gb062011 06.06.2011 16:51 Uhr Seite 1

GRUNE¨¨ BLATTER Mitgliederzeitschrift Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg · 06.2011

Von Silke Krebs und Chris Kühn Hier ist mehr drin: Am 27. März haben Danke! Ein Stück grüne Seele ist von uns gegan- wir Grünen in Auch wenn seit dem Wahlabend schon gen. Ein Nachruf auf unsere Alterspräsi- Baden-Württemberg Geschichte geschrie- einige Wochen vergangen sind, möchten dentin von Andreas Braun. Seite 3. ben. Wir stellen mit Winfried Kretsch- wir uns nun bei Euch direkt bedanken, die mann den ersten grünen Ministerpräsi- ihr diesen großen Erfolg möglich gemacht Der erste grüne Ministerpräsident der denten der Republik und haben mit 24,2 habt – im harten Winterwahlkampf auf der Republik: . Wir Prozent das beste grüne Ergebnis aller Straße, beim frühlingswarmen Schluss- haben mit ihm gesprochen. Seite 4. Zeiten erzielt. Mit 36 Mitgliedern haben spurt, bei Veranstaltungen, mit Aktionen wir die größte grüne Landtagsfraktion in und im Internet. Besonderer Dank gilt Das grüne Team in der Landesregierung. ganz Deutschland. Die Menschen in natürlich den vielen KandidatInnen vor Unsere Ministerinnen und Minister Baden-Württemberg haben uns den Auf- Ort und ihren Teams für den großen per- erklären, was sie in der Regierung alles trag zur Regierungsbildung gegeben. Sie sönlichen Einsatz. auf die Beine stellen wollen. Seite 6 bis 9. haben sich für einen Politkwechsel und einen neuen Politikstil, eine Politik des Eine echte Bürgerregierung Grüne Regierungsfraktion – wie funktio- Gehörtwerdens, entschieden. Wir wissen, In den nächsten Jahren werden wir das niert das? Die neue Fraktionschefin Edith welch große Verantwortung das bedeutet, Land gemeinsam mit den Bürgerinnen Sitzmann erläutert die neue Rolle der und nehmen den Regierungsauftrag kraft- und Bürgern behutsam – aber kraftvoll Landtagsfraktion. Seite 10. voll und mit großem Respekt an. Das hat und mutig – weiterentwickeln. Nur so die LDK in Stuttgart und ihr einstimmiger wird der Politikwechsel gelingen. Denn Die neuen Grünen in der Fraktion. Sandra Beschluss des Koalitionsvertrags ein- wir sind uns bewusst, dass wir die Men- Boser erzählt, wie das so ist, wenn man drucksvoll deutlich gemacht. neu in den Landtag einzieht. Seite 11. Fortsetzung Seite 2 gb062011 06.06.2011 16:51 Uhr Seite 2

Fortsetzung von Seite 1

schen überzeugen müssen, um eine schule einleiten. Wir werden die Kinder- Regierung nur erfolgreich sein, wenn wir gesellschaftliche Mehrheit für unsere betreuung ausbauen und die frühkindli- uns als Team begreifen. Wir Grünen wol- Reformprojekte zu gewinnen – etwa in che Bildung verbessern. Wir werden indi- len mit der SPD gemeinsam dieses Land Sachen Gemeinschaftsschule oder bei viduelle Förderung in den Mittelpunkt gestalten! In diesem Sinne gibt es keine der Energiewende. Nur wenn es uns als stellen, die Gemeinschaftsschule ermög- grünen Ministerien und keine sozialde- Bürgerregierung gelingt, mit den Men- lichen, die verbindliche Grundschulemp- mokratischen Ministerien – es gibt nur schen gemeinsam Politik zu gestalten, fehlung abschaffen und flächendeckend eine grün-rote Landesregierung. Das wird der Wechsel ein Erfolg. die Ganztagsschule einführen. Motto „Gemeinsam sind wir stark“ gilt auch zwischen Regierung und Partei. Wir Demokratie lebt vom Kompromiss Die Energiepolitik werden wir auf neue Grünen im Südwesten müssen uns weiter In den Koalitionsverhandlungen gab es Füße stellen: Weg vom Atomstrom und hin für die neue BürgerInnen-Gesellschaft viele Gemeinsamkeiten mit der SPD. Es zu Sonne, Wasser, Biomasse und Wind. Wir öffnen und diese vorwärts bringen. Wir gab aber auch Felder, in denen wir um haben das ambitionierte Ziel, den Anteil müssen die vielen Neumitglieder inte- Kompromisse gerungen haben – freund- von Windstrom im Strommix von unter grieren, unsere Strukturen weiterent- schaftlich im Umgang, aber hart in der einem Prozent auf 10 Prozent zu erhöhen. wickeln und dennoch uns selbst treu blei- Sache. Dabei haben beide Seiten Zuge- Wir Grüne werden alles daran setzen, dass ben. Wir freuen uns auf die gemeinsame ständnisse gemacht. Uns allen ist klar, Stuttgart 21 nicht gebaut wird. Die Arbeit mit der Regierung, der Fraktion, in dass es bei einem Koalitionsvertrag mit Grundlage dafür ist die Einigung mit der der Partei und in den Kreisverbänden. einem Partner auf Augenhöhe kein „Grün SPD auf einen Kostendeckel von 4,5 Milli- Lasst uns das JETZT anpacken. Denn wir Pur“ gibt. Aber es ist auch klar: Wir haben arden und den Volksentscheid. Das Land sind gekommen, um zu bleiben. den grünsten Koalitionsvertrag aller Zei- wird keinen Cent mehr für S21 bezahlen. ten erreicht! Nur gemeinsam sind wir stark! Silke Krebs und Chris Kühn Wir werden einen neuen Aufbruch in der Auch wenn wir bei S21 mit der SPD unter- sind Landesvorsitzende der Bildungspolitik von der Kita bis zur Hoch- schiedlicher Meinung sind, wird die neue baden-württembergischen Grünen

02 · GRÜNE BLÄTTER 06.11 gb062011 06.06.2011 16:51 Uhr Seite 3

Ein Teil der grünen Seele

Liebe Irmgard, wie lange hast Du darauf hingewirkt, mit- gearbeitet, mit all Deiner Kraft, Deiner unbändigen Kraft, Deiner Liebenswürdig- keit, Deiner Knitzheit, Deinem Charme und Deiner unnachahmlichen Art, dass die Grünen in Baden-Württemberg endlich regieren. Nun hast Du diese historischen Tage knapp verpasst. Du bedauerst es, da bin ich sicher, dass Du diese Tage nicht mehr erleben darfst.

