Goethe in und Luxemburg 200 Jahre Campagne in Frankreich 1792

Katalog der Ausstellung der Stadtbibliothek Trier, der Nationalbibliothek Luxemburg und der Stiftung Weimar Klassik

Sonderdruck

Stadtbibliothek Trier Nationalbibliothek Luxemburg 1992 437

200 Jahre Goetherezeption in Trier

Hans- Ulrich Seifert

Zwei Wochen war Goethe in Trier: vom ter bleibt, auch wenn die unmittelbaren 23. bis 26. August und vom 22. Oktober persönlichen Kontakte nach 1793 abgeris- bis 1. November 1792.1 Einer von Hun- sen sind und erste viele Jahre später neu ge- derttausenden, die von den revolutionären knüpft wurden.7 Doch war Wyttenbach Ereignissen in Frankreich als Emigrant, nicht das einzige Mitglied der kleinen Trie- Soldat, Berichterstatter, Handwerksbur- rer Gelehrtenrepublik, das in direkter Ver- sche oder Schriftsteller von Osten nach bindung zu dem Dichter stand, dessen Be- Westen oder in umgekehrter Richtung in kanntheitsgrad und Ruhm an der Wende die Rheingegenden gespült wurden. Noch vom 18. zum 19. Jahrhundert noch von dreißig Jahre später stellt sein Besuch, des- Wieland, Klopstock und dem vielge- sen Niederschrift gerade in gedruckter schmähten Kotzebue überschattet wurde. Form erschienen ist, kein Ereignis dar, das Der bereits als Stadtchronist erwähnte es verdiente, in der Chronik der Stadt Er- Theodor von HauptS hatte schon vor seiner wähnung zu finden.2 Theodor von Haupts Ankunft in Trier -1820 war der aus als chronologisches Repertorium der gebürtige Jurist und Schriftsteller als Land- Stadtgeschichte angelegtes Werk gerichtsrat an die Mosel versetzt worden, Vergangenheit und Gegenwart, ein histo- wo er sieben Jahre wirkte - ein Exemplar risch-topographisches Gemälde verzeich- seiner kurzlebigen Zeitschrift Monatsrosen net als bemerkenswerte Ereignisse des Zeit- dem Dichterfürsten von Düsseldorf aus de- raums zwischen 20. August und 1. Novem- diziert.9 Sein erstes in Trier verlegtes Werk, ber 1792 den Durchmarsch hessischer eine 1821 bei Gall verlegte Sammlung von Truppen (20. August), das Eintreffen eines Sagen und Erzählungen mit dem Titel österreichischen Armeecorps im Lager bei Epheukränze war auch von "Johann Wolf- Konz (20. September), den Aufbruch der gang Goethe aus Weimar" erworben wor- Kurtrierischen Truppen nach Koblenz (6. den, wie aus der dem Buch vorgedruckten Oktober) sowie den Rückzug der preußi- Liste der Subskribenten ersichtlich ist.1o Im schen Armee (ab 13. Oktober) und das Ein- dritten Heft von Haupts Mosella, einer treffen "S.M. des Königs" in der Moselme- "Monatsschrift", der ebenfalls kein langes tropole (31. Oktober).3 Leben beschieden war, erscheint 1823 "Ein Gelegenheits-Gedicht von Goethe", das als Ereignisgeschichtliches fait negligeable, ge- nicht besonders gelungene Ephemeride erst winnt dieser kurze und zufällige Aufenthalt 1891 in der Sophienausgabe von Goethes erst im Kontext des sich im 19. Jahrhundert Werken aus dem Nachlaß des Dichters herausbildenden Kults um den Weimarer wieder abgedruckt wird.11 Bedeutung, der mit der Reichsgründung 1870/71 zum Gegenstand nationaler Öf- Die Gründe für Haupts Weggang von Trier fentlichkeit promoviert.4 Gewiß: Goethe- liegen im Dunkeln. Seine Spur verliert sich Leser gab es in Trier wie andernorts seit in Paris, und als letztes Zeugnis seiner bis dem Werther, und sein bekannter Cicerone heute kaum in ihrem ganzen Umfang ge- aus dem Jahre 1792 darf in späteren Jahren sichteten Übersetzertätigkeit ist eine Über- durchaus als verhaltener Goetheaner be- tragung von Casimir Delavignes La Pari- zeichnet werden: Johann Hugo Wytten- sienne überliefert, einem Revolutionslied, bach erwartet bereits früh "tausendfachen das während der Pariser Aufstände im Juli Segen"Svon Goethes Schriften, der ihm als 1830 nahezu dieselbe Popularität genoß "Dichter des Gemüths,,6 ein steter Beglei- wie die Marseillaise während der französi- 438 Hans-Ulrich Seifert

