Don Juan Oder Die Liebe Zur Hausmusik Wagner-Kritik in Eduard Morikes Erzahlung ,,Mozart Auf Der Reise Nach Prag"

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Don Juan Oder Die Liebe Zur Hausmusik Wagner-Kritik in Eduard Morikes Erzahlung ,,Mozart Auf Der Reise Nach Prag DON JUAN ODER DIE LIEBE ZUR HAUSMUSIK WAGNER-KRITIK IN EDUARD MORIKES ERZAHLUNG ,,MOZART AUF DER REISE NACH PRAG" Vorab sind zwei Fragen zu klfiren. Erstens: warum hat M6rikes Mo- zart-Novelle fiberhaupt etwas mit Wagner zu tun? Und zweitens: welchen Erkenntnisgewinn verspricht das Wissen, dab eine der wichtigsten nach- romantischen Ktinstlemovellen Mozart im Titel fohrt und Wagner be- trifft? Der hohe Rang der M6rikeschen Novelle in der Erz/ihlkunst des 19. Jahrhunderts ist von diesem Wissen nicht abhfingig; er ist 1/ingst unbestrit- ten. Und das Versffmdnis der Erzfihlung war bisher keinesfalls so liicken- haft, dab man auf einen Schliissel for alle Geheimnisse hfitte warten miissen, 2 heige dieser Schltissel auch Wagner. Zur ersten Frage: warum hat die Mozart-Novelle etwas mit Wagner zu tun? Der Mozart der Erzfihlung ist auf der Reise zur Uraufffihrung desDon Giovanni in Prag. Bei einer unfreiwilligen Zwischenstation spielt er seinen Gastgebern Stiicke aus der neuen Oper vor. Es schlief3t sich ein Kunstge- spr~ich an, in dessen Verlauf Mozart/iugert: ,,Je nun, im Laufder nfichsten sechzig, siebzig Jahre, nachdem ich lang fort bin, wird mancher falsche Prophet aufstehen".3 Man kann nachrechnen: genau 60 Jahre nach dem Don Giovanni, 1847, komponierte Richard Wagner den Lohengrin. Wag- ner war, das haben die M6rike-Kommentatoren l~ngst festgestellt, der Vornehmste unter den prophezeiten falschen Propheten. Mehr steht zu- nfichst von Wagner nicht in der Novelle. Den M6rike-Forschem ist allerdings bislang ein philologisches Detail entgangen, das in einem viel umfanglicheren Sinne den M6rikeschen Text mit dem Thema ,,Wagner" in Verbindung bringt. M6rikes Freund David Friedrich Straul3 ver6ffentlichte 1851 die Lebensgeschichte des friihver- storbenen Freundes Christian Mfirklin, in der bis in Details hinein die Schltisselszene von M6rikes Novelle vorgebildet ist: die musikafische Soir6e Nimlich, an die sich die Ahnungen vom fnlihen Tod der Zentralfigur anschliegen.4 Private musikalische Auffiihrungen vor allem Haydnscher, Mozartscher und Beethovenscher Musik, wie sie Straug im Christian Miirklin schildert, geh6rten zur hfiufigen Praxis eines Freundeskreises,5 an dem neben Strauf3 auch M6rike Anteil hatte und der die Wagner-Gegner- schaft gewissermaBen systematisch betrieb, man unterhielt z.B. Verbin- dungen zu Franz Lachner in Mfinchen. Diese Wagner-Gegnerschaft blieb nicht wirkungslos. Nietzsche h~tte sich sonst schwerlich in seiner ersten ,,Unzeitgemfigen Betrachtung" gerade mit den musikalischen Auffassun- gen des ,,Bildungsphilisters" Strauf3 befaBt und zur grogen Genugmung Richard Wagners so schonungslos mit ihnen abgerechnet. 7 M6rikes Mo- zart stammt also aus einer musikalischen Clique, die selbst der Wagneria- net Nietzsche ernst genug nahm, um sie zu verh6hnen. Noch ein anderer Punkt der Straugschen ,,Quelle" fOr M6rikes Mozart 248 Gerhart yon Graevenitz - Wagner-Kritik in MOrike ist interessant. Straug beschreibt im Christian Miirklin das Leben und den frfhen Tod eines Mannes, der mit seinem politischen Engagement 1848 ein geradezu prototypisches Scheitern erlebt hat. Das weckt eine Reihe von Assoziationen: in der Mozart-Novelle spielt der Vorabend der Franz6si- schen Revolution eine betr/ichtliche RoUe. Die Abfassungszeit der No- velle fallt in das Tief der nach-achtundvierziger Depression. In den Kon- text von 1848 geh6ren aber auch Richard Wagners Schriften ,,Die Kunst und die Revolution", ,,Das Kunstwerk der Zukunft" und ,,Oper und Drama". Diese flfichtigen Hinweise genfigen vielleicht schon, um damit auch die zweite vorbereitende Frage zu beantworten: welchen Erkenntnisgewinn das Thema Wagner-Kritik in M6rikes Mozart-Novelle verspricht. Man kann es in symbolischen Jahreszahlen ausdrficken: durch Mozarts Don Giovanni ist die Epoche yon 1789 angesprochen. 