DAV Panorama 6/2012

Skitouren in den Allgäuer Voralpen »Kommet und sind gen do!«

Die schneereichen Allgäuer Voralpen liegen wie Zuckerhüte vor dem Hauptkamm. Vor allem im Hochwinter bieten sie Skitourengehern eine abwechslungsreiche Spielwiese. Skifahren hat hier lange Tradition, für die Natur ist es in dieser intensiv genutzten Region allerdings eng geworden.

Text und Fotos von Manfred Scheuermann

30 DAV Panorama 6/2012 Skitouren | Unterwegs

Sanft gewellte Alpwiesen leiten zum Riedberger Horn, dem „schöns­ten Skiberg Deutschlands“.

Skitouren in den Allgäuer Voralpen »Kommet und sind gen do!«

er einmal einen langen barriere hinweg. „Kommet roi, hocket Mauer, am Horizont die Zacken der Hüttenabend im Kreis no, esset & trinket und sind gen do!“ Tannheimer und der mächtige Haupt­ echter „Allgäuer Urge­ liest man am Tiroler Stadl bei Pfronten kamm, gekrönt von Hochvogel, Mä­ steine“ verbracht hat, ver­ im Ostallgäuer Dialekt, was etwa heißt: delegabel und Trettachspitze. Nähert steht,W was mancher Allgäuer empfinden „Kommt herein und fühlt euch wie zu man sich, fallen die vorgelagerten Zu­ mag, wenn reines Hochdeutsch gespro­ Hause.“ Sitzt man dann in gemütlicher ckerhüte der Allgäuer Voralpen auf, chen wird: „Mir händ kaum was ver­ Runde bei Allgäuer Kässpatzen, einem die Skitourengehern ungleich mehr stonde“, frei übersetzt: „Manches klingt Glas frischer Milch oder einem „Woi­ zu bieten haben als alle anderen baye­ schwer verständlich.“ Doch die natür­ za“, versteht man sich so oder so. r­ischen Berggebiete. Sie sind zweige­ liche Allgäuer Herzlichkeit hilft rasch Aus der Ferne wirken die Allgäu­ teilt, was Dieter Seibert im Rother­ und unkompliziert über diese Sprach­ er Alpen wie eine undurchdringliche Skiführer „Allgäuer Alpen“ von 1986