schen Revolution.12 Daß die ganz Europa Tri e r. So eben geht auf außerordentlichem We- umstülpende Erhebung von 1789 auch in ge die sehr betrübende Nachricht von dem am 22. d. M. um halb zwölf Uhr erfolgten Ableben Trier im 19. Jahrhundert ein Angelpunkt Goethes ein. Das Theater in Weimar wurde ge- der politischen Reflexion bleibt, kann nicht schlossen, ein beabsichtigtes großes Hoffest ein- zuletzt daran abgelesen werden, daß das gestellt. Die allgemeinste Trauer herrschte in der erstmals zum 1. Oktober 1845 erschienene Stadt. Trier'sche Intelligenzblatt Philipp Lavens In den folgenden Wochen berichtete die seine Berichterstattung mit einer "Chronik Zeitung noch detailliert über das Begräbnis der Vorzeit Triers" der Jahre 1789 bis und die Herausgabe einer Gedenkmünze 1793 eröffnet (Nr. 1 bis Ne. 60, 1. Oktober auf Goethes Tod, doch wird an keiner Stel- - 9. Dezember 1845). le Bezug auf den Aufenthalt des Dichters an der Mosel genommen.15Goethe ist tot. Hin 1832 starb Goethe in Weimar. Sein literari- und wieder wird eines seiner Stücke am scher Ruhm war zu diesem Zeitpunkt, in Trierer Theater aufgeführt (vgl. unten den Grabenkämpfen zwischen restaurati- S. 441), im Curriculum des Trierer Gymna- ver Ideologie, die in dem Weimarer den siums spielt er eine kleine Rolle,16an deren Heiden witterte, und jungdeutschem Auf- Zustandekommen Wyttenbach mitgewirkt begehren, dem der Hofrat und Minister als haben mag, doch hier wie überall in unsicherer Kantonist erschien, an einem Deutschland wird sein Ruhm von dem Tiefpunkt angelangt.13 Die Gründe hierfür Schillers überstrahlt, der anläßlich der hun- lassen sich nicht besser als mit einer vielzi- dertsten Wiederkehr seines Geburtstages tierten Passage aus Heinrich Heines Ro- 1859 mit bis dahin ungesehenem Glanz als mantischer Schule umschreiben: nationaler Dichter gefeiert wurde. Goethes hundertster Geburtstag war zehn Jahre zu- Es fehlte (... ) nicht an einer Opposizion, die ge- vor nahezu unbemerkt vergangen. Um so gen Goethe, diesen großen Baum, mit Erbitte- bemerkenswerter daher, daß der junge rung eiferte. Menschen von den entgegengesetz- Marx, knapp zwei Jahre nach seinem Ab- testen Meinungen vereinigten sich zu solcher Op- posizion. Die Altgläubigen, die Orthodoxen, är- itur am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, gerten sich, daß in dem Stamme des großen Bau- als Berliner Student mit einigen Epigram- mes keine Nische mit einem Heiligenbildchen be- men in die seitens pietistischer wie ultra- findlich war, ja daß sogar die nackten Dryaden montaner Kreise entfesselte Kampagne ge- des Heidenthums darin ihr Hexenwesen trieben, gen Goethe als mutmaßlichen Repräsen- und sie hätten gern, mit geweihter Axt, gleich dem heiligen Bonifazius, diese alte Zaubereiche tanten einer "gottlosen und dekadenten niedergefällt;die Neugläubigen, die Bekenner Zeit" 17eingreift: des Liberalismus, ärgerten sich im Gegentheil, Hört nun, wie das Ganze vom Faust entsprungen, daß man diesen Baum nicht zu einem Freyheits- Der Dichter hat falsch es vorgesungen. baum, und am allerwenigsten zu einer Barrikade Der Faust, der hatte der Schulden zu viel, benutzen konnte. In der That, der Baum war zu War liederlich, trieb das Hazardspiel, hoch, man konnte nicht auf seinem Wipfel eine Und wie er keine Hülfe von oben gesehn, rothe Mütze stecken und darunter die Carma- Da wollt' er schmählich zu Grunde gehn, gnole tanzen. Das große Publikum aber verehrte Darum ihn nun ängstlich Gefühl überkam, diesen Baum eben weil er so selbständig herrlich Von Hölle und Verzweiflungsgram. war, weil er so lieblich die ganze Welt mit seinem Da dacht' er über Leben und Sterben, Wohl duft erfüllte, weil seine Zweige so pracht- An Wissen und Tun und Verderben, voll bis in den Himmel ragten, so daß es aussah, Und sprach gar vieles darüber hin als seyen die Sterne nur die goldnen Früchte des In dunkelmystischem Sinn. großen Wunderbaums. 14 Konnt' das nun nicht der Dichter zieren, Erzählen, wie Schulden zum Teufel führen, In Trier war die Nachricht von Goethes Wie, wer sich um den Kredit gebracht, Gar leicht sein Seelenheil vermacht?18 Tod noch in letzter Minute in die Trier'sche Zeitung vom 27. März 1832 auf der letzten Frei von aller Ironie, aber dafür reichlich Seite eingerückt worden: Angriffsflächen für ironisierende Kritik Goethe-Rezeption in Trier 439 bietend, zeigt sich knapp zehnjahre später gewetteifert zu haben, wem es am besten ein damaliger Korrespondent der Trier gelinge, "Zeichnungen aus Goethes Faust, schen Zeitung, der das bis dahin weitge- mit etwa fingergroßen Figuren, nur deren hend unbeachtete Provinzblatt bald zu ei- Umriß enthaltend"23, zu kopieren. Als Sie- nem international beachteten Organ des ger aus dem Malwettbewerb ging von Sal- "wahren Sozialismus" umgestalten sollte let hervor. und mit seinem Erscheinen vor Ort dafür Daten über Goethelektüren im privaten sorgte, daß der Geist der 48er-Revolution Kreise fehlen und sind allenfalls als Anek- auch an der Mosel wehte: Karl Grün,19 der dote überliefert, wie die gerade zitierte. sich 1848 bis 1850 in Trier aufhielt und in Was seinen Erfolg als Theaterautor be- dieser Zeit so viele Menschen auf die Straße trifft, ist man genötigt, sich an die lücken- zu bringen verstand, wie es sonst wohl nur hafte Überlieferung der örtlichen Auffüh- den Organisatoren der Heilig-Rock-Aus- rungschronik zu halten: stellungen vorbehalten war, hatte 1846 ein Buch mit dem Titel Goethe vom menschli- Gerade zehn Inszenierungen sind für den chen Standpunkt drucken lassen, in dem Zeitraum 1849 bis 1899, zwischen hun- der Autor des Wilhelm Meister als Vorläu- dertstem und hundertfünfzigstern Geburts- fer der die Jahrhundertmitte dominieren- tag zu verzeichnen (vgl. unten S. 441). In den sozialen Bewegung, sein Werk als Ge- den Gymnasien spielt die Vermittlung sellschaftsmodell einer frühkommunisti- "schöner Literatur" damals neben Ortho- schen Utopie, als "Kodex für die radikale graphie- und Schönschreibunterricht nur Umgestaltung der Gesellschaft" gedeutet eine untergeordnete Rolle, die Volksschu- wird, kurz als Antizipation der Welt, "wel- len scheinen Goethe eher gemieden zu ha- che eben jetzt am Gären und Keimen ist" .20 ben, jedenfalls finden sich in den entspre- Doch die 48er- Revolution wurde niederge- chenden Jahrgängen des Schulfreundes, schlagen, Grün entging nur knapp der Ver- der zunächst in Prüm, später dann in Trier urteilung, und sein Goethe-Buch wäre heu- verlegten lokalen pädagogischen Fachzeit- te wahrscheinlich ganz vergessen, hätten es schrift, keine entsprechenden Lektüreem- nicht seine politischen Antagonisten Marx pfehlungen. Das mag etwas damit zu tun und Engels einer zurecht vernichtenden haben, daß die von ihrem Besucher aus Kritik unterzogen.21 dem Jahr 1792 als "Pfaffennest" apostro- Ein ähnliches, noch stilleres Schicksal war phierte Stadt diesem Zug ihres Charakters einem weiteren Buch über Goethe beschie- durchaus treu geblieben war. Hatten Grün den, das seinen Ursprung zumindest mittel- und von Sallet versucht, Goethe als tätigen bar in Trier hat. Zwei Jahre vor Grüns Bürger und Citoyen respektive als panthei- Schrift war 1844 ein Büchlein mit dem Ti- stischen Literaten ihren jeweiligen politi- tel Zur Erläuterung des zweiten Teils vom schen und ästhetischen Vorstellungen Goetheschen Faust. Für Frauen geschrie- kommensurabel zu machen, so findet sein ben in Breslau erschienen. Es stammte aus Werk in den folgenden Jahren auch Inter- dem Nachlaß des 1843 verstorbenen schle- preten, die darin Hinweise entdecken, wel- sischen Dichters Friedrich von Sallet.22 che den Bedürfnissen des in den weltan- Dieser hielt sich vom Sommer 1832 bis An- schaulichen Grundlagen des städtischen fang 1835 (mit Unterbrechungen) in der Klerus verhafteten Großbürgertums entge- Moselmetropole auf, in der er enge Kon- genkommen. So liest der später berühmt takte zu Eduard Duller, Johann Hugo Wyt- gewordene Gelehrte Franz Xaver Kraus tenbach und anderen Vertretern des dama- "an den Abenden des 12. und 13. (Septem- ligen literarischen Trier knüpfte. Wohn- bers 1872) ... im Salon der Frau von Gal- haft war von Sallet im Hause eines preußi- haus vor einer Gesellschaft von etwa fünf- schen Beamten, dessen Sohn sich viele Jah- zehn Personen über Goethes Faust" und re später daran erinnert, mit dem Dichter stellt dabei dar, "daß Goethe der Gnade Goethe-Rezeption in Trier 439 bietend, zeigt sich knapp zehn,Jahre später gewetteifert zu haben, wem es am besten ein damaliger Korrespondent der Trier' gelinge, "Zeichnungen aus Goethes Faust, schen Zeitung, der das bis dahin weitge- mit etwa fingergroßen Figuren, nur deren hend unbeachtete Provinzblatt bald zu ei- Umriß enthaltend"23, zu kopieren. Als Sie- nem international beachteten Organ des ger aus dem Malwettbewerb ging von Sal- "wahren Sozialismus" umgestalten sollte let hervor. und mit seinem Erscheinen vor Ort dafür Daten über Goethelektüren im privaten sorgte, daß der Geist der 48er-Revolution Kreise fehlen und sind allenfalls als Anek- auch an der Mosel wehte: Karl Grün,19 der dote überliefert, wie die gerade zitierte. sich 1848 bis 1850 in Trier aufhielt und in Was seinen Erfolg als Theaterautor be- dieserZeit so viele Menschen auf die Straße trifft, ist man genötigt, sich an die lücken- zu bringen verstand, wie es sonst wohl nur hafte Überlieferung der örtlichen Auffüh- den Organisatoren der Heilig-Rock-Aus- rungschronik zu halten: stellungen vorbehalten war, hatte 1846 ein Buch mit dem Titel Goethe vom menschli- chen Standpunkt drucken lassen, in dem Gerade zehn Inszenierungen sind für den der Autor des Wilhelm Meister als Vorläu- Zeitraum 1849 bis 1899, zwischen hun- dertstem und hundertfünfzigstern Geburts- fer der die Jahrhundertmitte dominieren- tag zu verzeichnen (vgl. unten S. 441). In den sozialen Bewegung, sein Werk als Ge- den Gymnasien spielt die Vermittlung seIlschaftsmodell einer frühkommunisti- "schöner Literatur" damals neben Ortho- schen Utopie, als "Kodex für die radikale Umgestaltung der Gesellschaft" gedeutet graphie- und Schönschreibunterricht nur wird, kurz als Antizipation der Welt, "wel- eine untergeordnete Rolle, die Volksschu- che eben jetzt am Gären und Keimen ist" .20 len scheinen Goethe eher gemieden zu ha- Doch die 48er-Revolution wurde niederge- ben, jedenfalls finden sich in den entspre- schlagen, Grün entging nur knapp der Ver- chenden Jahrgängen des Schulfreundes, urteilung, und sein Goethe-Buch wäre heu- der zunächst in Prüm, später dann in Trier verlegten lokalen pädagogischen Fachzeit- te wahrscheinlich ganz vergessen, hätten es nicht seine politischen Antagonisten Marx schrift, keine entsprechenden Lektüreem- und Engels einer zurecht vernichtenden pfehlungen. Das mag etwas damit zu tun Kritik unterzogen.21 haben, daß die von ihrem Besucher aus dem Jahr 1792 als "Pfaffennest" apostro- Ein ähnliches, noch stilleres Schicksal war phierte Stadt diesem Zug ihres Charakters einem weiteren Buch über Goethe beschie- durchaus treu geblieben war. Hatten Grün den, das seinen Ursprung zumindest mittel- und von Sallet versucht, Goethe als tätigen bar in Trier hat. Zwei Jahre vor Grüns Bürger und Citoyen respektive als panthei- Schrift war 1844 ein Büchlein mit dem Ti- stischen Literaten ihren jeweiligen politi- tel Zur Erläuterung des zweiten Teils vom schen und ästhetischen Vorstellungen Goetheschen Faust. Für Frauen geschrie- kommensurabel zu machen, so findet sein ben in Breslau erschienen. Es stammte aus Werk in den folgenden Jahren auch Inter- dem Nachlaß des 1843 verstorbenen schle- preten, die darin Hinweise entdecken, wel- sischen Dichters Friedrich von Sallet.22 che den Bedürfnissen des in den weltan- Dieser hielt sich vom Sommer 1832 bis An- schaulichen Grundlagen des städtischen fang 1835 (mit Unterbrechungen) in der Klerus verhafteten Großbürgertums entge- Moselmetropole auf, in der er enge Kon- genkommen. So liest der später berühmt takte zu Eduard Duller, Johann Hugo Wyt- gewordene Gelehrte Franz Xaver Kraus tenbach und anderen Vertretern des dama- "an den Abenden des 12. und 13. (Septem- ligen literarischen Trier knüpfte. Wohn- bers 1872) ... im Salon der Frau von Gal- haft war von Sallet im Hause eines preußi- haus vor einer Gesellschaft von etwa fünf- schen Beamten, dessen Sohn sich viele Jah- zehn Personen über Goethes Faust" und re später daran erinnert, mit dem Dichter stellt dabei dar, "daß Goethe der Gnade 440 Hans-Ulrich Seifert

