Die Soziale Funktion Der Wissenschaft

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Die Soziale Funktion Der Wissenschaft Die soziale Funktion der Wissenschaft Wiederaufnahme eines Forschungsprogramms Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades „doctor rerum politicarum“ (Dr. rer. pol.) der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Max-Weber-Institut für Soziologie vorgelegt von Jens Kany Betreuer: Prof. Dr. Thomas Schwinn Zweitgutachterin: Prof. Dr. Kathia Serrano Velarde Tag der Disputation: 13. Juni 2016 ZUSAMMENFASSUNG. Was ist die soziale Funktion der Wissenschaft? Die wissenschaftssoziologische Gegenwartsliteratur bleibt eine Antwort schuldig. Keiner der prominenten theoretischen Ansätze vermag die soziale Funktion der Wissenschaft zu bestimmen (Teil I). Eine alternative Tradition der Wissenschaftsforschung mit fruchtbaren Ansätzen findet sich dagegen in der DDR. Die Wissenschaftsforschung der DDR hat einen bedeutenden Beitrag zum wissenschaftlichen Verständnis der Wissenschaft geleistet. Um die Stärken der Wissenschaftsforschung der DDR offenzulegen, findet eine Rekonstruktion ihrer disziplinären Matrix statt; dabei wird auch ihre kognitive und institutionelle Ausdifferenzierung nachgezeichnet (Teil II). Vom Standpunkt dieser disziplinären Matrix wird die soziale Funktion der Wissenschaft in Geschichte und Gegenwart dargestellt. Die alternative Geschichtsauffassung der DDR-Tradition offenbart Einsichten in die soziale Funktion der Wissenschaft, wie sie die wissenschaftssoziologische Gegenwartsliteratur schuldig bleibt (Teil III). ABSTRACT. What is the social function of science? Current literature of the sociology of science does not show a response. None of the prominent theoretical approaches is capable to determine the social function of science (Part I). On the other hand an alternative approach of the research on science may be identified in the German Democratic Republic (GDR). GDR tradition provided substantial contributions to scientific understanding of science. In order to reveal the potency of the East German tradition their disciplinary matrix is reconstructed; in this context its cognitive and institutional differentiation is replicated (Part II). Starting from this disciplinary matrix the social function of science in history and in the present is shown. The alternative concept of history, inherent in the GDR tradition, discloses insights into the social function of science to which current (Western) sociology of science remains silent (Part III). РЕЗЮМЕ. Какова социальная функция науки? Современная литература по социологии науки на этот вопрос ответа не дает. Ни одна из авторитетных теоретических посылок не в состоянии определить социальную функцию науки должным образом (часть I). Альтернативную традицию науковедения с плодотворными посылками, однако, можно найти в ГДР. Исследования ГДР в области науковедения внесли существенный вклад в научное понимание науки. С целью раскрытия достижений науковедения ГДР производится реконструкция ее дисциплинарной матрицы. Вместе с этим обрисовывается ее когнитивная и институциональная дифференцировка (часть II). На основе точки зрения этой дисциплинарной матрицы в дальнейшем излагается социальная функция науки в прошлом и в настоящее время. Альтернативный подход к рассмотрению истории, принятый в ГДР, открывает доступ к пониманию социальной функции науки — пониманию, которого в современной литературе по социологии науки найти нельзя (часть III). (Russisch: Rolf Junghanns) 2 EINLEITUNG 5 Die soziale Funktion der Wissenschaft in der soziologischen 7 Gegenwartsliteratur Die Wissenschaftswissenschaft in der DDR 11 Die soziale Funktion der Wissenschaft in Geschichte und Gegenwart 12 ERSTER TEIL 14 DIE SOZIALE FUNKTION DER WISSENSCHAFT IN DER SOZIOLOGISCHEN GEGENWARTSLITERATUR 1 Wissenschaft als autopoietisches System 15 1.1 Die Wissenschaft der Gesellschaft 16 1.2 Wissenschaft als Funktionssystem 24 2 Wissenschaft als gesellschaftliches Teilsystem, akteurstheoretisch gedacht 27 3 Wissenschaft als kulturelle Adaption 31 4 Wissenschaft als Wertsphäre: Das Weberianische Forschungsprogramm 36 5 Die wissenssoziologische Wende: Science and Technology Studies 39 6 Stand der Forschung: Problemlagen und Lösungswege 44 ZWEITER TEIL 45 DIE WISSENSCHAFTSWISSENSCHAFT IN DER DDR 1 Ausdifferenzierung der Wissenschaftswissenschaft in der DDR 47 1.1 Produktivkraft Wissenschaft 48 1.2 Wissenschaftlich-technische Revolution 51 1.3 Philosophische Theorien wissenschaftlichen Erkennens 54 1.4 Diskurse im Vorfeld der Wissenschaftswissenschaft 57 2 Wissenschaftswissenschaft – Grundzüge einer Disziplin 62 2.1 Internationaler Rahmen: Wissenschaftswissenschaft in der UdSSR 62 2.2 Institutionalisierung der Wissenschaftswissenschaft 65 2.3 Die Wissenschaft von der Wissenschaft (Autorenkollektiv 1968) 67 2.4 Wissenschaft als allgemeine Arbeit – Zur