Liebe Irmgard, Du hast zu den Menschen gehört, die einen Raum, ja, eine Halle alleine mit ihrer Präsenz ausgefüllt haben.

Wir kannten uns über fünfundzwanzig Jah- re – Du warst 65, ich 22, als wir gemeinsam mitgeholfen, den Laden wieder auf die Bei- Am 28. April ist Irmgard Zecher, die Grünen Blätter gemacht haben. Wir ne zu stellen. unsere ehemalige Landesvorsitzende sind mit Dir und Deinem Uralt-Mercedes und langjährige Alterspräsidentin, im über die Alb gefahren und haben uns stun- Hunderte von Landesvorstandssitzungen, Alter von 90 Jahren gestorben. denlang die Köpfe heißgeredet über bei denen irgendwann Deine schon abseh- irgendwelche Zehnzeiler für das Blatt. Und bare und erwartete Frage nach dem Trol- Der Text stammt Du hast immer dazu beigetragen, eine linger/Lemberger kam. Dutzende von Par- von Andreas Lösung zu finden. teitagen – Du in der ersten Reihe, auch mal Braun, der von kurz weggenickt, aber immer präsent. Mit 1999 bis 2006 Die Gespräche mit Dir über Dein Leben, Unterstützung gelaufen bis zur Halle – Landesvorsitzen- das fast ein ganzes Jahrhundert gewährt dann aber plötzlich wie 40 Jahre jünger der der baden- hat, werde ich nie vergessen. Die Gespräche und ohne Stock und ohne Hilfe zum Rede- württembergi- über Deine Jugend, Deine BdM-Mitglied- pult marschiert. schen Grünen war. schaft, die Dich immer wieder beschäftigt hat, Deine vielen frühen Reisen als Han- Und schließlich, das Bild, das ich immer im dels- und Modevertreterin nach Österreich Herzen habe, wenn es auch nicht ganz öko- und Ungarn, alles neben Deinen fünf Kin- logisch korrekt ist: Du steigst aus einem dern und Deinem Mann, immer aktiv und Flugzeug irgendwo, Blick zum Himmel und immer unterwegs. dann auf uns, die wir auf Dich gewartet haben, und schreitest die Treppe herunter, Dein Haus – voll von oben bis unten mit nicht, ohne huldvoll zu winken. Ab diesem Klamotten, die Du Gottweißwo aufgetrie- Moment warst Du für mich Queen Mum, ben und weiterverkauft hast – Du hattest und wir hatten vereinbart, dass Du jeden immer den Überblick, wo gerade welcher Tag Gin trinkst, damit Du über 100 wirst. Frack und welches Spitzenhäubchen zu fin- Hast es nicht ganz geschafft, liebe Irmgard, den war, das vielleicht einem Interessenten das ist schade. passt. Du warst lange Jahre ein wichtiges Gesicht Du hast an Menschen geglaubt, in der Par- für die Partei. Und ein ganz wichtiger Teil tei, außerhalb der Partei, als niemand mehr ihrer Seele. an sie geglaubt hat. Du hast Menschen bestärken können auf Deine unverkennba- Mach’s gut, liebe Irmgard. Und pass auf uns re Art, als niemand mehr sie bestärkt hat. auf, bitte. Trotz all der Termine, die Du da Und du hast an diese Partei geglaubt, als oben hast. niemand mehr an diese Partei geglaubt hat – 1989 bis 1991 warst Du im GLV und hast Wir vergessen Dich nicht.

GRÜNE BLÄTTER 06.11 · 03 gb062011 06.06.2011 16:51 Uhr Seite 4

„Keine Angst, aber hohen Respekt“

Der 12. Mai 2011 wird in die Geschichts- Nein, Angst nicht, aber ich habe hohen ums nicht nur loyal empfangen hat, son- bücher eingehen. An diesem Tag wurde Respekt vor dem Amt und vor den Erwar- dern dass ich da sogar ein Wohlwollen Winfried Kretschmann zum ersten grü- tungen, die mit dem Regierungswechsel gespürt habe. Das hat mich sehr gefreut. nen Ministerpräsidenten der Republik verbunden sind, weil mir durchaus gewählt. Wir haben mit Winfried über bewusst ist, dass wir diese Erwartungen Wird man als Ministerpräsident anders sein neues Amt, seine Ziele und die nicht alle erfüllen können. behandelt? Hast Du z. B. das Gefühl, dass Bedeutung der ersten grün geführten manche Menschen sich plötzlich nicht Regierung gesprochen. Hattest Du Zeit für Dich selbst zu realisie- mehr so recht trauen, Dich anzuspre- ren, was es bedeutet, Ministerpräsident zu chen? Du bist vor 31 Jahren in den Landtag ein- sein? gezogen. Was hättest Du gesagt, wenn Dir Nein, im Gegenteil. Die Menschen spre- damals jemand prophezeit hätte, dass Du Nicht wirklich, aber erstaunlicherweise chen mich nach wie vor gerne und oft an. einmal Ministerpräsident wirst? kommt man schnell in die Rolle rein, denn Interessant ist natürlich, dass Leute mich es geht übergangslos gleich mit den ersten jetzt für wichtig nehmen, die mich früher Winfried Kretschmann: Weil es so außer- wichtigen Repräsentationsterminen los. keines ernsthaften Blickes gewürdigt halb jeder Reichweite lag, wäre darauf Erst bei der Regierungserklärung habe ich haben. Da merkt man: Macht macht inter- überhaupt niemals jemand gekommen. das richtig realisiert: Jetzt hat ein Wechsel essant. Wir waren damals so zwischen Paradies- stattgefunden. Dieser Richtungswechsel vögeln und Staatsfeinden angesiedelt. von einer 10 Prozent-Oppositionsfraktion Was wird Dich im Stil von Deinen Vorgän- Das Parlament war das Spielbein und die zur Führung des Landes hatte strecken- gern unterscheiden? außerparlamentarische Bewegung das weise, auch wenn es eine ernste Angele- Standbein. Ein Grüner Ministerpräsident genheit ist, etwas Amüsantes. Ich hatte verschiedene Vorgänger, die war weder für uns noch für andere denk- unter sich im Stil sehr unterschiedlich bar. Was war die größte Überraschung, die das waren. Da verbindet mich mit dem einen neue Amt gebracht hat? etwas und mit dem anderen weniger. Als Regierungschef hast Du eine riesige Aber ich glaube, ich habe ein anderes Verantwortung. Macht Dir das keine Ich war überrascht darüber, dass mich die Machtverständnis als meine Vorgänger. Angst? gesamte Belegschaft des Staatsministeri- Mein Umgang mit der Bürgerschaft wird