Notwendigkeit und Wirklichkeit geahnt" stellt, zumal nicht für Goethe, dessen Werke in haben müsse,24 was eingedenk der goethe- hohem Grade von pantheistischen, antichristli- schen Devise "Nemo contra Deum nisi chen und zum Teil auch unsittlichen Anschauun- Deus ipse,,25 durchaus in den Bereich vor- gen durchtränkt sindY stellbarer Deutungsmuster rückt. Doch Die Heftigkeit der Reaktion erstaunt, war nicht immer fußen solche Analysen auf doch bereits zehn Jahre zuvor in Weimar 28 dem abwägenden Urteil des Philologen. Als die Goethe-Gesellschaft gegründet wor- 1885 ein katholischer Geistlicher aus Mün- den, der neben Wilhelm 11. und Auguste chen in der Trierer theologischen Zeit- Victoria zahlreiche andere Mitglieder eu- schrift Pastor bonus unter der Überschrift ropäischer Fürstenhäuser, Gelehrte von "Wie wird man ein tüchtiger Prediger?" Rang und bekannte Künstler angehörten, mit folgender Überlegung in die heftig ge- so daß sich von Hammersteins Invektiven führte Diskussion um den pastoralen Um- gegen eine anerkannte kulturelle Institu- gang mit den literarischen Klassikern ein- tion des wilhelminischen Deutschlands greift: richteten. Die Feierlichkeiten anläßlich des 150. Geburtstages des Dichters zeigen, daß Man fürchte nicht, durch die Beschäftigung mit damals in Trier aufkeimende Goethevereh- der Poesie zu weltlich gestimmt zu werden. Wir rung und klerikale Skepsis und Verdam- haben ja eine große Zahl religiös begeisterter Dichter, und der starke religiöse Gehalt der als mung nebeneinander existierten. profan bezeichneten ist auch noch eine terra in- cognita für die meisten katholischen Theologen. Am 27. Juli 1899 meldet die Trierische Man gefällt sich ja jetzt so gern in frommen La- Landeszeitung in ihrer Abendausgabe: mentationen über die Unchristlichkeit und Ge- fährlichkeit der modernen Literatur und möchte An der Wohnung des Domkapitulars Hr. Altkir- am liebsten Goethe und Schiller auf den Index chen am Domfreihofe ist vor einigen Tagen eine setzen. (.... )Wenn wir jeden Dichter, jedes Buch Marmortafel angebracht worden. Dieselbe wird verwerfen, die nicht bis in den kleinsten Zug von zwei vergoldeten Löwenköpfen gehalten christlich, ja katholisch sind, was bleibt denn da und trägt in vergoldeten lateinischen Buchstaben noch übrig? Es hat sich offen gestanden seit etwa folgende Inschrift: zwanzig Jahren ein so engherziger, liebloser und In dieser Domkurie weilte Goethe kleinlicher Zug in die katholische Journalistik auf dem Hinwege und dem Rückwege eingebürgert, daß es sich bitter rächen muß, zur Campagne in Frankreich wenn solchem Treiben nicht endlich Einhalt ge- im August und Oktober 1792 than wird.26 Die Inschrift ist zwar irreführend und der antwortet ihm der konvertierte Jesuitenpa- ter L. von Hammerstein aus Trier er- Ort, an dem die Tafel angebracht wurde, der falsche,29 doch ist der gute Wille nicht grimmt: zu übersehen. Für die zur gleichen Zeit in Aber weiß denn der Herr Verfasser nicht, daß der Königlichen Kunstakademie zu Düssel- Goethe selbst jenem italienischen Bischof Recht dorf ausgerichtete Rheinische Goethe-Aus- gab, der seinen" Werther" für ein nach katholi- schen Begriffen schlechtes Buch erklärte und stellung hatte die Trierer Stadtbibliothek demgemäß die italienische Übersetzung in seiner bereitwillig 26 Exponate, vor allem alte Diözese verbot? Weiß der Verfasser denn nicht, Stadtansichten und Werke Wyttenbachs, daß zahlreiche andere Werke Goethes, auch eini- beigesteuert und Regierungspräsident zur ge Schillers, ganz entschieden von den allgemei- Nedden den Abguß eines Modells der Ige- nen Regeln des Index getroffen werden? Wenn die Kirche es stillschweigend duldet, daß der Le- ler Säule aus seinem Besitz zur Verfügung 30 sung jener deutschen Klassiker auf unsern Gym- gestellt. Unter von Neddens Ägide stand nasien so viel Zeit und Aufmerksamkeit ge- auch die offizielle Trierische Gedenkfeier schenkt wird, so setzt sie voraus, daß gewissen- zum 150. Geburtstag des Dichters, die mit hafte Lehrer eine vorsichtige Auswahl zu treffen einer Ausstellung im Provinzialmuseum wissen und schädliche Einflüsse durch die nötige Kritik verhindern. Aber ein unbeschränkter Frei- und Ausfführungen von Tasso und Iphige- brief zur Lesung jener Klassiker ist der Jugend nie im Stadttheater begangen wurde. Orga- durch dieses Stillschweigen keineswegs ausge- nisator der Feierlichkeiten war der preußi- Goethe-Rezeption in Trier 441

