Deutschland

REGIERUNG Der Rambo von Bonn BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel sorgt mit seiner Fundamentalkritik an Föderalismus und Wahlrecht für Wirbel. Viele Manager halten jedoch Distanz zu dem Systemkritiker. Henkels Vorbild, Bundespräsident Roman Herzog, lehnt das Rütteln an der Verfassung ab.

in Ruck müsse durch das Land ge- nervte mit der Frage, was sie denn nun zu unserer föderalen Struktur, mit 16 Bun- hen, forderte Bundespräsident Ro- tun gedächten. „Der Herzog hat gut re- desländern, einem Verhältniswahlrecht, Eman Herzog Ende April im Berliner den“, war die regelmäßige Antwort, „er überhaupt eine Chance hat, sich so schnell Hotel Adlon. Bei einem im Lande ruckte es muß ja keine Entscheidungen fällen.“ zu verändern wie andere“. sofort ganz gewaltig. Sie würden ja gern so vieles ändern, ver- Die Politiker hatten schon gewußt, war- Hans-Olaf Henkel, der Präsident des sicherten die bedeutendsten Politiker aus um sie Henkel den Vortritt ließen. Der Ruf Bundesverbandes der Deutschen Industrie Regierung wie Opposition Henkel im Ver- nach einer „Systemdebatte“ brachte ihn (BDI), war „total begeistert“ von der „Ber- trauen, aber das politische System hinde- sogleich in die Nähe der Verfassungsfeinde. liner Rede“: „Endlich spricht es mal einer re sie leider daran. Da sei zum Beispiel der Er bedenke wohl gar nicht, daß „System“ aus.“ Bundesrat mit seinem Veto – ein Teil der fö- ein Schmähwort der Weimarer Republik Was der Präsident der Deutschen Indu- deralistischen Verfassung – oder der kleine gewesen sei, belehrte der ehemalige SPD- strie schon immer gesagt hatte, das ver- Regierungspartner mit seinen Sonderwün- Vorsitzende Hans-Jochen Vogel den Indu- kündete nun auch der Präsident der Deut- schen – eine Folge des Verhältniswahlrechts strie-Lobbyisten. Die süddeutsche zei- schen: daß wir von Asiaten und Amerika- und des Zwangs zu Koalitionen. tung drohte ihm mit dem Grundgesetz- nern lernen sollten, daß die Deutschen kei- Keiner der Systemkritiker aber wollte Artikel 20,Absatz 4, dem Widerstandsrecht ne Zeit verlieren dürften, um Reformstau trotz Henkels Drängen öffentlich gegen die der Bürger gegen jeden, der die verfas- und Stillstand endlich zu überwinden. hinderliche Verfassungsordnung anreden – sungsmäßige Ordnung beseitigen wolle. Wo immer Henkel danach auf einen so tat er es am Ende denn selber. Der BDI-Präsident ist von der Reaktion Politiker traf – von Wolfgang Schäuble In einem Beitrag für den Band „Stim- heftig getroffen und fühlt sich 20 Jahre bis Oskar Lafontaine –, brachte er das men gegen den Stillstand“, in dem der wo- nach dem Mord an Hanns Martin Schley- Gespräch auf die bewegende Rede und che-Herausgeber Manfred Bissinger Ant- er „zum Abschuß freigegeben“. worten auf die Herzog-Rede sammelte, Auch der Bundespräsident reagierte „mit- * Beim Unternehmertag in München am 1. Juli. fragte der BDI-Präsident, „ob ein Land mit nichten“ erfreut auf Henkels Vorschlag, sei- C. LEHSTEN / ARGUM Kanzler Kohl, Unternehmer*: Die Reformen scheitern nicht an den Machtverhältnissen

