Welterbe Berliner Mauer?
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Welterbe Berliner Mauer? !1 !2 Welterbe Berliner Mauer? Gutachten für die Stiftung Berliner Mauer Erstellt von Prof. Dr. Leo Schmidt FSA Gliederung 0 Vorbemerkung S. 5 1 Was bedeutet "Welterbe"? S. 7 2 Was verstehen wir unter "Berliner Mauer"? S. 17 3 Welterbe Berliner Mauer – Chancen und Probleme S. 25 4 Wie passt die Berliner Mauer in die aktuelle Nominierungsphilosophie? S. 39 5 Zusammenfassung und mögliche weitere Schritte S. 43 Anhang: Ass.jur. Anja Merbach MA: Denkansätze zu einem Managementkonzept für die Berliner Mauer S. 45 Überarbeitete Fassung April 2013 !3 !4 Vorbemerkung Die Berliner Mauer auf die Liste des Welterbes? "That's a no-brainer"1 – "darüber braucht man doch gar nicht nachzudenken", so die lakonische Antwort des Präsidenten von ICOMOS2, des US-Amerikaners Gustavo Araoz im Frühjahr 2010. Seine spontane und eindeutige Antwort reiht sich ein in eine Folge gleichartiger Reaktionen auf diese Frage, die der Verfasser dieses Gutachtens in den letzten zehn Jahren informell von Welterbe- Experten aus vielen Ländern erhalten hat. Eine häufige Antwort lautete auch: "Ja klar – wenn ihr Deutschen sie nur endlich vorschlagen würdet!" Was aller Welt anscheinend schon lange klar war, galt und gilt vielen in Deutschland – und vielleicht besonders in Berlin – als abwegig. Die Meinung eines Berliner Bürgers im Jahr 2009 mag für zahlreiche andere stehen, die im Lauf der Jahre in den Medien laut geworden sind: „Der Mauerfall war für uns Berliner ein wunderbares Ereignis, aber der Erhalt der Mauerreste ist für mich eine Schande. Wir Berliner wollen sie nicht mehr sehen. Der Opfer der Mauer kann durch Gedenktafeln und -steine, wie zum Teil schon vorhanden, gedacht werden. Also weg mit der verfluchten Touristenattraktion!“3 Aber auch die fachlich und politisch Zuständigen sahen lange Zeit keinen Handlungsbedarf zu diesem Thema. So beschloss der Landesdenkmalrat Berlin im Jahr 2003: "Von dem in dem Medien verbreiteten Gutachter-Vorschlag, die verbliebenen Zeugnisse der Berliner Mauer für die bundesdeutsche Tentativliste zur Eintragung als Welterbestätte anzumelden, wird einhellig abgeraten, da es hierfür den dokumentierten Resten und Spuren inzwischen an der erforderlichen materiellen Dichte und bildhaften Prägnanz fehle."4 Damit führte der Landesdenkmalrat zwar Kriterien ein ("materielle Dichte", "bildhafte Prägnanz"), die in der Welterbe-Konvention so nicht zu finden sind, machte aber immerhin deutlich, dass seine Ablehnung nicht etwa dadurch begründet war, dass er die Bedeutung des Objektes an sich in Zweifel zog. Mit dem Mauerkonzept von 2005, der Verwirklichung der daraus abgeleiteten Erinnerungslandschaft an der Bernauer Straße sowie insbesondere mit der Gründung der Stiftung Berliner Mauer Ende 2008 sind indessen in den letzten Jahren deutliche Signale gesetzt worden, die den Stellenwert des Themas "Mauer" in Berlin neu definieren und unterstreichen. Konsequenterweise ist der Themenkomplex "Eiserner Vorhang, innerdeutsche Grenze, Berliner Mauer" inzwischen auch mit dem neu eingeführten "European Heritage Label" ausgezeichnet und hervorgehoben worden. Dass das Interesse an dem Thema "Mauer" nicht nachlässt, sondern weiter im Ansteigen begriffen ist, wurde 1 "No-brainer: something so simple or easy as to require no thought" (American Heritage Dictionary of the English Language, 2009) 2 "International Council of Monuments and Sites": die in Nationalkomitees organisierte, für Denkmalpflege insgesamt und somit auch für das Weltkulturerbe zuständige unabhängige unabhängige Organisation von Fachleuten, die die UNESCO in fachlichen Fragen berät. 3 Berliner Zeitung, 6. Januar 2009 4 BESCHLÜSSE DES LANDESDENKMALRATS BERLIN 22. Sitzung am 14.11.2003, TOP 4: Mauer- Gutachten von Prof. Leo Schmidt (BTU Cottbus). – Dass die Reste und Spuren der Berliner Mauer seit 2003 an "materieller Dichte und bildhafter Prägnanz" alles andere als zugelegt haben, soll hier nur angemerkt werden. !5 im Jahr 2009 anlässlich der extrem stark nachgefragten Veranstaltungen zum 20. Jahrestag des Mauerfalls deutlich und spiegelt sich unter anderem auch in den weiter wachsenden Besucherzahlen der einschlägig besetzten Orte. Auch zum 50. Jahrestag des Mauerbaus zeichnet sich ein weiterhin hohes Interesse ab. Der 50. Jahrestag der Errichtung der Berliner Mauer im Jahr 2011 und der Ausbau der Gedenkstätte und Erinnerungslandschaft in der Bernauer Straße hat dem Thema weiteren Auftrieb gegeben. International hat die Berliner Mauer schon lange einen Status erreicht, der dauerhaftes Interesse garantiert. Innerhalb Deutschlands ist man gerade dabei, sie als definierendes Objekt der DDR zu begreifen und damit als Eckpfeiler jeder historisch- politisch-kulturellen Auseinandersetzung mit der DDR und ihrer Gesellschaft: einem