sche Gewerbeaufischtsbeamte Karl Bitt~ veröffentlichten Mitgliederverzeichnissen mann, der darüber in dem ersten Band sei- ersichtlich wird.32 Wirft man jedoch einen ner Lebenserinnerungen (Werken und Wir- Blick in den AufführungsspiegeI des Trierer ken, Karlsruhe 1924, S. 180-183) amüsant Theaters, fällt kaum ein merklicher Unter- zu berichten weiß. schied zwischen der Zahl der Aufführun- gen in der zweiten Hälfte des 19. und der Am Tage des Jubiläums seIbst bringt die ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ins Au- Trierische Zeitung auf ihrer zweiten Seite ge, so daß die Bühne wohl als das Kontinui- einen Beitrag von Adolf Kohut über" Goet- tät der Rezeption garantierende Elemente he und Napoleon" ,der keinerlei lokalspe- in der Trierer Auseinandersetzung mit dem zifische Bezüge zu den beiden Trierbesu- Dichter angesehen werden darf. Dies mag chern von 1792 und 1804 herzustellen ver- folgende, aus heterogenen Quellen33 kom- sucht. Die Trierische Landeszeitung, deren pilierte Übersicht verdeutlichen, die keinen Berichterstattung wie die des Konkurenz- Anspruch auf Vollständigkeit erhebt: blattes um die damals Frankreich erschüt- ternde Dreyfus-Affäre kreist, rückt am seI- 1819 Egmont ben Tage einen P. Pila31 gezeichneten Bei- 1821 Götz von Berlichingen trag in ihr Abendblatt ein, der in seiner 1835 Götz von Berlichingen Überschrift die Beantwortung der Frage 1837 Faust "Was ist Johann Wolfgang Goethe" ver- 1843/44 Faust spricht. Die Antwort lautet klar: das, was 1846-1850 Faust man besser nicht lesen sollte: 1857-1859 Faust 1862/63 Egmont Einem Leser, der längst mit allem Glauben ge- brochen, wird es freilich gleich sein, was Goethe 1866-1869 Iphigenie auf Tauris, in diesem Punkte (d.i. Sitte, Religion, Patriotis- Egmont mus, H.U.S.) für Anschauungen hatte. An diese 1869/70 Faust wird auch keines der nun folgenden Worte verlo- 1879 Faust ren. Aber es gilt diejenigen zu warnen, die noch 1894/95 Egmont den Glauben der glücklichen Kindheit als ihren theuersten Schatz bewahrt haben, sich durch die 1895/96 Egmont schöne Sprachform allmählich verleiten zu las- 1899 Torquato Tasso, sen, auch nur etwas zweifelnd zu werden. Iphigenie auf Tauris Goethe hatte ja freilich nicht das Glück, katho- 1902 Die Geschwister lisch zu sein; voraussichtlich hätte sich unter dem 1904-1907 mehrere Werke (Thoma) heilsamen Einfluß der einzig wahren Kirche, ins- 1912 Faust (fünfeinhalbstündi- besondere der Beichtanstalt, sich sein Lebenslauf ganz anders gestaltet. geAufführung unter Tietjen) Der tumbe Ton jesuitischer Journalisten- 1929 Die Verliebten schelte täuscht darüber hinweg, daß die (Freilichtbühne) Trennungslinie zwischen Goethebefürwor- 1930-1933 Egmont, Torquato Tasso, tern und Goethegegnern in der Stadt kei- Iphigenie auf Tauris neswegs entlang der Konfessionsgrenzen 1932/33 Clavigo verlaufen ist. Gewiß: die Goethefeierlich- 1938/39 Götz von Berlichingen keiten von 1899 schlagen in doppelter Hin- 1942 Stella sicht eine Bresche ins zwanzigste Jahrhun- 1943/44 Faust dert, indem sie "Glück" nun auch in Trier 1945/46 Torquato Tasso, Clavigo außerhalb des Schoßes der "einzig wahren 1946/47 Urfaust Kirche" in den Bereich des Möglichen 1949/50 Iphigenie auf Tauris rückten. Zudem tauchen ab 1900 erstmals 1952/53 Egmont Trierer unter den Mitgliedern der Weima- 1953/54 Iphigenie auf Tauris rer Goethe-Gesellschaft auf, wie aus den 1956/57 Clavigo jährlich im Anhang zum Goethe-Jahrbuch 1958/59 Urfaust 442 Hans- Ulrich Seifert