31 DAV Panorama 6/2012

treffend beschreibt: Hier die „… auf­- Lawinen ab. Viel Neuschnee in kurzer fallend sanften, von Alpweiden über­ Zeit abwechselnd mit milder Luft und zogenen Voralpenberge aus Flysch, intensivem Regen bis in höhere Lagen (…) die offensichtlich der Herrgott hatten in weiten Teilen der Nordalpen extra für die Skitourenneulinge ge­ zu dieser ungewöhnlichen Situation schaffen hat“. Dort die eigenwilli­gen geführt, auch in den eher harmlosen Nagelfluhberge, die „… fast alle mit Allgäuer Vorbergen. äußerst stei­len, von Felsstreifen durch­ setzten Hängen abfallen. Hier gäbe es für Skifahrer wenig zu holen, wä­ Weinkeller in Panorama-Lage re das Gebiet nicht stark gegliedert. Der Markanteste unter den All­ Immer wieder trifft man auf schräg gäuer Skibergen ist der frei stehende zu den Hängen verlaufende Rippen; Grünten. Dort „… stand im Dezem­ so entstehen Steilmulden, hier gerne ber 1891 eine Hand voll Bauern vor als ‚Schläuche‘ bezeichnet, die rassige einem Rätsel. Durch den Tiefschnee Abfahrten erlauben“. schlängelte sich eine sonderbare Dop­ Nüchtern dagegen die geografische pelspur ins Tal. Klar war: Weder ein Beschreibung: Sie gliedert die Allgäu­ Tier noch ein Schlitten konnte dafür er Voralpen in das Gebiet östlich der verantwortlich sein. Doch niemand Iller, zwischen Pfronten, Rettenberg im Dorf wusste die merkwürdigen und Bad Hindelang, und den größeren Spuren zu deuten, bis sich heraus­ stellte: Der Hilfslehrer Adalbert Ebner aus Petersthal hatte neumodische Schnee satt ist trotz ‚nordische Gleithölzer‘ ausprobiert“ – Klimawandel noch normal und damit die erste Tourenabfahrt ab­ in den Allgäuer Alpen. solviert (Broschüre „Hörnerdörfer“, Feb. 2012). Später kamen die Lifte, Teil westlich der Iller mit der Hörner­ und bis heute leben Pisten- und Tou­ gruppe und der Nagelfluhkette, etwa renskifahrer am Grünten vor, dass ein zwischen den Orten , harmonisches Miteinander Normali­ und . Teil tät sein kann. Konflikte sind hier sel­ zwei entspricht dem 2008 gegründe­ ten, nicht erst seit Tourengeher am ten, grenzüberschreitenden Naturpark Kammer­egg eine eigene Aufstiegsspur Nagelfluhkette. Schnee satt ist trotz Klimawandel Auf dem Weg zum Breitenberg präsentieren noch normal in den Allgäuer Alpen, sich die Wände des Aggenstein zum Greifen weil sie östlich des Bodensees weit nahe (r.). Viel Spaß und die Gewissheit, nach Norden vorgeschoben sind und naturverträglich unterwegs zu sein, garan- tieren die vom DAV empfohlenen Abfahrten besonders viel Niederschlag abfangen. vom Riedberger Horn (u.). Der schneereiche letzte Winter ließ selbst altgediente Lawinenexperten staunen: „Das ganze Obertal gleicht zwischen Engeratsgund und Wengen einem Gletscherbruch“, konstatierte der Allgäuer Führerautor Kristian Rath. Die Verhältnisse waren hei­ kel, denn einerseits galt der Schnee­ deckenaufbau als stabil, andererseits hatte sich an den Allgäuer Grashän­ gen die gesamte meterdicke „fest- plas­tisch-kompakte“ Schneedecke als Gleitschnee in Bewegung gesetzt. Be­ drohlich öffneten sich tiefe Spalten und Risse, riesige Wellen türmten sich auf. Scheinbar unabhängig von der Temperatur gingen teils gewaltige

32 DAV Panorama 6/2012 Skitouren | Unterwegs

Skibergsteigen umweltfreundlich haben. Die meisten begnügen sich mit der Grüntenhütte als Tourenziel. Wer Um naturverträgliches Skitouren- und Schneeschuhgehen in den Baye­ alpines Gelände beherrscht, darf sich rischen Alpen sicherzustellen, führen der DAV, das Bayerische Umwelt­- den ausgesetzten Grüntengipfel, das ministerium und das Bayerische Landesamt für Umwelt die Projekte Übelhorn, zutrauen. Gar nicht übel „Skibergsteigen umweltfreundlich“ und „Wildtiere und Skilauf im Gebirge“ durch. Die ist dort an klaren Tagen die Aussicht: Allgäuer Alpen wurden von 2008 bis 2012 untersucht, die Ergebnisse werden derzeit um- Die ganzen Allgäuer Alpen bekommt gesetzt: Einheimische Tourengeher legen erste Aufstiegsspuren naturverträglich an, In- man präsentiert. formationstafeln weisen an zentralen Ausgangspunkten auf empfohlene Skirouten hin, Zum „Huigarte“ (auch „Hoigarte“ an Schlüsselstellen helfen Schilder. Für sensible Bereiche haben alle vor Ort Betroffenen oder „Huigarta“ = „wie daheim im auf Freiwilligkeit basierende Wald-Wild-Schongebiete ausgewiesen, die in den neuen Garten“), so heißt im Allgäu eine net­ AV-Karten abgebildet sind. Zum Schutz der Natur dürfen diese Gebiete im Winter nicht te Unterhaltung, treffen sich Touren­ betreten werden! geher an Mittwochabenden entweder in der Grüntenhütte oder der „Sport­ heim Böck Mountain Lodge“ an der