22 der spiegel 30/1997 ner Berliner Rede einen zweiten Teil Erst machte Henkel den Standort über das Systemproblem nachzu- Deutschland zu seinem Thema, dann schicken. Das Bemühen um rasche ging er den Gewerkschafts- und Problemlösungen sei eine Sache, eine Wohlfahrtsstaat an, nun ist das poli- ganz andere aber die „unangebrach- tische System dran. te Diskussion über bewährte Verfas- Die Radikalität von rechts er- sungsprinzipien“. innert den SPD-Wirtschaftspoli- Henkel provoziert und polarisiert tiker Gerhard Schröder an eigene – manchmal unbedacht mit der Juso-Zeiten: „Immer wenn etwas politischen Naivität eines Managers, nicht so läuft, wie man es sich oft aber mit dem gezielten Kalkül vorstellt, wird die Systemfrage ge- eines Systemveränderers. In Klaus stellt.“ Doch Henkel habe das von Dohnanyi hat er einen über- deutsche System offenbar nicht ver- zeugten Mitkämpfer gefunden (siehe standen. „Was er im Grunde außer Seite 24). Kraft setzen will, ist das demokra- Henkels holpriger Angriff auf Fö- tische Prinzip der Machtteilung“, deralismus und Wahlgesetz trifft ei- meint der mutmaßliche Kanzler- nen wunden Punkt. Was immer die kandidat, „und das halte ich für Bonner Koalition in den letzten Jah- verkehrt.“ ren an großen Reform-Projekten Der Föderalismus, der sich in der ankündigte – es blieb von der Steu- Macht des Bundesrats manifestiert, er bis zur Rente in kleinlichen Ran- ist nicht ohne Grund in Artikel 79 geleien um Prozentpunkte stecken. der Verfassung mit einer „Ewig-

Sogar die Unternehmer sind mit IMO keitsgarantie“ versehen – nicht ein- ihrer selbstgewählten Regierung un- BDI-Chef Henkel: Wider das „Konsensgesülze“ mal ein einstimmiger Beschluß des zufriedener denn je. In der Umfrage Parlaments könnte die „grundsätz- des Magazins capital unter den Führungs- liche Mitwirkung der Länder bei der kräften, dem „Elite-Panel“, sorgen sich Verflochtene Politik: Gesetzgebung“ aufheben. diesen Monat 83 Prozent, daß die Bonner Die verfassunggebende Versammlung nichts mehr voranbringen. hatte diese Bestimmung 1949 besonders Verschreckt über die Reaktion seiner doch auf Druck der Amerikaner so scharf ge- so heftig umworbenen Unternehmer-Klien- faßt: Nie mehr sollte wie unter der Hitler- tel, konstatierte FDP-Chef Wolfgang Ger- Diktatur, die umgehend die Länder – allen hardt vergangene Woche ein „Ansehens- voran das große Preußen – entmachtete, tief“ der Regierung. Der ständige Hinweis eine Zentral-Gewalt die totale Herrschaft auf die SPD-Mehrheit im Bundesrat ist für an sich reißen können. Gerhardt „keine ausreichende Begründung Nach welchem Modus die Deutschen für mangelnde politische Fortschritte“. wählen sollen, läßt die Verfassung dagegen blieb vergangenen Freitag offen. „Das Grundgesetz schreibt kein be- lieber beim bewährten Feindbild und warf stimmtes Wahlsystem vor“, befand das der SPD die „totale Blockade der wesent- Bundesverfassungsgericht bereits 1957.

lichen Zukunftsaufgaben“ per Bundesrat M. DARCHINGER FOTOS: Nur einmal in der Geschichte der Bun- vor. Von den Änderungswünschen des In- Bundestag desrepublik gab es ernsthafte Chancen, das dustrie-Lobbyisten aber hält er wenig: „Da bestehende, komplizierte Verhältniswahl- kommt nichts raus.“ recht wieder abzuschaffen – 1966, während Für den ehemaligen IBM-Manager Hen- der Großen Koalition unter Kanzler Kurt kel ist die Bundesrepublik ein behäbig ge- Georg Kiesinger. Doch damals scheiterte wordenes Unternehmen, das wie der große das Vorhaben schließlich an den Sozialde- Computer-Konzern von blitzschnellen klei- mokraten – sie spekulierten schon auf die nen Konkurrenten überholt wird.Wie einst Macht im Kanzleramt mit Hilfe der Libe- bei „Big Blue“ müßten entscheidungs- ralen, wie es 1969 dann ja auch kam. hemmende Hierarchiestufen abgebaut, ein Da sich solche Konstellationen immer in Jahrzehnten erstarrtes Regelwerk von wieder einstellen, wird es das Mehrheits- Dienstvorschriften durchgeforstet werden. wahlrecht in Deutschland wohl nie geben Mit seiner forschen Art konnte der Auf- Bundesrat – auch wenn das britische Beispiel mal wie- steiger aus Hamburg die deutsche IBM er- der verlockend erscheint. Ein ruckartiger folgreich durcheinanderwirbeln. Daß aber Umschwung wie zu Tony Blair garantiert Deutschland nicht wie eine Aktiengesell- für fünf Jahre ungestörte Machtausübung. schaft zu führen ist, begreift er nicht. So sind Reformen auch ohne Mitwirken Seit er 1995 an die Spitze kam, sucht der Opposition möglich. Freilich können Henkel die Konfrontation. Das „Konsens- sie auch nach der nächsten Wahl genauso gesülze“, wie er das typisch deutsche Zu- leicht rückgängig gemacht werden, wenn sammenspiel von Gewerkschaften und Ar- die Opposition wieder in die Regierung ge- beitgebern intern nennt, ist ihm zuwider. wählt wird. Und: Bei der Mehrheitswahl Da zeigt er die Radikalität des Konvertiten, hapert’s mit der Gerechtigkeit: Die Zahl der sich aus kleinen Verhältnissen über der Sitze reflektiert meist nicht die Zahl eine Speditionslehre und die gewerk- der Wählerstimmen. schaftsnahe „Akademie für Gemeinwirt- Bundesregierung Das Verhältniswahlrecht mit seinem re- schaft“ hochgearbeitet hat. gelmäßigen Zwang zur Koalition verspricht

