Protokoll-Nr. 18/37

18. Wahlperiode Ausschuss für Gesundheit

Wortprotokoll der 37. Sitzung

Ausschuss für Gesundheit Berlin, den 25. März 2015, 15:30 Uhr 10557 BerlinAdele-Schreiber-Krieger-Straße 1 Marie-Elisabeth-Lüders-Haus Anhörungssaal 3 101

Vorsitz: , MdB

Tagesordnung - Öffentliche Anhörung

Einziger Tagesordnungspunkt Seite 5 a) Gesetzentwurf der Bundesregierung Federführend: Ausschuss für Gesundheit Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Versor- Mitberatend: gung in der gesetzlichen Krankenversicherung Innenausschuss Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) schätzung BT-Drucksache 18/4095 Haushaltsausschuss (mb und § 96 GO) Gutachtlich: Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

b) Antrag der Abgeordneten , Birgit Federführend: Ausschuss für Gesundheit Wöllert, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Mitberatend: Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Ausschuss für Arbeit und Soziales Private Krankenversicherung als Vollversicherung abschaffen - Hochwertige und effiziente Versor- gung für alle BT-Drucksache 18/4099

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c) Antrag der Abgeordneten Birgit Wöllert, Sabine Federführend: Ausschuss für Gesundheit Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald Mitberatend: und der Fraktion DIE LINKE. Innenausschuss Wohnortnahe Gesundheitsversorgung durch be- darfsorientierte Planung sichern BT-Drucksache 18/4187

d) Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Maria Federführend: Ausschuss für Gesundheit Klein-Schmeink, Kordula Schulz-Asche, weiterer Mitberatend: Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Ausschuss für Arbeit und Soziales GRÜNEN Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- schätzung Gesundheitsversorgung umfassend verbessern - Patienten und Kommunen stärken, Strukturdefi- zite beheben, Qualitätsanreize ausbauen BT-Drucksache 18/4153

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Mitglieder des Ausschusses Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder CDU/CSU Bertram, Ute Albani, Stephan Henke, Rudolf Brehmer, Heike Hennrich, Michael Dinges-Dierig, Alexandra Hüppe, Hubert Eckenbach, Jutta Irlstorfer, Erich Kippels, Dr. Georg Kühne, Dr. Roy Lorenz, Wilfried Leikert, Dr. Katja Manderla, Gisela Maag, Karin Nüßlein, Dr. Georg Meier, Reiner Pantel, Sylvia Michalk, Maria Rupprecht, Albert Monstadt, Dietrich Schmidt (Ühlingen), Gabriele Riebsamen, Lothar Schwarzer, Christina Rüddel, Erwin Steineke, Sebastian Schmelzle, Heiko Steiniger, Johannes Sorge, Tino Stracke, Stephan Spahn, Jens Timmermann-Fechter, Astrid Stritzl, Thomas Wiese (Ehingen), Heinz Zeulner, Emmi Zimmer, Dr. Matthias SPD Baehrens, Heike Bahr, Ulrike Blienert, Burkhard Bas, Bärbel Dittmar, Sabine Freese, Ulrich Franke, Dr. Edgar Hellmich, Wolfgang Heidenblut, Dirk Henn, Heidtrud Kermer, Marina Hinz (Essen), Petra Kühn-Mengel, Helga Katzmarek, Gabriele Mattheis, Hilde Lauterbach, Dr. Karl Müller, Bettina Tack, Kerstin Rawert, Mechthild Westphal, Bernd Stamm-Fibich, Martina Ziegler, Dagmar DIE LINKE. Vogler, Kathrin Höger, Inge Weinberg, Harald Lutze, Thomas Wöllert, Birgit Tempel, Frank Zimmermann, (Zwickau), Sabine BÜNDNIS 90/DIE Klein-Schmeink, Maria Kurth, Markus GRÜNEN Scharfenberg, Elisabeth Pothmer, Brigitte Schulz-Asche, Kordula Rüffer, Corinna Terpe, Dr. Harald Strengmann-Kuhn, Dr. Wolfgang

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bereits eine einstündige Anhörung gehabt. Dort ha- Beginn der Sitzung: 15:30 Uhr ben wir 20 Fragen und Antworten gehört, d. h. würde man das jetzt auf die drei Stunden hoch- Der stellvertretende Vorsitzende, Abg. Rudolf rechnen, würden wir mindestens 60 Antworten auf Henke (CDU/CSU): Guten Tag, meine Damen und 60 Fragen hören. Das bekommen wir hin, wenn wir Herren. Ich grüße Sie herzlich von Dr. Franke, dem uns kurz fassen und die Fragen und Antworten Vorsitzenden unseres Ausschusses. Er ist leider er- kurz und präzise sind. Ich bitte die aufgerufenen krankt und kann deshalb die heutige Anhörung Sachverständigen, für die Beantwortung der jewei- nicht leiten. Mein Name ist Rudolf Henke. Ich bin ligen Frage das Mikrofon zu benutzen und sich mit der stellvertretende Vorsitzende und begrüße Sie ihrem Namen und ihrem Verband vorzustellen. Ich zur 37. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit, ei- möchte Sie schon jetzt daran erinnern, dass wir die ner öffentlichen Anhörung. Neben den Sachver- Kommunikation wesentlich verbessern, wenn wir ständigen, den Vertretern der Medien und den Zu- die Handys nach der Anhörung einschalten und schauern, begrüße ich natürlich vor allem die Ab- dadurch wieder erreichbar sind. Ich möchte zusätz- geordneten. Eine besondere Freude ist es uns, die lich darauf hinweisen, dass die Anhörung digital Bundesregierung, vertreten durch Frau Parlamenta- aufgezeichnet und zeitversetzt im Parlamentsfern- rische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz sehen übertragen wird. Außerdem ist ein Li- und weitere Vertreter, herzlich willkommen zu hei- vestream im Internet abrufbar. Das Wortprotokoll ßen. In der heutigen öffentlichen Anhörung be- der Anhörung wird ebenfalls auf der Homepage des schäftigen wir uns mit dem Gesetzentwurf der Bun- Deutschen Bundestages veröffentlicht. desregierung zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, kurz GKV – Abg. (CDU/CSU): Unsere erste Versorgungsstärkungsgesetz auf Drucksache Frage geht an Prof. Dr. Gerlach, an den Deutschen 18/4095. Dazu liegt auch ein Änderungsantrag auf Hausärzteverband und an den GKV-Spitzenverband Drucksache 18(14) 0095.1 vor, der Ihnen bereits zu- und die Frage lautet: Halten Sie das vorliegende gegangen ist. Ferner sind die beiden Anträge der Gesetz für grundsätzlich geeignet, die Gesundheits- Fraktionen DIE LINKE., „Private Krankenversiche- versorgung, vor allen Dingen auch im ländlichen rung als Vollversicherung abschaffen – Hochwer- Raum, sicherzustellen und der drohenden Unter- tige und effiziente Versorgung für alle“ auf Druck- versorgung wirksam entgegenzutreten? sache 18/4099 und „Wohnortnahe Gesundheitsver- sorgung durch bedarfsorientierte Planung sichern“ auf Drucksache 18/4187 sowie der Antrag der Frak- ESV Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach: Das Gesetz tion BÜNDNIS 90/DIE-GRÜNEN „Gesundheitsver- geht in die richtige Richtung und es gibt es eine sorgung umfassend verbessern – Patienten und ganze Reihe von sinnvollen Schritten. Wir freuen Kommunen stärken, Strukturdefizite beheben, Qua- uns auch als Sachverständigenrat, dass eine ganze litätsanreize ausbauen“ auf Drucksache 18/4153 Reihe von Empfehlungen, die wir in unserem Gut- Gegenstand der Anhörung. Ich möchte gerne noch achten gemacht haben, aufgegriffen wurde. Natür- einige Anmerkungen zum Ablauf machen. Uns ste- lich gibt es immer ein paar Punkte, wo man sich hen heute insgesamt drei Stunden für Fragen und eine Vertiefung wünschen würde, das wäre z. B. Antworten zur Verfügung. Die Gesamtfragezeit bei der Nachwuchsgewinnung. Aber dazu später wird auf die Fraktionen nach ihrer Stärke aufge- mehr. teilt. Dabei hat die Fraktion der CDU/CSU 17 Minu- ten und die Fraktion der SPD 7 Minuten Frage- und SV Ulrich Weigeldt (Deutscher Hausärzteverband): Antwortzeit an die Oppositionsfraktionen abgege- Ich kann meinem Vorredner zustimmen, dass wir ben. Da wir in zwei Runden fragen, ergeben sich vieles sehen, was in die richtige Richtung geht. Vor nun für die erste Fragerunde folgende Fragezeiten: allem wird die notwendige hausärztliche Versor- CDU/CSU 36 Minuten, SPD 24 Minuten, DIE gung durch die Förderung der Allgemeinmedizin LINKE. 30 Minuten und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und vor allem auch die verbesserte Förderung deut- NEN ebenfalls 30 Minuten. In der zweiten Runde lich gestärkt. Wir werden sicher später noch darauf fragen dann nur noch die CDU/CSU mit 36 Minu- zurückkommen, dass die Qualität und Attraktivität ten und die SPD mit 24 Minuten. Wir haben heute der allgemeinen Medizin für junge Kolleginnen und Kollegen deutlich attraktiver werden muss. Ich

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Nur zur dienstlichen Verwendung glaube, dass es gerade für den ländlichen Raum ESV Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach: Der Sachver- keine schlechte Idee ist, hausärztliche medizini- ständigenrat hat sich in seinem letzten Gutachten sche Versorgungszentren (MVZ) zu haben, sodass ausführlich mit dieser Frage beschäftigt und wir von dort aus die Versorgung organisiert werden sind davon überzeugt, dass das ein notwendiger kann. Wichtig ist auch, dass die Bereinigung bei Schritt ist. Denn der Abbau von Überversorgung ist den Selektivverträgen geeignet und neutral abgewi- die andere Seite der gleichen Medaille, auf der die ckelt werden soll. Das heißt, sie wird nicht mehr zu Unterversorgung steht. Das sind kommunizierende Lasten derjenigen Hausärztinnen und Hausärzte Röhren. Es gibt Menschen, die das bezweifeln, aber stattfinden, die sich an der selektivvertraglichen, es gibt eine ganze Reihe von Hinweisen, die darauf hausarztzentrierten Versorgung beteiligen und ihre deuten, dass das effektiv ist. Ich nenne das Bei- Versicherten darüber versorgen. Das halten wir für spiel, das ich kürzlich aus Sachsen-Anhalt hörte. einen wesentlichen Punkt. Die Förderung der All- Seitdem dort eine bundesweite Bedarfsplanung für gemeinmedizin in der Weiterbildung und letztlich Psychotherapeuten eingeführt wurde, lassen sich in auch in der Praxis ist auch deswegen notwendig, Sachsen-Anhalt Psychotherapeuten aus Berlin und weil ein Gegengewicht geschaffen werden muss, da Hannover nieder, die das vorher nicht getan hätten. man die Allgemeinmedizin, wie man in den Stel- Ganz einfach deshalb, weil sie dort keinen Nieder- lungnahmen liest, zum Teil schon aufgegeben hat lassungsraum mehr sehen oder die Praxen sehr und sie durch schlechter qualifizierte fachärztliche teuer geworden sind. Also gibt es offensichtlich Versorger ersetzen will. Insofern ist dies ein wichti- Steuerungswirkungen eines solchen Vorschlags. Es ges Signal in die richtige Richtung. ist im Übrigen ein Signal an den Nachwuchs und das eigentliche Problem ist die Bedarfsplanung sel- SV Johann-Magnus Frhr. von Stackelberg (GKV- ber. Denn diese basiert auf historischen Werten. Sie Spitzenverband): Ihre Frage enthält für mich zwei misst nicht den echten Bedarf. Es fehlen Indikato- Schlüsselwörter, einmal „grundsätzlich“ und dann ren, die den Bedarf abbilden und es gibt eine ganze „wirksam“. Grundsätzlich halten wir die Ansätze Reihe von Veränderungen, die seit Beginn der 90er in diesem Gesetzentwurf für sehr sinnvoll, insbe- Jahre eingetreten sind und darin nicht berücksich- sondere die Absicht, die Überversorgung im städ- tigt werden, z. B. der Morbiditätswandel. Wir ha- tisch verdichteten Gebiet zugunsten der ländlich ben heute mehr chronisch Kranke als früher. Dann schwächer versorgten Gebiete abzubauen. Die ers- findet eine Verlagerung von Leistungen aus dem ten Ansätze sind gut implementiert. Wir hätten uns stationären in den ambulanten Bereich statt. Auch aber mehr Impulse, ein bisschen mehr Mut ge- die tatsächlichen Einzugsräume und die Erreich- wünscht und vielleicht können wir im Laufe der barkeit spielen keine große Rolle und die wirksam Anhörung im Einzelnen noch einmal darauf einge- werdenden sozioökonomischen Einflüsse sind in hen, hier strikter vorzugehen um die Überversor- der Bedarfsplanung nicht berücksichtigt. Das heißt, gung zugunsten der Unterversorgung im ländlichen man sollte mit diesem Vorschlag den Auftrag, die Gebiet mutiger anzugehen. Das würden wir uns Bedarfsplanungsgrundlagen in Richtung einer ech- wünschen und hoffen, dass wir Sie von diesem An- ten Bedarfsmessung und -orientierung weiterzu- satz überzeugen können. entwickeln, zu einer sektorenübergreifende Bedarf- splanung, verbinden. Wir betrachten jetzt den am- Abg. (CDU/CSU): Ich beginne mit dem bulanten Bereich, es gibt aber daneben den statio- Themenblock Praxisaufkauf und Bedarfsplanung nären Bereich. Linksherzkatheter werden z. B. so- und die Frage geht zunächst an den Einzelsachver- wohl in Kliniken als auch in Praxen geschoben. ständigen Prof. Dr. Gerlach und den GKV-Spitzen- Das muss man zusammen sehen und es muss auch verband. Wie beurteilen Sie im Grundsatz die Rege- eine prospektive Ausrichtung der Bedarfsplanung lung zum Praxisaufkauf in überversorgten Gebie- geben. Wir müssen zukünftige Entwicklungen anti- ten? Die geplante Sollregelung zum Abbau von zipieren, z. B. ob die Zahl der Kinder zurückgeht, Überversorgung soll ab einem Versorgungsgrad von die Zahl der Demenzkranken aber zunehmen wird. 110 Prozent zur Anwendung kommen. Halten Sie Das muss sich natürlich auch in der Bedarfspla- die Grenze für sachgerecht? nung niederschlagen. Welche Zahl jetzt richtig ist, weiß keiner. Das ist auf der Basis der fehlenden Evidenz kaum zu leisten. Man kann nur sagen, dass

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Nur zur dienstlichen Verwendung es in überversorgten Ballungsgebieten eindeutige den Sachverständigen Prof. Spoerr befragen. Zur Hinweise auf Fehlentwicklungen gibt. Deshalb Stärkung der Hausärzte werden mit dem vorliegen- muss man einen Abbau einleiten. Der Sachverstän- den Entwurf eines Versorgungsstärkungsgesetzes digenrat hat, nachdem die bisherigen Instrumente neue Regelungen zur Abstimmung und zur Stim- nicht genutzt wurden, gesagt, man sollte spätestens men-Gewichtung in den Vollversammlungen vorge- bei 200 Prozent eine harte Grenze ziehen. Was man sehen. Von Seiten der Ärzteschaft werden Beden- zwischen 110 und 200 Prozent tut, ist dem politi- ken bezüglich der Recht- und Verfassungsmäßigkeit schen Willen überlassen. Da kann man ganz unter- des § 79 Absatz 3a SGB V angemeldet. Wie beurtei- schiedlicher Meinung sein. Ich denke, dass die re- len Sie diese Einwendungen? gionalen Zulassungsausschüsse durchaus noch Sonderbedarf feststellen können sollten, ohne die- ESV Prof. Dr. Wolfgang Spoerr: Die grundsätzli- ses Instrument wie bisher dazu zu nutzen, jegli- chen Einwände gegen die Verfassungsmäßigkeit chen Abbau von Überversorgung zu vermeiden. Es sind aus meiner Sicht nicht berechtigt. Nach der kann nicht dabei bleiben, dass vorhandene Instru- Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat mente wie der Aufkauf von Arztsitzen oder die För- der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Selbst- derung des freiwilligen Verzichts auf die Zulassung verwaltungskörperschaften und Organen einen überhaupt nicht genutzt werden. Das ist nämlich weiten Ermessensspielraum. Im Rahmen dieses Er- der Status quo. Insofern geht das in die richtige messensspielraums kann er von dem Grundsatz der Richtung. Wir brauchen eine Fundierung der Be- gleichen und unmittelbaren Wahl und dem glei- darfsplanung und das sollte parallel mitgedacht chen Gewicht, das natürlich die Satzung primär werden. prägt, Abweichungen treffen, wo er dies für organi- satorisch zweckmäßig hält. Ich rege allerdings an SV Johann-Magnus Frhr. von Stackelberg (GKV- im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu überden- Spitzenverband): Es geht um die Frage, ob man, ken, ob der derzeit vorgesehene breite Ausgestal- wenn ein Praxisinhaber die Praxis in einem über- tungsauftrag, der die Frage, wer denn Vertreter der versorgten Gebiet aufgibt, nachbesetzen sollte. Haus- und Fachärzte ist, weitgehend den Wahlord- Gleichzeitig gibt es etliche unterversorgte Gebiete nungen der Kassenärztlichen Vereinigungen oder und warum soll man dann im überversorgten Ge- Satzungen überlässt, nicht stärkere gesetzliche Vor- biet nachbesetzen? Wichtig ist, und das bleibt be- direktiven erfordert. Dafür gibt es zwei Gründe. stehen, dass die Vertragspartner vor Ort unter Ver- Erstens besteht sonst die Gefahr, dass das, was im sorgungsgesichtspunkten, die regional sehr unter- Gesetz als Mechanismus vorgesehen ist, um Kon- schiedlich sein können, die Zahl von 110 über- flikte zu mindern und zu einem sachgerechten Inte- schreitend, nachbesetzen können. Insofern ist den ressenausgleich zu kommen, so stark auf die orga- Versorgungsgesichtspunkten aus unserer Sicht, nisatorische Ebene vorverlagert wird, dass es erheb- wenn sie regionalspezifisch sind, bei der Nachbe- liche Verzögerungen geben wird, das System so setzung genügend Raum gegeben. Die Frage ist, wa- überhaupt in Gang zu setzen. Zweitens, weil das rum Sie so viele Ausnahmen vorsehen. Es mag den Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidun- Ärzten unter Ihnen einleuchtend sein, dass man gen zur demokratischen Legitimation von Selbst- die Praxis an die eigenen Kinder weitergibt. Aber verwaltungskörperschaften, die hier anwendbar warum es die Ausnahme geben soll, dass sich je- sind, gesagt hat, dass der Gesetzgeber zwar einen mand, der mehrere Jahre in einem unterversorgten sehr weiten Spielraum bei der Ausgestaltung, den Gebiet tätig war für die Nachbesetzung in einem er nach Zweckmäßigkeitserwägung ausüben kann, überversorgten Gebiet bewerben bzw. dorthin hat, aber dann muss der Gesetzgeber auch relativ wechseln kann, ist uns nicht einsichtig. Wir be- viel selbst regeln. Das findet sich z. B. im 10. Band fürchten durch diese Regelung eine weitere Entlee- mit der Entscheidung zum Erft-Verband. Die Ent- rung der unterversorgten Gebiete. Diese Regelung scheidung war interessanterweise auf die Wasser- bitten wir Sie dringend zu überdenken. Sie scheint verbände bezogen. Dann wieder logische Entschei- uns kontraproduktiv zu sein. Die Grenze von 110 dungen im 106. Band, ebenfalls zu den Wasserver- Prozent halten wir für vernünftig. bänden Lippe- und Emscher-Verband etc. Die nord- rhein-westfälischen Abgeordneten wissen sicher- Abg. (CDU/CSU): Ich würde gerne lich besser um welche Gewässer es sich handelt.