1960-1963 Hermann und Dorothea in der Valmy im Lichte von Verdun gedeu- 1968-1975 Faust I und Faust 11 tet wird und die das Goethebild der kom- 1981/82 Das Jahrmarktfest zu menden Jahre vorformt. Goethe wird als Plundersweiler überzeugter Royalist und Elitemensch ge- (GoethelHacks) sehen, den die Französische Revolution ge- 1982 Urfaust lehrt habe, mit Abscheu auf die "Herr- schaft der Unwürdigen, Unfähigen, Unge- Es soll mit dieser synoptischen Darstellung schulten, die die Revolution nach oben lediglich ein chronologisches Gerüst gelie- trägt", herabzublicken. "Kein Zweifel: der fert werden; die Auswertung des umfang- aristokratische Gedanke, heute sagt man: reichen Schrifttums zu den einzelnen Auf- der Führergedanke, beherrscht Goethes führungen aus der Tagespresse würde den ganzes gesellschaftliches Denken", Rahmen eines Katalogbeitrags sprengen schreibt Roethe 192437 und läßt in dieser und sei einem erfahrenen Theaterhistoriker Formulierung bereits erkennen, aus wel- überlassen. cher Konstellation "Der faschisierte Goet- Die Goethe-Philologie im eigentlichen Sin- he,,38 erwächst, jener Homunkulus, der ne hält in Trier um 1912 Einzug, als die da- 1932 als den Bedürfnissen der Zeit entspre- mals 31jährige Schriftstellerin und Journa- chend zurechtinterpretierter ideeller Unter- listin Rosa Anderson, die unter dem Pseu- tan die Feuilletons zu bevölkern beginnt. 34 donym Rosa Kaulitz-Niedeck publizier- Die Gedächtnisfeiern zu Goethes 100. To- te, ihren Wohnsitz aus Estland für einige destag im Jahre 1932 fallen mit den Feier- Jahre an die Mosel verlegte. Zuvor war sie lichkeiten zum 13. Jahrestag der Weimarer in Bonn, Dortmund und Gießen tätig gewe- Verfassung zusammen, die bereits von Hit- sen, wo die unmittelbare Nähe zu Wetzlar lers Griff nach dem Reichskanzleramt sie zu einer Studie über Karl Wilhelm Jeru- überschattet werden. Die sozialdemokrati- salem, das "Urbild von Goethes Werther" sche Trierer Volkswacht berichtet in ihrer inspiriert hatte.J5 Unter dem Titel "Die Ausgabe vom 11. August 1932 unter der Geele Box. Goethes Erlebnisse in Trier" Überschrift "Heute abend Verfassungsfei- veröffentlicht sie 1924 im Berliner Verlag er in der Stadthalle" : F. Fontane & Co. eine auf ausgiebigem Quellenstudium vor Ort fußende Darstel- Wie aus der Einladung des Oberbürgermeisters lung zu Goethes Trierer Aufenthalt. Erst- im Anzeigenteil hervorgeht, findet die Verfas- sungsfeier heute abend um 8.30 Uhr in der Stadt- mals wird hier Goethes Brief an Wytten- halle statt. Entsprechend einer Anregung des bach vom 5. Dezember 1793 nach dem preußischen Staatsministeriums soll sie im Zei- Original aus der Autographensammlung chen Goethes stehen. Die Ansprache wird Stadt- der Trierer Stadtbibliothek in seinem lokal- schulrat Dr. Braun halten. Neben dem Vortrag historischen Kontext veröffentlicht. Goethischer Gedichte werden von Mitgliedern des ehemaligen Stadttheaters Szenen aus "Her- Eine zehn Jahre zuvor von Rosa Kaulitz- mann und Dorothea" vorgeführt. Der musikali- Niedeck veröffentlichte Schrift mit dem Ti- sche Teil der Veranstaltung wird von der Polizei- kapelle bestritten. tel "Wie können sich die Frauen in der Die der Eisernen Front angeschlossenen republi- Kriegszeit nützlich machen" , deutet das kanischen Organisationen veranstalten in die- sich ändernde gesellschaftliche und geistige sem Jahr keine eigene Verfassungsfeier. Wir bit- Klima an, in dem Werk des Klassikers nun ten daher die Kameraden der eisernen Front, die ein neuer Deutungsrahmen erwuchs. 1919 heute abend von der Stadtverwaltung veranstal- tete Feier zu besuchen.39 veröffentlichte Gustav Roethe, ab 1921 Präsident der Weimarer Goethe-Gesell- Am darauffolgenden Tag wird unter der schaft, die bislang umfangreichste Darstel- Überschrift "Kämpfen - nicht feiern" lung über Goethes Campagne in Frank- Schulrat Brauns Gedächtnisrede als "de- reich,36eine während des 1. Weltkrieges in placiert", da an dem aktuellen politischen der Champagne begonnene Untersuchung, Anlaß ängstlich vorbeiredend, charakteri- Goethe-Rezeption in Trier 443

siert.Braun hatte über Goethes Stellung zu Schatten des Schicksals" zwei Jahre zuvor pädagogischenFragen gesprochen, was für mit dem Jugendpreis deutscher Erzähler den Schulmann wohl anging, als Beitrag ausgezeichnet worden war. 1938 schreibt unmittelbar vor der Machtergreifung je- Gabele im Auftrag des Reichssenders dochkein Ruhmesblatt darstellt. ein Hörspiel mit dem Titel "Trier. Die älteste Stadt Deutschlands", Bereits im Juni 1932 hatte in Trier die das nach seinem eigenen Bekunden äußerst "Rheinische Dichtertagung" stattgefun- erfolgreich war.43 Eine der Szenen handelt den. Sie stand unter dem Motto "Begeg- von Goethes Aufenthalt in Trier und zeigt, nung mit dem Nachbar", worunter sich je- auf welch widersprüchliche Weise damals doch nicht viel mehr als ein völkisches mit dem kaum zu verleugnenden aufkläre- Schulterklopfen über die Landesgrenzen rischen Kosmopolitismus des Weimarers hinweg verbarg. De facto wurde die Aus- umgegangen wurde. Gabele folgt Goethe grenzung unliebsamer Autoren betrieben, und Wyttenbach zur Igeler Säule und läßt wie aus dem Bericht des Beobachters der den Autor der Campagne "dieses Denkmal Kölnischen Volkszeitung über das Treffen (.... ) als ein Sinnbild hier an der Grenze hervorgeht. Er stimmt dem Hauptredner von Galizien, Gallien und Germanien, als der Veranstaltung Heinrich Sarnetzki in eine Hoffnung kommender Zeit, da Kriege vollem Umfange zu, "daß die tendenziös ruhen, Michel und Marianne sich in Frie- bestimmte Art von Robert Neumann, den die Hand reichen und fröhliche Kinder, Feuchtwanger und Döblin von vornherein erfüllter Wohlstand um sie her gedeiht" eine künstlerische Wertung ausschließt. ,,40 deuten. Ausgerechnet Wyttenbach fällt die Rene Schickele, der als einer der wenigen Rolle des advocatus diaboli zu: "Verzeihen damals vertretenen Schriftsteller noch heu- Sie mir, Exzellenz von Goethe, daß ich als te Beachtung findet, verließ Deutschland Trierer anderer Meinung bin. Mit diesem noch im seIben Jahr. Sein Gedichtbeitrag zänkischen, rachsüchtigen, raubgierigen zu der Tagung ist in der anläßlich des Tref- Frankreich, das sich mit Mord und Brand fens herausgegebenen Festschrift abge- in unsere Geschichte und am schlimmsten druckt, die auch zwei Beiträge zu Goethe in meine Vaterstadt eingetragen, mit die- enthältY Welcher Stellenwert dem Dichter sem Frankreich ist kein anderer Friede damals zugemessen wird, vermag jedoch möglich als ein bis an die Zähne bewaffne- noch eindrücklicher eine einen Monat zu- ter" .44Tröstlich mag hier wirken, daß ein vor im Trierer Verlag, A. Sonnenburg er- Mitarbeiter des damaligen Trierer Ober- schiene Schrift mit dem Titel "Die deutsche bürgermeisters Konrad Gorges, dem Gabe- Entscheidung. Goethes politische Sen- le sein Hörspiel mit Bitte um Förderung zu- dung" zu verdeutlichen. Ihr Verfasser ist gestellt hatte, das Manuskript mit dem Hans-Josef Graach, damals in Trier als Stu- Vermerk "Ich halte das Hörspiel für nicht dienassessor tätig. Über 85 Seiten schürt er besonders gelungen" dem Stadtarchiv zur "den gerechten Groll gegen ein verbürger- weiteren Aufbewahrung überlassen hat.45 lichtes Bildungsideal" , von dem er Goethe ausnimmt - "Dem gehören ja gerade Bil- Der Reigen der Trierer Goethefeierlichkei- dung und Kampf zusammen auf Leben und ten war am 7. März mit einer Feier der St. Sterben" -, um ihn als geignete Lektüre für Johannis-Loge "Zum Verein der Men- den Schützengraben zu empfehlen: "Goe- schenfreunde" eröffnet worden. Den Fest- thesche Bildung ist das Eiserne Kreuz, das vortrag in der Aula des Hindenburg-Real- nur der Kämpfer erhält,,42. Gymnasiums über "Goethes Faust und die deutsche Zukunft" hatte der Goethe For- Kehren wir noch einmal zum Rheinischen scher Ernst Horneffer gehalten, doch ließ Dichtertreffen zurück. Die "Dichterstun- sich darüber nicht mehr ermitteln, als die deI' hatte der Koblenzer Autor Anton Ga- Anzeige des Ereignisses in der Trierer Zei- bele eröffnet, der für seinen Roman "Im tung für Mittelstand in Stadt und Land 444 Hans- Ulrich Seifert