der spiegel 30/1997 23 Deutschland „Aufstand der Mandarine“ Hans-Olaf Henkel gibt Anstöße für eine überfällige politische Diskussion. Von Sozialdemokrat Dohnanyi, 69, war Was die 16 Länder angeht, so haben Bundesministerium für Finanzen darf von 1981 bis 1988 Hamburger Bürger- wir gerade den Versuch hinter uns (1996) ausdrücklich feststellen, daß die meister. Im Herbst erscheint sein Buch (Brandenburg/Berlin), eines weniger zu „föderale Ordnung in Deutschland zu zum Reformthema „Im Joch des Pro- werden. Und ich kenne niemanden, der korrumpieren“ drohe: an Politikver- fits?“. den Fehlschlag nicht bedauert. Es gab mischung, da keine Ebene voll verant- einmal einen Artikel im Grundgesetz, wortlich sei. ngst“ ist ein gängiges Fremd- der die Länderneugliederung zur Ver- Deutschland hat in den letzten Jah- wort in anderen europäischen ringerung der Zahl der Bundesländer ren aus Genf, Lausanne und andernorts ASprachen – „German Angst“, ausdrücklich vorsah. Er wurde nach immer negativere Rangplätze interna- wie es die Angelsachsen so passend Fehlschlägen zu einer bloßen Hoffnung tionaler Wettbewerbsfähigkeit erhalten. nennen.Angst grenzt auch das Feld ab, eingedampft. Zuletzt hat sich die renommierte Ge- in dem eine offene politische Diskus- sellschaft für Konsum- sion bei uns noch stattfinden darf. Und forschung in Nürnberg wenn gar einer aus der Industrie es mit diesem Thema aus- wagt, über Abläufe in der Politik nach- einandergesetzt. zudenken, dann sind gleich Grundge- Liest man die Studi- setz und Demokratie in Gefahr. en genau, dann wird Hans-Olaf Henkel, Präsident des deutlich: Das sind gar Bundesverbandes der Deutschen Indu- keine Urteile über die strie, hat öffentlich nachgedacht über deutsche Wirtschaft – „die Fähigkeit unseres politischen Sy- das sind alles Urteile stems, im Wettbewerb“ zu bestehen. über die Unfähigkeit „Ökonomisierung der Verfassung“, der Politik in Deutsch- fürchtet da Hans-Jochen Vogel; Hen- land, zu den erkennbar kel eröffne „im schönsten Revoluzzer- notwendigen Entschei- ton eine Systemdebatte“, warnt die dungen zu kommen. berliner zeitung. Und Rita Süssmuth In einer nicht als nennt Henkel einen „Systemüberwin- „systemveränderndes der“ und fügt hinzu: Demokratien sei- Revoluzzertum“ be- en nun einmal langsam. „Nur die Dik- zeichneten Initiative tatur ist schnell.“ wurde 1969 unsere Ver- Henkel hatte freundlich angeregt zu fassungspraxis zentra- diskutieren, „ob ein Land mit unserer lisiert: Gemeinschafts-

