Plenarprotokoll 818

BUNDESRAT Stenografischer Bericht 818. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 21. Dezember 2005

Inhalt:

Gedenkansprache des Präsidenten zum 6. Gesetz zur Abschaffung der Eigenheim- Völkermord an Sinti und Roma im National- zulage (Drucksache 857/05) ...... 404 B sozialismus ...... 395 A Walter Hirche (Niedersachsen) ... 404 B Amtliche Mitteilungen ...... 397 A Prof. Dr. Andreas Pinkwart (Nord- rhein-Westfalen) ...... 405 B Zur Tagesordnung ...... 397 C Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen ...... 405 D 1. Erklärung der Bundeskanzlerin .... 397 C Dr. , Bundeskanzlerin 397 D Beschluss zu 4 bis 6: Zustimmung gemäß Art. 105 Abs. 3 GG...... 408 D Präsident . 401 B

2. Wahl des Vorsitzenden des Wirtschafts- 7. Erstes Gesetz zur Änderung des Zoll- ausschusses – gemäß § 12 Abs. 3 GO BR – fahndungsdienstgesetzes (Drucksache (Drucksache 843/05) ...... 401 D 858/05 [neu]) ...... 408 D Beschluss: Staatsminister Erwin Huber Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 (Bayern) wird gewählt ...... 401 D Abs. 1 GG ...... 409 A

3. Fünftes Gesetz zur Änderung des Dritten 8. Gesetz über den Ausgleich von Arbeit- Buches Sozialgesetzbuch und anderer geberaufwendungen und zur Änderung Gesetze (Drucksache 854/05) ..... 401 D weiterer Gesetze (Drucksache 859/05) . 409 A Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden- Württemberg) ...... 402 A Gerry Kley (Sachsen-Anhalt) ... 409 A Karl-Josef Laumann (Nordrhein- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 Westfalen) ...... 403 B Abs. 1 GG ...... 410 A Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG ...... 404 B 9. Fünftes Gesetz zur Änderung der Bun- desnotarordnung (Drucksache 860/05) . 411 C 4. Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm (Drucksache 855/05) Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 1 GG ...... 427*B in Verbindung mit 10. Gesetz zur Änderung des Verkehrswege- 5. Gesetz zur Beschränkung der Verlustver- planungsbeschleunigungsgesetzes (Druck- rechnung im Zusammenhang mit Steuer- sache 861/05) ...... 411 C stundungsmodellen (Drucksache 856/05) Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 und Abs. 1 GG ...... 427*B

Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon: 02 21/9 76 68-0, Telefax: 02 21/9 76 68-338 ISSN 0722-7999 II Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005

11. Gesetz über den Betrieb elektronischer 16. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Mautsysteme (Mautsystemgesetz – Maut- des § 33 Gerichtsverfassungsgesetz SysG) (Drucksache 862/05) ...... 411 C – Antrag des Landes Rheinland-Pfalz ge- mäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 841/05) ...... 414 C Abs. 1 GG ...... 427*B Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- setzentwurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG 12. Gesetz über konjunkturstatistische Erhe- beim Deutschen Bundestag – Erneute bungen in bestimmten Dienstleistungs- Bestellung von Staatsminister Herbert bereichen (Dienstleistungskonjunktur- Mertin (Rheinland-Pfalz) zum Beauf- statistikgesetz – DlKonjStatG) tragten des Bundesrates gemäß § 33 GO BR ...... 414 C Mitteilung: Absetzung von der Tagesord- nung ...... 397 C 17. Entwurf eines Gesetzes zur Führung des Handelsregisters, des Genossenschafts- registers, des Partnerschaftsregisters und 13. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vereinsregisters durch von den Län- kraftfahrzeugsteuerlicher Vorschriften dern bestimmte Stellen (Register-Füh- auch hinsichtlich der Wohnmobilbesteu- rungsgesetz – RFüG) – Antrag der Länder erung – Antrag des Landes Nordrhein- Hamburg und Baden-Württemberg, Nie- Westfalen – (Drucksache 229/05) .... 411 C dersachsen gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – ...... Jochen Riebel (Hessen) ..... 411 D (Drucksache 865/05) 414 C Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden- setzentwurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG Württemberg) ..... 412 C, 428*D beim Deutschen Bundestag – Erneute Bestellung von Senator Dr. Roger Beschluss: Einbringung des Gesetzent- Kusch (Hamburg) zum Beauftragten wurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG beim des Bundesrates gemäß § 33 GO BR . 414 D Deutschen Bundestag in der angenom- menen Fassung – Bestellung von 18. Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung Staatsminister Karlheinz Weimar (Hes- des Strafvollzugsgesetzes – gemäß Arti- sen) zum Beauftragten des Bundesrates kel 76 Abs. 1 GG – Antrag der Freien und gemäß § 33 GO BR ...... 412 D Hansestadt Hamburg gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 866/05) 14. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Mitteilung: Absetzung von der Tagesord- des Schwarzarbeitsbekämpfungsgeset- nung ...... 397 C zes und des Telekommunikationsgeset- zes – Antrag der Länder Niedersachsen 19. Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung und Sachsen-Anhalt – (Drucksache 815/ des Zeugnisverweigerungsrechts für Ver- 05) ...... 412 D lobte und weiterer Privilegien von Ver- lobten im Strafrecht – Antrag der Länder Walter Hirche (Niedersachsen) ... 413 A Hamburg und Niedersachsen, Thürin- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staats- gen gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Druck- sekretärin beim Bundesminister sache 867/05) ...... 414 D der Finanzen ...... 413 C Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- setzentwurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG Beschluss: Einbringung des Gesetzent- beim Deutschen Bundestag – Erneute wurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG beim Bestellung von Senator Dr. Roger Deutschen Bundestag nach Maßgabe Kusch (Hamburg) zum Beauftragten der beschlossenen Änderungen – Be- des Bundesrates gemäß § 33 GO BR . 415 A stellung von Minister Walter Hirche (Niedersachsen) zum Beauftragten des 20. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Bundesrates gemäß § 33 GO BR .. 414 B, C von Vorschriften des Personenbeförde- rungsrechts – Antrag der Freien und 15. Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung Hansestadt Hamburg gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 868/05) ..... des Vermögensteuergesetzes – gemäß 415 A Artikel 76 Abs. 1 GG – Antrag der Freien Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- und Hansestadt Hamburg gemäß § 36 setzentwurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG Abs. 2 GO BR – (Drucksache 864/05) beim Deutschen Bundestag – Erneute Bestellung von Senator Dr. Michael Mitteilung: Absetzung von der Tagesord- Freytag (Hamburg) zum Beauftragten nung ...... 397 C des Bundesrates gemäß § 33 GO BR . 415 B Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 III

21. Entschließung des Bundesrates zur Er- kehrsdienste auf Schiene und Straße weiterung der Meldepflicht für Lebens- – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Druck- mittelunternehmer auf solche Unterneh- sache 706/05) ...... 419 D mer, die mit nicht sicheren Lebensmitteln Beschluss: Stellungnahme ...... beliefert werden – Antrag des Landes 419 D Niedersachsen – (Drucksache 826/05) .. 418 D 29. Erste Verordnung zur Änderung der Hans-Heinrich Ehlen (Niedersach- Düngeverordnung (Drucksache 704/05) . 419 D sen) ...... 418 D Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Beschluss: Die Entschließung wird ge- Abs. 2 GG in geänderter Fassung .. 420 A fasst ...... 419 C 30. Verordnung zur Änderung futtermittel- 22. Entwurf eines Gesetzes zu dem Überein- rechtlicher und verfütterungsverbots- kommen Nr. 172 der Internationalen Ar- rechtlicher Verordnungen (Drucksache beitsorganisation vom 25. Juni 1991 über 809/05) ...... 411 C die Arbeitsbedingungen in Hotels, Gast- stätten und ähnlichen Betrieben (Druck- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 sache 791/05) ...... 411 C Abs. 2 GG ...... 428*A Beschluss: Keine Einwendungen gemäß 31. Verordnung zur Änderung der Betriebs- Art. 76 Abs. 2 GG ...... 427*C prämiendurchführungsverordnung und zur Änderung der Zweiten und Dritten 23. Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll Verordnung zur Änderung der Betriebs- vom 21. Mai 2003 über die strategische prämiendurchführungsverordnung (Druck- Umweltprüfung zum Übereinkommen sache 810/05) ...... 411 C über die Umweltverträglichkeitsprüfung Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 im grenzüberschreitenden Rahmen (Ver- Abs. 2 GG ...... 428*A tragsgesetz zum SEA-Protokoll) (Druck- sache 790/05) ...... 411 C 32. Verordnung zur Änderung der InVeKoS- Beschluss: Keine Einwendungen gemäß Verordnung und der Hauptzollamts- Art. 76 Abs. 2 GG ...... 427*C zuständigkeitsverordnung (Drucksache 842/05) ...... 411 C 24. Bericht der Bundesregierung über die Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Tätigkeit des Europarats für die Zeit vom Abs. 2 GG ...... 428*A 1. Januar bis 30. Juni 2004 sowie vom 1. Juli bis 31. Dezember 2004 (Druck- 33. Verordnung über maßgebende Rechen- sache 766/05) ...... 411 C größen der Sozialversicherung für 2006 Beschluss: Stellungnahme ...... 427*D (Sozialversicherungs-Rechengrößenver- ordnung 2006) (Drucksache 792/05) .. 411 C 25. Grünbuch der Kommission der Europäi- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 schen Gemeinschaften: Ausbau des Abs. 2 GG ...... 428*A europäischen Rahmens für Investment- fonds – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – 34. Verordnung zur Bestimmung der Bei- (Drucksache 595/05) ...... 411 C träge und der Beitragszuschüsse in der Beschluss: Stellungnahme ...... 427*D Alterssicherung der Landwirte für 2006 (Beitragsverordnung Landwirtschaft 2006) 26. Vorschlag für einen Rahmenbeschluss (Drucksache 793/05) ...... 411 C des Rates über den Austausch von Infor- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 mationen nach dem Grundsatz der Ver- Abs. 2 GG ...... 428*A fügbarkeit – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 770/05) ...... 419 C 35. Verordnung zur Neuordnung der Ver- Beschluss: Stellungnahme ...... 419 D schreibungspflicht von Arzneimitteln (Drucksache 794/05) ...... 411 C 27. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 schen Parlaments und des Rates über das Abs. 2 GG nach Maßgabe der beschlos- Inverkehrbringen pyrotechnischer Er- senen Änderungen – Annahme einer zeugnisse – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – Entschließung ...... 428*B (Drucksache 773/05) ...... 411 C 36. Vierunddreißigste Verordnung zur Ergän- Beschluss: Stellungnahme ...... 427*D zung der Anlage zum Hochschulbauför- derungsgesetz (Drucksache 797/05) ... 411 C 28. Geänderter Vorschlag für eine Verord- nung des Europäischen Parlaments und Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 des Rates über öffentliche Personenver- Abs. 2 GG ...... 428*A IV Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005

37. … Verordnung zur Durchführung des Bun- 45. Entwurf eines Gesetzes zur Verringe- des-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung rung steuerlicher Missbräuche und Um- über die Lärmkartierung – … BImSchV) gehungen – Antrag des Landes Hessen (Drucksache 710/05) ...... 420 A gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache Rainer Wiegard (Schleswig-Hol- 890/05) ...... 423 D stein) ...... 420 A Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 setzentwurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG Abs. 2 GG in der festgelegten Fas- beim Deutschen Bundestag – Erneute Bestellung von Staatsminister Karl- sung – Annahme einer Entschließung . 421 A heinz Weimar (Hessen) zum Beauftrag- ten des Bundesrates gemäß § 33 GO BR 424 A 38. Dritte Verordnung zu Beschlüssen der Kommission nach Artikel 13 des Überein- 46. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung kommens zum Schutz der Meeresumwelt von Fusionsprozessen von Krankenkas- des Nordostatlantiks (3. OSPAR-Verord- sen – gemäß Artikel 76 Abs. 1 GG – An- nung) (Drucksache 798/05) ...... 411 C trag der Länder Niedersachsen, Sachsen- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Anhalt und Baden-Württemberg, Sach- Abs. 2 GG ...... 428*A sen gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Druck- sache 874/05) ...... 424 A 39. 40. Verordnung zur Änderung stra- Elisabeth Heister-Neumann (Nieder- ßenverkehrsrechtlicher Vorschriften sachsen) ...... 430*D (40. StVRÄndV) (Drucksache 813/05) .. 421 A Mitteilung: Überweisung an den zustän- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 digen Gesundheitsausschuss .... 424 A Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange- nommenen Änderungen ...... 421 B 47. Entwurf eines … Gesetzes zur Erleichte- rung der Verwaltungsreform in den Län- 40. 15. Verordnung zur Änderung der dern (… Zuständigkeitslockerungsge- Straßenverkehrs-Ordnung (Drucksache setz) – Antrag des Landes Hessen gemäß 824/05) ...... 421 B § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 885/05) 424 A Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- Abs. 2 GG ...... 421 B setzentwurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG beim Deutschen Bundestag – Erneute 41. Allgemeine Verwaltungsvorschrift über Bestellung von Staatsminister Volker die Erfassung der Wehrpflichtigen Bouffier (Hessen) zum Beauftragten (Wehrerfassungsverwaltungsvorschrift – des Bundesrates gemäß § 33 GO BR . 424 B WErfVwV) (Drucksache 796/05) .... 423 D 48. Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 schweren Wiederholungstaten durch An- Abs. 2 GG nach Maßgabe der festge- ordnung der Unterbringung in der Siche- legten Änderungen ...... 423 D rungsverwahrung bei sogenannten Erst- tätern – gemäß Artikel 76 Abs. 1 GG – 42. Benennung von zwei Vertretern des Bun- Antrag des Landes Mecklenburg-Vor- desrates im Mittelstandsrat der Kredit- pommern gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – anstalt für Wiederaufbau – gemäß § 7a (Drucksache 876/05) ...... 415 B Abs. 1 KredAnstWiAG – (Drucksache (Mecklenburg-Vor- 743/05) ...... 411 C pommern) ...... 415 B Beschluss: Zustimmung zu den Empfeh- Alfred Hartenbach, Parl. Staats- lungen des Wirtschaftsausschusses in sekretär bei der Bundesministerin Drucksache 743/1/05 ...... 428*C der Justiz ...... 416 B

43. Verfahren vor dem Bundesverfassungs- Mitteilung: Überweisung an die zustän- gericht (Drucksache 823/05) ..... 411 C digen Ausschüsse ...... 417 D

Beschluss: Von einer Äußerung und ei- 49. Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung nem Beitritt wird abgesehen ....428*C von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von For- 44. Gesetz über die Statistik zur Informati- derungen (Forderungssicherungsgesetz – onsgesellschaft (Informationsgesell- FoSiG) – Antrag der Länder Thüringen, schaftsstatistikgesetz – InfoGesStatG) Sachsen, Sachsen-Anhalt gemäß § 36 (Drucksache 877/05) ...... 411 C Abs. 2 GO BR – (Drucksache 878/05) .. 417 D Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 Gerold Wucherpfennig (Thüringen) . 417 D Abs. 1 GG ...... 427*B Curt Becker (Sachsen-Anhalt) 418 C, 429*D Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 V

Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- 54. 29. Verordnung zur Änderung der Stra- setzentwurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG ßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung – An- beim Deutschen Bundestag – Bestel- trag des Landes Rheinland-Pfalz gemäß lung von Staatsminister Geert Macken- § 23 Abs. 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 GO BR und roth (Sachsen) zum Beauftragten des des Freistaats Thüringen – (Drucksache Bundesrates gemäß § 33 GO BR ... 418 D 812/05) ...... 421 B Gerold Wucherpfennig (Thüringen) . 421 B 50. Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung Tanja Gönner (Baden-Württemberg) 422 A des Strafvollzugsgesetzes – Antrag des Karin Roth, Parl. Staatssekretärin Landes Hessen gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – beim Bundesminister für Verkehr, (Drucksache 886/05) ...... 424 B Bau und Stadtentwicklung 422 D, 430*C Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 setzentwurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG Abs. 2 GG in der festgelegten Fas- beim Deutschen Bundestag – Bestel- sung – Annahme einer Entschließung 423 C, D lung von Staatsminister Jürgen Banzer (Hessen) zum Beauftragten des Bun- 55. Erstes Gesetz zur Änderung des Zweiten desrates gemäß § 33 GO BR ..... 424 C Buches Sozialgesetzbuch (Drucksache 893/05) ...... 410 A 51. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Christa Stewens (Bayern) ..... 410 A der Grundbuchordnung und anderer Ge- setze – Antrag des Landes Hessen gemäß Dr. Harald Ringstorff (Mecklenburg- Vorpommern) ...... § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 887/05) 424 C 427*A Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 104a Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- Abs. 3 GG ...... 411 C setzentwurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG beim Deutschen Bundestag – Bestel- 56. Entwurf eines Gesetzes über die Besteue- lung von Staatsminister Jürgen Banzer rung des Spieleinsatzes (Spieleinsatz- (Hessen) zum Beauftragten des Bun- steuergesetz – SpEStG) – gemäß Arti- desrates gemäß § 33 GO BR ..... 424 D kel 76 Abs. 1 GG – Antrag der Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein – 52. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Geschäftsordnungsantrag des Freistaats Jugendstrafrechts und zur Verbesserung Thüringen – (Drucksache 584/02) und Beschleunigung des Jugendstrafver- fahrens – gemäß Artikel 76 Abs. 1 GG – Mitteilung: Absetzung von der Tagesord- Antrag des Landes Hessen gemäß § 36 nung ...... 397 C Abs. 2 GO BR – (Drucksache 888/05) 57. Neubenennung von Vertreterinnen und Mitteilung: Absetzung von der Tagesord- Vertretern in Beratungsgremien der nung ...... 397 C Europäischen Union (hier: Gremien, in denen die Vertreterinnen und Vertreter 53. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der seit 2002 tätig sind) – gemäß § 4 Abs. 1 Selbstverwaltung der Rechtsanwalt- und § 6 Abs. 1 und 2 EUZBLG i.V.m. Ab- schaft – Antrag des Landes Hessen ge- schnitt II und IV der Bund-Länder-Ver- mäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache einbarung – (Drucksache 780/05) .... 411 C 889/05) ...... 424 D Beschluss: Zustimmung zu dem Vor- schlag des Ständigen Beirates in Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- Drucksache 780/05 ...... 428*C setzentwurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG beim Deutschen Bundestag – Bestel- lung von Staatsminister Jürgen Banzer Nächste Sitzung ...... 425 C (Hessen) zum Beauftragten des Bun- desrates gemäß § 33 GO BR ..... 424 D Feststellung gemäß § 34 GO BR .... 425 A/C VI Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005

Verzeichnis der Anwesenden

Vorsitz: Berlin:

Präsident Peter Harry Carstensen, , Regierender Bürgermeister Ministerpräsident des Landes Schleswig-Hol- stein Harald Wolf, Bürgermeister und Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen Amtierender Präsident Dr . H a r a l d Ingeborg Junge-Reyer, Senatorin für Stadtent- R i n g s t o r f f , Ministerpräsident des Lan- wicklung des Mecklenburg-Vorpommern – zeitweise –

Brandenburg: Schriftführerin: , Ministerpräsident Dr. Beate Merk (Bayern) Jörg Schönbohm, Minister des Innern

Ulrich Junghanns, Minister für Wirtschaft

Amtierende Schriftführerin:

Dr. Kerstin Kießler (Bremen) Bremen:

Jens Böhrnsen, Präsident des Senats, Bürger- meister, Senator für kirchliche Angelegenhei- ten und Senator für Justiz und Verfassung Baden-Württemberg: Thomas Röwekamp, Bürgermeister, Senator für Günther H. Oettinger, Ministerpräsident Inneres und Sport

Tanja Gönner, Umweltministerin Dr. Kerstin Kießler, Staatsrätin, Bevollmächtigte der Freien Hansestadt Bremen beim Bund und für Europa Prof. Dr. Wolfgang Reinhart, Minister und Bevollmächtigter des Landes Baden-Württem- berg beim Bund

Hamburg:

Birgit Schnieber-Jastram, Zweite Bürgermeiste- Bayern: rin und Senatorin, Präses der Behörde für Soziales und Familie Dr. , Ministerpräsident

Eberhard Sinner, Staatsminister, Leiter der Staatskanzlei Hessen: Emilia Müller, Staatsministerin für Bundes- und , Ministerpräsident Europaangelegenheiten Jochen Riebel, Minister für Bundes- und Europa- Christa Stewens, Staatsministerin für Arbeit und angelegenheiten und Bevollmächtigter des Sozialordnung, Familie und Frauen Landes Hessen beim Bund

Dr. Beate Merk, Staatsministerin der Justiz Jürgen Banzer, Minister der Justiz Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 VII

Mecklenburg-Vorpommern: Saarland:

Dr. Harald Ringstorff, Ministerpräsident Peter Jacoby, Minister der Finanzen

Prof. Dr. Wolfgang Methling, Umweltminister

Erwin Sellering, Justizminister Sachsen:

Prof. Dr. Georg Milbradt, Ministerpräsident

Thomas Jurk, Staatsminister für Wirtschaft und Niedersachsen: Arbeit

Christian Wulff, Ministerpräsident Geert Mackenroth, Staatsminister der Justiz

Walter Hirche, Minister für Wirtschaft, Arbeit Hermann Winkler, Staatsminister und Chef der und Verkehr Staatskanzlei

Elisabeth Heister-Neumann, Justizministerin

Hans-Heinrich Ehlen, Minister für den ländli- Sachsen-Anhalt: chen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Prof. Dr. Wolfgang Böhmer, Ministerpräsident

Hans-Heinrich Sander, Umweltminister Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué, Minister der Finan- zen

Curt Becker, Minister der Justiz

Nordrhein-Westfalen: Gerry Kley, Minister für Gesundheit und Sozia- les Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innova- tion, Wissenschaft, Forschung und Technolo- gie

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Schleswig-Holstein: Gesundheit und Soziales Dr. Ralf Stegner, Innenminister Michael Breuer, Minister für Bundes- und Euro- paangelegenheiten Rainer Wiegard, Finanzminister

Armin Laschet, Minister für Generationen, Fami- lie, Frauen und Integration Thüringen:

Dieter Althaus, Ministerpräsident

Rheinland-Pfalz: Gerold Wucherpfennig, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der , Ministerpräsident Staatskanzlei

Gernot Mittler, Minister der Finanzen Harald Schliemann, Justizminister VIII Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005

Von der Bundesregierung: Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit beim Bundesminister der Finanzen und Soziales Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Ernährung, Landwirtschaft Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen und Verbraucherschutz

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin für Gesundheit Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil- dung und Forschung Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwick- Hildegard Müller, Staatsministerin bei der Bun- lung deskanzlerin Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bun- minister für Umwelt, Naturschutz und Reak- desminister des Innern torsicherheit Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 395

(A) (C) Redetext

818. Sitzung

Berlin, den 21. Dezember 2005

Beginn: 9.31 Uhr Am 16. Dezember 1942 – fast auf den Tag genau vor 63 Jahren – unterzeichnete Heinrich Himmler als so genannter „Reichsführer SS“ und Leiter des Präsident Peter Harry Carstensen: Meine sehr ge- Reichssicherheitshauptamtes ein Dokument der Bar- ehrten Damen und Herren, ich eröffne die 818. Sit- barei und der Unmenschlichkeit, den so genannten zung des Bundesrates. „Auschwitz-Erlass“. Dieser Befehl leitete die letzte „Die Wahrheit ist schmerzlich, aber nur mit ihr Station einer mörderischen Kette von Diskriminie- können wir unser Glück aufbauen!“ – Dieser Satz rung und Verfolgungsmaßnahmen gegen Sinti und wurde von einer starken Frau geschrieben, von der Roma ein. Schriftstellerin und Mahnerin Philomena F r a n z . Unter Geheimhaltung wurden die Betroffenen fa- Sie schreibt gegen das Vergessen. milienweise verhaftet, ihr Eigentum mussten sie zu- Als Sintezza wurde sie von den Nationalsozialisten rücklassen; Geld, Wertgegenstände, Ausweispapier nach Auschwitz verschleppt. Ihr wurde die Nummer wurden ihnen geraubt. Über Gefängnisse und Zwi- Z 10550 auf den Unterarm tätowiert. Ihre Eltern und schenlager kamen diese Menschen nach Auschwitz- (B) (D) fünf Geschwister sind in den Lagern erschlagen, ver- Birkenau, in ein speziell abgegrenztes Areal dieses gast, verbrannt worden. Philomena Franz überlebte Vernichtungslagers. Dort mussten sie unter entsetz- die Qualen. Sie hat unter Tränen die Leidensge- lichsten Umständen leben. Im Jahr 1943 wurden über schichte ihrer Familie zu Papier gebracht. Damit gibt 20 000 Sinti und Roma nach Auschwitz-Birkenau de- sie – so denke ich – den vielen, vielen Verstummten portiert, wo die meisten der 23 000 Insassen an Hun- eine Stimme. Und sie verpflichtet uns, unsere deut- ger, Krankheiten, Misshandlungen und medizini- sche Geschichte anzunehmen. schen Experimenten starben.

