Deutscher Drucksache 19/24612

19. Wahlperiode 24.11.2020

Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

Sitzungswoche der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 30. September bis 4. Oktober 2019 in Straßburg, Frankreich

Inhaltsverzeichnis

Seite

I. Teilnehmende der deutschen Delegation ...... 2

II. Tagesordnung der 4. Sitzungswoche 2019 ...... 3

III. Schwerpunkte der Sitzungswoche ...... 5

IV. Ausschussmitgliedschaften der Delegationsmitglieder ...... 10

V. Berichterstattermandate der Delegationsmitglieder ...... 12

VI. Verabschiedete Empfehlungen und Entschließungen ...... 13

VII. Reden der Delegationsmitglieder ...... 47

Drucksache 19/24612 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

I. Teilnehmende der deutschen Delegation Die 4. Sitzungswoche 2019 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PVER) fand vom 30. Septem- ber bis 4. Oktober 2019 in Straßburg (Frankreich) statt. Der Deutsche Bundestag entsandte folgende Delegations- mitglieder: Abgeordneter Dr. (CDU/CSU), Delegationsleiter Abgeordneter (SPD), stellv. Delegationsleiter Abgeordneter (CDU/CSU) Abgeordneter (CDU/CSU) Abgeordneter (CDU/CSU) Abgeordnete (CDU/CSU) Abgeordnete (SPD) Abgeordnete (SPD) Abgeordneter (SPD) Abgeordnete (SPD) Abgeordneter Axel Schäfer (SPD) Abgeordneter (AfD) Abgeordneter (AfD) Abgeordneter Norbert Kleinwächter (AfD) Abgeordneter (AfD) Abgeordneter (FDP) Abgeordneter (FDP) Abgeordneter (DIE LINKE.) Abgeordneter (DIE LINKE.) Abgeordneter Dr. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/24612

II. Tagesordnung der 4. Sitzungswoche 2019

Montag, 30. September 2019

– Eröffnung der 4. Sitzungswoche 2019 - Rede der Präsidentin, Liliane Maury Pasquier - Prüfung der Beglaubigungsschreiben (Akkreditierung), Delegationsliste (Dok. 14969) - Wahl eines Vizepräsidenten / einer Vizepräsidentin der Versammlung in Bezug auf Spanien - Änderungen der Mitgliedschaften in den Ausschüssen (Kommissionen (2019) 07 + Add. 1) – Anträge zu Aktualitäts- und Dringlichkeitsdebatten - Dringlichkeitsdebatte: „Rettung von Personen im Mittelmeer: die Notwendigkeit einer dringenden Antwort“ - Dringlichkeitsdebatte: „Verletzungen der demokratischen Rechte und Unterdrückung friedlicher Proteste in der Russischen Föderation vor dem Hintergrund der Wahlen zum Moskauer Stadtrat“ – Annahme der Tagesordnung – Tätigkeitsbericht des Präsidiums und des Ständigen Ausschusses Berichterstatterin des Präsidiums: Frau Nicole Trisse (Frankreich, ALDE) (Dok. 14968, Dok. 14968 Add. 2) – Zeremonie zur Preisverleihung des Václav-Havel-Menschenrechtspreises – Ansprache der Staatssekretärin für europäische Angelegenheiten beim Minister für Europa und auswärtige Angelegenheiten sowie Beauftragte für die deutsch-französische Zusammenarbeit, Frau Amélie de Montchalin – Tätigkeitsbericht des Präsidiums und des Ständigen Ausschusses (Fortsetzung)

Dienstag, 1. Oktober 2019

– Verbesserung des Schutzes von Whistleblowern (Hinweisgeber) in ganz Europa Berichterstatter für den Ausschuss für Recht und Menschenrechte: Herr Sylvain Waserman (Frankreich, ALDE) (Dok. 14958) – Ansprache des Staatspräsidenten von Frankreich, Herrn Emmanuel Macron – Opernhaus Straßburg: Offizielle Feier anlässlich des 70. Jahrestages der Gründung des Europarates

Mittwoch, 2. Oktober 2019

– Wahl von Richterinnen und Richtern für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Liste der Kandidaten: Portugal (Dok. 14954, Dok. 14968 Add. 2) – Ombudsperson Institutionen in Europa – Die Notwendigkeit einer Reihe gemeinsamer Standards Berichterstatter für den Ausschuss für Recht und Menschenrechte: Herr Richard Balfe (Vereinigtes Königreich, EC) (Dok. 14953) – Ansprache der Generalsekretärin des Europarates, Frau Marija Pejčinović Burić, – Wahl von Richterinnen und Richtern für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Fortsetzung) – Die Entwicklungsbank des Europarates: Zum Aufbau einer inklusiveren Gesellschaft beitragen Berichterstatterin für den Ausschuss Sozialordnung, Gesundheit und nachhaltige Entwicklung: Frau Nicole Trisse (Frankreich, ALDE) (Dok. 14961) Erklärung von Herrn Rolf Wenzel (Gouverneur der Entwicklungsbank des Europarates) Drucksache 19/24612 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

– Schutz und Unterstützung der Opfer des Terrorismus Berichterstatterin für den Ausschuss für Politische Angelegenheiten und Demokratie: Frau Marietta Karamanli (Frankreich, SOC) (Dok. 14957) – Postmonitoring-Dialog mit Nordmazedonien Ko-Berichterstatterin für den Monitoringausschuss: Frau Lise Christoffersen (Norwegen, SOC) (Dok. 14964) Ko-Berichterstatter für den Monitoringausschuss: Herr Aleksander Pociej (Polen, EPP/CD) (Dok. 14964)

Donnerstag, 3. Oktober 2019

– Die Rettung von Menschenleben im Mittelmeer: Die Notwendigkeit einer sofortigen Reaktion Berichterstatter für den Ausschuss für Migration, Flüchtlinge und Vertriebene: Herrr Domagoj Hajduković (Kroatien, SOC) (Dok. 14971) – Feierstunde anlässlich des 70. Jahrestages der Gründung des Europarates (Palais de l’Europe)1 – Dringlichkeitsdebatte: Verletzungen der demokratischen Rechte und Unterdrückung friedlicher Proteste in der Russischen Föderation vor dem Hintergrund der Wahlen zum Moskauer Stadtrat – Gewalt in der Geburtshilfe und Gynäkologie Berichterstatterin für den Ausschuss für Gleichstellung und Nichtdiskriminierung: Frau Maryvonne Blondin (Frankreich, SOC) (Dok. 14965) – Legaler Aufenthalt für „Klimaflüchtlinge“ Berichterstatterin für den Ausschuss für Migration, Flüchtlinge und Vertriebene: Frau Marie-Christine Verdier-Jouclas (Frankreich, ALDE) (Dok. 14955) – Die Funktionsweise der demokratischen Institutionen in der Republik Moldau (Dok. 14963) Ko-Berichterstatter für den Monitoringausschuss: Herr Egidijus Vareikis (Litauen, EPP/CD) Ko-Berichterstatterin für den Monitoringausschuss: Frau Maryvonne Blondin (Frankreich, SOC)

Freitag, 4. Oktober 2019

– Die Bewahrung des jüdischen Kulturerbes Berichterstatter für den Ausschuss für Kultur, Wissenschaft, Bildung und Medien: Herr Raphaël Comte (Schweiz, ALDE) (Dok. 14960) – Arbeitsmigration aus Osteuropa und ihre Auswirkung auf soziodemographische Prozesse in diesen Ländern Berichterstatter für den Ausschuss für Migration, Flüchtlinge und Vertriebene: Herr Ionut-Marian Stroe (Rumänien, EPP/CD) (Dok. 14956) – Freie Debatte – Tätigkeitsbericht des Präsidiums und des Ständigen Ausschusses (Fortsetzung)

1 Programm: Reden der Generalsekretärin des Europarates und der Präsidentin und den Fraktionsvorsitzenden der Versammlung; Film über die Geschichte des Europarates und der Versammlung mit Redeausschnitten und Zitaten von Persönlichkeiten Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/24612

III. Schwerpunkte der Sitzungswoche

Auf der Tagesordnung der vierten Sitzungswoche 2019 standen unter anderem der Schutz von Hinweisgebern (Whistleblower), Ombudsinstitutionen, klimabedingte Migration, Gewalt bei Geburtshilfe und Gynäkologie, Un- terstützung für Opfer von Terrorismus sowie der Schutz des jüdischen Kulturerbes in Europa. Ferner wurden Monitoringberichte zu Moldau und Nordmazedonien verabschiedet sowie Sonderdebatten zur Rettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer und zu repressiven Maßnahmen russischer Behörden gegen Demonstranten ge- führt.

Sonderdebatte und Feierstunde anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Europarates Anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Europarates2 wurde in der Oper Straßburg eine Feierstunde mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron als Hauptredner veranstaltet, bei der er ein leidenschaftli- ches Plädoyer für Europas Werte und Zusammenarbeit hielt. Zuvor hatte er sich bereits nach einer Rede im Palais de l’Europe auch den Fragen der Abgeordneten gestellt. Vor der Versammlung betonte Präsident Macron, der auch als Repräsentant des aktuellen französischen Vorsitzes im Ministerkomitee des Europarates sprach, der Europarat habe den Respekt für die in der Europäischen Men- schenrechtskonvention (EMRK) festgelegten fundamentalen Rechte sowie für Demokratie und Rechtsstaatlich- keit in ganz Europa verbreitet. Die Todesstrafe werde mit Ausnahme eines Landes (Belarus) in Europa nicht mehr vollstreckt. Europaweit würden Menschen vor Folter sowie Kinder und Frauen vor häuslicher und sexueller Ge- walt geschützt. Ein internationaler Gerichtshof fälle in Menschenrechtsfragen verbindliche Urteile, die die Mit- gliedstaaten akzeptieren müssten. Zu den Herausforderungen für den Europarat zählten für Macron unter anderem die zunehmende Erosion multilateraler Strukturen, der Schutz der Bürger vor Terrorismus, ohne dabei ihre indi- viduellen Freiheitsrechte zu beschränken, die mit der Digitalisierung verbundenen technologischen Entwicklun- gen, die Bekämpfung von Hassrede sowie der Erhalt des Asylschutzes angesichts der Größenordnung der Migra- tionsbewegungen. Er forderte dazu auf, damit verbundene ethische Fragen in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Macron nutzte seine engagiert gehaltene Rede vor den Abgeordneten zu einer Rechtfertigung der Annäherung an Russland, dessen Geographie, Geschichte und Kultur fundamental europäisch seien. Er begrüßte die von der Ver- sammlung im Juni dieses Jahres ermöglichte Rückkehr der russischen Parlamentarier. Dies habe wieder eine nor- male Funktionsweise des Europarates möglich gemacht. Andernfalls hätte man schmerzhafte Einschnitte des Menschenrechtsschutzes für die Bürger in Russland hinnehmen müssen. Das Entgegenkommen gegenüber Russ- land bedeute nicht, dass es doppelte Standards gebe. Er wünsche, dass das geplante neue Verfahren zum Umgang mit Mitgliedstaaten, die in gravierender Weise gegen die Werte des Europarates verstießen, bereits im Januar 2020 verfügbar sei. Es solle glaubwürdig und durchsetzungsfähig sein und dazu beitragen, dass alle Mitglied- staaten ihre gegenüber dem Europarat eingegangenen Verpflichtungen erfüllten.

Ukrainisches Parlament verzichtet auf Akkreditierung Aus Protest gegen die von der Versammlung im Juni dieses Jahres ermöglichte Rückkehr der russischen Delega- tion verzichtete das ukrainische Parlament nach der Parlamentswahl vom 21. Juli 2019 auf die Akkreditierung einer neuen Delegation. Die Delegationen aus den baltischen Staaten und aus Georgien blieben der Feierstunde in der Oper Straßburg anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Europarates und teilweise auch der Plenarsitzung fern. Eine dauerhafte Stabilisierung der Rolle der PVER als paneuropäisches Forum wird auch davon abhängen, wie sich diese Länder im Januar 2020 verhalten, wenn alle Delegationen turnusmäßig die jährliche Akkreditierung vornehmen. Die designierte Leiterin der ukrainischen Delegation, Lisa Yasko (Diener des Volkes), hielt sich zu informellen Gesprächen in Straßburg auf. Bei einer Begegnung mit dem Leiter der deutschen Delegation, Abg. Dr. Andreas Nick (CDU/CSU), unterstrich sie den Vertrauensverlust der Ukraine in den Europarat und forderte mehr Rückhalt der PVER für die Interessen der Ukraine. Dr. Nick erklärte, die Versammlung habe ihre funda- mentale Bewertung der Krimkrise nicht geändert. Als Berichterstatter für die Situation im Asowschen Meer3 habe er die territoriale Integrität der Ukraine betont und die Freilassung der in Russland festgehaltenen Matrosen ge- fordert. Die Tätigkeit der Versammlung habe dazu beigetragen, die Freilassung zu ermöglichen.

2 Die Unterzeichnung der Satzung des Europarates fand am 5. Mai 1949 in London statt. Die erste Sitzung der Versammlung wurde am 10. Au- gust 1949 in der Universität von Straßburg abgehalten. 3 Bericht Dok. 14811 vom 21. Januar 2019 und Entschließung 2259 vom 24. Januar 2019 Drucksache 19/24612 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Neues Verfahren bei schwerwiegenden Regelverstößen durch Mitgliedstaaten Das Ministerkomitee war im Zuge der Rückkehr der russischen Delegation auf den Wunsch der Versammlung eingegangen, ein neues gemeinsames Verfahren zur Reaktion auf schwere Verstöße eines Mitgliedstaates gegen die Satzung des Europarates zu entwickeln. Das mehrstufige Verfahren soll von der Versammlung, dem Minis- terkomitee oder der Generalsekretärin ausgelöst werden können. Anschließend soll in Gesprächen und über die Nutzung von Monitoringinstrumenten versucht werden, den Mitgliedstaat zu konformem Verhalten zu bewegen. Erst nach erfolglosen Verhandlungen und am Ende des Verfahrens wären Sanktionen, wie der in Artikel 8 der Satzung des Europarates mögliche Stimmrechtsentzug, vorgesehen. Solche Sanktionen können allerdings nur vom Ministerkomitee beschlossen werden. Durch die Beteiligung am Verfahren würde die Stellung der Versamm- lung gestärkt. Kritiker betonten hingegen, dass die Versammlung die Möglichkeit zu eigenen Entscheidungen über einen Stimmrechtsentzug aufgegeben habe. In einer Beratung der Vorschläge mit den Fraktionsvorsitzenden und den Delegationsleitern bildeten sich drei Gruppen heraus: Länder, denen das neue Verfahren nicht weit genug geht (u. a. baltische Staaten, Georgien, Ver- einigtes Königreich), Länder, die sich als möglicherweise Betroffene sehen und hohe Hürden für die erforderliche Mehrheit und das Quorum fordern (u.a. Aserbaidschan, Russland, Türkei und Ungarn), und eine Mehrheit, die möglichst rasch zu einem funktionsfähigen Mechanismus kommen möchte. Auch der Leiter der deutschen Dele- gation, Abg. Dr. Andreas Nick (CDU/CSU), und der stellvertretende Delegationsleiter und Vorsitzende der SOC-Fraktion, Abg. Frank Schwabe (SPD), äußerten sich positiv zu den bisherigen Verhandlungsfortschritten. Ziel des Verfahrens solle nicht eine kurzfristige Sanktionierung einzelner Mitgliedstaaten sein, sondern eine Er- füllung der Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft. Offen ist u. a., ob es eine detaillierte Liste von Verstößen geben wird, die das Verfahren auslösen können, oder auf allgemeine Prinzipien verwiesen wird.

Václav Havel Menschenrechtspreis Eine von der Versammlung, der Václav Havel Bibliothek und der Charta 77 Stiftung beauftragte Jury vergab den Václav Havel Menschenrechtspreis zugleich an Ilham Tohti (uigurischer Menschenrechtsverteidiger, derzeit in- haftiert) und die „Jugendinitiative für Menschenrechte“, die sich für Verständigung und Versöhnung in den Bal- kanländern einsetzt. Das Preisgeld beträgt insgesamt 60.000 Euro.

Richterwahl: Portugal Die Versammlung folgte der Empfehlung ihres Richterwahlausschusses und wählte die portugiesische Verfas- sungsrichterin Ana Maria Guerra Martins zur Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für den auf Portugal entfallenden Posten.

Auflösung der FDG-Fraktion Die im Juni 2017 gegründete Fraktion „Free Democrats Group“ (FDG) erfüllte die geänderten Anforderungen der Geschäftsordnung an die Mindestzahl für eine Fraktion nicht mehr und wurde aufgelöst. Ihr hatten vor allem Mitglieder aus der Türkei und Aserbaidschan sowie einzelne Mitglieder aus Montenegro, Nordmazedonien, San Marino und Serbien, angehört. Die Mitglieder der deutschen Delegation aus der FDP-Fraktion waren nicht betroffen. Sie sind traditionell Mit- glieder der Alliance of Liberals and Democrats for Europe (ALDE). Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/24612

Verabschiedete Empfehlungen und Entschließungen Die Verbesserung des Schutzes von Whistleblowern (Hinweisgeber) in ganz Europa, Berichterstatter für den Ausschuss für Recht und Menschenrechte: Sylvain Waserman (Frankreich, ALDE) (Dok. 14958, Entschließung 2300, Empfehlung 2162) Die Versammlung forderte einen besseren Schutz für Whistleblower (Hinweisgeber). Die derzeit in der EU ver- handelte Europäische Richtlinie für den Schutz von Personen, die Hinweise über Verstöße gegen EU-Recht geben, solle um eine Europäische Konvention des Europarates ergänzt werden. Damit solle der Schutz auch nationale Vorgänge umfassen und europaweit gelten.

Ombudsperson-Institutionen in Europa – Die Notwendigkeit einer Reihe gemeinsamer Standards, Bericht- erstatter für den Ausschuss für Recht und Menschenrechte: Richard Balfe (Vereinigtes Königereich, EC) (Dok. 14953, Entschließung 2301, Empfehlung 2163) Die Versammlung verabschiedete eine Empfehlung an das Ministerkomitee und regte an, eine Monitoringstelle zu schaffen, an die die Mitgliedstaaten regelmäßig über die Tätigkeit ihrer Ombudsperson-Institutionen und die Einhaltung der 25 von der Venedig-Kommission festgelegten Prinzipien für Ombudspersonen berichten sollen. Kritisiert wurden die jüngst in einigen Mitgliedstaaten des Europarates (u. a. Kroatien, Malta, Ukraine, Polen, Zypern) beobachteten Versuche, die Tätigkeit und Unabhängigkeit von Ombudspersonen einzuschränken.

Beitrag der Entwicklungsbank des Europarates zum Aufbau einer inklusiveren Gesellschaft, Berichterstat- terin für den Ausschuss für Soziales, Gesundheit und nachhaltige Entwicklung: Nicole Trisse (Frankreich, ALDE) (Dok. 14961, Entschließung 2302) Die Entwicklungsbank des Europarates (CEB) mit Sitz in Paris ist ein Teilabkommen des Europarates mit 41 Mitgliedstaaten. Gouverneur ist der ehemalige Beamte im Finanzministerium Rolf Wenzel. Die Bank verfügt über ein Fondskapital von 169 Mio. Euro und kann zusätzliche Mittel am Kapitalmarkt aufnehmen. Die CEB vergibt jährlich Projektkredite und Beihilfen in Höhe von etwa 40 Mio. Euro. Seit 2016 werden verstärkt Projekte auch in Deutschland finanziert, vor allem im Zusammenhang mit der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen. Die Versammlung begrüßte die soziale Ausrichtung der CEB und schlug vor, diese auszuweiten und verstärkt Projekte zur Unterstützung der Nachhaltigkeitsziele der VN sowie „Grüne Investments“ und Jugendzentren zu fördern. Die Unterstützung von Flüchtlingen solle weitergeführt werden. Empfohlen wird zudem eine Fortsetzung der begonnenen Managementreform mit dem Ziel, schnellere Entscheidungsstrukturen zu schaffen. Die Ver- sammlung fordert die acht Mitgliedstaaten des Europarates, die noch nicht an der Bank beteiligt sind, auf, dem Teilabkommen beizutreten (Andorra, Armenien, Aserbaidschan, Monaco, Österreich, Russland, Ukraine und Ver- einigtes Königreich).

Schutz und Unterstützung der Opfer des Terrorismus, Berichterstatterin für den Ausschuss für politische An- gelegenheiten und Demokratie: Marieta Karamanli (Frankreich, SOC) (Dok. 14957, Entschließung 2303, Emp- fehlung 2164) Die Versammlung forderte auf nationaler Ebene unter anderem die Schaffung eines offiziellen Status als „Opfer von Terrorismus“ und einer zuständigen Behörde sowie die Bereitstellung von spezifischer medizinischer, psy- chologischer und rechtlicher Hilfe sowie faire Kompensationszahlungen. Auch solle eine öffentliche Anerken- nung des Opferstatus zum Beispiel durch die Einrichtung von Museen und Gedenkstätten erfolgen. Die Mitglied- staaten des Europarates wurden ferner aufgefordert, Artikel 13 des Übereinkommens des Europarats zur Verhü- tung des Terrorismus zu verwirklichen, der „Schutz, Kompensation und Unterstützung für Opfer von Terroris- mus“ behandelt.

Gewalt in der Geburtshilfe und Gynäkologie, Berichterstatterin für den Ausschuss für Gleichstellung und Nichtdiskriminierung: Maryvonne Blondin (Frankreich, SOC) (Dok. 14965, Entschließung 2306) Die Versammlung rief dazu auf, das Thema Gewalt bei Geburtshilfe und gynäkologischen Untersuchungen zu enttabuisieren und das Bewusstsein für überkommene und inakzeptable Praktiken zu schärfen. Patientinnen sollen über ihre Rechte aufgeklärt und medizinisches Personal besser geschult werden. Beispiele für Gewalt bei Ge- burtshilfe und Gynäkologie sind erzwungene Wehen, Episiotomie (Dammschnitt), Untersuchungen der Vagina Drucksache 19/24612 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

unter Anästhesie und ohne vorherige Zustimmung, der Zwang zur Geburt unter Schmerzen sowie herablassende Sprache und Behandlung.

Klimaflüchtlinge, Berichterstatterin für den Ausschuss für Migration, Flüchtlinge und Vertriebene: Marie-Chris- tine Verdier-Jouclas (Frankreich, SOC) (Dok. 14955, Entschließung 2307) Die Versammlung unterstrich, dass die Mitgliedsländer des Europarates sich auf klimabedingte Wanderungsbe- wegungen einstellen müssten. Gefordert wurden vorbeugende und risikomindernde Maßnahmen zur Bewältigung von Naturkatastrophen sowie die Unterstützung klimabedingt vertriebener Menschen einschließlich internationa- ler Koordination, Mediation von Konflikten und Bereitstellung von Finanzmitteln (u. a. durch die Schaffung eines internationalen Solidaritätsfonds). Zwar gebe es noch keinen rechtlich bindenden Status für sogenannte Klima- flüchtlinge, die Aufnahme der Opfer von Naturkatastrophen solle aber gesetzlich geregelt werden. Vorzusehen sei dabei die Gewährung eines temporären Aufenthaltsstatus. Jüdisches Erbe in Europa, Berichterstatter für den Ausschuss für Kultur, Bildung und Medien: Raphaël Comte (Schweiz, ALDE) (Dok. 14960, Entschließung 2309, Empfehlung 2165) Die Versammlung fordert von den Mitgliedstaaten, ihrer Verantwortung für den Erhalt des jüdischen kulturellen Erbes in Europa gerecht zu werden. Besondere Aufmerksamkeit bedürfe der Erhalt historischer Synagogen in den Fällen, in denen keine aktive jüdische Gemeinde zur Unterstützung bereit stehe. Der Erhalt des jüdischen Erbes solle zudem Bestandteil der Beschäftigung mit dem gemeinsamen kulturellen Erbe in Europa sein. Es solle als Teil und Bereicherung der eigenen Geschichte in Bildung und Unterricht berücksichtigt werden. Vor allem junge Menschen sollen die Chance erhalten, jüdische Kultur kennenzulernen. Angeregt wird ferner, zusammen mit der EU einen europäischen Preis für außergewöhnliche Leistungen von Freiwilligen beim Erhalt von jüdischem Erbe zu schaffen.

Arbeitsmigration aus Osteuropa und ihre Auswirkungen auf die soziodemographischen Prozesse in diesen Ländern, Berichterstatter für den Ausschuss für Migration, Flüchtlinge und Vertriebene: Ionuţ-Marian Stroe (Ru- mänien, EPP/CD) (Dok. 14956, Entschließung 2310) Die Versammlung befasste sich mit den positiven und negativen Auswirkungen von Arbeitsmigration in die EU für die osteuropäischen Herkunftsländer am Beispiel insbesondere der Republik Moldau, Polen, Rumänien und der Ukraine. Zu den positiven Auswirkungen zählten ein höherer Lebensstandard durch Rücküberweisungen und ein Rückgang der heimischen Arbeitslosigkeit. Zu den negativen Folgen zählten psychologische und schulische Probleme, insbesondere bei Kindern von dauerhaft im Ausland arbeitenden Eltern, sinkende Einnahmen der So- zialsysteme, Bevölkerungsschwund und Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte (Brain-Drain). Die Ver- sammlung fordert Aufnahme- und Herkunftsländern zu abgestimmten Maßnahmen zur Reduzierung der negati- ven Folgen der Migration auf. Die Aufnahmeländer werden aufgefordert, die inoffizielle Arbeitsmigration zu beenden, da diese zu moderner Sklaverei und Menschenhandel führen könne. Darüber hinaus müsse die Aner- kennung von Qualifikationen von Migranten aus Drittstaaten erleichtert werden sowie die Gewährleistung von Rente und Arbeitsrechten.

Monitoringbericht über die Republik Moldau, Berichterstatter für den Monitoringausschuss: Egidijus Vareikis (Litauen, EPP/CD) und Maryvonne Blondin (Frankreich, SOC) (Dok. 14963, Entschließung 2308) Die Versammlung würdigte die Bemühungen der neuen Regierung aus prorussischen Sozialisten und dem proeu- ropäischen ACUM-Block, das Land von oligarchischen Strukturen zu befreien und parlamentarische Untersu- chungen zu mehreren Skandalen einzurichten. Dazu gehöre auch die Wiederaufnahme einer Untersuchung des Bankskandals von 2014, der zu einem Verlust von einer Milliarde US-Dollar (was mehr als zehn Prozent des BIP des Landes entsprach) geführt habe, sowie der Geldwäschesysteme (Laundromats). Die Versammlung forderte die Rücknahme von Regelungen, die von der vorherigen Regierung eingeführt worden seien, wie die Fiskalam- nestie und das Goldene Visa-System, da sie Geldwäsche beförderten. Die Versammlung bedauerte den Ansehens- verlust des Verfassungsgerichts in der zurückliegenden politischen Krise und forderte das neugewählte Gericht auf, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Begrüßt wird die Bereitschaft der neuen Regierung, die 5+2-Ge- spräche zur Situation in Transnistrien fortzusetzen. Bekräftigt wird die Entschließung 1896 (2012) der Versamm- lung, die die territoriale Integrität Moldaus unterstreicht und den Abzug der russischen Truppen aus Transnistrien fordert. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/24612

Postmonitoring-Dialog mit Nordmazedonien, Berichterstatter für den Monitoringausschuss: Lise Christoffer- son (Norwegen, SOC) und Aleksander Pociej (Polen, EPP/CD) (Dok. 14964, Entschließung 2304) Die Versammlung begrüßte die Beilegung des Namensstreits mit Griechenland (Prespa-Abkommen) und wür- digte die Fortschritte des Landes bei der Aufarbeitung des Skandals um illegal abgehörte Telefongespräche (Przino-Abkommen) durch einen Sonderstaatsanwalt, die zum Rücktritt von Ministerpräsident Nikola Gruevski und dessen Aufenthalt in Ungarn geführt hat. Die Versammlung forderte Ungarn auf, dem Auslieferungsersuchen Skopjes stattzugeben. Auch die jüngsten Schritte zur vollständigen Verwirklichung des Ohrid-Abkommens, ins- besondere das Sprachengesetz, wurden gewürdigt, allerdings mit einem Hinweis auf die nach wie vor fragilen interethnischen Beziehungen. Die Versammlung forderte die Schaffung eines integrierten multikulturellen Bil- dungssystems in Übereinstimmung mit der Europaratskonvention zum Schutz nationaler Minderheiten. Die Ver- sammlung verlängerte den Postmonitoring-Dialog und will künftig vor allem die Funktionsweise der demokrati- schen Institutionen, die Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz, den Kampf gegen Korruption, die Reform des Wahlsystems und Maßnahmen für eine inklusive Politik zum Schutz von Minderheiten weiterverfolgen.

Dringlichkeitsdebatte: Die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer, Berichterstatter für den Ausschuss für Migration, Flüchtlinge und Vertriebene: Domagoj Hajduković (Kroatien, SOC) (Dok. 14971, Entschließung 2305) Die Versammlung sieht die Mitgliedstaaten in der Pflicht, Menschen vor dem Ertrinken im Mittelmeer zu schüt- zen. Sie würdigte die Leistung der Mittelmeeranrainerstaaten bei der Rettung Schiffsbrüchiger und forderte die anderen Mitgliedsstaaten zu mehr Solidarität auf, denn es handele sich nicht um ein Problem allein der Mittel- meeranrainer. Die Mitwirkung an einer effektiveren Migrationssteuerung sei eine europäische Herausforderung. Die Rettung Schiffsbrüchiger müsse Vorrang vor politischen und allen anderen Überlegungen erhalten. Die EU wird aufgefordert, statt der alleinigen Fokussierung auf Grenzkontrollen und der Externalisierung der Asylver- fahren auch eine Rettungsmission aufzustellen.