föderalen Struktur, mit 16 Bundeslän- / CARO A. BASTIAN aufgaben, Rahmenge- dern, einem Verhältniswahlrecht über- Systemkritiker Dohnanyi: „Wieder dezentrieren“ setzgebung des Bun- haupt eine Chance hat, sich so schnell des, Finanzreform. Ich zu verändern wie andere“. Und dafür Ich persönlich halte auch aus mei- kenne viele in unserem Land hochge- dieser Aufstand der Mandarine von ner Bonner und Hamburger Erfahrung achtete Personen, die mit mir heute der Bonn! Aber man wird ja wohl noch fra- wenig von solchen Versuchen: Sie sind Meinung sind: Das ging damals in die gen dürfen – und doch nicht nur nach ohne reale Chance, verbrauchen un- falsche Richtung. Wir müssen wieder Unternehmerleistungen, sondern um- endlich viel politische Energie – und dezentrieren, wie die Wirtschaft auch. gekehrt nach solchen der Politik! sie sind auch überflüssig. Kalifornien Politik kann auch von der Wirtschaft Ein kurzes Gedächtnis ist in der Po- hat mehr als 50mal so viele Einwohner lernen: Beweglichkeit ist eine Frage der lemik immer hilfreich. Ich erinnere des- wie Vermont, und es geht auch. Organisation; erkennbare Verantwor- wegen daran: Es war die SPD, die im Aber da ist noch die föderale Struk- tung eine Voraussetzung des Erfolgs; Säuselwind einer Kurzrezession 1966 tur, also die Ausprägung und Praxis un- Verantwortung aber eine Frage der kla- in einer Großen Koalition mit der CDU seres Föderalismus. Wenn man Direk- ren Zuordnung von Aufgaben. Jeder aus Furcht vor wachsenden Instabilitä- tor des Max-Planck-Instituts für Ge- Unternehmer hat diese Erfahrungen ten das Mehrheitswahlrecht einführen sellschaftsforschung ist wie Professor sammeln müssen. Die Politik muß das wollte: mit den Stimmen von Brandt, Fritz Scharpf, dann darf man in der faz nachholen. Schmidt und Wehner; und von Kiesin- ruhig schreiben: Das Ausbleiben über- Henkel hat die Mehrheit der zustän- ger, Lücke, Katzer. Es wurde zwar fälliger Strukturreformen liege daran, digen Wissenschaftler und die Erfah- nichts daraus, und heute meine ich, das daß es „kein anderes Land (gibt), in rung auf seiner Seite. Der Politik ist zu war wohl auch gut so. Aber „system- dem so viele Instanzen mit Verhinde- raten, sich an der Lernfähigkeit von verändernde Revoluzzer“ waren da- rungsmacht ausgestattet sind“. Und Wirtschaft und Wissenschaft ein Bei- mals nun wirklich nicht am Werk. auch der wissenschaftliche Beirat beim spiel zu nehmen.