Deshalb ist es eine wichtige Tradition, dass der In einer Nacht Anfang August 1943 wurde dieser Bundesrat seit 1994 alljährlich in seiner letzten Sit- Teil des Lagers Auschwitz liquidiert. Ein Augen- zung vor Weihnachten ein Zeichen der Erinnerung zeuge berichtete 1964 im Frankfurter Auschwitzpro- setzt. zess darüber. Dort heißt es:

Eine große Gruppe unter den Opfern des Völker- Fürchterliche Szenen spielten sich ab: Frauen mordes während der nationalsozialistischen Terror- und Kinder lagen vor Mengele und Boger auf herrschaft ist die der Sinti und Roma – verkannt, ver- den Knien und riefen „Erbarmen, erbarmen Sie achtet und verfolgt. Ihr Schicksal liest sich für sie sich!“ – Es hat alles nichts genützt. Sie wurden nach 1933, wie für Juden, für Menschen mit Behinde- brutal zusammengeschlagen und getreten und rungen, für Homosexuelle, wie eine Chronologie des auf die Lastwagen gestoßen. Es war eine fürch- Grauens. terliche, grausame Nacht … Die Geschlagenen blieben reglos liegen und wurden auf die Last- Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden sie wagen geschmissen. gezwungen, ihre Wohnsitze nicht mehr zu verlassen. Die große Mehrheit der deutschen und österreichi- So weit der Augenzeuge. schen Sinti und Roma wurde in Lagern interniert. Im Frühjahr 1940 begann die systematische Deportation Schätzungen sprechen von bis zu 500 000 Sinti und aus dem Deutschen Reich in das besetzte polnische Roma aus ganz Europa, die dem Rassenwahn der Na- Generalgouvernement, wo die Verschleppten in La- tionalsozialisten und dem an ihnen systematisch ge- ger, Ghettos und in Dörfer gebracht und zur Zwangs- planten Völkermord zum Opfer fielen. Sie wurden er- arbeit eingesetzt wurden. Jeder Fluchtversuch oder mordet ohne die geringste Schuld. Sie waren Opfer die Rückkehr in das Reichsgebiet wurde hart be- uralter Vorurteile. Sie waren Opfer von kaltem Hass straft. und tödlicher Feindschaft. 396 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 Präsident Peter Harry Carstensen (A) (C) Zur Erinnerung an die Vernichtung von Roma und früher fertig wird, ist auch für die Überlebenden ein Sinti in Europa durch die Nationalsozialisten stehen guter Tag. die Namen der Konzentrationslager und Vernich- Meine Damen und Herren, wir müssen der Wahr- tungsstätten Auschwitz, Majdanek, Treblinka, heit ins Gesicht sehen. Und doch reicht es nicht aus, Chelmno und Litzmannstadt in Polen, Stutthof bei nur zurückzublicken. Danzig, Groß-Rosen in Schlesien, Ravensbrück, Sachsenhausen und Buchenwald, Theresienstadt in Wie viele Menschen wissen heute, dass Sinti und Böhmen, Mauthausen und Lackenbach in Österreich, Roma seit mehr als tausend Jahren in Europa leben? Dachau, Bergen-Belsen und Neuengamme, stehen In Schleswig-Holstein sind sie eine traditionell behei- etwa die Namen Natzweiler-Struthof und Montreuil matete Minderheit. Ihre erste urkundliche Erwäh- in Frankreich, Jasenovac und Zemun-Belgrad im nung ist aus dem Jahr 1417 überliefert. ehemaligen Jugoslawien und das Massaker von Babi Jar bei Kiew in der Ukraine. Wer weiß, welche Berufe sie ausgeübt haben? Wer kennt ihre kulturellen Traditionen? Der grausame Völkermord an den Sinti und Roma darf und soll nie vergessen werden. Besonders jün- Wer würdigt ihren Beitrag zu unserer Kultur? gere Menschen müssen die Chance haben, die Ge- Wer kennt den Klang ihrer Sprache? schichte und die Kultur der Sinti und Roma kennen zu lernen, damit sie verstehen: Sinti und Roma sind Ich bin dem in Lübeck arbeitenden Schriftsteller keine Fremden. Sie gehören zu Deutschland, und sie und Literaturnobelpreisträger Günter Grass dank- gehören zu Europa. bar dafür, dass er eine „Stiftung zu Gunsten des Romavolkes“ gegründet hat. Zweck der Stiftung ist Für mich gibt es Zeichen der Zuversicht. In Schles- es laut Satzung, „das Verständnis für die Eigenarten wig-Holstein versammelt sich seit einigen Jahren am des Romavolkes zu fördern und über seine kulturelle 16. Mai eine kleine Gruppe von Menschen. Sie spre- und soziale Lage in Geschichte und Gegenwart auf- chen miteinander, hören Musik, legen Blumen nie- zuklären“. Ich meine, diese Aufgabenstellung ist ver- der. Sie erinnern damit an den Tag des Jahres 1940, dienstvoll. Und sie ist auch nötig. an dem der größte Teil der bei uns in Schleswig-Hol- stein lebenden Sinti und Roma deportiert wurde. Meine Damen und Herren, unter unseren Gästen Diese Deportation war der Beginn eines Martyriums sind heute Überlebende des nationalsozialistischen für die Menschen: KZ-Haft, Hunger, Krankheit, me- Völkermordes, Angehörige und Nachkommen der dizinische Experimente und Zwangsarbeit. In vielen Opfer. Unter unseren Gästen sind auch Mitglieder Fällen endete es erst mit dem Tod oder es war der von Organisationen, die die Sinti und Roma in Auftakt zur fabrikmäßigen Vernichtung in der Gas- Deutschland vertreten. Ihre Anwesenheit führt die (B) kammer. Nicht alle Zahlen sind bekannt, aber sicher besondere Bedeutung dieser Sitzung des Bundesra- (D) ist, dass es 105 der 141 in Kiel festgestellten Sinti und tes vor Augen. Ich begrüße Sie im Namen des gesam- Roma waren, die an diesem Tag verschleppt wurden, ten Hohen Hauses von Herzen. 64 aus Lübeck, 50 aus Neumünster, 50 aus Flensburg, Unsere Gäste repräsentieren heute rund 70 000 zehn aus Oldenburg und vier aus Rendsburg. deutsche Sinti und Roma, die als alteingesessene na- tionale Minderheit in Deutschland durch das „Rah- An einem bescheidenen und doch eindringlichen menübereinkommen des Europarates zum Schutze Gedenkstein mitten in der Landeshauptstadt Kiel nationaler Minderheiten“ – ebenso wie die dänische, verneigen sich die Menschen am 16. Mai vor den die friesische und die sorbische Minderheit – ge- schleswig-holsteinischen Opfern der nationalsozialis- schützt werden. Durch Gesetz vom 22. Juli 1997 ha- tischen Verbrechen gegen die Sinti und Roma. ben der Deutsche Bundestag und der Bundesrat dem Der Völkermord an den Sinti und Roma darf und Rahmenübereinkommen zugestimmt. Dies zeigt den soll nicht vergessen werden. Deshalb ist auch das hohen Stellenwert, den die Bundesrepublik Deutsch- zentrale Mahnmal so wichtig, das hier in unserer land dem Schutz der nationalen Minderheiten bei- Bundeshauptstadt errichtet werden soll. Es ist misst. schade, dass die Frage der Inschrift bisher nicht ge- Ich meine, dieses Übereinkommen darf nicht blo- klärt werden konnte. Es ist wichtig, dass dieses ßes bedrucktes Papier bleiben, sondern muss mit Le- Mahnmal errichtet wird, um so an das Leid der vielen ben erfüllt werden. Das sind wir den Opfern von Dis- Menschen zu erinnern, die erbarmungslos vernichtet kriminierung und Verfolgung schuldig, besonders wurden, weil sie dem nationalsozialistischen Rassen- den Opfern des nationalsozialistischen Völkermor- wahn zum Opfer fielen. des. Wir müssen uns aber auch aus eigenem Willen und um unser selbst willen dafür stark machen. Die Ich weiß, dass die Realisierung noch schwierige Stärke unserer demokratischen Gesellschaft – einer Fragen aufwirft. Und ich kann ahnen, welche Gesellschaft, in der die Mehrheit entscheidet – zeigt Schmerzen manch einer empfindet, wenn er Antwor- sich gerade darin, wie sie mit den Minderheiten um- ten geben soll auf Fragen, die mit dem Mahnmal und geht, die in ihr leben. seiner Inschrift verbunden sind. Ich wünsche mir aber, dass es gelingen möge, das würdige Werk zu Die Sinti und Roma deutscher Staatsangehörigkeit vollenden. Deshalb wünsche ich denjenigen, die sich sind deutsche Bürgerinnen und Bürger mit eigenen noch Sorgen machen, die Kraft und den Mut zu einer Gebräuchen, Sitten und kulturellen Traditionen, die Geste der Versöhnung. Jeder Tag, den das Mahnmal niemanden bedrohen und gegen deren Tolerierung Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 397 Präsident Peter Harry Carstensen (A) (C) es kein Argument gibt. Philomena Franz hat gesagt: Ich komme zur Tagesordnung. Sie liegt Ihnen in „Die Wahrheit ist schmerzlich, aber nur mit ihr kön- vorläufiger Form mit 57 Punkten vor. nen wir unser Glück aufbauen!“ – In diesem Sinne Die Tagesordnungspunkte 12, 15, 18 und 52 wer- wollen wir uns unserer Geschichte stellen und in ei- den abgesetzt. ner Schweigeminute der Menschen gedenken, die dem nationalsozialistischen Völkermord an den deut- Zu Tagesordnungspunkt 56 – Spieleinsatzsteuer- schen und europäischen Sinti und Roma zum Opfer gesetz – ist von Rheinland-Pfalz angekündigt wor- gefallen sind. Ich bitte Sie daher, meine Damen und den, dass der Behandlung des Punktes gemäß § 23 Herren, sich in ehrendem Gedenken von Ihren Plät- Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates wider- zen zu erheben. sprochen werde. Ich frage deshalb, ob Fristeinrede erhoben wird. (Die Anwesenden erheben sich) (Kurt Beck [Rheinland-Pfalz]: Ja, Herr Präsident!) Sie haben sich zum Gedenken von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen. – Fristeinrede wird erhoben. Dann wird auch dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt. Meine Damen und Herren, bevor ich mich der Ta- Zur Reihenfolge der Tagesordnung ist vorgesehen: gesordnung zuwende, habe ich gemäß § 23 Abs. 1 Die Punkte 4 bis 6 werden miteinander verbunden. unserer Geschäftsordnung Veränderungen in der Nach Tagesordnungspunkt 8 wird Punkt 55 behan- Mitgliedschaft bekannt zu geben: delt. Nach Tagesordnungspunkt 20 werden die Aus der Regierung des Freistaates Sachsen und da- Punkte 48 und 49 aufgerufen, nach Tagesordnungs- mit aus dem Bundesrat ist am 22. November 2005 punkt 40 schließlich wird Punkt 54 behandelt. Herr Staatsminister Dr. Thomas d e M a i z i è r e Im Übrigen bleibt es bei der ausgedruckten Rei- ausgeschieden. Die Staatsregierung hat am 29. No- henfolge der Tagesordnung. vember 2005 Herrn Staatsminister Dr. Albrecht B u t t o l o zum stellvertretenden Mitglied des Bun- Gibt es Wortmeldungen zur Tagesordnung? – Das desrates bestellt. sehe ich nicht.

Aus der Regierung des Landes Niedersachsen und Dann ist sie so festgestellt. damit aus dem Bundesrat ist am 22. November 2005 Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 1: Frau Ministerin Dr. Ursula v o n d e r L e y e n aus- geschieden. Die Landesregierung hat am 13. De- Erklärung der Bundeskanzlerin zember 2005 Frau Ministerin Mechthild R o s s - Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel, die wir sehr L u t t m a n n zum stellvertretenden Mitglied des herzlich begrüßen, hat um das Wort gebeten. Bitte, (B) Bundesrates bestellt. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben das Wort. (D) Aus der Regierung des Landes Hessen und damit aus dem Bundesrat ist am 23. November 2005 Herr Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Herr Präsi- Staatsminister Dr. Christean Wa g n e r ausgeschie- dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es den. Die Landesregierung hat am 29. November 2005 gibt in diesem Hause die gute Tradition, dass neu ge- Herrn Staatsminister Jürgen B a n z e r zum Mit- wählte Bundeskanzler dem Bundesrat ihr Regie- glied des Bundesrates bestellt. rungsprogramm erläutern. Ich folge dieser Tradition sehr gerne und bedanke mich für die Gelegenheit, Aus der Regierung des Freistaates Bayern und da- heute hier zu Ihnen sprechen zu dürfen. mit aus dem Bundesrat ist am 29. November 2005 Herr Staatsminister Dr. Otto W i e s h e u ausge- Zuerst möchte ich Ihnen, Herr Ministerpräsident, schieden. Die Staatsregierung hat am 13. Dezember lieber Peter Harry Carstensen, nachträglich dazu 2005 das bisher stellvertretende Mitglied Frau Staats- gratulieren, dass der Bundesrat Sie zum Präsidenten ministerin Emilia M ü l l e r als ordentliches Mit- für das neue Geschäftsjahr gewählt hat. Ich wünsche glied des Bundesrates benannt und Herrn Staatssek- Ihnen im Namen der neuen Bundesregierung viel retär Dr. Otmar B e r n h a r d zum stellvertretenden Glück und Erfolg. Als langjähriges Mitglied des Mitglied des Bundesrates bestellt. Deutschen Bundestages und als Ministerpräsident in Schleswig-Holstein kennen Sie die Bundes- und die Den ausgeschiedenen Mitgliedern danke ich für Landesebene aus eigener Erfahrung. Ich bin mir des- ihre Arbeit in den Organen des Bundesrates. Beson- halb sicher, dass die fruchtbare Zusammenarbeit der ders danke ich Herrn Staatsminister Dr. Wiesheu für Verfassungsorgane mit Ihnen als einem Mann des seine Arbeit als Vorsitzender des Wirtschaftsaus- Ausgleichs die besten Voraussetzungen hat. schusses. Die neue Bundesregierung ihrerseits wird alles da- Außerdem danke ich Herrn Ministerialdirektor ransetzen, mit dem gesamten Bundesrat vertrauens- Dr. Rothenpieler, der heute zum letzten Mal voll zusammenzuarbeiten. Ich sehe es als gutes Sig- als Bevollmächtigter des Freistaates Bayern an einer nal an, dass eine ganze Reihe eilbedürftiger Gesetze Sitzung des Bundesrates teilnimmt, für seine Arbeit der neuen Regierung noch auf die Tagesordnung der insbesondere im Ständigen Beirat. heutigen Sitzung genommen wurde. Hierfür wurde sogar der Sitzungstermin in die Vorweihnachtswoche Den neuen Mitgliedern wünsche ich mit uns allen verlegt. Ich bedanke mich dafür bei Ihnen allen sehr eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. herzlich. Das ist ein hoffnungsvolles Signal. 398 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (A) (C) Herr Präsident, in Ihrer Ansprache haben Sie an mit den Schwächeren. So verstanden bedeutet der die Verfolgung der Sinti und Roma durch das Nazi- Föderalismus auch im 21. Jahrhundert einen Vorteil regime erinnert, an das Leid der Opfer und an das für Deutschland, keineswegs einen Hemmschuh, wie Leid der Überlebenden. Auch 60 Jahre später gehö- manche es uns immer wieder glauben machen wol- ren diese schrecklichen Geschehnisse unverändert len. zum kollektiven Gedächtnis unserer Nation. Es ist unser aller Aufgabe, es zu bewahren, damit Men- In einer Gesellschaft, in der die Verteilungsspiel- schen nie wieder zu Opfern von Intoleranz, Diskrimi- räume geringer werden, machen wir aber die Erfah- nierung und Hass werden. Ich möchte den anwesen- rung, dass es dem einen Teil des Gesamtstaates nur den Vertretern der Sinti und Roma versichern, dass gut gehen kann, wenn auch die anderen Teile erfolg- sich die Bundesregierung entschlossen für dieses Ziel reich sind. Das gemeinsame Verantwortungsbe- einsetzen wird. wusstsein aller staatlichen Ebenen bleibt deshalb notwendige Voraussetzung für den Zusammenhalt Meine Damen und Herren, zum historischen unseres Landes. Von ihm hängt wesentlich das Selbstverständnis unserer Nation gehört elementar Gelingen der vor uns stehenden nationalen Kraft- unsere föderale Ordnung. Die Vertretung der Länder anstrengung ab. in einem eigenen Verfassungsorgan auf Bundes- ebene gab es bekanntlich lange, bevor sich die parla- Natürlich sind Sie weiterhin den Interessen Ihrer mentarische Demokratie und die Republik als Regie- Länder verpflichtet. Das gebietet schon die Achtung rungs- und Staatsform durchsetzen konnten. Es ist vor dem demokratischen Souverän, der Sie in Ihr Ausdruck dieser geschichtlichen Kontinuität, dass Amt berufen hat wie mich in das meinige. Ich bin mir die Menschen in der ehemaligen DDR 1989/90 nach aber sicher, dass Sie aus Überzeugung auch eine der Durchsetzung von freien Wahlen als Erstes da- tiefe Verantwortung für den Bundesstaat, für das rangingen, ihre alten Länder wieder zu errichten. große Ganze empfinden. Ich hebe die Bedeutung von staatspolitischer Tradi- Die nächsten Jahre werden im Zeichen außerge- tion und Institutionen hervor, nicht nur weil meine wöhnlicher Herausforderungen für das große Ganze Rede einer solchen Tradition entspringt, sondern stehen. Die neue Bundesregierung hat sich viel vor- auch aus zwei anderen Gründen: genommen. Sie will eine Regierung der Taten sein. Im Mittelpunkt stehen Maßnahmen, die die Rahmen- Erstens gehören die Vielfalt der Länder und Regio- bedingungen für mehr Wachstum und Beschäftigung nen, die landsmannschaftliche Verbundenheit der verbessern – auf dem Arbeitsmarkt, bei Steuern, Menschen und die bewusste Absage an einen allzu- beim Abbau von Bürokratie, bei Innovation und For- ständigen Zentralstaat elementar zu dem, was schung sowie bei den sozialen Sicherungssystemen, Deutschland stark und liebenswert macht. Deutsch- um nur einige der wichtigsten Bereiche zu nennen. (B) land wäre nicht Deutschland ohne seine Länder. Das kann aber nur gelingen, wenn die Menschen in (D) unserem Land wieder mehr Vertrauen in die Politik 1946 warb die SED mit dem Wahlslogan „Einheit fassen – Vertrauen, weil sich die Politik als verlässlich bedeutet Aufstieg, Föderalismus bedeutet Nieder- und berechenbar erweist. Nur dann kann es gelin- gang“. Für mich ist mit dem Scheitern dieses verhee- gen, dass wir Deutschland in den nächsten zehn Jah- renden Politikansatzes auch ganz persönlich klar: ren wieder unter die ersten Drei in Europa führen. Ohne Vielfalt gibt es kein lebenswertes Deutschland. Die neue Bundesregierung wird alles tun, damit der Verlässlichkeit erfordert, dass wir die greifbar nahe historisch gewachsene Charakter unseres Landes le- vor der Umsetzung stehenden Reformprojekte wirk- bendig erhalten bleibt. Wir wollen starke Länder und lich zu einem Erfolg werden lassen. Dazu gehört für Kommunen mit eigenen Entscheidungsräumen und mich an vorderster Stelle die Reform der bundes- stabilen finanziellen Verhältnissen. staatlichen Ordnung. Die Debatte darüber führen wir schon seit Jahrzehnten. In Vorbereitung auf diese Zweitens werden Institutionen und Traditionen im Rede habe ich einen bemerkenswerten Satz von Kurt 21. Jahrhundert nicht unwichtiger. Im Gegenteil, sie Georg K i e s i n g e r , bekanntlich Kanzler der ers- werden immer unverzichtbarer. Sie bilden das not- ten großen Koalition, gefunden. Er hat gefragt, „ob wendige Gegengewicht, um den rasanten Wandel in die Kompetenzordnung des Grundgesetzes noch allen Lebensbereichen und das Bedürfnis nach Stabi- zweckmäßig ist“. lität in einer Balance zu halten. In Sichtweite des Jahres 2006 können wir die Ant- Ich habe in meiner Regierungserklärung vor dem wort geben und eine Reform vorweisen. Wir haben Deutschen Bundestag dafür geworben, dass wir alle die Chance, dass Deutschland künftig entschlosse- miteinander mehr Freiheit wagen sollten. Ich bin ner, transparenter und leichter regiert werden kann. überzeugt davon, dass dies der beste Weg ist, um die Ich appelliere deshalb an alle Beteiligten, das ihnen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfolgreich Mögliche beizutragen, damit das Reformpaket mit bestehen zu können. der notwendigen Sorgfalt, aber doch rasch verab- Dafür brauchen wir die Kreativität, die sich aus der schiedet werden kann. In dem Gespräch mit den Mi- Vielfalt entwickelt. Dafür brauchen wir praxisge- nisterpräsidenten am Mittwoch vergangener Woche rechte Lösungen der Länder und Kommunen, die nä- sind wir übereingekommen, die Gesetzentwürfe her an den Problemen der Menschen sind. Dafür rasch auf den Weg zu bringen. Noch vor der Som- brauchen wir aber auch Sicherheit und Kontinuität, merpause des nächsten Jahres wollen wir das Ge- Regeln für den Interessenausgleich und Solidarität setzgebungsverfahren zum Abschluss bringen. Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 399 Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (A) (C) Die Länder gewinnen mit den geplanten Änderun- Diese Maßnahmen sind aber nur zu rechtfertigen, gen des Grundgesetzes erhebliche Freiräume. Das wenn sie mit strukturellen Verbesserungen für ist gut und richtig so. Sie stehen nun vor der Auf- Wachstum und Beschäftigung einhergehen; denn gabe, diese neuen Spielräume für mehr Wachstum ohne Erfolge auf dem Arbeitsmarkt wird uns keine und Beschäftigung zu nutzen. Auch diese wachsende der anstehenden Reformen gelingen. Die neue Bun- eigene Verantwortung ist von uns gemeinsam ge- desregierung hat sich vorgenommen, genau diese wollt. verbesserten Rahmenbedingungen zu schaffen, in- dem sie auf den Dreiklang „Sanieren – Investieren – In einem nächsten Schritt wird es darum gehen, die Reformieren“ setzt. weitergehenden Fragen der föderalen Finanzbezie- hungen zu überprüfen. Die Bundesregierung wird Erstens. Wir werden die Mehreinnahmen aus der sich auch für dieses Vorhaben mit Nachdruck einset- Mehrwertsteuer auch für eine deutliche Senkung der zen. Lohnzusatzkosten einsetzen. Wir haben hierüber im Zuge der Koalitionsverhandlungen gesprochen, an Letztlich geht es bei der Föderalismusreform nicht denen viele von Ihnen beteiligt waren. Ich bin dank- nur um mehr Effizienz und Transparenz unserer bar, dass wir grundsätzliches Einvernehmen erzielen staatlichen Strukturen; es geht um die Akzeptanz konnten. Die Senkung des Beitragssatzes zur Ar- von politischen Entscheidungen in Deutschland beitslosenversicherung ist aus meiner Sicht ein sehr überhaupt. Das ist für mich die eigentliche Dimen- wichtiger Impuls für mehr Beschäftigung in unserem sion dessen, was in den nächsten Monaten vor uns Lande. liegt. Zweitens. Neben eine beschäftigungsfördernde Zu Akzeptanz von und Vertrauen der Bürgerinnen Lockerung des Kündigungsschutzes tritt der verbes- und Bürger in Politik gehört untrennbar die Konso- serte Einsatz von Maßnahmen der aktiven Arbeits- lidierung der öffentlichen Haushalte. Ohne solide marktpolitik. Wir werden die arbeitsmarktpolitischen Finanzen wird das Vertrauen der Bürger in die Hand- Instrumente auf den Prüfstand stellen und die aktive lungsfähigkeit des Staates nicht zurückkehren, im Arbeitsmarktpolitik grundlegend neu ausrichten. Übrigen auch nicht die Bereitschaft der Verbrauche- Unser besonderes Augenmerk wird dabei auf die rinnen und Verbraucher zu mehr Konsum und der Eingliederung junger Menschen und auf die Be- Wirtschaft zu mehr Investitionen. schäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeit- Die neue Bundesregierung hat sich deshalb zu nehmer gerichtet sein. Unter anderem haben wir den einem strukturellen Neuanfang in der Haushalts- Ländern angeboten, bis zu 50 000 über drei Jahre und Finanzpolitik entschieden. Wir wollen den Trend laufende Zusatzjobs für ältere Arbeitnehmer zu för- zu immer höherer Neuverschuldung brechen. Ab dern. 2007 sollen sowohl die Verschuldungsgrenze des Ar- (B) Drittens. Wir werden uns im nächsten Jahr mit den (D) tikels 115 Grundgesetz als auch das Defizitkriterium Themen „Kombilohn“ und „Niedriglohnbereich“ in- des Maastricht-Vertrages wieder eingehalten wer- tensiv auseinander setzen. Wir müssen dort Lösun- den. Das erfordert gewaltige Anstrengungen. Aber gen finden: einerseits um unsere Wettbewerbsfähig- wir sind bereit, sie zu unternehmen. keit in Europa sicherzustellen, andererseits um mehr Durch die in der Koalitionsvereinbarung vorgese- Menschen Beschäftigungsmöglichkeiten im Bereich henen Maßnahmen wird auch die Haushaltslage von einfacher Tätigkeiten einzuräumen. Ländern und Kommunen nachhaltig verbessert. Bis Viertens. Der Schritt, die Arbeitslosenhilfe und die 2009 ergeben sich hier unter dem Strich Entlastun- Sozialhilfe für erwerbsfähige Menschen zusammen- gen von mehr als 30 Milliarden Euro. Damit erhalten zuführen, ist unverändert richtig. Das Anlaufjahr die Länder neben den gesetzgeberischen die finan- 2005 hat jedoch gezeigt, dass wir in verschiedenen ziellen Spielräume, um auf ihrer Ebene mehr für Bereichen Anpassungen vornehmen müssen. Dazu Wachstum und Beschäftigung tun zu können. Sie gehören die Angleichung des Arbeitslosengeldes II werden zudem in die Lage versetzt, an der Konsoli- Ost an West, aber auch eine Korrektur bei der allzu dierung der Staatsfinanzen mitzuwirken. großzügigen Anerkennung von Bedarfsgemeinschaf- Der Bund kann die gewaltige Konsolidierungsauf- ten. gabe nicht alleine meistern. Angesichts der engen Die Bundesregierung hält sich an die Zusage, die finanzpolitischen Verflechtung kann dies nur eine Kommunen im Zuge der Einführung des Arbeits- gesamtstaatliche Aufgabe sein. Die Bundesregierung losengeldes II insgesamt um 2,5 Milliarden Euro jähr- strebt deshalb einen gesamtstaatlichen Pakt mit den lich zu entlasten. Sie hat vorgeschlagen – und folgt Ländern an, um den europäischen Stabilitäts- und damit weitgehend dem Votum des Bundesrates –, die Wachstumspakt zukünftig wieder dauerhaft einhal- Bundesbeteiligung an den Kosten für die Unterkunft ten zu können. für 2005 und 2006 auf 29,1 % festzuschreiben. Wir Wir alle sind uns der Tatsache bewusst, dass die sind dabei – ich sage das sehr deutlich – an die Sanierung der öffentlichen Haushalte allein über Grenze des finanziell Vertretbaren gegangen. Nach Ausgabenkürzungen nicht zu erreichen ist. Deshalb unseren Berechnungen dürfte dies mehr als ausrei- sind neben dem Abbau von Steuervergünstigungen chen, bundesweit die Kosten der Unterkunft zu tra- Einnahmeverbesserungen unverzichtbar, unter an- gen. Ich füge aber hinzu: Nun sind auch die Länder derem durch eine Anhebung der Umsatz- und der gefordert, für eine gerechte Verteilung auf Städte Versicherungsteuer. und Kreise zu sorgen. 400 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (A) (C) Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir dieses Gesetz- ben wir die Chance, jetzt viel zu bewegen. Wir alle gebungsverfahren heute abschließen könnten, nicht werden davon profitieren, meines Erachtens die Län- zuletzt um allen Beteiligten die notwendige Pla- der mit Aufholbedarf am meisten. nungssicherheit zu geben. Die Bundesregierung er- wartet und erhofft sich die Bereitschaft der Länder, Achtens. Mehr Raum für eigene Wege lassen und im Jahre 2006 konstruktiv an einer gesetzlichen Neu- die spezifischen Stärken fördern – das ist der Weg, regelung der Bundesbeteiligung mitzuwirken. den wir beim Aufbau Ost gehen sollten. Die reine Unterscheidung „Ost – West“ bei den Förderinstru- Fünftens. Zur Verbesserung des Investitionsstand- menten ist in dieser Form nicht mehr sehr zukunfts- ortes Deutschland brauchen wir eine rechtsform- trächtig. Wir wollen stärker auf die tatsächliche För- und finanzierungsneutrale Reform der Unterneh- derungswürdigkeit achten. Das ändert aber nichts mensbesteuerung mit international wettbewerbsfä- daran, dass die neuen Länder unsere besondere soli- higen Steuersätzen. Wir wollen im kommenden Jahr darische Hilfe benötigen und auch in Zukunft erhal- mit der Erarbeitung beginnen; in Kraft treten soll sie ten sollen. zum 1. Januar 2008. In diesem Zusammenhang möchte ich eine kurze Wir sind uns bewusst, dass dies auch das schwie- Bewertung des Ergebnisses des EU-Gipfels vom ver- rige Thema „Gewerbesteuer“ berühren wird. Hier gangenen Wochenende vornehmen. Mit der Eini- muss nach jahrelanger Diskussion gemeinsam mit gung zum Finanzrahmen 2007 bis 2013 hat der Euro- den Kommunen eine Lösung erarbeitet werden. päische Rat ein Zeichen gesetzt, dass das erweiterte Sechstens. Was durch günstigere Rahmenbedin- Europa entgegen aller Skepsis die Kraft besitzt, die gungen bei Arbeitsmarkt und Steuern aufgebaut europäische Integration voranzutreiben. Deutschland wird, darf durch instabile soziale Sicherungssysteme hat dabei eine vermittelnde Rolle eingenommen, nicht wieder zunichte gemacht werden. Auch hier ohne seine eigenen Interessen aus dem Auge zu ver- gilt der Grundsatz „Sanieren – Investieren – Refor- lieren. Wir wissen, dass Planungssicherheit gerade mieren“. für die neuen Länder an dieser Stelle von größter Wichtigkeit ist. Die große Koalition ist mit ihren Grundsatzbe- schlüssen zur gesetzlichen Rentenversicherung be- Ich freue mich, dass die Förderung aus den Struk- reit, weit reichende Anpassungen an die demografi- turfonds für die neuen Länder gegenüber dem schen Veränderungen der kommenden Jahrzehnte luxemburgischen Vorschlag noch einmal um durchzuführen. 225 Millionen Euro verbessert werden konnte. Zu- dem wird die jetzt mögliche private Kofinanzierung Wir haben uns vorgenommen, auch bei Gesundheit den Einsatz der EU-Mittel erleichtern. Zu begrüßen (B) und Pflege zu langfristig tragfähigen Lösungen zu ist auch, dass die Grenzregionen Bayerns zu Tsche- (D) kommen. Erst dann erhält der Leitsatz von der Nach- chien eine zusätzliche Förderung von 75 Millionen haltigkeit und Generationengerechtigkeit volle Gel- Euro erhalten werden. Mehr war angesichts der tung. Gerade diese beiden Bereiche haben aber viel- schwierigen Verhandlungssituation und des Vor-Ein- fältige Auswirkungen auf die Krankenhauslandschaft verständnisses mit dem luxemburgischen Paket in und die Pflegesituation in den Ländern. Wir wissen dieser Verhandlungsrunde nicht zu erreichen. das und werden es bei der Konzeption der Reform berücksichtigen. Wir werden eng mit ihnen zusam- Natürlich fühlt sich die Bundesregierung dem menarbeiten. Solidarpakt II verpflichtet. Über die Auswirkungen der Brüsseler Ergebnisse wird im nächsten Jahr im Siebentens. Es gibt wohl seit langem keinen Koali- tionsvertrag mehr, der so eindeutig auf den Abbau Zusammenhang mit den Bund-Länder-Finanzbezie- von Bürokratie, auf mehr Freiräume und schlankere hungen insgesamt zu diskutieren sein. Verfahren setzt. Das Gleiche gilt für die Innovations- Neuntens. Wir wollen einen Schwerpunkt auf Bil- freundlichkeit und die Förderung von Zukunftstech- dung, Ausbildung und Wissenschaft setzen. Mit der nologien, die uns besonders am Herzen liegen. Föderalismusreform sollen die Kompetenzen zwi- Dahinter steht ein Verständnis vom Staat, der sei- schen Bund und Ländern in Bildung und Forschung nen Bürgern etwas zutraut und auf ihre Kraft setzt, neu und besser verteilt werden. Die Länder bekom- bevor er selber eingreift. Dahinter steht auch ein Ver- men jetzt klarere Kompetenzen in einem ihrer Kern- ständnis von technologischem und wirtschaftlichem felder, der Schulpolitik. Sie erhalten mehr Autonomie Wandel, der für Deutschland vor allem Chancen bie- bei den Hochschulen. Ich bin mir sicher, die Länder tet und nicht etwa nur Gefahren bedeutet. werden diese größeren Spielräume vorausschauend und verantwortungsvoll ausfüllen. Ich werbe dafür, dass uns der Bundesrat bei diesen Vorhaben unterstützt. Wenig ist gewonnen, wenn die Der Bund wird sich für Vergleichbarkeit und Länder die Freiräume, die die Bundesregierung Transparenz einsetzen. Er wird Ausbildung und Wei- schaffen will, wieder mit eigener Bürokratie ausfül- terbildung fördern, und er wird sich intensiv um die len. Das Ziel, im Jahre 2010 3 % unseres Brutto- Forschungs- und Wissenschaftslandschaft kümmern. inlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aus- Unser gemeinsames Ziel ist ein modernes, leistungs- zugeben, ist ohne das Engagement der Länder nicht fähiges und gerechtes Bildungssystem. Der PISA- zu erreichen. Aber mit einer Gesetzgebung und einer Vergleich ist für uns ein Ansporn; wir haben im Übri- Innovationspolitik aus dem gleichen Geist heraus ha- gen gesehen, dass hier viel erreicht werden kann. Bei Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 401 Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (A) (C) der gerechten Verteilung von Bildungschancen ist in sucht. Liebe Frau Bundeskanzlerin, Sie verleihen Deutschland noch vieles zu leisten. damit Ihrem Respekt und Ihrer Wertschätzung ge- genüber dem Bundesrat Ausdruck. Das erkennen wir Dabei muss sich – davon bin ich überzeugt – die sehr wohl und freuen uns darüber. Rolle des Staates insgesamt verändern. Das betrifft den Bund wie die Länder. Statt von oben zu entschei- In der Tat werden die von der Bundesregierung an- den und Einzelheiten vorzugeben, brauchen wir gegangenen großen Herausforderungen nur bewäl- mehr Anreize zu Kreativität und Wettbewerb, zu tigt werden können, wenn die Verfassungsorgane Leistung und Eigenverantwortung. konstruktiv zusammenarbeiten. Zu diesen großen Herausforderungen zählt die Reform des Föderalis- Zehntens. Die neue Bundesregierung wird sich im mus. Ich denke, wir befinden uns dabei auf einem Rahmen ihrer Zuständigkeiten intensiv um die Fami- guten Weg. lien kümmern. Uns lässt die Kinderarmut in unserem Land nicht ruhen. Wir wollen die Eltern noch mehr Neben den innerstaatlichen Aufgaben sind wir vor als bisher bei der Vereinbarkeit von Familien- und die Aufgabe gestellt, Europa handlungsfähig und zu- Erwerbsarbeit unterstützen. Deshalb werden wir mit kunftsfähig zu machen. Deshalb begrüßt es der Bun- dem Elterngeld und den Modellprojekten für Mehr- desrat sehr, dass der Europäische Rat in Brüssel er- generationenhäuser neue Wege zu gehen versuchen folgreich abgeschlossen werden konnte. und Steuererleichterungen für Kinderbetreuung und Meine Damen und Herren, im Bundesrat kommen haushaltsnahe Dienstleistungen schaffen. die Ministerpräsidenten als selbstbewusste Vertreter Für den dringend notwendigen Ausbau der Kinder- ihrer Länder zusammen. Wir sind den Interessen un- betreuung kommt es zentral auf die Länder und serer Länder und dem Wohl unserer Bürgerinnen und Kommunen an. Der Bund wird sie, wie vereinbart, Bürger verpflichtet. In unserem föderalen System weiter nach Kräften unterstützen. kann und wird es nicht immer absolute Übereinstim- mung zwischen Bund und Ländern geben. Aber die Meine Damen und Herren, mehr denn je erwarten Vertreter des Bundes und die Vertreter der Länder die Menschen, dass die politisch Verantwortlichen in verbindet der gemeinsame Auftrag, den unsere Ver- Deutschland die notwendigen Weichenstellungen für fassung vorgibt: Wir tragen gemeinsam Verantwor- unser Land beherzt und zügig vornehmen. Die Men- tung für das Gemeinwesen. Deshalb sind wir in der schen haben angesichts der Probleme unseres Lan- Pflicht und setzen zuversichtlich auf das konstruktive des immer weniger Verständnis für das, was sie als Miteinander. reinen Parteienstreit empfinden. Dies betrifft – seien wir ehrlich – auch ein wenig das Verhältnis zwischen In diesem Sinne darf ich Ihnen, sehr verehrte Frau Bundesregierung und Bundesrat. Bundeskanzlerin, im Namen des gesamten Hohen (B) Hauses die stete Bereitschaft des Bundesrates zu (D) Wir sind daher verpflichtet, gemeinsam Erfolg zu konstruktiver Zusammenarbeit zusichern. Wir tra- haben. Und: Es gibt eine breite gemeinsame Basis gen Verantwortung für unsere Länder und sind uns bei der Einschätzung der Lage und bei den politi- der Verantwortung für den Bundesstaat, für das schen Zielen. In diesem Sinne freue ich mich auf die große Ganze, absolut bewusst. So schaffen wir Ver- Zusammenarbeit mit Ihnen. Für die Bewältigung der trauen, Zuversicht und Zukunft für unser Land. Herz- gemeinsamen Aufgaben wünsche ich Ihnen, verehr- lichen Dank, Frau Bundeskanzlerin! ter Herr Präsident, und uns allen gutes Gelingen. Ich persönlich bin sehr zuversichtlich, dass wir Deutsch- Meine Damen und Herren, wir kommen zu Tages- land in allen seinen Teilen in den kommenden Jah- ordnungspunkt 2: ren ein gutes Stück voranbringen können. – Ich Wahl des Vorsitzenden des Wirtschaftsaus- danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. schusses (Drucksache 843/05)

