Deutschland

Länder. Parteichef Oskar La- fontaine habe „ganz deutli- che Worte gesprochen“, rühmt Ringstorff, „wir ent- scheiden hier, wie die Re- gierung gebildet wird“. Was für die Mecklenburg- Vorpommerschen Sozialde- mokraten das Beste ist, da sind sich Spitzengenossen vor Ort einig – ein echtes Bündnis mit der PDS. Nur so seien die Postkommuni- sten zu disziplinieren. Das Wahlergebnis zwinge die SPD, sagt der Noch-Bundes- tagsabgeordnete Tilo Brau- ne aus Greifswald, „in den

K. B. KARWASZ sauren Apfel der rot-roten Sozialdemokrat Ringstorff (r.), PDS-Landeschef Holter (hinten M.)*: „Größere Nähe“ Koalition zu beißen“. Und selbst Justizminister Rolf Eg- die sich erst einmal in der Opposition re- gert, Intimfeind der PDS, hat eingelenkt. MECKLENBURG-VORPOMMERN generiert. Eggert schwächte seine Drohung ab, er ste- Daß Ringstorff die Union überhaupt he für ein SPD-PDS-Kabinett nicht zur Ver- Saurer Apfel zum – unverbindlichen – Plausch lud, und fügung: „Das müßte ich mir überlegen.“ zwar noch vor der PDS, war ein geschick- Eine wichtige Rolle dürfte bei den Ver- Die SPD in Schwerin ter Zug: So erhöht er den Druck auf die handlungen der beiden Wahlsieger spie- Postkommunisten, die unbedingt mit an len, wen die PDS als ministrabel präsen- ist offiziell nach allen Seiten die Macht wollen, ihre Forderungen im tiert. Ihren Chef Holter, 45, etwa hält verhandlungsbereit. Doch vornhinein zu mäßigen. Dieselbe Strate- Ringstorff für einen „lupenreinen Sozial- die Signale stehen auf Rot-Rot. gie hat der clevere SPD-Mann schon vor demokraten“. Der frühere FDJler Andreas vier Jahren mit umgekehrten Vorzeichen Bluhm, 38, für das Amt des Kultusmini- as eierst du so rum“, raunzte der erfolgreich angewandt, um den Preis für sters im Gespräch, tritt heute so jovial auf Vorsitzende der Gewerkschaft eine Große Koalition hochzutreiben. wie ein SPD-Betriebsrat. Und die Finanz- WHandel, Banken und Versi- Für die Sondierungsgespräche mit der politikerin der PDS, Angelika Gramkow, cherungen (HBV) in Mecklenburg-Vor- CDU gibt es eine Sollbruchstelle: Beim er- 40, wird in SPD-Kreisen als „kühle Rech- pommern, Bernd Fritze, ins Telefon: „Wir sten Tête-à-tête mit Merkel ließ Ringstorff nerin“ gepriesen. wollen die Koalition mit der PDS.“ keinen Zweifel, daß er im Bundesrat mit- Das „Magdeburger Modell“ einer Dul- Doch Fritzes Gesprächspartner Peter reden will, für ihn daher nicht länger Ent- dung durch Enthaltung steht für die PDS Deutschland, Schweriner DGB-Chef, muß haltung in strittigen Fällen in Frage kommt. in Schwerin nicht mehr zur Debatte. Im sich in der Öffentlichkeit zurückhalten.An- Derzeit haben sozialdemokratische und Landtag führt die SPD nur mit drei Man- ders als der einfache Genosse Fritze gehört rot-grüne Regierungen in der Länderkam- daten vor der CDU. Das sei, sagt Holter Deutschland zum Vorstand der Landes- mer mit 35 von 69 Stimmen die Mehrheit; süffisant, eine „wacklige Position“. In Mag- SPD. Und die sondiert offiziell noch die drei Stimmen Zuwachs aus Schwerin wür- deburg liegt das Kräfteverhältnis von SPD Lage – zwischen Rot-Rot und Rot-Schwarz. den daraus ein Polster auch für jene Fälle zur CDU bei 47 zu 28. „Solidität geht vor Schnelligkeit“, faßt schaffen, in denen die Sozis wie etwa beim Schwierigkeiten könnten Holter und die SPD-Chef Harald Ringstorff am Freitag Lauschangriff untereinander uneins sind. Seinen mit der eigenen Basis bekommen. abend in Güstrow die Lage nach den ersten Mit der PDS gibt es in Am 10. Oktober steht ein Gesprächen mit CDU und PDS zusammen. dem Punkt „größere Parteitag an. Noch sträuben Erst am kommenden Sonntag will sich die Nähe“, wie Ringstorff nach sich Altkader und Jungmar- Partei für einen Partner entscheiden. der ersten Sondierungsrun- xisten, aus der unverbindli- Die Qual der Wahl hat die SPD als Sie- de sagte. Die SED-Nachfol- chen Oppositionsrolle des ger der Landtagswahl am 27. September ger sind, von den Berliner Anwalts der Zukurzgekom- mit 34,3 Prozent zwischen ihrem bisheri- Parteioberen bis zum Lan- menen in die politische Ver- gen Seniorpartner CDU, der von 37,7 auf deschef Helmut Holter, antwortung zu wechseln. 30,2 Prozent weggesackt ist, und der über- ganz begierig aufs Mitre- „Da wird diskutiert wer- raschend erstarkten PDS (24,4 statt 22,7 gieren. Von einer „Toaliti- den wie in Düsseldorf bei Prozent 1994) – zumindest in der Theorie. on“, einer Tolerierung mit den Grünen beim Zoff um

Aber die Spielräume sind eng. Zwar Vertrag, träumt in Schwerin A. SCHOELZEL Garzweiler“, ahnt Holter. hat die CDU das Gesprächsangebot von nur noch PDS-Fraktions- Sondierer Merkel, Ringstorff Aber er ist sicher: „Am Wahlsieger Harald Ringstorff „aus staats- vorsitzende Caterina Muth. Ende werden die Weichen bürgerlicher Verantwortung“ (so CDU- Auch die Bonner SPD-Zentrale ist auf auf Koalition stehen.“ Schließlich sei das Landeschefin ) akzeptiert, Rot-Rot eingestellt: In Schwerin soll, so die der „Wille der Wähler“. aber andere in der Parteispitze wie der Vorgabe, die PDS möglichst rasch in die Das glaubt sogar der Schweriner CDU- Ex-Ministerpräsident ma- Pflicht genommen werden, um das Tabu Fraktionschef Eckhardt Rehberg. „Rot- chen kein Hehl daraus, daß die Union auf aufzubrechen – Präzedenzfall für andere Rot“, verriet er am Dienstag auf einem keinen Fall „Juniorpartner der SPD wer- Parteiabend in Hamburg seinen staunen- den“ will.Auch die Junge Union sieht bes- * Beim Koalitions-Sondierungsgespräch am 2. Oktober den Zuhörern, „macht im Osten genauso- sere Chancen für die Landespartei, wenn in Güstrow. wenig Angst wie Rot-Grün im Westen.“™

der spiegel 41/1998 97