04 · GRÜNE BLÄTTER 06.11 gb062011 06.06.2011 16:51 Uhr Seite 5

ANZEIGE sehr offen und unprätentiös sein, denn Ist grüne Politik nicht einfach näher an ich bin Beauftragter der Bürger durch der Lebensrealität der Menschen? Wahl. Die grünen Themen sind in der Mitte der In der ersten Biographie über Dich wird Gesellschaft angekommen, wir damit folgende Aussage eines Parteifreunds auch. Man merkt es beispielsweise in der zitiert. „Winfried Kretschmann ist der Wirtschaft: Fragen der ökologischen anständigste Mensch, der je in Deutsch- Umgestaltung sind heute keine Gegen- land Regierungschef wurde.“ Fühlst Du sätze mehr zur Ökonomie, sondern sol- Dich damit richtig getroffen? che, die sie erst tragfähig machen.

Das ist alles ein bisschen übertrieben. Die neue Regierung hat den Anspruch Ich mache Politik aus Überzeugung. Ich eine „Bürgerregierung“ zu sein und eine war und bin an der Sache interessiert „Politik des Gehörtwerdens“ zu machen. und nicht nur an einer Karriere – das Was heißt das? strahlt man dann vielleicht auch aus. Es heißt, dass wir den Gruppen der Zivil- Wie erklärst Du Dir, dass ein Spitzenpo- gesellschaft denselben Raum verschaf- litiker, der nicht unbedingt den Anfor- fen, den starke Lobbys und Interessen- dernissen der Medienwelt entspricht, so gruppen schon immer hatten. Dies ist ein einen Hype auslösen kann? einfacher, klarer und ich glaube auch sinnvoller Anspruch. Ziel ist es, dass Die ersten Grünen in einem Parlament, nicht die Anderen eine Autobahn in die die regieren, der erste grüne Minister- Politik haben und die Zivilgesellschaft präsident – das sind Einschnitte. Auf noch nicht einmal einen Trampelpfad. mich als Person bezogen hängt der Hype sicherlich damit zusammen, dass ich mei- Der Koalitionsvertrag trägt den Titel ne Grundsätze habe und ein Aber gegen „Der Wechsel beginnt“. Wo haben wir die Klischees in der Politik pflege. Ich einen Politikwechsel zu erwarten? achte darauf, dass ich nicht in die „Flos- kelsprache“ der Politik verfalle. Wir machen den Politikwechsel einer- seits inhaltlich – etwa mit der Energie- Die Grünen führen erstmals eine Regie- wende, wo wir jetzt zum Beispiel die rung an. Was bedeutet das für die Partei? Blockade bei der Windkraft beenden werden. Aber andererseits auch in der Ein Land zu führen, bedeutet, dass man Form: Protest, Kritik und Einspruch wer- nicht nur im Parlament Mehrheiten den als Normalität betrachtet und nicht haben muss, man muss auch eine gesell- als etwas, was eigentlich abzulehnen oder schaftliche Mehrheit „nachführen“. Und in die Dagegen-Ecke zu stellen ist. Wir dies ist etwas ganz anderes als durch pfif- wollen Alternativen sorgfältig abwägen fige, intelligente, innovative oder provo- und keine informellen Vorentscheidun- kante Minderheitenideen Bewegung in gen treffen. die Sache zu bringen. Die Oppositions- arbeit ist etwas anderes als selber gesell- Was betrachtest Du als Dein wichtigstes schaftliche Mehrheiten herstellen zu Regierungsprojekt? müssen. Ich würde da drei Sachen nennen: Die Gestaltungs- und Volkspartei oder ein- ökologische Modernisierung unserer fach nur die Partei, mit einer glaubwürdi- Wirtschaft, die Entkopplung des Bil- gen Programmatik? dungserfolgs von der sozialen Herkunft und, natürlich die Grundlage dafür, ein Mit dem Begriff „Volkspartei“ habe ich ein ausgeglichener Haushalt bis 2020. Problem. Das ist zu sehr mit den alten Lagern verhaftet. Aber eine „Gestaltungs- Welches Urteil möchtest Du mal in den partei“, im Sinne einer Partei, die für das Geschichtsbüchern über die erste grün- Ganze steht und nicht für Partikularinter- rote Landesregierung lesen? essen, das ist den Grünen wie auf den Leib geschneidert. Ich denke auch, dass die Dass sie erfolgreich regiert hat. Grünen durchaus anstreben sollten, eine Partei zu werden, die 20 Prozent erreichen kann. Sonst kann man diesen Anspruch nicht wirklich umsetzen.