(Beifall) Gibt es Wortmeldungen dazu? – Das ist nicht der Fall.

Präsident Peter Harry Carstensen: Sehr geehrte Für diese Wahl liegt Ihnen ein Antrag des Präsi- Frau Bundeskanzlerin, liebe Angela Merkel, ich diums vor. danke Ihnen für Ihre Antrittsrede im Bundesrat und möchte es nicht versäumen, Ihnen im Namen des ge- Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte samten Hohen Hauses zu Ihrer Wahl zu gratulieren. ich um das Handzeichen. Sie haben unsere besten Wünsche für Ihre neue Auf- gabe. Dann ist so beschlossen.

Sie haben uns und der deutschen Öffentlichkeit mit Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 3: Ihrer klaren und programmatischen Regierungs- Fünftes Gesetz zur Änderung des Dritten Bu- erklärung und mit Ihrer heutigen Rede die Aufgaben, ches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze die wir gemeinsam zu lösen haben, in aller Deutlich- (Drucksache 854/05) keit vor Augen geführt. Ich sehe es meinerseits als ausgesprochen gutes Zeichen für die zukünftige Zu- Es liegt zunächst die Wortmeldung von Minister sammenarbeit, dass die Bundeskanzlerin den Bun- Professor Dr. Reinhart (Baden-Württemberg) vor. desrat schon so kurze Zeit nach ihrem Amtsantritt be- Bitte sehr, Herr Reinhart. 402 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005