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Auch bei der Entscheidung zu den bayerischen das sehr heterogen und die 110er-Grenze in der po- Notarkassen im 111. Band hat das Bundesverfas- litischen Landschaft sehr kritisch gesehen wird. sungsgericht auf den weiten Spielraum des Gesetz- Das ist meines Erachtens auch berechtigt. Die Frage gebers und seine Regelungspflicht verwiesen. Da ist, wie man hier besser planen kann. Seit 1993 wird der Selbstverwaltung momentan zu viel über- sind wir damit befasst und der Gesetzgeber hat lassen. Sie bekommt einerseits klar gesagt, sie solle schon 1999 gesagt, die Zulassung soll aufgrund von sich stärker strukturieren und auf der anderen Seite gesetzlich festgelegten Verhältniszahlen erfolgen. wie sie zu dieser Struktur kommt. Zu Haus- und Mittlerweile wissen wir, dass die Zahl von 110 Fachärzten wird relativ wenig gesagt. Unter dem Prozent den Versorgungsbedarf nicht abbildet, son- Gesichtspunkt des Interessenausgleichs ist der ide- dern dass er die Grenze darstellt, ab der keine Zu- ale Vertreter der Vertreterversammlungen der lassungen mehr möglich sind. Es sei denn, man Hausarzt, der von Fachärzten gewählt wird oder macht das auf dem Wege der Sonderbedarfszulas- umgekehrt der Facharzt, der auch von Hausärzten sung, was wir mit den Vertragspartnern der Kassen gewählt wird. Das müssen Sie dann im Rahmen der auch immer gemacht haben. Das heißt, der aktuelle Zweckmäßigkeit daraufhin überprüfen, dass es ih- Versorgungsstand ist keiner, der sui generis von rem Ziel dient, den Interessenausgleich zu verbes- den Ärzten kommt, sondern der mit den Vertrags- sern und dass es nicht in einen Mechanismus um- partnern so vereinbart wurde. Ich glaube, aus die- schlägt, bei dem sich der Interessensausgleich eher sem Grund macht es auch Sinn zu überprüfen, ob noch verhärtet. Wer die KV-Landschaft kennt, der bei einer Versorgungskraft von über 110 Prozent weiß, dass die Konfliktlinien, die der Gesetzgeber wirklich eine Überversorgung besteht. Es wird si- durchaus berechtigt anspricht, regional sehr unter- cherlich die eine oder andere Region geben, wo das schiedlich scharf gezogen sind und es durchaus tatsächlich der Fall ist. Ob die in der Region dann Kassenärztliche Vereinigungen gibt, in denen der bei 150 oder bei 200 Prozent liegt, muss geprüft Interessensausgleich traditionell besser funktio- werden. Das könnten beispielsweise die Landes- niert. ausschüsse übernehmen. Ich bin sehr dafür, dass wir uns prospektiv Gedanken über eine Verbesse- Abg. Karin Maag (CDU/CSU): Ich möchte noch ein- rung des Bedarfs machen, beispielsweise indem mal an den Praxisaufkauf und die Bedarfsplanung wir auch in den stationären Bereich hineinschauen, anknüpfen. Wir haben gerade Prof. Dr. Gerlach und wo Synergieeffekte zu erzielen und wo Planungen den GKV-Spitzenverband gehört. Möglicherweise nur in Kenntnis der stationären Landschaft und der hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung dazu sich verändernden stationären Landschaft sinnvoll eine andere Meinung und uns würde interessieren, sind. Man könnte auch hier eine Begutachtung ab- was Sie in den letzten Monaten nach dem Versor- stellen, aber es ist natürlich nicht trivial, die Be- gungsstrukturgesetz getan haben, um die Bedarfs- darfsplanung hier auf eine versorgungsgerechtere planung sachgerecht abzubilden? Basis zu stellen. Das müssen wir ohne Frage. Wir sind nur der Meinung, dass die gesetzliche Rege- SV Dr. Andreas Gassen (Kassenärztliche Bundes- lung, wie sie sich jetzt im Entwurf findet, nicht ge- vereinigung (KBV)): Sie haben noch einmal auf die eignet ist, hier wirkliche Verbesserungen herbeizu- Bedarfsplanung abgestellt. Ich möchte dazu einen führen. Wortbeitrag von Prof. Gerlach aufgreifen. Er hat sehr richtig bemerkt, dass es keine richtige Zahl Abg. (CDU/CSU): Meine Frage richtet gibt. Insofern verstehen Sie bitte, dass wir als Kas- sich an die KBV. Das Bundessozialgericht hat im senärztliche Bundesvereinigung die gesetzliche Re- August 2014 festgestellt, dass eine Korrektur des re- gelung, in der die Zahl 110 als Aufkaufkriterium gionalen Behandlungsbedarfs aufgrund der real auftaucht, kritisiert haben. Wir haben die Sorge, vorhandenen Morbidität der Versicherten nach der- insbesondere in der momentanen Gemengelage, zeitiger Rechtslage nicht möglich ist. Im Entwurf dass seitens der Kassenlandschaft bereits von Ärz- des VSG ist sie daher im § 87a Absatz 4a SGB V tereservaten, die abgebaut werden sollen, gespro- eingefügt worden. Mich würde interessieren, ob Sie chen wird. In der politischen Landschaft gibt es diese Regelung für ausreichend halten und wenn Stimmen, die darauf drängen, die 110 Prozent zu nein, warum nicht? exekutieren. Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass

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SV Dr. Andreas Gassen (Kassenärztliche Bundes- sind. Der zweite Grund war, dass 1999 die Überlei- vereinigung (KBV)): Wir halten die Regelung im tungen im Rahmen des Gesetzes noch längst nicht § 87 SGB V, wie sie jetzt vorgesehen ist, für nicht abgeschlossen waren. Etwa die Hälfte war überge- ausreichend, allein aufgrund der Tatsache, dass leitet, ungefähr die Hälfte der Psychotherapeuten man ein Verhandlungsmandat auf den Bundes- klagte noch auf Zulassung. Dieser Prozess war erst durchschnitt erhält, der nicht die reale Versor- 2004 beendet. Man hätte damals die Zahlen anders gungsnotwendigkeit und vor allen Dingen nicht berechnen müssen und diesen Fehler schleppen den notwendigen Verhandlungsbedarf abbildet. wir seitdem mit und deswegen haben wir diese un- Das ist individuell oder regional von sehr vielen sinnigen Verhältniszahlen, die mit der Realität Faktoren abhängig. Ich denke hier an Versicherten- überhaupt nichts zu tun haben. Das ist eine beson- und Morbiditätsstruktur und die stationäre Land- dere Situation der psychotherapeutischen Versor- schaft. Insofern sind wir der Meinung, dass man gung, die, und das haben wir auch immer ange- hier anders ansetzen und den regionalen Versor- mahnt, zu berücksichtigen ist. Der Sachverständi- gungsbedarf individuell bestimmen und dann ent- genrat hat in einem Moratorium empfohlen noch wickeln muss. Die reine Durchschnittsverhandlung zwei Jahre zu warten, bis das einigermaßen geklärt löst das Problem nur unvollständig. werden kann. Deswegen plädieren wir nach wie vor dafür, die psychotherapeutischen Versorgungs- Abg. Ute Bertram (CDU/CSU): Ich habe eine Frage zahlen herauszunehmen. Wenn das politisch nicht an die Bundespsychotherapeutenkammer. In der gewünscht ist, dann plädieren wir dafür, dass der öffentlichen Diskussion wird die Einbeziehung der Versorgungsgrad auf einen deutlich höheren Wert Psychotherapeuten in die Regelung zum Abbau von festgelegt wird. Wenn man einen Versorgungsgrad Überversorgung kritisiert. Halten Sie aufgrund der von 200 Prozent – wir haben das durchgerechnet abweichenden Grundlage der Bedarfsplanung für und Prof. Gerlach hat den eben auch schon in die Psychotherapeuten eine gesonderte Regelung beim Debatte gebracht – als Grenze für psychotherapeu- Praxisaufkauf für notwendig, wobei eine generelle tische Praxissitze nehmen würde, dann wäre es bei Ausnahme keine Alternative sein soll? 1.200 Sitzen immer noch möglich, diese aufzulösen oder aufzukaufen. Aber wir wären damit noch SV Prof. Dr. Rainer Richter (Bundespsychothera- längst nicht im Plus. Deshalb das Plädoyer, die Pro- peutenkammer (BPtK)): Noch einmal die Zahlen, zentzahlen für die psychotherapeutischen Sitze die uns betreffen. Es gibt derzeit etwas mehr als deutlich zu erhöhen. 23.000 psychotherapeutische Praxen und davon sind nach diesem Vorhaben über 7.500 auf dem Abg. Reiner Meyer (CDU/CSU): Meine Frage geht Prüfstand. Das sind 31,6 Prozent aller Praxen und an den Hausärzteverband und dann an den Deut- alleine diese Zahlen zeigen, dass es bei der psycho- schen Caritasverband. Mit den neu einzurichten- therapeutischen Versorgung eine besondere Situa- den Terminservice-Stellen sollen die KVen den tion gibt. Und das angesichts der in den letzten Mo- Versicherten in bestimmten Fällen und begründe- naten und Jahren immer wieder berichteten und ten Krankheitsbildern innerhalb von vier Wochen nicht mehr bestrittenen langen Wartezeiten. Dass helfen einen Facharzttermin zu bekommen. Wie be- diese Situation so ist wie sie ist, liegt daran, dass urteilen Sie die Regelung grundsätzlich? bei der Festlegung der Verhältniszahlen für die Psychotherapeuten zwei Fehler gemacht worden SV Ulrich Weigeldt (Deutscher Hausärzteverband): sind. Diese wurden nicht 1993, sondern 1999 im Grundsätzlich ist es vernünftig, dass Menschen die Zuge des Psychotherapeutengesetzes festgelegt. Im Versorgungsnotwendigkeit haben, die erforderliche Unterschied zu den anderen Arztgruppen haben fachärztliche Versorgung auch rechtzeitig erhalten. wir die Zahlen aus ganz Deutschland in den Algo- Ob die Terminservice-Stellen, die in den Diskussio- rithmus miteinbezogen und das wohlwissend, dass nen sind, viel weiterhelfen, ob die Aufregung dar- zur damaligen Zeit die psychotherapeutische Ver- über lohnt, halte ich für zweifelhaft. Wir haben in sorgung in den ostdeutschen Ländern völlig anders der Versorgung, in den Selektivverträgen nach § aussah. Es gab kaum Praxen. Wenn man diese in 73b SGB V, aber auch im Zusammenhang mit § 73c die Ermittlungen einbezieht, darf man sich nicht SGB V oder auch mit § 140a SGB V die Erfahrung wundern, wenn die Verhältniszahlen sehr gering

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Nur zur dienstlichen Verwendung gemacht, dass in diesen Verträgen eine Terminser- noch einmal erweitern. Im Moment ist es für be- vicestelle komplett überflüssig ist, weil wir keine stimmte Indikationen vorgesehen. Wir halten es für Wartezeiten, die nicht irgendwie erforderlich sind, notwendig, dass auch bei weiteren Indikationen die bemerkt haben. Darüber werden von Seiten der Möglichkeit besteht, eine Zweitmeinung einzuho- Versicherten auch keine Klagen geführt. len. Wir würden dazu die Krankenkassen mit mehr Möglichkeiten ausstatten. Die Erfahrungen aus kon- SV Dr. Elisabeth Fix (Deutscher Caritasverband e. kreten Projekten zeigen, dass von der Kommunika- V.): Das Problem der Wartezeiten ist auf jeden Fall tion zwischen Ärzten, Patienten und Krankenkas- ein essentielles Problem, das angegangen werden sen sehr viel für ein erfolgreiches Zweitmeinungs- muss. Ob jedoch die Termin-Service-Stelle die verfahren abhängt. Deshalb möchten wir die Bera- richtige Antwort ist, wagen wir zu bezweifeln. Im tungsmöglichkeiten der Kassen entsprechend erhö- ländlichen Bereich haben wir häufig das Problem hen. der Unterversorgung bei Fachärzten, daran werden auch Terminservice-Stellen substantiell nichts än- Abg. Karin Maag (CDU/CSU): Anknüpfend an Ihre dern können. Wir setzen vielmehr auf intelligente Antwort frage ich zunächst die IKK, dann aber Lösungsvorschläge, die auch schon von einzelnen auch den Einzelsachverständigen Prof. Dr. Spoerr. Krankenversicherungen praktiziert werden. Für be- Sehen Sie zum Zweitmeinungsverfahren Klarstel- sonders empfehlenswert halten wir das Modell der lungsbedarf im Hinblick auf das Ziel, dass beste- gestuften dringlichen Überweisung der KV Saar- hende Angebote der Kassen weiterhin als Satzungs- land. Aus unserer Sicht kann der Hausarzt am bes- leistung angeboten werden können? Dann geht es ten beurteilen, wann, in welchem Zeitraum und für um die Zweitmeinung. Kann die auch telemedizi- welche Erkrankung ein Termin bei einem Facharzt nisch erbracht und vergütet werden und spricht erforderlich ist und genau diesen Weg beschreitet aus Ihrer Sicht etwas dagegen, dass die Zweitmei- die KV Saarland. Eine regionale Regelung kann nungserbringung auch auf nichtermächtigte Ärzte gute Erfolge erzielen und wir würden zumindest ausgedehnt werden kann? dafür plädieren, dass Sie regionale Öffnungsklau- seln vorsehen, wenn Sie an den Terminservice- SV Jürgen Hohnl (Bundesverband der Innungskran- Stellen festhalten. Außerdem glauben wir, dass es kenkassen e. V. (IKK): In der Tat halten wir es für sinnvoll sein kann, regelmäßige Nachweispflichten sinnvoll, dass das, was jetzt schon Kassenleistung einzuführen, ob sich durch diese Lösungsmodelle, ist, fortgesetzt wird. Eine Klarstellung wäre aus un- seien es die Terminservice-Stellen oder auch regio- serer Sicht sinnvoll, weil immer die Gefahr be- nale Lösungsmodelle, grundsätzliche Änderungen steht, dass Aufsichten anders entscheiden als sie am Problem der Wartezeiten ergeben. das jetzt gemacht haben. Was die Frage der Teleme- dizin anbelangt, sind wir kritisch, weil man schon Abg. Dr. Roy Kühne (CDU/CSU): Eine Frage an die den konkreten Arztkontakt braucht. Ich kann mir IKK. Wie beurteilen Sie, dass Versicherte künftig nur in sehr wenigen Fällen vorstellen, dass die bei den Indikationsstellungen zu bestimmten plan- Zweitmeinung auch telemedizinisch erbracht wer- baren Eingriffen einen Anspruch auf Einholung ei- den kann. Was die Frage der nichtermächtigten ner unabhängigen ärztlichen Zweitmeinung haben? Ärzte anbetrifft, plädieren wir dafür, dass die Kran- Kann das Recht auf Zweitmeinung dazu beitragen, kenkassen auch Verträge schließen können. Wenn den Versicherten Sicherheit über die medizinische sie das mit den Krankenhäusern machen, wären Notwendigkeit eines Eingriffes zu verschaffen? diese in den Verträgen drin. Ansonsten wären wir dafür, dass die nicht zugelassenen Leistungserbrin- SV Jürgen Hohnl (Bundesverband der Innungskran- ger auf alle Fälle ärztliche Leistungen erbringen kenkassen e. V. (IKK): Natürlich begrüßen wir, müssten. dass ein Zweitmeinungsverfahren verankert wer- den soll, weil es den Versicherten mehr Möglich- ESV Prof. Dr. Wolfgang Spoerr: Die Zweitmeinung keiten gibt, die Behandlung von seiner Seite über- ist eines der wirklich bahnbrechend innovativen prüfen zu lassen und eine größere Sicherheit zu be- und fortschrittlichen Elemente des Gesetzentwurfs. kommen. Wir würden das Verfahren nur gerne Die medizinischen Fachgesellschaften haben zu- recht darauf hingewiesen, dass es sehr innovativ

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Nur zur dienstlichen Verwendung ist, dass das, was bisher individuell gemacht wor- durchaus eine schriftliche Zweitmeinung. Die wei- den ist, institutionell einzuführen. Vieles ist vom ter entfernte schriftliche Zweitmeinung hat durch- Gemeinsamen Bundesausschuss wie üblich in der aus auch den Vorteil, dass sie weniger Gefahr läuft, Konkretisierung delegiert worden. Aus meiner in den örtlichen Zweitmeinungszirkel des Selbstre- Sicht empfehle ich Ihnen, weil es so innovativ ist, ferenzierens abzugleiten. Das ist die Gefahr, wenn den einzelnen Kassen etwas mehr Spielraum zu Sie immer den persönlichen Arzt-Patienten-Kon- lassen, d. h. es als zusätzliche Satzungsleistung zu takt vorschreiben, dass es bei einem örtlichen Zir- machen und die Vereinheitlichung durch den Ge- kel von Spezialisten bleibt. Ich finde, der Gemein- meinsamen Bundesausschuss nicht übers Knie zu same Bundesausschuss sollte hier versorgungspoli- brechen, sondern zwei Schichten zu genehmigen. tische Spielräume haben, um zu entscheiden, was Die erste Schicht sind die einheitlich als Leistung in der jeweiligen Indikation das Beste ist. geltenden nach § 27b SGB V, die dann vom Ge- meinsamen Bundesausschuss innerhalb der Frist Abg. Maria Michalk (CDU/CSU): Die Frage richtet festgelegt werden. Bei der zweiten Schicht, die man sich an die Deutsche Krankenhausgesellschaft, an noch zusätzlich erlauben sollte, handelt es sich um die KBV und an den Einzelsachverständigen das zusätzliche Angebot auf der Grundlage von Sat- Herrn Hermann. Wie beurteilen Sie die Regelung zungsbestimmungen, damit einzelne Kassen wei- zu mehr Kooperation beim Entlassungsmanage- ter- und darüber hinausgehen können. Wenn Sie ment? Ist mit Blick darauf, was jetzt im Gesetz prä- dies erreichen wollen, müssten Sie den letzten Satz zisiert wird, zukünftig von einer reibungslosen Zu- in § 27b Absatz 2 SGB V, Satz 4 in meiner Zählung, sammenarbeit der Sektoren auszugehen? der zusätzliche Zweitmeinungsangebote wieder an das bindet, was der Gemeinsame Bundesausschuss SV Georg Baum (Deutsche Krankenhausgesell- festgelegt hat, streichen. Damit wäre klargestellt, schaft (DKG)): Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass dass einzelne Kassen mehr und auch etwas anderes den Krankenhäusern mit dem Gesetzentwurf erwei- tun können. Die zweite Frage halte ich für sehr terte Verordnungsmöglichkeiten für die Durchfüh- wichtig. Weil das Konzept der Zweitmeinung für rung des Entlassungsmanagements gegeben wer- die Fortentwicklung der Versorgung so wichtig und den. Die von Ihnen angesprochene Regelung, dass so innovativ ist, sollte man es nicht zu stark auf das Krankenhaus mit niedergelassenen Ärzten ver- herkömmliche Bilder aus dem 19. Jahrhundert wie einbaren kann, dass das Management dorthin ver- das des persönlichen Arzt-Patienten-Kontaktes, be- geben wird, hat einen grundsätzlich positiven sek- schränken. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass torenübergreifenden Aspekt. Wir sehen aber ge- in bestimmten Fällen, wenn die Empfehlung und wisse Gefahren, dass damit neue Falsch- und Fehl- die Befunddokumentation gut sind, und das ist im einschätzungen über Zuständigkeiten entstehen deutschen Gesundheitswesen eigentlich immer der könnten, d. h. wo hört die Zuständigkeit des Kran- Fall, ein zweiter persönlicher Arzt-Patienten-Kon- kenhauses auf, wo fängt die Zuständigkeit der nie- takt überhaupt nicht erforderlich ist. Nun haben dergelassenen Ärzte an. Wir haben die Sorge, dass wir die berufsrechtlichen Regeln, die sich da etwas niedergelassene Ärzte das so verstehen könnten, sperren und von daher ist eine Klarstellung, die dass eine Delegation mit einem Vergütungsan- sagt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss auch spruch gegen das Krankenhaus verbunden sein die Einzelheiten des Verfahrens festlegt, insbeson- könnte. Da das Einweisungsverhalten von niederge- dere, ob eine Zweitmeinung auf der Grundlage lassenen Ärzten in Krankenhäuser von allen mone- schriftlicher Unterlagen stattfinden kann oder ob tären Störungen und Überlegungen freibleiben sie einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt vo- sollte, würden wir es begrüßen, wenn diese Rege- raussetzt, hilfreich. Das sollte, um dem Gemeinsa- lung gestrichen und es dem individuellen Zusam- men Bundesausschuss den Spielraum zu geben, die menspiel von Krankenhäusern und Ärzten überlas- Einzelregelungen zur Zweitmeinung festzulegen, sen wird, das zu organisieren. noch ergänzt werden. Es wird viele Sachen geben, bei denen es nicht ohne Arzt-Patienten-Kontakt SV Dr. Andreas Gassen (Kassenärztliche Bundes- geht, aber es gibt auch Situationen, bei denen ist vereinigung (KBV): Grundsätzlich halten wir die die verhältnismäßige und sachgerechte Lösung Regelung für sinnvoll und denken auch, dass das eine Verbesserung bringen wird. Ob das reicht,

