundesregierung sucht - und sie hat es in den vermeiden läßt, kann heute niemand vorhersagen. Ausschüssen wahrlich bewiesen - in dieser wichtigen Wir können uns die Umstände unseres Handelns Frage weiter den Konsens in dem Bewußtsein, daß es nicht immer aussuchen. In eine erweiterte außen- hier um eine grundsätzliche Frage der außen- und und sicherheitspolitische Verantwortung hineinzu- sicherheitspolitischen Glaubwürdigkeit des vereinig- wachsen ist keine Schönwetterpartie; Solidarität zei- ten Deutschlands geht, im Interesse unserer Soldaten gen heißt nun einmal, Lasten, Risiken und Gefahren und auch im Interesse des Ansehens unseres Landes. mitzutragen. Die Bundesregierung hat alles getan, um die Aus- Niemand in Deutschland bejubelt die Entsendung schüsse umfassend zu unterrichten. Die Debatten von Bundeswehrsoldaten ins ehemalige Jugosla- vorgestern im Auswärtigen Ausschuß und auch im wien. Verteidigungsausschuß waren von einem bemer- kenswerten Niveau und von bemerkenswe rtem Ver- (Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS]: Sie und Ihre antwortungsbewußtsein geprägt. Ich wünsche mir, Koalition, Herr Außenminister!) daß die heutige Debatte im Deutschen Bundestag ge- nauso sachlich und verantwortungsbewußt abläuft. Alles andere wäre wirk lich ein Grund zur Beunruhi- gung. Aber ich glaube, die Bürger in diesem Land (Zuruf von der SPD: Das war aber ein verstehen, daß dies ein notwendiger, allerdings auch schlechter Einstieg!) schwieriger Schritt ist. Unsere Bürger verstehen, daß Eine deutsche Tageszeitung hat heute davon ge- wir, wenn wir für eine gemeinsame Politik in Europa sprochen, daß es gut wäre, wenn heute eine eher eintreten, auch bereit sein müssen, uns zusammen leise Debatte geführt wird. Meine Damen und Her- mit den anderen zu engagieren, notfalls auch militä- ren, wir betreten politisches Neuland. risch. Alles andere würde uns unglaubwürdig ma- chen und uns isolieren. (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Wohl wahr!) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Niemandem soll der gute Wille abgesprochen wer- Dieser Schritt - und das weiß die Bundesregierung den, wenn er mit sich ringt und nach bestem Wissen genausogut wie Sie - birgt Risiken, Gefahren, und er und Gewissen entscheidet. Aber der Opposition kann auch Opfer fordern. Das müssen wir den Men- bleibt nicht erspart, ihren außen- und sicherheitspoli- schen in Deutschland deutlich und klar sagen. Aber tischen Standort in der neuen Weltlage zu bestim- der bisherige Einsatz unserer Soldaten bei den Flü- men. Das war und ist der politische Hintergrund ih- gen nach Sarajevo und bei den Airdrop-Aktionen rer Schwierigkeiten mit allen bisherigen Entschei- war vergleichbar gefährlich. dungen und auch der heute anstehenden Entschei- dung der Bundesregierung zu Auslandseinsätzen der Wir alle hoffen zutiefst, daß unseren Soldaten er- Bundeswehr. spart bleibt, was zahlreiche ihrer Kameraden aus an- Nur, Zaudern und Zögern hilft nicht. Wir müssen in deren Ländern erleben mußten. Deshalb ist es so un- dieser Lage eine Entscheidung treffen, und zwar geheuer wichtig, daß unsere Soldaten, für die wir eine Entscheidung, die nicht ausweicht, sondern die Verantwortung und eine hohe Fürsorgepflicht haben, unserer Verantwortung gerecht wird. die Leib und Leben riskieren, wissen, ihr Einsatz wird von einer breiten Mehrheit des Deutschen Bun- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3959 Bundesminister Dr. Klaus Kinkel Ich sage nochmals: Wer für sich beansprucht, ver- Niederlagen eine brutale Mißachtung menschlicher antwortliche Außenpolitik zu betreiben, der darf eu- Würde und menschlichen Lebens. ropäisch nicht nur reden, der muß europäisch auch handeln. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der F.D.P. und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Atom sowie des Abg. [PDS]) waffentests!) Ich füge hinzu: Die Angriffe auf Journalisten sind Wer „Ohne mich" sagt oder halbherzig reagie rt, zugleich Angriffe auf die Freiheit der Berichterstat-- stiehlt sich aus der Verantwortung. tung und die Information der Öffentlichkeit außer- halb dieses geschundenen Landes. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Günter Verheugen [SPD]: Österreich?) Das alles, meine Damen und Herren, und die eige- nen bitteren Erfahrungen verpflichten uns, leiden- Deshalb bitte ich auch die Abgeordneten der Op- schaftlich für Frieden und Freiheit einzutreten, auch position um ihre Unterstützung. Seien auch Sie soli- für die Freiheit von Gewalt und Haß. Der einzige ent- darisch mit unseren Verbündeten, unseren Soldaten, scheidende Maßstab unserer Politik ist, wie wir den (Zurufe von der SPD: Mit solchen Worten? - Menschen in Bosnien-Herzegowina helfen können. Großer Blödsinn!) (Beifall bei der SPD) aber vor allem auch mit den Menschen in einem Das, meine Damen und Herren, bedarf bei aller Em- wahrhaft leidgeprüften Land! pörung über den Krieg und die Gewalt, bei aller Lei- Vielen Dank. denschaft für den Frieden der verantwortlichen Ab- wägung unserer Möglichkeiten. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Es spricht jetzt der Und, Herr Bundesaußenminister: Zaudern und Zö- Fraktionsvorsitzende der SPD Rudolf Scharping. gern bei einer solchen Entscheidung ehrt den schein- bar Zaudernden mehr als die scheinbare geradlinige Entschlossenheit, die das Zaudern und Zögern nicht Rudolf Scharping (SPD): Frau Präsidentin! Meine kennen will. sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Bundesregierung ändert die deutsche Außenpolitik. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Die Bundesregierung überschreitet auf einem beson- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - ders heiklen Terrain eine Grenze, über deren Einhal- Widerspruch bei der F.D.P.) tung wir uns bis heute einig waren. Das hat weitrei- chende Folgen über den Antrag hinaus, über den wir Und wer zur Gemeinsamkeit einlädt, sollte das heute abstimmen. nicht mit der Formulierung tun, andere nähmen ei- nen Standpunkt nach dem Motto „Ohne mich" ein. Diese Entscheidung fällt niemandem leicht. Jedes Mitglied des Deutschen Bundestags wird den Wider- (Beifall bei der SPD) streit spüren - den Widerstreit zwischen der Empö- Über unsere Möglichkeiten in Deutschland be- rung über den grausamen Krieg in Bosnien-Herzego- stand bisher Einigkeit. Wir wollen den Menschen wina und der Reichweite unserer politischen Mög- hellen; das bleibt das erste Ziel, der einzige Maßstab lichkeiten. Dieser Krieg tobt seit Jahren. Immer ist es von Politik. Wir wollen die Vereinten Nationen stär- die zivile Bevölkerung, die von der einen oder der ken, denn anders kann die Stärke des Rechtes nicht anderen Kriegspartei gemordet, drangsalie rt und ge- gegen das Recht der Stärkeren durchgesetzt werden. schändet, in Geiselhaft genommen und vergewaltigt, interniert und vertrieben wird. (Beifall bei der SPD) Auf allen Seiten gab es Fälle, in denen das Militär Wir wollen die Vereinten Nationen bei ihrem huma- die eigene Zivilbevölkerung bewußt weiteren Leiden nitären Auftrag in Bosnien-Herzegowina unterstüt- aussetzte, weil es sich davon Vorteile versprach. Je- zen, aus gutem Grund aber nicht an der Durchfüh- der weiß, wer der Hauptschuldige an dem Drama in rung dieses Mandates teilnehmen. Bosnien-Herzegowina ist. Es war die serbische Seite, die den Krieg dort losgetreten hat und ihn mit unbe- Dem ersten Teil dieser Übereinstimmung sind wir schreiblicher Brutalität gegen die anfangs wehrlosen in Deutschland in besonderer Weise gerecht gewor- Muslime führte. Die ethnischen Säuberungen und den. Damit lösen wir eine menschliche und politische die Massenvergewaltigungen sind ein besonders Verpflichtung gegenüber diesem Teil Europas ein, scheußliches Mittel der Kriegführung. der unter den Scheußlichkeiten des Zweiten Welt- krieges zu leiden hatte. Die Belagerung von Städten wie Sarajevo und Tuzla, der Versuch, mit der Einkesselung von Men- Wir danken den vielen Menschen und Organisatio- schen auch ihr Verhungern und ihr Verdursten zu er- nen, die humanitär helfen. Wir danken den vielen reichen, das ist wie die Beschießung wehrloser Stadt- anderen, die aufmerksam und tolerant die Aufnahme bewohner als Rache für militärische Verluste und mehrerer hunderttausend Flüchtlinge hier in 3960 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Rudolf Scharping Deutschland ermöglichen. Wir danken den Soldaten Die Politik der schnellen und frühzeitigen Anerken- der Bundeswehr, die unter Gefahr Hilfsflüge durch- nung hat die Staaten der Europäischen Union genö- führen, das Flugverbot überwachen oder sich an dem tigt, dem deutschen Kurs zu folgen. Das hat zum Versuch beteiligen, ein Embargo zu kontrollieren. Scheitern der Jugoslawienpolitik und zu der verfah- renen Situation in Bosnien beigetragen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ (Beifall bei der SPD) NEN]) - Wir danken den Polizeibeamten und vielen ande- Niemand verkennt, daß 1991 der Krieg der damali- ren, die Hans Koschnick unterstützen; wir danken gen jugoslawischen Volksarmee gegen Kroatien und Hans Koschnick selbst und den vielen anderen Men- Slowenien ein schweres Problem war, hinter dem schen, die sich humanitär engagieren. sich die großserbische Idee verbarg. Die Frage war aufgeworfen, ob man an der Einheit Jugoslawiens (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne überhaupt festhalten könne, ohne den serbischen ten der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Aggressor zu unterstützen. Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN], Dr. [F.D.P.] und [F.D.P.]) Allerdings, die Antwort der Bundesregierung, die schnelle Anerkennung mit dem Ziel einer Internatio- Sie prägen ein Bild von Deutschland, ein f riedliches, nalisierung des Konflikts, hat nicht dämpfend ge- ein engagiertes, von Hilfe und Mitmenschlichkeit ge- wirkt, sondern einen entscheidenden Fehler produ- prägtes Bild unseres Landes. ziert. Diese Anerkennung erfolgte ohne die Sicher- stellung, daß die neuen Staaten in ihren Grenzen von Dieses Engagement ist zugleich ein Beitrag zur allen Nachbarn anerkannt werden und daß das Prin- politischen Lösung des Konflikts, denn ohne fried- zip des Gewaltverzichts und der ausschließlich f ried- liches Engagement, ohne Vertrauen in die Zukunft, lichen Grenzänderung respektiert wird; sie erfolgte, ohne Hoffnung und ohne den aus vielen scheinbar ohne daß eine durchsetzungsfähige internationale kleinen Beispielen genährten Mut zum Frieden kann Bestandsgarantie ausgesprochen wäre und insbeson- die Politik der Staaten nichts ausrichten. dere ohne daß der Sprengsatz der multiethnischen (Beifall bei der SPD) Bevölkerungsstruktur in Bosnien-Herzegowina ent- schärft worden wäre. Nur auf diesem Fundament kann eine politische Lösung entstehen, und zu einer politischen, zu einer (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Herr Scharping, die friedlichen Lösung gibt es keine Alternative außer SPD hat da mehr gedrängt als viele an der eines noch furchtbareren Krieges. Eine militäri- dere!) sche Lösung dieses Konfliktes wird es nicht geben. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Das erstmalige Ausscheren Deutschlands aus der Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ westlichen Gemeinschaft in einer wichtigen außen- NEN]) politischen Frage hat Unmut und Besorgnis ausge- löst, und nur so wird verständlich, unter welchem Die Unterstützung der Vereinten Nationen ist ein Druck seither die Bundesregierung steht. Mit marki- Beitrag zur politischen Lösung des Konflikts. Wer gem Auftreten, mit Versprechungen, was alles diese Lösung will, darf keine Eskalation riskieren. Er Deutschland nun in neuer Verantwortung zu tun be- muß mit allen Konfliktparteien reden, reit sei, auch mit dem Satz, Herr Bundesaußenmini- (Beifall der Abg. [Aachen] ster, man wolle Serbien in die Knie zwingen, wurde [SPD]) dieser Druck vergrößert. so belastend das angesichts der Erfahrungen auch (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne sein mag. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Bereitschaft zum Frieden, ein möglicher Waf- fenstillstand, der Verzicht auf Gewalt, der Respekt Doch der Bundeskanzler hielt - und da fand er ja der Grenzen, der Schutz von Minderheiten innerhalb immer unsere Unterstützung - an der Maxime fest, dieser Grenzen - all das sind Grundlagen und Ele- daß deutsche Soldaten im ehemaligen Jugoslawien mente einer friedlichen Lösung. nicht eingesetzt werden sollten, da die Erinnerung an die Greuel im Zweiten Weltkrieg nur zu einer Es- Es ist aber leider wahr, daß diese Grundlagen in kalation der Konflikte und zu einer unverantwortli- der Zeit der Anerkennung nicht beachtet wurden. chen Gefährdung deutscher Soldaten führen könne. Das ist unverständlich und schwer zu korrigieren. Diese Politik wird jetzt geändert. Wer die Dokumente und Stellungnahmen liest, die von der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Poli- Es war Konsens, daß die Bundesrepublik Deutsch- tik gerade veröffentlicht wurden, erkennt die falsche land an dem Mandat der Vereinten Nationen nicht ebenso wie den Weichenstellung im Jahre 1991 beteiligt sein solle, wohl aber die Wahrnehmung die- Schaden an Vertrauen, der dadurch in Europa und ses Mandats unterstütze. Deshalb hat Deutschland, gegenüber Deutschland eingetreten ist. allen inneren Debatten zum Rotz, die Überwachung (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne des Flugverbots und die Überwachung des Embar- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) gos unterstützt. Mit logistischer Unterstützung, mit Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3961 Rudolf Scharping Transport- und Sanitätseinheiten und mit Luftaufklä- Ich frage auch in dieser Debatte: Wo ist eigentlich die rung wird diese bisher einvernehmliche Haltung fort- Initiative der Bundesregierung, um dieses Waffen- gesetzt. Alles andere überschreitet diese Grenze, ver- embargo wirksam durchzusetzen? ändert die Politik und macht Deutschland zum Teil- nehmer des Mandats. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Es ist leider wahr: Kriege können nicht allein durch und des Abg. Dr. Gregor Gysi [PDS]) edle Gesinnung überwunden werden. Der Krieg im Wo ist die Initiative, den Staaten, die wi ehemaligen Jugoslawien hat von seiten der Verein- rtschaftli-ch unter dem ohnehin durchlöcherten Embargo leiden, ten Nationen immer stärkere Einsätze und Mittel ver- langt. Die Aufstellung des schnellen Einsatzverban- den Nachteil auszugleichen, so wie das gegenüber den Staaten während des Golfkrieges geschah? des ist notwendig; wir begrüßen sie. Sie dient auch dazu, Zeit und Raum für Verhandlungslösungen zu (Beifall bei der SPD sowie des Abgeordne schaffen. ten Dr. Gregor Gysi [PDS]) In dieser Phase wird es um eine erneute Anstren- Sie wissen ja alle, daß die Sozialdemokratische gung gehen, den Friedensplan der Kontaktgruppe Partei Deutschlands bereit wäre, für solche Fälle den durchzusetzen und die gegenseitige Anerkennung Vereinten Nationen eine speziell ausgebildete und der Staaten und ihrer Grenzen zu erreichen. speziell ausgerüstete Truppe zur Verfügung zu stel- len, was Sie, die Bundesregierung, dem UNO-Gene- Wenn wir uns leidenschaftlich für den Verbleib der ralsekretär verweigert haben. Truppen der Vereinten Nationen einsetzen, dann auch wegen der fehlenden • Alternative und weil (Beifall bei der SPD) Schlimmeres verhindert werden muß. Sie wissen, daß wir bereit wären, im äußersten Fall (Beifall bei der SPD) auch zur militärischen Durchsetzung eines Embargos beizutragen; denn es ist allemal besser, den Trans- Deshalb sollte deutsche Außenpolitik alle Ansätze port von Waffen in ein Kriegsgebiet zu verhindern, unterstützen, die ein optimales Wirken der Truppen als sich hinterher an den Folgen und ihrer Bereini- sicherstellen, und eskalierende Maßnahmen, die ih- gung beteiligen zu müssen. ren Aufenthalt gefährden, vermeiden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Ich will darauf hinweisen, daß seit 1993 von den ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Vereinten Nationen in die „peace keeping"-Regeln und der PDS) auch NATO-Luftunterstützung für UN-Truppen im- In der heutigen Lage kann von Friedenssicherung plementie rt wurde. Das hat aber mehr Probleme ge- nicht gesprochen werden; das wäre lächerlich. Von schaffen als gelöst. Insbesondere Luftschläge gegen Friedenserzwingung zu sprechen verbietet sich. Ob sogenannte strategische Ziele als Ersatz für den di- Hilfe zum Frieden geleistet werden kann, ist offen rekten Angriff auf den Verletzer von Regeln aus den und leider auch nicht sehr wahrscheinlich. Reihen der Serben haben zu massiven Reaktionen geführt: in Terrorangriffen auf Schutzzonen, in Gei- Bis Ende Mai dieses Jahres sprach die Bundesre- selnahmen, in einer Aktivierung der Luft-Abwehr- gierung von „Hilfe beim möglichen Abzug". Poli- Raketen. tisch haben wir gemeinsam betont, daß ein solcher Abzug verheerende Konsequenzen haben kann, vor Wer verantwortungsbewußt abwägt, der wird an allem für die Zivilbevölkerung, auch für die Autorität dem Widerspruch zwischen der Haltung der UN- der Vereinten Nationen, auch für die Fähigkeit der Kommandeure in Bosnien-Herzegowina und dem Staatengemeinschaft, den Konflikt einzudämmen. Verhalten der NATO in manchen Situationen nicht Niemand hat bisher einen nachvollziehbaren Gedan- vorbeisehen dürfen. Im Ergebnis der meisten die- ken darüber geäußert, wie nach einem Abzug ei- ser Luftschläge ist eine Eskalation entstanden. gentlich mit den Gefahren einer Ausweitung des Man kann in Anlehnung an den Generalsekretär Konfliktes auf benachbarte Staaten umgegangen der Vereinten Nationen sagen: Krieg in der Luft werden soll. führt in solchen Fällen nicht zum Frieden auf Er- den. (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Stehen Sie doch zu den Konsequenzen!) (Beifall bei der SPD) Ich sage das denen unter uns, die für die Aufhebung Im Gegensatz dazu hatte die sozialdemokrati- eines Waffenembargos eintreten: Das ist eine gefähr- sche Bundestagsfraktion schon im Dezember 1994 liche, im Ergebnis vermutlich nicht verantwortbare darauf hingewiesen, daß das Mandat der Verein- Politik. ten Nationen verstärkt werden müsse, daß es eine (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph stärkere Bewaffnung der Truppen, daß es eine Bil- Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ dung größerer Verbände geben müsse, daß eine NEN]) Entmilitarisierung und Ausweitung der Schutzzone notwendig sei, daß das Embargo durchgesetzt Mit der Geiselnahme war eine weitere empörende werden müsse. Eskalation eingetreten. In diesem Zusammenhang wurde über Umgruppierung und eine schnelle Ein- (Widerspruch bei der CDU/CSU) greiftruppe gesprochen. Diese Eingreiftruppe wird 3962 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Rudolf Scharping aufgestellt. Sie verstärkt das Mandat; sie verstärkt gierung, daß ihre Zusagen nur für den Fall eines Ab- das Mandat, so wie es die Sozialdemokraten in die- zuges der Truppen gelten. Außenminister Kinkel hat sem Hause unter der Kritik der Bundesregierung noch am 29. Mai dieses Jahres erklärt, daß andere schon im Dezember 1994 gefordert hatten. Hilfe ausdrücklich abgelehnt wird, und dies mit der deutschen Grundsatzentscheidung begründet, we- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) gen der historischen Situation deutsche Soldaten Seit dem 9. Juni ist klar, daß diese Eingreiftruppe im nicht nach Jugoslawien zu schicken. Rahmen des Mandats eingesetzt wird. Es ist das Herr Bundesaußenminister, ich respektiere, wenn- Recht und die Pflicht der Truppensteller, ihre Solda- Sie auf der Grundlage anderer Entwicklungen und ten zu schützen, besser auszurüsten und zur Wahr- einer Neubewertung Ihrer Argumente zu einem an- nehmung ihrer Aufgaben zu befähigen. deren Ergebnis kommen. Respektieren Sie bitte aber Es ist leicht und leider Mode geworden, in diesem auch jene, die auf der Grundlage Ihrer früheren Ar- Zusammenhang über die Vereinten Nationen zu gumente und bei einer Bewertung der Fakten bei schimpfen, ihre Wirkungslosigkeit zu beklagen, ab- dem Ergebnis bleiben wollen, das bisher Konsens in fällig von ihnen zu sprechen. Dabei wird verkannt, Deutschland war! daß die Anwesenheit dieser Truppen nur durch die Zustimmung aller Kriegsparteien möglich war und (Beifall bei der SPD) ist. Dabei wird verkannt, daß die Vereinten Nationen Zwei Tage später, am 31. Mai dieses Jahres, be- nicht Partei sind, keinen Krieg führen und im Inter- gann eine Phase sich widersprechender Positionen. esse einer politischen friedlichen Lösung auch nicht Herr Bundesverteidigungsminister Rühe begann mit Partei werden dürfen. Dabei wird verkannt, daß nur einem Plädoyer, deutsche Hilfe bei der Umgruppie- die Anwesenheit der Truppen der Vereinten Natio- rung der Blauhelme in Bosnien zu gewähren. Noch nen einigermaßen Gewähr dafür bietet, daß Men- am selben Tag distanzierte sich das Kanzleramt von schen versorgt werden können. Dabei wird verkannt, diesem Vorstoß, und einen Tag später, bei einem daß der frühere Präsident der Bundesrepublik Treffen mit den Fraktionsvorsitzenden, haben der Deutschland, Richard von Weizsäcker, einen in Außen- und der Verteidigungsminister genau diese Deutschland leider weitgehend unbeachteten Be- Hilfe bei der Umgruppierung als die Haltung der richt über die Stärkung der Vereinten Nationen, ihre Bundesregierung dargestellt. eigentlichen Aufgaben und die notwendigen Bei- träge Deutschlands zu dieser Entwicklung vorgelegt Ich halte fest, daß die Bundesregierung nun von ei- hat. ner deutschen Hilfe bei einer Umgruppierung der Blauhelme sprach. Von Unterstützung und Hilfe für ll ich auch von die- Weil alles dies verkannt wird, wi eine schnelle Eingreiftruppe war auch zu diesem ser Stelle im Namen meiner Fraktion die große Aner- Zeitpunkt noch keine Rede, obwohl auch diese inter- kennung und Achtung für die verantwortungsvolle national schon vorgeschlagen war. Arbeit und den Mut der Soldaten der Vereinten Na- tionen aussprechen. Eine erneute Wende trat mit dem Treffen der Ver- s ein. In den (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ teidigungsminister am 3. Juni in Pari DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Stellungnahmen der Regierung deutete sich danach CDU/CSU) an, daß man die geplante Eingreiftruppe unterstüt- zen und möglicherweise Bundeswehrsoldaten als in- Unser Dank gilt den Staaten, die Soldaten, die Trup- tegrierten Bestandteil dieser Eingreiftruppe zur Ver- pen im ehemaligen Jugoslawien stellen, fügung stellen werde. (Zurufe von der CDU/CSU: Toll! - Eiertanz!) Das ist ein dramatischer Umschwung in der bishe- unsere tiefe Anteilnahme den Hinterbliebenen der rigen Jugoslawien-Politik. Die noch bis zum 29. Mai Opfer, die zu beklagen sind. geltende Maxime war, deutsche Soldaten hätten im ehemaligen Jugoslawien wegen der deutschen Ver- (Unruhe bei der CDU/CSU) gangenheit keine sinnvolle Einsatzperspektive. Wenn nun der schnelle Eingreifverband die Blau- - Warum das bei Ihnen Proteste auslöst, ist mir ganz helme in Bosnien zahlenmäßig verstärkt, stellt sich und gar unverständlich. die Frage, welche speziellen Aufgaben Deutschland (Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: dabei wahrnehmen kann und was geeignete Mittel Unerhört!) zur Unterstützung sind, ohne das Risiko einer Eskala- tion einzugehen, zur Unterstützung in einem huma- In der gegenwärtigen Phase allerdings hat die nitären Mandat, das der Zivilbevölkerung dienen Bundesregierung erneut eine unklare und wankel- soll. mütige Haltung gezeigt. Angesichts dieser Sachlage sollte nichts vom Ke rn (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) ablenken. Deutsche Soldaten, Soldaten der Luft- Nach den Luftangriffen und den empörenden Geisel- waffe, werden faktisch Teil der Blauhelme und üben nahmen wurde über Maßnahmen nachgedacht, wie das Mandat des Sicherheitsrates mit aus. Das muß man die Blauhelme verstärken könne. Bis zum auch Ihnen, Herr Bundeskanzler, und Ihren Mini- 29. Mai 1995 hat die Bundesregierung ausdrücklich stern klargeworden sein. Einer Ihrer Staatssekretäre ausgeschlossen, sich an einer Verstärkung dieser wird im „Spiegel" mit den Worten zitiert: „Wir haben Truppen zu beteiligen. Wir hörten von der Bundesre uns selbst geleimt." Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3963 Rudolf Scharping Von da an wurden vielfältige Versuche gestartet, Ein solcher Entscheidungsprozeß wäre auch im In- dieses Dilemma zu kaschieren. Das ist um so bedau- teresse der Soldaten und der reklamie rten gemeinsa- erlicher, als in einem so schwerwiegenden Fall wie men Verantwortung des Parlamentes gegenüber den der Entscheidung über den Einsatz der Bundeswehr Soldaten und ihren Familien. Deshalb sieht der SPD- unbedingt angestrebt werden sollte, einen möglichst Antrag eine Bef ristung vor. großen Konsens zu erreichen. Wer diesen Konsens will, hätte ihn mit der sozialdemokratischen Bundes- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) tagsfraktion bekommen können. Drittens. Die SPD lehnt den Einsatz der ECR-Tor- nados ab, weil er Deutschland faktisch zum Trup-- Wir sind leidenschaftlich für den Verbleib der Ver- pensteller macht und eine Eskalation hervorrufen einten Nationen in der Region. Wir sind bereit, jegli- kann, die dem gesamten Mandat Schaden zufügen che deutsche Hilfe mitzutragen, die dieses Verblei- kann. ben unterstützt. Darüber bestand bis zum 29. Mai Konsens. Ihre Position war mit derjenigen der Sozial- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) demokratie nahezu identisch. Die deutsche Vergangenheit wirkt in den Köpfen Die jetzt geschaffene Situation müssen Sie verant- der serbischen Soldaten. Wir sollten alles unterlas- worten. Die große Mehrzahl der Abgeordneten mei- sen, was der großserbischen Propaganda - sie findet ner Fraktion kann dem Antrag der Bundesregierung ja schon statt - erneuten Auftrieb geben könnte. nicht zustimmen und hat daher einen eigenen An- Ich will gerade mit Blick auf Bosnien-Herzego- trag eingebracht. Die Unterschiede sind klar: wina darauf aufmerksam machen, daß wir es hierbei nicht allein mit den Scheußlichkeiten zu tun haben, Erstens. Die Bundesregierung verbindet die Ent- die den Zweiten Weltkrieg insgesamt gekennzeich- scheidung über die Hilfe und Unterstützung des Ein- net haben. Wer sich die historische Erfahrung ins Ge- satzverbandes mit einer Entscheidung über die Hilfe dächtnis zurückruft, der wird sehen, daß das deut- bei einem eventuellen Abzug. Wir lehnen diese Ver- sche Wirken in Jugoslawien und speziell in Bosnien knüpfung ab. ganz besondere Umstände hatte. Zum Beispiel hatte sich im Zweiten Weltkrieg das NS-Regime und spe- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ziell die SS-Führung mit den ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) muslimischen Bosniern eng verbündet. Aus ihnen wurde eine ganze Waffen- Damit wird Deutschland das einzige Land in Europa SS-Division aufgestellt, ausschließlich zu dem sein mit dem falschen Signal, ein Abzug stünde in Zweck, die serbischen Partisanen zu bekämpfen. greifbarer Nähe. „Unter Ausnutzung des traditionellen Hasses der Moslems gegen die christlichen Serben, die die (Widerspruch bei der CDU/CSU - Siegf ried große Masse von Titos Partisanen bildeten, konnte Hornung [CDU/CSU]: So eine Logik! - Wei die Waffen-SS schnell Tausende junger Moslems an- terer Zuruf von der CDU/CSU: Unsinn!) werben", so schreibt der Verfasser des Standardwer- kes über die Waffen-SS, der amerikanische Histori- Wir lehnen dies aber auch deshalb ab, weil die ker Stein. Rechte des Parlamentes beschnitten werden, weil die neue Entscheidungssituation bezüglich eines Abzugs Die Greuel, die die „prächtigen Bosniaken" - das nicht übersehbar ist und weil erst dann eine Ent- ist eine Formulierung von Heinrich Himmler - dabei scheidung des Bundestages möglich und auch zwin- verübten, verwirrten sogar jene, die ansonsten gegen gend notwendig ist. Brutalität wenig einzuwenden hatten. Vor diesem Hintergrund wird vielleicht etwas ver- (Beifall bei der SPD) ständlicher, warum das Risiko einer deutschen Betei- ligung in der Erinnerung des serbischen Volkes als Aus politischen Gründen ist diese Verknüpfung nicht so groß angesehen wird. Das sagt gar nichts über die angebracht, da die Bedingungen, unter denen ein verbrecherische Führung durch die Herren Karadzic Abzug erfolgen müßte, nicht vorhersehbar sind. Des- und Mladic. Es sagt aber etwas über das Risiko, sol- halb kann jetzt keine Entscheidung über die A rt der deutschen Hilfe getroffen werden. che Emotionen zu benutzen. Ich meine schon, daß wir uns auch in Deutschland Zweitens. Die Bundesregierung will keine Befri- bei aller Scheußlichkeit, bei aller Grausamkeit, bei stung des Einsatzes der Bundeswehreinheiten. Sie aller Unverantwo rtlichkeit, bei allem Verbrechertum unterläuft damit Rechte des Parlamentes und ver- in der Führung der bosnischen Serben nie dazu hin- langt einen Blankoscheck für die Verwendung dieser reißen lassen dürfen, Einheiten im ehemaligen Jugoslawien. Wenn aber Deutschland kein Truppensteller sein soll, muß der (Zuruf von der CDU/CSU: Etwas dagegen Einsatz der Bundeswehr im Hinblick auf seine zu tun!) Zweckmäßigkeit regelmäßig überprüft und gegebe- die Serben selbst immer nur so anzusehen, als wür- nenfalls neuen Umständen angepaßt werden. Dar- den sie Böses tun und als sei ihnen dies wesensge- über muß das Parlament entscheiden können, weil mäß. anders seine konstitutive Mitwirkung nicht erreich- bar ist. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS - Zurufe von der (Beifall bei der SPD) CDU/CSU: Oh!) 3964 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Rudolf Scharping Ich weiß, daß in der Frage des Einsatzes der ECR- Ich teile aber die Sorge des Bundeskanzlers, daß man Tornados einige Mitglieder meiner Fraktion nach in diese Auseinandersetzung hineinschlittern ernster Abwägung zu einem anderen Ergebnis kom- könnte. Diese Sorge ist eine gute Begründung dafür, men. daß die Hilfe bei der Wahrnehmung des Mandates strikt auf Unterstützung im bisher gegebenen Rah- (Zurufe von der CDU/CSU: Viele! - Sehr men begrenzt werden sollte. gut!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Jeder respektiert diese ernste Abwägung. Sie erfolgt in einer Situation, auf deren Entstehen wir keinen Zweitens. Alle Mitglieder des Hauses, jedenfalls- Einfluß, auf deren Entstehen die Bundesrepublik alle Mitglieder der sozialdemokratischen Bundes- Deutschland durch ihre Bundesregierung einen ge- tagsfraktion - und ich bin sicher: auch alle anderen -, wissen Einfluß hatte. Sie erfolgt in einer Situation der unterstützen die Soldaten, ihre Familien und ihre Verzweiflung und des Versuches, ein Mandat zu er- Angehörigen bei der Wahrnehmung dieses schwieri- halten, ohne das es eine friedliche Lösung nicht gibt. gen Auftrages. Ich mache in diesem Zusammenhang darauf auf- (Beifall bei der SPD) merksam, daß jeder Versuch, diese Abwägung in ei- nem parteipolitischen oder innenpolitischen Sinne zu Wir unterstützen nicht die Politik der Bundesregie- instrumentalisieren, an der Entschlossenheit auch je- rung. Beides muß sorgfältig auseinandergehalten ner Kolleginnen und Kollegen scheitern wird, sich werden. dafür nicht nutzen zu lassen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der SPD) Drittens. Manche sagen uns, es drohe Isolierung Viertens. Die Bundesregierung schließt in ihrem oder die Unfähigkeit, im Bündnis gemeinsam zu han- Antrag die Verwendung von Grundwehrdienstlei- deln. Dazu ist zu sagen: Wir entscheiden seit dem stenden nicht aus. Wir wollen aber erreichen, daß Frühjahr 1991 zum ersten Mal in uneingeschränkter das ausgeschlossen wird, weil der Einsatz von eigener Verantwortung und mit derselben Souverä- Grundwehrdienstleistenden im Verhältnis zu ihrer nität wie unsere Verbündeten. Ausbildung ein viel zu hohes Risiko bedeutet. Niemand wirft den Vereinigten Staaten von Nord- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) amerika Mangel an Solidarität vor, wenn sie ihre Be- teiligung begrenzen. Niemand wirft Frankreich oder Meine Damen und Herren, der Antrag der SPD Großbritannien Mangel an Solidarität vor, wenn sie deckt sich in anderen Bereichen mit den Vorschlägen sich die eigene Entscheidung zum Abzug ihrer Blau- der Bundesregierung: Bereitstellung von Lufttrans- helm-Soldaten vorbehalten. Niemand wirft Deutsch- portkapazitäten, die Entsendung von Sanitätskräften land Mangel an Solidarität vor, wenn es die Beteili- - obwohl man auch dort kritisch fragen müßte, ob es gung mit eigenen Bodentruppen verweigert. nicht stärker vom Willen zur symbolischen Handlung bestimmt ist als von tatsächlichen Gegebenheiten, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) dieses Lazarett in Split einzurichten und nicht auf Ich habe, nicht wissend, ob ich es richtig verstan- dem italienischen Festland -, den habe oder ob es ein Versprecher war, Ihre For- (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD) mulierung, Herr Bundesaußenminister, gehört, man schließe den Einsatz von Bodenkampftruppen aus. Entsendung zusätzlichen Personals für internationale Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß wir uns Hauptquartiere und Unterstützung des schnellen in diesem Zusammenhang nur dann logisch verhiel- Einsatzverbandes durch Aufklärungsflugzeuge. ten, wenn die Teilnahme am Mandat nicht auf solche Aktivitäten begrenzt würde, die in anderen Berei- Meine Damen und Herren, auch diejenigen, die chen als eher symbolisch und unter diesem Blickwin- diesem Teil zustimmen, haben dabei Skrupel. Ich kel als enttäuschend betrachtet werden. Das weiß ich füge in allem Freimut hinzu: Mir erscheinen diese aus vielerlei Gesprächen in Europa und darüber hin- Skrupel ehrenvoll. Jedenfalls sind mir diese Skrupel aus. lieber als die Bedenkenlosigkeit beim Export von Waffen, die Deutschland mit dieser Bundesregierung Meine Damen und Herren, wie immer wir uns ent- leider auszeichnet. scheiden: Die Solidarität zu den Vereinten Nationen und zum Bündnis steht weder zur Debatte noch in (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Frage. Das ist jedenfalls in der Sozialdemokratischen ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Partei unbestritten. und der PDS) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Im übrigen mahne ich, diese Debatte nicht mit in- nenpolitischen Motiven zu führen. Dafür nenne ich Keine Solidarität aber darf es uns ersparen, nach drei Beispiele. sorgfältiger Abwägung unserer Interessen zu ent- Erstens. Man kann nicht unterstellen, hinter dem scheiden. Insofern ist unsere Lage nicht anders als die der Vereinigten Staaten, Frankreichs, Großbritan- Angebot der Bundesregierung stecke der Wille zur niens, der Niederlande, Spaniens, Italiens, Rußlands Kriegführung; das halte ich für abwegig. oder eines anderen Staates. Auch diese Staaten be- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der nutzen ihre unbezweifelte Solidarität nicht als Sus- CDU/CSU) pendierung von ihren eigenen Interessen und damit Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3965

Rudolf Scharping nicht als Verpflichtung, sich den Entscheidungen ei- lesen habe, zurücknehmen, wonach meine Fraktion nes kollektiven Systems unterzuordnen. Kein Staat bei der Entsendung von To rnados einhellig anfange wird gezwungen, solche Entscheidungen mitzutra- zu jubeln. Lassen Sie bitte solche verbalen Amok- gen, wenn das seinen eigenen Interessen nicht ent- läufe! spricht. Das unterscheidet die Verpflichtungen ge- genüber der UNO von denen, die wir gegenüber un- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) seren Part rn ne in der NATO eingegangen sind. Es geht um eine ernste und schwere Entscheidung. Wohl wahr: Unsere Pa rtner haben ein legitimes In- Aber weil sie schwer ist, ist es um so wichtiger, daß- teresse daran, Deutschland berechenbar zu sehen. sie klar ist und daß wir auch nicht so viel drumhe- Sie können sich darauf verlassen, unabhängig da- rumreden und ablenken. von, wer in Bonn regiert, daß die Pflichten ihrer Soli- Ich habe bei Ihrer Rede, Herr Kollege Scharping, darität wie von jedem anderen Land bejaht werden immer wieder versucht herauszufinden, worin wir und daß wir sie einhalten. Die Bundesrepublik übereinstimmen. Sie haben gesagt - und da stimmen nimmt aber ebenso wie jedes andere Land auch ihr wir überein -, daß Sie die UNPROFOR-Aktion unter- Recht wahr, die eigenen Interessen zu wägen und stützen und den Soldaten anderer Länder danken, danach zu entscheiden. die dort ihren Dienst leisten, und Sie haben Rat- (Beifall bei der SPD) schläge gegeben, wie das verstärkt werden soll. Aber dann haben Sie gesagt, daß wir Deutschen daran Meine Damen und Herren, diese Abwägung, die nicht mitwirken. allerdings eine Veränderung und in der Veränderung eine Weichenstellung für die deutsche Außenpolitik (Rudolf Scharping [SPD]: Das ist nicht wahr! bedeutet, wird von uns in jenen Teilen mitgetragen, - Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist die von denen wir überzeugt sind, daß sie der Zivilbevöl- Unwahrheit!) kerung helfen, das Leid mindern und die Chance auf Ich finde aber, wir können nicht nur mit Ratschlägen eine friedliche Lösung verbessern können. Sie wird helfen! von uns in jenen Teilen nicht mitgetragen, bei denen wir fürchten, daß dieses erste Ziel beschädigt werden (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) könnte. Das ist eine von Skrupeln und von langer Überlegung geprägte Abwägung; alles andere ver- Sie haben gesagt - auch da stimmen wir überein -, bietet sich auch in dieser Situation, daß Sie die Aufstellung einer schnellen Eingreif- truppe zum Schutz von UNPROFOR begrüßen. Aber Wir respektieren jene, die zu einem anderen Er- wenn wir das gemeinsam für richtig halten, meine gebnis kommen, aber wir sind mit großer Mehrheit Damen und Herren, wenn auch Sie das begrüßen, der Überzeugung: Es ist besser, die Politik fortzuset- können wir dann wirklich unsere Beteiligung verwei- zen, die bei allen Schwierigkeiten und Rückschlägen gern, wenn wir von denjenigen, die diese schnelle am Ende doch geholfen hat, vielen Millionen Men- Eingreiftruppe stellen - Franzosen, Engländer, Hol- schen das Leben zu retten, und den zähen, belaste- länder -, gebeten werden, am Schutz dieser Eingreif- ten, aber unverzichtbaren Versuch zu machen, einen truppe mitzuwirken? Ist ein Begrüßen dieser schnel- friedlichen Ausweg aus diesem Konflikt zu finden len Eingreiftruppe damit vereinbar, daß wir den von und alle militärischen Mittel darauf zu begrenzen, uns erbetenen Schutz verweigern? Ich meine, nein. daß dieser Ausweg gefunden werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Anhaltender Beifall bei der SPD - Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ Natürlich geht es in dieser schwierigen Debatte DIE GRÜNEN) und bei dieser schwierigen Entscheidung um Risiken für unsere Soldaten. Das fällt niemandem leicht. Wahr ist aber auch, was der Bundesaußenminister Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Es spricht der Frak- gesagt hat, was auch Sie gesagt haben und was auch tionsvorsitzende der CDU/CSU, Dr. Wolfgang Schäu- ich unterstreichen will: Die Soldaten der Bundeswehr ble. leisten seit vielen, vielen Monaten einen gefährli- chen, risikoreichen Dienst, um den Menschen im ge- schundenen Bosnien, im ehemaligen Jugoslawien, Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Frau Präsi- beim Überleben zu helfen. Wir danken den Soldaten dentin! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU- der Bundeswehr sowie den Soldaten der Streitkräfte Fraktion stimmt dem Antrag der Bundesregierung aller anderen Länder, die versuchen, Not und Elend zu. in diesem fürchterlichen Krieg zu lindern. (Zuruf von der SPD: Das denke ich mir!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. so wie bei Abgeordneten der SPD und des Herr Kollege Scharping, wir respektieren - nieman- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) dem fällt die Entscheidung leicht, auch uns nicht - die Skrupel. Wir stimmen auch nicht mit Jubel zu. Wenn wir uns jetzt der Entscheidung zu stellen ha- ben, ob wir mit der Zustimmung zum Antrag der Zum Ernst dieser Debatte, Frau Kollegin Wieczo- Bundesregierung nochmals zu einem Einsatz, der ge- rek-Zeul, würde es daher schon gehören, daß Sie den fährlich werden kann, ja sagen, dann hat in diese unsäglichen Satz, den ich dieser Tage von Ihnen ge- Entscheidung auch der Gedanke einzugehen: Wie 3966 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Dr. Wolfgang Schäuble anders soll den Menschen in Bosnien denn geholfen zugs der Vereinten Nationen nicht verweigern wür- werden? Wie soll dieses Elend bei all den Scheußlich- den. Ich meine, wir seien uns einig gewesen, den von keiten - wie Sie gesagt haben - wenigstens gelindert uns erbetenen Beitrag zu einer solchen NATO- werden? Schutzoperation nicht zu verweigern. Ich glaube, daß die Soldaten der Vereinten Natio- Dann war der nächste Schritt, daß wir uns fast alle nen, die Blauhelme - so unvollkommen und so quä- darin einig waren, verehrte Kolleginnen und Kolle- lend alles politische und sonstige Streben in diesen gen, daß der Rückzug der UNPROFOR-Truppen, der Jahren gewesen ist, so quälend es die gesamte zivili- Blauhelm-Truppen, aus Bosnien eigentlich eine ganz- sierte Völkergemeinschaft doch ankommen muß, schlechte, eine ganz furchtbare Lösung sei. Darin diese Unfähigkeit, den Frieden zu erreichen, zu erle- waren wir uns einig. Dann ging die Debatte weiter ben -, doch unendlich viel Menschenleben gerettet und diejenigen, die BlauhelmSoldaten in Bosnien haben. stellen, haben gesagt, sie wollten versuchen, diese Deswegen sind wir uns einig, daß es besser ist, Soldaten dort zu belassen, wenn sie besser geschützt wenn die Blauhelme in Bosnien bleiben, daß es bes- werden könnten. Dies war im übrigen unsere ge- ser ist, wenn es nicht zu einem Rückzug von UNPRO- meinsame Auffassung; Sie haben es heute noch ein- FOR kommt. Aus diesem Grund begrüßen wir ge- mal gesagt. meinsam, daß UNPROFOR besser geschützt wird. Denn wenn sie sich zurückziehen müßten - es ist ja Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn der letzte Versuch, wie der Bundesaußenminister ge- das aber alles richtig ist und wenn von denjenigen, sagt hat -, wären Tod, Not und Elend für noch mehr die bereit sind, den Versuch zu unternehmen, die Menschen die nahezu zwangsläufige Folge. Deswe- Soldaten in Bosnien mit einer „schnellen Eingreif- gen muß man bei der Entscheidung abwägen. Ich truppe" - diese haben Sie heute noch begrüßt - bes- glaube, daß die möglichen Risiken, die für die Solda- ser zu schützen, damit sie bleiben können, gefragt ten gegeben sein können, gegen das Leben von un- wird, ob wir Deutschen bereit seien, das, was wir für sagbar vielen gequälten Menschen in Bosnien abzu- den Fall eines Rückzuges zum Schutz angeboten hät- wägen sind, die zu retten und denen zu helfen unser ten - einen Rückzug wollen wir im übrigen nicht -, gemeinsames Ziel sein muß. Auch das muß in dieser auch zum Schutz der UNPROFOR-Truppen zu lei- Debatte gesagt werden. sten, damit sie bleiben können, können wir dann wirklich nein sagen? Herr Kollege Scharping, Sie (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. so sollten es sich noch einmal überlegen. Kein Mensch wie bei Abgeordneten der SPD) außerhalb dieses Raumes wird es verstehen, und au- ßerhalb dieses Landes schon gar nicht. Sie, Herr Kollege Scharping, haben gesagt - für meine Begriffe war das nicht der richtige Gang der (Zurufe von der SPD) Ereignisse, auch nicht unserer Diskussion -, bis zum 29. Mai habe die Bundesregierung eine andere Posi- - Lassen Sie mich Ihnen diese Logik noch einmal vor- tion gehabt. halten; Sie sind ja immer besonders liebenswürdig (Günter Verheugen [SPD]: Ja! - Gernot Er im Zuhören und im Verstehen: Wir waren uns einig, ler [SPD]: Das stimmt!) daß wir einen erbetenen Beitrag zum Schutze eines Rückzugs der Blauhelme leisten würden. Wir waren Die internationale Debatte, der Gang der internatio- uns einig, daß ein Rückzug der Blauhelme schlecht nalen Ereignisse waren ein wenig anders. Wir haben wäre und daß es besser wäre, wenn sie blieben. Wir doch auf das, was anders war, reagie rt. begrüßen, daß Frankreich, England und Holland eine „schnelle Eingreiftruppe" bilden, um die Blau- Ich erinnere mich - das werden Sie doch nicht be- helme zu schützen, damit sie bleiben können. streiten -, daß Ende vergangenen Jahres Überlegun- Und jetzt wollen wir den Beitrag, den wir zum Rückzug gen aufkamen, daß angesichts der Eskalation des geleistet hätten, zum Schutze ihres Verbleibs Krieges und der Unfähigkeit der Vereinten Nationen, nicht leisten? Ich glaube, das versteht wirklich niemand, die Soldaten der Vereinten Nationen im ehemaligen und deshalb sollten Sie Ihre Entscheidung überprü- Jugoslawien auch nur zu schützen, diese zurückge- fen. zogen werden müßten und das Mandat beendet wer- den müßte. Die Überlegung in der Frage „Wie kann (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und ein solcher Rückzug überhaupt stattfinden?" führte der F.D.P. - Gernot Erler [SPD]: Das sind zu der Position, daß die NATO einen solchen Rück- doch völlig verschiedene Aufgaben!) zug, wenn er notwendig werden würde, schützen müsse. Darüber haben wir gesprochen - früh, oft, Ich möchte einen weiteren Punkt aus Ihrem Debat- ausgiebig. tenbeitrag aufgreifen. Ich habe die Argumentation Ich fühle mich ausreichend und präzise durch die mit dem Zweiten Weltkrieg immer für sehr problema- Bundesregierung zu jedem Zeitpunkt dieser Erörte- tisch gehalten. Hier halte ich es ausnahmsweise rung unterrichtet. Ich will das ausdrücklich sagen mehr mit Herrn Verheugen, von dem ich gelesen und mich in Grenzen dafür bedanken; ein Vergnü- habe: „Gerade weil Deutsche in der Vergangenheit gen ist das alles nicht. dort schuldig geworden sind, müssen Deutsche hel- fen." Dann waren wir uns - so hatte ich es auch gehofft - einig, daß wir den von uns erbetenen Beitrag zu ei- (Günter Verheugen [SPD]: Ja! - Dr. Gregor ner NATO-Operation zum Schutze eines Truppenab- Gysi [PDS]: Aber nicht militärisch!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3967

Dr. Wolfgang Schäuble Wir haben uns in den letzten Wochen intensiv mit politischen Kräfte in Slowenien und Kroatien den Lehren der Vergangenheit und mit dem, was Rechnung trage. 50 Jahre danach besser geworden ist und was wir ler- rt] [BÜNDNIS 90/ nen könnten, damit es nicht wieder schlecht wird, (Joseph Fischer [Frankfu beschäftigt. Angesichts dessen kann man es drehen DIE GRÜNEN]: Daraufhin habt ihr reagie rt, weil Gansel das vorgeschlagen hat? Das und wenden, wie man will: Was im Zweiten Welt- krieg, in der Hitler-Zeit, Fürchterliches gewesen ist, glaubt ihr doch selber nicht!) gibt uns nicht das Recht und das Argument, jetzt bei- - Lassen Sie uns doch ernsthaft miteinander reden! seite zu stehen, zu sagen, die anderen sollten Trup- - pen entsenden, aber nicht wir, und damit aus der (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Sicht der anderen eher eine Position moralischer DIE GRÜNEN) Überheblichkeit zu beziehen. Dazu haben wir kei- Ich finde die Schuldzuweisung in bezug auf das nen Grund. Jahr 1991 aus der Sicht des Jahres 1995 nun wirk lich eher kläglich als irgend etwas zur Sache beitragend. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Bei Ihrer Rede habe ich zwischendurch an Mat- thäus 5, Vers 37 gedacht, wo es in der Bergpredigt Auch mich hat Herr Gansel im November 1991 an- vom Schwören heißt: Eure Rede sei ja, ja, nein, nein. gegriffen, als ich mich auf dem Deutschlandtag der Alles, was darüber ist, ist von Übel. Jungen Union gegen Angriffe auf die Bundesregie- rung, daß sie noch immer nicht anerkannt habe, ver- (Zustimmung bei der CDU/CSU - Günter teidigt habe. So war nämlich die Debatte in Trier. Ich Verheugen [SPD]: Dann hör doch auf!) habe gesagt, wer anerkennt, muß genau wissen, was - Ich habe mir überlegt, Herr Verheugen - ich habe das für Konsequenzen hat. Hinterher hat mich Herr wirklich darüber nachgedacht; der Vorsitzende des Gansel angegriffen und gesagt, wir fordern die Bun- Auswärtigen Ausschusses ist mein Zeuge -, hier ans desregierung auf, sich in der EG für einen klaren Pult zu gehen und lediglich zu sagen: Die CDU/CSU- Fahrplan zur völkerrechtlichen Anerkennung der ju- Fraktion stimmt zu. Aber ich werbe noch immer um goslawischen Republik einzusetzen. eine möglichst breite Zustimmung; ich gebe den Ver- (Widerspruch bei der SPD) such nicht auf. Im Interesse unseres Landes und un- serer Bundeswehrsoldaten ist dies wichtig. Jeder ein- So ist es gewesen. Lassen Sie doch die wahrheits- zelne, der aus Ihren Reihen dem Antrag der Bundes- widrigen Rückgriffe auf das Jahr 1991! Wir waren in regierung zustimmt, tut heute etwas Gutes. Deshalb allen Fraktionen unterschiedlicher Meinung. Wir ha- werbe ich um jeden einzelnen von Ihnen. ben darauf gedrängt und immer darauf Wert gelegt - das ist doch das Entscheidende -, daß es zu einer ge- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) meinsamen Entscheidung der Europäischen Union kommt. Das ist auch so gewesen. Sie haben ein Argument aus der Debatte des Jah- res 1991 gebracht und gesagt, die Bundesregierung Herr Kollege Scharping, wenn Sie in Ihrer Rede sa- habe Beiträge zur Eskalation der Ereignisse gelei- gen - deswegen komme ich darauf zurück -, das sei stet. Ihre Formulierung war, die falsche Weichenstel- das erstmalige Ausscheren Deutschlands aus der lung 1991 mit dem Drängen auf eine schnelle Aner- westlichen Gemeinschaft gewesen, dann muß ich kennung habe zu dem Scheitern wesentlich beige- wirklich wiederholen: Das war eine gemeinsame Ent- tragen. scheidung der Europäischen Union. Ich fürchte mehr, daß wir dann, wenn wir uns heute verweigern wür- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das kann den, dem Antrag der Bundesregierung unsere Zu- man wohl sagen! Das war verheerend!) stimmung zu geben, nachhaltig aus der westlichen - Frau Kollegin Matthäus-Maier, warten Sie es ab. und der Europäischen Gemeinschaft ausscheren würden. Da wir das nicht tun sollten, werbe ich um Ich zitiere aus einem Bericht im „Archiv der Ge- Zustimmung zu dem Antrag. genwart" vom 1. Juli 1991: (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Am 24. Mai legte der stellvertretende SPD-Vorsit- Weder bei der schnellen Eingreiftruppe zum zende Norbert Gansel Schutz von UNPROFOR noch bei dem deutschen (Günter Verheugen [SPD]: Stellvertretender Beitrag zum Schutz und zur Versorgung der Blau Fraktionsvorsitzender!) helmtruppen und der Bevölkerung geht es darum, et- was mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Ganz - ich zitiere es so, wie es hier steht - im Gegenteil: Es geht darum, die Chance für eine politische Lösung überhaupt noch aufrechtzuerhal nach einem Besuch Jugoslawiens, den er im Auf- ten. Denn wenn die Blauhelme zurückgezogen wer trag seiner Partei unternommen hatte, eine Erklä- den, wenn das Mandat der Vereinten Nationen been rung vor, det wird, dann sind die Chancen für eine politische - 24. Mai 1991, meine Damen und Herren - Lösung des elenden Kriegs dramatisch verschlech tert. Um diese Verschlechterung zu vermeiden, ma in der er eine Änderung der Brüsseler Haltung zu chen wir einen letzten Versuch. Deswegen ist das Jugoslawien forde rte.... Es sei eine neue Politik nicht eine Alternative zu einer politischen Lösung, erforderlich, die dem Unabhängigkeitswillen der wie Sie es dargestellt haben, sondern es ist geradezu 3968 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Dr. Wolfgang Schäuble die Voraussetzung dafür, daß eine politische Lösung dung von dpa vom 11. Juni 1995, 20.37 Uhr, hier. Ich trotz aller Enttäuschungen der letzten Jahre viel- gebe sie Ihnen gern. Wenn Hans Koschnick seine leicht doch noch möglich wird. Wir sollten diese poli- Meinung geändert haben sollte, mag es sein. Aber tische Lösung offenhalten. das Zitat, das ich vollständig vorgelesen habe, ist richtig. Dann haben Sie den Kollegen Koschnick erwähnt und ihm gedankt. Diesem Dank schließen wir uns (Zurufe von der SPD) an. Aber, Herr Kollege Scharping, vielleicht sollten wir ein wenig auf Hans Koschnick hören. Ich zitiere - Ich lese es Ihnen noch einmal vor, wenn Sie Zweifel- aus einem Interview mit Hans Koschnick vom 11. Juni haben. Wenn Hans Koschnick inzwischen eine an- 1995: dere Meinung vertreten sollte, bin ich gern bereit, das von Ihnen zur Kenntnis zu nehmen. Aber ich „In dem Augenblick, wo wir Engländer, Franzo- kenne ein anderes Zitat nicht, und deswegen lese ich sen, Dänen oder Spanier alleinlassen, können wir noch einmal vor, was er am 11. Juni gesagt hat, Herr die Union aufgeben." Kollege Scharping: Mit Union meinte er die Europäische Union. „In dem Augenblick, wo wir Engländer, Franzo- sen, Dänen oder Spanier alleinlassen, können wir Das sagte der ehemalige Bremer Bürgermeister die Union aufgeben." ... Zugleich setzte er sich der Oldenburger „Nordwest-Zeitung". für die Beteiligung von deutschen Kampf-Torna- (Günter Verheugen [SPD]: Das bezieht sich dos an der multinationalen Schnellen Eingreif- auf den Abzug!) truppe ein. - Ich lese es Ihnen ganz vor. Das genau ist der Antrag der Bundesregierung, und deswegen sagen wir mit Hans Koschnick ja zu dem Zugleich setzte er sich für die Beteiligung von Antrag. deutschen Kampf-To rnados an der multinationa- len Schnellen Eingreiftruppe ein. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - [SPD]: Das ist eine falsche (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Agenturmeldung, Herr Schäuble! Nehmen „Wenn nur Deutsche und Amerikaner Systeme Sie das zur Kenntnis!) haben, die das Radar ausschalten, kann man dann tatenlos zusehen, wenn andere Flugzeuge Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Dr. Schäuble, fliegen und mit großer Wahrscheinlichkeit abge- Herr Scharping hat noch eine Zusatzfrage. schossen werden", fragte der SPD-Politiker.

Sie haben Hans Koschnick doch in Ihrer Fraktion Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Bitte sehr. - gehabt. Hören Sie doch in einer so schwierigen Ent- Ich lese es auch ein drittes Mal vor. scheidung auf ihn, verehrte Kolleginnen und Kolle- gen der SPD! (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Rudolf Scharping (SPD): Herr Kollege Schäuble, Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Dr. Schäuble, da ich immer noch davon ausgehe, daß diese Debatte gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen mit dem Ziel geführt wird, nicht die Position anderer Scharping? zu verunklaren: Stimmen Sie mir zu, daß die Lektüre einer Agenturmeldung im Zweifel immer die Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Ja, bitte schlechtere Quelle gegenüber der Lektüre des Inter- schön. views selbst ist? (Beifall bei der SPD) Rudolf Scharping (SPD): Herr Kollege Schäuble, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß sich (CDU/CSU): Da stimme ich Hans Koschnick mehrfach öffentlich, zuletzt in der Dr. Wolfgang Schäuble Ihnen gern zu, Herr Kollege Scharping. Aber es ist „Zeit" von dieser Woche, dagegen ausgesprochen ein wörtliches Zitat, und mir ist keinerlei Dementi be- hat, im Zusammenhang mit der schnellen Eingreif- kannt. truppe deutsche Tornados zur Verfügung zu stellen? (Rudolf Scharping [SPD]: Haben Sie das In Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Herr Kollege terview denn gelesen?) Scharping, ich habe die von Ihnen genannte Wo- - Die Agenturmeldung. chenzeitung, Ausgabe dieser Woche, nicht gelesen. (Rudolf Scharping [SPD]: Warum haben Sie (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Das ist schlimm!) das Interview nicht gelesen?) Ich habe eine Äußerung von Hans Koschnick vom - Ich bitte Sie, lesen Sie denn jede Regionalzeitung 11. Juni zitiert; das ist so lange nicht her. Da haben in Deutschland? wir uns mit der Frage beschäftigt. Es handelt sich um ein Interview in der Montagsausgabe der Oldenbur- (Rudolf Scharping [SPD]: Das ist ganz ty ger „Nordwest-Zeitung" . Ich habe die Agenturmel pisch!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3969

Dr. Wolfgang Schäuble Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Sa- Ich lege Wert darauf, die Argumente, die Sie zur Be- che ist einfach. Ich habe durch einen Zwischenruf gründung einer Nichtzustimmung zu dem Antrag gehört, daß der sozialdemokratischen Fraktion das der Bundesregierung gebracht haben, so gut ich Zitat, das ich vorgelesen habe, seit langem bekannt kann, zu widerlegen. ist. Sie haben bis heute keine Gelegenheit genom- men, darauf hinzuweisen, daß das Zitat in dieser Ihre Argumente waren, daß Sie gesagt haben, eine Agenturmeldung falsch sei. militärische Lösung könnte den Frieden nicht si- chern. Da haben Sie den schönen Satz gebracht: (Widerspruch bei der SPD) Man kann in der Luft nicht Krieg führen, um Frieden- auf Erden zu haben. Das ist einer von den Schönwet- Ich gehe bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, tersätzen, die überhaupt nichts nützen; denn in daß das Interview von Hans Koschnick in der Mon- Wahrheit geht es darum, die Rahmenbedingungen, tagsausgabe der Oldenburger „Nordwest-Zeitung" die Voraussetzungen für eine politische Lösung zu vom 11. Juni 1995 richtig wiedergegeben ist. Viel- schaffen. leicht kann man diese Ausgabe der „Nordwest-Zei- (Beifall bei der CDU/CSU - Rudolf Schar tung" noch besorgen. Wenn Sie mir darlegen, daß ping [SPD]: Was ist daran falsch?) das Zitat falsch ist, nehme ich es gern zurück. - Natürlich ist es falsch, denn Sie selber sagen doch: (Rudolf Scharping [SPD]: Es ist doch Ihre Wenn die UNPROFOR-Truppe zurückgezogen wird, Sache, das Interview zu lesen! - Joseph Fi sind die Chancen für eine politische Lösung schlech- scher [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ ter. Sie selber begrüßen, daß eine Eingreiftruppe auf- NEN]: Was hat er denn am Tag darauf in gestellt wird, um die UNPROFOR-Truppe zu schüt- der „Nordsee-Zeitung" gesagt? Können Sie zen. Sie sagen nur: Wir wollen uns am Schutz der das auch vorlesen?) Eingreiftruppe nicht beteiligen. Das halten wir für falsch.