(März-Ausgabe 1932) ankündigt. Deren wohl nicht selten in der oktroyierten So- Fortbestand waren danach nur noch einige wohl-als-auch-Dialektik des Besinnungs- Monate, der neuen deutschen Zukunft we- aufsatzes und der sterilen Feierlichkeit ge- nige Jahre beschieden. schlossener Schülervorstellungen auf der Strecke blieb. Die "Gips-Attitüde" , die den Nach Kriegsende 1945 ändert sich der Klassikern damals anhaftet (und die Wal- Blickwinkel. Valmy und Verdun sind ter JensS2noch 1980 beklagt), wurde in den Scharmützel der Vergangenheit, und 50er und 60er Jahren vermutlich nur selten Deutschland findet in Goethe eine Mög- durchbrochen. Als "fröhlichen Fremden", lichkeit der Reintegration in das kulturelle der "witzig, amüsant" und "an politischer Europa, aus dem es sich in dem vorausge- Brisanz" manch Modernem überlegen sein gangenen Jahrzehnt selbstherrlich heraus- kann,s3 beginnt man Goethe erst in den katapultiert hatte. Höhepunkt dieser Go- 46 70er Jahren zu entdecken, die die universi- etherenaissance in Trümmern sind die täre Germanistik ebenso umgestülpt haben vielfältigen Veranstaltungen anläßlich des wie die Lehrpläne der Gymnasien und die 200. Geburtstages des Dichters im Jahre Aufführungspraxis zahlreicher Theater. 1949. "Das Goethe-Derby über die klassi- sche 200-Jahr-Strecke",47 wie Erich Käst- In Trier wie andernorts markiert der 150. ner damals mit ironischem Unterton Todestag Goethes im Jahr 1982 einen Ein- schreibt, wird auch in Trier geritten. Das schnitt, der an der Mosel mit einer Neuin- Museum der Stadt veranstaltet in Zusam- szenierung des Urfaust begangen wurde, menarbeit mit der Stadtbibliothek eine die sich ausdrücklich bemühte, Goethe recht beeindruckende Ausstellung zum nicht "als schwer verdaulichen Klassi- "Geist der Goethezeit" ,48 der Trierische ker"s4 erscheinen zu lassen. Bibliotheksdi- Volksfreund preist die in diesem Zusam- rektor Gunther Franz zeigte im Foyer des menhang publik gewordene "sensationelle Theaters Trier und anschließend in der lokalhistorische Entdeckung" von Biblio- Stadtbibliothek eine kleine Ausstellung zu theksdirektor Hubert Schiel, der bei kriti- "Goethe in Trier" und "Faust". Die Trierer scher Überprüfung der Quellen herausge- Universität trug mit einem Vortragszy- funden hatte, daß Goethe 1792 nicht, wie klussS zu den Feierlichkeiten bei, in dessen lange angenommen, in der zur Domkurie Verlaufe einige bis dahin wenig beachtete führenden "Geel Box" (Domfreihof 2), Aspekte aus Goethes Leben und Werk neu sondern im Pfarrhaus von St. Gangolf beleuchtet wurden. Auch erscheint 1982 49 (Dietrichstraße 41) logiert hatte. Die Ge- wieder einmal ein Goethebuch in einem sellschaft für nützliche Forschungen veran- Trierer Verlag: Goethe live56 holt den Klas- staltete eine Goethefeier, zu deren Gelingen siker respektlos aus der Aula in die Szene- der Festvortrag von Oberstudienrat Dr. kneipe und stellt, wenn auch kein Monu- Ruppert über "Goethe in Trier" beigetra- ment der Goethephilologie, so doch ein gen haben mag, in dem "das hohe Mensch- amüsantes Dokument des Zeitgeistes jener entum des Dichters"SO hervorgehoben Jahre dar. wurde, eine Akzentuierung, die sich vier Jahre nach Kriegsende von selbst versteht 1986 nimmt das Städtische Museum Sime- und die im kommenden Jahrzehnt das onsstift die zweihundertste Wiederkehr des Goethebild der Gymnasien wesentlich prä- Beginns der Italienischen Reise Goethes gen wird. 1951 erhält Trier eine "Goethe- zum Anlaß, im Rahmen des damals in Trier Straße" . abgehaltenen Deutschen Historikertages eine Ausstellung zur Geschichte der Die 50er jahre nehmen Goethe in das Stan- deutsch-i talienischen Wechselbeziehungen dardrepertoire des DeutschunterrichtsS1 auszurichten. Der von Dieter Ahrens her- und die Spielpläne der Theater auf, wobei ausgegebene Ausstellungskatalo~7 bein- das "hohe Menschentum des Dichters" haltet neben zwei bereits zuvor im Trieri- Goethe-Rezeption in Trier 445

sehen Volksfreund veröffentlichten Dar- Goetherezeption in der ersten Hälfte dieses stellungen über "Goethe-Kostbarkeiten in Jahrhundertes gezeigt. Wie mit dem wieder der Trierer Stadtbibliothek" und das Ver- gesamtdeutsch gewordenen Goethe künf- hältnis des Dichters zu dem Maler Ram- tig verfahren wird, bleibt abzuwarten. boux einen Beitrag des an der Trierer Uni- versität lehrenden Germanisten Karl Eibl zu Goethes 13. Römischer Elegie. Eibl hat- Anmerkungen: te bereits 1982 mit einer Studie über "Die andere Klassik" an dem erwähnten Vor- 1 Vgl. Robert Steiger: Goethes Leben von Tag zu tragszyklus teilgenommen. Seine Goethe- Tag, Bd. 3, Zürich und München 1984, S. 177- studien fanden 1991 in einem editorischen 180 und S. 211-215. 2 Lediglich Wyttenbach gedenkt aus persönlichen Beitrag zur Goetheausgabe des Deutschen eher denn aus historiographischen Motiven Klassiker-Verlages ihren bisherigen Höhe- Goethes Besuch in den Gesta trevirorum (Bd. 3, punkt: Eibl gab den Band "Briefe, Tagebü- Trier 1839, S. 324). cher und Gespräche aus den Jahren 1786 3 Zweiter Teil: Trierisches Zeitbuch, Trier 1822, bis 1794" heraus, der auch Dokumente zu S.178. 58 4 Vgl. Karl Robert Mandelkow: Goethe in Goethes "Trierer Zeit" umfaßt. Deutschland. Rezeptionsgeschichte eines Klassi- kers, Bd. 1 und 2, München 1980-1989 (hier: Für das Interesse weiterer Bevölkerungs- Bd. 1, S. 85). kreise an Person und Werk des Dichters 5 Vgl. Briefe an Goethe, Gesamtausgabe in Rege- entscheidend war zweifelsohne die 1987 stenform, hrsg. von Karl Hahn, Bd. 1, Weimar besiegelte Städtepartnerschaft zwischen 1980, S. 261 (Nr.784). Weimar und Trier, die zu einem regen Aus- 6 Vgl. Severin Corsten:" Wyttenbach-Autogra- tausch zwischen den beiden Städten ge- phen in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln" , in: Kurtrierisches Jahrbuch 1978, S. 79- führt hat und nicht zuletzt bei der Realisie- 85 (hier: S. 84). Wyttenbach hat verschiedene rung der Ausstellung anläßlich des 200. Gedichte, Epigramme und andere Textauszüge Jahrestag der Campagne in Frankreich und Goethes in zwei von ihm herausgegebenen An- der Schlacht bei Valmy eine wichtige Rolle thologien übernommen: Aussprüche des reinen spielt. Seit der deutschen Einigung im Jahre Herzens und der philosophierenden Vernunft über die der Menschheit wichtigsten Gegenstän- 1990 zieht es immer größere Besucherströ- de, Leipzig 1801 (S. 20, 22, 27, 360, 432, 434 me nach Weimar, vor das (in dieser sonst und 512) und Urania, oder die Natur in ihrer hö- eher ikonoklastischen Zeit) frisch renovier- heren Bedeutung, Leipzig 1822 (S. 116, 137- te Schiller-Goethe-Denkmal. Ein Gang 139,232,122-123 und 164-169). 7 Im Zusammenhang mit Goethes späteren Be- durch die Rezeptionsgeschichte mag dazu trachtungen zur Igeler Säule. Vgl. dazu den Bei- beitragen, die notwendige historische Di- trag von Karl-Heinz Weichert im vorliegenden stanz zu schaffen, ohne die alle Klassiker- Band. verehrung droht, in das Fahrwasser ta- 8 Vgl. Emil Zenz "Theodor von Haupt und seine gespolitischer Geschäftigkeit abzugleiten. literarische Tätigkeit in Trier" , in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 8 (1982), S. 87- Bereits 1928/29 war eine Gruppe von 98. Oberprimanerinnen des Auguste-Viktoria- 9 Vgl. Hans Ruppert: Goethes Bibliothek (Kata- Gymnasiums zu einem Schülertreffen nach log), Weimar 1958, S. 46 (Nr. 313). Weimar gefahren, das seinen Abschluß vor 10 Epheukränze, Trier: GaU, 1821, S. VIII. In Goet- dem Schiller-Goethe-Denkmal fand. Dort hes Bibliothek (vgl. Anm. 9) ist das Werk nicht nachgewiesen. sangen die Versammelten "in heiliger Be- 11 Goethes Werke (Sophienausgabe), 1. Abt., 4. geisterung das Deutschlandlied" . "Mit Bd., Weimar 1891, S. 263. Stolz fühlten wir alle uns eins als Deut- 12 Vgl. Herbert Schneider: "Das Revolutionslied sche", heißt es weiter in dem Bericht der be- La Parisienne von Casimir Delavigne" ,in: Len- gleitenden Lehrerin.59 Welch unheilige Al- demains Heft 57 (1990), S. 32-54 (zu Haupt: S. 39 und 47). lianznationaler Enthusiasmus und raunen- 13 Vgl. Wolfgang Leppmann, Goethe und die de Klassikerverehrung eingehen können, Deutschen. Vom Nachruhm eines Dichters, haben die Ausführungen zur trierischen Stuttgart 1962, S. 63. 446 Hans-Ulrich Seifert