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Nur zur dienstlichen Verwendung muss man schauen. Ich denke, es ist entscheidend, 8 Jahren das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz im dass das Sektorenübergreifende bei den Aus- und Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. Dort sind Weiterbildungen von den jungen Kolleginnen und die Regelungen, die wir heute im Vertragswettbe- Kollegen gelernt und erlebt wird, damit man auch werb vorfinden, vorgezeichnet. Das war das zent- den Bedarf für das Entlassmanagement der jeweils rale Gesetzgebungswerk der letzten großen Koali- anderen Sektoren kennt, aber ich denke es ist zu- tion im Gesundheitswesen. Damit wurde der Ge- mindest ein guter Einstieg. Da haben wir aber noch sundheitsfonds, die heutige Organisationsstruktur einiges inhaltlich beizusteuern, damit die Grund- des Morbi-RSA und auch der Vertragswettbewerb züge und Grundsätze des Entlassmanagements in- eingeführt. Damals, das können Sie auch in der Ge- ternalisiert werden. setzesbegründung nachlesen, wurde in der ambu- lanten Versorgung die Schiene für die Weiterent- ESV Christopher Hermann: Das Entlassmanage- wicklung in den Bereich Wettbewerb für Selektiv- ment ist in § 39 SGB V schon länger verankert, aber verträge gelegt. Deswegen ist es umso überraschen- es klappt nicht. Deswegen ist der Gesetzgeber auf- der, dass diese Freiräume im Gesetzentwurf, der gerufen, dieses zumindest in groben Zügen, so wie angibt, dass man den Wettbewerb weiter ausbauen es jetzt im Gesetzentwurf in § 39 Absatz 1a SGB V will, nicht erhalten bleiben. Die Fokussierung auf neu verankert ist, nach vorne zu bringen. Es wird den Aufbau einer alternativen Regelversorgung von mir ausdrücklich begrüßt. Der Anspruch auf wird beendet und die Selektivverträge für die Über- Unterstützung durch die Krankenkassen ist natür- nahme von Experimenten in das Kollektivsystem lich wichtig. Krankenkassen sind Sachwalter ihrer im Kern auf eine Nischen- und Vorbereitungsfunk- Versicherten und besonders dann, wenn sie Patien- tion eingegrenzt. Wir haben heute, insbesondere im ten sind. Insofern ist hier auch das Zusammenspiel § 73b und § 73c SGB V, weitreichendste Abwei- der Beteiligten, nicht nur zwischen Krankenhaus, chungsregelungen, insbesondere was die Leistung niedergelassenen Ärzten oder Pflegeeinrichtungen, betrifft. Wir können heute, und das machen wir in sondern eben auch das Zusammenspiel mit einer Baden-Württemberg auch sehr breit, vom Leis- Krankenkasse, die einen starken sozialen Dienst tungsspektrum abweichen, solange der G-BA die hat, wie die Krankenkasse, der ich vorstehe, ange- Leistung nicht explizit ausgeschlossen hat. Dies zeigt. Weniger sinnvoll finde ich, dass die Richtli- wird jetzt auf innovativ festgesetzte Leistungsteile nien, die im Weiteren über den G-BA zu erlassen eingegrenzt. Weitere Leistungen können nicht mehr sind, auf regionaler Ebene keinerlei Spielräume für frei vereinbart werden. Und für die Weiterentwick- das bereithalten, was die regionalen Vertrags- lung der fachärztlichen Selektivversorgung gibt es partner tatsächlich vereinbaren sollten und könn- keine Möglichkeit mehr, vom traditionellen Zulas- ten, weil sie die Versorgungssituation regional sungs- und Ermächtigungsrecht abzuweichen. deutlich besser beurteilen können als die Zentrale Auch das machen wir aus Sicherstellungsgründen in Berlin. Insofern sollte eine Regelungskompetenz in Selektivverträgen in Baden-Württemberg, etwa auf regionaler Ebene implantiert werden. wenn wir Kinder- und Jugendpsychotherapeuten eine Zweitpraxisgenehmigung in einem in der Re- Abg. Dr. (SPD): Ich habe zwei gelversorgung gesperrten Gebiet erteilen, weil wir kurze Fragen an den Einzelsachverständigen Her- in der Selektivversorgung sehen, dass die Versor- mann. Was halten Sie von den jetzt vorgesehenen gung damit gesichert werden kann. Der Sicherstel- Regelungen für den Vertragswettbewerb? Wird das lungsauftrag als solcher, und das ist das zentrale den Vertragswettbewerb deutlich fördern und er- Thema, bleibt in der Neuregelung alleine für den leichtern? Und zum zweiten: Wir haben neue Vor- Hausarztbereich im § 73b SGB V explizit geregelt. schläge zu den Untersuchungs- und Verhandlungs- Er wird ansonsten ausgehebelt. Er erscheint nicht methoden gemacht. Sind diese zielführend und mehr in § 940a SGB V, wo die Selektivverträge ge- wird das die Versorgung verbessern? bündelt werden. Vom Sicherstellungsauftrag und der Übernahme ist keine Rede. Die Begründung ist sehr schlicht. Sie sagt, das ergebe sich aus der Sys- ESV Christopher Hermann: Der Vertragswettbe- tematik von Selektiv- und Kollektivvertrag. Das ist werb ist so ein Ding, um es einmal so zu sagen. eine steile These. Wir haben Selektivverträge. Den- Heute haben wir insofern einen interessanten Tag, ken Sie an Modellversuche, denken Sie an die als der 25. März der Tag ist, an dem vor genau

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DMP-Verträge (Disease-Management-Programm- das keine einfache Maßnahme wäre, weil die Fi- Verträge). Die sind selektiv zu vereinbaren und es nanzierungsverantwortung nicht bei allen Partnern, hat noch nie jemand daran gedacht, dass damit der die dort zu versammelt sind, liegt. Wir sehen aller- Sicherstellungsauftrag auf die Vertragsschließen- dings eine Reihe von Notwendigkeiten und Chan- den übergehen würde. Dies ist insofern eine sehr cen. Denken Sie an die sektorenübergreifende Be- weit hergeholte These und es wird auch im Gesetz darfsplanung, die wir jetzt nicht haben. Wir haben anders geregelt, nämlich in der hausarztzentrierten eine vollkommen getrennte Bedarfsplanung im am- Versorgung, die isoliert als § 73b vorne in dem ent- bulanten und im stationären Bereich. Es muss je- sprechenden Sicherstellungsparagrafen des SGB V manden geben, der das zusammen führen könnte. übrig bleibt. Deshalb kann ich die Frage, ob der Das könnten die § 90a-Gremien sein. Wir könnten Vertragswettbewerb wirklich weiterkommt, nur uns auch vorstellen, dass diese eine Rolle überneh- verneinen. Selektivverträge bekommen keine nach- men, wenn insbesondere die ambulante Sicherstel- haltige Förderung. Bei den Neuen Untersuchungs- lung versagt. Wenn die KVen es nicht mehr schaf- und Behandlungsmethoden (NUB) geht es vor al- fen sollten, die Versorgung sicherzustellen, haben lem um Eingriffe mit neuen Untersuchungs- und wir vorgeschlagen, den Versorgungsauftrag nicht, Behandlungsmethoden unter Einsatz von Medizin- wie es jetzt im Gesetz vorgesehen ist, den Kassen, produkten hoher Risikoklassen im Krankenhaus. sondern den Ländern zu übertragen. Dann sollte Das ist ein Einstieg, den man unbedingt begrüßen ein Instrument erprobt werden, das bisher in muss und der grundsätzlich die richtige Richtung Deutschland, zumindest in diesem Bereich, noch beschreibt. Nur in der Regelung – im Kabinettent- nicht zur Anwendung gekommen ist, nämlich die wurf – übrigens eine andere als im Referentenent- Ausschreibungen. Dann könnte regional eine sekto- wurf – gibt es so viele Ausnahmen, dass letztlich renübergreifende Ausschreibung die Versorgung er- kaum noch etwas übrig bleibt, was für die Neue möglichen. Hier könnte das § 90a-Gremium eine Nutzenbewertung, die der G-BA auf den Weg brin- Rolle spielen. Wenn man sich weiter vorstellt, dass gen soll, übrig bleibt. Insofern sollte man sehr ge- Versorgung vor Ort stattfindet und die Kommunen nau schauen, ob dies tatsächlich sinnhaft ist. Sie – soweit sie das von ihrer Leistungsfähigkeit her könnten mit den restriktiven Regelungen, die Sie in können – eine stärkere Rolle übernehmen und sich das Gesetz aufnehmen wollen, noch nicht einmal auch finanziell engagieren, wäre das aus meiner den PIP-Brustimplantate-Skandal aufrollen. Es Sicht eine weitere Legimitation dafür, dass sie in wäre damit genauso wenig zu entsprechenden Stu- einem solchen Gremium mitwirken. Das ist die dien gekommen, wie das aktuell der Fall ist. grobe Richtung. Man müsste sich im Detail sehr ge- nau überlegen, wie man das gestaltet. Zurzeit sind Abg. (SPD): Ich habe eine Frage an die Gremien ein zahnloser Tiger und können im den Einzelsachverständigen Herrn Prof. Dr. Gerlach Grunde nicht das leisten, was von ihnen erwartet und an Herrn Freese von den Kommunalen Spit- wird. zenverbänden. Ich will noch einmal anknüpfen an das was Sie, Herr Prof. Dr. Gerlach, eingangs gesagt SV Jörg Freese (Deutscher Landkreistag): Auch wir haben. Sie haben festgestellt, das Gesetz gehe in die sehen gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Hin- richtige Richtung, wir hätten aber mutiger sein kön- blick auf die Mitwirkung der kommunalen Landes- nen und sollen. Deshalb frage ich Sie: In welcher verbände in den § 90a-Gremien. Die strukturellen Form müssten z. B. die Landesgremien nach § 90a Fragen, die sich in den Landkreisen oder ländliche- SGB V weiterentwickelt werden, damit sie ihrer ren Gegenden und in den dichter besiedelten Ge- Aufgabe einer sektorenübergreifenden Versorgungs- genden sehr unterschiedlich entwickeln, werden planung gerecht werden könnten? Besteht gesetzge- immer wichtiger. Die Fragen, die sich stellen, müs- berischer Handlungsbedarf oder besteht lediglich sen unterschiedlich beantwortet werden. Sie kön- ein Umsetzungsdefizit in den Ländern? nen auf Landesebene gut oder besser beantwortet werden, wenn die kommunalen Gebietskörper- ESV Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach: Wir haben im schaften über ihre Verbände dort mitwirken. Hier letzten Gutachten empfohlen, die § 90a-Gremien gibt es dringenden Handlungsbedarf. Wir hatten ei- gesetzgeberisch zu stärken. Wir sehen das nicht nur gentlich gedacht, dass die Länder, als § 90a SGB V als Umsetzungsdefizit. Wir sind uns bewusst, dass

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Nur zur dienstlichen Verwendung eingeführt wurde, die kommunalen Verbände ein- helfen. Es gibt ein Modell, das nachweislich funkti- beziehen würden. Dem ist leider längst nicht über- oniert. Das sind die Kompetenzzentren in Baden- all nachgekommen worden. Deswegen brauchen Württemberg und in Hessen. Dort wird dem Nach- wir ein Gremium. Wir brauchen das auch auf Bun- wuchs der Rücken gestärkt. Sie bekommen dort desebene, aber das ist im Moment nicht Gegen- emotionalen und fachlichen Rückhalt. Sie werden stand der Diskussion. Das Gegenargument, dass die in Begleitseminaren und in Mentoring-Gruppen un- Kommunen nicht an der Finanzierung beteiligt terstützt. Es gibt ein Train-the-Trainer-Konzept und sind, stimmt in den meisten Ländern nicht. Die es gibt Evaluations- und Qualitätssicherung. Men- Kommunen beteiligen sich in vielen Ländern mit toren und Dozenten werden geschult. Seitdem wir etwa 40 Prozent an der Krankenhausinvestitions- das, verbunden mit regionalen Weiterbildungsver- förderung, indem die Länder Geld von den Kom- bünden, die eine nahtlose Rotation durch Klinik munen einziehen, das sie dann an die Krankenhäu- und Praxen erlauben, praktizieren, steigen die ser ausgeben. Dass wir nicht zur Finanzierung des Nachwuchszahlen drastisch. Stellen Sie sich vor, Systems beitragen, stimmt in den meisten Ländern wir haben im Augenblick zwei Drittel bis drei Vier- nicht. tel junger Ärztinnen, die ein attraktives Angebot suchen, das ihnen den Rücken stärkt. Sie wollen Abg. (SPD): Die Frage richtet sich sich nicht als Einzelkämpfer durchwurschteln. Ge- an Herrn Prof. Dr. Gerlach und an den Deutschen nau das wird hier geleistet. Wenn wir das bundes- Hausärzteverband. Wie bewerten Sie die Regelun- weit umsetzen könnten, würden wir, das ist unsere gen, die wir im Gesetz zur Förderung der Allge- Prognose, wahrscheinlich doppelt so viele Ärzte in meinmedizin im § 75a SGB V getroffen haben und Weiterbildung haben und könnten dann auch die vor allem, haben Sie weitergehende Vorschläge für Ziele, die der Gesetzgeber richtigerweise verfolgt, uns und wenn ja, welche? erreichen. Es ist sehr erfreulich, dass der Spitzen- verband Bund der Krankenkassen diese Maßnahme ESV Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach: Die Förde- trotz ordnungspolitischer Bedenken in seiner Stel- rung der Weiterbildung ist auch nach Auffassung lungnahme unterstützt, wie auch die KBV und die des Sachverständigenrates, der schon mehrfach DKG. Deshalb rege ich an, einen Satz in das Gesetz Vorschläge zu diesem Thema gemacht hat, eine der aufzunehmen, der im Gesundheitsausschuss des wichtigsten Regelungsinhalte dieses Gesetzes. Bundesrates eine Mehrheit gefunden hat, im Ple- Ohne den Nachwuchs, den wir dringend brauchen, num aber leider nicht. Es geht um eine Regelung, um die Bevölkerung in der Fläche zu versorgen, die in der jetzigen Begründung schon enthalten ist können wir viele andere Dinge, die in diesem Ge- und in § 75a Absatz 4 nach Satz 2 folgen könnte. setz geregelt werden sollen, nicht umsetzen. Die Ich zitiere: „Dabei sollen für den Aufbau und die Regelungen, die jetzt vorgesehen sind, sind gut. Sie Organisation von Einrichtungen zur Sicherstellung sind ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. der Qualität und Effizienz der Weiterbildung bis zu Es sollen statt bisher mindestens 5.000 zukünftig fünf Prozent der Fördermittel vorgesehen werden“. mindestens 7.500 Ärzte in der Weiterbildung zum Das wäre ein kostenneutraler Vorschlag. Es sind Facharzt für Allgemeinmedizin gefördert werden. keine zusätzlichen Mittel erforderlich, da die Mittel Man muss nur wissen, dass diese Zahl von 5.000 schon jetzt nicht ausgeschöpft werden. Wenn man niemals erreicht wurde. Wir haben 2013, bezogen will, dass der ganze Paragraf funktioniert, muss die auf Vollzeitstellen, gerade mal 2.500 Stellen geför- Attraktivität und Qualität verbessert werden. Es dert, vielleicht sind es jetzt 3.000. Es gibt schon gibt kein besseres Konzept. Es ist übrigens auch jetzt ein Umsetzungsdefizit. Es nützt nichts einen kein Angriff auf Ärztekammern, da keinerlei Rege- Anspruch hochzusetzen, wenn man den Nach- lungsinhalt vorgesehen ist, der die Ärztekammern wuchs nicht hat. Deshalb halten wir es für drin- betrifft. Es geht um zusätzliche Maßnahmen, die er- gend erforderlich, die Attraktivität und die Qualität forderlich sind, um mehr Nachwuchs zu gewinnen. der ärztlichen Weiterbildung im Fach Allgemein- Deshalb möchte ich anregen und das stimmt mit medizin zu verbessern. Es gibt eine ganze Reihe den Empfehlungen des letzten Gutachtens überein, von Hürden, die die Nachwuchsärztinnen und - dass man diese Förderung, die der Gesundheitsaus- ärzte überwinden müssen. Dabei müssen wir ihnen schuss des Bundesrats beschlossen hat, in das Ge-

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Nur zur dienstlichen Verwendung setz aufnimmt. Ich halte das für eine Schlüsselmaß- aufwendiger in der Umsetzung ist. Man muss dazu nahme zur Lösung des Nachwuchsproblems. wissen, dass es z. B. in den Niederlanden eine sol- che Lösung gibt. Der Vorteil ist, dass dann ver- SV Ulrich Weigeldt (Deutscher Hausärzteverband schiedenste Dinge, die jetzt auf 17 Kassenärztliche e. V.): Ich kann mich dem nahtlos anschließen. Wir Vereinigungen und 17 Ärztekammern und diverse begrüßen es außerordentlich, dass diese Regelun- Länder verteilt sind, in einer Hand wären. Das ist gen so dezidiert getroffen worden sind. Um Zeit zu eine verlässliche, qualitativ hochstehende Förde- sparen, will ich den Absatz nicht noch einmal vor- rung der Allgemeinmedizin. Da es sich dabei nach tragen. Wir würden als Hausärzteverband genau Auffassung des Sachverständigenrates um eine na- diesen Ansatz unterstützen. Es geht auch nicht da- tionale Aufgabe handelt, die in ihrer Bedeutung, rum, den Ärztekammern Kompetenzen in der Wei- was die Qualität und Kosteneffizienz der zukünfti- terbildung streitig zu machen. Aber es ist wichtig gen Versorgung der Bevölkerung angeht, vielleicht eine gemeinsame Weiterbildung zu fördern und da- noch gar nicht erkannt worden ist muss man alle mit etwas gegen die Vereinzelung derer, die in Pra- Anstrengungen unternehmen, um dieses Ziel zu er- xen Weiterbildung betreiben und die im Gegensatz reichen. Wir haben jetzt im Augenblick das Prob- zu denen, die im Klinikverbund unter Kollegen lem, dass nur jeder zweite Hausarzt, der aus Alters- sind, keine Gelegenheit haben sich auszutauschen. gründen ausscheidet, einen Nachfolger findet. Im Übrigen ist es auch für die Qualitätsverbesse- 90 Prozent der Facharztabschlüsse in Deutschland rung der Weiterbildungsstellen nicht ganz unerheb- finden im spezialistischen Bereich statt. Das muss lich, dass die Weiterzubildenden sich austauschen nicht so sein. Wir wissen aus der neuesten Befra- und Kommunikation stattfindet. Insofern begrüßen gung von über 11.000 Medizin-Studierenden, dass wir es außerordentlich, dass Kompetenzzentren im 34,5 Prozent aller Medizin-Studierenden sich für Bereich der neu zu schaffenden und vorhandenen das Fach „Allgemeinmedizin“ interessieren. Das Institute und Lehrstühle für Allgemeinmedizin ge- war Platz 2 nach allen anderen Fächern und schaffen werden sollen. Wir begrüßen auch den 5,2 Prozent mehr als in einer Befragung aus dem Ansatz, den Standard anderer Länder zu erreichen, Jahr 2010. Das heißt, das Interesse ist da. Mehr als dass an jeder medizinischen Fakultät die Allge- ein Drittel der Medizinstudenten kann es sich vor- meinmedizin als wichtigstes Fach für die Primär- stellen, Allgemeinmediziner zu werden. Es machen versorgung, gelehrt werden soll. Insofern halten wir aber nur 10 Prozent diese Weiterbildung. Wir müs- diese Regelung im Gesetzesentwurf für ausgespro- sen deshalb die Strukturen herstellen und die At- chen positiv und glauben, dass wir hier eine Trend- traktivität und Qualität sicherstellen, um diese Lü- wende einleiten können, was die hausärztliche cke zu schließen. Das ist absolut realistisch und zu Versorgung in unserer zunehmend chronisch kran- schaffen. Die Verbindung aus Kompetenzzentren keren und multimorbideren Bevölkerung angeht. und Förderung der Aus- und Weiterbildung über eine Stiftung wäre genau die Lösung, von der wir Abg. Bettina Müller (SPD): Ich habe eine Frage an aus internationalen Erfahrungen und lokalen Pro- Herrn Prof. Dr. Gerlach und an Frau Feldmann von jekten in Deutschland wissen, dass sie funktionie- der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und diese ren würde. Deshalb eine klare Antwort: Ja, das ist betrifft ebenfalls die Weiterbildungsstellen. In der sinnvoll. Ob man das mit dem jetzigen Gesetz Begründung des Gesetzes zur Aufstockung der Wei- schafft, wage ich zu bezweifeln. Das wäre der große terbildungsstellen wird explizit auf die Möglichkeit Schritt, die Förderung der Kompetenzzentren wäre einer auch zentralen Verwaltung der Mittel auf das minimale kleinere Ziel, das man jetzt erreichen Bundes- oder Landesebene sowie auf geeignete For- könnte. men der Evaluation hingewiesen. Auch der Bun- desrat hat hierauf in seiner Stellungnahme Bezug SV Regina Feldmann (Kassenärztliche Bundesver- genommen. Wie bewerten Sie diese Vorschläge, ge- einigung (KBV)): Herr Prof. Dr. Gerlach hat schon rade auch vor dem Hintergrund positiver Erfahrung die wesentlichen Dinge genannt. Einen Aspekt mit Stiftungslösungen in KV-Regionen? möchte ich noch hinzufügen. Es gibt im Augen- blick durch die 17 verschiedenen Regelungsmög- ESV Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach: Das ist ein lichkeiten, die in 17 verschiedenen KVn zur Um- sehr sinnvoller Vorschlag, auch wenn er wesentlich setzung des Förderprogramms „Allgemeinmedizin“

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Nur zur dienstlichen Verwendung existieren, immer wieder ein Problem. Wenn ein und anderes. In diesen Fällen müssen die Patien- junger Arzt von einem Land zum anderen wechseln tinnen und Patienten die Kosten selber tragen. Kön- möchte, gibt es dort keine Förderstelle im Haushalt nen Sie uns die Problematik ganz kurz skizzieren und damit werden die Weiterbildungsgänge unter- und vor allem sagen, welche Lösungsvorschläge Sie brochen. Wir erleben das immer wieder. Herr Prof. haben? Gerlach hat bereits darauf hingewiesen, dass wir uns das im Augenblick gar nicht leisten können. SV Dr. Ilona Köster-Steinebach (Verbraucherzent- Wir haben eine riesengroße Not, die Stellen über- rale Bundesverband (vzbv)): Tatsächlich erreichen haupt zu besetzen und es werden nicht alle besetzt. uns zahlreiche Berichte von betroffenen Versicher- Wenn es uns gelingen könnte diese Hürden abzu- ten, die aus dem Krankenhaus entlassen und dann bauen und die 30 Prozent Interessierten, die durch- in eine Kurzzeitpflege, die prinzipiell im SGB XI aus Allgemeinmediziner werden würden, zu moti- angesiedelt ist, übergeleitet werden. Es kommt vieren diese Weiterbildung aufzunehmen, wäre das dann später manchmal zu einer einstufigen, oft sehr positiv. Eine zentrale Stiftungslösung hat den aber zu einer zweistufigen Begutachtung. Erst nach Vorteil, dass die Bedingungen für alle gleich sind. Aktenlage, dann im persönlichen Kontakt durch Es ändert sich nichts an der Finanzierung. Die Gel- den Medizinischen Dienst der Krankenkassen der, die jetzt schon im Förderprogramm „Allge- (MDK). Wenn dann keine Pflegestufe bescheinigt meinmedizin“ auch durch die Ärzte zur Verfügung wird, und die Pflegestufe richtet sich auch nach gestellt werden, würden gleich bleiben. Sie würden dem Pflegebedarf des Patienten innerhalb der nur in dieser zentralen Stiftungsregelung unterge- nächsten sechs Monate, ist es häufig so, dass die bracht und von dort aus verteilt werden können. Versicherten die Kosten für die bis dahin erbrachte Ein zweiter Aspekt ist, dass wir bundesweit ein- Kurzzeitpflege aus eigener Tasche zahlen müssen. heitliche Qualitätsanforderungen an Kompetenz- Dazu hätten wir zwei Lösungsvorschläge. Zum ei- zentren, an Weiterbildungsverbünde erstellen nen sollte gesetzlich festgelegt werden, dass für die könnten, die sicherstellten, dass überall im Bun- Zeit, die bis zur Begutachtung durch den MDK ver- desgebiet eine hochqualifizierte Weiterbildung geht, keine Rückforderung von Geldern bei den stattfinden kann. Das ist im Augenblick leider nicht Versicherten anfallen, denn die Versicherten haben der Fall, weil es Kompetenzzentren, die nachweis- keinen Einfluss darauf, wann diese Begutachtung lich zu einem enormen Schub der Weiterbildung stattfindet. Noch besser wäre allerdings, wenn es „Allgemeinmedizin“ geführt haben, nur in den zu einer kurzzeitigen Überbrückungspflege auf der Ländern gibt, die Geld in die Hand nehmen und Grundlage des SGB V käme, denn der Versorgungs- die Overheadkosten, also die Strukturkosten über- bedarf ergibt sich mit der Entlassung aus dem Kran- nehmen. Wir haben in einer Erhebung festgestellt, kenhaus und wird dort festgestellt. Wir müssen uns dass 38 Prozent aller in Weiterbildung zum Allge- der Tatsache stellen, dass Menschen aus dem Kran- meinmediziner befindlichen Ärzte sich in den Län- kenhaus entlassen werden, die sich noch nicht al- dern Baden-Württemberg, Hessen und Bayern be- lein zu Hause versorgen können. Die Regelungen finden. Dort gibt es diese gut ausgebildeten Kompe- der häuslichen Krankenpflege sind derzeit nicht tenzzentren, an denen 38 Prozent aller Weiterbil- ausreichend, weil sie sich ausschließlich auf das dungsassistenten ihre Weiterbildung durchführen. häusliche Umfeld beziehen und keine stationäre Das hilft uns in der flächendeckenden Umsetzung Versorgung ermöglichen. Deshalb wäre ein neuer nicht. Das benötigen wir in ganz Deutschland. Leistungsanspruch im SGB V die sinnvollste Lö- sung. Wir würden allerdings dafür plädieren, an Abg (SPD): Meine Frage geht zum dieser Stelle eine Evaluation und eine Qualitätssi- Entlassmanagement und richtet sich an den Ver- cherung des Entlassmanagements der Krankenhäu- braucherzentrale Bundesverband, die Deutsche ser mit anzuschließen, weil dieses nach unseren Er- Krankenhausgesellschaft und den Caritasverband. fahrungen qualitativ sehr unterschiedlich ausfällt. Sie berichten in Ihren Stellungnahmen, dass es bei der Überleitung aus der stationären Behandlung in SV Georg Baum (Deutsche Krankenhausgesell- die Kurzzeitpflege häufig zu Problemen kommt, als schaft (DKG)): Auch in den Krankenhäusern wird da wären: vorläufige Bescheide, Gewährung von gesehen, dass Patienten nicht nach Hause entlassen Kurzzeitpflege, Widerruf der Leistungsgewährung