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Dr. Schäuble, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) es gibt den Wunsch des Abgeordneten Lippelt nach Das folgende will ich auch noch sagen, verehrte einer Zwischenfrage. Kolleginnen und Kollegen, und ich bitte Sie zuzuhö- ren und noch einmal nachzudenken. Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch in diesem Zusammenhang kann man an den Herr Schäuble, da ich nur über Sie Herrn Scharping 8. Mai 1945 und den 8. Mai 1995 noch einmal erin- indirekt fragen kann: Würden Sie mir darin zustim- nern. Wir wären nicht geworden, was wir heute sein men, daß es in der Erregung nach der Geiselnahme dürfen - wir leben in Frieden und Freiheit, mit Wohl- in der Tat diese Äußerung gegeben hat und daß Herr stand und einem hohen Maß an sozialer Sicherheit, Koschnick danach, bei ruhigerem Nachdenken, in einer stabilen Demokratie -, wenn wir in diesen durchaus zu einer anderen Meinung gekommen sein 50 Jahren nicht verläßliche Verbündete gehabt hät- kann, daß das also nicht eine Sache der Quellenkri- ten, in Europa und in der Atlantischen Allianz. Wir tik, sondern der Nähe zum Ereignis ist, und würden verdanken Frieden und Freiheit und am Ende die Sie mir zustimmen, daß dieser Dialog der Debatte deutsche Einheit in Frieden und Freiheit der Verläß- überhaupt nicht angemessen ist? lichkeit unserer Pa rtner und Verbündeten in Europa und in der Atlantischen Allianz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir werden keine gute Zukunft in Frieden und Freiheit haben, jedenfalls keine sichere, wenn wir Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Herr Kollege, nicht auch in der Zukunft verläßliche Verbündete ich stimme Ihnen ja zu. Ich habe ausdrücklich ge- und Partner haben. Aber wir werden keine verläßli- sagt: Wenn Herr Koschnick inzwischen eine andere chen Verbündeten und Pa rtner haben, wenn wir Meinung hat, ist es in Ordnung. Ich hätte die Debatte selbst nicht bereit sind, auch verläßliche Verbündete auch nicht so lange geführt, wenn Herr Kollege und Partner zu sein. Scharping nicht mehrfach Zwischenfragen zu genau diesem Punkt gestellt hätte. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Keiner kann in dieser Welt, in der leider der ewige (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Rudolf Scharping [SPD]: Friede nicht ausgebrochen ist, und in einem Europa, Wenn in dieser Woche ein Interview zu der in dem wieder Krieg herrscht, was wir vielleicht vor selben Frage veröffentlicht wird, kann man sechs Jahren nicht befürchten zu müssen glaubten, das nehmen! Sonst ist das pure Taktik! Das für sich allein Frieden und Freiheit wirklich sicher wissen Sie auch genau!) bewahren. Deswegen sind wir auf Einigung und Bündnis und - Meine Damen und Herren, wollen Sie die Debatte Partnerschaft angewiesen. Deswegen beruht unsere immer noch weiterführen, um mir hinterher vorzu- Zukunftsfähigkeit darauf, daß wir selbst zu verläßli- werfen, man sollte die Debatte nicht führen? cher Partnerschaft bereit sind. (Rudolf Scharping [SPD]: Im Zweifel ja!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) 3970 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Dr. Wolfgang Schäuble Deswegen würden wir unsere eigene Zukunft, un- Noch leben wir in einer Welt, in der wir leider dar- sere Möglichkeiten angesichts aller Umstände und auf angewiesen sind, den Frieden auch dadurch zu aller denkbaren Entwicklungen und Gefährdungen, sichern, daß wir fähig sind, uns zu schützen und zu die hoffentlich nicht auf uns zukommen - es weiß verteidigen. Es gibt nicht das Gewaltmonopol der aber keiner sicher, was alles kommen mag - gefähr- Vereinten Nationen. Das wäre eine bessere Welt, den, wenn wir uns nicht in der Lage sehen würden, aber das gibt es nicht. Noch sind wir darauf angewie- auch verläßliche Freunde, Partner, Verbündete zu sen, Frieden und Freiheit notfalls durch den Einsatz sein. militärischer Mittel zu schützen bzw. durch die Mög- lichkeit, uns mit militärischen Mitteln schützen zu- Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, über- können, den Frieden zu bewahren. Abschreckung legen Sie noch einmal, ob wir fünf Jahre nach der hieß das früher einmal. deutschen Einheit, 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in einer solchen Frage sagen Weil dies aber keiner für sich allein kann, in Eu- können - was außerhalb unseres Landes niemand ropa schon gar nicht, bleiben wir auf europäische Ei- versteht -: Wir geben eine Menge Ratschläge, wie nigung und atlantische Solidarität angewiesen. man das Mandat verstärken könnte, was die anderen Wenn wir uns aber jetzt verweigern, wird jede Forde- alles tun sollten. Wir wären sogar bereit, notfalls rung nach mehr europäischer Einigkeit und europä- beim Abzug zu helfen. Aber wir sind nicht bereit, ischer Handlungsfähigkeit von den anderen als eine das, was wir für den Fall eines Abzugs leisten wür- Ausflucht und als Heuchelei verstanden. den, auch für den Fall eines Verbleibs zum Schutze (Otto Schily [SPD]: Das ist doch gar nicht derjenigen zu leisten, die do rt einen ungleich opfer- wahr!) reicheren Dienst tun als wir selbst. Denn sie werden sagen: Ihr müßt euren Beitrag dazu (Gernot Erler [SPD]: Das ist eine völlig an leisten. Wenn wir unseren Beitrag dazu verweigern, dere Aufgabe!) schwächen wir die europäische Fähigkeit, Frieden zu bewahren, schwächen wir die atlantische Solidarität - Ja, ich weiß schon. Lassen Sie mich das sagen. Sie und nützen den gequälten Menschen im ehemaligen hören es nicht gern. Sie wollen es nicht gern auf den Jugoslawien nicht. Kern der Entscheidung zurückgeführt haben. Des- wegen fallen Sie mir jedesmal ins Wo rt, wenn Sie zu (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) dem Punkt kommen, wo man ja oder nein sagen muß. Sie fallen mir ins Wo rt, weil Sie nicht die Ent- Wer von Menschenrechten nicht nur redet und die scheidung wollen. Sie wollen ausweichen, Sie wollen Opfer von Kriegen und Menschenrechtsverletzungen nicht verläßlich sein. und all den Scheußlichkeiten, die Sie aufgezählt ha- ben, nicht nur beklagen, sondern helfen wi ll, daß es (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - weniger Opfer gibt, der muß seinen Beitrag dafür lei- Zurufe von der SPD) sten, daß die Vereinten Nationen im ehemaligen Ju- goslawien auch morgen und übermorgen für den - Sie haben selber darum geworben, daß man sich Frieden und die Rettung der Menschen arbeiten kön- heute gut zuhört. nen. Dazu müssen sie besser geschützt werden. Dazu müssen wir unseren Beitrag leisten. Sie kommen nach unserer Überzeugung nicht um die Entscheidung herum, ja oder nein zum Antrag Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen der Bundesregierung zu sagen. Sie uns, so schwer es auch ist, ja zu dem Antrag der Bundesregierung sagen. Ich habe bewußt Abstand davon genommen, Ihnen vorzuhalten, was aus Ihren eigenen Reihen zu Ihrer (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ Haltung gesagt worden ist. Dazu könnte man stun- CSU und der F.D.P.) denlang zitieren. Das bringt uns aber heute in dieser Debatte nicht weiter, jedenfalls nicht, wenn es darum Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Es spricht jetzt der geht, möglichst viel Zustimmung zu finden. Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, . Aber vielleicht denken Sie noch einmal daran, daß Kurt Schumacher - das ist lange genug her - schon vor einem alten sozialdemokratischen Mißverständ- Joseph Fischer (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE nis gewarnt und gesagt hat, man müsse endlich den GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- Unterschied zwischen Militarismus und dem Militäri- ren! Stefan Kornelius schrieb vor drei Tagen in der schen zur Kenntnis nehmen. „ Süddeutschen Zeitung": Sie sollten der Versuchung widerstehen, den Bei- Schluß mit den Verbrämungen: Nach dem Willen trag der Bundeswehr im Sinne von Militarismus zu des Kabinetts wird die Bundesrepublik im Na- erläutern. Nein, es ist der Einsatz militärischer Mittel, men der UNO Soldaten für den Balkankrieg ent- um Risiken zu vermeiden, um Menschenleben zu senden. Deutschland wäre damit endgültig Teil schützen, um den Frieden zu ermöglichen, jedoch eines Konflikts, den es so lange meiden wollte. nicht, um Krieg zu führen. Darum geht es, und dazu Nach dem Willen des Kabinetts sollen Piloten der sollten Sie ja sagen. Luftwaffen Kampfflugzeuge anderer NATO-Pa rt -ner nach Bosnien führen, sie sollen als erste Ra- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) darstellungen erkennen und diese Anlagen bei Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3971

Joseph Fischer (Frankfurt) Gefahr mit Raketen beschießen. Die Raketen darum, daß Kampfverbände nach Bosnien entsandt werden die Stellungen zerstören und mit ihnen werden. Jetzt geht es darum, daß damit die Bundes- das Leben der - vermutlich serbischen - Solda- republik Deutschland Truppensteller im Rahmen des ten, die dort ihr Werk verrichten. Umgekehrt UNO-Mandats wird. kann einer Tornado-Crew das gleiche Schicksal Herr Bundeskanzler, Herr Bundesaußenminister widerfahren wie dem amerikanischen Piloten und Herr Schäuble, ich frage Sie: Wenn Ihre Argu- Scott O'Grady - sie kann abgeschossen werden, mentation richtig ist, wenn geholfen werden muß, kann dabei in Gefangenschaft geraten oder gar warum war es dann bisher die Haltung der Bundes- selbst getötet werden... . regierung, daß die Bundesrepublik Deutschland in Ob nun aber humanitär oder friedensschaffend, ihrer Außenpolitik eben nicht so frei ist wie andere ob aus Solidarität oder mit politischem Kalkül, ob europäische Verbündete? Wenn Ihre Position richtig mit Tornados oder Sanitätern: Die Bundesregie- ist - was Sie der Opposition vorhalten -, so frage ich rung hat den Rubikon überschritten und ist ent- Sie, warum Sie nicht schon längst das gemacht ha- schlossen, ihre defensive Rolle im Bosnien-Kon- ben, was Sie heute beschließen wollen, meine Da- flikt aufzugeben. men und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Genau darum geht es heute. Meine Damen und Herren, es geht um eine historische Zäsur in der Diese Fragen werden Sie sich gefallen lassen müs- deutschen Augenpolitik. Die Zäsur besteht da rin, sen. daß zum erstenmal seit dem Ende des Zweiten Welt- kriegs heute mit hoher Wahrscheinlichkeit eine (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Das ist Mehrheit des Deutschen Bundestags beschließt, daß schwach!) deutsche Kampfverbände jenseits der NATO-Bünd- - Nein, das ist überhaupt nicht schwach, mein Lie- nisgrenzen eingesetzt werden und den Auftrag ha- ber. ben, notfalls - ich muß hier aus meiner Sicht hinzufü- gen: hoffentlich kommt es dazu nicht - auch zu schie- (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Aber ßen. Das ist eine Zäsur, die wir fürchten, meine Da- sehr!) men und Herren. - Das ist überhaupt nicht schwach. (Zuruf von der CDU/CSU: Zum Schutz!) Der entscheidende Punkt, um den es hier geht, ist doch, was die Bundesregierung veranlaßt hat - Herr Ich möchte hier zuerst das Gemeinsame betonen. Bundeskanzler, diese Argumente sind sorgfältig zu Das Gemeinsame besteht da rin, daß wir alle hier prüfen, denn es geht hier um eine grundsätzliche nachdrücklich diesen grausamen Krieg und auch die Wende in der deutschen Außenpolitik; es geht bosnisch-serbische Aggression und die verbrecheri- darum, daß der Bundestag mit Mehrheit Kampftrup- sche Politik der bosnisch-serbischen Führung verur- pen, Kampfverbände zum Einsatz schickt -, von ihrer teilen. Wir wenden uns nachdrücklich gegen das Position abzurücken, daß auf dem Gebiet des ehema- Wiederentstehen von Nationalismus und seine bluti- ligen Jugoslawien keine deutschen Kampfverbände gen Konsequenzen. Wir verurteilen das Morden, das zum Einsatz kommen sollen. Vertreiben und das Vergewaltigen. (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Zum Ich sage Ihnen auch: Wir unterstützen - und schlie- Schutz!) ßen uns dem Dank an sie an - die zivilen, aber auch die militärischen Helfer, die es möglich gemacht ha- Es sind im wesentlichen drei Argumente angeführt ben, daß Menschen überlebt haben. Ich sage auch worden. Mit diesen drei Argumenten möchte ich und gerade als Angehöriger einer pazifistischen Par- mich sehr ernsthaft auseinandersetzen; denn glau- tei: Wir danken auch den Angehörigen der Bundes- ben Sie mir, meine Damen und Herren, weder für wehr, die sich in einem bewundernswe rt mutigen mich noch für die Angehörigen meiner Fraktion ist Einsatz unter hohem Risiko für humanitäre Ziele in diese Entscheidung einfach. Bosnien mit den Flügen und mit den Lebensmittelab- Es geht um das Abwägen, was man tun muß, um würfen bei Nacht, aber auch mit den Versorgungsflü- diesen grauenhaften Krieg beenden zu können. Was gen nach Sarajevo eingesetzt haben. kann Deutschland dafür tun? Macht man sich nicht schuldig, wenn man sich verweigert? Geht man dann (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, nicht Risiken ein, die diesen Konflikt eskalieren las- bei der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P.) sen, und macht man sich dadurch schuldig? Dieses wägt doch ein jeder und eine jede von uns ab. Nur, meine Damen und Herren, darum geht es jetzt nicht mehr. Deswegen möchte ich sehr ernsthaft die Position prüfen. (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Doch, darum auch!) Das erste ist das Argument der Hilfe für die Men- schen und der Hilfe für die Blauhelme, das zweite ist - Soweit es darum geht, haben Sie unsere volle Un- das Argument der Verhinderung des Abzugs der UN terstützung. In bezug auf rein humanitäre Einsätze durch die schnelle Eingreiftruppe, und das dritte - gibt es und kann es keinen Streit in diesem Hause das ist das überragende Argument hier - ist die geben, meine Damen und Herren. Jetzt geht es Bündnissolidarität. 3972 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Joseph Fischer (Frankfurt) Hilfe für die Menschen und die Blauhelme - meine Damit komme ich zu dem Punkt der Bündnissoli- Damen und Herren, im Gegensatz zu Ihnen, Herr darität. Ich sage, Herr Kollege Schäuble: Wenn Ihr Kollege Schäuble, weiß ich keine Politik, die diesen Argument der Bündnissolidarität so überragend ist, grauenhaften Krieg beenden kann. Die UN hat Be- warum dann keine Bodentruppen? Was ist das Argu- wundernswertes geleistet, aber sie konnte vielen ment, daß Sie sich auf die Einsatzform, wie Sie jetzt Menschen nicht helfen. vorliegt, beschränken?

Ich weiß nur eines: Ein Abzug, meine Damen und Ich frage das auch den Bundeskanzler: Warum Herren von der F.D.P., oder gar eine Aufhebung des keine Bodentruppen? - Ich stelle diese Frage nicht- Waffenembargos, eine militärische Lösung, ein gro- deswegen, weil ich Sie etwa davon überzeugen ßer Krieg also, wird noch viel mehr Opfer kosten als wollte, Bodentruppen zu schicken, sondern weil ich das, was jetzt von der UN in einem bewundernswer- weiß, daß dahinter ein Argument steht, das bisher für ten Einsatz versucht wurde. die Haltung der Bundesregierung entscheidend war. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Das ist das historische Argument, meine Damen und CDU/CSU) Herren, und ich befürchte, wir befürchten, daß im Falle eines eskalierenden Einsatzes mit deutschen Deswegen: Es gibt keine militärische Lösung, meine Kampfverbänden dieses historische Argument so- Damen und Herren, es gibt nur eine politische Lö- wohl für die Soldaten als auch für die Bundesrepu- sung, und diese Lösung ist nicht überzeugend, weil blik Deutschland noch auf fatale Art und Weise zuge- sie nicht direkt in einen Friedensschluß, der trägt, spitzt wird, führen kann und führt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich mache aus dieser Schwierigkeit im Gegensatz zu anderen hier überhaupt kein Hehl. und deswegen möchte ich es ebenfalls aufgreifen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS Es wird ja gerade so getan, als ob sich die Bundes- SES 90/DIE GRÜNEN) republik Deutschland bisher im Rahmen der humani- tären Möglichkeiten der Bündnissolidarität - es wur- Nur, eines ist klar, Herr Kollege Schäuble: Wenn Sie den die unbewaffneten Transportflüge und anderes Hilfe für die Menschen bringen wollen, wenn Sie angeführt - nicht beteiligt hätte. Bündnissolidarität Ihre Argumente ernst nehmen, dann müssen Sie sich aber muß immer auf das bezogen sein, was auf dem schon die Frage stellen, warum die Bundesrepublik Hintergrund der Interessen, der Solidarität, aber Deutschland dann nicht ein wesentlich massiveres auch der Geschichte machbar und damit politisch Angebot gemacht hat, wenn man Ihre Logik - es ist moralisch verantwortbar ist. nicht meine - zugrunde legt. Dann müssen Sie sich Da frage ich Sie, Herr Bundeskanzler, da frage ich schon die Frage stellen, ob die Form des Auftrags die Sie, Herr Bundesaußenminister: Gilt denn Ihre Posi- richtige ist und - manche in meiner Fraktion haben tion vom Oktober 1994, die Sie im NATO-B diese Frage gestellt -, warum diese Form des Auf- rief unter Ihrem Namen dargestellt haben, in dem Sie die Prin- trags jetzt gewählt wurde. Ich teile diese Posi tion zipien für eine Beteiligung unter Punkt 6 dargestellt nicht, aber die Frage ist natürlich angesichts Ihrer Ar- haben, nicht mehr? gumentation, Hilfe für die Menschen bringen zu wol- len, berechtigt. Eine deutsche Beteiligung darf nicht konfliktver- schärfend wirken. Damit komme ich zu dem zweiten Punkt, zur Bündnissolidarität, meine Damen und Herren, und - So Klaus Kinkel. zu dem dritten Punkt, der Verhinderung des Abzugs der UN durch die schnelle Eingreiftruppe. Der Dies könnte vor allem do rt der Fall sein, wo aus Bundesaußenminister und der Bundesverteidigungs- der Zeit deutscher Besatzung während des Zwei- minister konnten uns nicht klarmachen, daß es zu ten Weltkrieges noch besondere Animositäten le- dieser schnellen Eingreiftruppe ohne deutsche Betei- bendig sind. Aus diesen Gründen lehnt die Bun- ligung nicht gekommen wäre. Der Bundesaußenmi- desregierung eine unmittelbare Beteiligung nister und der Bundesverteidigungsminister konnten deutscher Truppen an Friedensmissionen im ehe- uns nicht klarmachen, daß es eine Verbindung zwi- maligen Jugoslawien ab. Sie könnte do rt eher es- schen deutscher Beteiligung und der direkten Konse- kalierend als beruhigend wirken. quenz gab, daß, wenn diese deutsche Beteiligung mit Kampfverbänden verneint wird, es zu einem Ab- Gilt das nicht mehr, Herr Kinkel, Herr Bundeskanz- zug der Blauhelme kommt. Sie erwecken hier den ler? Eindruck, daß es diesen Zusammenhang am 3. Juni (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gegeben hätte. Dies ist nicht richtig, meine Damen bei der SPD sowie bei Abgeordneten der und Herren. PDS) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) So steht das hier! Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3973 Joseph Fischer (Frankfurt) Ich könnte noch einen Brief von Graf Lambsdorff Ist die Verhältnismäßigkeit zwischen dem er- aus dem Jahre 1992 zitieren, den mir dieser Tage ein strebten Ziel und den möglicherweise in Kauf zu Bürger geschickt hat und in dem haargenau dieselbe nehmenden Zerstörungen gewahrt? Position vertreten wird. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich frage Sie: Sind diese Auffassungen denn und von der SPD: Nein! - Zurufe von der mittlerweile nicht mehr richtig? Wenn diese Auf- CDU/CSU und der F.D.P.: Ja l) fassungen richtig sind, dann müssen Sie den be- Gibt es eindeutige Erfolgskriterien und damit troffenen Soldaten doch auch sagen, daß Ihre Hal- - tung bisher die war, daß Sie, Herr Bundesaußen- eine absehbare zeitliche Begrenzung? Und be- minister, gesagt haben, daß auf Grund der stehen Überlegungen für den Fall, daß der ange- Ge- strebte Erfolg sich wider Erwarten doch nicht er- schichte und der serbischen Propaganda, die ab- reichen läßt? Die Somalia-Mission war hier in wegig ist - ich betone es nochmals, damit hier überhaupt kein Zweifel aufkommen kann - unter mancher Hinsicht ein Fingerzeig. dem Gesichtspunkt dessen, was die Intentionen So der Bundesaußenminister. der demokratischen Bundesrepublik Deutschland sind, Ihre Einschätzung die ist, daß deutsche Sol- Meine Damen und Herren, von diesen Fragen war daten dort besonders gefährdet sind. So werden heute nichts zu hören, geschweige denn, daß es eine Sie wortwörtlich zitiert. befriedigende Antwort der Bundesregierung gege- ben hätte. Ist das alles mittlerweile nicht mehr wichtig? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gibt es denn da keine rationalen Überlegungen bei der SPD und der PDS) mehr, daß man als Regierung wenigstens einem Begründungszwang unterliegt, bevor man hier Sie als Bundesregierung haben uns hier einen An- eine grundsätzliche Revision der Außenpolitik vor- trag vorgelegt, der keine zeitliche Bef ristung enthält. nimmt, daß man klarmacht, warum die bisherige Sie haben einen Antrag vorgelegt, der im Grunde ge- Haltung nicht mehr gilt, warum man so ein wich- nommen eine Eskalationsdynamik, wenn sie ausge- tiges Argument ad acta legt? Davon haben wir löst wird, durch den Deutschen Bundestag nicht heute nichts gehört. mehr aufhaltbar macht. Das ist eine Tatsache. Sie als Regierung haben auf diese Fragen keine Antwort ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geben. sowie bei Abgeordneten der SPD) Was ich bedrückend finde, meine Damen und Her- Meine Damen und Herren, ich finde es auch ren, ist, daß der Kollege Hornhues, Vorsitzender des schlimm, wie hier heute nur unter dem Gesichts- Auswärtigen Ausschusses, gestern gleich noch die punkt diskutiert wird, wie wir hineinkommen, aber nächste Stufe eingeläutet hat, indem er sagte, nach nicht unter dem Gesichtspunkt, was wir do rt bewir- dieser Entscheidung am heutigen Freitag sollte man ken, welche Risiken wir dort antreffen und wie wir über den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Maze- vor allen Dingen wieder herauskommen. donien nachdenken. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS (Zurufe von der SPD und der PDS) SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS) Ich kann Ihnen nur sagen, meine Damen und Her- ren: Damit wird für uns der Verdacht bestätigt, daß Herr Kinkel, ich habe Ihrer Rede sehr sorgfältig zu- es hier nicht wirklich um einen Einsatz aus den gehört. Gründen geht, die Sie vorgegeben haben, sondern daß es in der Linie Kambodscha, Somalia, jetzt Bos- Folgende Fragen müssen beantwortet sein: nien dann weitergehen wird, um letztendlich die - so Sie in diesem bewußten NATO-Brief - Selbstbeschränkung deutscher Außenpolitik end- gültig historisch ad acta zu legen. Gibt es ein klares Mandat? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - da könnte man noch sagen: ein halbes Jahr - und der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS) Ist die militärische Aktion in sinnvoller Weise in ein umfassendes politisches Lösungskonzept ein- Da muß ich Ihnen sagen: Manche, die jetzt darauf gebettet? vertrauen, werden sich wundern, was in den sicher- heitspolitischen Zirkeln, im Arkanum des Atlanti- (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schen Bündnisses, innerhalb des Secu rity Commu- und von der SPD: Nein! - Zurufe von der nity, wo sich viele Kolleginnen und Kollegen sehr oft CDU/CSU und der F.D.P.: Ja!) aufhalten, an Forderungen, an Zustimmungen auch auf Regierungsebene kommt. Sie werden erleben - Nein! und bei Ihnen, Herr Bundeskanzler, als Historiker er- Sind die verfügbaren Mittel hinreichend, um ei- fahren historische Argumente sicher eine stärkere ner solchen Mission zum Erfolg zu verhelfen? Bewertung -, daß die Völker dieser verbündeten Na- tionen und viele, die heute von Ihnen verlangen, daß (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sie die Bundeswehr einsetzen sollen, in dem Mo- und von der SPD: Nein! - Zurufe von der ment, da es zu einem Wegräumen dieser Selbstbe- CDU/CSU und der F.D.P.: Ja!) schränkung kommt, und in dem Moment, da dem- 3974 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Joseph Fischer (Frankfurt) nach die Bundesrepublik Deutschland ein wesentlich Die Mär, daß die Bundesrepublik Deutschland am größeres machtpolitisches Profil anstrebt, als sie es Pazifismus kranken würde, ist eine Absurdität son- aus weiser Erwägung zuerst zwangsweise und dann dergleichen. freiwillig über 50 Jahre hinweg aufrechterhalten hat, unter innenpolitischem Druck eine ganz andere Posi- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) tion haben werden. Ich frage Sie: Wer zwingt uns Dennoch: Gerade die Rückkehr brutalster Gewalt- denn, aus unserer Geschichte nicht die Konsequen- mittel - von Massenmord, Vergewaltigungen, ethni- zen zu ziehen? schen Säuberungen - ist die größte Herausforderung für eine pazifistische Grundposition. Auch wir als Pa-- (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Was wollen Sie denn tun? Sagen Sie das doch zifisten können nicht tatenlos zusehen. einmal!) Aber wir stellen Ihnen die Frage: Sind denn alle zivilen, alle nichtmilitärischen Mittel ausgereizt wor- Sie tun ja gerade so, als wäre die Bundesrepublik den? Wie paßt das damit zusammen, daß der Kollege Deutschland seit 1949 nicht bündnisfähig gewesen, Genscher - ich zitiere aus dem „General-Anzeiger"; nur weil wir nicht Soldaten in aller Welt einsetzen auch Sie, Herr Schäuble, haben ja heute schon Lese- konnten. proben gegeben; aber diesmal ist es wirk lich wört- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lich, keine dpa-Meldung - auf die Frage: sowie bei Abgeordneten der SPD) Ist die Autorität der UNO durch solche Aktionen Wir werden doch nach wie vor Verständnis dafür fin- nicht hochgradig gefährdet? den, daß unsere Hauptaufgabe als Bundesrepublik verkündet: Deutschland - dafür bekommen Sie eine sehr, sehr große Mehrheit in diesem Hause - gerade jetzt, Ich gehöre nicht zu denen, die die Vereinten Na- 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, tionen schelten. Kritik verdienen aber die Ständi- die ist, zu begreifen, daß gebranntes Kind Feuer zu gen Mitglieder des Sicherheitsrates. Eine Organi- scheuen hat. sation kann nicht besser sein als ihre Angehöri- gen. Sie werden sich die Frage stellen müssen, ob Wir werden immer bereit sein, Sie bei humanitären sie alle Möglichkeiten genutzt haben - auch die Einsätzen, bei humanitärer Hilfe nachdrücklich zu nichtmilitärischen Optionen. unterstützen. Aber wir sagen klar nein zu dieser Zä- sur, die Sie heute anstreben. Wir wollen keine neue „General-Anzeiger": deutsche Außenpolitik, Beispiel? (Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN) Genscher: Ein umfassend überwachtes, totales Energie-Em- die die Selbstbeschränkung aufgibt, und sei es unter bargo hätte die Kampfhandlungen längst zum Bündniskriterien. Schon gar nicht wollen wir das Stillstand gebracht. dort, wo die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg auf grausamste Art und Weise gewütet hat. (Lebhafter Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Ich frage Sie, Herr Kollege Schäuble: Wie verein- PDS) bart sich Ihre Position, daß die Hilfe der Bundesrepu- blik Deutschland jetzt so gefragt ist, mit der Tatsa- Für uns als pazifistische Partei ist das gewiß a lles che, daß wir im internationalen Vergleich auf Platz andere als ein einfacher Konflikt. Darüber mögen Sie zwei der Waffenexporteure vorgerückt sind? sich amüsieren; das macht nichts. Deutschland, die deutsche Geschichte hat nie am Pazifismus zu leiden (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gehabt, meine Damen und Herren - im Gegenteil: der SPD und der PDS) niemals. Warum können Sie, Herr Kollege Schäuble, wenn Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Menschen helfen wollen, nicht endlich damit aufhö- sowie bei Abgeordneten der SPD und der ren, Deserteure in das Kriegsgebiet, in die betroffe- PDS) nen Staaten abzuschieben? Das wäre doch ein Hilfs- minimum. Herr Kollege Schäuble, Sie haben gesagt, das Dritte Reich mußte niedergekämpft werden. - Ja. Aber (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN warum? Weil das deutsche Bürgertum - die Carl von sowie bei Abgeordneten der SPD und der Ossietzkys und wie die deutschen Pazifisten auch .PDS) alle hießen - in der Zeit, als es Hitler noch innenpoli- tisch zu besiegen galt, dessen pazifistische Gegner Meine Damen und Herren, das alles sind die nicht unterstützt hat, versagt hat. Gründe, die die Mehrheit meiner Fraktion nach sorg- fältiger Abwägung dazu bringen, sowohl aus grund- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sätzlicher pazifistischer Überzeugung heraus, aber und der PDS sowie bei Abgeordneten der auch angesichts des tatsächlichen Auftrags, den Sie SPD) heute beschließen wollen, und dessen grundsätzli- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3975 Joseph Fischer (Frankfurt) cher Konsequenz für die deutsche Außenpolitik - Sie Kollegen auf dem Hintergrund der historischen Er- nehmen von der historisch gewachsenen Selbstbe- fahrung mit der Jugoslawienpolitik, aber auch aus schränkung Abstand -, Ihren Antrag ohne Wenn und den anderen Gründen, die ich in bezug auf die Jugo- Aber abzulehnen. slawienpolitik der Bundesregierung vorgetragen habe, fragen: Seid ihr euch so sicher, daß die heute (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Scheinhei zu treffende Entscheidung wirklich hilft und nicht lige Schau!) am Ende in ein Debakel führt, für das wir alle poli- Aber wir vergeben uns überhaupt nichts, wenn wir tisch noch bitter, einige vermutlich sogar mit ihrem sagen: Die Debatte darüber ist notwendig, und es Leben zu bezahlen haben werden? Solange ich mir- gibt auch andere Positionen in unseren Reihen. Ich hier nicht eindeutig sicher bin, wird es mit mir kein könnte es auch umgekehrt sagen. Wenn Sie ehrlich Ja, sondern ein Nein geben. wären, so würden Sie zugeben, daß Sie Leute in Ih- Ich bedanke mich. ren Reihen haben, die viel, viel mehr wollen. Auch das sollten Sie einmal zugeben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das pfeifen doch die berühmten Spatzen von den Vizepräsidentin Dr. : Das Wort hat Bonner Dächern. der Abgeordnete Dr. Wolfgang Gerhardt. Meine Damen und Herren, aus den hier vorgetra- genen Gründen, aber auch weil wir das Vertrauen in Dr. Wolfgang Gerhardt (F.D.P.): Frau Präsidentin! diese Bundesregierung und ihre Jugoslawienpolitik Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß sich nie- nicht haben, auch was das Jahr 1991 betrifft, lehnen mand im Hause die Entscheidung leichtmacht. wir diesen Antrag ab. Herr Kollege Fischer, auf eines möchte ich Sie hin- Lassen Sie mich zum Schluß noch eines sagen - da weisen. Sie haben diesem Haus früher schon einmal kommen Sie nicht so einfach heraus -: Mit der Aner- angehört, aber Sie sind sehr vergeßlich geworden. kennungspolitik haben Sie, Herr Bundeskanzler, Den schweren Vorwurf, mit der Anerkennung große schwere, schwere Schuld auf sich geladen. Fehler begangen zu haben, möchte ich zurückwei- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sen. Dieses Haus hat mit einer Drucksache vom sowie bei Abgeordneten der SPD) 14. November 1991 mit der Fraktion der CDU/CSU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der F.D.P. und der Im Mai 1991 war im „Spiegel" ein Interview mit Mi- Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN folgendes bean- lovan Djilas zu lesen. Djilas sagte klipp und klar: tragt und beschlossen: Serbien und Kroatien können sich nicht ohne (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Hört! Bürgerkrieg trennen - aber das Schlachtfeld wäre Hört!) Bosnien. Für ein Weiterbestehen Jugoslawiens in seiner Weder Serbien noch Kroatien wollen auf Bosnien bisherigen Form und Verfassung gibt es keine verzichten. Beide spekulieren auf territo riale Zu- Chance mehr. Die Staatsidee Jugoslawiens, das gewinne. gleichberechtigte Zusammenleben der südslawi- schen Völker in einem Staat, ist gescheitert. Er fährt fort: - Auch von Ihrer politischen Gruppe unterzeichnet. Ich bin gegen Groß-Serbien. Was da heute in eini- gen Köpfen herumspukt, soll auch Bosnien, Sla- Weiter heißt es: wonien, Montenegro und Mazedonien umfassen. In diesem serbischen Imperium würde es 48 % Der Deutsche Bundestag Nicht-Serben geben, und die ganzen Probleme - läßt sich davon leiten, daß es allein den Völkern begännen wieder von vorn. Gelänge es dagegen Jugoslawiens obliegt, über die Zukunft ihres Lan- Kroatien, Bosnien zu schlucken, dann würden die des zu entscheiden; Kroaten in ihrem Staat auch nur 51 % der Bevöl- kerung stellen. Also: Ein Bürgerkrieg löst heute keine einzige Frage. Es käme nur zu Massakern - unterstreicht seine Überzeugung, daß das wie während des Zweiten Weltkriegs zwischen Selbstbestimmungsrecht aller Völker in Jugosla- serbischen Tschetniks und kroatischen Usta- schen. wien respektiert werden muß und daß es Angele- genheit der Völker ist, es auf f riedlichem und de- So Milovan Djilas im Mai 1991. mokratischem Wege auszuüben, wenn sie dies wünschen. Herr Bundeskanzler, wer damals wissen wollte, was die Anerkennung bedeutete, der konnte es wis- Zum Schluß des Antrags heißt es: sen. Der Deutsche Bundestag Deswegen appelliere ich noch einmal nachdrück- lich an alle, die sich hier zu einem Ja entscheiden. Ich verstehe die emotionale Betroffenheit. Es geht - unterstützt die Bemühungen der Bundesregie mir genauso. Aber ich möchte die Kolleginnen und rung, parallel zu der Friedenskonferenz die Vor- 3976 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Dr. Wolfgang Gerhardt aussetzungen für eine völkerrechtliche Anerken- fällig. Wir erleben doch die dosierte Aggression eines nung Sloweniens und Kroatiens Herrn Karadzic gegen UNPROFOR-Truppen mit Gei- selnahme, mit Bedrängnis und mit Erniedrigung. Es (Bundeskanzler Dr. : So war kann keine freiheitliche Gesellschaft geben, die das das!) auf Dauer akzeptiert. Es muß eine geben, die dem sowie derjenigen Republiken Jugoslawiens .. . entgegentritt. Das ist der Kern der Auseinanderset- zu schaffen, die ihre politische Unabhängigkeit zung. anstreben .. . (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Das heißt, am Ende einer großen Kultur der Zu- Vizepräsident Becker hat dann am 15. November rückhaltung, der Kenntnis unserer Geschichte und 1991 zur Abstimmung über diesen Antrag aufgeru- der Skrupel, die wir haben, sagen wir: Wir wollen fen: uns diesen Vorgängen nicht länger durch Weg- Wir stimmen ab über den Antrag der Fraktionen schauen entziehen. Wir müssen internationalen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. sowie der Gruppe Rechtsbrechern Grenzen setzen. Das Völkerrecht BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ... Wer stimmt da- kann sich nicht selber schützen. Es braucht diejeni- für? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - gen, die es in gemeinsamer Verabredung schützen Damit ist dieser Antrag einstimmig angenom- wollen. men. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Damit weise ich Ihre Kritik zurück. (Lebhafter Beifall bei der F.D.P. und der Das ist der Ke rn des großen Unterschiedes zwischen CDU/CSU) dem Konzept der Bundesregierung und der sie tra- genden Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. einer- So war es. Die Wahrheit muß hier öfter wiederholt seits und dem Konzept der Opposition andererseits. werden, da die Unwahrheit vorher vorgetragen wor- den ist. Herr Kollege Fischer, Sie können mit Pazifismus auf sehr hohem rheto rischen Niveau zwar eine Weile (Erneuter lebhafter Beifall bei der F.D.P. und arbeiten, am Ende müssen Sie sich aber eingestehen, der CDU/CSU) daß Sie das Kind in Sarajevo alleinlassen, do rt, wo Das hat aber nichts damit zu tun, daß wir vor einer die Granaten einschlagen. Das will dann auch mora- unendlich schwierigen Situation stehen. Bosnien for- lisch gesehen werden. dert uns heraus. Im Grunde kann man sagen: Do rt werden wieder ganz alte Landkarten aufgeschlagen, (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) dort liegen Trümmer von geschichtlichen Großrei- chen, die niemals ordnungsgemäß beiseite geräumt Uns macht es keine Freude, uns dieser gewachse- worden sind, dort kehrt ein dramatisches Stück Ge- nen internationalen Verantwortung zu stellen. Wir schichte zurück. Das ist die Herausforderung. Da wissen, wie schwierig das gerade für uns Deutsche hilft, Herr Fischer, nicht der Verweis nur auf die bis- wird. Aber wir sind heute eben Pa rtner in der Euro- herige Politik. päischen Union, der NATO, der KSZE und den Ver- einten Nationen mit gleichen Rechten und gleichen Ich möchte für die F.D.P. erklären: Wir wollen uns Pflichten. Bündnisfähigkeit ist für uns immer Staats- nicht daran gewöhnen, daß dieser Konflikt zum A ll räson gewesen. Aber Bündnisfähigkeit heißt auch: -tag bei uns in Deutschland wird, übertragen durch Wir bekommen von anderen nur so viel Sicherheit, die Medienlandschaft. wie wir anderen an Sicherheit geben. Wir sind nicht (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) die größere Schweiz in Mitteleuropa. Unsere geogra- phische Lage und unsere Geschichte zwingen uns zu Wir wissen, daß Demokratien es schwer haben zu Bündnissen und zu Vereinbarungen mit anderen. Sie reagieren. Wir alle haben Skrupel. Wir denken in Ka- zwingen uns auch zu ganz, ganz unbequemen Ent- tegorien der Ultima ratio, bevor wir eingreifen. Wir scheidungen. Eine davon haben wir nachher zu tref- haben auf Grund unserer Geschichte die Notwendig- fen. keit der Zweck-Mittel-Relation abzuwägen. Immer muß zuerst alles probiert werden, bevor man das Mi- Wir wissen, die Situation ist schwierig. Der Frie- litär einsetzt. Kein Parlament - auch wir heute nicht - densplan ist nicht von allen akzeptiert. Natürlich ste- macht sich eine solche Entscheidung leicht. Mich be- hen wir an einem Scheideweg. Entweder wir setzen schleicht der Gedanke, ob sich vielleicht diejenigen die humanitäre Hilfe in Bosnien fo rt, eigentlich auch die Entscheidung sogar schwerer machen, die ja sa- als Druck auf politische Friedensbemühungen, um gen müssen, weil sie wissen, daß sie eine größere Menschenleben weiter schützen und Menschen hel- Verantwortung haben und einer unbequemen Frage fen zu können - dann müssen wir alles tun, um UN- nicht ausweichen. PROFOR zu schützen und zu helfen -, oder wir resi- gnieren, wir ziehen uns zurück, und wir heben das (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Embargo auf. Wir wissen genau, was dann passiert. Diese Skrupelhaftigkeit ist ein Zeichen unserer in- Dann wird es einen Konflikt geben, der noch mehr neren Stärke. Aber sie macht uns - das wissen wir - Menschenleben kostet, als er schon bisher gekostet gegenüber internationalen Rechtsbrechern ganz an- hat. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3977

Dr. Wolfgang Gerhardt Die Alternative des Draußenbleibens ist die deut- fen, die 200 Gefallene und viele Verwundete zu be- lichste Absage an eine politische Lösung des Kon- klagten haben und die tagtäglich Menschen helfen. flikts, den wir dort haben. Deshalb entscheiden wir Wir wollen Menschen helfen. Nichts anderes ist der uns anders. Auftrag, den wir mit Mehrheit hier erteilen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Lassen Sie mich das ganz einfach ausdrücken. Wir Bundesaußenminister Klaus Kinkel hat heute aus der Sicht der F.D.P. das Unterstützungsangebot aus- haben gesagt: Wir möchten, daß die UNPROFOR- - Truppen so lange wie möglich dort verbleiben, daß führlich und klar dargelegt. Die Bundesregierung hat sie ihre humanitäre Hilfe fortsetzen, daß ihr Engage- die Beteiligung deutscher Soldaten überzeugend be- ment vor Ort bleibt. Ich sage Ihnen: Dieses Engage- gründet. Ich erkläre hier für die Fraktion der F.D.P.: ment hat nichts mit Intervention oder mit militäri- Wir werden die Bundesregierung unterstützen. Wir scher Aggression zu tun. Das ist eine zutiefst humani- halten das für richtig, und wir entscheiden uns dann täre Aufgabe. Sie schützen Menschen, sie treten Ag- auch so. gressoren entgegen, sie halten Widerstand. Vor 22 Jahren, Herr Kollege Scharping, hat ein Wenn es in den vergangenen drei Kriegswintern deutscher Bundeskanzler eine denkwürdige Rede gelungen ist, drei Millionen Menschen schlicht mit aus Anlaß unseres Beitritts zu den Vereinten Natio- Essen und Medikamenten zu versorgen, dann hat es nen gehalten. Er sagte: sich schon deshalb gelohnt, daß UNPROFOR dort Wir sind gekommen, um auf der Grundlage unse- war. rer Überzeugungen und im Rahmen unserer (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) Möglichkeiten weltpolitische Mitverantwortung zu übernehmen. Diese Tornados und das andere, Herr Kollege Scharping, von dem Sie mit großen Kenntnissen, na- Wenn das ein christdemokratischer Bundeskanzler hezu als wären Sie im Generalstab, geredet haben, heute gesagt hätte, würden Sie sagen: Das ist etwas haben doch keinen anderen Sinn, als humanitäre überhöht. Es ist für mich nur die Chance gegeben, Aufgaben zu übernehmen, Menschen zu schützen Willy Brandt zu zitieren, weil er das klar, bescheiden, und zu helfen, damit sie Essen und Medikamente be- aber auch mit der Bereitschaft, Pflichten zu überneh- kommen, damit weniger sterben, als das in den letz- men, so gesagt hat, wie wir das sehen. ten drei Jahren der Fall war. Das ist eine zutiefst mo- Das, was er damals gesagt hat, gilt heute: Wir sind ralische Begründung. souveränes Mitglied der Vereinten Nationen mit al- Ich wehre mich dagegen, daß auch in der Öffent- len Rechten und Pflichten. Unsere Pa rtner erwarten lichkeit Deutschlands zwischen denen unterschieden zu Recht, daß wir auch den Pflichtenkatalog sehen. wird, die entsenden wollen, als wären das welche, Mauer und Stacheldraht waren in einer Zeit auch die leichtfertig in den Krieg treiben, und denen, die eine Chance für uns, uns aus vielem herauszuhalten. nicht entsenden wollen, als wären das die Humani- Niemand hat uns herausgeforde rt, weil er das sten. Nein, eine zutiefst humanistische Auffassung Schicksal dieses Landes und die außenpolitische Be- unterliegt auch unserer Beschlußfassung: Es soll den grenztheit gesehen hat. bedrängten Menschen geholfen werden. Wir gehen heute mit diesem Beschluß, Herr Kol- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) lege Fischer, nicht in eine andere Option, als stellten wir uns vor, daß wir Deutschen die Übel der Welt be- Ich zitiere, was der Generalleutnant Manfred Ei- seitigen könnten. Wir geben einen ganz kleinen, be- sele, der deutsche Vertreter bei der UNO, gesagt hat: scheidenen Beitrag aus Solidarität zu den UNPRO- Was von den jungen UNO-Soldaten in Bosnien- FOR-Truppen. Wir weisen unsere Verbündeten dar- Herzegowina an Disziplin und Härte verlangt auf hin, daß wir diese Begrenztheit beschließen. wird, ist unglaublich. Die Tatsache, daß Soldaten Aber wir verstehen das als Signal, daß andere akzep- aus Jordanien, aus Argentinien, aus Spanien und tieren, daß diese Demokratie in Deutschland erwach- anderen Staaten nach wie vor bereit sind, ihren sen geworden ist und mit anderen Demokratien zu- Dienst zu versehen, obwohl sie zum Teil von Not- sammen Menschen verteidigen können soll. Das ist rationen leben müssen wie die Ukrainer, das ver- der ganz entscheidende Punkt. dient größte Anerkennung. In vielen Situationen (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) gehört viel mehr dazu, nicht zu schießen, als zu schießen. Ich bekunde an dieser Stelle meinen Respekt vor denjenigen aus den Reihen der SPD, vielleicht auch Der Mann hat recht. Das ist unsere Intention der Hil- einigen aus dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die festellung. sich so entscheiden, wie ich das sehe. Wir alle, d. h. diejenigen, die so abstimmen, wissen, daß wir aus- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU so wollen. Des- wie bei Abgeordneten der SPD) schließlich den Schutz von UNPROFOR halb sage ich ganz offen: Mitglieder des Deutschen Dieses Zitat zeigt doch, daß es nicht nur um Bünd- Bundestages sollten aufhören, der Öffentlichkeit ein- nissolidarität geht oder daß wir nun eine große Rolle zureden, daß die Unterstützung des Antrags der Bun- übernehmen wollen. Dieses Zitat zeigt, daß hier die desregierung mit dem Hineinschlittern Deutschlands Entscheidung abverlangt wird, ob wir bereit sind, in einen Krieg gleichzusetzen sei. Das kann weder über 40 000 Blauhelmen aus rund 40 Ländern zu hel- den Kolleginnen und Kollegen, die von seiten der 3978 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Dr. Wolfgang Gerhardt SPD nachher vielleicht mit uns stimmen, noch uns Die F.D.P. geht davon aus, daß wir weiterhin alles unterstellt werden. Es geht auch nicht, wie in aggres- versuchen müssen, damit der Friedensplan der Bos- siver Rhetorik von einer anderen Gruppe gesagt wor- nien-Kontaktgruppe Verhandlungsgrundlage für die den ist, um eine Blankovollmacht für den Kriegsein- weitere politische Lösung des Konflikts bleibt. Wir tritt. Wer so verbal aufrüstet, der verdeckt sich den alle wissen, daß am Ende dieses Konflikts nie eine Blick für die Wirklichkeit und die ernsthaften Gründe militärische Lösung stehen kann. Der Friedensplan unserer Entscheidung. ist nur Druck auf die dortigen Konfliktparteien. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU so Wir werden beide Verpflichtungen erfüllen: Ver-- wie bei Abgeordneten der SPD) antwortung für die Fortsetzung des politischen Dia- Das mindeste, was hier erwartet werden muß, Herr logs im Rahmen unserer Möglichkeiten und Hilfe bei Kollege Fischer, ist, daß man seine Position ganz klar dem Verbleib der UNPROFOR-Truppen in Bosnien. erklärt. Ich beklage mit Ihnen, daß in der Geschichte Niemand entsendet gerne Soldaten. Wir müssen das Deutschlands pazifistische Grundtraditionen im Bür- aber tun, weil wir sonst wahrscheinlich nicht weiter- gertum so wenig Beachtung gefunden haben. Sie kommen. Wir danken unseren Soldaten, daß sie dazu wissen aber genausogut wie ich, daß Sie aus diesem bereit sind. pazifistischen Elfenbeinturm heraus kein Mittel ha- Ich würde mich freuen, wenn der Deutsche Bun- ben, um Menschen in Not wirklich zu helfen, und destag heute und hier die Bundesregierung bei die- daß Sie, wenn Sie ausschließlich pazifistisch argu- sen beiden Aufgaben möglichst breit unterstützt. Die mentieren, inte rnationale Rechtsbrecher in der Welt F.D.P.-Fraktion und ich werden das tun. ermuntern. Sie werden ihnen immer nur dann entge- gentreten können, wenn Sie sie wissen lassen, daß Herzlichen Dank. Sie am Ende bereit sind, ihnen auch mit Militär ent- gegenzutreten; sonst wird Diplomatie wirkungslos. (Anhaltender Beifall bei der F.D.P. und der Das ist der wesentliche Punkt. CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Ich respektiere Ihre Meinung. Sie müssen mir aber Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Jetzt spricht der zubilligen, daß ich mit den gleichen großen ethi- Vorsitzende der Gruppe der PDS, Dr. Gregor Gysi. schen und moralischen Beweggründen eine andere vertreten kann. Ich sage Ihnen: Ich glaube, daß (PDS): Frau Präsidentin! Meine meine Meinung und die der F.D.P.-Fraktion hinsicht- Dr. Gregor Gysi Damen und Herren! Ich wi ll zunächst darauf hinwei- lich der Pflichten der UNO wirkungsvoller ist als Ihre. sen, daß es niemanden in unserer Abgeordneten- gruppe gibt, der den Krieg im ehemaligen Jugosla- Es gibt unbequeme Entscheidungen, denen man wien nicht als abscheulich, verbrecherisch und kata- sich nicht durch Wegschauen entziehen kann strophal empfindet. Es gibt auch niemanden, der die Politik der serbischen Führung in Bosnien auch nur (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne im entferntesten akzeptiert. Sie ist zum großen Teil ten der CDU/CSU) eine verbrecherische Politik. und denen man sich auch nicht dadurch entziehen (Beifall bei der PDS) sollte, indem man andere beschuldigt, sie hätten et- was ganz anderes vor, als im Antrag steht. Nein, wir Wir stehen auch dafür ein, daß die UNPROFOR- haben nichts anderes vor, als zu sagen, daß wir nun Truppen im ehemaligen Jugoslawien verbleiben, um bereit sind, durch Unterstützung des Antrags der wenigstens das Schlimmste verhindern zu können. Bundesregierung Soldaten zu entsenden, um Men- schen helfen zu können. Aber - hier beginnt der grundsätzliche Unter- schied - in der heutigen Debatte geht es in Wirk lich- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege, keit gar nicht um das ehemalige Jugoslawien, son- gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten dern es geht um Deutschland. Es geht um Deutsch- Schuster? lands Außen- und Militärpolitik, und es geht um eine veränderte Rolle Deutschlands. Es geht um eine Zäsur in der Geschichte dieses Landes. Dr. Wolfgang Gerhardt (F.D.P.): Nein, ich möchte meine Ausführungen jetzt im Zusammenhang zum Nach einer über 40jährigen, eher wohltuenden in- Abschluß bringen. ternationalen Zurückhaltung der Bundeswehr wird nach dem Vollzug der deutschen Einheit nunmehr Ich will zum Schluß sagen: Niemals darf sich die angestrebt, Deutschland als inte rnational beachtete Politik dieser Bundesregierung oder der Mehrheit militärische Großmacht zu installieren und die ei- dieses Hauses in der Unterstützung des schnellen gene Bevölkerung sowie andere Völker an den welt- Einsatzverbandes erschöpfen; das tut sie auch nicht. weiten Einsatz deutscher Soldaten zu gewöhnen. Sie Es bleibt die gewaltige Herausforderung für deut- sagen vielleicht, daß das dummes Zeug ist. Ich wäre sche Politik, tagtäglich entscheidend zur politischen froh, wenn es so wäre, aber ich werde Ihnen bewei- Konfliktlösung beizutragen. Wir dürfen uns nicht auf sen, daß es wirklich so ist. einem Beschluß, den wir heute möglicherweise fas- sen, ausruhen. (Unruhe - Glocke der Präsidentin) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3979

Dr. Gregor Gysi Nicht wenige Menschen hatten sich die Entwick- rolle nicht wahrzunehmen ist, wenn Deutschland lung nach dem Zerfall des Warschauer Paktes, der nicht auch Atomwaffenmacht wird, zumindest über Sowjetunion und dem Untergang der DDR völlig an- die Europäische Union über europäische Atomwaf- ders vorgestellt. Viele hatten bis dahin geglaubt, daß fen mitverfügen kann. Wir werden es erleben. Rüstungs- und Militärpolitik in dem bis dahin be- kannten Umfang nur erforderlich waren, weil es ent- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist gegengesetzte Militärbündnisse gegeben hat. Aber doch dummes Zeug! - Ulrich Irmer [F.D.P.]: entgegen den Erwartungen dieser Menschen hat seit Das ist unter Ihrem intellektuellen Niveau!) 1990 ein völlig anderer Prozeß eingesetzt. Es kam - nicht zu internationaler Abrüstung und militärischer - Sie können eine Zwischenfrage stellen. Zurückhaltung. Im Gegenteil: Wir erleben immer mehr Kriege und militärische Auseinandersetzun- Wenn ich Ihnen 1990 gesagt hätte, daß Sie sich gen. 1995 am Krieg im ehemaligen Jugoslawien beteili- gen, hätten Sie das mit der gleichen Vehemenz be- Eine Großmachtpolitik Deutschlands war so lange stritten, wie Sie diese Aussage jetzt bestreiten. Aber ausgeschlossen, wie es zwei deutsche Staaten gab. genau so ist es gekommen. Die PDS hat schon vor dem 3. Oktober 1990 vor ei- nem neuen Nationalismus und vor einem Groß- (Beifall bei der PDS) machtstreben Deutschlands gewarnt. Beide Warnun- gen haben sich leider erfüllt. Damals haben sowohl Sie wissen, daß schon Franz Josef Strauß von der der Bundeskanzler als auch der seinerzeitige Außen- Atommacht geträumt hat, und in der Realität haben minister Genscher klipp und klar erklärt, daß diese Träume auch nie aufgehört. Deutschland auch im Falle der Einheit keine Groß- machtrolle anstrebe. Aber heute ist es doch schon Wie hat sich das mit dem internationalen Einsatz eine selbstverständliche Forderung geworden, daß der Bundeswehr entwickelt? Wir erinnern uns doch Deutschland ständiges Mitglied des UN-Sicherheits- noch alle an den Golfkrieg. Damals, Anfang 1991, rats werden will. Weshalb denn, wenn nicht, um eine haben sowohl der Bundeskanzler als auch der dama- Großmachtrolle spielen zu können? lige Außenminister Genscher - letzterer übrigens auch vor der UNO - immer wieder geäußert, daß eine (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Blöd Beteiligung deutscher Truppen schon aus verfas- sinn!) sungsrechtlichen Gründen nicht in Frage komme.

Der Bundeskanzler hat vor kurzem in einem Inter- Als eine Verfassungsänderung nicht zustande view klipp und klar die dominierende politische und kam, hat dieselbe Bundesregierung die Verfassung ökonomische Rolle Deutschlands in Europa bestätigt, einfach neu interpretie rt. Damit hat sie zumindest ei- und zwar völlig ungeniert. nen Beitrag dazu geleistet, Rechtskultur- und Rechts- sicherheit zu beschädigen, weil nämlich der Bevölke- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sie leben rung klargemacht wurde, daß man das Grundgesetz noch in Ihrem alten System!) interpretieren kann, wie es politisch jeweils zweck- Es geht real nicht mehr um ein europäisches mäßig erscheint. Deutschland, sondern um ein deutsches Europa.

(Große Unruhe) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Abgeord- neter Gerhardt, würden Sie mir bitte Ihr Gesicht zu- Natürlich geht die Bundesregierung davon aus, drehen. In der ersten Reihe sollte das schon sein. daß in dieser Welt und zu dieser Zeit eine Groß- machtrolle nur wirksam ausgefüllt werden kann, wenn sie nicht nur politisch und ökonomisch, son- Dr. Gregor Gysi (PDS): Das lohnt sich. dem auch militärisch untersetzt ist. Das ist die Ke rn -frage, um die es bei der heutigen Debatte geht. (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Entschuldi (Beifall bei der PDS) gung, Frau Präsidentin! - Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Gilt das nur für ein zelne oder für alle? Schauen Sie mal in die Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Liebe Kollegin- erste Reihe der SPD! - Michael Glos [CDU/ nen und Kollegen, ich bitte um ein bißchen mehr CSU]: Ist das eine unparteiische Präsiden Ruhe für den Redner. tin?) Nun sind wir bei einem Einsatz deutscher Solda- Dr. Gregor Gysi (PDS): So wurde der deutschen Be- ten im ehemaligen Jugoslawien angekommen. So- völkerung der inte rnationale Einsatz der Bundes- wohl Außenminister Kinkel als auch Verteidigungs- wehr scheibchenweise nähergebracht. minister Rühe haben immer wieder betont, daß eine Beteiligung deutscher Soldaten an militärischen Ich wage die Prognose - Sie werden das heute Operationen im ehemaligen Jugoslawien schon aus noch vehement bestreiten -, daß in wenigen Jahren historischen Gründen völlig ausgeschlossen sei. Es die Bundesregierung davon ausgehen wird, daß die wurde auch akzeptiert, daß dies nicht konfliktde- politische, ökonomische und militärische Großmacht- eskalierend, sondern konfliktsteigernd wäre, da sich 3980 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Dr. Gregor Gysi Serbien in besonderer Weise provoziert fühlen maligen Jugoslawien plötzlich nicht mehr? Das war müßte. doch auch Ihr Argument dagegen. Wieso setzen Sie sich nicht damit auseinander? Was hat sich denn ge- (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU], zur ändert? F.D.P. gewandt: Wo sind wir denn eigentlich hier? Warum laßt ihr euch so etwas gefal Ist es heute weniger eine Tatsache, daß die deut- len?) sche Wehrmacht und die SS gerade im ehemaligen Jugoslawien auf entsetzliche A rt und Weise nach - Machen wir hier eine Debatte über eine wichtige - Frage, oder üben wir uns gegenseitig in Pädagogik, dem Motto „Serbien muß sterbien" gewütet haben wer hier wie sitzen darf? Ich bitte Sie, sich dem E rnst und daß deshalb der Einsatz deutscher Truppen im der Stunde ein bißchen angemessener zu verhalten. ehemaligen Jugoslawien verheerende, eskalierende Folgen haben kann? Das ist ein Umstand, auf den (Beifall bei der PDS) kürzlich Hans Koschnick, der von der Situation im ehemaligen Jugoslawien wahrscheinlich mehr ver- Der Herr Bundeskanzler Kohl hat am 27. No- steht als wir alle zusammen, noch einmal ausdrück- vember 1991 im Bundestag erklärt - den Kanzler lich hingewiesen hat. Es ist doch klar, daß die bosni- wird man noch zitieren dürfen -: schen Serbenführer diesen Umstand nutzen werden, ... die Geschichte hat uns einmal mehr einge- um den Konflikt zu eskalieren und die Bevölkerung holt. entsprechend aufzuwiegeln. Wenn man das weiß, begibt man sich eigentlich nicht in eine solche Situa- Deswegen ist es doch ganz klar - darüber braucht tion - es sei denn, man strebt etwas anderes an: die man wirklich nicht zu sprechen; ich habe es im- Akzeptanz Deutschlands als militärische Großmacht. mer wieder gesagt, auch die Bundesregierung hat es gesagt -, daß es in Europa - wie man auch (Beifall bei Abgeordneten der PDS) über einen Truppeneinsatz in Jugoslawien ent- scheiden mag - einige Gebiete gibt - dazu gehört Übrigens ist auch heute nachzulesen, daß der ehe- mit Sicherheit auch Jugoslawien -, bei denen malige Oberrabbiner Jugoslawiens die deutschen man sich nicht vorstellen kann, daß do rt deutsche Soldaten mit der gleichen Begründung gewarnt hat, Soldaten eingesetzt werden....; das ist ein Akt in das ehemalige Jugoslawien zu kommen. politischer Vernunft. In letzter Zeit werden wechselweise verschiedene Wohl wahr, Herr Bundeskanzler! Aber wo ist diese Argumente herangezogen, um Kampfeinsätze der Vernunft, wo ist diese Einsicht geblieben? deutschen Bundeswehr außerhalb eines Landesver- (Beifall bei der PDS) teidigungsauftrages zu rechtfertigen. Zunächst ein- mal wird allen mit einem Anflug von Pazifismus ent- Selbst noch am 17. Februar 1994 hat der Bundes- gegengehalten, daß die Anti-Hitler-Koalition schließ- kanzler im ZDF erklärt - das war kurz vor der Ent- lich auch Krieg geführt habe und daß Hitler ohne scheidung des Bundesverfassungsgerichts -: den militärischen Eingriff der Sowjetunion, Frank- reichs, Großbritanniens und der USA eine Weltherr- Es bleibt aber trotzdem - auch wenn wir jetzt eine schaft aufgebaut hätte. Abgesehen davon, daß es Verfassungsänderung hätten oder die Interpreta- auch damals Möglichkeiten gegeben hat, tion, so wie ich sie mir wünsche - eine Frage, ob nach den historischen Abläufen der Jahre 41 bis (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Warum 45 jetzt ausgerechnet die. Deutschen die richtigen sind Sie 1968 in Prag einmarschiert?) Partner sind ... Ich komme auf den Punkt - ich sage das jetzt einmal ganz allgemein auf Kampf- die nicht genutzt wurden, um diesen Krieg zu verhin- truppen bezogen -: Ich bin nicht dafür. Ich habe dern, hat Hitler-Deutschland, hat die deutsche das immer gesagt. Ich glaube, die Geschichte ist Wehrmacht eine Vielzahl von Ländern überfallen. hier noch ganz lebendig. Deutschland aber ist nicht überfallen worden. Inso- fern kann dieses Argument überhaupt nicht heran- Das ist wahr. Aber was hat sich denn inzwischen ge- gezogen werden. ändert? So wie in der Steuer- und Sozialpolitik, so gilt auch Weiter wird darauf hingewiesen, daß Deutschland in der Militärpolitik für diese Bundesregierung „Was anderen Ländern nicht den Einsatz von Militärstreit- stört mich mein Geschwätz von gestern?", wenn kräften im Rahmen der UNO, der NATO und der nach Auffassung der Bundesregierung der Zeitpunkt Westeuropäischen Union überlassen und eine Unter- zum nächsten Schritt bei der Installation der militäri- stützung ausschlagen könne. Eine solche Sonderrolle schen Großmacht Deutschland herangereift ist. Dann sei nicht zu rechtfertigen. - Nur, die Geschichte sind die Aussagen aus früherer Zeit eben nichts mehr Deutschlands ist eben eine besondere. Das erledigt wert. sich nicht einfach so, wie es sich manche Konserva- tive wünschen. Was hat sich denn geändert? Sie haben die Frage nicht beantwortet. Sie haben hier leidenschaftlich Außerdem hat die Bundesrepublik zahlreiche poli- gesprochen, Herr Gerhardt. Aber Sie haben die Fra- tische, ökonomische und kulturelle Möglichkeiten, gen des Herrn Fischer nicht beantwortet. Gibt es konfliktvorbeugend und konfliktbeseitigend inte rna- denn die Geschichte der Jahre 1941 bis 1945 im ehe- tional wirksam zu werden. Es ist einfach unerträg- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3981 Dr. Gregor Gysi lieh, wenn die gewachsene Verantwortung der Bun- satz vorgesehene Geld, das sich ja wohl auf minde- desrepublik Deutschland immer mehr militärpolitisch stens 350 Millionen DM belaufen soll, sehr gut dafür statt auf anderen Gebieten gesehen wird, auf denen verwenden, humanitäre, soziale, ökonomische und sie angebracht wäre, kulturelle Leistungen für die Zukunft der Bevölke- rung im ehemaligen Jugoslawien zu erbringen. Das (Beifall bei der PDS) würde der Zivilbevölkerung wesentlich mehr nützen und wenn in den Augen der Öffentlichkeit alles so als der Einsatz deutscher Soldaten in schnellen Ein- dargestellt wird, als könnte nur noch mit den Streit- greifverbänden. kräften Friedenspolitik gemacht werden. - Der Einsatz der Tornados hat doch nur einen einzi- Aber nicht unbeachtlich ist auch die Tatsache, daß gen Zweck: Damit sollen Radaranlagen durch Rake- die NATO hinsichtlich des Krieges im ehemaligen ten zerstört werden. Übrigens sitzen in diesen Radar- Jugoslawien entsetzlich versagt hat und wohl auch anlagen auch Menschen, und diese Anlagen sind versagen wollte. Was hat denn die internationale von den bosnischen Serben immer ganz in der Nähe Staatengemeinschaft daran gehindert, ein konse- von Wohngegenden installiert worden. Das ist ausge- quentes Embargo zu beschließen und durchzuset- sprochen übel von ihnen, macht es aber auch ausge- zen, das dazu geführt hätte, daß die verschiedenen sprochen schwierig, solche Radaranlagen mit Rake- Seiten des Krieges im ehemaligen Jugoslawien in- ten zu beschießen. Deshalb sage ich Ihnen: Das, was zwischen überhaupt nicht mehr in der Lage wären, die Piloten deutscher Tornados im ehemaligen Jugo- gegeneinander Krieg zu führen? Da gab es doch slawien leisten sollen, ist nichts anderes als richtiger noch nie Mangel an Waffen. Vielleicht kann einmal Krieg. jemand erklären, wie es dazu kommt. Der Bundestag müßte allerdings auch aus rechtli- Dazu hätte dann aber auch gehört, daß man den chen Gründen dem Beschlußentwurf der Regierung Nachbarstaaten, die auf die ökonomische Zusam- seine Zustimmung versagen. Aber darauf wi ll ich menarbeit mit dem ehemaligen Jugoslawien ange- jetzt nicht weiter eingehen; damit werden sich noch wiesen waren und durch ein solches Embargo furcht- andere befassen. bare Verluste erlitten hätten, einen Ausgleich gezahlt hätte. Das hätte etwas genutzt, wenn man das Em- Meine Damen und Herren, es gibt noch einen wei- bargo hätte durchsetzen wollen! teren sehr schwerwiegenden Grund, der Bundesre- gierung die Zustimmung zum Einsatz deutscher Sol- (Beifall bei der PDS) daten im ehemaligen Jugoslawien zu versagen. Es Aber wenn man das nicht macht und es sogar ab- geht nämlich auch um Heuchelei, die hier schon an- lehnt, dann weiß man natürlich auch von vornherein, gesprochen worden ist. Wenn sich diese Bundesre- daß das Embargo niemals mit allen Konsequenzen gierung als besonders friedensstiftend darstellt und eingehalten wird, die es sonst hätte. den Eindruck erweckt, daß sie schweren Herzens auch militärische Mittel einsetzen müsse, um den Vorhin ging es noch einmal um die vorzeitige An- Frieden im ehemaligen Jugoslawien wiederherzu- erkennung von Kroatien und Slowenien. Was Sie stellen, dann muß sie sich zwei Fragen gefallen las- hier vorgelesen haben, Herr Gerhardt, hilft Ihnen auf sen, auf die wir heute noch keine einzige Antwort ge- dieser Strecke überhaupt nicht weiter. hört haben. (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Doch, Am 3. Oktober 1990 war die Bundesrepublik doch!) Deutschland der siebtgrößte Waffenexporteur der Niemand war dagegen, daß Kroatien und Slowe- Welt; 1994 nahm sie schon Platz zwei der Weltrangli- nien auch völkerrechtlich irgendwann anerkannt ste ein. Aber wir alle wissen: Wer weltweit seine Waf- werden. Die Frage war nur, zu welchem Zeitpunkt. fen verkauft, ermöglicht damit weltweit Krieg und Man hätte wie bei der ehemaligen Sowjetunion for- Bürgerkrieg. Waffen werden genau zu diesem dern müssen, daß die Teilrepubliken erst untereinan- Zweck benötigt. Das heißt, die Bundesrepublik der klären, wie und in welchen Grenzen sie neue Deutschland nimmt den zweiten Platz unter allen Staaten gründen, bevor eine völkerrechtliche Aner- Ländern dieses Erdballs ein, die mit Waffen und da- kennung und damit eine Internationalisierung des mit mit Krieg und Bürgerkrieg Geschäfte betreiben Konfliktes stattfindet. und Profit daraus schlagen. (Beifall bei der PDS) (Beifall bei der PDS) Das war der damalige Vorwurf. Hier ist doch die Bun- Es ist heuchlerisch, erst seine Waffen weltweit zu ver- desregierung einen einsamen Weg ohne Frankreich senden, um dann die Soldaten angeblich friedensstif- und die anderen Verbündeten gegangen. Plötzlich tend hinterherzuschicken. spielte Bündnispolitik keine Rolle, weil man hier, ins- besondere bei der Anerkennung Kroatiens, beson- (Beifall bei der PDS - Zuruf des Abg. Gün ders schnell sein wollte. ther Friedrich Nolting [F.D.P.]) Wenn aber Geschichte in unserem Jahrhundert - Nein, das ist eine Tatsache. Dann verbieten Sie Sinn gehabt haben soll, dann doch eigentlich den, doch den Waffenexport! Das wäre ein vernünftiger daß die ungeheuren Herausforderungen, vor denen Schritt im Sinne von Friedenspolitik. diese Welt steht, militärisch nicht lösbar sind. Die Bundesrepublik könnte das jetzt für den Militärein- (Beifall bei der PDS) 3982 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Dr. Gregor Gysi Ebenso unerträglich ist es, wenn auf der einen Ergebnis geführt, daß ich heute - ich gebe allerdings Seite immer wieder Vorwürfe gegen alle Kriegspar- zu, daß ich bis in die letzten Tagen hinein sehr mit teien im ehemaligen Jugoslawien erhoben werden, mir im Zweifel war - dieser Vorlage der Bundesregie- andererseits aber Kriegsflüchtlingen und Deserteu- rung trotz aller historischen Bedenken zustimmen ren in Deutschland kein Asyl gewährt wird, sondern werde. sie in ihre Heimat zurückgeschickt werden, in der sie dann für den Krieg zwangsrekrutiert oder abgeurteilt Ein letztes Wo rt, Frau Präsidentin. Die Haltung - werden. Hören Sie mit dieser Zwiespältigkeit in Ihrer das war auch meine Haltung - zur Frage der Aner- Politik auf! Gewähren Sie den Dese rteuren und kennung Kroatiens und Sloweniens ist kritisiert wor-- Kriegsverweigerern Asyl in Deutschland! Dann zei- den. Ich sage auch heute, und zwar ganz betont: gen Sie, daß Sie den Krieg im ehemaligen Jugosla- Wenn es gerechtfertigte Kritik am Zeitpunkt der An- wien nicht wollen. erkennung gegeben hat, dann war das in meinen Augen die, daß der Zeitpunkt besser ein noch frühe- (Beifall bei der PDS) rer gewesen wäre. Aber es ist völlig falsch, Herr Gysi, zu behaupten, wir hätten das ohne Frankreich Mein letzter Satz: Die Erinnerungen an ein krieg und England getan. Wir haben im Dezember 1991, führendes Deutschland sollten Sie nirgendwo - ins- kurz vor Weihnachten, nach einem festen Fahrplan - besondere nicht im ehemaligen Jugoslawien - wie- in Abstimmung mit unseren Partnern in Europa, die der auffrischen. das dann im Januar 1992 getan haben - die Anerken- nung ausgesprochen. Wer irgendeinen Zweifel an (Beifall bei der PDS) der Weisheit dieser Entscheidung hat, der fahre bitte nach Slowenien und Kroatien und erkundige sich, wie die Menschen das do rt empfinden. Dann wird er Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort zu ei- erfahren, daß die Menschen do rt dankbar sind, daß ner Kurzintervention erhält jetzt der Abgeordnete wir sie vor dem schrecklichen Krieg in Restjugosla- Otto Graf Lambsdorff. wien auf diese Weise bewahrt haben.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Dr. Otto Graf Lambsdorff (F.D.P.): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich erteile dem Der Herr Kollege Fischer hat mich vorhin mit Kollegen Klose das Wo rt zu einer Kurzintervention. einem Brief aus dem Jahre 1992 zitiert, den er mir auch gegeben hat. Der Kollege ist im Augenblick nicht im Saal. Hans-Ulrich Klose (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht nicht, Herr Außenmini- Ich will ausdrücklich bestätigen, daß ich mich in ster, um die Wahrung des deutschen Ansehens, son- vielen Äußerungen nach 1991/92 dafür ausgespro- dern es geht, wie der Kollege Scharping richtig ge- chen habe - übrigens in Übereinstimmung mit dem sagt hat, um Hilfe für die Menschen. Die UNO kann Bundeskanzler und der Bundesregierung -, daß den Krieg im ehemaligen Jugoslawien leider nicht deutsche Soldaten in Jugoslawien - nach dem, was beenden; aber sie kann durch Versorgung humanitär sich vor 50 Jahren dort abgespielt hat - nach meiner helfen, und sie schützt Menschenleben durch schiere Auffassung nichts zu suchen hätten. Ich habe das in körperliche Präsenz. der Kurzform formuliert: Wir waren vor 50 Jahren da, und das reicht. - Wer am letzten Weltkrieg teilge- Deshalb - da sind wir uns alle einig - soll die UNO nommen hat, kann nur froh sein, wenn er nicht do rt bleiben. Damit sie bleiben kann, bedarf sie des eingesetzt war. Das war eine der fürchterlichsten Ar- Schutzes. Wir sind aufgefordert, einen Beitrag zum ten, in der Krieg geführt wurde. Schutz der Schützer zu leisten.