Thema, das noch viel Zukunft in sich hat. Im Folgenden sollen inhaltliche und formelle Fragen beantwortet werden, denen man sich bei der Entscheidung, ob man eine Nominierung der Berliner Mauer für die Liste des Welterbes anstreben soll, stellen muss. Wie funktioniert eigentlich Welterbe: Welche Schlüsselbegriffe und Regularien sind zu beachten? Entspricht die Berliner Mauer als Objekt den Maßstäben, die an die Auswahl von Welterbestätten gelegt werden und wie muss sie ggf. definiert werden? Wie passt die Berliner Mauer heute in die Nominierungsphilosophie der zuständigen Institutionen? Welche Rahmenbedingungen sind zu beachten und welche zusätzlichen Leistungen müssen als Voraussetzung für eine Antragstellung erbracht werden? Welche Gesichtspunkte sprechen für, welche gegen eine Benennung der Mauer als Welterbe – sowohl unter inhaltlichen als auch unter formalen Gesichtspunkten? Wie könnten gegebenenfalls die Schritte zu einer Nominierung aussehen und wie aussichtsreich ist das Unternehmen? Will man den Weg zu einer Nominierung der Berliner Mauer für die Liste des Welterbes beschreiten, kann dieses Gutachten nur erste Wegweisungen geben. Der Aufwand, der für Welterbenominierungen zu treiben ist, ist sehr hoch. Die UNESCO nennt als Richtwert zwei Jahre für die Erarbeitung eines kompletten Antrags.5 Selbstläufer gibt es auf diesem Weg nicht. Auch aus inhaltlicher Sicht unbezweifelbare Objekte und Orte werden auf eine Vielzahl von Kriterien hin befragt, denn der Sinn der Welterbeliste liegt nicht primär darin, die bedeutendsten Orte auf der Weltkugel zu finden, sondern vor allem, einen effektiven und nachhaltigen Schutz für die aufgenommenen Orte zu gewährleisten. Auf diesem Gebiet – dem Nachweis der Schutzmechanismen und des Management sind oft besonders hohe Hürden zu überwinden. Diesem Gutachten ist daher eine Denkschrift über ein Managementkonzept für die Berliner Mauer beigefügt. 5 „Lack of preparation time is the biggest enemy of successful nominations. Far too many are prepared against unrealistically short timeframes. It can take at least a year to set up appropriate support mechanisms and gather material, and a further year to write the nomination text and consult stakeholders. When research is needed, protection has to be achieved, and new management systems put in place and documented, so the process might take much longer. If the aim is a successful nomination that leads to inscription on the World Heritage List and long-term conservation and presentation of the property, a realistic timeframe should be allowed. Too often, lack of adequate preparation time leads to deferred or referred nominations, which is frustrating for States Parties, the World Heritage Committee and the Advisory Bodies. Sometimes political commitments are made which set an unrealistic timeframe for preparing a nomination, resulting in a nomination dossier which is inadequate and not ready for evaluation.“ UNESCO: Preparing World Heritage Nominations, 2011, 6. !6 1 Was bedeutet "Welterbe"? Die Generalversammlung der UNESCO beschloss am 16. November 1972 die World Heritage Convention.6 Deren Präambel stellt fest, „parts of the cultural or natural heritage are of outstanding interest and therefore need to be preserved as part of the World Heritage of mankind as a whole“. Sinn und Ziel der Welterbekonvention ist somit der Schutz der bedeutendsten Teile des Erbes der Menschheit, sowohl aus dem Kultur- wie dem Naturerbe. Es geht also nicht in erster Linie um die Auszeichnung der bedeutendsten Kultur- und Naturdenkmale der Erde mit einem Gütesiegel, nicht um einen deklaratorischen Akt, sondern das Welterbe- Instrumentarium und alle zugehörigen Aktivitäten sind letztlich auf den Schutzgedanken und dessen konkrete Umsetzung ausgerichtet. Effektiver Schutz ist nur für Orte und Objekte möglich, die konkret lokalisierbar und greifbar sind und deren schützenswerte Qualitäten klar benannt werden können. Die Orte und Objekte („properties“) der Welterbeliste gehören daher alle dem materiellen („tangible“) Erbe an, wobei aber Aspekte immateriellen („intangible“) Erbes bei der Bewertung durchaus relevant sein können, wenn etwa ein Objekt in einer traditionellen Weise genutzt oder „bespielt“ wird. Als Instrument dieses Schutzes wurde mit der Konvention auch die Liste des Welterbes etabliert. Für die Aufnahme in diese Liste können die Unterzeichnerstaaten seither Kultur- und Naturerbestätten von "herausragendem universellen Wert" – ("outstanding universal value") nominieren. Diese können nach der Konvention folgende Form haben: • Monuments: Bauwerke, Werke der Monumentalskulptur und -malerei, archäologische Befunde oder Strukturen, Inschriften, Höhlensiedlungen und Kombinationen verschiedener Merkmale, die nach historischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gesichtspunkten von herausragendem