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Nur zur dienstlichen Verwendung werden können, weil sie eine Kurzzeitpflege benö- in erster Linie an den ökonomischen Anreizen tigen. Wenn es nicht gelingt, die gesamte Begutach- durch die unterschiedlichen Vergütungssysteme. tung für die Berechtigung nach § 11 SGB V wäh- Da reagieren offensichtlich viele Ärztinnen und rend des Krankenhausaufenthalts durchzuführen, Ärzte auf die gesetzten Anreize. Aus meiner Sicht kommt es zu den gerade beschriebenen Rückkopp- wäre eine Angleichung der Vergütungsregelung lungen. Eine solche Begutachtung ist aber nicht im- notwendig, um diese Anreize zu neutralisieren. Das mer möglich. Deshalb würden auch wir es für sinn- wird realistischer Weise nur in einer Bürgerversi- voll halten, wenn das in den § 37 SGB V integriert cherung funktionieren oder wäre nur in einer sol- würde, damit es gesicherter Bestandteil der häusli- chen umsetzbar. Umgekehrt bedeutet es, wenn an chen Krankenpflege im Nachgang zur Kranken- diesen Rahmenbedingungen nichts geändert wird, hauspflege wird. sind die Terminservice-Stellen aus meiner Sicht weiße Salbe. Schaden nichts, nutzen aber auch SVe Dr. Elisabeth Fix (Deutscher Caritasverband e. nicht viel. Ähnlich ist die Situation bei der Bedarf- V.): Ich kann mich meinen Vorrednern anschlie- splanung, dort allerdings noch deutlich differen- ßen. Die Problemlage ist korrekt geschildert. Wir zierter. Wir haben bei der Dualität von GKV und haben das Problem seit Jahren beobachten können PKV bisher immer über Nachhaltigkeits- und Ge- und seit Langem vorgeschlagen, die Kurzzeitpflege rechtigkeitsdefizite diskutiert. Hier kommen aber als Krankenhausnachsorge auszugestalten. Konkre- auch die Allokationsdefizite sehr stark zum Vor- ter Vorschlag: Wenn jemand nicht langfristig pfle- schein. Es liegt als Konsequenz der unterschiedli- gebedürftig im Sinne des SGB XI ist, aber Kurzzeit- chen Vergütungssysteme die Annahme nahe, dass pflege als Krankenhausnachsorge in Anspruch neh- sich Ärztinnen und Ärzte vor allen Dingen in sol- men muss, sollte der entsprechende Leistungsan- chen Regionen niederlassen, in denen der Anteil spruch, der im SGB XI entsteht, über einen Aus- der Privatversicherten besonders hoch ist. Dazu gleichsbetrag aus dem SGB V refinanziert werden. gibt es inzwischen auch sehr interessante Empirie. Ein Prozent mehr Privatversicherte bedeutet in ur- Abg. Harald Weinberg (DIE LINKE.): Ich möchte banen Regionen dreimal so viele Ärzte pro 100.000 meine Frage an Herrn Prof. Dr. Greß und an die Einwohner, in ländlichen Regionen zweimal so Bundespsychotherapeutenkammer, Herrn Prof. Dr. viele Ärzte pro 100.000 Einwohner zusätzlich. Bei Richter, stellen. Es geht in unserem Antrag um die den Hausärzten ist der Effekt deutlich geringer. „Abschaffung der privaten Krankenvollversiche- Diese unterschiedlichen Vergütungen erschweren rung“. Können Sie uns erläutern, inwiefern die Ab- eine bedarfsgerechte Versorgung für die Versicher- schaffung der privaten Krankenversicherung (PKV) ten und erhöhen die Gefahr, dass durch den herr- zentrale Ziele des Versorgungsstärkungsgesetzes, schenden ökonomischen Druck das grundsätzlich beispielsweise Wartezeiten oder die räumliche Ver- sinnvolle Nachbesetzungsverbot ins Leere läuft und teilung der Arztpraxen, befördern könnte und wa- der beabsichtigte Sinn, die schon angesprochene rum die Anliegen des Gesetzes bei Weiterbestehen Umverteilung der knappen Ressource Arzt/Ärztin der PKV eher behindert würden? aus städtischen in ländliche Regionen nicht er- reicht wird. ESV Prof. Dr. Stefan Greß: Ich fange bei den Ter- minservice-Stellen an. Da war der Ansatzpunkt der Abg. Birgit Wöllert (DIE LINKE.): Meine Frage geht Bundesregierung in der Gesetzesbegründung, dass an Frau Dr. Fix vom Caritasverband. Wir fordern in Kassenpatienten über teilweise, ich zitiere „sehr unserem Antrag zur Veränderung der Bedarfspla- lange Wartezeiten beim Facharzt“ berichten wür- nung, dass diese endlich auf eine fundierte Daten- den. Das ist richtig, greift aber aus meiner Sicht zu basis gestellt werden muss, da die heutigen Ver- kurz, weil sie, und dazu gibt es inzwischen eine ge- hältniszahlen nur wenig über die tatsächliche Ver- sättigte Empirie, vor allen Dingen über unterschied- sorgungssituation vor Ort aussagen. Sie haben, als lich lange Wartezeiten berichten, wenn es um GKV- einer der wenigen Verbände, direkt dazu Stellung und PKV-Versicherte geht. Das reicht, je nach Stu- genommen. Wie schätzen Sie diese Situation ein? die und Studiendesign, von durchschnittlich zehn Ich bitte Sie auch die Frage zu beantworten, wa- bis zu 20 Tagen, mit sehr großen Variationen bei rum es bisher keine Modellvorhaben nach § 63 Ab- einzelnen Facharztdisziplinen. Das liegt natürlich satz 3c SGB V zur selbstständigen Ausübung von

18. Wahlperiode Protokoll der 37. Sitzung Seite 17 von 37 vom 25. März 2015

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Heilkunde, die durch Pflegekräfte durchgeführt Mittelbereichen kleinräumiger geplant wird, aber wird, gibt und wie Sie die entsprechende Forde- bei der fachärztlichen Versorgung gibt es wenig rung in unserem Antrag bewerten. Veränderungen. Wir brauchen ein anderes System und hier ist meines Erachtens vorzuschlagen, dass Der amtierende Vorsitzende: Ich bitte Sie, noch neben den bisher gängigen Faktoren, die für die Be- eine kurze Weile mit der Antwort zu warten. Ich darfsplanung herangezogen werden, systematisch habe nämlich Herrn Prof. Dr. Richter nicht aufgeru- auch das Geschlecht, die Morbidität und vor allem fen, der auch gebeten wurde, auf die Frage von auch sozio-ökonomische Faktoren herangezogen Herrn Abg. Weinberg zu antworten. werden, also Einkommensverteilung, Arbeitslosig- keit, aber auch der Faktor Pflegebedürftigkeit ange- SV Prof. Dr. Rainer Richter (Bundespsychothera- sichts der alternden Gesellschaft. Des Weiteren peutenkammer (BPtK)): Die Versorgung von privat- auch Mobilitätsfaktoren wie beispielsweise die ma- versicherten Patienten zeigt im Bereich der Psycho- ximale Entfernung zum Haus- oder zum Facharzt. therapie wiederum Besonderheiten auf. Es gibt Insgesamt brauchen wir eine Neujustierung des zahlreiche Untersuchungen, die belegen, dass die Systems. Bei der Bedarfsplanung sollten auch die Situation privat Versicherter von vielen Nachteilen Augen- und die Frauenärzte in die Primärversor- gekennzeichnet ist. Das fängt damit an, dass die gung mit einbezogen werden. Das sind eigentlich PKV bei der Aufnahme von Menschen mit psychi- keine Sekundärversorger. Die zweite Frage bezog schen Vorerkrankungen extrem rigide vorgeht. Der sich darauf, dass sich bei § 63 Absatz 3c SGB V zweite, noch gravierendere Nachteil ist, dass die noch keine Modellvorhaben ergeben haben. Sie ha- Leistungen, die ein Versicherter bekommt – in der ben gefragt, was die Gründe sind. Einen Grund gibt Regel hat er den Vertrag natürlich nicht so genau der Gesetzentwurf, allerdings nur sehr zaghaft an, gelesen – ungefähr 70 bis 80 Prozent unter dem Ni- nämlich die curriculare Entwicklung. Der G-BA veau der GKV liegen. Das führt dann zu entspre- kann, muss aber keine standardisierten Ausbil- chenden Problemen in der Versorgung dieser Pati- dungsmodelle entwickeln. Da hätten wir uns etwas enten, die damit rechnen, dass sie zumindest das- mehr Mut gewünscht. Es könnte zumindest eine selbe Niveau an Leistungen haben wie Kassenpati- Hürde genommen werden, wenn die Curricularent- enten. Es gibt in dem Bereich, ich habe ein neues wicklung endlich stattgefunden hätte. Weitere Hür- Wort von Herrn Baum gelernt, monetäre Störungen. den bestehen aber darin, dass die Modellvorhaben Wir versuchen Patienten darüber zu informieren, mit äußerst großem bürokratischem Aufwand ver- aber natürlich auch mit den Versicherungen ins Ge- bunden sind. Außerdem gibt es auch wirtschaftli- spräch zu kommen, dass sie die Benachteiligung che Unsicherheiten bezüglich der Vergütung, die von psychisch Kranken in ihren Verträgen revidie- diese Kräfte hinterher auf dem Markt erzielen kön- ren oder reduzieren. nen. Nicht zuletzt hat der Gesetzgeber in Bezug auf die Ausgestaltung der Richtlinie einfach zu wenig Vorgaben gemacht. In der Richtlinie sehe ich zu- Der amtierende Vorsitzende: Danke schön, Herr mindest zwei weitere Hürden, die hier noch zu be- Prof. Dr. Richter. Dann kommen wir jetzt zu den nennen wären, nämlich der weiterhin bestehende Antworten auf die beiden Fragen von Frau Abg. Überweisungsvorbehalt des Arztes, der eigentlich Wöllert an Frau Dr. Fix. verhindert, dass eigenständig Heilkunde ausgeübt werden kann. Zweitens gebe es die Unsicherheit, SVe Dr. Elisabeth Fix (Deutscher Caritasverband e. auf welche Krankheitsbilder sich die Ausbildung V.): Zunächst zur Bedarfsplanung: Ich glaube, es beziehen kann. Es werden Diabetes mellitus I und gibt wahrscheinlich in diesem Raum nur wenige, II, Bluthochdruck, Demenz und chronische Wun- oder niemanden, der der Auffassung ist, dass die den genannt. Es ist aber zum Beispiel nicht klar, ob gegenwärtigen Verhältniszahlen die Unter- und sich die Ausbildungsinhalte nun auf all diese Überversorgung oder das Versorgungsgeschehen Krankheitsbilder beziehen oder nur auf eines. Das korrekt abbilden. Die gestern erschienene Studie sind reichlich viele Unklarheiten. Wir wünschen der Bertelsmann-Stiftung „Faktencheck-Gesund- uns dringend, dass hier auch gesetzgeberisch und heit“ hat dies erneut nachgewiesen. Es haben sich nicht nur im Bereich der Richtlinie nachjustiert zwar einige positive Änderungen ergeben, insbe- wird. sondere bei der hausärztlichen Planung, wo jetzt in

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Abg. (DIE LINKE.): Wir können die Nutzungsbewertung von Hochrisikomedizin- gleich bei Frau Dr. Fix weitermachen. Mich würde produkten. Nur jene Produkte sollen zur Bewertung interessieren, wie Sie die Behandlungszentren für freigegeben werden, die ein neues, theoretisch-wis- Menschen mit Behinderungen im Hinblick auf senschaftliches Konzept aufweisen. Wie bewerten Versorgungsqualität und auch vor dem Hintergrund Sie diese Einschränkung? der UN-Behindertenrechtskonvention bewerten. SV Prof. Jürgen Windeler (Institut für Qualität und SVe Dr. Elisabeth Fix (Deutscher Caritasverband e. Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)): V.): Der Deutsche Caritasverband und sein Fachver- Zunächst muss man sagen, dass mit diesem Schritt band CBP (Caritas Behindertenhilfe und Psychiat- ein eklatantes Regelungsdefizit im Vergleich zu den rie e. V.) haben sich seit Jahren dafür eingesetzt, Arzneimitteln angegangen wird. Der Schritt ist erst dass solche medizinischen Behandlungszentren für einmal sehr sinnvoll und sehr wichtig. Sie haben geistig behinderte Menschen und für Menschen mit aber Recht. Es gibt eine ganze Reihe von Einschrän- schweren Mehrfachbehinderungen geschaffen wer- kungen und Relativierungen, die bis dahin gehen, den, wenn Menschen nicht im Regelsystem behan- dass eine wesentliche Richtlinie im Gesetz gar delt werden können. Das ist bei sehr komplexen nicht erwähnt wird. Das könnte man aber nachho- Krankheitsbildern, wenn die Menschen hohe Kom- len. Dieses theoretisch-wissenschaftliche Konzept munikationshürden haben und schwere Verhal- geht auf einen juristischen Begriff zurück, der dann tensstörungen, der Fall. Von daher sind wir sehr in der Rechtsverordnung ausgestaltet werden muss. dankbar, dass § 119 Absatz 10 SGB V nun vorsieht, Ich kann sagen, was ein Verfahren mit einem neuen solche Behandlungszentren nicht nur für Kinder, theoretisch-wissenschaftlichen Konzept ist. Ich sondern auch für erwachsene Menschen zu schaf- nehme mal ein Beispiel, das alle kennen. Wenn ich fen. Wir sind hier vollkommen im Einklang mit der Stents am Herzen einsetze, um die Gefäße zu erwei- UN-Behindertenrechtskonvention, die in Artikel tern, dann wäre es ein neues wissenschaftliches 26b ausdrücklich vorsieht, dass die Gesundheits- Konzept, wenn ich an diese Stents ein Medikament versorgung auch Menschen mit speziellen Behinde- anhänge. Das ist nicht das Gleiche, wie ein norma- rungen zugänglich gemacht werden soll. Denn um ler Stent. Genauso wäre es ein neues wissenschaft- diesen Personenkreis handelt es sich. Für den liches Konzept, wenn ich diesen Stent nicht im Deutschen Caritasverband möchte ich nachdrück- Herzen, sondern im Kopf, bei Hirngefäßen, einset- lich betonen, dass uns am Ausbau des Regelsys- zen würde. Zwar ist das eine ein Stent und der an- tems sehr gelegen ist. Das Gesundheitswesen ist bei dere auch, aber die Mediziner würden sagen, das Weitem noch nicht barrierefrei, weder fachlich, sind zwei sehr unterschiedliche Indikationen. Ich noch personell oder räumlich. Hier ist dringender glaube, man wird bei dieser Festlegung aufpassen Handlungsbedarf gegeben. Die Zentren sollen für müssen. Die Differenzierungen zwischen Sprung- uns die Ausnahmen bleiben. Die Regelversorgung und Schrittinnovation helfen nicht so richtig wei- muss barrierefrei gestaltet werden. Die Zentren ter, denn es würde nur ein unscharfer durch einen können allerdings eine wichtige Funktion entfal- anderen unscharfen Begriff ersetzt. Man wird hier ten, indem sie auch als Kompetenzzentren in die sehr aufpassen müssen. Herr Hermann hat bereits Regelversorgung ausstrahlen, weil eben behinder- darauf hingewiesen, dass man diesen sehr wichti- tenspezifisches, gesundheitsbezogenes Wissen in gen Schritt und die sehr wichtige geöffnete Tür im die Regelversorgung transportiert wird. Regelungsinhalt nicht zu einer leeren Menge ver- kommen lassen darf, indem man die Einschränkun- Der amtierende Vorsitzende: Danke schön, Frau Dr. gen so erhöht, dass kein Verfahren diese Einschrän- Fix. Wenn man bei dieser Antwort in das Gesicht kung übersteht. von Frau Zinke und Herrn Prof. Seidel geguckt hat, könnte man denken, dass Sie für die Freie Wohl- Abg. Harald Weinberg (DIE LINKE.): Ich möchte fahrtspflege insgesamt gesprochen hätten. noch einmal auf die Selektivverträge zu sprechen kommen und den Verbraucherzentrale Bundesver- Abg. Kathrin Vogler (DIE LINKE.): Meine nächste band fragen. Die Bundesregierung will mit der Stär- Frage richtet sich an das IQWiG und dreht sich um kung von Selektivverträgen den Qualitätswettbe-

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Nur zur dienstlichen Verwendung werb fördern. Inwieweit ist es nach Ihrer Einschät- sprachen vorhin von der hausärztlichen Versor- zung sichergestellt, dass diese Verträge mehr Ver- gung. Ich würde es gern noch auf die fachärztliche sorgungsqualität bringen? Inwiefern hat ein Quali- Versorgung herunterbrechen. Welche Strukturen tätswettbewerb stattgefunden? Wie schätzen Sie die könnten Sie sich in Regionen, die nicht gerade Daten- und Kostentransparenz von Selektivverträ- reich sind und in denen Kommunen kein Versor- gen ein? gungszentrum finanzieren können, um eine sekto- renübergreifende Versorgung, die auch in die am- SVe Dr. Ilona Köster-Steinebach (Verbraucherzent- bulante Versorgung hereinreichen und die nachhal- rale Bundesverband (vzbv)): Zunächst möchte ich tig und zukunftsfest sind, vorstellen? Wie müsste klarstellen, dass es nach unserer Einschätzung im das aussehen und wie müssten die Finanzströme Interesse der Patienten gute Selektivverträge gibt. laufen? Aber das ist nach unserer Erfahrung bei Weitem nicht flächendeckend und vor allem nicht zwin- ESV Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach: Wir haben im gend der Fall. Die Überprüfung der Aufsichtsbehör- letzten Gutachten dazu ausführlich Stellung ge- den erstreckt sich im Wesentlichen auf die Einhal- nommen. Ich würde, so habe ich Ihre Frage ver- tung der Rechtsvorschriften und auf finanzielle As- standen, insbesondere an unterversorgte Regionen pekte. Die Leistungs- und die Verbesserung der denken und für diese Regionen, aber letztlich auch Versorgungsqualität wird nicht überprüft. Im Ge- für die Städte, für ärmere Stadtteile in den Städten, setz und auch im neuen § 140a SGB V steht, dass haben wir lokale Gesundheitszentren zur Primär- mindestens die Anforderung des Kollektivvertrags und Langzeitversorgung vorgeschlagen. Es gibt den erfüllt werden müssen. Einen Nachweis dafür, dass Typ A der von Praxen ausgeht, z. B. einer Gemein- das tatsächlich erfolgt, gibt es aber nicht. Es ist schaftspraxis, einer überörtlichen Berufsaus- auch so, dass die Leistungen, die in Selektivverträ- übungsgemeinschaft oder auch einem medizini- gen erbracht werden, in der gesetzlichen Qualitäts- schen Versorgungszentrum. Wir können uns aber sicherung zum Teil aus rechtlichen Gründen, zum auch einen Typ B vorstellen, der z. B. an ein klei- Teil aufgrund organisatorischer Probleme nicht er- nes lokales Landkrankenhaus andockt, an dem es fasst werden können. Das heißt, wir haben eigent- ein Facharztzentrum und/oder eine Tagesklinik für lich keine Möglichkeit festzustellen, ob die Versor- Geriatrie gibt, wo es einen Pflegedienst und mobile gung dort besser ist. Da die Evaluation der einzel- Dienste gibt. Man muss vor Ort entscheiden, was nen Verträge ganz unterschiedlich, wenn über- ist und was gebraucht wird. Dann kann man etwas haupt, stattfindet, haben wir keine Möglichkeit, die bedarfsgerecht entwickeln. Sie fragten nach den Verträge untereinander zu vergleichen. Daraus lässt Trägern oder Finanzierungsstrukturen. Wir haben sich für uns nur das Fazit ziehen, dass man die generell keinerlei Einschränkungen, was die Träger Qualität der Selektivverträge von außen in der Re- oder die Finanzierung angeht. Wir würden sagen, gel nicht beurteilen kann. Etwas, das man nicht dass es einen Vertragswettbewerb geben sollte. Es sieht, kann auch keine Grundlage für den Wettbe- muss alles möglich sein. Wir sehen auch keinen werb sein. Das ist evident. Dazu möchte ich noch Hinweis darauf, dass man das als Gesetzgeber be- ausführen, dass die Regelungen im § 140a SGB V, schränken müsste. Wir glauben, dass privatwirt- wie sie jetzt stehen, sogar eine Einschränkung der schaftliche Initiativen genauso wertvoll sein kön- Transparenz darstellen, da die Teilnahmeerklärung nen, wie z. B. kommunale oder auch, wenn man es nur noch die relevanten Informationen für Versi- in Deutschland erlauben würde, von Kassen ausge- cherte enthalten. Für Nicht-Teilnehmer dürften hende Initiativen oder auch Eigenbetriebe von diese nicht einmal mehr erhältlich sein. Vor die- Kommunen, die jetzt erlaubt werden sollen. Da sem Hintergrund müssen wir zu dem Schluss kom- würden wir Träger- und Betreibervielfalt und auch men, dass damit der angestrebte Qualitätswettbe- Vertragswettbewerb sehen. Die Beteiligten vor Ort werb nicht erreicht wird, obwohl dies im Interesse müssen ihre Präferenzen umsetzen. der Patienten dringend notwendig wäre. Abg. Kathrin Vogler (DIE LINKE.): Ich habe noch Abg. Birgit Wöllert (DIE LINKE.): Ich habe noch eine Frage an den Paritätischen Wohlfahrtsverband. einmal eine Frage an Herrn Prof. Dr. Gerlach. Sie Bei der besonderen Versorgung sollen im geplanten