Mit Recht wird dann gefragt, warum man heute zu (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) einer anderen Entscheidung kommen kann und - wie ich am Ende meiner Überlegungen, die mir aller- Wir sollten ihn leisten, zumal die gewünschte Schutz- dings sehr schwergefallen sind, finde - kommen komponente technisch doch nur von den Amerika- muß: weil das menschliche Elend, das in den letzten nern und den Deutschen bereitgestellt werden Jahren dort größer geworden ist, nach meiner Über- könnte. zeugung nicht übersehen werden kann, weil darauf reagiert werden muß und weil das nicht tatenlos von Nun hat der Kollege Fischer diejenigen, die so den- uns hingenommen werden darf. ken wie ich, gefragt: Seid ihr denn ganz sicher, daß sich dieser Einsatz nicht zu einem Debakel entwik- Der Schutz der UNPROFOR-Truppen - ich glaube keln wird? Meine Antwort lautet: Nein, ich bin nicht im übrigen, daß ihre Umgruppierung schützenswer- völlig sicher. Aber in einem bin ich ganz sicher: ter ist als ihr Abzug; aber auch der Abzug wäre aus Wenn die UNO abzieht, ob unter friedlichen oder Solidaritätsgründen zu schützen, da hat Herr Schäu- feindlichen Bedingungen, wird es im ehemaligen Ju- ble recht - ist nötig, weil so die Möglichkeiten ver- goslawien einen ungehemmten Krieg, ein unge- bessert werden, daß die Blauhelme do rt bleiben kön- hemmtes Abschlachten geben. Weil ich dies nicht nen, um das menschliche Leid auch in Zukunft ein- will, will ich den Versuch unternehmen, dieses zugrenzen. Wir müssen das tun. Das hat mich zu dem Schlimmste zu verhindern. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3983

Hans-Ulrich Klose Deshalb stimme ich für den Antrag der Regierung hen. Wir wollen keine Sonderwege. Wir wollen zu- in Kenntnis der Risiken. Das macht die Entscheidung sammen mit unseren westlichen Partnern und Freun- so schwierig und so schwerwiegend. den handeln, auch im Interesse der Zukunft eines friedlichen und geeinten Europas. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P.) Das Wort hat Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: - jetzt der Abgeordnete Michael Glos. Unsere Bündnispartner haben selbstverständlich An- spruch auf Solidarität. Wir wissen, Bündnisverpflich- tungen sind keine Schönwetterveranstaltungen. Michael Glos (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst herzlichen Nun möchte ich noch zu einer Reihe von Wider- Dank an den Kollegen Klose, der hier klare Worte ge- sprüchlichkeiten kommen, die in dieser Debatte auf- sprochen hat. Herr Klose, ich hätte mir im Interesse getaucht sind. Ich möchte Herrn Verheugen bitten, unseres Landes und im Interesse unserer Soldaten anschließend einmal mit Inhalt zu füllen, was Herr gewünscht, Sie hätten noch die Möglichkeit, das, Scharping immer wieder fordert, nämlich die Durch- was Sie gesagt haben, für Ihre ganze Fraktion und setzung eines Embargos. Wie wollen Sie im konkre- nicht nur als persönliche Erklärung zum Ausdruck zu ten Fall ein Embargo durchsetzen, vor allen Dingen bringen. den Krieg schnell beenden, nachdem Serbien vor Waffen starrt und hochgerüstet und gut versorgt ist? (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Fi- In dem Zusammenhang muß auch daran erinnert scher hat vorhin versäumt, die elenden Vorwürfe aus- werden - das kann ich Ihnen nicht ersparen -, daß zuräumen, die Herr Trittin im Zusammenhang mit Sie, als wir, die Bundesregierung und die sie tragen- der Entsendung von Soldaten ins ehemalige Jugosla- den Parteien, beschlossen haben, das UN-Embargo wien gegen die Bundesregierung ausgesprochen durchzusetzen, sich verweigert haben, als es z. B. um hat. Herr Trittin hat von „Kriegstreiberei" und von ei- die Entsendung von Schiffen in die Adria ging. Sie ner „Blankovollmacht für den Kriegseintritt" ge- haben vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen sprochen. Dagegen müssen wir uns verwahren. geklagt. Das ist die Tatsache, und das ist die Wahr- heit. Herr Scharping hat, statt Fragen zu beantworten, wortreich vernebelt, daß seine eigene Partei in dieser (Zustimmung bei der CDU/CSU - Günter Frage zutiefst gespalten ist und daß er offensichtlich Verheugen [SPD]: Aus Rechtsgründen! Ihr den Konsens in seiner Partei vor wichtige nationale Koalitionspartner, die F.D.P., hat die nicht und internationale Fragen stellt. auch geklagt?)

Es geht hier um eine ganze Reihe von Fragen. Es - Sie haben sich damals auch politisch nicht dazu be- geht vor allen Dingen darum: Sind wir ein verläßli- kannt. cher Bündnispartner, wenn wir gebraucht werden? Bleibt unsere Verurteilung des schrecklichen Krieges (Zurufe von der SPD) gegen die bosnische Bevölkerung, bleibt unsere Em- pörung gegen Morden, Geiselnahme und Vergewal- Es geht noch um andere Widersprüche, die aufge- tigung nur Lippenbekenntnis, wenn wir konkret um taucht sind, auch in bezug auf das, was Herr Kosch- Hilfe gebeten werden? Es geht um die Frage: Welche nick gesagt hat. Wir nehmen das selbstverständlich Rolle übernimmt das geeinte Deutschland? Es geht sehr ernst. Ich finde, es ist eine großartige Leistung, um die Frage: Zu welchen Aufgaben sind wir in der die Herr Koschnick auch persönlich vollbringt ange- internationalen Staatengemeinschaft und im Bündnis sichts der Gefahren, denen er sich aussetzt. Wenn es bereit? Können wir uns auf unseren wirtschaftlichen viele Koschnicks gäbe, sähe die Welt do rt möglicher- und sozialen Errungenschaften ausruhen, wenn un- weise besser aus. sere Freunde im Regen stehen, und was ist in diesem Zusammenhang auch deutsches Interesse? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- wie bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU) Die schnelle Eingreiftruppe aufzustellen war Es ist vorhin der Vorwurf gegen Herrn Schäuble er- keine deutsche Entscheidung. Wenn aber unsere hoben worden, er habe unsorgfältig zitiert, indem er Verbündeten in England, Frankreich und den Nie- Agenturmeldungen verwendet habe. Ich habe inzwi- derlanden solche Einsätze zum Schutz von Blauhel- schen das Originalinterview hier und darf die Stelle men für unverzichtbar halten, dann können und wol- noch einmal vorlesen: len wir nicht beiseite stehen. Aber wenn nur Deutsche und Amerikaner Sy- Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist die steme haben, die das Radar ausschalten, kann Geschichte beschworen worden. Wir müssen aus der man dann tatenlos zusehen, wenn andere Flug- Geschichte lernen. Das heißt natürlich, daß wir eine zeuge fliegen und mit großer Sicherheit abge- Politik betreiben müssen, die uns in Europa nie mehr schossen werden? Das ist keine NATO- oder isoliert. Wenn wir uns hier versagen würden, würden UNO-Frage, das ist die Frage, ob wir die Europäi- wir Gefahr laufen, in Europa wieder isoliert dazuste- sche Union wirklich wollen. 3984 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Michael Glos Damit hat es Herr Koschnick auf den Punkt ge- Es war beeindruckend für mich, beim Abzug der bracht. Alliierten noch einmal die Geschichte der Luftbrücke zu hören, noch einmal nachzuvollziehen, was sich in (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) dem eingekesselten Berlin getan hat. Damals hat nie- Auch das „Zeit"-Interview, von dem Herr Schar- mand vorher gefragt: Was könnte es denn an Eskala- ping gesprochen hat, sieht in der Tendenz vollkom- tion bedeuten, wenn wir dahin fliegen? Würde es men anders aus, als es Herr Scharping zitiert hat. Er nicht die Sowjets herausfordern, mit Jagdflugzeugen in den Kampf einzugreifen? Würde das nicht einen hat offensichtlich wissentlich und absichtlich falsch - zitiert. weiteren Weltkrieg auslösen? (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: So ist Vor allen Dingen haben sie damals auch nicht ge- es!) sagt: Ihr Deutsche, hunge rt doch mal schön weiter in Berlin! Habt doch Verständnis für unsere Position, es Denn Herr Koschnick sagt auch da auf die Frage, ob wird ja sonst noch alles viel schlimmer in der Welt! es noch Sinn habe, mit Luftangriffen ins Kriegsge- Die Alliierten haben geholfen, sie haben nicht gezau- schehen einzugreifen: dert. Als Deutsche müssen wir uns daran erinnern. Ja, es hat dann einen Sinn, wenn diejenigen, die (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) die Soldaten schicken, auch wirklich kämpfen Wir sind es auch den Opfern der Berliner Luftbrücke wollen. schuldig. (Günter Verheugen [SPD]: „Sie wollen es Heute habe ich gehört, wie Herr Scharping eine aber nicht"! Weiterlesen!) neue deutsche Tugend kreiert hat, nämlich die Tu- Er sagt weiter - das ist richtig -: gend des Zögerns und des Zauderns. Wenn die Ame- rikaner damals gezögert und gezaudert hätten, sähe Sie wollen es aber nicht. Die Europäer wollen um unser Land heute anders aus. Gottes willen nicht in den Krieg hineingezogen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) werden. Ihr parteitaktisch bedingtes Nein ist ein Spiel mit Er spricht sich gegen Kampfeinsätze, aber nicht dem Feuer. Dieses Nein heute gefährdet hochgradig gegen den Schutz von humanitären Hilfsleistungen elementare deutsche Sicherheitsinteressen in der Zu- aus. kunft. (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: So ist (Zurufe von der SPD: Schämen Sie sich! - es!) Unerhört! ) Und das, was die Bundesregierung jetzt beschlossen - Einen Moment. Ich zitiere, Frau Präsidentin, Herrn hat und wozu wir ja sagen, ist der Schutz der weite- Klose - ich hoffe, mit seiner Erlaubnis -: „... offen- ren humanitären Hilfe für bedrohte Menschen. kundige Neigung der SPD . . ., sich aus dem Kontext des Bündnisses und der kooperativen Sicherheit zu (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) entfernen, wenn es ernst wird." Er sagte das in der Wir sind uns doch sicher in der Frage einig, daß die Ausgabe des „Spiegels" vom 19. Juni 1995. Blauhelmsoldaten, die do rt im Einsatz sind, besser Das Nein der SPD heute - offiziell auch des Partei- geschützt werden müssen. Unser Nein zu einem vorstandes - steht in einer historischen Tradition. Schutz aus der Luft würde deren Risiko beträchtlich Daran möchte ich erinnern. Es steht in der Tradition erhöhen. Ein Nein würde die künftige Sicherheit des Nein der SPD zur deutschen Westintegration und Deutschlands an ihrer gefährdetsten Stelle erschüt- zum NATO-Beitritt. tern, nämlich bei der Bündnissolidarität und bei der Verläßlichkeit. (Siegfried Hornung [CDU/CSU)]: Zum Auf bau der Bundeswehr!) Wir können eigentlich insgesamt sehr froh sein - das geht sicher weit über den Kreis derjenigen hin- Es steht in der Tradition des Nein der SPD zum Auf- aus, die dafür gesorgt haben, daß diese Regierung im bau der Bundeswehr - richtig - und zum NATO-Dop- Amt bleiben konnte -, daß wir in dieser Zeit eine Re- pelbeschluß. gierung haben, die auch die Zukunft des Landes im (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Eine trau Auge hat, daß wir keinen von einer rot-grünen Mehr- rige Bilanz!) heit getragenen Bundeskanzler haben, der sich dann aus innerparteilichen Gründen verweigern müßte. Wenn Herr Scharping heute seine Partei erneut in die Ablehnung führt, macht er einen historischen (Beifall bei der CDU/CSU) Fehler. Nur um den Frieden in seiner eigenen Partei zu erhalten, gefährdet er elementare deutsche Si- Seit über vier Jahrzehnten haben wir in Deutsch- cherheitsinteressen. land unsere Freiheit und letztlich auch unsere Ein- heit dem Schutz und der selbstverständlichen Solida- (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist eine Un rität unserer Bündnispartner zu verdanken. Dabei verschämtheit! - Siegf ried Hornung [CDU/ haben auch Soldaten unserer Bündnispartner ihr Le- CSU]: Das ist die schlichte Wahrheit! - Det ben und ihre Gesundheit verloren. Ich erinnere an lev von Larcher [SPD]: Blöd ist es außer die Opfer der Luftbrücke Berlin. dem!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3985

Michael Glos - Ich weiß, daß das schmerzt, deswegen suche ich Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich bitte dafür auch nach dem Zitat von Herrn Duve, das das aus- zu sorgen, daß auf der Besuchertribüne keine Trans- drücklich belegt. Das sind keine Erfindungen von parente aufgehängt werden. uns, das sind Zitate aus Ihren Reihen, meine sehr ver- ehrten Damen und Herren. (Beifall des Abg. Rolf Köhne [PDS]) Deutsche Sonderrollen und deutsche Sonderwege Im Deutschen Bundestag wird geredet und nicht de- darf es nie wieder geben. Das sind für mich die Er- monstriert. fahrungen aus der deutschen Geschichte. Ein Nein - würde international als feige Drückebergerei und als Michael Glos (CDU/CSU): Frau Präsidentin, ich nationaler Egoismus ausgelegt werden. würde gerne in meiner Rede fortfahren. Noch bei Ihrer Wahl - Herr Scharping, Sie werden sich daran erinnern - zum Vorsitzenden der Sozialde- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Bitte. mokratischen Partei Europas am 6. März 1995 in Bar- celona haben Sie gesagt: „Bosnien-Herzegowina und das ehemalige Jugoslawien sind ein schreckliches Michael Glos (CDU/CSU): Ich möchte auch Herrn Symbol dafür, daß wir immer noch keine wirksame Gansel als Antwort auf seine Frage noch einmal das gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik haben." entgegenhalten, was Willy Brandt gesagt hat: „Es Jetzt handeln unsere Partner gemeinsam, und Sie gibt Gewalttätigkeit durch Duldung, Einschüchte- wollen sich versagen. rung durch Indolenz, Bedrohung durch Passivität und Totschlag durch Bewegungslosigkeit. Das ist eine Grenze, an der wir nicht stehenbleiben dürfen, Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege denn sie kann die Grenze zwischen Überleben und Glos, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeord- Untergang sein." neten Gansel? Willy Brandt hat 1973 weiter gesagt: „In einer Welt, in der zunehmend jeder auf jeden angewiesen Michael Glos (CDU/CSU): Ja, bitte. ist und jeder von jedem abhängt, darf Friedenspolitik nicht vor der eigenen Haustür haltmachen." Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Gansel, bitte. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege Norbert Gansel (SPD): Herr Kollege Glos - nein, Glos, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Herr Glos -, glauben Sie wirklich, daß diese Art des Johnny Klein? Versuches, parteitaktische Punkte zu sammeln und Fraktionsmitglieder der SPD gegeneinander auszu- spielen, dem Ernst der Entscheidung, die wir heute Michael Glos (CDU/CSU): Nein. zu fällen haben, angemessen ist? Jetzt handeln unsere europäischen Pa rtner konkret (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ und bitten uns, im Sinne einer gemeinsamen Politik DIE GRÜNEN) mitzuhelfen. Sie fordern von uns keine deutschen Bo- dentruppen. Sie fordern von uns keine deutschen Panzer. Sie forde rn neben der selbstverständlichen Michael Glos (CDU/CSU): Ich verwahre mich ge- Hilfe für Verwundete lediglich mögliche Hilfe durch gen die Unterstellung, das aus parteitaktischen deutsche Flugzeuge mit einer speziellen technischen Gründen zu tun. Fähigkeit, die ansonsten in Europa nicht zur Verfü- gung steht. Darum geht es im Ke rn, und nur bei die- (Lachen bei der SPD) ser Frage sind wir auseinander. Ich möchte Sie an die Widersprüchlichkeit Ihrer Ar- Mit wohlfeilen Erklärungen allein ist das gemein- gumentation erinnern. Ich möchte Sie an unsere Ge- same Europa nicht zu schaffen. Der Beschluß der schichte und an das erinnern, was wir bisher immer Bundesregierung, über den wir debattieren, ist alles gemeinsam getragen haben. Hier geht es auch um andere als ein Blankoscheck. Er ist sorgfältig abge- die Verteidigung gemeinsamer Werte, auch für die wogen: einerseits hinreichend konkret, andererseits Sozialdemokratische Partei. mit ausreichender Vorsorge, um flexibel auf neue Entwicklungen reagieren zu können. Insbesondere (Norbert Gansel [SPD]: Dann bemühen Sie ist hiermit auch ein möglicher Abzug abgedeckt. Die- sich um Gemeinsamkeit und zerstören sie sen Abzug - das ist heute schon oft gesagt worden - nicht!) möchten wir im Grund verhindern. Aber die Ent- Ich darf Ihnen als Antwort noch sagen, scheidung darüber ist natürlich auch die Entschei- dung der Nationen, die BlauhelmSoldaten dorthin (Von der Besuchertribüne wird ein Transpa entsandt haben. rent abgerollt) Wenn wir uns einig waren, daß wir den Abzug dek- was Willy Brandt am 27. September 1973 in New ken müssen - ich wiederhole das -, dann müssen wir York vor der UNO-Vollversammlung gesagt hat. auch einig sein. Wir müssen sehr interessie rt daran 3986 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Michael Glos sein, daß die Blauhelme dortbleiben, um ein noch Meine sehr verehrten Damen und Herren, wehe schrecklicheres Blutvergießen zu verhindern. uns, denn ich weiß nicht, wie die Berichterstattung aussieht, wenn amerikanische Piloten zu Tode kom- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) men und man gleichzeitig sagen kann, wenn die Deswegen müssen wir auch über den Antrag der Deutschen bereit gewesen wären, bei diesem Ret- Bundesregierung als Ganzes abstimmen. Wir dürfen tungseinsatz Geleitschutz zu f liegen, dann wären ihn nicht in Teile zerlegen. Nach meiner Auffassung uns diese Opfer erspart geblieben. ist es ohnedies Sache der Bundesregierung, wie sie (Beifall bei der CDU/CSU - Zurufe von der - handelt und vorzugehen hat. Wir können dafür als SPD) Parlament nur einen vom Verfassungsgericht gebote- nen Rahmen geben. Dann dreht sich die Stimmung in der freien Welt ge- gen uns, und dann dreht sich die Stimmung in Ame- Ich möchte auch etwas zu den Vorwürfen, die im- rika gegen die Deutschen. mer wieder von den beiden Oppositionsparteien - auf die ehemalige SED wi ll ich nicht eingehen - er- (Beifall bei der CDU/CSU) hoben worden sind, die Bundesregierung trage mit Auch das wollen wir verhindern. ihrem Beschluß letztendlich „zur Eskalation des Krie- ges" bei und fördere sogar noch die serbische Ag- Ich darf Herrn Klose noch einmal zitieren: gression, sagen. Ich glaube, das muß man zurückwei- sen. Innerhalb der Sozialistischen Internationale und der sozialdemokratischen Parteien Europas ist Die Eingreiftruppe soll Geiselnahmen und Angriffe die SPD in dieser Frage isoliert. Konsequenz: auf die Blauhelme verhüten. Wenn dies doch ge- - sagt Herr Klose - schieht und die Eingreiftruppe mit Luftunterstützung zum Einsatz kommt, dann können deutsche ECR- Sie verzichtet damit auch auf Möglichkeiten au- Tornados die Einsatzflugzeuge unserer Verbündeten ßenpolitischer Einflußnahme. schützen. Die deutschen ECR-Tornados haben kei- nen Kampfauftrag; im Gegenteil: Es ist nicht so, wie Auch deshalb noch einmal: Führen Sie sich das alles immer unterstellt wird. Sie erfüllen eindeutig einen vor Augen; noch sind die Abstimmungen nicht er- Schutzauftrag. Ihr möglicher Einsatz dient - so ist der folgt. Es kann uns nicht daran gelegen sein, daß die Beschluß formuliert - allein vorbeugendem Schutz deutsche Sozialdemokratie in Europa isoliert ist. gefährdeter Flugzeuge unserer Verbündeten. Was hat sich verändert, seitdem Herr Scharping er- klärt hat, „eine deutsche Beteiligung an NATO-Maß- Im Ernstfall, wenn diese Flugzeuge angegriffen werden, zerstören sie lediglich die Radaranlagen nahmen zum Schutz eines eventuell notwendig wer- und machen damit gegnerische Raketenstellungen denden Abzugs der UN-Blauhelme ist nicht nur eine kampfunfähig. Nicht mehr und nicht weniger. Die Verpflichtung gegenüber den Entsendestaaten, son- Verweigerung deutscher Spezialtornados würde dern ist unzweifelhaft eine Bündnisverpflichtung"? Dann ist es auch eine Bündnisverpflichtung, daß wir zweifelsfrei ein höheres Risiko für die Piloten unserer schützen und damit ermöglichen, daß die Blauhelm Partnerländer bedeuten. Auch darum geht es heute, meine sehr verehrten Damen und Herren. Truppen ihre Pflicht tun können. Ich habe vorhin das Zitat von Herrn Duve gesucht. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Jetzt habe ich es endlich gefunden. Daher kam mein Herr hat im „Stern" vom 22. Juni Vorwurf, den Sie als polemisch und als parteipoli- 1995 gesagt - ich zitiere -: „Deutsche Tornados hät- tisch motivierten Vorwurf zurückgewiesen haben, ten den US-Piloten O'Grady vor dem Abschuß schüt- Herr Gansel. Herr Duve war es, der gesagt hat - ich zen können. " Herr Scharping hat sich in einer Fern- zitiere; wenn es nicht stimmt, soll er hierherkommen sehdiskussion darin gefallen, unsere Verbündeten und soll dementieren -: quasi als in militärischen Dingen unfähig hinzustel- Die Parteioberen len, indem er einen möglichen Pilotenfehler breitge- walzt hat. - gemeint waren Sie von der SPD - (Widerspruch bei der SPD) nutzen diesen Krieg für ihre taktischen Spiel- chen. - Das haben Sie getan, vor eingeschalteten Fernseh- kameras. Dieser Vorwurf kam aus Ihren eigenen Reihen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das stimmt! Das ist die reine Wahrheit!) (Zustimmung bei der CDU/CSU - Bundes- minister Dr. Theodor Waigel: Das ist ja nicht Ich habe, weil es um die Pfingstzeit etwas ruhiger zu fassen!) war, sehr intensiv am Fernsehen zuschauen können, Und wenn es Ihnen nicht reicht, dann sage ich Ih- und zwar hauptsächlich bei CNN-ABC, was über die nen auch noch einmal, was Herr Apel am vergange- Rettung des Piloten O'Grady berichtet wurde, und nen Sonntag gesagt hat. auch beobachten können, welchen Stellenwert diese Nachricht in den Vereinigten Staaten von Amerika (Gernot Erler [SPD]: Ist hier eine Debatte gehabt hat. oder eine Zitierstunde?) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3987

Michael Glos Herr Apel, immerhin ehemaliger nicht nur Finanz-, und Sie sind deren Erben, ob Sie wollen oder nicht. sondern auch Verteidigungsminister, sagt: Es geht Ich fordere die Sozialdemokratie auf, zu diesem Erbe Herrn Scharping nicht um den Frieden in Bosnien, es zu stehen und ihre Entscheidung nicht aus takti- geht ihm um den Frieden in der SPD. Er sagt weiter: schen Gründen, möglicherweise durch das Schielen auf Mehrheiten bei neuen Koalitionen, zu treffen. Scharping wirft Nebelbomben, um einen Riß mit- ten durch die SPD zu vertuschen. Doch das hilft (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Sagen Sie weder ihm noch der SPD. mal etwas zu Strauß!) - (Karsten D. Voigt [Frankfu rt] [SPD]: Herr Ich habe noch eine allerletzte Bitte. Apel ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit!) (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Sie erweist sich in der Sicherheitspolitik erneut DIE GRÜNEN]: Das ist eine Zumutung, was als regierungsunfähig. Sie uns hier bieten! - Weitere Zurufe von Das sind die Vorwürfe aus Ihren eigenen Reihen, der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜ meine sehr verehrten Damen und Herren, und das NEN) müssen Sie sich heute anhören. Die Soldaten, die in diesen Einsatz geschickt wer- (Zuruf von der SPD: Darum geht es aber den, haben Anspruch auf die Solidarität der gewähl- nicht! - Ina Albowitz [F.D.P.]: Na klar!) ten Vertreter des deutschen Volkes. Das Nein der SPD als Partei ist zynisch und men- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. schenverachtend, Ulrich Irmer [F.D.P.]) (Zurufe von der SPD: Das ist ja wirklich un Sie haben Anspruch auf die Solidarität des Deut- geheuerlich! - Unglaublich!) schen Bundestages. Sie haben Anspruch auf eine breite Zustimmung für einen humanitären Dienst weil es die mögliche Hilfe zum Schutz bedrohter Menschen behindert. zum Schutz der Menschen. (Widerspruch bei der SPD) Vielen Dank. Wenn Sie bei Ihrem Nein bleiben, dann handeln (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Sie auch - - ordneten der F.D.P.) (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie nähern sich Herrn Zwe Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es spricht jetzt renz an! Das ist ja abenteuerlich!) der Kollege Günter Verheugen.

Herr Kollege Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Günter Verheugen (SPD): Frau Präsidentin! Meine Glos, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gansel? Peinlichkeit der letzten 25 Minuten nicht dadurch verlängern, daß ich mich dem Stil anschließe, den Michael Glos (CDU/CSU): Nein, nicht mehr. Er hat Herr Glos gerade praktiziert hat. schon einmal gefragt, und er hat sich vorhin dagegen verwahrt, mich als Kollegen anzusprechen. Herr (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Gansel, setzen Sie sich wieder hin. DIE GRÜNEN) Begriffe wie Solidarität, Verantwortung und Ge- Aber eins, Herr Glos, werden Sie sich jetzt anhören rechtigkeit sind Tradition in der SPD. Deswegen müssen: Was sind Sie für ein Mensch, daß Sie nicht hoffe ich, daß man sich heute darauf wieder besinnt. die geringste Vorstellung davon zu haben scheinen, Es ist Kurt Schumacher zitiert worden; ich habe Wi lly was es bedeutet, wenn man ein Kampfflugzeug los- Brandt zitiert. schickt mit dem Auftrag, Raketen auf eine Stellung abzufeuern, in der aber auch Menschen sind? Was (Gernot Erler [SPD]: Sie zitieren sowieso die für ein Mensch sind Sie, lieber Herr Kollege Glos, ganze Zeit! Das ist gar kein Debattenbei wenn Sie Zweifel an einem Kampfeinsatz als zynisch trag!) und menschenverachtend betrachten? - Ja. Mein Debattenbeitrag ist ein Appell - ich fasse (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE es noch einmal zusammen - an Sie, GRÜNEN und der PDS) (Gernot Erler [SPD]: Ein Zettelkasten, den Es gehört zu den besseren Traditionen der deut- Sie da auskippen!) schen Geschichte und des deutschen Parlamentaris- all das zu beachten, was große Männer der deut- mus, daß man Zweifel hat und sich fragt, ob es rich- schen Sozialdemokratie Ihnen ins Stammbuch ge- tig ist, in internationalen Beziehungen Gewalt anzu- schrieben haben. Sie stehen in dieser Tradition, wenden. Es stünde besser um unser Land, um unser Ansehen in der Welt, um das Sie so besorgt sind, (Gernot Erler [SPD]: Allerdings!) wenn sich Ihre politischen Vorgänger, Herr Glos, 3988 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Günter Verheugen häufiger gefragt hätten, ob es richtig ist, militärische Kollege Schäuble hat mich in dem Zusammenhang Gewalt anzuwenden oder nicht. heute bereits zitiert, aber unvo llständig. Darum will ich den Gedankengang noch einmal ganz vortragen: (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Ich habe volles Verständnis für diejenigen, die der GRÜNEN und der PDS - Zurufe von der Auffassung sind - wie die Bundesregierung bis vor CDU/CSU) kurzem -: Es kann nicht sein, daß deutsche Unifor- Meine Damen und Herren, der Herr Außenmi- men dort auftauchen, wo im Zweiten Weltkrieg die nister hat davon gesprochen, daß heute augenpoliti- Wehrmacht und die Waffen-SS gewesen sind. Dafür, sches Neuland betreten werde. daß die Bundesregierung das gesagt hat - auch wir haben dies gesagt -, gibt es so unendlich viele Be- (Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.) lege, daß das niemand im Hause bestreiten wird. Ich habe volles Verständnis für diese Position. Es gibt An diesem Wort möchte ich ihn festhalten, weil er aber auch eine andere: Gerade weil das in den größ- nicht darüber gesprochen hat, was das eigentlich ten Teilen Europas geschehen ist, dürfen wir uns Neue an dem ist, was der Bundestag heute zu ent- nicht versagen, wenn wir um Hilfe gerufen werden. scheiden hat. Es ist ja nicht der erste Einsatz der Bun- deswehr, über den wir beraten und entscheiden. Wir Ich habe hinzugefügt: Diese beiden moralischen haben über den Einsatz der AWACS-Flugzeuge ent- Positionen sind nicht miteinander zu vereinbaren, schieden, wir haben über den Einsatz der Ma rine in sind nicht zu versöhnen. Der Außenpolitiker, der der Adria entschieden, Sie haben über den fehlge- handeln muß, der Entscheidungen treffen muß und schlagenen Einsatz in Somalia entschieden. Und jetzt der für seine Entscheidungen auch eine moralische sagt Herr Kinkel, es sei etwas Neues. Was ist die Richtschnur braucht, kann dann nichts anderes tun, neue Qualität dessen, was heute beschlossen werden als in jedem Einzelfall zu prüfen: Ergibt sich in der soll? gegebenen Situation und in der gegebenen Region Ich will es Ihnen sagen, meine Damen und Herren: aus der deutschen Geschichte eine Belastung, die Die neue Qualität dessen, was heute beschlossen dazu führt, daß man mit militärischen Beiträgen der werden soll, ist, daß zum erstenmal in der Geschichte Deutschen besonders zurückhaltend sein muß, oder der Bundesrepublik Deutschland, im Jahre 50 nach nicht? Das muß in jedem Einzelfall geprüft werden. dem Ende des Zweiten Weltkrieges, die Bundeswehr Diese Prüfung ist gerade im Falle Bosnien von ganz einen Auftrag erhalten soll, der mit einem direkten besonderer Bedeutung. Kampfauftrag verbunden ist. Das ist das Neue. Und das ist die Grenze, die Sie überschreiten und von der Wir sind uns sicherlich alle einig darüber, daß es Rudolf Scharping heute morgen gesprochen hat. um die politische Lösung des Konflikts geht. Selbst wenn jemand der Meinung wäre, eine militärische Da denke ich schon, daß es richtig ist, einen Au- Lösung sei möglich - ich weiß das nicht, ich bin kein genblick etwas ernsthafter darüber nachzudenken, General und will keiner werden; ich kann das gar was das bedeutet, was es für die Welt, für unsere nicht beurteilen -, muß man zur Kenntnis nehmen: Nachbarn und für uns selber bedeutet. Hier sitzen ja Niemand auf der Welt ist bereit, die Beiträge zu einer noch welche, die, anders als ich, das Erlebnis des vielleicht denkbaren militärischen Lösung zu leisten. Zweiten Weltkrieges und der ersten Nachkriegsjahre Schon deshalb muß man sich damit nicht beschäfti- unmittelbar gehabt haben und die wissen, was das gen. deutsche Volk als Konsequenz aus dem Erlebnis ei- nes furchtbaren Krieges gedacht hat: Weg mit den Es geht vielmehr darum: Wie ist die politische Lö- Waffen! sung möglich? Nur durch Gespräche, nur durch Ver- Ich erinnere mich an das Wort von Konrad handlungen - übrigens mit allen Seiten. Ich frage Adenauer von der Hand, die abfallen soll, wenn sie mich schon, ob die deutsche Außenpolitik auf dem noch einmal ein Gewehr anfaßt. Balkan in den letzten Jahren immer sehr klug gewe- sen ist. (Zustimmung bei der SPD) Ich las in der „Süddeutschen Zeitung" von heute, Ja, das ist Geschichte. Aber das gehört zur Ge- daß der von mir sehr geschätzte deutsche Vertreter schichte unseres Landes dazu. Man muß sehen, wo- bei den Vereinten Nationen und derzeitige Präsident hin wir uns entwickeln, und sich fragen: Wohin be- des Sicherheitsrates, Graf Rantzau - ein hochbefä- wegen wir uns Schritt für Schritt mit dem, was uns higter, erfahrener Diplomat -, auf die Frage, was die Regierung heute vorschlägt? Deutschland im Sicherheitsrat in diesem Jahr eigent- (Beifall bei der SPD) lich bewirkt hat, sagt: „Ohne Deutschland hätte es mit Sicherheit mehr pro-serbische Entscheidungen" Wir können nicht so tun, als hätten wir nicht über gegeben. all die Fragen, die sich unsere Nachbarn stellen müs- sen, hinaus noch andere Fragen zu stellen. Wir ha- Jetzt gehe ich einmal der Frage nach, wie diese ben die Frage zu stellen: Wie paßt das, was wir au- Aussage - neben den anderen, die Sie noch im Kopf ßen- und sicherheitspolitisch tun, zusammen mit un- haben - in Serbien ankommt. Kann man in diesem serer Geschichte und unseren historischen Erfahrun- Haus wirklich annehmen, daß eine deutsche Beteili- gen? Damit sind wir sehr wohl bei der Frage, was die gung an einer Friedensoperation der Vereinten Na- moralische Grundlage der Entscheidung ist, die tionen - die auf dem st rikten Grundsatz der Unpartei- heute zu treffen ist. lichkeit beruhen muß; das ist der st rikteste Grund- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3989

Günter Verheugen Satz, der eingehalten werden muß - in diesem Kon- eine stärker werdende Abhängigkeit unseres Landes flikt als unparteilich angesehen wird? Ich glaube vom Rüstungsexport im politischen Denken Auswir- nicht, daß das noch möglich ist. Diese Aussage von kungen auf die Außen- und Sicherheitspolitik haben Graf Rantzau ist ein weiterer Beleg dafür. muß! Ich wäre sehr dagegen, daß es solche Auswir- kungen gibt. Nebenbei bemerkt wäre es, Herr Kinkel, vielleicht auch interessant, zu erfahren, was Sie davon halten, (Beifall bei der SPD) daß der deutsche Präsident des Sicherheitsrates in demselben Gespräch sagt: Der Sicherheitsrat hat Meine Damen und Herren, die politische Lösung- „keine Glaubwürdigkeit" mehr. Das mächtigste Gre- setzt voraus, daß die Menschen noch leben, für die mium der UNO werde manipuliert von den nationa- man eine politische Lösung haben will. Deshalb muß len Interessen einiger weniger Mitglieder, ihnen an Ort und Stelle geholfen werden. Das ist un- sere Position. Aber die Hilfe muß doch sinnvoll sein. (Manfred Opel [SPD]: Hört! Hört!) Nicht jedes Angebot an Hilfe hilft wirklich. Man kann auch - ich unterstelle Ihnen gute Absichten - weshalb ihm die Unterstützung des größten Teils der mit guten Absichten das Gegenteil erreichen. Aber 185 UNO-Mitgliedstaaten verlorenzugehen drohe. die Instrumente müssen stimmen. Das ist im Zusammenhang mit einer Entscheidung des Bundestages, die auf einer Resolution des Sicher- Nun zitiere ich Herrn Kinkel und Herrn Rühe aus heitsrates basiert, natürlich eine sehr weitreichende einem Gespräch mit Rudolf Scharping und mir, in Aussage. Der Sicherheitsrat habe „keine Glaubwür- dem sie auf unsere Frage, warum die Bundesrepu- digkeit" mehr, sagt Ihr Vertreter in New York. blik Deutschland eigentlich keine Blauhelme ins ehemalige Jugoslawien schicken kann - in allem Wir sagen Ihnen: Tun Sie mehr, um die politische Ernst; ich teile diese Argumentation -, gesagt haben: Lösung zu erreichen! Über Sanktionen und Embargo Jeder deutsche Soldat auf dem Boden do rt ist für die ist bereits gesprochen worden. Ich wi ll Ihnen zum serbische Seite eine solche Provokation, daß er un- Punkt Embargo noch etwas sagen. Wir haben seiner- mittelbar zur Zielscheibe und damit zur Gefahr nicht zeit - nach Klärung der Rechtsfrage - den Überwa- nur für sich und seine deutschen Kameraden, son- chungsmaßnahmen zugestimmt. Die politische Frage dern auch für die der anderen Nationen wird. - Das war eine ganz andere. Aber man muß doch erken- ist ein ernsthaftes und wichtiges Argument. Mir nen, daß dieses Embargo von allen möglichen inter- leuchtet es ein. Deshalb unterstreiche ich die Position essierten Seiten behandelt wird, als sei es ein Fetzen der Regierung, die lautet, keine Bodentruppen dort- Papier, und daß wirklich nichts Ernsthaftes ge- hin zu entsenden, weil bei Bodentruppen eben die schieht, um das Embargo durchzuhalten. Wenn man Gefahr der Verwicklung in Kampfhandlungen be- einen Krieg austrocknen will, dann gibt es eine ein- steht. zige Möglichkeit: Man muß den Zufluß von Waffen und Material in das Kriegsgebiet unterbinden. Aber erklären Sie mir bitte eines: Wo liegt der Un- terschied zwischen der angenommenen eskalieren- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne den Wirkung eines einzigen deutschen Soldaten, ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN vielleicht gar eines Sanitäters auf dem Boden, und und der PDS - Günther Friedrich Nolting der eines Kampfflugzeugs in der Luft, das den Auf- [F.D.P.]: Wer setzt das durch?) trag hat, Raketen abzuschießen? Ich würde denken, daß der strikt gewaltfreie Auftrag beispielsweise ei- Ich verstehe nicht, wie die CSU-Landesgruppe und nes Sanitäters, der Verwundete zu bergen hätte, we- die F.D.P. als Partei - ich weiß nicht, wie Ihre Mei- niger eskalierend ist als der mit Gewalt verbundene nung als Bundestagsfraktion dazu ist - zu dem Er- Auftrag eines ECR-Tornados. gebnis kommen konnten, das Waffenembargo müsse aufgehoben werden. Eines ist klar: Die Aufhebung (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Das ist des Waffenembargos führt automatisch zum Abzug nicht mit Gewalt verbunden!) der UNO-Blauhelme, und der Abzug der UNO-Blau- helme führt - das ist heute mehrfach gesagt worden - Diesen Widerspruch können Sie nicht aufklären. automatisch zum Ausbruch des Krieges in einer Form, wie wir uns sie im Augenblick vielleicht noch (Beifall bei der SPD) nicht einmal vorstellen können. Sie errichten ein Krankenhaus in Split - eine gute (Abg. Ulrich Irmer [F.D.P.] meldet sich zu ei Sache. Aber es sind nicht die Deutschen, sondern die ner Zwischenfrage) Franzosen, die die Verwundeten aus Bosnien dahin bringen sollen. Das heißt, ein deutscher Hubschrau- - Ich möchte keine Zwischenfragen beantworten, ber mit dem roten Kreuz darauf darf nicht die Ver- Kollege Irmer, sondern meinen Gedanken zu Ende wundeten nach Split holen, wohl deshalb nicht, weil bringen. das eine Provokation für die serbische Seite ist. Einen anderen Grund scheint es nicht zu geben. Aber Tor- Ich will Ihnen sagen, was mich an dieser Absage nados mit dem deutschen Hoheitszeichen und mit an das Waffenembargo durch zwei demokratische Kampfauftrag über diesem Gebiet halten Sie für Parteien beunruhigt: die Gleichzeitigkeit mit der möglich. Meldung, daß Deutschland zum zweitgrößten Rü- stungsexporteur geworden ist. Ich sage Ihnen in al- (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Ist ab lem Ernst: Denken Sie einmal darüber nach, ob nicht strus, was Sie vortragen!) 3990 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Günter Verheugen Das ist eine widersprüchliche, unsinnige und unlogi- Angefangen hat es mit der Abzugsdiskussion im sche Position. vergangenen Dezember. Das Argument „Das, was wir für den Abzug (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne anbieten, müssen wir erst recht für das Bleiben anbieten” hat auf den ersten Blick eine ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Menge für sich. Es übersieht aber etwas Entschei- und der PDS - Bundesminister Dr. Klaus dendes, einen kleinen, aber verfassungsrechtlichen Kinkel: Absolut Unsinn!) Haken, nämlich daß auch über den Abzug, die deut- Sie sind von dem hier einzig geltenden Grundsatz sche Beteiligung und den deutschen Schutz der abgegangen, daß deutsche Soldaten do rt nicht in die Deutsche Bundestag erst entscheiden muß. Der Bun-- Gefahr kommen dürfen, in Kampfhandlungen ver- destag hat aus gutem Grund eine solche Entschei- wickelt zu werden. Statt dessen, lieber Herr Kinkel, dung nicht getroffen, und zwar, weil die Vereinten benutzen Sie Schlüsselworte wie „Solidarität”, „An- Nationen den Abzug überhaupt nicht beschlossen sehen", „Glaubwürdigkeit", „aus der Verantwortung haben und bisher auch niemanden auf der Welt ge- stehlen" . beten haben, einen Abzug, der noch gar nicht be- schlossen worden ist, zu schützen. Ich sage Ihnen etwas: Solidarität mit den Vereinten Nationen können Sie auch anders zeigen als durch (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ECR-Tornados. Sie könnten z. B. endlich das tun, Darum haben wir Entsprechendes auch nicht be- wozu ich Sie von diesem Pult aus schon mehrfach schlossen. Darum kann ja auch keiner sagen: Das, aufgefordert habe: deutsche Beiträge bei Friedens- was für den Abzug gilt, gilt auch für das, was jetzt operationen der Vereinten Nationen anzubieten, bei gemacht werden soll. denen keine historische Belastung besteht und bei denen nicht die Gefahr besteht, in Kampfhandlun- Das ist übrigens keine Umgruppierung, wie hier gen verwickelt zu werden. Das würde den Vereinten mehrfach dargestellt worden ist, sondern eine Nationen mehr helfen als die To rnados, die Sie schik- schlichte Verstärkung der vorhandenen UNPRO- ken wollen. FOR-Truppen. Die Verstärkung arbeitet nach densel- ben Regeln wie auch die vorhandenen Truppen: un- (Beifall bei der SPD) parteiisch und unter dem Grundsatz der striktesten Sie können für das deutsche Ansehen eine ganze Vermeidung von Gewalt. Menge tun, z. B., wenn Sie sich leidenschaftlich da- Die schnelle Eingreiftruppe, um die es jetzt geht, für einsetzen, daß die geradezu lebensgefährlich fal- ist nicht das, was unsere Partner ursprünglich ge- sche Behauptung, die Kollege Schäuble hier heute wollt haben, vor allem Frankreich. Frankreich hat morgen aufgestellt hat, nämlich, es gebe kein Ge- viel mehr gewollt. Frankreich hat sehr weitreichende waltmonopol der Vereinten Nationen, aus der deut- Vorschläge gemacht. Diese Vorschläge sind von un- schen Politik verschwindet. Das Gewaltmonopol der seren Bündnispartnern nicht akzeptiert worden. Sie Vereinten Nationen ist die Grundlage aller Friedens- sind nicht weiter verfolgt worden. Übrig geblieben politik in der ganzen Welt. Wer dieses Gewaltmono- ist die schnelle Eingreiftruppe. pol nicht anerkennt, der öffnet dem Krieg überall auf der Welt Tür und Tor. Es ist nicht so gewesen, daß irgendwer Deutsch- land aufgefordert hätte, das und das anzubieten, son- (Beifall bei der SPD) dern die Wahrheit ist, daß die Bundesregierung ein Anders als bei Kambodscha, anders als bei Namibia, Angebot gemacht hat. Ja, ich würde sagen: Die Bun- anders als bei Somalia, anders als beim AWACS-Ein- desregierung hat gemeint, sie müsse ein Angebot satz und anders beim Adria-Einsatz wollen Sie jetzt machen, weil sie sich in eine Lage hineingeredet hat, den wirklich entscheidenden Schritt weitergehen, in der sie aus der selbstgebauten Falle nicht mehr an- und Sie können das nicht begründen. Sie können ders herauskam, als jetzt endlich dabeizusein. Sie ha- nicht begründen ben sich in eine Situation hineingeredet, (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Sicher (Beifall bei der SPD) kann man das begründen! Es ist begründet die Sie jetzt zu einer Aktion zwingt, von der ich sa- worden! Sie haben nicht zugehört!) gen möchte: Sie hat eher symbolische Bedeutung, - nein, Sie haben das nicht begründet -, warum Sie kann aber sehr, sehr gefährliche Auswirkungen ha- ben. eine mit Gewalt verbundene Aktion für möglich hal- ten, Ich finde nicht, daß die Bundeswehr dazu da ist, (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Wer die Folgen einer verfehlten Jugoslawien-Politik die- wendet denn Gewalt an?) ser Bundesregierung zu kaschieren. Dazu sind uns die Männer und Frauen doch zu schade. das Mitwirken an einer prinzipiell gewaltfreien Ak- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne tion aber nicht. Der Widerspruch, warum Sie nicht ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Truppensteller sein können unter den neuen Bedin- gungen, unter dem, was Sie inzwischen gelernt ha- Ich wäre wie die gesamte SPD-Bundestagsfraktion ben, wie eben Graf Lambsdorff in seiner Kurzinter- sehr daran interessie rt gewesen, wenn ernsthaft der vention gesagt hat, und dem, was Sie tatsächlich an- Versuch gemacht worden wäre, bei dieser sehr bieten, ist unauflöslich. Aber er erklärt sich vielleicht schwierigen und so tief bewegenden Entscheidung mit dem historischen Ablauf. einen gemeinsamen Weg zu finden und einen Kon- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3991

Günter Verheugen sens zu finden. Aber so geht das nicht, meine Damen Wort kommen zu lassen. Die Geschlossenheit von vor und Herren. Sie verlassen den bisherigen Konsens. allem CDU/CSU und F.D.P. macht mich, muß ich sa- Denjenigen, die das nicht wollen, werfen Sie dann gen, nur mißtrauisch. Diese Geschlossenheit ist of- vor, sie seien unsolidarisch, unglaubwürdig, unzu- fensichtlich nur simuliert. verlässig - oder was weiß ich nicht alles. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das, was wir gemeinsam tragen können, das wird und bei der SPD sowie bei Abgeordneten nicht von der Regierung oder von der Koalition dik- der PDS) tiert, sondern das haben wir gemeinsam miteinander - zu bereden. Da müssen beide Seiten aufeinander zu- Wir haben heute vor allem die politischen Begrün- gehen. dungen und mutmaßlichen Wirkungen des Bundes- wehreinsatzes zu prüfen. Der Auftrag der ECR-Tor- Wir sind ein großes Stück auf Sie zugegangen. Der nados könnte kaum begrenzter und moralischer for- Antrag der SPD-Bundestagsfraktion hat ganz we- muliert sein: Sie sollen die NATO-Flugzeuge schüt- sentliche Teile des Beschlusses der Bundesregierung zen, die die Eingreiftruppe zum Schutz der Blau- übernommen. Sie brauchen nur einen aus Ihrer Sicht helme schützen. Dabei sollen sie erst zum Einsatz relativ Meinen Schritt zu tun: Verzichten Sie auf das kommen, wenn Blauhelme angegriffen werden und Instrument, das in diesem Beschluß der Bundesregie- wenn der Tornado vom serbischen Feuerleitradar er- rung widersinnig, gefährlich und unverständlich ist. faßt wird - sozusagen als Akt der doppelten Selbst- Verzichten Sie darauf! In dem Augenblick haben Sie verteidigung. das, was Sie wollen: die Unterstützung auch der SPD für die Hilfe der Bundesrepublik Deutschland bei der Doch die Bundesregierung läßt sich Hintertüren of- Aktion im ehemaligen Jugoslawien. fen: Der Bundeswehreinsatz ist weder zeitlich noch zahlenmäßig begrenzt. Minister Rühe gibt wohl die (Ina Albowitz [F.D.P.]: Nicht was wir wollen: mündliche Zusage, die Obergrenze von 1 700 bzw. Was die Situation erfordert!) 2 000 Soldaten solle nicht überschritten werden. Aber ist schon vergessen, daß die Bundesregierung Sie haben dann nicht die Situation, daß wir uns hier noch vor einem Monat die Teilnahme an einer Um- auseinanderdividieren und daß der Eindruck ent- gruppierung oder Verstärkung der UN-Truppen ka- steht, die Deutschen wüßten nicht so recht, was sie tegorisch ausschloß? wollen. Für die Zukunft heißt es - Minister Rühe im Vertei- Ich finde, wir sollten uns darauf verständigen, was digungsausschuß -: Enge Zahlengrenzen können in wir wollen. Das, was wir wollen, kann immer nur spezifischen Situationen Schwierigkeiten machen. sein, mit den uns möglichen und für die gegebene Oder ein führender Verteidigungspolitiker der CDU Situation jeweils besten Instrumenten den Vereinten am selben O rte: „Der Verzicht auf eine klare zahlen- Nationen dabei zu helfen, Frieden zu bewahren, mäßige Begrenzung ist angemessen, damit die Bun- Frieden zu sichern und Menschenleben zu retten. desregierung die nötige Handlungsfreiheit hat. Wir wollen verhindern, daß bei einer Lageveränderung Vielen Dank. eine Anpassung parlamentarisch abgefragt werden muß." Im Klartext: Nach dem Einstieg mit einer solch (Anhaltender Beifall bei der SPD sowie Bei engen zahlenmäßigen Begrenzung soll eine pragma- fall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ tische Anpassung an die Lageentwicklung möglich DIE GRÜNEN) sein.