Aktualitätsdebatte: Repressives Vorgehen bei Demonstrationen in Russland anlässlich der Kommunalwahl In der von der ALDE-Fraktion beantragten Aktualitätsdebatte wurde das repressive Vorgehen der russischen Be- hörden gegen Demonstranten bei der Kommunalwahl in Moskau verurteilt. Martin Poliačik (Slowakei, ALDE) sah in seiner Einführungsrede Befürchtungen über die negative demokratische Entwicklung in Russland bestätigt und beklagte die mangelnde Bereitschaft Russlands, auf die Forderungen der Versammlung einzugehen. Für Boriana Aberg (Schweden, EPP/CD) verfolgen die Behörden wie zu Sowjetzeiten eine Strategie der Angst und Einschüchterung. Der Leiter der russischen Delegation, Piotr Tolstoi (fraktionslos), erklärte, die Redebeiträge gäben Klischees über Russland wieder. Er warf der Versammlung vor, einseitig Russland zu kritisieren und die Augen vor repressivem Vorgehen in anderen Ländern zu verschließen. Die russischen Behörden seien auf gesetz- licher Basis gegen unautorisierte und vom Ausland angestiftete Proteste vorgegangen.

Berlin, den 30. Oktober 2020

Dr. Andreas Nick, MdB Frank Schwabe, MdB Delegationsleiter stellvertretender Delegationsleiter

Drucksache 19/24612 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

IV. Ausschussmitgliedschaften der Delegationsmitglieder

Die Versammlung hat sechs ständige Fachausschüsse sowie drei besondere Ausschüsse eingerichtet. Über die Mitgliedschaften in den Fachausschüssen verständigen sich die deutschen Mitglieder zu Beginn der Wahlperiode. Über die Mitgliedschaften in den drei anderen Ausschüssen entscheiden die Fraktionen der Versammlung. Zum Zeitpunkt der 4. Sitzungswoche 2019 bestanden folgende Ausschussmitgliedschaften deutscher Abgeordne- ter:

Fachausschüsse Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder

1. Dr. Andreas Nick 1. Dr. Johann David Wadephul Ausschuss für Politische 2. Jürgen Hardt 2. Peter Beyer Angelegenheiten und Demokratie 3. Doris Barnett 3. Axel Schäfer (Committee on Political Affairs and Democracy) 4. Frithjof Schmidt 4. Konstantin Kuhle – Frank Schwabe (ex-officio) 1. Dr. Volker Ullrich 1. Peter Beyer Ausschuss für Recht und 2. Frank Schwabe 2. Menschenrechte 3. Norbert Kleinwächter 3. Marc Bernhard (Committee on Legal Affairs and Human Rights) 4. 4. Gökay Akbulut – Frank Schwabe (ex-officio) Ausschuss für Sozialordnung, 1. 1. Gesundheit und nachhaltige 2. Matern von Marschall 2. Doris Barnett Entwicklung 3. Andrej Hunko 3. Cornelia Möhring (Committee on Social Affairs, Health and Sustainable 4. Ulrich Oehme 4. Dr. Christoph Hoffmann Development)

Ausschuss für Migration, 1. 1. Frank Heinrich Flüchtlinge und Vertriebene 2. Josip Juratovic 2. Konstantin Kuhle (Committee on Migration, 3. Marc Bernhard 3. Martin Hebner Refugees and Displaced Persons) 4. Michel Brandt 4. Ausschuss für Kultur, 1. 1. Sybille Benning Wissenschaft, Bildung und 2. Elisabeth Motschmann 2. Jürgen Hardt Medien 3. Axel Schäfer 3. Tabea Rößner (Committee on Culture, Science, Education and Media) 4. Konstantin Kuhle 4. Norbert Kleinwächter

Ausschuss für Gleichstellung und 1. Frank Heinrich 1. Elisabeth Motschmann Nichtdiskriminierung 2. Gabriela Heinrich 2. Ute Vogt (Committee on Equality and Non- 3. 3. Josephine Ortleb Discrimination) 4. Gyde Jensen 4. Katrin Staffler

Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/24612

Besondere Ausschüsse Ordentliche Mitglieder Fraktion

Ausschuss für die Einhaltung der von – Peter Beyer EPP/CD den Mitgliedstaaten des Europarates – Andrej Hunko UEL eingegangen Verpflichtungen – Axel Schäfer SOC (Monitoringausschuss) – Frank Schwabe (ex-officio) Committee on the Honouring of SOC Obligations and Commitments by Member States of the Council of Europe (Monitoring Committee) Ausschuss für Geschäftsordnung, – Matern von Marschall EPP/CD Immunität und institutionelle – Dr. Johann David Wadephul EPP/CD Angelegenheiten – Frank Schwabe (ex-officio) SOC (Committee on Rules of Procedure, Immunities and Institutional Affairs) Ausschuss für die Wahl der Richter zum – Dr. Volker Ullrich EPP/CD Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Committee on the election of judges to the European Court of Human Rights)

Drucksache 19/24612 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

V. Berichterstattermandate der Delegationsmitglieder4

Abg. Frank Heinrich (CDU/CSU) • „Genderaspekte und Auswirkungen auf die Menschenrechte von Pornografie“ Ausschuss für Gleichstellung und Nichtdiskriminierung (ernannt am 25.06.2019)

Abg. Andrej Hunko (DIE LINKE.) • „Die Einhaltung der Zusagen und Verpflichtungen durch Albanien“ Monitoringausschuss: Ko-Berichterstattung mit Joseph O‘Reilly (Irland, EPP/CD) (ernannt am 29.01.2015)

Abg. Konstantin Kuhle (FDP) • „Transparenz und Regelungen für Spenden an politische Parteien und für Wahlkampagnen von ausländischen Spendern“ Ausschuss für Politische Angelegenheiten und Demokratie (ernannt am 27.06.2019)

Abg. Frithjof Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) • „Demokratie gehackt? Wie soll reagiert werden?“ Ausschuss für Politische Angelegenheiten und Demokratie (ernannt am 12.03.2018)

Abg. Frank Schwabe (SPD) • „Das anhaltende Bedürfnis der Wiederherstellung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit im Nordkaukasus“ Ausschuss für Recht und Menschenrechte (ernannt am: 12.12.2017) • „Postmonitoring-Dialog mit Bulgarien“ Monitoringausschuss: Ko-Berichterstattung mit Zsolt Nemeth (Ungarn, EPP/CD) (ernannt am 25.06.2015)

4 Stand nach der 4. Sitzungswoche 2019 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/24612

VI. Verabschiedete Empfehlungen und Entschließungen

Nummer Titel Seite

Entschließung 2300 (2019) 14 Die Verbesserung des Schutzes von Whistleblowern in ganz Europa (Dok. 14958) Empfehlung 2162 (2019) 18

Entschließung 2301 (2019) 18 Ombudsperson-Institutionen in Europa – Die Notwendigkeit einer Reihe gemeinsamer Standards (Dok. 14953) Empfehlung 2163 (2019) 20

Entschließung 2303 (2019) 21 Schutz und Unterstützung der Opfer des Terrorismus (Dok. 14957) Empfehlung 2164 (2019) 24

Entschließung 2309 (2019) 25 Die Bewahrung des jüdischen Kulturerbes (Dok. 14960) Empfehlung 2165 (2019) 27

Die Entwicklungsbank des Europarates: zum Aufbau einer Entschließung 2302 (2019) 27 inklusiveren Gesellschaft beitragen (Dok. 14961)

Entschließung 2304 (2019) Postmonitoring-Dialog mit Nordmazedonien (Dok. 14964) 30

Die Rettung von Menschenleben im Mittelmeer: die Entschließung 2305 (2019) 35 Notwendigkeit einer sofortigen Antwort“ (Dok. 14971)

Entschließung 2306 (2019) Gewalt in der Geburtshilfe und Gynäkologie (Dok. 14965) 37

Entschließung 2307 (2019) Ein rechtlicher Status für „Klimaflüchtlinge“ (Dok. 14955) 39

Die Funktionsweise der demokratischen Institutionen in der Entschließung 2308 (2019) 41 Republik Moldau (Dok. 14963) Arbeitsmigration aus Osteuropa und ihre Auswirkung auf Entschließung 2310 (2019) 44 soziodemographische Prozesse in diesen Ländern (Dok. 14956) Drucksache 19/24612 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Entschließung 2300 (2019)5 Die Verbesserung des Schutzes von Whistleblowern in ganz Europa

1. Die Parlamentarische Versammlung ist der Auffassung, dass Whistleblowern in jeder offenen und transpa- renten Demokratie eine wesentliche Rolle zukommt. Die Anerkennung, die sie erhalten, und die Wirksam- keit des ihnen im Recht wie in der Praxis gewährten Schutzes vor allen Formen der Vergeltung stellen einen echten Demokratieindikator dar. 2. Der Schutz von Whistleblowern ist auch eine Frage der Grundrechte: Er beruht auf der Meinungs- und In- formationsfreiheit, wonach ein jeder das Recht hat, innerhalb streng abgesteckter Grenzen (die vor allem Hassreden und vorsätzliche Verunglimpfung verbieten) frei und ohne Furcht vor Vergeltung die eigene Mei- nung zu äußern. In Anbetracht der besonderen Situation von Whistleblowern, die sich im Interesse der Öf- fentlichkeit Gefahren aussetzen, sind zu deren Schutz allerdings spezifische Rechtsvorschriften erforderlich. 3. Schwerwiegende Missstände und Verfehlungen im Interesse der Öffentlichkeit offenzulegen, darf nicht wei- ter allein Sache derjenigen Bürgerinnen und Bürger sein, die bereit sind, ihr Privatleben und das ihrer Ange- hörigen aufs Spiel zu setzen, wie dies in der Vergangenheit nur allzu häufig der Fall war. Alarm zu schlagen, muss ein normaler Reflex aller verantwortungsbewussten Bürgerinnen und Bürger werden, denen ernste Ge- fahren für das öffentliche Interesse zur Kenntnis gelangt sind. 4. Ohne Whistleblower wird es unmöglich sein, eine Fülle von Problemen zu lösen, die sich unseren Demokra- tien stellen, unter anderem natürlich die Bekämpfung der umfassenden Korruption und der Geldwäsche so- wie neue Herausforderungen wie etwa Bedrohungen der individuellen Freiheit durch die großangelegte be- trügerische Nutzung personenbezogener Daten, schwer umweltschädigende Aktivitäten oder Gefährdungen der öffentlichen Gesundheit. Es bedarf daher dringend gezielter Maßnahmen, die Einzelne zur Meldung ent- sprechender Sachverhalte ermutigen und die diejenigen besser schützen, die damit verbundene Risiken ein- gehen.5. 5. Die Bezeichnung „Whistleblower“ muss daher begrifflich so weit gefasst werden, dass sie jede natürliche oder juristische Person abdeckt, die in gutem Glauben ein Verbrechen oder eine geringfügigere Straftat, einen Rechtsverstoß oder eine Gefährdung oder Schädigung des öffentlichen Interesses offenlegt oder mel- det, von denen sie unmittelbar oder mittelbar Kenntnis erlangt hat. 6. Die Versammlung stellt mit Genugtuung fest, dass seit ihrem ersten Bericht zu dem Thema (Entschließung 1729 (2010) und Empfehlung 1916 (2010)) sowie Empfehlung CM/Rec2014 (7) des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über den Schutz von Whistleblowern zahlreiche Mitgliedstaaten des Europarates (Alba- nien, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, die Republik Moldau, Montenegro, Nordmazedonien, Polen, Rumänien, Schweden, die Schweiz, Serbien, die Slowakische Repub- lik, Spanien, die Tschechische Republik, Ungarn und das Vereinigte Königreich) allgemeine oder zumindest für bestimmte Gebiete geltende Gesetze zum Hinweisgeberschutz erlassen haben. 7. Sie stellt außerdem fest, dass das Europäische Parlament am 16. April 2019 den Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Situation von Whistleblowern in allen Mitgliedstaaten gebilligt hat. Dieser Richtli- nienentwurf, der sich in großen Zügen an der themenspezifischen Arbeit des Europarats orientiert, ist ein echter Schritt nach vorn. Vor allem besteht Wahlfreiheit hinsichtlich des für das Whistleblowing verwende- ten Kanals, ohne dass internen oder externen Kanälen dabei Vorrang gegeben würde. Die Versammlung verweist auf die Maßnahmen, mit denen es dem Europäischen Parlament gelungen ist, dieses ausgezeichnete Ergebnis im Rahmen des „Trilogs“ mit der Europäischen Kommission und dem Rat im März 2019 zu erzie- len. 8. Die Versammlung nimmt die nachfolgenden Vorschläge zur Kenntnis und äußert ihre Überzeugung, dass diese Maßnahmen nur dann umfassende Wirkung entfalten werden, wenn sie von freien Nachrichtenmedien untermauert werden, die ihre Unabhängigkeit bewahren und verteidigen und von Gesetzen über die Presse- freiheit und über den öffentlichen Zugang zu offiziellen Unterlagen unterstützt werden.

5 Versammlungsdebatte am 1. Oktober 2019 (30. Sitzung) (siehe Dok. 14958, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrechte, Bericht- erstatter: Sylvain Waserman). Der Text wurde von der Versammlung am 1. Oktober 2019 (30. Sitzung) angenommen. Siehe auch Empfehlung 2162 (2019). Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/24612

9. Insbesondere sieht der Vorschlag für eine europäische Richtlinie folgendes vor: 9.1. eine umfassende Definition der geschützten Personengruppe, die auch Personen, die einen vor- und nachvertraglichen Status haben oder unentgeltlich professionell tätig sind, Anteilseigner und Selb- ständige (wie Lieferanten und Berater) umfasst; 9.2. klare Meldeverfahren sowie Verpflichtungen für private wie öffentliche Arbeitgeber, die sichere Ka- näle schaffen müssen, über die eine Meldung abgegeben werden kann, in der Regel in zwei Stufen: 9.2.1. erstens, nach Wahl des Whistleblowers, eine interne Meldung (über einen eigens eingerichteten Meldekanal) oder eine externe Meldung an die zuständigen Behörden (speziell hierfür vorge- sehene Regulierungsstellen, Justizbehörden oder Berufsaufsichtsorgane); 9.2.2. zweitens eine öffentliche Meldung, unter anderem in den Medien, falls binnen drei Monaten nach der Erstmeldung keine geeigneten Maßnahmen getroffen wurden, unmittelbare Gefahr für das öffentliche Interesse besteht oder eine Meldung an die Behörden aller Aussicht nach erfolglos wäre; 9.3. ein nicht umgehbares Verbot von Repressalien gegen Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber, das den wirksamen Schutz gutgläubiger Whistleblower vor straf- und zivilrechtlichen Verfahren, darunter auch vor sogenannten SLAPP- oder Knebelverfahren, vorsieht; die Geheimhaltung der Identität von Whistleblowern sowie den Schutz anonymer Whistleblower, wenn ihre Identität aufgedeckt wird; 9.4. straf- und zivilrechtliche Immunität für Handlungen, die der Beschaffung der gemeldeten Informati- onen dienten, vorausgesetzt, dass diese Handlungen selbst keine Straftaten darstellen; 9.5. wirksame Rechtsbehelfe und Abhilfen (Entschädigung, Wiedereinstellung oder Wiedereinsetzung, einstweiliger Rechtsschutz) sowie Umkehr der Beweislast, was den Zusammenhang zwischen Maß- nahmen zur Benachteiligung des Whistleblowers und der Meldung von Informationen betrifft; 9.6. Geldstrafen für diejenigen, die Whistleblowing zu verhindern suchen („Mundtotmacher“), Whist- leblower Repressalien aussetzen oder deren Identität offenlegen; 9.7. wirksame Folgemaßnahmen innerhalb einer vertretbaren Frist (in der Regel drei Monate), mit Rück- meldung an die Whistleblower zu allen von ihnen gemachten Meldungen; 9.8. rechtliche und psychologische Unterstützung für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber; 9.9. die Sammlung und Verbreitung von Informationen über die Folgewirkungen der Meldungen von Whistleblowern. 10. Der Vorschlag für eine europäische Richtlinie deckt unmittelbar die Meldung von Verstößen gegen EU- Recht oder Missbräuchen von EU-Recht ab (vor allem auf dem Gebiet der Geldwäschebekämpfung, der Unternehmensbesteuerung, des Datenschutzes, des Schutzes der finanziellen Interessen der EU, der Nah- rungsmittelsicherheit, des Umweltschutzes und der nuklearen Sicherheit). Es bleibt Ländern, die dies wün- schen, jedoch unbenommen, Personen, die Hinweise auf Verstöße gegen ihr nationales Recht oder Miss- bräuche dieses Rechts geben, nach den gleichen Grundsätzen zu schützen. Es gibt keinen Grund, einzelstaat- liches Recht und das nationale öffentliche Interesse weniger zu schützen als das Recht und die Interessen der EU. 11. Alle EU-Mitgliedstaaten sind gesetzlich verpflichtet, diese Richtlinie innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Inkrafttreten in nationales Recht umzusetzen. Es liegt jedoch durchaus im Interesse der Mitgliedstaaten des Europarates, die nicht oder noch nicht der EU angehören, unter Anlehnung an den Richtlinienentwurf mit den neuen europäischen Vorschriften in Einklang stehende Rechtsvorschriften zu erlassen oder bestehende zu aktualisieren. 12. Auf der Grundlage ihrer bisherigen Arbeit hält die Versammlung folgende, auf die Klärung, Umsetzung oder Ergänzung des Richtlinienentwurfs gerichtete Verbesserungen für wünschenswert, um Unsicherheiten bei möglichen Whistleblowern entgegenzuwirken, diese stärker zu ermutigen und eine echte Kultur der Trans- parenz zu fördern: 12.1. es sollte juristischen Personen (insbesondere nichtstaatlichen Organisationen) gestattet sein, rechts- widrige Praktiken zu melden oder als „Unterstützer von Whistleblowern“ Schutz in Anspruch zu neh- men, ähnlich, wie sich auch Journalisten auf den Schutz ihrer Quellen verlassen können; „Meldehel- fer“ müssen vermehrten Schutz erhalten, vor allem, wenn sie unter Druck gesetzt werden, Whistleblo- wer zu identifizieren; Drucksache 19/24612 – 16 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

12.2. auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit tätige Personen sollen auf spezifische Rechtsvorschriften vertrauen können, die genauer festlegen, wie eine Strafverfolgung für die Preisgabe von Staatsge- heimnissen in Verbindung mit dem Verteidigungsargument des öffentlichen Interesses gehandhabt wird, und die Gerichte, die sich mit der Frage befassen müssen, ob das öffentliche Interesse ein Whist- leblowing rechtfertigt, sollen selbst Zugang zu allen sachdienlichen Informationen haben; 12.3 in jedem Land sollte eine unabhängige Behörde eingerichtet werden, die den Auftrag hat, 12.3.1. Whistleblowern zu helfen, insbesondere durch die Untersuchung mutmaßlicher Repressalien sowie unterlassener Folgemaßnahmen zu Meldungen und, soweit erforderlich, durch die Wie- dereinsetzung von Whistleblowern in alle ihre Rechte, einschließlich voller Entschädigung für alle von ihnen erlittenen Benachteiligungen; 12.3.2. sicherzustellen, dass eine gemeldete Angelegenheit ungeachtet der Interessen, die dabei im Spiel sind, beste Chancen auf Weiterverfolgung hat, und alle Maßnahmen zu ihrer Unterdrü- ckung zu verurteilen; diese Rolle ist besonders wichtig, wenn sich mächtige Interessenträger aus Wirtschaft oder Politik einschalten und in unverhältnismäßiger Weise versuchen, die Meldung zu unterdrücken und/oder Druck auf die Hinweisgeberin oder den Hinweisgeber auszuüben; 12.3.3. eine Verbindung zu den Justizbehörden herzustellen, vor allem als verlässliche Quelle von Sachbeweisen im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren. Eine solche unabhängige Behörde kann daher, ähnlich wie Behörden zum Bürgerrechtsschutz, in Rechtsverfahren intervenieren, um einen Fall zu analysieren und Bewertungselemente zu der Meldung und den Maßnahmen der Whistleblower bereitzustellen; 12.3.4. diese unabhängigen Behörden wären ausschlaggebend für den Aufbau eines echten europäi- schen Netzwerks, das es ermöglichen würde, bewährte Verfahren sowie Erfahrungen mit dem auszutauschen, was bei ihrer Arbeit auf dem Spiel steht und sich an Schwierigkeiten darbietet. Sie würden eine unabhängige europäische Beobachtungsstelle bilden, die durch ihre Maß- nahmen täglich sicherstellt, dass Whistleblowern und dem von ihnen ausgelösten Alarm der rechtmäßige Platz in unseren Demokratien eingeräumt wird. Das Netzwerk unabhängiger Be- hörden wäre in seinem eigenen Bereich ein unmittelbarer Ansprechpartner für den Europarat; 12.4. einen Rechtsberatungsfonds einzurichten, der aus den Bußgeldern finanziert wird, die gegen Personen oder Organisationen verhängt wurden, die sich nicht an die Rechtsvorschriften zum Whistleblowing gehalten haben, mit dem Ziel, Mittel für die hochwertige juristische Unterstützung von Whistleblo- wern bei vielfach langen, komplexen und kostspieligen Gerichtsverfahren bereitzustellen; der Fonds würde von der unabhängigen Behörde verwaltet; diese würde Hilfe gewähren, wenn sie der Überzeu- gung ist, dass die strafrechtlich verfolgte Person, die für sich Hinweisgeberstatus beansprucht, zuvor festgelegte Kriterien erfüllt; 12.5. sicherzustellen, dass Whistleblower und ihre Angehörigen auch vor Repressalien Dritter geschützt werden; 12.6. sicherzustellen, dass die Beweislast bei denjenigen liegt, die Whistleblower angreifen, und insbeson- dere festzulegen, 12.6.1. dass ausdrücklich davon ausgegangen wird, dass die jeweiligen Whistleblower gutgläubig gehandelt haben; 12.6.2. dass eine Person oder Behörde, die rechtlich gegen einen Whistleblower vorgeht, nachweisen muss, dass echter Schaden entstanden ist, einschließlich auf dem Gebiet der nationalen Si- cherheit; 12.6.3. dass diejenigen, die Whistleblower im Fall einer öffentlichen Offenlegung angreifen, nach- weisen müssen, dass die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt waren; 12.6.4. dass die Umkehr der Beweislast zugunsten der Whistleblower auch bei Strafverfolgung we- gen Verleumdung gilt; 12.7. zu vermeiden, dass der Schutz von Whistleblowern an subjektiven und schwer greifbaren Bedingun- gen festgemacht wird, so etwa an der rein altruistischen Motivation des Whistleblowers, der Treue- pflicht gegenüber einem Arbeitgeber oder der Verpflichtung zu verantwortungsvollem Handeln, ohne Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 17 – Drucksache 19/24612

klare und genaue Angaben darüber, was von dem potenziellen Whistleblower erwartet wird; es ist wichtig, dass ein Whistleblower sich schnell versichern kann, dass er die Kriterien erfüllt, die gegeben sein müssen, damit die spezifischen Rechtsvorschriften zum Whistleblowing auf ihn Anwendung fin- den. Dies kann zwar erst durch eine gerichtliche Entscheidung endgültig festgestellt werden, doch ist die frühestmögliche Bewertung dieser Kriterien (insbesondere durch die unabhängige Behörde) eine wichtige Voraussetzung dafür, die Sicherheit des Whistleblowers zu wahren; 12.8. Whistleblowern das Asylrecht zu gewähren und ihnen im Ausnahmefall die Antragstellung von ihrem Wohnsitz im Ausland zu gestatten. Die Ausgereiftheit der Rechtsvorschriften zum Schutz von Whist- leblowern in ihrem Herkunftsland ist zu berücksichtigen; diese speziellen Verfahren für Whistleblo- wer könnten unter der Schirmherrschaft des Europarates geschaffen werden; in jedem Fall ist es von wesentlicher Bedeutung, über das Recht auf Asyl nachzudenken, um es an die neuen Herausforderun- gen im Zusammenhang mit Whistleblowern anzupassen; 12.9. im Zusammenhang mit Whistleblowing-Personen, die von Unternehmen oder Verwaltungsbehörden zur Entgegennahme von Meldungen beauftragt sind, Anwaltsprivilegien einzuräumen, mit dem Ziel, möglichen Whistleblowern die Gewähr zu geben, dass diese Personen gegebenenfalls in der Lage sein werden, ihre Identität zu schützen; 12.10. sicherzustellen, dass Personen, die zur Entgegennahme und Weiterverfolgung von Meldungen be- auftragt sind, hinlänglich qualifiziert und unabhängig sind und der obersten Spitze des betreffenden Unternehmens oder der betreffenden Verwaltungsbehörde direkt Bericht erstatten; 12.11. sicherzustellen, dass das, was Whistleblower tun, um Informationen zu beschaffen, nur dann krimi- nalisiert wird, wenn es sich tatsächlich um Verstöße mit dem Ziel der persönlichen Vorteilsnahme handelt, nicht aber um die Meldung von Informationen im Interesse der Öffentlichkeit; 12.13. in Zusammenarbeit mit den unabhängigen Verwaltungsbehörden eines jeden Landes Informationen über die Arbeitsweise von Mechanismen zum Schutz von Whistleblowern einzuholen und zu ver- breiten (beispielsweise über die Anzahl der Fälle, ihre Dauer, ihre Ergebnisse und die für Repressa- lien verhängten Strafen), mit dem Ziel, die Funktionsweise des Gesetzes in einem jeden Land besser zu bewerten und bewährte Verfahrensweisen untereinander auszutauschen und schlechte zu korri- gieren; 12.14. in der Zivilgesellschaft das Entstehen eines Ökosystems zu begünstigen, das geeignet ist, Whist- leblower zu unterstützen, insbesondere indem es sich auf Netzwerke von Freiwilligenorganisationen und das Engagement ehrenamtlich tätiger Personen stützt. Ein solches Ökosystem ist ausnehmend wichtig, wenn es darum geht, die Isolierung zu überwinden, der alle Whistleblower ausgesetzt sind, und sie in ihren Anstrengungen zu unterstützen, ebenso wie auch Änderungen im einzelstaatlichen Recht zu bewirken. Im Kontext des Whistleblowing und des Schutzes von Whistleblowern ist es besonders angezeigt, Rechtsvorschriften zusammen mit der Zivilgesellschaft zu entwerfen. 13. Die Versammlung fordert 13.1. die Mitgliedstaaten des Europarates, die auch Mitglieder der Europäischen Union sind, auf, 13.1.1. die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, so bald wie möglich in nationales Recht umzuset- zen, im Einklang mit dem Geist der Richtlinie, die auf die Schaffung gemeinsamer Mindest- standards abstellt, mit dem Ziel, ein hohes Niveau an Schutz für Whistleblower zu gewähr- leisten, unter anderem auch für diejenigen, die Hinweise zu Verstößen gegen nationales Recht oder zu Bedrohungen des öffentlichen Interesses auf nationaler Ebene geben; 13.1.2. über die Anforderungen der europäischen Richtlinie hinaus die in Ziffer 11 dieser Entschlie- ßung vorgeschlagenen Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere insoweit es um die Schaffung unabhängiger, für den Schutz von Whistleblowern zuständiger Behörden, geht, die ein euro- päisches Netzwerk bilden sollen, und die Logik des Whistleblowing in unseren demokrati- schen Systemen fest zu verankern sowie das Entstehen auf diesem Gebiet engagierter zivil- gesellschaftlicher Akteure zu fördern; 13.2. die Mitgliedstaaten des Europarates, die nicht Mitglieder der Europäischen Union sind, sowie Be- obachterstaaten, deren Parlamente den Status von Partnern für Demokratie haben, ihre einschlägigen Rechtsvorschriften zu überarbeiten oder neue Gesetze zu erlassen, die sich auf den Vorschlag für eine Drucksache 19/24612 – 18 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

europäische Richtline und auf Ziffer 11 dieser Entschließung stützen, um Whistleblowern in ihrem eigenen Land den gleichen Schutzumfang zu gewähren wie in einem Mitgliedstaat der EU; 13.3. alle Mitgliedstaaten des Europarates, einen entschlossenen Schritt zum Schutz von Whistleblowern zu unternehmen, insbesondere durch die Einrichtung eines europäischen Netzwerks unabhängiger Be- hörden, deren Aufgabe es sein wird, dafür Sorge zu tragen, dass Whistleblowing und Whistleblower in unseren demokratischen Gesellschaften ihren rechtmäßigen Platz erhalten; 13.4. alle Mitglieder der Versammlung, ihre Kollegen in den nationalen Parlamenten dafür zu sensibilisie- ren, wie wichtig das bessere Management der Offenlegungen von Whistleblowern und deren besserer Schutz ist, bewährte Verfahrensweisen untereinander auszutauschen und selbst eine Bewertung ihrer Gesetze vorzunehmen, um zu beurteilen, welche legislativen Fortschritte auf diesem Gebiet erzielt worden sind. Hierzu können sie das in dem Bericht enthaltene Raster zur Selbstbeurteilung verwen- den. 14. Die Versammlung unterstützt und fördert die Ernennung eines Generalberichterstatters für Hinweisgeber, der in der Lage sein wird, sich gegebenenfalls, z. B. zu Einzelfällen, entsprechend zu Wort zu melden.

Empfehlung 2162 (2019)6 Die Verbesserung des Schutzes von Whistleblowern in ganz Europa

1. Die Versammlung verweist auf ihre Entschließung 2300 (2019) „Die Verbesserung des Schutzes von Whist- leblowern in ganz Europa“, ihre Empfehlung 2073 (2015) „Die Verbesserung des Schutzes von Whistleblo- wern” sowie die Antwort des Ministerkomitees vom 25. Januar 2016. 2. Sie erinnert daran, dass ein Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, in Kürze in Kraft treten wird. Ziel ist es, gemeinsame Mindeststandards festzulegen, um ein hohes Maß an Schutz für Whistleblower in allen EU- Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Dieser Richtlinienentwurf wurde in großen Teilen von der Empfehlung des Ministerkomitees CM/Rec2014 (7) zu diesem Thema inspiriert, enthält aber auch Klärungen und Ver- besserungen im Hinblick auf diese Empfehlung. Der Richtlinientwurf befasst sich mit einer Frage von be- sonderer Bedeutung für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte, insbesondere für die Korrup- tionsbekämpfung und den Schutz der Meinungs- und Informationsfreiheit. 3. Um neue rechtliche Lücken auf diesem Gebiet zu vermeiden, das zu den drei Prioritäten des Europarats gehört, bekräftigt die Versammlung erneut ihre Aufforderung an das Ministerkomitee, Vorbereitungen für Verhandlungen über ein verbindliches Rechtsinstrument in Form eines Europaratsübereinkommens als eine Weiterverfolgung ihrer Entschließung 2060 (2015) und ihrer Empfehlung 2073 (2015) zu treffen. Dieses Instrument sollte sich auf die oben genannte europäische Richtlinie stützen und den in Entschließung 2300 (2019) der Versammlung vorgeschlagenen Klärungen und Ergänzungen in angemessenem Umfang Rech- nung tragen.