14 Werke (Düsseldorfer Ausgabe), Bd. 8/1, hrsg. 28 Vgl. Leppmann (wie Anm. 13), S. 132-159 und von Manfred Windfuhr, Hamburg 1979, S. 150- Mandelkow (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 224-232 so- 151. wie S. 160-173 (" Die christliche Opposition" ). 15 Vgl. Guido Groß: "Vor hundertfünfzig Jahren: 29 Wie Hubert Schiele fünfzig Jahre später heraus- Goethes Tod und das Hambacher Fest im Spiegel gefunden hat - vgl. dazu den Beitrag von Gunt- der Trierischen Zeitung" , in: Neues Trierisches her Franz im vorliegenden Band. jahrbuch 1982, S. 82-86. 30 Rheinische Goethe-Ausstellung (Katalog), Leip- 16 In dem Deutschen Lesebuch für untere Gymna- zig 1899, S. 59-62. sialklassen (Trier 1825), das von den "Lehrern 31 Nach Rosa Kaulitz-Niedeck (Die Geele Box. des Gymnasiums zu Trier" herausgegeben wur- Goethes Erlebnisse in Trier, Berlin 1924) ver- de, finden sich ein Auszug aus der Italienischen birgt sich hinter dem Artikel ein Autor namens Reise (S. 220-224) und "Der Sänger" (S. 195); in Lindemann. Im Abendblatt der Trierischen Lan- dem zwei Jahre später erschienenen Folgeband deszeitung vom 24. August 1899 findet sich je- Deutsches Lesebuch für höhere Gymnasialklas- doch auf S. 1 der von uns im Text zitierte Name. sen (Trier 1827) finden sich die Ode "Grenzen 32 Als Mitglieder werden genannt: Frau Olga der Menschheit" (S. 66), das Lehrgedicht "Das OPPEN, geb. von WOYNA (1900-1902), Frau Göttliche" (S. 151-152) und zwei Epigramme, EliseBROICHER, geb. VISCHER (1902-1909) "Anakreons Grab" (S. 174) und "Die Gondel" und Oberstabsarzt Dr. SEHRWALD (1904- (S.176). 1907) sowie Sigmund LOEB (1921). 1916 wird 17 Vgl. Wolfgang Leppmann (wie Anm. 13), S. 72- Stadtbibliothekar KENTENICH dankend als 73. Beschenker der Gesellschaft erwähnt (jahrbuch 18 Der Text wurde erstmals 1975 in der Marx-En- der Goethe-Gesellschaft 3 (1916), S. 357). Auf gels-Gesamtausgabe (MEGA) publiziert: Werke Kentenichs Goethe- Verehrung - bereits als und Schriften, 1. Abt., Bd. 1,1. Halbbd., Glas- Gymnasiallehrer verbreitete er "das Goethesche hütten im Taunus 1975, S. 43-45. Er richtet sich Evangelium von der Ehrfurcht vor allem Sein" - gegen die pietistisch motivierten Invektiven eines erinnert 1933 eine ihm von Freunden darge- Johann Friedrich Wilhelm Pustkuchen (von Hei- brachte Festgabe (Ein Überblick über die bisher ne dem französischen Publikum als Herr omelet- erschienenen Werke, Schriften und Aufsätze des te soufflee bekanntgemacht), der 1821 eine an- Herrn Prof Dr. Gottfried Kentenich, Trier onyme Fortsetzung zu Goethes Wilhelm Meister 1933, S. 4). veröffentlicht hatte. 33 Ausgewertet wurden die in loser Folge von Claus 19 Vgl. Emil Zenz: "Die Trierer Zeit Karl Grüns" , Zander im Neuen Trierischen jahrbuch veröf- in: Kurtrierisches jahrbuch 4 (1964), S. 44-60). fentlichten Darstellungen zu den Spielplänen der 20 Karl Grün, Goethe vom menschlichen Stand- Jahre 1950-1975, Hubert Thomas Buch Das punkte, 1846, S. XXII. Theater der Stadt Trier 1802-1944 (Trier 1964), 21 Vgl. MarxlEngels: "Gegen die Poesie und Prosa Claudia Herzogs Facharbeit "Das Trierer Stadt- des deutschen oder 'wahren' Sozialismus" , in: theater an der Wende zwischen Demokratie und (dies.), Über Kultur, Ästhetik, Literatur, Leipzig Nationalsozialismus. Eine Analyse des Trierer 1973, S. 487-502. Schauspielplans der Spielzeiten 1932/33 und 22 Vgl. Leben und Wirken Friedrich von Sallets, 1933/34" (in: jahresbericht 1985/86 N.F. des hrsg. von einigen Freunden des Dichters, Breslau Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums Trier, Trier 1844, S. 78ff. 1986, S. 197-213), die Broschüre 1802-1952. 23 "Friedrich von Sallet in Trier" (Loh[meier] ge- 150 jahre Trierer Theater (Trier 1952) sowie die zeichneter Artikel), in: Trierische Zeitung Nr. in der Stadtbibliothek Trier aufbewahrte Samm- 402 vom 28.8.1906, S. 1. Als Vorlage der Zei- lung von Theaterzetteln aus dem 19. Jahrhun- chenübung dürften Peter Cornelius erstmals dert und die Theaternotizen in verschiedenen 1808 erschienene Illustrationen zum Faust ge- Folgen des Goethe-jahrbuchs. dient haben oder Moritz Retzschs Umriß-Radie- 34 Rosa Anderson war eine gebürtige Kaulitz und rungen aus dem Jahr 1816 (zuletzt 1980 im stammte aus Niedeck bei Hannover. Rembrandt-Verlag Berlin neu aufgelegt). 35 Gießen 1908 und im selben Jahr in erweiterter 24 Vgl. Franz Xaver Kraus: Tagebücher, hrsg. von Form ebenda unter dem Titel Goethe und jeru- Hubert Schiel, Köln 1957, S. 316-317. Die Rede salem. ist vom Salon der Leonie von Galhaus (geb. Vil- 36 Gustav Roethe: Goethes Campagne in Frank- leroy) in Wallerfangen unweit Trier. reich. Eine philologische Untersuchung aus dem 25 "Es gibt nichts und es gibt niemanden, der gegen Weltkriege, Berlin 1919. Gott kämpfen könnte" - vgl. dazu Eduard 37 Jahrbuch der Goethe-Gesellschaft 11 (1925), S. Spranger in Goethe-jahrbuch N.F. 11 (1949), S. 1-29 (hier: S. 26). 46-61. 38 Vgl. Georg Lukacs: "Der faschisierte Goethe" 26 Pastor bonus 7 (1895), S. 511. Der Verfasser in: Die Linkskurve IV/1932 (Goethe-Sonder heißt Josef Müller. heft), S. 33-40 (Nachdruck Glashütten im Tau 27 Pastor bonus 8 (1896), S. 58 nus 1970). Vgl. auch das Kapitel "Die Goethe Goethe-Rezeption in Trier 447