Viele Menschen sehen Militär als eine A rt robuste Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat Feuerwehr oder Polizei an. Sie trauen dem Militär die jetzt der Kollege Winni Nachtwei. Fähigkeit zum schnellen Durchgreifen zu. Eine sol- che Erwartung mag vor allem in Situationen verzwei- felter Ohnmacht naheliegen; sie wird überwiegend Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): durch unsere Fernseherfahrung von Militär begün- Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! stigt. Eine solche Erwartung aber ist völlig illusorisch. In der Frage, ob deutsche Soldaten nach Ex-Jugosla- Vor allem wissen Militärs, daß, wenn der erste Schritt wien, ob deutsche Tornados nach Bosnien sollen, ist hinein klar ist, darüber hinaus aber das politische die deutsche Bevölkerung völlig gespalten - aber Gesamtkonzept und damit auch der Weg hinaus un- nicht nur die deutsche Bevölkerung, sondern auch klar ist, die Wahrscheinlichkeit hoch ist, daß das Ge- die Anhängerschaft der Parteien, die hier im Parla- samtunternehmen scheitert. Dann besteht das erheb- ment sitzen. Eine letzte Umfrage ergab z. B.: 48 % liche Risiko, in einen Konflikt bzw. Krieg hineinzu- der Anhänger von CDU/CSU sind gegen diesen Ein- schlittern. Wenn ich in den letzten Tagen und Wo- satz, 47 % sind dafür. Bei uns ist das Echo gespalten, chen bilateral mit Militärs gesprochen habe, sah ich bei der PDS ebenfalls, bei allen Parteien. bezüglich dieser Bedenken immer nur ein Kopfnik- ken. Dieser Meinungsriß geht nicht nur durch die Par- teianhängerschaften, sondern er geht auch bei vielen Viele Befürworter des Bundeswehreinsatzes in Ex- von uns hindurch. Ich denke, es ist ein Zeichen von Jugoslawien suggerieren - das ist uns von Herrn Ger- Ehrlichkeit, daß es wenigstens zwei Fraktionen hin- hardt besonders deutlich vorgeführt worden -, daß bekommen, hier auch Minderheitenpositionen zu derjenige, der diesen Einsatz ablehne, den ge- 3992 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Winfried Nachtwei schundenen Menschen in Bosnien die Hilfe verwei- Das heißt im Klartext: Die Bundesregierung ist bereit gere und daß es im Grunde nur zwei Möglichkeiten und willens, den Kriegsparteien, ja sogar den Ag- gäbe: Tornado oder Wegsehen. Dies ist eine Schein- gressoren wieder Soldaten frei Haus zu liefern. alternative, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) und bei der SPD - Günther F riedrich Nol ting [F.D.P.]: Nennen Sie mal ihre Alterna Ein drittes Beispiel. Die Medien, die bei der emo- tive!) tionalen Mobilmachung für den Krieg eine zentrale- Rolle spielten, sollten vielmehr bei der Überwindung - Herr Nolting, ich komme direkt darauf zu sprechen. dieses Krieges eine zentrale Rolle spielen. Hierzu gibt es ausgezeichnete Einzelinitiativen; eine konzer- Es gibt drei Beispiele. Erstens. Aggressoren und tierte Politik gibt es nicht. Kriegführende brauchen Material; sie brauchen Mu- nition, Waffen und Treibstoff. Das Embargo ist seit langem beschlossen. Es ist heute schon mehrfach an- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege, gesprochen worden, wie die Realität dieses Embar- gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen gos aussieht: 1992 und 1994 wurde ausgiebig dar- Hirsch? über berichtet. 1994 erschien der Bericht, in dem es hieß, daß Ex-Jugoslawien inzwischen zum größten Waffenmarkt der Welt geworden sei. In einer Repor- Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): tage über die rumänisch-serbische Grenze vom Juni Entschuldigung, aber ich bin in der Schlußkurve; ich hieß es, daß es im rumänischen Grenzgebiet so viele möchte jetzt zum Ende kommen. Tankstellen gebe wie nirgendwo sonst und daß über (Ina Albowitz [F.D.P.]: Dann sehen Sie zu, dieser Gegend ein Dunst von Benzin liege. - Das sind daß Sie die Kurve kriegen! - Günther F ried- deutliche Zeichen dafür, daß es ein funktionierendes rich Nolting [F.D.P.]: Zeigen Sie mal Ihre Al- Embargo praktisch nicht gibt. ternativen auf!) An der bosnisch-serbischen Grenze gibt es eine Mit der heutigen Entscheidung sind wir an einem Überwachungsmission, bestehend aus ungefähr Wendepunkt der deutschen Sicherheitspolitik ange- 200 Mann. Anfang Januar erfuhren wir im Verteidi- langt: erstmalig möglicher Kampfeinsatz, erstmalig gungsausschuß, daß gewünscht wurde, auch außerhalb der Landes- und Bündnisverteidigung. 20 Mann aus der Bundesrepublik zu entsenden, daß zu diesem Zeitpunkt allerdings nur 2 Personen ge- Die Bundesregierung hat diesen Schritt in den letz- stellt werden konnten. Auf Anfrage mußte Minister ten Jahren in geschickter Salamitaktik vorbereitet. Kinkel jetzt im Verteidigungsausschuß zugestehen, Sie baute systematisch ihre militärischen Fähigkeiten daß bisher, also seit Oktober, nur 3 Freiwillige für aus, urn in Zukunft zu mehr in der Lage zu sein als diese Mission gefunden seien, nur zur Stellung von Sanitätern und To rnados. Noch am letzten Mittwoch hat der Haushaltsausschuß des (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Deutschen Bundestages wieder erhebliche Gelder DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) für weitere Rüstungsprojekte freigegeben. daß man aber jetzt, acht Monate später, Methoden Wer diesen Weg der zunehmenden Gewichtsverla- gefunden habe, die gewünschte Zahl zu erreichen. gerung der deutschen Außenpolitik zum Militäri- Das zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der solche Wünsche schen nicht mitbeschreiten will, muß heute das An- unterstützt werden. sinnen der Bundesregierung ablehnen. ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Ich fasse zusammen: Der geplante Bundeswehrein- NEN]: Das ist ein Skandal!) satz ist hinsichtlich der Eskalationsrisiken unverant- wortlich. Er ist hinsichtlich seines Anspruchs völlig Zweites Beispiel. Aggressoren und Kriegführende unglaubwürdig. Er ist im Hinblick auf die Zukunft brauchen Soldaten; auch dies ist mehrfach angespro- eine gefährliche Weichenstellung. Das ist nicht nur chen worden. Wem ist aber hierzulande schon be- die Meinung unserer Fraktion, sondern auch vieler kannt, daß sich dem Dienst in der serbischen Armee Menschen im Lande. Noch heute morgen wurden insgesamt 300 000 Männer entzogen haben, denen mir 18 000 Unterschriften von Menschen überreicht, erhebliche Strafen drohen? Von ihnen sind ungefähr die sich deutlich gegen diesen Auslandseinsatz aus- 10 000 in der Bundesrepublik. Was aber geschieht sprechen. Sie sehen do rt die Sammlung. mit ihnen? Diese Flucht aus der kriegführenden Ar- mee wird nicht als Asylgrund anerkannt. Im Gegen- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN teil: Der Abschiebestopp wird aufgehoben. Entspre- und bei der PDS - Angelika Beer [BÜND- chende Anträge, diesen Abschiebestopp wieder ein- NIS 90/DIE GRÜNEN] zeigt die Unterschrif- zuführen, wurden vom Innenausschuß des Bundesta- tensammlung) ges noch in der vorletzten Woche kategorisch abge- lehnt. Trotzdem, Herr Minister Rühe und Herr General Naumann: Ich wünsche ausdrücklich nicht - ich (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ glaube, da spreche ich für die ganze Fraktion -, daß DIE GRÜNEN]: Menschen helfen nennt sich unsere Warnungen bewahrheiten. Wir wollen man das!) wahrhaftig nicht um jeden Preis recht bekommen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3993

Winfried Nachtwei Aber ich wünsche, nein, ich appelliere an Sie, an ablehnen wollen, meinen ausdrücklichen Respekt für die Bundesregierung, an dieses ganze Haus: Nutzen Ihre Gewissensentscheidung bekunden, die auch wir endlich konsequent die Möglichkeiten, Aggres- von denen zu respektieren ist, die der Meinung sind, sionen und Kriegen rechtzeitig das Wasser abzugra- daß Ihre Entscheidung inhaltlich falsch ist. ben! (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- Danke schön. ten der CDU/CSU und der SPD) Um so wichtiger ist es, daß wir hier nicht mit Halb- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - sowie bei Abgeordneten der SPD und der wahrheiten oder zum Teil falschen Beschuldigungen PDS) operieren. Ich will nicht direkt sagen, es seien kon- trafaktische Behauptungen. Herr Kollege Verheugen, Sie haben davon geredet, Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich erteile dem Kollegen Burkhard Hirsch zu einer Kurzintervention daß sich der Bundesparteitag der F.D.P. zu dem Waf- das Wort. fenembargo hinsichtlich Bosnien geäußert hat. Das ist zwar richtig, aber die Mehrheit des Parteitages hat ausdrücklich gesagt: Wenn es zu einem Abzug kom- Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Frau Präsidentin! men sollte und die UNPROFOR-Aktion beendet wer- Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! den muß, erst dann, unter dieser Voraussetzung soll Man kann durchaus unterschiedlicher Meinung sein, es zu einer Aufhebung des Waffenembargos kom- ob die gesetzliche Regelung und die ständige Recht- men. Das heißt, Ihre Schlußfolgerung, eine Aufhe- sprechung zutreffend und richtig sind, daß die Wehr- bung des Waffenembargos würde notgedrungen zu dienstverweigerung im deutschen Recht keinen einem Abzug führen, ist falsch. Das hat unser Bun- Asylgrund bildet. desparteitag aber auch nicht gesagt. Wenn es Sie in- teressiert, möchte ich Ihnen dazu sagen, daß ich un- Man muß sich aber dagegen wehren, daß die Ent- geachtet dessen die Entscheidung meines eigenen scheidung, die der Innenausschuß getroffen hat, der Parteitages nicht für richtig halten kann. deutschen Öffentlichkeit ständig in verballhornter Form dargestellt wird. Der Innenausschuß hat näm- (Beifall der Abg. Angelika Beer [BÜND- lich ausdrücklich erklärt, daß in jedem einzelnen Fall NIS 90/DIE GRÜNEN]) eine peinlich genaue und sorgfältige Prüfung statt- Herr Verheugen - der nächste Punkt -, Sie haben , ob ein Flüchtling, der abgeschoben wer- finden soll gesagt, Deutschland stehe auf der Liste der waffen- den soll, geflohen ist, weil er sich geweigert hat, ei- an zweiter Stelle. Das ist zu folgen. exportierenden Länder nem völkerrechtswidrigen Kriegseinsatz nach dieser Statistik des berühmten Institutes richtig. (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Aber wissen Sie, wie das kommt? Da ist doch das Ma- NEN]: Jede Abschiebung in diese Region terial der ehemaligen Nationalen Volksarmee der ist unverantwortlich!) DDR, der NVA, eingerechnet, Falls die Einzelfallprüfung ergibt, daß er sich einem (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Ge- völkerrechtswidrigen Einsatz entzogen hat, wird nauso ist es! - Uta Titze-Stecher [SPD]: Das keine Abschiebung stattfinden. Das ist die Entschei- stimmt nicht mehr! - Dr. Gregor Gysi [PDS]: dung des Innenausschusses, und ich denke, daß man Das stimmt für 1994 nicht mehr!) sie rechtfertigen und für richtig halten kann. das wir auf Grund der von uns geschlossenen Abrü- stungsvereinbarungen an andere Länder abgegeben (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne haben, darunter an unsere Bündnispartner in der ten der CDU/CSU) NATO und anderswo. So kommt eine Statistik natür- lich leicht zustande. Das Wort hat Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- jetzt der Kollege Irmer. ten der CDU/CSU) Daraus kann man aber nicht die Schlußfolgerungen Ulrich Irmer (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine Kol- ziehen, die Sie abgeleitet haben: daß unser Land legen! Der Kollege Nachtwei hat gesagt, er finde es wirtschaftlich mehr und mehr von Rüstungsexporten bedenklich, daß die Fraktionen von CDU/CSU und abhängig würde. Das ist schlicht nicht richtig. F.D.P. geschlossen für den Antrag der Bundesregie- rung stimmen. Herr Kollege Nachtwei, ich finde (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Da wäre diese Bemerkung etwas bedenklich, weil Sie uns da- ich als PDS ganz still!) mit unterstellen, wir handelten nicht auf Grund einer freien Gewissensentscheidung, sondern irgend- Weiter muß ich den Kollegen Schäuble in Schutz einem Zwang folgend. Selbstverständlich ist das nehmen - er hat es zwar nicht nötig, von mir in nicht der Fall. Schutz genommen zu werden, aber Sie haben ihn falsch zitiert -: Er hat keineswegs gesagt, er bejahe Ich möchte von dieser Stelle aus auch Ihnen von nicht das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen. der Fraktion der SPD und in der Fraktion BÜNDNIS 90/ Er hat nur auf den bedauerlichen Ist-Zustand hinge- DIE GRÜNEN, die Sie die Entscheidung der Bundes- wiesen, daß das Gewaltmonopol der Vereinten Natio- regierung nicht mittragen wollen, die Sie den Antrag nen faktisch nicht beachtet wird. Denn wenn das Ge- 3994 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Ulrich Irmer waltmonopol wirklich durchgesetzt werden würde, Gleichzeitig wurde während der gesamten Diskus- dann bräuchten wir diese Debatte nicht zu führen, sion heute morgen gesagt, daß kein Kampfauftrag weil es den Krieg im ehemaligen Jugoslawien nicht der UNO-Truppen bestehe. Wie können Sie diesen gäbe. Widerspruch aufklären? (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU) Ulrich Irmer (F.D.P.): Herr Kollege Opel, es ist selbstverständlich kein Aggressionsauftrag; aber es Ich komme zu einer weiteren Tatsache. Hier hat ist doch nie behauptet worden, daß dies ein Spazier-- ganz zu Anfang - Herr Scharping ist jetzt nicht da - gang, irgendeine Promenade in der Luft sei. Die die Äußerung von Herrn Koschnick eine Rolle ge- Leute haben einen militärischen Auftrag. Insofern spielt. Ich darf Ihnen sagen, daß in der Montagsaus- verstehe ich den Unterschied nicht. Wenn es ein De- gabe der Oldenburger „Nordwest-Zeitung" ein In- fensivauftrag, ein Schutzauftrag ist, ist es gleichwohl terview - von Hans Koschnick autorisiert - erschei- ein militärischer Auftrag. Daraus folgt gerade, daß nen wird, in dem er das, was eben schon zitiert dieser Auftrag für unsere Soldaten nicht ungefährlich wurde, wiederholt und außerdem ausdrücklich sagt, ist. Niemand soll hier so tun, als wäre es eine Sache, er setze sich zugleich für die Beteiligung von deut- die ohne Gefahr für Leib und Leben der do rt einge- schen Kampftornados an der multinationalen schnel- setzten Menschen vonstatten gehen könnte. len Eingreiftruppe ein. Der SPD-Politiker fragte: (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der Wenn nur Deutsche und Amerikaner Systeme ha- CDU/CSU) ben, die das Radar ausschalten, kann man dann tatenlos zusehen, wenn andere Flugzeuge flie- Meine Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich gen und mit großer Wahrscheinlichkeit abge- noch auf folgendes hinweisen: Ich habe vorhin den- schossen werden? jenigen meinen Respekt bekundet, die hier anderer Auffassung sind. Ich möchte jetzt nur noch eine Auf Grund der Tatsache, daß Hans Koschnick die- kurze Frage stellen. Wenn Pazifisten erklären, sie ses noch einmal für die Montagsausgabe der Zeitung seien jeder militärischen Aktion gegenüber mißtrau- autorisiert hat, geht für mich ganz eindeutig folgen- isch und zurückhaltend und lehnten sie ab, dann ist des hervor: Wäre Hans Koschnick, was bedauerli- aber doch einmal die Frage erlaubt: Wie kann denn cherweise nicht der Fall ist, noch Mitglied dieses derjenige, der bereit ist, das eigene Land zu verteidi- Hauses, so würde er dem Antrag der Bundesregie- gen, von vornherein ausschließen, anderen zu hel- rung heute zustimmen. fen, wenn sie in Not sind? Ich sehe also hinsichtlich (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne des pazifistischen Ansatzes in der moralischen Be- ten der CDU/CSU — Siegfried Hornung wertung keinen Unterschied. [CDU/CSU]: Wer hat denn jetzt recht?) (Vorsitz : Vizepräsident Hans Klein) Herr Verheugen, mir liegt hier der Antrag der SPD Wir haben im Auswärtigen Ausschuß vor ein paar vor. Darin setzt sie sich für die Unterstützung des Tagen darüber diskutiert, daß es für die Deutschen schnellen Einsatzverbandes bei seinen Operationen sicherlich schwer ist, da wir bis 1989 immer nur die für die VN-Friedenstruppen durch Aufklärungsflug- Landesverteidigung im Auge gehabt haben. Die zeuge ein. Im nächsten Satz steht, daß sie den Ein- Bündnisverteidigung war stets etwas höchst Theore- satz von Kampfflugzeugen - wie dem ECR-Tornado - tisches; im Vordergrund stand die Landesverteidi- ausdrücklich ablehne. Jetzt frage ich Sie: Wo ist da gung. Aber für unsere Partner war es doch genau eigentlich der Unterschied? umgekehrt. Für sie stand die Bündnisverpflichtung (Günter Verheugen [SPD]: Auftrag!) im Vordergrund, wenn sie uns geschützt haben, und die Landesverteidigung war für sie eine höchst theo- - Augenblick. Die Aufklärungsflugzeuge haben die retische Erwägung. Aufgabe, festzustellen, wo die gegnerischen Stellun- gen sind, die bekämpft werden sollen. Die Tornados haben einen unmittelbaren Schutzauftrag; aber mit- Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Irmer, ge- telbar führt das, was die Aufklärungsflugzeuge - ge- statten Sie eine weitere Zwischenfrage? nau wie die AWACS - leisten, doch auch zu einer mi- litärischen Aktion. Das alles sind Defensivaktionen, Ulrich Irmer (F.D.P.): Ja; bitte sehr. aber selbstverständlich militärische Aktionen. Inso- fern kann ich die Logik, die bei Ihrer Differenzierung zum Ausdruck kommt, nicht ganz nachvollziehen. Uwe Hiksch (SPD): Sehr geehrter Herr Kollege Ir- mer, nachdem Sie eine Frage gestellt haben, möchte ich mit einer Gegenfrage antworten. Ich selbst habe Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Gestatten Sie mich nach jahrelangen Überlegungen und inneren eine Zwischenfrage des Kollegen Opel? Kämpfen dafür entschieden, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Ulrich Irmer (F.D.P.): Selbstverständlich. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege, die Frage! Manfred Opel (SPD): Herr Kollege Irmer, Sie sag- ten, die Aufklärungsflugzeuge sollten die Stellungen Uwe Hiksch (SPD): Ich stelle die Frage; sie kommt erkunden, die hinterher bekämpft werden sollten. sofort. - Ich möchte Sie fragen, ob Sie sich vorstellen Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3995 Uwe Hiksch können, was in einem Menschen vorgeht, der den Die Frage, ob sich nun ausgerechnet Deutsche an Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, der tiefe ethi- einer bestimmten Aktion beteiligen sollten oder sche Auseinandersetzungen mit sich selbst geführt nicht, ist nicht generell zu beantworten. Deutsche hat und der jetzt hier abstimmen soll, ob er, der nicht Soldaten sind in der Vergangenheit von einem ver- die Waffe in die Hand nimmt, anderen Menschen be- brecherischen Regime dazu mißbraucht worden, in- fehlen soll, eine Waffe in die Hand zu nehmen. ternationales Recht mit Füßen zu treten. Ist daraus jetzt abzuleiten, daß es deutschen Soldaten eines de- mokratischen Deutschland verwehrt sein sollte, an- Ulrich Irmer (F.D.P.): Herr Kollege, ich habe ja ge- deren dann zur Hilfe zu kommen, wenn es darum- sagt, daß ich die persönliche Entscheidung, die eine geht, das internationale Recht zu verteidigen und Gewissensentscheidung jedes einzelnen ist, respek- wiederherzustellen? Das ist eine Frage, die man nicht tiere, deshalb selbstverständlich auch Ihre. Ich sehe ohne weiteres aus der Vergangenheit heraus beant- das ein: Wenn Sie aus Gewissensgründen den Wehr- worten kann. Man könnte sogar umgekehrt schlie- dienst verweigert haben, dann bleibt Ihnen ja gar ßen: Gerade weil die Deutschen in der Vergangen- nichts anderes übrig, als auch hier dagegen zu stim- heit Schuld auf sich geladen haben, sind sie heute men. Das ist ganz selbstverständlich. um so eher gehalten, sich für die Verteidigung des Aber ich habe von denen gesprochen, die nicht internationalen Rechts und des Friedens einzusetzen. den Wehrdienst zur Landesverteidigung verweigert (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der haben, aber eine andere moralische Kategorie dann CDU/CSU) sehen, wenn man über die Landesverteidigung hin- aus anderen helfen will. Wer zur Landesverteidi- Die historische Verstrickung alleine gibt die Ant- gung, zur Selbstverteidigung bereit ist, müßte mei- wort also nicht. Was die Antwort gibt, ist die Beurtei- nes Erachtens auch bereit sein - zumindest vom Prin- lung in jedem Einzelfall: Trägt deutsche Beteiligung zip her -, anderen zu helfen, wenn es militärisch nö- zur Lösung des Problems bei, oder schafft sie als sol- tig ist. Ob das nötig ist, ist natürlich eine Frage, die che ein zusätzliches Problem? im Einzelfall geprüft werden muß. Aber von der (Manfred Opel [SPD]: Das ist in der Tat ein grundlegenden moralischen, ethischen Frage her Problem!) sehe ich hier keinen Unterschied. Nach ernsthafter Prüfung sind wir der Auffassung, daß Deutsche in dem von der Bundesregierung vor- Vizepräsident Hans Klein: Auch Herr Kollege Bütt- geschlagenen Rahmen nicht nur zur Erfüllung dieser ner möchte eine Zwischenfrage stellen. begrenzten Aufgabe beitragen können, sondern daß sie dazu auch dringend gebraucht werden. Ulrich Irmer (F.D.P.): Bitte sehr. (Manfred Opel [SPD]: Welches ist die Be gründung?) Hans Büttner (Ingoldstadt) (SPD): Herr Irmer, ge- Deshalb dürfen wir uns dieser Anforderung nicht rade zu dieser Frage: Die Verpflichtung zur Hilfe verweigern. können wir auch im Inland gegenüber Polizeikräften oder andern nicht erwarten. Wieso sind Sie dann be- Wir machen es uns, wie ich auch dieser Debatte reit, gegenüber ausländischer Inte rvention - auslän- entnehme, hier nicht leicht. Keiner trifft die Entschei- discher Hilfe in dem Sinne - eine Verpflichtung fest- dung, die er zu treffen hat, mit euphorischen Gefüh- zuschreiben, wie Sie es gerade getan haben, indem len. Wir sind uns alle des Ernstes der Situation und Sie sagen, zur Landesverteidigung könnten Sie je- der Verantwortung bewußt, die wir gegenüber den manden genauso wie zur Hilfe für andere verpflich- Menschen in Bosnien, aber auch gegenüber den ten? Wieso fordern Sie dann nicht gleichzeitig eine deutschen Soldaten und den Soldaten unserer Bünd- Polizeidienstpflicht, eine Dienstpflicht beim Roten nispartner tragen. Ich glaube, wenn wir die Entschei- Kreuz oder etwas Ähnliches? dung mit gegenseitigem Respekt vor der Meinung des anderen hier treffen und wenn wir nicht der Ver- suchung erliegen, dem anderen Unterstellungen, Ulrich Irmer (F.D.P.): Herr Kollege, ich muß mich welcher Art auch immer, zu machen, dann kann die- falsch ausgedrückt haben. Ich habe lediglich die ser Tag, so schwerwiegend das auch ist, was wir Frage gestellt, wo unter moralischen Aspekten der heute zu tun haben, doch zu einem guten Tag auch Unterschied zwischen Landesverteidigung und der in der Geschichte unseres Parlaments werden. Hilfe für andere liegen soll. Ich danke Ihnen. Es ist in unserer Rechtsordnung sogar so, daß unter Umständen unterlassene Hilfeleistung bestraft wer- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) den kann. Ich sehe unter moralischen Aspekten die Landesverteidigung als gerechtfertigt an. Aber ich Vizepräsident Hans Klein: Zu einer Kurzinterven- sehe nicht ein, wieso man sagen kann: Die Hilfelei- tion erteile ich dem Kollegen Freimut Duve das Wo rt. stung für andere ist moralisch weniger zu rechtferti- gen. Das war der Punkt, den ich klarmachen wollte. Vielleicht ist das jetzt klarer geworden. Freimut Duve (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolle- ginnen und Kollegen! Herr Kollege Irmer, ich möchte (Beifall des Abg. Günther F riedrich Nolting mich ausdrücklich bei Ihnen bedanken, daß Sie das [F.D.P.]) Klima, das wir vorgestern in den beiden Ausschüssen 3996 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Freimut Duve hatten, heute hier wieder geschaffen haben, indem für? Nach drei Jahren Krieg ist stärker als der Hun- Sie mit großer Fairneß von unserem unterschiedli- ger nach Nahrung der Hunger nach Zukunft. Drei chen Abstimmungsverhalten gesprochen haben. Ich Jahre Krieg! Viele von uns, die hier sitzen, haben glaube, das ist der Debatte angemessen, und so sollte sechs Jahre Krieg erlebt, und wir wissen, was drei es bleiben. Jahre Krieg bedeuten. Wenn von Pale täglich der Be- fehl in die Wohnungen geschossen wird: Haut ab; (Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei wir wollen euch in eurer Heimat nicht mehr haben!, Abgeordneten der CDU/CSU und des dann wird aus dem Hunger nach Zukunft die Hoff- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nungslosigkeit der Flucht. Dies, meine Damen und- Ich sage das auch ein bißchen in Richtung auf den Herren, war das eindrucksvollste und auch erschrek- Kollegen Glos. Ich habe jedenfalls in meiner Fraktion kendste Ergebnis der gemeinsamen Reise meines gegenüber meiner Ankündigung, wie ich abstimmen Kollegen Dr. Schwarz-Schilling und mir vor kurzem werde, große Fairneß erfahren. eine Woche durch Bosnien: Unvorstellbare Überle- bensleistung gerade der Engagiertesten und Qualifi- Ich habe mich deshalb jetzt gemeldet, um in mei- ziertesten, aber nach drei Jahren auch der Gedanke ner Rolle als Beauftragter für Bosnien, die mir der an Flucht. Bundestag zuerkannt hat, ein paar Bemerkungen über den Gegenstand zu machen, der uns in Wahr- Wir alle haben in den letzten Jahren gemeinsam heit alle eint, nämlich: Was geschieht mit den Men- humanitäre Hilfe geleistet. Hunderttausende Deut- schen in Bosnien jetzt, und was ist bisher geschehen? sche haben in großen Spendenaktionen geholfen. Denn wir sind mittendrin. Schon lange vor der heu- Wir sollten diesen vielen p rivaten Spendern auch tigen Entscheidung waren wir Europäer mittendrin heute bei dieser Entscheidung noch einmal danken. in diesem Krieg. Es ist ein europäischer Krieg, und auch wir Deutschen sind d rin. Die Verbrechen, deren (Beifall im ganzen Hause) entsetzte Zeugen wir sind, werden in Europa in die- sem Jahrhundert nicht zum erstenmal begangen, Es ist Überlebenshilfe. Nach einem so langen Krieg - nämlich Vertreibung und Aushungerung. Seit bald halb so lang wie der Zweite Weltkrieg, mit einer un- zwei Jahren existieren die immer noch Überleben- vergleichbar schlechteren Versorgung als der, die wir den in Srebrenica ohne direkten Kontakt zur Außen- als Kinder damals hatten - müssen wir versuchen, welt. Wir wissen - das kann ich nur andeuten - von aus der Überlebenshilfe Zukunftshilfe zu machen; tagelangen heimlichen nächtlichen Fußmärschen, denn sonst war alles umsonst. auf denen auf dem Rücken eine Mindestversorgung heimlich hineingeschleppt wird. Ohne diese tagelan- Darum haben vorgestern im Auswärtigen Aus- gen Fußmärsche über die Berge hätte es das Überle- schuß auf der Grundlage eines Antrages der Bünd- ben der wenigen, die noch in Srebrenica sind, nicht nispartei alle Parteien ein gemeinsames Konzept - gegeben. über das wir heute nicht sprechen, das aber hier vor- liegt - für eine neue, andere Qualität von Überle- Mit Waffengewalt werden Nahrungskonvois der benshilfe erarbeitet: Immer gleich das Signal mitbrin- Vereinten Nationen immer wieder aufgehalten. Auch gen, daß es Zukunftshilfe ist! Trotz Krieg schon jetzt das haben wir Deutschen vor 46 Jahren erlebt. Solda- Signale für den Wiederaufbau geben! Hilfe leisten ten aus anderen Ländern mußten Nahrung einflie- bei der Fortsetzung des Schulunterrichts und der gen, weil Transpo rte auf den Straßen nach Berlin mit Universitäten, die ja weiterarbeiten! Ich habe in der vorgehaltener Waffe gestoppt worden waren. Universität von Tuzla einen Vortrag gehalten - mitten im Krieg! Man hatte mir allerdings gesagt, ich müsse (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge zu der Zeit, zu der die Granate kommt, etwas vorsich- ordneten der SPD und der F.D.P.) tig sein. Die studieren do rt weiter, und die Professo- Damals war Berlin eine Totalenklave. Aber die Blok- ren haben vier Mark Monatslohn. kade war nie so total wie jetzt die Terrorblockade ge- gen Gorazde, Srebrenica, Sarajevo und Bihac. Bosnien selbst, meine Damen und Herren, ist heute ein eingeschlossenes Flüchtlingsland mit un- (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ vorstellbarem Elend, aber auch unvorste llbarer DIE GRÜNEN]: Und Zepa!) Würde der Betroffenen. Viele Hunderttausende sind - Wenn Sie rufen „Zum Thema!", dann möchte ich bereits geflohen, die meisten nach Kroatien und Ihnen sagen: Das ist unser Thema, und zwar das von Deutschland. Es gibt bei uns wohl keine Stadt ohne allen! Bürgerkriegsflüchtlinge. Unterstützen wir sie in der ganz persönlichen Zukunftshilfe auch hier bei uns! (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der Machen wir, Bund und Länder, jetzt ein gemeinsa- F.D.P.) mes Projekt Zukunft, vor allem für die jungen Flücht- Wir alle wissen, dieser Totaleinschluß ist ein Ver- linge in unseren Städten! Sie wissen, warum ich das brechen. Wer einmal über die weiten Kriegsfriedhöfe erwähne. Sie stellen heute die zweitgrößte Gruppe von Petersburg gegangen ist, weiß, was Totalein- von Ausländern in unserem Land, aber sie leben am schluß letztlich bedeutet. Rand und blicken voller Angst auf das geschundene Bosnien. Wir alle fühlen: Auch wir sind mittendrin. Der täg- liche Kampf ums Überleben wird für die Bosnier mit Ich bin am Ende der mir dankenswerterweise zur jedem Tag zur blutigen Frage: Überleben - aber wo- Verfügung gestellten Redezeit. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3997

Freimut Duve Zu meinem Abstimmungsverhalten will ich nur sa- dere nach dem verlorenen Krieg, stehen die Pazifi- gen: Ich schließe mich den Ausführungen meines sten für einige kurze Zeit in höchster Achtung. Da Kollegen Gansel an. fragt man sie auch. Aber dann, wenn die neue Aufrü- stung kommt, werden sie nicht mehr gefragt. Das (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne wissen wir. ten der F.D.P.) Ich werde mich dennoch nicht damit abfinden. Ich Vizepräsident Hans Klein: Will Frau Kollegin Beck werde jedem, der aufgerufen ist, in eine solche das Wort, oder will jemand für sie das Mißverständ- Kampfhandlung zu ziehen, sagen: Hast du dich auch- nis aufklären? ganz genau geprüft? Wenn du nämlich hineingehst, stehen viele vor dir und nennen dir unzählige und (Zuruf von der CDU/CSU: Soll sie doch auch gute, jedenfalls nicht unbedingt schlechte selbst reden!) Gründe, daran teilzunehmen. Wenn du aus diesem Krieg zurückkommst, wirst du merken: Du mußt es Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- allein verantworten. NEN): Lieber Freimut Duve, es war überhaupt nicht in meinem Sinne - das wissen Sie auch, weil wir ja Ich bin im Herbst 1944 in einem der furchtbarsten eng zusammenarbeiten -, zu sagen: „Zum Thema". Lazarette in Minsk, in Weißrußland, gewesen. Ich Ich habe bei den vielen Enklaven, die die einge- habe, als Minsk von der Roten Armee erobe rt wurde, schlossenen Menschen in sich bergen, ergänzt, daß gesehen, wie mit den do rt einliegenden verwunde- auch Zepa dazugehört. Das war die Enklave, die Sie ten deutschen Soldaten umgegangen wurde. Es war vergessen hatten. für mich eine ungeheuerliche Erfahrung. Es war für die wenigen Überlebenden eine ungeheuerliche Er- (Freimut Duve [SPD]: Es war ein akusti fahrung. Wir alle sind eine gewisse Zeit lang ein Op- scher Fehler; ich bitte um Entschuldigung!) fer der Vorstellung gewesen: Die anderen sind die Grausamen, die anderen sind die Brutalen. Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile das Wo rt dem Abgeordneten Zwerenz. Erst als ich in diesem Lazarett gesunden konnte und dort dann Arbeit leistete, bin ich mit den überle- (Einige Abgeordnete verlassen den Saal) benden Minskern, den Weißrussen in Berührung ge- kommen und habe erfahren, was die deutschen Ar- Gerhard Zwerenz (PDS): Herr Präsident! Meine Da- meen auf ihrem Vormarsch 1941 in Minsk und Um- men und Herren! Diejenigen, die jetzt gehen, haben gebung angestellt haben. Seitdem bin ich äußerst ein Problem, sagte einmal Herbe rt Wehner; sie müs- skeptisch, wenn mir erzählt wird, diese oder jene sen irgendwann zurückkommen. Seite - meist ist es die andere, die gegnerische Seite - sei besonders grausam. Ich sage deshalb: Wenn die (Beifall bei der PDS - Wolf-Michael Caten Waffen sprechen, ist die Vernunft verstummt. husen [SPD]: Nach Ihrer Rede!) (Beifall bei der PDS) Sie können aber auch drinbleiben, denn ich werde es sehr kurz machen. Ich bitte jeden, der für diese oder jene Seite (Zuruf von der CDU/CSU - Ing rid Matthäus spricht, sich sehr genau zu überlegen, welche morali- Maier [SPD]: Die einzige Hoffnung!) sche Verantwortung für andere er auf sich lädt. Für sich selber ist es das geringste: Wir sind fast alle Al- - Danke schön; Sie sind sehr höflich. tere, und soweit Jüngere unter uns sind, werden sie nicht in die Gelegenheit kommen, an irgendeine Ich möchte als erstes feststellen: Keiner von denen, Front geschickt zu werden. Aber niemand weiß, was keiner von uns, die hier sprechen, wird in die Verle- aus einer Kampfhandlung wird, wenn sie erst begon- genheit kommen, ausgeschickt zu werden und das nen hat. Dann gibt es kein Zurück. Krieg ist alogisch. militärisch zu vollziehen, was von hier angeordnet Es kommt fast immer etwas ganz anderes heraus, als wird. das was man vorher mit guten Gründen erwarten (Beifall bei der PDS) mochte. Zweitens. Ich bin Angehöriger einer Generation Danke. der 20er Jahre - etwas weitergehend als Mitte der 20er Jahre. Wir alle sind in einen Krieg gekommen. (Lebhafter Beifall bei der PDS) Ich für mich mache lebenslänglich unvergeßbare Schuldhaftigkeit geltend. Es ist für mich unmöglich, danach und auch jetzt, für irgendeine Kampfhand- Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile dem Bundes- lung oder für irgendeinen Krieg eine Hand zu heben. minister der Verteidigung Volker Rühe das Wo rt. Ganz im Gegenteil, ich verstehe mich als Pazifist und wende mich deswegen ausgesprochen an die Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: einzelnen, nicht nur an die Pazifisten, sondern auch Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich an Sie. Ich habe in einem langen Leben erfahren: möchte mich zunächst als Verteidigungsminister da- Wenn die Pazifisten besonders schlecht angesehen für bedanken, daß von allen Seiten die bisherigen sind, wenn ihnen übel mitgespielt wird, dann kommt Einsätze der Soldaten der Bundeswehr gewürdigt eine schlimme Zeit. Denn nach dem Krieg, insbeson- worden sind. 3998 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Bundesminister Volker Rühe Es ist richtig: Dies ist kein Einstieg in eine erste Ge- Ich möchte im übrigen sagen: Das, was der Tor- fährdung für deutsche Soldaten. Viele Soldaten der nado-Pilot macht, ist genauso moralisch wie das, was Luftwaffe haben in den letzten Jahren ihr Leben ris- der Sanitäter im Hospital und der Pilot des Transport- kiert, als unsere Flugzeuge Medikamente und Nah- flugzeuges machen. rungsmittel nach Sarajevo gebracht haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. so und der F.D.P.) wie bei Abgeordneten der SPD und des Hier gibt es keinen Unterschied. Abg. Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜND - NIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich bin dem Vorsitzenden der F.D.P., dem Kollegen Ein Flugzeug ist getroffen worden; ein Lademeister Gerhardt, für seine Rede sehr dankbar. Es war eine ist schwer verletzt worden. Wenn das Geschoß zwei sehr gute Rede. Zentimeter weiter gegangen wäre, hätten wir den Verlust einer ganzen Flugzeugbesatzung zu bekla- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. so gen gehabt. -wie bei Abgeordneten der SPD) (Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS]: Was beweist Denn er hat die Sache auf den Kern gebracht: Es das?) geht uns darum, Menschen zu helfen; um nichts an- deres. Menschen zu helfen ist nur möglich, wenn die Unsere Flugzeuge sind immer wieder angegriffen Blauhelm-Mission nicht zusammenbricht. Wir helfen worden. Trotz dieser Gefahr sind sie weiter geflogen, ein bißchen, diese Blauhelm-Mission zu schützen. weil wir gesagt haben: Wenn Franzosen, Engländer, Das steht im Vordergrund unserer Politik, nicht, wie Amerikaner und Kanadier bereit sind, dieses Risiko Herr Fischer gesagt hat, eine Selbstbeschränkung auf sich zu nehmen, um Medikamente und Lebens- aufzugeben. Wenn Sie genau darauf achten, dann mittel nach Sarajevo zu bringen, dann müssen auch stellen Sie fest, daß wir fortfahren, uns in dem militä- wir Deutsche dazu bereit sein. rischen Profil, das wir einsetzen, zu beschränken. Es (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. so geht auch nicht darum, größere Macht für Deutsch- wie bei Abgeordneten der SPD) land zu gewinnen. Nein, es geht um die Frage, der sich jeder stellen muß: Wie können wir am meisten Ich bin dankbar dafür, daß in dieser Debatte, im für die Menschen in Jugoslawien erreichen? Gegensatz zu manchen anderen Diskussionen, nicht Radar, Raketen und irgendwelche Technik, also Stra- Das ist der Mittelpunkt der Auseinandersetzung. tegisches, im Vordergrund standen. Wir dürfen nie, auch nicht bei dem heutigen Beschluß, vergessen, Hier geht es um drei konkrete Punkte: Es gilt, den Zusammenbruch der UN-Mission zu verhindern, daß wir in erster Linie Menschen in den Einsatz schicken und nicht Flugzeuge, Radar und andere denn dann gäbe es mehr Krieg. Es gilt, für bessere technische Installationen. Menschen werden in den humanitäre Hilfe zu sorgen. Das dritte ist vielleicht Einsatz geschickt, Soldaten. Wir müssen auch an ihre das Entscheidende: Wir müssen das wenige, was es Familien denken. Deswegen muß dies eine schwere noch an Frieden gibt, erhalten, um ein Fenster für Entscheidung sein; das möchte ich hier ausdrücklich politische Verhandlungen offenzulassen. Wer etwas sagen. Ich bin draußen von ausländischen Fernsehre- nach dem Motto „Sollen die das doch unter sich do rt portern gefragt worden: Warum diskutiert ihr Deut- austragen; wir sind nicht bereit, eine Gefährdung auf schen so lange? Warum macht ihr es euch schwer? uns zu nehmen" zulassen würde, der würde dieses Ich muß Ihnen sagen: Es muß schwer sein, eine sol- Fenster für politische Verhandlungen schließen. Da- che Entscheidung zu treffen. Ich habe allen Respekt für dürfen wir die Verantwortung nicht übernehmen. vor denjenigen, die sie sich schwermachen. Aber es (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. so- muß möglich sein, eine Entscheidung zu treffen, wie des Abg. Markus Meckel [SPD]) wenn es notwendig ist, Solidarität zu zeigen. Wir sind im übrigen in einer hochdramatischen Si- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) tuation. Niemand weiß, was in den nächsten Wochen Ich werbe darum, daß wir dafür in diesem Parla- geschehen wird. Aber die Voraussage ist ganz ein- ment so viel Konsens wie nur irgend möglich zu- deutig: Es wird bestenfalls ein Nebeneinander von stande bringen - nicht um irgendwelche Leute aus- Krieg und Verhandlungen geben. Vielleicht wird der einanderzudividieren; vielmehr ist es für die Solda- Krieg noch stärker im Vordergrund stehen. Aber wir ten und deren Familien besonders wichtig, dies zu haben einen neuen internationalen Vermittler; und spüren. Ich bin dankbar dafür, daß Herr Scharping wenn der eine Chance haben soll, dann darf die UN- gesagt hat: Wenn der Beschluß zustande gekommen Mission jetzt nicht zusammenbrechen. ist - ich hoffe, mit einer großen Mehrheit -, dann ste- hen alle hinter diesem Auftrag und werden die Sol- Warum, Herr Fischer, kommen wir jetzt zu diesen daten unterstützen. Es ist ganz wichtig, daß das fest- Entscheidungen und nicht schon früher? Dies ist des- halb so, weil wir es jetzt mit einer extrem zugespitz- gehalten wird. ten Situation zu tun haben, die Ihnen vielleicht noch (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. so nicht so klargeworden ist. Die Idee des schnellen Ein- wie bei Abgeordneten der SPD - Joseph Fi satzverbunds wurde in einer schlimmen Notsituation scher [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ der Weltgemeinschaft geboren, als die Soldaten der NEN]: Aber die Verantwortlichkeiten wol Weltgemeinschaft als Geiseln genommen wurden. len wir nicht verwischen!) Man muß sich einmal vorstellen, was aus den Verein- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 3999

Bundesminister Volker Rühe ten Nationen würde, wenn diese es zuließe, daß die Nicht nur Frankreich und Großbritannien, sondern Soldaten der Weltgemeinschaft, d. h. die Soldaten, auch Dänemark und die Niederlande leisten ihren die die Menschheit vertreten, in dieser Weise behan- Beitrag. Ich muß ausdrücklich, wie der Bundes- delt werden. außenminister, auch einmal die Nationen anderer Kontinente - Asien und Afrika - würdigen, die in (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. so diesem zutiefst europäischen Konflikt ihre Soldaten wie bei Abgeordneten der SPD) als Soldaten der Weltgemeinschaft - zum Teil bis zu 3 000 Soldaten wie bei Pakistan und Bangladesch - Das sind nicht nur die Soldaten unserer engeren einsetzen. - Freunde, der Franzosen und der Engländer. Das sind die Soldaten der Weltgemeinschaft. Deswegen müs- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. so sen sie geschützt werden. Das ist eine hochdramati- wie bei Abgeordneten der SPD) sche Situation. In diesem Zusammenhang hat Frau Schoppe recht - sie hat das heute morgen gesagt -: Das zeigt doch, daß die Idee der Vereinten Nationen Deutschland kann nicht immer nur Sicherheitsneh- nicht tot ist und daß der deutsche Solidaritätsbeitrag mer sein. Wir müssen auch bereit sein, Sicherheits- militärisch ein geringes Profil hat. Er ist politisch sehr geber zu sein. wichtig, denn wir alle wollen die europäische Sicher- heitsidentität entwickeln, und wer glaubt, daß man (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. so das nur mit Papieren machen kann und daß die prak- wie bei Abgeordneten der SPD) tische Solidarität von anderen geleistet wird, der wird verhindern, daß es zu einer europäischen Ver- Wir leisten einen Beitrag zum Schutz dieses Ver- teidigungsidentität kommt. bandes, der die UN-Mission aus der Luft zur logisti- schen Unterstützung und zur sanitätsdienstlichen Deswegen: Wir sind führend, was die Herstellung Versorgung schützen soll. von Papieren - auch sehr guten Papieren, wenn ich Ich bin gebeten worden, etwas zu den Wehrpflich- an das der Bundestagsfraktion zu Maast richt II denke -, angeht, aber wir können uns nicht zurück- tigen zu sagen. Ich habe schon deutlich gemacht, daß ich bereit bin, eine Brücke zu bauen. Wir sehen halten, wenn es darum geht, auch militärisch das ab- für die Zukunft vor, Krisenreaktionskräfte der Bun- zusichern, was wir politisch für richtig halten. Inso- deswehr zu haben, die zu 80 % aus Berufs- und Zeit- fern geht es in diesem Zusammenhang auch um soldaten und zu 20 % aus freiwilligen Wehrpflichti- Europapolitik und nicht nur urn Jugoslawien. gen und Reservisten bestehen. Auch hier gilt eindeu- (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tig das Prinzip der Freiwilligkeit. Aber ich weise darauf hin: Wir haben im Augen- Herr Scharping hat dann gefragt, warum wir den blick 140 Grundwehrdienstleistende, die auf unseren Abzugsbeschluß jetzt schon einbeziehen. Wir brau- Schiffen in der Adria zur Aufrechterhaltung des Em- chen ein Sicherheitsnetz, vor allem für die kleinen bargos Dienst tun. Jeder einzelne ist für seine Auf- Nationen, die sonst nicht gerettet werden können. gabe hervorragend ausgebildet. Deswegen muß ich Wir müssen relativ schnell bereit sein zu handeln. Herrn Scharping sagen: Es wird keiner der Grund- Andere haben nicht die Notwendigkeit eines Parla- wehrdienstleistenden ein Risiko haben, das auf mentsbeschlusses; insofern begeben wir uns auf die Grund seiner Ausbildung entstehen könnte. Ich habe Ebene auch der anderen. Wenn das eintritt, was wir Ihnen gesagt: Ich werde durchsetzen, daß keine gerade verhindern wollen, dann wären wir sehr Wehrdienstleistenden bei den Luftstreitkräften ein- schnell handlungsbereit, um die Soldaten zu schüt- gesetzt werden. Es wird kein Wehrdienstleistender zen, die dort in Jugoslawien einen wichtigen Beitrag bei der Sicherungsgruppe eingesetzt, die das Kran- geleistet haben. kenhaus zu schützen hat. Was die Befristung angeht, so habe ich das auch Aber im Krankenhaus selber gibt es einige Grund im Ausschuß aufgeklärt. In den nächsten Monaten wehrdienstleistende, die zu dieser Einheit gehören, schon wird sich zeigen, ob durch die schnelle Ein- die sich zweimal freiwillig gemeldet und bestimmte greiftruppe eine Stabilisierung der Situation eintritt. technische Funktionen zu vollziehen haben. Ich Auch die Engländer und Franzosen sind nicht dort, glaube, hieraus wird deutlich, daß es kein zusätzli- um Krieg zu führen. Sie haben kein Mandat, Herr ches Risiko für Grundwehrdienstleistende gibt und Verheugen, sich einem Aggressor entgegenzustellen daß das Prinzip der Freiwilligkeit ganz eindeutig - das ist richtig -, sondern sind zur Unpa rteilichkeit durchgehalten wird. verpflichtet. Ihre einzige Aufgabe ist der Schutz der Blauhelm-Soldaten, damit diese ihre Mission ver- Bündnis und Solidarität sind bestimmt von Geben nünftig durchführen können. und Nehmen. Heute müssen wir do rt Schutz geben, wo er von den Menschen und auch von unseren Dazu wird es erforderlich sein, daß sich ein strate- Bündnispartnern gebraucht wird. Unser Beitrag - das gischer Konsens aller Konfliktparteien entwickelt, bitte ich nicht zu vergessen - ist in der Substanz ver- der eine ungestörte Wahrnehmung der Aufgabe der gleichsweise gering. Die Diskussion in Deutschland Blauhelme ermöglicht. Wenn das nicht der Fall sein ist sehr viel größer als der militärische Beitrag, den wird, dann wird diese Truppe auf Dauer nicht durch wir leisten. Dafür gibt es Gründe. Wir sollten das eine stark bewaffnete schnelle Eingreiftruppe ge- auch nach außen deutlich sagen. schützt werden können, sondern dann wird der 4000 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Bundesminister Volker Rahe Rückzug kommen, und von daher ist klar: Wir haben Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Erst dann, wenn hier keine zeitliche Willkür beabsichtigt, aber ich der Frieden auf dem Boden durch den Angriff auf die wollte auch kein Ultimatum stellen, indem ich sage: Blauhelme zerstört worden ist, wird es zum Schutz Wir stehen nur für wenige Monate bereit. aus der Luft kommen. Das ist die Grundlage unseres Einsatzes, und das sollte auch vielen von Ihnen die Was würden Sie denn machen, wenn man dann Zustimmung ermöglichen. ein, zwei Monate später vielleicht die Chance hätte, zu einem Durchbruch bei Friedensverhandlungen zu (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. so kommen? - Das steht dahinter, warum wir kein ge- wie des Abg. Markus Meckel [SPD]) - naues Datum in unsere Vorlage aufgenommen ha- ben. Nicht der Beschützer eskaliert. Deswegen ist die- ses Argument einfach falsch. Es wird auch keine re- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Dann gelmäßigen deutschen Flüge geben, so daß jemand kann man doch verlängern!) die Chance hätte, die deutschen Flugzeuge zur Eska- lation zu mißbrauchen, sondern es ist so, wie ich das Die Zustimmung des Bundestages ist also kein Frei- hier gesagt habe: Unsere Tornados würden einge- brief, sondern ergibt die nötige Flexibilität zum Han- setzt, wenn der Frieden am Boden längst gebrochen deln. Das gilt auch für die Zahlen. ist. Nun möchte ich auf ein Argument eingehen, das Ich möchte mich noch einmal sagen, daß unsere vor allem von Herrn Scharping angesprochen wor- Flugzeuge im Unterschied zu den Jagdflugzeugen den ist, auf die Frage, wo hier der Unterschied liegt und den Jagdbombern anderer Nationen keinerlei zwischen der Intention der Sozialdemokraten und Bomben an Bord haben, sondern so ausgerüstet sind, dem Antrag der Bundesregierung, wobei mir noch daß sie sich selbst und andere Flugzeuge schützen einmal jemand klarmachen muß, wo moralisch der können. Was ist daran eskalatorisch? Was ist daran Unterschied zwischen dem Einsatz eines RECCE- zuspitzend? Das ist eine defensive Aufgabe zum Tornados und dem Einsatz eines ECR-Tornados. Da Schutz der Blauhelme, und es ist eine Politik mit Au- gibt es überhaupt keinen Unterschied. genmaß, die wir hier betreiben. Unsere Aufklärungs- und ECR-Tornados haben ei- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) nen klar umrissenen und zeitlich begrenzten Auf- trag. Es ist wichtig, das zu wissen. Sie sind verfügbar Ich möchte zum Schluß noch einmal an das Bemü- für den Schutz und die Unterstützung des Einsatzver- hen um Konsens appellieren. Wir stehen vor einer bandes. schwierigen und wichtigen Entscheidung, und jeder einzelne Abgeordnete trägt große Verantwortung für Wenn Herr Scharping die Luftschläge kritisiert hat, die Handlungsfähigkeit unseres Landes im interna- die Airstrikes, so kann ich ihm darin weitgehend fol- tionalen Verbund, für die Handlungsfähigkeit der gen. Ich habe das in der Vergangenheit auch immer UNO in Bosnien-Herzegowina. Hier geht es auch um kritisiert. An solchen Vergeltungsschlägen, die häu- das Schicksal der Weltgemeinschaft. Man kann es fig auch noch gegen symbolische Ziele gerichtet wa- sich nur einmal erlauben, daß im internationalen ren, was dann zu einer Eskalation geführt hat, wer- Fernsehen angekettete UNO-Soldaten gezeigt wer- den wir uns nicht beteiligen. den. Wenn wir so etwas zuließen, würde das die Au- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) torität der Weltgemeinschaft zerstören. Außerdem geht es vor allem um die Hilfe für die notleidenden Deswegen sage ich noch einmal - und der Be- Menschen in Bosnien und um die Sicherheit der schluß des Bundesvorstandes ist erfolgt, bevor die Blauhelme dort. Bundesregierung ganz konkret die Mission hier be- schrieben hat -: Wir sind verfügbar für den Schutz Vor allem tragen wir Verantwortung für unsere und die Unterstützung des Einsatzverbandes, und Soldaten, die wir jetzt in den Einsatz schicken. Ich ich finde, Schutz und Eskalation schließen sich aus. möchte Sie alle bitten, an der Seite der Soldaten und ihrer Familien zu stehen. Der Einsatz ist nicht ohne Wann würden unsere Flugzeuge eingesetzt? - Sie Risiko. Unsere Soldaten wissen das, aber sie sind be- werden nur dann eingesetzt, wenn es auf dem Boden reit, Menschen zu helfen und ihren verbündeten Ka- eine Aggression gibt, nämlich einen Angriff auf Blau- meraden zur Seite zu stehen. Ich denke, deswegen helm-Truppen, und wenn die örtlichen UN-Komman- können sie auch mit Fug und Recht erwarten, daß deure dann die schnelle Eingreiftruppe einschließ- wir hinter ihnen stehen, daß sich der Deutsche Bun- lich eines Schutzes aus der Luft anfordern. destag heute mit möglichst großer Mehrheit und mit Was würden unsere Flugzeuge dann machen? Sie Solidarität hinter diesen wichtigen deutschen Beitrag würden die Jagdflugzeuge und die Jagdbomber an- zu Frieden, Humanität und Sicherheit stellt. Darum derer Nationen schützen, die zum Schutz der Blau- möchte ich Sie noch einmal sehr herzlich bitten. helme auf dem Boden angefordert werden. Vielen Dank. Damit ist glasklar: Es muß eine Aggression auf (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU - Bei dem Boden vorausgehen, bevor es zum Einsatz die- fall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten ser Flugzeuge kommt. Deswegen ist es wirklich un- der SPD) sinnig zu sagen: Wer den Frieden auf dem Boden will, darf nicht den Krieg in der Luft führen. Vizepräsident Hans Klein: Kollege Gernot Erler, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Sie haben das Wort. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4001

Gernot Erler (SPD): Herr Präsident! Liebe Kollegin- Durchsetzungsfähigkeit, Bestrafung. Nicht das Zwei- nen und Kollegen! Der Deutsche Bundestag ent- Schlüssel-System zwischen UN und NATO stellt das scheidet heute darüber, ob 50 Jahre nach dem Ende eigentliche Problem dar, sondern die prekäre Kon- des Zweiten Weltkrieges Bundeswehreinheiten in kurrenz zwischen diesen beiden so unterschiedli- ein Land geschickt werden sollen, in dem die Erinne- chen Philosophien. Wir haben erleben müssen, daß rung an Hunderttausende von Opfern aus der Zeit eine Überdosierung des Teils der militärischen Reak- der Nazi-Okkupation noch wach ist. Für die Ent- tion sofort und regelmäßig das ganze „peace kee- scheidung, dies zu tun, kann es nur eine einzige Er- ping" in Gefahr bringt. klärung und Rechtfertigung geben: die Notwendig- In der Vergangenheit haben nicht die Maßnahmen keit und den dringlichen Wunsch, zu helfen, zu hel- zur unmittelbaren militärischen Abwürgung einer fen bei der Beendigung eines nicht enden wollenden Provokation Krisen des UN-Mandats in Bosnien ver- erbarmungslosen Krieges, der täglich neue und meist ursacht - Rudolf Scharping hat darauf hingewiesen -, rt. wehrlose Opfer forde sondern Luftschläge, besonders wenn sie sich gegen Eine Empfehlung, nicht hinzuschauen, nicht über an der Provokation gar nicht beteiligte strategische Hilfsmaßnahmen zu entscheiden, hat es nicht gege- Ziele richteten. ben. Eine solche Empfehlung kann es auch nicht ge- Nüchtern bilanziert z. B. Henry Kissinger die Mai- ben angesichts der Tatsache, daß dieser Krieg nicht Ereignisse, als die NATO nach einem Waffenraub der etwa vor unserer Tür, sondern mitten in unserem eu- Serben zur Strafe Depots anderswo, nämlich in Pale, ropäischen Haus stattfindet und wir über die geogra- bombardierte und die Serben dann mit der Geisel- phische Betroffenheit hinaus gemeinsam eine politi- nahme reagierten, mit folgenden Worten- ich zitiere -: sche Mitverantwortung für seine Entstehung tragen. Es war die über viele Monate von der amerikani- Seit drei Jahren versucht die internationale Ge- schen Regierung gegebene Empfehlung, den meinschaft mit Schutzkräften der Vereinten Natio- Umfang der westlichen Luftangriffe auszuwei- nen, die abgekürzt UNPROFOR heißen und den ten, die die UNO-Truppen überhaupt erst in Ge- blauen Helm tragen, die Versorgung der betroffenen fahr brachte. Menschen in Bosnien aufrechtzuerhalten, Men- schenrechtsverletzungen zu verhindern und Frie- Das ist ein interessanter Gegensatz zu dem, was Ver- densvorschläge abzusichern. Blauhelme können kei- teidigungsminister Rühe eben gesagt hat, nämlich nen Frieden erzwingen. Ihre Philosophie heißt, als daß die Beschützer nicht zur Eskalation beitrügen. Es Schützer selber verletzlich zu bleiben, gerade da- gibt schon eine Eskalation, die in dieser komplizier- durch Vertrauen zu gewinnen und als unparteilicher ten Konstruktion zwischen UN und NATO ihren Ur- Mittler die Kommunikation zwischen den Konflikt- sprung hat. parteien wiederherzustellen, um dadurch eine Tür für Friedenslösungen zu öffnen. Voraussetzung dafür Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Erler, die ist eine grundsätzliche Bereitschaft der Konfliktpar- Kollegin Beck würde Ihnen gerne eine Zwischen- teien, eine solche Hilfe auch anzunehmen. frage stellen. In Bosnien mußten wir mit ansehen, wie sich diese Bereitschaft - übrigens bei allen Konfliktparteien, Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nicht nur bei den Serben - Schritt für Schritt auflöste. NEN): Herr Kollege Erler, würden Sie bitte zur Humanitäre Hilfe wurde immer häufiger von densel- Kenntnis nehmen - Sie haben das nicht erwähnt -, ben Akteuren abgezweigt und mißbraucht, die daß es vor gut einem Jahr, als die NATO nach dem gleichzeitig der UNPROFOR Parteinahme vorwarf en. großen Massaker auf dem Marktplatz das Ultimatum gegenüber den Karadži -Truppen, die Beschießung Eigentlich hätte die Weltgemeinschaft als Konse- ć von Sarajevo aufzugeben, ausgesprochen hatte, tat- quenz alle Schutztruppen mit dem blauen Helm un- sächlich Monate und Wochen gab, in denen man in verzüglich abziehen müssen. Aber hinter diesem Sarajevo wieder auf der Straße sitzen konnte, in de- „eigentlich" verbirgt sich die Tragödie von Hundert- nen man geschützt war, wenn man Wasser holen tausenden von Menschen, die nach einem solchen wollte, und daß es nicht stimmt, daß eine feste Hal- Abzug noch schutzloser als bisher Hunger, Mord und tung von NATO und UNO jedesmal zu einer Vertreibung ausgesetzt wären. Deswegen wurde bis Eskalation geführt hat? heute diese eigentlich notwendige Konsequenz, nämlich die Beendigung des UNPROFOR-Mandats, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- nicht gezogen. Wir versuchen wegen der nicht hin- SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und nehmbaren Folgen für die betroffenen Menschen der SPD) noch immer, diesen Abzug zu vermeiden. Das ist der Kern unserer heutigen Debatte. Gernot Erler (SPD): Frau Kollegin Beck, meines Er- Bei den Versuchen, den Blauhelm-Abzug zu ver- achtens verwechseln Sie eine feste Haltung mit Luft- meiden, hat sich allerdings methodisch eine höchst schlägen gegen Einheiten, die gar nicht an den Ver- labile Gratwanderung ergeben. Neben der humani- brechen und Provokationen beteiligt sind. tären Kapazität des „peace keeping" wurde eine (Beifall bei Abgeordneten der SPD) zweite Kapazität militärischer Reaktionsfähigkeit aufgebaut, bereitgestellt von der NATO. Diese paral- Eine feste Haltung kann durchaus bedeuten, sich zu lele Kapazität gehorcht einer völlig anderen Philoso- wehren, darf aber nicht bedeuten, anderswo Luft- phie mit den Elementen Abschreckung, militärische schläge durchzuführen. 4002 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Gernot Erler Gerade dieses Beispiel zeigt, wie zerbrechlich die einen deutschen Beitrag zu diesem von Widersprü- Chance ist, im bosnischen Krieg mit der UNPROFOR chen geradezu geschüttelten Auftrag geht, sehen doch noch ein kleines Stück Schutz, humanitäre aber wegen der sonst noch aussichtsloser werdenden Hilfe und Friedensperspektive aufrechtzuerhalten. Situation der Betroffenen keine Alternative. Auf die Geiselnahme folgt jetzt die Entsendung der 12 500 Mann des schnellen Eingreifverbandes. Die Deshalb findet sich in unserer Entschließung ein Ja Widersprüche zwischen dem auf Konsens angewie- zu einer Unterstützung der UNPROFOR und der Ein- senen „peace keeping" und seiner robusten militäri- greifverbände, die diese schützen soll, durch Trans- schen Absicherung werden sich dadurch noch ver- porthilfen, Logistik und Lazaretteinrichtungen, alles- stärken. Das macht auch einen Teil unserer Sorgen Mittel, die wir als nicht provokative, als nicht die Es- aus. Wie werden die 12 500 Mann, die zwar unter kalation fördernde Unterstützung des UN-Mandats UNO-Flagge dort sind, aber in nationalen Uniformen in Bosnien betrachten. Ein eskalationsvermeidendes der Franzosen und der Briten antreten, denn reagie- Element sehen wir auch in der klaren quantitativen ren, wenn sie das Mandat der UNPROFOR einhalten, und zeitlichen Limitierung des deutschen Beitrags. d. h. zurückweichen müssen? Schafft das nicht Pre- Wir verstehen nicht, daß in dem Antrag der Bundes- stigeprobleme? Das ist eine gefährliche Eskalations- regierung jene wichtige Erfahrung aus den letzten möglichkeit, die wir sehen und wegen der wir auch Jahren keine Berücksichtigung findet, die da heißt, bei diesem Vorgang abwägen. daß man zu Beginn eines jeden militärischen Enga- gements auch verbindliche und plausible Aussagen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) über seine Beendigung treffen sollte. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Jeder humanitäre Erfolg dieses Maßnahmenge- ten der PDS) spanns hängt von der Behutsamkeit seiner Anwen- dung ab. Oder hat etwa der französische General de Die geplante Entsendung des ECR-Tornados stellt Lapresle, bis März dieses Jahres Oberkommandeur für uns dagegen eine ebenso unnötige wie gefährli- der UNPROFOR, nicht recht, wenn er feststellt, daß che Grenzüberschreitung dar. Diese Kampfflugzeuge der beste Weg, um Lebensmittel durchzubringen, im- eignen sich nicht - obwohl es immer wieder behaup- mer noch Verhandlungen vor Ort sind, und dann tet wird - zum unmittelbaren Schutz des Friedens- wörtlich anfügt: „Einen Konvoi kann man nur einmal mandats der UNPROFOR. Sie können eine Rolle nur durchkämpfen, aber danach nicht wieder"? in jenen anderen Szenarios spielen, deren negative Wirkungen von UN-Kommandeuren wiederholt be- Die SPD ist zusammen mit vielen anderen Sozial- schrieben wurden: wenn es nämlich um Luftschläge demokraten auf der ganzen Welt davon überzeugt, geht, deren Zusammenhang mit einer akuten Aus- daß die in mehreren Jahrzehnten entstandene Praxis einandersetzung oder Provokation an einem be- des UN-peace-keeping eine unerhört wertvolle Er- stimmten Ort nicht mehr erkennbar ist. fahrung darstellt, auf der wir weiter aufbauen müs- sen. Wir sind äußerst skeptisch gegenüber jedem Ich höre ja gern, was Herr Rühe eben wieder versi- Versuch, in komplizierten Konfliktsituationen den chert hat, was den Auftrag der ECR-Tornados in Bos- Frieden mit der Anwendung militärischer Gewalt er- nien betrifft. Aber mich wundert auf der anderen zwingen zu wollen. Was wir in den letzten Jahren mit Seite auch nicht, daß bereits gestern Überlegungen solchen Versuchen erlebt haben, bestärkt uns in die- aus der NATO bekannt wurden, mit den deutschen ser Überzeugung. Wir glauben auch nicht, daß ent- Tornados solche strategischen Schläge gegen die in schlossenes Handeln erst dort anfängt - auch das ist letzter Zeit verstärkte serbische Luftabwehr zu füh- wieder an Kollegin Beck gerichtet -, wo man sich auf ren. Dazu sind sie nämlich tatsächlich auch geeignet. die Überzeugungskraft überlegener Waffentechnik (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt ein- stützt. Auf jeden Fall empfinden wir aber tiefsten Re- spekt vor dem Mut jener Uniformierten mit dem fach nicht, was Sie da sagen! - Gegenruf von der SPD: Natürlich!) blauen Helm, die sich als bewußt Schwächere und Angreifbare zwischen die Konfliktparteien stellen, - Ich kann Ihnen die Meldung zeigen. um ihre gefährlichen humanitären und Friedensmis- sionen zu erfüllen. Wenn das Wirklichkeit wird, bleibt das humanitäre Mandat der UNPROFOR fast unausweichlich auf der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Strecke, für dessen Fortsetzung wir hier einen wirk- ten der PDS) samen Beitrag beschließen wollen. Die Sorge, daß genau dieser von niemandem gewollte Effekt von Wir glauben, daß die über 150 Opfer unter den Blau- dem deutschen Beitragsangebot ausgehen könnte, helmen in Bosnien auch für ein Prinzip gefallen sind, zwingt uns dazu, dem Antrag der Bundesregierung für das es keine Alternative gibt und das wir für das unsere Zustimmung zu versagen. Zusammenleben auf diesem Planeten noch dringend brauchen werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die Verantwortung dafür, daß sich dadurch der Gerade deshalb leiden wir an den Deformationen, parlamentarische Konsens nicht auf das ganze Spek- die dieses Friedensprinzip unter den spezifischen trum des vorgesehenen deutschen Beitrags in Bos- Umständen des bosnischen Konfliktes hinnehmen nien erstreckt, trägt allein die Bundesregierung. muß und die ich beschrieben habe. Deswegen zö- gern wir, deswegen wägen wir ab, wenn es jetzt um (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4003

