15. Bundesversammlung Bundesrepublik Deutschland
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15. BUNDESVERSAMMLUNG DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND BERLIN, SONNTAG, DEN 18. MÄRZ 2012 – Neudruck – 2 15. Bundesversammlung – Berlin, Sonntag, den 18. März 2012 (A) (C) Inhalt Eröffnung durch Präsident Prof. Dr. Norbert Anlage 4 Lammert . 3 A Antrag der Mitglieder der Bundesversamm- Konstituierung der 15. Bundesversammlung . 5 B lung Udo Pastörs, Holger Apfel und Dr. Johannes Müller . 18 C Zur Geschäftsordnung . 5 C Anträge . 5 D Anlage 5 Bestellung der Schriftführer . 6 A Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, Wahlvorschläge . 6 C BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE sowie der Abgeordneten der Freien Wähler in Wahl . 7 B der 15. Bundesversammlung Vereinbarung zur Geschäftsordnung der Ergebnis der Wahl . 7 D 15. Bundesversammlung . 19 A Annahme der Wahl durch Dr. h. c. Joachim Gauck . 8 A Anlage 6 Ansprache von Bundespräsident Dr. h. c. Joachim Gauck . 8 A Antrag der Mitglieder der Bundesversamm- lung Udo Pastörs, Holger Apfel und Schlussworte von Präsident Prof. Dr. Norbert (B) Dr. Johannes Müller (D) Lammert . 9 A Geschäftsordnung . 19 B Anlage 1 Anlage 7 Liste der entschuldigten Mitglieder der 15. Bundesversammlung . 11 A/C Antrag der Mitglieder der Bundesversamm- lung Udo Pastörs, Holger Apfel und Dr. Johannes Müller Anlage 2 Wahl der Schriftführer . 19 D Liste der Mitglieder der 15, Bundesversamm- lung, die an der Wahl teilgenommen haben . 11 A/C Anlage 8 Anlage 3 Antrag der Mitglieder der Bundesversamm- lung Udo Pastörs, Holger Apfel und Liste der Schriftführerinnen und Schriftfüh- Dr. Johannes Müller rer der 15. Bundesversammlung . 18 A Wahlvorschlag zur Wahl der Schriftführer . 19 D 15. Bundesversammlung – Berlin, Sonntag, den 18. März 2012 3 (A) (C) 15. Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland Berlin, Sonntag, den 18. März 2012 Stenografischer Bericht Beginn: 12.00 Uhr Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert: – Ich entnehme der spontanen Beifallsbekundung, dass Nehmen Sie bitte Platz. Änderungen der Verfassung insofern nicht beabsichtigt sind. Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste! Herzlich willkommen allen Mitgliedern der Bundesversammlung, (Heiterkeit und Beifall bei Mitgliedern der ganz besonders den Frauen und Männern, die heute zum Bundesversammlung) ersten Mal an der Wahl unseres Staatsoberhauptes teil- Dass die Abstände in jüngerer Zeit immer kürzer wur- nehmen. den, wird niemand für eine Errungenschaft halten. Ich begrüße die Repräsentanten unserer Verfassungs- (Beifall) (B) organe: die Mitglieder des Bundestages, der Bundesre- (D) gierung, des Bundesrates, des Bundesverfassungsge- Wir sollten uns alle bemühen, die politische Realität richts, die von den Landtagen gewählten Wahlmänner auch in dieser Hinsicht wieder näher an die Verfassungs- und Wahlfrauen. Für alle stellvertretend nenne ich na- norm zu bringen. Der vorzeitige Wechsel im höchsten mentlich den Präsidenten des Bundesrates, Horst politischen Amt der Republik ist weder eine Staatskrise Seehofer, der in den vergangenen vier Wochen die Be- noch eine Routineangelegenheit. fugnisse des Bundespräsidenten wahrgenommen hat und dem ich dafür Dank und Respekt ausspreche. Diese heutige Versammlung findet nur 20 Monate nach der letzten Bundesversammlung statt, die am (Beifall) 30. Juni 2010 Christian Wulff zum zehnten Bundespräsi- denten der Bundesrepublik Deutschland gewählt hat. Ich heiße auch die Botschafter und Repräsentanten Die Geschichte dieser kurzen Präsidentschaft wird zu ei- vieler Länder willkommen, die mit ihrer Anwesenheit nem späteren Zeitpunkt geschrieben werden. zeigen, dass die heutige Wahl auch im Ausland, bei un- seren Freunden und Partnern weit über die Europäische Die Umstände des Rücktritts und die Gründe, die Union hinaus, großes Interesse findet. dazu geführt haben, werden erst mit angemessenem Ab- stand zu den Ereignissen fair zu bewerten sein. Dabei Schließlich begrüße ich alle, die diese Bundesver- geht es auch um das Verhältnis von Amt und Person, um sammlung im Rundfunk, im Fernsehen oder im Internet- Erwartungen an Amtsträger, aber auch um die Rolle der angebot des Deutschen Bundestages verfolgen. Öffentlichkeit, der öffentlichen wie der veröffentlichten Meinung. Dies gilt für Beteiligte und Betroffene wie für All denen, die an diesem denkwürdigen Wochenende Beobachter. Es gibt durchaus Anlass für selbstkritische hier in Berlin ihren Geburtstag feiern, möchte ich per- Betrachtungen, nicht nur an eine Adresse. sönlich und sicher auch im Namen aller Mitglieder der Bundesversammlung herzlich gratulieren. (Beifall) (Beifall) Manches war bitter, aber unvermeidlich. Manches war weder notwendig noch angemessen, sondern würde- Meine Damen und Herren, nach dem Grundgesetz los, von der zunehmenden Enthemmung im Internet, im wird