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§ 140a SGB V die Pharma- und Medizinproduktein- einen Vorschlag des Bundesrates. Hier sehe ich viel dustrie ebenfalls Vertragspartner der Krankenkas- Ähnlichkeit mit einem Vorschlag aus Ihrer Stel- sen werden können. Wie bewerten Sie das? lungnahme. Wie bewerten Sie diesen Änderungs- antrag des Bundesrates? Inwieweit sehen Sie die SVe Claudia Zinke (Deutscher Paritätischer Wohl- betroffenen KV-Regionen und den dabei im Gesetz- fahrtsverband - Gesamtverband e. V. (DPWV)): Die entwurf hergestellten Zusammenhang zwischen standen auch schon vorher drin und wir haben in Mehrinanspruchnahme und stationärer Behand- der Vergangenheit bereits kritisiert, dass Pharmafir- lung zu Ungunsten der ambulanten Behandlungs- men und Medizinproduktehersteller Vertrags- fälle? partner der integrierten Versorgung werden kön- nen. Aus unserer Sicht finden wir das schwierig, SV Dr. Andreas Gassen (Kassenärztliche Bundes- da es sich um gewinnorientierte Unternehmen han- vereinigung (KBV)): Wie vorhin schon kurz angeris- delt und wir sehen einen Interessenkonflikt, wenn sen, ist der Ansatz, den doch sehr unterschiedli- ein Pharmaunternehmen gleichzeitig Arbeitgeber chen Behandlungsbedarf abzubilden, im vorliegen- eines Arztes ist. Wir sehen die Therapiefreiheit für den Gesetzentwurf, aus unserer Sicht nicht ausrei- die Ärzte eingeschränkt und ich sage am Schluss: chend. Er zielt zwar auf eine Anhebung bei den „Wes‘ Brot ich ess', des‘ Lied ich sing“. KVen und den Ländern, bei denen eine deutliche Unterversorgung besteht, ab, aber er löst das Prob- Abg. Harald Weinberg (DIE LINKE.): Ich habe eine lem nicht, weil er hier nur von einer Aufverhand- Frage an Herrn Prof. Dr. Greß. Es geht noch einmal lung auf den Durchschnitt spricht. Aus unserer um unseren Antrag „Abschaffung der PKV“. Das Sicht ist es entscheidend, die regionale Versicher- wird auch von uns unter dem Aspekt der Gerech- tenstruktur, also die Krankheitslast, mit ins Auge tigkeit, der Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin zu nehmen. Die regionale Versorgungsstruktur, das gesehen. Ich wüsste von Ihnen gerne, inwiefern die ist auch das Verhältnis von ambulanter zu stationä- Abschaffung der PKV zu einer besseren Gesund- rer Versorgung und insbesondere die Arbeitstei- heitsversorgung führen kann, bzw. wo die Ineffizi- lung. Hinzu kommen die Fragen nach den Versor- enz bei der PKV liegt. gungszielen, die man an dieser Stelle formulieren muss und die nach potentiell vermeidbaren Kran- ESV Prof. Dr. Stefan Greß: Einen Aspekt hatte ich kenhausaufenthalten. Nehmen wir jetzt das Bei- vorhin bereits angesprochen, nämlich die Allokati- spiel Nordrhein-Westfalen, wo wir eine relativ onsdefizite im Hinblick auf die Verteilung und die hohe Krankenhausdichte haben. Dort weisen die Niederlassungsanreize. Ansonsten kann ich die Kostenträger verständlicherweise darauf hin, dass Frage relativ kurz beantworten. Die PKV hat anders sie sehr hohe Kosten zu schultern haben, weil die als die GKV kein Steuerungsinstrumentarium. Da, stationäre Versorgung sehr umfänglich ist. Das ist wo sie über Instrumentarien verfügt, beispielsweise aus meiner Sicht trotzdem kein Argument dafür, in bei der Arzneimittelsteuerung oder in der stationä- der ambulanten Versorgung deutlich unterdurch- ren Vergütungsverhandlung, profitiert sie vom schnittliche Vergütungen zu zahlen und deutlich GKV-Instrumentarium. Letztendlich sind Modelle, unterschiedliche Gelder zur Verfügung zu stellen. wie die integrierte Versorgung, Disease-Manage- Denn so schreibe ich diesen Zustand in die Zu- ment-Programme oder die hausarztzentrierte Ver- kunft fort und schaffe überhaupt keine Möglichkeit, sorgung, da, wo sie funktionieren und dort, wo sie die ambulante Versorgung an der Stelle zu verbes- einen Mehrnutzen für die Versicherten bringen, sern. Aus dieser Perspektive ist es aus meiner Sicht nur in der GKV und nicht in der PKV möglich. dringend erforderlich, dass man den regionalen Meine Vorstellung wäre, dass zukünftig auch PKV- Versorgungsbedarf identifiziert und entsprechend Versicherte an solchen Instrumenten teilhaben kön- andere Vergütungsstrukturen schafft, damit wir ge- nen sollten. Das kann die Private Krankenversiche- nau diese Arbeitsteilung besser hinbekommen und rung derzeit nicht leisten. keine Versorgungsdefizite festschreiben.

Abg. Birgit Wöllert (DIE LINKE.): Meine nächste Abg. Kathrin Vogler (DIE LINKE.): Ich habe noch Frage geht die KBV, an Herrn Dr. Gassen und be- eine Frage an den Verbraucherzentrale Bundesver- trifft den § 87 Absatz 4a SGB V. Dort gibt es auch band. Für mich ziehen sich mehrere rote Fäden

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Nur zur dienstlichen Verwendung durch das Gesetz. Einer davon heißt „Patientenori- grundsätzlich richtigen Instrument des Innovati- entierung darf nichts kosten“, oder „…soll für Kos- onsfonds vor allem das Problem, dass die Versor- tensenkung herangezogen werden“. Das betrifft das gungsforschung zukünftig aus den GKV-Finanzen Zweitmeinungsverfahren, die Nutzenbewertung bezahlt werden soll. Wir sehen das, wie in anderen der Medizinprodukte oder auch das Wahlrecht bei Forschungsbereichen auch, als eine gesamtgesell- der Reha-Einrichtung. Sehen Sie das auch so und schaftliche Aufgabe an, die aus Steuergeldern zu fi- wie bewerten Sie das? nanzieren wäre. Hilfsweise halten wir es auf jeden Fall für gegeben, die PKV zur Finanzierung des In- SVe Dr. Ilona Köster-Steinebach (Verbraucherzent- novationsfonds und seiner Maßnahmen heranzu- rale Bundesverband (vzbv)): Tatsächlich spielen ziehen. Wir bedauern, dass im parlamentarischen Kostenaspekte bei all den von Ihnen genannten Verfahren zwischen Referenten- und Gesetzentwurf Themen wie Zweitmeinungsverfahren, Nutzenbe- noch weitere Antragsteller, wie zum Beispiel die wertung und Wahlrecht-Reha, eine Rolle in der Arzneimittelhersteller, hinzugekommen sind. Wir Ausgestaltung. Besonders deutlich sehen wir das sehen die Gefahr, dass private Unternehmen ihre am Beispiel der Zweitmeinung. Dort wird tatsäch- Forschungskosten künftig indirekt auf die Solidar- lich der Katalog der Leistungen, die potentiell eine gemeinschaft übertragen, während die Gewinne be- Zweitmeinung erlauben, auf Leistungen einge- rechtigterweise privat bleiben. Das halten wir für grenzt, bei denen das Risiko einer Mengenauswei- einen untragbaren Zustand. Ein grundsätzliches tung besteht. Es besteht ganz offensichtlich die Ab- Problem des Innovationsfonds ist, dass Antragstel- sicht, Kosten zu senken, wobei die Verantwortung ler zum Teil später über ihre eigenen Anträge ent- dem Patienten zugewiesen wird. Wir haben damit scheiden können, weil es eine Doppelung bei den grundsätzlich ein Problem, denn viele Patienten Gremien und den Antragsstellungsmöglichkeiten wissen nicht, dass sie prinzipiell aus dem Recht gibt. Hier sehen wir Nachbesserungsbedarf. der freien Arztwahl abgeleitet, die Möglichkeit zu einer Zweitmeinung hätten. Es kommt auch vor, Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dass Ärzte in dem Augenblick, wo Patienten ihnen NEN): Meine erste Frage geht an die Einzelsachver- sagen, dass sie eine Zweitmeinung einholen wol- ständige Frau Dr. Walendzik. Sie schlagen, ebenso len, sagen, dass diese Leistung privat bezahlt wer- wie wir, in Ihrer Stellungnahme vor, im Rahmen den muss oder die Krankenkasse die Erstattung ver- der besonderen Versorgungsverträge auf sozialver- weigert. Wenn die Regelung so bleibt, wie sie ist, sicherungssystemübergreifende Kooperationsmo- befürchten wir, dass sich die Auswirkungen für delle, beispielsweise mit den Renten- und Pflege- Fälle, die nicht in den Katalog des G-BA fallen, versicherungsträgern, zurückzugreifen. Wie sehen noch einmal verschärfen. Vor diesem Hintergrund Ihre Vorschläge dafür aus und welche Vorteile hät- sehe ich einen weiteren roten Faden: In allen drei ten solche Modelle? Bereichen wurden gute Ansätze gewählt, beim Reha-Wahlrecht ebenso wie bei der Nutzenbewer- ESVe Dr. Anke Walendzik: Wenn die Leistungen tung. Bei der konkreten Ausgestaltung aber würden eines Sozialträgers Auswirkungen auf den Aufga- die tatsächlichen Interessen der Patienten weit über benumfang oder die Kosten eines anderen Trägers das hinausgehen, was jetzt ermöglicht, aber nicht haben, dann spricht man in der Ökonomie von ex- ausreichend berücksichtigt ist. ternen Effekten. Ein Beispiel wären Aktivitäten der Krankenversicherung, die zum Beispiel über Be- Abg. Harald Weinberg (DIE LINKE.): Meine Frage handlungen oder medizinische Rehabilitation Ein- geht an den Sozialverband Deutschland. Wie be- fluss darauf hätten, ob ein Patient pflegebedürftig werten Sie die Finanzierung des Innovationsfonds? oder ob er gegebenenfalls erwerbsunfähig wird und Welche Modifikation schlagen Sie vor? An welcher Leistungen der Rentenversicherung erhält. Dann Stelle sehen Sie Probleme bei den berechtigten An- mag es im Einzelfall für die Krankenkasse wenig tragstellern? Anreize geben, sich zu engagieren, weil es kostet und die Vorteile woanders anfallen. Es gibt eine SV Fabian Müller-Zetzsche (Sozialverband Reihe möglicher gemeinsamer Maßnahmen, die Deutschland e. V. (SoVD)): Wir haben mit dem beiden oder mehreren Trägern nutzen könnten. Da-

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Nur zur dienstlichen Verwendung für gibt es aber keine Form der organisierten Zu- im neuen § 140a SGB V zu erweitern, indem man sammenarbeit. Wir haben uns das am Lehrstuhl für genau darauf achtet, dass die Kooperationsmöglich- Medizinmanagement am Beispiel eines Best-Prac- keiten an die jeweilige Versorgungsproblematik an- tice-Modells im Bereich der Wiederherstellung und gepasst werden und auch Sozialversicherungsträger Förderung von Erwerbsfähigkeit chronisch kranker übergreifend denken. Arbeitnehmer näher angesehen Das ist ein klassi- sches Feld an der Schnittstelle mehrerer Bereiche. Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das sind Unternehmen, Werksbetriebsärzte und NEN): Meine nächste Frage geht auch an Sie und verschiedene Sozialversicherungsträger. Das ist an den BV Managed Care. Wie beurteilen Sie die wichtig im Rahmen des betrieblichen Eingliede- geplante Besetzung der Strukturen des Innovations- rungsmanagements und fügt sich auch in die De- ausschusses beim Innovationsfonds? Wer sollte aus mografie-Strategie der Bundesregierung ein. Es geht Ihrer Sicht über die Förderanträge entscheiden? um eine älter werdende Arbeitnehmerschaft, die Reicht Ihnen die Einbeziehung des Expertenbeirats mehr Probleme chronischer Morbidität mitbringt. aus? Wir haben eine ganze Reihe von kleineren oder et- was größeren Projekten identifiziert, die Best-Prac- ESVe Dr. Anke Walendzik: Ziel des Innovations- tice-Modelle darstellen. Zum Beispiel „Job-Reha“ fonds ist die qualitative Weiterentwicklung der in Braunschweig/Hannover oder auch die Modelle Versorgung in der GKV. Insbesondere sollen sekto- der Salzgitter AG im Bereich der psychischen oder renübergreifende Versorgungskonzepte gestärkt der Muskel-Skelett-Erkrankungen. Es zeigt sich in und die entsprechenden Projekte sollen nach dem der Versorgungspraxis, dass das sinnvoll ist. Die Willen des Gesetzgebers in selektivvertraglicher systematische Kooperation und die gegenseitige In- Form durchgeführt werden. Da stellt sich die Frage, formation zwischen den Beteiligten sind ausgespro- wo oder welchem Gremium im System ordne ich chen erfolgreich für den Erhalt und die Wiederher- die Entscheidung oder die Verwendung solcher stellung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit Mittel zu? Traditionell ist es so, dass in unserem der Arbeitnehmer. Schnittstellenmanagement ist System die gemeinsame Selbstverwaltung eine be- ebenso wie verbesserte Informations- und Kommu- deutende Rolle spielt. Aber es stellt sich die Frage, nikationswege, wichtig. Und es ist ganz klar, die ob das im Hinblick auf diese spezifische Aufgaben- zeitlichen Abläufe zwischen den Maßnahmen sind stellung sinnvoll ist. Die Organisationen der Leis- nachweislich verkürzt. Die therapeutischen Inhalte tungserbringer sind strikt sektorenspezifisch aufge- werden besser auf die Arbeitsplatzsituation abge- baut. Der GKV-Spitzenverband ist auf die kollek- stimmt und insgesamt kann man sehen, dass sich tive Versorgung ausgerichtet, anders als die Einzel- die Arbeitsunfähigkeitszeiten relativieren. Nun ist kassen, die eher im selektiven Bereich tätig sind. es aber so, dass man feststellen kann, dass diese Wenn sektorenübergreifende Innovation bisher Projekte immer an einzelne, besonders engagierte nicht so stattgefunden hat, wie man sich das Personen oder Sozialversicherungsträger gebunden wünscht – und das ist der Grund für die Einrich- sind und sich nicht so durchsetzen, wie es wün- tung des Innovationsfonds – muss man sich fragen, schenswert wäre. Teilweise werden diese Projekte ob die genannten die berufenen Partner sind, um vertraglich von den Krankenkassen auf der Basis über einen solchen Innovationsfonds entscheiden des alten § 140a ff SGB V umgesetzt, aber eigent- zu können. Blicken diese Organisationen ausrei- lich haben sie keine richtige Grundlage. Denn Ren- chend über den Tellerrand der sektorenspezifi- tenversicherungsträger, Werks- und Betriebsärzte schen Versorgung? Der Regierungsentwurf enthält werden nicht als mögliche Vertragspartner genannt. Gegengewichte. Es gibt einerseits die stimmberech- Das ist im Grunde kein isoliertes Problem, sondern tigten Ministerien und es gibt auf der anderen Seite es ist überall dort zu finden, wo es diese Anreiz- den Expertenbeirat, der allerdings lediglich bera- konstellationen zwischen den Sozialversicherungs- tend tätig ist und damit relativ schwach. Die Frage trägern gibt. Ein anderes Beispiel wären die ist, ob das ausreicht. Da gibt es aus meiner Sicht ei- Schnittpunkte für Eingliederungshilfe für Behin- nige Zweifel. Einerseits bleibt das Entscheidungs- derte oder von Behinderungen bedrohten Men- gremium dann der Innovationsausschuss. Der Inno- schen in den Kommunen. Insofern wäre es aus mei- vationsausschuss ist nicht sehr stark an die Emp- ner Sicht sinnvoll, die möglichen Vertragspartner

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Nur zur dienstlichen Verwendung fehlungen des Expertenrats gebunden. Die stimm- wesen kommen, in das Entscheidungsgremium ein- berechtigten Vertreter des Ministeriums können zubinden. Wir hatten in unserer ursprünglichen durch die Stimmgestaltung unterbinden, dass eine Stellungnahme bzw. einem vor etlichen Jahren ge- Bank die Förderung von Projekten verhindert. Aber schriebenen Positionspapier angeregt, zwischen es fehlt aus meiner Sicht an Vertretern, die von ih- denjenigen, die profitieren und denen die Entschei- rer ganzen Interessenlage her eher sektorenüber- dungen treffen, komplett zu trennen. Bei der Ent- greifenden Ideen verpflichtet sind. Es gibt zwei scheidung über die Förderanträge geht es um zwei Wege, diesem Mangel abzuhelfen. Einerseits Aspekte. Der Innovationsausschuss entscheidet. könnte man den Innovationsausschuss um weitere Aus unserer Sicht aber ist es auch wichtig, in wel- stimmberechtigte Mitglieder erweitern. Das könn- chen Rhythmen bzw. in welchen Zeitintervallen ten einerseits direkte Vertreter der Versorgungsfor- gewählt werden sollte. Vielleicht wäre es sinnvoll schung und -wissenschaft sein, die sich in dieser vierteljährliche oder halbjährliche Entscheidungs- Hinsicht verdient gemacht haben. Auf der anderen runden durchzuführen. Damit hätte man einen Seite wäre hier eine Möglichkeit, Patientenvertreter kontinuierlichen Entwicklungsprozess. Gleicher- stärker stimmberechtigt einzubeziehen. Man sollte maßen wäre es sinnvoll, den Innovationsfonds als das nicht als Paradigmenwechsel in der Selbstver- dauerhafte Einrichtung einzubinden. Es lohnt sich waltung, sondern bezogen auf die spezifische The- zu den Entscheidungen noch stärker in andere Be- matik der Prozessinnovation und der sektorenüber- reiche zu schauen, seien es die Exzellenzinitiati- greifenden Innovation sehen. Gerade Patienten ha- ven, sei es Horizon 2020 oder sonstige Vergabever- ben an einer sinnvollen Versorgungskoordination fahren aus der Wissenschaft, wo es durchaus er- über die Sektorengrenzen hinaus, Interesse. Alter- probte Muster gibt, die sich für solche Konzepte an- nativ könnte man die Rechte des Expertenrats, ne- bieten würden. Es ist uns nicht nur wichtig, dass ben der Einbeziehung von Patientenvertretern, stär- der Expertenbeirat gehört, sondern dass abwei- ken, indem man den Expertenrat einen Vorschlag chende Entscheidungen des Innovationsausschus- machen lässt, die Förderkriterien zu operationali- ses begründet werden. Das ist auch in anderen Stel- sieren. Sollte der Innovationsausschuss anderer lungnahmen hervorgehoben worden. Gerade beim Meinung sein, sollte er verpflichtet werden, dies zu Expertenbeirat, und das durchzieht verschiedene begründen und bei den einzelnen Förderbeschlüs- Bereiche, sollte stärker darauf geachtet werden, in- sen ähnlich vorzugehen. Weiterhin könnte man ternationale Expertise in die Entscheidungspro- auch im Sinne meiner Ausführung zum § 140b zesse mit einzubinden. SGB V die antragsberechtigten Personen ausweiten. Schließlich finde ich problematisch, dass die Fi- Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nanzierung direkt über Kassenbeiträge geschieht, NEN): Meine Frage geht an den GKV-Spitzenver- weil darin ein Anreiz zu kassenproporzbezogenen band. Wie bewerten Sie den von der Bundesregie- Entscheidungen des Innovationsausschusses liegt. rung vorgeschlagenen Kreis der Antragsteller, die nach § 92a SGB V eine Förderung durch den Inno- SV Prof. Dr. Volker Amelung (Bundesverband Ma- vationsfonds beantragen können? Gibt es aus Ihrer naged Care e. V. (BMC)): Wir begrüßen die Ent- Sicht Streichungs- bzw. Ergänzungsbedarf, bei- wicklung des Innovationsfonds. Das ist eine Forde- spielsweise bei der Frage der Ärztenetze und Kom- rung, die wir mit anderen seit vielen Jahren gestellt munen? haben. Wir können es eigentlich gar nicht abwar- ten, dass es endlich losgeht. Die Besetzung des In- SVe Dr. Doris Pfeiffer (GKV-Spitzenverband): novationsausschusses hat sich aus unserer Sicht im Wenn man die Beiträge der letzten Redner hört, Laufe des Prozesses stark in die richtige Richtung muss ich daran erinnern, dass wir hier über Bei- gewandelt. Sie ist aber nach wie vor von der Logik tragsmittel der Krankenkassen sowie über Zusatz- der klassischen Selbstverwaltungsstrukturen ge- beiträge und nicht über Steuermittel sprechen. Ex- prägt. Wenn die Grundidee ist, interdisziplinäre, zellenzinitiativen kann man gerne über Steuermit- intersektorale Kooperation zu fördern, sollte man tel finanzieren. Unsere Einschätzung des Innovati- überlegen, nichtärztliche Heilberufe und auch Ak- onsfonds entspricht der des Versorgungsstärkungs- teure, die nicht aus dem klassischen Gesundheits- gesetzes insgesamt. Wir finden es prinzipiell gut,