(A) (C) Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden-Württem- sich verändernden Rahmenbedingungen angepasst berg): Herr Präsident! Frau Bundeskanzlerin! Meine werden kann. sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst herzli- In erster Linie sind hier die Unternehmen und die chen Dank dafür, dass im Bundesrat wichtige grund- Tarifpartner aufgerufen, bessere Instrumente zu ent- sätzliche Vorhaben der Berliner Koalition erläutert wickeln und dabei das Angebot zu erhöhen. Parallel wurden, insbesondere die nötigen Impulse für mehr hierzu müssen aber auch die staatlich finanzierten Beschäftigung. Denn darum geht es auch unter die- Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sem Tagesordnungspunkt. fortgeführt und zielgenauer eingestellt werden. Wir Ich freue mich, dass wir heute bereits über die ers- begrüßen es ausdrücklich, dass die Weiterbildungs- ten Gesetze der 16. Legislaturperiode beraten, damit förderung für ältere Arbeitnehmer im Rahmen des diese rechtzeitig zum Jahresbeginn 2006 in Kraft tre- SGB III nunmehr verlängert wird. ten können. Wir alle wissen, dass wir dringend neue Zweitens. Wir müssen beschäftigungshemmende Reformkonzepte verabschieden müssen, damit es mit Vorschriften konsequent abbauen und den Arbeitge- unserem Land wieder aufwärts geht. Dabei hat die bern damit die Einstellung Älterer erleichtern. Arbeitsmarktpolitik ganz besondere Bedeutung. Denn ohne neue Beschäftigungsimpulse bleiben fast Viele Arbeitgeber klagen darüber, dass die arbeits- alle übrigen politischen Vorhaben Makulatur. rechtlichen Rahmenbedingungen zu kompliziert und zu unflexibel seien. Im soeben erwähnten Berliner Durch das vorliegende Gesetz wird die Anwend- Koalitionsvertrag steht, dass für Neueinstellungen barkeit verschiedener arbeitsmarktpolitischer Instru- die Option geschaffen werden soll, eine Probezeit mente verlängert, die die Beschäftigungschancen für von bis zu zwei Jahren zu vereinbaren. Dies halte ich ältere Arbeitnehmer erhöhen. Solange wir keine für einen ersten richtigen und wichtigen Schritt. wirksameren Alternativen haben, halten wir dies grundsätzlich für richtig. Baden-Württemberg trägt Außerdem müssen wir einen Grundsatz mehr be- das Gesetz nach sehr sorgfältiger Abwägung mit, al- herzigen, der eigentlich selbstverständlich sein lerdings um die überwiegend positiven Regelungen sollte: Im Arbeitsleben sollte sich die Gegenleistung nicht aufzuhalten. Aber wir sollten diese Regelung des Arbeitgebers in erster Linie an der Leistung des nicht noch einmal verlängern. Das heißt, es muss Arbeitnehmers orientieren. Altersprivilegien durch- sich um die letzte Verlängerung handeln. brechen diesen Grundsatz und erschweren manch- mal die Einstellung älterer Arbeitnehmer. Lassen Sie Meine Damen, meine Herren, in Deutschland be- uns gemeinsam mit den Tarifpartnern nach Lösungen steht eine paradoxe Situation: Wir leben in einem suchen, damit ältere Arbeitnehmer trotz ihres Erfah- Land, in dem die Bevölkerung erfreulicherweise im rungsvorsprungs nicht das Nachsehen gegenüber (B) Durchschnitt immer älter wird, in dem aber gleichzei- jüngeren Bewerbern haben! (D) tig Jugendlichkeit immer mehr in den Vordergrund gerückt wird. Wir leben in einem Land, das älteren Drittens. Wir müssen bei gestiegener Lebenserwar- Arbeitnehmern mit vielfältigen Maßnahmen den tung und leeren Rentenkassen zu einer längeren Ausstieg aus der Arbeitswelt erleichtert, in dem aber Lebensarbeitszeit gelangen. gleichzeitig Klage darüber geführt wird, dass die Er- Die nach dem Koalitionsvertrag vorgesehene Er- fahrungen und das Potenzial der über 55-Jährigen zu höhung des Renteneintrittsalters gibt dabei die rich- wenig genutzt werden. Und: Wir leben in einem tige Richtung vor. Hier müssen wir die gesetzlichen Land, in dem bald bis 67 gearbeitet werden soll, in Rahmenbedingungen, die den Übergang vom dem gleichzeitig aber viele bereits mit 50 keine Stelle Arbeitsleben in den Ruhestand gestalten, neu ord- mehr finden. nen. Die Altersübergangsregelungen der Vergan- Dies kann nicht so bleiben. Wir müssen dringend genheit haben dazu geführt, dass viele Unterneh- Lösungen zur Verbesserung der Beschäftigungssitua- men ihreBelegschaften über Jahre hinweg verjüngt tion älterer Arbeitnehmer finden. Sonst geht zusam- haben. Dafür mussten die Sozialversicherungen men mit der vorgesehenen Anhebung des Rentenein- dann Milliardenbeträge aufwenden, was natürlich trittsalters eine Schere auf, die sozial nicht mehr zu den Beitragssatz nach oben getrieben hat. Regelun- verantworten ist. gen, die Anreize zur Frühverrentung geben und von Arbeitgebern zur erleichterten Personalfreiset- Wichtigstes Ziel muss es sein, ältere Arbeitneh- zung genutzt werden, müssen daher konsequent merinnen und Arbeitnehmer bis zum Renteneintritt beseitigt werden. in Arbeit zu halten, ihnen sowie ihren Angehörigen den Lebensstandard zu sichern und vor allen Akzeptieren müssen wir aber auch, dass bei man- Dingen die Angst vor dem sozialen Abstieg zu neh- chen Arbeitnehmern nach Jahren oder Jahrzehnten men. beruflicher Tätigkeit die körperliche oder psychi- sche Belastbarkeit leiden kann. Dies zu leugnen Wesentlich für verantwortungsvolles politisches hieße, allen, die sich in ihrem Beruf aufgerieben ha- Handeln sind aus unserer Sicht fünf Punkte: ben und deshalb arbeitsunfähig wurden, Unrecht zu tun. Erstens müssen wir in lebenslange Qualifizierung und Weiterbildung investieren. Ältere Beschäftigte Mein vierter Punkt lautet deshalb: Wir müssen glei- müssen gezielt in Weiterbildungsangebote einbezo- tende Übergänge in den Ruhestand ermöglichen. Ein gen werden, damit ihre Qualifikation erhalten und Ansatz hierbei ist die Altersteilzeit. Ziel darf aber Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 403 Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden-Württemberg) (A) (C) nicht der vorgezogene Ruhestand sein. Die bisher reitschaft bekunden, zum frühestmöglichen Zeit- verbreitete Praxis über Blockmodelle ist zu teuer und punkt eine Altersrente in Anspruch zu nehmen. hat, nebenbei bemerkt, zu unbefriedigenden Ergeb- nissen geführt. Eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung Die Geltungsdauer dieser gesetzlichen Regelun- könnte beispielsweise über längere Arbeitszeitkon- gen, die zum Ende dieses Jahres ausläuft, soll nun ten ermöglicht werden. In jungen Jahren angesam- um zwei Jahre verlängert werden, obwohl es – auch melte Überstunden könnten so dazu verhelfen, die in der Koalitionsvereinbarung – breiten politischen Arbeitsbelastung im Alter zu verringern. Konsens darüber gibt, dass Frühverrentung zu ver- meiden sei. Hier aber tun wir genau das Gegenteil: Darüber hinaus bedarf es vermehrter Anstrengun- Wir erlauben den Menschen, dem Arbeitsmarkt nicht gen zum Erhalt der individuellen Arbeitsfähigkeit. mehr zur Verfügung stehen zu müssen. Obwohl sie Die hohe Zahl von Menschen, die wegen gesundheit- Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II bekom- licher Probleme oder arbeitsbedingter Invalidität vor- men, fühlen sie sich als Ruheständler. Als solche aber zeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden, zeigt sollten sich nur diejenigen bezeichnen, die tatsäch- deutlich, dass hier noch großer Handlungsbedarf be- lich in Rente sind. steht. Insbesondere im Bereich der Prävention sollten zwischen den für Arbeitsschutz zuständigen Organi- Mit Beginn des Jahres 2006 verringert sich Monat sationen und den Krankenkassen neue betriebsbezo- für Monat die Möglichkeit, wegen Arbeitslosigkeit gene Kooperationsformen erprobt werden. oder Altersteilzeit vor dem 60. Lebensjahr in Rente zu gehen. Dies ist eine wichtige Regelung, um Früh- Fünftens müssen wir uns auch um diejenigen älte- verrentung zu vermeiden. Mit ihrem Inkrafttreten ren Arbeitnehmer kümmern, die bereits auf der eine Verlängerung der 58er-Regelung zu verbinden Straße stehen und es schwer haben, wieder aus der halten wir für kontraproduktiv. Eine solche Strategie Arbeitslosigkeit herauszukommen. Hierzu müssen ist in sich nicht schlüssig. wir Beschäftigungspotenziale gerade im Niedrig- lohnbereich viel besser ausschöpfen. Ich verweise Ich wiederhole: Ab Januar kommenden Jahres sol- auf die Ausführungen des Sachverständigenrates, len Menschen in Altersteilzeit und Arbeitslose immer der gerade in diesem Bereich große Defizite ange- später in Rente gehen – dies ist gewollt, um Frühver- mahnt und Vorschläge unterbreitet hat. rentung zu vermeiden –, aber gleichzeitig verlängert man die 58er-Regelung. Die Landesregierung von Nach meiner festen Überzeugung führt auf Dauer Nordrhein-Westfalen und ich können hier einen poli- kein Weg an Kombilohnmodellen vorbei. Wir begrü- tischen Zusammenhang beim besten Willen nicht er- ßen es sehr, dass in der Koalitionsvereinbarung kennen. hierzu ein entsprechender Prüfauftrag enthalten ist. Gerne biete ich hierbei die konstruktive Mitwirkung Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir (B) (D) des Landes Baden-Württemberg an. schlagen Ihnen in unserem Entschließungsantrag vor, die 58er-Regelung nicht um zwei Jahre, sondern Meine Damen und Herren, lassen Sie uns in diesen nur bis zum 31. Januar 2006 zu verlängern. Dies tun wichtigen Bereichen gemeinsam Nägel mit Köpfen wir deswegen, weil nach unserer Auffassung das Ar- machen! beitsförderungsrecht sehr viel unkomplizierter wäre, wenn Neuregelungen, die den Leistungsbezug be- treffen, einheitlich in Kraft träten. Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Professor Dr. Reinhart, ich bedanke mich sehr herzlich. Des Weiteren sind wir der Meinung, dass es für die Menschen, die heute von der 58er-Regelung Ge- Das Wort geht an Herrn Minister Laumann. brauch machen, Vertrauensschutz geben muss. Wir bitten den Bundesrat, unserem Entschließungs- Karl-Josef Laumann (Nordrhein-Westfalen): Sehr antrag zuzustimmen, weil er auf der politischen Linie geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! dessen liegt, was ich von vielen Landesregierungen Mit der Verabschiedung des Fünften Gesetzes zur und aus den Koalitionsverhandlungen weiß: dass wir Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und Frühverrentung stoppen und beschließen wollen, das anderer Gesetze im Bundesrat ist ein erster Schritt Renteneintrittsalter zu erhöhen. Mit einer solchen zur Umsetzung der Koalitionsvereinbarung hinsicht- Politik kann man die vorgesehene Verlängerung der lich der Reform der Arbeitsmarktpolitik getan. 58er-Regelung nicht mehr in Zusammenhang brin- gen. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen be- dauert es jedoch, dass das Gesetz neben einer Reihe Aber das Gesetzespaket enthält auch Punkte, die sinnvoller und dringlicher Änderungen eine Verlän- wir sehr unterstützen: gerung der Geltungsdauer von Vorschriften zu einem Wir begrüßen die Aufhebung der Verpflichtung Themenkomplex enthält, der in der Öffentlichkeit als der Bundesagentur für Arbeit, in jedem Agenturbe- 58er-Regelung bekannt ist. Danach haben Arbeits- zirk eine Personal-Service-Agentur vorzuhalten. lose bzw. Hilfebedürftige ab ihrem 58. Lebensjahr er- Dies erscheint nur noch dort vertretbar, wo es effizi- leichterten Zugang zu den staatlichen Transferleis- ent ist. tungen, wenn sie erklären, dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen zu wollen. Im Gegenzug Auch die Befristung der Förderung der Ich-AG bis müssen sie nach der geltenden Rechtslage ihre Be- zum 30. Juni 2006 ist sinnvoll, wenn vom Gesetzge- 404 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 Karl-Josef Laumann (Nordrhein-Westfalen) (A) (C) ber bis zu diesem Datum ein einheitliches und sinn- Ich setze darauf, dass wir nach der gegenwärtigen volleres Instrument zur Förderung von Existenzgrün- Übergangsphase – auch in den 100 Tagen –, in der dungen aus der Arbeitslosigkeit geschaffen wird. bestimmte Fristen von der neuen Bundesregierung innerhalb kürzester Zeit genutzt werden, wieder zu Schließlich sehen wir die Notwendigkeit, dass die regulären Verfahren übergehen können, so dass der im Arbeitszeitgesetz vorgesehene Übergangsrege- Bundesrat die Möglichkeit hat, sich mit solch wichti- lung um ein Jahr verlängert wird. Sie ermöglicht es, gen Angelegenheiten in zwei Durchgängen zu befas- von dem Grundsatz abzuweichen, dass Bereit- sen und verschiedene Punkte im Einzelnen zu re- schaftsdienst und Arbeitsbereitschaft bei der Ermitt- geln. lung der täglichen und wöchentlichen Höchstar- beitszeit einzubeziehen sind. Es erscheint unbedingt Grundidee eines Steuersystems ist es, dass ausrei- erforderlich, den Tarifvertragsparteien ein weiteres chend Geld zur Finanzierung der allgemeinen staat- Jahr zuzugestehen, um bestehende oder nachwir- lichen Angelegenheiten vorhanden sein muss und kende Tarifverträge an das 2004 geänderte Recht dass die Art und Weise der Erhebung ebenso wie das anzupassen und insbesondere die darin enthaltenen Volumen insgesamt für Wirtschaft und Arbeitsplätze Flexibilisierungsmöglichkeiten zu nutzen. Damit förderlich, nicht hinderlich sind. Dabei sollte Büro- können die Tarifvertragsparteien für Arbeitgeber kratie abgebaut, keine neue aufgebaut werden. und Arbeitnehmer noch tragbare Regelungen zur Berücksichtigung von Bereitschaftsdienst- und Ar- Änderungen des Steuersystems sollten angesichts beitsbereitschaftszeiten treffen. – Ich danke Ihnen der Situation auf dem Arbeitsmarkt darauf zielen, für Ihre Aufmerksamkeit. dass die Betriebe entlastet werden, damit sie wieder investieren. Schließlich sollten auch die Bürger ent- lastet werden. Das ist wegen der Kürze der Zeit nicht Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Minister erfolgt – dafür müssen die Landesregierungen Ver- Laumann, ich bedanke mich sehr herzlich. ständnis aufbringen –, aber es ist angekündigt wor- den. Wir werden die Bundesregierung insgesamt da- Wir kommen zur Abstimmung. Ihnen liegen die ran messen. Ausschussempfehlungen und ein Entschließungsan- Meine Damen und Herren, eine breite Steuerbasis trag Nordrhein-Westfalens vor. mit wenigen Ausnahmen nach dem Grundsatz „ein- Die beteiligten Ausschüsse empfehlen, den Ver- fach, niedrig und gerecht“ sollte der Maßstab sein. mittlungsausschuss nicht anzurufen; ein entspre- Die vorliegenden Gesetze tragen dem nur zum Teil chender Landesantrag liegt ebenfalls nicht vor. Rechnung; aber vielleicht war in der Kürze der Zeit und in dem Schwung des Anfangs anderes nicht Ich stelle daher zunächst fest, dass der Bundesrat möglich. Jedenfalls sollte die Zustimmung daran (B) (D) zu dem Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 nicht unbedingt scheitern. des Grundgesetzes n i c h t stellt. Niedersachsen wird dem Gesetzespaket heute ins- Ich rufe den Entschließungsantrag Nordrhein- gesamt zustimmen, es, wenn Sie so wollen, passieren Westfalens in Drucksache 854/2/05 auf. Wer ist da- lassen, obwohl eine wichtige Leitlinie, die wir als für? – Das ist eine Minderheit. Landesregierung in den Vordergrund stellen, nicht erfüllt ist, nämlich dass bei Beseitigung von Ausnah- Der Bundesrat hat k e i n e Entschließung gefasst. men die Steuerbasis insgesamt abgesenkt werden Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4, 5 und 6 zur sollte, weil alles andere eine Erhöhung von Steuern gemeinsamen Beratung auf: bedeutet. 4. Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofort- Es sollte kein Missverständnis entstehen: Die Zu- programm (Drucksache 855/05) stimmung zu einem ersten Gesetzespaket ist keine Vorwegnahme der Abstimmung über ein zweites Pa- in Verbindung mit ket oder andere und erst recht nicht – das darf ich schon heute in aller Deutlichkeit sagen – über die an- 5. Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrech- gekündigte Mehrwertsteuererhöhung, die ich mit nung im Zusammenhang mit Steuerstundungs- Blick auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung als modellen (Drucksache 856/05) kontraproduktiv betrachte. und Aber zurück zu dem Gesetzespaket: Es gibt Dinge, 6. Gesetz zur Abschaffung der Eigenheimzulage die in vollem Umfang getragen werden können. Aber (Drucksache 857/05) wenn der Grundsatz „weniger Bürokratie“, wie die Bundeskanzlerin soeben vorgetragen hat, Grundlage Das Wort hat Minister Hirche (Niedersachsen). sein soll, dann muss man Regelungen im Einzelnen daran messen können. In dieser Hinsicht können ins- besondere die vorgesehenen Neuregelungen im Walter Hirche (Niedersachsen): Herr Präsident, Zusammenhang mit den Steuerberatungskosten meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir vorab, – das ist zugegebenermaßen ein kleiner Punkt – nicht Herrn Finanzminister Steinbrück ebenso wie den das Wohlwollen der Niedersächsischen Landesregie- übrigen Mitgliedern der Bundesregierung zur Über- rung finden. Diese Absicht wird dazu führen, dass nahme ihres Amtes zu gratulieren. die Berechnungen und die Prüfung bürokratischer Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 405 Walter Hirche (Niedersachsen) (A) (C) und komplizierter als bisher sind, z. B. wenn Bera- Steuerberatungskosten auszuschließen, fragwürdig. tungsleistungen für die „Anlage Kind“ nicht mehr Viele Bürgerinnen und Bürger bleiben nach wie vor berücksichtigt werden können. Wenn Beratungsge- darauf angewiesen, die Hilfe von Steuerberatern zur bühren im Zusammenhang mit Aufwendungen für Erledigung ihrer steuerlichen Angelegenheiten in die Altersvorsorge oder für Kinderbetreuung, sofern Anspruch zu nehmen. Gingen die Bürger dazu über, der Steuerberater auf diesem Gebiet arbeitet, nicht ihre Steuererklärungen selbst mit den Finanzämtern mehr geltend gemacht werden können, wohl aber zu besprechen und dort entsprechend zu bearbeiten, etwa die Beratung hinsichtlich steuersparender Kon- könnte dies die Finanzverwaltung nicht schultern. strukte in anderen Zusammenhängen unbegrenzt ab- Unter diesem Gesichtspunkt sind die Ausgaben der zugsfähig bleibt, halte ich dies für keine Regelung, Bürgerinnen und Bürger für Steuerberater notwen- die Sozialstaatsgesichtspunkten Rechnung trägt. In- dige Ausgaben. Die Abschaffung des Sonderausga- sofern legt der Entschließungsantrag des Landes benabzugs privater Steuerberatungskosten vermittelt Rheinland-Pfalz den Finger auf die Wunde. daher den Beigeschmack, in allererster Linie fiska- lisch und weniger ordnungspolitisch begründet zu Abschließend erkläre ich: Trotz der Kritik an die- sein. sem einzelnen Punkt werden wir das Gesetzespaket insgesamt passieren lassen. Nur, Herr Finanzminis- Die Neuregelung könnte nun zu folgender Wahr- ter, von Verbraucherschutz und sozialer Gerechtig- nehmung führen: Steuerberatungskosten im betrieb- keit kann bei dem, was Sie an dieser Stelle betrei- lichen Bereich bleiben abzugsfähig; Steuerbera- ben, keine Rede sein. Ich bitte daher darum, dass bei tungskosten des kleinen Mannes sind nicht mehr der Beratung über das zweite Paket und über andere abzugsfähig. Insoweit wird das Gesetz nicht als Bei- Punkte in Zukunft solche Grundsätze stärker im Vor- trag zu mehr Steuergerechtigkeit in unserem Land dergrund stehen; denn die Kleinen sind hiervon stär- empfunden. ker betroffen als die Großen. Nach allen öffentlichen Angesichts des gegenwärtigen Reformdrucks und Äußerungen, die ich von Ihnen und anderen gehört insbesondere der Lage der öffentlichen Haushalte habe, wollten Sie das eigentlich vermeiden. Ich be- insgesamt kann allerdings nicht abgewartet werden, dauere, dass dies nicht der Fall ist. bis eine groß angelegte Steuerreform ausformuliert Meine Damen und Herren, dennoch wollen wir ist. Deshalb ist es richtig, bereits jetzt erste gesetzge- dieser Bundesregierung, die sich eigene Vorstellun- berische Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Das gen gemacht hat, in den ersten 100 Tagen keine ist auch die Begründung dafür, warum das Land Nord- Steine in den Weg legen. Herr Bundesfinanzminister, rhein-Westfalen diese Vorhaben trotz der vorgetrage- ich wünsche mir – das ist möglich –, dass bei künfti- nen Bedenken unterstützt. gen Vorschlägen und Vorstößen ausreichend Zeit für Ich schließe mich den Ausführungen meines Kolle- die Beratung über Einzelpunkte bleibt. Bei Ihnen (B) gen Walter Hirche an, dass wir alle sicherlich gut da- (D) wird die Bereitschaft dazu sicherlich vorhanden sein; ran tun, uns mit Blick auf die Beratung im nächsten wir werden darauf zurückkommen. Jahr mehr Zeit zu nehmen, damit wir kritische Punkte im Einvernehmen von Bundestag und Bun- Präsident Peter Harry Carstensen: Danke schön, desrat im Interesse einer besseren Steuergesetzge- Herr Minister Hirche! bung für unser Land ausräumen können. – Herzli- chen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort hat Minister Professor Dr. Pinkwart (Nordrhein-Westfalen). Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Professor Dr. Pinkwart, herzlichen Dank! Prof. Dr. Andreas Pinkwart (Nordrhein-Westfalen): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Land Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Nordrhein-Westfalen unterstützt den Wegfall steuer- Peer Steinbrück. rechtlicher Regelungen mit der Zielsetzung der Rechtsvereinfachung sowie den Abbau von Ausnah- Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen: metatbeständen. Wichtig ist, dass der Gesetzgeber Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten weiter an dem Ziel festhält, das Steuerrecht grund- Damen und Herren! Der Gang von der nordrhein- sätzlich zu reformieren, indem es durchgreifend ver- westfälischen Bank zu diesem Pult, den ich früher einfacht wird und dadurch die Belastungen für den unternehmen durfte, ist nur wenige Schritte weiter Bürger und die Finanzverwaltung gleichermaßen ge- als der Gang von der Bank der Bundesregierung. mindert werden. Aber glauben Sie mir: Der Unterschied liegt darin, Wir sind uns bewusst, dass das Ziel einer durch- dass sich der alte Satz „Das Sein bestimmt das Be- greifenden Steuerreform mit dem vorliegenden wusstsein“ bei mir schon niedergeschlagen hat. Gesetz und weiteren Vorhaben, soweit sie sich bisher (Vereinzelt Heiterkeit) abzeichnen, noch nicht verwirklicht wird. Das Steuer- recht in Deutschland bleibt mit dem, was bisher vor- Das werden Sie an der einen oder anderen Passage liegt, weiterhin zu kompliziert. Auch die Grenzbelas- meiner Rede feststellen. tung ist zu hoch. Es ist richtig, Herr Hirche: Wir hatten nicht viel Vor diesem Hintergrund ist der vom Gesetz ver- Zeit. Das ist zwei Zielsetzungen geschuldet: Wir wol- folgte Ansatz, die Absetzbarkeit privat veranlasster len erstens so schnell wie möglich einiges aus dem 406 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 Bundesminister Peer Steinbrück (A) (C) Koalitionsvertrag umsetzen, und zwar mit einem kla- zielle Handlungsspielräume in Deutschland zurück- ren Signal, damit die Bürger wissen, woran sie sind. gewinnen. Wir müssen stärker Zukunft finanzieren, Das hat mit Rechtssicherheit zu tun. Zweitens wollen als Vergangenheit zu alimentieren. Wir müssen die wir vor dem Hintergrund einer ausgesprochen ange- Haushaltsstrukturen verändern und aus der „Ver- spannten Haushaltslage fiskalische Effekte für das karstung“ der öffentlichen Haushalte herauskom- Jahr 2006 erzielen. men. Niemand von Seiten der Koalitionsregierung hat Nach meiner Wahrnehmung werden wir uns aus behauptet, Herr Pinkwart, dass die vorliegenden den Defiziten nicht heraussparen können; Sparen Steuergesetze der „große Wurf“ einer Steuerreform wird nicht reichen. Wir werden eine doppelte Ton- für die Bundesrepublik Deutschland seien. Sie sind lage anstimmen und stärker miteinander vertreten das, was uns notwendig erscheint, insbesondere un- müssen, nämlich auf der einen Seite zu konsolidie- ter dem Rubrum der beiden Ziele, die ich gerade be- ren, auf der anderen Seite Impulse für Wachstum schrieben habe. und Beschäftigung zu geben. Die Wachstumskräfte in der Bundesrepublik Deutschland zu stärken und Richtig ist: Wir wollen uns die Zeit, auch die Reife- die Staatsfinanzen nachhaltig zu konsolidieren – bei- zeit nehmen, um zum 1. Januar 2008 eine große, weit des muss gelingen. gehende Unternehmenssteuerreform zu verabschie- den. Frau Bundeskanzlerin Merkel hat dazu die not- Die Wechselwirkungen sind offensichtlich: Nur wendigen Hinweise gegeben. Sie wissen, dass dies durch höheres Wirtschaftswachstum entstehen dau- auf einen Systemwechsel in der Unternehmens- erhaft mehr Arbeitsplätze. Durch mehr Arbeitsplätze besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland sinken die Belastungen der sozialen Sicherungssys- hinausläuft. Wir werden aus dem Dualismus der Be- teme. Sinken diese, vergrößern sich die haushalts- steuerung von Personengesellschaften und Kapital- politischen Spielräume. Wenn wir mehr Wachstum gesellschaften gegebenenfalls herauskommen. Dies haben, erhöhen sich die Steuereinnahmen, und die hat weiter reichende Auswirkungen, möglicherweise Situation stellt sich anders dar als bisher. bis hin zur Erbschaftsbesteuerung; ich denke daran, Ähnliches lässt sich ableiten, wenn ich an anderen dass das Thema „Abgeltungsteuer“ dabei eine Rolle wichtigen Feldern ansetze, etwa was den Arbeits- spielen kann. markt oder eine größere Robustheit unserer sozialen Dass das Thema „Gewerbesteuer“ ebenfalls eine Sicherungssysteme gegenüber Demografiefolgen Rolle spielen kann, ist Gegenstand der politischen betrifft. Ich erwähne die Tatsache, dass die Bemes- Debatten. Für Sie und die Kommunen ist dabei eine sungsgrundlage für die Finanzierung unserer so- Passage im Koalitionsvertrag von Bedeutung, an der zialen Sicherungssysteme das so genannte Normalar- allen sehr gelegen ist: Den Kommunen soll weiterhin beitsverhältnis, das sozialversicherungspflichtige (B) (D) eine originäre wirtschaftskraftbezogene Steuer mit Arbeitsverhältnis ist, das in den letzten Jahren aber Hebesatzrecht zustehen. Wenn es – auch im Rahmen immer weiter erodiert ist. Dies bleibt natürlich nicht einer großen Unternehmenssteuerreform – keine ohne Folgen. überzeugende Alternative gibt, wird es nach Lage Die finanzpolitische doppelte Tonlage, wie ich sie der Dinge bei der Gewerbesteuer bleiben. genannt habe, bestimmt die Leitlinien der Steuer- Eine der größten Herausforderungen, die wir zu und Haushaltspolitik in den nächsten Jahren. Wir schultern haben, ist die Konsolidierung der öffentli- wollen 2007 die Regelgrenze des Artikels 115 chen Haushalte. Das ist abstrakt sehr leicht gesagt. Grundgesetz einhalten. Wir wollen das Maastricht- Nach vier Wochen in meinem Amt mache ich zuneh- Kriterium einhalten. Der Bund ist daran interessiert, mend die Erfahrung, wie schwierig es ist, wenn es mit Ihnen und den Kommunen einen Finanzpakt ein- konkret wird. Alle sind für Haushaltskonsolidierung – zugehen. Es wäre sehr gut, wenn wir alle uns dis- aber bitte nicht bei mir! Alle sind für die Abschaffung ziplinierten mit Blick auf Versuche, Belastungen von steuerlichen Sondertatbeständen – aber bitte zwischen den verschiedenen Ebenen der Gebietskör- nicht bei mir! Alle sind nach wie vor – auch zu Weih- perschaften hin- und herzuschieben. Etwas diszipli- nachten – geprägt von dem, was wünschenswert ist, nierteres Auftreten im Zusammenhang mit Forderun- und stehen der Frage, wie es finanziert werden soll, gen – gegebenenfalls in Abwesenheit Dritter – wäre ziemlich fern. auch für unsere internen Beratungen hilfreich und würde mehr Stetigkeit und Kalkulierbarkeit der poli- An dieser Ausgangslage hat sich für den Bundes- tischen Debatte für die Bürgerinnen und Bürger mit finanzminister nichts geändert. Ich bin mir ziemlich sich bringen. sicher, dass sich auch in den nächsten Monaten und Jahren nicht sehr viel daran ändern wird. Was sich die Koalition in dieser Legislaturperiode vorgenommen hat, führt – auf Grund eines Finanz- Sie wissen: Es geht nicht nur darum, den rechtli- tableaus, das gemeinsam erarbeitet, nicht aber mit chen nationalen und vor allen Dingen europäischen dem Koalitionsvertrag verabschiedet worden ist – für Vorgaben zu entsprechen. Ich unterstreiche, was die die Länder und für die Kommunen zu erheblichen Bundeskanzlerin gesagt hat: Es hätte nicht nur mit Entlastungen oder Haushaltsverbesserungen. Bei Blick auf das Prozedere nach dem Stabilitäts- und voller Wirksamkeit, beginnend 2007, darf ich in Aus- Wachstumspakt fatale Folgen für die Bundesrepublik sicht stellen, dass die Länder insgesamt mehr als Deutschland, wenn wir das Verschuldungskriterium 9 Milliarden Euro mehr haben, 2008 werden es von 3 % 2007 nicht erreichten. Wir müssen finan- nahezu 11 Milliarden Euro sein. Die Kommunen Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 407 Bundesminister Peer Steinbrück (A) (C) werden im Jahr 2007, wie ich vermute, über etwas stundungsmodelle verringert werden. Sie wissen, um mehr als 1 Milliarde Euro mehr verfügen, im Jahre welche Fonds es geht; Beteiligungskapital, Risikoka- 2008 werden es ungefähr 1,7 Milliarden Euro mehr pital ist nicht betroffen. sein. Das geht auf die Maßnahmen zurück, über die wir heute diskutieren. Weitere werden folgen. Dass die Eigenheimzulage abzuschaffen ist, ist, wie ich meine, schon seit Jahren Erkenntnis aller Ich gebe zu, dass einige Vorschläge von diesen Fachleute. Nur, es war politisch schwierig durchsetz- Bruttoeffekten wieder etwas nehmen, z. B. steuerli- bar, auch in diesem Kreis. Viele wissen, dass es sich che Förderaktivitäten. Wenn wir bei der degressiven dabei um eine nicht mehr gerechtfertigte steuerliche Abschreibung die alten Sätze auf die beweglichen Vergünstigung, um einen Ausnahmetatbestand han- Wirtschaftsgüter anwenden, haben die Länder im delt, der den ursprünglichen Intentionen des Gesetz- Geleitzug der Gemeinschaftssteuern gegebenenfalls gebers, den Wohnungsbau in Deutschland – insbe- Einbußen, die sich jedoch in Grenzen halten. Unter sondere nach dem Krieg – zu fördern, widerspricht. dem Strich wird auf Grund dessen, was in den heuti- Dieses Ziel ist längst erreicht. Andere Fachleute mei- gen und in weiteren Beratungen in Rede steht, eine nen, dass diese Förderung im Wesentlichen preisstei- Menge herauskommen. gernde Effekte hat mit der Folge, dass private Immo- bilien und der Hauskauf bzw. Hausbau sehr viel Unser vorrangiges steuerpolitisches Ziel ist die teurer sind als in anderen europäischen Ländern. Weiterentwicklung des Steuersystems. Wir wollen, Einzelne Protagonisten weisen sogar darauf hin, dass dass der Staat auf allen Ebenen dauerhaft sichere die Abschaffung der Eigenheimzulage preisdämp- Einnahmen hat. fende Effekte haben werde. Das dürfte für Erwerber Ich widerspreche der Auffassung von Herrn Pink- von Immobilien oder eines Eigenheims positive Kon- wart, dass die steuerliche Grenzbelastung in sequenzen haben. Deutschland zu hoch sei. Die Steuerquote und die Die Abschaffung der Eigenheimzulage wird im steuerliche Grenzbelastung sind in der Bundesrepu- nächsten Jahr schon zu 223 Millionen Euro Steuer- blik Deutschland im Vergleich zu anderen europäi- mehreinnahmen führen. In der Endphase, bei voller schen Ländern nicht zu hoch. Wenn Sie auf die Wirksamkeit, werden es 5,5 Milliarden Euro sein. Da- Steuer-Abgaben-Quote abheben, stimme ich Ihnen von steht die Hälfte den Ländern zu. zu, nicht aber bezogen auf die Steuerquote. Diese dümpelt inzwischen bei nahezu 20 %. Ich meine, Das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofort- dass eine Steuerquote von ungefähr 22 % zur Finan- programm ist der erste Baustein eines umfassenderen zierung der öffentlichen Leistungen, wie sie von den Pakets steuerlicher Sofortmaßnahmen. Aus Zeitgrün- Bürgerinnen und Bürgern nachgefragt werden, den gehe ich auf die einzelnen Punkte nicht ein – mit durchaus angemessen wäre. Ich weiß, dass dies so einer Ausnahme: (B) (D) lange in die Irre führt, wie die addierte Steuer- und Abgabenquote oder -last in Deutschland vergleichs- Ich weiß, dass die ersatzlose Streichung des Son- weise hoch ist. Das wiederum liegt an der spezifi- derausgabenabzugs von Steuerberatungskosten im schen Art der Finanzierung unserer sozialen Siche- Interesse einer Verbreiterung der Steuerbasis um- rungssysteme über die Sozialversicherungsabgaben. stritten ist. Auf der anderen Seite sollte man sich die Dort liegt das Hauptproblem für unseren Arbeits- Realität auch nicht zurechtbiegen, Herr Hirche, Herr markt, nicht bei der steuerlichen Belastung. Pinkwart. Es sind nicht die normalen Lohnempfän- ger und -empfängerinnen, die Steuerberatungskos- Ich gebe zu, dass wir in Bezug auf die Kapitalge- ten haben. Sie sind inzwischen dank der Mitwirkung sellschaften im unteren Mittelfeld liegen. Die Perso- vieler Länder in der Lage, nicht auf einem Bier- nengesellschaften haben von den Maßnahmen der deckel, wie ich zugebe, sondern auf zwei Seiten, auf Vorgängerregierung deutlich profitiert. Dann darf Vorder- und Rückseite eines Blattes Papier, ihre man in der öffentlichen Debatte gelegentlich fragen, Steuererklärung abzugeben, gegebenenfalls unter wie hoch deren Durchschnittssteuersatz liegt, statt Inanspruchnahme der Servicecenter oder der Bürger- nur auf den Spitzensteuersatz abzuheben. Bei den center in den Finanzämtern. Dies ist sehr unbürokra- Kapitalgesellschaften haben wir zugegebenermaßen tisch. Das ist nicht die Bevölkerungsgruppe, die von Probleme: Wir dürften nach der Definitivbesteuerung dieser ersatzlosen Streichung betroffen ist. – über die Körperschaftsteuer, über die Gewerbe- steuer – bei 38,6 % liegen. Das ist im internationalen Es ist richtig, Herr Breuer: Es gibt Einwände, wo- Vergleich nicht ausreichend. nach die Berechnungen auf wackligen Füßen stehen. Nur, wir haben uns bemüht, gemeinsam mit den Län- Meine Damen und Herren, Ihnen liegen drei Steu- dern zu rechnen. Ausgerechnet Ihr Land, das mir ergesetze zur Abstimmung vor, die der Bundestag sehr vertraut ist, ebenso wie ein anderes wichtiges bereits beschlossen hat; die Bundesregierung hat die Bundesland haben uns die Zahlen bestätigt. Vor die- Formulierungsvorschläge geliefert. Ich wäre dank- sem Hintergrund haben wir nicht Abstand davon ge- bar, wenn Sie die Bundesregierung unterstützten. Ich nommen, diese Summe einzusetzen, wohl wissend, freue mich über die entsprechenden Einlassungen dass es eine ganze Reihe von Gegenargumenten von Herrn Hirche und Herrn Pinkwart. gibt. Mit dem Gesetz zur Beschränkung der Verlustver- Meine Damen und Herren, mir ist sehr bewusst, rechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungs- dass populäre Steuergesetze anders aussehen als modellen soll die Attraktivität so genannter Steuer- diese. Die soeben beschriebenen Maßnahmen 408 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 Bundesminister Peer Steinbrück (A) (C) dürften von nicht wenigen Bürgerinnen und Bürgern weitgehend zu einem vertikalen Verteilungsproblem als Eingriff in sicher geglaubte Besitzstände empfun- gemacht und dem Bund vor die Füße gelegt worden. den werden. Aber ich bin dafür, dass ihnen reiner Diejenigen, die davon nur Gutes haben, melden sich Wein eingeschenkt wird. Zu der Notwendigkeit einer nicht zu Wort; alle diejenigen, die sich beschwert stärkeren Konsolidierung unserer öffentlichen Haus- fühlen, haben sich zu Wort gemeldet. Ich vermute, halte gibt es keine überzeugende Alternative. Allein dass z. B. die Freie und Hansestadt Hamburg täglich mit Ausgabenkürzungen werden wir dies nicht eine Kerze ins Fenster stellt, weil es zu diesem Ab- schaffen. schluss gekommen ist, und ich nehme an, dass auch der Oberbürgermeister von München dies tut. Beide Diejenigen, die über manche Passagen des Koali- haben sich, wie ich finde, in die öffentliche Debatte tionsvertrages hinweggelesen haben, will ich daran darüber nicht so eingebracht, dass deutlich wird, wie erinnern, dass in den Jahren 2006 bis 2009 allein für positiv und wie erfreulich das ist, was wir getan ha- den Bundeshaushalt Ausgabenkürzungen von 34 Mil- ben, und wie sehr es der Weihnachtsatmosphäre ent- liarden Euro vorgesehen sind. Hinzu kommen die spricht. Streichung von Steuervergünstigungen – addiert über die Jahre ungefähr 18 Milliarden Euro – und Meine Damen und Herren, dies wird nicht meine Steuermehreinnahmen, die, wie ich zugebe, umstrit- letzte Rede vor dem Bundesrat in Sachen Haushalts- ten sind, wenn ich an die Kapitel „Mehrwertsteuer“ und Finanzpolitik gewesen sein. Ich freue mich da- und „Versicherungsteuer“ denke. rauf, Sie alle wiederzusehen, und werde jetzt versu- chen, nicht den Weg nach dort drüben zu gehen, son- Diejenigen, die mir sagen, dass die Erhöhung der dern zu der Bank, auf die ich gehöre. – Herzlichen Mehrwertsteuer falsch sei – ich lasse beiseite, dass Dank. ein Punkt der Senkung der Sozialversicherungsabga- (Heiterkeit) ben dienen soll –, müssen mir Gegenvorschläge ma- chen. Soweit es sich dabei um Ausgabenkürzungen handelt, müssen sie mir genau sagen, wo im Bundes- Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Bundes- haushalt dasselbe Volumen erwirtschaftet werden minister, der Präsident hätte Ihnen dabei geholfen, kann. Ich glaube, es könnte ehrlicherweise nur er- den richtigen Weg zu finden. wirtschaftet werden, wenn man an Leistungsgesetze (Erneute Heiterkeit) herangeht. Wenn man das tut, muss man sich auf den Marktplatz stellen und den Menschen sagen: Da kür- Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. zen wir. – Dann muss man den Bundeszuschuss zur Wir kommen zur Abstimmung, zunächst zu Tages- Rentenversicherung kürzen. Das bedeutet 3, 4 oder ordnungspunkt 4: steuerliches Sofortprogramm. 5 % – je nachdem, wie man die Summe ansetzt – (B) reale Rentenkürzung. Das macht sich bei volkswirt- Der Finanzausschuss empfiehlt, dem Gesetz zuzu- (D) schaftlichen Parametern genauso bemerkbar wie stimmen. Wer ist für die Zustimmung? – Das ist die eine Mehrwertsteuererhöhung. Ich habe den Ein- Mehrheit. druck, dass die Sparquote von Rentnerinnen und Dann ist so beschlossen. Rentnern nicht sehr hoch ist. Das Geld geht ziemlich schnell in den Konsum und damit in die inländische Ihnen liegt in Drucksache 855/2/05 ein Entschlie- Nachfrage ein. Das heißt, es berührt die volkswirt- ßungsantrag des Landes Rheinland-Pfalz vor. Wer schaftliche Gesamtrechnung genauso. diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist eine Minderheit. Es geht um die Abwägung der relativen Vor- und Nachteile solcher Operationen. Dabei auch in der Somit hat der Bundesrat die Entschließung n i c h t öffentlichen Rede gelegentlich zu einer größeren Dif- gefasst. ferenzierung beizutragen wäre des Schweißes der Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 5: Beschrän- Edlen wert. kung der Verlustverrechnung bei Steuerstundungs- modellen. Ich bin sehr daran interessiert, die mir vertraute Zusammenarbeit mit dem Bundesrat fortzusetzen. Ich Wer ist entsprechend der Empfehlung des Finanz- glaube, dass wir bei der Konsolidierung der Länder- ausschusses für Zustimmung? – Das ist die Mehrheit. haushalte, der Kommunalhaushalte sowie des Bun- Es ist so beschlossen. deshaushalts nur vorankommen, wenn wir gemein- sam den Schulterschluss wagen und konsequent Als Nächstes stimmen wir über Tagesordnungs- sind, und zwar auch dann, wenn es nicht populär ist. punkt 6 ab: Abschaffung der Eigenheimzulage. Wir dürfen die Bettdecke nicht so hin- und herschie- Auch hier empfiehlt der Finanzausschuss, dem Ge- ben, dass entweder die Länder oder der Bund kalte setz zuzustimmen. Wer ist dafür? – Das ist die Mehr- Füße, einen kalten Kopf oder kalte Arme bekommen. heit. Das hat keinen Sinn. Damit hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. Sie wissen, dass ich vor diesem Hintergrund das Zugeständnis der Bundesregierung hinsichtlich der Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 7: Unterhaltskosten im Rahmen von Hartz IV nur mit Erstes Gesetz zur Änderung des Zollfahn- einem etwas verkniffenen Gesichtsausdruck habe dungsdienstgesetzes (Drucksache 858/05 [neu]) schlucken können. Da ist ein horizontales Vertei- lungsproblem zwischen Kommunen und Ländern Gibt es Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 409 Präsident Peter Harry Carstensen (A) (C) Wer dafür ist, dem Gesetz entsprechend der Emp- keit der Schröder-Regierung haben wir dafür jedoch fehlung des Finanzausschusses zuzustimmen, den nicht die Zeit, wenn wir den Müttern ihren Anspruch bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. auf Mutterschaftsgeld in der bisherigen Höhe auch im Jahre 2006 erhalten wollen. Damit hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 8: Der entscheidende Kritikpunkt ist die Belastung der Wirtschaft durch die Einbeziehung der öffent- Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeber- lichen Arbeitgeber und der Wohlfahrtsverbände in aufwendungen und zur Änderung weiterer Ge- das so genannte U2-Verfahren für das Mutterschafts- setze (Drucksache 859/05) geld. Der alternative Gesetzentwurf des Landes Es liegt eine Wortmeldung von Herrn Minister Kley Sachsen-Anhalt bezog sich nur auf die Arbeitgeber (Sachsen-Anhalt) vor. Ich erteile ihm das Wort. der Privatwirtschaft. Vom Bundesrat wurden beide Gesetzentwürfe parallel an den Bundestag weiterge- leitet, weil sichergestellt werden sollte, dass in jedem Gerry Kley (Sachsen-Anhalt): Herr Präsident! Fall eine Gesetzesänderung zum 31. Dezember 2005 Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was lange erfolgt. Leider hat sich der Bundestag für den Regie- währt, wird endlich gut! Dieser allseits bekannte rungsentwurf entschieden. Spruch gilt für das heute zur Endabstimmung vorlie- gende Gesetz leider nur zum Teil. Im Ergebnis bewirkt die Einbeziehung der öffentli- chen Arbeitgeber eine finanzielle Entlastung der Unbestritten hat es lange gedauert: Im November Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen. Dies 2003 mahnte das Bundesverfassungsgericht eine liegt darin begründet, dass im öffentlichen Dienst ein Korrektur des Umlageverfahrens für das Mutter- weitaus höherer Frauenanteil zu finden ist als in der schaftsgeld an und räumte dem Gesetzgeber eine Privatwirtschaft. So belief sich im Jahre 2004 der Frist bis 31. Dezember 2005 ein, hierfür eine verfas- Frauenanteil bei öffentlichen Arbeitgebern und in sungskonforme Regelung zu treffen. Bereits 2004 den Gesundheitsberufen in der Altersgruppe 15 bis wurde im Bundesrat ein Gesetzentwurf des Landes 35 Jahre auf 71 %, während er zur gleichen Zeit im Sachsen-Anhalt zur Umsetzung der Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts eingebracht. Erst im produzierenden Gewerbe und bei den sonstigen August 2005 legte die Bundesregierung einen eige- Dienstleistungen bei nur 39 % lag. nen Gesetzentwurf vor. Dieser Zeitablauf macht Die mit dem Gesetz verbundene Entlastung öffent- deutlich, dass der Bundesrat treibende Kraft im deut- licher Haushalte wäre für sich genommen kein schen Gesetzgebungssystem und oftmals der Bun- Grund, Kritik zu üben. Allerdings steht der Entlas- desregierung voraus ist. tung der öffentlichen Kassen eine Mehrbelastung (B) (D) Wenn ich eingangs gesagt habe, es werde gut, der privaten Wirtschaft gegenüber, die zu einer wei- dann ist dies im Sinne der Mütter, Frauen und Fami- teren Verteuerung der Arbeitsplätze führt. Verge- lien in unserem Land. Es ist aber auch vor dem Hin- genwärtigt man sich dazu die Tatsache, dass neue tergrund der demografischen Entwicklung gut, dass Arbeitsplätze heute im Wesentlichen nur in der Pri- wir diesen Gesetzesbeschluss heute behandeln und vatwirtschaft entstehen, könnte unser aller Ziel – die hoffentlich annehmen; denn ohne Gesetzesände- Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland – da- rung würde die Verpflichtung der Arbeitgeber zur durch konterkariert werden. Beteiligung am Mutterschaftsgeld spätestens zum 31. Dezember dieses Jahres entfallen. Es bliebe nur An dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen, die Möglichkeit, den Ausfall durch Steuermittel aus- dass mir eine verfassungskonforme Regelung des zugleichen – ich verweise auf den Vortrag des Kolle- Umlageverfahrens für das Mutterschaftsgeld im Inte- gen Steinbrück soeben – oder den Müttern die bis- resse der betroffenen Frauen wichtig ist. Aber dass herigen Leistungen insgesamt nicht mehr zu ein Gesetz geschaffen wird, mit dem sich die öffentli- gewähren. Letzteres wäre in meinen Augen ein fata- che Hand letztlich zu Lasten der privaten Wirtschaft les Zeichen und eine zu große Hypothek für uns entlastet, ist in meinen Augen ein falsches Signal. alle. Wir sind darauf angewiesen, denjenigen, die für die Zukunft unserer Gesellschaft sorgen, näm- Nun könnte eingewandt werden, die privaten Ar- lich den jungen Müttern, eine wirtschaftliche Basis beitgeber müssten nur frauenfreundlicher werden; für die Familiengründung zu geben. Allein deshalb dann würden sie auch mehr aus dem Umlageverfah- ist es zu begrüßen, wenn, wie vorgesehen, durch ren erhalten. Diese Einstellung ist jedoch realitäts- eine Ausweitung des so genannten U2-Verfahrens fern. Der öffentliche Dienst hat durch langjährige ge- auf alle Betriebe die Verpflichtung der Arbeitgeber zielte Frauenförderung einen doppelt so hohen zu einem Beitrag für Mütter erhalten bleiben kann. Anteil an weiblichen Beschäftigten wie die Privat- Deshalb wird Sachsen-Anhalt dem Gesetz auch zu- wirtschaft. Diesen Rückstand aufzuholen wird schon stimmen. jetzt kaum möglich sein. Ob nach einer Verteuerung der Arbeitsplätze hierzu noch Motivation besteht, ist Allerdings muss ich, wie anfangs angekündigt, fraglich. etwas Wermut in den Wein gießen und einen Kritik- punkt benennen, der uns in einem „normalen“ Sachsen-Anhalt wird die Auswirkungen des Geset- Verfahren bewogen hätte, die Anrufung des Vermitt- zes im Auge behalten und notfalls auf eine Korrektur lungsausschusses zu beantragen. Infolge der Untätig- hinwirken. 410 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 Gerry Kley (Sachsen-Anhalt) (A) (C) Angesichts dessen bleibt für die gerade begonnene unmöglich. So wurde die eigentlich für März vorge- Legislaturperiode zu hoffen, dass die neue Regierung sehene Revision auf Oktober verschoben. Im Okto- Gesetze nicht derart auf die lange Bank schiebt, wie ber standen sich Bund und Kommunen mit jeweils hier geschehen, und den Bundesrat als das akzep- völlig unterschiedlichen Daten gegenüber, die nicht tiert, was er ist: ein konstruktiver Partner in der Ge- in Einklang zu bringen waren. Daraus resultierten setzgebung. nicht zu vereinbarende Forderungen. Vor allem die Anlage zur so genannten Revisionsklausel im SGB II, die mit dem vorliegenden Gesetz aufgehoben wer- Präsident Peter Harry Carstensen: Ich bedanke den soll, sorgte für erhebliche Differenzen zwischen mich sehr herzlich, Herr Minister Kley. Bund und Kommunen. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wegen des Konfliktes um das Revisionsverfahren Der Gesundheitsausschuss empfiehlt in Drucksa- und die Erstattungsquote des Bundes drohte die Si- che 859/1/05, dem Gesetz zuzustimmen. Wer dieser tuation für die Kommunen untragbar zu werden. Es Empfehlung folgen möchte, den bitte ich um das bestand die Gefahr, dass sie im nächsten Jahr keinen Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Bundeszuschuss mehr erhalten. Ein entsprechender Gesetzentwurf des damaligen Bundesministers für Damit hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. Wirtschaft und Arbeit, Herrn C l e m e n t , lag be- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 55: reits vor. Was dieser Entwurf vorsah, hätten die Kom- munen finanziell nicht verkraftet. Erstes Gesetz zur Änderung des Zweiten Bu- ches Sozialgesetzbuch (Drucksache 893/05) Umso erleichterter können wir heute über das Er- gebnis der Sitzung des Koalitionsausschusses am Wortmeldungen liegen vor. Frau Staatsministerin 8. Dezember 2005 sein. Dahinter steht eine große Stewens (Bayern), bitte. Kraftanstrengung des Bundes. Mit dem guten Willen beider Seiten ist es gelungen, den Konflikt mit einem gerechten Kompromiss für alle Beteiligten zu lösen. Christa Stewens (Bayern): Herr Präsident, meine Ich denke, dies ist ein wichtiges Signal für einen er- Damen und Herren! Was lange währt, wird endlich folgreichen Start der großen Koalition, der neuen gut. So könnte man das monatelange Ringen zwi- Bundesregierung. schen Bund, Ländern und kommunalen Spitzenver- bänden um die Beteiligung des Bundes an den Kos- Ich möchte mich sehr herzlich bei der Bundeskanz- ten für Unterkunft und Heizung entsprechend SGB II lerin bedanken, die heute Morgen klar gemacht hat, und die damit einhergehende Revisionsproblematik dass die Länder in den Entscheidungsprozess zur umschreiben. Glücklicherweise ging es am Ende re- Festlegung der Beteiligungsquote des Bundes im lativ schnell. Ich bin davon überzeugt, dass ein Kom- Jahre 2006 intensiv einbezogen werden und eine (B) (D) promiss gefunden worden ist, mit dem alle Seiten zu- enge Abstimmung mit ihnen erfolgt. Es ist wichtig, frieden sein können. dass wir uns auf einheitliche, transparente Parameter für die Bewertung der vorliegenden Daten einigen. Nach dem nun vorliegenden Ersten Gesetz zur Än- derung des SGB II bleibt es bei der Beteiligung des Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass im Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Hei- Jahre 2006 noch ein großes Stück Arbeit vor uns zung für die Jahre 2005 und 2006 von 29,1 %. Die liegt. Ich denke nur an die Ergebnisse der kommuna- Diskussion über eine Revision für beide Jahre ist da- len Datenerhebung, die bundesweit erfolgt ist. Dem- mit beendet. Ab 2007 soll es eine endgültige Beteili- nach fordern die Kommunen eine Beteiligungsquote gungsquote geben, deren Höhe im Jahre 2006 zu be- von 34,1 %, um die Entlastung von 2,5 Milliarden stimmen sein wird. Ich begrüße diese Lösung Euro tatsächlich zu erreichen. In der Beschlussemp- ausdrücklich. fehlung des federführenden Ausschusses für Arbeit Durch den Plan der früheren Bundesregierung, die und Soziales des Bundestages hingegen taucht der Beteiligungsquote ursprünglich auf null bzw., im Er- Satz auf, die Kommunen würden mit einer Erstat- gebnis der Verhandlungen, auf 19 % festzusetzen, tungsquote von 29,1 % um deutlich mehr als drohte zuletzt das Scheitern der Mammutreform 2,5 Milliarden Euro entlastet. Daran erkennen Sie die Hartz IV – wegen der finanziellen Situation der Kom- unterschiedliche Bewertung von Bund und Kommu- munen und wegen der fehlenden Mittel zur Fortfüh- nen. Vor diesem Hintergrund ist es sehr wichtig, dass rung der Arbeit in den Arbeitsgemeinschaften und die Länder in den Abstimmungsprozess intensiv ein- den Optionskommunen. bezogen werden. Meine Damen und Herren, rufen wir uns die Hin- In diesem Zusammenhang möchte ich den Hinweis tergründe in Erinnerung! Im SGB II ist gegenwärtig der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur noch geregelt, dass im Jahre 2005 der Bund 29,1 % Stellungnahme des Bundesrates aus dem ersten der Kosten für die Leistungen für Unterkunft und Durchgang kritisieren, der Bund könne nicht eine Heizung trägt. Dieser Anteil sollte im März und im finanzielle Lücke bei den Kommunen schließen, die Oktober dieses Jahres überprüft werden, um sicher- entstehe, wenn die Länder ihre Einsparungen im Be- zustellen, dass die Entlastung in Höhe von reich des Wohngeldes nicht in voller Höhe an die 2,5 Milliarden Euro jährlich wirklich bei den Kommu- Kommunen weiterleiteten. Dieser Hinweis legt die nen ankommt. Wie Sie aber alle wissen, ist die ge- Vermutung nahe, die Länder gäben ihre Einsparung setzlich geforderte Überprüfung mehr als schwierig; im Bereich des Wohngeldes nicht an die Kommunen von einigen wird sogar gesagt, sie sei gegenwärtig weiter. Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 411 Christa Stewens (Bayern) (A) (C) Für die Länder ist es eine Selbstverständlichkeit, Präsident Peter Harry Carstensen: Frau Staats- meine Damen und Herren, dass sie jeden Euro, den ministerin Stewens, herzlichen Dank! sie durch die Hartz-IV-Reformen einsparen, an die Kommunen weiterleiten. Ebenso selbstverständlich Ministerpräsident Dr. Ringstorff (Mecklenburg- ) ist es für die Länder, für einen interkommunalen Vorpommern) gibt eine Erklärung zu Protokoll* . – Ausgleich zu sorgen. Denn in der Tat ist es richtig, Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. wie der Herr Bundesfinanzminister hier festgestellt Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für hat, dass die großen Städte ein Stück weit mehr ent- Arbeit und Sozialpolitik empfiehlt, dem Gesetz zuzu- lastet werden als viele Landkreise, vor allem diejeni- stimmen. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um gen, in denen die Zahl der Arbeitslosenhilfeempfän- das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. ger hoch war. Das wissen alle, die sich mit der Revisionsklausel intensiv beschäftigt haben. Der Bundesrat hat dem Gesetz zugestimmt.