33 DAV Panorama 6/2012

Naturpark Nagelfluhkette Im grenzüberschreitenden Park gibt es ein Konzept zur Sensibilisierung, Information und Lenkung der Besucher. Die Ergebnisse des Projekts „Skibergsteigen umweltfreund- lich“ wurden übernommen, deren Umset- zung im Schutzgebiet erfolgt Hand in Hand mit dem Naturpark. Dabei kommt die Kampagne „Respektiere deine Grenzen“ aus dem benachbarten österreichischen erstmals auch in Bayern mit zur Anwendung.

34 DAV Panorama 6/2012 Skitouren | Unterwegs

Nesselwanger Alpspitze. Das Hütten­ Für schwäbische Skibergsteiger ist ziel, aber auch Paradebeispiel dafür, ziel mit dem auffälligen Namen war das Wertacher Hörnle Inbegriff einer wie sich Konflikte zwischen Sport und einmal einfaches Berggasthaus und typischen Voralpentour. Ent­sprechend Natur lösen lassen. 1990 haben dort bietet heute Luxusappartements mit geht es dort auch zu, wenn an eisigen die Orkane Vivian und Wiebke weite Sauna samt Weinkeller in Panorama­ Wintertagen frisch gefallene Schnee­ Teile des Waldes zerstört. Teure EU- lage. Die gemütliche Gaststube zieht kristalle funkeln: Wer auf den südsei­ geförderte Aufforstung war nötig. Die tigen Alpwiesen Tiefschnee will, muss Interessen der Tourengeher kamen früh oder schnell sein. Gegenüber re­ dabei jedoch zu kurz, Schäden am Die Südseite des Grüntengipfels, den cken sich die wuchtige Doppelkuppe Jungwald waren die Folge. Erst allsei­ Skitourengeher normalerweise von Norden des Spiesers und der schroffe Iseler, tige Kompromissbereitschaft, geweckt erreichen (l.o.); Blick vom Iseler über das die Hintertür zu den Bergen des Tann­ durch das DAV-Projekt „Skibergstei­ Tannheimer Tal (M.); Schneemassen am Brustkopf nahe Balderschwang (l. u.) und heimer Tales, in den stahlblauen Him­ gen umweltfreundlich“, brachte die am Nordhang des Riedberger Horns (r. u.). mel. Dort ist es ruhiger, die Touren Lösung: Mit viel persönlichem Ein­ satz schufen Helfer der DAV-Sekti­ on Pfronten in wochenlanger Arbeit eine zwanzig Meter breite Schneise, die sie seither markieren und pflegen. Die Waldbesitzer verzichten auf den Holz­ertrag, die Gemeinde Pfronten investierte beachtlich in Ausgleichs­ maßnahmen. Das Konzept ging auf, inzwischen strahlt das Modell Schön­ kahler auf andere Tourengebiete aus. Strahlkraft als Tourenziel hat auch die Ostlerhütte am Gipfel des Brei­ tenbergs, des Pfrontener Hausbergs,

Inzwischen strahlt das Mo­dell Schönkahler auf andere Tourengebiete aus.