24 der spiegel 30/1997 mehr Kontinuität – neben einer pflichtig. Dieser Trick allerdings stärkeren Berücksichtigung der hilft nicht weit – voraussichtlich unterlegenen Parteistimmen. will die SPD vor dem Bundes- Aus diesen Gründen ist zum verfassungsgericht die Länder- Beispiel Neuseeland, eines der beteiligung erstreiten. Lieblingsländer des deutschen Gewiß führt die Mitsprache Industrie-Präsidenten, nun von der Länder auch zu mancherlei der Mehrheitswahl abgegangen. schwer durchschaubarem Kom- Auch ein föderales System ist petenz-Wirrwarr – etwa beim beileibe nicht prinzipiell ein Multimedia-Gesetz. Die Länder Standortnachteil. Das zeigt ge- beharren auf ihrer Rundfunk- rade Henkels großes Vorbild hoheit und wollen bei der soge- Amerika. Der US-Präsident muß nannten meinungsbildenden in mühsamen Verhandlungsrun- Massenkommunikation mitre- den Senatoren und Abgeordne- den – aber kein Anbieter neuer te auf seine Seite ziehen. Die Dienste weiß, ob er vielleicht Volksvertreter sehen dabei häu- ein Meinungsbildner ist. fig auf die Interessen ihrer Staa- Doch der BDI profitiert sel- ten und Wahlbezirke und lassen ber gerade auch von der kom- sich Zugeständnisse durch ent- plizierten Politikverflechtung sprechende Bundesleistungen des deutschen Konsensstaates. für ihre Heimat regelrecht ab- In keiner anderen großen Indu- kaufen. Daß die USA dennoch strienation, außer Japan, muß als besonders wirtschaftsförder- auch Henkel einräumen, hat der lich gelten, liegt nicht an der Industriellen-Präsident eine ähn- Struktur der Institutionen, meint lich starke Stellung wie in der Hamburger Politologie-Pro- Deutschland. fessor Joachim Raschke, sondern Henkel aber nutzt sie selber daran, daß „Amerika als Gesell- nicht, wenn ihm wirklich die schaft kapitalistischer ist“. Chance winkt, Stillstand zu Frankreich hat gar beides, Geduldiger Kampfplatz hamburger abendblatt überwinden. In den Kanzler- worauf Henkel seine Hoffnung runden zum Bündnis für Arbeit setzt: strikte Mehrheitswahl und straffen wieder schob die Kohl-Regierung die Ent- hatten alle anderen sich bewegt – nur nicht Zentralstaat. Dennoch dürfte der Manager, scheidung auf – nicht wegen der Zustim- der BDI. „Mit allen anderen Unterneh- der lange in Paris arbeitete, mit dem halb- mungspflicht des Bundesrates, sondern aus merverbänden können wir konkret und herzigen Reformprogramm der Kohabita- Angst der Union vor der Einzelhändler-Kli- mit Ergebnissen über Probleme wie Steu- tions-Partner Jacques Chirac und Lionel entel. Die Hamburger SPD wiederum schob, ern und Renten reden“, sagt DGB-Chef Jospin kaum zufrieden sein. um ihre Kundschaft beim Ladenpersonal Dieter Schulte, „nur nicht mit Henkel.“ In Wahrheit ist es ja auch so: Nicht an nicht zu vergrätzen, bei der finalen Abstim- Der Stillstand habe nichts mit der den Machtverhältnissen im Bundestag und mung im Bundesrat die Statt Partei vor. Verfassungsstruktur zu tun, meint auch Bundesrat und schon gar nicht am Wahl- Bei der Gesundheitsreform scheute sich der Unions-Fraktionschef Schäuble, son- recht scheitern die meisten Reformen, son- die Regierung nicht, ausgerechnet die chro- dern mit der „von Parteien, Ländern und dern an Interessenverbänden und Klien- nisch Kranken mit höheren Zuzahlungen Verbänden überzogenen Inanspruchnah- telwirtschaft, an starken oder schwachen für unverzichtbare Medikamente zu bela- me partikularistischer Interessen – das gilt politischen Führungskräften oder schlicht sten. Die geplanten Kürzungen bei den me- auch für den BDI, jedenfalls gelegentlich“. an den oft selbst geschaffenen Sachzwän- dizinisch meist weniger wichtigen Kuren Henkels Vorstoß ist auch im eigenen La- gen wie dem öffentlichen Schuldenberg. nahm die Koalition in letzter Minute weit- ger nicht unbestritten. Wenn sich Unter- Symbolthema für den Reformstau war gehend wieder zurück. Die bayerische nehmer in diesen Tagen treffen, so der im vergangenen Jahr zum Beispiel die Ver- CSU setzte das nach heftigen Protesten DIHT-Geschäftsführer Franz Schoser, gibt längerung der Ladenschlußzeiten. Immer der süddeutschen Badeorte durch. eine Hälfte ihm unumwunden recht, die Bei der Atomrechtsno- andere sagt: Mußte das denn ausgerechnet velle zeigte das Kabinett in jetzt sein? So mancher Groß-Manager im der vergangenen Woche Hintergrund läßt den Industrie-Präsidenten ungewohnte Entschlossen- ganz gern als Rambo in Bonn wüten – doch heit. Im Interesse der bei- keiner mag sich offen zu der Systemkritik den Druckwasserreaktor- bekennen. Entwickler Siemens und So sieht sich Henkel manchmal schon in Framatome soll ein soge- merkwürdiger Gesellschaft. „Die einzigen, nanntes standortunabhän- die in diesem Land noch etwas verändern giges Genehmigungsver- wollen, sind doch der BDI und die Grü- fahren den Firmen beim nen“, sinniert er schon mal in vertrauter Export der neuen Technik Runde. helfen. An der abenteuerlichen Allianz sei etwas, Um den unvermeidli- findet auch Polit-Professor Raschke: Die Ma- chen Einspruch des Bun- nager wie die Grünen wollten ja weniger desrats zu umgehen, er- Staat und das selbständige Individuum – klärte Umweltministerin „nur mit unterschiedlichen Interessen, den

M. DARCHINGER das Gesetz einen geht es um Gewinn, den anderen um Politiker Schröder, Manager Piëch: „Systemfrage gestellt“ für nicht zustimmungs- die Gesellschaft“. ™

der spiegel 30/1997 25