Wir erwarten – ich denke, vor dem Hintergrund des Zur gemeinsamen Abstimmung nach § 29 Abs. 2 gefundenen Kompromisses ist diese Erwartung auch der Geschäftsordnung rufe ich die in dem Umdruck berechtigt –, dass die Bundesregierung die Diskus- Nr. 11/2005**) zusammengefassten Beratungsgegen- sion mit den Ländern über die Festlegung der Bun- stände auf. Es sind dies die Tagesordnungspunkte: desbeteiligung auf einer sachlichen Basis führt. 9 bis 11, 22 bis 25, 27, 30 bis 36, 38 und 42 bis 44. So wie wir gegenwärtig erleichtert sein können, dass wir es gemeinsam geschafft haben, für die Außerdem sind wir übereingekommen, auch zu Jahre 2005 und 2006 eine gerechte Lösung für alle Punkt 57 entsprechend den Vorschlägen zu beschlie- Seiten zu finden und den Kommunen dadurch Pla- ßen. nungssicherheit zu geben, so bin ich zuversichtlich, dass wir auch im nächsten Jahr zu einem Ergebnis Wer den Empfehlungen folgen möchte, den bitte gelangen können, das die Interessen der Kommunen ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. und des Bundes in bestmöglichen Einklang bringt. Dann ist so beschlossen. Lassen Sie mich zum Schluss darauf hinweisen, dass es auf dem Gebiet des SGB II über die Revi- Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf: sionsklausel hinaus noch einiges zu tun gibt. Auf der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kraft- Agenda der neuen Bundesregierung und der Länder fahrzeugsteuerlicher Vorschriften auch hin- stehen auch im nächsten Jahr die Umsetzung und sichtlich der Wohnmobilbesteuerung – Antrag Optimierung von Hartz IV ganz oben. Wir haben ein des Landes Nordrhein-Westfalen – (Drucksache Jahr lang Erfahrungen gesammelt, und an einigen 229/05) (B) Stellen wird deutlich, dass erheblicher Nachbesse- (D) rungsbedarf besteht. Die Kostensteigerung gegen- Es liegen zwei Wortmeldungen vor. Zunächst hat über der früheren Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe Staatsminister Riebel (Hessen) das Wort. beträgt bundesweit ca. 7 Milliarden Euro. Deswegen müssen hier auch weiterhin Fehlanreize beseitigt werden. Man muss genau prüfen, welche Kosten er- Jochen Riebel (Hessen): Herr Präsident! Meine forderlich sind, um arbeitswilligen und bedürftigen sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt eine eher Hilfeempfängern die notwendige Hilfe zu gewähren. trockene Materie zu bereden. Ich darf sie Ihnen kurz Bestehende Möglichkeiten, die Leistungen nach dem erläutern. SGB II zu beziehen, ohne dass sie wirklich erforder- Als Folge einer Änderung der Straßenverkehrs-Zu- lich sind, müssen beseitigt werden. lassungs-Ordnung sind zum 1. Mai 2005 Geländewa- Es ist zu begrüßen, dass der Koalitionsvertrag eine gen und andere Personenkraftwagen mit einem zu- Präzisierung der Definition der Bedarfsgemein- lässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t wie schaften im SGB II vorsieht. Die im Koalitionsvertrag Personenkraftwagen nach Hubraum und Schadstoff- zu Hartz IV angesprochenen Maßnahmen können ausstoß zu besteuern. Von dieser Neuregelung sind aber keineswegs abschließend sein. Es wird sehr ge- auch Wohnmobile betroffen. Viele Besitzer solcher nau zu prüfen sein, an welchen weiteren Stellen das Kraftfahrzeuge haben Rechtsmittel gegen die höhere SGB II an die gesellschaftliche Realität angepasst Besteuerung eingelegt. Eine Fülle von Gerichtsver- werden muss. Hier zu praktikablen Lösungen zu fahren ist noch anhängig. kommen ist ausgesprochen wichtig. Im April dieses Jahres hat Nordrhein-Westfalen Meine Damen und Herren, wir haben im Bereich einen Antrag eingereicht, der darauf abzielte, den des SGB II noch ein gutes Stück Arbeit vor uns. Mit alten Zustand wiederherzustellen und alle Wohn- dem vorliegenden Gesetz sind wir aber in jedem Fall mobile nach dem Gewicht zu besteuern. Ein bis zum einen großen Schritt vorangekommen. Durch die Frühjahr geltendes Kraftfahrzeugsteuerprivileg für Neuregelung erhalten die Kommunen die dringend Geländewagen über 2,8 t sollte also für Wohnmobile notwendige Planungssicherheit, um ihren umfassen- wiederhergestellt werden. den Aufgaben gerecht zu werden. Vor allem im Sinne der vor Ort betroffenen Bürgerinnen und Bür- ger bin ich sehr erleichtert, dass uns dieses Ergebnis *) Anlage 1 gelungen ist. – Danke schön. **) Anlage 2 412 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 Jochen Riebel (Hessen) (A) (C) Bundesweit werden bereits heute rund 90 000 der Der Gesetzentwurf ist gerade im Hinblick auf insgesamt 370 000 Wohnmobile, die ein verkehrs- Wohnmobile ein gelungener Kompromiss zwischen rechtlich zulässiges Gesamtgewicht von weniger als der ausschließlichen Besteuerung nach Gewicht und 2,8 t haben, als Personenkraftwagen mit einer jährli- der ausschließlichen Besteuerung nach Hubraum chen Kraftfahrzeugsteuer zwischen 300 und 700 Euro und Emissionen. Wohnmobile dienen zwar besonde- – je nach Hubraum und Emissionsverhalten – belas- ren Zwecken; gleichwohl sollten auch sie allmählich tet. Demgegenüber war die Kraftfahrzeugsteuer für emissionsbezogen und hubraumbezogen besteuert Wohnmobile über 2,8 t wesentlich geringer. Bei Fahr- werden. Eine noch stärkere steuerliche Begünsti- zeugen zwischen 2,8 und 3,5 t betrug sie etwa gung ist nicht mehr gerechtfertigt. 200 Euro. Diese steuerliche Begünstigung von Perso- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte nenkraftwagen wurde allgemein als ungerechtfertigt Sie, den vorliegenden – in den Ausschussberatungen angesehen; denn sie trat allein auf Grund der Über- geänderten – Gesetzesantrag des Landes Nordrhein- schreitung der Gewichtsgrenze von 2,8 t ein. Westfalen zu unterstützen. – Herzlichen Dank. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die steuerliche Entlastung bei schweren Geländewa- Präsident Peter Harry Carstensen: Herzlichen gen, die mit hubraumstarken Dieselmotoren ausge- Dank, Herr Staatsminister Riebel! stattet sind, besonders gravierend war. Das Über- schreiten der Gewichtsgrenze wurde von den Das Wort hat Minister Professor Dr. Reinhart (Ba- Fahrzeugbesitzern oftmals allein durch so genannte den-Württemberg). Auflastungen erreicht, indem beispielsweise größere Reifen montiert wurden und dies in die Fahrzeug- Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden-Württem- papiere eingetragen wurde. berg): Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Herr Kollege Riebel hat den Werdegang sehr sach- Der Antrag Nordrhein-Westfalens auf Wiederher- kundig vorgetragen. Ich möchte mich seinen Ausfüh- stellung des „Wohnmobilprivilegs“, wie es unter rungen anschließen und zur ökonomischen Fortset- Fachleuten genannt worden war, fand nicht genü- zung der Beratungen meine Rede zu Protokoll*) gend Befürworter. Deshalb wurde eine Länder- geben. arbeitsgruppe gebildet, die einen gemeinsamen Än- derungsantrag erarbeitet hat. Ich will lediglich bemerken, dass sich Baden- Württemberg auch der Lösung hätte anschließen Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll nun auch können, für Wohnmobile über 2,8 t den früheren Zu- das Kraftfahrzeugsteuergesetz begrifflich eindeutig stand beizubehalten. Wir tragen aber den gefunde- an die seit Mai geltende Rechtslage angepasst wer- nen Kompromiss mit, um den auch unser Land ge- (B) den. Vor allem sollen die finanziellen Folgen für rungen hat. Wir stehen dazu. (D) Wohnmobilbesitzer durch die Personenkraftwagen- besteuerung ab Mai 2005 gemildert werden. Präsident Peter Harry Carstensen: Danke schön, Angesichts der Härte, die die Umstellung auf Hub- Herr Professor Dr. Reinhart! raum- und Emissionsbesteuerung für Wohnwagenbe- Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Einbrin- sitzer bedeuten kann, ist eine Übergangsregelung gung des Gesetzentwurfs in der unter Ziffer 1 der vorgesehen. 2005 sollen Wohnmobile noch nach Ge- Empfehlungsdrucksache 229/1/05 vorgeschlagenen wicht besteuert werden. Für 2006 sieht der Gesetz- Fassung ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das entwurf pauschalierte Abschläge auf die Kraftfahr- ist die Mehrheit. zeugsteuer vor. Die Höhe des Abschlags ist nach verkehrsrechtlich zulässigem Gesamtgewicht gestaf- Damit hat der Bundesrat beschlossen, den Gesetz- felt. Er liegt von 2006 bis 2008 bei 40 bis 50 %. Ab entwurf beim Deutschen Bundestag in einer Neufas- 2011 ist ein dauerhafter Abschlag von der Kraftfahr- sung einzubringen. zeugsteuer in Höhe von 20 % vorgesehen. Dieser ist Ich stelle fest, dass entsprechend Ziffer 3 der Aus- der besonderen Nutzung der Wohnmobile geschul- schussdrucksache Herr Staatsminister Weimar (Hes- det; denn sie werden in der Regel kaum ganzjährig sen) zum Beauftragten des Bundesrates für die Bera- eingesetzt. tung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag Die Halter der Wohnmobile haben ausreichend und in dessen Ausschüssen bestellt wird. Zeit, sich auf die geänderte Kraftfahrzeugbesteue- Wir kommen sodann zu Tagesordnungspunkt 14: rung einzustellen. Sie könnten die Fahrzeuge bei- spielsweise technisch umrüsten und damit die Steu- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des erbelastung – je nach Schadstoffklasse – verringern. Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und des Telekommunikationsgesetzes – Antrag des Unter Umweltgesichtspunkten ist eine Übergangs- Landes Niedersachsen – (Drucksache 815/05) regelung für andere so genannte Kombinationsfahr- zeuge, z. B. Pick-ups oder Pritschenwagen, nicht ge- Dem Antrag des Landes Niedersachsen ist Sach- rechtfertigt. Diese Fahrzeuge sind vielmehr, wenn sen-Anhalt beigetreten. sie vorrangig auf Personenbeförderung ausgelegt sind, ausschließlich als Personenkraftwagen zu be- handeln. *) Anlage 3 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 413 Präsident Peter Harry Carstensen (A) (C) Mir liegen zwei Wortmeldungen vor. Zunächst ten Werbemaßnahmen“ seit der Neuordnung der Minister Hirche (Niedersachsen). Schwarzarbeitsbekämpfung im August 2004 zu ei- nem sprunghaften Anstieg entsprechender Verstöße geführt hat. Deshalb soll unlautere Werbung wieder Walter Hirche (Niedersachsen): Herr Präsident, als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. So ist prä- meine Damen und Herren! Es ist sicherlich unsere ventives Vorgehen gegen unerlaubte Handwerks- gemeinsame Überzeugung, dass eine der vordringli- und Gewerbeausübung möglich. chen Aufgaben des Staates darin besteht, illegale Be- schäftigung und Schwarzarbeit zurückzudrängen. Ich habe mich über die breite Unterstützung, die die niedersächsische Initiative in den Ausschüssen Der Bundesrat hat in einem Beschluss im Sommer des Bundesrates gefunden hat, gefreut und möchte 2004 bekräftigt, dass dies am wirkungsvollsten durch Sie bitten, die Einbringung des Gesetzesantrags die Beseitigung der Ursachen erfolgen kann, also beim Deutschen Bundestag zu beschließen. durch ein einfaches, transparentes Steuersystem mit niedrigen Steuersätzen, eine nachhaltige Senkung der Lohnnebenkosten und eine umfassende Flexibili- Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff: Vie- sierung des Arbeitsmarktes. len Dank! Es geht aber auch um die Bekämpfung der Das Wort hat Frau Parlamentarische Staatssekretä- Schwarzarbeit, wie sie sich heute zeigt. Denn ein rin Dr. Hendricks (Bundesministerium der Finanzen). Volumen von 346 Milliarden Euro, die die Schwarz- arbeit umfasst, wie Experten sagen, bedeutet, dass man sich nicht zurücklehnen darf. Mit der Änderung Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes möchte Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine Niedersachsen einen Beitrag leisten, handwerks- sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich und gewerberechtliche Verstöße wirkungsvoller an- eingangs feststellen: Selbstverständlich genießt die gehen zu können. Bekämpfung der Schwarzarbeit auch bei der neuen Bundesregierung höchste Priorität. Die in dem Koali- ( V o r s i t z : Amtierender Präsident Dr. Harald tionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD festgeleg- Ringstorff) ten Maßnahmen gegen illegale Beschäftigung, Bei der Neufassung der gesetzlichen Grundlagen Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft verdeutlichen für die Schwarzarbeitsbekämpfung im Jahre 2004 dies. Dazu zählt für uns auch die Stärkung der Zu- verfolgte die damalige Bundesregierung das Ziel, sammenarbeit von Bund und Ländern, die als eine handwerks- und gewerberechtliche Verstöße nicht der Maßnahmen im Koalitionsvertrag ausdrücklich mehr als Schwarzarbeit zu ahnden. Begründet wurde ihren Niederschlag gefunden hat. (B) (D) dies mit dem Hinweis auf bestehende Bußgeldvor- Bereits in der Vergangenheit hat unter anderem schriften in der Handwerks- und Gewerbeordnung. das Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Eine darüber hinausgehende Verfolgung hielt die da- Schwarzarbeit und damit zusammenhängender malige Bundesregierung für unzweckmäßig. Steuerhinterziehung vom 1. August 2004 zur Stär- Die Länder haben es dann im Vermittlungsaus- kung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern schuss erreicht, dass ein Teil der gewerbe- und hand- beigetragen. So ist im Zuge der damaligen Beratun- werksrechtlichen Verstöße doch in das Schwarz- gen im Vermittlungsausschuss auf Wunsch der Län- arbeitsbekämpfungsgesetz aufgenommen wurde. der der Bereich handwerks- und gewerberechtlicher Diesem Umstand wurde im Gesetz allerdings nicht Eintragungs- und Anzeigepflichtverletzungen in das konsequent Rechnung getragen. Deswegen sind Än- Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz aufgenommen derungen und Ergänzungen erforderlich. Ich will worden. Kollege Hirche hat gerade darauf hingewie- zwei Punkte nennen. sen. Die Befugnisse der Zollverwaltung und der nach Die ausführliche Bewertung des vorliegenden Ge- Landesrecht zuständigen Behörden sind in dem er- setzesantrags und der Empfehlungen der Ausschüsse forderlichen Maße anzupassen. bleibt der Stellungnahme der Bundesregierung zu dem noch zu beschließenden Gesetzentwurf des Ebenso wie der Zollverwaltung muss es den Kom- Bundesrates vorbehalten. Allerdings möchte ich be- munen erlaubt sein, unmittelbar gegen Schwarzar- reits heute darauf hinweisen, dass aus der Sicht der beiter und deren Auftraggeber vorzugehen. Die Er- Bundesregierung mehrere wesentliche Gesichts- mittlungsbefugnisse der kommunalen Behörden punkte des Gesetzesantrags nicht unwidersprochen sollen deswegen dahin gehend erweitert werden, bleiben können. dass diese bei einem Tatverdacht Personen und Geschäftsunterlagen direkt in den Geschäftsräumen Gegen die Schaffung von zwei neuen Bußgeldtat- und auf Grundstücken von Arbeitgebern und Auf- beständen für unlautere Werbung in den Medien be- traggebern überprüfen dürfen. Außerdem sollen die stehen erhebliche Bedenken – insbesondere von Sei- Kommunen ein Zugriffsrecht auf die zentrale Daten- ten des für das Handwerks- und Gewerberecht bank der Zollverwaltung erhalten, um Schwarzar- zuständigen Bundesministeriums für Wirtschaft und beit länderübergreifend bekämpfen zu können. Technologie –, ob dies angemessen wäre. Darüber hinaus hat die Erfahrung gezeigt, dass der Der Gesetzesantrag ist zudem in mehreren Punk- Verzicht auf die Bußgeldbewehrung der „unerlaub- ten systemwidrig, da er das Bekämpfungsinstrumen- 414 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks (A) (C) tarium des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes in tragten des Bundesrates für die Beratungen des Ge- seiner Bedeutung verkennt. Die Behörden der Zoll- setzentwurfs im Deutschen Bundestag zu bestellen. verwaltung und die sie unterstützenden Behörden Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf: haben das Recht, verdachtlose Prüfungen durchzu- führen. Wenn aber ein Tatverdacht besteht, also An- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des §33 haltspunkte für die Verwirklichung einer Ordnungs- Gerichtsverfassungsgesetz – Antrag des Lan- widrigkeit oder gar einer Straftat vorliegen, ist das des Rheinland-Pfalz gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – staatsanwaltschaftliche bzw. polizeiliche Ermitt- (Drucksache 841/05) lungsverfahren betroffen. Diese aus rechtlichen Wortmeldungen liegen nicht vor. Gründen zwingende Trennung verkennt der Geset- zesantrag Niedersachsens, indem der Tatverdacht Der Antrag hat einen Gesetzentwurf zum Inhalt, zur Voraussetzung für die besonderen Rechte bei der den der Bundesrat schon in der 15. Wahlperiode verdachtlosen Prüfung gemacht wird. beim Deutschen Bundestag eingebracht hatte. Er ist der Diskontinuität unterfallen. Auch die Einrichtung einer gemeinsamen Daten- bank der Zollverwaltung – genauer: der Finanzkon- Erneute Ausschussberatungen haben nicht stattge- trolle Schwarzarbeit – und der nach Landesrecht zu- funden. Wir sind jedoch übereingekommen, bereits ständigen Behörden ist bei allem Wunsch nach heute in der Sache zu entscheiden. Wer für die verstärkter Zusammenarbeit sehr kritisch zu sehen. erneute Einbringung des Gesetzentwurfs beim Deut- In der Datenbank befinden sich dem Steuergeheim- schen Bundestag ist, den bitte ich um das Handzei- nis und dem Sozialdatenschutz unterliegende beson- chen. – Das ist die Mehrheit. ders schutzwürdige personenbezogene Daten. Dann ist so beschlossen. Das „scharfe Schwert“ der Datenbank mit automa- Herr Staatsminister Mertin (Rheinland-Pfalz) wird, tisiertem Zugriff ist zur Bekämpfung bestimmter Er- wie vereinbart, zum Beauftragten bestellt. scheinungsformen der Schwarzarbeit notwendig. Es erscheint jedoch überzogen, es auf die handwerks- Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf: und gewerberechtlichen Verstöße auszudehnen. In Entwurf eines Gesetzes zur Führung des Han- der Praxis würde dies bedeuten, dass für die Behör- delsregisters, des Genossenschaftsregisters, des den der Zollverwaltung und Hunderte von Kommu- Partnerschaftsregisters und des Vereinsregis- nalbehörden eine gemeinsame Datenbank geschaf- ters durch von den Ländern bestimmte Stellen fen werden müsste. Dies erscheint nicht nur (Register-Führungsgesetz – RFüG) – Antrag der unverhältnismäßig, sondern ist auch technisch kaum Freien und Hansestadt Hamburg gemäß § 36 bzw. nur sehr langfristig zu realisieren. Soweit die Abs. 2 GO BR – (Drucksache 865/05) (B) Zollverwaltung über Informationen verfügt, die für (D) die Aufgabenerfüllung durch die Landesbehörden Dem Antrag der Freien und Hansestadt Hamburg erforderlich sind, erfolgt bereits heute einzelfallbezo- sind die Länder Baden-Württemberg und Nieder- gen ein Informationsaustausch. sachsen beigetreten. Sicherlich sind wir uns darüber einig, dass jede Wortmeldungen liegen nicht vor. Möglichkeit, Schwarzarbeit und illegale Beschäfti- Der Antrag hat einen Gesetzentwurf zum Inhalt, gung durch Intensivierung der Zusammenarbeit zwi- den der Bundesrat schon in der 15. Wahlperiode schen Bund und Ländern effektiv zu bekämpfen, er- beim Deutschen Bundestag eingebracht hatte. Auch griffen, ernsthaft erwogen und geprüft werden sollte. er ist der Diskontinuität unterfallen. Der Gesetzesantrag, über den wir heute sprechen, bedarf jedoch – insbesondere aus den von mir ge- Erneute Ausschussberatungen haben nicht stattge- nannten Gründen – der Überarbeitung. – Herzlichen funden. Es ist jedoch beantragt worden, bereits heute Dank. in der Sache zu entscheiden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff: Vie- Dann kommen wir zur Frage der Einbringung. len Dank! Wer dafür ist, den Gesetzentwurf erneut beim Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Deutschen Bundestag einzubringen, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Wir kommen zur Abstimmung. Die Ausschussemp- fehlungen liegen Ihnen in Drucksache 815/1/05 vor. Dann ist so beschlossen. Daraus rufe ich die Ziffern 1 bis 3 gemeinsam auf. – Herr Senator Dr. Kusch (Hamburg) wird, wie ver- Das ist die Mehrheit. einbart, zum Beauftragten bestellt. Wir kommen zur Schlussabstimmung: Wer ist für Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf: die Einbringung des Gesetzentwurfs mit den soeben Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung des beschlossenen Änderungen? – Das ist die Mehrheit. Zeugnisverweigerungsrechts für Verlobte und Es ist so beschlossen. weiterer Privilegien von Verlobten im Strafrecht – Antrag der Freien und Hansestadt Hamburg Ich stelle fest, dass wir übereingekommen sind, gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 867/ Herrn Minister Hirche (Niedersachsen) als Beauf- 05) Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 415 Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff (A) (C) Dem Antrag der Freien und Hansestadt Hamburg menbedingungen geführt, die unser demokratischer sind die Länder Niedersachsen und Thüringen bei- Rechtsstaat in diesem Bereich vorgibt. getreten. Ich weiß, dass einige es für anstößig halten, einen Wortmeldungen liegen nicht vor. solchen Einzelfall zum Anlass zu nehmen, die rechtli- Auch dieser Antrag hat einen Gesetzentwurf zum chen Regelungen zu überprüfen. Aber wenn wir ehr- Inhalt, den der Bundesrat schon in der 15. Wahl- lich sind, müssen wir zugeben: Die sehr weit gehen- periode beim Deutschen Bundestag eingebracht den und aus meiner Sicht sehr positiven Fortschritte, hatte. Er ist der Diskontinuität unterfallen. die wir in den vergangenen Jahren bei der Schaffung einer besseren rechtlichen Handhabe für den Schutz Erneute Ausschussberatungen haben nicht stattge- vor Sexualstraftätern Stück für Stück erzielt haben, funden. Hamburg hat jedoch beantragt, bereits heute waren immer nur möglich, weil uns konkrete Fälle in der Sache zu entscheiden. Wer ist für die sofortige die jeweiligen rechtlichen Lücken aufgezeigt haben. Sachentscheidung? – Das ist die Mehrheit. Der Mordfall Carolin Mitte dieses Jahres in Meck- Dann kommen wir zur Frage der Einbringung. lenburg-Vorpommern hat klar gezeigt, wie begrenzt Wer dafür ist, den Gesetzentwurf erneut beim die Möglichkeiten der nachträglichen Sicherungsver- Deutschen Bundestag einzubringen, den bitte ich um wahrung sind, dass wirksamer Schutz in diesem Be- das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. reich bei der erstmaligen Sicherungsverwahrung an- setzen und deren Anwendungsbereich erweitert Dann ist so beschlossen. werden muss. Viele hatten sich versprochen, auf der Wie vereinbart, wird Herr Senator Dr. Kusch (Ham- Grundlage dieses rechtlichen Instituts all diejenigen, burg) zum Beauftragten bestellt. die am Ende der Haft noch ein Gefährdungspotenzial darstellen, einfach in Sicherungsverwahrung neh- Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf: men zu können. Auch in der Öffentlichkeit herrscht Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vor- dieses Verständnis vor, sicherlich nicht ganz ohne schriften des Personenbeförderungsrechts Zutun einiger Rechtspolitiker. Aber das ist so nicht – Antrag der Freien und Hansestadt Hamburg richtig. gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 868/ Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung 05) zu der 2004 in Kraft getretenen Vorschrift des § 66b Wortmeldungen liegen nicht vor. des Strafgesetzbuches reicht es nicht aus, wenn der Verurteilte am Ende der Haft noch genauso gefähr- Dann kommen wir zur Abstimmung. Wir sind über- lich ist wie bei der Verurteilung. Erforderlich sind eingekommen, heute sofort in der Sache zu entschei- neue Tatsachen, die eine andere, weiter gehende Ge- (B) (D) den. fährlichkeit belegen, als sie damals erkennbar war. Wer ist dafür, den Gesetzentwurf erneut beim Daran mangelt es regelmäßig, wenn sich z. B. Auffäl- Deutschen Bundestag einzubringen? – Das ist die ligkeiten und disziplinare Verfehlungen während der Mehrheit. Haft im Rahmen des bisherigen Persönlichkeitsbildes halten. Dann ist so beschlossen. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist aus- Zum Beauftragten des Bundesrates für die Bera- drücklich nicht dazu da, eine rechtskräftige Entschei- tung des Gesetzentwurfs im Bundestag und seinen dung später ohne weiteres zu korrigieren. War der Ausschüssen wird vereinbarungsgemäß Herr Senator Täter schon bei der Verurteilung so gefährlich wie Dr. Freytag (Hamburg) bestellt. am Haftende, hätte bereits damals Sicherungsver- Wir kommen zu Punkt 48: wahrung angeordnet werden müssen. Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor schwe- Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist auch ren Wiederholungstaten durch Anordnung der nicht dazu da, die bei der Verurteilung aus Rechts- Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gründen nicht mögliche Sicherungsverwahrung bei sogenannten Ersttätern – Antrag des Lan- nachträglich doch noch auszusprechen. Dies gilt des Mecklenburg-Vorpommern gemäß § 36 z. B., wenn die Anordnung der Sicherungsverwah- Abs. 2 GO BR – (Drucksache 876/05) rung deshalb ausgeschlossen ist, weil nur eine ein- zige schwerste Sexualstraftat vorliegt. Dann ist das Das Wort hat Minister Sellering (Mecklenburg-Vor- Institut der nachträglichen Sicherungsverwahrung pommern). zwar formell anwendbar; aber es hilft nicht weiter, weil nur in sehr wenigen Ausnahmefällen die Vo- Erwin Sellering (Mecklenburg-Vorpommern): Herr raussetzungen vorliegen. Präsident, meine Damen und Herren! Es geht um Damit haben wir eine rechtliche Lage, die im Inte- besseren Schutz vor Wiederholungstätern im Bereich resse des Schutzes der Bevölkerung nicht hinnehm- schwerster Sexualstraftaten. bar ist. Ist auf Grund nur einer schwersten Sexual- Anlass ist ein konkreter Fall, der die Menschen in straftat klar, dass es sich um einen hochgefährlichen Mecklenburg-Vorpommern und weit darüber hinaus potenziellen Serientäter handelt, dann lässt das bis- sehr bewegt hat. Er hat zu Trauer und Wut, aber auch herige Recht die Anordnung von Sicherungsverwah- zu Unverständnis hinsichtlich der rechtlichen Rah- rung nicht zu. Auch nachträgliche Sicherungsver- 416 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 Erwin Sellering (Mecklenburg-Vorpommern) (A) (C) wahrung ist für diesen Täter nicht möglich, wenn Außerdem gingen wir davon aus, dass wir, um eine sich im Vollzug die Einschätzung, er sei ein hochge- hinreichend breite Prognosegrundlage zu haben, fährlicher potenzieller Serientäter, lediglich bestätigt, auch auf Erkenntnisse aus dem Strafvollzug zurück- aber keine neuen Tatsachen für eine darüber hinaus- greifen müssen. Wir haben uns im Gesetzgebungs- gehende Gefährlichkeit bestehen. Diese rechtliche verfahren durchaus mit der Möglichkeit befasst, Lücke muss geschlossen werden. bereits für Ersttäter die Anordnung der Sicherungs- verwahrung durch das erkennende Gericht zuzulas- Durch Änderung der Regelungen zur nachträgli- sen. Damals kamen wir aber zu dem Schluss, dass es chen Sicherungsverwahrung scheint dies nicht mög- kaum möglich sei, eine solche Regelung zu schaffen. lich zu sein. Der Bundesgerichtshof hat seine ein- Ich zitiere hierzu wiederum die Begründung des Re- schränkende Auslegung grundrechtlich begründet. gierungsentwurfs: Er wird aller Voraussicht nach alle unsere weiter ge- henden Formulierungen ebenfalls restriktiv verfas- Auch bei sorgfältigster Aufklärung prognose- sungskonform auslegen oder aber, wo es nicht mehr relevanter Sachverhalte wäre die Beurteilungs- basis vermutlich noch zu schmal, um einen so möglich ist, dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. schwer wiegenden Eingriff wie die Unterbrin- Angesetzt werden muss deshalb bei der erstmali- gung in der Sicherungsverwahrung zu tragen; gen Sicherungsverwahrung. Sicherungsverwahrung insoweit kann auf Erkenntnisse aus der Zeit des muss in Ausnahmefällen schon nach nur einer Strafvollzugs nicht verzichtet werden. schwersten Sexualstraftat ausgesprochen werden Mit denselben Argumenten hat übrigens auch der können. Uns allen ist klar, dass ein Hang zu schwers- Gesetzentwurf des Bundesrates vom 2. April 2004 auf ten Sexualstraftaten nach nur einer Tat lediglich in Drucksache 177/04 die Einführung einer bereits mit wenigen Ausnahmefällen festzustellen sein wird. dem ursprünglichen Urteil anzuordnenden Siche- Aber es wäre unerträglich, dann, wenn ein solcher rungsverwahrung für Ersttäter abgelehnt. Fall gegeben ist, sagen zu müssen, uns seien recht- lich die Hände gebunden, und sehenden Auges ei- Sind mittlerweile Erkenntnisse vorhanden, die uns nen potenziellen Serientäter auf freien Fuß setzen zu etwas anderes lehren? Sind wir klüger geworden? müssen. Gelten unsere Argumente von vor gut einem Jahr nicht mehr? Sicherlich sind noch schwierige kriminologische Ich weiß, im Juli wurde in Gelbensande nahe Fragen zu klären. Es muss darüber diskutiert wer- Rostock die 16-jährige Carolin vergewaltigt und den, wie solche Täter identifiziert werden können. ermordet – Sie haben es erwähnt, Herr Minister Ich könnte mir vorstellen, dass neben psychiatrischen Sellering –, und zwar von einem Täter, der erst sie- Gutachten so genannte Profiler herangezogen wer- ben Tage zuvor aus der Strafanstalt entlassen worden (B) (D) den, die in der Lage sind, aus der am Tatort erkenn- war. Dort hatte er wegen Entführung, Vergewalti- baren Begehungsweise weit reichende Schlüsse z. B. gung und Misshandlung einer jungen Frau eine sie- auch auf Serienmerkmale zu ziehen. benjährige Haftstrafe voll verbüßt. Die Strafanstalt hatte ihn als gefährlich eingeschätzt. Die zuständige Meine Damen und Herren, ich bitte sehr darum, Staatsanwaltschaft sah aber die Voraussetzungen für dass wir all dem in den Ausschüssen ernsthaft nach- die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwah- gehen und zu einer Lösung kommen. – Vielen Dank. rung nicht als gegeben an und stellte deshalb keinen entsprechenden Antrag. Dieser Fall hat uns alle tief Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff: Vie- berührt und schockiert. len Dank! Erst seit wenigen Tagen liegt der volle Wortlaut des jüngsten Urteils des Bundesgerichtshofs zur nach- Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hartenbach träglichen Sicherungsverwahrung vom 25. November hat um das Wort gebeten. dieses Jahres vor. Darin hat der Bundesgerichtshof – unter Hinweis auf die gesetzgeberische Absicht – Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der ausdrücklich festgestellt, dass auch für die nachträg- Bundesministerin der Justiz: Verehrtes Präsidium! liche Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir vor Ersttäter strenge Anforderungen an das Vorliegen gut einem Jahr das Gesetz zur Einführung der nach- neuer, sich aus dem Vollzugsverhalten ergebender träglichen Sicherungsverwahrung verabschiedeten Tatsachen zu stellen sind. Diese müssten im Lichte und darin die Möglichkeit eröffneten, auch gegen so des Verhältnismäßigkeitsprinzips schon für sich und genannte Ersttäter Sicherungsverwahrung nachträg- ungeachtet der notwendigen Gesamtwürdigung aller lich anzuordnen, wollten wir erklärtermaßen eine Umstände im Hinblick auf mögliche Beeinträchtigun- Regelung für besonders gelagerte Ausnahmefälle gen des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung ande- schaffen. Wir gingen nämlich davon aus, dass nur in rer Gewicht haben. Deshalb könne nicht schon jeder Ausnahmefällen bei Ersttätern Erkenntnisse von sol- während des Vollzugs aufgetretene Ungehorsam die cher Bedeutung vorliegen, dass sie – ich zitiere aus Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwah- der Begründung des Regierungsentwurfs – „prognos- rung rechtfertigen. tisch … die in den anderen Fällen erforderlichen Ver- urteilungen wegen Straftaten von erheblichem Ge- Wer den Fall kennt, über den hier entschieden wicht … ersetzen können“. wurde, und die Ausführungen über die bisherige Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 417 Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach (A) (C) Entwicklung des Täters liest, hat ein ungutes Gefühl, Nur ergänzend weise ich darauf hin, dass eine welchen Weg er nach seiner Entlassung einschlagen „Ersttäterregelung“ im Rahmen des § 66 StGB, wie wird. sie der Gesetzesantrag vorschlägt, weder in dem vom BGH entschiedenen Fall noch im Fall Carolin die Ich gebe zu: Einerseits geben beide Fälle erheblich Entlassung des Straftäters aus der Strafhaft hätte ver- zu denken; andererseits müssen wir uns bewusst hindern können. bleiben, dass die Sicherungsverwahrung einen der schwersten der in unserer Rechtsordnung zugelasse- Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir ha- nen Rechtseingriffe, wenn nicht den schwersten ben in den vergangenen sieben Jahren das Recht der überhaupt darstellt. Deshalb haben wir verfassungs- Sicherungsverwahrung viermal verschärft; Minister rechtliche Grenzen zu wahren. Eine Freiheitsentzie- Sellering hat darauf hingewiesen. Wie im Koalitions- hung ist nur zulässig, wenn überwiegende Belange vertrag vereinbart, werden wir die nachträgliche der Allgemeinheit, etwa die Gefährdung hochrangi- Sicherungsverwahrung auch für Straftäter einfüh- ren, die nach Jugendstrafrecht wegen schwerster ger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit, dies Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unver- zwingend gebieten. sehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung verur- Natürlich beabsichtigt der Gesetzesantrag des Lan- teilt wurden. Nach all dem befinden wir uns bereits des Mecklenburg-Vorpommern – wie übrigens alle nahe der Grenze des verfassungsrechtlich Machba- früheren Initiativen auf diesem Gebiet – gerade den ren. Schutz dieser hochrangigen Rechtsgüter. Das allein Mit der Reform der Führungsaufsicht ist ein Vorha- aber reicht nicht aus. Die entscheidende und bisher ben auf dem Weg, das die Grundlagen für eine Ver- nicht abschließend geklärte Frage lautet: Kann bei besserung der Betreuung und Kontrolle von Straftä- Ersttätern überhaupt mit hinreichender Zuverläs- tern nach ihrer Entlassung legen wird. Einen sigkeit eine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit Regierungsentwurf werden wir Anfang nächsten prognostiziert werden, und unter welchen Vorausset- Jahres vorlegen. Ich meine, dass wir uns auf dieses zungen ist dies gegebenenfalls möglich? gesetzgeberische Vorhaben und die Verbesserung und Intensivierung der Betreuungs- und Kontrollpra- Nur wenn wir den ersten Teil der Frage nach bes- xis, vielleicht auch der Fort- und Weiterbildung der tem Wissen und Gewissen positiv beantworten könn- Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie der ten und über den zweiten Teil der Frage Klarheit hät- Richterinnen und Richter konzentrieren sollten. – Ich ten, dürften wir eine entsprechende Regelung ins danke Ihnen. Auge fassen. Wir müssen uns immer bewusst sein: Je weiter wir unsere Netze auslegen, um potenzielle Rückfalltäter aus dem Verkehr zu ziehen, desto mehr Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff: Vie- (B) Personen werden sich dann aber auch in diesen Net- len Dank! (D) zen verfangen, die nach Verbüßung ihrer Strafe ver- Ich weise die Vorlage dem Rechtsausschuss – fe- mutlich keine Straftaten mehr begangen hätten. derführend – sowie dem Ausschuss für Frauen und Jugend und dem Ausschuss für Innere Angelegen- Vor diesem Hintergrund sehe ich den Gesetzes- heiten – mitberatend – zu. antrag sehr kritisch. Mit dem Verzicht auf Vorver- urteilung enthält § 66 Abs. 4 des Entwurfs keine ob- Ich rufe Tagesordnungspunkt 49 auf: jektivierbaren prognoserelevanten Tatsachen mehr. Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Allein die Schwere der Anlasstat, auf die er abstellt, Werkunternehmeransprüchen und zur verbes- gibt noch keinen Hinweis auf die Gefährlichkeit des serten Durchsetzung von Forderungen (Forde- Täters; denn es kann sich um eine Person handeln, rungssicherungsgesetz – FoSiG) – Antrag der die aus einer einmaligen, nicht wiederholbaren Kon- Länder Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt fliktsituation heraus eine schwere Straftat begangen gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 878/ hat. Indem der Gesetzesantrag zur Ausfilterung sol- 05) cher Fälle eine „Gesamtwürdigung“ der Tat und der Persönlichkeit des Täters verlangt, aus der sich ein Um das Wort hat Minister Wucherpfennig (Thürin- Hang zu schweren Straftaten ergeben muss, verwen- gen) gebeten. det er sehr weiche Kriterien, die einen erheblichen Beurteilungsspielraum eröffnen. Damit wird das Gerold Wucherpfennig (Thüringen): Herr Präsi- Problem der Bewertung der Gefährlichkeit des Ver- dent, meine Damen und Herren! Die Geschichte des urteilten im Ergebnis völlig auf die forensisch-psychi- Forderungssicherungsgesetzes ist fast eine unendli- atrischen Gutachterinnen und Gutachter verlagert. che. Zweimal fiel diese gemeinsame Initiative von Für den Täter selbst wird die ihm drohende Rechts- Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen der Diskon- folge uneinschätzbar. tinuität zum Opfer, zuletzt wegen der vorgezogenen Neuwahl des Deutschen Bundestages im September. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung würde da- rüber hinaus das ohnehin schon schwer durchschau- Auf das Gesetz warten die Handwerker, die klei- bare Regelungssystem des §§ 66 ff. StGB noch un- nen und mittleren Betriebe in Deutschland dringend. übersichtlicher machen und sich auch nicht ohne Besonders im Baugewerbe gehen die Umsätze und Brüche in dieses einpassen. Damit würde sie die die Beschäftigtenzahlen zurück. Die Insolvenzhäufig- Rechtsanwendung durch die Gerichte erheblich keit ist doppelt so hoch wie in der Wirtschaft insge- erschweren. samt. 418 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 Gerold Wucherpfennig (Thüringen) (A) (C) Das liegt sicherlich an der schwachen Binnenkon- Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff: junktur und an den bestehenden Überkapazitäten in Danke sehr! dieser Branche. Dies sind aber nicht die einzigen Weiter um das Wort gebeten hat Minister Becker Gründe. In den letzten Jahren hat sich die Zahlungs- (Sachsen-Anhalt). moral der Kunden verschlechtert. Die Unternehmen müssen immer länger warten, bis ihre Rechnungen beglichen werden. Ich meine, gute Leistungen müs- Curt Becker (Sachsen-Anhalt): Herr Präsident! sen bezahlt werden, und zwar zügig. Der Mittel- Meine Damen, meine Herren! Nachdem Herr Kollege stand, insbesondere das Handwerk, wartet dringend Wucherpfennig die materiellen und prozessualen Re- auf eine bessere rechtliche Handhabe, um berech- gelungen, die das Forderungssicherungsgesetz um- tigte Forderungen gegenüber säumigen Kunden fassen soll, umrissen hat, kann ich meine Rede zu durchzusetzen. Protokoll*) geben. Ich will ergänzen:

