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Das Volk wird Klarheit schaffen müssen

und um die welt grassiert das fussballfieber. Viele Millionen schauen 4 gespannt nach Brasilien, wo am 13. Juli das Finalspiel der Fussball-Weltmeis- Briefkasten terschaft stattfindet. Seinen letzten grossen Auftritt an dieser WM hat Trai - R 5 ner Ottmar Hitzfeld als Coache des Schweizer National-Teams. Ein Team, das, wie Gelesen: Das aufregende Leben des wir feststellen konnten, zum grossen Teil aus Auslandschweizern besteht. Von den Alexandre Yersin 23 Spielern leben 16 im Ausland – in welchen Ländern, können Sie der Illustration auf der Titelseite entnehmen. Zum Abschied von Hitzfeld bringen wir in der Rub - 6 rik Sport ab Seite 22 ein Porträt des Mannes, der zu den erfolgreichsten Fussball- Gesehen: Neue und alte Schnittbilder Trainern der Welt zählt und trotzdem stets von Zweifeln und Ängsten begleitet wird. Viel Unsicherheit und viele Befürchtungen gibt es in der Schweiz derzeit bezüg - 8 lich der Einwanderungspolitik. Nach dem Ja zur «Initiative gegen Masseneinwan - Jetzt kommt Ecopop – neue Volksinitiative derung» im Februar zeigt sich nun immer deutlicher, wie sehr die in der SVP-Initi- zur Zuwanderung ative enthaltenen Forderungen zur Beschränkung der Einwanderung unsere Beziehungen zum Ausland belasten. Der Bundesrat versucht fieberhaft und uner - 12 Das Volk sagt Nein zu neuen Kampfjets schütterlich, das Verhältnis zur Europäischen Union neu zu regeln. Doch die bila - teralen Verträge mit der EU können, wie Aussenminister Di - 13 dier Burkhalter Anfang Mai erklärte, nicht einfach angepasst Bundesrat Alain Berset plant die grosse werden. Das Stimmvolk werde deshalb sehr bald an die Urne Rentenreform gerufen, um zu entscheiden, ob es die Abschottung wolle oder ob die Schweiz den bilateralen Weg weitergehen soll. Regionalseiten Bevor es jedoch so weit ist, werden wir ein weiteres Mal über Zuwanderungsbeschränkungen abstimmen müssen – die so ge- nannte Ecopop-Initiative kommt voraussichtlich noch in die - 17 sem Jahr zur Abstimmung. Dieses Volksbegehren könnte für die Auslandschweizer Expedition ins Glück –Ausstellung im von besonderer Bedeutung sein. Denn die aus ökologischen Kreisen lancierte Initi- Landesmuseum zur «Belle Époque» ative verlangt eine strikte Beschränkung der jährlichen Zuwanderungen auf 0,2 Pro - zent der Wohnbevölkerung, das sind bei der heutigen Schweizer Bevölkerung rund 22 Nationaltrainer Hitzfeld: Zwischen Sieges- 16 000 Personen pro Jahr. In der Praxis würde dies bedeuten: Auch Auslandschwei - durst und Versagensängsten zerinnen und Auslandschweizer können, ist dieses Kontingent erreicht, nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren. Mehr zu den Leuten, die hinter diesem Volksbegeh - 24 ren stehen, und zum politischen Seilziehen um die Zuwanderungen in unserem Literaturserie: Philippe Jaccottet Schwerpunkt ab Seite 8. Und schliesslich müssen wir uns von unserem Kollegen Alain Wey verabschieden. 25 Während zehn Jahren war er Mitglied der Redaktion der «Schweizer Revue», nun ASO-Informationen will er sich neuen Aufgaben zuwenden. Mit seinem besonderen Interesse für die 28 Berge, mit seiner Affinität zur Kulturszene und seinem besonderen Zugang zur Aus dem Bundeshaus Sportwelt hat er manch überraschenden Beitrag für die «Schweizer Revue» geschrie - ben und einen grossen Beitrag zur Vielfalt bei den Themen geleistet. Wir danken 30 Alain Wey ganz herzlich für seinen Einsatz und wünschen ihm viel Erfolg bei den Echo neuen Aufgaben. Als neuen Kollegen in der Redaktion begrüssen können wir Stéphane Herzog, einen Journalisten aus Genf mit Erfahrung in verschiedenen M e d i e n . BARBARA ENGEL Titelbild: Illustration von Wieslaw Smetek zur Schweizer Fussball-Nationalmannschaft

IMPRESSUM: «Schweizer Revue», die Zeitschrift für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, erscheint im 40. Jahrgang in deutscher, französischer, italienischer, englischer und spanischer Sprache in 14 regionalen Ausgaben und einer Gesamtauflage von rund 400 000 Exemplaren (davon Online-Versand: 140 000). Regionalnachrichten erscheinen viermal im Jahr. Die Auftraggeber von Inseraten und Werbebeilagen tragen die volle Verantwortung für deren Inhalte. Diese entsprechen nicht zwingend der Meinung der Redaktion oder der Her- ausgeberin. ■ REDAKTION: Barbara Engel (BE), Chefredaktorin; Marc Lettau (MUL); Jürg Müller (JM); Alain Wey (AW); Peter Zimmerli (PZ), Auslandschweizerbeziehungen EDA, 3003 Bern, Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. verantwortlich für «Aus dem Bundeshaus». Übersetzung: CLS Communication AG ■ GESTALTUNG: Herzog Design, Zürich ■ POSTADRESSE: Herausgeber/

EVUE Sitz der Redaktion/Inseraten-Administration: Auslandschweizer-Organisation, Alpenstrasse 26, 3006 Bern, Schweiz. Tel. +41 31 356 61 10, R Fax +41 31 356 6101, PC 30-6768-9. ■ E-MAIL: [email protected] ■ DRUCK: Vogt-Schild Druck AG, 4552 Derendingen. ■ Alle bei einer Schweizer Vertretung immatrikulierten Auslandschweizer erhalten das Magazin gratis. Nichtauslandschweizer können das Magazin für eine jährliche Gebühr abonnieren (CH: CHF 30.–/Ausland: CHF 50.–). Abonnenten wird das Magazin manuell aus Bern zugestellt. www.revue.ch ■ Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 22. 4. 2014 CHWEIZER

S ■ ADRESSÄNDERUNG: Bitte teilen Sie Ihre neue Adresse Ihrer Botschaft oder Ihrem Konsulat mit und schreiben Sie nicht nach Bern. 4 BRIEFKASTEN

Ja zur Masseneinwan- der EU – nicht mehr einver- Aber diese Tatsachen werden der Masseneinwanderungs-In- derungs-Initiative standen sind. lieber ausgeblendet. Was itiative zugestimmt. Wieder einmal mehr hat Herr KLAUS WERNER WEGMÜLLER, bleibt nun übrig nach dieser JEAN-JACQUES BAUMANN, Blocher mit seinem Geld eine CHONBURI, THAILAND desaströsen Volksentschei- MÈZE, FRANKREICH Initiative nach seinem Gusto dung? Sich als im Ausland le- durchgebracht. Es wird lang- Fremdschämen bender Schweizer ein weite- Picasso und die sam Zeit, dass die Parteien Die Argumentation der SVP res Mal für die immer stärker Prostituierten von Avignon ihre Buchhaltungen offenle- im Vorfeld der Abstimmung werdende Fremdenfeindlich- Ich hatte das Vergnügen, am gen müssen wie jeder Arbeit- ist wieder einmal an den keit in seinem Heimatland wunderbaren Werk von Hildy nehmer, Arbeitgeber und jeder Haaren herbeigezogen. Woh- fremdschämen und hoffen, und Ernst Beyeler mitzuwir- Verein. nungsnot in Grossstädten dass sich die beauftragten ken. In Ihrem Artikel «Ein ALFRED STEINER, herrscht schon seit Jahrzehn- Arbeitsgruppen auf beiden Sommerhaus für die Kunst der NEGOMBO, SRI LANKA ten, man erinnere sich an die Seiten irgendwie noch finden Moderne» finde ich den Teil grossen Krawalle der Achtzi- werden, um ein Debakel zu über das Picasso-Gemälde Abwarten gerjahre, in denen der Slogan verhindern. «Les demoiselles d'Avignon» Ich glaube kaum, dass wir uns «W! W! Wohnigsnot!» durch MARLENE LEIMBACH, seltsam: Die «Calle d'Avignon» von der EU sagen lassen müs- die Gassen verschiedener GROSS-ZIMMERN, DEUTSCHLAND in Barcelona war im vergange- sen, was wir als souveräner Städte hallte. Pendlerzüge nen Jahrhundert eine Strasse, Staat zu tun haben. Nun war- waren höchst selten nicht Eine Mehrheit? in der es viele Prostituierte gab. ten wir mal ab, bis die Wahlen überfüllt, ebenso die Zubrin- Für einmal ein anderer Stand- Sie waren es, die den jungen zum EU-Parlament beendet gerstrassen zu wirtschaftli- punkt: Mit einer Stimmbetei- Picasso inspiriert hatten. Das sind. Es gibt nämlich immer chen Ballungsgebieten. Und ligung von 55,8 % und 50,3 % Gemälde hat nichts mit der mehr Bürger in der EU, die das alles ohne Personenfrei- Ja-Stimmen haben eigentlich Präfektur des Departements mit der Politik des 4. Reichs – zügigkeit und EU-Verträge. nur rund 28 % der Schweizer Vaucluse zu tun. Eine Strasse

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in Barcelona trägt lediglich ben ... Warum nutzt man das DER PROPHET GILT NICHTS IM EIGENEN LAND, sagt der Volks- den Namen dieser französi- Geld nicht für die Bildung mund. Im Falle von Alexandre Yersin (1863–1943) ist schen Stadt. und um denjenigen zu helfen, dies sicher richtig. Im waadtländischen Morges geboren, JEAN DARNI, die immer noch Hunger verbrachte Yersin allerdings denn auch die meiste Zeit PARIS, FRANKREICH leiden müssen? Wir sollten seines Lebens in Paris und danach in Südostasien. In uns bewusst werden, dass wir seinem Roman «Pest & Cholera» ruft der französische Schweizer, obwohl wir zu den Schriftsteller Patrick Deville diesen universellen Geist Familienpolitik Privilegierten gehören, Teil verdienterweise neu in Erinnerung. Sehr guter, relativ sachlicher der Menschheitsfamilie sind ... Yersin war ein Pionier auf verschiedenen Gebieten. Artikel. Die Schlussfolgerung Es ist eine Gewissensfrage ... Das Pestbakterium «Yersinia pestis» trägt noch heute ist jedoch zweifelhaft. Eines MARCEL THEVOZ, seinen Namen. Er hat es im Wettstreit mit anderen For- stand immer fest: Zum Fort- STAFFORD VIRGINIA schern – eher aus Zufall – 1894 in Hongkong für Frank- bestand eines Staates braucht reich und das Institut von Louis Pasteur entdeckt. Doch es eine Frau! und einen Mann Yersin selbst schlug daraus kaum Kapital. Während

und Kinder, ein Einkommen Masseneinwanderungs- und Universalgenie Entdecker seine Institutskollegen nach und nach die Nobelpreise und mindestens 20 Jahre der Initiative zuerkannt erhielten, ging Yersin längst andere Wege. Er ver- Pflege, damit die Kinder in Si- Es hat mich überrascht, dass liess die Pariser Bühne, um im damals französischen Vietnam cherheit überleben können. Es die Auslandschweizer nicht eine neue Heimat zu finden. Im Fischerdorf Nha Trang fand er ist sehr wichtig, dass in einem für eine Beschränkung der sein persönliches Paradies, in dem er seiner enzyklopädi- gesunden Staat die Sicherheit Einwanderung waren. Das schen Neugier freien Lauf lassen konnte. Hier im Dschungel der biologischen Familie ge- liegt wahrscheinlich daran, baute er ein kleines Universum auf. Der Bakteriologe Yersin fördert wird. «Arbeitende» dass sie selbst Einwanderer in betätigte sich auch als Landvermesser, Geograf, Meteorologe, (heute «erwerbstätige») Müt- dem Land ihrer Wahl sind. Landwirt, Ingenieur, Erfinder und Architekt. Ungeduldig und ter und Väter brauchen, wie Als Auslandschweizer der schnell gelangweilt war er stets offen für das Neueste. So ge- schon immer, einen sicheren dritten Generation in Südaf- hörte er zu den begeisterten Autopionieren und war der Erste, Ort für ihre Kinder, wenn sie rika möchte ich mich ent- der mit einem Automobil durch Hanoi fuhr. Zu Reichtum kam «draussen» arbeiten. Eine Ge- schieden gegen unbe- er durch die Produktion von Kautschuk und Chinin. sellschaft sollte deshalb die schränkte Einwanderung Diesen Erfinderreichtum erkundet Patrick Deville in seinem Familienpflichten erleichtern. aussprechen. Wenn der freie Roman, für den er 2012 den Prix Fémina erhalten hat. Er nä- Das ist auch im Interesse des Personenverkehr zu einer ge- hert sich seinem Helden in einer Art zeitlichen Zangenbewe- Staates, denn nur so entwi- nerellen Verbesserung der Le- gung mit akribischer Genauigkeit und grosser Anschaulich- ckeln sich Kinder zu wertvol- bensqualität für alle geführt keit. Den Rahmen bilden die letzten Lebensjahre Yersins. len Staatsbürgern. Deshalb hätte, wäre ich eindeutig da- 1940 weilte er, kurz vor dem Einmarsch der Nazis, ein letztes braucht es gute Kinderkrip- für. Das ist nachweislich nicht Mal in Paris, bevor er Europa ganz den Rücken kehrte. Er pen, die nicht teuer sind der Fall, in praktisch keiner hatte neue Pläne in Nha Trang: Er wollte sich mit Griechisch (höchstens 10 Franken pro Region der Welt. Bevor ich und Latein vertraut machen. In Gestalt eines «Gespenstes aus Tag), wie zum Beispiel in Que- Ausländer in mein Haus lassen der Zukunft» begleitet Deville seinen Helden durch dessen bec. Viel Glück! würde, würde ich sie persön- Leben und ruft die Erinnerung an seine Stationen wach. Was KATI LYON-VILLIGER, lich stets einer sehr genauen er dabei zu Tage fördert, ist die geradezu gigantische Mikro- OTTAWA, KANADA Prüfung unterziehen und ich geschichte aus der Optik eines Menschen, der sich für alles, würde niemals eine dauer- nur nicht für Politik interessierte, der hafte Vereinbarung treffen. trotz kolonialem Pioniergeist auch gegen- 10 Milliarden für die Übertragen auf die Nationen über den Einheimischen stets Respekt Luftverteidigung wäre es absoluter Blödsinn, wahrte und der jegliche Entdecker-Hybris Verteidigung – gegen wen? Un- eine unbeschränkte Einwan- vermissen liess. «Der Agnostiker Yersin ist sere Parlamentarier sollten re- derung zu gestatten. ein Liebling der Götter», notiert Deville. alisieren, dass wir nicht mehr MICHAEL DES LIGNERIS, «Pest & Cholera» steckt voll erstaunli- in der Welt unserer Eltern le- PORT ELIZABETH, SÜDAFRIKA cher Anekdoten über diesen quecksilbrigen Geist, der wohl deshalb vergessen ging, weil er als Wissenschaftler kaum korrekt 3 r. einzuordnen ist. Dieser Roman gibt den Lesern Einblick SONDERRABATT FÜR LESER DER „SCHWEIZER REVUE“ sowohl ins Reich der Erreger wie der Entdecker. Alexandre CHF 70 / EUR 60 / GBP 50 RABATTCODE: SWR-0514 Y ersin ist der Reiseführer, Patrick Deville sein Begleiter und E Juni 2014 / N diskreter Lenker. BEAT MAZENAUER

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Z Schweiz | Deutschland | Frankreich|England G PATRICK DEVILLE: Pest & Cholera. Roman. Aus dem Französischen von EI W www.esl-schools.org T: +41 (0) 21 621 88 88 Holger Fock und Sabine Müller. Bilgerverlag, Zürich, 2013. 242 Seiten, CH S Foto: ZV Foto: CHF 32.– 6 GESEHEN

Schnittbilder Papierschnitte oder Cuts, landläufig als Scherenschnitte bezeichnet, sind von zeitgenössischen Kunstschaffenden als Form und Medium in der jüngeren Ver- gangenheit wiederentdeckt und neu interpretiert worden. Heute benutzen die Künstler für ihre Schnittbilder nicht mehr nur Scheren, sondern auch Skal- pelle und feinste Cutter, und sie schaf- fen auch dreidimensionale Bilder. In einer Ausstellung mit dem Titel «Scherenschnitte. Papiers découpés. Silhouette. Papercuts» im Château de Prangins, in der Nähe von Nyon am Gen- fersee, sind derzeit neben einem Dut- zend historischer Scherenschnitte über hundert «moderne» Werke zu sehen.