Gernot Erler Ich muß sagen: Die Debatte hat das noch eher unter- Ich komme zum Schluß: Die Verantwortung von strichen. Herr Dr. Schäuble, wenn Sie hier sagen: „Es uns Parlamentariern für die Soldaten, die wir nach geht bei der Frage, einen Konsens in der deutschen Bosnien schicken, endet nicht mit dieser Debatte. Die Außenpolitik über einen solch gefährlichen Einsatz Kompliziertheit der Situation vor Ort und ihre Wider- zu finden, um ein schlichtes Ja oder Nein, um die di- sprüche, die Sorgen, die sich damit verbinden und gitale Entscheidung, ob dem Antrag zugestimmt die ich hier geschildert habe, mahnen uns zu beson- wird oder nicht", dann sagt das vielleicht darüber et- derer Aufmerksamkeit und Aktivität in den nächsten was aus, wie Sie Konsens in Ihrer Fraktion bilden. Wochen und Monaten. Dieses Verfahren ist aber ungeeignet, eine gemein- - same Außenpolitik zu formulieren. Vizepräsident Hans Klein: Ihre Redezeit ist been- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne det, Herr Kollege. ten der PDS) Gernot Erler (SPD): Ich gehe davon aus, daß wir Das meistgebrauchte Wo rt in dieser Debatte ist das uns über das Ausmaß dieser Verantwortung einig Wort „Solidarität" gewesen, Solidarität mit den sind. Bündnispartnern, partnerschaftliches Verhalten. Ich kann es als Sozialdemokrat sehr begrüßen, wenn Sie Ich danke Ihnen. hier ständig die Grundwerte der Sozialdemokratie zi- (Beifall bei der SPD) tieren.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Kol- lege Gerd Poppe. Aber Sie haben ein ganz seltsames Verständnis von Solidarität gezeigt. Sie nehmen nicht zur Kenntnis, Gerd Poppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr daß die anderen Bündnispartner sehr wohl solida- Präsident! Meine Damen und Herren! Für meine risch sind und trotzdem selber entscheiden, welchen heutige Entscheidung sind vor allem zwei Probleme Beitrag sie leisten. ausschlaggebend: zum einen - Kollege Duve hat ein- dringlich davon gesprochen - die katastrophale Lage (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Wir ent der bosnischen Zivilbevölkerung und zum anderen scheiden doch auch selber!) die gegenwärtige Schwäche der Blauhelme in Bos- nien und der Vereinten Nationen insgesamt. Welcher französische Politiker, welcher englische Politiker hat nach der Geiselnahme die Bundesregie- Europa und besonders die Vereinten Nationen ha- rung gefragt, ob sie diese Eingreiftruppe schicken ben nach mehr als drei Jahren Krieg in Bosnien zu- sollen? Sie haben auch nicht die UNO gefragt; das ist nehmend an Ansehen verloren. Das liegt nicht nur erst hinterher passiert. Oder wie bewe rten Sie die an den für ihre neuen Aufgaben unzureichenden Äußerungen von Herrn Dole und Herrn Gingrich, die Mechanismen und Entscheidungsstrukturen, son- in einem Brief vom 15. Juni an den amerikanischen dern es ist vor allem ein Problem unterschiedlicher Präsidenten erklärt haben, sie hielten das ganze Interessen und des mangelnden politischen Willens Mandat der UNO in Bosnien für verfehlt und für ei- einiger ihrer einflußreichen Mitgliedstaaten. nen „costly failure"? Immer deutlicher zeigt sich, daß herkömmliche Peace-keeping-Operationen nur wenig zur Lösung Ich habe niemanden gehört, der gesagt hätte: Jetzt von gewaltsam ausgetragenen Konflikten beitragen werden die Amerikaner aber mit dem westlichen können, wenn eine Seite weder Verhandlungsbereit- Bündnis unsolidarisch. Jeder macht das, was er als schaft zeigt noch vereinbarte Waffenstillstände ein- seinen Beitrag für richtig hält. Jetzt werden vielleicht hält. Ein Frieden, den es nicht gibt, kann nicht erhal- Dollar fließen. Das ist keine Frage der Bündnissolida- ten werden. Neutralität wird fragwürdig, wenn sie rität - und schon gar nicht, wenn wir in Wirklichkeit dem Aggressor hilft, seine Eroberungen zu sichern. bereit wären, 90 % dessen, was zur Debatte steht, zu akzeptieren, jedenfalls was die Mittel angeht, nur (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) das eine nicht, und das aus den Gründen, die ich ge- Äquidistanz zu Tätern und Opfern ist für die Opfer schildert habe. Wollen Sie damit etwa sagen, daß das unerträglich. eine Bündnisfrage, eine Solidaritätsfrage ist, die man von einem einzigen militärischen Mittel abhängig (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU macht? Vielleicht gibt es hier ja einmal eine Fraktion, und der SPD - Freimut Duve [SPD]: Sehr die Sie in die Ecke stellen und die fordern wird: gut!) „Schicken wir doch auch noch unsere 24 MiG 29 Wer mit Granaten auf Kinderspielplätze, Marktplätze dorthin" und die dann sagen wird: Wenn Sie dem und Krankenhäuser schießt, gehört vor den Strafge- nicht zustimmen, sind Sie unsolidarisch.- Es ist eine richtshof und nicht an den Verhandlungstisch. unseriöse Argumentationsweise, uns immer zu unter- stellen, daß die Frage unserer Partnerschaftsfähig- (Beifall im ganzen Hause) keit von diesem einen Mittel abhängt. Eine unabdingbare Voraussetzung für sinnvolle Ver- handlungen ist die Beendigung der systematischen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Terroranschläge. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) 4004 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Gerd Poppe Dennoch - trotz der bisherigen Mißerfolge - muß Ansehensverlust der Vereinten Nationen entgegen- weiter nach politischen Lösungen gesucht werden. wirken. Dazu gehört auch, daß die reichen und ein- Trotz aller Fehlschläge der bisherigen UN-Mission flußreichen Staaten sich gemeinsam an den wichti- muß diese fortgesetzt werden. gen UN-Missionen beteiligen. Die Hoffnungen, durch schnelle Eingreiftruppen Daß Ausnahmeregelungen für Deutschland aus eine Stabilisierung von UNPROFOR sowie im gün- den Zeiten des Kalten Krieges inzwischen ihre Be- stigsten Falle ein Abflauen der Kämpfe und neue rechtigung verloren haben, dürfte keinem Zweifel Chancen für eine politische Lösung zu erreichen, unterliegen. Deutsche Zurückhaltung ist dennoch- sind zwar nicht sehr groß. Da aber eine Mandatsver- geboten. Sie ist uns nach dem Urteil des Bundesver- änderung, die den Schutz der Zivilbevölkerung und fassungsgerichts auch auferlegt. Zurückhaltung ist die Sicherung der humanitären Hilfe ermöglicht, im selbstverständlich gerade im Fall des ehemaligen Ju- Sicherheitsrat nicht erreichbar ist, bleibt die einzige goslawien auf Grund unserer historischen Belastung Alternative zum Abzug die Verstärkung und der erforderlich. Schutz von UNPROFOR. Wer aber von einem Eintritt Deutschlands in einen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, Balkankrieg spricht oder gar Analogieschlüsse zwi- der SPD und der F.D.P.) schen Nazi-Deutschland und der Bundesrepublik zieht, hat entweder den Sinn von UN-Peace-keeping Die Skepsis der Bevölkerung und der Regierung nicht begriffen, oder er betreibt pure Demagogie. von Bosnien-Herzegowina ist berechtigt. Die von Ag- gression und Terror betroffenen Menschen sind von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Europa, der NATO und der UN tief enttäuscht. Ihnen der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Ab erscheint es geradezu zynisch, wenn nun wieder nur geordneten der SPD) von einem Einsatz die Rede ist, der allenfalls den Sta- Denn heute geht es nicht um Eroberung und Unter- tus quo festigt. werfung durch deutsche Soldaten, sondern um Hilfe Eine Mandatserweiterung für einen besseren für die Opfer einer Aggression. Schutz der Zivilbevölkerung gibt es nicht; es wird (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS nicht einmal das bestehende Mandat ausgeschöpft. SES 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU Allerdings sind hierfür nicht die Blauhelme vor Ort und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der verantwortlich zu machen. SPD - Zuruf von der CDU/CSU: Sehr rich Wer wie ich die Gelegenheit hatte, die Tätigkeit tig! Genau!) der Blauhelme in Sarajevo und anderen Teilen Bos- Eine deutsche Sonderrolle aufrechtzuerhalten nien-Herzegowinas zu beobachten, wird schnell fest- wäre gefährlich und würde vor allem Renationalisie- gestellt haben, daß sie sich an humanitären Aktionen rungstendenzen Vorschub leisten. Wenn die Staaten- beteiligen, daß sie verbliebene Reste der Infrastruk- gemeinschaft in Bosnien endgültig scheitert, werden tur sowie Kommunikations- und Transportwege si- manche Staaten zu einer vorrangig nationalstaatli- chern und daß sie eine aufopferungsvolle und unver- chen Interessenpolitik zurückkehren. Chiracs Ent- zichtbare Arbeit leisten. scheidung zur Wiederaufnahme der Atomwaffenver- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, suche ist ein Alarmsignal. der SPD und der F.D.P.) Meine Damen und Herren, in vielen Bereichen ist Inzwischen stellt der bosnische Außenminister die die Politik der EU und auch die der Bundesregie- Mandatsverlängerung über den 30. November 1995 rung gegenüber Ex-Jugoslawien zu kritisieren. Völ- hinaus in Frage. Was aber wäre die Folge eines sol- lig unzureichend ist z. B. die Durchsetzung des Em- chen Abzugs? Die bosnischen Enklaven wären noch bargos gegenüber Rest-Jugoslawien; darüber wurde stärker gefährdet als jetzt, vielfacher Mord und neue heute mehrfach gesprochen. Massenvertreibungen wären die mögliche Folge. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das Waffenembargo müßte unter Inkaufnahme un- absehbarer Folgen für die weitere Entwicklung des Wann endlich kommt die überfällige Initiative, die Krieges aufgehoben werden. Anrainerstaaten, die Milliardenverluste erleiden, zu unterstützen? Wann endlich begreift die Bundesre- So sollte trotz aller Skepsis in erster Linie der Ver- gierung, daß Desertion aus einer faschistischen Ar- bleib von UNPROFOR gesichert werden. Allerdings mee oder einer Aggressionsarmee nichts Ehrenrühri- wäre es unverantwo rtlich, einerseits den Verbleib zu ges ist? fordern, andererseits den notwendigen Schutz zu verweigern. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, PDS) der SPD und der F.D.P.) Auch im Bereich der humanitären Hilfe und der Wer darüber hinaus wünscht, daß die internatio- Hilfe für den Wiederaufbau bleibt noch viel zu tun. nale Staatengemeinschaft endlich zu einem abge- Einige Vorschläge haben wir in zwei Anträgen for- stimmten und geschlossenen Handeln fähig wird, muliert. Ich begrüße es sehr, daß darüber im Auswär- klare Aufgabenstellungen formuliert und die eige- tigen Ausschuß ein Konsens aller Fraktionen erreicht nen Resolutionen durchsetzt, muß dem entstandenen wurde. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4005

Gerd Poppe Den von der Bundesregierung heute vorgelegten Vizepräsident Hans Klein: Kollege Günther Nol- Antrag muß man nicht unbedingt für besonders ge- ting, Sie haben das Wort . lungen halten. Er ist stellenweise unkonkret und läßt viele Fragen offen, die man allerdings zum Teil an die Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit weiter- Günther Friedrich Nolting (F.D.P.): Herr Präsident! geben muß. Meine Damen und Herren! Wir führen heute eine lange und intensive Debatte über die deutsche Betei- Wie sich den Reaktionen aus den UNPROFOR ligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Un- Standorten in Bosnien entnehmen läßt, gibt es auch terstützung des schnellen Einsatzverbandes im frü-- dort noch immer große Unsicherheit über die eigent- heren Jugoslawien. liche Aufgabenstellung der schnellen Eingreif- truppe. Niemand ist in der Lage auszuschließen, daß Diese Debatte - so stellt es sich mir dar - ist bisher es sich vielleicht doch nur um die Vorbereitung des weitgehend fair und sachlich geführt worden. Ich Abzugs handele. Im Antrag der Bundesregierung denke, diese Sachlichkeit ist dem Thema angemes- bleibt der Begriff der Umgruppierung völlig ver- sen. Niemand trifft heute leichtfertig eine Entschei- schwommen. Trotz aller gegenteiligen Bekundungen dung: weder die, die dem Antrag der Bundesregie- gehen viele Sachverständige davon aus, daß die so- rung heute zustimmen werden, noch die, die ihm genannten Sicherheitszonen doch aufgegeben wer- nicht zustimmen werden. den sollen. Wir alle, die wir zustimmen oder die wir nicht zu- (Bundesminister Dr. Klaus Kinkel: Nein!) stimmen, müssen uns allerdings unserer Verantwor- - Sie sagen nein, garantieren können Sie dies aber tung bewußt sein. Ich habe Respekt vor denen - ich nicht, Herr Kinkel. schließe mich dem an, was auch der Kollege Irmer schon gesagt hat -, die nicht zustimmen. Ich erwarte Es ist sicher richtig, daß für eine Abzugsvariante allerdings auch, daß diejenigen, die heute zustim- Vorbereitungen zu treffen sind, auch dann, wenn men, denselben Respekt erfahren. niemand den Abzug wünscht. Dies nicht zu tun wäre unverantwortlich. Warum aber strebt die Bundesre- Meine Damen und Herren, niemand von uns will gierung einen Vorratsbeschluß für gänzlich unter- Krieg. Wir alle wollen Krieg verhindern. Deshalb schiedliche Optionen an, anstatt sich auf eine poli- messen wir der Tätigkeit der UN-Friedenstruppen im tisch eindeutige Aussage für den Verbleib von UN- ehemaligen Jugoslawien hohe politische und huma- PROFOR zu beschränken? nitäre Bedeutung bei. Wir sind uns mit unseren Pa rt -nern einig, daß ein Abzug der UN-Friedenstruppen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) unbedingt verhindert werden muß. Wir wollen so Ich halte die Solidarität mit den Bündnispartnern dem Friedensprozeß eine Chance geben, denn wir - davon ist heute oft die Rede gewesen - für wichtig. alle wissen, daß es letztlich nur eine politische Lö- Sie darf aber nicht mit dem Verlust der Solidarität mit sung geben kann. einem leidenden Volk einhergehen. Meine Damen und Herren, schon heute beteiligen Nach den Gesprächen mit unseren bosnischen sich unsere Soldaten an humanitären Hilfsleistun- Freunden kann ich deren Verbitterung gut verste- gen. Ich erinnere an die Versorgungsflüge für die Be- hen. In ihren Augen haben wir unsere Glaubwürdig- völkerung. Diese Soldaten sind schon jetzt Gefahren keit verloren. Wenn wir sie wiedererlangen wollen, ausgesetzt, wie auch die vielen tausend Soldaten un- müssen wir jede Aktion auf ihre Bedeutung für die serer Partnerstaaten. Wir wollen helfen, weil wir so bosnische Zivilbevölkerung überprüfen. Das ist auch der Bevölkerung im ehemaligen Jugoslawien wichtiger als die innenpolitische Debatte und auch helfen können. wichtiger als die Bündnissolidarität. Vielleicht bieten die Aktionen der Eingreifverbände eine letzte Meine Damen und Herren, wegen der erhöhten Chance, um dem bosnischen Volk tatsächlich zu hel- Anstrengungen unserer Bündnispartner bei der Un- fen. Das ist nicht auszuschließen. Andererseits kann terstützung der UN-Mission im ehemaligen Jugosla- ich die letzten Zweifel daran nicht ausräumen. wien und auch aus Gründen der Bündnissolidarität wollen wir Beiträge leisten, die über das bisher Ge- Dennoch habe ich mich nach reiflicher Überlegung leistete hinausgehen. Wir wollen uns beteiligen, und wie auch einige meiner Kolleginnen und Kollegen zwar nicht, Herr Kollege Erler, weil wir dazu aufge- dafür entschieden, ein anderes Votum als die Mehr- fordert werden, wie Sie es dargestellt haben, sondern heit unserer Fraktion abzugeben und dem Antrag weil dies unser politischer Wille ist. der Bundesregierung zuzustimmen. (Beifall bei der F.D.P.) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Den Angehörigen der Bundeswehr, die sich an die- Meine Damen und Herren, wenn die Bundesrepu- ser Mission beteiligen werden, wünsche ich Beson- blik Deutschland durch die Zustimmung des Bundes- nenheit und Glück, vor allem aber eine gesunde tages Streitkräfte einsetzt, tut sie dies vorrangig, weil Rückkehr. es deutschen Interessen entspricht. In diesem Fall ist es vorrangiges Interesse unseres Landes und Volkes, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS daß sich der Krieg auf dem Balkan nicht ausweitet, SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie sondern begrenzt und eine politische Lösung erreicht bei der CDU/CSU und der F.D.P.) wird. 4006 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Günther Friedrich Nolting Die einzige, wenn auch heute klein erscheinende teien stelle. Jedenfalls ist die CSU eine Partei, die die Chance, eine Kriegsausweitung zu verhindern, liegt Tradition des deutschen Konservativismus für sich in im weiteren Engagement der UNO. Die UNO be- Anspruch nimmt. Dann gehört zu Ihrem historischen dient sich dazu in erheblichem Maße europäischer Erbe allerdings auch, daß Sie anerkennen, daß die Mittel, was natürlich ist, weil es sich um ein europä- deutschen konservativen Parteien vor 1914 und zwi- isches Problem handelt, zu dessen Lösung vor allem schen 1919 und 1933 militaristisch gewesen sind. die Europäer im Rahmen der UNO beitragen sollten. Wir sind somit in mehrfacher Hinsicht gefordert - als (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Deutsche, als Europäer, als Mitglied der Weltgemein- Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE - schaft. GRÜNEN - Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/ CSU]: Unglaublich! - Widerspruch bei der Ich bitte Sie deshalb alle, gerade auch die Kolle- CDU/CSU) ginnen und Kollegen aus der Opposition: Stimmen Sie dem Antrag der Bundesregierung zu! Geben Sie - Es ist die unbestreitbare historische Wahrheit: Die diesem Antrag eine breite Unterstützung! Dies ist deutschen konservativen Parteien haben den Einsatz auch im Interesse der Soldaten, die im ehemaligen militärischer Mittel als normalen Ausdruck der Au- Jugoslawien eingesetzt werden. ßenpolitik betrachtet. Das hat Deutschland zweimal mit ins Unglück gestürzt. Ich habe davon nichts zu- Vielen Dank. rückzunehmen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Vizepräsident Hans Klein: Zu einer Kurzinterven- GRÜNEN - Günther F riedrich Nolting tion erteile ich dem Kollegen Dr. Wolfgang Schäuble [F.D.P.]: Eine Unverschämtheit!) das Wort. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Dr. Waigel. Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Herr Präsi- dent! Meine Damen und Herren! Wir bemühen uns, diese Debatte mit dem notwendigen E Dr. Theodor Waigel (CDU/CSU): Herr Präsident! rnst zu führen. Ich darf Sie, Herr Verheugen, erstens darauf auf- Deswegen schlage ich vor, Herr Kollege Verheugen, merksam machen, daß die CSU 1945 neu gegründet daß wir gleich etwas in Ordnung bringen, was so worden ist - was einen Neubeginn nach dem Zwei- nicht stehenbleiben kann. ten Weltkrieg darstellt -, um ganz bewußt aus den Mir liegt das Protokoll Ihrer Rede vor, nach dem Fehlern der Vergangenheit zu lernen und zu einem Sie zu meinem Freund Michael Glos gesagt haben: Neubeginn der gemeinsamen Arbeit von evangeli- schen und katholischen Christen beizutragen. Es stünde besser um unser Land, um unser Anse- hen in der Welt, um das Sie so besorgt sind, wenn Zweitens verwahre ich mich gegen Ihre politische sich Ihre politischen Vorgänger, Herr Glos, häufi- Unverschämtheit, uns mit dem in Verbindung zu ger gefragt hätten, ob es richtig ist, militärische bringen, was durch Fehlentwicklungen von 1914, zu- Gewalt anzuwenden oder nicht. vor oder danach entstanden ist. Es ist eine unglaubli- che Verfälschung der Geschichte, die Sie hier vor- (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Heide nehmen. marie Wieczorek-Zeul [SPD]: So ist es!) (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und - Es ist schlimm, daß zu einem solchen Satz ge- der F.D.P.) klatscht wird. Es kann jedem passieren, einen solchen Satz zu sa- Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß das gleiche gen. Man kann ihn dann wieder zurücknehmen. was für führende SPD-Mitglieder gilt, die damals be- Dazu möchte ich Ihnen die Gelegenheit bieten, Herr reit waren, für ihre Überzeugung in die Konzentrati- Kollege Verheugen, indem ich Sie darum bitte. onslager zu gehen, auch für Männer wie Alois Rund- hammer, Josef Müller, Fürst von Fugger, Adam Ste- gerwald und andere gilt. Vizepräsident Hans Klein: Bitte, Herr Kollege Ver- heugen. Ich weise Ihre Zusammenstellung und Ihre Verbin- dung als persönliche und politische Unverschämtheit zurück. Günter Verheugen (SPD): Herr Kollege Schäuble, meine Damen und Herren, ich kann Ihnen den Gefal- (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und len nicht tun, etwas zurückzunehmen oder - wie Sie der F.D.P.) sagen - klarzustellen. Ich habe das nach einer un- glaublichen Entgleisung des Kollegen Glos gesagt, die ich hier noch einmal in Erinnerung rufen muß. Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat die Kolle- gin Andrea Lederer. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten der PDS) (Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Das ma- chen Sie mit uns kein zweites Mal, Herr Ich glaube nicht, daß ich dem Vorsitzenden der Lan Verheugen! - Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/ desgruppe der CSU Unrecht tue, wenn ich ihn in CSU]: Das sind geborene Verräter! Etwas eine Tradition mit den deutschen konservativen Par Mieseres habe ich selten erlebt! Pfui Teufel! Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4007

Vizepräsident Hans Klein - Gernot Erler [SPD]: Wie es in den Wald Ich möchte noch einmal auf die Rede des Außenmi- hineinruft, so schallt es heraus! - nisters Kinkel zurückkommen, der heute in dankens- Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Erst werter Offenheit die sicherheitspolitische Entwick- von Gemeinsamkeit reden und dann so ver lung der Bundesrepublik nachgezeichnet hat. Er hat leumden! - Glocke des Präsidenten) eine Linie von der Wiederbewaffnung der Bundesre- publik über den NATO-Beitritt bis zur Nachrüstung Ich sagte: Das Wo rt hat die Kollegin Andrea Lederer. gezogen und die heute zu treffende Entscheidung in diesen Kontext gestellt. Ich finde es bemerkenswe rt, (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ diese Linie aufzuzeichnen, wenn es fünf Jahre nach- DIE GRÜNEN]: Herr Präsident, wenn der der deutschen Einheit und wenige Jahre nach der Begriff „geborener Verräter" ungerügt Wiedergewinnung der Souveränität dieses Landes bleibt - -) darum geht, erneut militärische Mittel zum Mittel der - Sie können sich zu Wo rt melden. Den Ablauf dieser Außenpolitik zu machen. Sitzung, Herr Fischer, bestimmen nicht Sie. Das Wo rt Wenn Sie, Herr Außenminister, sich einerseits eine hat die Kollegin Andrea Lederer. Bitte, Frau Kollegin. leise Debatte wünschen, es gleichzeitig wagen, den (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Satz „Nur Zaudern und Zögern hilft nicht" auszu- sprechen, und in diesem Kontext auch noch von dem Wahren des Ansehens der Bundesrepublik in der Andrea Lederer (PDS): Herr Präsident! Liebe Kolle- Welt sprechen, dann jagt dies mir und vielen Men- ginnen und Kollegen! Ich glaube, wir bekommen schen in diesem Lande einen Schauer über den Rük- hier gerade ein eindrucksvolles Beispiel vorgeführt, ken. Ich gehe davon aus, daß diejenigen, die die Ap- wie kompliziert die Auseinandersetzung mit der Ge- pelle von Herrn Nachtwei unterzeichnet haben, ähn- schichte ist. lich empfinden. (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne (Beifall bei der PDS) ten der SPD - Günter Verheugen [SPD]: Das gleiche gilt für die Bemerkung des Verteidi- Wer war das? - Norbe rt Gansel [SPD]: Herr gungsministers, der hier mal eben sagen kann, es Schäuble, haben Sie das gesagt?) gelte, militärisch abzusichern, was wir politisch wol- Ich möchte darum bitten, obwohl ich diese A rt der len. Mein Gott, in welcher Situation ist denn dieses Auseinandersetzung für sehr wichtig halte und Land, daß es darum geht, etwas militärisch abzusi- meine, daß man zu geschichtlichen Wahrheiten ste- chern, was wir politisch wollen? Wollen wir eigent- hen muß, daß wir zum Thema zurückkommen. lich nur etwas militärisch durchsetzen? Wo sind hier Politik und Vernunft abgeblieben? Ich möchte zu Beginn drei kurze Anmerkungen (Beifall bei der PDS) zur Rede des Kollegen Poppe machen. Sie, Herr Kinkel, haben gesagt, die Ablehnung des Erstens. Herr Kollege Poppe, das verlorene Anse- Antrages der Bundesregierung hinsichtlich eines hen der UNO ist wahrlich nicht zwingend durch Einsatzes der Bundeswehr bereite den Boden für die deutsche Soldaten wiederherzuste llen, Renationalisierung der Sicherheitspolitik. Herr Schäuble hat für den Fall der Verweigerung der Zu- (Beifall bei der PDS) stimmung ein nachhaltiges Ausscheren der deut- sondern hierfür ist eine grundlegende, tiefgreifende schen Sicherheitspolitik aus europäischen Zusam- Reform der UNO, eine Definition ihrer Aufgaben und menhängen prognostiziert. Eine Renationalisierung ihre Demokratisierung erforderlich. der Sicherheitspolitik kann man doch nur dann be- haupten, wenn man meint, daß die einzige Alterna- (Beifall bei der PDS) tive zum Ja deutscher Militarismus pur sei. Sollte das von Ihnen so gemeint sein, dann sprechen Sie es Zweitens. Ich bin sehr wohl der Meinung, daß Ver- auch aus! Wir sehen ganz andere Alternativen, und brecher verfolgt werden müssen, die Granaten auf Sie wissen auch, daß es sie gibt. Ihnen mangelt es am Krankenhäuser und auf Marktplätze schießen und politischen Willen dazu. Menschen töten und verletzen, die Wasser holen wol- len. Aber dann teilen Sie bitte der Bundesregierung, Das Fatale der Entwicklung seit 1989/90 ist das deren Antrag Sie heute zustimmen wollen, mit, daß Versäumen einer riesigen Chance. Die Bundesrepu- sie gefälligst endlich freiwillig Mittel zur Verfügung blik, dieses mächtige Land, hätte die Chance gehabt, stellen soll, um den Internationalen Strafgerichtshof sich zum ersten Kriegsdienstverweigererstaat zu ent- zu finanzieren. wickeln und ihr Potential zur Konfliktursachenbe- kämpfung und zur friedlichen Konfliktbeilegung etc. (Beifall bei der PDS) einzusetzen. 350 Millionen DM für die nächsten sechs Monate! Was könnte man mit diesem Geld ma- Drittens. Sie haben gesagt, der Regierungsantrag chen, wenn damit beispielsweise die Schäden für sei stellenweise unkonkret. Wir entscheiden heute diejenigen Länder, die am Embargo zu leiden haben, nicht über zwei Seiten, wir entscheiden heute über ausgeglichen würden, wenn die humanitäre Hilfe sechs Zeilen. Sechs Zeilen sind Gegenstand der Be- weiter vorangetrieben würde! schlußfassung; sie sind vom ersten bis zum letzten Wort unkonkret, ein Vorratsbeschluß und ein Blanko- scheck. Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin! 4008 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Andrea Lederer (PDS): Ich finde es zynisch, Herr Vizepräsident Hans Klein: Bitte, Herr Kollege Kollege Glos - - Schäuble.

Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin, Ihre Re- Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Herr Präsi- dezeit ist um ein großes Stück überschritten. dent! Meine Damen und Herren! Ich nehme den Zu- ruf „geborener Verräter" zurück. Andrea Lederer (PDS): Ich komme zum Schluß. - (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ich finde es nachgerade zynisch, hier davon zu re- DIE GRÜNEN) den, daß sich diejenigen, die nein sagen wollten, auf sozialen und wirtschaftlichen Errungenschaften in Herr Kollege Verheugen, ich würde mich gerne dafür diesem Lande ausruhen wollten, zumal Sie auf der entschuldigen unter der Voraussetzung, anderen Seite wissen, daß der einzige Weg zum Frie- den politische Verhandlungen und humanitäre Hilfe (Widerspruch bei der SPD) sind. daß Sie das gleiche tun, worum ich Sie ganz freund- lich gebeten hatte. Ich bleibe dabei: Wer diejenigen, Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin! die die Verantwortung für zwei Weltkriege in diesem Lande haben, zu Vorgängern von Michael Glos oder irgend jemandem aus der CDU/CSU erklärt, der zer- Andrea Lederer (PDS): Das ist mein letzter Satz, schneidet das Tischtuch in diesem Hause. Herr Präsident. (Widerspruch bei der SPD) Vizepräsident Hans Klein: Bitte, Frau Lederer! Deswegen habe ich Sie gebeten, das zurückzuneh- men. (PDS): Hätte sich das Bundesver- Andrea Lederer (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) fassungsgericht dazu durchgerungen, wenigstens eine Zweidrittelmehrheit - - Kollege Verheugen. (Das Rednermikrophon wird abgeschaltet - Vizepräsident Hans Klein: Beifall bei der PDS) Günther Verheugen (SPD): Kollege Schäuble, ich Vizepräsident Hans Klein: Zu einer Kurzinterven- bin in meinem ganzen Leben noch nicht so gekränkt tion erteile ich dem Kollegen Fischer das Wo rt. worden wie eben von Ihnen. (Widerspruch bei der CDU/CSU) Joseph Fischer (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Wir haben gerade eine Aber ich nehme die Entschuldigung an, weil ich ver- kurze Kontroverse über eine Äußerung des Kollegen mute, die Bemerkung ist in der Hitze einer Debatte Verheugen erlebt. Daß die Union darauf mit Empö- geschehen, in der auch ich eine sehr scharfe Bemer- kung gemacht habe. rung reagie rt, ist aus der Sicht der Union nachzuvoll- ziehen. Ich möchte das nicht bewerten, auch wenn Ich will dazu noch ein Wort sagen: Ich akzeptiere ich einiges dazu zu sagen hätte. voll und ganz, daß zur Tradition der Christlich Demo- (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Lieber kratischen Union und der Christlich-Sozialen Union nicht!) selbstverständlich auch deutscher Widerstand ge- hört. Aber ich habe nichts davon zurückzunehmen, Wenn Herr Kollege Glos in seiner Rede der SPD vor- daß zur Tradition Ihrer Parteien auch deutscher Kon- wirft, daß ihre Haltung „zynisch" und „menschen- servativismus gehört. verachtend" sei, dann ist das nachdrücklich zurück- zuweisen. Das zeigt ein Niveau der Debatte, das sie (Widerspruch bei der CDU/CSU) in den vorangegangenen Stunden nicht hatte. Verstehen Sie bitte diese Bemerkung als eine Reak- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tion auf eine Äußerung des Kollegen Glos, die uner- und bei der SPD) träglich war. Aber der Ruf, den ich auf dem Weg zur Bundesrats- (Beifall bei der SPD) bank vom Kollegen Schäuble gegenüber dem Kolle- gen Verheugen gehört habe, „geborener Verräter", Die ganze Debatte könnte ein Ende haben, wenn Herr Glos endlich das zurücknimmt, was er gesagt (Zurufe von der SPD: Pfui! - Unglaublich!) hat, vergiftet die Debatte in diesem Hause. Ich fordere (Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Das sind den Kollegen Schäuble auf, das zurückzunehmen zwei völlig verschiedene Dinge!) und sich dafür zu entschuldigen. nämlich es als „zynisch" und „menschenverachtend" (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu empfinden, wenn sich eine Partei weige rt, einfach und bei der SPD) ja zu sagen, wenn ein Einsatz beschlossen werden Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4009

Günter Verheugen soll, zu dem auch gehören kann, daß Menschen von Solange wir kein Differenzierungsvermögen in die- Raketen zerfetzt werden. sem Sinne zeigen, wird es schwierig sein, gerade bei solchen Fragen wie denen, die wir heute zu diskutie- (Beifall bei der SPD - Dr. Theodor Waigel ren haben, bei allen Unterschieden, die wir haben [CDU/CSU]: Wir übernehmen nicht die Ver- und haben müssen, das notwendige Maß an Gemein- antwortung für zwei Weltkriege!) samkeit zu wahren. Vorhin ist von vielen Kollegen meiner Fraktion und Vizepräsident Hans Klein: Kollege Glos. von der F.D.P., vom Bundesverteidigungsminister- und vom Außenminister gesagt worden, daß wir Michael Glos (CDU/CSU): Ich will, nachdem sich selbstverständlich die Entscheidung eines jeden Kol- Herr Fischer hier genötigt gesehen hat, die SPD zu legen respektieren. Das ist so selbstverständlich, daß verteidigen, gerne den Zusammenhang erläutern, in es sich normalerweise erübrigt, das zu sagen. Aber dem ich das gesagt habe. es ist wegen des Ernstes der Frage, die wir zu ent- scheiden haben, ausdrücklich gesagt worden. Man Erstens stand die Bemerkung im Kontext mit der muß doch bemüht sein, daß die Gemeinsamkeit er- Aussage von Herrn Duve, daß der SPD innerparteili- halten bleibt. cher Friede wichtiger ist als eine klare Entscheidung. In diesem Kontext habe ich zweitens gesagt: Wenn Ich will gleich eines hinzufügen: So sehr ich die innerparteilicher Friede wichtiger ist als Hilfe für be- Entscheidung derjenigen, die gegen den Antrag der drohte Menschen, dann ist das zynisch und men- Regierung stimmen werden, respektiere, so sehr schenverachtend. glaube ich doch, daß diejenigen aus Ihrer Fraktion, die dafür stimmen, unserem Land und auch Ihrer (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Partei den größeren Dienst erweisen werden. Es , Zurufe von der SPD: Pfui! - Hans Büttner kann doch keine Frage sein, daß die Verweigerung [Ingolstadt] [SPD]: Ein Verleumder sind Sie, Deutschlands an diesem Tag schwerwiegende Aus- sonst nichts!) wirkungen für das Ansehen unseres Landes und für Drittens gibt es überhaupt keine Rechtfertigung die Außenpolitik unseres Landes hätte. dafür, mich mit politischen Terroristen und mit Syste- (Beifall bei der CDU/CSU) men, deren Handlungen in der Geschichte einmalig waren, in eine Reihe zu stellen. Damit hat die CSU Wir sollten zum Kern der Sache reden und nicht zu nichts zu tun. allen möglichen Dingen, die heute zur Ablenkung (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - gesagt worden sind. Detlev von Larcher [SPD]: Und da redet ihr Ich will noch einmal das Thema Anerkennung auf- von „Tischtuch zerschneiden" ! Zuruf von werfen, über das hier verschiedentlich gesprochen der SPD: Heuchler! - Dr. Theodor Waigel wurde. Erstens ist es völlig richtig, was der Kollege [CDU/CSU]: Da hat einer „Heuchler" geru Irmer gesagt hat: Alle, bis auf den Kollegen Glotz, fen! Bitte klären Sie das doch! Sie sitzen haben in dieser Frage dieselbe Politik bet rieben. doch nahe dran, Herr Fischer! Sie sind doch Zweitens gehört es auch nicht zur Sache, festzustel- der Schiedsrichter! Sonst hören Sie doch al len, daß das Embargo nicht jene Wirkungen erzielt les! Sie haben doch gute Ohren! - Gegenruf hat, die wir uns alle versprochen haben. Das ist rich- des Abg. Joseph Fischer [Frankfu rt] tig. Richtig ist aber auch, darauf hinzuweisen, daß [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe die Durchsetzung eines Embargos einen großen mili- nichts gehört!) tärischen Aufwand erforderte.

Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile dem Kollegen Karl Lamers das Wort. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Lamers, die Kollegin Beck möchte Ihnen gern eine Zwischen- frage stellen. Karl Lamers (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist gewiß nicht leicht, nach diesem wenig erfreulichen Zwischenspiel zum Karl Lamers (CDU/CSU): Bitte sehr. Ernst der Sache zurückzukehren. Ich finde aber, wir sollten das dennoch gemeinsam versuchen. Deswe- gen, Herr Kollege Verheugen, sei nur ein Wo rt an Sie Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gerichtet. NEN): Herr Kollege Lamers, können Sie nachvollzie- hen, daß es bei allen, die sich mit der Entscheidung Natürlich stehen wir, die Christlichen Demokraten quälen, einen äußerst schalen Geschmack hinterläßt, und die Christlichen Sozialen, auch in der Tradition wenn hier vor allen Dingen die Frage des Ansehens des deutschen Konservativismus. Aber Sie haben Deutschlands in den Vordergrund geschoben wird das gleichgesetzt mit den militaristischen Zügen ei- und Hauptteil der Debatte nicht die Frage ist, wie nes Herrn Hugenberg, und in dieser Tradition stehen den Menschen in Bosnien in dieser verfahrenen Si- wir eben nicht. tuation geholfen werden kann? (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ordneten der F.D.P.) und bei der SPD) 4010 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Karl Lamers (CDU/CSU): Frau Kollegin Beck, ich Ein wichtiger Punkt scheint mir die Behauptung zu komme noch auf diese Frage zu sprechen. Wenn wir sein, die Teilnahme deutscher Soldaten führe zu ei- dem Ansehen Deutschlands und der Handlungsfä- ner Eskalation. Ich möchte Sie einmal fragen, wie higkeit Deutschlands Schaden zufügen, dann kön- wohl die Diskussion gewesen wäre, wenn die Geisel- nen wir den Menschen vor Ort auch nicht helfen. Das nahme, die wir alle als einen Akt des Terrorismus be- ist doch identisch. Aber ich komme noch darauf zu zeichnet haben, nach einer deutschen Beteiligung sprechen. der jetzt in Rede stehenden A rt erfolgt wäre. Dann hätten Sie das alles gesagt. Aber ich weise darauf (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Konstruk hin: Diese Geiselnahme ist eben vorher erfolgt. Ich- tives Gedankengut!) glaube nicht, daß es noch eine wesentliche Steige- rung des Terrorismus und der barbarischen A rt der Zur Frage des Embargos darf ich im übrigen daran Kriegführung geben kann, die dort stattfindet. erinnern, verehrte Kollegen von der SPD, daß Sie da- mals gegen eine deutsche Beteiligung bei der Durch- Vor allen Dingen möchte ich darauf hinweisen: setzung des Embargos durch die Adria-Aktion ge- Was meinen wir, wenn wir sagen, eine deutsche Teil- klagt haben. nahme dürfe nicht zu einer Eskalation führen? Wir sagen, es dürfe keine Gefährdung der UN-Truppen (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) geben, sondern im Gegenteil, sie müssen durch eine deutsche Beteiligung geschützt werden. Wir sagen Das ist doch wohl wirklich nicht besonders folgerich- das also im Interesse unserer Pa rtner, unserer Ver- tig. bündeten, derjenigen, die Truppen auf dem Boden stationiert haben. Ein weiterer Punkt, von dem ich finde, daß er über- haupt nur deswegen erwägenswert ist, weil er eine Nun ist aber niemand von diesen der Meinung, geistige Haltung zeigt, die der Verantwortung unse- daß eine deutsche Beteiligung zu einer solchen Eska- res Landes nicht gerecht wird: Es wird dauernd ge- lation führen würde. Ist es dann nicht naheliegend, fragt, ob wir denn gefragt worden sind. daß sie alle vermuten, es sei doch nur eine Ausrede, die wir allzugern benutzten, weil wir uns nicht ent- Nun ist mehrfach klargestellt worden, daß wir ge- scheiden könnten, weil wir vor dieser Entscheidung fragt worden sind. Aber ist die richtige Frage nicht Angst hätten? zunächst: Ist es richtig, ob wir uns beteiligen? Wäre Um all das geht es nach meiner Überzeugung es denn übrigens ein großer Schaden, wenn Deutsch- nicht. Was ist der Kern der Sache? Der Ke rn der Sa- land einmal einen Beitrag angeboten hätte? Das tun che ist, daß wir bei einem wahrscheinlich letzten Ver- die anderen ja auch. Die Franzosen, die Briten, die such helfen wollen, dem Mandat der Vereinten Na- Niederländer sind überhaupt nicht gefragt worden, tionen Geltung zu verschaffen. Wie es wäre, wenn ob sie eine schnelle Eingreiftruppe bilden wollen. Sie dieser letzte Versuch scheiterte, darüber sind wir alle haben gesagt: Zur Durchsetzung des Mandats brau- einer Meinung. chen wir das, und sie haben es angeboten. Es ist also eine sehr merkwürdige Einstellung, die in dieser Und wenn wir alle einer Meinung sind, müßten wir Frage hier immer wieder zum Ausdruck kommt. doch wirklich sagen, daß wir auch alle einer Mei- nung in unserer Entschlossenheit sind, diesem letz- Es hilft auch gar nichts - auch das wi ll ich bei die- ten Versuch alles, was wir tun können, zu geben, da- ser Gelegenheit ausdrücken -, wenn gesagt wird: Da mit er nicht scheitert. und dort, bei dieser und jener Gelegenheit hat die Bundesregierung, hat dieser oder jener Kollege aus Zweitens geht es in der Tat um Solidarität mit un- der Koalition dieses oder jenes gesagt. Verehrte Kol- seren Partnern, unseren Verbündeten und engsten legen, wer nicht zugibt, daß er in dieser Debatte Freunden, die ein ungleich größeres Risiko auf sich auch hinzugelernt hat, daß er hat hinzulernen müs- genommen haben und auf sich nehmen als wir. Das sen, weil der Gang der Entwicklung ihn dazu ge- kleine Dänemark stellt schon heute fast genauso zwungen hat, der hat gar nichts begriffen. Auch des- viele Soldaten, und zwar in einer ungleich gefährli- wegen ist das eine vollkommen unnötige und blöde cheren Lage in Bosnien, als sie für die deutschen Sol- Frage; ich kann es nicht anders sagen. daten jemals sein wird. Es geht in der Tat um einen Akt der Solidarität. Dann haben Sie, Kollege Verheugen, den Außen- Aber die Solidarität ist doch mit der Solidarität mit minister gefragt, ob er denn auf jede seiner Fragen, den Menschen in Bosnien identisch, denen wir hel- die er für eine allfällige deutsche Beteiligung an ei- fen wollen. Deswegen ist es kein Unterschied und grundsätzlich gestellt hat, eine Ant- nem UN-Einsatz natürlich kein Akt der Nibelungentreue, sondern es wort habe. Ja, verehrte Kollegen, die kann man gar ist eine freie Entscheidung, aus Solidarität getroffen. nicht haben. Dennoch ist es notwendig, solche Fra- gen zu stellen. Solche Fragen sind früher nicht nur Der Kollege Scharping hat gesagt: Jeder entschei- von mir, sondern auch von Kollegen aus Ihren Reihen det selber, wie seine Solidarität aussieht. Aber wenn gestellt worden. Wenn man auf solche Frage eine unsere Entscheidung immer ein Nein ist oder sich im- ganz unmißverständliche Antwort hätte und bei- mer nur auf die Dinge beschränkt, die nicht gefähr- spielsweise sagen könnte: „Die Aktion endet am lich sind und kein Risiko beinhalten, dann ist es eine 23. Dezember 1995 um 12.45 Uhr", dann wäre eine höchst unzulängliche Solidarität. Genau das ist es, solche Lage gar nicht notwendig, daß wir überhaupt was die Menschen im ehemaligen Jugoslawien daran dächten, Streitkräfte zu entsenden. ebenso empfinden wie unsere Verbündeten. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4011 Karl Lamers Deswegen kann unsere heutige Entscheidung nur Zu Recht hat mein Kollege Günter Verheugen dar- lauten, daß wir dem Antrag der Bundesregierung zu- auf hingewiesen, daß es dafür auch eine deutsche stimmen. Parteientradition gibt. Ich akzeptiere das, was Herr Waigel zur Ehrenrettung seiner Partei unter Beru- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) fung auf Konservative, die in KZs gesessen haben und die danach Pazifisten geworden sind, gesagt hat. Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Kol- Zweitens. Wir sind im Gegensatz zu dieser Ten- legertGansel. Norbe denz auf der rechten Seite der Auffassung, daß sich die Bundesrepublik Deutschland außer zur Verteidi- Norbert Gansel (SPD): Herr Präsident! Meine Da- gung an militärischen Maßnahmen nur in der inter- men und Herren! Wir stimmen heute nicht über Re- nationalen Gemeinschaft der UNO beteiligen darf. den ab und erst recht nicht über Zwischenrufe - Zwi- Sie darf sich aber auch nicht entziehen, wenn da- schenrufe, die sich selbst verurteilen -, sondern über durch Frieden gesichert und Kriege eingedämmt, einen Antrag der Bundesregierung. Menschenleben und Menschenrechte geschützt, Selbstbestimmung ermöglicht und politische Lösun- Dennoch: Die Rede des Bundesverteidigungsmini- gen erreichbar werden können. sters war für die Bundesregierung wichtig, wichtiger noch wäre es gewesen, hätte auch der Bundeskanz- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der ler in Anbetracht der Bedeutung der heutigen Ent- CDU/CSU und der F.D.P.) scheidung hier das Wort ergriffen. Auch diese Überzeugung des humanistischen In- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des ternationalismus gehört - wie der Pazifismus - zur BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Tradition der deutschen Linken, zum Vermächtnis ei- nes freiheitlichen Sozialismus. Unser Ja ist deshalb Mehrere Abgeordnete der SPD-Bundestagsfrak- ein Ja zur UNO, zur realen Utopie der Weltgemein- tion haben sich entschieden, dem Antrag der Bun- schaft, aber auch zu der konkreten Organisation mit desregierung zuzustimmen, abweichend vom Mehr- all ihren Fehlern und Defekten, zu der Organisation, heitsvotum unserer Fraktion. Die Zeit wird beweisen, deren Autorität und Funktionsfähigkeit im Interesse daß das keine Abweichung vom gemeinsamen Weg des Weltfriedens erhalten und gestärkt werden muß. der Sozialdemokratie ist. Es ist ein Ja zur UNO, die ihr Mandat durchsetzen, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Friedenswahrung verteidigen und als letztes Mittel auch friedenserzwingende Maßnahmen anwenden Wir haben eine politische Entscheidung getroffen, die wir individuell verantworten. Deshalb gibt es kann. Unsere UNO braucht dabei die Solidarität aller auch keine abgestimmte Begründung einer Gruppe, ihrer Mitgliedsstaaten, die gleiche Rechte und Pflich- ten haben. aber es gibt gewisse Gemeinsamkeiten der Motive und der Hoffnung, die ich mit sieben Bemerkungen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) erklären möchte. Ich danke meinem Fraktionsvorsit- zenden dafür, daß er im Rahmen der Redezeiten un- Drittens. Auf der Grundlage dieser Prinzipien müs- serer Fraktion dafür die Gelegenheit gegeben hat. sen wir die konkrete Entscheidung zur deutschen Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes ver- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) antworten können. Wir wissen, daß in dem archai- Erstens. Unsere Zustimmung ist kein Ausdruck fal- schen Krieg im ehemaligen Jugoslawien Auswirkun- scher Gemeinsamkeit mit der Außenpolitik der Bun- gen nicht kalkulierbar sind. Wir wissen, daß wir eine desregierung. Unser Ja ist auch keine generelle Zu- Grenze überschreiten, indem wir deutsche Soldaten stimmung zu ihrer Jugoslawienpolitik. Wir teilen die das erste Mal mit Waffen in ein Kriegsgebiet schik- Kritik unseres Fraktionsvorsitzenden; ich füge hinzu: ken. Wir stellen uns dieser Verantwortung, weil wir mit Ausnahme dessen, was er über die Anerkennung einen Verbleib der UNO-Blauhelme und die Durch- Sloweniens und Kroatiens gesagt hat. Die Anerken- setzung ihres Friedensauftrags für notwendig halten, nung erfolgte nach Kriterien der Europäischen Ge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der meinschaft auf der Grundlage von Beschlüssen des CDU/CSU) Bundestages und nachdem Vukovar in Trümmern lag, Dubrovnik beschossen wurde und es schon weil wir überzeugt sind, daß unsere Beteiligung an Zehntausende von Toten gab. ihrem Schutz und ihrer Versorgung die Chancen für den Verbleib im Interesse der Menschen im ehemali- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, gen Jugoslawien erhöhen und die Zahl der noch des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und möglichen Opfer verringern kann - der F.D.P.) (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der Unser Ja ist auch ein Nein. Es ist ein Nein zu Ten- CDU/CSU und der F.D.P.) denzen auf der deutschen Rechten, sich mit einer so- genannten Normalisierung der militärischen Rolle nach Hunderttausenden von Toten, nach Millionen der Bundesrepublik der Last und Lehren der deut- von Flüchtlingen und auch nach dem Tod Hunderter schen Geschichte zu entledigen und militärische Mit- von UN-Soldaten, die doch nur das Überleben der Zi- tel für eine regionale und nationale Interessenpolitik vilbevölkerung und die Voraussetzungen für die hu- zu verharmlosen. manitäre Hilfe in den Schutzzonen sichern wollten. 4012 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Norbert Gansel Wir stellen uns dieser Verantwortung, weil für uns Aus Gründen der organisatorischen und militäri- eine Haltung nicht länger erträglich ist, die für die schen Effizienz und nicht als eine neue Bündnisver- UN-Soldaten aus 40 Entsendestaaten Risiken bedeu- pflichtung halten wir es für richtig, daß sich ein Ab- tet, an deren Minderung sich deutsche Soldaten zug, wenn er unvermeidbar wird, im Rahmen einer nicht beteiligen sollen, weil dabei auch für sie von NATO-Operation vollzieht, die dem Ersuchen des uns, vom Deutschen Bundestag, ein Risiko verant- UN-Generalsekretärs entspricht. wortet werden muß. Sechstens. Alle Mitglieder des Bundestages treffen ihre Entscheidung in dem ernsten Bewußtsein, daß Die Frauen und Männer in der humanitären Hilfe von ihr abhängen, wie immer sie und in der Berichterstattung verantworten ihr Risiko Menschenleben fällt. Das gebietet Respekt für das Ja wie für das selbst. Wir schulden ihnen großen Respekt - nicht Nein, und deshalb, Herr Schäuble, erwarte ich von nur, aber vor allem im belage rten, im hungernden, Ihnen als Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion- im blutenden Sarajevo. Nach Blockaden, Drohun- gen, Beschuß, Mord und Geiselnahme wiegt unsere (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Noch Pflicht zur Hilfe und zum militärischen Schutz der nicht!) Hilfe jetzt noch schwerer als die Bürde unserer Ge- schichte, die uns weiter beugt und uns verbietet, an- - Entschuldigung! dere in die Knie zu zwingen. Das gilt gerade auch ge- (Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU) genüber dem serbischen Volk. - Entschuldigung! Ich bitte um Verständnis, daß dies Es gibt deshalb nur eine politische Lösung. Dafür keine einfache Situation ist; in ihr kann man sich wollen wir einen Beitrag der Bundesrepublik auch versprechen. Deutschland in Solidarität mit den Soldaten der Ent- sendestaaten leisten. Wir wollen die Zuverlässigkeit (Beifall bei Abgeordneten der SPD, bei der der Bundesrepublik in kritischen Phasen kollektiver CDU/CSU und der F.D.P.) Sicherheit erhalten und die Verantwortung Europas Ich erwarte von Ihnen, Herr Schäuble, als Vorsit- für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, daß Sie stärken, die dem Frieden dient. hier nach der Rede des CSU-Landesgruppenvorsit- zenden klarstellen, daß Sie die Behauptung zurück- Viertens. Wir sind bereit, den Einsatz von Flugzeu- weisen, Neinstimmen seien zynisch und menschen- gen der Bundeswehr vom Typ ECR-Tornado zu er- verachtend, und daß Sie auch den Neinstimmen aus- möglichen. Zusammen mit den Einheiten des schnel- drücklich die Gewissenhaftigkeit ihrer Entscheidung len Einsatzverbands werden sie zum Schutz der UN- zubilligen. Friedenstruppen und auch zum Schutz der nach Kroatien entsandten Sanitäter und der Transport- (Lebhafter Beifall bei der SPD und dem und Aufklärungsflugzeuge der Bundeswehr beitra- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- gen. geordneten der PDS)

Dem Einsatz der ECR-Tornados hat die Bundesre- Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Gansel, gierung in ihrem Antrag an den Bundestag höchst re- gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Glos? striktive Bedingungen zugrunde gelegt, an die sie gebunden bleibt. Die Tornados sollen nur nach ei- nem Angriff auf Blauhelme zum Einsatz kommen, Michael Glos (CDU/CSU): Herr Gansel, würden um die Luftunterstützung für den schnellen Einsatz- Sie bitte bestätigen, daß ich nicht vom Nein der Kol- verband vor Raketenbeschuß zu schützen. Sie haben legen, sondern vom Nein des SPD-Parteivorstandes eindeutig eine defensive und deeskalierende Funk- in toto gesprochen habe, tion. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Auch nicht besser! - Weitere Zurufe von der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie bei der CDU/CSU und der F.D.P.) vom Nein der Partei, nicht vom Nein der einzelnen Bundestagskollegen? Daß diese Flugzeuge aber auch einsatzsicher sind, ist (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Noch schlim- Ihre ganz persönliche Verantwortung, Herr Rühe. mer! - Weitere Zurufe und Widerspruch von der SPD) Fünftens. Wir setzen unsere Hoffnung auf die Prä- senz der UN-Blauhelme. Sollte aber Gewalt eskalie- ren, eine politische Lösung scheitern und der Rück- Norbert Gansel (SPD): Herr Glos, in Ihrem eigenen zug unvermeidbar werden, halten wir die Bundesre- Interesse werde ich von Ihnen keine weiteren Fragen publik für verpflichtet, mit den notwendigen militäri- oder Bemerkungen zulassen. schen Mitteln dazu beizutragen, daß dieser Abzug (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- unter Bedingungen erfolgen kann, die so sicher wie ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) möglich sind und nicht noch mehr Opfer fordern. Herr Präsident, unser Ja aus der SPD ist aber auch (Beifall bei Abgeordneten der SPD, bei der deshalb kein einfaches und kein leichtes Ja, weil bei CDU/CSU und der F.D.P.) zunächst unklaren Mehrheitsverhältnissen im Bun- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4013

Norbert Gansel destag Zustimmung aus der Opposition in der mögli- - Einen Moment! - Der einschlägige Satzungspara- chen politischen Wertung und gewiß auch in der graph sieht vor, daß der Präsident in der Regel vor Auswirkung für uns selbst schwerer wiegt als das Ja der Abstimmung das Wort erteilt. Das heißt, in Aus- von Abgeordneten der Koalitionsfraktionen. nahmesituationen, die wir ja schon oft hatten, wird nach der Abstimmung das Wo rt erteilt. Das will ich (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) auch heute so halten.

Wir sehen uns deshalb in einem besonderen Maße Jetzt kommen wir zu den Abstimmungen. Zu- verpflichtet, zusammen mit unserer Fraktion die Bun- nächst stimmen wir namentlich über die Beschluß-- desregierung bei dem beschlossenen Einsatz zu kon- empfehlung zum Antrag der Bundesregierung ab. trollieren. Drei weitere namentliche Abstimmungen zu den Ent- schließungsanträgen der Fraktionen der SPD und Siebte und letzte Bemerkung. Wir wissen, daß un- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der sere Entscheidung für ein Ja auch ein Element des Gruppe der PDS schließen sich an. Danach folgen Vertrauens gegenüber der Bundesregierung in ihrer Verantwortung für einen etwaigen Waffengebrauch noch einige strittige Abstimmungen. und für das Leben deutscher Soldaten bedeutet. Das Um zu vermeiden, meine verehrten Kolleginnen ergibt sich aus dem „Eigenbereich exekutiver Hand- und Kollegen, daß der eine oder andere parlamenta- lungsbefugnis und Verantwortlichkeit", den das rische Geschäftsführer dann noch einmal zu dem In- Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung trotz strument der namentlichen Abstimmung greift, bitte des mit unserer Verfassungsklage erstrittenen Parla- ich Sie, diese wenigen Minuten noch dazubleiben; mentsvorbehalts zugebilligt hat. denn die Beiträge zum nächsten Tagesordnungs- Wir haben diese Bundesregierung nicht gewählt, punkt sind von allen Fraktionen und Gruppen zu und wir wollen dazu beitragen, sie abzulösen, wie es Protokoll gegeben worden, so daß also Ihre Geduld Recht und Pflicht der Opposition ist. Wir können aber nicht mehr sehr lange in Anspruch genommen heute nur hoffen, daß dieses besondere Vertrauens- wird. *) element in einer parlamentarischen Ausnahmesitua- tion nicht zerstört wird. Wir kommen also jetzt zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (Zurufe von der SPD: Oh! Oh!) zu dem Antrag der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Auch mit dieser Hoffnung werden wir abstimmen, im Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes im Interesse der geschundenen Menschen im ehemali- früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstüt- gen Jugoslawien, für die wir Frieden wünschen, und zung eines eventuellen Abzuges der VN-Friedens- im Interesse der deutschen Soldaten, für die wir wün- truppen, Drucksache 13/1855. Der Ausschuß emp- schen, daß sie gesund zurückkehren mögen, ohne fiehlt, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksa- von Waffen Gebrauch haben machen zu müssen, wie che 13/1802 anzunehmen. wir es für alle unsere UNO-Soldaten aus 40 Nationen wünschen. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Darf ich fragen, ob die Schriftführer an den Urnen sind? - (Lebhafter Beifall bei der SPD - Beifall bei Dies ist offensichtlich der Fall. Ich eröffne die Abstim- Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜND mung. - NISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.) Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Dies ist nicht Vizepräsident Hans Klein: Ich schließe die Aus- der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte sprache. die Schriftführer, mit der Auszählung zu begin- nen.**) Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, teile ich mit, Meine Damen und Herren, da wir noch eine Reihe daß der Haushaltsausschuß zum Antrag der Bundes- weiterer sowohl namentlicher als auch einfacher Ab- regierung und zu den Entschließungsanträgen als stimmungen vor uns haben und Sie ohnehin dablei- mitberatender Ausschuß sein Votum abgegeben hat, ben müssen, schlage ich Ihnen vor, daß wir die Sit- in dem mehrheitlich dem Antrag der Bundesregie- zung nicht unterbrechen, sondern den Kolleginnen rung zugestimmt wird. Ich unterstelle, daß zumindest und Kollegen, die das Wort zur Abgabe einer Erklä- die Mehrheit des Hauses das zustimmend zur Kennt- rung nach § 31 unserer Geschäftsordnung nehmen nis nimmt. wollen, jetzt die Chance dazu geben.