Entschließung 2301 (2019)7 Ombudsperson-Institutionen in Europa – die Notwendigkeit einer Reihe gemeinsamer Standards

1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre Empfehlungen 757 (1975) und 1615 (2003) sowie Entschließung 1959 (2013) und bekräftigt, dass Ombudsperson-Institutionen, deren Aufgabe es ist, Einzel- personen vor Missständen in der Verwaltungstätigkeit und vor Verstößen gegen die Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die öffentliche Verwaltung zu schützen, eine entscheidende Rolle bei der Konsolidie- rung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten spielen.

6 Versammlungsdebatte am 1. Oktober 2019 (30. Sitzung) (siehe Dok. 14958, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrechte, Bericht- erstatter: Sylvain Waserman). Der Text wurde von der Versammlung am 1. Oktober 2019 (30. Sitzung) angenommen. 7 Debatte der Versammlung am 2. Oktober 2019 (31. Sitzung) (siehe Dok. 14953, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrechte, Be- richterstatter: Richard Balfe). Von der Versammlung am 2. Oktober 2019 (31. Sitzung) verabschiedeter Text. Siehe auch Empfehlung 2163 (2019). Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 19 – Drucksache 19/24612

2. Die Versammlung verweist auf die Arbeit anderer Organe des Europarates zur Förderung der Ombudsper- son-Institutionen und der nationalen Menschenrechtsinstitutionen (NMRIs), darunter die Empfehlungen des Ministerkomitees Nr. R (80) 2, Nr. R (85) 13, Nr. R (97) 14, Nr. R (2000) 10, CM/Rec(2007)7 und CM/Rec(2018)11, die Empfehlungen 61 (1999) und 309 (2011) und Entschließung 327 (2011) des Kongress der Gemeinden und Regionen Europas sowie die maßgeblichen Empfehlungen des Menschenrechtskommis- sars des Europarates. 3. Die Versammlung stellt fest, dass die meisten Mitgliedstaaten des Europarates Ombudsperson-Institutionen eingerichtet haben. Die Staaten verfügen über einen breiten Ermessensspielraum in Bezug auf ihre instituti- onellen Ombudsperson-Strukturen, daher gibt es kein standardisiertes Modell für diese Institution. Sorge bereitet jedoch, dass sich die Ombudsperson-Institutionen in zahlreichen Mitgliedstaaten des Europarates in den letzten Jahren Bedrohungen im Hinblick auf ihre Effektivität und Unabhängigkeit gegenübersehen. Dazu gehörten Gesetzesreformen, die auf eine Schwächung der Institution abzielten, unangemessene Verzögerun- gen bei der Ernennung von Ombudsperson durch die Parlamente, die Weigerung der Parlamente, ihren Jah- resbericht oder andere Berichte zu prüfen, oder die Ablehnung dieser Berichte, ungerechtfertigte Haushalts- kürzungen, Hindernisse beim Zugang zu Daten und Informationen usw.. Die Versammlung ist ebenfalls besorgt darüber, dass Ombudsperson in einigen Ländern von Politikern, einschließlich Mitglieder der Re- gierung, verbal angegriffen wurden. 4. Aus diesen Gründen ist es dringend notwendig, gemeinsame Normen festzulegen, die das Funktionieren der Ombudsperson-Institutionen und insbesondere Wege regeln, wie ihre Unabhängigkeit gewährleistet werden sollte. 5. Wenngleich einige Ombudsperson-Institutionen auch nationale Menschenrechtsinstitutionen sind, handelt es sich nicht bei allen nationalen Menschenrechtsorganisationen um „klassische“ Ombudsperson-Institutio- nen. Die Grundsätze betreffend die Stellung nationaler Menschenrechtsinstitutionen (die sogenannten „Pa- riser Prinzipien“), die 1993 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden und Mindeststandards für die Schaffung und das Funktionieren nationaler Menschenrechtsinstitutionen festlegen, gelten somit nicht für alle Formen von Ombudsperson-Institutionen. 6. Die Versammlung erkennt den wichtigen Beitrag der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission) über ihre Stellungnahmen zur Schaffung und Entwicklung von Ombudsperson-In- stitutionen an. Sie begrüßt daher die Verabschiedung der Grundsätze für den Schutz und die Förderung der Institution der Ombudsperson am 15. März 2019 durch die Venedig-Kommission (die „Venedig-Prinzi- pien“), die in Zusammenarbeit mit wichtigen auf diesem Gebiet tätigen internationalen Institutionen erarbei- tet wurden, darunter dem Menschenrechtskommissar des Europarates und dem zwischenstaatlichen Len- kungsausschuss für Menschenrechte (CDDH), dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen sowie dem Internationalen Ombudsperson-Institut. Die Venedig-Prinzipien wurden am 2. Mai 2019 auch vom Ministerkomitee unterstützt. Es handelt sich um den ersten internationalen Normenkatalog für Ombudsperson-Institutionen, die den Pariser Prinzipien für nationale Menschenrechtsinstitutionen ent- sprechen. 7. Die Venedig-Prinzipien erinnern daran, dass Unabhängigkeit, Objektivität, Transparenz, Fairness und Un- parteilichkeit die Kerngrundsätze von Ombudsperson-Institutionen sind, die über eine Reihe unterschiedli- cher Modelle erreicht werden können. Sie enthalten 25 Grundsätze in Bezug auf die verfassungsmäßige Garantie für diese Institutionen, die Wahl des institutionellen Modells sowie Kriterien für das Amt, die Wahl, den Status, die Immunitäten, die Amtszeit, die haushaltspolitische Unabhängigkeit, die Kompetenzen, die Befugnisse und die Zugänglichkeit des Amts. 8. Die Versammlung begrüßt die Tatsache, dass die Venedig-Prinzipien Mindeststandards enthalten, die darauf abzielen, die Institution des Ombudspersons zu schützen und zu fördern und ihre Effizienz zu stärken, den Parlamenten und Regierungen zu helfen, derartige Institutionen zu schaffen und zu konsolidieren und ihre Rolle zur Stärkung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten anzuerkennen. Diese Prinzi- pien können auch den Ombudsperson-Institutionen selbst sowie potenziellen Klägern und Vertretern der Zivilgesellschaft, die auf dem Gebiet der Förderung und des Schutzes der Menschenrechte und Grundfrei- heiten tätig sind, eine Richtschnur bieten. Sie werden den Ombudsperson ebenfalls dabei helfen, sich unge- bührenden Eingriffen in ihre Arbeit zu widersetzen. Drucksache 19/24612 – 20 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

9. Die Versammlung unterstützt daher die Venedig-Prinzipien und ruft die Mitgliedstaaten des Europarates auf, 9.1. sicherzustellen, dass die Venedig-Prinzipien und andere maßgebliche Empfehlungen des Europarates in der Praxis vollständig umgesetzt werden; 9.2 alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Unabhängigkeit dieser Institutionen zu gewähr- leisten; 9.3 ihre nationalen Parlamente und maßgeblichen Regierungsorgane aufzufordern, systematisch auf die Venedig-Prinzipien zu verweisen, wenn sie die Notwendigkeit und den Inhalt von Gesetzesreformen, die die Ombudsperson-Institutionen betreffen, beurteilen; 9.4 von allem Maßnahmen, die auf die Unterdrückung oder Unterminierung der Ombudsperson-Institu- tion abzielen oder dazu führen, und von allen Angriffen oder Bedrohungen gegen diese Institutionen und ihre Mitarbeiter abzusehen, sowie sie vor solchen Akten zu schützen; 9.5 ein „Ombudsperson-freundliches Klima“ zu fördern, insbesondere indem sie einen leichten und un- gehinderten Zugang zu den Ombudsperson-Institutionen garantieren, ausreichend finanzielle Mittel und personelle Ressourcen für diese Institutionen bereitstellen und sie es ihnen ermöglichen, frei mit ihren gleichrangigen Institutionen in anderen Ländern und mit internationalen Ombudsperson-Verei- nigungen zusammenzuarbeiten. 10. Die Versammlung ruft alle Mitgliedstaaten der Venedig-Kommission auf, gleich, ob sie Mitgliedstaaten des Europarates sind oder nicht, unverzüglich eine „klassische“ Ombudsperson-Institution mit einem breiten Mandat einzusetzen, sofern sie es noch nicht getan haben, die es Einzelpersonen ermöglicht, im Einklang mit den Venedig-Prinzipien in Fällen von Missständen in der Verwaltungstätigkeit und von Verstößen gegen die Menschenrechte und Grundfreiheiten Klage einzureichen, und zu diesem Zweck mit der Venedig-Kom- mission zusammenzuarbeiten.

Empfehlung 2163 (2019)8 Ombudsperson-Institutionen in Europa – die Notwendigkeit einer Reihe gemeinsamer Standards

1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre Entschließung 2301 (2019) „Ombudsperson-Instituti- onen in Europa – die Notwendigkeit einer Reihe gemeinsamer Standards“ und empfiehlt dem Ministerkomi- tee, 1.1 alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Grundsätze für den Schutz und die Förderung der Institution der Ombudsperson (die „Venedig-Prinzipien“) und ihre Umsetzung durch die Mitglied- staaten des Europarates zu fördern; 1.2 zu erwägen, einen Mechanismus mit einer geeigneten Zusammensetzung und einem geeigneten Man- dat zu schaffen, dem die Mitgliedstaaten regelmäßig über die Lage und die Aktivitäten ihrer Ombuds- person-Institutionen, einschließlich den Stand der Umsetzung der Venedig-Prinzipien, berichten wür- den; 1.3 alle Angriffe oder Bedrohungen von Ombudsperson-Institutionen zu verurteilen, die von den Behör- den eines Mitgliedstaates des Europarates kommen; 1.4. seine Arbeit im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Ombudsperson-Institutionen durch eine bes- sere Koordination mit dem Menschenrechtskommissar des Europarates, der Europäischen Kommis- sion für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission), dem Kongress der Gemeinden und Regio- nen Europas und der Versammlung zu vereinheitlichen; 1.5. den Empfehlungsentwurf über die Entwicklung der Ombudsperson-Institution unverzüglich zu ver- abschieden und dabei die Einhaltung der Venedig-Prinzipien zu gewährleisten;

8 Debatte der Versammlung am 2. Oktober 2019 (31. Sitzung) (siehe Dok. 14953, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrechte, Be- richterstatter: Richard Balfe). Von der Versammlung am 2. Oktober 2019 (31. Sitzung) verabschiedeter Text. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 21 – Drucksache 19/24612

1.6. seine Zusammenarbeit auf diesem Gebiet mit anderen internationalen Organisationen, insbesondere der Europäischen Union und den Vereinten Nationen, sowie mit internationalen Vereinigungen der Ombudsperson-Institutionen wie dem Internationalen Ombudsperson-Institut, fortzusetzen.

Entschließung 2303 (2019)9 Schutz und Hilfe für die Opfer von Terrorismus

1. Die Parlamentarische Versammlung würdigt alle Opfer, die bei Terroranschlägen in mehreren Mitgliedstaa- ten des Europarates und weltweit getötet oder verletzt und traumatisiert wurden. 2. Bei ihren Terrorismusbekämpfungsstrategien müssen Regierungen und Parlamente sicherstellen, dass den Opfern von Terroranschlägen mit ihren speziellen physischen, materiellen, emotionalen und psychologi- schen Bedürfnissen angemessener Schutz und Hilfe angeboten wird und dass ihre Würde und ihre Men- schenrechte umfassend gewahrt werden. Darüber hinaus müssen allen Opfern ihre Rechte auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung garantiert werden. 3. Die Versammlung stellt fest, dass eine Reihe existierender Rechtsinstrumente nicht vollständig in die Praxis umgesetzt wurden und betont die Notwendigkeit eines kohärenteren und systematischeren Ansatzes für den Schutz und die Hilfe von Opfern von Terrorismus in den Mitgliedstaaten des Europarates. Sie ruft ihre Mit- glieds- und Beobachterstaaten und die Staaten, deren Parlamente Beobachter- oder Partner-für-Demokratie- Status bei der Versammlung besitzen, auf, 3.1. im Hinblick auf die Anerkennung als „Opfer von Terrorismus”, 3.1.1. diese in einem universal vereinbarten rechtlichen Rahmen als eine spezielle Kategorie von Op- fern anzuerkennen und somit ihr Leiden für den Staat, gegen den der Anschlag gerichtet war, anzuerkennen, ihre Bedürfnisse als anders als die von Opfern „normaler“ Straftaten zu identi- fizieren und den Zugang zu Hilfsdiensten, insbesondere für Opfer aus anderen Ländern, zu erleichtern; 3.1.2. die Durchführung einer Zählung aller Personen, die von einem Anschlag betroffen waren, un- geachtet ihrer Nationalität und ihres Aufenthaltsstatus zu erwägen und sie über ihr Recht auf Zugang zur Justiz, die Entschädigungsbedingungen und die Existenz von Hilfsdiensten und Organisationen zu informieren; 3.1.3 anzuerkennen, dass es aus humanitärer, rechtlicher und strategischer Sicht wichtig ist, rasche und wirksame Hilfe für die Opfer in jeder Phase ihres Erholungsprozesses zu leisten, um die Opfer als Überlebende zu stärken und den Schaden für den Einzelnen und die Gesellschaft zu minimieren; 3.2. im Hinblick auf die Unterstützung der Opfer von Terrorismus auf nationaler Ebene 3.2.1. den Opfern von Terrorismus geeignete Nothilfe sowie langfristige medizinische, psychologi- sche, materielle, rechtliche und soziale Hilfe zu gewähren; 3.2.2 das Recht der Opfer von Terrorismus auf faire Wiederherstellung, Entschädigung oder Kom- pensation zu garantieren, ohne irgendwelche Einkommensvoraussetzungen und ungeachtet ih- res Aufenthaltsstatus oder ihrer Nationalität, in dem Staat, in dem der Anschlag stattgefunden hat, und es auf die unmittelbaren Familienmitglieder oder die Erben des unmittelbaren Opfers anzuwenden; 3.2.3. sicherzustellen, dass eine spezielle öffentliche Stelle verantwortlich dafür ist, den Bedürfnissen der Opfer von Terrorismus über einen umfassenden, mitfühlenden und opferzentrierten Ansatz nachzukommen; 3.2.4. mehrsprachige Informationsdienste und Materialien zu entwickeln, die die nationalen Dienste zur Unterstützung der Opfer erläutern;

9 Versammlungsdebatte am 2. Oktober 2019 (32. Sitzung) (siehe Dok. 14957, Bericht des Ausschusses für politische Angelegenheiten und De- mokratie, Berichterstatterin: Marietta Karamanli). Von der Versammlung am 2. Oktober 2019 (32. Sitzung) verabschiedeter Text. Drucksache 19/24612 – 22 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

3.2.5. sicherzustellen, dass die öffentlichen Organe, Agenturen und sozialen Einrichtungen, die nicht speziell auf die Opfer von Terrorismus ausgerichtet sind, mit denen Opfer von Terrorismus jedoch interagieren könnten, auf geeignete Art und Weise und kontinuierlich geschult und an- gemessen finanziert werden; 3.2.6. eine Koordinierung unter den maßgeblichen öffentlichen Stellen zu gewährleisten, um die Ver- waltungslast für die Opfer zu minimieren, Kohärenz bei der Bereitstellung der Dienste sicher- zustellen und die Transparenz zu maximieren; 3.2.7. den speziellen Bedürfnissen benachteiligter Opfergruppen Beachtung zu schenken, wie Opfern aus anderen Ländern, Angehörigen von Minderheiten, Frauen, Jugendlichen und Kindern; 3.2.8. wann immer es möglich ist, den Opfern von Terrorismus die Möglichkeit zu bieten, an Straf- prozessen teilzunehmen, die sie betreffen; 3.2.9. sicherzustellen, dass alle Anstrengungen unternommen werden, um die Opfer vor einer weite- ren Viktimisierung durch die ursprünglichen Täter oder diejenigen, die für die Sache der Täter kämpfen, und vor einer zweiten Viktimisierung infolge ihrer Interaktion mit den Behörden zu schützen; 3.2.10. die Würde und Privatsphäre der Opfer aufrechtzuerhalten, indem man sie ihrer Rechte in Be- zug auf die Medien und ihres Rechts auf Kontrolle ihrer Privatsphäre und ihres Rechts am eigenen Bild bewusst macht, und indem die Presse unter Achtung der Pressefreiheit dazu aufgerufen wird, bestimmte ethische Standards aufrechtzuhalten und eine erniedrigende oder sensationsheischende Berichterstattung zu vermeiden; 3.2.11. das Bewusstsein der Öffentlichkeit über die Gefahren zu erhöhen, die soziale Medien darstel- len können, wenn Informationen oder Bilder privater und potenziell schockierender Natur der Opfer von Terrorismus übermittelt werden; 3.2.12. die Schaffung humanitärer Fonds zu erwägen, die aus gezielten Spendenaufrufen resultieren, oder zumindest ihre Voraussetzungen zu überwachen und ihre Kontrolle zu gewährleisten, um sicherzustellen, dass von der Öffentlichkeit gesammelte Mittel wirksam und effizient ein- gesetzt werden; 3.2.13. den Darstellungen terroristischer Organisationen und den verschiedenen Formen der Anstif- tung im Einklang mit Entschließung 2221 (2018) der Versammlung „Gegenstrategien gegen den Terrorismus“ mithilfe von Schulprogrammen und Sensibilisierungskampagnen zu begeg- nen, denen die obersten Werte der Menschenwürde, des Friedens, der Nichtanwendung von Gewalt, der Toleranz und der Menschenrechte zugrunde liegen und die die Opfer von Terro- rismus einschließen; 3.2.14. geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um über Initiativen wie Museen, Gedenkstätten und Me- daillen soziale Anerkennung und Gedenken an die Opfer zu erreichen; 3.3. im Hinblick auf die Unterstützung der Opfer von Terrorismus in Zusammenarbeit mit der Zivilgesell- schaft 3.3.1. eng mit Organisationen der Zivilgesellschaft, wie z.B. Opferorganisationen, in Bezug auf Ini- tiativen für die Gestaltung von Politik, Sensibilisierungs- und Fundraising-Kampagnen sowie Forschungs-, Bildungs- und Schulungsprogramme zusammenzuarbeiten, vorzugsweise über ein klares offizielles Übereinkommen; 3.3.2. die Zivilgesellschaft und insbesondere nichtstaatliche Organisationen, die an der Bereitstellung von Hilfe für die Opfer von Terrorismus beteiligt sind, zu unterstützen, um die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Justiz zu verbessern, damit den Opfern und ihren Angehörigen und Begünstigten geholfen wird; 3.3.3. die Grundlage und die Gewährung von Zuschüssen für nichtstaatliche Organisationen erneut zu prüfen, diese zu ihren Bedürfnissen zu befragen und die Hilfsdienste zu überwachen und zu evaluieren, die auf einer kontinuierlichen Grundlage erbracht werden mit dem Ziel, eine effi- ziente und wirksame Verteilung der Ressourcen zu gewährleisten; Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 23 – Drucksache 19/24612

3.4. im Hinblick auf die Unterstützung der Opfer von Terrorismus auf internationaler Ebene 3.4.1. Artikel 13 des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung des Terrorismus (SEV Nr. 196) „Schutz, Entschädigung und Unterstützung für Opfer des Terrorismus“ umzusetzen; 3.4.2. die überarbeiteten Leitlinien des Ministerkomitees über den Schutz der Opfer von Terrorakten vom 19. Mai 2017 proaktiv umzusetzen; 3.4.3. die internationale Zusammenarbeit nicht nur zu stärken, um Terrororganisationen wirksamer zu bekämpfen, sondern auch, um Informationen zwischen nationalen Entschädigungsdiensten besser auszutauschen und Situationen von doppelter Entschädigung oder Nichtentschädigung zu vermeiden und die Hilfe zu koordinieren; 3.4.4. bewährte Verfahrensweisen, Erfahrungen und Fachkenntnisse auch über internationale Orga- nisationen auszutauschen, um es der internationalen Gemeinschaft zu ermöglichen, aus der ein- zigartigen Erfahrung bestimmter Staaten zu lernen und somit die Ausbildung von Fachkräften für Opferhilfe zu unterstützen; 3.4.5. die Verbesserung der Hilfe für die Opfer von Terrorismus aus anderen Ländern bei zukünftigen Reformen zu einer Priorität zu erklären. 4. Die Versammlung ruft die Europäische Union auf, 4.1. sicherzustellen, dass das Kompetenzzentrum der Europäischen Union für Terroropfer auch eine ge- samteuropäische Dimension umfasst und seine Aktivitäten mit dem Europarat koordiniert, auch um die umfassende Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung von Terrorismus (SEV Nr. 196) und das Zusatzprotokoll zu dem Übereinkommen aus dem Jahr 2015 (SEV Nr. 217) sowie die überarbeiteten Leitlinien des Ministerkomitees für den Schutz der Opfer von Terrorakten vom 19. Mai 2017 zu fördern; 4.2. in Absprache mit dem Europarat die Möglichkeit zu prüfen, eine europäische Charta der Rechte der Opfer von Terrorismus zu verabschieden, um die Anerkennung, Kommunikation und Koordinierung in ganz Europa zu erleichtern und auf diese Weise die Bedeutung der Rechte und die Anerkennung des Status der Opfer von Terrorismus zu erleichtern. 5. Schließlich ist die Versammlung der Ansicht, dass die Überlebenden von Terroranschlägen gemeinsam mit ehemaligen Terroristen und ausländischen Kämpfern aktiv an allen Anstrengungen beteiligt werden sollten, um eine Radikalisierung zu verhindern, die zu gewalttätigem Extremismus in allen Mitgliedstaaten des Eu- roparates führt, und beschließt, diese Frage bei ihrer zukünftigen Arbeit genau zu verfolgen.

Empfehlung 2164 (2019)10 Schutz und Hilfe für die Opfer von Terrorismus

1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre Entschließung 2303 (2019) „Schutz und Hilfe für die Opfer von Terrorismus“ und begrüßt die von einigen Mitgliedstaaten des Europarates unternommenen Maß- nahmen zur Begleitung ihrer Strategien zur Terrorismusbekämpfung mit konkreten Maßnahmen, um einen angemessenen Schutz und Hilfe für die Opfer von Terrorismus zu gewährleisten. 2. Die Versammlung begrüßt auch die überarbeiteten Leitlinien des Ministerkomitees über den Schutz der Op- fer von Terrorakten aus dem Jahr 2017 sowie die Strategie des Europarates zur Terrorismusbekämpfung für den Zeitraum 2018-2022, in der unter anderem die Tatsache anerkannt wird, dass Anstrengungen zur Ver- besserung der Sicherheit und zu einer wirksamen Bekämpfung terroristischer Organisationen von einer bes- ser koordinierten Hilfe für die Opfer begleitet werden sollten. 3. Die Versammlung ist der Ansicht, dass ein nachhaltigeres Engagement seitens der Mitgliedstaaten erforder- lich ist, um einen angemessenen Schutz der Opfer terroristischer Akte in allen Mitgliedstaaten des Europa- rates zu gewährleisten. Sie möchte betonen, dass der Hilfe für die Opfer eine internationale Dimension ge- geben werden muss aufgrund der erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass Bürger aus Mitgliedstaaten Opfer in anderen europäischen Ländern und außerhalb Europas werden.

10 Versammlungsdebatte am 2. Oktober 2019 (32. Sitzung) (siehe Dok. 14957, Bericht des Ausschusses für politische Angelegenheiten und De- mokratie, Berichterstatterin: Marietta Karamanli). Von der Versammlung am 2. Oktober 2019 (32. Sitzung) verabschiedeter Text. Drucksache 19/24612 – 24 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

4. Daher fordert die Versammlung das Ministerkomitee auf, 4.1. den Mitgliedstaaten zu empfehlen, 4.1.1 die überarbeiteten Leitlinien des Ministerkomitees über den Schutz der Opfer von Terrorakten vom 19. Mai 2017 proaktiv umzusetzen; 4.1.2. die vollständige Umsetzung von Artikel 13 des Übereinkommens des Europarates zur Verhü- tung des Terrorismus (SEV Nr. 196) „Schutz, Entschädigung und Unterstützung für Opfer des Terrorismus“ zu fördern; 4.1.3. die internationale Zusammenarbeit zu stärken mit dem Ziel, den Informationsaustausch zwi- schen den nationalen Entschädigungsdiensten zu verbessern und eine Situation der doppelten Entschädigung zu vermeiden und die Hilfe zu koordinieren; 4.1.4. sich über bewährte Vorgehensweisen, Erfahrungen und Fachkenntnisse, auch zwischen dem Europarat und der Europäischen Union, auszutauschen, um es der internationalen Gemein- schaft zu ermöglichen, von den einzigartigen Erfahrungen bestimmter Staaten zu lernen; 4.1.5. die Verbesserung der Hilfe für Opfer von Terrorismus über die Grenzen hinweg bei zukünfti- gen Reformen zu priorisieren; 4.2. seine Arbeit zur Schaffung eines Netzwerks zentraler Anlaufstellen für den Austausch von verfah- renstechnischen Informationen im Hinblick auf die rechtliche Position von Opfern von Terrorismus in den Rechtsprechungen der Mitgliedstaaten sowie anderer relevanter Staaten, auch außerhalb Euro- pas, zu beschleunigen; 4.3. in Absprache mit der Europäischen Union die Möglichkeit zu prüfen, eine Europäische Charta der Rechte von Opfern von Terrorismus zu verabschieden, um die Anerkennung, Kommunikation und Koordinierung im größeren Europa zu erleichtern. 5. Die Versammlung möchte auch weiterhin umfassend über die Arbeit im Hinblick auf Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und für den Schutz der Opfer seitens des Ministerkomitees und der maßgeblichen Ausschüsse und Arbeitsparteien informiert werden.

Entschließung 2309 (2019)11 Die Bewahrung des jüdischen Kulturerbes

1. Das jüdische Kulturerbe ist Ausdruck der historischen Vielfalt von Gemeinschaften, die über Jahrtausende zusammengelebt haben, und trotz der stattgefundenen Verfolgungen ist es zu einem erheblichen interkultu- rellen Austausch und einer gegenseitigen Bereicherung gekommen. Die Parlamentarische Versammlung be- tont, dass das – materielle wie auch immaterielle – jüdische Kulturerbe ein wesentlicher Bestandteil des gemeinsamen kulturellen Erbes in Europa ist und dass seine Bewahrung deshalb in der Verantwortung aller liegt. 2. In diesem Zusammenhang verweist die Versammlung auf ihre Entschließung 885 (1987) „Der jüdische Bei- trag zur europäischen Kultur“, ihre Empfehlung 1291 (1996) „Die jiddische Kultur“, ihre Entschließung 1883 (2012) „Jüdische Friedhöfe“ und ihre Entschließung 1981 (2014) „Europas gefährdetes Erbe“. 3. Heute werden weniger als ein Viertel der historischen Synagogengebäude in Europa noch als Synagoge ge- nutzt. Wenn es keine Gemeinde von Gläubigen gibt, werden die meisten oft vernachlässigt und sind deshalb in besonderem Maße gefährdet. Durch eine Sicherung des Überlebens solcher Stätten würde auch die kol- lektive Erinnerung bewahrt, womit sie weiter als „lebendiges Erbe“ fungieren könnten, das in der Lage ist, die Menschen – insbesondere die Jugend – zu erreichen und sie für ihre Geschichte und Kultur zu sensibili- sieren und damit ihre Identität und ihr Gefühl örtlicher Verbundenheit zu stärken.