Die Ausstellung im Château des Prangins dauert «Stier Tobi», das Bild von «Blumenstrauss», Bild von «Löwenzahn», Bild von Anne- bis zum 28. September. Monika Flütsch aus dem Jahr Louis David Saugy aus dem marie Grischott aus dem Jahr www.nationalmuseum.ch > Château de Prangins 2012 zeigt zwei Schwinger in Jahr 1946 (oben) 2012, und «Die Fliege», Bild Aktion (unten links) von Werner Gunterswiler aus dem Jahr 2012 (unten) Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. EVUE R Nationalmuseum.ch > Château de Prangins HWEIZER HWEIZER SC Bilder: 7

«Alpaufzug», Bild von Ueli «Kopfschmuck», Bild von «Angekommen», Bild von Hauswirth aus dem Jahr Angela Christen aus dem Edith Müller-Crapp aus dem 2012 mit klassischem Sujet Jahr 2012 (unten) Jahr 2012 (oben) (oben) Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. EVUE R SCHWEIZER SCHWEIZER 8 SCHWERPUNKT

«Überzählig sind immer die anderen» Die wohl folgenschwerste Volksabstimmung der letzten zwei Jahrzehnte hält die Schweizer Politik derzeit auf Trab: Das Ja zur sogenannten Masseneinwanderungs-Initiative stellt innenpolitisch den bisher funktionierenden europapoliti- schen Minimalkonsens in Frage. Und bereits wirft eine noch radikalere Einwanderungsinitiative ihre Schatten voraus. Von Jürg Müller

«Der Bär kann nicht gewaschen werden, Zuwanderung, die dieses Land zerstört, und die schädlichen Dossiers der Bilateralen 1 und ohne dass das Fell nass wird.» SVP-Frakti- den bilateralen Verträgen, wähle ich den 2 – im Klartext insbesondere die Personenfrei- onschef Adrian Amstutz zitierte im März Schutz des Landes, Punkt.» zügigkeit und Schengen/Dublin – kündigen, 2014 diese alte Volksweisheit, als der Natio- Gemäss Vox-Analyse, dies ist die wissen- denn sie sind ‹EU-Beitrittsbeschleuniger› – nalrat über die Umsetzung der sogenannten schaftliche Nachbefragung zur Abstimmung, oder gar ‹Brandbeschleuniger› — und scha- Masseneinwanderungs-Initiative debat- waren sich die Befürworterinnen und Befür- den nicht nur der direkten Demokratie, son- tierte. Amstutz brachte damit die aktuelle worter der SVP-Initiative mehrheitlich sehr dern auch unserer Volkswirtschaft.» Das Lage treffend auf den Punkt – und er räumt wohl bewusst, dass die Annahme des Volks - schreibt Auns-Präsident und SVP-National- damit indirekt ein, dass die Schweiz seit der begehrens die bilateralen Verträge gefährden rat Pirmin Schwander auf der Homepage sei- Annahme der neuen Verfassungsbestim- könnte. Die Ja-Stimmenden haben also die ner Organisation. Auns-Geschäftsführer mung am 9. Februar vor enormen innen- und selbstständige Steuerung der Einwanderung Werner Gartenmann (SVP) bestätigte, dass europapolitischen Schwierigkeiten steht. höher gewichtet als das geordnete Verhältnis seine Organisation an der Lancierung einer Denn unabhängig von der konkreten Ausge- zur EU. Das deutet darauf hin, dass der in al- Volksinitiative für ein reines Freihandelsab- staltung der künftigen schweizerischen Ein- len bisherigen Abstimmungen gestützte bila- kommen arbeite; derzeit feile man am genauen wanderungspolitik, steht nicht weniger als terale Weg auch im Volk nicht mehr unbe- Wortlaut. Für Gartenmann ist klar, dass nach das Verhältnis der Schweiz zur Europäischen stritten ist. dem 9. Februar eine EU-Grundsatzdebatte Union als Ganzes auf dem Prüfstand. Zum Frontalangriff bläst die «Aktion für definitiv lanciert ist. Das sehen auch die Par - Der bis anhin bestehende Minimalkonsens eine unabhängige und neutrale Schweiz» teien auf der anderen Seite des politischen zwischen praktisch allen politischen Kräften (Auns). Sie will die bilateralen Verträge auf- Spektrums so, die SP und die Grünen. Beide im Land über den bilateralen Weg bröckelt. heben und die Beziehungen zur EU nur noch bekennen sich deutlicher als auch schon zur Seit dem Nein des Volkes zum Europäischen über Freihandelsabkommen regeln: «Die bei- weiteren Annäherung an die EU oder schlies- Wirtschaftsraum (EWR) 1992 galt der bila- den Pakete ‹Bilaterale 1› und ‹Bilaterale 2› sen einen EU-Beitritt nicht mehr aus. terale Weg als Königsweg der helvetischen müssen durch ein verbessertes Freihandelsab- Europapolitik. Auch die Schweizerische kommen ersetzt werden. Wir wollen keine Zentrifugale Kräfte werden stärker Volkspartei (SVP), die traditionsgemäss jede weiteren bilateralen Verträge, die nicht im In- Die Sozialdemokraten haben bereits 2010 weitere Annäherung der Schweiz an die EU teresse unseres Landes sind. Und wir müssen in ihr Parteiprogramm geschrieben, sie mit grösster Skepsis beobachtete, hat diese Politik grundsätzlich bejaht. Selbst im Ab - stimmungskampf zur Masseneinwande- Sammelsurium rungs-Initiative hat sie die bilateralen Ver- aus Titeln von Volksinitiativen träge nicht prinzipiell in Frage gestellt – und offiziell ist sie immer noch dieser Ansicht. SVP-Generalsekretär Martin Baltisser sagt: «Wir müssen die Beziehungen mit der EU bi- lateral regeln, es kommt jedoch auf die kon- kreten Inhalte der Verträge an.»

Zangenangriff auf die Bilateralen Doch es ist offensichtlich, dass der bilaterale Weg für die SVP keine hohe Priorität mehr hat. Die politische Rechte will die Gunst der Stunde nutzen und den europapolitischen Kurs nach ihrem Gusto bestimmen. Sie ist dabei durchaus bereit, weiteren Schaden im

Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. Verhältnis zur EU in Kauf zu nehmen. SVP- Fraktionschef Amstutz liess in der National- EVUE R ratsdebatte vom März darüber keinen Zwei- G fel offen: «Wenn ich auswählen kann

SCHWEIZER SCHWEIZER ZV Foto: zwischen der Weiterführung einer masslosen 9

Sand im Getriebe des Politsystems In keinem Staat haben Bürgerinnen und Bürger mehr Mitbestimmungsrechte als in der Schweiz. Die direkte Demokratie ist ein Erfolgsmodell. Der Wandel bei Funktion und Bedeutung von Volksinitiative zeigt jedoch, dass das politi- sche System der Schweiz heute schlechter funktioniert als früher. Volksinitiativen sind in der Politik ein «Wachstumsmarkt», derzeit läuft das Ge- wünschten «die rasche Einleitung von Bei- schäft besonders gut. Die Zahlen sprechen für sich: Seit der Einführung des Volksbe- trittsverhandlungen mit der EU». Nur: So gehrens 1891 wurden 423 Initiativen gestartet. Im Moment werden für neun Volks- richtig offensiv verfolgt haben sie dieses Ziel begehren Unterschriften gesammelt, 20 liegen bei Bundesrat und Parlament auf dem nie, nicht zuletzt mit Rücksicht auf die skep- Pult oder sind bereits abstimmungsreif. Seit 1891 schafften es 189 Vorlagen bis zur tische Stimmung in der Bevölkerung. SP- Fraktionschef Andy Tschümperlin formu- Volksabstimmung, aber nur 21 wurden vom Volk angenommen. Und nun folgen die liert den Standpunkt der Parteileitung so: interessantesten Zahlen: In den ersten 100 Jahren zwischen 1891 und 1990 fanden Oberstes Ziel müsse sein, die Massenein- lediglich neun Initiativen eine Ja-Mehrheit, seit 1990 waren es 13. wanderungs-Initiative so umzusetzen, dass Seit 25 Jahren haben Volksinitiativen also deutlich bessere Chancen auf des Vol- die bestehenden bilateralen Verträge sowie deren Weiterentwicklung nicht in Frage ge- kes Zustimmung als früher. Eine eindeutige und unbestrittene Erklärung dafür gibt stellt würden. Gelinge das nicht, «muss das es nicht. Silja Häusermann, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Volk über die Zukunft der Beziehungen zu Zürich, weist darauf hin, dass Volksinitiativen bis zu Beginn der Neunzigerjahre Europa abstimmen können». Die SP ver- zur Hauptsache ein Instrument der Linken gewesen seien, um sich als Minderheit lange, «dass alle europapolitischen Optio- nen geprüft werden». Der Bundesrat müsse gegenüber dem damals noch mehr oder weniger geschlossenen Bürgerblock in Stel- in einer vergleichenden Analyse «die mögli- lung zu bringen. Für Mehrheiten reichte es meist nicht, aber man konnte auf die- chen Auswirkungen eines EU-Beitritts und sem Weg neue Ideen in die Politik einbringen. In vielen Fällen lösten selbst erfolg- der Fortsetzung des Bilateralismus mit oder lose Initiativen Debatten aus, manchmal auch Reformprozesse, die nach mehreren ohne neue institutionelle Lösung» aufzeigen, Anläufen zum Ziel führten. fordert Tschümperlin. Die zentrifugalen Kräfte innerhalb der Heute werden Initiativen nicht mehr nur von linker und grüner Seite genutzt, Regierungsparteien haben sich also massiv sondern auch von bürgerlichen und rechten Parteien und Institutionen – insbeson- verstärkt: Die SVP geht noch deutlicher auf dere von der SVP und ihr nahestehenden Organisationen. Häufig dienen Initiativen Distanz zur EU als bisher, die SP schliesst auch ganz klar als Marketinginstrument für Wahlkämpfe, als Vehikel zur Bewirt- auch den EU-Beitritt nicht mehr aus – und schaftung öffentlicher Empörung oder zur Durchsetzung von Partikularinteressen.

Eine Paradoxie des Systems Oft sind Volksinitiativen auch schwer umsetzbar, insbesondere dann, wenn sie nicht mit anderen Verfassungsgrundsätzen oder dem Völkerrecht vereinbar sind. Dies führt dann zu Empörung bei den Initianten: Mit sogenannten Durchsetzungs- initiativen macht insbesondere die SVP Druck – auch bei der «Masseneinwande- rungs-Initiative» droht sie mit diesem Instrument. Das Beharren auf der wortwört- lichen Umsetzung torpediert die bewährte politische Kultur von Ausgleich und Kompromiss, auf die die Schweiz so stolz ist. «Eine Art Paradox» ortet Silja Häusermann: «Die immer häufigere Nutzung di- rektdemokratischer Instrumente ist ein Anzeichen dafür, dass das politische Sys- tem der Schweiz schlechter funktioniert.» Denn unsere Demokratie sei auf Konsens hin angelegt. Die Volksrechte hätten ursprünglich eine «präventive Wirkung» g ehabt: Die politischen Akteure sollten sich zu tragfähigen Kompromissen zusam-

Juni 2014 / Nr. 3 menraufen, damit Referenden und Initiativen erst gar nicht eingesetzt werden EVUE

R müssten. Nun sei bei diesem fragilen Mechanismus «Sand im Getriebe», sagt Häu- sermann. Sie sieht dies als «Folge der Polarisierung und des sehr viel schärferen

SCHWEIZER SCHWEIZER Keystone Foto: Parteienwettbewerbs». JÜRG MÜLLER 10 SCHWERPUNKT

Volksinitiativen, die zur Abstimmung gekommen sind (Stand Juni 2014)

2010–2014

2000–2009

1990–1999

1980–1989

1970–1979

1960–1969

1950–1959

1940–1949

1930–1939

1920–1929

1910–1919

1900–1909 = angenommen = abgelehnt 1890–1899

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

die meisten übrigen Parteien versuchen, die gen». Voraussichtlich wird schon im Novem- lich. Sie wurde zwar zur Zeit der Überfrem- arg zerzauste Fahne des Bilateralismus ber 2014 darüber abgestimmt. dungsinitiativen von James Schwarzenbach hochzuhalten. Für die Regierung ist das eine Konkret soll laut Initiative «die ständige ins Leben gerufen, doch die Initiativen sei - höchst ungemütliche Ausgangslage. Der Wohnbevölkerung infolge Zuwanderung im ner Nationalen Aktion (NA) in den Sieb- neue Verfassungstext verpflichtet Bundes- dreijährigen Durchschnitt nicht um mehr ziger- und Achtzigerjahren lehnte Ecopop rat und Parlament, innert dreier Jahre für als 0,2 Prozent pro Jahr wachsen». Das ent- ab. In den Anfängen war NA-Präsident Va- alle Ausländerinnen und Ausländer ein spräche derzeit einer Nettozuwanderung lentin Oehen bei Ecopop ebenso aktiv wie neues Zulassungssystem einzuführen, das von lediglich noch 16 000 Personen, statt der die Berner SP-Grossrätin und Frauenrecht- die Zuwanderung durch Höchstzahlen und heutigen rund 80 000. Die Initiative hält in lerin Anne-Marie Rey. Kontingente begrenzt. den Übergangsbestimmungen unmissver- Es ist der Vereinigung von heute offenbar Die Frage lautet: Wie, wenn überhaupt, ständlich fest, dass völkerrechtliche Ver- sehr wohl bewusst, dass die Stossrichtung kann dies mit dem Abkommen mit der EU träge, die diesen Zielen widersprechen, ent- ihres Programms auch für Kreise attraktiv über die Personenfreizügigkeit in Einklang weder angepasst oder gekündigt werden ist, mit denen man lieber nichts zu tun ha- gebracht werden? Bis Ende Juni dieses Jah - müssen. Mit anderen Worten: Das Ecopop- ben möchte. Wohl deshalb steht auf der res will der Bundesrat ein Umsetzungskon- Volksbegehren ist deutlich radikaler als die Homepage: «Ecopop distanziert sich von al- zept vorlegen, bis Ende Jahr sollen die Vor- angenommene SVP-Initiative. Sie schreibt len menschen- oder fremdenfeindlichen Po- schläge in Gesetzesartikel gegossen werden, konkrete Zahlen in die Verfassung und lässt sitionen und möchte dazu beitragen, dass die dann in die Vernehmlassung gehen. Die noch weniger Spielraum für Verhandlungen alle Menschen unabhängig von ihrer Natio- Kunst wird darin bestehen, Kontingente mit der EU. Für die Personenfreizügigkeit nalität ein würdiges Leben führen können.» einzuführen, ohne gleichzeitig das Prinzip gäbe es nicht mehr den Hauch einer Chance. der Personenfreizügigkeit zu verletzen. Ecopop, das Wort setzt sich zusammen Ecopop als «unheimliche Ökologen»? Parallel zum innenpolitischen Prozess fin- aus ECOlogie et POPulation, ist eine schil- Doch in der Praxis funktioniert diese sau - den Gespräche mit der Europäischen Union lernde Vereinigung und spricht ganz unter- bere Abgrenzung nach ganz rechts nicht. In statt. schiedliche Kreise an, Wachstumskritiker der «Schweizerzeit», der Hauspostille des ebenso wie fremdenfeindliche Kreise. Eco- früheren SVP-Rechtsaussen-Nationalrats Jetzt kommt Ecopop pop selbst versteht sich als politisch unab- Ulrich Schlüer, konnte Ecopop im redaktio- Doch nicht allein die Umsetzung der Initia- hängige Umweltorganisation mit dem Blick nellen Teil einen Aufruf zur Unterstützung tive bringt die politischen Akteure in arge Be- auf Bevölkerungsfragen. Auf ihrer Home- ihrer Initiative platzieren. Während der Un- drängnis. Die SVP hat schon mit einer soge- page steht: «Unser Anliegen ist es, die natür- terschriftensammlung durften die Initian- nannten Durchsetzungsintiative gedroht, lichen Lebensgrundlagen und die Lebens- ten auch auf die rechtslastige Auns zählen: falls das angenommene Volksbegehren nicht qualität in der Schweiz und weltweit für Diese verteilte Unterschriftenbogen unter

Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. in ihrem Sinn umgesetzt wird. Und bereits kommende Generationen zu erhalten. Eco- ihre Mitglieder. Offizielle Unterstützung rollt eine andere Initiative auf das Stimmvolk pop engagiert sich seit mehr als 40 Jahren beim Sammeln der Unterschriften erhielt EVUE R zu, die sogenannte Ecopop-Initiative mit gegen die Überlastung der Natur durch im- Ecopop zudem von den Schweizer Demokra- dem Titel «Stopp der Überbevölkerung – zur mer mehr Menschen.» Eine klare politische ten (SD), einer Rechtsaussenpartei und

SCHWEIZER SCHWEIZER BundeskanzleiQuelle: Keystone Foto: Sicherung der natürlichen Lebensgrundla- Zuordnung der Organisation ist nicht mög- Nachfolgeorganisation der NA. Die Partei 11

Zu- und Abwanderung der Schweiz in Prozent

1,2%

1,1% = Nettozuwanderung 1,0% = Nettoabwanderung 0,9%

0,8%

0,7%

0,6%

0,5% Limit von 0,2% der Ecopop-Initiative 0,4% «Wie viele Menschen verträgt die Erde?», 0,3% fragen die Ecopop- 0,2% Initianten auf ihrem Plakat beim Einrei- 0,1% chen der Unterschrif- ten für die Initiative 0,0% am 12. November 2012 in Bern -0,1% 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12

hatte 2011 eine eigene Überfremdungsiniti- lonialistische Sicht der Familienplanung in logie und zeigte auf Plakaten zubetonierte ative lanciert. Da das Sammeln der Unter - Entwicklungsländern». Auch entwicklungs- Landschaften. schriften nicht so gut lief, beschloss der SD- politische Organisationen kritisieren diese Zentralvorstand im Sommer 2012, das eigene Forderung scharf. Aus ihrer Sicht ignoriert Herausforderung für Grüne – und SVP Volksbegehren ruhen zu lassen und die «er - Ecopop die strukturellen Ursachen des Be- Herausgefordert sehen sich vor allem die folgversprechendere» Ecopop-Initiative völkerungswachstums. Hohe Geburtenraten Grünen, deren Führung sich dezidiert gegen aktiv zu unterstützen. sind, das ist heute allgemein bekannt, primär die Ecopop-Initiative ausspricht und eine Neu ist die Verbindung zwischen natur- armutsbedingt. Kinderreichtum wird als Ga- Hauptrolle im Abstimmungskampf überneh- schützerischen Anliegen und Einwande- rantie für die Existenzsicherung betrachtet. men will. Wir hätten kein Problem mit den rung nicht. Bereits in den Dreissigerjahren Deshalb muss, um die Grösse der Familien Köpfen, sondern ein Pro-Kopf-Problem, sagt des letzten Jahrhunderts gab es eine reak- und das Bevölkerungswachstum zu senken, Regula Rytz, Kopräsidentin der Grünen, im- tionär-ökologische Ideologie. Balthasar primär die Bildung von Mädchen und Frauen mer wieder. Entscheidend sei der ökologische Glättli, Zürcher Nationalrat der Grünen, gefördert werden. Deutlich sagt Shalini Fussabdruck, nicht die Anzahl Menschen. recherchiert derzeit für ein Buch mit dem Randeria, Professorin für Anthropologie und Allerdings ist noch nicht klar, wie die Basis Arbeitstitel «Unheimliche Ökologen», und Entwicklungssoziologie in Genf, in einem In- der Grünen denkt. Bei Ecopop aktiv sind ist dabei auf «unheimliche Wurzeln» ge- terview mit der «Neuen Zürcher Zeitung», auch Vertreter der Grünen: Andreas Tho- stossen: nämlich auf Verbindungen zwi- welche Haltung zu Forderungen wie jene von mmen, früherer Präsident im Aargau, sitzt im schen Naturschützern, Bevölkerungspoli- Ecopop führen: «Überzählig sind immer die Vorstand und im Initiativkomitee. tikern und Eugenikern, dies sind Vertreter anderen: die Armen, die Ausländer. (…) Es Die Haltung der politischen Parteien ist einer Wissenschaft, bei der man davon aus- geht nie nur um die Zahlen, sondern stets um klar: Bedeckt hält sich einzig die SVP, sonst geht, dass sich die Menschen, deren Erban- die Frage, wer sich vermehren darf und wer lehnen alle die Initiative ab. Im Ständerat, der lagen erwünscht sind oder als positiv be- nicht.» Man könne die Bevölkerungsfrage im März das Anliegen bachab schickte, übte wertet werden, vermehren sollten, bei nicht vom Ressourcenverbrauch trennen, sich die SVP in Stimmenthaltung. Das Volks- Menschen, deren Erbanlagen negativ ein- sagt die Professorin, denn «die Einwohner begehren habe tatsächlich problematische gestuft werden, sei die Vermehrung uner- der Stadt New York verbrauchen an einem Seiten, sagt SVP-Generalsekretär Martin wünscht und zu verhindern. Tag mehr Energie als der gesamte afrikani- Baltisser, «es kommt ja auch aus der links-grü- In diesem Zusammenhang ist bei der Eco- sche Kontinent». nen Ecke». Aber wie sich die Parteibasis bei pop-Initiative vor allem der Passus über die Einwanderung und Naturschutz war der Parolenfassung verhalte, könne er nicht Geburtenkontrolle in der Dritten Welt hei- auch bei der Schwarzenbach-Initiative 1979 voraussagen. Sicher ist, die Partei befindet kel. In einem zweiten, sozusagen entwick- ein Thema. Angeprangert wurde schon da- sich in einem Dilemma: Für den Wirtschafts- lungspolitischen Teil verlangt die Initiative mals die Zubetonierung der Schweiz. Die flügel ist Ecopop viel zu radikal, bei der Ba-

Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. nämlich, die Schweiz soll zehn Prozent der SVP, die die Einwanderung zu ihrem Top- sis dürfte sie aber, wie jede Forderung nach Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit Thema gemacht hatte, argumentierte zu- Einschränkung der Zuwanderung, auf Wohl- EVUE R «in Massnahmen zur Förderung der freiwil- erst vor allem mit Sozialmissbrauch und wollen stossen. ligen Familienplanung» fliessen lassen. CVP- Kriminalität, entdeckte dann aber im End-

SCHWEIZER SCHWEIZER Quelle: Bundesamt für Statistik (BSF) Ständerat Urs Schwaller nennt das eine «ko- spurt des Abstimmungskampfes die Öko- JÜRG MÜLLER ist Redaktor der «Schweizer Revue» 12 POLITIK

Kampfflugzeug Gripen beim Landeanflug abgestürzt Die Schweizer Luftwaffe muss ohne neues Kampfflugzeug in die Zukunft fliegen: Das Volk hat den Kauf der 22 schwedischen Gripen abgelehnt. Von Jürg Müller

Das Rüstungsgeschäft des Departements Verkehr und AHV. Die Schweizer Luftwaffe tischere Bedrohungsformen wie Cyber- für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und sei zudem ohnehin überdimensioniert, für Attacken, Terrorismus, schwere Umwelt- Sport (VBS) war von allem Anfang an von den Luftpolizeidienst reichten die F/A-18. katastrophen, organisierte Kriminalität Turbulenzen begleitet. Im Abstimmungs- und Ähnliches ausgerichtet werden sollte kampf geriet der Gripen durch Ungeschick- Militärpolitische Trendwende? statt auf «klassische» Kriege. lichkeiten und Kommunikationspannen Noch nie gab es bei einer Abstimmung über noch zusätzlich in Schwierigkeiten. Schliess- Armeefragen ein Nein. Diesmal hat die tra- Bundesrat Maurer agierte töricht lich wurde der Kauf des schwedischen ditionelle Loyalität gegenüber der Armee Unter Beschuss kam nach der Abstimmung Kampfflugzeugs – als Ersatz für 54 Tiger- nicht gespielt. Dies hat sehr unterschiedli- Verteidigungsminister Ueli Maurer. Er Jets – in der Volksabstimmung vom 18. Mai che, auch Jahre zurückliegende Gründe. So habe einen ungeschickten Abstimmungs- 2014 mit einem Nein-Stimmen-Anteil von wurde etwa nach dem Typenentscheid für kampf geführt, stellten Befürworter und 53,4 Prozent abgelehnt. den Gripen das Auswahlverfahren in Zwei- Gegner des Gripen fest. So war durchgesi- Die Befürworter hatten argumentiert, fel gezogen. Auch viele bürgerliche Politiker ckert, dass sich Maurer in seiner Strategie dass die neuen Maschinen zusammen mit stellten die Qualität des Flugzeugs in Frage, von Schweden hatte beraten lassen; er riss den vorhandenen 32 F/A-18 das absolute was zu grossen Verzögerungen im parlamen- frauenfeindliche Sprüche, wurde ausfällig Minimum zur Sicherung des Luftraums tarischen Verfahren führte. gegenüber Medien – und stilisierte die bildeten. Gegen Schluss des Abstimmungs- Die Reihen konnten bei den Bürgerlichen Gripen-Abstimmung zur Schicksalsfrage kampfs wurde auch die Ukraine-Krise ins zwar einigermassen geschlossen werden. für die Armee, was selbst bei den Befürwor- Spiel gebracht, die als Beweis dienen sollte, Trotzdem bildete sich ein bürgerliches Ko- tern für Ärger sorgte. in welch unsicherer Welt wir lebten. Die mitee gegen den Gripen, das vor allem von Wie es weitergeht, ist noch unklar. Sicher Gegner –Sozialdemokraten, Grüne und die den Grünliberalen getragen wurde. Damit ist: Das Nein zu einem neuen Kampfflug- Gruppe für eine Schweiz ohne Armee wuchs das Nein-Lager weit über die armee- zeug ist kein Nein zur Armee, es hat aber viel (GSoA), die das Referendum gegen die kritischen Kreise und linken Parteien zu tun mit der Frage über die künftige Aus- Vorlage ergriffen hatten – argumentierten, hinaus. Finanzpolitische Bedenken kumu- richtung der Schweizer Landesverteidigung. die Milliarden fehlten bei dringenden Vor- lierten sich mit Fragen, ob die Landesvertei- haben des Bundes, zum Beispiel bei Bildung, digung nicht konsequenter gegen realis- JÜRG MÜLLER ist Redaktor der «Schweizer Revue»

WEITERE ABSTIMMUNGEN VON 18. MAI 2014 Mindestlohn hatte keine Chance wurde dagegen der neue Verfassungsar- AKW darf weiterlaufen Das ist eine schwere Schlappe für die Ge- tikel, der Bund und Kantone verpflichtet, Erstmals nach der Atomkatastrophe von werkschaften: Ihre Mindestlohninitiative die medizinische Grundversorgung durch Fukushima 2011 stand in der Schweiz wurde mit 76,3 Prozent Nein-Stimmen die Förderung der Hausarztmedizin zu die Atomenergiefrage auf der Abstim- überaus deutlich abgeschmettert. Das Be- gewährleisten. Angestossen wurde das mungsagenda, wenn auch nur im Kanton gehren wollte den gesetzlichen Mindest- Anliegen von einer Initiative der Ärzte- Bern. Eine Volksinitiative wollte das lohn auf 22 Franken pro Stunde oder schaft, die später zugunsten eines Ge- 40-jährige Atomkraftwerk Mühleberg vor rund 4000 Franken pro Monat festschrei- genvorschlags des Bundesrates zurückge- den Toren der Stadt Bern, das immer ben. Die Gewerkschaften konnten nicht zogenen wurde. wieder wegen teils gravierender Sicher- einmal das linke Wählerpotenzial voll Ein populäres Anliegen aufgegriffen heitsmängeln in der Kritik stand, sofort mobilisieren, denn die Initiative wurde hat auch die Pädophilen-Initiative: Sie vom Netz nehmen. Das Begehren wurde noch klarer abgelehnt als im vergangenen wurde mit 63,5 Prozent Ja-Stimmen gut- nun allerdings mit 63,3 Prozent Nein- November die 1:12-Initiative gegen Spit- geheissen. Wer rechtskräftig wegen sexu- Stimmen verworfen. Die Bernischen zenlöhne. Die Mehrheit will offensicht- eller Übergriffe auf Kinder oder Abhän- Kraftwerke (BKW) haben schon vor der lich keine Eingriffe des Staates in die gige verurteilt ist, darf inskünftig Volksabstimmung beschlossen, den Lohnpolitik. automatisch und für den Rest seines Le- Reaktor 2019 zu schliessen. Nach E3 Juni 2014 / Nr.

VU bens nicht mehr mit Kindern arbeiten. Fukushima hat der Bundesrat im Grund- E R

ER Für Hausärzte und gegen Pädophile Die Gegner, welche das Volksbegehren als satz den Ausstieg aus der Kernenergie Z Mit einem Ja-Stimmen-Anteil von unverhältnismässig bekämpften, drangen im beschlossen, doch die neue Energie- WEI

SCH 88 Prozent sehr deutlich angenommen mit ihren Argumenten nicht durch. politik steht erst in Umrissen. (JM) POLITIK 13

Der Panther Bundesrat Alain Berset von der SP hat sich Grosses vorgenommen: Er will die Altersvorsorge reformieren, denn nur so ist sie langfristig sichergestellt. Seine beiden Vorgänger im Departement des Innern, Pascal Couchepin und Didier Burkhalter von der FDP, sind mit Reformvorschlägen kläglich gescheitert. Die Strategie von Alain Berset sei, warten, anschleichen und im richtigen Moment zuschlagen, schreibt Matthias Daum in seinem Porträt.

Bundesrat Alain Berset beobachtet sowohl Freunde wie Gegner sehr genau und taktiert geschickt

Alain Berset schweigt. Er gibt keine Inter- Renditen, mit denen sie immer längere Renten resausschüttung, wird der Beitragssatz au- views. Über das neue Impfgesetz, über das bezahlen müssen. Bis zu 110 Milliarden Fran- tomatisch erhöht, und die Renten werden im vergangenen Jahr abgestimmt wurde, ken sollen 2030 fehlen, schätzen Experten. nicht mehr vollständig der Teuerung ange- hätte man mit ihm zwar sprechen können, Es ist die grösste Schweizer Rentenreform passt. Und weil trotzdem von 2030 an in der auch über 24 Monate lang gereiften Sbrinz- seit 1985, als die berufliche Vorsorge (BVG) AHV ein Loch von 7,2 Milliarden Franken Käse, weil Berset der Schirmherr der herbst- obligatorisch wurde. Und seither tut sich die klaffen würde, soll die Mehrwertsteuer um lichen Semaine du Goût ist. Nicht aber über Schweiz schwer mit dem Umbau ihrer Al - bis zu zwei Prozent erhöht werden. sein grosses Projekt, die umfassende Reform tersvorsorge. Vor bald zwanzig Jahren der Altersvorsorge, darüber schweigt der wurde die letzte AHV-Revision angenom - Stimmbürger als Verbündete SP-Bundesrat. Wortreich wimmelt sein men. Sie erhöhte das Rentenalter der Frauen «Berset versucht einen spannenden Neuan- Pressesprecher über Monate alle Gesprächs- schrittweise von 62 auf 64 Jahre. Alle weite- fang», sagt der Politologe Claude Long- anfragen ab. ren Anpassungsversuche scheiterten. Zu- champ. «Er hat einen grossen Hut in die nächst lehnte das Volk 2004 das Rentenal- Mitte gelegt, und nun muss jeder etwas rein- Alles Taktik, alles Strategie ter 65 für Frauen ab, sechs Jahre später geben.» Die letzten Reformen scheiterten, «Wie ein Panther sitzt Alain Berset auf dem verwarf es eine Senkung des sogenannten weil es immer klare Sieger und klare Verlie- Baum auf der Lauer. Und wartet. Um im BVG-Umwandlungssatzes. Und das Parla- rer gab. Mal waren es die Frauen, mal die Al- richtigen Moment zuzuschlagen.» So sagt es ment versenkte im gleichen Jahr eine abge- ten, mal die Jungen. Es bildeten sich seltsame ein hoher Beamter in Bundesbern. Voller speckte Version dieser 11. AHV-Reform. Allianzen; so waren 80 Prozent der SVP- Ehrfurcht. Es war ein Mittwoch im Novem- Nun wagt der Sozialminister den grossen Wähler gegen eine Senkung des BVG-Um- ber. Drei Uhr nachmittags. In Bern kündigt Wurf: Er will die AHV und das BVG ge- wandlungssatzes, obschon die Gewerkschaf- sich Schnee an. Alain Berset tritt in den meinsam umbauen. Vor einem Jahr hat ten das Referendum ergriffen hatten. Nun grossen Saal im Medienzentrum des Bun- Berset sein Projekt angekündigt. Im No- sollen alle verlieren – und nur eine soll ob - deshauses und nimmt auf dem Podium Platz. vember präsentierte er die Details: Das Ren- siegen: die Vernunft. Seine Postur verrät den ehemaligen Spitzen- tenalter der Frauen wird innerhalb von sechs «Das mag vielleicht einige Politiker über- leichtathleten. Er hält ein fünf Zentimeter Jahren von 64 auf 65 erhöht. Der Umwand- fordern», sagt Berset. «Aber die Stimmbür- dickes Bündel A4-Blätter in die Luft, lächelt lungssatz in der beruflichen Vorsorge wird ger wissen, wie mit komplexen Themen um- und sagt: «Was wir da anpacken müssen, ist über vier Jahre von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt. zugehen ist – das haben sie immer wieder

Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. nicht so einfach.» Gleichzeitig sind Rentenbezüge aus der Pen- bewiesen.» Dass die Altersvorsorge dem de- Im Jahr 2030 klafft im AHV-Fonds ein sionskasse erst ab 62 möglich. Für Selbst- mografischen Wandel angepasst werden EVUE R Loch von 8,6 Milliarden Franken. Und die ständige und Angestellte gelten dieselben muss, ist allen Beteiligten bewusst. Sämtli- G EDI ©Gaetan Bally Pensionskassen erwirtschaften schon heute Beitragssätze. Für den AHV-Fonds gilt: che Szenarien zeigen, dass von 2020 an die

SCHWEIZER SCHWEIZER ZV Foto: mit ihren Finanzanlagen immer niedrigere Fällt der Stand unter 70 Prozent einer Jah - mit den AHV-Geldern erwirtschafteten 14 POLITIK

ten nur «Ultima Ratio» sein. Der Ge- werbeverband wettert, das Paket sei «eine Provokation». Er will stattdes- sen das Rentenalter vom Pegelstand im AHV-Fonds abhängig machen. Pensionäre wüssten also erst zwei Jahre im Voraus, ab wann sie eine volle Rente beziehen könnten. Die Vernunft, auf die Berset setzt, verkriecht sich in die politischen Schützengräben. Noch fehlen dem Sozialminister die Verbündeten für sein Vorhaben. Sogar die Gewerk- schaften und seine eigene Partei ge- hen zu ihm auf Distanz. Die Zeit aber spielt für die Linke. Je näher das Jahr rückt, da die AHV tatsächlich in finanzielle Schieflage gerät, desto mehr Stimmbürger sind von möglichen Massnahmen betrof- fen – und desto schwerer haben es Sparvorschläge. Berset weiss um diesen Trumpf in seiner Hand. Als ihn ein Journalist fragt, ob er einen Plan B habe, antwortete der Bundes- rat: «Dass die letzten Reformen ge- scheitert sind, lag daran, dass man immer noch einen Plan B in der Hin- Alain Berset agiert ohne Plan B – weil die letzten Reformen genau daran gescheitert seien terhand hatte.» Kurzum: Das Mons- terprojekt ist alternativlos.

Kapitalgewinne die Renten nicht mehr fi- in die Regierung. Vorsprung durch Erfah- Schnell ist gefährlich nanzieren können. Aber kann einem rung und Netzwerk – und dies im, für einen Scheitert es trotzdem, droht ein riesiger SP-Bundesrat in einem grundbürgerlichen Bundesrat, zarten Alter von 41 Jahren. Scherbenhaufen – und Alain Berset das Land ein solches Monstervorhaben gelin- So griff er zu, der linke Neuling, als der Schicksal vieler seiner Vorgänger im Innen- gen? Fragt man sich durch im politischen bürgerliche Didier Burkhalter nicht länger departement: grosse Ankündigungen, keine Bern, folgt die Gegenfrage auf dem Fuss: im Innendepartement, wie er selber sagte, Resultate. Ihn selbst scheint das nicht zu be- Wer, wenn nicht Berset, soll es richten? Die um «sehr schwierige Fragen, über sehr tech- unruhigen. Nach der Medienkonferenz Bewunderung für den Strategen ist so gross, nische Gesetzesartikel» kämpfen wollte. So spricht er noch ein paar Statements in die dass ihm Journalisten sogar seine Niederla- hielt er, der Staatsgläubige, seine erste grosse Mikrofone, dann zieht sich der Panther zu- gen als Siege auslegen. Rede just am Arbeitgebertag. Geschrieben rück auf seinen Baum. hatte sie ein ehemaliger Berater des damali- «Wer in der Schweiz politisch Tempo Bestens vertraut mit dem Politbetrieb gen Novartis-Chefs Daniel Vasella. Sie war bolzt, der wird ausgebremst. Darum ist lang- Die Karriere von Alain Berset verlief im wei- brillant. «There is such a thing as society», sam schneller», sagte Berset in einer Rede. chen Gang geschmeidig starker Schritte. sprach er, in Abgrenzung zu Maggie That- Aber er sagte auch: «Misstrauische Bürger Mit 27 Jahren wird er Freiburger Verfas- chers neoliberalem Kampfspruch, den Bos- trauen keiner Reform.» Und dazu brauche sungsrat, mit 31 Ständerat – und mit 39 Bun- sen ins Gewissen. es eine öffentliche Debatte. Mit einem Bun- desrat. Der Freiburger gehört zu einer neuen Berset eröffnete sein Schachspiel mit ei- desrat, der auf Bäumen sitzt, lässt sich Generation von Schweizer Politikern. Er ist nem Zug gegen die eigene linke Basis. Erhö- schlecht debattieren. Ob er nun, da die Ver- ein Profi, kein Milizionär. Nach dem Öko - hung des Rentenalters, Senkung des Um- nehmlassung zu seinem Reformvorhaben nomiestudium an der Uni Neuenburg arbei- wandlungssatzes, automatische Anpassung abgeschlossen ist, heruntersteigt, werden tete er am Weltwirtschaftsinstitut in Ham- der Renten, wenn der AHV-Fonds serbelt – wir sehr bald sehen.

Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. burg, später in der Neuenburger Verwaltung, das sind Handreichungen an die Bürgerlichen. bevor er ein eigenes Beratungsbüro grün- Nur haben die das nicht verstanden. Der Ar- EVUE R dete. «Ein Bundesrat muss sehr genau wis- beitgeberverband kritisiert, die Reform sei

G EDI ©Gaetan Bally MATTHIAS DAUM ist Redaktor bei der «Zeit». sen, wie unsere politischen Institutionen für die Wirtschaft nicht verkraftbar, die an- Sein Artikel ist auch in der «Zeit» Nr. 50/2013

SCHWEIZER SCHWEIZER ZV Foto: funktionieren», sagte Berset vor seiner Wahl gedrohten Mehrwertsteuererhöhungen dürf- erschienen 15

Nachhilfe in Demokratie Um die politische Bildung ist es in der Schweiz nicht zum Besten bestellt. Zu ihrem 100. Geburtstag lanciert die Neue Helvetische Gesellschaft jetzt ein Aktionsprogramm und sie möchte ein nationales Kompetenzzentrum zur Förderung der politischen Bildung aufbauen. Von Reto Wissmann

«Niemand wird als Demokrat geboren, Demokratie ist eine soziale mangle an Unterstützung für Projekte, die Schweiz brauche drin - Idee und keine natürliche Begebenheit, sie muss deshalb von den Bür- gend ein nationales Kompetenzzentrum für politische Bildung. gerinnen und Bürgern erlernt werden.» Das sagt Professor Rolf Der NHG soll das in die Zukunft gerichtete Schwerpunktthema Gollob. Und er weiss, wovon er spricht. Gollob ist nationaler Koor- auch das eigene Überleben sichern, wie Hans Stöckli offen einräumt dinator des Programms Education for democratic citizenship des (siehe Interview). Die Gesellschaft kämpft gegen das Image des Alt- Europarats und arbeitet an der Pädagogischen Hochschule Zürich herrenclubs und gegen Mitgliederschwund. Nun wagt sie einen Auf- zum Schwerpunkt politische Bildung. Er weiss auch, dass es zwar bruch und hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt. verschiedenste Programme und Initiativen zum Thema gibt: Im In- In den acht Ortsgruppen sollen verschiedene Aktionen zur poli- ternet findet sich zum Beispiel unter www.politischebildung.ch eine tischen Bildung stattfinden. Die NHG will Projekte anderer Orga- lange Liste mit Institutionen und Amtsstellen aus dem In- und Aus- nisationen unterstützen, koordinieren und bekannter machen. So land, die sich darum kümmern. Es fehlt aber an Koordination und plant sie, Jugendlichen die Möglichkeiten zu geben, als Wahlbeob- Vernetzung. «Wenn es um politische Bildung geht, weiss die Linke achter bei nationalen und kantonalen Urnengängen an den entschei- nicht, was die Rechte tut», sagt Rolf Gollob. Es verpuffe viel zu viel denden Orten dabei zu sein. «Sie sollen eins zu eins erleben können, Energie. wie Demokratie funktioniert», sagt Hans Stöckli. Dieser Teil des Dem will die Neue Helvetische Gesellschaft (NHG) jetzt entge- Programms «100 Mal politische Bildung» wird von der Schweizeri- genwirken. Zu ihrem 100. Geburtstag lanciert die angesehene Ver- schen Staatsschreiberkonferenz unterstützt. einigung das Aktionsprogramm «100 Mal politische Bildung». «Nie- mand bestreitet die Bedeutung des Themas», sagt Hans Stöckli, Es braucht private Mittel Präsident der NHG und SP-Ständerat. «Was fehlt, ist der politische Der grösste Brocken im Programm «100 Mal politische Bildung» ist Wille, die Versprechungen aus den Sonntagsreden umzusetzen.» Es allerdings der Aufbau eines nationalen Kompetenzzentrums. «Wir

BEWAHRER DES NATIONALEN ZUSAMMENHALTS Die Neue Helvetische Gesellschaft – Treff- Im Februar 1914, kurz vor dem Ausbruch Landesteile ein. Der NHG ist auch die punkt Schweiz feierte im Februar ihr des Ersten Weltkriegs, knüpften Literaten, Gründung der Auslandschweizer-Organisa- 100-jähriges Bestehen in Biel. Die Ur- Journalisten und Akademiker aus der Ro- tion (ASO) im Jahre 1916 zu verdanken. sprünge der Organisation reichen aber mandie sowie Politiker und Unternehmer Später engagierte sich die Gesellschaft sehr viel weiter zurück. Bereits 1762 hat- aus der Deutschschweiz an das Gedanken- für einen Beitritt der Schweiz zum Völker- ten sich in Schinznach-Bad Aufklärer ver- gut der Helvetischen Gesellschaft an und bund, unterstützte eine Initiative zur Er- schiedener Konfessionen in der Helveti- gründeten in Bern die Neue Helvetische haltung des Rheinfalls, trug zur Gründung schen Gesellschaft zusammengeschlossen. Gesellschaft. Treibende Kräfte waren un- der Kulturstiftung Pro Helvetia, des Muse- Ihr Ziel: aus der Schweiz einen modernen ter anderen der Freiburger Autor und um- ums Stapferhaus auf der Lenzburg oder Bundesstaat machen. strittene Bewunderer autoritärer Regimes der «ch Stiftung für eidgenössische Zu- In der damals bedeutendsten gesamt- Gonzague de Reynold sowie der Berner sammenarbeit» bei. Ideologisch bewegte schweizerischen Vereinigung arbeiteten Schriftsteller Carl Albert Loosli. sich die NHG in all den Jahren meist zwi- gebildete Männer aus Bürgertum und Aris- Auslöser für die Gründung war primär schen nationalkonservativer Orientierung tokratie auf eidgenössische Zusammenar- die Bedrohung des inneren Zusammen- und Weltoffenheit. beit, religiöse Toleranz und auf die Ent- halts durch die weltpolitische Krise. Lan- Auf ihrem Höhepunkt 1920 zählte die wicklung eines Nationalgefühls hin. Zu desweit bekannt wurde die Organisation NHG 2540 Mitglieder, heute sind es noch den Gründern gehörten der Basler Rats- durch die Rede «Unser Schweizer Stand- 850 in acht aktiven Ortsgruppen. 2007 fu- schreiber Isaak Iselin, der Zürcher Stadt- punkt» des Dichters und Literaturnobel- sionierte sie mit Rencontre Suisse, einer arzt Hans Caspar Hirzel, der Luzerner Rats- preisträgers Carl Spitteler. Bald ent- anderen staatsbürgerlichen Vereinigung herr Joseph Anton Felix von Balthasar oder standen Ortsgruppen in verschiedenen aus der Westschweiz. Seither heisst sie of- Städten der Schweiz sowie in Paris, Berlin fiziell Neue Helvetische Gesellschaft – Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. der Berner Rechtsprofessor Daniel von Fel- lenberg. Zehn Jahre nachdem sie ihr Ziel oder London. Über die Parteigrenzen hin- Treffpunkt Schweiz. EVUE R mit der Unterzeichnung der Bundesverfas- weg setzte sich die NHG unter anderem www.politischebildung.ch sung von 1848 erreicht hatten, wurde die für die Mehrsprachigkeit sowie den Erhalt

SCHWEIZER SCHWEIZER Helvetische Gesellschaft aufgelöst. des nationalen Erbes und der Eigenart der Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz 16 POLITIK

«Unser Land braucht diese Klammer» Vier Fragen an Hans Stöckli, Zentralpräsident der Neuen Helveti- schen Gesellschaft und Berner SP-Ständerat.

«SCHWEIZER REVUE»: Welches war in den letzten 100 Jahren das grösste Verdienst der Neuen Helvetischen Gesellschaft? HANS STÖCKLI: Das grösste, nachhaltigste und stärkste Projekt der Neuen Helvetischen Gesellschaft (NHG) war die Schaffung der Auslandschweizer-Organisation. Ausserdem hat sie bei der Grün- dung von verschiedenen Institutionen für eidgenössische Zusam- menarbeit eine massgebliche Rolle gespielt. Die NHG war aber im- mer auch ein wichtiger Faktor für den Zusammenhalt der Schweiz. Sie hat sich für ein Miteinander von Arm und Reich, Schweizern und Ausländern, Jung und Alt, Stadt und Land, Arbeitgebern und Ar- beitnehmern sowie für eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Parteien und insbesondere den Sprachgruppen stark gemacht. Jugendliche am Jubiläum der NHG üben die politische Argumentation Die Neue Helvetische Gesellschaft hatte ihre Blütezeit in der Zeit der werden Klinken putzen, um private Mittel dafür zu bekommen», sagt beiden Weltkriege. Für was braucht es die NHG heute noch? Hans Stöckli, «und wir werden bei allen Parteien um Unterstützung Tatsächlich hat die NHG heute deutlich weniger Mitglieder als werben und eine überparteiliche Lobbygruppe für das Projekt auf- früher. Wie alle anderen staatsbürgerlichen Gesellschaften mussten bauen.» Am Ende soll ein nationales Zentrum für politische Bildung auch wir uns die Existenzfrage stellen und kamen zum Schluss, es mit einer breit abgestützten Trägerschaft und einem Leistungsauf- braucht die NHG weiterhin: Für den Erhalt und die Stärkung der trag des Bundes entstehen. Willensnation Schweiz muss tagtäglich gekämpft werden. Wir küm- Dass dies nötig ist, zeigen internationale Vergleichsstudien zum mern uns heute schwerpunktmässig um die politische Bildung der politischen Wissen und Verstehen von 15-Jährigen. 2003 belegte die jungen Generation und der neu eingebürgerten Personen in der Schweiz unter 28 teilnehmenden Ländern lediglich Platz 19. Die Schweiz. Wir wollen dazu beitragen, dass die Menschen, die in un- Schweizer Auswertung erschien damals unter dem Titel «Jugend serer direkten Demokratie neu politische Rechte und Pflichten be- ohne Politik». Der Leiter der Studie, Fritz Oser, klagt über «politi- kommen, diese, gut vorbereitet, als mündige Staatsbürger wahrneh- schen Analphabetismus» in den Schulen, was für eine «Musterde- men können. mokratie» doch überraschend sei. Drei Jahre später wurden in der Schweiz dann 1500 Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse befragt. In Ihrer Festschrift heisst es, die NHG sei zu einem «bürgerlichen Ho- Das Resultat war ernüchternd: Praktisch niemand konnte die drei noratioren- und Senioren-Verein» geworden. Wie wollen Sie davon Gewalten auf Bundesebene richtig benennen. Und fast 70 Prozent wegkommen? dachten, der Bundesrat entscheide, ob ein Referendum angenom- Wir wollen und müssen unseren Mitglieder- und Einflusskreis er- men wird. weitern. Auch deshalb wollen wir Themen anschneiden, die die Jun- gen beschäftigen, und in ihnen das Interesse an einem funktionie- Stimmrechtsalter senken renden Zusammenleben in der Schweiz wecken. Das Feuer soll an Auch die Stimm- und Wahlbeteiligung der jungen Erwachsenen ist die nächste Generation übergehen. unbefriedigend: An den letzten nationalen Wahlen nahmen nur gut 30 Prozent der 18- bis 24-Jährigen teil. Die durchschnittliche Betei- Warum engagieren Sie sich ganz persönlich in diesem Verein? ligung lag bei knapp 50 Prozent. «Wir müssen die Jugend für die Po- Als junger SP-Stadtrat- und Gerichtspräsident von Biel wurde ich litik begeistern», sagte Bundeskanzlerin Corina Casanova an der vom damaligen Personalchef der Omega, dem Freisinnigen Roger NHG-Jubiläumsveranstaltung Anfang Februar in Biel. Es sei nötig, Anker, angefragt, ob ich nicht Interesse hätte, in einer vom kritischen eine politische Kultur zu schaffen, in der die Jugendlichen verstärkt Patriotismus geleiteten Ortsgruppe der NHG mitzumachen. Mich einbezogen würden. haben staatspolitische Fragen immer stark interessiert und die NHG Als ein Mittel dazu sieht die Bundeskanzlerin die Senkung des ist für mich eine Klammer, die unser Land unbedingt braucht. Als Stimmrechtsalters von 18 auf 16 Jahre, wie es bereits in Österreich ehemaliger Stadtpräsident Biels, der grössten zweisprachigen Stadt und in einigen deutschen Bundesländern gelte. «Damit könnte man der Schweiz, kenne ich die existen- die Lücke zwischen der Theorie in der Schule und der Praxis an der zielle Bedeutung des Zusammenle- Urne schliessen», so Corina Casanova. In der Schweiz ist die Skep- bens verschiedener Sprachgruppen

Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. sis allerdings gross. Der Kanton Glarus kennt schon heute Stimm- – und das erleichtert meine Aufgabe rechtsalter 16, in 18 Kantonen wurde über die Idee abgestimmt – nir- als Präsident der Neuen Helveti- EVUE R gends gab es Zustimmung. schen Gesellschaft. HG ©Jennifer Saparzadeh Hans Stöckli, Ständerat und RETO WISSMANN ist freischaffender Journalist. Er lebt in Biel

SCHWEIZER SCHWEIZER N Foto: Präsident der NHG KULTUR 17

Welt unter Strom Was für eine Zeit waren die Jahre 1900 bis 1914? Und kann man sich diese Epoche voller Begeisterung über Technik und Fortschritt vorstellen, als ob es den Ersten Weltkrieg nicht gegeben hätte? Das Landesmuseum in Zürich widmet der Zeit eine Ausstellung. Daniel Di Falco

«Als hätte er das schreckliche Los geahnt, das ihn erwartete, zögerte der unglückselige Erfinder lange, bevor er sich in die Tiefe stürzte.» So heisst es im Film, geschrieben in grossen Buchstaben – weil der Film stumm ist, wie alle Filme damals. So hört man auch den Aufprall nicht, mit dem die Show des Franz Reichelt und zugleich sein Leben auf der Wiese vor dem Eiffelturm am frühen Morgen des 4. Februar 1912 enden. Man sieht aber das lange Zögern des Österreichers auf der Aussichtsplattform des Turms. Er steht auf der Brüstung in seinem selbst konstruierten Fallschirmanzug, blickt in die Tiefe, wiegt sich nach vorn und zurück, Atemwolken vor seinem Schnurrbart in der Winterluft, nach vorn und zurück, wieder und wieder. Vielleicht überdenkt er dabei die Idee nochmals, den geladenen Reportern die Tauglichkeit seiner Erfindung zu demonst- rieren – und dann ist er durch den unteren Bildrand verschwunden. Vier Sekunden dau- ert der ungebremste Fall aus 57 Metern Höhe. Eine andere Kamera filmt ihn aus Di- stanz – es sieht aus wie ein Stein, der einen flatternden Wimpel hinter sich her zur Erde reisst. Dann die Gendarmen, die eilig einen Franz Reichelt in seiner Fliegermontur – er stürzte am 4. Februar 1912 vom Eiffelturm zu Tode leblosen Körper durch die Menge tragen, be- vor sie mit einem Zollstock das Loch vermes- sen, das Franz Reichelt im gefrorenen Boden In Reichelts Sprung erkennt man unschwer Warenhäusern blühen die Paradiese des hinterlassen hat; zehn, fünfzehn Zentimeter das Symbolische. War die Welt damals nicht Konsums, die Bilder lernen laufen, die Kom- tief vielleicht. irgendwie wie Reichelt? War sie nicht auch munikation wird drahtlos, das Leben wird Man kann Reichelt als neuen Ikarus sehen, beflügelt vom Glauben an die Macht des schneller, die Welt globaler. Dass der rasante aber auch als Kind seiner Tage. In der Zeit Fortschritts, der nicht mehr aufzuhalten sei? Wandel auch seine negativen Seiten hat, dass nach 1900 berauscht man sich an Tempo und Hat sie sich nicht, den Ahnungen trotzend, er Irritationen und Chaos produziert, zeigt Gefahr, macht Piloten zu Helden, denn fiebrig nach Abenteuern und tragisch, im sich an den Gegenwelten: Vegetarier, selbst in Apparaten, in denen mehr Know- Sommer 1914 in ihren Untergang gestürzt, Nudisten, Anthroposophen und andere Le- how steckt als in Reichelts Anzug, ist jeder in den Ersten Weltkrieg mit seinen gegen bensreformer richten sich in ihrer abge- Flug ein Abenteuer, das tödlich enden kann. zwanzig Millionen Toten? schotteten Welt ein. Weiter hinten in der Ausstellung im Zür- Um besser sehen zu können, gibt es eine cher Landesmuseum hängt ein zerbroche- Ohne die langen Schatten Übung in Vergessen: «Stellen Sie sich vor, ner Propeller; er gehörte zum Eindecker des «1900–1914: Expedition ins Glück», heisst Sie könnten die Jahre 1900 bis 1914 ohne die Solothurner Flugpioniers Theodor Borrer, die Ausstellung, und sie handelt von einer langen Schatten ihrer Zukunft sehen, als le-

Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. der sich am 22. März 1914, an einer Flug- Welt im Aufbruch. Die Seelenkundler ent- bendige Momente in all ihrer Komplexität schau in Basel, in ein Sturzflugmanöver decken das Unbewusste, die Naturwissen- und Widersprüchlichkeit», heisst es bei EVUE R wagte, für das er mit dem Leben zahlte. Man schaftler das Unsichtbare. Die Künstler be- Philipp Blom. Der Historiker und Schrift- G SETE hatte ihn gewarnt; genau wie Franz Reichelt, freien sich aus ästhetischen Korsetten, die steller hat vor sechs Jahren das vielbeachte-

SCHWEIZER SCHWEIZER ZV Foto: der zögernd, aber mit offenen Augen sprang. Frauen aus den Geschlechterrollen. In den tete Buch «Der taumelnde Kontinent» 18 KULTUR