Jetzt darf ich Ihnen folgendes vortragen: Es liegen (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS 43 Erklärungen nach § 31 unserer Geschäftsordnung SES 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung vor, und zwar zu Protokoll, darunter beispielsweise die Erklärung der Kollegen Gerd An- (Vorsitz : Vizepräsident Dr. Burkhard dres und Ingrid Matthäus-Maier mit 35 weiteren Un- Hirsch) terschriften. Einige Kollegen und Kolleginnen wollen aber nach § 31 sprechen. *) Anlage 4 (Widerspruch bei der SPD) **) Ergebnis Seite 4017 A 4014 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile das Ich werde ihr zustimmen, da ich weiß, daß die Wort zur Abgabe einer Erklärung zur Abstimmung Krise nicht militärisch lösbar ist, eine politische Lö- nach § 31 unserer Geschäftsordnung dem Abgeord- sung aber erleichtert wird, wenn mit UNPROFOR neten Helmut Lippelt. noch eine zwischen den Fronten vermittelnde Kraft im Lande ist. Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich werde ihr aber auch zustimmen, obwohl ich die Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich be- Sorge teile, daß Deutschland das historische Ge- danke mich bei meinem Geschäftsführer, daß er es dächtnis der serbischen Bevölkerung sträflich igno- fertiggebracht hat, daß ich noch vor Ihnen sprechen riert hat. darf. Denn ich glaube, daß, wenn sich einige Abge- ordnete entscheiden, abweichend vom Abstim- Ich werde ihr zustimmen, obwohl die vorgestrige mungsverhalten ihrer Fraktion abzustimmen, das Verabschiedung des NATO-Abzugsplans und die Haus das Recht hat, die Gründe dafür nicht nachzu- Weigerung der Regierung und der sie tragenden Par- lesen, sondern sie vorher zu kennen. teien, die Abzugsoption aus ihrer Vorlage herauszu- nehmen und eine neue parlamentarische Befassung Die schwere Entscheidung, vor der jeder von uns vorzusehen, einen Hohn auf meine Entscheidung steht, sollte in meinem Falle nicht dahin mißverstan- darstellen könnte - könnte! Denn ich will den Abzug den werden, als beteiligte ich mich an der Politik der nicht. Legitimierung der Bundeswehr für globale Aufga- ben. Deshalb - Schlußsatz, Herr Präsident -: Ich werde zu- Nach wie vor bin ich davon überzeugt, daß unsere stimmen, weil ich in der täglichen Erschießung von Landesgrenzen nicht gefährdet sind und deshalb die Kindern und anderen Zivilpersonen durch Hecken- Forderung meiner Partei nach weitgehender Redu- schützen und in dem täglichen Artilleriefeuer auf die zierung der Bundeswehr berechtigt ist. Menschengruppen an den wenigen Brunnen und den noch nicht gekappten Wasserstellen in Sarajevo Nach wie vor halte ich die Umstrukturierung der eine Kriegführung gegen die bosnische Zivilgesell- Bundeswehr in Richtung auf weltweit einsatzfähige schaft sehe, eine Fortsetzung der ethnischen Säube- Krisenreaktionskräfte für grundlegend falsch. rungen, derentwegen Karadzic und Mladic vor dem Internationalen Gerichtshof angeklagt sind. Nach wie vor glaube ich, daß die Probleme europä- ischer Sicherheit nur durch ein im Rahmen der OSZE Ich werde zustimmen, weil, wie der Richter Gold- zu entwickelndes System kollektiver Sicherheit zu lö- stone sagt, in den ethnischen Säuberungen in Bos- sen sind und die NATO zu ihrer Lösung nicht geeig- nien eine systematische Tendenz zum Völkermord net ist. zu erkennen ist, weil dieser Völkermord weitergeht und weil ich möchte, daß ihm durch gemeinsames Trotzdem werde ich der Regierungsvorlage zustim- westeuropäisches Handeln entgegengetreten wird. men. Ich werde ihr zustimmen, weil ich in Sarajevo er- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- lebt habe, daß UNPROFOR das Überleben der bos- SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der nischen Bevölkerung gewährleistet. Ohne UNPRO- SPD und der F.D.P.) FOR kann der UNHCR nicht arbeiten. Wir alle wis- sen, daß Bosnien im Grunde ein Riesenflüchtlingsla- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Zur Abgabe ei- ger ist. ner Erklärung zur Abstimmung gebe ich nun dem Ich werde ihr zustimmen, weil ich nicht will, daß Kollegen Schwarz-Schilling das Wo rt. UNPROFOR abziehen muß, und weil ich das Argu- ment akzeptiere, daß nach der „Vergeiselung" der (CDU/CSU): Herr Blauhelme UNPROFOR seine Arbeit nur fortsetzen Dr. Christian Schwarz-Schilling Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! kann, wenn UNPROFOR selbst militärisch geschützt wird. Zunächst: Ich habe dem Antrag zugestimmt. Ich möchte aber sagen, daß es auch auf einer anderen Ich werde ihr zustimmen, weil ich den Anspruch Seite in diesem Haus sehr tiefes Nachdenken dar- der Entsendestaaten für gerechtfertigt halte, über gibt, ob man diesem Antrag zustimmen konnte. Deutschland möge sich - da es aus guten Gründen Ich möchte dazu einige kritische Bemerkungen ma- weder Blauhelme noch Landstreitkräfte für die Ein- chen. greiftruppe stellt - zumindest an deren Schutz mit ECR-Tornados beteiligen, über die die westeuropäi- Erstens. Wir müssen der Wahrheit ins Gesicht se- schen Entsendestaaten nicht verfügen. hen; es handelt sich nicht mehr um Peace-keeping, es herrscht Krieg. Aus diesem Grunde sind die Vor- Ich werde ihr zustimmen, weil ich in der Reaktion aussetzungen, unter denen die UN angetreten sind, der westeuropäischen Entsendeländer Frankreich, nicht mehr gegeben. Es ist noch schlimmer: Es Niederlande, Großbritannien auf die Barbarisierung herrscht nicht nur Krieg, es herrscht Völkermord. internationaler Beziehungen, die die „Vergeiselung" Krieg wird nicht gegen Soldaten geführt, sondern ge- der Blauhelme darstellt, endlich ein - in der Tragödie gen Frauen, Kinder, Alte, gegen diejenigen, die am Bosniens so oft vermißtes - gemeinsames westeuro- Grabe stehen und ihre Verwandten beerdigen, und päisches Handeln sehe und die Entwicklung einer gegen diejenigen, die Wasser holen; auf sie wird ge- gemeinsamen westeuropäischen Außenpolitik will. schossen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4015

Dr. Christian Schwarz-Schilling Als ich vor drei Wochen in Sarajevo gewesen bin, Dr. Christian Schwarz-Schilling (CDU/CSU): Ich habe ich erlebt, wie ein Kind nach einem Granatein- möchte zum Schluß sagen, daß ich diesem Antrag schlag nur noch rief: „Nehmt mir bitte mein Bein deswegen zustimme, weil ich glaube, daß die Er- nicht ab! " Das ist die Lage do rt; Peace-keeping ist kenntnis jetzt langsam durchgedrungen ist, daß UN- eine Lüge. PROFOR die Aufgabe hat, die Arbeitsfähigkeit des UNHCR auch mit Gewalt durchzusetzen, wie es in Wer gesehen hat, was sich in Tuzla mit den 72 jun- einem Agreement am 27. November 1993 sogar von gen Menschen abgespielt hat, die do rt am Nachmit- Karadzic unterschrieben wurde. Nur dann werden tag bei ein bißchen Kaffee und Kuchen, den es ein- wir den Abzug verhindern, der sonst absolut notwen-- mal gab, am Marktplatz saßen - junge Menschen dig wäre, weil nämlich schon jetzt die Bosnier in Sa zwischen 18 und 25 Jahren mit ihren Babys und klei- rajevo selber darum kämpfen müssen, daß ihr Zu- nen Kindern -, der weiß, wie geschossen wurde: ge- zielt, zu dieser Stunde, an dieser Stelle. gang zu der Welt wieder geöffnet wird, was eigent- lich Aufgabe der UN gewesen wäre. Das sehen wir anscheinend überhaupt nicht mehr. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege, ich muß Sie unterbrechen. Die Erklärung zur Abstim- Meine Damen und Herren, wenn wir den Men- mung dient nicht dazu, die Debatte mit Argumenten schen dort helfen, dann war die Entscheidung rich- fortzusetzen, sondern dazu, das eigene Abstim- tig. Wenn wir nur weiter vortäuschen, daß wir helfen, mungsverhalten zu erläutern. Ich wäre Ihnen dank- es in Wirklichkeit aber nicht tun, dann war sie falsch. bar, wenn Sie sich an diese Regel halten würden. Diese Frage ist heute noch offen. Ich danke Ihnen. Dr. Christian Schwarz-Schilling (CDU/CSU): Ge- nau das tue ich. - Herr Präsident, meine Damen und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, Herren, es handelt sich um Völkermord. Aus diesem der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Grunde ist die Ausübung des Mandats der Staaten- GRÜNEN) gemeinschaft durch die UN zu einem Desaster fast schon vorausbestimmt. Daher ist es sehr schwierig, Meine Damen einer Sache zuzustimmen, die im letzten Akt mit al- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: und Herren Kollegen, da wir nun angefangen haben, lerhöchster Wahrscheinlichkeit in einem Desaster en- persönliche Erklärungen vor den weiteren Abstim- den wird, es sei denn - das möchte ich ganz deutlich mungen zuzulassen, was der Geschäftsordnung ent- sagen -, daß die UNPROFOR das ihr aufgegebene spricht, werde ich auch den beiden noch vorliegen- Mandat, dem UNHCR - das ist nämlich die Hilfsorga- den Wünschen auf Abgabe einer persönlichen Erklä- nisation, die den Menschen dort Hilfe geben soll, die rung vor dem Fortfahren in der Abstimmung entspre- die Nahrungsmittel in die Enklaven bringen soll und chen. Ich bitte aber darum, sich wirklich darauf zu die die Bevölkerung vor Attacken schützen soll - zu beschränken, das eigene Abstimmungsverhalten zu helfen, auch tatsächlich erfüllt. Das bedeutet, daß erklären, und nicht zu versuchen, über dieses Mittel man einen Konvoi, der blockiert wird, nicht einfach der Geschäftsordnung die Debatte fortzusetzen. Das blockiert läßt, wodurch die Menschen im Laufe der kann ich nicht akzeptieren. Zeit durch Aushungern getötet würden. Aus diesem Grunde ist es auch falsch, zu sagen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU daß wir verhindern müssen, daß ein großes Sterben und der SPD) dort einsetzt; das große Sterben findet statt, wir se- Unter dieser Maßgabe erteile ich nun der Abgeord- hen es nur nicht - außer in Sarajevo. neten Margitta Terborg das Wo rt zu einer Erklärung Es wird auch nicht in irgendeiner Form gegen Ser- zur Abstimmung. ben - Herr Gansel, das möchte ich deutlich sagen - vorgegangen, sondern gegen ein Terrorregime, das Menschen verachtet und bei dem Sie genau erken- Margitta Terborg (SPD): Herr Präsident! Meine lie- nen können, was es will. Herr Karadzic sagt: Wir ben Kolleginnen und Kollegen! Bei der Abstimmung denken gar nicht daran, uns vorschreiben zu lassen, über die Beschlußvorlage der Bundesregierung habe welche Gebiete wir abtreten. Das ist unsere Entschei- ich mit Nein gestimmt, weil die Vorlage nicht den dung. Wir werden den Moslems weder erlauben, ihre Kriterien entspricht, die das Bundesverfassungsge- Enklaven zu verbinden noch Städte abzugeben, al- richt an eine solche Entscheidung gebunden hat. lenfalls dünn besiedelte Landstriche, um danach die Ich habe mit Nein gestimmt, weil die Vorlage uns Bevölkerung umzusiedeln. - Genau das geschieht bewußt über den Umfang und die Grenzen eines heute dort, wo überhaupt kein Krieg ist. Gehen Sie deutschen militärischen Engagements in Bosnien im nach Banja Luka! unklaren läßt.

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege, Ich habe mit Nein gestimmt, weil das Risiko dieses ich muß Sie noch einmal unterbrechen. Wenn Sie militärischen Engagements in der Vorlage vernebelt sich nicht an die Regeln der Geschäftsordnung hal- wird. ten und nicht wirklich nur Ihr eigenes Abstimmungs- Ich habe mit Nein gestimmt, weil der Einsatz deut- verhalten erklären, muß ich Ihnen das Wo rt entzie- scher Verbände der Zivilbevölkerung nicht hilft, den hen, was ich bedauern würde. Abzug der Blauhelme beschleunigt und zu einer wei- (Zuruf von der SPD: Selbstdarstellung!) teren Eskalation des Konflikts beitragen kann. 4016 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Margitta Terborg Ich habe mit Nein gestimmt, weil ich gegen jedes Wenn die Völkergemeinschaft in diesem Sinne ge- militärische Engagement deutscher Soldaten im ehe- meinsam handelt, ist es moralisch geboten, auch per- maligen Jugoslawien bin. sönliche Risiken nicht zu scheuen. Ich denke, das gilt dann auch für Menschen aus Deutschland. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Bei der Abstimmung über die Vorlage der SPD Der Krieg gegen die Menschen in Bosnien - Mord, werde ich mich der Stimme enthalten. Bei der Ab- Vergewaltigung, Konzentrationslager und Vertrei- stimmung über den Antrag des BÜNDNISSES 90/ bung - folgt einem erklärten und offen ausgespro- DIE GRÜNEN werde ich mit Ja stimmen. chenen Vernichtungswillen der serbischen Extremi-- sten; das können wir wissen. Jeder von uns kann se- Ich reklamiere Gewissensnotstand und sage des- hen, wer in diesem Krieg Täter und wer Opfer ist. Ich halb sehr deutlich: Sie werden mich nicht in Mithaf- meine, die Völkergemeinschaft hätte schon längst tung nehmen können, wenn in der Folge des Be- von der Position der Neutralität Abstand nehmen schlusses der Mehrheit dieses Hauses Soldaten in und sich parteilich auf die Seite der Opfer stellen Zinksärgen in die Heimat überführt werden müssen. müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der sowie bei Abgeordneten der SPD und des PDS) Abg. Hans-Dietrich Genscher [F.D.P.])

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich lasse jetzt Die Entscheidung, die wir heute fällen, bedeutet noch eine persönliche Erklärung vor dem Fortfahren nicht, daß mit dem Einsatz der „schnellen Eingreif- in den Abstimmungen zu. truppe" endlich die Zivilbevölkerung in Bosnien ge- schützt wird. Vielleicht geschieht dies mittelbar; es Ich gebe zur Abgabe einer Erklärung zur Abstim- ist aber nicht das erklärte Ziel. Die Menschen in den mung der Abgeordneten Marieluise Beck das Wo rt. Enklaven, in den Schutzzonen können nicht verste- hen, warum sie nach wie vor nicht geschützt werden. (Waltraud Schoppe [BÜNDNIS 90/DIE Humanitäre Hilfe bedeutet nicht nur, Mehl, Öl und GRÜNEN]: Kann ich eine Kurzintervention Zucker in die eingeschlossenen Gebiete zu schaffen, machen?) sondern natürlich als erstes, Leben zu schützen. - Nein, tut mir leid. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- F.D.P.) NEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abstimmung heute fällt auch mir sehr schwer, Die Völkergemeinschaft hat es versäumt, sich zu weil ich auf Grund der Kenntnis der Situation und Beginn des Krieges gegen Bosnien klar auf ein politi- der Art, wie sich die UNO vor Ort verhalten hat, ähn- sches Ziel zu einigen. Die Blauhelm-Mission mußte liche Zweifel habe. Ich bin mir nicht sicher, ob diese deswegen von einer Niederlage in die nächste schlit- Entscheidung wirklich den Durchbruch bringt, wie tern. Peace-keeping in einem Land, in dem der Krieg es hier teilweise hingestellt wird. schon tobt, ist absurd. Mit diesem Debakel schlägt Die 68er Generation, zu der ich gehöre, verlangte sich die UNO seit drei Jahren herum. Die Leidtragen- von ihren Eltern, endlich das Tabu über ihre Beteili- den aber sind die Menschen in Bosnien. gung an dem oder ihre Verstrickung in das Nazi (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das System aufzugeben und sich ihrer Verantwortung zu hatten wir schon mall Wir warten auf eine stellen. Wir müssen von uns ebenso unerbittlich ver- persönliche Erklärung!) langen, das Geschehen um uns herum mit scharfem Blick wahrzunehmen. Ich habe große Zweifel, daß die Entscheidung Die Geschichte des Faschismus hat mich gelehrt, heute wirklich das bewirken wird, was die Menschen daß sich Polen, Rußland und die angegriffenen Völ- in Bosnien eigentlich bräuchten: eine Parteinahme ker nur mit militärischer Gegenwehr gegen Gewalt und den politischen Willen, dem Morden wirklich zur Wehr setzen konnten. Auschwitz wurde von Sol- Einhalt zu gebieten. daten befreit. In einem Gespräch mit dem bosnischen Botschaf- Es ist richtig, wenn wir sagen, daß von deutschem ter heute morgen hat dieser mir mitgeteilt, daß die Boden nie wieder Krieg ausgehen darf. Das Erbe un- bosnische Regierung trotz ihrer eigenen Bedenken serer Väter aber möchte, daß es zum Einsatz dieser Truppen kommt. Weil ich meine, daß hier die Betroffenen zu bestim- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Auch unse men haben und sagen müssen, was für sie richtig ist, rer Mütter!) habe ich dieser Regierungsentscheidung zuge- verpflichtet uns, wenn wieder einmal ein Volk ver- stimmt. Es geht nicht um unsere Befindlichkeit, es nichtet wird, sich dieser Gewalt entgegenzustellen. geht um das Leben der Menschen in Bosnien. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord der SPD) neten der SPD und der F.D.P.) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4017

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Auch das war, Ernst Hinsken Wolfgang Meckelburg Frau Kollegin, wenn ich das hinterher sagen darf, ei- Rudolf Meinl gentlich mehr ein Debattenbeitrag. Die Folge eines Dr. Karl-Heinz Hornhues Dr. Siegfried Hornung Dr. solchen Verhaltens ist natürlich, daß die Neigung, Er- Heinz-Adolf Hörsken klärungen zur Abstimmung vor der Abstimmung zu- Joachim Hörster Rudolf Meyer (Winsen) zulassen, sehr sinken wird. Hubert Hüppe Peter Jacoby Meinolf Michels Ich gebe das von den Schriftführern und Schrift- Susanne Jaffke Dr. Gerd Müller führerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Georg Janovsky Elmar Müller (Kirchheim) Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Aus- Helmut Jawurek Engelbert Nelle wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesre- Dr. Dionys Jobst (Bremen) gierung zur deutschen Beteiligung an den Maßnah- Dr.-Ing. Rainer Jork Johannes Nitsch Michael Jung (Limburg) men zum Schutz und zur Unterstützung des schnel- Dr. Rolf Olderog len Einsatzverbands im früheren Jugoslawien ein- Dr. Egon Jüttner Friedhelm Ost schließlich der Unterstützung eines eventuellen Ab- Dr. Harald Kahl zugs der VN-Friedenstruppen, Drucksachen 13/1802 Bartholomäus Kalb Norbert Otto (Erfurt) und 13/1855, bekannt. Abgegebene Stimmen: 655. Steffen Kampeter Dr. Gerhard Päselt Mit Ja haben gestimmt: 386. Mit Nein haben ge- Dr.-Ing. Dietmar Kansy Dr. Peter Paziorek stimmt: 258. Enthaltungen: 11. Hans-Wilhelm Pesch Irmgard Karwatzki Ulrich Petzold Peter Keller Angelika Pfeiffer Endgültiges Ergebnis Dr. Gero Pfennig Albert Deß Dr. Bernd Klaußner Dr. Friedbert Pflüger Abgegebene Stimmen: 655; Hans Klein (München) davon Ulrich Klinkert Dr. Winfried Pinger Werner Dörflinger ja: 386 Dr. Helmut Kohl Hansjürgen Doss Hans-Ulrich Köhler Dr. Hermann Pohler nein: 258 Dr. (Hainspitz) enthalten: 11 Maria Eichhorn Manfred Kolbe Marlies Pretzlaff Norbert Königshofen Dr. Eva-Maria Kors Ja Heinz Dieter Eßmann Dr. Bernd Protzner Hartmut Koschyk Dieter Pützhofen Manfred Koslowski Thomas Kossendey Hans Raidel CDU/CSU Rudolf Kraus Dr. Dr. Wolfgang Krause (Dessau) Rolf Rau Andreas Krautscheid Helmut Rauber Dr. Karl H. Fell Arnulf Kriedner Peter Harald Rauen Heinz-Jürgen Kronberg Jürgen Augustinowitz Dirk Fischer (Hamburg) Dr.-Ing. Paul Krüger Otto Regenspurger (Unna) Reiner Krziskewitz Christa Reichard (Dresden) Heinz-Günter Bargfrede (Hamburg) Dr. Hermann Kues Klaus Dieter Reichardt (Mannheim) Dr. Dr. Gerhard Friedrich Karl Lamers Dr. Bertold Reinartz Erich G. Fritz Dr. Karl A. Lamers Erika Reinhardt Hans-Joachim Fuchtel (Heidelberg) Roland Richter Dr. Sabine Bergmann-Pohl Michaela Geiger Dr. Roland Richwien Hans-Dirk Bierling Dr. Norbert Rieder Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Heiner Geißler Dr. (München) Michael Glos Herbert Lattmann Klaus Riegert Dr. Wilma Glücklich Dr. Paul Laufs Dr. Dr. Reinhard Göhner Karl-Josef Laumann Hannelore Rönsch Dr. Norbert Blüm Peter Götz Werner Lensing (Wiesbaden) Dr. Wolfgang Götzer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Maria Böhmer Joachim Gres Peter Letzgus Dr. Klaus Rose Kurt-Dieter Grill Editha Limbach Kurt J. Rossmanith Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Gröbl Walter Link (Diepholz) Adolf Roth (Gießen) Hermann Gröhe Eduard Lintner Norbert Röttgen Dr. Wolfgang Bötsch Claus-Peter Grotz Dr. Klaus W. Lippold Dr. Christian Ruck Klaus Brähmig (Offenbach) Volker Rühe Rudolf Braun (Auerbach) Horst Günther (Duisburg) Dr. Manfred Lischewski Dr. Jürgen Rüttgers Carl-Detlev Freiherr von Wolfgang Lohmann Roland Sauer (Stuttgart) Hammerstein (Lüdenscheid) Ortrun Schätzle Julius Louven Dr. Wolfgang Schäuble Klaus Bühler (Bruchsal) (Großhennersdorf) Sigrun Löwisch Hartmut Schauerte Hartmut Büttner Heinz Schemken (Schönebeck) Rainer Haungs Dr. Michael Luther Karl-Heinz Scherhag Otto Hauser (Esslingen) Erich Maaß (Wilhelmshaven) Gerhard Scheu (Emstek) Hansgeorg Hauser Dr. Dietrich Mahlo Norbert Schindler (Rednitzhembach) Dietmar Schlee (Nordstrand) Klaus-Jürgen Hedrich Günter Marten Ulrich Schmalz Manfred Heise Dr. Martin Mayer Dr. Renate Hellwig (Siegertsbrunn) Christian Schmidt (Fürth) 4018 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Dr.-Ing. Joachim Schmidt Arne Börnsen (Ritterhude) Birgit Homburger Iris Gleicke (Halsbrücke) Tilo Braune Dr. Günter Gloser Andreas Schmidt (Mülheim) Dr. Eberhard Brecht Ulrich Irmer Dr. Hans-Otto Schmiedeberg Ursula Burchardt Dr. Klaus Kinkel Günter Graf (Friesoythe) Hans Peter Schmitz Freimut Duve Detlef Kleinert (Hannover) Angelika Graf (Rosenheim) (Baesweiler) Norbert Gansel Roland Kohn Achim Großmann Michael von Schmude Karl Hermann Haack Dr. Heinrich L. Kolb Hans-Joachim Hacker Birgit Schnieber-Jastram (Extertal) Jürgen Koppelin Klaus Hagemann Dr. Manfred Hampel Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Christel Hanewinckel Dr. Dieter Heistermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Alfred Hartenbach - Reinhard Freiherr von Stephan Hilsberg Heinz Lanfermann Klaus Hasenfratz Schorlemer Gerd Höfer Sabine Leutheusser Dr. Ingomar Hauchler Dr. Erika Schuchardt Erwin Horn Schnarrenberger Reinhold Hemker Renate Jäger Uwe Lühr Rolf Hempelmann Dr. Dieter Schulte Sabine Kaspereit Jürgen W. Möllemann Dr. Barbara Hendricks (Schwäbisch Gmünd) Susanne Kastner Günther Friedrich Nolting Monika Heubaum Gerhard Schulz (Leipzig) Ernst Kastning Dr. Uwe Hiksch Frederick Schulze Hans-Ulrich Klose Lisa Peters Reinhold Hiller (Lübeck) Diethard Schütze (Berlin) Dr. Günter Rexrodt Jelena Hoffmann (Chemnitz) Clemens Schwalbe Volker Kröning Dr. Klaus Röhl Frank Hofmann (Volkach) Dr. Christian Schwarz- Thomas Krüger Helmut Schäfer (Mainz) Ingrid Holzhüter Schilling Christine Kurzhals Cornelia Schmalz-Jacobsen Eike Hovermann Wilhelm-Josef Sebastian Robert Leidinger Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Lothar Ibrügger Ingrid Matthäus-Maier Dr. Barbara Imhof Wilfried Seibel Markus Meckel Dr. Hermann Otto Solms Brunhilde Irber Heinz-Georg Seiffert Christian Müller (Zittau) Dr. Gabriele Iwersen Volker Neumann (Bramsche) Carl-Ludwig Thiele Jann-Peter Janssen Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Dieter Thomae Ilse Janz Bernd Siebert Kurt Palis Jürgen Türk Dr. Uwe Jens Jürgen Sikora Rudolf Purps Dr. Wolfgang Weng Hans-Peter Kemper Hermann Rappe (Gerlingen) Klaus Kirschner Bärbel Sothmann (Hildesheim) Marianne Klappert Margarete Späte Reinhold Robbe Siegrun Klemmer Carl-Dieter Spranger Horst Schild Nein Dr. Hans-Hinrich Knaape Wolfgang Steiger Dieter Schloten Fritz Rudolf Körper Enka Steinbach Reinhard Schultz Nicolette Kressl Dr. Wolfgang Freiherr von (Everswinkel) SPD Horst Kubatschka Stetten Volkmar Schultz (Köln) Eckart Kuhlwein Dr. Roll Schwanitz Hermann Bachmaier Konrad Kunick Andreas Storm Johannes Singer Dr. Uwe Küster Wieland Sorge Brigitte Lange Michael Stübgen Jörg-Otto Spiller Ingrid Becker-Inglau Detlev von Larcher Egon Susset Dietmar Thieser Wolfgang Behrendt Waltraud Lehn Dr. Rita Süssmuth Karsten D. Voigt (Frankfurt) Hans-Werner Bertl Klaus Lennartz Michael Teiser Verena Wohlleben Friedhelm Julius Beucher Klaus Lohmann (Witten) Dr. Susanne Tiemann Peter Zumkley Christa Lörcher Dr. Klaus Töpfer Lilo Blunck Erika Lotz Gottfried Tröger Dr. Ulrich Böhme (Unna) Dr. Dr. Klaus-Dieter Uelhoff BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Anni Brandt-Elsweier Dieter Maaß (Herne) Winfried Mante Wolfgang Vogt (Düren) Marieluise Beck (Bremen) Hans Martin Bury Dorle Marx Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Helmut Lippelt Hans Büttner (Ingolstadt) Ulrike Mascher Dr. Theodor Waigel Gerd Poppe Marion Caspers-Merk Alois Graf von Waldburg-Zeil Waltraud Schoppe Wolf-Michael Catenhusen Heide Mattischeck Dr. Jürgen Warnke Peter Conradi Ulrike Mehl Kersten Wetzel Dr. Herta Däubler-Gmelin Herbert Meißner Hans-Otto Wilhelm (Mainz) F.D.P. Christel Deichmann Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Bernd Wilz Ina Albowitz Dr. Marliese Dobberthien Ursula Mogg Willy Wimmer (Neuss) Dr. Peter Dreßen Siegmar Mosdorf Hildebrecht Braun Rudolf Dreßler Michael Müller (Düsseldorf) Simon Wittmann (Augsburg) Ludwig Eich Jutta Müller (Völklingen) (Tännesberg) Günther Bredehorn Peter Enders Kurt Neumann (Berlin) Dagmar Wöhrl Jörg van Essen Gernot Erler Dr. Edith Niehuis Michael Wonneberger Dr. Petra Ernstberger Dr. Rolf Niese Elke Wülfing Gisela Frick Annette Faße Doris Odendahl Peter Kurt Würzbach Paul K. Friedhoff Elke Ferner Günter Oesinghaus Lothar Fischer (Homburg) Leyla Onur Wolfgang Zeitlmann Manfred Opel Wolfgang Zöller Hans-Dietrich Genscher Norbert Formanski Adolf Ostertag Dr. Wolfgang Gerhardt Albrecht Papenroth Joachim Günther (Plauen) (Köln) Dr. Willfried Penner SPD Dr. Katrin Fuchs (Verl) Dr. Dr. Arne Fuhrmann Georg Pfannenstein Gerd Andres Ulrich Heinrich Monika Ganseforth Dr. Eckhart Pick Hans Berger Walter Hirche Konrad Gilges Joachim Poß Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4019

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Karin Rehbock-Zureich Heidi Wright Steffen Tippach Richard Schuhmann Margot von Renesse Klaus-Jürgen Warnick (Delitzsch) Renate Rennebach Dr. Winfried Wolf Bodo Seidenthal Otto Reschke Gerhard Zwerenz Gunter Weißgerber Bernd Reuter BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Dr. Christoph Zöpel Dr. Edelbert Richter Günter Rixe Gila Altmann (Aurich) Enthaltungen Gerhard Rübenkönig Elisabeth Altmann Dr. Hansjörg Schäfer (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gudrun Schaich-Walch Volker Beck (Köln) SPD Dieter Schanz Angelika Beer Antje Hermenau Rudolf Scharping Annelie Buntenbach Bernd Scheelen Amke Dietert-Scheuer Iris Follak Dr. Franziska Eichstädt-Bohlig Dieter Grasedieck F.D.P. Siegfried Scheffler Dr. Uschi Eid Werner Labsch Otto Schily (Berlin) Dr. Elke Leonhard Dr. Burkhard Hirsch Günter Schluckebier Joseph Fischer (Frankfurt) Horst Schmidbauer Rita Grießhaber (Nürnberg) Gerald Häfner Die Beschlußempfehlung ist damit angenommen. Ursula Schmidt (Aachen) Kristin Heyne (Meschede) Ulrike Höfken-Deipenbrock (Zuruf von der PDS: Auf in den Kampf!) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Michaele Hustedt Regina Schmidt-Zadel Dr. Manuel Kiper Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- Heinz Schmitt (Berg) Monika Knoche ßungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache Dr. Emil Schnell Dr. Angelika Köster-Loßack 13/1835. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Walter Schöler Ich bitte die Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen, Oswald Metzger und eröffne die Abstimmung. - Gisela Schröter Kerstin Müller (Köln) Dr. Mathias Schube rt Winfried Nachtwei rner Schuster Dr. R. We Christa Nickels Ist noch jemand im Saal, der seine Stimme nicht Dietmar Schütz (Oldenburg) Cem Özdemir abgegeben hat? - Ich frage noch einmal, ob noch ein Dr. Angelica Schwall-Düren Simone Probst Mitglied des Hauses anwesend ist, das seine Stimme Ernst Schwanhold Dr. Jürgen Rochlitz nicht abgegeben hat. - Das ist nicht der Fall. Dann Lisa Seuster Halo Saibold schließe ich die Abstimmung. Horst Sielaff Christine Scheel Erika Simm Irmingard Schewe-Gerigk Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Rezzo Schlauch beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Albert Schmidt (Hitzhofen) Wolfgang Spanier Wolfgang Schmitt später bekanntgegeben.*) Dr. Dietrich Sperling (Langenfeld) Antje-Marie Steen Ursula Schönberger Wir setzen die Abstimmungen fort. - Ich bitte Sie, (Berlin) Platz zu nehmen. Dr. Peter Struck Rainder Steenblock Joachim Tappe Marina Steindor Wir treten nun in die Abstimmung über den Ent- Jörg Tauss Christian Sterzing schließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Dr. Bodo Teichmann Dr. Antje Vollmer GRÜNEN auf Drucksache 13/1828 ein. Auch hier ist Margitta Terborg Ludger Volmer namentliche Abstimmung verlangt worden. Jella Teuchner Helmut Wilhelm (Amberg) Dr. Gerald Thalheim Margareta Wolf (Frankfurt) Ich eröffne die Abstimmung. - Ich frage, ob noch Franz Thönnes ein Mitglied des Hauses anwesend ist, das seine Uta Titze-Stecher PDS Stimme nicht abgegeben hat. - Das ist nicht der Fall. Adelheid Tröscher Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Hans-Eberhard Urbaniak Petra Bläss Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Siegfried Vergin Eva Bulling-Schröter Ergebnis auch dieser Abstimmung wird Ihnen später Günter Verheugen Heinrich Graf von Einsiedel bekanntgegeben werden. **) Karsten D. Voigt (Frankfurt) Dr. Ludwig Elm Josef Vosen Dr. Wir setzen die Abstimmungen fo rt . Hans Georg Wagner Dr. Dr. Konstanze Wegner Dr. Gregor Gysi Wolfgang Weiermann Dr. Uwe-Jens Heuer (Unruhe) Reinhard Weis (Stendal) Stefan Heym Matthias Weisheit Dr. Barbara Höll - Ich bitte um ein bißchen Aufmerksamkeit, sonst (Wiesloch) Dr. Willibald Jacob muß ich die Sitzung unterbrechen. Jochen Welt Hildegard Wester Gerhard Jüttemann Abstimmung über den Entschließungsantrag der Lydia Westrich Dr, Heidi Knake-Werner Gruppe der PDS auf Drucksache 13/1808: Auch hier Inge Wettig-Danielmeier Rolf Köhne ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich eröffne die Dr. Norbert Wieczorek Rolf Kutzmutz Abstimmung. - Ich frage, ob noch ein Mitglied des Helmut Wieczorek Andrea Lederer Hauses anwesend ist, das seine Stimme nicht abge- (Duisburg) Heidemarie Lüth Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Günther Maleuda geben hat. - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich Dieter Wiefelspütz Manfred Müller (Berlin) Berthold Wittich Rosel Neuhäuser Dr. Dr. Uwe-Jens Rössel *) Seite 4020 A Hanna Wolf (München) Christina Schenk **) Seite 4023 A 4020 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Dr. Rolf Niese Helmut Wieczorek (Duisburg) Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis auch dieser Doris Odendahl Heidemarie Wieczorek-Zeul Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben Günter Oesinghaus Dieter Wiefelspütz werden. *) Leyla Onur Berthold Wittich Manfred Opel Dr. Wolfgang Wodarg Adolf Ostertag Hanna Wolf (München) s) Seite 4026 A Albrecht Papenroth Heidi Wright Dr. Willfried Penner Uta Zapf Ich bitte Sie, Platz zu nehmen, damit wir fortfahren Dr. Martin Pfaff können. - Das gilt auch für die Mitglieder der Bun- Georg Pfannenstein desregierung und die Kollegen der SPD. - Herr Erler, Dr. Eckhart Pick Nein Joachim Poß darf ich auch Sie bitten, Platz zu nehmen? Karin Rehbock-Zureich Ich gebe nun das von den Schriftführerinnen und Otto Reschke CDU/CSU Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Ulrich Adam Abstimmung zum Entschließungsantrag der Fraktion Günter Rixe Peter Altmaier der SPD auf Drucksache 13/1835 bekannt. Abgege- Reinhold Robbe Anneliese Augustin bene Stimmen: 652, mit Ja haben gestimmt: 175, mit Gerhard Rübenkönig Jürgen Augustinowitz Nein haben gestimmt: 418, Enthaltungen: 59. Dr. Hansjörg Schäfer Dietrich Austermann Dieter Schanz Heinz-Günter Bargfrede Rudolf Scharping Franz Peter Basten Endgültiges Ergebnis Achim Großmann Bernd Scheelen Dr. Wolf Bauer Hans-Joachim Hacker Dr. Hermann Scheer Brigitte Baumeister Abgegebene Stimmen: 652; Klaus Hagemann Siegfried Scheffler Meinrad Belle davon Christel Hanewinckel Otto Schily Dr. Sabine Bergmann-Pohl ja: 175 Alfred Hartenbach Günter Schluckebier Hans-Dirk Bierling Klaus Hasenfratz nein: 419 Horst Schmidbauer Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Ingomar Hauchler (Nürnberg) Renate Blank enthalten: 58 Reinhold Hemker Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Heribert Blens Rolf Hempelmann Dagmar Schmidt (Meschede) Peter Bleser Dr. Barbara Hendricks Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Dr. Norbert Blüm Ja Monika Heubaum Regina Schmidt-Zadel Friedrich Bohl Reinhold Hiller (Lübeck) Heinz Schmitt (Berg) Dr. Maria Böhmer Jelena Hoffmann Dr. Emil Schnell Jochen Borchert SPD (Chemnitz) Walter Schöler Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Frank Hofmann (Volkach) Ottmar Schreiner Wolfgang Bosbach Hermann Bachmaier Ingrid Holzhüter Gisela Schröter Dr. Wolfgang Bötsch Ernst Bahr Eike Hovermann Dr. Mathias Schubert Klaus Brähmig Doris Barnett Lothar Ibrügger Dr. R. Werner Schuster Rudolf Braun (Auerbach) Ingrid Becker-Inglau Barbara Imhof Dietmar Schütz (Oldenburg) Paul Breuer Wolfgang Behrendt Brunhilde Irber Dr. Angelica Schwall-Düren Monika Brudlewsky Hans-Werner Bertl Gabriele Iwersen Ernst Schwanhold Georg Brunnhuber Friedhelm Julius Beucher Jann-Peter Janssen Lisa Seuster Klaus Bühler (Bruchsal) Rudolf Bindig Ilse Janz Horst Sielaff Hartmut Büttner Dr. Ulrich Böhme (Unna) Dr. Uwe Jens Erika Simm (Schönebeck) Anni Brandt-Elsweier Hans-Peter Kemper Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dankward Buwitt Edelgard Bulmahn Klaus Kirschner Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Manfred Carstens (Emstek) Hans Büttner (Ingolstadt) Marianne Klappert Wolfgang Spanier Peter Harry Carstensen Marion Caspers-Merk Siegrun Klemmer Dr. Dietrich Sperling (Nordstrand) Wolf-Michael Catenhusen Dr. Hans-Hinrich Knaape Ludwig Stiegler Wolfgang Dehnel Peter Conradi Fritz Rudolf Körper Dr. Peter Struck Hubert Deittert Dr. Herta Däubler-Gmelin Nicolette Kressl Joachim Tappe Gertrud Dempwolf Karl Diller Eckart Kuhlwein Jörg Tauss Albert Deß Dr. Marliese Dobberthien Dr. Uwe Küster Dr. Bodo Teichmann Renate Diemers Peter Dreßen Brigitte Lange Jella Teuchner Wilhelm Dietzel Rudolf Dreßler Detlev von Larcher Dr. Gerald Thalheim Werner Dörflinger Ludwig Eich Waltraud Lehn Wolfgang Thierse Hansjürgen Doss Gernot Erler Klaus Lennartz Franz Thönnes Dr. Alfred Dregger Petra Ernstberger Dr. Elke Leonhard Uta Titze-Stecher Maria Eichhorn Annette Faße Klaus Lohmann (Witten) Adelheid Tröscher Wolfgang Engelmann Elke Ferner Erika Lotz Hans-Eberhard Urbaniak Rainer Eppelmann Lothar Fischer (Homburg) Dieter Maaß (Herne) Siegfried Vergin Heinz Dieter Eßmann Gabriele Fograscher Ulrike Mascher Günter Verheugen Horst Eylmann Norbert Formanski Christoph Matschie (Pforzheim) Anke Eymer Dagmar Freitag Heide Mattischeck Hans Georg Wagner Use Falk Anke Fuchs (Köln) Ulrike Mehl Dr. Konstanze Wegner Dr. Kurt Faltlhauser Katrin Fuchs (Verl) Herbert Meißner Wolfgang Weiermann Jochen Feilcke Arne Fuhrmann Angelika Mertens Reinhard Weis (Stendal) Dr. Karl H. Fell Monika Ganseforth Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Matthias Weisheit Ulf Fink Konrad Gilges Ursula Mogg Gert Weisskirchen (Wiesloch) Dirk Fischer (Hamburg) Iris Gleicke Siegmar Mosdorf Jochen Welt Leni Fischer (Unna) Günter Gloser Michael Müller (Düsseldorf) Hildegard Wester Klaus Francke (Hamburg) Dr. Peter Glotz Jutta Müller (Völklingen) Lydia Westrich Herbert Frankenhauser Günter Graf (Friesoythe) Kurt Neumann (Berlin) Inge Wettig-Danielmeier Dr. Gerhard Friedrich Angelika Graf (Rosenheim) Dr. Edith Niehuis Dr. Norbert Wieczorek Erich G. Fritz Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4021

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Hans-Joachim Fuchtel Dr. Norbert Lammert Dr. Norbert Rieder Wolfgang Vogt (Düren) Michaela Geiger Helmut Lamp Dr. Erich Riedl (München) Dr. Horst Waffenschmidt Norbert Geis Armin Laschet Klaus Riegert Dr. Theodor Waigel Michael Glos Herbert Lattmann Dr. Heinz Riesenhuber Alois Graf von Waldburg - Zeil Wilma Glücklich Dr. Paul Laufs Hannelore Rönsch Dr. Jürgen Warnke Dr. Reinhard Göhner Karl-Josef Laumann (Wiesbaden) Kersten Wetzel Peter Götz Werner Lensing Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Dr. Wolfgang Götzer Christian Lenzer Dr. Klaus Rose Gert Willner Joachim Gres Peter Letzgus Kurt J. Rossmanith Bernd Wilz Kurt-Dieter Grill Editha Limbach Adolf Roth (Gießen) Willy Wimmer (Neuss) - Wolfgang Gröbl Walter Link (Diepholz) Norbert Röttgen Matthias Wissmann Hermann Gröhe Eduard Lintner Dr. Christian Ruck Simon Wittmann Claus-Peter Grotz Dr. Klaus W. Lippold Volker Rühe (Tännesberg) Manfred Grund (Offenbach) Dr. Jürgen Rüttgers Dagmar Wöhrl Horst Günther (Duisburg) Dr. Manfred Lischewski Roland Sauer (Stuttgart) Michael Wonneberger Carl-Detlev Freiherr von Wolfgang Lohmann Ortrun Schätzle Elke Wülfing Hammerstein (Lüdenscheid) Dr. Wolfgang Schäuble Peter Kurt Würzbach Gottfried Haschke Julius Louven Hartmut Schauerte Cornelia Yzer (Großhennersdorf) Sigrun Löwisch Heinz Schemken Wolfgang Zeitlmann Gerda Hasselfeldt Heinrich Lummer Karl-Heinz Scherhag Wolfgang Zöller Rainer Haungs Dr. Michael Luther Gerhard Scheu Otto Hauser (Esslingen) Erich Maaß (Wilhelmshaven) Norbert Schindler Hansgeorg Hauser Dr. Dietrich Mahlo Dietmar Schlee SPD (Rednitzhembach) Erwin Marschewski Ulrich Schmalz Klaus-Jürgen Hedrich Günter Marten Bernd Schmidbauer Klaus Barthel Manfred Heise Dr. Martin Mayer Christian Schmidt (Fürth) Lilo Blunck Dr. Renate Hellwig (Siegertsbrunn) Dr.-Ing. Joachim Schmidt Hans Martin Bury Ernst Hinsken Wolfgang Meckelburg (Halsbrücke) Uwe Hiksch Peter Hintze Rudolf Meinl Andreas Schmidt (Mülheim) Horst Kubatschka Dr. Karl-Heinz Hornhues Dr. Michael Meister Hans-Otto Schmiedeberg Konrad Kunick Siegfried Hornung Dr. Angela Merkel Hans Peter Schmitz Christa Lörcher Heinz-Adolf Hörsken Friedrich Merz (Baesweiler) Dorle Marx Joachim Hörster Rudolf Meyer (Winsen) Michael von Schmude Antje-Marie Steen Hubert Hüppe Hans Michelbach Birgit Schnieber-Jastram Josef Vosen Peter Jacoby Meinolf Michels Dr. Andreas Schockenhoff Verena Wohlleben Susanne Jaffke Dr. Gerd Müller Dr. Rupert Scholz Georg Janovsky Elmar Müller (Kirchheim) Reinhard Freiherr von Helmut Jawurek Engelbert Nelle Schorlemer BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Dr. Dionys Jobst Bernd Neumann (Bremen) Dr. Erika Schuchardt Dr.-Ing. Rainer Jork Johannes Nitsch Wolfgang Schulhoff Gila Altmann (Aurich) Michael Jung (Limburg) Claudia Nolte Dr. Dieter Schulte Elisabeth Altmann Ulrich Junghanns Dr. Roll Olderog (Schwäbisch Gmünd) (Pommelsbrunn) Dr. Egon Jüttner Friedhelm Ost Gerhard Schulz (Leipzig) Marieluise Beck (Bremen) Dr. Harald Kahl Eduard Oswald Frederick Schulze Volker Beck (Köln) Bartholomäus Kalb Norbert Otto (Erfurt) Diethard Schütze (Berlin) Angelika Beer Steffen Kampeter Dr. Gerhard Päselt Clemens Schwalbe Dr.-Ing. Dietmar Kansy Dr. Peter Paziorek Dr. Christian Schwarz Annelie Buntenbach Manfred Kanther Hans-Wilhelm Pesch Schilling Amke Dietert-Scheuer Irmgard Karwatzki Ulrich Petzold Wilhelm-Josef Sebastian Franziska Eichstädt-Bohlig Volker Kauder Anton Pfeifer Horst Seehofer Dr. Uschi Eid Peter Keller Angelika Pfeiffer Wilfried Seibel Andrea Fischer (Berlin) Eckart von Klaeden Dr. Gero Pfennig Heinz-Georg Seiffert Joseph Fischer (Frankfurt) Dr. Bernd Klaußner Dr. Friedbert Pflüger Rudolf Seiters Rita Grießhaber Hans Klein (München) Beatrix Philipp Johannes Selle Gerald Häfner Ulrich Klinkert Dr. Winfried Pinger Bernd Siebert Antje Hermenau Dr. Helmut Kohl Ronald Pofalla Jürgen Sikora Kristin Heyne Hans-Ulrich Köhler Dr. Hermann Pohler Johannes Singhammer Ulrike Höfken (Hainspitz) Ruprecht Polenz Bärbel Sothmann Michaele Hustedt Manfred Kolbe Marlies Pretzlaff Margarete Späte Dr. Manuel Kiper Norbert Königshofen Dr. Albert Probst Carl-Dieter Spranger Monika Knoche Eva-Maria Kors Dr. Bernd Protzner Wolfgang Steiger Dr. Angelika Köster-Loßack Hartmut Koschyk Dieter Pützhofen Steffi Lemke Manfred Koslowski Thomas Rachel Dr. Wolfgang Freiherr von Dr. Helmut Lippelt Thomas Kossendey Hans Raidel Stetten Oswald Metzger Rudolf Kraus Dr. Peter Ramsauer Dr. Gerhard Stoltenberg Kerstin Müller (Köln) Wolfgang Krause (Dessau) Rolf Rau Andreas Storm Winfried Nachtwei Andreas Krautscheid Helmut Rauber Max Straubinger Christa Nickels Arnulf Kriedner Peter Harald Rauen Michael Stübgen Cem Özdemir Heinz-Jürgen Kronberg Otto Regenspurger Egon Susset Gerd Poppe Dr.-Ing. Paul Krüger Christa Reichard (Dresden) Dr. Rita Süssmuth Simone Probst Reiner Krziskewitz Klaus Dieter Reichardt Michael Teiser Dr. Jürgen Rochlitz Dr. Hermann Kues (Mannheim) Dr. Susanne Tiemann Halo Saibold Werner Kuhn Dr. Bertold Reinartz Dr. Klaus Töpfer Christine Scheel Karl Lamers Erika Reinhardt Gottfried Tröger Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Karl A. Lamers Roland Richter Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Rezzo Schlauch (Heidelberg) Roland Richwien Gunnar Uldall Albert Schmidt (Hitzhofen) 4022 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Wolfgang Schmitt Dr. Barbara Höll Johannes Singer BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN (Langenfeld) Dr. Willibald Jacob Wieland Sorge Ursula Schönberger Ulla Jelpke Jörg-Otto Spiller Dr. Antje Vollmer Waltraud Schoppe Gerhard Jüttemann Margitta Terborg Werner Schulz (Berlin) Dr. Heidi Knake-Werner Dietmar Thieser Rainder Steenblock Rolf Köhne Karsten D. Voigt (Frankfurt) Marina Steindor Roll Kutzmutz Gunter Weißgerber F.D.P. Christian Sterzing Andrea Lederer Dr. Christoph Zöpel Ludger Volmer Heidemarie Lüth Peter Zumkley Dr. Burkhard Hirsch Helmut Wilhelm (Amberg) Dr. Günther Maleuda - Margareta Wolf (Frankfurt) Manfred Müller (Berlin) Rosel Neuhäuser Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Dr. Uwe-Jens Rössel F.D.P. Christina Schenk Nun gebe ich bekannt, wer seine Erklärung zu Pro- Steffen Tippach tokoll gegeben hat: Dr. Winfried Wolf, Gerald Häfner, Ina Albowitz Klaus-Jürgen Warnick Waltraud Schoppe, Antje Hermenau, Volker Kröning, Dr. Gisela Babel Dr. Winfried Wolf Marliese Dobberthien, Margot von Renesse, Horst Hildebrecht Braun Gerhard Zwerenz Kubatschka, Gerd Andres, Ing rid Matthäus-Maier (Augsburg) Günther Bredehorn und weitere 35 Kollegen, Gerhard Jüttemann, Eber- Jörg van Essen Enthaltungen hard Brecht, Konrad Kunick, Hans Ma rtin Bury, Dr. Olaf Feldmann Burkhard Hirsch, Birgit Homburger, Heidemarie Gisela Frick Wieczorek-Zeul, Stephan Hilsberg.*) Paul K. Friedhoff SPD Horst Friedrich Ich gebe nun das Wort für eine Erklärung zur Rainer Funke Gerd Andres Abstimmung an die Abgeordnete Angelika Köster Hans-Dietrich Genscher Hans Berger Loßack. Dr. Wolfgang Gerhardt Arne Börnsen (Ritterhude) Joachim Günther (Plauen) Tilo Braune Dr. Karlheinz Guttmacher Ursula Burchardt Dr. Angelika Köster-Loßack (BÜNDNIS 90/DIE Dr. Helmut Haussmann Christel Deichmann GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Her- Ulrich Heinrich Freimut Duve ren! Ich habe aus folgenden Gründen dem Antrag Walter Hirche Peter Enders der Bundesregierung nicht zugestimmt. Birgit Homburger Iris Follak Dr. Werner Hoyer Norbert Gansel Erstens. Das vorrangige Ziel, die Zivilbevölkerung Ulrich Irmer Dieter Grasedieck wirksam zu schützen und die Schutzzonen zu vertei- Dr. Klaus Kinkel Karl Hermann Haack digen, kann die schnelle Eingreiftruppe nicht erfül- Detlef Kleinert (Hannover) (Extertal) Roland Kohn Manfred Hampel len. Sie dient allein dem Schutz der Blauhelme bei Dr. Heinrich L. Kolb Dieter Heistermann der sogenannten Umgruppierung; aber ein Bombar- Jürgen Koppelin Stephan Hilsberg dement z. B. von Tuzla wäre kein Grund einzugrei- Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Gerd Höfer fen. Dies bedeutet eine Fortsetzung der bisherigen Dr. Otto Graf Lambsdorff Erwin Horn Handlungsunfähigkeit. Heinz Lanfermann Renate Jäger Sabine Leutheusser Sabine Kaspereit Zweitens. Das schlimmste für die bosnisch-herze- Schnarrenberger Susanne Kastner gowinische Bevölkerung wäre ein völliger Abzug der Uwe Lühr Ernst Kastning Blauhelme; denn das würde ihre endgültige Auslie- Jürgen W. Möllemann Hans-Ulrich Klose ferung an die Vertreibungs- und Vernichtungspolitik Günther Friedrich Nolting Walter Kolbow Dr. Rainer Ortleb Volker Kröning der Führung der bosnischen Serben bedeuten. Die Lisa Peters Thomas Krüger Option des Abzugs ist in der Regierungsvorlage ent- Dr. Günter Rexrodt Christine Kurzhals halten. Einer Vollmacht für die Möglichkeit einer Dr. Klaus Röhl Werner Labsch Auslieferung der bosnischen Bevölkerung an die Helmut Schäfer (Mainz) Robert Leidinger Truppen Karadžvics kann ich nicht zustimmen. Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Christine Lucyga Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Winfried Mante Drittens. Gemeinsam entwickelte politische Lö- Dr. Irmgard Schwaetzer Ingrid Matthäus-Maier sungsvorschläge für die Zukunft Bosnien-Herzego- Dr. Hermann Otto Sohns Markus Meckel winas sind weder auf UN- noch auf EU-Ebene in Dr. Max Stadler Christian Müller (Zittau) Sicht. Langfristig ist dieser Vernichtungskrieg in Ex- Carl-Ludwig Thiele Volker Neumann (Bramsche) Dr. Dieter Thomae Gerhard Neumann (Gotha) Jugoslawien mit seinen schrecklichen Auswirkungen Jürgen Türk Kurt Palis nur zu überwinden, wenn ethnisch motivierte Ver- Dr. Wolfgang Weng Rudolf Purps treibungen und das Betreiben von Vernichtungsla- (Gerlingen) Hermann Rappe gern sowie die systematischen Massenvergewalti- (Hildesheim) gungen nicht noch im nachhinein durch die Staaten- Margot von Renesse gemeinschaft legitimie rt werden. Die Kriegsverbre- PDS Renate Rennebach Horst Schild cher müssen vor dem Internationalen Strafgerichts- Petra Bläss Dieter Schloten hof für ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit Eva Bulling-Schröter Richard Schuhmann bestraft und nicht möglicherweise durch Gebietszu- Dr. Ludwig Elm (Delitzsch) geständnisse belohnt werden. Dr. Dagmar Enkelmann Reinhard Schultz Dr. Ruth Fuchs (Everswinkel) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Gregor Gysi Volkmar Schultz (Köln) Dr. Uwe-Jens Heuer Stefan Heym Bodo Seidenthal *) Anlagen 2 und 3 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4023

Dr. Angelika Köster-Loßack Ich kann ohne minimale politische Rahmenvorga- Meinrad Belle Dr. Renate Hellwig ben keinem militärischen Kampfeinsatz zustimmen. Dr. Sabine Bergmann-Pohl Ernst Hinsken Das wäre auch gegenüber den Soldaten verantwor- Hans-Dirk Bierling Peter Hintze Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Karl-Heinz Hornhues tungslos. Renate Blank Siegfried Hornung Dr. Heribert Blens Heinz-Adolf Hörsken (Beifall des Abg. Joseph Fischer [Frankfu rt] Peter Bleser Joachim Hörster [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und bei Ab Dr. Norbert Blüm Hubert Hüppe geordneten der CDU/CSU) Friedrich Bohl Peter Jacoby Dr. Maria Böhmer Susanne Jaffke - Jochen Borchert Georg Janovsky Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe nun Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Helmut Jawurek das von den Schriftführerinnen und Schriftführern Wolfgang Bosbach Dr. Dionys Jobst ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung Dr. Wolfgang Bötsch Dr.-Ing. Rainer Jork Klaus Brähmig Michael Jung (Limburg) zum Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ Rudolf Braun (Auerbach) Ulrich Junghanns DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/1828 bekannt. Ab- Paul Breuer Dr. Egon Jüttner gegebene Stimmen: 633, mit Ja haben gestimmt: 71, Monika Brudlewsky Dr. Harald Kahl mit Nein haben gestimmt: 510, Enthaltungen: 52. Georg Brunnhuber Bartholomäus Kalb Klaus Bühler (Bruchsal) Steffen Kampeter Endgültiges Ergebnis Simone Probst Hartmut Büttner Dr.-Ing. Dietmar Kansy Dr. Jürgen Rochlitz (Schönebeck) Manfred Kanther Abgegebene Stimmen: 633; Halo Saibold Dankward Buwitt Irmgard Karwatzki davon Christine Scheel Manfred Carstens (Emstek) Volker Kauder Peter Harry Carstensen Peter Keller ja: 70 Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch (Nordstrand) Eckart von Klaeden nein: 511 Albert Schmidt (Hitzhofen) Wolfgang Dehnel Dr. Bernd Klaußner enthalten: 52 Wolfgang Schmitt Hubert Deittert Hans Klein (München) (Langenfeld) Gertrud Dempwolf Ulrich Klinkert Ursula Schönberger Albert Deß Dr. Helmut Kohl Ja Werner Schulz (Berlin) Renate Diemers Hans-Ulrich Köhler Rainder Steenblock Wilhelm Dietzel (Hainspitz) Marina Steindor Werner Dörflinger Manfred Kolbe CDU/CSU Christian Sterzing Hansjürgen Doss Norbert Königshof en Dr. Antje Vollmer Dr. Alfred Dregger Eva-Maria Kors Dr. Dietrich Mahlo Ludger Volmer Maria Eichhorn Hartmut Koschyk Helmut Wilhelm (Amberg) Wolfgang Engelmann Manfred Koslowski Margareta Wolf (Frankfurt) Rainer Eppelmann Thomas Kossendey Heinz Dieter Eßmann Rudolf Kraus SPD Horst Eylmann Wolfgang Krause (Dessau) Anke Eymer Andreas Krautscheid Rudolf Bindig PDS Ilse Falk Arnulf Kriedner Elke Ferner Dr. Kurt Faltlhauser Heinz-Jürgen Kronberg Uwe Hiksch Petra Bläss Jochen Feilcke Dr.-Ing. Paul Krüger Dorle Marx Dr. Ludwig Elm Dagmar Enkelmann Dr. Karl H. Fell Reiner Krziskewitz Günter Rixe Dr. Dr. Ruth Fuchs Ulf Fink Dr. Hermann Kues Antje-Marie Steen Dr. Gregor Gysi Dirk Fischer (Hamburg) Werner Kuhn Margitta Terborg Dr. Uwe-Jens Heuer Leni Fischer (Unna) Karl Lamers Stefan Heym Klaus Francke (Hamburg) Dr. Karl A. Lamers Gerhard Jüttemann Herbert Frankenhauser (Heidelberg) BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Dr. Heidi Knake-Werner Dr. Gerhard Friedrich Dr. Norbert Lammert Rolf Köhne Erich G. Fritz Helmut Lamp Gila Altmann (Aurich) Andrea Lederer Hans-Joachim Fuchtel Armin Laschet Elisabeth Altmann Heidemarie Lüth Michaela Geiger Herbert Lattmann (Pommelsbrunn) Dr. Günther Maleuda Norbert Geis Dr. Paul Laufs Volker Beck (Köln) Manfred Müller (Berlin) Dr. Heiner Geißler Karl-Josef Laumann Angelika Beer Rosel Neuhäuser Michael Glos Werner Lensing Matthias Berninger Dr. Uwe-Jens Rössel Wilma Glücklich Christian Lenzer Annelie Buntenbach Christina Schenk Dr. Reinhard Göhner Peter Letzgus Amke Dietert-Scheuer Steffen Tippach Peter Götz Editha Limbach Franziska Eichstädt-Bohlig Klaus-Jürgen Warnick Joachim Gres Walter Link (Diepholz) Dr. Uschi Eid Gerhard Zwerenz Kurt-Dieter Grill Eduard Lintner Andrea Fischer (Berlin) Wolfgang Gröbl Dr. Klaus W. Lippold Joseph Fischer (Frankfurt) Hermann Gröhe (Offenbach) Rita Grießhaber Nein Claus-Peter Grotz Dr. Manfred Lischewski Gerald Häfner Manfred Grund Wolfgang Lohmann Kristin Heyne Horst Günther (Duisburg) (Lüdenscheid) Ulrike Höfken CDU/CSU Carl-Detlev Freiherr von Julius Louven Michaele Hustedt Hammerstein Sigrun Löwisch Dr. Manuel Kiper Ulrich Adam Gottfried Haschke Heinrich Lummer Monika Knoche Peter Altmaier (Großhennersdorf) Dr. Michael Luther Dr. Angelika Köster-Loßack Anneliese Augustin Gerda Hasselfeldt Erich Maaß (Wilhelmshaven) Steffi Lemke Jürgen Augustinowitz Rainer Haungs Erwin Marschewski Oswald Metzger Dietrich Austermann Otto Hauser (Esslingen) Günter Marten Kerstin Müller (Köln) Heinz-Günter Bargfrede Hansgeorg Hauser Dr. Martin Mayer Winfried Nachtwei Franz Peter Basten (Rednitzhembach) (Siegertsbrunn) Christa Nickels Dr. Wolf Bauer Klaus-Jürgen Hedrich Wolfgang Meckelburg Cem Özdemir Brigitte Baumeister Manfred Heise Rudolf Meinl 4024 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Dr. Michael Meister Michael von Schmude Peter Conradi Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Angela Merkel Birgit Schnieber-Jastram Christel Deichmann Dr. Edith Niehuis Friedrich Merz Dr. Andreas Schockenhoff Karl Diller Dr. Rolf Niese Rudolf Meyer (Winsen) Dr. Rupert Scholz Freimut Duve Doris Odendahl Hans Michelbach Reinhard Freiherr von Peter Enders Günter Oesinghaus Meinolf Michels Schorlemer Annette Faße Leyla Onur Dr. Gerd Müller Dr. Erika Schuchardt Lothar Fischer (Homburg) Manfred Opel Elmar Müller (Kirchheim) Wolfgang Schulhoff Gabriele Fograscher Albrecht Papenroth Engelbert Nelle Dr. Dieter Schulte Iris Follak Dr. Willfried Penner Bernd Neumann (Bremen) (Schwäbisch Gmünd) Norbert Formanski Dr. Martin Pfaff Johannes Nitsch Gerhard Schulz (Leipzig) Dagmar Freitag Georg Pfannenstein Claudia Nolte Frederick Schulze Katrin Fuchs (Verl) Dr. Eckhart Pick Dr. Rolf Olderog Diethard Schütze (Berlin) Arne Fuhrmann Joachim Poß Friedhelm Ost Clemens Schwalbe Monika Ganseforth Rudolf Purps Eduard Oswald Dr. Christian Schwarz- Norbert Gansel Hermann Rappe Norbert Otto (Erfurt) Schilling Konrad Gilges (Hildesheim) Dr. Gerhard Päselt Wilhelm-Josef Sebastian Iris Gleicke Karin Rehbock-Zureich Dr. Peter Paziorek Horst Seehofer Dr. Peter Glotz Margot von Renesse Hans-Wilhelm Pesch Wilfried Seibel Günter Graf (Friesoythe) Renate Rennebach Ulrich Petzold Heinz-Georg Seiffert Angelika Graf (Rosenheim) Bernd Reuter Anton Pfeifer Rudolf Seiters Dieter Grasedieck Reinhold Robbe Angelika Pfeiffer Johannes Selle Achim Großmann Gerhard Rübenkönig Dr. Gero Pfennig Bernd Siebert Karl Hermann Haack Dieter Schanz Dr. Friedbert Pflüger Jürgen Sikora (Extertal) Rudolf Scharping Beatrix Philipp Johannes Singhammer Hans-Joachim Hacker Bernd Scheelen Dr. Winfried Pinger Bärbel Sothmann Klaus Hagemann Siegfried Scheffler Ronald Pofalla Margarete Späte Manfred Hampel Horst Schild Dr. Hermann Pohler Carl-Dieter Spranger Christel Hanewinckel Otto Schily Ruprecht Polenz Wolfgang Steiger Alfred Hartenbach Dieter Schloten Marlies Pretzlaff Erika Steinbach Klaus Hasenfratz Günter Schluckebier Dr. Albert Probst Dr. Wolfgang Freiherr von Dr. Ingomar Hauchler Horst Schmidbauer Dr. Bernd Protzner Stetten Dieter Heistermann (Nürnberg) Dieter Pützhofen Dr. Gerhard Stoltenberg Reinhold Hemker Ulla Schmidt (Aachen) Thomas Rachel Andreas Storm Dr. Barbara Hendricks Heinz Schmitt (Berg) Hans Raidel Max Straubinger Reinhold Hiller (Lübeck) Dr. Emil Schnell Dr. Peter Ramsauer Michael Stübgen Stephan Hilsberg Walter Schöler Rolf Rau Egon Susset Gerd Höfer Ottmar Schreiner Helmut Rauber Dr. Rita Süssmuth Frank Hofmann (Volkach) Gisela Schröter Peter Harald Rauen Michael Teiser Ingrid Holzhüter Dr. Mathias Schubert Otto Regenspurger Dr. Susanne Tiemann Erwin Horn Schuhmann Richard Christa Reichard (Dresden) Dr. Klaus Töpfer Eike Hovermann (Delitzsch) Klaus Dieter Reichardt Gottfried Tröger Lothar Ibrügger Reinhard Schultz (Mannheim) Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Barbara Imhof (Everswinkel) Dr. Bertold Reinartz Gunnar Uldall Brunhilde Irber Volkmar Schultz (Köln) Erika Reinhardt Wolfgang Vogt (Düren) Gabriele Iwersen Dr. R. Werner Schuster Roland Richter Dr. Horst Waffenschmidt Jann-Peter Janssen Dietmar Schütz (Oldenburg) Roland Richwien Dr. Theodor Waigel Ilse Janz Ernst Schwanhold Dr. Norbert Rieder Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Uwe Jens Rolf Schwanitz Dr. Erich Riedl (München) Dr. Jürgen Warnke Sabine Kaspereit Bodo Seidenthal Klaus Riegert Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Hans-Peter Kemper Lisa Seuster Dr. Heinz Riesenhuber Gert Willner Klaus Kirschner Erika Simm Hannelore Rönsch Bernd Wilz Marianne Klappert Johannes Singer (Wiesbaden) Willy Wimmer (Neuss) Siegrun Klemmer Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Matthias Wissmann Hans-Ulrich Klose Wieland Sorge Dr. Klaus Rose Simon Wittmann Dr. Hans-Hinrich Knaape Wolfgang Spanier Kurt J. Rossmanith (Tännesberg) Fritz Rudolf Körper Dr. Dietrich Sperling Adolf Roth (Gießen) Dagmar Wöhrl Thomas Krüger Jörg-Otto Spiller Norbert Röttgen Michael Wonneberger Eckart Kuhlwein Ludwig Stiegler Dr. Christian Ruck Elke Wülfing Christine Kurzhals Dr. Peter Struck Volker Rühe Cornelia Yzer Dr. Uwe Küster Joachim Tappe Dr. Jürgen Rüttgers Wolfgang Zeitlmann Werner Labsch Jörg Tauss Roland Sauer (Stuttgart) Wolfgang Zöller Brigitte Lange Dr. Bodo Teichmann Ortrun Schätzle Robert Leidinger Jella Teuchner Dr. Wolfgang Schäuble SPD Klaus Lennartz Dietmar Thieser Hartmut Schauerte Dr. Elke Leonhard Franz Thönnes Heinz Schemken Gerd Andres Klaus Lohmann (Witten) Uta Titze-Stecher Karl-Heinz Scherhag Hermann Bachmaier Dieter Maaß (Herne) Hans-Eberhard Urbaniak Norbert Schindler Ernst Bahr Winfried Mante Siegfried Vergin Dietmar Schlee Doris Barnett Ulrike Mascher Günter Verheugen Ulrich Schmalz Wolfgang Behrendt Christoph Matschie Karsten D. Voigt (Frankfurt) Bernd Schmidbauer Hans Berger Ingrid Matthäus-Maier Hans Georg Wagner Christian Schmidt (Fürth) Dr. Ulrich Böhme (Unna) Heide Mattischeck Dr. Konstanze Wegner Dr.-Ing. Joachim Schmidt Arne Börnsen (Ritterhude) Markus Meckel Wolfgang Weiermann (Halsbrücke) Tilo Braune Ulrike Mehl Reinhard Weis (Stendal) Andreas Schmidt (Mülheim) Edelgard Bulmahn Herbert Meißner Matthias Weisheit Hans-Otto Schmiedeberg Ursula Burchardt Ursula Mogg Gunter Weißgerber Hans Peter Schmitz Marion Caspers-Merk Michael Müller (Düsseldorf) Gert Weisskirchen (Wiesloch) (Baesweiler) Wolf-Michael Catenhusen Volker Neumann (Bramsche) Jochen Welt Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4025