11 Versammlungsdebatte am 4. Oktober 2019 (35. Sitzung) (siehe Dok. 14960, Bericht des Ausschusses für Kultur, Wissenschaft, Bildung und Medien, Berichterstatter: Raphaël Comte). Von der Versammlung am 4. Oktober 2019 (35. Sitzung) verabschiedeter Text. Siehe auch Empfeh- lung 2165 (2019). Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 25 – Drucksache 19/24612

4. Die Versammlung empfiehlt dementsprechend den Mitgliedstaaten des Europarates, 4.1 im Hinblick auf die strategische und politische Gestaltung 4.1.1. die Rahmenkonvention des Europarates über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft (SEV Nr. 199, „Faro-Konvention“) und das Europäische Landschaftsübereinkommen (SEV Nr. 176) – sofern noch nicht geschehen – zu unterzeichnen und zu ratifizieren und das jüdische Kulturerbe in die nationalen Strategien, die das Kulturerbe gemäß den in diesen Konventionen niedergelegten Grundsätzen berücksichtigen, gleichberechtigt einzubeziehen; 4.1.2. die besondere Gefährdung des jüdischen Erbes als „verwaistes“ Erbe ohne eine Gemeinschaft, die es nutzt, anzuerkennen und bei der Gestaltung von politischen Maßnahmen und Program- men im Bereich des Kulturerbes zu berücksichtigen; 4.1.3. das jüdische Erbe als gesonderte Kategorie in die nationalen Erhebungen zum Zustand des Kulturerbes einzubeziehen, Aktionspläne zu erarbeiten, um dafür zu sorgen, dass das jüdische Erbe angemessenen geschützt, erhalten und gepflegt wird, und für die dringendsten Fälle, in denen jüdische Kulturdenkmäler gefährdet sind, Mittel bereitzustellen; 4.1.4. das Potenzial jüdischer Kulturdenkmäler zur Unterstützung des interkulturellen Dialogs als Mittel zur Förderung von Inklusivität, sozialem Zusammenhalt und zur Bekämpfung von Ig- noranz und Vorurteilen wertzuschätzen und eine Beurteilung vorzunehmen, inwieweit die jü- dische Geschichte und die Wechselwirkung der jüdischen Kultur mit anderen Kulturen in der Gesellschaft verstanden werden, um so die jüdische Geschichte umfassend zu dokumentieren, sie in die Lehrpläne von Schulen und Universitäten aufzunehmen und in der Museumswelt anzuerkennen; 4.1.5. das reichhaltige immaterielle kulturelle Erbe, namentlich die jüdischen Traditionen, Bräuche, religiösen Gepflogenheiten, die Sprache, das Essen, die Musik, die Kunst und das Handwerk anzuerkennen, zu interpretieren und zu vermitteln; 4.2. im Hinblick auf die Umsetzung vor Ort 4.2.1. ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das jüdische Erbe dringend bewahrt werden muss – auch als Bereicherung für die nachhaltige Entwicklung vor Ort –, und die lokale Eigenverant- wortung und das lokale Engagement zu fördern, indem Partnerschaften zwischen den verschie- denen Beteiligten wie etwa lokalen Behörden, zivilgesellschaftlichen Gruppen und interessier- ten jüdischen Gemeinde- und Kulturerbe-Organisationen unterstützt werden; 4.2.2. Mechanismen zu entwickeln, die die Diskussion, den Austausch und die gemeinsame Nutzung von Wissen, Fertigkeiten, Erfahrungen und bewährten Verfahren erleichtern können und an denen Ehrenamtliche und Fachleute, die auf dem Gebiet der Bewahrung des jüdischen Erbes tätig sind, beteiligt werden, um so das Gefühl eines gemeinsamen Ethos und eine standardi- sierte Praxis zu fördern; 4.2.3. soweit erforderlich Strategien zu entwickeln, um Eigentumsfragen im Zusammenhang mit jü- dischen Gemeindegebäuden zu klären und so Streitigkeiten leichter beizulegen und zu vermei- den, dass sie die Erhaltungsmaßnahmen beeinträchtigen; 4.2.4. im Falle von Bauvorhaben, die jüdische Stätten gefährden könnten, sicherzustellen, dass in Absprache mit Denkmalbehörden und jüdischen Kulturerbeeinrichtungen wie der Foundation for Jewish Heritage Erhaltungsmaßnahmen erwogen werden; 4.2.5. zusätzlich zu den etablierten Erhaltungsmaßnahmen und -methoden, die an jüdischen Kultur- denkmälern durchzuführen sind, durch entsprechende Schulungen dafür zu sorgen, dass der besondere kulturhistorische Wert jüdischer Kulturdenkmäler erkannt und richtig eingeschätzt und das Erbe korrekt verwaltet werden kann; 4.3. im Hinblick auf den erzieherischen Wert 4.3.1. sich im Wege der Bildung ehrlich und offen den Herausforderungen im Zusammenhang mit dem jüdischen Erbe und den Folgen des Holocaust zu stellen, um auf diese Weise eine gesell- schaftliche Heilung zu bewirken und gleichzeitig das Wohl und die Aussöhnung zu fördern; Drucksache 19/24612 – 26 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

4.3.2. insbesondere für junge Menschen Bildungsangebote zu entwickeln, um ihr Verständnis und ihre Wertschätzung für die jüdische Erfahrung zu verbessern und ihnen dabei zu helfen, die historische Vielfalt der Völker in Europa zu verstehen, indem die Achtung gegenüber anderen und die demokratische Bürgerschaft gefördert werden; 4.4. im Hinblick auf die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene 4.4.1. die Einbeziehung jüdischer Kulturdenkmäler in den Jüdischen Kulturweg, der Teil des Kultur- wege-Programms des Europarates ist, zu fördern, um im Bereich der Geschichtsforschung und -bildung, des Jugendaustauschs und bei der Unterstützung zeitgenössischer kultureller und künstlerischer Ausdrucksformen zusammenzuarbeiten und mitzuwirken sowie um Schnittmen- gen mit anderen Kulturwegen zu suchen, um ein Gefühl der gemeinsamen Geschichte und des gemeinsamen Erbes zu befördern; 4.4.2. die Zusammenarbeit und Partnerschaften europaweit zu fördern und zu unterstützen, um so bewährte Verfahren im Bereich des Schutzes und der Bewahrung des jüdischen Erbes zu ver- breiten. 5. Die Versammlung fordert den Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates auf, die vor- liegende Entschließung zu berücksichtigen und die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und Regi- onen auf diesem Gebiet zu fördern. 6. Die Versammlung fordert die Europäische Union auf, mit dem Europarat zusammenzuarbeiten, um die Umsetzung der Faro-Konvention zu unterstützen, für den Schutz und die Bewahrung jüdischer Kulturdenkmäler Leitlinien zu erstellen und finanzielle Anreize zu setzen sowie die Schaffung eines Verfahrens für die Überwachung des aktuellen Stands bei der Bewahrung jüdischen Erbes und die Einführung einer Auszeichnung für herausragendes ehrenamtliches Engagement bei der Bewahrung jüdischen Erbes in Erwägung zu ziehen.

Empfehlung 2165 (2019)12 Die Bewahrung des jüdischen Kulturerbes

1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre Entschließung 2309 (2019) „Die Bewahrung des jüdischen Kulturerbes“ und ist der Ansicht, dass das jüdische Kulturerbe einen integralen Be- standteil des gemeinsamen Kulturerbes in Europa darstellt und es daher eine gemeinsame Verantwor- tung ist, die Maßnahmen zu seiner Bewahrung zu verstärken. 2. Das materielle und immaterielle jüdische Kulturerbe sollte als ein entscheidendes Element im Ge- schichtsunterricht verwendet werden, da es einen konkreten Ausdruck des jüdischen Lebens und sei- ner historischen Präsenz in Europa darstellt. Die Wertschätzung und ein tieferes Verständnis der jü- dischen Kultur und des jüdischen Kulturerbes, die Zeichen des umfangreichen interkulturellen Aus- tausch und der gegenseitigen Bereicherung zwischen den Kulturen sind, tragen auch zum interkultu- rellen Dialog, zur Förderung der Inklusivität und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie zur Bekämpfung von Ignoranz und Vorurteilen bei. 3. Das Rahmenübereinkommen des Europarates über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft (SEV Nr. 199, „Faro-Übereinkommen“), die Europäische Kulturerbestrategie für das 21. Jahrhundert (Strategie 21), das Kulturroutenprogramm und die Kulturerbetage des Europarates bieten allesamt einen hervorragenden Rahmen zur Förderung des jüdischen Kulturerbes. 4. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee daher, auf diesen Instrumenten und den bestehen- den Aktivitäten des Europarates aufzubauen, um 5. Leitlinien für den Schutz und die Bewahrung jüdischer Kulturerbestätten im Einklang mit dem Acquis des Europarates für den Schutz des Kulturerbes zu erstellen; 6. den Mitgliedstaaten zu helfen, Bildungsprogramme über den Wert des jüdischen Kulturerbes weiter- zuentwickeln, die sich breit auf Schulen, Hochschulen, Museen und den Kultursektor erstrecken;

12 Versammlungsdebatte am 4. Oktober 2019 (35. Sitzung) (siehe Dok. 14960, Bericht des Ausschusses für Kultur, Wissenschaft, Bildung und Medien, Berichterstatter: Raphaël Comte). Von der Versammlung am 4. Oktober 2019 (35. Sitzung) verabschiedeter Text. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 27 – Drucksache 19/24612

7. in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union die Möglichkeit zu erwägen, einen Preis für heraus- ragende Freiwilligenarbeit zur Bewahrung des jüdischen Kulturerbes zu verleihen.

Entschließung 2302 (2019)13 Die Entwicklungsbank des Europarates: zum Aufbau einer inklusiveren Gesellschaft beitragen

1. Die Entwicklungsbank des Europarates (nachfolgend „die CEB“ oder „die Bank“ genannt), die 1956 über ein Teilabkommen des Europarates gegründet wurde, dient ihren 41 Mitgliedstaaten durch die Unterstützung sozialer Investitionen. Die Beziehungen zum Europarat und die ausgeprägte soziale Mission der CEB in der globalen Familie der internationalen Finanzinstitutionen bilden das Herzstück der Unternehmensidentität. Diese Beziehungen haben Tausende Feldprojekte in den Mitgliedstaaten inspiriert, jedoch auch das sich ent- wickelte Mandat und die strategische Vision der CEB untermauert. 2. Trotz Komplexitäten in ihrem wirtschaftlichen, finanziellen und regelungspolitischen Umfeld, ihrer relativ kleinen Größe und gewisser struktureller Beschränkungen hat die CEB eine bemerkenswerte Fähigkeit ge- zeigt, Risiken zu bewältigen und soziale Investitionen mit einem hohen Mehrwert in ihren Mitgliedstaaten zu unterstützen. In den mehr als 60 Jahren ihrer Tätigkeit hat die CEB ein einzigartiges Know-how und umfassende Erfahrungen beim Umgang mit Projekten in Ländern mit sehr unterschiedlichen Entwicklungs- niveaus, institutionellen Kapazitäten und sozialen Bedürfnissen gesammelt. Die Parlamentarische Versamm- lung ruft die CEB auf, ihre Investitionen in Ländern, die mehr technische Hilfe und Unterstützung für den Aufbau institutioneller Kapazitäten brauchen, weiter auszubauen. 3. Die Versammlung unterstützt nachdrücklich die anhaltenden Bemühungen der CEB um die Förderung eines nachhaltigen und inklusiven Wachstums, Integration von Flüchtlingen, Vertriebenen und Migranten sowie ihren Schwerpunkt auf „grünen Investitionen“ vor dem Hintergrund der Agenda 2030 für nachhaltige Ent- wicklung und des Pariser Übereinkommens über Klimaänderungen. Die Versammlung ist der Auffassung, dass die fortwährenden Diskussionen über den nächsten Entwicklungsplan der CEB für den Zeitraum 2020- 2022 eine Gelegenheit darstellen, die Rolle ausdrücklicher hervorzuheben, die die CEB bei der kollektiven Mobilisierung ihrer Akteure zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen spielen kann. 4. Darüber hinaus ist die Versammlung in Anbetracht des wachsenden Schwerpunkts auf sozialen Rechten innerhalb des Europarats, des Berichts des Generalsekretärs an das Ministerkomitee (Helsinki, 16.-17. Mai 2019) und des erklärten Ziels, eine inklusivere Gesellschaft aufzubauen, der Ansicht, dass sich die nationalen Politiker gemeinsam mit der CEB auf die Bedürfnisse der am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgrup- pen in städtischen und ländlichen Gebieten konzentrieren sollten. Die Versammlung nimmt mit Befriedigung zur Kenntnis, dass die thematischen Studien der Bank über die Herausforderungen der sozioökonomischen Ungleichheiten in Europa die politischen Entscheidungen als Richtschnur fungieren und dabei helfen könn- ten, zukünftige Projekte in diesem Bereich zu strukturieren, wobei die Bekämpfung der Ursachen und Wir- kungen der wachsenden Ungleichheiten, die zu Armut führen, angemessen zu berücksichtigen sind. 5. Die Versammlung bedauert, dass einige Mitgliedstaaten des Europarates (Andorra, Armenien, Aserbaid- schan, Monaco, Österreich, die Russische Föderation, die Ukraine und das Vereinigte Königreich) der CEB noch nicht beigetreten sind, und ruft diese acht Länder auf, ihre Haltung im Interesse ihrer Bevölkerungen erneut zu überdenken. 6. Die Versammlung lobt die verstärkte Nutzung innovativer Finanzinstrumente durch die CEB, die direkten finanziellen Hilfen an die kommunalen Behörden in ihren Mitgliedstaaten sowie die öffentlich-privaten Part- nerschaften für soziale und nachhaltige Entwicklungsprojekte. Im Hinblick auf Letztere stellt die Versamm- lung fest, dass die CEB 2017 ihr erstes sektorübergreifendes Darlehen gewährt hat, das darauf abzielte, den kommunalen Behörden größere Flexibilität zu geben, um die sozialen Infrastrukturen in sich überschneiden- den Sektoren zu finanzieren, und dass sie ihre erste Anleihe für soziale Inklusion begeben hat, wodurch sie ihre eigene Fähigkeit verstärkt hat, prioritäre Projekte in den Bereichen sozialer Wohnungsbau, Bildung und

13 Versammlungsdebatte vom 2. Oktober 2019 (32. Sitzung) (siehe Dok. 14961, Bericht des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und nachhaltige Entwicklung, Berichterstatterin: Nicole Trisse). Von der Versammlung am 2. Oktober 2019 (32. Sitzung) verabschiedeter Text. Drucksache 19/24612 – 28 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Berufsbildung sowie Schaffung von Arbeitsplätzen zu finanzieren. Folglich waren die kommunalen und re- gionalen Behörden die direkten Begünstigten der CEB-Finanzierung für 33 Prozent der 2018 gebilligten Darlehen. 7. Die Versammlung begrüßt die umsichtige Verwaltung der Kapitalressourcen und -reserven durch die CEB. Sie stellt fest, dass eine regelmäßige Zuweisung der Jahresüberschüsse zu den Reserven es der Bank ermög- licht, nach und nach ihre Fähigkeit zu erhöhen, mehr Projekte mit einem hohen sozialen Wert kozufinanzie- ren. Diese Fähigkeit könnte sogar noch verstärkt werden, wenn die Akteure der Bank es erwägen würden, die Tür für eine neue Kapitalerhöhung der Bank offenzuhalten, was die bestehenden Treuhandkonten sub- stanzieller auffüllen und zusätzliche Unterstützung von Seiten der Geber und Partnerinstitutionen mobilisie- ren würde. 8. Die Versammlung begrüßt die schrittweisen Fortschritte bei den Reformen in Bezug auf die Steuerung der CEB, mit denen ihre Effizienz weiter verbessert werden soll, wie in Entschließung 434 (2018) des Verwal- tungsrats der Bank zum Ausdruck gebracht, insbesondere im Hinblick auf die Überprüfung der Kompeten- zen, Funktionen und die Anzahl der Vizepräsidenten zu gegebener Zeit. Die Versammlung fordert den Ver- waltungsrat auf, diese Richtung weiterzuverfolgen, insbesondere in Bezug auf die Reformvorschläge, die den größten Konsens hervorgerufen haben, einschließlich derjenigen, die in der letzten Strategischen Über- prüfung der EIB vorgelegt wurden. 9. Die Versammlung würdigt die engagierten, professionellen und effizienten Mitarbeiter der CEB, die der Aufgabe der Bank treu verpflichtet und von entscheidender Bedeutung sind, damit sie ihre Ziele für die Zukunft so reibungslos wie möglich verfolgen kann. Diese interne Kraft basierend auf einem Pool talentierter Mitarbeiter mit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Männern und Frauen, Berufserfahrung und nati- onaler Vielfalt sollte weiter kultiviert werden, indem die Mitarbeiter – sowohl die bisherigen als auch die neu eingestellten – angemessene personelle Entwicklungsmöglichkeiten über Schulungen und Mobilität er- halten, die auf die Beherrschung neuer Fähigkeiten und Kompetenzen wie z. B. in den Bereichen künstliche Intelligenz und vorausschauendem Denken ausgerichtet sind. 10. In Anbetracht der vorstehenden Überlegungen empfiehlt die Bank dem Verwaltungsrat der CEB, 10.1. die Steuerung der Bank weiter zu rationalisieren, um ihre internen Strukturen und Verfahren für fle- xiblere und schnellere Entscheidungen und ein leichteres Wahlsystem zu optimieren, um sie im Ein- klang mit den modernen Managementpraktiken gleichrangiger Organisationen zu modernisieren; 10.2. die anhaltenden Diskussionen über den nächsten Entwicklungsplan der CEB für den Zeitraum 2020- 2022 zu nutzen, um 10.2.1. die Aktivitäten der Bank enger an die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und ihre 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung anzupassen, um den Aufbau institutioneller Fähigkei- ten in den Mitgliedstaaten zu ermöglichen; 10.2.2. die Strategie der Bank zu stärken, um ihre Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, 10.2.2.1. die Ursachen und Folgen der sozioökonomischen Ungleichheiten wirksamer anzu- gehen; 10.2.2.2. einen stärkeren territorialen Zusammenhalt bei der Bereitstellung öffentlicher Dienste in städtischen und ländlichen Gebieten zu erzielen, insbesondere im Hin- blick auf den Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum, Mobilität und Beschäftigung; 10.2.3. die Verpflichtung der Bank zu unterstützen, die langfristige Integration von Migranten und Flüchtlingen zu fördern, insbesondere über die Arbeitsmärkte, Bildungs- und Gesundheits- einrichtungen sowie den sozialen Wohnungsbau; 10.2.4. auf der Grundlage von Empfehlung CM/Rec(2015)3 über den Zugang junger Menschen aus benachteiligten Wohnvierteln zu sozialen Rechten eine Verbesserung der Darlehensaktivitä- ten zu erwägen, die auf die Entwicklung mehrdimensionaler Jugendzentren abzielen, die Be- rufsberatung und soziale Betreuung bereitstellen, bürgerschaftliches Engagement und kultu- relle Vielfalt und Chancengleichheit fördern und die Hilfe bei der Kinderbetreuung für in Armut lebende oder armutsgefährdete Familien anbieten können; Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 29 – Drucksache 19/24612

10.2.5. die Unterstützung für die Anstrengungen der Bank zur Erschließung neuer Geschäftsfelder in einem schwierigen Niedrigzinsumfeld zu verbessern, Mittel über „themenbezogene“ Anlei- hen mit speziellen sozialen Zielen zu gewinnen sowie die internen ökologischen, sozialen und Screening- bzw. Evaluierungsinstrumente weiterzuentwickeln, damit Risiken in Chancen umgewandelt werden; 10.2.6. sicherzustellen, dass sich die CEB bei der Prüfung von Projekten im Hinblick auf ihre soziale Wirkung dort, wo es relevant ist, auch auf die jährlichen Schlussfolgerungen des Europäi- schen Ausschusses für soziale Rechte (ESCR) im Hinblick auf einzelne Länder bezieht. 10.2.7. die Einbeziehung des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas zu fördern, um Möglichkeiten zur Identifizierung von potenziellen Projekten auf kommunaler Ebene zu er- schließen und die Umsetzung von bereits genehmigten Projekten zu optimieren; 10.3. die Sachdienlichkeit der derzeitigen Kriterien für die Definition der Zielländer der EIB zu prüfen und sie möglicherweise im Lichte der Fortschritte bei der Entwicklung dieser Länder zu aktualisieren; 10.4. die Beziehungen zum Europarat zu stärken, um Optionen für eine Verbesserung der Sichtbarkeit der CEB zu erkunden, wie z. B. über gemeinsame Kommunikationskanäle, und neue Mitgliedstaaten dazu zu bringen, der Bank beizutreten; 10.5. Möglichkeiten zu nutzen, um das von verschiedenen Forschungsinstitutionen und Think-Tanks, ins- besondere der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), generierte Know-How ausgiebiger zu nutzen. 11. Die Versammlung sieht der schriftlichen Antwort des Verwaltungsrats der CEB auf die vorstehenden Emp- fehlungen mit großem Interesse entgegen.

Entschließung 2304 (2019)14 Postmonitoring-Dialog mit Nordmazedonien

1. Nordmazedonien trat dem Europarat 1995 bei. Seit dem Jahr 2000 befindet es sich in einem Post-Monitoring- Dialog mit der Parlamentarischen Versammlung. In ihrer Entschließung 1949 (2013) betonte die Versamm- lung, dass Nordmazedonien auf verschiedenen Ebenen vor Herausforderungen steht, um seine politische Stabilität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. 2. Seit dem letzten Bericht der Versammlung hat das Land an seinem Programm zur euroatlantischen Integra- tion, das über politische und ethnische Grenzen hinweg ein einvernehmliches strategisches Ziel darstellte, festgehalten. Die Versammlung begrüßt das am 17. Juni 2018 in Prespa unterzeichnete bahnbrechende Ab- kommen mit Griechenland, mit dem der 27 Jahre währende „Namensstreit“ beendet und der Name des Lan- des von „ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“ in „Republik Nordmazedonien“ geändert wurde, der nunmehr von allen VN-Mitgliedstaaten anerkannt wird. Dies war ausschlaggebend, um die Verhandlun- gen über die Integration in das Nordatlantikbündnis (NATO) aus der Sackgasse zu führen und möglicher- weise Verhandlungen über einen Beitritt zur Europäischen Union aufzunehmen. Am 30. September 2018 sprachen sich 94 Prozent der Wähler für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union und der NATO aus, indem sie dem Prespa-Abkommen bei einer unverbindlichen Volksbefragung zustimmten, die – obwohl auf- grund der geringen Wahlbeteiligung (36 Prozent) ungültig – dennoch ein klares Indiz für den Willen des Volkes war. Infolgedessen verabschiedete das Parlament am 13. Dezember 2018 die Verfassungsänderun- gen. Der offizielle Name des Landes änderte sich am 12. Februar 2019 nach der Ratifizierung des Prespa- Abkommens durch das griechische Parlament am 26. Januar 2019.

14 Versammlungsdebatte am 2. Oktober 2019 (26. Sitzung) (siehe Dok. 14964, Bericht des Ausschusses für die Einhaltung der von den Mitglied- staaten des Europarates eingegangenen Verpflichtungen (Monitoringausschuss), Ko-Berichterstatter: Lise Christoffersen und Aleksander Pociej). Von der Versammlung am 2. Oktober 2019 (32. Sitzung) verabschiedeter Text. Drucksache 19/24612 – 30 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

3. Die Versammlung begrüßt außerdem die Unterzeichnung des „Abkommens über Freundschaft, gutnachbar- schaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit“ am 1. August 2017 mit Bulgarien, das den Weg zu einer verbesserten bilateralen Zusammenarbeit ebnete. Gleichzeitig ist sich die Versammlung bewusst, dass Nord- mazedonien – wie auch seine Nachbarn – einen Zustrom von Migranten über die „Balkanrouten“ erlebte und trotz begrenzter Ressourcen mit einer ernsten humanitären Krise konfrontiert war, die durch die Konflikte in Syrien und Irak ausgelöst wurde und das Land stark in Mitleidenschaft zog. 4. Seit der Annahme der letzten Entschließung der Versammlung hat das Land tiefgreifende politische Verän- derungen erfahren: Im Jahr 2014 lehnte die Opposition die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen 2014 ab und boykottierte das Parlament nach den vorgezogenen Neuwahlen im selben Jahr. Die Veröffentlichung illegal abgehörter Gespräche löste eine ernste politische Krise aus, die zwei Jahre andauerte. Die Unterzeich- nung der von der Europäischen Union geförderten, partei- und ethnienübergreifenden „Pržino-Abkommen“ im Juni 2015 und Juli 2016 führte zum Rücktritt von Ministerpräsident Gruevski. Im Gefolge dieser Abkom- men traten weitere Entwicklungen ein, namentlich die Bildung einer technokratischen Regierung von Juli 2016 bis Januar 2017 mit der Beteiligung von Oppositionsmitgliedern, Änderungen am Wahlrecht, die Durchführung vorgezogener Parlamentswahlen am 11. Dezember 2016 und ein Machtwechsel. 5. In den Pržino-Abkommen wurde außerdem die Schaffung des Büros eines „Sonderstaatsanwalts für Strafta- ten im Zusammenhang mit und bedingt durch den Inhalt der illegalen Überwachung des Kommunikations- verkehrs“ festgelegt, das für begrenzte Zeit und unter außergewöhnlichen politischen Umständen politisch sensiblen Vorwürfen im Zusammenhang mit Straftaten aufgrund des illegalen Abhörens von Gesprächen nachging. Die Versammlung begrüßt die hervorragende Arbeit dieses Büros, das in 20 auf hoher Ebene angesiedelten Fällen rechtliche Schritte eingeleitet und mehr als 100 Personen in mindestens 18 wichtigen Fällen schwerer Straftaten angeklagt hat, wobei die meisten Fälle Amts- bzw. Machtmissbrauch, Urkunden- fälschung, Veruntreuung und großangelegten Betrug betrafen. Dieses Büro hat entscheidend dazu beigetra- gen, dass sich die Situation normalisierte und den mutmaßlichen Fällen illegal abgehörter Gespräche nach- gegangen wurde. Die Versammlung geht davon aus, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, da Amnestiegesetze nicht Grundrechten zuwiderlaufen sollten. Sie fordert außerdem die ungari- schen Behörden auf, Gruevski auszuliefern, damit sein Verfahren fortgesetzt werden kann. 6. Die Versammlung lobt die wichtigsten politischen Parteien für die Erzielung der Pržino-Abkommen und die Lösung der Krise auf dem Verhandlungsweg. Gleichwohl war die Versammlung erschüttert über die Stür- mung des Parlaments am 27. April 2017 vor der Bildung der neuen Regierung. Die Versammlung verurteilt diese Gewalt aufs Schärfste und fordert die Behörden auf dafür zu sorgen, dass die Täter wie auch die An- stifter dieser Vorgänge entsprechend strafrechtlich verfolgt werden. 7. Die Veröffentlichung der abgehörten Gespräche brachte ernsthafte Missstände und eine Konzentration von Macht innerhalb des Staatssicherheitsdienstes (UBK) ans Licht. Die Versammlung begrüßt deshalb die un- längst erfolge Verbesserung des Rechtsrahmens, namentlich die Verabschiedung des Gesetzes über die Staatssicherheitsbehörde im März 2019, die Einrichtung einer operativen technischen Behörde (Operational Technical Agency, OTA), die auf gerichtliche Anordnung handelt, und die Überwachung der Aktivitäten des Geheimdienstes durch einen parlamentarischen Kontrollausschuss unter Vorsitz der Opposition. Diese Maß- nahmen sollten Schutzvorkehrungen bieten und potenziellen Missbrauch begrenzen. 8. Die Versammlung begrüßt die an den Tag gelegte Haltung der Oppositionsparteien, die sich an der Arbeit des Parlaments aktiv beteiligten und die Verabschiedung wichtiger Rechtsakte ermöglichten, die zur Ver- wirklichung des vom Land angestrebten EU-Beitritts notwendig sind. Sie stellt ferner fest, dass das Gesetz- gebungsverfahren durch institutionelle Sackgassen gekennzeichnet war, nachdem sich der Staatspräsident zum zweiten Mal weigerte, vom Parlament verabschiedete Gesetze zu erlassen. Die Versammlung fordert deshalb die Behörden nachdrücklich auf, institutionellen Sackgassen durch eine Änderung der Verfassung und die Vermeidung eines „indirekten Vetos“ durch den Präsidenten vorzubeugen und das Begnadigungs- recht des Präsidenten zu überdenken. Die Versammlung fordert ebenfalls alle politischen Akteure nach- drücklich auf, rechtliche Lösungen für Situationen, die zu systemischen Sackgassen führen, zu erarbeiten. 9. Die Versammlung lobt die Behörden für die Einleitung eines ehrgeizigen Reformvorhabens (des sogenann- ten Planes 3-6-9 und des Planes 18) auf der Grundlage wichtiger Prioritäten und Empfehlungen, die von der hochrangigen Sachverständigengruppe der Europäischen Kommission (sogenannter Priebe-Bericht) für vier zentrale Bereiche formuliert wurden: Reform des Justizwesens, Sicherheitsbehörden, öffentliche Verwaltung Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 31 – Drucksache 19/24612

und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung. Sie begrüßt die ausgezeichnete Zusammenarbeit der Behör- den mit dem Europarat und der bei ihm angesiedelten Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission) und die Einrichtung eines Projektbüros des Europarates in Skopje entspre- chend dem in Empfehlung 2022 (2013) formulierten Vorschlag der Versammlung. 10. In diesem Zusammenhang begrüßt die Versammlung die getroffenen Maßnahmen zur Stärkung der Unab- hängigkeit und Rechenschaftspflicht der Justiz und zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Justiz, ins- besondere 10.1. die Abschaffung des Rates für die disziplinarische Verantwortung und Evaluierung von Richtern ent- sprechend den Empfehlungen in der Stellungnahme der Venedig-Kommission von 2015; 10.2. die Einstellung des Lustrationsprozesses und die Aufhebung des Lustrationsgesetzes im Jahr 2015 sowie die Abschaffung der Lustrationskommission im Jahr 2017, wie von der Versammlung in ihrer Entschließung 1949 (2013) und in der Stellungnahme eines sachverständigen Beraters („amicus curiae“) der Venedig-Kommission gefordert wurde; 10.3. die Verabschiedung des Gerichtsgesetzes, des Richtergesetzes und des Gesetzes über den Justizrat, die weitgehend den von der Venedig-Kommission 2018 und 2019 abgegebenen Stellungnahmen ent- sprechen. 11. Die Versammlung fordert die Behörden Nordmazedoniens auf, die Gesetzesreformen fortzusetzen und ins- besondere 11.1. das Gesetz über die Staatsanwaltschaft und das Gesetz über den Rat der Staatsanwälte, die sicherstel- len sollen, dass die Staatsanwaltschaft als unabhängiges Organ agiert, zu überarbeiten, und den fach- lichen Rat des Europarates einzuholen, um dafür zu sorgen, dass diese Gesetze den Standards des Europarates entsprechen; 11.2. sicherzustellen, dass durch die Reform der Staatsanwaltschaft der „Sonderstaatsanwalt für Straftaten im Zusammenhang mit und bedingt durch den Inhalt der illegalen Überwachung des Kommunikati- onsverkehrs“ in die Lage versetzt wird, seine Aufgabe weiter wahrzunehmen, die laufenden Ermitt- lungen abzuschließen und sensible Fälle weiter mit der erforderlichen Eigenständigkeit und Unabhän- gigkeit zu behandeln. 12. Die Korruption ist nach wie vor ein ernsthaftes Problem in Nordmazedonien. Die Versammlung würdigt die bei der Reform des Rechtsrahmens und der Institutionen erzielten Fortschritte. Insbesondere begrüßt die Versammlung die Verabschiedung folgender Gesetze im Jahr 2019: das Gesetz zur Prävention von Korrup- tion und Interessenkonflikten, das Lobbyismusgesetz, das Gesetz über den freien Zugang zu Informationen öffentlichen Charakters und das Gesetz über den Schutz von Whistleblowern. Die Einsetzung einer neuen Staatskommission für die Korruptionsprävention im Wege eines offenen und transparenten Ernennungsver- fahrens ist ebenfalls zu begrüßen. Die Versammlung begrüßt ferner die Einrichtung interner und externer Kontrollmechanismen für die Polizei, die nach wie vor als politisiert wahrgenommen wird. 13. Bei der Korruptionsbekämpfung müssen allerdings weitere Anstrengungen unternommen werden: 13.1. Hinsichtlich der Prävention von Bestechung öffentlicher Amtsträger fordert die Versammlung die Behörden auf, die 2018 von GRECO formulierten Empfehlungen zu „Korruptionsprävention in Bezug auf Abgeordnete, Richter und Staatsanwälte“ vollständig umzusetzen; 13.2. Die Versammlung fordert die Behörden auf, die 2019 von GRECO formulierten Empfehlungen um- zusetzen. Die wichtigsten Empfehlungen lauten: Stärkung der operativen Unabhängigkeit der Polizei und Steigerung der Effizienz der internen Kontrollmechanismen, die unmittelbar dem Innenminister unterstehen, sowie der externen Kontrolle durch das Parlament, den Bürgerbeauftragten und den Ge- neralstaatsanwalt. Dies ist erforderlich, um die Rechenschaftspflicht der Polizei gegenüber der Öf- fentlichkeit zu verbessern. Nordmazedonien sollte außerdem die Forderung von GRECO beherzigen, einen Ehrenkodex für die Polizei einzuführen, der Fragen wie Integrität, Interessenkonflikte, Ge- schenke und Korruptionsprävention bei der Polizei abdeckt. 14. Angesichts der Feststellungen ihrer Wahlbeobachtungsmissionen in den Jahren 2014 (Präsidentschafts- und vorgezogene Parlamentswahlen) und 2016 (vorgezogene Parlamentswahlen) fordert die Versammlung die Behörden auf, in Zusammenarbeit mit der Venedig-Kommission und, wie in ihrer Stellungnahme von 2016 gefordert, die Rahmenbedingungen für die Wahlen zu verbessern und die Wahlordnung zu reformieren. Die Versammlung nimmt die Ankündigung, das Wahlsystem überarbeiten zu wollen, zur Kenntnis und fordert Drucksache 19/24612 – 32 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