40-60 HP Aerodinamica, Alfa Romeo aus dem Jahr 1914 (oben) Typisches Kunstwerk aus der Epoche: die «Tänzerin» von Ferdinand Hodler und der Abschuss eines Torpedos vermutlich im Jahr 1900

geschrieben, eine ebenso bildhafte wie opu- man den Jahren bis 1914 auch nicht gerecht, verherrlichen, den Militarismus, den Patri- lente Kulturgeschichte der Jahre vor dem wenn man sie bloss als «Vorkriegszeit» be- otismus, die schönen Ideen, für die man Ersten Weltkrieg. Sie hat der Ausstellung in trachtet und allein das sucht, was als Motiv stirbt.» Zürich das Modell geliefert. Wer das Buch oder Faktor für den Krieg in Frage kommen nicht gelesen hat, kann es nun sozusagen be- könnte. «Angesichts der vielen und oft wi- «… einen guten Krieg» gehen. Und wer nicht nach Zürich fahren dersprüchlichen Zeitströmungen hätten die Kann man da wirklich ernsthaft behaupten, kann, macht als Leser dieselbe Erfahrung: Ereignisse auch ganz anders verlaufen kön- so wie es in der Ausstellung zu lesen ist, dass ein unkonventionelles, ausserordentlich nen, schreibt Philipp Blom. Es ist jene bis zum Ausbruch des Kriegs kaum jemand buntes und dichtes Sammelsurium von Ein- «offene Zukunft», von der auch bei den etwas von der kommenden Katastrophe ge- drücken einer turbulenten Zeit, kaum zu Machern der Ausstellung die Rede ist. ahnt hat? Da gab es auch hierzulande Stim- überblicken und eben darum faszinierend. Dabei ist alles so weit ganz plausibel. Nur men, wie jene des Westschweizer Journalis- mit dem Vergessen ist es nicht so einfach. Da ten Richard Bovet, der 1911 schrieb: «Ich Weit mehr als «Belle Époque» steht in einer Vitrine der elektrische Boden- glaube, wir brauchen einen Krieg, einen gu- Wozu aber das Experiment mit dem Nicht- staubsauger Marke Fox, hundert Jahre alt – ten Krieg.» Und zur selben Zeit dachte man wissen? Blom wollte das Bild jener Ära kor- der metallisch schimmernde Tubus auf den bei der Nationalbank bereits ernsthaft über rigieren. Zum einen war das damals nicht die beiden grossen Wagenrädern sieht aus wie die Landesversorgung im Kriegsfall nach, aufgeräumte «Belle Époque» der Kostüm- eine Kanone. Und dann feiert, an einer an- nachzulesen etwa im Buch von Georg Kreis filme, diese Welt aus Porzellan, in die die deren Station, der italienische Künstler (siehe rechts). Moderne erst mit dem Krieg eingebrochen Filippo Tommaso Marinetti in seinem Tatsächlich hatte die immer schärfere Ri- wäre: Die Zeitgenossen waren schon vorher «Manifest des Futurismus» von 1909 eben valität zwischen den europäischen Mäch- gleichermassen gebannt wie verstört von ge- nicht bloss die Schönheit der Technik, son- ten längst der Vorstellung den Boden berei- sellschaftlichen Umbrüchen und technolo- dern das Stampfen der Maschinen und das tet, nur die Waffen könnten noch für klare gischen Entwicklungen. Andererseits wird Heulen der Motoren: «Wir wollen den Krieg Verhältnisse sorgen. Es gab zwar die Idee, Klug investiert – mit Soliswiss Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. Vermögensaufbau, Schutz gegen politisches Risiko, Lebens- und Krankenversicherungen EVUE R

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Die Schweiz im I. Weltkrieg Unser Land wurde in den Ersten Weltkrieg mit Millionen von Toten und Verwundeten zwar nicht direkt verwickelt, die Ereignisse zwischen 1914 und 1918 – auch als Urkatast- rophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet – hin- terliessen trotzdem tiefe Spuren. In dem eben erschienenen Buch mit dem Titel «Insel der unsicheren Geborgenheit» zeichnet der Basler Historiker Georg Kreis die Entwicklun- gen in diesen Jahren nach. «Die schwarze Wolke, die seit Jahren ge- fahrdrohend am politischen Himmel stand», habe sich entladen, schreibt der Bundesrat in einer Botschaft am 2. August 1914. Als Reak- tion auf den Kriegsausbruch erklärt die Schweiz zwei Tage später gegenüber den kriegführenden Mächten, sie werde von der vollständigen Neutralität keinesfalls abwei- chen. Gleichzeitig wird der umstrittene deutschfreundliche Ulrich Wille zum General ernannt und 220 000 Mann werden mobili- Zwangsjacke aus der psychiatrischen Anstalt Waldau bei Bern siert, um die Grenzen zu verteidigen. Im Land selber öffnen sich Gräben: Die Deutsch- schweiz sympathisiert mit den Mittelmäch- der globale Handel knüpfe die Nationen starb am 7. Januar 1913 im Eis der Antark - ten um das Deutsche Reich, die französische derart aneinander, dass kein Krieg mehr tis, womöglich an der einseitigen Ernäh- Schweiz mit der Entente um Frankreich und möglich sei. Aber es gab eben auch Leute rung, nachdem er und sein Gefährte damit England. Der Krieg rund um das Land treibt wie Friedrich Engels, den Gesellschaftsthe- begonnen hatten, ihre Schlittenhunde auf- die Teuerung in die Höhe, es gibt Versor- oretiker und Gefährten von Marx, der zuessen – eine aufregende Zeit, tatsächlich. gungsschwierigkeiten, die Bevölkerung ver- schon 1887 einen «Weltkrieg von einer bis- Wenn vom «Eintauchen» in die Vergan- liert das Vertrauen, es kommt zur sozialen her nie gekannten Ausdehnung und Heftig- genheit, von der «Atmosphäre» einer Ära die Zerreissprobe: Am Generalstreik beteiligen keit» vorausgesehen hatte: «Acht bis zehn Rede ist, bekommen die Historiker Sorgen- sich zwischen 250 000 und 400 000 Arbeiter. Millionen Soldaten werden sich unterein- falten. Das nicht zu Unrecht. Immerhin ist Gegen sie wird die Armee eingesetzt. ander abwürgen.» die Zeitmaschine noch nicht erfunden: Die Im Buch von Georg Kreis, der wie immer Fragwürdig ist deshalb die Behauptung Gegenwart ist stets das Prisma, durch das mitreissend erzählt, geht es jedoch nicht nur der Ausstellungsmacher vom «festen Glau- sich die Geschichte zeigt, und wie in jeder um diese zum grossen Teil bekannten Ereig- ben an Frieden und Sicherheit», der damals Zeit fände man auch in den Jahren 1900 bis nisse. Er präsentiert auch Forschungsergeb- geherrscht haben soll. Andererseits gilt für 1914 nicht nur Erscheinungen des Auf- und nisse der jüngeren Zeit. Zum Beispiel die Hin- die Ausstellung dasselbe wie für das Buch Umbruchs, sondern auch solche des Still- tergründe zur «vollständigen Neutralität», von Philipp Blom: Nicht die Analyse, stands und des Rückschritts. Doch, der die angesichts der wirtschaftlichen Verflech- sondern die Impressionen stehen im Mittel- «Taumel» (Blom) angesichts eines beschleu- tung, die schon damals gross war, eigentlich punkt. Und davon gibt es mehr als genug – nigten Wandels, der eine von vielen Erfah- unmöglich war. Kreis fünfhundert Exponate stehen für die Sen- rungen der Zeitgenossen damals war – ihn verweist auch auf die sationen und Irritationen jener Jahre, und spürt man mit, in der Ausstellung genauso ethisch fragwürdigen, die setzen sich zu keinem linearen Parcours, wie im Buch von Blom. aber lukrativen sondern zu einem assoziativ schillernden Geschäfte mit den DANIEL DI FALCO ist Historiker und Kultur- Kriegsnationen und Kaleidoskop zusammen. Freuds Traumdeu- journalist beim «Bund» in Bern tung und das Röntgenbild eines Chamäle- zeigt auf, wie frem- ons, eine Zwangsjacke und die «Tita n ic», Fe- denfeindlich das Klima innerhalb der Landes- HINWEISE: minismus und Zwölftonmusik, Fitnessgeräte Philipp Blom: «Der taumelnde Kontinent. Europa grenzen war. Ein sehr lesenswerter und auf-

ürich 1900–1914»; DTV, München, 2014 (fünfte Auflage). schlussreicher Überblick über die Kriegsjahre Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. und der Völkermord in Belgisch-Kongo, 528 Seiten; CHF. 21.90. Einstein und die Steckbriefe gesuchter An- in der Schweiz. BARBARA ENGEL EVUE Die Ausstellung im Landesmuseum in Zürich mit R archisten, Konservendosen und der Monte zahlreichen Rahmenveranstaltungen dauert noch GEORG KREIS «Insel der unsicheren Geborgenheit. bis zum 13. Juli. www.landesmuseum.ch. Begleit- Die Schweiz in den Kriegsjahren 1914–1918»; Verlag Verità, die Pariser Weltausstellung 1900 und buch im Verlag Scheidegger & Spiess, 204 Seiten, NZZ-Libro, Zürich 2013, 304 Seiten mit vielen Bildern;

SCHWEIZER SCHWEIZER LandesmuseumFotos: Z der Polfahrer Xavier Mertz aus Basel. Er CHF 39.– CHF 44.–; www.nzz-libro.ch 20 KULTUR

Schweizer Literatur – ein Auftritt in Leipzig Die Schweiz war in diesem Jahr Schwerpunktland an der Leipziger Buchmesse, dem grössten Buchfestival der Welt. Für den Auftritt der Schweiz gab es überall viel Lob. Doch Autoren und Politiker mussten nach der Abstimmung vom 9. Februar viel Erklärungsarbeit leisten.

Der Aufmarsch zwischen dem 13. und dem 16. März in Leipzig war einem Zitat des österreichischen Schriftstellers Roda Roda: «Als beeindruckend: über 80 Autorinnen und Autoren aus allen vier Schweizer geboren zu werden, ist ein grosses Glück. Es ist auch schön, Sprachregionen der Schweiz, etwa 70 Verlage, Kulturinstitutionen als Schweizer zu sterben. Doch was tut man dazwischen?» Die Ant- wie Pro Helvetia, eine Delegation der Image- und Kommunikati- wort von Alain Berset auf diese Frage: «Zurzeit ist man versucht zu onsagentur des Bundesrates, genannt Präsenz Schweiz, dazu Wis- sagen: Man verwirrt die Welt. Und danach erklärt man der verwirr- senschaftler, Journalisten und auch Alain Berset, der für die Kultur ten Welt die Schweiz.» verantwortliche Bundesrat. «Auftritt Schweiz» hiess das Ganze. Die Berset erklärte auch, wie sehr Schweizerinnen und Schweizer kul- Organisatoren der Leipziger Buchmesse vermieden den Begriff turelle Grenzgänger sind, unterwegs zwischen den verschiedenen «Gastland», wie er vielerorts üblich ist, schliesslich gehört ein grosser Sprachgruppen, gezwungen, ständig zu übersetzen. Zusammenge- Teil der Schweizer Schriftsteller zum deutschsprachigen Kulturkreis fasst hat er es in einem Satz: «Wir haben das Privileg, uns gegensei- – und Grenzen zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz tig verstehen zu müssen.» gibt es im literarischen Schaffen kaum. Viele Vertreter der Schweiz, von der hochgelobten Jungautorin Irritiert waren viele Europäer jedoch über das Ja der Schweiz zur Dorothee Elmiger über den Bestsellerautor Martin Suter bis zum Initiative gegen Masseneinwanderung der SVP kurz vor Eröffnung Altmeister Franz Hohler, hatten in den darauf folgenden Tagen die der Buchmesse. Da stand ein Gast im Mittelpunkt, der selber kein gu- Gelegenheit, die Schweizer Literatur den Lesern näherzubringen – ter Gastgeber mehr sein will. Zeigte sich da – nach den Abstimmun - und die Aufgabe, in Diskussionsrunden, Fernsehsendungen, Zei- gen von 2009 und 2010 über das Minarettverbot und über die Aus- tungsinterviews, etwas gegen die Verwirrung zu tun und dem Pub- schaffung straffälliger Ausländer – einmal mehr eine likum die Schweiz zu erklären. Oft zitiert wurde die Erklärung des fremdenfeindliche Schweiz? emeritierten Literaturprofessors Peter von Matt: «In jeder Gesell- Bundesrat Alain Berset gelang es, mit einer kurzen, aber brillan- schaft gibt es dreissig Prozent Idioten, auch in der Schweiz.» ten Rede das Bild wieder etwas ins Lot zu rücken. Er begann mit BARBARA ENGEL

Für die «Schweizer Revue» ihre persö- tat und befürchte das Schlimmste für uns in Programm. Ob literarische Schwing-Sport- lichen Eindrücke an der Buchmesse Leipzig: Dass wir Verlagsmenschen und un- Schau, Spoken-Word-Miniaturen in der festgehalten haben zwei Vertreter von sere Autoren von Kollegen und Publikum Strassenbahn oder literarische Reise in den Schweizer Kleinverlagen: Jean Richard als Anti-Europäer gebrandmarkt werden Kanton Afrika, das Berner Oberland, die von «Éditions d’En bas» in Lausanne und als provinzielle Insulaner ohne Bezug Schweizer Gäste greifen alle Klischees auf, und Madlaina Bundi von «hier + jetzt» zur Welt dastehen. Der «Auftritt Schweiz» um sie in ihren Darbietungen umso gründ- in Baden. an der Buchmesse, habe ich vor der Reise ge- licher in Frage zu stellen. Das Publikum dacht, kommt zum denkbar schlechtesten nimmt dies dankbar auf, wie ich selbst bei Zeitpunkt. der Präsentation unseres Buches «Die Zum denkbar besten Dabei haben wir uns lange und intensiv Schweizer Kuh» erfahren darf. Anhand ver- Zeitpunkt vorbereitet. Bereits vor einem Jahr sind alle schiedenster Bilder zeige ich Kult und Ver- Verlage aufgefordert worden, Ideen und Vor- marktung unseres inoffiziellen Wappentiers. «Sie kommen aus der Schweiz, mit diesem schläge für Lesungen, Gespräche und Dis- Das kommt gut an, denn die Bilder sagen schönen, rollenden ‹R›, nicht wahr? Oh, die kussionen einzubringen. Ein vielfältiger, viel- wenig aus über die Kuh, umso mehr dafür Schweizer, die machen es richtig. Demokra- sprachiger Auftritt wurde geplant, wo die über uns, die Schweizer. Ich habe die Lacher tie wird bei Ihnen noch gelebt. Das sieht verschiedensten kulturellen, politischen und auf meiner Seite. man am Beispiel der Masseneinwanderungs- gesellschaftlichen Strömungen präsent sind, Froh bin ich auch, dass sich die Schweiz in Initiative. Ich als Nationalkonservativer und natürlich sollen wir auch unterhalten. Leipzig als Land präsentiert, das weit von kann das nur unterstützen. Ich sollte wohl Meine Befürchtungen haben sich nicht den Klischees entfernt ist, eine Nation mit in die Schweiz emigrieren …» Voller Enthu- bewahrheitet. Als Bundesrat Alain Berset komplexen Beziehungen im Innern und siasmus erklärt mir dies ein Leipziger Mes- am Eröffnungsabend ans Rednerpult tritt, nach aussen. Ob diese Botschaft überall an- sebesucher in der S-Bahn, ganz ohne die gewinnt er die Sympathie des Publikums kommt, ist schwer sagen. Ganz bestimmt E3 Juni 2014 / Nr.

VU Ironie seiner Aussage zu bemerken. Ich mag schon nach wenigen Minuten. Verstand, aber hat «Auftritt Schweiz», aus dieser E R

ER ihm nicht erklären, dass die Immigration in Witz und Selbstironie prägen seine Rede – Rückschau betrachtet, zum denkbar besten IZ E die Schweiz vielleicht bald unmöglich sein und diese Selbstironie zieht sich an den fol- Zeitpunkt stattgefunden.

SCHW wird, ich bin noch zu geschockt vom Resul- genden Tagen wie ein roter Faden durch das MADLAINA BUNDI 21

Die «Rote Bank» war ein Blickfang des Schweizer Auftritts in Leipzig. In der Stadt standen überall Bänke zum Verweilen und Lesen

Am Donnerstag, dem 13. März, sehen sich der Die Leipziger Buchmesse schenkt der Arbeit Eine Geschichte von rätoromanische Autor Leo Tuor und sein der Übersetzer hohe Beachtung und bietet Minderheiten ebenfalls aus der bündnerischen Surselva ihnen die Gelegenheit, Berufskollegen zu stammender Deutschübersetzer Claudio treffen. Camille Luscher, die junge Überset- Geboren vor sechs Jahrzehnten in Lesotho, als Spescha von jungen Gymnasiasten sorbischer zerin von Arno Camenisch («Sez Ner» und Kind reformierter Missionare mit Wurzeln in Muttersprache umringt. Diese sind eigens aus «Derrière la gare» von Editions d’En bas), der Westschweiz, kam ich als Auslandschwei- der 200 Kilometer entfernten Lausitz in Ober- stellt mir einige ihrer Kollegen vor. Wir un- zer 1975 nach Genf, wo ich heute als Verleger sachsen angereist. Die familiär wirkende Be- terhalten uns über das Übersetzen und die tätig bin. Die Grundgrammatik germanischer gegnung erstaunt mich. Leo Tuor und Clau- Stolpersteine, vor allem wenn in einer kaum Sprachen ist mir seit dem obligatorischen dio Spescha erklären mir dann (auf Italienisch kodifizierten Mundart wie Bärndütsch ver- Afrikaans-Unterricht meiner Schulzeit in Blo- und Französisch!), eine Klasse des sorbischen fasste Werke ins Französische zu übertragen emfontein vertraut, der deutschen Sprache Gymnasiums in Bautzen habe sie wenige Tage sind: Ein anschauliches Beispiel hierfür bin ich allerdings nicht mächtig. zuvor empfangen, um den neuen, auf Deutsch liefert der Roman «Der Goalie bin ig» von Warum ich trotzdem die Leipziger Buch- erschienenen Essay «Cavrein» zu besprechen. Pedro Lenz, der soeben unter dem Titel «Faut messe besuche? Seit zehn Jahren arbeite ich Dieser gymnasiale Austausch hat Exponenten quitter Schummertal!» auf Französisch er- für einen Verlag, der Werke Deutschschwei- zweier Minderheitensprachen zusammenge- schienen ist. Wenn Daniel Rothenbühler und zer Autorinnen und Autoren auf Französisch führt: Sorbisch – eine westslawische Sprache, Nathalie Kehrli Pedro Lenz übersetzen, müs- herausgibt und auch Kontakte zu Verlegern die von rund 60 000 Personen gesprochen sen sie die literarische Konstruktion stark an aus Deutschland und Österreich unterhält. wird, die sich im 6. Jahrhundert in Sachsen das gesprochene Französisch anlehnen. In Leipzig mit seiner kulturellen Dimension ist niederliessen – und Surselvisch, eines der Leipzig brachten übrigens Mitglieder der eine wichtige Adresse, um an Lesungen, De- fünf rätoromanischen Idiome, das von etwa Berner Autorengruppe «Bern ist überall»

Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. batten oder informellen Treffen Kontakte zu 15 000 Menschen gesprochen wird. Ein sol- ihre Texte auf die Bühne. Der frankofonen Autoren zu knüpfen. Wenige Buchmessen ches Zusammentreffen trägt zur Erhaltung Welt ist ein solch spielerischer Umgang mit EVUE R bieten eine solche Vielzahl an Veranstaltun- der Sprachenvielfalt und der Biblio diversität der Sprache eher fremd: Von einem Besuch gen, an denen Wortkünstler und ihr literari- bei, sind doch Minderheiten der Schmelztie- der Leipziger Buchmesse kann sie also nur

SCHWEIZER SCHWEIZER Foto: Auftritt Schweiz sches Schaffen im Mittelpunkt stehen. gel im literarischen Schaffen. profitieren! JEAN RICHARD 22 SPORT

Der alte Mann und sein Mut An der Fussball-WM in Brasilien hat Ottmar Hitzfeld seinen letzten grossen Auftritt. Der Schweizer Nationalcoach gehört zu den erfolgreichsten Trainern der Welt. Nur etwas schaffte der Deutsche nicht: die Kluft zu überwinden zwischen Siegesdurst und Versagensängsten. Von Benjamin Steffen

unbegründeten Hoffnungen. Doch Hitz- mobile: Seit 1983, seit er damals, im zweit- feld sagt kurz und bündig: «Ich höre auf.» klassigen SC Zug in der Nationalliga B, seine Nach der WM in Brasilien sei Schluss, Wi- Trainerkarriere startete, läuft und läuft und derrede zwecklos. Am 17. Oktober 2013 ver- läuft er. Hitzfeld war ein junger Familienva- kündet Hitzfeld seinen Abschied der Öf- ter, der Klubpräsident ein tendenziell chole- fentlichkeit. Er ist den Tränen nahe, er hat rischer Bauunternehmer, und Hitzfeld Mut gebraucht für diesen Schritt. Und, als wusste: An Trainer, die schon am ersten Ort wolle er diesen Entscheid rechtfertigen – scheitern, erinnert sich später keiner mehr. vor dem Publikum und wohl nicht minder Hitzfeld sollte nirgends scheitern, weder in Ottmar Hitzfeld bei der Ankündigung vor sich selber – sagt er: «Es ist wichtig, im Zug noch in Aarau noch bei den Grasshop- seines Rücktritts Vollbesitz seiner Kräfte aufzuhören.» pers. Und der Selbsterhaltungstrieb half «Herr Benthaus», sagte Hitzfeld, «Herr ihm auch in Dortmund, Heimweh beiseite- Benthaus, ich möchte Sie fragen, ob ich zu Das Leben hat Spuren hinterlassen zuschieben und sofort Aufsehen zu erregen. einem Probetraining des FC Basel kommen Die Marke Hitzfeld mag für Erfolg stehen, In der Folge machte er Dortmund besser dürfte, wenn es so etwas überhaupt gibt.» für Titel en masse, aber sie ist auch Sinnbild und besser, die Kraterlandschaft auf seiner Am anderen Ende der Telefonleitung legte für Auszehrung. Im Gegensatz zu anderen Stirn bekam erste Konturen. Und als er 1994 Helmut Benthaus seine Stirn wohl in Falten, Trainern seines Kalibers macht er kein Ge- an einem Hexenschuss litt, glaubte Hitzfeld, denn er kannte ihn nicht, diesen jungen heimnis daraus. Sein Körper verbirgt die diesem in der -Alltags-Hektik Spieler des kleinen FV Lörrach, aufgewach- Zeichen nicht. Bei anderen ergrauen oder mit Cortisonspritzen beikommen zu müs- sen in Stetten, gleich jenseits der Grenze. lichten sich einfach die Haare: José Mourinho sen. Er gönnte sich keine Erholungszeit – bis Aber nach zwei, drei Sequenzen zurückhal- gleicht George Clooney, Josep Guardiola ei- die Nebenwirkungen des Cortisons zu ei- tender Eigenwerbung hat Hitzfeld den er- nem selbstzufriedenen kahlen Asketen. Bei nem Darmdurchbruch führten. «Der Tod folgreichen FCB-Coach Benthaus über- Hitzfeld hingegen wirken die kraterähnli- stand nahe bei mir», sagt Hitzfeld dazu in zeugt – er darf zum Probetraining, an einem chen Furchen auf der Stirn wie eingebrannt. der 2008 erschienenen Biografie von Josef Frühlingstag 1971, im Alter von 22 Jahren. Je wichtiger das bevorstehende Spiel, desto Hochstrasser. Als der Moment mit der einmaligen Chance tiefer die Falten. Sie sind das gut sichtbare gekommen ist, fährt er in einem VW-Käfer Zeichen dafür, wie sehr ihn das Trainerleben Nicht fit genug den kurzen Weg ins andere Land. Er ist viel mitgenommen hat. Vor allem die deutsche Nach sechs Jahren in Dortmund bekam er zu früh vor Ort, denn er will zuerst ein Ge- Bundesliga, wo die Mitspieler niemals Zeit 1997 ein Angebot von Real Madrid, doch spür für die neue Umgebung bekommen, finden, einige Minuten in einem VW-Käfer Hitzfeld, 48 Jahre alt, war ausgebrannt. Er, Halt finden. Benthaus seinerseits braucht zu verweilen, ein Gespür zu bekommen für ein grosser Kommunikator, aber kein nicht lange. Bloss ein paar Trainingseindrü- eine neue Umgebung, Halt zu finden. Sprachtalent, fürchtete sich vor dem «Unge- cke reichen ihm, um der Klubführung kund- 1991 wechselte Hitzfeld als Meistertrainer tüm» der spanischen Sprache. Er entschied: zutun: Dieser junge Mann braucht einen der Zürcher Grasshoppers zu Borussia «Du bist körperlich und seelisch nicht fit ge- Vertrag bei uns. Dortmund. Es gab Deutsche, die ihn als klei- nug, etwas Neues anzufangen.» So zog er 42 Jahre später, im Herbst 2013. Aus dem nen Schweizer belächelten. Gewiss, er war sich auf den Posten des Dortmunder Sport- Fussball-Nobody ist das Label «Hitzfeld» als Bub im Schwimmbad Riehen baden und direktors zurück. Viel Zeit habe er ge- geworden, ein Welttrainer, der mit Borus- in der Schweiz einkaufen gegangen – aber in braucht, sagte er einmal, «ehe ich es genoss, sia Dortmund (1997) und Bayern München Wirklichkeit war er doch einer von ihnen. besser schlafen zu können und innere Ruhe (2001) die Champions League gewonnen Davon wollten viele Deutsche anfänglich zu finden». Noch dramatischer klingen und mit dem Schweizer Nationalteam so- nichts wissen. Hitzfeld musste um Anerken- Schilderungen aus dem Jahr 2004, als er nur eben die Qualifikation für die Weltmeister- nung ringen und einen Kampf um Bestäti- Erleichterung empfand, dass ihm der dama- schaft 2014 sichergestellt hat. Für die gung führen, der anderen erspart blieb, weil lige Bayern-Manager Uli Hoeness eines Führung des Schweizerischen Fussballver- sie als Fussballer grosse Nummern gewesen Abends mitteilte, er gedenke den Vertrag

Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. bands (SFV) ist klar: Dieser inzwischen waren – und nicht selten, als Trainer erfolg- nach fünf Saisons und elf Titeln vorzeitig schon etwas ältere Mann braucht einen los, bald vergessen gingen. aufzulösen. Hitzfeld hatte selbst gespürt, EVUE R neuen Vertrag bei uns. Am 16. Oktober 2013 In solchen Momenten, wenn er etwas zu dass er an Grenzen stiess. «Enorme Schlaf- V setzen sich zwei führende SFV-Funktionäre beweisen hat, zeigt sich Hitzfelds Selbster- störungen plagten mich. Ich erholte mich

SCHWEIZER SCHWEIZER SF Foto: mit ihm an einen Tisch, mit guten und nicht haltungstrieb. Er gleicht einem Perpetuum nicht mehr, konnte nicht mehr klar unter- 23

Sie werden entweder die Gruppenphase nicht überstehen – oder in den darauffolgen- den K.-o.-Runden ausscheiden. Hitzfeld sagt dazu: «Wir werden sehen. Der Achtel- final ist das grosse Ziel. Gut vorbereiten, al- les geben, dann sind keine Grenzen gesetzt.» Hitzfeld lässt nicht locker. Was ihn ein Le- ben lang begleitet hat, bleibt auch am Ende: die Hoffnung, nicht zu verlieren – weil Nie- derlagen die Lebensfreude mindern.

Nie wieder Als FC Bayern 2007 Hitzfeld in Not an- fragte, ob er noch einmal als Trainer ein- springen könnte, sagte Hitzfeld ohne zu zö- gern «Ja» – und erkannte im gleichen Moment, dass er sich selber überlistet hatte. Er wusste, dass er zu einem anderen Schluss gekommen wäre, hätte er sich Bedenkzeit ausbedungen. Dann wäre sein Fazit gewesen: Während mehr als vierzig Jahren bestimmte fast nur der Fussball Ottmar Hitzfelds Leben Bayern, nie wieder. Im Herbst 2013 überlegte er länger, viel scheiden, auf welche Sorgen ich meine volle sein Leben prägt und der ihn zermürbt: Auf länger, und kaum jemand wusste davon. Er Aufmerksamkeit richten soll.» Und: «Ich der einen Seite ist da der unzähmbare Sie - wollte nicht, dass andere Einfluss nehmen, spürte keine Lebensfreude mehr, jede noch gesdurst und auf der anderen Seite – im er wollte keine gut gemeinten Ratschläge hö- so kleine Handlung fiel mir schwer, ich Grunde unvereinbar damit – sind die unbe- ren, keine unliebsamen Überredungskünste wollte morgens gar nicht erst aufstehen und zwingbaren Versagensängste. Hitzfeld war provozieren. Er wollte einfach auf sich hö- lebte nur noch in meiner eigenen Welt.» erfolgreich wie sonst kaum jemand, und ren, auf seine Frau, seinen Körper, seine Erstaunlich ist, dass ein Mensch trotz so trotzdem meint er, sich immer neu bestäti- Seele. Er wird noch nach Brasilien reisen, die viel Selbstreflexion sich immer wieder auf gen zu müssen – als sei das Erreichte nicht Stirnfalten werden sich noch tiefer eingra- die Trainerbank «zurückverführen» lässt. gut genug, auch wenn es das Maximum war. ben, er wird ein paar Mal auf der Schweizer Ein Grund mag sein, dass in Hitzfeld nicht Als eine selbstgewählte, zynische Schluss- Trainerbank sitzen, ein letztes Mal verlieren, bloss der Selbsterhaltungstrieb ausgeprägt note könnte man betrachten, dass der Er- Abschied nehmen. Und danach nie mehr ist, sondern auch seine Spielernatur. Er ist folgsmensch Hitzfeld das letzte Spiel seiner wiederkommen. Er hat es geschafft, einer eine Spielernatur, die nicht nur immer ge- Karriere mit grosser Wahrscheinlichkeit Sucht abzuschwören. Sich nochmals mit ihr winnen will, sondern meist auch klug und nicht gewinnen wird. Auch mit sehr viel Op- anzulegen – dazu fehlt ihm der Mut.

berechnend ist. In den frühen Achtzigerjah- timismus ist nicht anzunehmen, dass die BENJAMIN STEFFEN ist Redaktor bei der «Neuen ren, als seine Aktivkarriere im FC Luzern Schweizer in Brasilien Weltmeister werden. Zürcher Zeitung» dem Ende entgegenging, war er als Poker- spieler berüchtigt. Wenn abends eine Spiel- DER NACHFOLGER runde angesagt war, soll er nachmittags zwei Zu Ottmar Hitzfelds Nach- folgenden Jahren spielte arbeiter, bis ihm 2008 der Stunden geschlafen haben, um abends fri- folger bestimmt worden ist und trainierte er in geogra- Berner Klub «Young Boys» scher zu sein als die Kollegen. der 50-jährige Vladimir fischen und fussballeri- die Chance gab, einen Hitzfeld ist stets um Kontrolle bemüht. Petkovic, ein Coach, der schen Randregionen, im Super-League-Klub zu trai- Viele Journalisten haben ihn während langer sich lange an der Periphe- Wallis, in Graubünden und nieren. Einen Titelgewinn E3 Juni 2014 / Nr.

VU Jahre eng begleitet – wirklich nahegekom- rie des Schweizer Fussballs im Tessin. Während einiger verpasste er mehrmals E R men ist ihm kaum einer. Privates gibt er un- bewegte. 1987 kam er aus Jahre arbeitete der schwei- knapp. 2013 führte er den V EIZER gern preis. Doch wer ihm aufmerksam zu - Sarajevo zum FC Chur in zerisch-kroatische Doppel- Serie-A-Klub Lazio Rom

SCHW SF Foto: hört, spürt manchmal einen Zwiespalt, der die Nationalliga B; in den bürger nebenher als Sozial- zum Cup-Sieg. BSN 24 LITERATUR

Zwischen drinnen und draussen: Bücher und Literaten der Fünften Schweiz Von Charles Linsmayer

Er machte das südfranzösische Städtchen Grignan zu einem Ort der Weltliteratur: Philippe Jaccottet

Wenn die Landschaft und die Atmosphäre des von Lavendel- und habe mich leicht erhalten, /auf dass der Nachen weniger einsinkt.» Sonnenblumenfeldern umgebenen Städtchens Grignan bei Monté- So leise sie sind: Jaccottets Botschaften sind keineswegs nur ver- limar zum Schauplatz der Weltliteratur geworden ist, so ist das dem träumt und unpolitisch. So findet sich in seinem durchwegs kriti- bekanntesten lebenden Autor der französischen Schweiz, dem am schen Reisebuch «Israël, cahier bleu» von 2004 auch ein Satz wie: 30. Juni 1925 in Moudon geborenen Philippe Jaccottet, zu verdanken. «Ich habe Angst, dass die Macht des Geldes, die sich wie eine Seuche Er studierte in Lausanne Literaturwissenschaft und fand in Paris ausbreitet, alles, was es an Menschlichem gibt, bis auf die Wurzeln Zugang zu den bedeutendsten Autoren seiner Zeit. Seit 1953, seit er verdirbt.» mit seiner Frau, der Malerin Anne-Marie Haesler, in das Städtchen Und obwohl er keinerlei Konzessionen an den zeitgenössischen am Fusse des Mont Ventoux gezogen ist, liest er den schon von Musil Geschmack macht, erreicht Jaccottet sein Publikum auch durch den ersehnten «anderen Zustand», den Traum vom wahren Leben, aus Lärm des 21. Jahrhunderts. 2001 jedenfalls prangten Gedichte von dieser kargen, von Felsen und Wasser bestimmten Landschaft her- ihm in jeder Pariser Metro-Station, und im Jahr zuvor, als sich der aus. Hier fand er die Zurückgezogenheit – «es war eine Art Flucht, 75-Jährige erstmals zu einer Lesung hatte überreden lassen, war das damit ich mich selber bleiben konnte» –, von der aus er mit den Centre Culturel Suisse aus allen Nähten geplatzt. Grossen der früheren und gegenwärti- gen Literatur in einen schöpferischen Kongenialer Vermittler Dialog trat. Jaccottets Bedeutung aber wird nur wirklich gerecht, wer sein Werk, mit Leichtigkeit und Zurückhaltung dessen Publikation er lange zögerte, ne- In Grignan entstanden neben den zwi- ben die Arbeit als Übersetzer stellt, die schen 1984 und 2013 in fünf Bänden pu- schon 1947 mit der französischen Fas- blizierten «Carnets de notes» («Notiz- sung von Thomas Manns «Tod in Ve- hefte») lyrische Werke wie «Airs», die nedig» begann. Jaccottet wollte nach ei- durch den Tod von Gustave Roud ins- nem Wort Rilkes «ein zum Rühmen pirierten «Leçons», die federleichten Bestellter» werden, und er rühmte die «Pensées sous les nuages» («Gedanken Dichter, indem er sie übersetzte. Dank unter den Wolken») und die asketischen seinen Übersetzungen erhielt die fran- Prosagedichte «Après beaucoup zösischsprachige Welt Zugang zu d’années» («Nach so vielen Jahren»). Robert Musil, Thomas Mann, Hölder- Zwei bedeutende Werke hat Jaccottet lin oder Ingeborg Bachmann. seinem Freund, dem 2001 verstorbenen 2008 bewältigte Jaccottet mit der Lyriker André du Bouchet gewidmet: Übertragung von Rilkes «Duineser Ele- das Prosa-Epitaph «Truinas» und die Zitat: gien» auch noch die wohl anspruchs - «Notes du ravin» («Notizen aus der «Die Poesie ist also dieser Gesang, den keiner vollste Übersetzungsarbeit überhaupt, Tiefe»), wo er Hölderlin, Claudel, Ver- ergreift, dieser Raum, der unbewohnbar bleibt, und auch da wurde fassbar, wie dieser gil und Goethe zu Hilfe ruft, um dem dieser Schlüssel, den wir immer wieder verlie- grossartige Lyriker sich in andere Dich- Tod den Stachel zu nehmen. ren müssen. Hört sie auf, zweifelhaft zu sein, ter einzufühlen und wie er ihre Aussa- Immer, selbst wenn es um die letzten hört sie auf, anderswo zu sein (müsste es gar gen aus den leisesten Stimmungen und Dinge geht, ist Jaccottets Schreiben von heissen: nicht zu sein?), so verdirbt sie und ist Nuancen heraus nachzuschaffen ver- jener Leichtigkeit, jenem Zögern, jener nicht mehr.» mag: «Es war dieser Ton, den ich über- Zurückhaltung bestimmt, wie er sie (Aus: «La promenade sous les arbres», 1957, tragen wollte, der ganz bestimmte Ton schon 1976, im Gedicht «On voit» übersetzt von Friedhelm Kemp als «Der einer Stimme, in dem ein lyrisches («Man sieht»), antönte: «Sieh meinen Spaziergang unter Bäumen», Benziger-Verlag, Werk zu mir sprach.» Vorrat: Gras und rasches Wasser, /ich Zürich 1981, vergriffen) CHARLES LINSMAYER ist Literaturwissen-