GRÜNE BLÄTTER 06.11 · 05 gb062011 06.06.2011 16:51 Uhr Seite 6

Schaltzentrale des Politikwechsels Von Silke Krebs „Ministerin im Staats- Dennoch ist das Stami (so nennt man das Zu den oben genannten Aufgaben kommt ministerium, was macht Staatsministerium kurz) ein echtes Team- noch eine, die wir uns neu vorgenommen man da eigentlich?“ Kaum eine Frage wur- spiel. Im Gegensatz zu den anderen Mini- haben: Einen echten Dialog zwischen de mir in den letzten Wochen häufiger sterien sind die MinisterInnen dort nicht (Bürger)-Regierung und BürgerInnen zu gestellt als diese. Deshalb erstmal eine allein. Neben dem Ministerpräsidenten schaffen. Denn die Politik des Gehörtwer- Aufgabenbeschreibung. Aber zuvor noch: sitzt im Stami noch der Minister für dens soll ja keine Floskel sein, sondern Nein, es heißt nicht Staatsministerin. Bundesrat, Europa und internationale Wirklichkeit werden. Es gibt also eine StaatsministerInnen gibt es nur in den Angelegenheiten (Peter Friedrich) und die Menge zu tun, ich freue mich auf Eure Freistaaten Bayern und Sachsen, und im Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bür- wohlwollend-kritische Begleitung! Bund wird ausgewählten Staatssekretären gerbeteiligung (Gisela Erler). Geleitet diese Bezeichnung verliehen. Und: Von wird es von einem beamteten Staatssekre- Silke Krebs (Jahrgang 1966) wuchs im dem Amt weiß man so wenig, weil es am tär, der ‘Chef der Staatskanzlei’ ist (Klaus- Schwäbischen auf und lebt seit 1985 in Frei- liebsten vorausschauend plant und ohne Peter Murawski) und auch der Regie- burg. Die alleinerziehende Mutter trat vor größeres Aufsehen handelt. Etwa, damit es rungssprecher (Rudi Hoogvliet) hat echt über 20 Jahren bei den Grünen ein und war zu keinem offenem Krach oder gar Pannen was zu sagen. lange Jahre im Kreisvorstand, als Gemeinde- in der Koalition kommt, der Landtag weiß, rätin und im Landesvorstand aktiv bevor sie was die Regierung macht, die Regierung Sitz des Stami ist die wunderschöne Villa 2009 zur Landesvorsitzenden der baden- nicht planlos wirkt, weil sie keine politi- Reitzenstein mit tollem Blick über Stutt- württembergischen Grünen gewählt wurde. sche Strategie hat oder Termine abgesagt gart. Ob wir den bei all den Aufgaben oft Gemeinsam mit Winfried Kretschmann und werden, weil der Ministerpräsident keine genießen werden, sei dahin gestellt. Der Chris Kühn führte sie im April 2011 die grü- Zeit hat. Will heißen, die Ministerin koor- bisherige Chef der Staatskanzlei meinte ne Delegation bei den Koalitionsverhand- diniert das Kabinett politisch, vernetzt die jedenfalls, er habe seinen Balkon in sei- lungen mit der SPD an. Seit Mai ist sie Mini- Regierung mit dem Landtag, entwickelt ner vierjährigen Amtszeit gerade dreimal sterin im Staatsministerium. die politische Strategie und vertritt den betreten. Ministerpräsidenten bei Terminen.

Baden-Württemberg zur führenden Klimaschutzregion machen Von

Der Kampf gegen den gung vorantreiben wird, ins Zentrum mei- wollen wir darüber hinaus die Energieein- Klimawandel und die ner Politik rücken werde. In einem ersten sparung und Energieeffizienz sowohl bei weiter voranschreitende Verknappung Schritt werden wir die bislang beim Aus- kleinen und mittleren Unternehmen als natürlicher Ressourcen sowie das heute bau der Windenergie im Land bestehen- auch im privaten Bereich konsequent vor- bereits absehbare Ende des Ölzeitalters den Hürden beseitigen. Unser ambitio- anbringen. Mit einem neuen Klima- werden in den kommenden Jahren die niertes Ziel ist es auf der Grundlage eines schutzgesetz wollen wir einen verbind- umwelt- und energiepolitische Debatte neuen Landesplanungsgesetzes den lichen Rahmen für die notwendige national wie international dominieren. Windenergieanteil an der Stromerzeu- Neuausrichtung der Klimaschutzpolitik Die Katastrophe von Fukushima hat darü- gung im Land bis 2020 von derzeit unter auf den Weg bringen. ber hinaus von heute auf morgen weltweit 1 Prozent auf 10 Prozent hochzuschrau- die Debatte über den Ausstieg aus der ben. Einen möglichst großen Anteil der im Franz Untersteller (Jahrgang 1957) ist ver- Risikotechnologie Atomkraft – wenn auch kommenden Jahrzehnt im Südwesten weg- heiratet und hat zwei noch in Ausbildung in unterschiedlicher Intensität – auf die fallenden 4.400 Megawatt (netto) an ato- befindliche Kinder. Nach dem Abitur stu- Tagesordnung gesetzt. marer Kraftwerksleistung wollen wir hier dierte der gebürtige Saarländer Land- im Land ersetzen. Dazu ist es erforderlich, schaftsplanung (Dipl.-Ing) an der FH Nür- Als Umweltminister der neuen grün-roten parallel zum Ausbau der erneuerbaren tingen und arbeitete anschließend als Landesregierung betrachte ich es als zen- Energien die Errichtung neuer möglichst Mitarbeiter am Öko-Institut in Freiburg. Ab trale Aufgabe, mich der aus diesen Mega- flexibler Gaskraftwerke, vorrangig in Kraft- 1983 war er als umwelt- und energiepoliti- themen resultierenden Verantwortung zu Wärme-Kopplung, voranzutreiben. Rege- scher Berater für die grüne Landtagsfraktion stellen. Dies bedeutet, dass ich eine kon- nerative Stromerzeugung und Erdgas- tätig. Seit 2006 ist Untersteller Landtags- sequente Klimaschutzpolitik, die den kraftwerke schließen gemeinsam die abgeordneter. Im Mai wurde er von Winfried ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Lücke des Atomausstiegs. Mit eigenen Kretschmann als Minister für Umwelt, Klima Energien in der Strom- und Wärmeerzeu- Initiativen und neuen Förderansätzen und Energiewirtschaft berufen.