die Behörden nachdrücklich auf, für einen öffentlichen und alle einbeziehenden Prozess zu sorgen, damit rechtzeitig vor den nächsten Wahlen eine einvernehmliche Lösung erzielt wird. 15. Auf dem Gebiet der Menschenrechte fordert die Versammlung die Behörden auf, den Empfehlungen des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) zur Verbesserung der Bedingungen in Gefängnissen und psychiatrischen Anstalten nachzu- kommen. Sie fordert die Behörden nachdrücklich auf, sich prioritär mit der Situation im Gefängnis Idrizovo und dem anhaltenden Problem der Misshandlungen auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang begrüßt die Versammlung die im März 2017 erfolgte Annahme einer Strategie zur Anwendung einer Null-Toleranz- Politik bei Misshandlungen und eines Planes zur Korruptionsprävention beim Personal in Gefängnissen und Erziehungsstrafanstalten. Darüber hinaus nimmt die Versammlung Kenntnis von der 2018 erfolgten Einfüh- rung standardisierter Verfahrensweisen und eines neuen Verhaltenskodex für das Personal von Gefängnissen und Erziehungsstrafanstalten, wodurch wirksamere Vorkehrungen für den Umgang mit Misshandlungsfällen bei Personen im Freiheitsentzug geschaffen werden dürften. Weitere begrüßenswerte Maßnahmen sind unter anderem die Schritte zur Verbesserung der Haftbedingungen, die Entwicklung eines tragfähigen Bewäh- rungssystems und alternativer Maßnahmen zur besseren Vermeidung von Überbelegung, die Renovierung der Hafteinrichtungen, einschließlich des Gefängnisses Idrizovo, mit Unterstützung der Entwicklungsbank des Europarates und die verstärkte interne und externe Kontrolle der Polizei durch das Innenministerium, die Staatsanwaltschaft und den Bürgerbeauftragten. 16. Im Einklang mit den Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) erwartet die Versammlung, dass die Ressourcen des Amtes des Bürgerbeauftragten aufgestockt werden, da- mit die Einrichtung in der Lage ist, ihre Aufgaben als Präventionsmechanismus im Rahmen des Fakultativ- protokolls zu dem Übereinkommen gegen Folter (OPCAT), als Aufsichtssystem für Polizei- und Justizvoll- zugsbeamte, als Unterstützungseinrichtung für Opfer und als Überwachungsinstanz für das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und sein Fakultativprotokoll wahrzunehmen. 17. Im Bereich der Medien stellt die Versammlung fest, dass sich das Arbeitsumfeld und die Sicherheit von Journalisten in den letzten Monaten verbessert haben und 2018 das Gesetz über Audio- und audiovisuelle Mediendienste verabschiedet wurde. Gleichwohl weist sie darauf hin, dass die finanzielle Tragfähigkeit der Medien nach wie vor eine schwierige Aufgabe ist, und erwartet eine Stärkung der Regulierungsstellen und eine Stärkung der Unabhängigkeit der Medien. Die Interessen der verschiedenen Volksgruppen sollten in der Medienpolitik angemessen berücksichtigt werden. Die Versammlung erwartet außerdem eine Stärkung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, die nach wie vor reformbedürftig ist, damit sich diese zu einem hochwertigen und unabhängigen öffentlichen Medium entwickelt. 18. Die Versammlung würdigt die bei der Bekämpfung von Diskriminierung erzielten Fortschritte: Das im März 2019 verabschiedete Gesetz zur Vorbeugung und zum Schutz vor Diskriminierung führt auch sexuelle Ori- entierung und Geschlechtsidentität als Diskriminierungsgründe auf und ermöglicht den Gerichten, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Strafmaßnahmen zu verhängen. Die Versammlung fordert die Behör- den gleichwohl auf, die Zusammensetzung und Befugnisse der Staatskommission für den Schutz vor Diskri- minierung zu erweitern und damit den Empfehlungen der Venedig-Kommission und des Ministerkomitees von 2018 nachzukommen, wonach dafür zu sorgen ist, dass die Staatskommission als vollkommen unabhän- gige, professionelle Gleichbehandlungsstelle ordnungsgemäß arbeiten kann. Die Versammlung betont au- ßerdem, dass Hetze stärker bekämpft werden muss, und begrüßt in diesem Zusammenhang die Änderungen am Strafgesetzbuch. 19. Hinsichtlich der Beziehungen zwischen den Volksgruppen erinnert die Versammlung an den Beitrag des Rahmenabkommens von Ohrid zur Sicherung des friedlichen Zusammenlebens der ethnischen Gemeinschaf- ten in Nordmazedonien ab 2001. Sie stellt ferner fest, dass das Verhältnis zwischen den Volksgruppen nach wie vor labil ist. Insofern begrüßt sie die 2019 erfolgte Verabschiedung des Sprachengesetzes, das eine der letzten im Rahmenabkommen aufgestellten Vorgaben darstellte, und bittet die Behörden des Landes, die bevorstehende Stellungnahme der Venedig-Kommission zu dem Gesetz zu berücksichtigen. Die Versamm- lung fordert die Behörden auf, den Aufbau einer Gesellschaft ohne Ausgrenzung weiter zu fördern und ins- besondere 19.1 alle Maßnahmen zu treffen, um im Einklang mit den Empfehlungen des Ministerkomitees zur Umset- zung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten (SEV Nr.157), das vom Land 1997 ratifiziert wurde, ein integriertes und multikulturelles Bildungssystem aufzubauen; Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 33 – Drucksache 19/24612

19.2. für die konsequente Umsetzung des Sprachengesetzes und die operative Funktionsfähigkeit und Über- wachung der Agentur zur Umsetzung von Sprachen, die von mindestens 20 Prozent der Bürger Nord- mazedoniens gesprochen werden, zu sorgen und dabei auch die von der Venedig-Kommission zu diesem Gesetz erbetene Stellungnahme zu berücksichtigen und den Bedürfnissen von Sprachen be- sondere Beachtung zu schenken, die unter der 20 Prozent-Hürde liegen; 19.3. alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um ethnischen Spannungen vorzubeugen und entgegenzu- wirken, und mutmaßliche Fälle ethnisch motivierter Straftaten gründlich zu untersuchen; 19.4. für eine ausgewogene Vertretung von Minderheiten in der öffentlichen Verwaltung zu sorgen; 19.5. die erforderliche politische Einigung zu erzielen, um eine Volkszählung im Einklang mit internatio- nalen Standards durchzuführen; 19.6. weiterhin wirksame Dezentralisierungsmaßnahmen durchzuführen, darunter auch die Dezentralisie- rung der Finanzen, und das Gesetz über die gleichmäßige regionale Entwicklung ordnungsgemäß um- zusetzen; 19.7. integrative politische Konzepte zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts zu fördern und entschlossen gegen die Diskriminierung der Roma-Gemeinschaft vorzugehen, zugleich aber auch die Bemühungen fortzusetzen, nicht gemeldete Personen zu identifizieren und ihren Zugang zum Sozial-, Gesundheits- und Schulwesen sicherzustellen. 20. Die Versammlung begrüßt die Fortschritte bei der Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen in Nordmazedonien. Sie legt den Behörden nahe, ihre Anstrengungen fortzusetzen, um das Ziel einer 50- prozentigen Beteiligung von Frauen bei Wahlen und Entscheidungsprozessen zu erreichen. Die Versamm- lung fordert die Behörden ebenfalls auf, die Maßnahmen zur Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts bei der Haushaltsplanung weiter auszubauen. 21. Die Versammlung beglückwünscht das Land für die Ratifizierung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (SEV Nr. 210, „Istanbul- Konvention“) im März 2018. Es legt den Behörden nahe, das neue Gesetz zur Vorbeugung und zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu verabschieden, das Spektrum der Angebote für Opfer zu erweitern und die Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte, die mit Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu tun haben, zu verbessern. 22. Hinsichtlich der Rechte von LGBTI-Personen begrüßt die Versammlung die Antidiskriminierungsbestim- mungen im Antidiskriminierungsgesetz und in anderen Rechtsvorschriften sowie die Ausrichtung der ersten Pride Parade am 29. Juni 2019. Sie fordert das Land auf, eine unabhängige und umfassende Studie zu allen Formen der Diskriminierung von LGBTI-Personen durchzuführen, wie dies von ECRI angeregt wurde. 23. Die Versammlung lobt schließlich die Behörden Nordmazedoniens für die Fortschritte, die seit der Annahme des letzten Berichts über den Post-Monitoring-Dialog im Jahr 2013 erzielt worden sind. Sie begrüßt des Weiteren die nach einer zweijährigen Phase des politischen Übergangs unternommenen Schritte zur Norma- lisierung der Lage des Landes und zur Einhaltung der Standards des Europarates in den Bereichen Rechts- staatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte sowie die außerordentliche Verbesserung seiner Nachbar- schaftsbeziehungen. 24. Sie betont allerdings, dass die unlängst verabschiedeten Gesetze vollständig umgesetzt werden müssen, um die Bestandsfähigkeit der staatlichen Institutionen, die Unabhängigkeit der Justizorgane und die Stabilität des Rechtstaats zu stärken. 25. In diesem Zusammenhang beschließt die Versammlung, den Post-Monitoring-Dialog mit Nordmazedonien fortzusetzen und im nächsten Bericht die Fortschritte zu bewerten, die insbesondere auf folgenden Gebieten erzielt werden: 25.1. weitere Konsolidierung bestandsfähiger und funktionierender demokratischer Institutionen; 25.2. Unabhängigkeit der Justiz, insbesondere Stärkung der Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht von Richtern und Staatsanwälten. Die Versammlung erwartet, dass die Reform der Staatsanwaltschaft im Einklang mit den Standards des Europarates erfolgt und mit ihr dafür gesorgt wird, dass die Sonder- staatsanwaltschaft, die bei der Behandlung hochsensibler Fälle eine wichtige Rolle gespielt hat, in der Drucksache 19/24612 – 34 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Lage sein wird, innerhalb der nationalen Staatsanwaltschaft ohne unzulässige politische Einmischung ihrer Arbeit nachzugehen; 25.3. Korruptionsbekämpfung im Einklang mit den Empfehlungen der Gruppe der Staaten gegen Korrup- tion (GRECO), insbesondere in Bezug auf Korruptionsfälle auf hoher Ebene und auf die nicht-selek- tive Umsetzung von Gesetzen und politischen Maßnahmen; 25.4. Stärkung der Rahmenbedingungen für die Wahlen im Einklang mit den Empfehlungen der Venedig- Kommission und den Berichten der Wahlbeobachtungsmission der Parlamentarischen Versammlung; 25.5. im Geiste des Rahmenabkommens von Ohrid Weiterverfolgung integrativer politischer Konzepte zur Sicherung der Rechte der Minderheiten, einschließlich der Roma-Gemeinschaft.

Entschließung 2305 (2019)15 Die Rettung von Menschenleben im Mittelmeer: die Notwendigkeit einer sofortigen Reaktion

1. Die Parlamentarische Versammlung befasst sich seit einiger Zeit, d.h. seit ihrer Entschließung 1872 (2012) „Tote im Mittelmeer: Wer ist dafür verantwortlich? „, mit der Tragödie, die sich im Mittelmeer abspielt. Weitere Texte folgten, insbesondere Entschließung 1999 (2014) „Das 'Left to die'-Boot: Maßnahmen und Reaktionen“, Entschließung 2000 (2014) „Die Ankunft großer gemischter Migrationsströme an den Küsten Italiens“, Entschließung 2050 (2015) „Die menschliche Tragödie im Mittelmeer: Sofortmaßnahmen vonnö- ten“ und Entschließung 2088 (2016) „Das Mittelmeer: ein Einfallstor für irreguläre Migration“. Die Ver- sammlung führte am 27. Juni 2018 eine Dringlichkeitsdebatte zum Thema „Die internationalen Verpflich- tungen des Europarates zum Schutz von Menschenleben auf See“ durch und hat verschiedene weitere Texte verabschiedet, die sich auf die Lage im Mittelmeer und die Notwendigkeit beziehen, Abhilfemaßnahmen zu finden. 2. Die Versammlung ist nach wie vor entsetzt über die hohe Zahl von Todesfällen unter Migranten im Mittel- meer, die verzweifelt versuchen, in seeuntüchtigen Booten nach Europa zu kommen. Sie fordert die Mit- gliedstaaten auf, ihre internationalen Verpflichtungen zu beachten und ihre Maßnahmen zum Schutz von Menschenleben auf See zu koordinieren. Obgleich die Migrationsströme auf einen Bruchteil der im Jahr 2015 verzeichneten Zahlen zurückgegangen sind, kann die Lage nach wie vor als Notsituation beschrieben werden. Im Falle Griechenlands beispielsweise ist die Zahl der Migranten in den vergangenen Monaten um 150 Prozent gestiegen. Im Laufe der letzten sechs Jahre sind fast 20.000 Menschen bei ihrer gefährlichen Reise über das Mittelmeer ums Leben gekommen. Die Situation ist unhaltbar, und es sollte unverzüglich Abhilfe geschaffen werden. Die Versammlung begrüßt die sich abzeichnende Vereinbarung zwischen eini- gen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Bezug auf die Umverteilung von Menschen, die von nicht- staatlichen Organisationen und anderen auf dem Meer gerettet wurden, und fordert weitere Länder nach- drücklich auf, sich dieser Vereinbarung anzuschließen. Ebenso fordert sie alle Länder der Europäischen Union auf, ihre Verantwortung anzunehmen, und begrüßt die Bereitschaft der Mittelmeeranrainerstaaten zur Zusammenarbeit. 3. Die aufeinanderfolgenden See- und (inzwischen nur noch) Luftoperationen Triton und Sophia der Europäi- schen Union führten zu einem Rückgang der Zahl der Ankünfte an den italienischen Küsten zwischen No- vember 2016 und November 2017 um fast 32 Prozent, und seit 2014 konnten durch diese Operationen über 200.000 Menschenleben gerettet werden. Indessen haben die fortwährende Priorität der Grenzkontrollen sei- tens der Europäischen Union und die Tendenz, die Bearbeitung von Asylbegehren in Länder und Regionen außerhalb ihrer Grenzen zu fördern, bislang keine überzeugenden Ergebnisse geliefert und möglicherweise sogar die Gefahren verstärkt, denen Flüchtlinge und Asylsuchende ausgesetzt sind bzw. denen sie sich im Bemühen, ein sicheres Ziel zu erreichen, selbst aussetzen. 4. Die Versammlung begrüßt das Engagement nichtstaatlicher Organisationen, beharrt aber darauf, dass es die Pflicht der Staaten ist, Menschen nicht im Mittelmeer ertrinken zu lassen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Migranten im Mittelmeer fortwährend ihre grundlegenden Menschenrechte vorenthalten werden, und

15 Versammlungsdebatte vom 3. Oktober 2019 (33. Sitzung) (siehe Dok. 14971, Bericht des Ausschusses für Wanderbewegungen, Flüchtlinge und Vertriebene, Berichterstatter: Domagoj Hajducovic). Von der Versammlung am 3. Oktober 2019 (33. Sitzung) verabschiedeter Text. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 35 – Drucksache 19/24612

in dem Bemühen, weitere tragische Todesfälle zu vermeiden und das Recht auf Zugang zu internationalem Schutz und zu Asylverfahren zu gewähren, fordert die Versammlung die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, 4.1. die Rettung von Männern, Frauen und Kindern im Mittelmeer vor politische und sonstige Erwägungen zu stellen und als zwingende Notwendigkeit zur Einhaltung der universellen Grundsätze zu betrach- ten, die der Achtung des menschlichen Lebens und der Hilfe für Menschen, die sich in Lebensgefahr befinden, zugrunde liegen; 4.2. unter Hinweis auf Entschließung 2299 (2019) „Die Politik und Praxis der Push-Backs in den Mit- gliedstaaten des Europarates“ von allen Maßnahmen abzusehen, die zu Push-Backs oder kollektiven Ausweisungen führen, da diese Akte einen Verstoß gegen die Rechte des internationalen Asylrechts, das Recht auf Asyl, das Recht des Schutzes vor Zurückweisung und das Recht auf Zugang zu einem Asylverfahren darstellen; 4.3. sich in besonderem Maße mit der Hilfe für gefährdete Flüchtlinge und Migranten wie Kinder, Men- schen aus LGBT+-Gemeinschaften, Frauen, Menschen mit Behinderungen und Bedürftige, die be- stimmte medizinische oder psychologische Unterstützung benötigen, zu befassen; 4.4. eine neue Rettungsmission der Europäischen Union auf den Weg zu bringen; 4.5. entsprechend den Bestimmungen des Übereinkommens des Europarates über Maßnahmen gegen den Menschenschmuggel (SEV Nr.197) gemeinsame Maßnahmen zu treffen, um den Menschenschmug- gel zu stoppen, und das Schlepperwesen in Zusammenarbeit mit weiteren internationalen Organisati- onen zu bekämpfen; 4.6. die Bestimmungen der internationalen Übereinkommen zu achten, insbesondere das Internationale Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See sowie das Protokoll gegen die Schleu- sung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität („Protokoll von Palermo“); 4.7. die Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu gewährleisten, insbesondere im Zusammen- hang mit gemeinsamen Operationen bzw. „aggregierten Rettungsoperationen“, bei denen nach den Verpflichtungen aus dem Flüchtlingsrecht und der Europäischen Menschenrechtskonvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SEV Nr.5) das Verbot der Zurückweisung an der Grenze nicht kollektiv umgangen werden kann; 4.8. für die betroffenen Länder einen Beitrag zur Umsetzung des Globalen Pakts für eine sichere, geord- nete und reguläre Migration zu leisten; 4.9. alle Vorschläge zu unterstützen, mit denen eine effektivere Umverteilung umgesetzt und somit eine gemeinsame Verantwortung für die Migrationssteuerung auf der Grundlage einer verlässlichen und effizienten Solidarität verwirklicht werden sollen; 4.10. das in Malta am 23. September 2019 von den Innenministern Finnlands, Frankreichs, Deutschlands, Italiens und Maltas erzielte Übereinkommen zu begrüßen, mit der großen Hoffnung, dass ihm so viele EU-Mitgliedstaaten wie möglich beitreten werden; 4.11. dafür zu sorgen, dass diese Initiativen unter vollständiger Einhaltung der Grundsätze, die die Ver- sammlung in ihren bisherigen Entschließungen und Empfehlungen dargelegt hat, sowie der Grunds- ätze anderer Stellen des Europarates, insbesondere der Menschenrechtskommissarin in ihrer Empfeh- lung „Schließung der Schutzlücke für Flüchtlinge und Migranten im Mittelmeer“ von Juni 2019, durchgeführt werden; 4.12. darüber hinaus dafür zu sorgen, dass sämtliche getroffene Maßnahmen den Normen und Grundsätzen entsprechen, die von internationalen Partnern vorgeschlagen werden, beispielsweise der gemeinsame Vorschlag des Amtes des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen und der Internatio- nalen Organisation für Migration von 2018 für einen regionalen Ausschiffungsmechanismus; 4.13. wie in den bisherigen Texten der Versammlung nichtstaatlichen Organisationen die Durchführung ihrer lebensrettenden Missionen im Mittelmeer zu ermöglichen und ihre Fähigkeiten zur Durchfüh- rung von Schnellrettungsoperationen anzuerkennen und die Arbeit der nichtstaatlichen Organisatio- nen nicht zu stigmatisieren; 4.14. insbesondere dafür zu sorgen, dass die Kapitäne aller Schiffe, die Migranten und Flüchtlinge im Mit- telmeer retten, diese (so wie im internationalen Seerecht vorgesehen) im nächstgelegenen sicheren Drucksache 19/24612 – 36 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Hafen ausschiffen können, und dass Migranten nach ihrer Rettung auf See in sichere Aufnahmezen- tren verbracht werden, in denen ihre Grundbedürfnisse durch angemessene Lebensbedingungen, an- gemessene Bedingungen zur Aufrechterhaltung des Rechts auf Beantragung von Asyl und die effizi- ente Bearbeitung von Asylverfahren gewährleistet sind. In besonderem Maße sollte auf die Betreuung und den Zustand von Kindern und die Bereitstellung von kindgerechter Unterstützung und kindge- rechten Informationen geachtet werden; 4.15. die regulären und legalen Wege nach Europa unter anderem durch Wiederansiedlungsprogramme, humanitäre Visa und raschere Familienzusammenführungsverfahren zu stärken, damit Menschen diese beantragen können und sich nicht auf die irreguläre und lebensgefährliche Reise über das Mit- telmeer begeben müssen; 4.16. die Ausbildung, Finanzierung und Ausrüstung sowie die logistische Unterstützung der libyschen Küs- tenwache durch die EU und ihre Mitgliedstaaten erneut zu prüfen. Eine Voraussetzung für eine Zu- sammenarbeit sollte die vollständige Umsetzung der vom Europarat und anderen europäischen und internationalen Institutionen festgelegten Menschenrechtsnormen sowie die umfassende Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der damit verbundenen UN-Verträge sein. 15. Die Versammlung fordert darüber hinaus die Europäische Union nachdrücklich auf, sich verstärkt und be- schleunigt für die Überarbeitung der Dublin-Verordnung und eine Einigung auf Standards für sichere Dritt- staaten einzusetzen, ohne sich im Übermaß auf die Externalisierung der Asylverfahren zu konzentrieren. Sie empfiehlt den künftigen Ratspräsidentschaften der Europäischen Union, die Beendigung der unnötigen Ver- luste von Menschenleben auf See stärker in den Vordergrund zu rücken und auf der positiven Debatte unter den Mitgliedstaaten aufzubauen, die bereit sind, die Verantwortung für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Asylsuchenden gemeinsam zu tragen, um eine gleichberechtigte Verteilung der Verant- wortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten zu gewährleisten.

Entschließung 2306 (2019)16 Gewalt in der Geburtshilfe und der Gynäkologie

1. Nach Angaben der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte ist jede dritte Frau in Europa von ge- schlechtsspezifischer Gewalt betroffen. Diese Gewalt ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte, ein Aus- druck von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und hat langfristige Auswirkungen auf das Leben der Opfer. Kein Bereich ist von diesem mittlerweile als gesellschaftliches Problem anerkannten Übel ausgenom- men, und die Behörden stehen nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („Istanbul-Konvention“, SEV Nr. 210) eindeutig in der Verantwortung. 2. Die Parlamentarische Versammlung bekräftigt ihre uneingeschränkte Unterstützung für die Istanbul-Kon- vention, was in der Entschließung 2289 (2019) „Die Istanbul-Konvention über Gewalt gegen Frauen: Erfolge und Herausforderungen“ seine Bestätigung fand. Sie unterstützt die Verhütung und Bekämpfung aller For- men von Gewalt gegen Frauen und betont, dass Aufklärungsmaßnahmen für die Allgemeinheit unerlässlich sind, um solcher Gewalt ein Ende zu setzen. 3. Gewalt in der Geburtshilfe und der Gynäkologie ist eine Form der Gewalt, die lange verdeckt blieb und noch immer zu häufig ignoriert wird. In der vertraulichen Atmosphäre einer ärztlichen Sprechstunde oder einer Entbindung werden Frauen zu Opfern von Handlungen, die gewalttätig sind oder unter Umständen als solche wahrgenommen werden. Dazu zählen unangemessene oder unerwünschte Handlungen wie etwa ohne Ein- willigung durchgeführte Dammschnitte und Austastungen der Scheide, Druck auf den Gebärmuttergrund oder schmerzhafte Eingriffe ohne Betäubung. Über sexistisches Verhalten während ärztlicher Sprechstunden ist ebenfalls berichtet worden.

16 Versammlungsdebatte am 3. Oktober 2019 (34. Sitzung) (siehe Dok. 14965, Bericht des Ausschusses für Gleichstellung und Nichtdiskriminie- rung, Berichterstatterin: Maryvonne Blondin). Der Text wurde von der Versammlung am 3. Oktober 2019 (34. Sitzung) angenommen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37 – Drucksache 19/24612

4. Gewalt in der Geburtshilfe wird in Argentinien und Venezuela als Straftat anerkannt und strafrechtlich ver- folgt. In Artikel 39 der Istanbul-Konvention werden speziell die Zwangsabtreibung und Zwangssterilisation verurteilt, allerdings geht die Konvention nicht auf Gewalt in der Geburtshilfe und der Gynäkologie im All- gemeinen ein. Bereits 2014 übte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) scharfe Kritik an der respektlosen und entwürdigenden Behandlung, der Frauen bei der Entbindung im Krankenhaus ausgesetzt sein können. Im August 2019 übermittelte Dubravka Šimonović, die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen über Gewalt gegen Frauen, deren Ursachen und deren Folgen, der VN-Generalversammlung einen Bericht mit dem Titel „Ein menschenrechtsorientierter Ansatz zu Misshandlungen und Gewalt gegen Frauen in der re- produktiven Gesundheitsfürsorge mit Schwerpunkt auf Gewalt bei der Entbindung und in der Geburtshilfe“. 5. In einigen Mitgliedstaaten des Europarates sind Sensibilisierungskampagnen in sozialen Netzwerken durch- geführt worden und es konnten in den letzten Jahren zahlreiche Erfahrungsberichte zusammengetragen wer- den. Dank dieser gestiegenen Bereitschaft, über das Problem zu sprechen, und des Austauschs von Erfah- rungen haben die von Gewalt in der Geburtshilfe und der Gynäkologie betroffenen Frauen realisiert, dass es sich dabei nicht um Einzelfälle handelte. Diese Gewalt ist Ausdruck einer patriarchalischen Kultur, die in der Gesellschaft immer noch dominiert, darunter auch im medizinischen Bereich. Die Versammlung bekräf- tigt ihre Entschlossenheit, die Gleichstellung der Geschlechter auf allen Gebieten zu fördern, wodurch es möglich sein wird, alle Formen der Gewalt gegen Frauen, einschließlich der Gewalt in der Geburtshilfe und der Gynäkologie, zu verhüten und zu bekämpfen. 6. Die Versammlung würdigt die Arbeit und das Engagement der Beschäftigten im Gesundheitswesen. Sie ist sich bewusst, dass ihre Arbeitsbedingungen in Gesundheitseinrichtungen aufgrund von Personalengpässen, begrenzten Ressourcen und übermäßiger Arbeitsbelastung schwierig sein können und sich dies auf die Art und Weise, wie Patienten und Frauen, die kurz vor der Geburt stehen, auswirken kann. Gleichwohl verurteilt sie alle Formen der Gewalt gegen Frauen, einschließlich der Gewalt in der Gynäkologie und der Geburtshilfe, und fordert, dass insbesondere im Rahmen der Gesundheitsversorgung alle erforderlichen Präventivmaßnah- men getroffen und die Menschenrechte aller gewahrt werden. 7. Der Verhütung und Bekämpfung von Gewalt in der Gynäkologie und der Geburtshilfe wird bislang noch keine Priorität beigemessen, jedoch lassen sich rücksichtsvolle und einfühlsame Methoden fördern, damit eine humane, respektvolle und menschenwürdige Behandlung und Unterstützung von Patienten und Frauen, die kurz vor der Geburt stehen, sichergestellt ist. Die Versammlung unterstützt in vollem Umfang die von der WHO ermittelten bewährten Verfahren und fordert deren Verbreitung in den Mitgliedstaaten des Euro- parates. 8. Angesichts dieser Erwägungen fordert die Versammlung die Mitgliedstaaten des Europarates auf, 8.1. Diskriminierung, gleich aus welchen Gründen, beim Zugang zur Gesundheitsversorgung ganz allge- mein vorzubeugen und sie zu bekämpfen; 8.2. dafür zu sorgen, dass während der ärztlichen Sprechstunden, der Behandlung und der Entbindung eine Versorgung stattfindet, bei der die Menschenrechte und die Menschenwürde geachtet werden; 8.3. die für Gesundheit und Gleichstellung zuständigen Ministerien dazu anzuhalten, zu den medizinischen Verfahren bei der Entbindung und Fällen von Gewalt in der Gynäkologie und der Geburtshilfe Daten zu erheben, zu diesem Thema Studien durchzuführen und diese zu veröffentlichen; 8.4. die von der WHO empfohlenen bewährten Verfahren zu verbreiten und die nationalen Ärztekammern zu bitten, dieses Thema zu erörtern und Empfehlungen auszusprechen, um Gewalt in der Gynäkologie und der Geburtshilfe vorzubeugen, insbesondere durch eine Kommission zur Förderung eines einfühl- samen Vorgehens in der Gynäkologie; 8.5. Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen zu Patientenrechten und zur Verhütung und Bekämp- fung von Sexismus und Gewalt gegen Frauen, namentlich von Gewalt in der Gynäkologie und der Geburtshilfe, durchzuführen; 8.6. Rechtsvorschriften über die nach vorheriger Aufklärung erfolgte Einwilligung von Patienten und ihr Auskunftsrecht in den verschiedenen Phasen medizinischer Verfahren zu beschließen und durchzu- führen, sofern dies noch nicht geschehen ist; 8.7. für eine angemessene Finanzierung von Gesundheitseinrichtungen zu sorgen, damit menschenwür- dige Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal, ein respektvoller und fürsorglicher Empfang von Patienten und Schwangeren und der Zugang zur Schmerzbehandlung gewährleistet sind; Drucksache 19/24612 – 38 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

8.8. für Fachärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe spezielle Schulungen anzubieten, in deren Rahmen für die Gewalt in der Gynäkologie und der Geburtshilfe sensibilisiert wird; 8.9. sicherzustellen, dass bei der Ausbildung von Ärzten, Hebammen und Pflegekräften besonderes Au- genmerk auf das Verhältnis zwischen medizinischem Personal und Patienten, das Konzept der Ein- willigung nach Aufklärung, die Gleichheit von Frauen und Männern, die Aufnahme von LGBTI-Per- sonen, Menschen mit Behinderungen und schutzbedürftigen Personen, die Kommunikation, die Ver- hütung von Sexismus und Gewalt und die Förderung eines humanen Versorgungsansatzes gelegt wird; 8.10. spezifische und leicht zugängliche Melde- und Beschwerdeverfahren für Opfer von Gewalt in der Gynäkologie und der Geburtshilfe innerhalb wie außerhalb der Krankenhäuser vorzuschlagen, z. B. im Wege von Ombudsperson; 8.11. ein Beschwerdeverfahren für Gewalt in der Gynäkologie und der Geburtshilfe vorzusehen, das jegli- che Vermittlung ausschließt, und – sofern dies noch nicht der Fall ist – Sanktionen für medizinische Fachkräfte vorzusehen, sollte sich eine Beschwerde wegen solcher Art von Gewalt als begründet her- ausstellen; 8.12. Opfern von Gewalt in der Gynäkologie und der Geburtshilfe Unterstützung anzubieten und sicherzu- stellen, dass sie versorgt werden; 8.13. soweit noch nicht geschehen, die Istanbul-Konvention zu unterzeichnen, zu ratifizieren und umzuset- zen; 8.14. die Empfehlung CM/Rec2019 (1) des Ministerkomitees zur Verhütung und Bekämpfung von Sexis- mus umzusetzen. 8.15. Die Versammlung fordert ferner die nationalen Parlamente auf, sich mit dem Schutz von Patienten- rechten im Zusammenhang mit der Versorgung und der Gewalt in der Gynäkologie und der Geburts- hilfe zu befassen, um zu einer öffentlichen Diskussion beizutragen und Tabus zu beseitigen. 8.16. Die Versammlung fordert nichtstaatliche Organisationen auf, ihre Maßnahmen zur Sensibilisierung und Aufklärung der Öffentlichkeit mit dem Ziel der Verhütung und Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen, namentlich von Gewalt in der Gynäkologie und der Geburtshilfe, weiter fort- zusetzen.