mit seinem Panorama der Spitzen­ klasse. „Das Gesündeste am Skifahren war das Rauflaufen“, schwärmte der kürzlich verstorbene Pfrontener Ski­ pionier Josef Zweng, der am Breiten­ berg schon vor der Lifterschließung Engländern das Skifahren beibrachte. Sein hohes Alter von fast 102 Jahren gibt ihm recht, und diese Erkenntnis scheint sich im boomenden Skitou­ rengehen immer mehr zu verbreiten. Einen ersten Aufschwung erlebte das Tourengehen im Allgäu in den aber auch Dutzende Tourenskifahrer sind aber deutlich steiler. Dazwischen 1950er Jahren, als sich die klassische an. Dienstags winkt der Tiroler Stadl versteckt sich der unscheinbare Or­ „Hörnertour“ herumsprach. Lifte und bei Pfronten; damit sind drei Allgäuer nach mit einer kurzen Skitour, die in Bahnen gab es noch kaum, wer Ski­ Vorzeigebeispiele genannt, wo es ge­ Oberjoch beginnt. fahren wollte, musste zuerst aufstei­ lungen ist, mit ausgefeilten Angebo­ gen. Die stramme Tagestour verlief ten vom trendigen Pistentourengehen vom Bahnhof über Bolster­ zu profitieren. Das tun auch die Wild­ Rauflaufen ist am gesündesten lang mit Seehundfellen hinauf zum tiere, denn sie bleiben in großen Tei­ Bei weniger blauem Himmel ge­ Weiherkopf. Im Auf und Ab folgten len der Bergwelt ungestört, wenn sich winnt der nahe Pfronten gelegene Rangiswanger-, Sigiswanger- und Of­ abendliche Tourengeher auf bestimmte Schönkahler an Zuspruch, denn er ist terschwanger Horn. Von dort ging Pisten und Zeiten konzentrieren. beliebtes Ausweich- oder Einsteiger­ es im Schuss die lange Abfahrt hi­

35 DAV Panorama 6/2012

Der bekannte Extrembergsteiger Hans Kammerlander ist als Sympathieträger des DAV-Projekts „Skibergsteigen umweltfreundlich“ am Riedberger Horn mit auf Tour; hochwinterliche Verhältnisse bei der Abfahrt und zu Füßen des Rangiswanger Horns (u.). nab zum Bahnhof in . Heu­ te ist der Weiherkopf Skigebiet und man kann die Hörnertour bequem als Halbtagestour einschieben. Tagesfül­ lende Skitouren in der Hörnergrup­ pe bietet die „Säge“ im sonnigen Gun­ zesrieder Hochtal. Dort ist man im Halbkreis von tief verschneiten Hör­ nern und Köpfen umgeben, die zu er­ lebnisreichen Rundtouren einladen. Die nordseitigen Hänge konservieren Puderzuckerschnee oft bis weit ins Frühjahr. Mühsam spuren muss man hier selten, denn längst handelt es sich um keinen Geheimtipp mehr.

Alarm am schönsten Skiberg Balderschwang gilt zu Recht als schneereichster Ort Deutschlands. Das Tal ist schüsselförmig dem Westwind zugeneigt. Kommt feuchte und kalte Luft, wird sie wie im Aufzug nach oben verfrachtet. Dann schneit es munter, oft stunden- oder tagelang ohne Un­ terbrechung. Manchmal hat man Mü­ he, von den ausgefrästen Straßen und Wegen auf die Schneedecke hinauf­ zukommen. Ist das gelungen, winken dem Tourengeher die kurios geformten Zwillinge Siplinger- und Heidenkopf zu. Auf der anderen Talseite lässt sich der abgeflachte Hochschelpen bei si­ cherem Schnee zu einer lockeren Run­ de mit dem Feuerstätterkopf und der heimeligen Burglhütte verbinden. Mit dem Riedberger Horn hat Bal­ derschwang noch einen zweiten bun­ Skitouren auf Pisten desweiten Superlativ zu bieten. Kein Geringerer als Luis Trenker hat den Berg als „schönsten Skiberg Deutsch­ lands“ gepriesen. Seine strahlend wei­ ße Gipfelpyramide überragt alle Nach­ barhörner um gute hundert Meter und Für mehrere Allgäuer Skigebiete gibt es Ver- wirkt auf Tourengeher wie ein Mag­ einbarungen für Skitouren auf Pisten, z.B. net. Aus allen Himmelsrichtungen alternative Aufstiegsrouten und/oder „Tou- kommen sie zum stattlichen Gipfel­ renabende“ an bestimmten Wochentagen kreuz, müssen aber definierte Routen auf freigegebenen Strecken. Diese Rege- einhalten, weil dazwischen störemp­ lungen und die zehn allgemeinen „DAV- findliche Raufußhühner ihre Schutz­ Regeln für Skitouren auf Pisten“ müssen gebiete haben. konsequent beachtet werden! Detaillierte Leider ist das Riedberger Horn in Informationen gibt es auf alpenverein.de; düstere Wolken geraten: Von zwei Informationen zu den Tourenabenden auf Seiten droht ihm brachiale Erschlie­ pistentour.com. ßung, denn die Skigebiete von Bal­ derschwang und Grasgehren sollen