06 · GRÜNE BLÄTTER 06.11 gb062011 06.06.2011 16:51 Uhr Seite 7

Politik – das sollen künftig alle sein! Von Gisela Erler In ganz Deutschland, entstehenden Freiwilligendienste, Kunst hinter verschlossenen Türen beraten und aber auch in vielen als Auf- und Anreger, mutige Experimente dann als „alternativlos“ präsentiert werden, anderen Ländern, zeigt sich gegenwärtig, für politische Beteiligung im Internet, die sondern müssen für Ideen und Beteiligung dass die Demokratie von innen vertieft Evaluation von Bürgerbeteiligungsmodel- geöffnet werden. werden muss. Sie droht sonst auszutrok- len aus dem In- und Ausland. knen, lässt die Menschen gleichgültig oder Für eine Staatsrätin im Ehrenamt sei das treibt sie in die Arme von unberechenba- Wir müssen dabei auch Wege finden, bis- alles gar nicht schaffbar? Weg von den ren Populisten. Die BürgerInnen haben für her oft allzu „Leisen“ Gehör zu verschaffen: Denkfehlern! In einer teamfähigen Lan- Baden-Württemberg auch deshalb eine Frauen, Eltern, MigrantInnen, Jugend- desregierung und einer lebendigen Bür- neue Landesregierung gewählt, weil sie lichen, Homo- und Transsexuellen zum gergesellschaft ist keine und keiner unsere Demokratie weiter entwickeln und Beispiel. Wir müssen so ehrlich sein, zu alleine. mitgestalten wollen. Deshalb dürfen wir erkennen, dass auch Bürgerinitiativen und nicht den Fehler begehen, mein Amt als Demonstrationen stets nur Ausschnitte Gisela Erler wurde 1946 in Biberach gebo- „Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bür- der Gesellschaft repräsentieren. Und dass ren. Sie engagierte sich schon zu Studien- gergesellschaft“ als Dekorum zu verstehen. wir insgesamt gewinnen werden, wenn wir zeiten u.a. im Aufbau des alternativen Tri- Werden wir auf diesem Politikfeld als Sonn- denen zuhören, die bislang aus ganz unter- kont-Verlages. Bekannt wurde sie als tagsredner wahrgenommen, hat unser schiedlichen Gründen nicht von selbst zu Familienforscherin mit Arbeiten und streit- Regierungsprojekt insgesamt ein Glaub- uns fanden. baren Stellungnahmen zu Lebensentwürfen, würdigkeitsproblem. Frauen-, Mütter- und Familienrollen. 1991 Nicht zuletzt brauchen wir Ansätze, die begann sie mit dem Aufbau des pme fami- Also müssen wir inhaltlich ran: Wir brau- neben Protest auch mehr Raum für kon- lienservice, der Unternehmen und Behörden chen niedrige Hürden für Volksabstim- struktive Vorschläge schaffen. Wie kann mit Konzepten zur Vereinbarkeit von Familie mungen, eine Vernetzung der bestehen- unser Lebensumfeld, unser Familienleben, und Beruf unterstützt. Gisela Erler ist ver- den Ehrenamts-Arbeit in den Ministerien unser Umgang mit gelebter Vielfalt, unser heiratet und hat zwei Söhne sowie drei Stief- zu einer Aktivierung von Zivilgesellschaft, Verkehrsnetz, unsere Energieversorgung söhne. Sie wurde von Winfried Kretschmann Mitbestimmung in Schulen und Hoch- der Zukunft aussehen? Solche Themen zur Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bür- schulen, eine lebensnahe Gestaltung der dürfen nicht länger als Expertenfragen gerbeteiligung berufen.

GRÜNE BLÄTTER 06.11 · 07 gb062011 06.06.2011 16:51 Uhr Seite 8

Pionierregion für nachhaltige Mobilität Von

„Wir wollen unser Danach wird die Landesregierung weitere mindichte so oft wie möglich öffentliche Land zu einer Pio- Beschlüsse fassen. Verkehrsmittel oder das Fahrrad nutzen. nierregion für nachhaltige Mobilität Außerdem wird künftig ein Elektroauto machen.“ Diesen Satz aus dem Koalitions- Aber auch die Vernetzung der unter- den Fuhrpark des Ministeriums berei- vertrag werde ich in konkretes Regie- schiedlichen Verkehrsträger sowie Stra- chern. Damit beginnt der Aufbau einer rungshandeln umsetzen und freue mich ßenbauprojekte im ganzen Land sind klimaschonenden und umweltfreund- sehr auf die anspruchsvolle Aufgabe. Das natürlich relevant. Grundlage für die lichen Fahrzeugflotte des Landes, wie sie Ministerium ist jetzt eigenständig und inhaltliche Arbeit ist der Koalitionsver- im Koalitionsvertrag festgeschrieben wur- zeichnet sich für Verkehr und Infrastruk- trag. Er legt die Ziele für die Modernisie- de. Ich will mit gutem Beispiel auf dem tur verantwortlich. Der Neuaufbau rung der Schieneninfrastruktur, den Aus- Weg zu einer nachhaltigen Mobilität und umfasst nicht nur rein organisatorische bau der Öffentlichen Verkehrsmittel und zukunftsfähigen Infrastruktur vorangehen Arbeiten wie die Beschaffung der Büro- die Verbesserung des Schienen-Nahver- und nach und nach auch die anderen ausstattung, sondern auch die Abgren- kehrs ebenso fest wie die Aufwertung des Regierungsmitglieder und deren Ministe- zung der Geschäftsbereiche gegenüber Rad- und Fußgängerverkehrs. Das Mini- rien mit einbeziehen. den bisher zuständigen Ministerien und sterium wird in der nächsten Zeit die lau- den Aufbau der dazu gehörigen Personal- fenden Projekte neu bewerten und bei Winne Hermann (geb. 1952) war von 1984 bis struktur. Bedarf anpassen. 1989 Mitglied des Landtags von Baden-Würt- temberg, danach grüner Landesvorsitzender. Das Bahnprojekt Stuttgart 21 spielt in Um im eigenen Haus ein Signal zu setzen, Von 1998-2011 vertrat er den Wahlkreis meiner täglichen Arbeit natürlich eine habe ich drei E-Fahrräder für den Dienst- Tübingen im Bundestag und war zuletzt Vor- große Rolle. Wir bereiten gemeinsam mit gebrauch angeschafft, die auch von den sitzender des Verkehrsauschusses des Bundes- der Bahn den Stresstest vor und werden MitarbeiterInnen genutzt werden können. tags, bevor er im Mai 2011 zum Minister für die Ergebnisse öffentlich vorstellen. Ich habe mir vorgenommen, trotz der Ter- Verkehr und Infrastruktur ernannt wurde.