18. Wahlperiode Protokoll der 37. Sitzung Seite 24 von 37 vom 25. März 2015

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Nur zur dienstlichen Verwendung dass wir eine Förderung haben. Es gibt aber bei bei- Steuermittel zur Verfügung gestellt werden. den grundlegende ordnungspolitische Entschei- dungen, die wir für falsch halten. Das ist bereits in Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der Anhörung zum Thema „Hebammen“ angespro- NEN): Die nächste Frage geht an die IKK. Wir chen worden. Das betrifft aber auch die MDK-Ver- schlagen in unserem Antrag vor, den Sachverstän- waltungsräte, wo die für die Finanzierung Verant- digenrat im Gesundheitswesen mit der Prüfung wortlichen nicht in die Entscheidungen miteinbe- und Entwicklung eines Verfahrens zur Qualitäts- zogen werden. Das ist beim Innovationsfonds und messung und Transparenz für die gesetzliche Kran- insbesondere beim Ausschuss und bei den Antrags- kenversicherung zu beauftragen. Warum könnte stellern ein grundlegender Paradigmenwechsel. Es eine solche Regelung aus Ihrer Sicht sinnvoll sein hat in der Vergangenheit noch nie die Situation ge- und was wäre bei der Ausgestaltung eines solchen geben, dass der Gemeinsame Bundesausschuss Instruments zu beachten? über konkrete selektive Vertragsleistungen mit un- mittelbarer Finanzwirkung für die Kassen entschie- SV Jürgen Hohnl (Bundesverband der Innungskran- den hat. Jetzt hat dieser einen direkten Zugriff auf kenkassen e. V. (IKK)): Die IKKen haben sich im- den Gesundheitsfonds. Es werden selektive und mer für einen fairen Wettbewerb ausgesprochen kollektive Leistungsgestaltung miteinander ver- und wenn wir Qualität gegenüber Krankenhäusern mischt. Das wird umso kritischer, als wir auch Ver- oder Ärzten einfordern, müssen wir es auch gegen treter der Bundesregierung im Innovationsaus- uns selber gelten lassen. Die Vielzahl an vorhande- schuss haben; ein Vertreter des Gesundheitsminis- nen Überblicken oder Bewertungsportalen zeigt, teriums, der sich selber beaufsichtigen und bei der dass kein einheitlicher Maßstab angelegt wird. Evaluation sagen muss, ob seine Mitarbeiter in der Wenn man Transparenz will, muss man das fokus- Vergangenheit richtig entschieden haben. Dann sieren. Das würden wir begrüßen. Dabei müsste sitzt dort noch ein Vertreter des Ministeriums für klar sein, dass es nicht nur um Finanz- sondern vor Bildung und Forschung. Wir fragen uns, was da- allen Dingen Qualitätsversorgungsaspekte handelt hinter zu vermuten ist. In der Regel geht man da- und dass dabei regionale Kassen anders begutachtet von aus, dass die Produktforschung ins Portfolio oder bewertet werden müssen als bundesweite. des Bundesministeriums für Bildung und For- Beide müssen gerecht erfasst werden, damit es ei- schung gehört. Wenn das das Ziel des Innovations- nen fairen Wettbewerb gibt. fonds sein sollte, dann müssen wir tatsächlich von einer Zweckentfremdung von Beitragsgeldern spre- Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- chen. Das gilt dann auch für die Antragsrechte, die NEN): Die nächste Frage geht an den VUD. Wie be- in der Version des Kabinettentwurfs noch erweitert werten Sie die im Gesetzentwurf enthaltene Rege- worden sind. Das halten wir für völlig verfehlt. Es lung zur Ermächtigung von Hochschulambulanzen geht um Beitragsgelder von Versicherten und Ar- für die Patientenversorgung? Warum lehnen Sie ab, beitgebern der Krankenkassen. Aus unserer Sicht dass die Selbstverwaltung künftig auf Bundesebene ist es ein Unding, dass weitere Antragsrechte beste- Grundsetzung zur Begrenzung der Fallzahlen für hen. Wir können uns nur vorstellen, dass es solche Forschung und Lehre festlegen soll? Wie schätzen innovativen Projekte als in der Regel selektivver- Sie ein, dass laut Gesetzentwurf zukünftig die DKG, tragliche Gestaltung gibt, die mit den gesetzlichen der KBV und der GKV-Spitzenverband auf Bundes- Krankenkassen vereinbart werden. Dass andere ebene den Katalog von Patientengruppen für die Partner dabei sind, ist sicher keine Frage, aber noch Hochschulambulanzen Versorgungsaufträge be- einmal: Es geht hier sowohl bei der Gestaltung von kommen, vereinbaren sollen, Versorgungsstrukturen und erst Recht bei der Ver- sorgungsforschung um Beitragsmittel der Kranken- kassen. Ich kann mir schlichtweg nicht vorstellen, SV Ralf Heyder (Verband der Universitätsklinika dass künftig begünstigte Wissenschaftler mit dar- Deutschlands e. V. (VUD)): Der Gesetzentwurf hat über entscheiden, wer die Forschungsgelder be- unter anderem bezogen auf die Hochschulambulan- kommen soll. Abgesehen davon ist es grundsätzlich zen das Ziel, die Ermächtigungsgrundlage der Ver- falsch, dass Krankenkassen Forschung finanzieren. sorgungsrealität anzupassen und in der Ermächti- Das ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Dafür sollten gung anzuerkennen, dass Universitätskliniken am-

18. Wahlperiode Protokoll der 37. Sitzung Seite 25 von 37 vom 25. März 2015

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Nur zur dienstlichen Verwendung bulante Patienten nicht nur aus Gründen von For- führen wird. Das führt dazu, dass dort, wo die Ver- schung und Lehre versorgen, sondern originär weil sorgung in Hochschulambulanzen heute gut funkti- sie die Versorgung dort beanspruchen und sie nir- oniert, die Versorgung am Ende sogar schlechter gendwo sonst bekommen können. Dieses Grundan- wird. Damit wird das eigentliche Regelungsziel die- liegen halten wir für richtig und wir finden auch ses Gesetzes, nämlich den Zugang für Patienten in einige Punkte im Gesetz wieder, die wir ausdrück- die Hochschulambulanzen offen zu halten oder so- lich begrüßen. Zum einen die Tatsache, dass die Er- gar zu erweitern, ins Gegenteil verkehrt wird. Des- mächtigung künftig auf Grund des Gesetzes erfolgt wegen plädieren wir an dieser Stelle dafür, diese und wir nicht mehr den Umweg über den Zulas- Begrenzungstatbestände auf Bundesebene wieder sungsausschuss der KV nehmen müssen. Gut ist zu streichen und es so zu lassen, wie es ist, d. h. auch, dass es in Zukunft die Möglichkeit gibt, dass die Fallzahlobergrenzen weiterhin dezentral Hochschulambulanzen für Versorgungszwecke ori- durch die einzelnen Unikliniken und die Kassen- ginär für solche Patienten, die das aufgrund der verbände auf Landesebene verhandelt werden. So Art, Schwere oder Komplexität ihrer Erkrankung ist eine sinnvolle Weiterentwicklung des Status benötigen, zu öffnen. Welche Patientengruppen das Quo in einem überschaubaren Rahmen möglich. konkret betrifft, muss in einer dreiseitigen Verein- barung zwischen der Deutscher Krankenhausgesell- Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schaft, der kassenärztlichen Bundesvereinigung NEN): Meine nächste Frage mit der Bitte um eine und dem GKV-Spitzenverband im Konsens festge- kurze Antwort, richtet sich an den vdek. Wie beur- legt werden. Wenn man sich die Stellungnahmen teilen Sie die von der Bundesregierung im § 105 der KBV und auch der GKV zu diesem Thema an- SGB V geplante Öffnung der Strukturfonds der sieht, dann gehen beide, und zwar fast in wortglei- KVen auch auf nicht unterversorgte Regionen? cher Formulierungen, davon aus, dass man die Hochschulambulanzen eigentlich gar nicht SVe Ulrike Elsner (Verband der Ersatzkassen e. V. bräuchte, weil diese sowieso in überversorgten (vdek)): Die Strukturfonds nach § 105 SGB V sind Universitätsstädten liegen. Was das für die Erfolgs- eingeführt worden, um die Versorgungsdisparitäten chancen einer solchen dreiseitigen Vereinbarung zwischen unter- und überversorgten Regionen aus- bedeutet, wird man abwarten müssen. Wir sind zugleichen und abzubauen. Es war damals das er- skeptisch, ob man auf diesem Weg eine wirklich klärte Ziel, dass die von Unterversorgung bedroh- umfassende Öffnung der Hochschulambulanzen für ten Gebiete frühzeitig Maßnahmen ergreifen kön- schwerkranke Patienten erreichen wird. Das wird nen sollten, um eine Unterversorgung zu verhin- man im Verfahren sehen müssen. Dem gegenüber dern. Wenn der Fonds jetzt auf alle KV-Bereiche, steht im Gesetzentwurf, dass unsere heute schon also auch auf überversorgte Regionen, ausgerollt vorhandene Ermächtigung zum Zwecke von For- wird, wird das Ziel konterkariert. Denn wir verfes- schung und Lehre durch eine Bundesvereinbarung tigen die Strukturen statt für eine gleichmäßige zwischen der Deutscher Krankenhausgesellschaft Versorgung zu sorgen. Die Krankenkassen als Teil und dem GKV-Spitzenverband, die explizit Begren- der gemeinsamen Selbstverwaltung sollten an der zungsregelungen für diese Ermächtigung vorsieht, Mittelverteilung beteiligt werden und gemeinsam massiv beschnitten werden soll. Bisher ist dieses entscheiden, wo die Gelder im Konkreten hinflie- Thema im Bund nicht geregelt. Die Frage, wie viele ßen. Fälle in Hochschulambulanzen aus Gründen von Forschung und Lehre versorgt werden dürfen, wird Abg. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE allein zwischen dem einzelnen Universitätsklini- GRÜNEN): Meine Frage richtet sich an Prof. Dr. kum und den Landesverbänden der Krankenkassen Richter von der Psychotherapeutenkammer. Das verhandelt. Wir sind der Meinung, dass die bishe- Gesetz sieht einen gesetzlichen Auftrag zur Überar- rige Regelung zielführend war. Sie hat nicht dazu beitung der Psychotherapierichtlinie vor. Halten geführt, dass unbotmäßig hohe Fallzahlen verein- Sie diesen Auftrag für ausreichend, um dem unter- bart worden sind. Es gibt allerdings deutliche Un- schiedlichen Behandlungs- und Unterstützungsbe- terschiede in der Auslegung in den einzelnen Län- darf von Patienten mit einer psychischen Erkran- dern. Wir befürchten, dass eine bundeseinheitliche kung gerecht zu werden, insbesondere auch vor Regulierung künftig zu sehr niedrigen Fallzahlen

18. Wahlperiode Protokoll der 37. Sitzung Seite 26 von 37 vom 25. März 2015

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Nur zur dienstlichen Verwendung dem Hintergrund der vielen chronisch und psy- wurde. Zum Krankengeldfallmanagement. Wir ste- chisch Langzeiterkrankten? hen den geplanten Regelungen äußerst kritisch ge- genüber. Wir haben jetzt schon sehr viele Berichte, SV Prof. Dr. Rainer Richter (Bundespsychothera- dass unter der Überschrift Krankengeldfallmanage- peutenkammer (BPtK)): Wir haben sehr begrüßt, ment Druck auf Versicherte ausgeübt wird, an ihren dass das als notwendiges Ziel gesehen wird. Wir Arbeitsplatz zurückzukehren oder in die Frühver- halten allerdings eine Präzisierung des Auftrages rentung zu gehen. Vor dem Hintergrund befürchten an den G-BA für nötig. Wir haben dazu Vorschläge wir, dass diese neue Regelung eher dazu führt, dass unter dem Stichwort einer psychotherapeutischen eine nicht im Patienteninteresse liegende Praxis le- Sprechstunde gemacht. Wir sind der Meinung, dass gitimiert und positiv sanktioniert wird. Vor diesem deutlicher Handlungs- und Behandlungsbedarf be- Hintergrund sollte aus unserer Sicht kein aktives steht, gerade für die von Ihnen erwähnte Patienten- Zugehen durch die Krankenkassen auf die Versi- gruppe. Das wird aber in der jetzigen Formulierung cherten möglich sein. Es sollte eine allgemeine In- nicht ausreichend deutlich, weil sie zu allgemein formation geben und wenn ein Versicherter tat- ist. Es müssten die unterschiedlichen Aufgaben sächlich Leistungen haben möchte, kann er die von dieser psychotherapeutischen Sprechstunde be- seiner Krankenkasse bekommen. Dazu müsste auch nannt werden. Wichtig dabei ist, dass in dieser eine unabhängige Beschwerdestelle eingerichtet Sprechstunde Indikationen für Versorgungsange- werden. Diese sollte Verstößen gegen das Gebot, bote des gesamten Spektrums gestellt werden kön- mit dem Krankengeldfallmanagement aufzuhören, nen. Damit meinen wir innerhalb und außerhalb nachgehen, wenn der Versicherte das wünscht. der GKV. Dazu bedarf es natürlich entsprechender Grundsätzlich sollte Transparenz über die Leis- diagnostischer Leistungen. Die sind im jetzigen tungsqualität geschaffen werden. Es gibt sehr gute Kontext nicht abgebildet. Wir schlagen deswegen Angebote und es gibt auch Krankenkassen, die gute vor, dem G-BA eine Orientierung zu geben und Leistungen bringen. Man müsste sich im Rahmen eine Präzisierung des § 92 Absatz 6a SGB V zu erar- einer unabhängigen Evaluation die Leistungen der beiten. Außerdem müssen in der Sprechstunde Krankenkassen in dieser Hinsicht anschauen. Dazu auch Leistungen zur Prävention, ich schlage jetzt gehört auch eine Patientenbefragung zu den Erfah- den Bogen zum Präventionsgesetz, vorgesehen wer- rungen mit den Angeboten der Krankenkasse, ob den. Es macht wenig Sinn, wenn wir eine Sprech- Druck ausgeübt wird oder nicht. Das wäre aus un- stunde anbieten und Leistungen zur Prävention serer Sicht sachgerecht. nicht abgebildet werden. Das halten wir für einen ganz wichtigen zweiten Aspekt. Abg. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eine Frage zum Krankengeld an den Abg. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE SoVD. Erfasst die vorgeschlagene Neuregelung alle GRÜNEN): Die nächste Frage geht an die Vertrete- problematischen Konstellationen, die sich durch rin der Verbraucherzentrale und bezieht sich auf eine ungewollte Unterbrechung des Krankengeld- das Krankengeldmanagement. Reicht aus Ihrer bezuges und bei der Beantragung ergeben haben? Sicht die vorgeschlagene Regelung aus, um wirk- sam zu verhindern, dass Versicherte durch ihre SV Fabian Müller-Zetzsche (Sozialverband Krankenkassen unter Druck gesetzt werden? Wie Deutschland e. V. (SoVD)): Die Antwort muss sehr kann die Qualität der Beratungs- und Unterstüt- kurz sein, deswegen sage ich nein. Sie erinnern zungsleistung für Krankengeldbeziehende durch sich an die Urteile, die das Bundessozialgericht die Krankenkassen überprüft, sichergestellt und Ende letzten Jahres gefällt hat. Das waren Fälle, wo evaluiert werden? zumindest eine Mitbeteiligung der behandelnden Ärzte zu verzeichnen war. Die Betroffenen haben SVe Dr. Ilona Köster-Steinebach (Verbraucherzent- einen falschen Rat bekommen oder der Arzt hat ge- rale Bundesverband (vzbv)): Eine kurze Vorbemer- sagt, kommen Sie doch lieber am Montag nochmal kung zum Thema Krankengeld. Wir haben es sehr wieder. Die Kassen haben mit ihrer sehr restrikti- begrüßt, dass mit dem Gesetzentwurf die Lücke von ven Auslegung Recht bekommen, dass es die Ver- einem Tag beim Krankengeldbezug geschlossen pflichtung des Versicherten wäre dafür zu sorgen, dass er die Bescheinigung rechtzeitig bekommt. Für

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Nur zur dienstlichen Verwendung diese Fälle sind auch die vorgesehenen positiven SV Dr. Andreas Gassen (Kassenärztliche Bundes- Regelungen keine Lösung. Hier muss man über Al- vereinigung (KBV)): Grundsätzlich ist die Position ternativen nachdenken. der KBV zu Termin-Servicestellen bekannt. Ich halte es, wenn man an dieser Regelung festhalten Abg. Dr. Roy Kühne (CDU/CSU): Die Frage geht an will, für unabdingbar, dass diese regional ausgestal- den BVMed. Wie ordnen Sie die Stärkung des Ent- tet werden, weil es nicht darstellbar wäre, bundes- lassungsmanagements im Krankenhaus gemäß § 39 weite Regelungen zu erlassen. Das muss unbedingt Absatz 1 SGB V im Hinblick auf die Einbindung in die Kompetenz der Länder-KVen. Entsprechend sonstiger Leistungserbringer gemäß § 126 Absatz 1 werden auch die Lösungen aussehen. Deshalb ist es SGB V zur Hilfsmittelversorgung ein? aus unserer Sicht im Moment schwierig, die Kosten präzise zu beziffern. Das hängt natürlich von der SV Joachim M. Schmitt (Bundesverband Medizin- Ausstattung einer solchen Servicestelle ab, ob diese technologie e. V. (BVMed)): Die jetzige Formulie- mit Personal ausgestattet ist oder ob es eine Tele- rung könnte so interpretiert werden, dass Kranken- fon-Hotline oder EDV-gestützte Lösungen gibt. Auf häuser die Verträge zum Entlassungsmanagement jeden Fall ist, wenn diese Regelung kommt, eine ausschließlich mit ärztlichen Leistungserbringern Evaluation unabdingbar, damit man verifizieren schließen können. Die geplante Regelung im § 39 kann, ob es ein reales Wartezeitenproblem gibt und SGB V sollte explizit um die sonstigen Leistungser- ob wir Versorgungsprobleme haben. Das wäre hilf- bringer ergänzt werden. Damit würde dem Versor- reich. Ohne Evaluation greift das zu kurz. gungsmanagement nach § 11 SGB V mit einer sek- torenübergreifenden Versorgung und der stärkeren Abg. Karin Maag (CDU/CSU): Meine Fragen rich- Einbindung nichtärztlicher Leistungserbringer ten sich an den Einzelsachverständigen Dr. Metke. Rechnung getragen werden. Schon heute unterstüt- Sollte sich die Förderung auch auf die grundversor- zen sonstige Leistungserbringer mit ihren bewähr- genden Facharztgruppen, insbesondere auch die ten Strukturen die Krankenhäuser entscheidend Kinder- und Jugendärzte beziehen? Sie haben Ent- beim Entlassungsmanagement. Sie ermöglichen un- sprechendes dazu ausgeführt. Der Einzelsachver- ter anderem eine termingerechte Entlassung zum ständige Hermann hat vorhin über die Einschrän- Beispiel an einem Freitag oder am Wochenende. kung der Selektivverträge gegenüber dem Kollektiv- Unsere Home-Care-Unternehmen sorgen dafür, vertrag berichtet. Wie sehen Sie das bei § 73c dass die Patienten am Entlassungstag die erforderli- SGB V, teilen Sie die Meinung von Herrn Her- chen Hilfsmittel und die entsprechende Beratung mann? Halten Sie die Bereinigung bei den Selektiv- erhalten können. Das sollte auch in Zukunft ge- verträgen für zufriedenstellend und praktikabel währleistet sein. Daher regen wir an, die sonstigen umgesetzt? Leistungserbringer in § 39 SGB V aufzunehmen. ESV Dr. Norbert Metke: Wir begrüßen ausdrück- Abg. Emmi Zeulner (CDU/CSU): Ich würde gerne lich, dass die Weiterbildung für die Allgemeinärzte an die Debatte von vorhin anschließen. Meine Pflicht und die Förderung implementiert ist. Die Frage geht an die KBV, an Herrn Dr. Gassen. Frau Statuten haben eine ungeheure Mengendynamik. Dr. Fix hatte in Bezug auf die Termin-Servicestel- Wir haben heute durch die Weiterentwicklung des len vorhin schon angesprochen, dass es im Saar- Förderstatuts in Baden-Württemberg 50 Prozent land funktionierende Einrichtungen bzw. ein funk- mehr Ärzte in der Ausbildung zur Allgemeinmedi- tionierendes Modell gibt. Nun meine Frage an die zin, als wir das noch 2010 hatten. Da 75 Prozent Kassenärztliche Bundesvereinigung: Wie wollen derer, die im Förderstatut arbeiten, in die ambu- Sie Doppelstrukturen vermeiden? Wäre eine Län- lante Versorgung übergehen, kann das Ergebnis deröffnungsklausel in Bezug auf die Termin-Ser- kein anderes sein, als dass wir eine Zunahme der vicestellen ein gangbarer Weg und mit welchen hausärztlichen Niederlassungen haben werden. Im Kosten rechnen Sie zum einen bei der Einrichtung Moment können wir nur knapp die Hälfte der frei der Servicestellen und zum anderen bei den jähr- werdenden Sitze überhaupt besetzen. Deswegen ist lich anfallenden Kosten? es für die Allgemeinmedizin nachdrücklich zu be- grüßen. Dasselbe gilt aber auch für die Kinderärzte.