1848 ist der Schatten fiber der Entstehungszeit von M6rikes Novelle. Nietzsches Strauf3-Kritik bezieht sich auf die ,,Kulturbarbarei" der Grfindungsbfirger von 1871, denn M6rike war, was Wagner anbelangt, ein Gesinnungsgenosse von Stmug. M6rikes Mozart-Novelle rfickt demnach ins Zentrum einer lml- turgeschichtlichen Epoche, die mit den - man kann so sagen - groBen bfirgerlichen Daten von 1789 und 1871 bezeichnet ist. Das heiBt natfirlich nicht, dab M6rikes Novelle auch nur ann~hernd zu allen grunds~tzlichen Problemen Stellung nimmt, die die Geistesverfassung dieses kulturge- schichtlichen Abschnitts pr~gen. Vielmehr stellt sichjetzt erst die eigentli- che Frage, welches Problem die Erz~ihlung nun tats~chlich aufgreift und wie sie es behandelt. Der Weg zur Antwort ist einfach: ich stelle M6rikes eigenen Mozart zwischen den Mozart von 1787 und den Wagner von 1850. Zun~chst also Mozart: das Finale des Don Giovanni. Der Steinerne Gast ist geladen, die Tafel ist gedeckt, Don Giovanni fordert seine Musikanten auf, mit der Tafelmusik zu beginnen. Er verspricht ihnen ,,ffirstliche Belohnung" ffir ihre,,frohen Weisen", 7 vielleicht well er weiB, dab es die letzte Tafelmusik in seinem Hause sein wird under die Belohnung nicht mehr bezahlen mu8. Undenkbar ist eine solche Ironie Mozarts nicht, der ja genug Erfahrung mit ffirstlichen Hausmusiken hatte. Zur Musik seiner Hausmusikanten probiert Don Giovanni genieBerisch die Speisen. Man weiB von einem frfiheren Fest im Hause Don Giovanni, dab der Herr kein Hungerleider ist. Um Zerlina zu verfiihren, hatte er damals sogar die Bauern eingeladen zu ,,Schokolade, Kaffee, Wein und Speisen," zu ,,Gefrornem" und ,,Konfekt".8 Heute, ffir den Steinernen Gast, gibt es ,,Fasan", vielleicht nur als prfifiminarischen Gang, und ,,exzellenten Marzimino". 9 Don Giovanni genieBt. Mehr noch als die Speisen allerdings genieBt er den Anblick seines Dieners. Leporello muB seinen Herrn mit ,,Appetit" essen sehen und dabei ,,Hunger" leiden. Wenn auch Leporello nicht der Mann ist, vor Hunger, wie er sagt, zu sterben. Leporello verzehrt seine Portion heimlich, und wieder genieBt es Don Giovanni, den Mundrhuber Leporello bloBzustellen. Schliel31ich eini- Gerhart yon Graevenitz- Wagner-Kritik in MOrike 249 gen sich Herr und Diener darauf, dab alles die Schuld des Koches sei: ,,Ja, mein Koch sucht seinesgleichen/Ihm kann keiner widerstehn". 1~ Den Sinn dieser ersten Szene des Finales - gleich nach dem Preis des Koches tritt Donna Elvira auf, Don Giovanni ein letztes Mal vor seinem Verderben zu warnen - den Sinn dieser ersten Szene hat Mozart an einer Stelle musikalisch besonders stark verdichtet. Don Giovanni sieht den Neid Leporellos und steigert dessen Pein durch den herrischen Befehl ,,Teller"! Leporello gehorcht mit einem ,,zu dienen", und gerade jetzt beginnen die Haus- und Hofmusikanten Don Giovannis ein neues Stiick zu spielen. Sie spielen die Arie des Figaro aus Mozarts eigener OperFigaros Hochzeit Nun vergiB leises Flehn, stiges Kosen Und das Flattern yon Rose zu Rosen; Du wirst nicht mehr die Herzen erobern, Ein Adonis, ein kleiner NarziB.11 Das klingt wie eine Art musikalischer Solidaritat der musizierenden mit den servierenden Dienern. Der Herr m6ge nur Musik, Teller und Frauen befehlen. Wenn die Diener gehorchen, wissen sie doch, dab das Ende l~ingst nahe herbeigekommen ist: ,,du wirst nicht mehr die Herzen er- obern". Das Figaro-Zitat lautet allerdings nicht nur zuungunsten Don Giovan- nis, es richtet sich auch gegen Leporello. Was ist Leporello im Vergleich mit Figaro fiir ein klaglicher Diener! Zu Beginn der Oper singt Leporello noch,,Ich will selbst den Herren machen/Mag nicht l~ingerDiener sein" ,12 um dann auf eine einzige DrohgeNihrde Don Giovannis hin ffir den Rest der Oper klein beizugeben: ,,ich will nichts, ich bin schon still". 