Hochschulen in Hochform Von Theresia Bauer

Es ist geschafft: die schaftssystems zu etablieren: mit einer bes- beiten gilt. Das Projekt, ein bereits hervor- neue Landesregie- seren Vernetzung und Koordinierung von ragendes Wissenschaftssystem noch besser rung steht, und wir können beginnen, eine entsprechenden Forschungsprojekten und zu machen, kann nur gelingen, wenn Pro- neue Politik für Baden-Württemberg zu mit einer Ausweitung der Lehrangebote mit fessorInnen und Mittelbau, Studierende gestalten. Eine neue Politik – damit meinen Nachhaltigkeitsbezug. und außeruniversitär Forschende daran wir in erster Linie einen anderen Politikstil, mitwirken. Die wichtigste Aufgabe wird der Menschen mitnimmt und nicht von Wir werden den Studierenden endlich die daher sein, alle Beteiligten ernst zu nehmen oben herab diktiert, wo es lang gehen soll. Möglichkeit geben, ernsthaft über ihre und immer wieder für dieses Projekt zu Wir meinen aber sicher kein radikales Angelegenheiten mitzuentscheiden und begeistern. Umkrempeln des Landes. Dieser Grundsatz die Verfasste Studierendenschaft schnellst- gilt besonders für die Wissenschaft. Baden- möglich wieder einführen. Und wir sorgen Theresia Bauer wurde 1965 in Zweibrücken Württemberg verfügt über außergewöhn- für gerechte Zugangschancen. Mit der geboren, ist in der Pfalz aufgewachsen und lich leistungsstarke Hochschulen und auch Abschaffung der Studiengebühren machen ging 1985 zum Studium der Politikwissen- über eine außeruniversitäre Forschungs- wir die Entscheidung zur Aufnahme eines schaften, Volkswirtschaft und Germanistik landschaft, die eine hohe Anerkennung Studiums unabhängig vom Geldbeutel. nach Heidelberg. Während ihres Studiums genießt. Ich als Ministerin stehe dafür, dass Gleichzeitig stellen wir uns der Herausfor- war sie hochschulpolitisch aktiv. Die frühere wir diese Leistungsfähigkeit in Forschung derung, ausreichend Studienplätze für die Geschäftsführerin der Heinrich-Böll-Stiftung und Lehre erhalten wollen. Aber dabei blei- doppelten Abitur-Jahrgänge bereit zu stel- Baden-Württemberg ist seit 2001 Mitglied ben wir nicht stehen. Wir werden dafür sor- len – und für die Studierenden, die nach des Landtags und war hochschulpolitische gen, dass unsere Hochschulen stärker als dem Bachelor noch ein Master-Studium Sprecherin der Landtagsfraktion. Das lang- bisher zu Triebfedern für eine ökologische anschließen wollen. jährige Mitglied des grünen Landesvorstands Erneuerung der Gesellschaft werden. Es ist seit Mai Ministerin für Wissenschaft, For- gilt, Nachhaltigkeit als zentrales Kriterium Das sind nur einige der vielen Baustellen, schung und Kunst. Die Heidelbergerin ist für die Weiterentwicklung unseres Wissen- die es in den nächsten fünf Jahren zu bear- verheiratet und hat zwei Söhne.