Entschließung 2307 (2019)17 Ein rechtlicher Status für „Klimaflüchtlinge”

1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre Entschließung 1655 (2009) und Empfehlung 1862 (2009) „Umweltbedingte Migration und Vertreibung: eine Herausforderung für das 21. Jahrhundert“ sowie auf die Antwort des Ministerkomitees (Dok. 11999) und stellt fest, dass Umweltfaktoren, darunter der Kli- mawandel, weiterhin dramatische Auswirkungen auf diejenigen haben, die Gefahr laufen, aufgrund von Na- tur- oder vom Menschen verursachten Katastrophen ihre essentiellen Lebensgrundlagen zu verlieren, die die Menschen zur Migration zwingen. 2. Die Versammlung begrüßt die rechtzeitige Erklärung des Menschenrechtskommissars des Europarates am Weltumwelttag (5. Juni 2019) mit dem Titel: „In einer sauberen Umwelt leben: eine vernachlässigte Men- schenrechtsfrage für uns alle“, die auf die 16 Rahmengrundsätze für Menschenrechte und Entwicklung ver- weist, die 2018 vom UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Entwicklung veröffentlicht wurden und in denen festgestellt wird, dass „Naturkatastrophen und andere Arten von Umweltschäden häufig Bin- nenvertreibungen und grenzübergreifende Migration verursachen, die Benachteiligungen verschärfen und zu zusätzlichen Menschenrechtsverletzungen und Missbräuchen führen können“ (Grundsatz 14 h).

17 Versammlungsdebatte am 3. Oktober 2019 (34. Sitzung) (siehe Dok. 14955, Bericht des Ausschusses für Wanderbewegungen, Flüchtlinge und Vertriebene, Berichterstatterin: Marie-Christine Verdier-Jouclas). Der Text wurde von der Versammlung am 3. Oktober 2019 (34. Sitzung) angenommen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 39 – Drucksache 19/24612

3. Die Versammlung ist der Ansicht, dass das Fehlen einer rechtsverbindlichen Definition des Begriffs „Klima- flüchtlinge“ nicht die Möglichkeit ausschließt, spezielle politische Maßnahmen zu entwickeln, um Menschen zu schützen, die infolge des Klimawandels zur Migration gezwungen sind. Menschliche Mobilität und Ver- treibung aufgrund einer Klimaverschlechterung erfordern eine bessere Antwort. Die Mitgliedstaaten des Eu- roparates sollten daher einen proaktiveren Ansatz im Hinblick auf den Schutz der Opfer von Natur- und vom Menschen verursachten Katastrophen verfolgen und die Mechanismen für die Katastrophenbereitschaft in Europa und in anderen Regionen der Welt verbessern. 4. Im Lichte der vorstehenden Erwägungen sollten die Mitgliedstaaten menschliche Migration als ein Instru- ment zur Stärkung der Lebensgrundlagen und als eine legitime Form der Anpassung an den Klimawandel anerkennen und folglich ihr Migrationsmanagement unter Berücksichtigung dieses Faktors überprüfen. Da Migration in bestimmten Fällen unvermeidbar ist, müssen die Staaten eine proaktive Haltung annehmen, um die Auswirkungen der Bevölkerungsbewegungen, die durch den Klimawandel verursacht werden könnten, besser zu identifizieren und zu antizipieren. 5. Die Versammlung fordert deshalb, folgende spezielle Maßnahmen auf kommunaler, nationaler und interna- tionaler Ebene zu ergreifen: 5.1. zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der lokalen Gemeinschaften 5.1.1. muss die Widerstandsfähigkeit der lokalen Gemeinschaften gemäß Ziel Nr. 11 der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen gestärkt werden. Genauer gesagt müssen bis 2030 die Zahl der Todesfälle deutlich reduziert und die durch Katastrophen verursachten unmittelbaren wirtschaftlichen Verluste im Verhältnis zum globalen Bruttoinlandprodukt we- sentlich verringert werden, was auch durch Wasser verursachte Katastrophen betrifft, wobei der Schwerpunkt auf den Schutz der Armen und von Menschen in prekären Situationen gelegt werden sollte; 5.1.2. müssen bis 2020 die Zahl der Städte und Siedlungen, die integrierte politische Maßnahmen und Pläne zur Förderung von Inklusion, Ressourceneffizienz, der Abschwächung des Klimawan- dels, von Klimaanpassungen und der Widerstandsfähigkeit gegenüber Katastrophen beschlie- ßen und umsetzen, wesentlich erhöht und gemäß dem Sendai-Rahmen für Katastrophenvor- sorge 2015-2030 ein ganzheitliches Katastrophenmanagement auf allen Ebenen entwickelt und umgesetzt werden; 5.1.3. müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Vorbereitung auf Katastrophen auf lokaler Ebene zu verbessern, wobei auf benachteiligte Bevölkerungsgruppen wie Kinder und Men- schen mit Behinderungen abzuzielen ist, die aktiv an den Planungs-, Gestaltungs- und Umset- zungsphasen des Katastrophenmanagements beteiligt werden sollten. Die Verantwortlichen für das Katastrophenmanagement (z. B. spezialisierte Experten auf diesem Gebiet) müssen ange- messen geschult und ausgebildet werden; 5.2. zur Verbesserung der Reaktionsfähigkeit und des Umgangs mit Katastrophen auf nationaler Ebene 5.2.1. sollten Maßnahmen zum Schutz der Menschen vor durch den Klimawandel verursachte Kata- strophen, die zu Vertreibung führen, Strategien zur Vorbereitung auf Katastrophen einschlie- ßen. Menschliche Mobilität muss auf allen Ebenen einbezogen werden. Als prioritäre Frage sollten spezielle Aktionspläne zur Umsetzung des Sendai-Rahmens für Katastrophenvorsorge 2015-2030 und der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung umgesetzt werden, und die von der Globalen Plattform der Vereinten Nationen zur Verbesserung der Katastrophenvorsorge vom 13. bis 17. Mai 2019 vorgelegten Empfehlungen sollten umgesetzt werden, mit besonde- rem Schwerpunkt auf dem Schutz benachteiligter Gruppen (Migranten, Asylbewerber, Flücht- linge, Menschen mit Behinderungen, Kinder); 5.2.2. sollte die Katastrophenvorsorge im Einklang mit den international vereinbarten Aktionsplänen, wie dem Aktionsrahmen von Hyogo 2005-2015, in die nachhaltigen entwicklungspolitischen Maßnahmen und in die nachhaltige Entwicklungsplanung integriert werden; 5.2.3. sollten die Institutionen, Mechanismen und Kapazitäten für den Aufbau von Resilienz gegen Gefahren und die Eingliederung von Vorsorgeansätzen in die Umsetzung der Notfallvorberei- tungs-, Reaktions- und Wiederaufbauprogramme gestärkt werden, z. B. dadurch, dass die Ka- Drucksache 19/24612 – 40 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

tastrophenvorsorge zu einer Priorität erklärt wird, die Gefahreninformation und die Frühwar- nung verbessert werden sowie eine Kultur der Sicherheit und der Resilienz aufgebaut wird, wodurch die Gefahren in wichtigen Sektoren verringert und die Vorbereitung auf eine effizi- ente Reaktion gestärkt werden; 5.2.4. sollten die Reizschwellen und Auslöser für Vertreibungen Gegenstand weiterer Studien sein, und zugleich sollten die multiplen Ursachen von Vertreibung anerkannt werden, was bedeutet, dass Klimawandel sowie Konflikt und Gewalt zusammenwirken; 5.3. zur Verbesserung der Koordinierung, Vermittlung und Finanzierung 5.3.1. sollten die Entwicklungen im internationalen Menschenrecht berücksichtigt werden mit dem Ziel, den allgemeinen Schutz der menschlichen Mobilität nach Umweltkatastrophen oder Kli- maänderungen zu stärken. Insbesondere die Umsetzung von Mechanismen wie der Konvention der Afrikanischen Union aus dem Jahr 2009 über Schutz und Hilfe für Binnenvertriebene in Afrika (Kampala-Konvention) sollte über europäische Entwicklungskooperationsprogramme gefördert werden; 5.3.2. muss die Verpflichtung zum Schutz von Binnenvertriebenen aus ökologischen Gründen in der Gesetzgebung aller Mitgliedstaaten als unmittelbar rechtlich wirksamer Schutz berücksichtigt werden. Die Aufnahme von Opfern von Naturkatastrophen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaa- ten sollte im nationalen Recht vorgesehen sein, unter anderem durch die Gewährung eines tem- porären Aufenthaltsstatus; 5.3.3. sollte die Schaffung eines internationalen Solidaritätsfonds für die Gewährung von Schutz für Menschen, die aufgrund von Klimakatastrophen zur Migration gezwungen waren, in Erwägung gezogen werden. Eine Zusammenarbeit mit der Entwicklungsbank des Europarates (CEB) könnte im Einklang mit der Erklärung der Europäischen Umweltschutzprinzipien erwogen werden, die am 30. Mai 2006 gemeinsam mit der Europäischen Kommission und mehreren anderen internationalen Finanzinstitutionen (EIB, EBRD, NEFCO, NIB) in einer gemeinsamen Anstrengung zur Umsetzung des Grundrechts derzeitiger und künftiger Generationen, in einer gesunden Umwelt zu leben, unterzeichnet wurden; 5.3.4. sollten Katastrophen- und Risikovorsorgestrategien umgesetzt werden und auf diese Weise die Resilienz und die Fähigkeit, sich klimatischen Gefahren und Naturkatastrophen anzupassen gestärkt werden; Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels sollten in die nationalen po- litischen Maßnahmen und die nationale Planung integriert und die Fortschritte regelmäßig überwacht werden; 5.3.5. sollten Bildung, Sensibilisierung und die Fähigkeit der Menschen und Institutionen zur Ab- schwächung, Anpassung und zur Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels entwi- ckelt werden, wobei der Schwerpunkt auf Frauen, junge Menschen und lokale und benachtei- ligte Gemeinschaften gelegt werden sollte; 5.3.6. sollte die von Seiten der Industrieländer, die dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nati- onen über Klimaänderungen beigetreten sind, eingegangene Verpflichtung auf ein Ziel, bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren, erfüllt werden, und der Grüne Klima- fonds sollte seine Arbeit umfassend aufnehmen können; 5.3.7. sollten umfassende interdisziplinäre Studien und Kooperationen zwischen Umwelt-, Migrati- ons-, Klimaforschungs- und Demographiezentren durchgeführt werden, um verlässliche Prog- nosedaten durch die Umwelt verursachter Migration zu erstellen; 5.4. Entwicklung von Schutz in den Asylsystemen der Mitgliedstaaten und im Völkerrecht für Menschen, die vor einem langfristigen Klimawandel in ihrem Herkunftsland fliehen. Die industrialisierten Mit- gliedstaaten des Europarates haben eine besondere Verantwortung für diese Länder, insbesondere für den „Globalen Süden“, der vom durch den Menschen erzeugten Klimawandel betroffen ist, und soll- ten daher geeignete Vorkehrungen für ein umfassendes Asyl für Klimaflüchtlinge treffen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 41 – Drucksache 19/24612

Entschließung 2308 (2019)18 Die Funktionsweise der demokratischen Institutionen in der Republik Moldau

1. Nach den Parlamentswahlen vom 24. Februar 2019, die zu einem Patt im Parlament führten, befand sich die Republik Moldau in einer bisher beispiellosen Situation: Am 7. Juni 2019 entschied das Verfassungsgericht der Republik Moldau, dass die Frist zur Bildung einer parlamentarischen Mehrheit abgelaufen war, gestützt – wie die Venedig-Kommission erklärte – auf eine neuartige Berechnung der in der Verfassung vorgesehe- nen Frist von drei Monaten. Am 8. Juni 2019 wurde zwischen der Partei der Sozialisten und dem ACUM- Block eine „vorübergehende politische Vereinbarung zur Deoligarchisierung Moldaus“ erzielt, was die Bil- dung einer parlamentarischen Mehrheit, die Wahl eines Parlamentspräsidenten und die Einsetzung einer Re- gierung ermöglichte. Noch am selben Tag erklärte das Verfassungsgericht diese Entscheidungen für verfas- sungswidrig und beschloss am 9. Juni 2019, den Staatspräsidenten, der sich geweigert hatte, der Forderung des Verfassungsgerichts nach einer Auflösung des Parlaments und der Anberaumung vorgezogener Neu- wahlen nachzukommen, vorübergehend seines Amtes zu entheben. Diese Entscheidungen des Verfassungs- gerichts stürzten das Land in eine politische und verfassungsrechtliche Krise und führten zu einem bislang nicht dagewesenen Machtdualismus. Es wurde eine neue Regierungskoalition im Parlament gebildet, wäh- rend die amtierende Regierung an der Macht blieb. Diese Situation veranlasste den Generalsekretär des Eu- roparates dazu, am 8. Juni 2019 eine Stellungnahme der Venedig-Kommission anzufordern. 2. In ihrer Stellungnahme vom 21. Juni 2019 befand die Venedig-Kommission, dass das Verfassungsgericht nicht die erforderlichen Voraussetzungen erfüllte, um eine Auflösung des Parlaments anzuordnen. Die Par- lamentarische Versammlung zeigt sich erfreut darüber, dass diese Stellungnahme maßgeblich zu einem Aus- weg aus der Krise beigetragen hat. Nach dem Rücktritt der amtierenden Regierung beschloss das Verfas- sungsgericht, seine umstrittenen Entscheidungen aufzuheben. 3. Die Versammlung bedauert zutiefst, dass diese Krise einen Schatten auf das Verfassungsgericht geworfen hat, das nicht im Einklang mit der Verfassung und seiner eigenen Rechtsprechung handelte, wodurch diese Institution in Verruf geriet. Sie fordert die neu gewählten Mitglieder des Verfassungsgerichts auf, das Ver- trauen in dieses Organ wieder herzustellen. 4. Angesichts des polarisierten Klimas in der Republik Moldau begrüßt die Versammlung den friedlichen Machtwechsel und die Widerstandskraft und Besonnenheit der moldauischen Bevölkerung, die durch ihre Stimme ihren Wunsch nach einem politischen Wechsel und ihre Erwartungen im Hinblick auf echte Verän- derungen klar manifestiert hat. Die politischen Kräfte, d. h. die Partei der Sozialisten und der ACUM-Block, die die Regierungskoalition bilden, vertreten ein breites Spektrum der moldauischen Wähler und vermochten es, sich trotz abweichender politischer Vorstellungen auf gemeinsame politische Ziele zu verständigen. 5. Die Versammlung nimmt zur Kenntnis, dass sich die neu gebildete Regierung vorrangig und gemäß einer „vorläufigen politischen Vereinbarung“ verpflichtet hat, das Land zu „deoligarchisieren“ und die Korruption zu bekämpfen. Die Versammlung würdigt die rechtmäßigen und notwendigen Schritte, um alle Merkmale eines „vereinnahmten Staates“ in den staatlichen Institutionen zu beseitigen. Gleichzeitig fordert die Ver- sammlung die moldauischen Behörden auf sicherzustellen, dass die einzuleitenden Maßnahmen es ihnen ermöglichen, das System zu reformieren und die demokratischen Institutionen schließlich zu konsolidieren. Die Versammlung betont außerdem, dass demokratische Prozesse gefördert werden sollten, und fordert das Parlament insbesondere auf, dafür zu sorgen, dass die Rechte der Opposition geachtet werden. 6. Die Versammlung begrüßt, dass Schritte unternommen wurden, um diejenigen zu ermitteln, die öffentliche Institutionen zugunsten privater, parteipolitischer oder wirtschaftlicher Interessen benutzt haben, und insbe- sondere die Einsetzung mehrerer Untersuchungsausschüsse durch das Parlament. Sie fordert die Justizbe- hörden auf, die Vorwürfe im Zusammenhang mit Fehlverhalten ernst zu nehmen und etwaige Straftaten gründlich zu untersuchen. Die Verantwortlichen sollten zur Rechenschaft gezogen und vor Gericht gestellt werden.

18 Versammlungsdebatte am 3. Oktober 2019 (34. Sitzung) (siehe Dok. 14963, Bericht des Ausschusses für die Einhaltung der von den Mitglied- staaten des Europarates eingegangenen Verpflichtungen (Monitoringausschuss), Ko-Berichterstatter: Maryvonne Blondin und Egidijus Varei- kis). Der Text wurde von der Versammlung am 3. Oktober 2019 (34. Sitzung) angenommen. Drucksache 19/24612 – 42 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

7. Die Versammlung erinnert daran, dass der Skandal um den „Bankenbetrug“, bei dem 2014 massenhaft Geld- summen aus dem Bankensystem illegal abgezweigt wurden, zu einer großen finanziellen Belastung für die moldauischen Bürger führte, da der Staat finanzielle Garantien geboten hatte. Die Versammlung bedauert, dass fünf Jahre danach die Ermittlungen keine konkreten Ergebnisse erbracht haben. Sie begrüßt deshalb die unlängst vom Parlament unternommenen Schritte zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungs- ausschusses, um die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Sie begrüßt die Veröffentlichung des Kroll-2-Prüf- berichts und fordert in diesem Zusammenhang nachdrücklich, dass alle Informationen den zuständigen Be- hörden zur Kenntnis gebracht werden. Die Versammlung erwartet nunmehr, dass alle verwickelten Personen vor Gericht gestellt werden. Sie fordert außerdem alle betroffenen Mitgliedstaaten des Europarates auf, mit der moldauischen Justiz beim Aufspüren und Eintreiben des gestohlenen Geldes umfassend zu kooperieren. 8. Die Versammlung stellt fest, dass die Behörden zu einem Umbau und einer Sanierung des Systems ent- schlossen sind. Obwohl eine große Versuchung besteht, Staatsbeamte, die angeblich für Einflussnahme und Druck von außen empfänglich waren, rasch zu entfernen, unterstreicht die Versammlung, dass die heute unternommenen rechtlichen Schritte zur „Deoligarchisierung“ des Landes erst auf lange Sicht Wirkung zei- gen werden und deshalb dazu beitragen sollten, die staatlichen Institutionen zu konsolidieren, ihre Unabhän- gigkeit zu stärken und dafür zu sorgen, dass die neuen Rechtsvorschriften und ihre Durchführung den Stan- dards des Europarates entsprechen. Sie fordert außerdem die moldauischen Behörden auf, Rechtsvorschrif- ten, die zur Überwindung von Blockaden als notwendig erachtet wurden, gegebenenfalls aufzuheben. 9. Die Versammlung stellt fest, dass durch die ab Juni 2019 getroffenen Maßnahmen das Vertrauen der inter- nationalen Geber wieder hergestellt wurde. Sie begrüßt die Wiederaufnahme der internationalen finanziellen Unterstützung durch die Europäische Union und den Internationalen Währungsfonds, die erheblich dazu beitragen könnte, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken, die Investitionen und Beschäftigungsmöglichkeiten zu steigern, die sozialen und ökonomischen Lebensumstände der Menschen in Moldau zu verbessern und ihnen starke Anreize zu geben, ihr Land nicht zu verlassen. 10. Die Versammlung nimmt die Reform des Justizwesens zur Kenntnis, die von den Behörden im August 2019 angekündigt wurde. Mit dieser Reform dürften die Wahl des Generalstaatsanwalts, die Zusammensetzung des Obersten Gerichtshofs, der Oberste Rat der Magistratur und der Oberste Rat der Staatsanwaltschaft grundlegende Veränderungen erfahren. Mit der Reform wird sich auch die Evaluierung von Richtern und Staatsanwälten ändern. Die Versammlung begrüßt die Entschlossenheit der Behörden, dringende Probleme anzugehen und das Vertrauen in das Justizwesen wieder herzustellen. Gleichzeitig erinnert sie daran, dass unbedingt sicherzustellen ist, dass durch die vorgeschlagenen Änderungen die Unabhängigkeit und Unpar- teilichkeit der Justiz- und Strafverfolgungsbehörden gestärkt wird und offene, transparente und leistungsori- entierte Einstellungsverfahren eingeführt werden. Die Versammlung ist besorgt darüber, dass die vor kurzem stattgefundene Ernennung der Richter für das Verfassungsgericht nicht völlig transparent war. Die Ver- sammlung ist besorgt, dass die vor kurzem vorgenommenen Änderungen der moldauischen Regierung nicht völlig im Einklang mit den Empfehlungen des Europarates stehen. Daher erwartet die Versammlung, dass die moldauischen Behörden den fachlichen Rat des Europarates und insbesondere der Venedig-Kommission einholen, um sicherzustellen, dass die vorgeschlagenen Änderungen von Bestand sind und den Standards des Europarates entsprechen. 11. Die Versammlung fordert die moldauischen Behörden ferner auf, 11.1. dafür zu sorgen, dass für Entlassungs- und Einstellungsverfahren in öffentlichen Verwaltungen und Institutionen eindeutige und offene Kriterien gelten, um so die Transparenz und Rechenschaftspflicht der staatlichen Institutionen zu verbessern; 11.2. die Arbeitsweise des Nationalen Justizinstituts zu überprüfen und dafür zu sorgen, dass die Aus- und Weiterbildung darauf abzielt, künftige Richter und Staatsanwälte besser in die Lage zu versetzen, unabhängig zu agieren; 11.3. alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um alle bestehenden politisch motivierten Strafprozesse gegen politische Aktivisten und deren Rechtsanwälte zu beenden, die von dem früheren System infolge der politischen Einmischung in die Justiz und die Strafverfolgung eingeleitet wurden, wie im Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrechte (Dok. 14405) erwähnt. 12. Die Versammlung betont, dass das Justizwesen gestärkt werden muss, da sich aufgrund seiner Defizite Geld- wäschesysteme (sogenannte „Geldwaschsalons“) entwickeln konnten. Die Versammlung erinnert an ihre Entschließung 2279 (2019) „Geldwaschsalons: den neuen Herausforderungen beim internationalen Kampf Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 43 – Drucksache 19/24612

gegen das organisierte Verbrechen, Korruption und Geldwäsche begegnen“ und wiederholt ihre Aufforde- rung an die moldauischen Behörden, Rechtsvorschriften wie „Steueramnestien“ oder „Goldene-Visa“-Pro- gramme, die die Geldwäsche befördert haben, aufzuheben und Bestimmungen einzuführen, die verhindern, dass Personen, die wegen schwerer Straftaten wie etwa Korruption und Geldwäsche angeklagt oder verurteilt wurden, ein öffentliches Amt antreten oder ausüben. 13. Die Versammlung erinnert daran, dass Korruption in der Republik Moldau nach wie vor ein weit verbreitetes Phänomen ist. Die Versammlung begrüßt, dass am 24. Juli 2019 der Umsetzungsbericht der Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) für 2018 veröffentlicht wurde, in dem über die Maßnahmen zur Kor- ruptionsprävention bei Richtern, Staatsanwälten und Parlamentsabgeordneten Bilanz gezogen wurde. Sie fordert die moldauischen Behörden nachdrücklich auf, bei der Korruptionsbekämpfung entschlossen vorzu- gehen und die GRECO-Empfehlungen von 2016 und 2018 umzusetzen. Die Versammlung fordert insbeson- dere das moldauische Parlament auf, entsprechend den 2016 von GRECO ausgesprochenen Empfehlungen einen Ehrenkodex, Verhaltenskodex und Geschäftsordnungskodex anzunehmen. 14. Nach der Änderung des Wahlrechts und der Abschaffung des gemischten Wahlsystems im August 2019 entsprechend den Empfehlungen der Venedig-Kommission begrüßt die Versammlung die eingeleiteten Maß- nahmen zur Verbesserung der Transparenz bei der Wahlkampffinanzierung, zur Senkung der Sperrklauseln und zur Verbesserung der Möglichkeiten für die Diaspora, ihr Stimmrecht auszuüben. Sie fordert die mol- dauischen Behörden auf, den 2018 formulierten Empfehlungen des Ad-hoc-Ausschusses der Versammlung zur Wahlbeobachtung und den Stellungnahmen der Venedig-Kommission zur Parteien- und Wahlkampffi- nanzierung (2017) bzw. zum Wahlsystem (2017) nachzukommen. 15. Die Versammlung ruft die Behörden der Republik Moldau auf sicherzustellen, dass die Reform des Jus- tizsystems und des Büros der Staatsanwaltschaft in vollem Einklang mit den Normen des Europarates durch- geführt wird, um die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit zu erreichen und dem bisher vorherrschenden selektiven Justizsystem ein Ende zu setzen. Mit einer solchen Reform wird auch für den rechtlichen Schutz grundlegender Menschenrechte einschließlich der Frauenrechte gesorgt. In diesem Zusammenhang legt die Versammlung den moldauischen Behörden nahe, das 2017 vom Land unterzeichnete Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (SEV Nr. 210, „Istanbul-Konvention“) zu ratifizieren. Die Versammlung begrüßt in dieser Hinsicht die vom Staatspräsi- denten zum Ausdruck gebrachte Unterstützung für die Ratifizierung. 16. Die Versammlung begrüßt die Bereitschaft der moldauischen Behörden, die 5+2-Verhandlungen, an denen die Republik Moldau, die De-facto-Behörden Transnistriens, die OSZE, die Russische Föderation und die Ukraine beteiligt sind, fortzusetzen, um eine friedliche Beilegung des Transnistrien-Konflikts zu erzielen. Die Versammlung bekräftigt ferner erneut ihre uneingeschränkte Unterstützung der territorialen Unversehrt- heit der Republik Moldau und ihre Forderung an die Russische Föderation, im Einklang mit der Entschlie- ßung 1896 (2012) „Die Einhaltung der Pflichten und Zusagen durch die Russische Föderation“ ihre Truppen und Ausrüstung vom moldauischen Staatsgebiet abzuziehen. In diesem Zusammenhang begrüßt die Ver- sammlung alle Initiativen, die in einem ersten Schritt zur Auflösung der Munitionsbestände in der Region Transnistrien in der Republik Moldau führen könnten. 17. Die Versammlung legt den moldauischen Behörden nahe, ihre Zusammenarbeit mit dem Europarat, insbe- sondere mit der Venedig-Kommission, fortzusetzen und seine Expertise, namentlich bei der Reform der Jus- tiz, der Staatsanwaltschaft und der Antikorruptionsgesetzgebung, zu nutzen. Sie beschließt, die laufenden Entwicklungen im Rahmen ihres Monitoringverfahrens weiter zu beobachten. 18. Im Zusammenhang mit den Kommunal- und Parlamentswahlen, die am 20. Oktober 2019 stattfinden sollen, ruft die Versammlung die Behörden der Republik Moldau auf sicherzustellen, dass die Wahlen im Einklang mit den beispielhaften Vorgehensweisen und Normen des Europarates organisiert werden. Drucksache 19/24612 – 44 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Entschließung 2310 (2019)19 Arbeitsmigration aus Osteuropa und ihre Auswirkungen auf die soziodemographischen Prozesse in diesen Ländern