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Der Kinderarzt ist der Hausarzt des Kindes. Ob- heißt, die Kassenärztlichen Vereinigungen können wohl wir einen Geburtenrückgang haben, haben Innovationen künftig nur noch auf Zuruf befördern wir die Pflicht, für eine zunehmende Versorgungs- und das geht nicht. Dieses KV-Kollektiv-System hat tiefe der Kinderärzte zu sorgen, weil sie immer umfangreiche Neuerungen und Weiterentwicklun- mehr Aufgaben haben. Das Publikum ist ein ande- gen nötig, mehr als jedes andere. Anschließend an res geworden. Die Migrationsproblematik, die auf- das Sachverständigen-Gutachten geht es um Fragen fälligen Kinder, das Thema Aufmerksamkeitsdefi- der Patientensteuerung, der Evidenz in Diagnostik zit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Wir wollen die und Therapie sowie der Patientenmitverantwor- Kinderärzte in die Prophylaxe des Kindesmiss- tung. Aber das muss umgesetzt werden. Wir haben brauchs einbeziehen. Dazu brauchen wir mehr Kin- in Baden-Württemberg auf dem Boden des bisheri- derärzte. Und Sie können die Kinderärzte nur be- gen § 73c SGB V Verträge zur ADHS-Versorgung, geistern, wenn Sie wissen, was Arbeit in der Am- zur Prävention des Kindesmissbrauchs und zur bulanz bedeutet. Genau dieselben Versorgungs- Verbesserung der Pflegeversorgung von Diabeti- probleme haben wir bei den ersten Facharztgrup- kern. Wir können diese Verträge nicht mehr umset- pen. Wir haben nicht mehr ausreichend Gynäkolo- zen. Wir bitten Sie, den Absatz, der erst im Kabi- gen und Augenärzte, weil sie nicht in die Versor- nettsentwurf zur Unterstützung von Mitgliedern gung gehen. Deswegen bitten wir darum, die Kin- der besonderen Versorgung aufgenommen wurde, derärzte, aber auch die grundversorgenden Fach- wieder zu streichen. Dies wäre im Interesse eines arztgebiete in das Weiterbildungsstatut einzubezie- innovativen und sich weiterentwickelnden Kollek- hen. Erst dann können wir nach den Diskussionen tivsystems. Wir wollen das System leistungsfähig auf dem Deutschen Ärztetag überhaupt einen ver- halten, aber es geht nicht. Bei der Bereinigung ha- pflichtenden Weiterbildungsabschnitt bei den ben die Kassenärztlichen Vereinigungen nur ein Fachärzten implementieren. Sie können nur lieben, Problem. Wir erfüllen als KVen Aufgaben für beide was Sie kennen. Also müssen Sie die Möglichkeit Systeme – für das Kollektiv- und für das Selek- haben, in der Ambulanz zu arbeiten. Auch derje- tivsystem, beispielhaft das Förderstatut Allgemein- nige, der in das Krankenhaus zurückgeht, muss die medizin. Wir finanzieren diese Aufgaben von Ver- Ambulanz kennen. Nur dann kann er das Entlas- waltungskostenabgaben auf die tatsächlichen Ho- sungsmanagement richtig durchführen. In diesem norarsummen. Diese mindern sich durch die Selek- Sinne bitten wir um eine Ergänzung. § 140a SGB V tivverträge in Baden-Württemberg um mehr als ist ein sinnvoller Ansatz der Strukturordnung der zehn Prozent. Wir können aber die Allgemeinärzte besonderen Versorgungsformen. Ich muss mich nur fördern, wenn wir das Geld von der Bereini- aber Herrn Hermann anschließen. Die selektive gungssumme als Verwaltungskostenabgabe haben. hausärztliche Versorgung funktioniert nur, wenn es Deswegen bitten wir darum, auch die Selektivver- dieselbe Währungseinheit im fachärztlichen Be- tragspartner an den gemeinsam zu erfüllenden Auf- reich gibt. Sie können keine qualitative, selektive gaben für beide Systeme zu beteiligen. hausärztliche Versorgung machen, wenn Sie nicht exakt dieselben Strukturen im fachärztlichen Be- Der amtierende Vorsitzende: Ich weiß nicht, wie reich vorfinden, und zwar mit denselben Rahmen- das mit der Liebe und der Zukunft und der Gegen- bedingungen. Die Rahmenbedingungen im § 140a wart und der Vergangenheit ist, jedenfalls gibt es SGB V sind andere als im bisherigen § 73 c SGB V. von Honoré de Balzac einen schönen Spruch und Es würde zum fachärztlichen Selbstverständnis bei- der besagt „Das Laster, der Höfling, das Unglück tragen. Die Fachärzte verschwinden nämlich völlig. und die Liebe kennen nur die Gegenwart“. Jetzt ist Im § 73c SGB V fand man uns zumindest, wenn die Gegenwart bei , der die wir auch nicht namentlich genannt wurden. Ich nächste Frage stellt. bitte Sie, darüber nachzudenken, § 73c SGB V zu belassen. Wir haben aber ein ganz anderes Problem Abg. Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Wir kommen mit dem § 140a, Absatz 3 Nummer 7 SGB V, wo jetzt zu den profaneren Medizinprodukten, wenn festgelegt ist, dass die Kassenärztlichen Vereinigun- ich das so andeuten darf. Meine erste Frage richtet gen nur noch Vertragspartner werden sollen, wenn sich an den Einzelsachverständigen Prof. Dr. Rych- sie die Mitglieder der besonderen Versorgung un- lik und an den GKV-Spitzenverband. Wie bewerten terstützen und dann auch nur in deren Auftrag. Das Sie die im Gesetz geplante Einführung eines § 137h

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SGB V zur Bewertung neuer Untersuchungs- und um deren Nutzen bestellt ist. Wenn der G-BA fest- Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten ho- stellt, dass man über die Anwendung eines neuarti- her Risikoklassen? gen Hochrisiko-Medizinproduktes noch nicht ge- nug weiß, kann er umgehend die Durchführung ei- ESV Prof. Dr. Dr. Reinhard P. T. Rychlik: Es ist ner Studie initiieren. So ein Instrument fordern wir dazu bereits einiges gesagt worden, deswegen seit Jahren. Allerdings muss gewährleistet sein, werde ich versuchen, mich kurz zu fassen. Grund- dass alle Methoden mit neuartigen Hochrisiko-Me- sätzlich ist die Zeit reif für eine solche Bewertungs- dizinprodukten in das Verfahren hineingelangen phase. Es gibt noch einiges im Detail zu tun, aber und keine Aufweichung der geplanten Regelungen das kann in einer Rechtsverordnung geklärt wer- stattfindet. Wir haben an der Stelle einen Ergän- den. Andererseits muss man sagen, dass die Wis- zungsbedarf anzumelden. Wir sollten vermeiden, senschaft auch noch einiges zu tun hat. Nach dem dass dieses Verfahren durch die Hintertür umgan- AMNOG sind wir im Begriff der Innovation nicht gen wird. Denn die Regelungen, die im Gesetzent- weiter gekommen. Schrittinnovation und Sprun- wurf stehen, bedeuten, dass Krankenhäuser sich an ginnovation wird man beachten und auch dafür Studien beteiligen müssen. Es heißt aber nicht, eine sinnvolle Erstattung finden müssen. Nun zum dass die Behandlung nur im Rahmen der Studie neuen theoretisch-wissenschaftlichen Konzept. möglich ist. Diese Ergänzung ist notwendig. Sonst Wenn es ein juristischer Begriff ist, so ist die Pati- fürchten wir, dass ein Krankenhaus einen Teilneh- entenorientierung das Entscheidende, was ein mer für die Studie anmeldet und nebenher noch neues theoretisches-wissenschaftliches Konzept 500 andere Patienten mit der Methode behandelt. ausmachen muss. Es muss im Gesetz verankert Das wäre nach der jetzigen Formulierung im Geset- sein, dass es um ausgesprochen praktische Kon- zestext möglich. Deshalb unsere Bitte, unseren Vor- zepte, die allein der Patientenorientierung dienen, schlag mit der Formulierung einzufügen, dass Pati- geht. Besonders intensiv wirkende Arzneimittel enten mit dieser neuen Methode nur im Rahmen oder auch Medizinprodukte hat es immer gegeben. der Studie behandelt werden können und nicht Das alles ist nicht neu. Diesem Gedanken nachzu- durch die Beteiligung der Krankenhäuser an Stu- gehen halte ich allerdings für verfehlt. Die Dauer, dien. die ein Medizinprodukt im Körper wirkt, ist eben- falls von elementarer Bedeutung. Am Schluss fehlt Abg. Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Meine zweite mir als Gesundheitsökonom über die eigentliche Frage richtet sich an den G-BA und an den BVMed. Verhältnismäßigkeit von Implementierungskosten Wie weit und mit welcher Begründung sollte der und Nutzen hinaus eine sozio-ökonomische Be- Medizinproduktehersteller in das Bewertungsver- trachtung über den gesamten Zeitraum, den die fahren nach § 137a SGB V einbezogen werden und Medizinprodukte im Körper verbleiben. Es ist für wie kann das Verfahren nach § 137h SGB V sowohl uns alle wichtig, wie lange ein Implantat oder ein für das antragstellende Krankenhaus, als auch für Stent oder ein Hüftgelenk im Körper verbleiben den Medizinproduktehersteller vereinfacht und be- kann und dort einen patientenorientierten Nutzen schleunigt werden? Wie beurteilen Sie die soge- stiftet. nannte Trittbrettfahrer-Problematik, bei der sich der Medizinproduktehersteller nicht finanziell an SVe Dr. Doris Pfeiffer (GKV-Spitzenverband): Auch den Kosten der wissenschaftlichen Begleitung und wir begrüßen diese neuen Regelungen ausdrück- Auswertung an der Erprobung beteiligt, obwohl sie lich. Wir haben uns viele Jahre dafür eingesetzt, gleichartige Produkte herstellen? dass es eine solche Veränderung gibt. Mit der ge- planten Regelung wird zum ersten Mal ein automa- SV Prof. Josef Hecken (Gemeinsamer Bundesaus- tisiertes und gleichzeitig zügiges Bewertungsver- schuss (G-BA)): Aus meiner Sicht ist es von zentra- fahren für neue Methoden im Krankenhaus einge- ler Bedeutung, dass Medizinproduktehersteller in führt. Wir gehen davon aus, dass damit die Sicher- die Verfahren, und zwar pflichtig, einbezogen wer- heit der Patientenversorgung nachhaltig gestärkt den. Nur die Medizinproduktehersteller verfügen wird und nach der Einführung risikobehafteter me- über die Evidenz, die notwendig ist, um im Rah- dizintechnischer Innovationen zu einem frühen men einer Methodenbewertung sachgerechte Beur- Zeitpunkt Klarheit darüber entstehen kann, wie es

18. Wahlperiode Protokoll der 37. Sitzung Seite 30 von 37 vom 25. März 2015

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Nur zur dienstlichen Verwendung teilungen vornehmen zu können. Es kann aus unse- angesprochen. Sie haben im Gesetzentwurf vorge- rer Sicht nicht der Fall sein, dass sich einzelne sehen, dass Schrittinnovationen, die nicht zu einer Krankenhäuser ohne Wissen des Herstellers eines wesentlichen Veränderung des zugrunde liegenden Medizinproduktes an Studien beteiligen, ohne dass Behandlungskonzeptes führen, ausgeschlossen zugleich auch sichergestellt ist, dass sie über Stan- werden sollten. Wir halten es für wichtig, dass die dards verfügen, die eine sachgerechte Durchfüh- Formulierung „oder des Anwendungsgebietes“ ein- rung der Studie möglich machen. Vor diesem Hin- geschlossen wird. Wenn der eben von Herrn Prof. tergrund ist es aus unserer Sicht von entscheiden- Dr. Windeler erwähnte Stent im Herzen nur mini- der Bedeutung, dass die Gestaltung von Studien mal fortentwickelt wird, mag das banal sein. Wenn etc. betreffen, eine zwanghafte Beteiligung der Me- dieser Stent aber in einer anderen Körperregion dizinproduktehersteller vorgesehen wird. Das führt eingesetzt wird, ist das eine nicht mehr dem Bana- zu einer Vereinfachung des Bewertungsverfahrens len zuzurechnende Veränderung des Anwendungs- und auch zu einer Vereinfachung des Verfahrens gebietes. Deshalb ist diese Klarstellung sehr wich- für einzelne, sich an der Studie beteiligende Kran- tig. kenhäuser, weil die Gestaltung dieses Studiende- signs mit dem Medizinproduktehersteller als feder-1. SV Joachim M. Schmitt (Bundesverband Medizin- führendem Ansprechpartner geklärt werden kann. technologie e. V. (BVMed)): Wir gehen davon aus, Damit ist es insbesondere für kleinere Krankenhäu- dass die Hersteller bisher unzureichend in das Ver- ser wesentlich einfacher, sich an den Studien zu fahren eingebunden sind. Es ist zudem davon aus- beteiligen. Die Trittbrettfahrerproblematik stellt zugehen, dass vorrangig der Hersteller maßgebende sich in zweierlei Hinsicht, wenn es um Produkte Informationen für das zu überprüfende Verfahren geht, die dem Patentschutz unterliegen. Wir sind zur Verfügung stellen kann, damit die Krankenhäu- dann in einem Bereich, in dem wir, anders als bei ser einen umfassenden und qualitativ fundierten Arzneimitteln, keinen Unterlagenschutz im klassi- NUB-Antrag stellen können. Vor diesem Hinter- schen Sinne, aber schon einen Patent- und Marken- grund, sowie vor der geplanten verpflichteten Fi- schutz haben. Dann kann sich diese Trittbrett- nanzierung der Erprobung, bedarf es der Zustim- fahrerproblematik regelhaft nicht stellen, weil der mung des Herstellers zu den NUB-Anträgen der Patent- und Markenschutz dem pharmazeutischen Krankenhäuser. Zur Trittbrettfahrerproblematik las- oder Medizinproduktehersteller eine Marktexklusi- sen Sie mich Folgendes anmerken. Das Problem ist vität gewährleistet. In den Fällen, in denen es um für uns nicht neu, es besteht ja schon in der existie- Schrittinnovation geht und mehrere Anbieter mit renden Erprobungsregelung im §137e SGB V. Es ist gleichen Entwicklungen im Markt sind, ist das, was bisher allerdings noch nicht aufgetreten. Ob der ge- von Frau Dr. Pfeiffer gesagt worden ist, wichtig. nannte Fall in der Praxis auftreten wird, bleibt ab- Wir bieten den Medizinprodukteherstellern nur im zuwarten. Oft haben neue Methoden Alleinstel- Rahmen der Studie Finanzierungssicherheit für die lungscharakter. Um diese geht es, wenn wir die en- Anwendung ihrer jeweiligen Produkte. Das heißt, gere Definition eines neuen wissenschaftlich-theo- wer sich nicht an der Studie beteiligt, hat für die retischen Konzeptes zu Grunde legen. Insofern plä- Produkte im jeweiligen Methodenbewertungsver- dieren wir in diesem Fall für ein späteres Nach- fahren keine Finanzierungssicherheit. Vor diesem steuern im Rahmen eines lernenden Systems, wenn Hintergrund ist, jedenfalls für die Dauer der Erpro- die von Herrn Prof. Dr. Hecken angesprochene Si- bung innerhalb einer Studie, ein unmittelbarer tuation der existierenden Patente nicht zu einer Lö- wirtschaftlicher Anreiz für alle gegeben, sich zu be- sung führt. Des Weiteren würden wir ein zeitlich teiligen, wenn sie reüssieren wollen. Das ist gerade abgestuftes Verfahren zur Identifizierung der zu be- bei den nur minimal fortschrittlichen Kategorien wertenden neuen Untersuchungs- und Behand- ein ganz wichtiges Kriterium, weil hier häufig die lungsmethode vorschlagen. Nach unserem Vor- Innovation nach zwei oder drei Jahren schon so schlag sollte das vom Gesetzgeber vorgesehene Ver- überholt ist, dass eine Markteinführung jenseits fahren beim G-BA erst nach der Festlegung der dieser Fragestellung überhaupt nicht mehr relevant NUB, also der Neuen Untersuchungs- und Behand- ist. Wenn Sie gestatten, möchte ich aus Sicht des lungsmethode des Status 1, durch das InEK (Insti- G-BA eine wichtige Änderung in der gesetzlichen tut für das Entgeltsystem im Krankenhaus) erfol- Formulierung anregen. Prof. Windeler hat es eben gen. Eine als NUB beantragte Methode entspricht

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Nur zur dienstlichen Verwendung nur dann der Definition eines NUB, wenn das InEK mich auf die ambulante spezialfachärztliche Ver- diese als solche anerkannt hat. In diesen Fällen sorgung. Die Frage geht an den G-BA, die KBV und vergibt das Institut den Status 1. Wenn eine Me- an Herrn Dr. Metke. Es geht um den Verzicht auf thode vom InEK nicht als NUB anerkannt wird, er- schwere Verlaufsformen, die der G-BA gefordert hält diese den Status 2. Das bedeutet, dass diese hat und den dauerhaften Bestandsschutz nach der Methode keine neue Untersuchungs- und Behand- alten § 116b SGB V-Regelung. Wie ist, insbeson- lungsmethode, für die es auch keine zusätzliche dere vor dem Hintergrund der Planbarkeit für die Vergütung gibt, ist. Wenn wir so vorgingen, würden Beteiligten, Ihre Meinung dazu? eigentlich nur die relevanten Verfahren mit NUB Status 1 einer Bewertung unterzogen. Das würde SV Prof. Josef Hecken (Gemeinsamer Bundesaus- unnötige Bürokratie vermeiden, da es nicht zu ei- schuss (G-BA)): Ich beginne mit der Übergangsrege- ner Flut der durch die Krankenhäuser und Herstel- lung zum unbefristeten Bestandsschutz für die Alt- ler einzureichenden Informationen kommen kann. verträge nach § 116b SGB V. Wir haben bundesweit etwa 1.260 Zulassungen, davon 700 in onkologi- Abg. Tino Sorge (CDU/CSU): Ich möchte kurz auf schen Anwendungsbereichen. Wir haben bei die- das Thema Retaxation zu sprechen kommen – mit sen 1.260 Zulassungen ein sehr starkes regionales der Bitte um eine kurze Antwort von der ABDA. Ungleichgewicht. Von diesen 1.260 kommen z. B. Können Sie uns einen wirtschaftlich bedeutsamen 280 aus Schleswig-Holstein und 400 aus Nord- Fall schildern, in dem Krankenkassen auf Grund rhein-Westfalen. In Bayern gibt es 35, in Baden- formaler Mängel retaxiert haben? Was können wir Württemberg etwa 40 oder 50 Zulassungen. Das über den vorliegenden Entwurf hinaus tun, damit heißt, wenn wir über diese Übergangsregelung dau- so etwas zukünftig nicht mehr vorkommt? erhaft einen Fortbestand der Altversorgung statuie- ren würden, hätten wir zwei völlig unterschiedli- SV Dr. Sebastian Schmitz (Bundesvereinigung che Zugangsberechtigte und Zugangsbereiche für Deutscher Apothekerverbände (ABDA)): Wir haben die ambulante spezialärztliche Versorgung (ASV). einzelne Fälle, z. B. bei Betäubungsmittelformula- Zum einen gäbe es die Zulassung nach § 116b SGB ren, wo bestimmte Anforderungen formaler Art an V alt, die nicht an schwere Verlaufsformen ge- Betäubungsmittel gestellt werden. Wenn dort reta- knüpft ist. Sie unterliegt anderen qualitativen Rah- xiert wird, können hohe Summen zustande kom- menbedingungen, weil damals das Prinzip „wer men. Das können zehn Euro aber auch 100 Euro darf, der kann“ galt, während heute das Prinzip sein. Wir haben in Baden-Württemberg Fälle im „wer kann, der darf“ auf der Basis von qualitativen fünfstelligen Bereich gehabt, wo dann trotz einer Vorgaben statuiert ist. Deshalb vertritt der Gemein- erfolgten Versorgung retaxiert wurde. Das halten same Bundesausschuss bzw. vertreten dessen un- wir für unangemessen. Deswegen begrüßen wir, parteiische Mitglieder die Ansicht, dass es eine auf dass Sie im Gesetzentwurf die Regelung eingeführt Dauer implementierte Übergangsregelung nicht ge- haben, dass wir zusammen mit dem GKV-Spitzen- ben kann, weil damit die Einheitlichkeit der Ver- verband klare Regelungen zum Thema Retax auf 0 sorgung, die Chancengleichheit der Leistungser- in unseren Vereinbarungen treffen. Sie haben dan- bringer und auch die für die Patienten zur Verfü- kenswerter Weise unseren Vorschlag aufgegriffen, gung stehenden Leistungsangebote auf Dauer in ei- dass eine Befristung vorgesehen wird, nach der in ner Schieflage gehalten würden. Ein großes Prob- das Schiedsstellenverfahren gegangen werden lem in der Anwendung der § 116b-Richtlinien und muss, damit wir für den Fall, dass wir uns nicht ei- in der Kreation der § 116b-Richtlinien ist bei nig werden, doch zu einer Regelung kommen. Wir den schweren Erkrankungen die doppelte Nega- könnten uns vorstellen, dass die Frist noch etwas tion, das heißt, dass sich diese schweren Erkran- verkürzt wird, um schneller zu Ergebnissen zu kungen auch noch durch eine besonders schwere kommen. Aber ansonsten würden wir gerne mit Verlaufsform auszeichnen müssen. Das führt bei dieser jetzt vorhandenen Regelung in die Verhand- onkologischen und vielen anderen Erkrankungen lung mit dem GKV-Spitzenverband eintreten und regelhaft zu einer Betrachtung der Stadien, bei der hier eine Lösung herbeiführen. in manchen Fällen die Frage gestellt werden muss, ob ein früherer Zugang eines Patienten in eine spe- Abg. Karin Maag (CDU/CSU): Ich konzentriere zialisierte Versorgung nicht hilfreicher wäre als