08 · GRÜNE BLÄTTER 06.11 gb062011 06.06.2011 16:51 Uhr Seite 9

Den ländlichen Raum stärken Von

Gisela Splett Für mich als Schwarzwälder ist die Verant- len, sollen dazu wieder eine faire Chance wortung für den ländlichen Raum eine tol- haben. In diesem Bereich liegen große Gisela Splett ist in der neuen grün- le Aufgabe. Besonders reizvoll ist sie auch Marktchancen. Wir wollen unseren Bäue- roten Landesregierung Staatssekretä- deshalb, weil das Ministerium für den länd- rinnen und Bauern helfen, diese erfolg- rin im Ministerium für Verkehr und lichen Raum und Verbraucherschutz mit reich zu nutzen. Wir wollen den Verbrau- Infrastruktur mit Stimmrecht im Kabi- den Bereichen »Tourismus« und »Natur- cherschutz stärken und damit die nett. Außerdem ist sie Lärmschutz- schutz« noch weiter gestärkt wurde. Ich Transparenz verbessern. Das gilt für die beauftragte der Landesregierung. Die freue mich auf meine neue Aufgabe und Lebensmittelkontrolle, aber auch für die 44-jährige Karlsruherin ist seit 2006 werde diese mit großem Respekt angehen. Informationsrechte. Landtagsabgeordnete und war in der grünen Fraktion bis 2011 zuständig Wir wollen, dass Baden-Württemberg so Wir wollen Wertschöpfung, Arbeitsplätze für Umwelt- und Naturschutz sowie erfolgreich bleibt, wie es ist. Deshalb wer- und Infrastrukturen im ländlichen Raum Entwicklungspolitik. Davor hat die den wir vieles erhalten und an einigen Stel- erhalten. Mit dem Schutz natürlicher promovierte Geoökologin bei der len behutsam wichtige Verbesserungen in Lebensgrundlagen und der Stärkung des Landesanstalt für Umweltschutz Gang bringen. Winfried Kretschmann steht Umwelt- und Naturschutzes können wir Baden-Württemberg und im Natur- für eine Politik „mit Maß und Mitte“, die im auch Impulse für den nachhaltigen Tou- schutzreferat des Regierungspräsidi- Dialog mit den Menschen gestalten will. rismus im Land geben. ums Karlsruhe gearbeitet und sich im Das gilt auch für die Landwirtschaftspolitik. Gemeinderat engagiert. Wir haben eine große Herausforderung bei der Neuverhandlung des europäischen Alexander Bonde lebt mit seiner Frau Prof. Haushalts vor uns – sowohl bei den Agrar- Dr. Conny Mayer-Bonde und seinen zwei klei- mitteln wie den Strukturmitteln für den nen Kindern mitten im Schwarzwald in Bai- ländlichen Raum. Wir wollen die europäi- ersbronn-Mitteltal. Er war seit 2002 Mitglied schen Zahlungen durch das „Greening“ der des Bundestags und war haushaltspoliti- ersten und den Ausbau der zweiten Säule scher Sprecher der Grünen, Obmann im auf die Zukunft hin ausrichten. Wir bewah- Haushaltsausschuss und im Finanzmarktgre- ren Kulturlandschaften, indem wir gen- mium und stellvertretendes Mitglied im Aus- technische Freisetzungen, die wir nicht schuss für Ernährung, Landwirtschaft und zurückholen können, verhindern und die Verbraucherschutz. Außerdem ist er Mitglied entsprechenden Agrarumwelt- und Natur- im Landesvorstand der baden-württembergi- schutzprogramme fortführen und weiter- schen Grünen. Er war als Mitglied der Wahl- Jürgen Walter entwickeln. Wir machen keine ideologische kampf- und der Verhandlungskommission Landwirtschaftspolitik, bei der die einen aktiv am Zustandekommen der grün-roten Jürgen Walter (Jahrgang 1957) wurde gegen die anderen ausgespielt werden. Die- Koalition beteiligt und ist jetzt Minister für von Ministerpräsident Kretschmann jenigen, die auf Ökolandbau umstellen wol- Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. als Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in die Landesregierung geholt. Nach Abitur und Zivildienst studierte er Anglistik und Germanistik, bevor er im Kulturbereich arbeitete. Jürgen ist seit 1989 Gemeinderat in Asperg und war lange Jahre im Kreisvorstand der Ludwigsburger Grünen aktiv. Seit 1992 ist er Mitglied des Landtags und war in der grünen Fraktion unter anderem für Kulturpolitik zuständig. Jürgen Walter ist verheiratet und hat einen Sohn.

GRÜNE BLÄTTER 06.11 · 09 gb062011 06.06.2011 16:51 Uhr Seite 10

Grüne Regierungsfraktion – wie geht das? Von

Die Wahl am 27. März hat die Welt auf den ersten Arbeitsphasen spürbar. Die Wende die neue Politik verständlich kommunizie- Kopf gestellt. Die Grüne Landtagsfraktion beginnt jetzt – wir sind dazu bereit. ren – und aus den schmalen Trampelpfaden wurde von der kleineren Oppositionsfrak- der Bürgerschaft in die politischen Institu- tion zur größeren Regierungsfraktion. Wir Regierungsfraktion zu sein ist für uns Neu- tionen breite Wege machen. Parlament und stellen den Ministerpräsidenten, eine Land- land, aber das ist es auch für unsere Staats- Regierung müssen transparent machen, tagsvizepräsidentin, drei Ausschussvorsit- sekretäre, MinisterInnen und für Winfried wie und warum welche Entscheidungen zende, Mitglieder in zahlreichen parlamen- Kretschmann als MP. Kurz gesagt: Sehr getroffen werden. tarischen und außerparlamentarischen spannend, aber gewöhnungsbedürftig. Gremien und müssen von heute auf mor- Eine Fraktion kann man dabei etwa so Wir werden eine selbstbewusste Regie- gen umschalten von Opposition auf Regie- umschreiben: eine autonome Selbstorgani- rungsfraktion sein, die die Regierung stützt, rung. Von Attacke allein gegen alle auf sation auf der Basis von Verfassung, stärkt und – wo notwendig – antreibt. Was Kooperation, Koordination, Kompromiss. Geschäftsordnung, Abgeordnetengesetz uns dabei hilft, ist die überall in der Bür- Wir sind jetzt verantwortlich für das, was in und Tradition. Dass manches anders wird in gerschaft spürbare Bereitschaft, Neues zu diesem Land passiert und dieser Verant- diesem Hohen Haus, daran werden sich vie- wagen, Veränderungen mitzugestalten, wortung stellen wir uns mit ganzer Kraft. le erst gewöhnen müssen, die bisher nach Notwendiges anzupacken. Unsere Themen dem Motto lebten und regierten: Geändert sind in der Mitte der Gesellschaft ange- Dazu, so scheint’s, ist diese neue Fraktion wird nix. kommen, wir sind in der Mitte der Gesell- bestens gerüstet. Zwar sind mehr als die schaft angekommen, und die Gesellschaft Hälfte der grünen Abgeordneten „Neue“, Die grün-rote Landesregierung hat ange- weiß um die Notwendigkeit der Wende. Wir aber alle sind alte Hasen. Mit politischer kündigt, ein anderes Verhältnis zur Bürger- haben die historische Chance, unsere Kon- Erfahrung aus Gremien, ob in der Partei schaft zu praktizieren. Wir wollen aber auch zepte und Ideen an der Wirklichkeit zu prü- oder im kommunalen Bereich, als ehemali- das Parlament stärken, es wieder zum zen- fen – und die grüne Landtagsfraktion wird ge Mitarbeiter auf Bundes-, Landes und tralen Ort der politischen Debatte machen. diese Chance kraftvoll ergreifen. Gemeindeebene bringen die Abgeordne- Regierung und Parlament müssen sich den ten Wissen, Können, politische und soziale Bürgerinnen und Bürgern öffnen, müssen Edith Sitzmann ist Fraktionsvorsitzende Kompetenz mit, das wurde schon in den zuhören und diskutieren, vor Ort sein und der Grünen im Landtag gb062011 06.06.2011 16:51 Uhr Seite 11