36 DAV Panorama 6/2012 Skitouren | Unterwegs

auf dem Rücken des Berges miteinan­ der verbunden werden. Gegen diese Pläne spricht alles: Weder der Baye­ rische Alpenplan – das Gebiet gehört zur Schutzzone C – noch die Alpen­ konvention erlauben einen Seilbahn­

Das Riedberger Horn zählt zu den ökologisch hochwertigsten Gebieten der Allgäuer Alpen. bau. Fundierte Erkenntnisse liegen auf dem Tisch, denen zufolge das Ried­ berger Horn zu den ökologisch hoch­ wertigsten Gebieten der All­gäuer Al­­pen zählt und jeder Quadratmeter Schutzwald schon aufgrund des höchst rutschgefährdeten Untergrunds ge­ braucht wird. Doch für Einsicht ist

37 Allgäuer Voralpen Anreise Unterkünfte und mehr auf allgaeu.info, Die Allgäuer Voralpen sind mit öffentlichen hoernerdoerfer.de, deinallgaeu.de; Verkehrsmitteln und Pkw bestens erreich- Infos zum Naturpark Nagelfluhkette bar. Mit der Bahn bis Immenstadt, Ober­ auf naturpark-nagelfluh.de. staufen und Fischen bzw. Nesselwang und Pfronten. Nach Balderschwang und zu den Führer meisten anderen Ausgangspunkten der Rath, Kristian: Allgäu mit Kleinwalsertal Skitouren fahren Busse (Fahrpläne unter und Tannheimer Tal, Skitourenführer, Pa- oberallgaeu.org, Bus und Bahn). nico Alpinverlag, 7. Auflage 2011, € 22,80. Seibert, Dieter: Allgäuer Alpen und Übernachtung/Infos Lechtal, Skitourenführer, Bergverlag Ro- Im Winter geöffnete Alpenvereinshütten ther, 2. Auflage 2010, € 12,90. auf dav-huettensuche.de; Jugendbildungs- Strauß, Andrea & Andreas: Die schönsten stätte der JDAV „Haus Alpenhof“ in Bad Skitouren Allgäuer und Lechtaler Alpen, Hindelang, jubi-hindelang.de; Infos über Tourenführer, Bruckmann Verlag, € 19,95.