1. Die Arbeitsmigration aus osteuropäischen Ländern in die Europäische Union und andere europäische Länder ist ein komplexes Phänomen mit sowohl positiven als auch negativen Folgen für die Herkunftsländer. Zu den positiven Effekten gehören die Verringerung der Arbeitslosigkeit und der daraus resultierenden sozialen Spannungen, der ständige Zufluss von Geldsendungen, die auf individueller Ebene den Lebensstandard der Familien zu Hause anheben und auf nationaler Ebene die Handelsbilanz der Herkunftsländer verbessern, mögliche Investitionen in gemeinsame Unternehmen, Förderung der Kultur dieser Länder im Ausland usw. 2. Es gibt darüber hinaus auch negative Folgen, die nicht ignoriert werden können. Einige Länder erleben eine Abwanderung von hochqualifizierten Arbeitskräften, einen Rückgang der Bevölkerungszahl oder fehlende Beiträge zu den Sozialfonds, was langfristig zu Problemen führen kann. Die entsendenden Länder könnten vor schwerwiegenden sozialen Problemen in den Familien und lokalen Gemeinschaften stehen. Die Lage von Kindern, die von ihren Eltern zurückgelassen werden, weil sie ausgewandert sind, um zu arbeiten, ist besonders besorgniserregend. 3. Die Parlamentarische Gesellschaft ruft zu konzertierten Maßnahmen sowohl der entsendenden als auch der aufnehmenden Länder auf, um die negativen Auswirkungen der Arbeitsmigration für die Herkunftsländer zu mildern, dabei jedoch alles Notwendige zu tun, um die positive Aspekte zu wahren.# 4. Die Versammlung fordert die nationalen Parlamente auf, die Fortschritte bei der Umsetzung der revidierten Europäischen Sozialcharta (SEV Nr. 163) regelmäßig zu überwachen und in diesem Zusammenhang allen Bestimmungen von Artikel 19 der überarbeiteten Charta spezielle Priorität einzuräumen; sie ruft diejenigen Länder, die es noch nicht getan haben, auf, die überarbeitete Charta zu ratifizieren. 5. Im Hinblick auf die entsendenden Länder 5.1. ruft die Versammlung die nationalen Parlamente auf, die Lage in den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Arbeitsmigration regelmäßig zu überprüfen und die negativen Auswirkungen dieser Migration zu mildern, auch durch die Schaffung von Arbeitsplätzen in Sektoren, in denen Arbeitsmigranten im Ausland beschäftigt sind, die Bekämpfung von schlechten Managementpraktiken und Korruption, die Einführung von Gesetzesreformen, die die Rückkehr qualifizierter Arbeitnehmer fördern, sowie die Verhinderung von Menschenhandel und des Schleppens von Migranten, insbesondere Frauen; 5.2. ruft die Behörden in den entsendenden Ländern auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um benach- teiligte Bevölkerungsgruppen zu unterstützen, insbesondere Familien, die vom Weggang einer pri- mären Bezugsperson, insbesondere der Mutter, betroffen sind; dies dient der Vermeidung von Fami- lienkrisen, einer Schwächung der Beziehung zwischen Eltern und Kindern und der Gefahr einer Tren- nung auf unbestimmte Zeit, die eine Entfremdung der Kinder von ihren Eltern erzeugen und insgesamt langfristige negative psychosoziale Folgen haben könnten; 5.3. ruft zu einer Verbesserung der Sozialfürsorge- und Unterstützungssysteme auf, um das Verlassen und die Vernachlässigung von Kindern, die von ihren im Ausland arbeitenden Eltern zurückgelassen wur- den, zu verhindern, was für ihre Entwicklung schädlich ist. Darüber hinaus sind spezielle Maßnahmen erforderlich, um das Erwachsenwerden dieser Kinder zu begleiten. Systeme wie „SOS Familie“ soll- ten unterstützt werden, die es Kindern ermöglichen, so lange zu bleiben, bis sie wieder mit ihren Eltern vereint werden können. Alle Maßnahmen müssen im Interesse des Kindeswohls erfolgen; 5.4. ruft dazu auf, Maßnahmen zu treffen, die dafür sorgen, dass Kinder, die aufgrund der Beschäftigung ihrer Eltern im Ausland zurückgelassen werden, nicht die Schule abbrechen oder Gefahr laufen, ihr Bildungsniveau zu senken. In diesem Zusammenhang sollte gegebenenfalls spezielle psychologische Unterstützung und Beratung gewährt werden;

19 Versammlungsdebatte am 4. Oktober 2019 (35. Sitzung) (siehe Dok. 14956, Bericht des Ausschusses für Wanderbewegungen, Flüchtlinge und Vertriebene, Berichterstatter: Marian Stroe). Von der Versammlung am 4. Oktober 2019 (35. Sitzung) verabschiedeter Text. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 45 – Drucksache 19/24612

5.5. ruft die staatlichen Behörden auf, Unterstützungssysteme für potenzielle Arbeitsmigranten einzurich- ten, die klare Informationen über die Gelegenheiten und Gefahren im Zusammenhang mit der Arbeits- migration geben, auch über öffentliche Aufklärungskampagnen. Es sollten Kommunikationskanäle, auch in ländlichen Gebieten, geschaffen werden, um Arbeitsmigranten über neue Möglichkeiten in ihren Heimatländern zu informieren; 5.6. schlägt vor, dass die Regierungen politische Maßnahmen zur Erleichterung der Rückkehr und der Wiederansiedlung der Arbeitsmigranten in ihren Herkunftsländern verabschieden und dass sie ihre im Ausland erworbene Berufserfahrung anerkennen und validieren; 5.7. ruft die Mitgliedstaaten auf, andere spezielle Maßnahmen und bewährte Verfahren zu erwägen, wie lokale Migrationsschwerpunkte, die als Bindeglieder zwischen der Diaspora und ihren Herkunftsge- meinschaften fungieren, Datenbanken, die die Auswirkungen der Migration abbilden und die Identi- fizierung von Investitionsmöglichkeiten erlauben; die Befragung von Migranten zu lokalen Prioritäten und die Integration ihrer Vorschläge in die Entwicklungspläne; die Schaffung von Heimatsortgemein- schaften, die die lokalen Regierungen, die lokalen Bevölkerungsgruppen, Binnenmigranten und die Diaspora zusammenbringen, um im Hinblick auf lokale Entwicklungsinitiativen zusammenzuarbeiten sowie die Transparenz zu stärken und Vertrauen zwischen der Diaspora und den lokalen Regierungen in den Prozess aufzubauen. 6. Aufgrund der Tatsache, dass die meisten entsendenden Länder nicht Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, fordert die Versammlung die Institutionen der Europäischen Union auf, gleichermaßen die positiven wie die negativen Folgen der Arbeitsmigration bei der Gestaltung ihrer politischen Maßnahmen im Hinblick auf die Arbeitsmobilität zu berücksichtigen. Sie ruft die Institutionen der Europäischen Union auf, spezielle Maßnahmen in ihre Kooperationsprogramme und Aktionspläne für Mitgliedstaaten des Europarates, die der Europäischen Union nicht angehören und aus denen die Arbeitsmigranten in der Europäischen Union stam- men, zu integrieren. 8. Im Hinblick auf die aufnehmenden Länder ruft die Versammlung dazu auf, 8.1. alle Anstrengungen zu unternehmen, um der inoffiziellen Arbeitsmigration ein Ende zu setzen, die in den schlimmsten Fällen zu Formen moderner Sklaverei und des Menschenhandels führen kann, wie die Gruppe der Staaten gegen Menschenhandel (GRETA) des Europarates festgestellt hat; 8.2. dass staatliche Behörden größere Anstrengungen zur Integration von Arbeitsmigranten unternehmen, um die positiven Auswirkungen der Arbeitsmigration zu verstärken, Vielfalt und ein besseres Zusam- menleben zu fördern und zu versuchen sicherzustellen, dass derartige Prozesse selbstverständlich und auf natürliche Weise in das alltägliche Funktionieren europäischer Gesellschaften eingebettet werden; 8.3. die soziale Integration von Arbeitsmigranten mithilfe auf sie zugeschnittener Maßnahmen zu verbes- sern, die in den Sprachen der entsendenden Länder verfügbar sein und über verschiedene Kanäle kommuniziert werden sollten, auch durch Diaspora-Organisationen und die sozialen Medien; 8.4. den Rahmen für die Anerkennung der Qualifikationen von Staatsangehörigen aus Drittstaaten und die damit verbundenen Unterstützungsverfahren für die berufliche Eingliederung zu verbessern; 8.5. Vorkehrungen zu treffen, damit die nationalen Rentensysteme auch temporäre Arbeitsmigranten ein- schließen, und für Garantien zu sorgen, damit die von ihnen erworbenen Arbeitnehmerrechte beibe- halten werden. 9. Die Versammlung ruft die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf, 9.1. EU-weite Datenbanken für die passgenaue Besetzung von Arbeitsplätzen zu entwickeln, die mit den Kanälen und Systemen für die Arbeitsmigration vereinbar sind; 9.2. die Möglichkeiten für die Mobilität innerhalb der Europäischen Union zu erhöhen und dazu Hinder- nisse wie Einkommensanforderungen für Saisonarbeiter, Studierende mit Hochschulabschluss und anderen rechtmäßig ansässigen Staatsangehörigen aus Drittländern abzubauen; 9.3. die Verwaltungsverfahren und die Übertragbarkeit von Arbeits- und Aufenthaltsrechten zu harmoni- sieren, was ein gewisses Maß an Standardisierung z. B. für die Testverfahren und Bewerbungsformu- lare für Arbeitsmigranten ermöglichen würde. 10. Die aufnehmenden Länder sollten darüber hinaus Flüchtlingen ermöglichen, Zugang zu besseren Systemen für die Arbeitsmigration in der Europäischen Union zu erhalten. Die Versammlung ruft zu einer stärkeren Drucksache 19/24612 – 46 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Anwendung der Europaratsinitiativen zur Anerkennung der Qualifikationen von Flüchtlingen, insbesondere des Europäischen Qualifikationspasses für Flüchtlinge, auf. 11. Abschließend verweist die Versammlung auf ihre Entschließung 2175 (2017) und ihre Empfehlung 2109 (2017) „Migration als Chance für die europäische Entwicklung“ und ruft die nationalen Parlamente auf, die Fortschritte zur Verwirklichung der darin enthaltenen Empfehlungen zu überprüfen. Sie bekräftigt erneut ihre Aufforderung, die Zusammenarbeit zwischen dem Europarat, der Internationalen Organisation für Mig- ration (IOM), der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), der OECD und der Europäischen Union zu verstärken mit dem Ziel, ein positives Image von Migranten in Europa zu fördern und zu diesem Zweckge- meinsame Aktivitäten in den Bereichen der menschlichen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu entwickeln. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 47 – Drucksache 19/24612

VII. Reden der Delegationsmitglieder20

Ansprache des Ministerkomitees Fragen an Frau Amélie de Montchalin, Staatssekretärin für europäische Angelegenheiten beim Minister für Europa und auswärtige Angelegenheiten sowie Beauftragte für die deutsch-französische Zusammen- arbeit Abgeordneter Andrej Hunko Vielen Dank Frau de Montchalin. Meine Frage zielt auch auf den Beitritt der EU zur Menschenrechtskonvention. Wir haben ja am 1.12. den 10. Jahrestag des Lissabonvertrages, wo ja der Beitritt festgeschrieben ist. Eigentlich ist es eine Schande, dass das bisher nicht vollzogen wurde. Der EuGH in Luxemburg hat ja hohe Hürden einge- zogen, die man auch, denke ich, jetzt nicht alle akzeptieren kann. Aber es bewegt sich viel. Am 7.10. treffen sich die EU-Justizminister dazu. Wenn Sie vielleicht noch einmal konkret beschreiben könnten, wie wir aus der Sack- gasse, was diesen Beitritt angeht, herauskommen. Vielen Dank.

Antwort von Frau Amélie de Montchalin21 Vielen Dank, mein Herr. Ich denke, die Frage ist der vom Vorredner gestellten ziemlich ähnlich. Insbesondere der Bericht des Ausschusses vom Juni ermöglicht es uns, einen Weg aus der Sackgasse zu finden. Natürlich muss uns der Europäische Minis- terrat noch grünes Licht geben, damit wir so vorgehen können. Seien Sie sich gewiss, dass Frankreich dieses Vorgehen voll und ganz unterstützt. Ich glaube, dass der Präsident der Republik morgen ebenfalls Gelegenheit haben wird, unser Engagement zu bekräftigen. Ich denke, für die Bürger ist es wichtig, dass unsere Systeme zusammenarbeiten. Sie würden nicht verstehen, weshalb zwei europä- ische Institutionen, die heute über Beständigkeit und Glaubwürdigkeit verfügen – wie die Europäische Union und der Europarat – nicht zusammenarbeiten, um ihre Rechte einheitlich und daher sehr konkret zu schützen. Ich glaube, dass es nun am Ministerrat der Europäischen Union liegt, sich dieser Frage anzunehmen und sie voranzu- treiben. Ich glaube auch, dass speziell die Richter des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg bereits in der Lage sein sollten, vor diesem Hintergrund Protokoll 16 zu aktivieren und den Gerichtshof in Straßburg zu ersuchen, sicher- zustellen, dass die Urteile beider Gerichtshöfe konvergieren.

Tätigkeitsbericht des Präsidiums und des Ständigen Ausschusses (Dok. 14968, Dok. 14968 Add. 1, Dok. 14968 Add. 2, Dok. 14970) Abgeordneter Dr. Andreas Nick Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich in diesem Tagesordnungspunkt, der ja den Titel Fortschrittsbericht trägt, auf einen Punkt noch einmal zu sprechen kommen, den die Berichterstatterin heute Morgen ja auch angesprochen hat und der auch gerade in der Diskussion noch mal eine Rolle gespielt hat. Wir haben im Januar in einer Dringlichkeitsdebatte, bei der ich auch der zuständige Berichterstatter war, uns mit den Ereignissen im Asowschen Meer an der Straße von Kertsch auseinandergesetzt. Wir haben eine Resolution verabschiedet, 2259, mit der wir insbesondere auch die Freilassung der 24 ukrainischen Marinesoldaten gefordert haben, die bei diesen Vorkommnissen in Gefan- genschaft gerieten. Sie werden es alle verfolgt haben: am 7. September ist es zu einem Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation gekommen, bei der auf beiden Seiten 35 Personen ausge- tauscht wurden. Darunter waren auch die 24 Marinesoldaten, deren Freilassung wir im Januar gefordert haben. Insofern können wir an dieser Stelle Vollzug melden für das, was wir gefordert haben. Ich darf auch daran erin- nern, dass auch Oleg Senzow unter den Freigelassenen war, ein Filmemacher aus der Ukraine. Auch dessen Frei- lassung haben wir mehrfach in dieser Versammlung gefordert; zuletzt im Juni 2018 in einem Bericht des Kollegen Zingeris; und Oleg Senzow war bereits in der vergangenen Woche in Berlin. Er ist diese Woche auch hier in

20 Auszug aus dem vom Generalsekretariat der Parlamentarischen Versammlung des Europarates erstellten Wortprotokoll deutschsprachiger Re- debeiträge 21 Übersetzung Drucksache 19/24612 – 48 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Straßburg und er steht für unsere Gespräche zur Verfügung. Insofern – glaube ich – ist das etwas, was wirklich verdient unter dem Namen Fortschrittsbericht rubriziert zu werden. Ich will nicht verhehlen, dass wir mit einiger Besorgnis sehen, dass im Gegenzug eben auch der möglicherweise zentrale Zeuge für den Abschuss der MH17 von der Ukraine in die Russische Föderation ausgetauscht wurde. Ich darf in diesem Zusammenhang noch mal daran erinnern, dass wir auch weiterhin die Forderung stellen, dass voll und ohne Bedingungen bei der Aufklärung kooperiert wird mit dem Joint Investigation-Team und den niederländischen Behörden. Der Kollege Omtzigt hat es ja vorhin auch angesprochen. Aber ich will das auch noch mal in den breiteren Kontext stellen. Ich will noch mal darauf hinweisen, dass wir sicherlich auch mit unseren Entscheidungen hier im April und im Juni zumindest mal den Kontext auch mitgestaltet haben unter dem dieser Gefangenenaustausch möglich war. Ich hoffe mir davon eben auch einen Impuls nach vorne für die weitere Deeskalation der Situation in der Ostukraine, für den Austausch der restlichen Gefangenen auf beiden Seiten und für eine Wiederbelebung auch des Minsk-Prozesses. Wir erwar- ten ja vielleicht noch in diesem Jahr einen Gipfel auch im sogenannten Normandie-Format. Ich würde mir wün- schen, dass wir auch mit den Möglichkeiten, die wir als parlamentarische Versammlung haben, jetzt auch nach Rückkehr der Kollegen aus der Russischen Föderation – dass wir diesen Prozess auch hier konstruktiv begleiten; die Möglichkeiten zum Austausch nutzen. Es ist bedauerlich, dass die ukrainische Delegation diese Woche nicht hier erschienen ist, aber ich werde auch im politischen Ausschuss anregen, dass wir überlegen, wie wir diesen Prozess nach vorne auch als Parlamentarische Versammlung weiter begleiten können. Herzlichen Dank.

Abgeordneter Andrej Hunko Vielen Dank Herr Präsident. Der Fortschrittsbericht, da möchte ich mich erst einmal bei Frau Nicole Trisse für die Präsentation bedanken. Sie haben auch viele wichtige Punkte angesprochen. Es ist ja immer so, wenn wir alle drei Monate hier den Fort- schrittsbericht diskutieren, dass man Entwicklungen sieht, die tatsächlich ein Fortschritt sind. In anderen Berei- chen kann man da Fragezeichen dransetzen. Ich will auch die Punkte noch mal betonen, die Sie angesprochen haben, dass es doch seit der letzten Sitzung einige Fortschritte gegeben hat im russisch-ukrainischen Verhältnis – in den Beziehungen, z. B. diesen Gefangenenaustausch. Der ist sicherlich sehr positiv, inklusive der 24 sogenann- ten Seeleute, die ausgetauscht worden sind – der ukrainischen Seeleute. Auch, dass unser Kollege Frank Schwabe jüngst Grozny besuchen konnte, nach vielen Jahren zum ersten Mal, ist sicherlich positiv zu werten. Gleichwohl muss man sagen – Sie haben den Bericht meines Fraktionskollegen Nicolini heute Morgen gehört – dass natürlich die Absage der Wahlbeobachtungsmission des Europarates in der Ukraine und auch die Nichtteilnahme der ukra- inischen Delegation so eigentlich nicht akzeptabel ist. Ich will das mal sagen als deutscher Abgeordneter, der einen ukrainischen Hintergrund hat: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass gerade die Ukraine und auch die Län- der, die sozusagen auch zwischen Russland und den EU-Staaten liegen, am meisten am Ende profitieren würden, wenn es zu einer Verbesserung der Beziehung kommt. Lassen Sie mich noch kurz einige Punkte ansprechen, die noch nicht erwähnt worden sind und die besorgniserregend sind. Ich rede von der Absetzung der gerade im Früh- jahr gewählten Bürgermeister in einigen Großstädten in der Türkei, in Diyarbakir, Mardin und Van und die Er- setzung durch Gouverneure; und auch der kontinuierliche Missbrauch von Interpol im Rahmen von politischer Verfolgung durch verschiedene Staaten, aber auch durch die Türkei, und hier insbesondere den Fall Ismet Kilic. Ein Deutscher, der gegenwärtig in slowenischer Auslieferungshaft ist. Das wäre die erste Auslieferung mit poli- tischem Hintergrund auf Grundlage des europäischen Auslieferungsabkommens. Ich finde, das sollte nicht sein. Lassen Sie mich zum Schluss auch noch erwähnen, dass nach wie vor drei gewählte spanische Abgeordnete nicht beim Europaparlament teilnehmen können, weil ihnen vorgeworfen wird, in der katalanischen Unabhängigkeits- bewegung zu sein. Ich finde, gewählte Abgeordnete sollten in den Parlamenten arbeiten und nicht im Gefängnis sitzen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Verbesserung des Schutzes von Whistleblowern (Hinweisgeber) in ganz Europa (Dok. 14958) Abgeordneter Axel Schäfer Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich reden wir bei diesem wichtigen Bericht über etwas Selbstverständliches: nämlich über die Wahrneh- mung staatsbürgerlicher Rechte. Aber in Wirklichkeit reden wir auch über eine Haltung, nämlich über Zivilcou- rage. Bertolt Brecht hat einmal gesagt: „Es ist viel gewonnen, wenn einer aufsteht und ‘nein‘ sagt“. Wir haben Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 49 – Drucksache 19/24612

viele Beispiele, meine Kolleginnen und Kollegen, Vorredner haben sie schon einzeln benannt, wo man das per- sönlich nachvollziehen konnte, was gelungen ist, was misslungen ist, und auch unter welchem Druck diejenigen gestanden haben, die Dinge öffentlich gemacht haben. Deshalb ist es eine große Verpflichtung für uns hier in der Parlamentarischen Versammlung, möglichst eine große Übereinstimmung zu entwickeln, die auch Ergebnis eines langen Weges an Diskussionen hier ist. Und gleichzeitig und selbstverpflichtend in unseren Mitgliedstaaten – da wo das nötig ist, und ich glaube, es ist vielfach noch nötig – auch Änderungen herbeizuführen. Sie wissen ja alle: man muss bei sich selbst anfangen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Urteil Heinisch gegen Deutschland festgestellt, dass es in der Bundesrepublik zu geringen Schutz gibt; das heißt, es ist eine Selbstverpflichtung auch an die hier tätigen Bundestagsabgeordneten, sich dort verstärkt zu engagieren. Es ist, da danke ich dem Kollegen Schennach aus- drücklich, genauso notwendig darauf hinzuweisen, dass es bei ausländischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern auch im Problemfall das Recht auf politisches Asyl gibt, und dass wir das gewährleisten müssen. Auch das ist für uns, glaube ich, eine wichtige Selbstverpflichtung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Whistleblower ist ja ein neues Wort, Dinge an die Öffentlichkeit zu bringen aber schon ein älterer Prozess. Wir haben jetzt 90 Jahre nach Carl von Ossietzky – der berühmte Journalist hat in der Weltbühne 1929 offengelegt, was man offenlegen konnte; also staatsbürgerliche Pflicht: dass die deutsche Reichswehr geheim aufrüsten wollte, also Verstoß gegen den Vertrag von Versailles und gleichzeitig die Vorbe- reitung eines Angriffskrieges. Das war wichtig und richtig. Ossietzky hat letztendlich bei den Nazis da mit dem Leben bezahlt; er hat aber vorher den Friedensnobelpreis bekommen. Und es ist wichtig für uns, dass wir sowohl hier entscheiden, als auch dass wir uns an Vorbildern orientieren; und er ist ein Guter für uns hier und in Europa.

Ansprache von Herr Emmanuel Macron, Präsident der französischen Republik Abgeordneter Frank Schwabe Monsieur le Président. Vielen Dank. Ich will mich herzlich bedanken für die französische Präsidentschaft. Sie haben es erwähnt: Wir führen eigentlich diesen Europarat in eine neue Zeit. Russland ist wieder da, aber wir haben verabredet, dass wir einen neuen Me- chanismus schaffen, um den Ländern zu begegnen, die sich hier nicht an die Regeln halten. Ich kann nur ermun- tern, diesen Weg auch weiterhin konsequent zu gehen. Ich will aber eine ähnliche Frage stellen, wie die Kollegin Bakoyannis. Ich glaube, es ist eine europäische Schande - und es gilt allen europäischen Staaten die Frage -, dass Menschen im Mittelmeer sterben. Die Frage der Seenotrettung: Wir haben 928 ums Leben gekommene Menschen bereits in diesem Jahr – vielleicht sterben gerade wieder Menschen im Mittelmeer. Ich will Sie fragen, wie wir damit umgehen. Die deutsche Bundeskanzlerin Frau Merkel hat vorgeschlagen, eine neue EU-Mission ins Leben zu rufen, eine staatliche Seenotrettung, und ich will fragen, wie Frankreich dazu steht. Antwort von Präsident Macron22 Vielen Dank, mein Herr, für Ihre Anmerkungen. Sie sprachen den Seenotrettungsmechanismus an, einen weiteren Aspekt der Migrationspolitik. Dies betrifft insbesondere das zentrale Mittelmeergebiet und das libysche Meer. Ich habe mich niemals auf Diskussionen über Zahlen einlassen wollen. Jeder Mensch, der im Mittelmeer sein Leben verliert, ist eine Schande für uns alle, und dies gilt umso mehr, wenn es auf unser kollektives Versagen zurückzu- führen ist. Die Verantwortlichkeiten sind klar. Zuerst einmal muss vermieden werden, den Netzwerken von Menschen- schmugglern in die Hände zu spielen. Sie sind die ersten Schuldigen für das, was passiert; sie versprechen jungen Menschen – jungen Erwachsenen oder kleinen Kindern, die in der Elfenbeinküste, Guinea, dem Senegal, Mali oder anderen Ländern leben, dass sie nur in Europa eine Zukunft haben, daher durchqueren sie die Sahara, die Sahelzone und verbringen in vielen Fälle mehrere Monate in Libyen, bevor sie ihr Leben riskieren und das Mit- telmeer überqueren. Daher müssen wir einen schonungslosen Kampf gegen diese organisierten Gruppen führen. Wir haben mit dem UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration sowie der Afrikanischen Union zusammen, um zu versuchen, dieses Problem der unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen anzugehen, in denen zu leben die Menschen in Libyen gezwungen sind.

22 Übersetzung Drucksache 19/24612 – 50 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Im Juli letzten Jahres kamen in Frankreich nach dem Treffen in Helsinki die Innen- und Außenminister gemein- sam mit dem UNHCR und der IOM zusammen, um die Anschläge auf Flüchtlingslager zu verurteilen und gleich- zeitig, wie Ende 2017 geschehen, die Voraussetzungen festzulegen, damit Asylbewerber, deren Asylantrag vor- liegt, sicher und mit der von ihnen benötigten Hilfe in ihr Herkunftsland zurückkehren können. Wir haben diese Initiative am 28. August 2017 in Zusammenarbeit mit einer Reihe von Transitländern aus Afrika ins Leben geru- fen. Sie wurde von Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Gentiloni sowie mehreren anderen europäi- schen Regierungschefs unterstützt. Die höchste Priorität ist es, diejenigen zu unterstützen, die ein Recht auf Asyl haben, und wir müssen sicherstellen, dass sie über einen sicheren Ort in den Transitländern verfügen. In Niger ist uns das bereits gelungen. Wenn es um Mechanismen für die Seenotrettung geht, ist es in vieler Hinsicht bereits zu spät. Das heißt, wenn Flüchtlinge versuchen, das Meer zu überqueren, ist es zu spät. Wir haben jedoch eine Reihe einfacher Grundsätze festgelegt. Das Recht auf Hilfe und das internationale Seerecht müssen in dem Sinne gewahrt werden, dass der nächstgelegene Hafen diese Boote aufnehmen sollte. Frankreich hat in den vergangenen Monaten seinen Anteil an Flüchtlingen aufgenommen. Wir haben darüber hinaus mehr als jedes andere Land aufgenommen, trotz der Tatsache, dass unsere Häfen nicht unbedingt die nächstgelegenen oder die sichersten sind. Ich weigere mich, diese Regel aufzugeben. Diese Regel hat in den letzten Monaten gegolten, trotz aller Versuche, hiermit ein politisches Spiel zu treiben. Daher haben wir einen Mechanismus verabschiedet, der im Juli von den Ministern festgelegt wurde – zuerst in Helsinki und anschließend in Paris – für maritime Such- und Rettungsmaßnahmen. Und dieser wurde von Bun- deskanzlerin Merkel sowie acht anderen Ländern unterstützt. Einige dieser Länder haben sich geweigert, ihren politischen Verpflichtungen nachzukommen. Das möchte ich betonen. Daher müssen wir, was maritime Such- und Rettungsmaßnahmen anbelangt, die Verantwortung mithilfe der Kommission teilen. Dies haben wir im Juli vereinbart, und das ist die einzige Art und Weise, wie dieses humanitäre Problem gelöst werden kann. Ich sage es noch einmal, wenn die Dinge dieses Stadium erreicht haben, ist es bereits zu spät. Wenn wir eine wirksame Art und Weise, wie die Verantwortung und wie die Last geteilt werden kann, Flüchtlingen zu helfen und mit ihnen umzugehen, finden, wird dieses Problem der Verteilung von Flüchtlingen nicht länger auftreten, es wird durch gemeinsame Verantwortung und Solidarität gelöst werden. Gleichzeitig müssen wir auch eine ständige Lösung für diejenigen finden, die Anrecht auf Asyl haben. Dies er- fordert erneut Solidarität innerhalb des Schengen-Raums. Ich persönlich bin der Ansicht, dass diejenigen, die dieser Pflicht nicht nachkommen wollen, aus dem Schengen-Raum ausgeschlossen werden sollten. Dies ist meiner Meinung nach vollkommen sinnvoll. Der Schengen-Raum ist ein Raum der Bewegungsfreiheit, was gewisse Ver- pflichtungen mit sich bringt.