Rezeption im Dritten Reich und im Exil" bei 56 Goethe live. Hrsg. von Rainer Breuer und Uschi Karl Robert Mandelkow (wie Anm. 4), Bd. 2, S·. Dahm. Trier: edition treves, 1982. 78-134. 57 Räume der Geschichte. Deutsch-Römisches 39 Volkswacht Nr. 189 vom 12. August 1932, Ru- vom 18. bis 20. Jahrhundert, Trier.1986. brik "TriererNachrichten". Vgl. auch Eberhard 58 Johann Wolfgang von Goethe: Werke Abt. 2, Klopp: Die Trierer Arbeiterbewegung in der Bd. 3, hrsg. von Karl Eibl, München 1991 (Bi- Weimarer Republik (hektographiertes Typos- bliothek deutscher Klassiker; 61). kript), Trier 1981, S. 78. 59 Vgl. Festschrift zum Doppeljubiläum 1979: Au- 40 Dr. W. Spael: "Rheinische Dichtertagung in guste- Viktoria-Gymnasium Trier, Trier 1979, S. Trier. Begegnung mit dem Nachbar?" , in: Köl- 46 und S. 99. nische Volkszeitungvom 23. Juni 1932, S. 10. 41 Festschrift zur Tagung des Bundes Rheinischer Dichter in Trier, hrsg. von A. Vogedes, Trier 1932. Vgl. insbes. S. 29-33 (A. Vogedes: "Goet- he in Trier" ) und S. 38-40 (Walter Büscher: "Ein Arbeiter an Goethe"). 42 H(ans) J(osef) Graach: Die deutsche Entschei- dung. Goethes politische Sendung, Trier 1932 (alle Zitate S. 32). 43 Anton Gabele: Trier. Die älteste Stadt Deutsch- lands. Acht Hörszenen mit verbindendem Text, Typoskript 0.0. 1938. Auf den "ganz außeror- dentlichen Beifall" seines Hörspiels weist Gabele selbst in einem Schreiben an den Trierer Ober- bürgermeister vom 4. März 1938 hin (Stadtar- chiv Trier T 201010), auf das mich freundlicher- weise Archivdirektor Reiner Nolden aufmerk- sam gemacht hat. 44 Anton Gabele, a.a.O. S. 30. 45 Stadtarchiv Trier T 201010. 46 Vgl. Bettina Meier: Goethe in Trümmern. Zur Rezeption eines Klassikers in der Nachkriegs- zeit, 1989. 47 Zitiert nach Bettina Meier (wie vorangehende Anmerkung) S. 86. 48 Der Katalog erschien unter dem Titel Goethe. Erstausgaben, Handschriftliches, Bildliches, Goethe-Schrifttum, Trier 1949. 49 Trierischer Volksfreund vom 19.8.1949. Ein umfangreiches DOSSIerzeitgenössicher Presse- stimmen findet sich im 5. Bande der Zeitungs- ausschnittsammlung der Trierer Stadtbiblio- thek. Eine Auswahl in der ebenda aufbewahrten Sammlung von Diplombibliothekar Friedrich Lange (Deutsche Dichter und Schriftsteller. Eine Sammlung von Zeitungsausschnitten (1949)). 50 Trierischer Volksfreund vom 24. August 1949. 51 Eines der sechs Aufsatzthemen des Deutschabi- turs am Max-Planck-Gymnasiums lautet 1953: "Tasso im männlichen und weiblichen Urteil sei- ner Umgebung (Nach Goethes Torquato Tas- so)" -vgl.Jahreschronik des MPG 1953, S. 4. 52 "Vom Umgang mit Klassikern" (Interview), in: Die Horen 25 (1980), Nr. 119, S. 3-4 (zitiert nach Goethe in Deutschland 1945-1982. Eine Ausstellung der Deutschen Bibliothek Frankfurt am Main, Frankfurt 1982, S. 32-33). 53 Ebenda. 54 Die Premiere fand am 28. März statt. 55 Vgl. Unijournal. Zeitschrift der Universität Trier, 8. Jg., Nr. 4 vom 8. Juli 1982, S. 13. 448

Nikolaus Hein aus Ehnen Luxemburgs Goetheaner par excellence

]ean-Claude Muller

Eine unvergleichlich hervorragende Rolle xemburg die Universitäten von München in der Rezeptionsgeschichte von Goethes und Paris. Sein Kandidaturexamen in "phi- Luxemburger Campagne-Texten sowie in losopie et lettres" legte er am 24. Oktober der Forschung über Goethes Luxemburger 1910, seine Abschlußprüfung als Doktor Tage und Zeichnungen hat der Gymnasial- nach Luxemburger Recht in Deutsch und lehrer Nikolaus Hein (1889-1969) ge- Gnechisch am 21. Oktober 1912 ab. Nach spielt. einer "Stage" -Zeit an den Gymnasien von Echternach und Luxemburg und bestande- Nikolaus Hein wurde als Sohn des Winzers nen "Stage"-Examen (14. Juli 1914, also Jean Hein-Engel am 17. Juni 1889 in Eh- knapp zwei Wochen vor Ausbruch des Er- nen, einer um die kuriose Rundkirche zwi- sten Weltkriegs), wurde er am 16. Oktober schen den Weinbergen angeschmiegten, al- 1914 zum Repetitor, am folgenden 21. De- ten Moselortschaft zwischen Grevenma- zember 1915 zum Professor an der Indu- eher und Remich geboren. Im Jahr 1908 er- strieschule ernannt (Ecole industrielle et langte der gute und fleißige Schüler Hein commerciale). Gleichzeitig (1914-1915) am Luxemburger Athenäum die Matura 1 fungierte er als Lehrbeauftragter am neuge- und besuchte nach den Oberkursen in Lu- gründeten Mädchenlyzeum.2

Nach dem verheerenden Ersten Weltkrieg [- die Neutralität Luxemburgs war vom Deutschen Reich einseitig verletzt und das Großherzogturn välkerrechtswidrig be- setzt worden; nach dem alliierten Sieg 1918 gelang es mit knapper Not, die Unab- hängigkeit des Landes von habgierigen und annexionslüsternen Nachbarn zu erhalten -] wurde Nikolaus Hein Professor am Athenäum in Luxemburg, der angesehen- sten Mittelschule des Landes.

Bis zum Zweiten Weltkonflikt bestand die Tradition, daß einer der Lehrer, meist traf es die jüngeren, am Schulschluß eine wis- senschaftliche Programmdissertation ver- faßte, die im Jahresprogramm der jeweili- gen Schule gedruckt wurde. 3 Die Reihe war im Jahr 1924-1925 an Nikolaus Hein. Er konnte damals die Erstausgabe seiner Goethe-Forschungen unter dem Titel 1792, Goethe in Luxemburg - Eine philo- logische und geschichtliche Studie vorle- Nikolaus Hein gen.4