begrifflichen Grundlegung der 74 Wissenschaftswissenschaft (Laitko 1979) 2.5 Grundlagen der Wissenschaftsforschung (Autorenkollektiv 1988) 88 2.6 Grundzüge der Wissenschaftswissenschaft 97 3 DRITTER TEIL 100 DIE SOZIALE FUNKTION DER WISSENSCHAFT IN GESCHICHTE UND GEGENWART 1 Die Produktivkraftwerdung der Wissenschaft 102 1.1 Physikalisch-technische Probleme des Handelskapitalismus 105 1.2 Newtons Principia und die physikalischen Probleme seiner Zeit 108 1.3 Der Klassenkampf, die Revolution in England und Newtons 110 Weltanschauung 1.4 Die Erfindung der Dampfmaschine und die Entwicklung der 112 Thermodynamik 1.5 Die Maschine als Grundlage der theoretischen Mechanik 113 1.6 Die Entstehung der modernen Naturwissenschaft und die Universität 116 2 Monopolkapitalismus und Industrieforschung im 19. Jahrhundert 122 3 Imperialismus, staatliche Großforschung und Krieg 131 4 Wissenschaftlich-technische Revolution, Hochschulreformen und 141 Integration des Wissenschaftssystems 4.1 Die Hochschulreformen der Bundesrepublik Deutschland 143 4.2 Hochschulreformen, Wissenschaftsfreiheit und Klassenkampf 157 4.3 Reform des Bildungssystems 161 4.4 Hochschulreformen und europäische Integration 167 4.4.1 Die europäische Integration. Vom Marshall-Plan zur Euro-Krise 168 4.4.2 Europäische Bildungs- und Forschungspolitik 174 4.5 Die Integration des Wissenschaftssystems 179 4.5.1 Vernetzung von Hochschule und Industrie 180 4.5.2 Vernetzung von Hochschule und staatlicher Großforschung 190 5 Zusammenfassung 193 SCHLUSS 197 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 207 Literaturverzeichnis 208 4 EINLEITUNG 5 Seit den 1960er Jahren lässt sich ein Strukturwandel westlicher Industriegesellschaften beobachten. Zugrunde liegen einerseits eine gestiegene Bildungsbeteiligung der Bevölkerung im Zuge der Bildungsexpansion und andererseits ein Wandel der Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft (Bell 1975, Castells 2001, Drucker 1969, Stehr 1994, Touraine 1972, Weingart 1983). Dieser gesellschaftliche Strukturwandel führte dazu, dass heutzutage keine Sozialtheorie mehr an einer angemessenen Betrachtung der Wissenschaft vorbeikommt. Zugleich bildet die soziologische Konzeption der Wissenschaft im Rahmen einer allgemeinen Gesellschaftstheorie die Grundlage wissenschaftssoziologischer Spezialforschung. An dieser Schnittfläche von allgemeiner Gesellschaftstheorie und spezieller Bindestrichsoziologie ist die Frage nach der sozialen Funktion der Wissenschaft einzuordnen. Der Titel der vorliegenden Arbeit ist eine Reminiszenz an John D. Bernals epochales Werk The Social Function of Science von 1939. Der irische Kristallograph und Wissenschaftshistoriker legte damit die erste systematische wissenschaftssoziologische Studie vom Standpunkt eines materialistischen Forschungsprogramms vor. Seine Arbeit bildete einen wichtigen Bezugspunkt für die Wissenschaftsforschung in Ost und West. In der DDR stellte Bernals Werk eine unverzichtbare Grundlage und unerschöpfliche Inspirationsquelle für die Wissenschaftsforschung dar. Die in der DDR gebräuchliche Bezeichnung „Wissenschaftswissenschaft“ geht auf Bernals Konzept einer science of science zurück. Der Untertitel der vorliegenden Arbeit deutet weitergehend auf eine positive Bezugnahme auf dieses Werk und das materialistische Forschungsprogramm hin. Dies ist ein gewagtes Unterfangen, denn das materialistische Forschungsprogramm wird in der aktuellen soziologischen Diskussion in Deutschland nicht mehr vertreten. Dennoch ist es zweifellos wissenschaftlich legitim zu fragen, ob das materialistische Forschungsprogramm einen fruchtbaren Beitrag für die aktuelle Wissenschaftsforschung leisten kann. Hierzu wird die Frage gestellt, ob die Tradition der Wissenschaftsforschung der DDR auf ungelöste Probleme der wissenschaftssoziologischen Gegenwartsliteratur brauchbare Antworten liefert. Die Frage nach der sozialen Funktion der Wissenschaft eignet sich als Ausgangspunkt, da sie auf die Beziehung der Wissenschaft zu anderen gesellschaftlichen Teilbereichen abzielt und damit den Strukturwandel der Gesellschaft als Ganzes mitdenkt. Die Argumentation gliedert sich in drei Teile: Teil I beschäftigt sich mit der sozialen Funktion der Wissenschaft in der soziologischen Gegenwartsliteratur. Hier wird der Stand der Forschung kritisch diskutiert und nachgewiesen, dass die Frage nach der sozialen Funktion der Wissenschaft von den Konzepten der Gegenwartsliteratur nicht beantwortet werden kann. 6 Teil II vollzieht einen Paradigmenwechsel und legt die Stärken der Wissenschaftsforschung der DDR in Form einer Rekonstruktion ihrer disziplinären Matrix offen. Vom Standpunkt des materialistischen Forschungsprogramms erschließt sich die soziale Funktion der Wissenschaft. Teil III erarbeitet auf der Grundlage des in Teil II vorgestellten Forschungsprogramms
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