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Hildegard Wester PDS Ich werde das Ergebnis der letzten namentlichen Dr. Norbert Wieczorek Abstimmung im weiteren Verlauf der Sitzung be- Helmut Wieczorek Dr. Winfried Wolf kanntgeben. (Duisburg) Dieter Wiefelspütz Berthold Wittich Enthaltungen Ich rufe nun den Zusatzpunkt 6 auf: Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Beratung der Beschlußempfehlung des Aus- Heidi Wright SPD schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes Uta Zapf (Vermittlungsausschuß) zu dem Siebzehnten Dr. Christoph Zöpel Klaus Barthel Gesetz zur Änderung des Bundesausbil- Peter Zumkley Ingrid Becker-Inglau dungsförderungsgesetzes (17. BAföGÄndG) Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher - Drucksachen 13/1301, 13/1553, 13/1813, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Lilo Blunck Anni Brandt-Elsweier 13/1872 - Antje Hermenau Hans Martin Bury Berichterstattung: Gerd Poppe Hans Büttner (Ingolstadt) Abgeordneter Dr. Heribert Blens Waltraud Schoppe Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen Wird Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht Ludwig Eich der Fall. Wird das Wort zu Erklärungen gewünscht? - F.D.P. Gernot Erler Petra Ernstberger Auch das ist nicht der Fall. Günter Gloser Ina Albowitz Dann kommen wir zur Abstimmung. Dr. Gisela Babel Rolf Hempelmann Hildebrecht Braun Monika Heubaum Der Vermittlungsausschuß hat nach § 10 Abs. 3 (Augsburg) Nicolette Kressl Horst Kubatschka Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Günther Bredehorn Deutschen Bundestag über die Änderungen gemein- Jörg van Essen Konrad Kunick Detlev von Larcher Dr. Olaf Feldmann sam abzustimmen ist. Waltraud Lehn Gisela Frick Christa Lörcher Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Ver- Paul K. Friedhoff Erika Lotz mittlungsausschusses auf Drucksache 13/1872? - Ge- Horst Friedrich Dr. Christine Lucyga genprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist die Be- Rainer Funke Angelika Mertens Hans-Dietrich Genscher schlußempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen Dr. Jürgen Meyer (Ulm) der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD bei Stimment- Dr. Wolfgang Gerhardt Jutta Müller (Völklingen) Joachim Günther (Plauen) Kurt Neumann (Berlin) haltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Karlheinz Guttmacher Adolf Ostertag und der Gruppe der PDS angenommen. Dr. Helmut Haussmann Otto Reschke Ulrich Heinrich Dr. Hansjörg Schäfer Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 7 auf: Walter Hirche Dr. Hermann Scheer Birgit Homburger Dagmar Schmidt (Meschede) Dr. Werner Hoyer Beratung der Beschlußempfehlung des Aus- Wilhelm Schmidt (Salzgitter) schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes Ulrich Irmer Regina Schmidt-Zadel Dr. Klaus Kinkel Dr. Angelica Schwall-Düren (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Detlef Kleinert (Hannover) Horst Sielaff Änderung des Bundes-Immissionsschutzge- Roland Kohn Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk seizes Dr. Heinrich L. Kolb Wolfgang Thierse Jürgen Koppelin Adelheid Tröscher - Drucksachen 13/1524, 13/1754, 13/1812, Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Ute Vogt (Pforzheim) 13/1890 - Dr. Otto Graf Lambsdorff Lydia Westrich Heinz Lanfermann Inge Wettig-Danielmeier Berichterstattung: Sabine Leutheusser- Heidemarie Wieczorek-Zeul Abgeordneter Dr. Heribert Blens Schnarrenberger Hanna Wolf (München) Uwe Lühr Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Jürgen W. Möllemann Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zu Erklärungen Günther Friedrich Nolting BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN gewünscht? - Das ist auch nicht der Fall. Dann kom- Dr. Rainer Ortleb men wir auch in dieser Sache zur Abstimmung. Lisa Peters Marieluise Beck (Bremen) Dr. Günter Rexrodt Der Vermittlungsausschuß hat nach § 10 Abs. 3 Dr. Klaus Röhl Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Helmut Schäfer F.D.P. Deutschen Bundestag über die Änderungen gemein- (Mainz) Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Burkhard Hirsch sam abzustimmen ist. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Ver- Dr. Irmgard Schwaetzer Dr. Hermann Otto Solms PDS mittlungsausschusses auf Drucksache 13/1890? - Ge- Dr. Max Stadler genprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist die Be- Carl-Ludwig Thiele Eva Bulling-Schröter schlußempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen Dr. Dieter Thomae Dr. Barbara Höll der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen der Jürgen Türk Dr. Willibald Jacob Opposition angenommen. Dr. Wolfgang Weng Ulla Jelpke (Gerlingen) Rolf Kutzmutz Ich gebe nun das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentli- Der Entschließungsantrag ist damit abgelehnt. chen Abstimmung zu dem Entschließungsantrag der 4026 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Gruppe der PDS auf Drucksache 13/1808 bekannt. Dr. Karl-Heinz Hornhues Dr. Michael Meister Abgegebene Stimmen: 638. Mit Ja haben gestimmt: Siegfried Hornung Dr. Angela Merkel 25. Mit Nein haben gestimmt: 608. Der Stimme ent- Heinz-Adolf Hörsken Friedrich Merz halten haben sich 5 Abgeordnete. Joachim Hörster Rudolf Meyer (Winsen) Hubert Hüppe Hans Michelbach Peter Jacoby Meinolf Michels Susanne Jaffke Dr. Gerd Müller Endgültiges Ergebnis Dr. Wolfgang Bötsch Georg Janovsky Elmar Müller (Kirchheim) Klaus Brähmig Helmut Jawurek Engelbert Nelle Abgegebene Stimmen: 638; Rudolf Braun (Auerbach) Dr. Dionys Jobst Bernd Neumann (Bremen) davon Paul Breuer Dr.-Ing. Rainer Jork Johannes Nitsch ja: 25 Monika Brudlewsky Michael Jung (Limburg) Claudia Nolte Georg Brunnhuber Ulrich Junghanns Dr. Rolf Olderog nein: 608 Klaus Bühler (Bruchsal) Dr. Egon Jüttner Friedhelm Ost enthalten: 5 Hartmut Büttner Dr. Harald Kahl Eduard Oswald (Schönebeck) Bartholomäus Kalb Norbert Otto (Erfurt) Dankward Buwitt Steffen Kampeter Dr. Gerhard Päselt Ja Manfred Carstens (Emstek) Dr.-Ing. Dietmar Kansy Dr. Peter Paziorek Peter Harry Carstensen Manfred Kanther Hans-Wilhelm Pesch (Nordstrand) Irmgard Karwatzki Ulrich Petzold PDS Wolfgang Dehnel Volker Kauder Anton Pfeifer Hubert Deittert Peter Keller Angelika Pfeiffer Petra Bläss Gertrud Dempwolf Eckart von Klaeden Dr. Gero Pfennig Eva Bulling-Schröter Albert Deß Dr. Bernd Klaußner Dr. Friedbert Pflüger Dr. Ludwig Elm Renate Diemers Hans Klein (München) Beatrix Philipp Dr. Dagmar Enkelmann Wilhelm Dietzel Ulrich Klinkert Dr. Winfried Pinger Dr. Ruth Fuchs Werner Dörflinger Dr. Helmut Kohl Ronald Pofalla Dr. Gregor Gysi Hansjürgen Doss Hans-Ulrich Köhler Dr. Hermann Pohler Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Alfred Dregger (Hainspitz) Ruprecht Polenz Stefan Heym Maria Eichhorn Manfred Kolbe Marlies Pretzlaff Dr. Barbara Höll Wolfgang Engelmann Norbert Königshofen Dr. Albert Probst Dr. Willibald Jacob Rainer Eppelmann Eva-Maria Kors Dr. Bernd Protzner Ulla Jelpke Heinz Dieter Eßmann Hartmut Koschyk Dieter Pützhofen Gerhard Jüttemann Horst Eylmann Manfred Koslowski Thomas Rachel Dr. Heidi Knake-Werner Anke Eymer Thomas Kossendey Hans Raidel Rolf Köhne Ilse Falk Rudolf Kraus Dr. Peter Ramsauer Rolf Kutzmutz Dr. Kurt Faltlhauser Wolfgang Krause (Dessau) Rolf Rau Andrea Lederer Jochen Feilcke Andreas Krautscheid Helmut Rauber Heidemarie Lüth Dr. Karl H. Fell Arnulf Kriedner Peter Harald Rauen Dr. Günther Maleuda Ulf Fink Heinz-Jürgen Kronberg Otto Regenspurger Manfred Müller (Berlin) Dirk Fischer (Hamburg) Dr.-Ing. Paul Krüger Christa Reichard (Dresden) Dr. Uwe-Jens Rössel Leni Fischer (Unna) Reiner Krziskewitz Klaus Dieter Reichardt Christina Schenk Klaus Francke (Hamburg) Dr. Hermann Kues (Mannheim) Steffen Tippach Herbert Frankenhauser Werner Kuhn Dr. Bertold Reinartz Klaus-Jürgen Warnick Dr. Gerhard Friedrich Karl Lamers Erika Reinhardt Dr. Winfried Wolf Erich G. Fritz Dr. Karl A. Lamers Roland Richter Gerhard Zwerenz Hans-Joachim Fuchtel (Heidelberg) Roland Richwien Michaela Geiger Dr. Norbert Lammert Dr. Norbert Rieder Norbert Geis Helmut Lamp Dr. Erich Riedl (München) Nein Dr. Heiner Geißler Armin Laschet Klaus Riegert Michael Glos Herbert Lattmann Dr. Heinz Riesenhuber Wilma Glücklich Dr. Paul Laufs Hannelore Rönsch CDU/CSU Dr. Reinhard Göhner Karl-Josef Laumann (Wiesbaden) Peter Götz Werner Lensing Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Ulrich Adam Dr. Wolfgang Götzer Christian Lenzer Dr. Klaus Rose Peter Altmaier Joachim Gres Peter Letzgus Kurt J. Rossmanith Anneliese Augustin Kurt-Dieter G rill Editha Limbach Adolf Roth (Gießen) Jürgen Augustinowitz Wolfgang Gröbl Walter Link (Diepholz) Norbert Röttgen Dietrich Austermann Hermann Gröhe Eduard Lintner Dr. Christian Ruck Heinz-Günter Bargfrede Claus-Peter Grotz Dr. Klaus W. Lippold Volker Rühe Franz Peter Basten Manfred Grund (Offenbach) Dr. Jürgen Rüttgers Dr. Wolf Bauer Horst Günther (Duisburg) Dr. Manfred Lischewski Roland Sauer (Stuttga rt) Brigitte Baumeister Carl-Detlev Freiherr von Wolfgang Lohmann Ortrun Schätzle Meinrad Belle Hammerstein (Lüdenscheid) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Sabine Bergmann-Pohl Gottfried Haschke Julius Louven Hartmut Schauerte Hans-Dirk Bierling (Großhennersdorf) Sigrun Löwisch Heinz Schemken Dr. Joseph-Theodor Blank Gerda Hasselfeldt Heinrich Lummer Karl-Heinz Scherhag Renate Blank Rainer Haungs Dr. Michael Luther Gerhard Scheu Dr. Heribert Blens Otto Hauser (Esslingen) Erich Maaß (Wilhelmshaven) Norbert Schindler Peter Bleser Hansgeorg Hauser Dr. Dietrich Mahlo Dietmar Schlee Dr. Norbert Blüm (Rednitzhembach) Erwin Marschewski Ulrich Schmalz Friedrich Bohl Klaus-Jürgen Hedrich Günter Marten Bernd Schmidbauer Dr. Maria Böhmer Manfred Heise Dr. Martin Mayer Christian Schmidt (Fürth) Jochen Borchert Dr. Renate Hellwig (Siegertsbrunn) Dr.-Ing. Joachim Schmidt Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Ernst Hinsken Wolfgang Meckelburg (Halsbrücke) Wolfgang Bosbach Peter Hintze Rudolf Meinl Andreas Schmidt (Mülheim) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Hans-Otto Schmiedeberg Hans Berger Hans-Peter Kemper Günter Schluckebier Hans Peter Schmitz Hans-Werner Bertl Klaus Kirschner Horst Schmidbauer (Baesweiler) Friedhelm Julius Beucher Marianne Klappert (Nürnberg) Michael von Schmude Rudolf Bindig Siegrun Klemmer Ursula Schmidt (Aachen) Birgit Schnieber-Jastram Lilo Blunck Hans-Ulrich Klose Dagmar Schmidt (Meschede) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ulrich Böhme (Unna) Dr. Hans-Hinrich Knaape Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Dr. Rupert Scholz Arne Börnsen (Ritterhude) Fritz Rudolf Körper Regina Schmidt-Zadel Reinhard Freiherr von Anni Brandt-Elsweier Nicolette Kressl Heinz Schmitt (Berg) Schorlemer Tilo Braune Thomas Krüger Dr. Emil Schnell Dr. Erika Schuchardt Edelgard Bulmahn Horst Kubatschka Walter Schöler - Wolfgang Schulhoff Ursula Burchardt Eckart Kuhlwein Ottmar Schreiner Dr. Dieter Schulte Hans Martin Bury Christine Kurzhals Gisela Schröter (Schwäbisch Gmünd) Hans Büttner (Ingolstadt) Dr. Uwe Küster Dr. Mathias Schubert Gerhard Schulz (Leipzig) Marion Caspers-Merk Werner Labsch Schuhmann Richard Frederick Schulze Wolf-Michael Catenhusen Brigitte Lange (Delitzsch) Diethard Schütze (Berlin) Peter Conradi Detlev von Larcher Reinhard Schultz Clemens Schwalbe Christel Deichmann Waltraud Lehn (Everswinkel) Dr. Christian Schwarz Karl Diller Robert Leidinger Volkmar Schultz (Köln) Schilling Dr. Marliese Dobberthien Klaus Lennartz Dr. R. Werner Schuster Wilhelm-Josef Sebastian Peter Dreßen Dr. Elke Leonhard Dietmar Schütz (Oldenburg) Horst Seehofer Rudolf Dreßler Klaus Lohmann (Witten) Dr. Angelica Schwall-Düren Wilfried Seibel Freimut Duve Christa Lörcher Ernst Schwanhold Heinz-Georg Seiffert Ludwig Eich Erika Lotz Rolf Schwanitz Rudolf Seiters Peter Enders Dr. Christine Lucyga Bodo Seidenthal Johannes Selle Gernot Erler Dieter Maaß (Herne) Lisa Seuster Bernd Siebert Petra Ernstberger Winfried Mante Horst Sielaff Jürgen Sikora Annette Faße Dorle Marx Erika Simm Johannes Singhammer Elke Ferner Ulrike Mascher Johannes Singer Bärbel Sothmann Lothar Fischer (Homburg) Christoph Matschie Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Margarete Späte Gabriele Fograscher Ingrid Matthäus-Maier Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Carl-Dieter Spranger Iris Follak Heide Mattischeck Wieland Sorge Wolfgang Steiger Norbert Formanski Markus Meckel Wolfgang Spanier Erika Steinbach Dagmar Freitag Ulrike Mehl Dr. Dietrich Sperling Dr. Wolfgang Freiherr von Katrin Fuchs (Verl) Herbert Meißner Jörg-Otto Spiller Stetten Arne Fuhrmann Angelika Mertens Antje-Marie Steen Dr. Gerhard Stoltenberg Monika Ganseforth Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Ludwig Stiegler Andreas Storm Norbert Gansel Ursula Mogg Dr. Peter Struck Max Straubinger Konrad Gilges Michael Müller (Düsseldorf) Joachim Tappe Michael Stübgen Iris Gleicke Jutta Müller (Völklingen) Jörg Tauss Egon Susset Günter Gloser Kurt Neumann (Berlin) Dr. Bodo Teichmann Dr. Rita Süssmuth Dr. Peter Glotz Volker Neumann (Bramsche) Margitta Terborg Michael Teiser Günter Graf (Friesoythe) Gerhard Neumann (Gotha) Jella Teuchner Dr. Susanne Tiemann Angelika Graf (Rosenheim) Dr. Edith Niehuis Wolfgang Thierse Dr. Klaus Töpfer Dieter Grasedieck Dr. Rolf Niese Dietmar Thieser Gottfried Tröger Achim Großmann Doris Odendahl Franz Thönnes Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Karl Hermann Haack Günter Oesinghaus Uta Titze-Stecher Gunnar Uldall (Extertal) Leyla Onur Wolfgang Vogt (Düren) Hans-Joachim Hacker Manfred Opel Adelheid Tröscher Dr. Horst Waffenschmidt Klaus Hagemann Adolf Ostertag Hans-Eberhard Urbaniak Dr. Theodor Waigel Manfred Hampel Kurt Palis Siegfried Vergin Alois Graf von Waldburg-Zeil Christel Hanewinckel Albrecht Papenroth Günter Verheugen Dr. Jürgen Warnke Alfred Hartenbach Dr. Wilfried Penner Ute Vogt (Pforzheim) Kersten Wetzel Klaus Hasenfratz Dr. Martin Pfaff Karsten D. Voigt (Frankfurt) Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Dr. Ingomar Hauchler Georg Pfannenstein Hans Georg Wagner Gert Willner Dieter Heistermann Dr. Eckhart Pick Dr. Konstanze Wegner Bernd Wilz Reinhold Hemker Joachim Poß Wolfgang Weiermann Willy Wimmer (Neuss) Rolf Hempelmann Rudolf Purps Reinhard Weis (Stendal) Matthias Wissmann Dr. Barbara Hendricks Hermann Rappe Matthias Weisheit Simon Wittmann Monika Heubaum (Hildesheim) Gunter Weißgerber (Tännesberg) Uwe Hiksch Karin Rehbock-Zureich Gert Weisskirchen (Wiesloch) Dagmar Wöhrl Reinhold Hiller (Lübeck) Margot von Renesse Jochen Welt Michael Wonneberger Stephan Hilsberg Renate Rennebach Hildegard Wester Elke Wülfing Gerd Höfer Otto Reschke Lydia Westrich Cornelia Yzer Frank Hofmann (Volkach) Bernd Reuter Inge Wettig-Danielmeier Wolfgang Zeitlmann Ingrid Holzhüter Günter Rixe Dr. Norbert Wieczorek Wolfgang Zöller Erwin Horn Reinhold Robbe Helmut Wieczorek (Duisburg) Eike Hovermann Gerhard Rübenkönig Heidemarie Wieczorek-Zeul Lothar Ibrügger Dr. Hansjörg Schäfer Dieter Wiefelspütz SPD Barbara Imhof Dieter Schanz Berthold Wittich Brunhilde Irber Rudolf Scharping Dr. Wolfgang Wodarg Gerd Andres Gabriele Iwersen Bernd Scheelen Verena Wohlleben Hermann Bachmaier Jann-Peter Janssen Dr. Hermann Scheer Hanna Wolf (München) Ernst Bahr Ilse Janz Siegfried Scheffler Heidi Wright Doris Barnett Dr. Uwe Jens Horst Schild Uta Zapf Ingrid Becker-Inglau Sabine Kaspereit Otto Schily Dr. Christoph Zöpel Wolfgang Behrendt Ernst Kastning Dieter Schloten Peter Zumkley 4028 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Horst Friedrich Überweisungsvorschlag: Rainer Funke Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Elisabeth Altmann Hans-Dietrich Genscher Innenausschuß (Pommelsbrunn) Dr. Wolfgang Gerhardt Rechtsausschuß Marieluise Beck (Bremen) Joachim Günther (Plauen) Finanzausschuß Volker Beck (Köln) Dr. Karlheinz Guttmacher Ausschuß für Wirtschaft Angelika Beer Dr. Helmut Haussmann Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Matthias Berninger Ulrich Heinrich Ausschuß für Gesundheit Ausschuß für Verkehr Annelie Buntenbach Walter Hirche Amke Dietert-Scheuer Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - Birgit Homburger Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Werner Hoyer Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technolo- Dr. Uschi Eid Ulrich Irmer gie und Technikfolgenabschätzung Andrea Fischer (Berlin) Dr. Klaus Kinkel Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Joseph Fischer (Frankfurt) Detlef Kleinert (Hannover) Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Rita Grießhaber Roland Kohn Dazu sind im allseitigen Einverständnis des Hau- Gerald Häfner Dr. Heinrich L. Kolb Antje Hermenau ses Reden der Kollegen Heinz Schemken, Hermann Jürgen Koppelin Haack, der Kollegin Bläss sowie der Kollegen Uwe Kristin Heyne Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Ulrike Höfken Dr. Otto Graf Lambsdorff Lühr und Volker Beck zu Protokoll gegeben worden. Michaele Hustedt Heinz Lanfermann Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aus- Dr. Köster-Loßack Angelika Sabine Leutheusser sprache ist geschlossen. Steffi Lemke Schnarrenberger Dr. Helmut Lippelt Der Ältestenrat schlägt die Überweisung der Vor- Uwe Lühr Oswald Metzger lage auf Drucksache 13/813 an die in der Tagesord- Jürgen W. Möllemann Kerstin Müller (Köln) F ch Nolting nung aufgeführten Ausschüsse vor. - Ich sehe und Winfried Nachtwei Günther riedri Dr. Rainer Ortleb höre keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung Christa Nickels so beschlossen. Cem Özdemir Lisa Peters Gerd Poppe Dr. Günter Rexrodt Ich rufe jetzt die Zusatzpunkte 8a bis 8 e auf: Simone Probst Dr. Klaus Röhl Weitere abschließende Beratungen ohne Aus- Dr. Jürgen Rochlitz Helmut Schäfer (Mainz) sprache Halo Saibold Cornelia Schmalz-Jacobsen Christine Scheel Dr. Edzard Schmidt-Jortzig a) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Irmgard Schwaetzer tionsausschusses (2. Ausschuß) Rezzo Schlauch Dr. Hermann Otto Sohns Sammelübersicht 50 zu Petitionen Dr. Max Stadler Albert Schmidt (Hitzhofen) - Drucksache 13/1867 - Wolfgang Schmitt Carl-Ludwig Thiele (Langenfeld) Dr. Dieter Thomae b) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- Ursula Schönberger Jürgen Türk tionsausschusses (2. Ausschuß) Waltraud Schoppe Dr. Wolfgang Weng Sammelübersicht 51 zu Petitionen (Gerlingen) Werner Schulz (Berlin) - Drucksache 13/1868 - Rainder Steenblock Marina Steindor c) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- Christian Sterzing Enthaltungen tionsausschusses (2. Ausschuß) Dr. Antje Vollmer Sammelübersicht 52 zu Petitionen Ludger Volmer Helmut Wilhelm (Amberg) SPD - Drucksache 13/1869 - Margareta Wolf (Frankfurt) d) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- Klaus Barthel tionsausschusses (2. Ausschuß) Konrad Kunick Sammelübersicht 53 zu Petitionen F.D.P. - Drucksache 13/1870 - Ina Albowitz BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN e) Beratung der Beschlußempfehlung des Petiti- Dr. Gisela Babel onsausschusses (2. Ausschuß) Hildebrecht Braun Gila Altmann (Aurich) (Augsburg) Monika Knoche Sammelübersicht 54 zu Petitionen Günther Bredehorn - Drucksache 13/1871 - Jörg van Essen Dr. Olaf Feldmann F.D.P. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kom- Gisela Frick men deshalb sofort zur Abstimmung. Wer stimmt für Paul K. Friedhoff Dr. Burkhard Hirsch die aufgerufenen Beschlußempfehlungen? - Gegen- probe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt. Beschlußempfehlungen bei Stimmenthaltung der Gruppe der PDS angenommen worden sind. Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 20 auf: Wir sind damit am Schluß der Tagesordnung. Der Beratung des Antrags der Abgeordneten Termin der nächsten Sitzung des Bundestages wird Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Ludwig Elm, Dr. Heidi rechtzeitig bekanntgegeben. Ich wünsche Ihnen, so- Knake-Werner, weiterer Abgeordneter und weit das möglich ist, eine angenehme Sommerpause. der Gruppe der PDS Ich fürchte allerdings oder hoffe - je nachdem, wie Einsetzung einer Enquete-Kommission man es betrachtet -, daß wir uns in der Sommerpause „Gleichstellung von Menschen mit Behinde- mindestens einmal wiedersehen werden. rung" Damit schließe ich die Sitzung. - Drucksache 13/813 - (Schluß der Sitzung: 15.44 Uhr) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4029*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 zung des schnellen Einsatzverbandes vorgesehen, der für die Sicherheit der in Bosnien-Herzegowina Liste der entschuldigten Abgeordneten stationierten Blauhelmsoldaten sorgen soll. Da die bosnischen Serben UNPROFOR zur Kriegspartei er- entschuldigt bis klärt haben, ist ein solcher Schutz im Zusammen- Abgeordnete(r) einschließlich hang mit einer Umgruppierung erforderlich.- Deutschland sollte den internationalen Einsatzver- Adler, Brigitte SPD 30. 6. 95 band mit denjenigen Mitteln unterstützen, die a ller Antretter, Robert SPD 30.6. 95 Voraussicht nach nicht zu einer Eskalation des Kon- fliktes führen. Behrendt, Wolfgang SPD 30. 6. 95 Bierstedt, Wolfgang PDS 30.6. 95 Ich vermag nicht zu erkennen, warum der Einsatz einiger weniger deutscher ECR-Tornados zu einer Böttcher, Maritta PDS 30. 6. 95 Eskalation des Konflikts führen soll, zudem diese erst Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 30.6. 95 dann einen Einsatzbefehl erhalten, wenn Blauhelme Erler, Gernot SPD 30. 6. 95 in Gefahr geraten sind. Weder werden die ECR-Tor- Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 30.6. 95 nados militärische Attacken f liegen noch sich an der Überwachung des Flugverbotes im Rahmen von Horn, Erwin SPD 30.6. 95 Deny Flight beteiligen. Dieser defensive Auftrag Hornung, Siegfried CDU/CSU 30. 6. 95 kann daher kaum für serbische Propagandazwecke Jung (Düsseldorf), Volker SPD 30.6. 95 nutzbar gemacht werden. Wenn ECR-Tornados einen Schutz gewähren, den andere Waffensysteme nicht Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 30.6. 95 90/DIE zu leisten vermögen, kann ich diese deutsche Schutz- GRÜNEN komponente für die Blauhelmsoldaten und die sie schützende Eingreiftruppe nicht verweigern. Dr. Luft, Christa PDS 30.6. 95 Lummer, Heinrich CDU/CSU 30. 6. 95 Dies hat nichts mit einer Militarisierung deutscher Außenpolitik zu tun, sondern mit der moralischen Marten, Günter CDU/CSU 30.6. 95 Verpflichtung, jenen jungen Blauhelmsoldaten zu Pfannenstein, Georg SPD 30.6. 95 helfen, die - auch für uns - in Bosnien-Herzegowina Dr. Probst, Albert CDU/CSU 30.6. 95 den Versuch unternehmen, zu deeskalieren und ei- Dr. Scheer, Hermann SPD 30.6. 95 nen derzeit nur schwer vorstellbaren Friedensprozeß zu befördern. Zudem befinden sich die Vereinten Na- Schulte (Hameln), B rigitte SPD 30.6. 95 tionen im Jahr ihres fünfzigjährigen Bestehens in ei- Schumann, Ilse SPD 30. 6.95 ner schweren Krise, da sich zuwenig Länder soli- Siebert, Bernd CDU/CSU 30.6. 95 darisch an der Finanzierung sowie an der Mate rial- und Truppenbereitstellung für friedenserhaltende Such, Manfred BÜNDNIS 30.6. 95 Maßnahmen beteiligen. Die von der Bevölkerung un- 90/DIE GRÜNEN seres Landes mehrheitlich befürwortete Beteiligung Deutschlands an Blauhelmaktionen der Vereinten Terborg, Margitta SPD 30. 6. 95 Nationen kann aus historischen Gründen für das Wallow, Hans SPD 30.6. 95 ehemalige Jugoslawien nur eingeschränkt gelten. So Zierer,Benno CDU/CSU 30. 6. 95 wird sich die Bundeswehr nicht unmittelbar am Man- dat von UNPROFOR beteiligen, sondern nur Hilfe für deren Schutzkomponente übernehmen. Anlage 2 Dennoch habe ich Probleme mit meiner Zustim- mung zur Regierungsvorlage. Meine Kritik bezieht Erklärungen nach § 31 GO sich vor allem auf drei Punkte: zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung: Erstens. Durch die Umgruppierung der Blauhelm- Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen soldaten wird zwar deren persönlicher Schutz erhöht, zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen die Ausübung des Mandates aber faktisch einge- Einsatzverbands im früheren Jugoslawien schränkt, da sich dann keine UNPROFOR-Soldaten einschließlich der Unterstützung eines eventuellen mehr auf jenem Gebiet Bosnien-Herzegowinas auf- Abzugs der VN-Friedenstruppen und halten, das von den bosnischen Serben kontrolliert zu den Entschließungsanträgen der Fraktionen wird. Damit kann physisch nur noch auf das Verhal- der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie zu ten einer Konfliktpartei Einfluß genommen werden. dem Entschließungsantrag der Gruppe der PDS Angesichts der zudem weitgehenden Schutzlosigkeit (Tagesordnungspunkt 17) der Schutzzonen, der Remilitarisierung der Umge- bung von Sarajevo, der immer schlechter werdenden Dr. Eberhard Brecht (SPD): Auf der Grundlage des Versorgung der Zivilbevölkerung mit Wasser, Le- Beschlusses 998 des VN-Sicherheitsrates vom bensmitteln und Medikamenten sowie der sich ver- 16. Juni 1995 ist eine Beteiligung der Bundesrepu- festigenden Absicht der Kriegsparteien, den Konflikt blik Deutschland beim Schutz und bei der Unterstüt militärisch lösen zu wollen, stellt sich immer zwin- 4030* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 gender die Frage, ob nicht die UNPROFOR-Mission unter dennoch. Dessen Dasein verdanken diverse gescheitert ist. Spendenorganisationen das ihre. Wenn weder Geld noch Ausreden uns aus der Klemme helfen, schicken Ich vermag nun nicht zu entdecken, inwieweit der wir neuerdings Soldaten mit blauen Helmen in die Eingreifverband und dessen Unterstützung durch die Welt, auf daß sie dazu beitragen, die garstigen Bilder Bundeswehr die Durchsetzung des Mandates beför- aus den Nachrichten zu vertreiben oder wenigstens dern werden. Weder werden die Grenzen zu Restju- dadurch zu camouflieren, daß deutsche Blauhelme goslawien undurchlässiger, über die die bosnischen Brunnen bohren und Schulen bauen. Diese helfen Serben ständig mit militärischen Gütern versorgt zwar genauso wenig, die Ursachen von Elend und werden, noch können humanitäre Transporte nun (Bürger-)Krieg zu bekämpfen wie die Spendenmil- ungehindert an ihren Bestimmungsort gelangen. Da- liarden, aber die Hilfe für einzelne entlastet die Mil- mit gewährt der schnelle Einsatzverband lediglich ei- lionen zu Hause. nen begrenzten Aufschub für die Beantwortung der entscheidenden Frage: Verändertes Mandat im Sinn Neuerdings, da die zweckentfremdeten Soldaten einer „mission defense" oder Abzug? Dabei gebe ich mit den blauen Kopfbedeckungen selbst der Hilfe der ersten Option angesichts der Position Rußlands bedürfen, ist eine Schwarz, Blau+Gelb = Grün und innerhalb der Kontaktgruppe kaum eine Chance. Rote-Koalition zur Stelle, um den bedrohten Beschüt- Wenn ich dem Regierungsantrag dennoch zustimme, zern richtige Soldaten nachzuschicken. Die sollen so zugunsten der geschundenen Menschen in Bos- freilich auch nicht in den eigentlichen Konflikt ein- nien-Herzegowina, denen durch das kleine Zeitfen- greifen, sondern nur die eigene Vorhut schützen. Die ster zwischen Verstärkung und Abzug noch eine schnellen Eingreiftruppen wiederum sind entweder kleine Hoffnung auf eine friedliche Konfliktlösung die Vorhut für Kampftruppen oder sie flankieren den eingeräumt wird. Rückzug. Zweitens. Ich teile eine wesentliche Kritik des An- Kein Zweifel, die internationale Politik hat sich trages der SPD-Bundestagsfraktion. Sowohl im gründlich verheddert. Neu dabei ist nur, daß deutsch-französischen Feldlazarett in Kroatien als Deutschland aus Angst vor dem Freund - sie ist we- auch auf dem italienischen Flugplatz Piacenza wer- niger neu - diesmal militärisch mitmacht. Das Schei- den Wehrpflichtige eingesetzt, deren eigentliche tern ist zwar programmiert aber die Alte rnative wäre Aufgabe die Landes- und die Bündnisverteidigung offenbar schmerzhafter: Wir müßten Konsequenzen ist. Sicherlich befindet sich die Basis Piacenza auf aus Predigten und Parteitagsbeschlüssen ziehen und NATO-Gebiet, und die Wehrpflichtigen in Kroatien unseren Beitrag leisten, um den Boden anders zu be- sind mit nichtmilitärischen Aufgaben betraut. Den- stellen, auf dem heute ethnische, religiöse, nationale noch ist die Bundesregierung bemüht, mit diesem Konflikte gedeihen. Das aber kostete materiellen und früheren Einsätzen ein Gewohnheitsrecht zu in- Wohlstand und ökonomische Hegemonie. Es würde stallieren, das mit meinem Rechtsverständnis unver- uns politisch Handelnde auch zwingen, uns wieder einbar ist. Mein Ja zum deutschen Einsatz auf dem Grundfragen zuzuwenden, statt mit tagespolitischen Balkan ist daher kein Präjudiz für spätere Entschei- Antworten zu glänzen. dungen in dieser Frage. Die Konsequenz für die Entscheidung um den Ein- Drittens. Nach wie vor habe ich formaljuristische satz von Bundeswehrsoldaten im ehemaligen Jugo- Vorbehalte gegen den Antrag der Bundesregierung. slawien? Ein klares Nein, verbunden mit dem Einge- Sicherlich ist die Rechtsauffassung der Abteilung stehen des Scheiterns der UN-Inte rvention und ei- VNMH des Auswärtigen Amtes zutreffend, der ent- nem Ende der Heuchelei unter der Überschrift „Die sprechend für den Abzug einer zeitlich begrenzten Blauhelme müssen bleiben" . Ihr Einsatz ist geschei- friedenserhaltenden Mission kein gesonderter Rück- tert, sie sollten sich zurückziehen. Es gibt keinerlei zugsbeschluß notwendig ist. Wenn jedoch die NATO Voraussetzungen dafür, daß sie zu einer Beendigung und andere Staaten den Abzug von Blauhelmsolda- der Kämpfe und der zugrundeliegenden Konfliktsi- ten militärisch absichern müßten, wäre eine entspre- tuation beitragen könnten. chende Mandatierung durch den Sicherheitsrat er- Es gibt zu viele Plätze auf der Welt, auf denen forderlich, wovon übrigens auch die NATO-Planung grausame Kämpfe ausgetragen - aber nicht übertra- für den Rückzug ausgeht. Somit wäre meines Erach- gen! - werden, als daß wir uns von den Geldspenden tens für die Unterstützung eines UNPROFOR-Rück- auf das Opfern junger Männer in Uniform verlegen zuges durch die Bundeswehr eine erneute Befassung könnten und dürften. Wer sich nicht nur den Deck- und ein weiterer Beschluß des Deutschen Bundesta- mantel der Mitmenschlichkeit umhängt oder eigene ges erforderlich. Diese juristische Frage sollte unbe- Hilflosigkeit bemänteln möchte, soll - wenn er für dingt geprüft und gegebenenfalls durch einen zwei- eine militärische Option votiert - für einen Kriegsein- geteilten Beschluß korrigiert werden. Dieser Vorbe- satz auch von Bodentruppen eintreten - und sich halt berührt jedoch nicht meine inhaltliche Entschei- möglichst gleich selbst dafür melden. Der Krieg light dung zur Solidarität mit den Entsenderstaaten des wird nicht zu gewinnen sein. Wer auf die Militarisie- Blauhelmkontingents in Bosnien-Herzegowina und rung der Außenpolitik setzt, beginnt sich, so fürchte den in diesem Land leidenden Menschen. ich, aus der politischen Verantwortung zu stehlen.

Hans Martin Bury (SPD): Wir leben auf Kosten Dr. Marliese Dobberthien (SPD): Ich werde dem der Welt, die wir zur zweiten und dritten degradiert heute vorgelegten Antrag der SPD trotz grundsätzli- haben. An den Gedanken haben wir uns zwar ge- cher Bedenken, die ich hier formulieren möchte, zu- wöhnt, doch ein schlechtes Gewissen plagt uns mit- stimmen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4031*

Die Diskussion um den Krieg im ehemaligen Jugo- einer kriegerischen Auseinandersetzung aktiv betei- slawien und über die Frage, welche Maßnahmen zu ligen. Das ist ein historischer Wendepunkt mit un- ergreifen sind, um diesen Krieg zu beenden oder we- übersehbaren Konsequenzen, verantwortet vom nigstens einzudämmen, zeigen in erster Linie, wie Bundestag, aber nicht abgeklärt in einer breiten öf- hilflos und ratlos die Völkergemeinschaft und damit fentlichen Diskussion. Es ist ein falscher Weg, wenn auch wir sind. Nicht einmal das Embargo funktio- die NATO, bisher Verteidigungsbündnis, sich eine niert. Wir finden heute im ehemaligen Jugoslawien Eingreiftruppe schafft, ohne daß ein globales Frie- eine nahezu aussichtslose Situation vor. Diese hat denskonzept entwickelt worden wäre. sich ergeben, weil eine Eskalation des Krieges hinge- nommen wurde, weil viele Fehler seitens der UNO, Der aus der Erfahrung zweier von Deutschland der EU und einzelner Staaten gemacht wurden, die entfesselter Kriege gewonnene Konsens „Nie wieder den Krieg weiter angeheizt haben, und weil keine Krieg" darf nicht ins Wanken geraten. Es gibt viele politische Zielvorstellung - weder supranational Wege der unblutigen Konfliktbewältigung. Sie sind noch national - formuliert wurde, wie das ehemalige mit allen Mitteln zu fördern, nicht die militärischen Jugoslawien dauerhaft bef riedet werden kann. Maßnahmen. Die Verkürzung der Konfliktlösung auf militärischen Aktionismus kann langfristig nur schei- Die UNO hat sich in diesen Konflikt offenkundig tern. Doch politische Grundsätze und Zielsetzungen weitgehend unvorbereitet und konzeptionslos immer entheben hier und heute niemanden des Zwangs, tiefer verstrickt und steht heute mehr hilflos als plan- sich mit der aktuell vorhandenen Situation in Ex-Ju- voll einem brutalen Krieg gegenüber, der unter der goslawien auseinanderzusetzen. Jeder Pragmatismus Zivilbevölkerung die meisten Opfer findet. Um zu- greift zu kurz und ist dennoch unverzichtbar, wenn künftig nicht in vergleichbare Situationen zu gera- er hilft, dem Frieden näher zu kommen. Den Ver- ten, ist es unverzichtbar, gemeinsam Strategien zur bleib der UNO-Truppen zur Ausübung ihres humani- Früherkennung von Konflikten, die das Potential von tären Auftrags gilt es zu unterstützen. Bürgerkriegen in sich tragen, zu entwickeln, sich auf Deeskalisierungsmaßnahmen zu einigen, alternative Die im SPD-Antrag aufgeführten Maßnahmen sind Sicherheitskonzepte zu erarbeiten und eine Reform von zwei Grundsätzen geleitet. Unterstützung dieses der UNO voranzutreiben. humanitären Auftrages, keine militärische Eskala- tion. Eine Zustimmung für die Maßnahmen, wie sie Der Antrag der Bundesregierung läßt eine über- im SPD-Antrag aufgeführt sind, ist der Versuch, ohne zeugende Konzeption zur Förderung der Friedens- militärische Eskalation der Zivilbevölkerung weiteres herstellung vermissen. Eher ist das Leitmotiv erkenn- schweres Leiden zu ersparen. Daher stimme ich dem bar: „Dabeisein ist alles" . Der Einsatz von Tornados, Antrag der SPD zu und lehne den Antrag der Bun- wie ihn die Regierung vorsieht, wird mit großer desregierung entschieden ab. Wahrscheinlichkeit zu einer Eskalation des Krieges beitragen. Es ist nicht auszuschließen, daß der An- Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich trag der Bundesregierung Auftakt einer breiten, kann dem Antrag der Bundesregierung nicht zustim- nicht mehr steuerbaren Militäraktion außerhalb des men. Aber ich habe dafür andere Gründe als der NATO-Gebietes werden kann; denn die geplanten Großteil meiner Fraktion. Maßnahmen enthalten weder einen schlüssigen frie- denspolitischen Ansatz, noch sind der Zeitrahmen Unsere heutige Abstimmung stellt eine entschei- und Umfang klar begrenzt. Und die Militarisierung dende Weichenstellung in der deutschen Geschichte unseres politischen Denkens schreitet kontinuierlich und Politik, aber auch in der internationalen Politik voran. dar. Sie wird von den verschiedensten Seiten und auf Während wir gestern noch darüber gestritten ha- den unterschiedlichsten Ebenen gewürdigt werden. ben, ob und in welchem Rahmen Blauhelmeinsätze Deshalb ist es mir wichtig, die Gesichtspunkte mei- erlaubt sein sollen, streiten wir heute bereits über ner Entscheidung, die in wichtigen Punkten von der den Einsatz bestimmter Waffensysteme. Auch die Re- Mehrheitsposition meiner Fraktion abweichen, dar- gionen eines Einsatzes werden beliebig. Gestern So- zulegen. malia, heute Rest-Jugoslawien. Und morgen? Was bewirkt der Einsatz deutscher Tornados? Wird er als Erstens. Im ehemaligen Jugoslawien tobt kein offene Provokation verstanden? Werden neue Gei- „Bürgerkrieg". Die verbreitete Haltung, wir sollten seln genommen? Ist er der letzte Versuch, das Schei- uns heraushalten, wenn, wie es so oft behauptet tern der Blauhelmmission zu kaschieren? Streiten wir wird, „die sich im Balkan wieder einmal die Köpfe morgen über eine militärische Einsatztruppe, jeder- einschlagen", ist zynisch und hat mit den Realitäten zeit einsetzbar und gesteuert durch jene Atom- im ehemaligen Jugoslawien überhaupt nichts zu tun. mächte, deren Votum im Weltsicherheitsrat nur sie Der Krieg in Bosnien-Herzegowina und Teilen Kroa- selber korrigieren können? tiens ist ein Eroberungs- und Vernichtungskrieg. Er fiel nicht vom Himmel, „brach" nicht „aus", sondern Mehr Fragen als Antworten, und die Bundesregie- wurde über lange Zeit angekündigt, erstmalig etwa rung behauptet, sie sei isoliert, wenn sie nicht dabei in der viel zu wenig wahrgenommenen Akademie- sei. Dabei gibt es bis heute keine Anforderung sei- rede von Slobodan Milosevic schon in den 80er Jah- tens der NATO oder der UNO, deutsche Tornados im ren. Das diesem Krieg zugrundeliegende Konzept, Kriegsgeschehen einzusetzen. Mit dem von der Bun- überall, wo Serben leben, müsse auch Serbien sein, desregierung vorgeschlagenen Einsatz wird sich die trägt faschistische Züge und ist in einer pluralisti- Bundesrepublik also aus freien Stücken erstmals an schen, multiethnischen Welt unerträglich. 4032* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Seit Jahren wurden Hunderttausende ermordet, durch. Die Serben blockieren die Versorgungswege, vertrieben, vergewaltigt, gefoltert. Die Weltgemein- lassen Transporte nur nach Gutdünken und oft nach schaft schaut zu. Milosevic, Karadzic und andere ver- Plünderung oder Beschlagnahme eines Großteils der höhnen und demütigen die Vereinten Nationen fast Hilfsgüter durch und machen sich so die Bevölke- täglich, spielen geschickt und gewissenlos die unter- rung wie die Hilfsorganisationen zu Geiseln. schiedlichen Interessen der Staatengemeinschaft ge- geneinander aus. Kein Waffenstillstand wird einge- Ein Abzug würde den Krieg verschärfen und den halten, kein Friedensvertrag wird akzeptiert, die von Tod zigtausender weiterer Menschen zur Folge ha- der UNO sichergestellten schweren Waffen wurden ben. Aber die vor Ort stehenden Blauhelmsoldaten gewaltsam zurückerobert, praktisch täglich wird von wurden spätestens durch die serbischen Geiselnah- serbischen Stellungen aus auf Zivilisten, Frauen, Kin- men zu Marionetten gemacht. Ihr Auftrag war von der in Sarajevo geschossen. Anfang an unzureichend und Folge der Unentschie- denheit der europäischen und internationalen Zweitens. Ich möchte ein eindeutiges Bekenntnis Mächte. Ihre Entsendung war eher Ausdruck zum Ziel des Friedens, der Menschenrechte und der schlechten Gewissens als einer klaren Politik. Sie ha- weltweiten konsequenten Abrüstung ablegen. Von ben nicht einmal das Recht, Hilfskonvois zu schützen diesem Ziel, das viele von uns politisiert und zusam- und die wenigen lebensnotwendigen Versorgungs- mengeführt hat, werde ich nicht ablassen. Aber - das wege freizuhalten. Die serbische Seite hat das früh habe ich nie anders gesehen - gerade eine dem Ziel erkannt und die Blauhelme immer wieder als Werk- des Friedens und der Menschenrechte verpflichtete zeug oder Geiseln ihrer Politik genutzt. Nicht erst die Politik darf nicht zulassen, daß der Frieden zerstört, jüngsten Demütigungen haben NATO und UNO zu Menschenrechte mit Füßen getreten, f riedliche, waf- Plänen geführt, alle Blauhelmsoldaten abzuziehen. fenlose, pluralistische Gesellschaften ausgelöscht und „ethnische Säuberungen" bet rieben werden. Viertens. Die Beteiligung der Bundeswehr ändert an dieser Lage nichts. Der Auftrag für die UN-Solda- Die Lehre, die den Menschen im ehemaligen Jugo- ten in Kroatien und Bosnien-Herzegowina wurde slawien und insbesondere in Bosnien-Herzegowina nicht geändert. Damit hängt der Einsatz buchstäblich gegenwärtig nahezu täglich erteilt wird, ist eine in der Luft. Er ändert nichts an den Realitäten und schwere, tragische, folgenschwere Lehre: Gewalt Verhältnissen. Das Morden wird weitergehen. Schon zahlt sich aus. Wer zur Waffe greift, andere vertreibt durch das jahrelange Zögern ist eine vernünftige, und erschießt, wird belohnt. Er bekommt und darf wirkungsvolle Politik immer schwerer geworden. behalten, was er sich genommen hat. Wer dagegen Was jetzt geschieht, ist weit mehr symbolische als gewaltlos und friedlich bleibt, wird zur Zielscheibe, reale Politik. Dafür hebe ich nicht die Hand in der muß um sein Leben fürchten, ohne daß ihm jemand vielleicht schwersten politischen Entscheidung die- beisteht. Es ist eine schreckliche, unmenschliche ses Jahrzehnts, schon gar nicht, wenn ich mit meiner Lehre, die unter den Augen der Weltgemeinschaft Entscheidung nicht nur einem denkbar vagen Auf- nicht weit von uns den Menschen Tag für Tag erteilt trag, sondern - gänzlich gegen meine Überzeugung wird. Was wundert es da, daß inzwischen die Saat und mein Gewissen - möglicherweise sogar der Vor- der Gewalt aufgegangen ist und sich die verschiede- bereitung eines Abzuges der UNO-Truppen aus dem nen am Krieg beteiligten Seiten im Hinblick auf die ehemaligen Jugoslawien meine Zustimmung erteilen Rücksichtslosigkeit und Grausamkeit immer mehr müßte. annähern. Fünftens. Die Entscheidung über die aktive Rolle Wer nicht hilflos zuschauen und mitschuldig wer- der Bundeswehr und damit Deutschlands in der Welt den will, wie nicht weit von uns Menschen auf Grund stellt eine entscheidende Weichenstellung dar, über ihrer ethnischen Zugehörigkeit umgebracht werden die nicht nur wir, sondern auch die Bürgerinnen und und eine über lange Zeit multikulturelle und -ethni- Bürger gründlich diskutieren müssen. Es ist eine sche Gesellschaft ausgelöscht wird, der muß sich der Frage, die mehr als viele andere in ihrer Konsequenz Debatte über eine internationale Streitmacht stellen, das ganze deutsche Volk berührt. Wir alle sollten uns die im Namen und unter dem Befehl der Vereinten deshalb die Frage stellen, wie wir die Bürgerinnen Nationen Friedensbrecher in die Schranken weisen und Bürger unseres Landes an dieser dringend not- und den Menschen Schutz bieten kann. Dies sollen wendigen Entscheidung beteiligen können. Ich dann allerdings nach meiner Auffassung gerade möchte diese Debatte führen, sie ist dringend erfor- nicht mehr nationale Armeen oder die NATO sein, derlich. Aber sie verlangt einen Konsens sowie ver- sondern Soldaten eines supranationalen Kontingen- nünftige, ehrliche Grundlagen. Sie muß Antwort auf tes unter alleiniger Verfügung der Vereinten Natio- all die Fragen geben, die der Antrag der Bundesre- nen. gierung heute offenläßt.

Drittens. Die Menschen in Sarajevo und anderen Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Teilen Bosniens sind zum Teil von jeder Nahrungs- Toleranz bedeutet für mich nicht unbeteiligtes Dane- mittel- und humanitären Versorgung abgeschnitten. benstehen, heißt auch nicht Laissez-faire, sondern Ohne die internationale Hilfe des UNHCR und ande- Toleranz bedeutet für mich, dem anderen bei der rer Hilfsorganisationen werden sie dem sicheren Tod Wahrung seiner Eigenständigkeit und seiner Rechte ausgeliefert. Ohne UNO-Blauhelmsoldaten im zur Seite zu stehen. Sicher tun wir uns alle schwer Kriegsgebiet wird diese Hilfe nicht mehr fortgesetzt mit dem Verlust des Glaubens daran, daß wir einen werden können. Schon heute kommen zum Teil mo- neuen Grad des zivilisierten Umganges miteinander natelang keine Flüge und keine Transpo rte mehr erreicht hätten. Die so deutlich vorgeführte Anfällig- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4033* keit und Zerbrechlichkeit des zivilisatorischen Pro- dafür einzusetzen, durch den Bau von Wohnungen, zesses nach dem Zweiten Weltkrieg machen uns er- Straßen, Krankenhäusern, Schulen und Infrastruktur neut die große Ambivalenz des Menschen bewußt. soziale und ethnische Konfliktherde zu beseitigen. Vielleicht ist es meine Schwäche, nicht mitansehen Ich kann es aber nicht akzeptieren, daß wir uns im- zu können, daß die Bosnier wegen der Entschei- mer weiter in eine aussichtslose Lage hineinziehen dungsunfähigkeit des UN-Sicherheitsrates geopfe rt werden sollen. Deshalb lehne ich den Entschlie- lassen und dafür das Leben unserer Soldaten einset- ßungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zen. NEN in dieser Konsequenz ab. Dem Antrag der Bun- Das Ziel, entweder nur humanitäre Hilfe zu leisten desregierung kann ich nicht zustimmen, weil er eine oder sich an einem wirksamen militärischen Einsatz so deutliche Klausel zur Rückzugssicherung der UN- der gesamten Völkergemeinschaft zu beteiligen, Truppen enthält und ich diese Verknüpfung der Hilfe kann ich durch keine Form der Stimmabgabe zu den mit der Androhung, sich ansonsten zurückzuziehen, vorliegenden Anträgen erreichen. Darum werde ich nicht mittragen kann. mich der Stimme enthalten. Stephan Hilsberg (SPD): Ich schließe mich den von Birgit Homburger (F.D.P.): Die heutige Entschei- Norbert Gansel in seiner Rede dargelegten Positio- dung läutet eine neue Epoche in der deutschen Au- nen an. ßenpolitik ein. Grundlage der heutigen Entschei- dung ist der Gedanke, den Menschen in Bosnien hel- Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Ich kann mich nicht dazu entschließen, dem Antrag der Bundesregie- fen zu wollen. Wir müssen uns bewußt sein, daß rung, Drucksache 13/1802, zuzustimmen, bewaffnete diese Hilfe im Rahmen der internationalen Staaten- Streitkräfte zur Unterstützung des sogenannten gemeinschaft auch den Tod deutscher Soldaten be- schnellen Einsatzverbandes einzusetzen. deuten kann. Wir alle hoffen, daß es dazu nicht kommt. Wir dürfen aber nicht allein im Glauben auf Wir sind in eine politische Lage geraten, in der diese Hoffnung entscheiden. Jedem einzelnen von jede Entscheidung falsch ist. Für jeden bewaffneten uns muß bewußt sein, welche Konsequenzen diese Einsatz, früher Krieg genannt, muß zuvor eindeutig Entscheidung haben kann, und wir sind es den bestimmt werden, welches politische Ziel erreicht Bürgerinnen und Bürgern schuldig, dies ehrlich an- werden soll, für das das Leben von Soldaten einge- zusprechen. setzt und geopfe rt wird. Dieses Ziel kann ich nicht er- kennen. Mit Blick auf die deutsche Geschichte und zur Si- cherung des Friedens in Europa ist es konsequent, Inhaltlich läuft die geforderte Beteiligung auf eine daß die Bundesrepublik Deutschland sich in die in- Teilnahme an dem Einsatz der Blauhelme UNPRO- ternationale Staatengemeinschaft integ riert. Dies be- FOR hinaus. Blauhelme sollten ursprünglich mit Zu- deutet, daß nach intensiver Diskussion und Erörte- stimmung der kriegführenden Parteien durch Neu- rung des Einzelfalls auch ein Einsatz deutscher Sol- tralisierung einen unbeabsichtigten Ausbruch krie- daten bei allen militärischen Einsätzen im Rahmen gerischer Auseinandersetzungen verhindern. der internationalen Staatengemeinschaft möglich sein muß. Den politischen Auftrag, den wir heute der Diese Aufgabe kann weder mit den vorhandenen, Bundeswehr erteilen, ist verantwortbar. Ich fordere noch mit den nun geforderten Streitkräften erreicht die Verantwortlichen bei der Bundeswehr, an ihrer werden. Wir werden vielmehr Schritt für Schritt in ei- Spitze den Bundesminister der Verteidigung, auf, si- nen Krieg hineingezogen, den wir nicht verhindern, cherzustellen, daß nur entsprechend gut ausgebil- und in dem die Beteiligung deutscher Soldaten - dete Soldaten für den Einsatz ausgewählt werden nach allen bisherigen und berechtigten Erklärungen und daß alle organisatorischen Maßnahmen für eine der Bundesregierung - eher eskalierend wirken optimale Vorbereitung und für die Sicherheit der wird. deutschen Soldaten getroffen werden. Darüber hin- Solidarität im Bündnis ist nowendig. Sie entbindet aus vertraue ich auf die Zusage des Verteidigungsmi- aber nicht von der Verpflichtung, rationale Entschei- nisteriums, daß bei einem eventuellen Einsatz von dungen zu treffen. Ich könnte es verstehen, wenn be- Wehrpflichtigen oder Reservisten nur Freiwillige waffnete Hilfe angeboten werden soll, um den Ab- zum Einsatz kommen. Ich halte es weiterhin für not- zug der UNPROFOR-Einheiten zu ermöglichen. Ich wendig, freiwillige Wehrpflichtige oder Reservisten könnte es auch verstehen, wenn die Demütigung der nur dann zum Einsatz zuzulassen, wenn es von deren Völkergemeinschaft durch Geiselnahme von Solda- Ausbildungsstand und der individuellen Leistungsfä- ten der UNPROFOR beantwortet werden soll mit der higkeit verantwortbar ist. entschlossenen Sicherung der Schutzzonen im Ich akzeptiere, daß es weit über die Bundesrepu- Kriegsgebiet mit jeder Form militärischer Macht un- blik Deutschland hinaus eine große Übereinstim- ter Beteiligung aller Staaten der NATO oder mit eige- mung gibt, die den Verbleib der UNO-Soldaten in nen militärischen Einheiten der Vereinten Nationen, Bosnien als notwendig erachtet. Ich bin persönlich wie sie in ihrer Charta vorgesehen sind. Ich könnte anderer Auffassung. Angesichts der Lage in Bosnien es auch verstehen, wenn das Waffenembargo für das glaube ich nicht daran, daß die inte rnationale Staa- gesamte Kriegsgebiet konsequent mit allen denkba- tengemeinschaft es mit den derzeitigen Maßnahmen ren Mitteln der Völkergemeinschaft durchgesetzt schaffen wird, Frieden in Bosnien zu sichern. Die werden soll. Verantwortlichen für den Tod vieler Menschen in Noch besser wäre es allerdings, die Mittel, die jetzt Bosnien sind auch die Verantwortlichen für die Ge- für militärische Einsätze aufgewendet werden sollen, fangennahme von UNO-Soldaten. Sie zeigen keiner- 4034* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 lei Reue. Es ist deshalb nicht davon auszugehen, daß antwortlichen deutschen Politiker wollen das nicht sie sich ändern. Ich befürchte im Gegenteil, daß gewußt haben? Männer wie Karadzic die Beteiligung deutscher Sol- daten für eine unberechtigte, aber bewußt vorange- In der Folgezeit haben dann z. B. England und triebene Eskalation mißbrauchen wollen. Die Verant- Frankreich immer wieder versucht, politische Lösun- wortlichen, insbesondere der bosnische Serbenführer gen zu vermitteln, was ja nur möglich ist, wenn man Karadzic, sind in meinen Augen Mörder. Sie handeln in dem Konflikt nicht Partei ergreift. Für Deutschland internationale Vereinbarungen aus und brechen sie dagegen waren von Anfang an die Serben die blut- jedesmal. Sie versuchen mit unwürdigen Mitteln, die rünstige Bestie und Moslems und Kroaten das un- internationale Staatengemeinschaft vorzuführen. Mit schuldige Lamm. Dabei will ich gar nicht in Frage solchen Männern sollte nicht weiter verhandelt wer- stellen, daß der Nationalismus der größten Nation, den. Sie sollten zur Rechenschaft gezogen werden. also der serbischen, natürlich der gefährlichste ist. Daher bin ich persönlich der Meinung, daß die UNO- Der Krieg aber ist Ausdruck des Auf einandertreffens Soldaten aus Bosnien abgezogen und das Waffenem- aller drei unvereinbaren Nationalismen in Jugosla- bargo aufgehoben werden sollte. wien, des serbischen, des kroatischen und des mosle- mischen. Da ich mit dieser Meinung als einzelne gegen eine Der deutschen Politik werfe ich vor, daß sie in die- große Mehrheit stehe, werde ich diese persönliche ses ohnehin so hochexplosive Gemisch noch ihren ei- Auffassung nicht zur Grundlage meiner heutigen genen Nationalismus hineinkatapultiert. Sie versu- Entscheidung machen. Wenn auf der Grundlage ei- chen seit geraumer Zeit, Ihr Standort-Deutschland- ner derart großen Übereinstimmung für den Verbleib Süppchen nun auch mit militärischen Zutaten zu der UNO-Soldaten in Bosnien deutsche Soldaten sich würzen. Ich fordere Sie deshalb zur radikalen Um- nun freiwillig zum Einsatz melden, weil sie davon kehr auf: Beteiligen Sie sich an der Suche politischer überzeugt sind, daß sie anderen Menschen helfen Lösungen, die die Rechte aller beteiligten Konflikt- können, wenngleich sie sich persönlich in Lebensge- parteien berücksichtigen. Lassen Sie ab von dem fahr begeben, müssen sie dafür die Unterstützung abenteuerlichen Versuch, deutsches Militär wieder und Hilfe der deutschen Politiker haben. Da ich au- deutsche Außengrenzen überschreiten zu lassen. ßerdem den Einsatz für verantwortbar halte, werde ich dem Antrag der Bundesregierung zustimmen. Ich jedenfalls verweigere den von Ihnen ge- wünschten Kriegskrediten die Zustimmung. Ich sage Gleichwohl halte ich fest, daß in der Zukunft eine nein zu Kampfeinsätzen der Bundeswehr im Krisen- intensive politische Diskussion über eine klare Um- gebiet des ehemaligen Jugoslawien oder irgendwo strukturierung und moderne Organisation der Bun- sonst auf der Welt. deswehr mit Blick auf neue Anforderungen geführt werden muß. In diesem Zusammenhang erkläre ich, Volker Kröning (SPD): Der anhaltende Völker- und daß ich bei meiner Auffassung bleibe, daß wir den Menschenrechtsbruch in Bosnien-Herzegowina, die zukünftigen Herausforderungen an die Bundeswehr Leiden der Zivilbevölkerung und die Gefährdung nur mit einer Freiwilligenarmee gerecht werden kön- der Blauhelmsoldaten verlangen von der Staatenge- nen. meinschaft eine politische Antwort, die dem Recht zur Durchsetzung verhilft und vor allem der Beendi- gung des bewaffneten Konflikts dient. Gerhard Jüttemann (PDS): Stundenlang und lei- denschaftlich ist in diesem Hohen Hause über die fol- Die deutsche Politik kann im ehemaligen Jugosla- genlose Frage der Verhüllung des Reichstages disku- wien nur wenig tun, doch das muß sie tun. Ich tiert worden. Nun wollen Sie die Frage entscheiden, stimme deshalb der Maßnahme zu, um deren Billi- ob Deutschland wieder tauglich ist, sich an Kriegen gung die Bundesregierung den Deutschen Bundes- zu beteiligen, und möchten möglichst wenig darüber tag ersucht, und enthalte mich bei dem SPD-Antrag. debattieren. Warum eigentlich, was haben Sie denn zu verbergen? Hat es vielleicht damit zu tun, daß Ihre Die Entscheidung enthebt die Bundesrepublik Motive doch nicht so lauter und redlich sind, wie Sie nicht der Pflicht zu weiteren Anstrengungen im Zu- es glauben machen möchten? sammenwirken mit den anderen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und Ich vermute es, und zwar deswegen, weil Deutsch- der NATO. land im jugoslawischen Konflikt von Anfang an eine sehr unrühmliche Rolle gespielt hat. Zunächst als Horst Kubatschka, Klaus Barthel, Uwe Hiksch, (alle SPD): Der EU-Vorreiter für die Anerkennung Kroatiens. Es war Christa Lörcher, Antje-Marie Steen Deutsche Bundestag trifft heute eine historische Ent- der bosnische Präsident Izetbegovic, der damals drin- scheidung: Er entscheidet über einen Kriegseinsatz gend vor dieser Anerkennung gewarnt hat. Denn von deutschen Soldaten. Wir sind politisch aktiv ge- wenn es unmöglich war, daß Kroaten noch länger mit worden, in die SPD eingetreten, um den Frieden zu den Serben in einem einzigen multikulturellen Jugo- erhalten - eine Politik gegen den Krieg zu betreiben. slawien zusammenleben konnten, dann galt die glei- Krieg löst keine Probleme. Dies ist sozialdemokrati- che Logik doch auch für das multikulturelle Bosnien- sche Überzeugung. Herzegowina. Die Anerkennung Kroatiens hat also den Krieg sehr wahrscheinlich gemacht, die wie- Nach diesem Beschluß wird die NATO ihr Gesicht derum von Deutschland forcierte Anerkennung Bos- geändert haben. Das Verteidigungsbündnis wird sich niens hat dann maßgeblich zu seiner Auslösung bei- zum Interventionsbündnis wandeln. Gleichzeitig ver- getragen. Izetbegovic hat das gewußt, und die ver- ändert sich die Bundeswehr. Auch sie wird von einer Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4035'