Das Forderungssicherungsgesetz greift zahlreiche Eine Praxisumfrage bei unseren Kammern, Verbän- Vorschläge des Handwerks auf. Ich nenne beispiel- den und Gerichten hat die Notwendigkeit bestätigt, haft das Gesetz über die Sicherung der Bauforde- erneut in das Schuldrecht einzugreifen und einen In- rungen, das modernisiert und vereinfacht wird. Bis- strumentenkoffer zu schaffen, mit dem der schlech- lang unzureichend formulierte Bestimmungen des ten Zahlungsmoral besser beizukommen ist. Wir sind Bürgerlichen Gesetzbuches werden geändert und er- deshalb, wie Kollege Wucherpfennig, sehr erfreut gänzt. Unternehmer erhalten Auskunftsrechte ge- darüber, dass nach der Koalitionsvereinbarung ein genüber öffentlichen Stellen, um den Aufenthaltsort Forderungssicherungsgesetz verabschiedet werden ihrer Schuldner zu erfahren. Die Voraussetzungen, soll. unter denen Unternehmer Abschlagszahlungen ver- Ich hoffe, dass das Schicksal dieses Gesetzentwurfs langen können, werden erleichtert. Die Position des ein anderes ist als das der beiden Vorgänger. – Gläubigers wird gestärkt, indem das Rechtsinstru- Danke schön. ment einer vorläufigen Zahlungsanordnung einge- führt wird. Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff: Insbesondere die vorläufige Zahlungsanordnung Danke sehr! rückt die Rechte von Gläubiger und Schuldner vor Gericht wieder ins Gleichgewicht. Der Richter kann Auch diesen Gesetzentwurf hatte der Bundesrat bestimmen, dass ein säumiger Zahler die Rechnung schon in der 15. Wahlperiode beim Deutschen Bun- begleichen muss, auch wenn das endgültige Urteil destag eingebracht. Er ist ebenfalls der Diskontinui- noch nicht gefällt wurde. Betriebe, die von Insolvenz tät unterfallen. (B) (D) bedroht sind, können damit ihre berechtigten Forde- Erneute Ausschussberatungen haben nicht stattge- rungen besser durchsetzen. funden. Wir sind jedoch übereingekommen, bereits heute in der Sache zu entscheiden. Wer für die er- Das bedeutet nicht, dass der Schuldner in Zukunft neute Einbringung des Gesetzentwurfs beim Deut- rechtlos ist. Eine vorläufige Zahlungsanordnung setzt schen Bundestag ist, den bitte ich um das Handzei- voraus, dass die Klage gute Erfolgschancen hat und chen. – Das ist die Mehrheit. weiterer Zeitverzug den Handwerksbetrieb beson- ders benachteiligen würde. Dies können wir uns bei Dann ist so beschlossen. bundesweit mehr als 4,5 Millionen Arbeitslosen nicht leisten. Wir müssen verhindern, dass Arbeitsplätze Staatsminister Mackenroth (Sachsen) wird, wie verloren gehen und gesunde Betriebe Pleite machen, vereinbart, zum Beauftragten bestellt. weil sie zu lange auf offenen Rechnungen sitzen blei- Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf: ben. Entschließung des Bundesrates zur Erweite- Das Forderungssicherungsgesetz setzt hier an. Es rung der Meldepflicht für Lebensmittelunter- stärkt die Rechte der Handwerksbetriebe, des Mittel- nehmer auf solche Unternehmer, die mit nicht stands insgesamt. sicheren Lebensmitteln beliefert werden – An- trag des Landes Niedersachsen – (Drucksache Ich bin dankbar dafür, dass die neue Bundesregie- 826/05) rung die berechtigten Interessen des Handwerks un- terstützt. CDU/CSU und SPD haben im Koalitions- Um das Wort hat Minister Ehlen (Niedersachsen) vertrag ein Forderungssicherungsgesetz vereinbart. gebeten. Dies erhöht die Chance, unsere Bundesratsinitiative zügig auf den Weg und durch die Instanzen zu brin- Hans-Heinrich Ehlen (Niedersachsen): Herr Präsi- gen. Die gemeinsame Initiative von Sachsen, Sach- dent, meine Damen und Herren! Der von Nieder- sen-Anhalt und Thüringen leistet einen wichtigen sachsen eingebrachte Entschließungsantrag ist zu ei- Beitrag dazu, die wirtschaftlichen Rahmenbedingun- nem Zeitpunkt konzipiert worden, als das aktuelle, gen für kleine und mittlere Betriebe zu verbessern. aus insgesamt drei größeren Vorgängen bestehende Ich bitte um Zustimmung zur Einbringung des Ge- setzentwurfs beim Deutschen Bundestag. – Vielen Dank. *) Anlage 4 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 419 Hans-Heinrich Ehlen (Niedersachsen) (A) (C) Negativgeschehen im Fleischmarkt erst ansatzweise den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die bekannt war. Mehrheit. Die folgenden Ereignisse haben umso mehr ver- Damit hat der Bundesrat die Entschließung gefasst. deutlicht, dass die angestrebte Erweiterung der Mel- Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf: depflicht nach Artikel 19 der EG-Lebensmittel- Basisverordnung dringend erforderlich ist. Es reicht Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Ra- nicht aus, allein diejenigen Unternehmer zur Mel- tes über den Austausch von Informationen dung an die zuständige Behörde zu verpflichten, die nach dem Grundsatz der Verfügbarkeit (Druck- erkennen oder Grund zu der Annahme haben, dass sache 770/05) ein von ihnen in Verkehr gebrachtes Lebensmittel nicht sicher ist. Gibt ein Unternehmer wissentlich Wortmeldungen liegen nicht vor. und in krimineller Absicht problematische Ware Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungen weiter, wird die bestehende Meldepflicht Makulatur. der Ausschüsse in Drucksache 770/1/05 vor. Die aktuellen Fälle haben dies eindeutig gezeigt. Wird die Meldepflicht, wie nach dem Entschlie- Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: ßungsantrag vorgesehen, erweitert, besteht eine gute Ziffer 1, wunschgemäß zunächst ohne Absätze 2 Chance, dass solche Vorgänge den Behörden rascher bis 4 und Absatz 6, 2. Tiret! – Mehrheit. bekannt werden und gezielt verfolgt werden können. Jetzt bitte das Handzeichen für: Dass dies kein Automatismus sein wird, ist uns klar. Es wird auch Lieferanten und Belieferte geben, die Ziffer 1 Absätze 2 bis 4 und Absatz 6, 2. Tiret ge- gemeinsam kriminell aktiv sind. Das heißt, der Ab- meinsam! – Mehrheit. nehmer weiß genau, was er bekommt, und lässt es Ziffer 4 Absatz 1! – Mehrheit. mehr oder weniger geschickt in einem zu verarbei- tenden Produkt so verschwinden, dass es weder sen- Ziffer 4 Absatz 2! – Mehrheit. sorisch noch analytisch auffällig ist. Das kann der Fall sein, wenn eindeutig nicht zum menschlichen Nun zur Abstimmung über Ziffer 5, wunschgemäß Verzehr vorgesehenes blutig-wässerig durchtränktes zunächst ohne den Abschnitt „Zu Artikel 13“! – Fleisch von der Stichstelle von Schweinen zum Le- Mehrheit. bensmittel umgewidmet, in die Brühwurstproduktion Bitte das Handzeichen für Ziffer 5 Abschnitt „Zu gesteuert und dort anteilig verwendet wird. Möglich Artikel 13“! – Mehrheit. ist auch, dass Gefrierfleisch unaufgetaut und ohne hinreichende Eingangskontrolle verarbeitet wird, so Ich bitte um Ihr Handzeichen für alle noch nicht er- ledigten Ziffern. – Mehrheit. (B) dass Mängel aus Fahrlässigkeit nicht erkannt wer- (D) den. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung Im Rahmen des aktuellen Geschehens gab es auch genommen. Fälle, in denen belieferte seriöse Unternehmen bei Ich rufe Punkt 28 auf: der Eingangskontrolle die negative Beschaffenheit der Ware erkannt haben, sie zurückgegeben oder Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des selbst rechtskonform entsorgt haben. Wenn dies mit Europäischen Parlaments und des Rates über einer Meldung an die zuständige Behörde verknüpft öffentliche Personenverkehrsdienste auf wird, kann es nach unserer Einschätzung relativ Schiene und Straße (Drucksache 706/05) schnell zu einer Häufung solcher Meldungen kom- Wortmeldungen liegen nicht vor. men. Die für das abgebende Unternehmen zustän- dige Behörde schöpft Verdacht und kann gezielt Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungen überwachen. Diese Konsequenz wollen wir mit der der Ausschüsse in Drucksache 706/1/05 vor. Zur Ein- Erweiterung der Meldepflicht erreichen. zelabstimmung rufe ich auf: Dass dies ein vernünftiger Ansatz ist, zeigen so- Ziffer 14! – Mehrheit. wohl die Diskussion mit den übrigen Bundesländern auf der Fachebene als auch die Aufnahme unserer Ziffer 18! – Mehrheit. Idee in das 10-Punkte-Sofortprogramm, das vom Ziffern 29 und 31 bis 33 gemeinsam! – Mehrheit. Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als Konsequenz aus den ne- Ziffer 30! – Mehrheit. gativen Vorgängen im Fleischhandel zusammen mit Nun bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle- den Ländern beschlossen worden ist. digten Ziffern! – Mehrheit. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie unserer Initia- Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung tive zustimmen würden. – Danke schön. genommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf: Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff: Wei- tere Wortmeldungen liegen nicht vor. Erste Verordnung zur Änderung der Düngever- ordnung (Drucksache 704/05) Die beteiligten Ausschüsse empfehlen dem Bun- desrat, die Entschließung zu fassen. Wer dafür ist, Wortmeldungen liegen nicht vor. 420 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff (A) (C) Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschuss- fen, was er amtlich erhoben hat? Sie werden einse- empfehlung sowie drei Landesanträge vor. hen müssen, dass der Staat es nicht finanzieren kann. Ich beginne mit dem 2-Länder-Antrag in Druck- sache 704/4/05. Wer ist dafür? – Mehrheit. Weil wir bei den Bürgern nicht weiterhin Erwartun- gen wecken dürfen, die aus heutiger Sicht auf keinen Damit entfällt die Ausschussempfehlung. Fall erfüllt werden können, bitten wir die Bundes- Wir kommen zu dem Antrag Hamburgs in Druck- regierung, sich bei der Europäischen Kommission da- sache 704/2/05. Wer ist dafür? – Minderheit. für einzusetzen, dass die Lärmschutzrichtlinie in den Katalog der zu überprüfenden Maßnahmen aufge- Damit entfällt der Antrag Hamburgs in Druck- nommen wird. sache 704/3/05. Schleswig-Holstein stimmt der Verordnung nur Wir kommen zur Schlussabstimmung: Wer der notgedrungen zu, um weitere Kostenbelastungen Verordnung nach Maßgabe der vorherigen Abstim- durch die Nichtumsetzung der Richtlinie zu vermei- mung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das den. Handzeichen. – Mehrheit.

