Sozialistische Mitteilungen News for German Socialists in England

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Sozialistische Mitteilungen News for German Socialists in England No. 2 - 1940 January, 20th Sozialistische Mitteilungen News for German Socialists in England This news-letter is published for the information of Social Democratic refugees from Germany who are opposing dictatorship of any kind. [Seite: - 1 - ] Botschaft Thomas Manns: Ich grüsse Finnland Bei einer Versammlung der Sozialdemokratischen Föderation in New York[1] liess Thomas Mann eine Botschaft vorlesen, in der es heisst: "Wenn die Finnen ihre Mannerheim-Linie[2] den gegenwärtigen Wall der westlichen Zivilisation nennen - und ich glaube, dass sie dies mit Recht tun - so möchte ich dieser Feststellung hinzufügen, dass die Arbeiter und Bauern dieser kleinen Nation, ob sie nun Sozialisten sind oder nicht, augenblicklich die wahren Ideale und Hoffnungen verteidigen, die ein nazistisch gewordener Bolschewismus verraten und in den Schmutz getreten hat. Ich grüsse Finnland und ich hoffe aufs innigste, dass es den Endsieg davontragen möge." Der Führer der Labour Party ueber die Kommunisten Am 14. Januar sprach R.C. Attlee, der Führer der britischen Labour Party, in Blackburn und sagte u.a., er hoffe, das Volk der Sowjetunion würde von dem Angriff auf Finnland ablassen und sich an die Seite der Demokratien gegen den gemeinsamen Feind, den Hitlerismus, stellen. "Es ist klar", sagte er, "dass die faschistische Partei in England und die kommunistische Partei blosse Anhängsel ausländischer Diktaturen sind. Die Kommunisten haben kein Recht auf den Namen 'Sozialisten' oder 'Kommunisten'. Sie sind Stalinisten. Alles was Stalin sagt, ist ihnen recht." Abordnung der Labour Party nach Finnland Die britische Labour Party hat eine dreigliedrige Abordnung, der das Unterhausmitglied Noel-Baker[3] und der [Seite im Original:] - 2 - Generalsekretär der britischen Gewerkschaften, Sir Walter Citrine, angehören, nach Finnland delegiert, um die dortige Lage und die Hilfsmöglichkeiten für den Unabhängigkeitskampf Finnlands zu untersuchen. Stimme aus Skandinavien In dem Dezember-"Informationsbrief", der von einer Arbeitsgemeinschaft österreichischer und tschechoslowakischer Sozialisten in Oslo herausgegeben wurde, sind Bemerkungen zu dem Aufruf enthalten, den die kommunistischen Parteien Deutschlands, Österreichs und der Tschechoslowakei kurz zuvor herausgegeben hatten.[4] Es heisst in dem Informationsbrief: "Die Verlautbarungen der Kominternsektion, die sich über mehrere Druckseiten erstrecken, zeichnen zwei Gesichtspunkte aus, die zu registrieren wir nicht vergessen haben wollen. Erstens ist - wie man das schon anlässlich des Kominternaufrufes im November feststellen konnte - das Wort 'Faschismus' radikal aus dem Wörterbuch der Kominternangestellten verschwunden. Nicht nur die Kraftausdrücke über den Faschismus und die Faschisten, mit denen die kommunistische Presse in den vergangenen Jahren gefüllt war, sind verschwunden. Nein, in einem seitenlangen Aufruf der angeblich unter der Knute des deutschen Faschismus wirkenden KPD, KPÖ und KPTsch sucht man vergeblich auch nur nach der Erwähnung, dass es einen Faschismus gibt und dass im Dritten Reich die Faschisten an der Macht sind ... Zweitens richtet sich die ganze Tendenz des in Moskau ausgekochten Aufrufs gegen den 'Hauptfeind', die sozialistische Arbeiterbewegung. Die sozialdemokratischen Vertrauensleute werden als "Agenten des englischen Imperialismus, Kettenhunde des Kapitalismus gegen die Sowjetunion und den Sozialismus' bezeichnet. ... Das erscheint wiederum unmittelbar, bevor in Prag eine kommunistische Versammlung im Einvernehmen mit der Gestapo einberufen wird, zu dem einzigen Zweck, die Widerstandsfront gegen die Nazis zu sprengen. Der Versuch ist kläglich gescheitert. Die ehemals kommunistischen Arbeiter haben ein gutes Dutzend Spitzeltypen unter sich bleiben lassen." [Seite im Original:] - 3 - Im Anhang zu diesem "Informationsbrief" wird über die Situation in den skandinavischen Ländern berichtet. Es heisst da: "Unter Ausnutzung der bei den Arbeitern nicht gerade populären Ordnung haben die Kommunisten durch eine rücksichtslose Demagogie gewisse Positionen behaupten können. Durch den russischen Angriff auf Finnland verändert sich jedoch die Lage. ... Besonders das nach dem russischen Angriff auf Finnland einsetzende Befreiungsgeheul der Kommunisten hat vielen Arbeitern die Augen geöffnet. Der Boykott der kommunistischen Zeitungen, Versammlungen und Redner in der Öffentlichkeit verlängert sich immer mehr in die Betriebe. ... Auf den Strassen gibt es Demonstrationen gegen die Sowjetunion und gegen die Kommunisten. ... Das allgemeine Verhalten ist, trotz einer z. T. fast pogromähnlichen Stimmung gegen die Kommunisten, am besten durch das Wort des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten von Dänemark charakterisiert: 