Wie ist das so als neue MdL? Von Sandra Boser

Der Ausgang der Wahl am 27. März war für arbeiter? Was wird organisiert und um was die meisten von uns – trotz toller Umfrage- muss ich mich selbst kümmern? Die Unter- werte im Vorfeld – nicht nur eine Riesener- stützung der Fraktionsgeschäftsführung folg, sondern auch eine Überraschung. Das war trotz der vielen Aufgaben, die auf sie gilt auch für mich und meinen Einzug in einstürmten, da, aber am Ende lag es an den Landtag. Denn mein Wahlkreis zählte jedem selbst, sich in der neuen Rolle nicht gerade zu den sicheren – auch nicht zurechtzufinden. Neben den organisatori- bei einem Landesergebnis von 24 Prozent. schen Dingen, ging es natürlich auch um So titelte die Lokalzeitung am Tag nach der die Arbeit in der künftigen Fraktion. Welche Wahl auch mit der Überschrift „Boser Ausschüsse gilt es zu besetzen, wo liegen Der grün-rote schafft die Sensation“. die persönlichen Schwerpunkte? Nachdem Koalitionsvertrag die Stimmung in der Fraktion von Anfang Bei der ersten Fraktionssitzung zwei Tage sehr gut und ausgeglichen war, war jeder Der Wechsel beginnt. Diesen Titel nach der Wahl waren wir alle noch völlig bemüht, bei Überschneidungen und Kon- trägt der grün-rote Koalitionsvertrag. überwältigt von dem Erfolg – ich erlebte die flikten schnelle und für alle befriedigende Er legt die Grundlage für eine neue Sitzung wie in Watte gepackt. Mit jetzt 36 Lösungen zu finden. Ich glaube, es wird ent- Politik des Gehörtwerdens. Gemein- grünen Abgeordneten ist die Fraktion mehr scheidend für den Erfolg unserer Regie- sam mit den Bürgerinnen und Bürger als doppelt so groß wie die bisherige. Die rungszeit sein, dass wir als Fraktion will Grün-Rot den Politikwechsel ver- Neuen stellen also die Mehrheit. Entspre- geschlossen auftreten und uns als konstan- wirklichen. Alle sind eingeladen das chend standen bei der ersten Fraktionssit- te, glaubwürdige Partei präsentieren. neue Baden-Württemberg mit zu zung das Kennenlernen und das Feiern gestalten, die Regierung versteht sich ganz oben auf der Tagesordnung. Es war Jetzt, nachdem alle Aufgaben verteilt wur- als Bürgerregierung. Ihr findet den nochmals ein Termin zum Durchatmen den und jeder weiß, welche Schwerpunkte Koalitionsvertrag unter: bevor es dann in den kommenden Tagen seine Arbeit künftig bestimmen, gilt es, sich www.GRUENE-BW.de und Wochen Schlag auf Schlag ging. als Fraktion zu entwickeln und in die neue und könnt ihn in der Landes- Rolle als Regierungsfraktion hineinzu- geschäftsstelle bestellen: Denn die ersten Wochen nach der Wahl wachsen. Dies wird für uns ein interessan- [email protected] waren für uns neue Abgeordnete ein Spagat ter Entwicklungsprozess sein, denn wir wol- zwischen „altem“ und „neuem“ Leben. len eine selbstbewusste und eigenständige Ohne Büro, MitarbeiterInnen und ausge- Regierungsfraktion sein. Wir wollen nicht IMPRESSUM: stattet lediglich mit dem privaten Telefon- , der verlängerte parlamentarische Arm der Herausgeber: Mailanschluss und Briefkasten, war es ein Regierung sein, sondern gestalterisch mit- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN großer Aufwand, die vielen Glückwünsche, wirken und auch kritisch das Regierungs- Baden-Württemberg Terminanfragen und Anliegen, die an einen handeln begleiten. Forststraße 93 · 70176 Stuttgart herangetragen wurden, zu bewältigen. Telefon 0711-99 35 90 Daneben musste das neue Leben aufgebaut Telefax 0711-99 35 999 und organisiert werden. Wo kommt das Sandra Boser ist Mitglied des Landtags [email protected] Wahlkreisbüro hin? Wie komme ich an Mit- und der Redaktion der Grünen Blätter www.gruene-bw.de Layout&Satz: [email protected] Redaktion: Foto: Die neue Landtagsfraktion , Tilo Berner, Sandra Boser, Nadyne Dittmann, Florian Krebs, Vordere Reihe von links nach rechts: Carsten Preiss, Wolfgang Schmitt, Jörg-Matthias Fritz, Uli Sckerl, Petra Häffner, Brigitte Lösch, Alexander Salomon, Edith Swantje Sperling, Dirk Werhahn Sitzmann, Siegfried Lehmann, Charlotte Schneidewind-Hartnagel, Willi Halder, Druck: Landesvorsitzender Chris Kühn. Zweite Reihe: Bea Böhlen, Daniel Lede Abal, Thomas auf Umweltpapier bei Marwein, Thomas Poreski, Andrea Lindlohr, Bernd Murschel, Manfred Kern, Werner Oktoberdruck AG, Berlin Wölfle. Dritte Reihe: Wolfgang Raufelder, Bärbl Mielich, Sandra Boser, Reinhold Pix. (Auflage 6.500 Exemplare) Vierte Reihe: Josha Frey, Alexander Schoch, , Markus Rösler, Kai Schmidt- Bildquellen: Eisenlohr, Martin Hahn. Hintere Reihe: Jürgen Filius, Daniel Renkonen, Andreas Seite4: Landesmedienzentrum Schwarz, Manne Lucha. Folgende Abgeordnete sind nicht auf dem Foto: Theresia Bau- Baden-Württemberg er, Gisela Splett, Winfried Kretschmann, Franz Untersteller, Jürgen Walter Seite 7: Staatsministerium

GRÜNE BLÄTTER 06.11 · 11 gb062011 06.06.2011 16:51 Uhr Seite 12

ANZEIGE

12 · GRÜNE BLÄTTER 06.11