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Nur zur dienstlichen Verwendung ihm den Zugang erst in einer end-of-life-Situation Vorrednern sprechen wir uns eindeutig und nach- zu ermöglichen. Deshalb halten wir es für eine ins- haltig gegen die Herausnahme der schweren Ver- gesamt bessere Lösung, wenn man die vorgesehene laufsformen aus. Zum einen ist es ein Finanzie- Beschränkung auf die schweren Verlaufsformen rungsproblem. Das ist aber immer das letzte Argu- streichen würde. Dann kann man immer noch in ment. Des Weiteren ist es so, dass die ASV für die der einzelnen Richtlinie Differenzierungskriterien Organisation der Patienten im Alltag eine höhere aufnehmen. Wenn bei jemandem ein Darmpolyp bürokratische Hürde darstellt. Dies können die nie- gefunden wird, muss derjenige nicht in die Ambu- dergelassenen Ärzte auf diese Art und Weise nicht lante Spezialärztliche Versorgung (ASV) für die leisten. Es gibt aber keine Zahlen, dass die versor- Gastrotumoruntersuchung. Man ist nicht sklavisch gungsschweren Verläufe, zum Beispiel in der On- an Stadienbetrachtungen gebunden und sollte da- kologie, in der Niederlassung schlechter sind als im für die Übergangsregelung mit Ewigkeitsgarantie Krankenhaus, wissend, dass im Krankenhaus nicht im Gesetz vorsehen. Sonst wird in Schleswig- knapp die Hälfte der Ärzte keine Fachärzte sind Holstein kein einziger neuer Vertrag zustande kom- und keine fachärztliche Versorgung stattfindet. Das men. Man wäre unökonomisch, wenn man so etwas spricht von vornherein gegen eine generelle Öff- täte. In Bayern und Baden-Württemberg hätte man nung der Krankenhäuser. Streichen wir die schwe- ganz andere Versorgungsstrukturen und Angebote ren Verlaufsformen, bauen wir Doppelstrukturen für Patientinnen und Patienten zur Verfügung. Es und einen Konkurrenzkampf um denselben Patien- kann nicht Sinn einer bundeseinheitlich auf hohem ten, der zu dessen Nachteil gereicht, auf. Die Berei- Niveau stattfindenden, ambulanten spezialfachärzt- nigung stellt ein zunehmendes Problem in der Sta- lichen Versorgung sein, solche Ungleichgewichte bilität der Basisversorgung der Kollektivversorgung auf Dauer zu implementieren. dar. Wenn wir über schwere Erkrankungen auch noch bereinigt werden, ist die Restmenge für die SV Dr. Andreas Gassen (Kassenärztliche Bundes- Kollektivversorgung des Alltags nicht ausreichend. vereinigung (KBV)): Manches, was ich hätte sagen können, hat Herr Prof. Hecken schon gesagt. Es ist Abg. Martina Stamm-Fibich (SPD): Im Gesetzent- sicherlich richtig, dass es keinen Sinn macht, eine wurf wird angeführt, dass die Verwaltungsräte der Doppelstruktur zu fahren. Gerade die ungleichen Medizinischen Dienste der Krankenversicherung Qualitätsanforderungen in § 116b alt und § 116b um Vertreter der Pflegebedürftigen und der Pflege- SGB V neu sind problematisch. Von daher plädie- berufe erweitert werden sollen. Gleichzeitig soll die ren wir dafür, die Befristung für Altverträge unbe- Mitwirkung von hauptamtlichen Kassenmitarbei- dingt zu belassen und hier keine Ewigkeitsgarantie tern in den MDK-Verwaltungsräten untersagt wer- auszusprechen. Wir müssen eine Entschlackung den. Ich hätte gerne von ver.di, vom DGB und vom herbeiführen. Aus der Versorgung sehen wir, dass BKK Dachverband gewusst, wie sie diese Regelung wir immer noch das Problem der Bereinigung der sehen. Verträge nach § 116b SGB V neu und die Vorgabe haben, die fach- und hausärztliche Grundversor- SV Herbert Weisbrod-Frey (Vereinte Dienstleis- gung nicht zu bereinigen. Das müssen wir mit un- tungsgewerkschaft (ver.di)): Wir sehen den medizi- seren Vertragspartnern klären. Ansonsten könnten nischen Dienst der Krankenkassen vor allem als ein wir uns im Sinne der Vereinheitlichung und der Selbstverwaltungsgremium, bei dem eine Parität besseren Erreichbarkeit der ASV, für die Patienten der Versicherten und der Arbeitgeber besteht. vorstellen, die Altverträge enden zu lassen und die Wenn wir den medizinischen Dienst verändern, Zugangskriterien zu vereinheitlichen. Man kann würden wir dort eine dritte Bank einführen und das beispielsweise im individuellen Ziffernkranz durch die Vertreter der Pflegebedürftigen und der entsprechend schärfen. Pflegenden Fragen mit hineinbringen. Damit würde dort auch über operative Dinge gesprochen und ESV Dr. Norbert Metke: Wir meinen, dass die bis- ihre Anliegen kämen dort zur Sprache. Ich glaube, herige Übergangsregelung ausreicht und der Be- das ist das falsche Gremium, in das diese Frage standsschutz endet, wenn der G-BA Neuindikatio- hineingepackt wird und wir meinen deswegen, nen festgelegt. Wir sehen keine Indikation für einen dass man es auch in der Zukunft bei der Selbstver- dauerhaften Bestandsschutz. Im Gegensatz zu den

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Nur zur dienstlichen Verwendung waltung, die gut funktioniert, auf dieser Ebene be- für die Entscheidungen der Kranken- und Pflege- lassen und andere operative Fragen an anderer kassen unmittelbar bedeutsam sind, halten wir für Stelle klären sollte. höchst problematisch. Wenn man das in die gesetz- liche Krankenversicherung weiter spinnt, ist das SV Knut Lambertin (Deutscher Gewerkschaftsbund der erste Schritt zum Ende eines sozialmedizini- (DGB)): In Ergänzung zu meinem Kollegen, Herbert schen Dienstes der Kranken- und Pflegekassen. Weisbrod-Frey, kann ich sagen, dass wir bisher ganz gut damit gefahren sind, dass der medizini- Abg. Helga Kühn-Mengel (SPD): Ich komme auf sche Dienst der Krankenkassen über eine gewisse den Themenbereich des Innovationsfonds zurück Staatsferne verfügt. Wenn nun ein Mechanismus und richte meine Frage an den GKV-Spitzenver- vorgesehen werden soll, nach dem die Länder ein band und an Herrn Knieps. Bei der Antragstellung Drittel der Bänke bestimmen, haben wir ein Prob- für Projekte beim Innovationsfonds ist eine Kran- lem mit der Staatsferne. Das Zweite sind die Leis- kenkasse bisher nur „in der Regel“ zu beteiligen. tungserbringerinteressen. Da sehen wir die Gefahr, Halten Sie das für ausreichend? dass sie in den MDK mit einbezogen werden, das heißt, wir bekommen neue Verteilungskonflikte. SVe Dr. Doris Pfeiffer (GKV-Spitzenverband): Die Bisher haben wir schon die Konflikte zwischen Ar- Formulierung „in der Regel“ halten wir nicht für beitgebern und Versicherten bzw. Arbeitnehmerin- ausreichend. Da die Finanzierung des Innovations- nen und Arbeitnehmern. Ich bin mir nicht sicher, fonds aus Beitragsgeldern der gesetzlich Versicher- ob das zu Problemlösungen führt. Wir sollten ange- ten und ihrer Arbeitgeber erfolgt, ist es folgerichtig sichts der verschobenen Reformen der Sozialversi- und auch dringend erforderlich, dass immer ein cherungswahlen, das heißt, des gesamten Konstruk- Versorgungsvertrag mit einer gesetzlichen Kranken- tes der sozialen Selbstverwaltung, eine wissen- kasse Grundlage für eine solche Förderung sein schaftliche Evaluation darüber machen, was die so- muss. Deshalb sollten nur die Krankenkassen ein ziale Selbstverwaltung in den MDKen leistet. Der Antragsrecht haben. Das gewährleistet nicht nur, Gesetzentwurf zeichnet sich dadurch aus, dass er dass die Versorgungsprojekte praxisrelevant sind, keine Begründung für diese neue, dritte Bank lie- sondern auch, dass wir eine Verantwortung der Fi- fert, sondern nur beschreibt, dass es eine neue nanziers haben und damit auch die Interessen der dritte Bank geben soll. Auf das Warum bleibt der Patienten im Vordergrund stehen und über die Re- Gesetzentwurf die Antwort schuldig. Ich würde gelversorgung hinausgehen. mich freuen, wenn eine Evaluation stattfände, auf deren Grundlage man dann ideologiefrei über eine SV Franz Knieps (BKK Dachverband e. V.): Mit der mögliche Änderung bei den MDKen beraten gleichen Begründung sehen wir das genauso. Ich könnte. verweise in diesem Kontext auf die Ausführungen von Herrn Hermann. Es muss Sinn machen, es über SV Franz Knieps (BKK Dachverband e. V.): Wir se- einen Selektivvertrag regelbar zu gestalten. Deshalb hen es ähnlich wie unsere Trägerorganisationen der bitte ich, Innovationsfonds und § 140a SBG V zu Selbstverwaltungspartner. Wir verstehen das Anlie- harmonisieren. gen des Gesetzgebers, insbesondere Pflegebedürf- tige und ihre Angehörigen in Kernfragen der Pflege- Abg. (SPD): Wir diskutieren das versicherung zu beteiligen, halten es aber für Spannungsverhältnis von Strukturen im Kontext schlecht umgesetzt, weil in den Verwaltungsräten von Partizipation, Innovation und Tradition. Meine der MDKen, die in der Tat in der Regel über opera- Frage geht an die KBV, sowohl an Herrn Dr. Gassen tive Dinge und nicht über politisch strategische als auch an Frau Feldmann. Der Gesetzentwurf Fragen, wie es Selbstverwaltungsorganisationen in sieht Regelungen zu getrennten Abstimmungen der Krankenversicherung tun, zu entscheiden ha- bzw. eine Parität bei gemeinsamen Abstimmungen ben. Schauen Sie in das SGB V und sehen Sie sich von Haus- und Fachärzten in KBV und KV vor. Das an, welche Aufgaben die Verwaltungsräte haben. Nähere soll ein Satzungsbeschluss mit Zweidrittel- Deshalb raten wir dringend, zu überdenken, ob das Mehrheit binnen Frist herbeiführen. Erachten Sie Anliegen so optimal ausgefüllt ist. Die Beteiligung diese Regelung in der jetzigen Ausgestaltung für von Leistungserbringern an Entscheidungen, die

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Nur zur dienstlichen Verwendung zielführend und praktikabel, um die Entschei- sung bringt, weil Parität bedeutet, dass zum Bei- dungsfähigkeit der Kassenärztlichen Selbstverwal- spiel ein Antrag eines Hausarztes auf Weiterent- tung zukünftig wieder sicherzustellen? wicklung einer EBM mit der fachärztlichen Parität abgelehnt wird. Wir kommen dadurch nicht zum SV Dr. Andreas Gassen (Kassenärztliche Bundes- Ziel und geben zu bedenken, und das darf ich hier vereinigung (KBV)): Wir sind als Körperschaft der für die Hausärzte sagen, dass man darüber nach- Meinung, dass unsere Vertragsärzte diese Diskus- denken sollte, ob der Gesetzgeber die Aufgaben sion nicht nachvollziehen können. Aus unserer schärfen und sowohl für den haus- als auch für den Sicht besteht kein wirklicher Handlungsbedarf. Ich fachärztlichen Bereich definieren sollte, was die glaube nicht, dass man den gemeinsamen Versor- Aufgaben der Fachärzte und der Hausärzte sind. gungsauftrag der Körperschaften damit erweitert Die Hausärzte wären sehr froh, wenn wir uns allein oder mit einer entsprechenden Handlungsfähigkeit mit der Weiterentwicklung unserer hausärztlichen ausstattet. Das wird offensichtlich auch von vielen Gesamtvergütung – wir haben eine getrennte Ge- Bundesländern so gesehen. Wir haben wahrgenom- samtvergütung – unseres Anteils der Gesamtvergü- men, dass von dort die Frage aufgeworfen wurde, tung befassen dürften und dort entscheiden könn- ob man diese Regelung auch in den regionalen KVn ten. Es gibt erhebliche Unterschiede in der Versor- umsetzen muss. Nein, muss man nicht, aber man gung, im fachärztlichen wie auch im hausärztli- muss sie auch auf Bundesebene nicht umsetzen. chen Bereich. Wenn das gelingen könnte, wäre wie- Wir haben im Vorgriff auf solche Diskussionen in der eine Befriedung in diesem System erreicht. der KBV einen Ausschuss in der Satzung etabliert, Deshalb kann ich sagen, Parität bringt uns nichts, der mit der Frage befasst werden soll, ob es rein weil wir dadurch die Interessenlagen der einzelnen haus- oder rein fachärztliche Themen gibt. In die- Versorgungsbereiche nicht gewahrt sehen. Ich sage sem Fall würden die jeweiligen Versorgungsberei- bewusst nicht Interessengruppen, weil das keine che getrennt abstimmen. Handlungsbedarf für eine Interessengruppen, sondern Versorgungsbereiche paritätische Stimmengewichtung sehe ich nicht. mit ganz unterschiedlichen Versorgungsaufträgen sind. Diese Entwicklung wird sich verschärfen, SVe Regina Feldmann (Kassenärztliche Bundesver- weil es immer weniger Hausärzte in diesem System einigung (KBV)): Ich muss ein kleines bisschen geben wird. weiter ausholen. Wir haben als Körperschaft den Sicherstellungsauftrag für die Versorgung der versi- Abg. (SPD): Meine Frage geht an cherten Menschen. Diese Versorgung umfasst so- den Vertreter der BPtK und die Vertreterin des wohl haus- als auch fachärztliche Versorgung. Wir DPTV. Die Psychotherapeutinnen und Psychothera- haben heute schon mehrfach gehört, dass die haus- peuten äußern sich immer wieder zur Problematik ärztliche Versorgung sehr bedroht ist, dass wir sehr der Befugnisbeschränkungen. Ich würde Sie bitten, große Probleme haben, die offenen Stellen nachzu- dazu Stellung zu nehmen und zwar vor allen Din- besetzen. Das hat dazu geführt, dass in keiner Ver- gen unter dem Gesichtspunkt der Herausforderun- treterversammlung überhaupt annähernd eine Pari- gen, die sich durch die Überarbeitung der Psycho- tät erreicht wird, auch nicht in der KBV-Vertreter- therapie-Richtlinie ergeben. versammlung. Ich kann die aktuellen Zahlen nen- nen. Dort gibt es 22 Hausärzte, inklusive Kinderärz- SV Prof. Dr. Rainer Richter (Bundespsychothera- ten, zwei zu hausärztlichen Vorständen gemachte peutenkammer (BPtK)): Die Beschränkung der Be- Verwaltungsmitarbeiter und mittlerweile 36 fach- fugnisse infolge des Psychotherapeutengesetzes ist ärztliche Vertreter. Das führt dazu, dass es in der in der Tat ein Thema, das uns seit Jahren umtreibt. gemeinsamen Selbstverwaltung in der Regel um Wir haben eine Reihe von Vorschlägen gemacht Honorare und um die Weiterentwicklung von Ho- und uns an den politischen Diskussionen orien- noraren geht. Das führt zu den Konflikten, die dort tiert. Es gibt eine Liste von Vorschlägen, eine Reihe entstehen. Wir dürfen einfach nicht zulassen, dass von Befugniseinschränkungen mit Hilfe dieses Ge- das Auswirkungen auf die Versorgung der Versi- setzes aufzuheben. Ich will nur auf zwei eingehen. cherten hat. Daher ist es nicht zielführend, dort Das eine ist die Soziotherapie. Es geht um eine eine Parität reinzuschreiben, die am Ende keine Lö- Gruppe von Patienten mit schweren psychischen

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Erkrankungen, die auch immer wieder bei Versor- Aufhebung mindestens einiger Einschränkungen gungsdefiziten erwähnt wird. Das ist eine zahlen- dieser Befugnisse, um die Kooperation in die Tat mäßig kleine Gruppe, die jetzt, wenn sie bei einem umsetzen zu können. Am dringendsten betrifft das Psychotherapeuten in Behandlung ist, noch zusätz- die Überweisung zum mitbehandelnden Arzt und lich zu einem Psychiater gehen muss, wenn eine die Einweisung ins Krankenhaus, das wurde eben Soziotherapie für indiziert angesehen wird. Die schon erwähnt, inklusive der Verordnung des da- Möglichkeit der Psychotherapeuten, die Soziothe- zugehörigen Krankenhaustransportes sowie die rapie direkt zu verordnen, ist im Interesse des Pati- Verordnung von Sozio- oder Ergotherapie. Es enten unbedingt erforderlich, um Doppelstrukturen würde die vorhin schon erwähnte Sprechstunde in und Belastungen für diese Patientengruppe zu ver- ihrer Funktionalität deutlich stärken, wenn diese meiden. Der zweite Punkt wird kontrovers disku- Befugnisse ausgeübt werden könnten. tiert. Das ist die Befugnis zur Krankenhauseinwei- sung. Wenn ein Psychotherapeut einen Patienten Abg. Marina Kermer (SPD): Meine Frage geht an hat, der suizidal ist und er der Ansicht ist, dass die- den Caritasverband und an ver.di zum Thema Mo- ser stationär behandelt werden sollte, muss er die dellvorhaben „Substitution“. Wie bewerten Sie die Möglichkeit haben, diesen ohne Umweg in ein Notwendigkeit eines verbindlichen Zeitplanes zur Krankenhaus einzuweisen, d. h. er muss auch den Erarbeitung standardisierter Ausbildungsmodule Krankentransport verordnen können. Wenn er das zur Substitution gerade mit Blick auf ein noch zu nicht kann, wie das im Moment noch der Fall ist, erarbeitendes Pflegeberufe-Gesetz und welche muss er aus berufs- und strafrechtlichen Überle- Empfehlungen möchten Sie uns dahingehend ge- gungen den Patienten im schlimmsten Fall selber ben? ins Krankenhaus bringen. Das kann keine Lösung sein. Wichtig ist, dass Psychotherapeuten diese SVe Dr. Elisabeth Fix (Deutscher Caritasverband e. Kompetenzen nach dem jetzigen Psychotherapeu- V.): Das Gesetz sieht leider keine Fristen vor. Ich tengesetz bereits haben. Das ist etwas, was sie in habe schon erwähnt, dass es für die Curricularent- der Ausbildung gelernt haben. Es tauchte immer wicklung auch nur eine Kann-Bestimmung gibt, die wieder bei den Diskussionen das Argument auf, den G-BA nicht verpflichtet, ein Curriculum vorzu- dass Psychotherapeuten diese Kompetenz derzeit legen. Wenn ich mir vorstelle und wünsche, dass nicht hätten und erst erwerben müssten. Dieses Ar- wir dieses Jahr ein Pflegeberufe-Gesetz auf den Weg gument ist widerlegbar falsch. Wir werden das bringen, dass die gemeinsame generalistische Pfle- auch noch mit entsprechenden Papieren unterstüt- geausbildung einführt und nach einem Konzept der zen. Es gibt noch zwei, drei andere Punkte, auf die gestuften Kompetenzen auch künftig die akademi- ich jetzt aus Zeitgründen nicht eingehe. Hier ist sche Ausbildung aufgreift, halte ich eine Fristenset- dringend Handlungsbedarf und wir bitten darum, zung für dringend geboten. die Chance wahrzunehmen und diese anachronisti- schen Befugniseinschränkungen im Sinne der Pati- SV Herbert Weisbrod-Frey (Vereinte Dienstleis- enten und im Sinne der Verbesserung der Versor- tungsgewerkschaft (ver.di)): Ich kann in Ergänzung gung aufzuheben. zu der Antwort von Frau Dr. Fix sagen, dass wir große Bedenken haben, ob der G-BA das geeignete SVe Barbara Lubisch (Deutsche Psychotherapeu- Gremium ist, um an dieser Stelle tätig zu werden. tenvereinigung e. V. (DPTV)): Ich schließe mich Kompetenzbeschreibung allein auf der Wissens- Herrn Prof. Dr. Richter an. Wir arbeiten bereits ge- ebene halten wir nicht für tauglich. Da müssen meinsam mit den psychiatrischen Berufsgruppen auch personelle Kompetenzen und ein anderer an Konzepten zu einer koordinierten Versorgung Sachverstand, wie zum Beispiel der des Bundesin- der Patienten mit psychischen und neurologischen stituts für Berufsbildung, der geeigneter erscheint, Erkrankungen. Zur Förderung dieser interdiszipli- mit dazu kommen. In der Frage der Fristensetzung nären Kooperation, die auch sektorenübergreifend können wir uns dem Caritasverband anschließen. in die Zukunft weitergedacht wird, ist es notwen- Wir haben bisher an dieser Stelle wenig erlebt und dig, dass die Kooperation auch formal verbessert ich glaube, es ist notwendig im Gesundheitswesen, wird. Die psychologischen Psychotherapeuten und gerade mit Blick auf eine stärkere Teamorientie- Kinder- und Jugendtherapeuten brauchen dazu die rung, die anderen Berufe außerhalb der Ärzteschaft

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