'Die Kommunisten müssen mit Eiseskälte umgeben und isoliert werden'. " Stalins Totentanz Was von der Sowjetregierung und ihren Propagandisten jahrelang als die grosse Gefahr an die Wand gemalt wurde, droht nun durch Stalins Politik Wirklichkeit zu werden: eine Koalition der ganzen Welt gegen die Sowjetunion. Der Betrug an den Westmächten bei den Moskauer Paktverhandlungen, denen Verhandlungen mit dem neu auserkorenen Verbündeten Hitler parallel liefen, der Dolchstoss der Roten Armee gegen das von Hitlers Armee überfallene Polen und nun der brutale Krieg gegen Finnland haben gegen die Sowjetunion nicht nur die "kapitalistischen" Demokratien aufgebracht, sie drohen auch den italienischen Faschismus und den japanischen Imperialismus auf den Plan zu rufen, und - was das Entscheidende ist - die Bündnispolitik mit Hitler verscherzt der Sowjetunion immer mehr die Sympathien der Arbeiterschaft in allen Ländern der Welt. Sämtliche (auch illegal von hiesigen Emigranten unternommenen) Versuche der Kommunisten, durch Schmähungen gegen Finnland den schädlichen Angriff auf dieses Land zu rechtfertigen, müssen ebenso fehlschlagen wie die Beschimpfungen gegen Polen, denn niemandem kann eingeredet werden, dass ein Staat, der sich mit Hitler- [Seite im Original:] - 4 - Deutschland verbündet hat, noch irgend ein Recht hat, Richter über das politische Regime anderer Staaten zu sein. Hinzu kommt, dass an der finnischen Regierung die Sozialdemokraten beteiligt sind, dass Tanner, der einst Stalin das Leben rettete, in ihr Aussenminister ist und dass den Kommunisten nichts anderes übrig bleibt als wieder das alte Lied anzustimmen, dass die Sozialdemokratie der Hauptfeind und der Hitler- Faschismus das kleinere Übel sei, - eine Propaganda, die eine endgültige Trennung der europäischen Arbeiterschaft von der kommunistischen Parteipolitik schafft, zumal noch in frischer Erinnerung ist, welche Folgen die gleiche Propaganda für die Arbeiterbewegung Deutschlands hatte. Hat so Stalins Politik die Sowjetunion in eine hoffnungslose Isolierung von allen moralischen Kräften der Welt getrieben, auf deren Sympathie sie hat je rechnen können, und in offenen Gegensatz zu allen Mächten der Welt mit Ausnahme des Dritten Reiches gebracht, so hat das Versagen der Roten Armee beim Angriff auf Finnland, der auch jetzt - nach 8 Wochen - noch keinen nennenswerten Erfolg, dafür aber manche erstaunlichen Niederlagen gebracht hat, die Sowjetunion in eine Lage gebracht, in der sie immer stärker in die Abhängigkeit Hitlers zu geraten droht. Nach den Ergebnissen der russischen Hilfe für China und die spanische Volksfront ist das Ergebnis des Angriffs auf Finnland der dritte und deutlichste Beweis dafür, wie fragwürdig die von der kommunistischen Propaganda geschaffene Legende von der Unüberwindlichkeit der Roten Armee und der Vorzüglichkeit der Sowjetorganisation war, und das Ende dieser Legende ist eine bedrohliche Ermunterung für alle Gegner, die sich das Sowjetregime im Innern und draussen geschaffen hat. Es ist zu erwarten, dass Stalin jetzt tatsächlich Hitlers Hilfe braucht, die er nur haben kann, wenn er mehr noch als bisher Hitlers Politik macht. Was die Sowjetunion 20 Jahre lang zu einem Machtfaktor gemacht hatte: ihr Ruf, Gegnerin des Imperialismus und Faschismus zu sein, und ihr Ansehen als grosse Militärmacht und riesiger Wirtschaftsraum, das alles hat Stalin in einem halben Jahr aufs Spiel gesetzt, und es sieht ganz so aus, als werde er das Spiel verlieren. Wir zitieren zum Abschluss, was die bekannte Basler "National- Zeitung"[5] schon am 19. Dezember in ihrem Leit- [Seite im Original:] - 5 - artikel "Stalin in der Klemme" schrieb: "Ob Stalin Kuusinen[6] fallen lässt und mit den 'Henkern' Finnlands paktiert oder ob er neue Hekatomben russischer Soldaten hinopfert und das militärische Renommee der Sowjetunion immer mehr aus Spiel setzt - beides ist seinem Regime abträglich. Auch wenn es in Finnland für ihn mit einem Pyrrhussieg enden sollte, schon jetzt hat Sowjetrussland sich politisch und moralisch eine entscheidende Niederlage geholt, und auch wenn es sich noch aus der Klemme hinausmanövrieren könnte, in die es jetzt geraten ist: die Suggestion, die von seiner Macht und von seiner Ideologie so lange ausstrahlte, ist für immer vorbei." Christen, Juden und Sozialisten einig gegen Hitler Die kommunistische Partei der Vereinigten Staaten hat beschlossen, sich an dem antinazistischen Warenboykott nicht mehr zu beteiligen. Der Vereinigte Boykott-Rat des American Jewish Congress und des Juedischen Arbeiterkomitees, das Christliche Komitee fuer Boykott Nazideutschlands und der Amerikanische Boykottrat gegen Angreifer-Nationen haben einen gemeinsamen Beschluss gefasst, in dem diese Haltung der Kommunisten als Verrat verdammt und die Entschlossenheit kundgetan wird, die Anstrengungen zur Intensivierung des Boykotts noch zu erhoehen.
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