Dann ist so beschlossen. Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff: Vie- Ich rufe Tagesordnungspunkt 37 auf: len Dank! … Verordnung zur Durchführung des Bundes- Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnen Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Ausschussempfehlungen sowie Landesanträge die Lärmkartierung – … BImSchV) (Druck- von Bayern und Hamburg vor. sache 710/05) Ich beginne mit der Empfehlung für die Neufas- Minister Wiegard (Schleswig-Holstein) hat um das sung der Verordnung unter Ziffer 1 der Druck- Wort gebeten. sache 710/1/05 und bitte um Ihr Handzeichen. – Mehrheit.

Rainer Wiegard (Schleswig-Holstein): Herr Präsi- Dann rufe ich die hierzu vorliegenden Änderungs- dent! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! empfehlungen auf, zu denen Einzelabstimmung er- Wir befinden uns etwa im zehnten Jahr nach Beginn forderlich ist: der Diskussion über eine europäische Lärmschutz- Ziffer 2! – Minderheit. richtlinie. Möglicherweise waren die Situation und die Einschätzung unserer gemeinsamen wirtschaftli- Ziffer 3! – Minderheit. (B) chen und finanziellen Lage vor zehn Jahren noch ein Antrag Bayerns in Drucksache 710/2/05! – Mehr- (D) bisschen anders als heute. heit. Wir beraten eine Verordnung zur Durchführung Weiter mit Ziffer 5 der Ausschussempfehlungen! – des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im Zusam- Minderheit. menhang mit der Umsetzung der Lärmschutzrichtli- nie. Es geht nicht etwa um Neu-, Um- oder Ausbau- Ziffer 6! – Mehrheit. ten von Straßen, sondern um Lärm. Die Kommunen Ziffer 9! – Minderheit. sollen die Lärmbelastung nach sehr detaillierten Re- gelungen erfassen. Daraus sollen Lärmaktionspläne Ziffer 10! – Mehrheit. entstehen, nach denen schließlich der vorhandene Damit entfällt Ziffer 11. Lärm bekämpft werden soll. Ziffer 12! – Minderheit. Meine Damen und Herren, die Kommunen haben nicht einmal für das detaillierte Erfassen das notwen- Ziffer 13! – Minderheit. dige Geld. Wieder einmal werden wir Lasten in die Ziffer 14! – Mehrheit. Zukunft verschieben. Die Rechnungen für Ingenieur- leistungen muss die künftige Generation bezahlen. Damit entfallen der Antrag Hamburgs in Druck- Selbst wenn es gelänge – was noch zu verhandeln sache 710/3/05 sowie Ziffer 15. wäre –, dass die Kosten für die Bestandsaufnahme Ziffer 16! – Minderheit. von Lärm an Bundesstraßen vom Bund übernommen und sich die Länder daran beteiligen würden, müss- Ziffer 17! – Mehrheit. ten wir feststellen: Weder die Kommunen noch die Ziffer 18! – Mehrheit. Länder, noch der Bund haben das Geld dafür. Ziffer 21! – Mehrheit. Viel schlimmer ist aber das, was geschieht, wenn die Kartierung erfolgt ist: Herr und Frau Bürger ste- Ziffer 22! – Mehrheit. hen im Rathaus, weil sie vielleicht den Personalaus- Damit entfällt Ziffer 23. weis verlängern lassen müssen. Sie sehen die Lärm- schutzkarte und darauf vor ihrem Grundstück den Ziffer 24! – Mehrheit. roten Punkt, der Lärm darstellt. Sie stellen fest: Das Damit entfällt Ziffer 25. wissen wir schon seit 20 Jahren! – Wahrscheinlich werden sie fragen: Was tut der Staat, um zu bekämp- Ziffer 26! – Minderheit. Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 421 Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff (A) (C) Ziffer 29! – Minderheit. derung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung. Von der Politik ist rasches Handeln gefragt. Ziffer 30! – Minderheit. Hinter dem umständlichen Titel verbirgt sich ein Nun bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle- wichtiges Thema, das im Frühjahr für viel Wirbel ge- digten Änderungsempfehlungen! – Mehrheit. sorgt hat: die Feinstaubproblematik. Die Vorschrift Dann kommen wir zur Schlussabstimmung: Wer regelt die technischen Details für Rußpartikelfilter, der Verordnung nach Maßgabe der vorangegange- mit denen Dieselfahrzeuge nachgerüstet werden. Sie nen Abstimmung zustimmen möchte, den bitte ich zielt darauf, die Belastung mit Feinstaubpartikeln um das Handzeichen. – Mehrheit. durch den Straßenverkehr zu reduzieren. Dann ist so beschlossen. In der Verordnung werden insbesondere so ge- nannte Partikelminderungsstufen bestimmt, auf die Wir stimmen nun noch über die empfohlene Ent- das geplante Gesetz zur Förderung besonders parti- schließung ab. kelreduzierter Personenkraftwagen und andere Ge- Zunächst Ziffern 33 und 35 gemeinsam! – Mehr- setze und Verordnungen zurückgreifen können. Es heit. geht also um eine Norm, die für die Umwelt und die Wirtschaft von großer Bedeutung ist. Schließlich Ziffer 34! – Mehrheit. Es ist richtig, dass über die anderen Gesetzesvor- Damit hat der Bundesrat die Entschließung, wie so- haben, insbesondere das Fördergesetz und die Kenn- eben festgelegt, gefasst. zeichnungsverordnung, noch beraten werden muss. Ich rufe Tagesordnungspunkt 39 auf: Unabhängig davon können und sollten wir jedoch die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung schon jetzt 40. Verordnung zur Änderung straßenver- anpassen. Der Einwand, zunächst müsse geklärt wer- kehrsrechtlicher Vorschriften (40. StVRÄndV) den, wie die steuerlichen Anreize ausgestaltet und (Drucksache 813/05) die nachgerüsteten Fahrzeuge im Verkehr gekenn- Wortmeldungen liegen nicht vor. zeichnet werden, ist, so meine ich, nicht stichhaltig. In der Änderungsverordnung geht es allein um tech- Wir kommen zur Abstimmung. Dazu liegen Ihnen nische Zusammenhänge; steuerrechtliche Aspekte die Ausschussempfehlungen sowie ein Antrag Ham- und Fragen der Kennzeichnung bleiben davon unbe- burgs vor. rührt. Zunächst zur Ausschussempfehlung! Wer ist für Die Abstimmung im Bundesrat über die Änderung Ziffer 1? – Mehrheit. der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung erlaubt Bitte Ihr Handzeichen zum Antrag Hamburgs! – keinen weiteren Aufschub. Die Automobilzulieferin- (B) Mehrheit. dustrie benötigt Planungssicherheit. Erst dann ist es (D) möglich, die Partikelfiltersysteme zu zertifizieren und Damit ist Ziffer 2 der Ausschussempfehlung erle- auf den Markt zu bringen. Die Nachfrage nach Ruß- digt. partikelfiltern ist bereits jetzt groß. Viele deutsche Der Bundesrat hat der Verordnung, wie soeben be- Unternehmen, auch solche in Thüringen, berichten schlossen, zugestimmt. von Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Fahrzeuge nachrüsten wollen. Zudem haben die Her- Ich rufe Tagesordnungspunkt 40 auf: steller viel Kapital in Maschinen, in Forschung und 15. Verordnung zur Änderung der Straßenver- Entwicklung investiert. Jede weitere Verzögerung kehrs-Ordnung (Drucksache 824/05) bedeutet für sie zusätzliche Verluste. Falls der Bun- desrat heute nicht über die Änderungsverordnung Wortmeldungen liegen nicht vor. entscheidet, bedeutet das eine weitere unnötige Ver- Wir haben abzustimmen über die Frage, wer der zögerung um bis zu einem Jahr. Verordnung zustimmt. Handzeichen bitte! – Das ist Konkret: Es dauert insgesamt länger, bis Diesel- die Mehrheit. fahrzeuge in Deutschland mit Partikelfiltern nachge- Dann ist so beschlossen. rüstet werden. Die Unsicherheit für Hersteller und Halter wächst weiter. Die Umwelt wird über Gebühr Ich rufe Tagesordnungspunkt 54 auf: belastet. Die Städte müssen erneut um die Einhal- 29. Verordnung zur Änderung der Straßenver- tung der Feinstaubgrenzwerte in ihren Zentren kehrs-Zulassungs-Ordnung – Antrag des Lan- fürchten. Die Diskussion vom Frühjahr droht sich zu des Rheinland-Pfalz gemäß § 23 Abs. 3 i.V.m. wiederholen, verbunden mit der Frage an die Politik, § 15 Abs. 1 GO BR und des Freistaats Thürin- warum nicht längst etwas getan wurde. gen – (Drucksache 812/05) Deshalb ist es wichtig, heute zu entscheiden. Ich Herr Minister Wucherpfennig (Thüringen) hat um bin dankbar dafür, dass die Landesregierung von das Wort gebeten. Rheinland-Pfalz unsere Einschätzung teilt. Der Freistaat Thüringen stellt den Antrag, der Gerold Wucherpfennig (Thüringen): Herr Präsi- 29. Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs- dent! Meine Damen, meine Herren! „Wenn ein Jahr Zulassungs-Ordnung nach Maßgabe der vom feder- nicht leer verlaufen soll, muss man beizeiten han- führenden Verkehrsausschuss empfohlenen Ände- deln.“ Dies gilt auch für die 29. Verordnung zur Än- rungen zuzustimmen. – Vielen Dank. 422 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005

(A) (C) Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff: Vie- preiswertere, aber deswegen nicht minderwertige len Dank! Systeme, die schnell am Markt verfügbar sind. Weiter hat Frau Ministerin Gönner (Baden- Aus diesen Gründen hatten die Länder Baden- Württemberg) um das Wort gebeten. Württemberg, Bayern und Hessen einen gemeinsa- men Änderungsantrag formuliert, mit dem die Anfor- derungen an die Nachrüstung an den Entwurf der Tanja Gönner (Baden-Württemberg): Sehr geehrter Kennzeichnungsverordnung angepasst werden soll- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und ten. Gleichzeitig wollten wir unsere Länderposition Herren! Herr Kollege Wucherpfennig hat es ange- erneut klar machen; denn es sind die Länder, die die sprochen: Mit der 29. Verordnung zur Änderung der Hauptverantwortung für die Feinstaubbekämpfung Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung steht ein wei- tragen müssen. terer Baustein in Sachen Feinstaubbekämpfung auf der Tagesordnung des Bundesrates. Ich möchte Wir brauchen bei der Feinstaubbekämpfung Rege- gleich sagen: Er ist in den letzten Tagen heiß umstrit- lungen, die den Bedürfnissen vor Ort gerecht wer- ten gewesen. den. Dies gilt für technische Anforderungen an Filter und Nachrüstung, für die Kennzeichnungsverord- Worum geht es im Einzelnen? Die Drucksache ent- nung und selbstverständlich für steuerliche Anreiz- hält die notwendigen technischen Definitionen für konzepte. Partikelminderungssysteme. Welche Minderungswir- kung müssen sie erzielen? Wie lange müssen sie Man kann trefflich darüber streiten, ob die beiden funktionieren? Welche Prüfverfahren sind erforder- im Änderungsantrag enthaltenen Punkte zu einer lich? Neunotifizierung der Anlage XXVI geführt hätten. Auch über den Ausgang eines solchen Verfahrens Die Verordnung bildet die technische Grundlage kann man geteilter Meinung sein. Es gibt aber in je- für Partikelfilter. Damit steht sie zwingend im Zu- dem Fall mehrere Wege, ein Ziel zu erreichen. sammenhang mit der Kfz-Kennzeichnungsverord- nung und dem geplanten Gesetz zur steuerlichen In sehr enger Abstimmung mit dem Bundesministe- Förderung der Nachrüstung von Dieselfahrzeugen rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und mit Partikelfiltern. Alle drei Regelwerke müssen ein dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz in sich geschlossenes Gesetzgebungspaket bilden. und Reaktorsicherheit haben wir uns deshalb darauf Denn es nutzt uns wenig, wenn sich unsere Defini- geeinigt, unseren Änderungsantrag heute zurückzu- tionen nicht in der Kennzeichnungsverordnung wie- ziehen. Im Gegenzug haben wir die Zusage des Bun- derfinden. Die Definitionen müssen zur Beantwor- des akzeptiert, dass bereits im Januar der Entwurf tung der Frage beitragen, wie die Nachrüstung für ein technisches Regelwerk zur Nachrüstung von (B) steuerlich gefördert wird. Nutzfahrzeugen vorgelegt wird. Dieser wird die (D) Nachrüstung von Euro-1-Fahrzeugen enthalten und Die Anlage XXVI enthält Regelungen, die die sie gleichzeitig für Pkw vorsehen. Weiterhin wurde Fahrzeuge in Partikelminderungsstufen einteilen. zugesagt, dass die Systematik des von uns am Hier passt die Vorlage nur teilweise zum Entwurf der 14. Oktober eingebrachten Entwurfs einer Kenn- Kennzeichnungsverordnung, den die Länder im Bun- zeichnungsverordnung zu Grunde gelegt wird, unter desrat am 14. Oktober beschlossen haben. Beachtung der Veränderungswünsche, über die wir noch debattieren. In unseren Luftreinhalteplänen lassen sich Fahr- verbote als Option nicht vermeiden. Deshalb waren Wir sind dem Bund gegenüber in Vorleistung ge- wir uns darin einig, dass diese sozial ausgewogen gangen. Damit machen wir den Weg frei für die von und wirtschaftlich vertretbar gestaltet werden müs- allen Seiten gewünschte rasche Verabschiedung der sen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war und Anlage XXVI. Dennoch bleiben die Länder in Sachen ist hier der Maßstab. Feinstaub konsequent, aktiv und glaubwürdig. Nun ist es am Bund, die Verordnungsgebungsverfahren Für uns Länder war klar, dass wir in unserem Ent- entsprechend weiter zu betreiben. wurf einer Kennzeichnungsverordnung die Möglich- keit der Nachrüstung bereits für Euro-1-Fahrzeuge In diesem Sinne stimmen wir nicht nur der soforti- einräumen müssen. Die Drucksache 812/05 sieht dies gen Sachentscheidung, sondern auch der 29. Verord- zwar vor; aber sie stellt so hohe technische Hürden nung zu. – Herzlichen Dank. auf, dass die Nachrüstung de facto unmöglich wird. Es ist illusorisch zu glauben, ein Euro-1-Fahrzeug Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff: Herz- könne mit vertretbarem technischen Aufwand den lichen Dank! Sprung auf den Partikelgrenzwert von Euro 3 schaf- fen. Frau Parlamentarische Staatssekretärin Roth hat um das Wort gebeten. Wir sehen Nachteile nicht zuletzt für die Automo- bilindustrie, wenn bei der Partikelmasse der Sprung auf die nächste Euro-Stufe und eine 30%ige Minde- Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- rungswirkung des Filtersystems eingehalten werden minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: müssen. Die Lösung im Sinne der Kennzeichnungs- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und verordnung wäre eine „Oder-Verknüpfung“ dieser Herren! Mit der vorliegenden Verordnung sollen in beiden Punkte gewesen. Davon versprechen wir uns die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung Kriterien Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 423 Parl. Staatssekretärin Karin Roth (A) (C) für die Einstufung von „besonders partikelreduzier- Ich hoffe und wünsche, dass wir im Jahr 2006 das ten Personenkraftwagen“, unterteilt in verschiedene gesamte Paket auf einen guten Weg bringen. – Vie- Partikelminderungsstufen, aufgenommen und die len Dank. technischen Anforderungen bestimmt werden, die Dieselneufahrzeuge und die für die Nachrüstung Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff: Vie- entwickelten Partikelminderungssysteme – z. B. Die- len Dank! selpartikelfilter – einhalten müssen. Dazu gehören Anforderungen an die Dauerhaltbarkeit und an die Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Frau Reinigungswirkung der eingesetzten Systeme. Mo- Parlamentarische Staatssekretärin Roth (BMVBS) gelpackungen sollen damit verhindert werden. Das gibt noch eine Erklärung zu Protokoll*). dürfte uns allen sehr wichtig sein. Wir kommen zur Abstimmung. Die Ausschussbera- Zielsetzung ist die weitere Verminderung der tungen sind noch nicht abgeschlossen. Rheinland- durch die Kraftfahrzeuge verursachten Partikelemis- Pfalz und Thüringen haben jedoch sofortige Sachent- sionen. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag scheidung beantragt. Wer heute in der Sache ent- nicht nur zum Umweltschutz, sondern auch zum Ge- scheiden möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – sundheitsschutz. Andere Gesetze und Verordnungen, Das ist die Mehrheit. die ebenfalls die Verminderung der durch den Kraft- Ihnen liegen die Ausschussempfehlungen vor. Der fahrzeugverkehr verursachten Partikelemissionen 3-Länder-Antrag in Drucksache 812/2/05 wird nicht zum Ziele haben, können auf diese Bestimmungen gestellt. zurückgreifen. Ich rufe auf: Der Verordnungsentwurf ist den Ländern im Juni/ Juli 2005 zur Stellungnahme übersandt worden. Ziffer 1 der Ausschussempfehlungen! – Mehrheit. Fachliche und sachliche Einwendungen sind von Wir kommen dann zur Schlussabstimmung: Wer ist Seiten der Länder nicht geltend gemacht worden. dafür, der Verordnung in dieser Fassung zuzustim- Die Verordnung ist anschließend bei der Europäi- men? – Mehrheit. schen Kommission notifiziert worden. Die Europäi- Der Verordnung ist mit dieser Maßgabe zuge- sche Kommission hat zu dem Verordnungsentwurf stimmt worden. drei Bemerkungen abgegeben, denen Rechnung ge- tragen werden kann. Die durch das Notifizierungs- Es bleibt über die unter Ziffer 2 der Druck- verfahren eingeleitete Stillhaltefrist ist durch die Be- sache 812/1/05 empfohlene Entschließung abzustim- merkungen nicht verlängert worden. Deshalb konnte men. Wer ist dafür? – Mehrheit. (B) die Verordnung nach Ablauf der Stillhaltefrist noch Damit ist die Entschließung gefasst. (D) im November dem Bundesrat mit der Bitte um Zu- stimmung zugeleitet werden. Ich rufe Tagesordnungspunkt 41 auf:

Mit der Zustimmung des Bundesrates wird der Weg Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die frei, Rechtssicherheit für die Genehmigung effektiv Erfassung der Wehrpflichtigen (Wehrerfassungs- arbeitender Partikelminderungssysteme zu schaffen. verwaltungsvorschrift – WErfVwV) (Drucksa- Ich werbe ausdrücklich um Ihre Zustimmung zu der che 796/05) vorliegenden Verordnung mit der vom Verkehrsaus- Wortmeldungen liegen nicht vor. schuss des Bundesrates empfohlenen Änderung. Ich bitte zu bedenken, dass andere Änderungen an den Die Ausschussempfehlungen ersehen Sie aus technischen Vorgaben der Verordnung eine erneute Drucksache 796/1/05. Daneben liegt ein Antrag der Notifizierung zur Folge haben können, mit der ein Länder Hamburg und Schleswig-Holstein vor. Zeitverzug von mindestens einem halben Jahr ein- Ich frage zunächst, wer Ziffer 1 der Ausschussemp- herginge. Ich danke deshalb Baden-Württemberg fehlung folgen möchte. – Das ist die Mehrheit. – Frau Kollegin Gönner – dafür, dass die Entschei- dung heute möglich ist. Dann frage ich, wer dem Länderantrag zuzustim- men wünscht. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Ich erinnere daran, dass die Verordnung in enger Abstimmung mit den Fahrzeugherstellern und den Damit hat der Bundesrat der Verwaltungsvor- Herstellern von Nachrüstsystemen erarbeitet wor- schrift, wie soeben festgelegt, zugestimmt. den ist. Beide warten dringlich auf das Inkrafttreten. Ich rufe Tagesordnungspunkt 45 auf: Ihre heutige Entscheidung liegt im Interesse der ge- samten Branche, im Interesse der Erhaltung und Si- Entwurf eines Gesetzes zur Verringerung steu- cherung von Arbeitsplätzen. erlicher Missbräuche und Umgehungen – An- trag des Landes Hessen gemäß § 36 Abs. 2 GO Die Anforderungen an die für Nutzfahrzeuge gel- BR – (Drucksache 890/05) tenden Partikelminderungssysteme werden wir in Kürze wie verabredet vorlegen. Im Rahmen der Bera- Wortmeldungen sehe ich nicht. tung werden wir ohne weiteren Zeitverzug auch Än- derungen zur Nachrüstung von Pkw der Euro-1-Ka- tegorie vorschlagen. *) Anlage 5 424 Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff (A) (C) Der Gesetzentwurf ist bereits in der letzten Legisla- Der Antrag hat einen Gesetzentwurf zum Inhalt, turperiode beim Deutschen Bundestag eingebracht den der Bundesrat schon in der 15. Wahlperiode worden. beim Deutschen Bundestag eingebracht hatte. Er ist der Diskontinuität unterfallen. Erneute Ausschussberatungen haben nicht stattge- funden. Wir sind jedoch übereingekommen, bereits Erneute Ausschussberatungen haben nicht stattge- heute in der Sache zu entscheiden. Wer für die er- funden. Hessen hat jedoch sofortige Sachentschei- neute Einbringung des Gesetzentwurfs beim Deut- dung beantragt. Wer ist dafür? – Das ist die Mehrheit. schen Bundestag ist, den bitte ich um das Handzei- Dann kommen wir zur Frage der Einbringung. chen. – Das ist die Mehrheit. Wer dafür ist, den Gesetzentwurf erneut beim Damit ist so beschlossen. Deutschen Bundestag einzubringen, den bitte ich um Herr Staatsminister Weimar (Hessen) wird, wie das Handzeichen. – Mehrheit. vereinbart, zum Beauftragten bestellt. Dann ist so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 46 auf: Wie vereinbart, wird Staatsminister Jürgen Banzer Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung von (Hessen) zum Beauftragten bestellt. Fusionsprozessen von Krankenkassen – Antrag Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 51 auf: der Länder Niedersachsen, Sachsen-Anhalt ge- mäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 874/05) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Grundbuchordnung und anderer Gesetze – An- Dem Antrag der Länder Niedersachsen, Sachsen- trag des Landes Hessen gemäß § 36 Abs. 2 GO Anhalt sind Baden-Württemberg und Sachsen beige- BR – (Drucksache 887/05) treten. Wortmeldungen gibt es nicht. Frau Ministerin Heister-Neumann (Niedersachsen) gibt eine Erklärung zu Protokoll*). – Weitere Wort- Es handelt sich um einen weiteren Gesetzentwurf, meldungen liegen nicht vor. den der Bundesrat schon in der 15. Wahlperiode beim Deutschen Bundestag eingebracht hatte. Er ist Dann weise ich die Vorlage dem Gesundheitsaus- der Diskontinuität unterfallen. schuss zu. Erneute Ausschussberatungen haben nicht stattge- Ich rufe Tagesordnungspunkt 47 auf: funden. Hessen hat jedoch beantragt, bereits heute in der Sache zu entscheiden. Wer dem zustimmt, den Entwurf eines … Gesetzes zur Erleichterung bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. der Verwaltungsreform in den Ländern (D) (B) (… Zuständigkeitslockerungsgesetz) – Antrag Dann kommen wir zur Frage der Einbringung. des Landes Hessen gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – Wer dafür ist, den Gesetzentwurf erneut beim (Drucksache 885/05) Deutschen Bundestag einzubringen, den bitte ich um Wortmeldungen liegen nicht vor. das Handzeichen. – Mehrheit. Der Antrag hat einen Gesetzentwurf zum Inhalt, Dann ist so beschlossen. den der Bundesrat schon in der 15. Wahlperiode Staatsminister Jürgen Banzer (Hessen) wird, wie beim Deutschen Bundestag eingebracht hatte. Er ist vereinbart, zum Beauftragten bestellt. der Diskontinuität unterfallen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 53 auf: Erneute Ausschussberatungen haben nicht stattge- funden. Wir sind jedoch übereingekommen, bereits Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Selbst- heute in der Sache zu entscheiden. Wer für die er- verwaltung der Rechtsanwaltschaft – Antrag neute Einbringung des Gesetzentwurfs beim Deut- des Landes Hessen gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – schen Bundestag ist, den bitte ich um das Handzei- (Drucksache 889/05) chen. – Das ist die Mehrheit. Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann ist so beschlossen. Auch dieser Antrag hat einen Gesetzentwurf zum Herr Staatsminister (Hessen) wird, Inhalt, den der Bundesrat schon in der 15. Wahl- wie vereinbart, zum Beauftragten bestellt. periode beim Deutschen Bundestag eingebracht hatte. Er ist der Diskontinuität unterfallen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 50 auf: Erneute Ausschussberatungen haben nicht stattge- Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des funden. Wir sind jedoch übereingekommen, bereits Strafvollzugsgesetzes – Antrag des Landes heute in der Sache zu entscheiden. Wer für die Hessen gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksa- erneute Einbringung des Gesetzentwurfs beim Deut- che 886/05) schen Bundestag ist, den bitte ich um das Handzei- chen. – Das ist die Mehrheit. Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann ist so beschlossen. Wie vereinbart, wird Staatsminister Jürgen Banzer *) Anlage 6 (Hessen) zum Beauftragten bestellt. Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 425 Amtierender Präsident Dr. Harald Ringstorff (A) (C) Meine Damen und Herren, bevor ich die Sitzung im Namen des Bundesrates sehr herzlich danken und schließe, möchte ich das Wort an einen Ausschuss- Ihnen für den neuen Lebensabschnitt alles Gute sekretär des Bundesrates richten, der heute zum letz- wünschen. ten Mal an einer Plenarsitzung des Bundesrates teil- (Beifall) nimmt. Damit haben wir die Tagesordnung der heutigen Nach gut 30 Jahren im Dienst des Bundesrates tritt Sitzung abgewickelt. Herr Ministerialrat Dr. Opfermann demnächst in den Ruhestand. Die nächste Sitzung des Bundesrates berufe ich ein auf Freitag, den 10. Februar 2006, 9.30 Uhr. Herr Dr. Opfermann, Sie haben als Sekretär der Ausschüsse für Arbeit und Sozialpolitik sowie für Fa- Ich wünsche Ihnen ein schönes Weihnachtsfest und milie und Senioren und früher auch in weiteren Aus- einen guten Rutsch ins neue Jahr. schüssen und Bereichen die Arbeit dieses Hauses Die Sitzung ist geschlossen. vielfältig unterstützt. Ihr Einsatz hat hohe Wertschät- zung und Anerkennung erfahren. Ich möchte Ihnen (Schluss: 12.32 Uhr)

Feststellung gemäß § 34 GO BR Einspruch gegen den Bericht über die 817. Sitzung ist nicht eingelegt worden. Damit gilt der Bericht ge- mäß § 34 GO BR als genehmigt.