Ansprache von Frau Marija Pejčinović Burić, Generalsekretärin des Europarates Abgeordneter Frank Schwabe Frau Präsidentin, Frau Generalsekretärin, auch von meiner Fraktion noch einmal die herzlichsten Glückwünsche zu Ihrer Wahl in diesem wirklich – ja – schicksalhaften siebzigsten Jahr. Wir sind wirklich in einer Phase, wo wir diese Organisation auch neu weiterentwickeln können und neu weiterentwickeln müssen. Deswegen ist es, glaube ich, eine gute Gelegenheit, das auch gemeinsam zu tun. Das beginnt jetzt, zunächst einmal mit diesem neuen Prozedere, das wir gemeinsam vereinbart haben und wo wir jetzt auch in einem überschaubaren Zeitraum zu einem glaubwürdigen Mechanismus auch entsprechend kommen müssen. Sie haben das Verhältnis zur Europäi- schen Union angesprochen, wo wir in der Tat darauf bestehen müssen, dass sehr schnell die Europäische Union der Europäischen Menschenrechtskonvention beitritt. Ich will zwei andere Themen noch ansprechen, von denen Sie wissen, dass ich das auch immer gefragt habe, als Sie sozusagen in Ihrer Kampagne waren. Das eine ist die Frage der Antikorruption. Wir haben hier eine schwierige Zeit hinter uns, haben das Thema aber angepackt. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir einen glaubwürdigen, dauerhaften Mechanismus brauchen. Nicht nur für diese Versammlung, sondern für diese gesamte Institution. Das zweite Thema ist das, was der Kollege der EVP schon angesprochen hat: die Frage der Finanzierung dieser Organisation. Es ist gut, dass Russland jetzt wieder zahlt, aber am Ende gucke ich mir immer diese Räumlichkeiten hier an. Die Räumlichkeiten entsprechen nicht der Würde dieser Organisation. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 51 – Drucksache 19/24612

Ich finde, wir müssen weg von diesem Zero Nominal Growth und wir brauchen auch extra Beiträge, um unsere Organisation infrastrukturell wieder instand setzen zu können. Wir brauchen eine Perspektive für die guten Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Organisation.

Abgeordneter Dr. Andreas Nick Frau Präsidentin, Frau Generalsekretärin, ein herzliches Willkommen auch namens der deutschen Delegation in Ihrer neuen Funktion. Wir wünschen Ihnen Glück und viel Erfolg bei dieser Aufgabe. Ein zentrales Thema der letzten Monate in diesem Haus war, wie wir einen institutionellen Konflikt abwenden, der sich zu entfalten drohte zwischen der Parlamentarischen Versammlung und dem Ministerkomitee. Wir haben dort gute Fortschritte ge- macht. Wir erleben ja in diesen Tagen, dass im Konflikt in der Ukraine Fortschritte gemacht werden. Gestern auch in der Kontaktgruppe, was die Umsetzung des Minsk-Agreements angeht. Ich hoffe sehr, dass die ukraini- sche Delegation in ihrer neuen Zusammensetzung im Januar wieder in diese Versammlung zurückkehrt und uns ermöglicht, auch diesen Prozess gemeinsam hier auch mit den Vertretern der russischen Delegation zu begleiten. Ich sehe aber mit Sorge, dass wir einen neuen institutionellen Konflikt möglicherweise wieder abwenden müssen. Im November wird Georgien den Vorsitz im Ministerkomitee übernehmen. Wir werden zum Standing-Committee Ende November nach Tiflis reisen. Gleichzeitig boykottiert aber auch die georgische Delegation die Sitzung die- ser Versammlung. Ich hoffe, dass wir gemeinsam einen Weg finden, auch eine weitere Erschwernis unserer Arbeit an dieser Stelle abzuwenden. Vielen Dank.

Abgeordneter Konstantin Kuhle Ja, Frau Generalsekretärin, vielen Dank für Ihre Ausführung und insbesondere auch danke, dass Sie das Thema Öffentlichkeitsarbeit des Europarates besonders angesprochen haben. Es ist schön, dass viele Mitglieder der bri- tischen Delegation und auch viele Abgeordnete der konservativen Fraktion hier hervorgehoben haben, dass der Brexit, das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union, nicht bedeutet, dass das Land auch den Europarat verlässt. Aber was garantiert uns eigentlich, dass die Geringschätzung, die in der Brexit- Diskussion gegenüber den internationalen Organisationen im Allgemeinen geäußert worden ist, nicht umschlägt in eine Geringschätzung gegen den Europarat? Was garantiert uns eigentlich, dass die Lügen, die man der Bevöl- kerung im Zusammenhang mit dem Brexit-Referendum erzählt hat, nicht umschlagen in Unwahrheiten über den Europarat? Was garantiert uns eigentlich, dass das fehlende Wissen über das Unionsrecht nicht umschlägt in ein fehlendes Wissen über die Europäische Menschenrechtskonvention? Die Ablehnung, die wir sehen mit Blick auf den Europäischen Gerichtshof, kann ohne Weiteres auch umschlagen in eine Ablehnung des Europäischen Ge- richtshofs für Menschenrechte. Deswegen ermutige ich Sie, in der Öffentlichkeitsarbeit des Europarats robust aufzutreten gegen diese Ablehnung internationaler Organisationen; gegen diese Lügen, gegen diese Unwahrhei- ten, gegen diese Geringschätzung gegenüber wichtigen europäischen Institutionen. Seien Sie laut, auch in der nationalen Presse, und wahrnehmbar, und dann haben Sie unsere Unterstützung. Vielen herzlichen Dank.

Abgeordneter Andrej Hunko Vielen Dank Frau Präsidentin. Auch von meiner Seite erst mal herzlichen Glückwunsch Frau Burić. Ihr Vorgänger Thorbjørn Jagland hatte in seiner zweiten Amtszeit angekündigt, die europäische Sozialcharta und die Frage der sozialen Rechte stärker nach vorne zu bringen. Wir haben viele andere Probleme gehabt in dieser Zeit, sodass nicht so viel passieren konnte. Aber ich will noch mal die Bedeutung hervorheben, und würde Sie gerne ermuti- gen, dass wir den Prozess der europäischen Sozialcharta stärker nach vorne bringen sollten. Nach wie vor haben viele Länder die revidierte Sozialcharta nicht unterzeichnet, viele Zusatzprotokolle nicht unterzeichnet. Ich glaube, dass das Konzept der Menschenrechte nur dann vollständig ist, wenn auch die sozialen Rechte der Men- schen gewährleistet werden. Ich glaube hier gibt es sehr, sehr viel zu tun im Europa von heute und deswegen würde ich hier eindringlich noch mal appellieren, dass wir auch die europäische Sozialcharta stärker in den Vor- dergrund stellen sollten, als es bis jetzt der Fall war. Vielen Dank. Drucksache 19/24612 – 52 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Abgeordneter Josip Juratovic Frau Präsidentin, auch meinerseits herzlichen Glückwunsch, Frau Generalsekretärin. Sie haben heute ein wichtiges Thema angesprochen, und auch gestern hat Präsident Macron ein wichtiges Thema angesprochen, nämlich die Situation der Demokratie, der Stärkung der Demokratie, als Grundlage der geringsten Menschenrechte. Wir haben eine Situation, in der die Demokratie, meines Erachtens nach, nur gestärkt werden kann, wenn wir auch die demokratischen Institutionen stärken. Wir haben jetzt im Deutschen Bundestag eine Empfehlung verabschiedet für die EU-Aufnahme von Albanien und Nordmazedonien; eben nach vielen Diskre- panzen, die es in der Diskussion berechtigterweise gab. Aber letztendlich sind wir zu dem Bewusstsein gekom- men, dass wir die Demokratie und diese Länder nur stärken können, wenn wir die Demokraten durch starke In- stitutionen unterstützen. Meine Frage ist an Sie und an dieses Haus: Wie wollen wir hier eben diese Länder stär- ken, die Institutionen konkret stärken, auch vor Ort? Sei es jetzt hier durch Parlamentarier auf der Nationalebene, aber auch als Organisation. Danke schön.

Die Entwicklungsbank des Europarates: zum Aufbau einer inklusiveren Gesellschaft beitragen (Dok. 14961) Abgeordneter Dr. Andreas Nick Madame la présidente, Mr. Governor Wenzel, Colleagues, mit einer Bilanzsumme von ungefähr 24 Milliarden Euro und knapp 8000 laufenden Projekten ist die Entwick- lungsbank des Europarates ein vergleichsweise kleiner Akteur im Konzert der anderen europäischen und interna- tionalen Entwicklungsbanken. Auch innerhalb unserer Parlamentarischen Versammlung und in unseren Mitglied- staaten ist ihr Bekanntheitsgrad sicherlich noch steigerungsfähig. Es ist angesprochen worden: noch sind nicht einmal alle Mitgliedstaaten des Europarates auch Aktionäre der Bank. Mein herzlicher Dank gilt daher der Kol- legin Nicole Trisse für den vorliegenden Bericht, mit dem sie die Bank und ihre Aktivitäten stärker in den Fokus, auch unserer Aufmerksamkeit, gerückt hat, und damit auch die Frage nach den künftigen Schwerpunkten in der Arbeit dieser Institution. Denn gerade als verhältnismäßig kleiner Akteur braucht die Entwicklungsbank des Eu- roparates ein spezifisches Profil. Dieses sollte natürlich weiterhin eng mit dem Auftrag und dem Selbstverständnis des Europarates verknüpft sein. Mit ihren Projekten in den am wenigsten begünstigten Regionen Europas ist die Bank zu einem zentralen Instrument zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts auf unserem Kontinent geworden. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag, um inklusiven, wirtschaftlichen Fortschritt zu gewährleisten und die Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und pluralistischer Demokratie zu stärken. Aber es ist richtig: In der Zukunft muss sich die Bank auch neuen Herausforderungen proaktiv annehmen. Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass der Entwicklungsplan für den Zeitraum 2020 bis 2022 anstrebt, mit einem nachhaltigen Zusagevolumen von etwa vier Milliarden Euro jährlich die Aktivitäten noch stärker an den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen auszurichten; insbesondere etwa für umweltfreundliche Investitionen in den Gemeinden in unseren Mit- gliedstaaten. Für den zukünftigen Erfolg wird es aber auch ein wichtiger Faktor sein, dass die Bank ihre schon bisher erfolgreichen Kooperationen mit Institutionen, wie etwa der Europäischen Investitionsbank oder der Euro- päischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, weiter intensiviert. Denn mit den ungleich größeren Partnern können projektbezogen größere Volumina gehebelt werden, und im Rahmen von deren Projekten und Program- men auch spezifische Akzente im Sinne des Auftrags des Europarates gesetzt werden. Aber auch wir sollten alles tun, wir selbst, um unsere Bank in ihrem Auftrag zu stärken. Ich darf mich dem Aufruf anschließen, dass die Mitglied-staaten, die bisher nicht an der Bank beteiligt sind, einen Beitritt ernsthaft prüfen. Wir selbst haben auch die Chance, viel stärker noch als Multiplikatoren für die Arbeit und die Einsatzmöglichkeiten der Bank in unseren Mitgliedstaaten zu werben und das auch in der Arbeit unseres Komitees zu reflektieren. Herzlichen Dank.

Schutz und Unterstützung der Opfer des Terrorismus (Dok. 14957) Abgeordneter Norbert Kleinwächter Ich danke Ihnen sehr herzlich für diesen Bericht. Es ist ein Thema, dass mich auch persönlich berührt. Ich habe eine Frau in meinem Wahlkreis, die stammt aus Eichwalde, die ging 2016 nichtsahnend auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin und kehrte nicht mehr zurück. Alles was den Angehörigen im Prinzip gegeben Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 53 – Drucksache 19/24612

wurde, war ein bisschen Hilfestellung, eine Trauerkarte und ansonsten: Pech gehabt. Das darf nicht länger sein. Wir sollten hier zusammenarbeiten und deswegen ist das ja ein sehr, sehr guter Auftakt, um genau die Rechte dieser Opfer zu stärken, um sie zu schützen, um ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und auch letztendlich gesundheitliche Schäden, wenn sie aufgetreten sind, so gut wie möglich zu kompensieren. Aber auch ein wichtiger Punkt, den ich hier noch mal unterstreichen möchte, ist die Hilfestellung im Umgang mit den Medien, im Umgang auf ihre Persönlichkeit, im Umgang darauf, dass sie sich auch selbst aus der Debatte herausziehen können, wenn sie es möchten – ich glaube das ist ein ganz wichtiger Punkt, den Sie in diesem Bericht untergebracht haben. Ja, unsere Bevölkerung zu schützen, auch das steht da drin und das möchte ich hervorheben, ist tatsächlich gerade in der heutigen Zeit, dem Druck als Gesellschaft zu widerstehen, den wir von verschiedenen Seiten haben. Dieser Druck durch Terrorismus, dieser Druck durch Gewalt, dieser Druck durch Migration – zu keinem Zeitpunkt dür- fen wir unsere Rechtsstaatlichkeit, dürfen wir unsere Werte und dürfen wir unsere Gesetze aufgeben oder beugen, denn diese, und nur diese, sind eben demokratisch beschlossen. In einem Punkt, wenn ich allerdings Kritik an- melden darf – es reicht eben nicht, nur auf Diskurs zu setzen und zu sagen „ja, es ist klasse, wenn Opfer von Terrorismus in christlicher Nächstenliebe positiv und nicht hasserfüllt sprechen“. Das ist sehr, sehr schön, wenn das jemand wie Antoine Léris eben geschafft hat. Aber wer kann das wirklich? Nein, ich glaube wir müssen als Gesellschaften auch lernen, dass sich Wut manchmal breitmacht und wir müssen lernen damit zivilisiert umzuge- hen. Das ist das Wichtige. Wir müssen lernen, den Hass der anderen vorauszusehen und ihm entsprechend Wi- derstand zu leisten. Das betrifft insbesondere den Hass islamistischer Gruppen und auch der Feind in unserem eigenen Land. Wir erinnern uns: einer der großen Attentäter, Mohammed Atta, hatte in Deutschland gelebt, hatte in den USA eine Fluglizenz gemacht, bevor er das Flugzeug in die Twin Towers lenkte. Viele der Feinde sind unter uns und sie sind leider auch unerreichbar für positiven Diskurs. Wir müssen also – und das muss auch die Konsequenz sein – sehr gut aufpassen, wen wir reinlassen, wen wir unter uns haben. Die traurige Wahrheit, die wir eben auch gerade im Kontext Terrorismus und der Migration aussprechen müssen, ist, viele lieben unsere Staaten nicht; das gehört letztendlich zu einer ehrlichen Debatte dazu. Lassen Sie mich auch ansprechen, dass es auch Opfer individueller Attacken gibt, die wir nicht vergessen dürfen. Eine Art Guerilla-Terrorismus, der sich ja auch schon in Deutschland ausgebreitet hat mit individuellen Messerattacken und Totschlägereien. Ich kenne selbst den Vater von Marcus Hempel, der in Wittenberg mit einem gezielten Faustschlag getötet wurde; oder auch Daniel H. in mit einem Messerangriff. Dies sind gezielte, regelmäßige Morde. Ich würde mir wünschen, dass wir als Parlamentarische Versammlung des Europarates auch diese Opfer entsprechend betrachten würden in einem weiteren Bericht. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit.

Die Rettung von Menschenleben im Mittelmeer: die Notwendigkeit einer sofortigen Reaktion (Dok. 14971) Abgeordneter Frank Schwabe Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, das heute ist eine urgent debate und zwar eine urgent debate nicht über Migration. Da könnt ihr viele Debatten darüber führen, aber heute ist sie nicht über Migration. Migration hat es im Übrigen immer gegeben, wie wir sehen können in vielen Berichten, die wir machen über Minderheitenrechte, über die Sprache, über Arbeitsmig- ration – das steht ja auch noch in dieser Woche an. Heute ist es schlichtweg die Frage und die Debatte über die Frage, wie wir mit Menschen umgehen, die im Mittelmeer ertrinken, die jämmerlich ertrinken. Ob wir versuchen, diesen Menschen die Hand zu reichen und schlichtweg ihr Leben, ihr nacktes Leben und ihre Würde zu bewahren. Diese Debatte ist ein Aufschrei der Empörung über eine wirkliche europäische Schande. Ich glaube, das wird mal so sein, dass wir historisch zurückgucken werden und sagen, es ist eine europäische Schande, dass wir Tausende, vielleicht zehntausende Menschen ertrinken lassen vor unserer Haustür im Mittel- meer. 928 – das sind die aktuellen offiziellen Zahlen. Vielleicht sind es ja auch schon mehr. Allein in diesem Jahr. Das geht nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dieser Bericht, für den ich Domagoj Hajduković herzlich danke, will das beenden und zwar sofort. Dafür sind zwei Dinge notwendig: zum einen ist es der Dank an die Organisa- tion, die nicht staatlichen Organisationen, Stefan Schennach hat einige erwähnt, die Menschenleben retten, die nichts anderes tun als Menschenleben zu retten, und eben keine Kriminalisierung. Es sind die Helden unserer Zeit. Es sind die Menschen, die anderen Menschen die Hand reichen; das was eigentlich jeder tun würde. Jeder. Auch Menschen, die das kritisieren, bin ich mir sicher, wenn sie dort wären und wenn sie auf dem Schiff wären. Ich war im Januar auf einem Schiff – man würde den Menschen die Hand reichen. Man könnte es doch nicht ertragen, Menschen ertrinken zu lassen. Deswegen ist es richtig und gut, dass es jetzt ein paar Staaten gibt, die sich auf den Drucksache 19/24612 – 54 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Weg gemacht haben, einen Verteilungsmechanismus zu verabreden für diese ein paar hundert, vielleicht wenige tausend Menschen, über die wir im Bereich der sogenannten privaten Seenotrettung reden. Dass wir uns auf ein Verteilungsschlüssel verabreden und vor allen Dingen darauf, dass die Menschen schnell in andere Staaten ge- bracht werden; dass Länder wie Malta, die wirklich in einer großen Schwierigkeit sind, dass denen auch entspre- chend geholfen wird. Das, was wir aber brauchen, das ist der Wunsch und die Bitte und die dringende Bitte an die Europäische Union – weil der Europarat kann das nicht leisten – ist eine staatliche Lösung, die wir auch schon hatten. Es ist die staatliche Aufgabe europäischer Staaten und am Ende der Europäischen Union, eine staatliche Rettungsmission auf den Weg zu bringen. Wir haben mit Präsident Macron darüber schon geredet. Bundeskanz- lerin Merkel hat gesagt, dass sie eine solche Initiative auf europäischer Ebene starten will. Und es ist unsere Organisation, denke ich, die von uns aus alles tun muss; und die Europäische Union: wir diskutieren ja darüber, dass wir eine enge Beziehung haben, wir diskutieren über Memorandums of Understanding. Wenn es denn so ist, dass die Europäische Union die Kapazität hat, wir aber die Menschenrechtsorganisation Europas sind, dann müs- sen wir die EU bitten und drängen, eine solche Mission ins Leben zu rufen. Deswegen bitte ich um breite Unter- stützung für diesen heutigen Antrag.

Änderungsanträge zum Bericht: Die Rettung von Menschenleben im Mittelmeer: die Notwendigkeit einer sofortigen Reaktion (Dok. 14971) Abgeordneter Norbert Kleinwächter Vielen Dank. Wir wollen den Paragraph 4.11 ergänzen, und zwar sollen die NGOs, wenn sie denn helfen, bitte schön das in Kooperation mit den Küstenwachen der Küstenstaaten tun. Was nicht angeht ist z. B. der vorher zitierte Fall einer Carola Rackete, die mit ihrem Schiff unerlaubt eingefahren ist, ein Zollboot gerammt hat, gegen nationales Recht verstoßen hat. So etwas geht nicht und das ist auch keine Menschenhilfe. Die Menschen sind bereits in Sicherheit an Bord des Schiffes, und da darf man keine Gesetze brechen.

Feierstunde im Palais de l’Europe anlässlich des 70. Jahrestages des Europarates Abgeordneter Frank Schwabe Frau Präsidentin, Frau Generalsekretärin, liebe Richterinnen und Richter, liebe Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser so großen Organisation, liebe Kol- leginnen und Kollegen. „Es ist geschehen, folglich kann es wieder geschehen. “Das ist ein Zitat von Primo Levi. Primo Levi war italienischer Schriftsteller und Überlebender des Holocaust. „Es ist geschehen, folglich kann es wieder geschehen. “Das war die Motivation für ein Projekt von Schülerinnen und Schülern in meinem Wahlkreis an der Realschule in Waltrop. Der Titel des Projekts war „Wachsamkeitsprojekt“, Als ich da saß und mir das Projekt habe vorstellen lassen, da ist mir noch mal zu Bewusstsein gekommen, warum es diese Organisation eigentlich gibt; warum diese Organisation vor 70 Jahren gegründet wurde. Sie war das Resultat zweier Weltkriege und dem von Deutschen verübten Holocaust. Zu sagen: nie wieder; so etwas wollen wir nie wieder erleben, wir wollen die Würde des Menschen in den Mittelpunkt der europäischen Politik stellen. Es gab viele Phasen in den 70 Jahren dieser Organisation. Heute ist der Tag der Deutschen Einheit, ein Teil dieser Phase. Wir haben die Phasen gesehen vorhin, die diese 70 Jahre ausgemacht haben. Aber wahrscheinlich treten wir erst jetzt in eine neue, zweite Phase ein, dieser Organisation, weil es nämlich so war, dass in den letzten 60 oder 70 Jahren alle Länder Mitglieder des Europarats geworden sind, um mehr Demokratie zu bekommen, um mehr zu tun für Men- schenrechte, um ihre Rechtsstaatlichkeit mithilfe des Europarats weiterzuentwickeln. Aber leider haben wir seit einigen Jahren eine gegensätzliche Tendenz. Es gibt manche Mitgliedstaaten, die all das in Frage stellen und das muss uns herausfordern, neue Antworten zu geben und eben umso beharrlicher zu arbeiten. Wir sind dabei, einen neuen Mechanismus dafür zu entwickeln, wie wir mit den Staaten umgehen, die sich eben nicht an die Regeln halten und die fundamentalen Werte verletzen. Wir müssen uns dem Thema der Korruption stellen. Diese Ver- sammlung wurde im Kern getroffen und wir haben uns dieser Frage gestellt, aber wir sind noch nicht am Ende. Wir müssen organisieren, das ist gerade schon angesprochen worden, dass wir diese Organisation auch vernünftig finanzieren. Zero Nominal Growth bei Menschenrechten kann es nicht geben. Das müssen wir den nationalen Regierungen klarmachen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ein absolutes Privileg, Mitglied dieser Parla- mentarischen Versammlung zu sein. Wir haben den Auftrag mit allen anderen Institutionen dieser Organisation 820 Millionen Menschen zu schützen; im Übrigen ganz gleich welcher Nationalität; bei der Europäischen Men- schenrechtskonvention sind alle Menschen gleich. Und ich ermuntere uns, der Versuchung zu widerstehen, hier das abzubilden, was unsere nationalen Regierungen miteinander diskutieren. Es gibt das Ministerkomitee, dort Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 55 – Drucksache 19/24612

können die nationalen Regierungen diskutieren. Die europäische Menschenrechtskonvention unterscheidet nicht zwischen Franzosen und Deutschen, zwischen Armeniern und Aserbaidschanern, zwischen Ukrainern und Rus- sen, sondern es sind alle gleich vor dieser Europäischen Menschenrechtskonvention. Zum Schluss will ich danken den Richterinnen und Richtern für ihre beharrliche Arbeit. Der Gerichtshof ist das Herzstück dieser Organisation und es ist es für uns hoch und heilig. Wir müssen alles tun, um diese Institution zu verteidigen. Ich will danken den mutigen Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern, die oft hier auf den Fluren sind, und die wir, glaube ich, zu wenig würdigen. Es ist ihr Einsatz mit Leib und Leben, mit Freiheit und mit dem Preis der eigenen Unversehrtheit sich für Menschenrechte einzusetzen. Wir müssen alles tun, um diese Menschen zu schützen. Ich will mich bedanken, wie auch schon die Präsidentin, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser großen Organisation; ohne die wären wir alle nichts. Wer sich davon noch mal ein Bild machen will und das noch nicht gemacht hat, soll nur hochfahren in die sechste Etage. Wenn man dort auf den Fluren unterwegs ist, dann sieht man die Poster, die Sticker und die Bilder, die davon sprechen, mit welcher Empathie die Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter dabei sind und mit welcher großen Kompetenz. Ich will schließen mit Primo Levi, mit dem ich auch begonnen habe. Das, glaube ich, wirft auch ein ganz gutes Bild auf die Zukunft unserer Orga- nisation. Primo Levi hat nämlich auch gesagt: „Die Ziele des Lebens sind die beste Verteidigung gegen den Tod.“ Deswegen alles, alles Gute dem Europarat zum 70. Geburtstag.

Ein rechtlicher Status für „Klimaflüchtlinge“ (Dok. 14955) Abgeordneter Martin Hebner Meine Damen und Herren, der Antrag ist gut gemeint, aber gut gemeint ist häufig das genaue Gegenteil von gut, weil Fakten ignoriert werden. Bei diesem Antrag werden vier Hauptpunkte ignoriert: zum einen: Es wird ein legaler Status für Klimaflüchtlinge deklariert, ohne eine Definition, wer ist eigentlich Klimaflüchtling und wie kommt er zu diesem Status; der fehlt vollkommen. Damit wird dem Missbrauch komplett Tür und Tor geöffnet. Wir haben jetzt auch im Ausschuss gelernt, dass dieses Jahr offenbar sogar, es wurde gesagt, dass man ein breites Angebot und eine breite Aufnahme ermöglichen will, ja eigentlich auch schon, ja sagen wir mal, mit als solches, gezielt auch mitgemacht wird. Das kann und darf nicht sein. Wir können nicht in dem Fall so operieren, dass wir sagen, wir öffnen Tür und Tor. Und ohne eine klare Definition, wer wirklich Klimaflüchtling ist, kann man diesen Antrag nur ablehnen. Der zweite Punkt ist, es werden die Rahmenbedingungen nicht beachtet. Schauen wir uns doch mal an, wie das Bevölkerungswachstum, und ich nehme als Beispiel Afrika, ausschaut. Das sind die Zahlen der UN. Afrika hat momentan 1,25 Milliarden Menschen als Bevölkerung. In spätestens 30 Jahren, 2050, werden das 2,5 Milliarden sein. Das sind doch diese Zahlen, die jetzt genannt wurden, mit 200 Millionen, die da kommen, in dem Fall ein Sechstel davon. Wir haben ein riesiges Problem auf der Welt, und ich rede nicht nur von Afrika, mit dem Explodieren des Bevölkerungswachstums; das muss begrenzt werden. Wenn ich jetzt nur Afrika sehe, dann habe ich innerhalb von elf Tagen eine zusätzliche Million Menschen. Meine Damen und Herren, innerhalb eines Jahres die Bevölkerung nochmals von Niederlande, Belgien und Luxemburg zusammen. Wo sollen die denn, wenn die jetzigen fruchtba- ren Gebiete besiedelt sind, wo sollen die hin? Wollen Sie die alle nach Europa aufnehmen – und das deklariert dieser Antrag. Nein, man kann in dem Falle, aus meiner Sicht bewusst auch naives Vorgehen, nicht unterstützen. Wir müssen ja ganz klar davon ausgehen, dass das Bevölkerungswachstum das elementare Problem ist. Das dritte Problem ist, wir haben in Europa jetzt schon große Probleme auch mit den Sozialsystemen, mit in dem Fall Woh- nungsknappheit, mit der weiteren Versorgung – wir haben keinen Mangel in Europa – an Armen. Wir können doch das nicht in dem Fall ignorieren. Wir sind hier im Europarat verantwortlich für unsere eigene Bevölkerung. Wir können jetzt nicht sagen, wir machen Tür und Tor auf und einfach sagen, wir haben's gut gemeint. Na, wir müssen auch bitte schön die Rahmenbedingungen berücksichtigen. Und der vierte Punkt ist ganz klar: Wenn Sie einen Euro haben, den Sie in Europa ausgeben, dann haben Sie, wenn Sie ihn in Afrika ausgeben, die zehnfache Kaufkraft. Dann ist es doch absolut logisch, dass man sagt, man investiert es in Afrika und macht nicht Tür und Tor auf, wo man sowieso noch riesige finanzielle, soziale und auch weitere Probleme importiert. Sondern es muss hier eine sinnvolle Regelung geben. Es muss Hilfe zur Selbsthilfe in Afrika, allerdings auch in anderen Ländern, erfolgen und nicht eine Selbstaufgabe Europas. Das kann und darf nicht sein und damit ist dieser Antrag ganz klar abzulehnen. Vielen Dank. Drucksache 19/24612 – 56 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Änderungsanträge: Ein rechtlicher Status für „Klimaflüchtlinge“ (Dok. 14955) Abgeordneter Martin Hebner Es geht bei diesem Änderungsantrag ganz klar darum, dass wir hier keine Definition haben, was Klimaflüchtlinge sind. Aber genau das Problem, dass eigentlich die Überbevölkerung – Herr Howell sagte gerade vorhin – der Kampf um entsprechend fruchtbares Land. Meine Damen und Herren wenn Sie in Afrika, als Beispiel genannt, innerhalb von 30 Jahren eine Verdopplung, spätestens 30 Jahren, eine Verdoppelung der Bevölkerungszahl haben, dann haben Sie natürlich Kampf um fruchtbares Land. Im Übrigen geht es nicht nur um Afrika. Es sind auch die arabischen Staaten, die von aktuell 410 auf 680 Millionen Menschen sich um 70 Prozent erweitern. Wir müssen dem ins Auge sehen, dass hier das größte Problem liegt, das in diesem Antrag komplett ignoriert und unter Kli- maflüchtlingen diese Probleme mit subsumiert werden. Deswegen, ich bitte um Unterstützung dieser Änderung. Danke.

Abgeordneter Martin Hebner Und zwar geht es hier um den ähnlichen Sachverhalt: dass wir nicht sagen können, alle sind Klima-flüchtlinge, die, und hier wurde gesagt, das wäre von Industrieländern verursacht. Wir müssen uns ganz klar damit auseinan- dersetzen, dass vieles an Problemen auch durchaus lokal ist. Gerade im Kampf um fruchtbares Land, das schlicht und ergreifend hier Wälder abgeholzt werden. Dass hier in dem Falle Umweltschäden verursacht werden. Wir können doch nicht damit behaupten, alles wäre dann wiederum Ursache in den Industrieländern. Deswegen, meine Damen und Herren, wir können nicht so simplifizierend arbeiten; das sind wir unserer Bevölkerung schuldig, für die wir hier vertreten. Vielen Dank.

Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333