U E3 Juni 2014 / Nr. BIBLIOGRAFIE: Jaccottets Werke liegen in deut- schaftler und Journalist in Zürich EV scher Übersetzung in mehreren Bänden im Han- R ser-Verlag, München, vor. Die französischen Ori- ginale, darunter die 1626-seitige Pléiade-Ausgabe der «Œuvres», werden von Gallimard, Paris, ver- CHWEIZER S Foto: ZVG Foto: trieben. AUSLA NDSCHWEIZER-ORGA NISA TION 25

ASO-Ratgeber system des Bundes. Dies erfolgt, weil die be- nach vier Jahren bei der Gemeinde (nicht bei treffende Person nicht mehr in der Schweiz der Auslandsvertretung) erneuert werden. Kurz nach meinem 70. Geburtstag erhielt ich gemeldet, aber noch im Besitz eines Schwei- Dies erfolgt nicht automatisch. Gewisse Ge- eine Verfügung des Strassenverkehrsamtes we- zer Führerausweises ist. meinden fordern ihre Stimmberechtigten gen meinem Schweizer Führerausweis betref- Wer als Schweizer mit definitivem Wohn- im Ausland regelmässig dazu auf, andere fend einer notwendigen ärztlichen Prüfung. sitz im Ausland noch einen Schweizer Füh- nicht. Das Formular zur Erneuerung des Diese wurde mir via Fahndungssystem RIPOL rerausweis hat, kann sich mit dem entspre- Eintrags finden Sie unter: www.eda.admin. des Bundes zugestellt. Was muss ich tun? chenden Strassenverkehrsamt in Verbindung ch >Dokumentation >Publikationen >Aus- setzen, damit dieser sistiert wird. In der Re- landschweizerinnen und Auslandschweizer Wer aus der Schweiz auswandert, muss den gel werden dafür keine Gebühren und Kos- >Merkblätter «Politische Rechte» Schweizer Führerausweis innerhalb einer ten verrechnet. Direkter Link: http://www.eda.admin.ch/ bestimmten Frist in einen Ausweis des Adressen der kantonalen Strassenver- eda/de/home/doc/publi/ptrali/merkbl.html Wohnlandes umtauschen; in den EU-Staa- kehrsämter: ten beträgt diese Frist beispielsweise sechs http://www.strassenverkehrsamt.ch/ Monate. Verbindliche Auskunft betreffend RECHTSDIENST ASO Jugendseminar zum der Fristen und Vorgehensweise kann Ihnen Der Rechtsdienst der ASO erteilt allgemeine recht- Auslandschweizer- die zuständige Behörde des Wohnlandes ge- liche Auskünfte zum schweizerischen Recht und ben. Wird der Schweizer Fahrausweis nicht insbesondere in den Bereichen, die Ausland- Kongress gegen den Ausweis des Wohnlandes ge- schweizer betreffen. Er gibt keine Auskünfte über ausländisches Recht und interveniert auch nicht tauscht, kann dies eine Busse oder Strafzah- bei Streitigkeiten zwischen privaten Parteien. lung zur Folge haben. In der Schweiz muss ein definitiver Weg- zug dem Strassenverkehrsamt gemeldet wer- Mitteilung den; im Ausland muss dann der Umtausch zu einem Führerausweis des Wohnlandes er- zum Stimm- und folgen. Bei einer späteren Rückwanderung in die Schweiz hat man während einem Jahr Wahlrecht Am Auslandschweizer-Kongress vom Fahrerlaubnis mit dem ausländischen Aus- Auslandschweizerinnen und Auslandschwei- 15. bis 17. August werden sich die Aus- weis, in dieser Zeit muss der Antrag für den zer können an Abstimmungen und Wahlen landschweizer mit moderner Informati- Umtausch in einen Schweizer Führerausweis in der Schweiz teilnehmen, unter der Vor- onstechnologie und sozialen Medien mittels Antragsformular erfolgen. aussetzung, dass sie in einem Stimmregister beschäftigen. Die Jungen, die Genera- Je nach Kanton wird für die Ausstellung in der Schweiz eingetragen sind. Dieser Ein- tion der «Digital Natives», hat zu die- eines Schweizer Führerausweises ein Sehtest trag erfolgt nicht automatisch, wenn sich sem Thema sicher viel beizutragen. Sie verlangt. Schweizer Bürger bei einem Konsulat oder bekommen am Kongress eine eigene Wird Wegzug ins Ausland beim Strassen- einer Botschaft im Ausland registrieren las- Plattform. verkehrsamt nicht gemeldet, kann es vor- sen, er muss explizit verlangt werden. Nor - kommen, dass im Alter von 70 Jahren – wenn malerweise werden Auslandschweizer bei ih- In der «Neuen Zürcher Zeitung» konnte die ärztliche Prüfung der Fahrtüchtigkeit rer letzten Wohngemeinde in der Schweiz man vor zwei Jahren lesen: «Ältere Gene- fällig wird – eine Fahndung eingeleitet wird, ins Stimmregister eingetragen. Dieser Ein- rationen nehmen schon seit je das Treiben zum Beispiel über RIPOL, das Fahndungs- trag muss regelmässig, spätestens jedoch der Heranwachsenden kritisch unter die

ANGEBOTE DER AUSLANDSCHWEIZER-ORGANISATION UND DER PARTNERINSTITUTIONEN

Die Auslandschweizer-Organi- n Rechtsberatung. Kostenlose n Angebote für Kinder und Auswahl von Ausbildungsplät- sation (ASO) ist als privatrecht- Beratung bei Emigration ins Jugendliche. Organisation von zen und bei Anträgen für Sti- liche Stiftung ein Kompetenz- Ausland oder Rückwanderung Ferienlagern, Sprachkursen usw. pendien unterstützt und beglei- zentrum zur Wahrung der in die Schweiz. für junge Auslandschweizer, die tet. www.educationsuisse.ch Interessen der im Ausland le- www.aso.ch > Rubrik «Bera- ihre Heimat besser kennenler- benden Schweizer Bürger. Nebst tung» nen möchten. www.sjas.ch der Herausgabe der «Schweizer Auslandschweizer-Organisation Organisation des Suisses de l’étranger Revue» bietet sie in Zusam- n Netzwerk. Kontakte mit n Beratung für Ausbildungen Auslandschweizer-Organizzazione degli Svizzeri all’estero Organisaziun dals Svizzers a l’ester Alpenstrasse 26 menarbeit mit ihren Partner- Schweizerinnen und Schweizern in der Schweiz. Junge Ausland- OrganisationCH-3006 Bern ASO

E3 Juni 2014 / Nr. organisationen verschiedene in aller Welt dank der Internet- schweizerinnen und -schweizer, Alpenstrasse 26, VU E

R Dienstleistungen für Ausland- Plattform die in der Schweiz eine Ausbil- 3006 Bern, SCHWEIZ schweizerinnen und Ausland- www.swisscommunity.org dung oder ein Studium absolvie- Telefon +41 31 356 61 00 VG schweizer. ren möchten, werden bei der CHWEIZER [email protected] S Z Foto: 26 AUSLA NDSCHWEIZER-ORGA NISA TION

Lupe. Insgeheim war früher immer alles in das Thema ein. Die Teilnehmenden be- besser – oder zumindest anders, denn al- urteilen die Art, wie sie moderne Medien les, was man nicht selbst genau kennt, er- nutzen, sie tauschen sich aus, arbeiten an zeugt eine grosse Portion Skepsis. In Tei - der eigenen Medienkompetenz und pub- len fühlen sich die Eltern dann sogar lizieren Beiträge auf www.swisscommu- überfordert, etwa bei der rasanten tech - nity.org. Interessante Referenten und nologischen Entwicklung, die in den ver- Workshop-Leiter werden während des gangenen Jahren nicht nur die Berufswelt, Seminars anwesend sein. Ein Rahmenpro- sondern auch den gesamten Medienkon- gramm sorgt für Abwechslung und Auf - sum vor allem der jüngeren Generation lockerung. radikal verändert hat.» Am Auslandschweizer-Kongress in Baden Das Jugendseminar «Informationstech- tritt die Gruppe in der Diskussionsrunde Die ASO freut sich auf viele junge Aus- nologie und soziale Medien» beginnt am zum Thema «Die Jugend und die Online- landschweizer an diesem herausfordernden 10. August in Baden, wo die Teilnehmer Medien» auf und präsentiert das Resultat ih- Seminar. ihre Schweizer Gastfamilien treffen. Ver- rer Arbeit. Damit kann das Gespräch mit Auslandschweizer-Organisation treter von Jugenddienst ASO führen die der älteren Generation auf der Basis konkre- Jugenddienst, E-Mail: [email protected] Jugendlichen von Montag bis Donnerstag ter Beispiele geführt werden. www.swisscommunity.org, www.aso.ch

92. Auslandschweizer-Kongress in Baden vom 15. bis 17. Aug. 2014 Am diesjährigen Auslandschweizer-Kongress in Baden steht das Thema «Informationstechnologie und soziale Medien: Chancen für die Fünfte Schweiz» im Mittelpunkt. Referieren werden unter anderen Bundesrat Alain Berset und Otfried Jarren, Professor für Publizistikwissenschaft an der Universität Zürich. Unter www.aso-kongress.ch erfahren Sie mehr zum Kongressthema. Dort können Sie auch online Ihr Anmeldedossier für den Kon- gress bestellen. Reservieren Sie schon heute die Kongressdaten. Wir freuen uns auf Sie!

Bitte schicken Sie mir die Anmeldeunterlagen für den 92. Auslandschweizer-Kongress in Baden. Meine Anschrift lautet:

Name: Vorname: Adresse: Land: PLZ/Ort: E-Mail: Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr.

EVUE Bitte leserlich und in Blockschrift schreiben. Die Anmeldeunterlagen sind in zwei Sprachen erhältlich: q Deutsch q Französisch R (Bitte gewünschte Sprache ankreuzen.) Schicken Sie den Talon an: Auslandschweizer-Organisation, Communications & Marketing, Alpenstrasse 26, 3006 Bern, SCHWEIZ / Fax: +41 (0)31 356 61 01 oder E-Mail: [email protected]; www.aso-kongress.ch SCHWEIZER SCHWEIZER RenéFoto: Rötheli / © Info Baden AUS DEM BUNDESHA US 27

Schutzmacht Schweiz USA auf Kuba. Hier kümmert sich seit 1977 Teheran durch revolutionäre Studenten, eine der Schweizerischen Botschaft angeglie- gefolgt von der 444-tägigen Geiselhaft Anfang 2014 traf Bundespräsident derte US-Interessensektion mit teilweise amerikanischer Diplomaten, haben die Didier Burkhalter US-Aussenminister amerikanischem Personal um das Konsular- USA im April 1980 die Beziehungen zum John Kerry in Davos und Vizepräsident wesen. Iran abgebrochen. In der Folge gelangte die Joe Biden im Weissen Haus. Bei beiden Auf der politischen Seite liegt die Aufgabe amerikanische Regierung an den Bundes- Gelegenheiten dankten die amerikani- einer Schutzmacht häufig darin, trotz des rat mit der Anfrage, ob die Schweiz im Iran schen Gesprächspartner der Schweiz Abbruchs der diplomatischen Beziehungen die Vertretung ihrer Interessen überneh- ausdrücklich für ihre Schutzmacht- zwischen zwei Staaten einen diskreten und men würde. Die Schweizer Regierung tätigkeit für die USA. Dieser Dank ist verlässlichen Kommunikationskanal offen- übernahm das Mandat im Mai 1980, kon- mehr als Ausdruck von Höflichkeit: Er zuhalten. Eine Interessenvertretung durch form mit der Wiener Konvention über di- zeigt die Wertschätzung für die Dienste einen Drittstaat tritt erst in Kraft, wenn die plomatische Beziehungen, und nachdem der Schweiz, die für unsere Zuverläs- Regierungen der Schutzmacht und der bei- auch der Iran seine Zustimmung zur Man- sigkeit, Glaubwürdigkeit und Diskre- den betroffenen Staaten dieser zustimmen. datsübernahme durch die Eidgenossen- tion stehen. Eine Schutzmacht hat Anspruch auf eine schaft bekräftigt hatte. Aufwandentschädigung durch den Entsen- Als Schutzmachttätigkeit wird ein Vermitt- destaat. Werden die konsularischen Tätig- Fremde Interessen in Teheran lermandat eines Landes bezeichnet, wenn keiten von Interessensektionen der vertre- Ein Team von zehn Mitarbeitenden vertritt dieses Land zwischen zwei Staaten, die keine tenen Staaten erledigt, hält sich der Aufwand die Interessen der USA in von der Schweize- diplomatischen und/oder konsularischen für die Schutzmacht in Grenzen. Deshalb rischen Botschaft in Teheran örtlich Beziehungen zueinander unterhalten, ein verzichtet die Schweiz teilweise auf eine Ver- getrennten Büros. Der Kontakt mit der Minimum an gegenseitigem Kontakt ge- gütung ihrer Mandate bei den gegenseitigen Botschaft ist hingegen eng, sowohl im admi- währleistet. Unterschieden werden zwei Ar- Interessenvertretungen der USA und Kubas nistrativen Bereich als auch bei politischen ten Mandate: das «Genfer Mandat» und das oder Georgiens und Russlands. Interventionen im Zusammenhang mit dem «Wiener Mandat». Das eher seltene «Gen- Die Schweiz übernimmt aus unterschied- Schutzmachtmandat. fer Mandat» beruht auf dem humanitären lichen Motiven Interessenvertretungen zwi- Die konsularische Arbeit der Sektion Völkerrecht und hat die Aufgabe, die kor- schen Staaten, welche ihre Beziehungen ab- «Fremde Interessen» ist vergleichbar mit den rekte Anwendung der Genfer Konventionen gebrochen haben. Dazu gehören die Aufgaben einer Kanzlei in einer schweizeri- von 1949 und die angemessene Behandlung Friedensförderung, das Anbieten eines Di- schen Vertretung. Zurzeit werden ca. 10 000 von Zivilisten, Kriegsgefangenen und Ver- alogkanals zwischen verfeindeten Parteien registrierte US- und Doppelbürger betreut. letzten sicherzustellen. Die Schutzmachttä- und die Erhöhung der menschlichen Sicher- Auch im Bereich des konsularischen Schut- tigkeit nach «Genfer Mandat» wird meist heit für die betroffenen Staatsangehörigen. zes kümmert sich die Sektion um diverse vom IKRK wahrgenommen. amerikanische Staatsangehörige und Dop- Heutige Schutzmachtmandate sind in der Momentan übt die Schweiz sechs Schutz- pelbürger im Iran. Regel Interessenvertretungen gemäss dem machtmandate aus: SPP steht im regelmässigen Austausch «Wiener Mandat». Sie sind auf die diploma- n USA in Kuba (seit 1961) mit dem Dienst für Fremde Interessen tischen und konsularischen Beziehungen n Iran in Ägypten (1979) beim EDA in Bern. Dieser ist die Schar- zwischen zwei Staaten ausgerichtet und ba- n USA im Iran (1980) nierstelle in der Bundesverwaltung für die sieren auf der Wiener Konvention über die n Kuba in den USA (1991) Kontakte zwischen den involvierten Par- diplomatischen Beziehungen von 1961 sowie n Russland in Georgien (2008) teien. Er stellt die Kommunikation mit der dem Wiener Übereinkommen über konsu- n Georgien in Russ- larische Beziehungen von 1963. land (2009) Die konkreten Inhalte der Schutzmacht- tätigkeit unterscheiden sich nach eher tech- USA – Iran nisch-humanitären oder eher politischen Besondere Bedeutung Gesichtspunkten. Bei Ersteren geht es pri- kommt dem schweize- mär um die Übernahme klassisch diploma- rischen Mandat als so- tischer und konsularischer Aufgaben, bei- genannte Swiss Pro- spielsweise um das Überbringen von tecting Power (SPP) Nachrichten, die Betreuung von Staatsange- zugunsten der USA hörigen, den Schutz des Eigentums eines ver- im Iran zu. Nach der tretenen Landes und die Abwicklung von iranischen Revolu-

Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. Pass- und Visaangelegenheiten. In der Pra- tion, der Ausrufung xis werden konsularische Aufgaben heute der Islamischen Repu- EVUE R teilweise auch von «Interessensektionen» der blik und der Beset- Das Team der Abteilung «Fremde Interessen» der Botschaft in Teheran:

DA vertretenen Staaten wahrgenommen. Ein zung der amerikani- Giulio Haas, Botschafter, Reza Goorabi, Francine Zuchuat, Nasrin Tama- don, Nooshin Davami, Mitra Nasirpoor, Mojdeh Sedighi, Safoura Joorab-