(B) (D)

Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 427*

(A) (C) Anlage 1 Punkt 10 Gesetz zur Änderung des Verkehrswegepla- Erklärung nungsbeschleunigungsgesetzes (Drucksache 861/ 05) von Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff Punkt 11 (Mecklenburg-Vorpommern) zu Punkt 55 der Tagesordnung Gesetz über den Betrieb elektronischer Mautsys- teme (Mautsystemgesetz – MautSysG) (Druck- Die Absicht des Bundes, sich für die Jahre 2005 sache 862/05) und 2006 in der bisherigen Höhe von 29,1 % an den Kosten von Unterkunft und Heizung zu beteiligen, Punkt 44 um die Entlastung der Kommunen sicherzustellen Gesetz über die Statistik zur Informationsgesell- und von dem Schätzverfahren der Anlage zu § 46 schaft (Informationsgesellschaftsstatistikgesetz – Abs. 9 SGB II Abstand zu nehmen, entspricht den In- InfoGesStatG) (Drucksache 877/05) tentionen Mecklenburg-Vorpommerns. Das ur- sprünglich vorgesehene Anpassungs- und Überprü- fungsverfahren hat sich als nicht zweckmäßig herausgestellt, da die gesetzlichen Vorgaben zur Be- rechnung der Bundesbeteiligung nicht die tatsäch- II. lich eingetretenen finanziellen Auswirkungen des Gegen die Gesetzentwürfe keine Einwendungen Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am zu erheben: Arbeitsmarkt widerspiegeln.

Die den Kommunen mit der Zusammenführung Punkt 22 von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zugesagte Ent- Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen lastung muss dennoch auf realitätsnahen Berechnun- Nr. 172 der Internationalen Arbeitsorganisation gen beruhen, die das Zugrundelegen rein fiktiver Be- vom 25. Juni 1991 über die Arbeitsbedingungen und Entlastungen ausschließen. Bezüglich der ange- in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben strebten gesetzlichen Neuregelung zur Beteiligung (Drucksache 791/05) des Bundes an den Kosten der Unterkunft und Hei- zung wird erwartet, dass die Bundesregierung in Ver- Punkt 23 handlungen mit den Ländern und Kommunen für Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom ein faires und transparentes Verfahren zur realitäts- 21. Mai 2003 über die strategische Umweltprü- (B) nahen Ermittlung der Be- und Entlastungen der fung zum Übereinkommen über die Umweltver- (D) Kommunen unter Berücksichtigung der regionalen träglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Besonderheiten eintritt. Die Beteiligungsquote des Rahmen (Vertragsgesetz zum SEA-Protokoll) Bundes an den Kosten der Unterkunft und Heizung (Drucksache 790/05) sollte den regionalen Besonderheiten entsprechend differenziert festgelegt werden. Um in Zukunft ge- rechte Ausgleichswirkungen zu gewährleisten, sind spezifische Beteiligungsquoten für die Länder zu prüfen. III. Zu den Vorlagen die Stellungnahme abzugeben oder ihnen nach Maßgabe der Empfehlungen zuzu- stimmen, die in der jeweils zitierten Empfehlungs- drucksache wiedergegeben sind: Anlage 2 Punkt 24 Umdruck Nr. 11/2005 Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats für die Zeit vom 1. Januar bis Zu den folgenden Punkten der Tagesordnung der 30. Juni 2004 sowie vom 1. Juli bis 31. Dezember 818. Sitzung des Bundesrates empfehlen die Aus- 2004 (Drucksache 766/05, Drucksache 766/1/05) schüsse bzw. der Ständige Beirat dem Bundesrat: Punkt 25 Grünbuch der Kommission der Europäischen Ge- meinschaften: Ausbau des europäischen Rah- mens für Investmentfonds (Drucksache 595/05, I. Drucksache 595/1/05) Den Gesetzen zuzustimmen: Punkt 27 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Punkt 9 Parlaments und des Rates über das Inverkehr- Fünftes Gesetz zur Änderung der Bundesnotar- bringen pyrotechnischer Erzeugnisse (Druck- ordnung (Drucksache 860/05) sache 773/05, Drucksache 773/1/05) 428* Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005

(A) (C) IV. VI.

Den Vorlagen ohne Änderung zuzustimmen: Entsprechend den Anregungen und Vorschlägen zu beschließen: Punkt 30 Punkt 42 Verordnung zur Änderung futtermittelrechtlicher Benennung von zwei Vertretern des Bundesrates und verfütterungsverbotsrechtlicher Verordnun- im Mittelstandsrat der Kreditanstalt für Wieder- gen (Drucksache 809/05) aufbau (Drucksache 743/05, Drucksache 743/1/ 05) Punkt 31 Verordnung zur Änderung der Betriebsprämien- Punkt 57 durchführungsverordnung und zur Änderung der Neubenennung von Vertreterinnen und Vertre- Zweiten und Dritten Verordnung zur Änderung tern in Beratungsgremien der Europäischen der Betriebsprämiendurchführungsverordnung Union (hier: Gremien, in denen die Vertreterin- (Drucksache 810/05) nen und Vertreter seit 2002 tätig sind) (Druck- sache 780/05) Punkt 32 Verordnung zur Änderung der InVeKoS-Verord- nung und der Hauptzollamtszuständigkeitsver- ordnung (Drucksache 842/05) VII. Punkt 33 Zu den Verfahren, die in der zitierten Drucksache Verordnung über maßgebende Rechengrößen der bezeichnet sind, von einer Äußerung und einem Bei- Sozialversicherung für 2006 (Sozialversiche- tritt abzusehen: rungs-Rechengrößenverordnung 2006) (Drucksa- che 792/05) Punkt 43 Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 823/05) Punkt 34 Verordnung zur Bestimmung der Beiträge und der Beitragszuschüsse in der Alterssicherung der Landwirte für 2006 (Beitragsverordnung Land- (B) wirtschaft 2006) (Drucksache 793/05) (D) Anlage 3

Punkt 36 Erklärung Vierunddreißigste Verordnung zur Ergänzung der Anlage zum Hochschulbauförderungsgesetz von Minister Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Drucksache 797/05) (Baden-Württemberg) zu Punkt 13 der Tagesordnung Punkt 38 Die Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs- Dritte Verordnung zu Beschlüssen der Kommis- Ordnung mit Wirkung zum 1. Mai 2005 zieht auch sion nach Artikel 13 des Übereinkommens zum Folgeänderungen bei der Kraftfahrzeugsteuer nach Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks sich. Hiervon sind nicht nur die schweren Gelände- (3. OSPAR-Verordnung) (Drucksache 798/05) wagen, sondern insbesondere auch die Wohnmobile betroffen. Diese Fahrzeuggruppen wurden bisher wie folgt besteuert: Bei einem zulässigen Gesamtgewicht bis 2,8 Tonnen erfolgte eine Besteuerung als Pkw nach Hubraum, bei einem zulässigen Gesamtgewicht über V. 2,8 Tonnen unterlagen sie als Lkw der günstigeren Gewichtsbesteuerung. Der Verordnung nach Maßgabe der in der Emp- fehlungsdrucksache wiedergegebenen Empfehlung Durch den Wegfall der bisherigen 2,8-Tonnen- zuzustimmen sowie die unter Buchstabe B der Emp- Grenze ergibt sich bei den Geländefahrzeugen be- reits auf Grund der Rechtsprechung des Bundes- fehlungsdrucksache angeführte Entschließung zu finanzhofs, dass ab 1. Mai 2005 alle Geländewagen fassen: – also auch diejenigen über 2,8 Tonnen – grundsätz- lich als Pkw besteuert werden müssen. Dabei ist al- Punkt 35 lerdings auch klar, dass unter bestimmten Umstän- Verordnung zur Neuordnung der Verschrei- den – unabhängig vom verkehrsrechtlich zulässigen bungspflicht von Arzneimitteln (Drucksache 794/ Gesamtgewicht – weiterhin eine Einordnung als Lkw 05, Drucksache 794/1/05) in Betracht kommen kann; dabei muss insbesondere Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 429*

(A) (C) die Ladefläche größer sein als die der Personenbeför- Vor diesem Hintergrund haben die Länder einen derung dienende Bodenfläche. Kompromissvorschlag erarbeitet, der im Grundsatz alle Wohnmobile als Pkw erfasst, aber für Wohnmo- Dagegen konnte bei den Wohnmobilen zunächst bile über 2,8 Tonnen Abschläge von zunächst 40 % keine Einigkeit über die zukünftige Besteuerung her- bzw. 50 % vorsieht. Die Abschläge gelten für Wohn- gestellt werden. Aus diesem Grund werden die mobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht zwi- Wohnmobile derzeit noch nach der alten Rechtslage, schen 2,8 und 3,5 Tonnen – dann greift der Satz von d. h. unter Anwendung der 2,8-Tonnen-Grenze, be- 40 %; bei Wohnmobilen über 3,5 Tonnen werden steuert; hieran soll nach dem vorliegenden Gesetzes- 50 % Abschlag gewährt. Allerdings werden diese antrag auch bis zum Ende dieses Jahres festgehalten Abschläge in den Jahren 2009 und 2010 abgeschmol- werden. zen, und ab dem Jahr 2011 wird nur noch ein – dann Für den Zeitraum ab 1. Januar 2006 ist allerdings einheitlicher – Abschlag von 20 % angesetzt. eine Neuregelung dringend erforderlich. Wir sind uns darüber im Klaren, dass dieser Lö- Bei der Suche nach einer sachgerechten Lösung sungsansatz im Vergleich zur bisherigen Besteue- standen sich zu Beginn der Diskussion zwei Ansätze rung für die Fahrzeuge über 2,8 Tonnen eine Mehr- unversöhnlich gegenüber: belastung mit sich bringt. Im Vergleich zu der uneingeschränkten Hubraumbesteuerung ist das Ab- Nordrhein-Westfalen hatte noch vor der Landtags- schlagsmodell aber ein Ergebnis, mit dem wir uns se- wahl im Mai 2005 einen Gesetzesantrag in den Bun- hen lassen können. Damit könnte Schlimmeres ver- desrat eingebracht, der vorsah, zukünftig alle Wohn- hindert werden. mobile nach dem zulässigen Gesamtgewicht zu Andererseits hätte sich Baden-Württemberg auch besteuern, d. h. die günstige Gewichtsbesteuerung einer Lösung anschließen können, die für die Wohn- sollte auf die Wohnmobile unter 2,8 Tonnen ausge- mobile über 2,8 Tonnen eine Beibehaltung des frühe- dehnt werden. ren Zustandes vorsieht. Hierfür konnte allerdings Dagegen wollten andere Länder alle Wohnmobile nicht die notwendige Mehrheit gefunden werden. als Pkw nach dem Hubraum besteuern. Positiv muss in jedem Fall hervorgehoben werden, Weder die eine noch die andere Lösung würde der dass die nunmehr – nach zähem Ringen – gefundene besonderen Stellung der Wohnmobile gerecht wer- Lösung einen echten Kompromiss zwischen den ur- den: sprünglich vertretenen Extrempositionen darstellt. Über Partei- und Ländergrenzen hinweg wurde eine 1. Wohnmobile sind verkehrsrechtlich der Fahrzeug- sachgerechte Lösung erarbeitet, die ab 1. Januar klasse M – für die Personenbeförderung ausge- 2006 für die Wohnmobile zu einer angemessenen Be- (B) legte und gebaute Kraftfahrzeuge mit mindestens steuerung führt. (D) vier Rädern – zugeordnet. Es handelt sich jedoch um Fahrzeuge mit besonderer Zweckbestimmung. 2. An dieser verkehrsrechtlichen Einstufung wird deutlich, dass Wohnmobile im Wesentlichen zwei Hauptzwecken dienen: Sie sind sowohl zur Perso- Anlage 4 nenbeförderung als auch zum vorübergehenden Wohnen bestimmt und geeignet. Erklärung

3. Kleinere Wohnmobile weisen regelmäßig Pkw- von Minister Curt Becker typische Beschaffenheitsmerkmale auf. Demge- (Sachsen-Anhalt) genüber dominieren bei größeren Reisemobilen in zu Punkt 49 der Tagesordnung der Regel die Lkw-typischen Beschaffenheitskrite- rien. Am 11. Juni 2004 hat der Bundesrat die Einbrin- gung eines Gesetzentwurfs mit dem Titel „Entwurf 4. Aus ökologischer Sicht ist es geboten, die von eines Gesetzes zur Sicherung von Werkunterneh- Wohnmobilen ausgehenden Belastungen für die meransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung Umwelt zu berücksichtigen. In das für diese Fahr- von Forderungen (Forderungssicherungsgesetz – zeuge geltende Besteuerungssystem sollten daher FoSiG)“ beim Deutschen Bundestag beschlossen. emissionsbezogene Elemente stärker integriert Dieser Gesetzentwurf ging auf eine Initiative der werden. Länder Sachsen und Thüringen zurück, Sachsen-An- halt ist als Mitantragsteller beigetreten. Auf Grund dieser fahrzeugspezifischen Besonder- heiten wird deutlich, dass eine differenzierte kraft- Das mit dem Gesetzentwurf verfolgte Ziel ist nach fahrzeugsteuerliche Sachbehandlung geboten ist. wie vor aktuell, heute vielleicht noch dringender als Weder eine uneingeschränkte Besteuerung nach den vor anderthalb Jahren. Es besteht darin, die Zah- für Pkw geltenden Kriterien – emissionsbezogene lungsmoral durch ein Bündel von Maßnahmen zu Hubraumbesteuerung – noch eine ausschließliche stärken und damit insbesondere die Situation der Besteuerung nach den für Nutzfahrzeuge geltenden Handwerksbetriebe in der Bauwirtschaft zu verbes- Merkmalen – Gewichtsbesteuerung – würde den sern. Diese Betriebe sollen in die Lage versetzt wer- Eigenheiten dieser Fahrzeugkategorie hinreichend den, berechtigte Werklohnforderungen schneller und Rechnung tragen. effektiver durchzusetzen. 430* Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005

(A) (C) Dazu sieht der Entwurf etwa im Bereich des Werk- Lassen Sie mich zum Schluss auf den Koalitions- vertragsrechts vor, dass der Unternehmer unter er- vertrag zwischen CDU, CSU und SPD hinweisen. leichterten Bedingungen von einem Besteller Dort heißt es: „Ein Forderungssicherungsgesetz wer- Abschlagszahlungen fordern kann. Ziel des Gesetz- den wir verabschieden.“ – Deshalb hoffe ich, dass der entwurfs ist es außerdem, einem als Subunternehmer Deutsche Bundestag über den vom Bundesrat erneut tätigen Handwerker schneller zu seinem Geld zu ver- eingebrachten Gesetzentwurf nunmehr zügig bera- helfen. Dies soll dadurch erreicht werden, dass die ten wird und es dann ohne weiteres Zögern zu einer bisherige gesetzliche Regelung, nach der die Subun- abschließenden Entscheidung kommt. ternehmervergütung erst dann fällig wird, wenn der Besteller für das Werk bereits Zahlungen an den Ge- neralunternehmer geleistet hat, um zwei ebenfalls die Fälligkeit herbeiführende Varianten ergänzt wird: Anlage 5 Zum einen soll die Vergütung des Subunterneh- mers schon dann gefordert werden können, wenn der Erklärung Auftraggeber die Werkleistung des Generalunter- nehmers abgenommen hat oder diese als abgenom- von Parl. Staatssekretärin Karin Roth men gilt, unabhängig davon, ob Zahlungen bereits (BMVBS) erfolgt sind. zu Punkt 54 der Tagesordnung

Zum anderen kann der Vergütungsanspruch auch Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt- dann geltend gemacht werden, wenn der General- entwicklung und das Bundesministerium für Umwelt, übernehmer oder Bauträger innerhalb einer ange- Naturschutz und Reaktorsicherheit werden noch im messenen Frist keine Auskunft gegeben hat, ob und Januar 2006 einen ersten Entwurf zur Änderung der gegebenenfalls welche Zahlungen er erhalten hat Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vorle- und ob das Gewerk des Subunternehmers abgenom- gen und zeitnah eine Anhörung dazu durchführen. In men wurde oder als abgenommen gilt. Gerade von diesem Entwurf werden die Anforderungen an Par- der letztgenannten Ergänzung erhoffe ich mir eine tikelminderungssysteme für Nutzfahrzeuge festge- wesentliche Verbesserung für die als Subunterneh- schrieben. Sowohl für leichte Nutzfahrzeuge als auch mer tätigen Handwerksbetriebe. für Pkw wird darin eine gesonderte Stufe für die Nachrüstung von so genannten Euro-1-Kraftfahrzeu- Neben den Änderungen im Werkvertragsrecht gen ausgewiesen. sind Änderungen des zivilprozessualen Erkenntnis- verfahrens vorgesehen, wobei besonders die Ein- (B) führung einer „vorläufigen Zahlungsanordnung“ (D) hervorzuheben ist. Mit der „vorläufigen Zahlungsan- ordnung“ schlägt der Gesetzentwurf ein neues Anlage 6 Rechtsinstitut vor. Dem Kläger eines Zivilprozesses soll es ermöglicht werden, seinen Zahlungsanspruch Erklärung auf Grund fundierter Prognosen – beispielsweise über die Mängelfreiheit – schon vor Eintritt der Ent- von Ministerin Elisabeth Heister-Neumann scheidungsreife titulieren zu lassen. (Niedersachsen) In einer durchgeführten Praxisbeteiligung ist so- zu Punkt 46 der Tagesordnung wohl von den mit Bausachen befassten Gerichten im Niedersachsen und Sachsen-Anhalt legen mit dem Land Sachsen-Anhalt als auch von den Industrie- Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung von und Handelskammern sowie vom Baugewerbever- Fusionsprozessen von Krankenkassen einen Geset- band nochmals weitgehend Zustimmung zu den im zesantrag vor, der die maßgeblichen Bestimmungen Entwurf des Forderungssicherungsgesetzes vorgese- des Sozialgesetzbuches V den Erfordernissen der henen Regelungen bekundet worden. Die Berufsver- Zeit anpasst. bände würden natürlich gerne darüber hinausgehen. Der Gesetzentwurf muss jedoch auch „Bestellerinte- Das Fusionskarussell bei den Krankenkassen ressen“ berücksichtigen, will er sich nicht dem Vor- dreht sich von Jahr zu Jahr schneller. Seit 1994 ist die wurf der Einseitigkeit aussetzen. Zahl der Kassen von 1 146 auf aktuell knapp 260 zu- rückgegangen. Monat für Monat sinkt diese Zahl Wie Sie wissen, war es dem Deutschen Bundestag weiter. nicht mehr möglich, den Gesetzentwurf vor Ablauf der 15. Legislaturperiode abschließend zu behan- Alle Fusionen mussten und müssen zwar von den deln; er ist somit der Diskontinuität anheim gefallen. Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder ge- nehmigt werden. Doch das SGB V enthält bislang Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, haben die keinerlei inhaltliche Vorgaben, die als Grundlage für ursprünglichen Antragsteller Thüringen, Sachsen die Prüfung eines Vereinigungsbeschlusses von zwei und Sachsen-Anhalt nunmehr den Gesetzentwurf in oder mehr Krankenkassen herangezogen werden der vom Bundesrat am 11. Juni 2004 beschlossenen können. Fassung erneut eingebracht, um in der heutigen Sit- zung eine sofortige Sachentscheidung herbeizufüh- Die Genehmigungsfähigkeit einer Fusion ist bis- ren. lang vielmehr ausschließlich an formelle Vorausset- Bundesrat – 818. Sitzung – 21. Dezember 2005 431*

(A) (C) zungen geknüpft. Es müssen weder die Motive für senstruktur. Die Länder wollen keine ungeordneten eine Fusion noch deren Folgen für die Versicherten Konzentrations- und Fusionsprozesse, bei denen die und die Versorgungslandschaft offen gelegt werden. Interessen der Versicherten außen vor bleiben. Es Die Vorlage übereinstimmender, formell korrekt ge- können auch keine Fusionsprozesse akzeptiert wer- fasster Beschlüsse aller betroffenen Verwaltungsräte den, die sich ungebremst zu Lasten von Länderkom- sowie die Beifügung einer Satzung, eines Vorschla- petenzen und damit zu Lasten der Gestaltungsmög- ges zur Berufung der Mitglieder des künftigen Ver- lichkeiten der Länder in der Gesundheitspolitik waltungsrates und einer Vereinbarung über die vollziehen. Gesundheitsversorgung ist immer eine Rechtsbeziehungen zu Dritten reichen aus. Dies ist regionale Angelegenheit und kann am effektivsten absolut unzureichend, wie die Erfahrungen in der auf Landesebene gestaltet werden. Vergangenheit in mehr als einem Fall gezeigt haben. Mit dem vorliegenden Gesetzesantrag wird nicht Der Gesetzesantrag hat das Ziel, Transparenz hin- das Ziel verfolgt, Fusionen innerhalb der Kassenarten sichtlich der Auswirkungen von Fusionen herzustel- künftig zu erschweren. Es gab in der Vergangenheit len. Die Folgen einer Fusion müssen insbesondere im Fusionen von Krankenkassen, die auf Grund einer Hinblick auf die regionalen Versorgungsstrukturen, nicht mehr anders zu lösenden Notlage zwingend die Leistungsfähigkeit und die wirtschaftliche Situa- und unvermeidlich waren. Aber auch für Fusionen tion – also den Beitragssatz – der künftigen fusionier- aus der Not heraus gilt, dass ihre Grundlagen im In- ten Krankenkasse einschätzbar sein. teresse der betroffenen Versicherten und Beitrags- Der Gesetzentwurf verfolgt ferner das Ziel, eine zahler transparent, nachvollziehbar und überprüfbar Ungleichbehandlung zwischen den Allgemeinen gemacht werden müssen. Nur auf diese Weise lassen Ortskrankenkassen und den Betriebs- bzw. Innungs- sich die Qualität der Entscheidungsfindung und die krankenkassen zu beenden. Künftig soll auch bei den Zukunftssicherheit der fusionierten Kasse deutlich letztgenannten Kassen – sofern sie geöffnet sind – im verbessern. Falle von länderübergreifenden Fusionen von den Es darf nicht das Ziel sein, in Deutschland nur betroffenen Ländern ein Staatsvertrag geschlossen noch einige wenige Großkrankenkassen zu haben. werden. Träte diese Situation ein, wären Oligopole mit all ih- Die Bundesratsinitiative greift damit ein Anliegen ren gravierenden negativen Auswirkungen auf die aller Länder auf, das sich in drei einstimmigen Be- Gesundheitsversorgung der Menschen in unserem schlüssen der Arbeits- und Sozialministerkonferen- Land die Folge. zen von November 2004 und November 2005 und der Fusionen sind kein Selbstzweck. Ein Gesundheits- Gesundheitsministerkonferenz Ende Juni 2005 doku- wesen wird nicht schon dadurch besser, dass es im- mentiert. mer weniger Krankenkassen in ihm gibt. (B) (D) Auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005 wurde vereinbart, das Fusionen sind sinnvoll und wünschenswert in den Thema „Kassenfusion“ in Kürze aufzugreifen. Es Fällen, in denen sie zur Aufrechterhaltung eines leis- wurde ausdrücklich die Notwendigkeit einer Vermei- tungsfähigen und für die Versicherten bezahlbaren dung marktbeherrschender Stellungen und einer An- Gesundheitssystems beitragen. Allerdings sind an passung der Aufsichtsbefugnisse von Bund und Län- Fusionen Voraussetzungen zu knüpfen, die es den dern betont. aufsichtführenden Ländern ermöglichen, eine ausrei- chende Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung Die Länder haben ihre Vorstellung, wie die Auf- der regionalen Versorgungsstruktur und der Wirt- sichtsbefugnisse von Bund und Ländern angepasst schaftlichkeit zu haben. werden müssen, in den zuvor genannten Beschlüssen der zuständigen Fachministerkonferenzen darge- Der Gesetzentwurf enthält das hierfür Erforderli- legt. Es besteht übereinstimmend die Auffassung, che. Er schafft keine neue Bürokratie, da er auf den dass dem zunehmenden Verlust an Einfluss- und Ge- vorhandenen und bewährten Strukturen bei den Auf- staltungsmöglichkeiten der Länder bei den gesetzli- sichtsbehörden des Bundes und der Länder aufbaut. chen Kranken- und Pflegekassen entgegenzuwirken Zusätzlicher Aufwand durch das Erfordernis des ist. Hierzu ist eine Änderung des Artikels 87 Abs. 2 Abschlusses von Staatsverträgen ist vor dem Hinter- Grundgesetz erforderlich. Mit dem vorliegenden Ge- grund der Wahrung der Einfluss- und Gestaltungs- setzesantrag wird der erste Schritt zur Umsetzung möglichkeiten der Länder bei den gesetzlichen Kran- der Ländervorstellungen unternommen. ken- und Pflegekassen durchaus vertretbar und im Vor dem Hintergrund der gefassten Länderbe- Sinne einer an regionalen Strukturen orientierten schlüsse möchte ich Folgendes klarstellen: Es besteht Gesundheitspolitik im Interesse der Versicherten not- übereinstimmend Interesse an einer vielfältigen Kas- wendig.