Verteidigungs- zu einer Interventionsarmee umstruk- Lieber Rudolf, turiert. Aus der Wehrpflichtigenarmee wird mittelfri- ich möchte Dich in Kenntnis setzen, daß ich aus stig eine Berufsarmee. Damit wird nach unserer Auf- der ganzen Erfahrung meines Lebens einen An- fassung der Auftrag und Rahmen des Grundgesetzes trag ablehne, der dem Bundestag anträgt zu be- verlassen. Bisher konnte der Staat von seinen Bür- schließen, einen schnellen Einsatzverband zum gern die Selbstverteidigung verlangen. Diese fand in Schutz der UN-Friedenstruppen auch mit Kräften einem Bündnis statt, dessen Verteidigungsauftrag auf das Gebiet der verbündeten Länder beschränkt der Bundeswehr zu unterstützen. Ich will auf kei- nen Fall, daß meine Söhne an einer solchen Opera- war. Mit dem Eingreifen im ehemaligen Jugosla- tion teilnehmen müßten und dementsprechend wien, also außerhalb des Bündnisgebietes, wird der bisherige Auftrag grundlegend negativ verändert. mute ich es auch nicht den Söhnen anderer Bürger unseres Staates zu. Ich habe der alten Bundesrepu- Aus diesen Gründen können wir dem Entschlie- blik den Kriegsdienst verweigert, nachdem ich ßungsantrag der SPD-Fraktion nicht zustimmen. zwei Jahre Wehrdienst abgeleistet hatte; meine Söhne haben statt dessen Behinderte gepflegt. Helfen wir mit dem Einsatz der Bundeswehr den In der gegenwärtigen politischen Situation sehe Opfern dieses Krieges? Nein, der Krieg wird ange- ich überhaupt keinen Anlaß, daß die SPD irgendei- heizt. Es wird noch mehr Opfer geben. Wollen wir nen militärischen Einsatz mitträgt, weil unsere nochmals Blauhelme als Geiseln erleben? Wollen wir Verbündeten nicht in Europa angegriffen werden noch einmal in die Falle der Kriegsparteien laufen? und mit Hinweis auf die Bündnispflichten militäri- Jede deutsche Beteiligung wird zu einer Eskalierung sche Unterstützung durch deutsche Truppen anf or des Krieges führen. Dadurch entsteht die Gefahr, daß -dern. Erst in einem solchen Fall bin ich bereit, zu mit deutschen Soldaten und deutschen Waffen trotz differenzieren zwischen meinem individuellen historischer Erfahrung eine Kriegsbeteiligung in Verhalten als Kriegsdienstverweigerer und politi- Gang gesetzt wird. Mit Bomben und Raketen kann schen Beschlüssen, die in einer bestimmten Situa- dieser Konflikt nicht gelöst werden. Helfen können tion geboten sind. Im Augenblick sehe ich die SPD nur Verhandlungen. Die Kriegsparteien lassen sich in der Situation, daß sie mit ihren Beschlüssen nicht an den Verhandlungstisch bomben. Dies zeigt zwar zu bremsen versucht, aber letztlich doch der bisherige Verlauf des Krieges. Das Versagen der Stück für Stück Verantwortung übernimmt für die Außenpolitik kann nicht durch militärische Handlun- Umwandlung der um sechs hilfsbedürftige Länder gen ersetzt werden. Von der Außenpolitik - auch von größer gewordenen Bundesrepublik zu einer mit- der deutschen - wurde bisher keine politische Lö- teleuropäischen Großmacht und in einem Prozeß, sung für Bosnien-Herzegowina erarbeitet. Bomben der leicht enden kann in einem Krieg zwischen und Raketen sind keine politischen Konzepte. Die Serbien und einer Anzahl europäischer Staaten. Außenpolitik hat insofern abgedankt. Die Antragsbe- Den Weg dorthin will ich mit meinem Stimmverhal- fürworter setzen Zeichen der Hilflosigkeit. ten so schwer wie möglich machen. Deshalb lehne Innerhalb von 6 Monaten wird dieser Militärein- ich den Antrag der Regierung und den Antrag der satz mindestens 345 Millionen Mark verschlingen. SPD-Fraktion ab. Anträgen anderer Fraktionen Statt dessen sollten wir einen Plan vorlegen, das ge- oder Gruppen werde ich auch nicht zustimmen. schundene Land wieder aufzubauen. Diese Meine derzeit ablehnende Haltung wird zusätzlich 345 Millionen Mark könnten wir als Starthilfe einset- noch durch die historischen Ereignisse getragen, zen. Die Mittel müßten allen Konfliktparteien ange- die Deutschland und das ehemalige Jugoslawien boten werden. Damit könnten Zeichen gesetzt wer- verbinden. Die unerträgliche Rolle, die die zweite den. ehemalige deutsche Wehrmacht im zweiten Welt- krieg auf dem Balkan gespielt hat, erzeugt auch Wir leiden an den Kriegsbildern im ehemaligen Ju- für mich verständliche Vorbehalte der serbischen goslawien, an den Morden in Bosnien-Herzegowina, Bevölkerungsgruppen, ohne daß ich damit die von wir leiden mit den Menschen in Bosnien. Doch Krieg serbischer Seite auszugehenden Aggressionen mit Krieg bekämpfen zu wollen ist falsch und wird rechtfertigen will. Ferner widerspricht ein Einsatz den Konflikt noch massiv verschärfen. deutscher Truppen auf dem Balkan auch dem sinn- vollen Grundsatz der UNO, nach Möglichkeit die Mit der Anerkennung von Slowenien und Kroatien UN-Truppen nur aus Ländern zu rekrutieren, die hat der ehemalige Außenminister Genscher histori- mit dem Einsatzland nicht eng historisch verbun- sche Schuld auf sich geladen. Wir sollten durch den den sind. Einsatz deutscher Soldaten nicht erneut Schuld auf uns nehmen. Durch diese Maßnahme wird der Krieg Die Lage im früheren Jugoslawien, lieber Rudolf, ernährt und nicht verzehrt. wirft für mich die Frage auf, ob wir den Krieg als Mittel deutscher oder europäsicher Politik im Ober- Aus diesen Gründen lehnen wir den Antrag der gang zu einem neuen Jahrhundert sich wieder ein- Bundesregierung entschieden ab. schleichen lassen in das Selbstbewußtsein unserer Bevölkerung. Ich weiß, daß das niemand aus den Konrad Kunick (SPD): Zur Erklärung meines Ab- seriösen Parteien des Bundestages will. Trotzdem stimmungsverhaltens gebe ich unverkürzt den B rief kann das die Folge auch unseres Handelns sein. zu Protokoll, den ich dem Vorsitzenden meiner Frak- tion - Rudolf Scharping - in dieser Angelegenheit ge- Ich verstehe natürlich Deinen Antrag als Versuch, schrieben habe: Militärpolitiker und Außenpolitiker der Fraktion da- 4036 * Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

von abzuhalten, daß sie dem Regierungsantrag zu- Zusätzlich verweigere ich meine Zustimmung, da stimmen. Nur glaube ich, daß wir auch mit diesem ich es für politisch - wenn auch nicht rechtlich - ver- Versuch der Entwicklung „neue Leine" geben. fehlt halte, die Einbeziehung von Wehrpflichtigen in Und das Schlimme ist ja, daß die meisten Kriege im Out-of-area-Kampfeinsätze nicht auszuschließen. Bewußtsein begonnen worden sind, daß irgend- Die Bundesregierung will den Einsatz zwar, wie sie eine Situation so unerträglich sei, daß nunmehr die im Rechtsausschuß kundgetan hat, von der Zustim- Anwendung und Steigerung militärischer Mittel mung der Wehrpflichtigen abhängig machen. Eine geboten sei. Ich halte die Situation in Bosnien auch solche Zustimmung hebt aber die vorrangige Verant- für unerträglich, denke aber auch an Kennedys wortung des Staates für jede Form des Einsatzes von Steigerung militärischer Mittel in einem Krieg, der Wehrpflichtigen nicht auf. Sie sind als Soldaten nur nicht zu gewinnen war. Und gänzlich unerträglich auf Grund der gesetzlichen Wehrpflicht eingezogen, ist es mir, mit ansehen zu müssen, wie die frühere als solche sollten sie auch eingesetzt werden. Wehr- westdeutsche Friedensbewegung tröpfchenweise pflicht ist nur mit Verteidigungsbereitschaft zu be- den Willen zum Kriege gebiert. gründen, nicht mit anderen - noch so nachvollzieh- baren - Zielen und Absichten. Auch darum lehne ich (SPD): Waltraud Lehn Ich habe keine Bedenken, den Antrag 13/1802 ab. dem Antrag der Bundesregierung nicht zuzustim- men. Bei der Abstimmung zum Antrag der SPD kann ich Den Antrag der SPD-Fraktion „Deutsche Unter- mich nur enthalten. Er überzeugt mich deshalb nicht, stützung im ehemaligen Jugoslawien" kann ich nur weil ich seine Logik nicht erkennen kann. Das Blei- eingeschränkt unterstützen. Vor allem die in Punkt 4 d ben der UN-Friedenstruppe wird bejaht, , ihre Unter- geforderte Unterstützung des schnellen Einsatzver- stützung durch eine schnellere Einsatztruppe wird bandes bei seinen Operationen für die VN-Friedens- begrüßt, Hilfeleistung durch Sanitätssoldaten, Stabs- truppen durch Aufklärungsflugzeuge findet nicht mitglieder aus der Bundeswehr, Transportflüge und meine Zustimmung. Ich habe erhebliche persönliche Aufklärungs-Tornados werden zugesichert. Nur der Bedenken, wenn zum jetzigen Zeitpunkt deutsche Einsatz von ECR-Tornados soll „ausdrücklich" aus- Streitkräfte zur Unterstützung des schnellen Ein- geschlossen sein. Da aber nicht nur die Verwendung greifverbandes nach Bosnien entsandt werden, da dieser Waffe, sondern schon die Beteiligung an Ein- die Gefahr besteht, daß im Falle einer Provokation satzstäben und die Aufklärung in der Luft als Beteili- die schnelle Eingreiftruppe gezwungen sein könnte, gung von Kombattanten an möglichen ECR-Kampf- ihr Mandat zu überschreiten, und somit eine Eskala- handlungen zu we rten ist, scheint mir der dezidierte tion des Konfliktes entstehen könnte. Ausschluß der Tornados, der als neue Qualität für mich nicht erkennbar ist, schwer zu begründen. Das Wenn ich dem SPD-Antrag dennoch unter großen gilt um so mehr, als ECR-Tornados erst dann einge- Bedenken zustimme, dann vor allem wegen der Ge- setzt werden können, wenn zuvor von Raketenstel- samtintention des Antrags, den Menschen in diesem lungen gegen die Blauhelme und die Einsatztruppe Kriegsgebiet Schutz zu gewähren, und auf Grund eine Aggression ausgegangen ist. Die Sorge, der Ein- der Tatsache, daß die Zustimmung zu einem deut- satz der ECR-Tornados könne zu einer weiteren Es- schen Einsatz zeitlich bef ristet ist, um dem Parlament kalation des Kriegsgeschehens führen, kann ich des- unter veränderten Umständen eine Überprüfungs- halb nur schwer teilen, auch wenn ich in den vergan- und Korrekturmöglichkeit zu geben. genen Tagen intensiv nach plausiblen Argumenten dafür gesucht habe. Margot von Renesse (SPD): Dem Antrag der Bun- desregierung kann ich nicht zustimmen. Er ent- Zu meinem Kummer muß ich mich daher bei der spricht nicht den Anforderungen des Verfassungsge- Abstimmung zum Antrag meiner Fraktion der richtsurteils zu Out-of-area-Einsätzen der Bundes- Stimme enthalten. Ich kann - weil mir die außen- wehr. Danach kann die Bundesregierung nur dann und militärpolitischen Kenntnisse und Erfahrungen die Zustimmung des Parlaments zu Out-of-area-Ein- fehlen - nicht ausschließen, daß es überzeugende Ar- sätzen beantragen, wenn zunächst eine Anforderung gumente gibt, die mir nicht begegnet sind. Da ich der UN dazu ergangen ist. Diese aber liegt für den mir dessen bewußt bin, stimme ich nicht mit Nein, Teil des Beschlußantrags, der den Bundeswehrein- sondern enthalte mich. satz für einen eventuellen Abzug der UN-Friedens- truppen vorsieht, nicht vor. Waltraud Schoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute möchte ich am liebsten nicht in meiner Haut Bezöge sich der Beschlußantrag der Bundesregie- stecken. Vor zwölf Jahren in der Nachrüstungsde- rung allgemein auf einen Unterstützungsplan zugun- batte habe ich eine persönliche Erklärung abgege- sten von UN-Friedenstruppen und des schnellen Ein- ben, in der ich mich gegen die Nachrüstung und für satzverbandes, so könnte sie - bei Zustimmung - we- die Abschaffung von Waffen ausgesprochen habe. gen ihrer Entscheidungsprärogative auch dazu er- mächtigt sein, den genehmigten Sicherungsbeitrag Ich halte an der Position fest, daß die Produktion auf einen Abzug der Blauhelme zu erstrecken. Statt von Waffen menschliche Kompetenzen bindet, die im eines allgemein gehaltenen Antrags hat sie aber de- Sinne der Gestaltung einer friedlicheren Welt not- taillierte Absichten in ihrer Beschlußvorlage darge- wendig anders eingesetzt werden müßten. Ich halte legt und dafür um Genehmigung durch das Parla- auch an der Position fest, daß der Handel mit Waffen ment nachgesucht. Ich stimme dagegen, da ich hier - und die Anhäufung von Waffenarsenalen der Armut mangels UN-Anforderung - verfassungsrechtliche von Menschen besonders in den Entwicklungslän- Bedenken habe. dern Vorschub leisten. Ich weiß heute die überstaatli- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4037* chen Institutionen wie die UN, die NATO, die OSZE der Denunziation der Weltgemeinschaft nicht entge u. a. zu schätzen, die sich der f riedlichen Konfliktre- gentritt, begibt sich nicht nur in die Gefahr der Rena- gelung, der Vermeidung von Kriegen, der Verteidi- tionalisierung von Sicherheitspolitik, sondern gefähr- gung der Menschenrechte und der Demokratieent- det auch die notwendige übernationale Zusammen- wicklung verpflichtet haben. Ich halte ihre Existenz arbeit, die bei anderen Problemen wie ökologischen für notwendig, politisch richtig und unentbehrlich, Fragen oder organisierter Kriminalität notwendig auch wenn sie an vielen Stellen reformiert werden sind. müssen und ich nicht alle in ihrem Namen durchge- Ich stimme für die Beteiligung deutscher Soldaten führten Maßnahmen billigen kann. - im Bewußtsein, daß Entscheidungen auch falsch sein Heute werde ich einer Beteiligung deutscher Sol- können. daten in Bosnien zustimmen. Diese Entscheidung (SPD): Weder kann ich dem Antrag werden viele nicht verstehen, das ist mir klar; denn Josef Vosen der Bundesregierung „Deutsche Beteiligung an den wir leben in einem Land mit einem pazifistischen Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung des Grundton, der als Resultat unserer Geschichte ent- schnellen Einsatzverbandes im früheren Jugoslawien standen ist, die sich aus der Sicherheit nährt, die uns einschließlich der Unterstützung eines eventuel- die Westbindung gewährt hat. len Abzugs der VN-Friedenstruppen", Drucksache Ich möchte meine Entscheidung an drei Punkten 13/1802, zustimmen, noch kann ich dem Entschlie- verdeutlichen: ßungsantrag der SPD-Bundestagsfraktion zum An- trag der Bundesregierung, Drucksache 13/1835, zu- Erstens. Auf dem Boden des ehemaligen Jugosla- stimmen. Ich werde gegen beide Anträge stimmen. wien findet ein Eroberungskrieg statt, dessen Ziel die Bildung eines ethnisch homogenen faschistisch-groß- Zur Begründung meiner ablehnenden Haltung er- serbischen Reiches ist. Der Einsatz der Blauhelme kläre ich: Ich lehne den Einsatz deutscher Flug- durch die Weltgemeinschaft ist der Versuch, den zeuge, einschließlich Aufklärungsflugzeuge, über Krieg einzudämmen und durch Verhandlungen Frie- dem Kriegsgebiet von Bosnien-Herzegowina ab. Ich den zu erreichen. Die heute zu entscheidende Ver- nehme international bemannte AWACS-Flugzeuge stärkung der Blauhelme ist der letzte Versuch, we- ausdrücklich von meiner Ablehnung aus. nigstens den Status quo zu sichern. Die Kontaktgrup- Der Antrag der SPD ist meines Erachtens vor allem penmitglieder haben den Eroberungen Karadzics im Punkt 4 d - „Unterstützung des schnellen Einsatz- durch den Vorschlag der 51/49 Regelung im Grunde verbandes bei seinen Operationen für die VN-Frie- genommen ihre Zustimmung gegeben. Ein Abzug denstruppen durch Aufklärungsflugzeuge"- nicht der Blauhelme aber würde die Ausdehnung des Krie- konsequent. Er stellt einen Formelkompromiß dar, ges bedeuten, denn die Wahnvorstellung eines groß- den ich in dieser schwierigen Frage des Einsatzes serbischen Reiches würde vor dem Kosovo und ande- der Bundeswehr im Kriegsgebiet für mich nicht ak- ren Gebieten nicht haltmachen. zeptieren kann. Zweitens. Man mag die Arbeit der Kontaktgruppe Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD): Ich stimme ge- an vielen Stellen kritisieren. Ihre unterschiedlichen gen den Antrag der Bundesregierung, der deutsche nationalen Interessen und sich widersprechenden Kampfflugzeuge ins ehemalige Jugoslawien schik- Grundkonzeptionen haben sie auf dem kleinsten ge- ken will. meinsamen Nenner agieren lassen; dazu kam die mangelnde Bereitschaft der Europäer, dem Aggres- Der Einsatz deutscher Kampfflugzeuge im ehema- sor entgegenzutreten. Aber die Bildung der Kontakt- ligen Jugoslawien wird den Krieg verschärfen und gruppe unter Einschluß Rußlands deutet doch auf führt dazu, daß Deutschland in den Krieg im ehema- sich abzeichnende Konturen einer europäischen ligen Jugoslawien schlittert und zum Truppensteller Friedens- und Sicherheitspolitik hin. wird. Die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien laden damit schwere Schuld auf sich. Die Der sich vorsichtig anbahnende Prozeß einer euro- Bundesregierung hat von Anfang an eine Politik im päischen Friedensordnung durch die Pa rtnerschaft ehemaligen Jugoslawien verfolgt, die die Konflikte für den Frieden, den NATO-Kooperationsrat und verschärft und geschürt hat. Die Anerkennung der durch die Bildung der Kontaktgruppe unter Ein- einzelnen Republiken ohne Sicherung der Rechte schluß Rußlands kann gefährdet werden, wenn der jeweiligen Minderheiten und der gewaltfreien Deutschland sich durch Abstinenz auf Dauer in eine Trennung der Republiken voneinander hat von An- isolationistische Haltung bringt. Die Gefahr eines fang an die Gewalt mit verschärft. deutschen Sonderweges stände wieder am Horizont. Deshalb bin ich dafür, daß deutsche Soldaten sich be- Die westlichen Länder haben und verfolgten über teiligen, weil eine gemeinsame europäische Politik lange Zeit absolut unterschiedliche Politikansätze auch bedeutet, gemeinsam die Risiken zu tragen. gegenüber den einzelnen Republiken des ehemali- gen Jugoslawien. Sie haben es alle zusammen nicht Drittens. Die Vergeiselung der Blauhelme bedeutet geschafft, die Waffenexporte in die unterschiedlichen den Rückfall in die Brutalisierung internationaler Be- Republiken zu verhindern, im Gegenteil, manche ziehungen. Es bedeutet den Bruch aller menschen- von ihnen lassen es ganz bewußt zu, daß das Waffen- rechtlichen Verträge und Vereinbarungen. Es bedeu- embargo gebrochen wird. tet den Angriff auf die UN als die Organisation, die einzig und allein den weltweiten Problemen und Die Bundesregierung hat sich bisher als unfähig Konflikten entgegentreten kann. Wer dem Versuch erwiesen, politische Lösungen im ehemaligen Jugo- 4038* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 slawien zusammen mit den europäischen und den cherheitspolitik beitragen, aus der Europa und die westlichen Partnern zu bewirken. Hätte die Bundes- Welt große Vorteile ziehen könnten. Eine gemein- regierung genausoviel politische Diplomatie und same Außen- und Sicherheitspolitik, die aus frie- politische Phantasie aufgewandt, um dazu beizutra- denspolitischen Traditionen und Verpflichtungen ge- gen, die Konflikte im ehemaligen Jugoslawien zu meinsames Handeln ableitet und die Europas Stärke entschärfen, wie sie in den letzten Jahren aufge- in der Welt zur Verhinderung von Waffenexporten, wandt hat, um Schritt für Schritt die Hürden für den zur Konversion und zu einer vorausschauenden Au- militärischen Einsatz der Bundeswehr zu senken, ßenpolitik und vorbeugender Konfliktlösung sieht dann wären vielleicht politische Lösungen im ehema- und einsetzt. - ligen Jugoslawien leichter vorangekommen. Dr. Winfried Wolf (PDS): Mein Nein zu dem Be- Aber sie will ihre eigene Verantwortung dafür, daß schluß, Bundeswehrtruppen in das ehemalige Jugo- sie Deutschland zum Truppensteller macht, nicht of- slawien zu entsenden, begründet sich in einer anti- fen zugestehen. Da wird von „Hilfe" und „Solidari- militaristischen Haltung, die ich seit 28 Jahren ver- tät" für die Verbündeten gesprochen. Aber die Kon- trete. sequenz wird das Hineinschlittern in einen Krieg sein - in einem Land, einer Region, die Deutschland Erstens. 1967 stimmte ich mit Nein zur Bundes- einst mit Krieg überzogen hat. wehr und wurde mit politischer Begründung Kriegs- dienstverweigerer. Den Hintergrund bildete der Mili- Meine Partei hat niemals Krieg über unser Land tärputsch in Griechenland vom 21. Ap ril 1967 unter und Europa gebracht. Willy Brandt hat aus den Führung einer faschistischen Junta, die u. a. Internie- schrecklichen Erfahrungen unseres Volkes mit den rungslager für die politischen Gefangenen, darunter Kriegen dieses Jahrhunderts die Sehnsucht der Men- Mikis Theodorakis, eingerichtet hatte. Den Bezug schen nach Frieden, nach Versöhnung und Gewalt- zur Bundeswehr sah ich insbesondere in der Tatsa- verzicht in seiner Ostpolitik und in seinen Vorschlä- che, daß der dem Putsch zugrunde liegende Plan gen zum Ausgleich zwischen Nord und Süd verwirk- „Prometheus" im Rahmen der NATO entwickelt licht. Dies ist die Tradition des Helfens und des Ruf- wurde. In den achtziger Jahren nahm ich zur Kennt- bauens. In dieser Tradition steht die Sozialdemokrati- nis, daß die NATO-Innenstruktur „Gladio" für die sche Partei in den Beschlüssen ihrer Willensbil- meisten NATO-Staaten vergleichbare Putschpläne dungsgremien und auch in ihrer Entscheidung entwickelt hatte. heute. In dieser Tradition stimme ich gegen den An- trag der Bundesregierung, Kampfflugzeuge im ehe- Zweitens. In den 70er und 80er Jahren sagte ich maligen Jugoslawien einzusetzen. nein zur militarisierten DDR-Gesellschaft und solida- risierte mich mit der demokratischen DDR-Opposi- Ich habe große Skepsis, ob der sogenannte tion und deren Losung „Schwerter zu Pflugscharen". schnelle Einsatzverband seine Aufgaben im geplan- ten Sinne im ehemaligen Jugoslawien tatsächlich Drittens. In den 80er Jahren sagte ich nein zur be- verwirklichen kann. Wenn er sein Mandat im Sinne schleunigten atomaren Hochrüstung von NATO und von Peace-keeping wirklich wahrnehmen kann und Bundeswehr und zum „NATO-Doppelbeschluß", wahrnimmt, steht er vor den gleichen Problemen wie verabschiedet von der Mehrheit in der SPD, CDU, bisher die Blauhelme. Wenn er sein Mandat über- CSU und F.D.P., und nahm an den Mobilisierungen schreitet, werden die Auseinandersetzungen zuneh- der bundesdeutschen Friedensbewegung teil. men. Wir können also nur hoffen, daß die Blauhelme tatsächlich wirkungsvoll ihre Aufgabe der Verhinde- Viertens. Nach dem Ende des Kalten Krieges sah rung weiterer Eskalation wahrnehmen können, daß ich im Golfkrieg 1990/91 den Beginn einer neuen der Rahmen des Mandates nicht überschritten wird, Ära heißer Kriege von Regierungen und Militärs der damit die Blauhelme in letzter Konsequenz nicht ab- Ersten Welt gegen Länder an der Periphe rie und in gezogen werden müssen. Das wäre der Beginn eines der Dritten Welt, u. a. um Weltmarkt und Rohstoffe, weiteren schrecklich eskalierenden Krieges. Deshalb z. B. Erdöl, zu kontrollieren, und engagierte mich ge- führt an der Suche nach einer politischen Lösung gen diesen Krieg, u. a. mit der Herausgabe der Anti- kein Weg vorbei. kriegszeitung „dese rt !" Die Regierungsparteien behaupten, die gemein- Fünftens. Meinem heutigen Nein zum Beschluß, same europäische Außen- und Sicherheitspolitik ma- Bundeswehr auf den Balkan zu entsenden, liegt die che den Einsatz der ECR-Tornados notwendig, er sei Auffassung zugrunde: Ohne die inneren Wurzeln des quasi ein Beitrag dazu. Mit dieser Art und Weise Krieges im ehemaligen Jugoslawien zu verkennen, würdigen und we rten sie die Perspektive gemeinsa- sehe ich in diesem ein Experimentierfeld der militä- mer europäischer Außen- und Sicherheitspolitik ab, risch stärksten Mächte dieser Welt, die in der NATO die für Europa erst entwickelt werden muß. Die zusammengeschlossen sind, doch zugleich eigene Frage, wie die Bundesrepublik ihren Beitrag zur machtpolitische Interessen verfolgen. Wenn erneut Hilfe im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Si- der Balkan als Testgebiet der Händler des Todes cherheitspolitik der Europäischen Union leistet, kann dient und wenn die hier bestehenden nationalen sie selbst entscheiden. Volker Rühe und die Bundes- Spannungen genutzt und angeheizt werden, so sehe regierung selbst haben den Einsatz der ECR-Torna- ich darin eine unselige Tradition, die u. a. in den Bal- dos angeboten. kan-Kriegen vor dem Ersten Weltkrieg ihre Parallele findet. Wenn wieder deutsche Truppen in einen Bal- Die deutsche Außenpolitik sollte vielmehr zu einer kankrieg entsandt werden, so knüpft dies fast naht- anderen gemeinsamen europäischen Außen- und Si los an die vorausgegangenen prokroatischen und an- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4039* tiserbischen Engagements deutscher Militärs in den Bosnien eingesetzten Friedenstruppen mit Hilfe des vorausgegangenen Kriegen auf dem Balkan an. schnellen Einsatzverbands zu schützen und zur wir- kungsvollen Erfüllung ihres Auftrages zu befähigen. Nein zum neuerlichen Einsatz deutscher Militärs auf dem Balkan heißt für mich Ja zur Kriegsdienst- Wir stimmen der Entsendung deutscher Soldaten verweigerung und Ja zur Dese rtion - z. B. von serbi- im Rahmen der Beschlußfassung zu. Wir wollen da- schen, bosnischen, kroatischen oder deutschen Sol- mit einen Beitrag zur Unterstützung und zum Schutz daten. der Blauhelme sowie zur Solidarität mit den Soldaten der Entsendestaaten leisten, die Verläßlichkeit der- Bundesrepublik Deutschland in kritischen Phasen kollektiver Sicherheit unterstreichen und der beson- deren Verantwortung Europas für die Wiederherstel- Anlage 3 lung von Frieden auf unserem Kontinent Rechnung tragen. Erklärung nach § 31 GO Dazu gehört nach unserer Auffassung auch die Be- der Abgeordneten Gerd Andres, Ingrid Matthäus reitstellung von ECR-Tornados, die nach genau fest- Maier, Rudolf Purps, Verena Wohlleben, Horst gelegten Kriterien zusammen mit den Einheiten des Schild, Dietmar Thieser, Christine Kurzhals, Dieter schnellen Einsatzverbandes den Schutz der UN-Frie- Schloten, Sabine Kaspereit, Volkmar Schultz (Köln), denstruppen mit gewährleisten sollen. Sie sollen Ra- Reinhard Schultz (Everswinkel), Reinhold Robbe, ketenangriffe auf UN-Flugzeuge verhindern und da- Kurt Palis, Wieland Sorge, Susanne Kastner, Arne durch vorbeugend zur Deeskalation beitragen. Börnsen (Ritterhude), Peter Zumkley, Manfred Ham pel, Karl Hermann Haack (Extertal), Brigitte Schulte Drittens. Darüber hinaus verweisen wir auf den Re- (Hameln), Walter Kolbow, Robert Leidinger, Rolf debeitrag unseres Kollegen Norbe rt Gansel, der in Schwanitz, Christian Müller (Zittau), Hans Berger, der Debatte für diejenigen gesprochen hat, die so Hermann Rappe (Hildesheim), Volker Neumann wie wir votieren. (Bramsche), Erwin Horn, Ernst Kastning, Tilo Braune, Thomas Krüger, Markus Meckel, Johannes Singer, Karsten D. Voigt (Frankfurt), Renate Jäger, Hans-Ulrich Klose, Gerhard Neumann (Gotha), Dr. Eberhard Brecht (alle SPD) zur Abstimmung Anlage 4 über die Beschlußempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung: Zu Protokoll gegebene Reden Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen zum zu Tagesordnungspunkt 20 Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatz (Antrag: Einsetzung einer Enquete-Kommission verbands im früheren Jugoslawien einschließlich „Gleichstellung von Menschen mit Behinderung") der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN-Friedenstruppen und zu den Entschließungsan Heinz Schemken (CDU/CSU): Mit dem von der trägen der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/ PDS eingebrachten Antrag auf Einsetzung einer En- DIE GRÜNEN sowie zu dem Entschließungsantrag quete-Kommission „Gleichstellung von Menschen der Gruppe der PDS mit Behinderungen" ergibt sich die Frage nach der (Tagesordnungspunkt 17) Notwendigkeit einer solchen Kommission. Die gleichberechtigte Teilnahme behinderter Menschen Erstens. Die Unterzeichner werden in der Abstim- am Leben in der Gesellschaft ist eine Aufgabe, die mung über die Beteiligung der Bundesrepublik trotz zahlreicher erzielter Verbesserungen noch nicht Deutschland an Maßnahmen im Rahmen des UNO- abgeschlossen ist, sondern sich immer wieder in Mandats (UNPROFOR) den Vorschlägen der Bundes- neuen Zusammenhängen stellt. regierung zustimmen und sich bei der Abstimmung Im vergangenen Jahr hat der Gesetzgeber den Be- über den SPD-Antrag enthalten. langen von Behinderten insofern Rechnung getra- Zweitens. Zu dieser Entscheidung sind wir nach gen, als durch die Ergänzung des Grundgesetzes ein reiflicher Diskussion und Überlegung gelangt und Benachteiligungsverbot zugunsten behinderter Men- begründen diese Haltung kurz wie folgt: schen erreicht werden konnte. Damit sind wir auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Teilnahme be- Wir sind der Überzeugung, daß durch den Einsatz hinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben ei- der UN-Blauhelmsoldaten im ehemaligen Jugo- nen wesentlichen Schritt weitergekommen. slawien Hunderttausende von Menschen gerettet wurden. Deshalb unterstützen wir die Position, die Wichtig ist insbesondere für die Einschätzung des Vereinten Nationen in die Lage zu versetzen, den Benachteiligungsverbotes behinderter Menschen, UNPROFOR-Einsatz fortzusetzen. daß es bereits jetzt unmittelbar geltendes Recht ist. Der Grundgesetzartikel 3 Abs. 3 Satz 2 gibt dem ein- Die Entwicklung insbesondere der vergangenen zelnen Behinderten einen Anspruch darauf, daß Monate hat uns deutlich gemacht, daß die Sicherheit Maßnahmen der öffentlichen Gewalt grundsätzlich der UN-Soldaten gefährdet ist und daß zur Durchfüh- nicht wegen der Behinderung - ob körperlich, geistig rung des UNO-Auftrages zusätzliche Maßnahmen oder seelisch -, zu einer Ungleichbehandlung führen erforderlich sind. Deshalb unterstützen wir ausdrück- darf. Das Benachteiligungsverbot ist somit ein lich die Entscheidung der Vereinten Nationen, ihre in Grundrecht und bindet als Vorschrift unmittelbar Ge- 4040* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

setzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtspre- und fand die notwendige Zweidrittelmehrheit im chung. Das Grundrecht des Benachteiligungsverbots Deutschen Bundestag. gilt innerhalb von Rechtsbeziehungen Privater unter- einander nicht unmittelbar, sondern entfaltet als ele- Gerade deswegen, weil wir zu unserem Antrag ste- ment einer objektiven wertgebundenen Ordnung hen, sehen wir die Verpflichtung, schnelle Schritte seine Gültigkeit im Rahmen der sogenannten Dritt- einzuleiten, dieses Grundrecht Alltag werden zu las- wirkung, d. h., die Rechtsbeziehungen P rivater sen. untereinander müssen mehr unter Berücksichtigung Der Antrag der PDS erweckt den Eindruck, daß der betroffenen Grundrechte ausgelegt werden. Bei- hier bei der Umsetzung des Grundrechtes auf ein Be- spiel dafür ist ein Gerichtsurteil aus Flensburg, wo- nachteiligungsverbot für Behinderte Neuland zu be- nach einer Familie die Minderung des Reisepreises treten ist. Nicht Neuland ist zu betreten, sondern Be- zugebilligt worden war, weil sie die Mahlzeiten im währtes bei manchem Überholtem durch die Zeit Hotel gemeinsam mit einer Gruppe behinderter und neues Denken sind weiterzuentwickeln. Menschen einnehmen mußte. Solches Urteil darf es und wird es heutzutage auf Grund des Benachteili- Ich bemerke: Die Fraktion der SPD hat eine Große gungsverbotes, das damals noch nicht galt, nicht Anfrage - Drucksache 13/1333, Arbeitswelt und Be- mehr geben. hindertenpolitik, die auch Fragen zur Problematik der Gleichstellung beinhaltet - eingebracht. Wir er- Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 GG erfordert kein Handeln warten dazu eine Antwort der Bundesregierung des Gesetzgebers, so daß es daher eher sinnvoll er- Ende September dieses Jahres. Sobald die Antwor- scheint, das Benachteiligungsverbot im Rahmen der ten vorliegen, wird auch eine aktuelle Bestandsauf- einfachen Gesetzgebung zu konkretisieren und zu nahme möglich sein. Im Rahmen der Debatte wird ergänzen. Danach müßten Regelungen geändert dann den Parteien dieses Hauses erstmalig in dieser werden, die als diskriminierend oder benachteili- Legislaturpe riode die Gelegenheit gegeben, ihre gend für Behinderte anzusehen sind, daß z. B. Fristen Vorstellungen zum zukünftigen Umgang und den zu vereinbaren sind, innerhalb derer Behinderte vol- Chancen von Behinderten in unserer Gesellschaft len Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln usw. er- vorzustellen. halten sollen. Diese Regelungen sollen allerdings nicht im Rahmen eines sogenannten Antidiskriminie- Des weiteren ist beabsichtigt, in dieser Legislatur- rungsgesetzes getroffen werden, sondern eines periode das Sozialgesetzbuch IX einzuführen und schon in der vergangenen Legislaturpe riode begon- damit zu einer generellen Neuordnung u. a. des Be- nenen Gesetzgebungsvorhabens, nämlich der Neu- hindertenrechts zu kommen. Auch hier gibt es also ordnung des Rehabilitations- und Schwerbehinder- die Chance, Gerechtigkeit gegenüber Benachteilig- tenrechts ins Sozialgesetzbuch, SGB IX. Die Bundes- ten in unserer Gesellschaft zu üben. Koalition und regierung wird dazu voraussichtlich Ende des Jahres SPD haben die Absicht, mit den parlamentarischen einen Gesetzentwurf vorlegen. Diese Gesetzesvor- Beratungen 1996 zu beginnen und diese - so die lage ist im übrigen auch Bestandteil der Koalitions- SPD - hoffentlich 1996 zum Abschluß zu bringen. vereinbarung. Im Rahmen der Gesetzgebung zum SGB IX sind Es ist sinnvoller, Regelungen, die Benachteiligun- auch Schritte eingeleitet, die das soziale Recht jedes gen Behinderter entgegenwirken sollen, im Zusam- Behinderten auf Eingliederung in Gesellschaft, Beruf menhang mit einer Neugestaltung der besonderen und Arbeit sichern. Rechtsvorschriften für Behinderte im SGB IX zu fixie- Der PDS-Antrag auf Einsetzung einer Enquete- ren, als durch ein „Antidiskriminierungsgesetz", das Kommission hinkt dieser Entwicklung hinterher. So- die Vielfalt und Unübersichtlichkeit der einschlägi- mit bitten wir dafür um Verständnis, daß wir als SPD gen Regelungen weiter erhöhen würde. Auf Grund dem Antrag der PDS nicht folgen können. dessen ist nicht zu erwarten, daß eine einzusetzende Enquete-Kommission bessere oder sachgerechtere Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vorschläge erarbeiten würde, als dies auf dem oben- Gegen anfänglich große Widerstände aus der Koali- genannten Weg möglich ist. tion ist es der Behindertenbewegung gelungen, im Grundgesetz ein verfassungsrechtliches Benachteili- Eine solche von der PDS geforderte Enquete-Kom- gungsverbot zu verankern. Diesem Benachteili- mission würde den bereits eingeleiteten Abklärungs- gungsverbot in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 kommt unmittel- prozessen hinterherlaufen und die Erarbeitung von bare Wirkung nur gegenüber der öffentlichen Ge- Regelungen, die auf eine gleichberechtigte Teil- walt zu. Es bindet die vollziehende Gewalt und die nahme Behinderter am gesellschaftlichen Leben zie- Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. len, verzögern. Der Antrag der PDS ist daher aus den Diese Wertentscheidung unserer Verfassung ist aber genannten Gründen abzulehnen. auch eine Aufforderung an den Gesetzgeber, im ein- fachen Recht Benachteiligungen von Behinderten zu Karl Hermann Haack (Extertal) (SPD): Wir alle ha- beseitigen und im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot ben den Auftrag bekommen, ein neues Grundrecht, Behinderte so zu fördern, daß ihnen eine gleichbe- welches längst überfällig war, in den Alltag umzuset- rechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben er- zen. Ich meine den Auftrag unserer neuen Verfas- möglicht wird. sung, formuliert in den Worten: „Niemand darf we- gen seiner Behinderung benachteiligt werden" - so Unsere Gesellschaft muß die diskriminierten Min- die Ergänzung zu Art . 3 Abs. 3 GG. Diese Hinzufü- derheiten endlich „einbürgern". BÜNDNIS 90/DIE gung zum Art. 3 GG ist auf Antrag der SPD erfolgt GRÜNEN wollen daher mit einem Antidiskriminie- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4041* rungsgesetz den Gleichheitsartikel des Grundgeset- ins einfache Recht zu unterbreiten. Aber da können zes im einfachen Recht verankern. Niemand darf auf wir ja wahrscheinlich lange warten. Grund seiner Hautfarbe, Nationalität, ethnischen Aber auch eine Enquete-Kommission kostet uns Herkunft, seiner sexuellen Identität, Kultur und Reli- gion oder auf Grund seiner Behinderung benachtei- nur unnötige Zeit. Sie würde unsere Arbeit nur ver- zögern. Dringend notwendige Reformen würden mit ligt werden. Es geht uns darum, allen Menschen glei- che demokratische Rechte und - das ist bei Behinder- Hinweis auf die Enquete-Kommission vertagt. Las- sen Sie uns statt dessen lieber nach der Sommer- ten besonders wichtig - gleiche soziale Chancen zu geben. Es geht dabei nicht um Mitleid oder die Ge- pause damit beginnen, mit konkreten parlamentari- währung eines Gnadenrechts. Gleichstellung ist eine schen Initiativen für Behinderte gleiche soziale und demokratische Rechte in allen Lebensbereichen zu zentrale Frage unserer Demokratie. schaffen. Wir schlagen ein Antidiskriminierungsgesetz vor, das neben einer Generalklausel für alle Minderhei- Uwe Lühr (F.D.P.): „Einander verstehen - miteinan- ten ein Verbandsklagerecht und zivilrechtliche Sank- der leben" , war das anspruchsvolle Motto des Inter- tionsregelungen vorsieht. In Artikelgesetzen wollen nationalen Jahres der Behinderten 1981. Weltweit wir rechtliche Diskriminierungen einzelgesetzlich gab es die bekannten Beteuerungen, daß es mit den Aktionen in diesem Jahr nicht sein Bewenden haben beseitigen. dürfe. Antidiskriminierungsgesetze bestehen in vielen europäischen Ländern und in den Vereinigten Staa- 1992 erklärten die Vereinten Nationen, im Dezem- ten. Sie haben sich bewährt. Deutschland ist beim ber jeden Jahres solle ein Tag den Menschen mit Be- rechtlichen Schutz von Minderheiten dagegen ein hinderung gewidmet werden, um deren besondere Entwicklungsland. Das müssen wir ändern! Mit der Situation nicht ins vergessene Abseits gelangen zu Verfassungsänderung von 1994 haben wir hierfür lassen. Vor wenigen Wochen fand ein europaweiter auch eine gute Grundlage. Sie verpflichtet uns, nie- Protesttag für die Gleichstellung behinderter Men- mand auf Grund seiner Behinderung bei der Wahr- schen statt. nehmung seiner Grundrechte zu benachteiligen. Um Wenn die Bundesrepublik auch international zur dieses zu gewährleisten, gibt es für Legislative und Spitze der Staaten gehört, in denen die objektive Exekutive noch einiges zu tun. Nur zwei Beispiele: Entwicklung dem Anspruch am nächsten kommt, so Art. 33 Abs. 2 unserer Verfassung garantiert jedem muß doch auch bei uns noch weit mehr getan wer- Deutschen nach Eignung, Befähigung und fachlicher den, um den Behinderten das Miteinanderleben mit Leistung Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Was ist Nichtbehinderten in unserer Gesellschaft zu ermögli- aber, wenn schon auf Grund von Zugangshindernis- chen. Bloße Appelle und Jahrestage helfen da nur sen für gehbehinderte Bewerber diese faktisch aus- wenig. scheiden. Berücksichtigen wir beim Umzug nach Da hilft aber auch keine Enquete-Kommission! Die Berlin, bei den neuen Bauten von Bundesregierung Probleme behinderter Menschen in unserer Gesell- und Bundestag die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern, schaft sind bekannt! Alle freien Träger, die in der Ar- Blinden und anderen Behinderten ausreichend? Hier beit mit Behinderten stehen, ihre Verbände, aber im Hochhaus Tulpenfeld kann z. B. kein Blinder al- auch die Mitarbeiter in den zuständigen Behörden lein Aufzug fahren. Wir sollten bei der Beratung des verfügen über hohe fachliche Kompetenz. Wenn die Antrages von der Bundesregierung einen Bericht PDS da nicht auf Kenntnisse und Erfahrungen in ih- über die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Be- rem Erbe zurückgreifen kann, sollte das für den hinderten bei den Neu- und Umbauten in Berlin ver- Deutschen Bundestag nicht Veranlassung sein, eine langen. Wie ich höre, soll hier manches im Argen lie- Enquete-Kommission mit Recherchen zu beauftra- gen. Hier müssen wir handeln, bevor vom Bundes- gen. bauministerium zu viele Fakten geschaffen werden. Entgegen dem Votum in der Verfassungskommis- Ein zweites Beispiel: Professor Herdegen weist in sion hat die F.D.P. engagiert mit für die Aufnahme seinem Gutachten für den Deutschen Bundestag dar- des Diskriminierungsverbotes ins Grundgesetz ge- auf hin, daß faktische Zugangshindernisse für Geh- stritten. Seit der Grundgesetzänderung des letzten behinderte in einem nicht rollstuhlgerecht gestalte- Jahres schützt unsere Verfassung Behinderte aus- ten Schulgebäude nach der Grundgesetzänderung drücklich vor Diskriminierung. Diese Wertung des nun verfassungswidrig sind. Grundgesetzes wirkt sich nicht nur auf die öffent- Zwei Beispiele, die zeigen wie dringlich eine Über- liche Gewalt aus, sondern sie wirkt auf unsere ge- prüfung rechtlicher Normen und der Verwaltungs- samte Rechtsordnung. praxis von Bund, Ländern und Kommunen hinsicht- Damit sind, denke ich, auch in Zukunft solche be- lich der Verheißung dieses neuen Verfassungssatzes schämenden Urteile ausgeschlossen, die - wie in der ist. Lassen Sie uns die von Behindertenverbänden er- Vergangenheit vereinzelt geschehen - z. B. Reisever- arbeiteten Vorschläge zur Novellierung der Sozialge- anstalter zur Minderung des Reisepreises verpflichte- setzgebung (u. a. SGB IX), Personenbeförderungs- ten, wenn Urlauber an ihrem Urlaubsort auf Behin- recht, Baurecht und Reisevertragsrecht überprüfen derte trafen. und zu einem umfassenden Antidiskriminierungsge- setz zusammenfassen. An sich wäre es ja die Auf- Nach dieser Verfassungsänderung wäre es aller- gabe der Bundesregierung, uns einen Vorschlag für dings - entgegen der hier erhobenen Forde rung - die Umsetzung des neuen Verfassungsgrundsatzes nicht sinnvoll, ein Diskriminierungsverbot zusätzlich 4042* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

in zahlreiche einfache Gesetze aufzunehmen, da Die F.D.P.-Fraktion lehnt diesen Vorschlag der diese Verbote keinen besseren tatsächlichen Schutz PDS, der nur weitere Verzögerungen bedeuten Behinderter vor Diskriminierung sicherstellen kön- würde, ab. nen. Petra Bläss (PDS): Menschen mit Behinderungen Die Gleichstellung behinderter Mitbürger ge- sind in vielen Lebensbereichen nach wie vor erhebli- schieht in der Praxis. Behinderte brauchen und sie chen Benachteiligungen ausgesetzt. Sie werden in haben ein Recht auf unsere Hilfe, aber sie wollen ihren Entfaltungsmöglichkeiten behindert, in ihren und dürfen nicht in ein Korsett von Regelungen der Entscheidungen bevormundet. Sie werden in vielfa- öffentlichen Verwaltung und Fürsorge eingezwängt cher Weise bei der Teilnahme am gesellschaftlichen werden. Nicht bevormundende Betreuung, sondern Leben diskriminiert und sind häufig von Dauer- Begleitung in rechtlich und finanziell gesichertem arbeitslosigkeit betroffen. Selbst das Lebensrecht be- Lebensraum, das muß die Devise sein. hinderter Menschen wird verstärkt zur Disposition gestellt. Die Politik hat die Pflicht, dafür die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Die öffentliche Nach wie vor haben Menschen mit Behinderungen Verwaltung auf allen Ebenen, die freien Träger und unter alltäglicher, oft schwer faßbarer gesellschaftli- schließlich wir alle haben für die konkrete Umset- cher Ausgrenzung und Isolierung sowie einer Diskri- zung zu sorgen. Das beginnt, wie wir wissen, ganz minierung und Ungleichbehandlung im Recht und in lapidar bei der Ausstattung und dem Se rvice unserer der Rechtsprechung zu leiden. öffentlichen Verkehrsmittel. Das betrifft die Zugäng- Erstmals in der deutschen Verfassungsrechtsge- lichkeit öffentlicher Straßen, Wege und Plätze, Ge- schichte wurde nun in das Grundgesetz der BRD ein bäude, Geschäfts- oder Betriebsräume. eigenes Grundrecht zugunsten behinderter Men- schen aufgenommen. Mit der Grundgesetzergän- Dazu gehört, daß die öffentliche Hand als helfende zung um den Zusatz „Niemand darf wegen seiner Hand bei der Beschäftigung von Behinderten endlich Behinderung benachteiligt werden" im Art. 3 Abs. 3 ihre Vorbildfunktion wahrnimmt. Es ist ja erfreulich, wurde ein sehr bedeutsamer Schritt zum Abbau und daß der Bund vor einigen Tagen die Erfüllung der ge- zur Beseitigung von Diskriminierungen und Benach- setzlichen Auflagen im Durchschnitt vermelden teiligungen behinderter Menschen gegangen. Die konnte, aber die geforderten sechs Prozent stellen Rechtsstellung von Menschen mit Behinderungen ist das Minimum dar. hierdurch grundsätzlich verbessert worden. Das Es gehört dazu, daß die gemeinsame Erziehung wurde von einer breiten Öffentlichkeit, namentlich von behinderten und nichtbehinderten Kindern in durch die Behindertenverbände freudig begrüßt. Kindergarten und Schule nicht die Ausnahme bleibt, Zugleich wurde sowohl von seiten der behinderten sondern möglichst bald zum Regelfall wird. Menschen als auch von Politikern darauf verwiesen, daß allein mit der Grundgesetzergänzung noch keine Diese Verpflichtung umfaßt z. B. auch die Verbes- einzige reale Diskriminierung beseitigt ist. Gefordert serung der Rechtsstellung der Behinderten in den wurde und wird der nächste Schritt: konkrete Umset- Werkstätten (WfB). Gerade Behinderte brauchen zung und Ausgestaltung des neuen Verfassungs- Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Behinderte brau- grundsatzes auf einfachgesetzlicher Ebene. chen eine materielle und soziale Sicherung, die sie der existentiellen Abhängigkeit von Dritten soweit Obwohl diese Aufgabe spätestens seit der An- wie möglich enthebt. Diese Sicherung muß erreich- nahme der Verfassungsreform im Herbst 1994 auf bar sein, ohne einen Pfad schlagen zu müssen durch der Tagesordnung steht, wartete die PDS mit der Ein- einen Dschungel von Gesetzen, Verordnungen und bringung ihres Antrages. Mit der Koalitionsvereinba- Richtlinien. rung der regierenden Parteien wurden jedoch ihre Hoffnungen auf weitere Schritte der Bundesregie- Seit dem 15. November 1993 liegt der Referenten- rung zum zügigen Abbau von Benachteiligungen be- entwurf zum IX. Buch des Sozialgesetzbuches vor. hinderter Menschen enttäuscht. Nicht ein Wo rt zu Das IX. Buch soll endlich die unübersichtlichen Ein- dem sich aus der Grundgesetzergänzung ergeben- zelregelungen im Behindertenrecht zusammenfassen den Verfassungsauftrag ist in der Koalitionsvereinba- und das Sozialrecht auch in diesem Teil übersichtli- rung zu finden. Demgegenüber versteht die PDS die cher gestalten. Die Koalitionsvereinbarung mit der Grundgesetzergänzung als „Ermahnung und Ermun- Union sieht diese ebenso wichtige wie schwierige Ar- terung, eine offensive, Impulse gebende Gesell- beit in dieser Legislaturpe riode, und zwar im schaftspolitik zu entfalten, die behinderten Men- 2. Halbjahr 1995 vor. Der Bundesminister für Arbeit schen in allen Lebensbereichen gleiche Chancen an- ist aufgefordert, in Abstimmung mit dem Bundesmi- bietet wie Nichtbehinderten" - und sieht sich damit nister für Gesundheit erneut einen Referentenent- in Übereinstimmung mit Behinderten- und Sozialver- wurf vorzulegen. bänden. Ich gehe davon aus, daß nach einer Anhörung eine Auch die Bundesregierung anerkennt auf diesem intensive Beratung stattfinden wird, in der die unter- Gebiet Handlungsbedarf. So ist im 3. Bericht zur schiedlichen Belange eingehend erörtert werden Lage der Behinderten und zur Entwicklung der Re- können. Dann ist Handeln angesagt, nicht Diskus- habilitation nachzulesen, daß die Bundesregierung sion in der Enquete-Kommission mit Zwischenbe- bei der notwendigen Beseitigung von Diskriminie- richt 1996! rungen behinderter Menschen davon ausgeht, „daß Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995 4043* es an Stelle eines Antidiskriminierungsgesetzes we- derungen in den vergangenen drei Jahren engagiert sentlich erfolgversprechender ist, in den konkreten leisteten, würde es keine Grundgesetzergänzung ge- Gesetzen für die verschiedenen Rechtsbereiche . . . ben. Auch jetzt haben behinderte Menschen uns Par- diskriminierende oder eingliederungshemmende Re- lamentarier erneut mit ihren Vorschlägen für unum- gelungen abzuschaffen oder zu verändern." gängliche Veränderungen auf einfachgesetzlicher Ebene aufmerksam gemacht. Ihr Mitwirken an Ver- Obwohl also der Handlungsbedarf seitens der Bun- änderungen in den Rechtsbereichen sowie die Ein- desregierung nicht in Frage gestellt wird, passiert auf beziehung von Vertretern der Behindertenorganisa- diesem Gebiet nichts. Bereits vorhandene Vor- tionen in die Arbeit sind für den Erfolg der Enquete- schläge, insbesondere des Forums behinderter Juri- Kommission unerläßlich. stlnnen und der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte, werden nicht aufgegriffen. Diese Vor- Lassen Sie mich abschließend nochmals aus dem schläge zeigen jedoch den Umfang und die Kompli- Gutachten „Der neue Diskriminierungsschutz für Be- ziertheit der Aufgabe, die Grundgesetzergänzung hinderte im Grundgesetz " zitieren: einfachrechtlich umzusetzen und auszugestalten. Der Diskriminierungsschutz für Behinderte ver- Dabei ist zu unterstreichen, daß es nicht nur um die stärkt in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip Sozialgesetzgebung geht, sondern um alle Rechtsbe- und der Gewährleistung der Menschenwürde die reiche, die im Lichte der neuen Norm des Grundge- Möglichkeiten - und die Verpflichtung - des Ge- setzes angepaßt bzw. geändert werden müssen. Das setzgebers, der Verwaltung und der Justiz, be- betrifft z. B. die Sozialgesetzbücher einschließlich stimmten diskriminierenden Auswüchsen im Pri- des noch zu schaffenden SGB IX, das Personenbe- vatrechtsverkehr entgegenzutreten. Dies gilt so- förderungsgesetz, das Allgemeine Eisenbahnge- wohl für Einschränkungen der Privatautonomie setz, das Fernmeldegesetz, das Strafgesetzbuch, das durch neue Gesetze als auch durch die Anwen- Zivil-, Straf-, Verwaltungs- und Sozialprozeßbuch, dung schon bestehender Normen des bürgerlichen das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemei- Rechts. nen Geschäftsbedingungen - um nur die wichtigsten zu nennen. Diese Vielzahl der anzupassenden und Davon ausgehend möchte ich Sie auffordern: Be- zu verändernden Gesetze, der dazugehörenden Ver- trachten Sie den Antrag zur Einrichtung der En- ordnungen und Regelungen, darf nicht der Zufällig- quete-Komission „Gleichstellung von Menschen mit keit anheimfallen. Im Selbstlauf wird sich nichts än- Behinderungen" als einen Weg, möglichst schnell dern. und umfassend bestehende Diskriminierungen und Benachteiligungen behinderter Menschen zu benen- Die von der Bundestagsgruppe PDS beantragte nen und zu beseitigen. Zugleich schaffen wir uns da- Enquete-Kommission „Gleichstellung von Menschen mit ein Forum, um über einen längeren Zeitraum die mit Behinderungen" soll wichtige Arbeiten zur Be- Problematik einer realen Gleichstellung behinderter seitigung bestehender Benachteiligungen behinder- Menschen ergebnisorientiert zu diskutieren. ter Menschen anregen und bündeln. Insbesondere soll mit der Enquete-Kommission das historisch ge- wachsene und gültige Recht der Bundesrepublik mit dem Ziel überprüft werden, alle Regelungen, Festle- gungen, Formulierungen sowie Tatbestände im deut- Anlage 5 schen Recht, die Menschen mit Behinderungen be- nachteiligen oder diskriminieren, zu benennen und Amtliche Mitteilungen Veränderungen vorzuschlagen. Es geht also darum - Der Bundesrat hat in seiner 686. Sitzung am 23. Juni 1995 be- wie in einem unlängst von Kollegen Regenspurger schlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. ei- vorgestellten Rechtsgutachten ausgeführt wird -, nen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: „das einfache Gesetzesrecht nach Regelungen - Zweites Gesetz zur Änderung des Futtermittelgesetzes ,durchzuforsten', bei denen das rechtspolitische An- liegen einer verbesserten Integration Behinderter - Zweiunddreißigstes Gesetz zur Änderung des Lastenaus- Änderungen indiziert" . gleichsgesetzes (32. ÄndG LAG) - Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Festle- Da die Bundesregierung einerseits Handlungsbe- gung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler darf im Sinne der Veränderung einfacher Gesetze an- erkennt, andererseits für die laufende Legislatur- - Gesetz über die Rechtsstellung ausländischer Streitkräfte bei periode nur die seit Jahren anstehende Schaffung ei- vorübergehenden Aufenthalten in der Bundesrepublik nes SGB IX als Aufgabe benennt, hält die PDS es für Deutschland (Streitkräfteaufenthaltsgesetz - SkAufG) die originäre Aufgabe des Bundestages als höchstem - Gesetz zu dem Abkommen vom 25. März 1981 zwischen der Gesetzgeber, hier weitergehende Impulse zur Umset- Bundesrepublik Deutschland und dem Königgreich Marok- zung des Grundgesetzes zu geben. ko über Kindergeld Bei der Besetzung der Enquete-Kommission - Gesetz zu dem Abkommen vom 20. September 1991 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesi- „Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen" schen Republik über Kindergeld sind auf möglichst vielfältige Art und Weise behin- derte Menschen und ihre Organisationen unmittel- - Drittes Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs bar zu berücksichtigen und an der Arbeit zu beteili- (3. SGBÄndG) gen. Ohne den Einsatz, die Sachkenntnis und die - Gesetz zur Anpassung vermögensrechtlicher und anderer Vor- Überzeugungsarbeit, die viele Menschen mit Behin- schriften Vermögensrechtsanpassungsgesetz - VermRAnpG) 4044* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 48. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1995

Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitge- Entschließung gefaßt: teilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Der Bundesrat verzichtet zu dem vom Bundestag be- Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kennt- schlossenen Gesetz zur Anpassung vermögensrechtli- nis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat: cher und anderer Vorschriften (Vermögensrechtsanpas- sungsgesetz — VermRAnpG) auf die Anrufung des Ver- Petitionsausschuß mittlungsausschusses, obwohl der Bundestag nicht in Drucksache 12/7795, 13/725 Nr. 1 vollem Umfang dem Anliegen des Bundesrates aus dem Auswärtiger Ausschuß am 4. November 1994 beschlossenen Gesetzentwurf (BR- Drucks. 893/94 - Beschluß -) gefolgt ist. Er befürwortet Drucksache 13/44, 13/269 Nr. 11 ebenfalls die vom Bundestag zusätzlich in das Gesetz auf- Ausschuß für Wirtschaft genommenen Regelungen. Drucksache 13/725 Nr. 94 Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auf den mit Beschluß vom 2. Juni 1995 beim Bundestag ein- Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung gebrachten „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung Drucksache 13/218 Nr. 87 des Schutzes der Nutzer und zur weiteren Erleichterung Drucksache 13/269 Nr. 2.1 von Investitionen in dem in Artikel 3 des Einigungsver- trages genannten Gebiet (Nutzerschutzgesetz - Ausschuß für Verkehr NutzSchG)" (BR-Drucks. 184/95 - Beschluß -), der weite- Drucksache 13/343 Nr. 2.1 re Regelungen im Bereich der offenen Vermögensfragen Drucksache 13/725 Nr. 162 und benachbarter Rechtsgebiete enthält. Seine baldige Drucksache 13/725 Nr. 163 Verabschiedung ist nach Ansicht des Bundesrates - vor Drucksache 13/725 Nr. 164 allem wegen der derzeit bestehenden Möglichkeit einer Umgehung des Vermögensgesetzes durch Klage vor den Drucksache 13/837 Nr. 2.1 ordentlichen Gerichten - dringend erforderlich. Drucksache 13/1096 Nr. 2.3 Der Bundesrat nimmt insbesondere wegen des Interesses Drucksache 13/1096 Nr. 2.17 der Wohnungsunternehmen der neuen Länder an einem Drucksache 13/1234 Nr. 1.8 baldigen Inkrafttreten des Vermögensrechtsanpassungs- Ausschuß für Post und Telekommunikation gesetzes von der Möglichkeit Abstand, die im Entwurf ei- nes Nutzerschutzgesetzes enthaltenen Regelungen im Drucksache 13/1096 Nr. 2.22 Rahmen der Beratung des Vermögensrechtsanpassungs- Drucksache 13/1442 Nr. 1.5 gesetzes erneut einzubringen. Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Tech- Der Bundesrat forde rt die Bundesregierung aus diesem nologie und Technikfolgenabschätzung Anlaß auf, ihre Stellungnahme zum Entwurf eines Nut- Drucksache 13/1338 Nr. 2.12 zerschutzgesetzes unverzüglich vorzulegen. Zugleich bittet er den Bundestag, den Gesetzentwurf so bald wie Ausschuß fit. Fremdenverkehr und Tourismus möglich zu behandeln. Drucksache 13/725 Nr. 175 In diesem Zusammenhang weist der Bundesrat auf die von der Conference on Jewish Mate rial Claims against Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Germany, Inc. vorgebrachten weiteren Vorschläge zur Union Anderung vermögensrechtlicher Vorschriften hin. Der Drucksache 13/478 Nr. 1.1 Bundesrat spricht sich für die schnellstmögliche abschlie- Drucksache 13/478 Nr. 1.3 ßende Behandlung der Vorschläge im Rahmen der Bera- Drucksache 13/478 Nr. 1.4 tung des Entwurfs eines Nutzerschutzgesetzes aus. Drucksache 13/614 Nr. 1.2 Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 28. Juni 1995 ih- Drucksache 13/1096 Nr. 1.1 ren Antrag „Einsetzung eines Untersuchungsausschusses" - Drucksache 13/1096 Nr. 1.2 Drucksache 13/1781- zurückgezogen. Drucksache 13/1096 Nr. 1.3