13 Figaros Herausfordemng an seinen Herrn ,,Will der Herr Graf den Tanz mit mir wagen''14 h~tte Leporello nie riskiert. Und so spielen Don Giovannis Hausmusikanten auch nicht diese eigentliche Erkennungsarie Figaros, sondern Figaros Spott auf das Milchgesicht Cherubino. Figaros Hohn ,,Cherubino, aufzum Siege/Auf zum hohen Waffenruhm'' 15 ist auch Hohn auf die Niederlagen Leporellos. Das Figaro-Zitat im Don Giovanni ist ganz unmiBversffmdlich auf das Thema ,,Herr-Diener" gemiinzt. Dieser Gegenstand gab ja dem Mozart- schen Figaro die Brisanz. In Beaumarchais' Le mariage de Figaro waren die strittigen Punkte gewig aggressiver formuliert. Doch auch Mozarts Publikum, bis hinauf zum Kaiser, wuBte, was gemeint war. Erstaunlich sind die Verschiebungen, die das Herr-Diener-Thema dann kurz daraufimDon Giovanni erfahren hat, den nur zwei Jahre vom Beginn der Franz6sischen Revolution trennen. Der Adlige, der in Figaros Hoch- zeit nur den Verfiihrer spielt, ist jetzt ein MiSrder, ein Verffihrer und ein verstockter Verbrecher dazu. Die Diener, die in Figaros Hochzeit auf eher spielerische Weise ihren Herrn iJberlisten und blamieren, sind jetzt geprfi- gelte Untertanen und mii3brauchte Handlanger. Am Schluf3 yon Figaros Hochzeit folgt der vollendeten Blamage des Grafen eine schnelle Vers6h- 250 Gerhan yon Graevenitz- Wagner-Kritik in MOrike nung aller. Der verstockte Don Giovanni hingegen endet mit einer H611en- fahrt und die Ubriggebliebenen feiern ihre moralische Oberlegenheit: ,,Also stirbt, wer B6ses tat". iv Es ist im Don Giovanni alles erbarmungs- loser geworden. Die eher m~irchenhafte Einkleidung des drama giocoso t~iuscht nicht dartiber hinweg, dab es nur noch Untergang oder tJberleben, keine Versrhnung mehr gibt. Man kann noch einen Schritt weitergehen in der Deutung des Mozart- schen Selbstzitats, der Figaro-Arie im Don Giovanni. Mozart arrangiert das Potpourri der Hausmusikanten Don Giovannis gewissermaBen
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    The Institute of Musicology at the Ludwig Maximilian University during National Socialism: the Career of the Wagner Scholar Alfred Lorenz WILLIAM KINDERMAN Introduction It was not originally my intention to research the history of the Institute of Musicology at the Ludwig Maximilian University in Munich. When I wrote a book about Wagner’s final drama, Parsifal,1 however, I was obliged to engage with the legacy of Alfred Lorenz, whose monograph from 1933 was long regarded as the most comprehensive study of Parsifal.2 In order to best understand the work of Alfred Lorenz at the Institute of Musicology, we must briefly sketch the developing stages of Wagner reception. The history of Wagner reception after the composer’s death in 1883 is a complex story with dark contours. Important events in this development unfolded in Munich, and particularly in the main building of the Ludwig Maximilian University, just a few steps away from the institute. It makes sense to divide the history of Wagner reception in Germany into two broad periods: the 62 years from 1883 until 1945, and the 71 years from 1945 until 2016. The first of these periods was characterized by an increasingly narrow focus, whereby a Germanic-nationalist orientation assumed primacy. The important ways in which the Wagner family in Bayreuth contributed to this development was bound up with Cosima Wagner’s ambition to control the Wagnerian legacy. She was unhappy about the performances of Wagner’s first opera Die Feen (The Fairies) beginning in 1888 in Munich, and she was concerned as well about the opening at Munich in 1901 of the Prince Regent Theater, since that theater, based on plans by Max Littmann, bore a strong resemblance to the Festival Theater at Bayreuth.
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