der Bundespräsident für fünf Jahre gewählt. Schutze einer tapfer verteidigten Anonymität, gar nicht zu reden. (Heiterkeit und Beifall bei Mitgliedern der Bundesversammlung) (Beifall) 4 15. Bundesversammlung – Berlin, Sonntag, den 18. März 2012 Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert (A) Unsere Verfassung schreibt vor, dass spätestens viele Jahre vernachlässigte Gelände im Berliner Fried- (C) 30 Tage nach dem Rücktritt des Bundespräsidenten eine richshain mit einer Dauerausstellung aufgewertet. Doch neue Bundesversammlung einzuberufen ist. Ich habe es hat lange gebraucht, bis die Bedeutung dieser Revolu- Sie, meine Damen und Herren, innerhalb dieser Frist tion von 1848/49 allgemein erkannt und anerkannt zum 18. März eingeladen. Dieser Tag, der 18. März, ge- wurde. hört zu den Daten, an denen ähnlich wie am 9. Novem- Die Erinnerung an die Freiheitskämpfe blieb auch im ber immer wieder deutsche Geschichte geschrieben Kalten Krieg gespalten. Die Märzereignisse und die wurde. Dieser Tag steht wie nur wenige andere in einer Paulskirche wurden im geteilten Deutschland jeweils bemerkenswerten Traditionslinie der deutschen Ge- ideologisch vereinnahmt. Die DDR ehrte die Aufständi- schichte. schen des 18. März; die Bundesrepublik hingegen hob Am 18. März 1793 wurde die Mainzer Republik pro- mit der Würdigung der Verfassunggebenden National- klamiert. Sie war unter dem Eindruck und unter dem versammlung die deutsche Parlamentstradition hervor. Einfluss der Französischen Revolution der erste radikal- 1848 aber war beides – der proletarisch dominierte Auf- demokratische Versuch deutscher Jakobiner, eine Repu- stand gegen die gewalttätige Obrigkeit und die vom Bür- blik zu gründen. gertum getragene parlamentarische Auflösung des Kon- flikts zwischen Krone und Volk. (Beifall bei Mitgliedern der Bundesversamm- lung) Meine Damen und Herren, am 18. März 1990 schließ- lich erfüllte sich mit den ersten freien Wahlen zur Volks- – Es müssen sich jetzt nicht bei jedem Datum die tat- kammer der DDR eine der zentralen Forderungen nach sächlichen oder vermeintlichen Erben der jeweiligen Er- Freiheit, für die zuvor in Ostdeutschland Hunderttau- eignisse zu Wort melden. sende auf die Straßen gegangen waren. (Heiterkeit und Beifall) (Beifall) 55 Jahre später, am 18. März 1848, begann die erste Die herausragende Wahlbeteiligung bei diesen Volks- deutsche Revolution. kammerwahlen – mehr als 93 Prozent – war ein bemer- (Beifall bei Mitgliedern der Bundesversamm- kenswerter Beleg für das neu gewonnene demokratische lung) Selbstbewusstsein der Bürger in der DDR. Damit mar- kiert dieser 18. März vor 22 Jahren auch die letzte – Eigentlich hätten es jetzt ein paar mehr sein müssen. – Etappe eines langen und schwierigen Wegs zur deut- (Heiterkeit und Beifall) schen Einheit in Frieden und Freiheit. (B) Die Demonstranten forderten damals auch hier, unweit Der 18. März ist also ein nicht wegzudenkender Bau- (D) vom heutigen Platz der Republik, Freiheit und Demokra- stein unserer Verfassungstradition; denn zur Vorge- tie und die deutsche Einheit, einen deutschen National- schichte dieses Datums im Jahre 1848 gehörten die soge- staat. Schon im Februar 1848 formierte sich in der Berli- nannten Märzforderungen, die ein Jahr später in der ner Bevölkerung politischer Protest. Forderungen nach Paulskirchen-Verfassung ihren deutlichen Niederschlag Reformen, nach Bürger- und Menschenrechten wurden fanden. Insbesondere mit Blick auf die Grundrechte immer lauter. sollte diese erste demokratisch beschlossene Verfassung für ganz Deutschland alle weiteren Verfassungen unseres Der Barrikadenkampf, der am 18. März 1848 in Ber- Landes prägen. Und schon damals wurde zu diesen lin begann, war ein gewaltiger, auch gewalttätiger Grundrechten auch und nachdrücklich die Pressefreiheit Schritt auf dem Weg zur Demokratie in Deutschland. gezählt. Bereits seit Anfang des Monats hatten sich in Berlin Menschen vor dem Schloss versammelt, um Presse- und Heute erfüllt die freie Presse eine wichtige und unver- Versammlungsfreiheit und eine Volksvertretung zu for- zichtbare Kontrollfunktion in unserer Demokratie. Es dern. Am 18. März 1848 waren es Schüsse von Soldaten gibt keine Demokratie ohne Transparenz und ohne Kon- in die versammelte Menge vor dem Berliner Schloss, die trolle. Aber Demokratie ist mehr als der Anspruch auf zur Katastrophe führten. Das war der berühmte Funken, organisierte Transparenz. Demokratie braucht auch Ver- der das Pulverfass zum Explodieren brachte, in der Kon- trauen. frontation des Militärs mit Handwerkern, Schriftstellern, (Beifall bei Mitgliedern der Bundesversamm- Arbeitern, Dienstboten und Studenten. Am Ende des lung) Barrikadenkampfes blieben mindestens 270 Tote auf den Straßen liegen, darunter viele Frauen, Jugendliche und Sie gründet auch und vor allem auf dem Vertrauen in Kinder. ihre Repräsentanten. Die Revolution führte damals nicht zum Erfolg,