Neu: AV-Karten Allgäuer Alpen enthalten neben Wanderwegen alle üb- Die Alpenvereinskarte BY 1 „Allgäuer Voral- lichen naturverträglichen Skirouten sowie pen West, Hörnergruppe, Nagelfluhkette“ alle Schutz- und Schongebiete. Die Karten- ist ab Mitte Dezember 2012 erhältlich. Mit Reihe „BY Bayerische Alpen“ wird gemein- den im Juni 2012 erschienenen Karten BY sam mit dem Bayerischen Landesamt für 3 „Allgäuer Voralpen Ost, Grünten, Wert- Vermessung und Geoinformation (LVG) acher Hörnle“ und BY 5 „Tannheimer Ber- herausgegeben, ideeller Partner ist das ge, Köllenspitze, Gaishorn“ sind die Allgäu- Bayerische Landesamt für Umwelt. Die er Voralpen und die Berge des Tannheimer noch fehlenden Blätter BY 2 „Kleinwalser- es noch nicht zu spät. Wie einst in Tales vollständig abgedeckt. Die Karten im tal“ und BY 4 „Allgäuer Hochalpen“ wer- Berchtesgaden, wo man dem Watz­ Maßstab 1:25.000 basieren auf der aktu- den im August 2013 das BY-Kartenwerk mit mann eine Seilbahn verpassen wollte ellen amtlichen topografischen Karte und 22 Blättern komplettieren. und heute glücklicher denn je ist, von dieser aberwitzigen Idee abgekommen zu sein. Info/Bestellung: Deutscher Alpenverein e.V., Postfach 500 220, „Hocket hi und sind gern do“ 80972 München, Die Nagelfluhkette ist der spektaku­ [email protected]. lärste Teil der Allgäuer Voralpen und Preis: € 5,95 für DAV-Mitglieder, für Skibergsteiger ein echter Lecker­ € 9,80 für Nichtmitglieder bissen. Von Weitem wirkt der kilo­ (zzgl. Versandkosten, Mindest­ meterlange Kamm vom Hochhäderich bestellwert € 11,90) bis zum Steineberg wie überdimensio­ nale versteinerte Wellen eines Urzeit­ meeres. „Herrgottsbeton“ ist der Na­ gelfluh für jene, die seine Entstehung dem Schöpfer zuschreiben. Andere glauben, hier hätte jemand unzählige Nägel so tief in den Fels geschlagen, dass nur die Köpfe herausschauen. Für Geologen besteht Nagelfluh aus Flusskieseln, die vor rund 25 Millio­ nen Jahren im Wechsel mit weicheren Schichten in der Riesenschüssel des Molassemeeres abgelagert und zu Konglomerat verbacken wurden. Spä­ ter kam dann die Alpenfaltung, hob DAV Panorama 6/2012 Skitouren | Unterwegs

Vom Hochgrat reicht der Blick bis weit in die Schweizer Alpen (o.); bei der Nagelfluh- Überschreitung gibt es vor allem am Steine- berg (l.) anspruchsvolle Passagen. Wer sie umgehen will, fährt vorher ins Tal ab.

ten. Dann müssen nur noch die Felle halten, die im Bergauf-Bergab zwi­ schen Rindalphorn, Gündles- und Bur­ alp­­ kopf,­ Sedererstuiben und Stui­ ben mehrfach gefragt sind. Am Ende kann man noch den anspruchsvollen Stei­neberg mitnehmen und über den Mittag nach Immenstadt abfahren. Oder man rastet in der Alpe Gund oder im Kemptener Naturfreundehaus, wo man leicht die Zeit aus den Augen verliert: „Kommet, hocket hi und sind gern do“, so heißt der Satz im Oberall­ gäuer Dialekt. Doch das könnte sich die Schichten in die Höhe, verkippte mal die 2000-Meter-Höhenlinie reißt. rächen. Denn die Länge der Talabfahrt sie und modellierte die erwähnten Dieser Berg für sich ist schon eine hängt entscheidend davon ab, wie viel Schläuche, die Skifahrer beglücken. Wonne, was hunderte Tourengeher man Ski fahren kann oder Ski tragen Fünf bis sechs dieser Schläuche, je­ aus dem Westallgäu und Bodensee­ muss. Und das wiederum davon, wie weils gute zweihundert Höhenme­ gebiet zu schätzen wissen. Passen die zeitig im Jahr man sich für diese gran­ ter, rauscht man bei der klassischen Verhältnisse für die Überschreitung, diose Tour entschieden hat. o Ski­überschreitung der Nagelfluhkette nimmt man die erste Hochgratbahn hinab; landschaftlich gehört die Tour oder schläft im angenehmen Staufner Manfred Scheuermann ist in der DAV-Bundesge- schäftsstelle verantwortlich für die Themen „Ski- zu den eindrucksvollsten der Nord­ Haus der DAV-Sektion Oberstaufen- bergsteigen umweltfreundlich“ und „Skitouren auf alpen, obwohl der Hochgrat nicht ein­ Linden­berg, um frühmorgens zu star­ Pisten“ und selbst begeistert aktiv.

39