SCHWEIZER SCHWEIZER E Foto: Beispiel ist das Mandat der Schweiz für die schen Botschaft in chi, Emil Wyss, Chef Sektion Fremde Interessen 28 AUS DEM BUNDESHA US

amerikanischen Botschaft in Bern sicher, Russland – Georgien werden mir auch in meiner neuen Aufgabe über welche die meisten konsularischen Seit dem Jahreswechsel 2008/2009 vertritt nützlich sein. Ich bin sicher, dass mein Nach- Geschäfte mit Teheran laufen. Das Schutz- die Schweiz die georgischen Interessen in folger diesen Dialog weiterführen wird, und machtmandat stützt sich auf das Vertrauen Russland und die russischen Interessen in Ge- wünsche ihm bei dieser spannenden Aufgabe in die Schweiz, sowohl der amerikanischen orgien. Nach dem August-Krieg 2008 zwi- viel Erfolg und Freude. wie der iranischen Seite. Die langjährige schen den beiden Ländern und der Anerken- und bewährte Arbeit der schweizerischen nung der abtrünnigen georgischen Regionen Dienststellen in Teheran, Washington und Abchasien und Südossetien durch Russland Bern wird von beiden Staaten geschätzt. hatte Georgien die diplomatischen Beziehun- gen zum nördlichen Nachbarn abgebrochen. USA in Kuba Nach längeren Verhandlungen entschieden Das Interessenwahrungsmandat wurde der sich beide Staaten, die jeweilige Interessenver- Schweiz 1961 im Nachgang zur kubanischen tretung der Schweiz zu übertragen. Die Rolle Revolution, die zum Abbruch der amerika- der Schweiz wird sowohl von Russland wie nischen Beziehungen mit Kuba führten, auch von Georgien sehr geschätzt. übertragen. Die Schweiz hat diese Schutz- Während dem OSZE-Vorsitz 2014 ver- machtfunktion im Rahmen ihrer traditio- mittelt die Schweiz zusammen mit der EU nellen Politik der Guten Dienste übernom- und der UNO bei den sogenannten Genfer men. Am 30. Mai 1977 vereinbarten die Gesprächen zum Georgienkonflikt in den USA und Kuba die Eröffnung von Interes- Kernfragen um die abtrünnigen Regionen sensektionen in Havanna und Washington Südossetien und Abchasien. und die Entsendung eigenen Personals zur EDA, POLITISCHE DIREKTION, ABTEILUNG AMERIKAS Wahrnehmung der Geschäfte im bilatera- Gerhard Brügger len Austausch. Die amerikanische Interes- von Bern nach Akkra/Ghana sensektion in Havanna steht allerdings wei- terhin unter dem diplomatischen Schutz der Wechsel in der Eidgenossenschaft und ist formell Bestand- teil der Schweizerischen Botschaft, wenn Leitung der Konsula- auch räumlich von dieser getrennt. rischen Direktion Die Aktivitäten der amerikanischen In- teressensektion in Havanna umfassen kon- Ab dem 1. Mai 2014 werde ich meine neue sularische Dienstleistungen für die in Kuba Funktion als ausserordentlicher und bevoll- lebenden Amerikanerinnen und Amerika- mächtigter Botschafter in der Republik ner sowie Tätigkeiten zur Wahrung ameri- Ghana, der Republik Benin und der Repub- kanischer Interessen in Kuba. Sie werden lik Togo mit Sitz in Accra antreten. In mei- durch Kubaner sowie zu einem kleineren ner langen beruflichen Karriere für das EDA Teil ebenfalls von Angehörigen des ameri- verlasse ich damit ein letztes Mal Bern, wo kanischen diplomatischen Dienstes wahr- ich ab 2010 die Konsularische Direktion auf- genommen. Die schweizerische Schutz- gebaut und diese während vier äusserst span- machtvertretung ist daher überwiegend nenden und intensiven Jahren als Direktor formeller Natur. In der Praxis werden ne- geführt habe. Eine meiner Prioritäten stellte ben den konsularischen auch zunehmend dabei stets der Kontakt mit der Fünften die diplomatischen Geschäfte zwischen den Schweiz dar. Der rege Austausch mit den De- Jürg Burri USA und Kuba direkt abgewickelt. legierten des Auslandschweizerrats wird mir vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) zurück zum EDA Anfang April 1991 übernahm die Schweiz als bereichernde und anregende Erfahrung auf Wunsch der kubanischen Regierung in Erinnerung bleiben; er war sozusagen das auch die Interessen Havannas in den USA, Salz in der Suppe meiner Aufgabe als Leiter Per 1. Mai habe ich das Amt des Direktors welche bis dahin von der Tschechoslowakei der Konsularischen Direktion. Die Erkennt- der Konsularischen Direktion im EDA von betreut wurden. nisse aus den vielen Gesprächen mit Ihnen Botschafter Gerhard Brügger übernommen. Ich bin sehr motiviert, mich in Ausübung Inserat dieser Aufgabe für die Anliegen der Aus- landschweizerinnen und Auslandschweizer

Juni 2014 / Nr. 3 Juni 2014 / Nr. einzusetzen. Ich bin 49-jährig, verheiratet und habe vier Kinder. Im EDA arbeitete ich EVUE R bereits von 1996 bis 2002 und von 2006 bis

DA 2009. Im Laufe des Studiums und meines

SCHWEIZER SCHWEIZER E Foto: Berufslebens habe ich selber für kürzere 29

Online-Registrierung für Schweizerinnen und Schweizer auf Auslandreisen Reisehinweise

Telefon Schweiz: 0800 24-7-365 www.eda.admin.ch/reisehinweise www.eda.admin.ch/itineris Telefon Ausland: +41 800 24-7-365 Helpline EDA 0800 24-7-365 E-Mail: [email protected] www.twitter.com/travel_edadfae Skype: helpline-eda

oder längere Zeit in Spanien, Frankreich, Die Broschüre kann gratis bestellt werden den USA, Belgien und China gelebt. Nach beim Bundesamt für Bauten und Logistik Hinweise verschiedenen diplomatischen Funktionen unter www.bundespublikationen.admin.ch war ich zuletzt als Leiter des Direktionsbe- (Art.-Nr. 104.617). Melden Sie Ihrer schweizerischen Vertre- reichs Forschung und Innovation im Staats- tung Ihre E-Mail-Adresse(n) und Mobilte- sekretariat für Bildung, Forschung und In- lefon-Nummer(n) und/oder deren Ände- novation tätig. Ich freue mich, unterstützt rungen und registrieren Sie sich bei www. von der motivierten KD-Equipe, die Arbeit swissabroad.ch, um keine Mitteilung meines Vorgängers im Dienst der Fünften («Schweizer Revue», Newsletter Ihrer Ver- Schweiz weiterzuführen! tretung usw.) zu verpassen. Die aktuelle Ausgabe der «Schweizer Re- vue» sowie die früheren Nummern können Publikation Sie jederzeit über www.revue.ch lesen und/ oder ausdrucken. Die Bundeskanzlei publizierte die Bro- Die «Schweizer Revue» (bzw. die «Gaz- schüre «Der Bund, kurz erklärt, 2014» im zetta Svizzera» in Italien) wird kostenlos als März. Sie bietet aktuelle Informationen Druckausgabe oder elektronisch (via E-Mail zu Politik, Verwaltung und Justiz der bzw. als iPad-/Android-App) allen Ausland- Schweiz. Mit rund 237 000 gedruckten schweizer-Haushalten zugestellt, die bei ei- Exemplaren ist sie eine der auflagen - ner Botschaft oder einem Generalkonsulat stärksten Publikationen der Bundesver- registriert sind. waltung. Wie setzt sich das Parlament zusammen? Warum kann es jahrelang dauern, bis ein Gesetz in Kraft tritt? Wie viele Personen ar- EIDGENÖSSISCHE ABSTIMMUNGEN beiten in der Bundesverwaltung? Worüber Die Vorlagen, über welche am 28. September 2014 abgestimmt wird, waren beim Redak- entscheidet das Bundesgericht? Solche Fra- tionsschluss dieser Ausgabe noch nicht bekannt. gen beantwortet die 80-seitige Broschüre, Abstimmungstermine 2014: 28. September und 30. November. welche die Bundeskanzlei alljährlich heraus- gibt. Sie richtet sich an alle, die sich für das VOLKSINITIATIVEN Schweizer Staatswesen interessieren. Viele Die folgende eidgenössische Volksinitiative wurde bis Redaktionsschluss neu lanciert Mittel- und Berufsschulen verwenden sie im (Ablauffrist der Unterschriftensammlung in Klammern): Staatskundeunterricht. Für die Texte arbeitet die Bundeskanzlei n «Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen eng mit den Parlamentsdiensten, den (Wiedergutmachungsinitiative)» (01.10.2015) Departementen und dem Bundesgericht zusammen. Infografiken veranschaulichen Die Liste der hängigen Volksinitiativen finden Sie unter www.bk.admin.ch > Aktuell > das Geschriebene und Fotos zeigen Bundes- Wahlen und Abstimmungen > Hängige Volksinitiativen. angestellte in den unterschiedlichsten Funk- E3 Juni 2014 / Nr.

VU tionen. RE «Der Bund, kurz erklärt, 2014» erscheint VERANTWORTLICH FÜR DIE AMTLICHEN MITTEILUNGEN DES EDA: ZER PETER ZIMMERLI, AUSLANDSCHWEIZERBEZIEHUNGEN DA in einer Auflage von 237 000 Exemplaren in BUNDESGASSE 32, 3003 BERN, SCHWEIZ; TELEFON: +41 800 24 7 365 HW EI

SC E Foto: den vier Landessprachen und auf Englisch. WWW.EDA.ADMIN.CH, MAIL: [email protected] 30 ECHO

Trouvaillen

Nationalgeschichte von aussen betrachtet Kalifornien haben ein sehr leserfreundliches Werk Wer sich für die Schweizer Geschichte interessiert, geschrieben, das nicht nur für Wissenschaftler ge- war bis anhin vor allem auf Bücher und Beiträge von dacht ist. Dank zahlreicher Abbildungen und Grafi- deutsch- oder französischsprachigen Historikern an- ken sowie einer detaillierten Chronologie ist es auch gewiesen. Das hatte auch zur Folge, dass die Schwei- ein Nachschlagewerk – eines, das Wikipedia bei wei- zer Geschichte in der vom Englischen dominierten tem übertrifft und für Aus- Wissenschaft mehr und mehr aus dem Blickfeld ver- landschweizer eine besondere schwand. Nun könnte sich das ändern: Der renom- Fundgrunde sein könnte. BE mierte englische Verlag Cambridge University Press hat in seiner Reihe «A Consise History of …» einen Clive H. Church, Randolph Band über die Schweiz herausgegeben. Die beiden C. Head: A Concise History of Switzerland; Verlag Cambridge Professoren Clive Church von der Universität Kent University Press 2013; und Randolph Head von der Universität Riverside in 339 Seiten; CHF 32.90, Euro 22.50

Globi wird Bio-Bauer noch ausgewählte Bände ins betriebe, und die Geschichten «Globi, der schlaue Bauer», Globi- Verlag, Zürich; Buch (auch in Fran- Seit Jahrzehnten begleiten die Französisch übersetzt. Auch wurden in Kooperation mit der zösisch und Englisch), CHF 21.50; Globi-Geschichten Deutsch- englische Übersetzungen gibt es schweizerischen Stiftung Bio- Hörbuch-CD in Schweizerdeutsch, schweizer Kinder. Ursprünglich seit einigen Jahren. vision entwickelt. CHF 16.90 als Werbeträger für die Waren- Im neusten Band «Globi, der Wie gewohnt wird in Reimen hauskette «Globus» entworfen, schlaue Bauer» modernisiert der erzählt – auch in den Sprachen hat Papagei Globi inzwischen in Titelheld einen Familienbe- Französisch und Englisch, in de- über 80 Kinderbüchern so trieb, stellt auf Bio-Standards nen dieses Bilderbuch ebenfalls manches Abenteuer erlebt. Ob- und sanfte Schädlingsbekämp- erschienen ist. Erzählungen und schon die ersten Übersetzungen fung um. Das Buch erscheint Lieder auf der zugehörigen Hör- in der Westschweiz wenig Er- zum Internationalen UNO- buch-CD sind in Schweizer- folg hatten, werden auch heute Jahr der bäuerlichen Familien- deutsch. MH

Naturbelassene Natur diese Vorgänge im 170 Quadratkilometer grossen Naturreservat Vor 100 Jahren begann im Schweizerischen auf kartografischer Basis dokumentiert. Das 230 Seiten dicke Werk Nationalpark das Experiment, die Natur sich ist eine reich gefüllte Schatztruhe – nicht nur für Kartenliebhaber selbst zu überlassen und deren Entwicklung zu und Berggänger. www.atlasnationalpark.ch BE beobachten. Es war ein politischer Entscheid: Am 27. März 1914 verabschiedete der Natio- «Atlas des Schweizerischen nalrat den Bundesbeschluss «betreffend die Errichtung eines Nationalparks – Die ersten 100 Jahre», schweizerischen Nationalparkes im Unterengadin». Ein Jahrhun- Hrsg. Heinrich Haller, U E3 Juni 2014 / Nr. dert nach der Gründung des einzigartigen Freiluftlaboratoriums in Antonia Eisenhut, REV Rudolf Haller; R der Schweiz wird gefeiert und Bilanz gezogen. Was geschieht, wenn

ZE Verlag Haupt Bern, 2013; 247 Seiten, durch-

WEI in einer Landschaft menschliche Aktivitäten gänzlich ausgeschlos- gehend farbig bebildert; CHF 69.–, Euro 59.– CH

S ZVG Foto: sen werden? Im «Atlas des Schweizerischen Nationalparks» werden www.haupt.ch 31

Kurzmeldungen Zitate

Verdingkinder entschädigen von total 273 Millionen Litern «Wir können auch in der Schweiz nicht vor kriegerischen Auseinander- Die Opfer administrativer konsumiertem Wein. Bei den setzungen sicher sein.» Zwangsmassnahmen sollen Schweizer Weinen ist der Bundesrat Ueli Maurer im Abstimmungskampf um das Kampfflugzeug Gripen nicht nur eine Entschuldigung, Konsum von Weiss- und Rot- sondern auch eine Entschädi- wein mit 53 beziehungsweise «Es reicht nicht zu flüchten, man muss in die richtige Richtung fliehen.» gung erhalten. Mit diesem Ziel 54 Millionen Liter fast iden- Charles-Ferdinand Ramuz (1878–1947), Schweizer Schriftsteller ist am 31. März eine Volksiniti- tisch. Bei den ausländischen ative lanciert worden. Verlangt Produkten wird mit 183 Millio- «Wir hatten früher in der Schweiz Konfessionskriege, wird ein mit 500 Millionen nen Litern bedeutend mehr heute gibt es den Dschihad.» Nochmals Bundesrat Ueli Maurer Franken dotierter Wiedergut- Rotwein konsumiert. machungs-Fonds. Mit dem «Der Wahnsinn gehört zum Wesen des Menschen.» Geld soll den am schwersten Offenlegen von Bankdaten Blaise Cendrars (1887–1961), Schweizer Schriftsteller betroffenen Opfern geholfen für US-Kunden «Auch mir fällt es schwer, einen möglichen Untergang der und das ihnen zugefügte Un- Die Schweizer Banken müssen Schweiz nicht als Weltuntergang zu sehen. Nur die Vernunft macht recht abgegolten werden. An- im Rahmen des FATCA-Ab- mich darauf aufmerksam, dass die Welt grösser ist.» fang März hatte das Parlament kommens von ihren US-Kun- Peter Bichsel, Schweizer Schriftsteller ein Gesetz verabschiedet, mit den die Zustimmung zur dem das Unrecht anerkannt Datenlieferung an die US-Be- wird. Auch der Zugang zu Ak- hörden einholen und diese über «Vom Schicksal verschont zu werden, ist weder Schande noch Ruhm, ten und die historische Aufar- ein mögliches Amtshilfeverfah- aber es ist ein Menetekel.» Friedrich Dürrenmatt (1921–1990), Schweizer Schriftsteller, über beitung sind darin geregelt, ren. Das FATCA-Abkommen seine Heimat, in einer Rede drei Wochen vor seinem Tod eine finanzielle Wiedergutma- mit den USA wird laut Eidge- chung ist hingegen nicht vor- nössischer Steuerverwaltung «Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und darauf verzichten, gesehen. Dies soll nun durch vor dem 1. Juli 2014 in Kraft uns dies wortreich mitzuteilen.» eine Volksinitiative erreicht gesetzt. Erhält eine Bank von ei- George Eliot (1819-1880), englische Schriftstellerin werden. nem US-Kunden keine Zustim- mungserklärung zur Übermitt- «Wilhelm Tell ist noch immer der einzige Schweizer, Reisefreudige Parlamentarier lung der Kontodaten, so wird den die ganze Welt kennt.» Nochmals Friedrich Dürrenmatt Noch nie sind Schweizer Par- dieses Konto als «Non-Consen- lamentarier so fleissig ins Aus- ting US Account» eingestuft. land gereist wie im vergange- Die US-Behörde kann dann nen Jahr. 466 sogenannte von der Schweiz mittels Amts- Personenreisetage wurden ver- hilfeersuchens die Informatio- bucht, im Jahr 2012 waren es nen zu den «Non-Consenting nur 302 Tage. Einsam an der U.S. Accounts» verlangen. Spitze beim Reisen steht Filippo Lombardi, der als Missverständliches Inserat Ständeratspräsident 22 Länder Auf der hintersten Seite der besucht hat. Die Kosten für die «Schweizer Revue» vom April Reisen der Parlamentsmitglie- hat das Inserat von soliswiss, das der beliefen sich 2013 auf nicht klar als Anzeige gekenn- 520 200 Franken. Im Jahr da- zeichnet war, für Verwirrung vor waren es 328 900 Franken. gesorgt. Es ist bei einigen Le- sern der Eindruck entstanden, Beliebter Schweizer Wein die Auslandschweizer-Organi- «Man stirbt nur einmal, das dafür mit Garantie. Der Tod bleibt der Skandal allen Lebens. Nichts, nichts, nichts ist unverstehbarer als der Tod.» Das Knapp 107 Millionen Liter sation (ASO) stehe hinter der schrieb Urs Widmer im Jahr 2002. Nun ist der Schriftsteller tot, am 2. April Schweizer Wein hat die von soliswiss lancierten Petition ist er im Alter von 75 Jahren gestorben. Die Schweiz verliert mit ihm einen Schweizer Bevölkerung im Jahr für die Integration von soliswiss seiner grossen Literaten und einen streitbaren Intellektuellen, der sich mit 2013 getrunken. Das sind, laut in das neue Auslandschweizer- Fragen des Kolonialismus ebenso auseinandergesetzt hat wie mit dem Geba- ren von Topmanagern. Zusammen mit Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt Mitteilung des Bundesamtes gesetz und für eine Ausfall- gehört Urs Widmer zu den bekanntesten Schweizer Autoren im deutschspra-

U E3 Juni 2014 / Nr. chigen Raum. Der grosse Publikumsdurchbruch gelang ihm im Jahr 2000 mit

erlag für Landwirtschaft fast 10 Mil- garantie des Bundes. Es handelt

REV dem Roman «Der Geliebte der Mutter». Seine Autobiografie, «Reise an den

ER lionen Liter mehr als im Jahr sich jedoch einfach um eine Rand des Universums», die im vergangenen Jahr erschienen ist, beginnt mit

WE IZ davor. Der Marktanteil der bezahlte Anzeige, die nichts mit den Sätzen: «Kein Schriftsteller, der bei Trost ist, schreibt eine Autobiogra-

SCH Foto: Diogenes V Schweizer Weine beträgt 39 % der ASO zu tun hat. fie. Denn die Autobiografie ist das letzte Buch.» 0_3_2slsi_omr21_neae2027id 1 103_13g_02_saleskit_sommer_2014_inserate_210x297.indd Stockhorn, Berner Oberland er Fr re Dank sc Au is ic ch he e ha n Ber f Si e un gl ga ff uf nz t, 67 nes en se Pa be no qu 0 ra em re ma mi Be rest t Gi un au au se rg re pf ra n nt hSt ch Go ba s el un nd d el hnen. Hö n, Za hen hn äd we ra db emi ge te ah ne t r. n sp un ek d ta Se ku ss lä el re li ft n en Au . My ssich Sw ts it ze pl ät rla ze nd n: .c Da om s /s al om le s mer /71 :6PM 4:36 1/27/14