Deutscher 70. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Inhalt:

Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 4251 A Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Energiepolitik (Drucksache 7/1401) Amtliche Mitteilungen ...... 4251 A Dr. Nölling (SPD) ...... 4252 C Frau Dr. Focke, Bundesminister Entwurf eines Gesetzes über die Gewäh- (BMJFG) 4254 D rung eines einmaligen Heizölkostenzu- schusses (SPD, FDP) (Drucksache 7/1395) Dr. Carstens (Fehmarn) (CDU/CSU) 4256 B — Erste Beratung -- in Verbindung mit Dr. Graf Lambsdorff (FDP) . . . . 4258 C Dr. Ehrenberg (SPD) 4264 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 4266 C Investitionszulagengesetzes (CDU/CSU) (Drucksache 7/1364) — Erste Beratung —, Frau Funcke, Vizepräsident . . . 4269 B mit Dr. Friderichs, Bundesminister (BMWi) ...... 4269 C Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Burger (CDU/CSU) ...... 4275 C Maßnahmen zum Ausgleich der auf Grund der Ölkrise gestiegenen Heizkosten für Nordlohne (CDU/CSU) . . . . . 4277 A die sozial schwächeren Teile der Bevöl- Dr. Schmitt-Vockenhausen, kerung (Drucksache 7/1346), mit Vizepräsident ...... 4277 C Eigen (CDU/CSU) 4280 B Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Dr. Warnke (CDU/CSU) . . . . 4281 B Konzertierte Aktion (Drucksache 7/1347), mit Haase (Fürth) (SPD) 4284 A Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) . 4285 B Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Heizölkostenbeihilfen für Landwirtschaft Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Ände- und Gewerbe (Drucksache 7/1348), mit rung des Abzahlungsgesetzes (Bundes- rat) (Drucksache 7/598); Bericht und An- Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. trag des Rechtsausschusses (Drucksache Arbeitsplatzsicherungsprogramm (Druck- 7/1398) — Zweite und dritte Beratung sache 7/1359) und mit Dr. Stark (Nürtingen) (CDU/CSU) . 4286 B

II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. , Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Frau Däubler-Gmelin (SPD) . . . . 4287 C Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 4295 C, D Kleinert (FDP) . . 4289 D Dr. Unland (CDU: CSU) 4295 D Dr. Unland (CDU/CSU) (Erklärung nach § 59 GO) . . . 4291 A Frage A 62 — Drucksache 7/1380 — der Abg. Frau Schlei (SPD) : Entwurf eines Gesetzes Zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und des Schiffs- Rationalisierung und Frauenarbeits- bankgesetzes (Drucksache 7/114); Bericht losigkeit in der Textilindustrie und Antrag des Finanzausschusses Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 4295 D, (Drucksachen 7/1382, 7/1390) — Zweite 4296 C, D, 4297 A, B, C, 4298 A und dritte Beratung — Frau Schlei (SPD) 4296 B, C Rapp (Göppingen) (SPD) 4291 B Frau Dr. Lepsius (SPD) . . . . 4296 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Dr. Schmitt-Vockenhausen, Gesetzes über die Pfandbriefe und ver- Vizepräsident . 4296 D, 4297 D, 4298 B wandten Schuldverschreibungen öffent- Immer (SPD) 4296 D lich-rechtlicher Kreditanstalten (Druck- sache 7/112); Bericht und Antrag des Müller (Nordenham) (SPD) . . . 4297 A Finanzausschusses (Drucksachen 7/1383, Stahl (Kempen) (SPD) 4297 B 7/1390) — Zweite und dritte Beratung — 4292 B Dr. Unland (CDU/CSU) . . . . 4297 C Fragestunde (Drucksachen 7/1380, 7/1393, Collet (SPD) ...... 4297 D 7/1394) Dr. Warnke (CDU/CSU) . . . . 4297 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Geiger (SPD) ...... 4298 B Vizepräsident 4292 D Niegel (CDU/CSU) ...... 4298 B Frage — Drucksache 7/1393 des Abg. Dr. Hirsch (FDP) : Frage — Drucksache 7/1394 — der Abg Frau Dr. Lepsius (SPD) : Einführung einer generellen Geschwin digkeitsbegrenzung für Kraftfahrzeuge Kurzarbeit in der Textil- und Beklei- dungsindustrie Haar, Parl. Staatssekretär (BMV) . . 4293 A, B, C, D Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 4298 C, 4299 A, B, C, D, 4300 A, B, C, D, Dr. Hirsch (FDP) 4293 B, C 4301 A, C, D Dr. Weber (Köln) (SPD) . . . . 4293 C Frau Dr. Lepsius (SPD) . . . . 4299 A, B Dr. Jobst (CDU/CSU) . . . . -. 4293 D Urbaniak (SPD) ...... 4299 C Dr. Evers (CDU/CSU) . . . . 4293 D Dr. Evers (CDU/CSU) 4299 C

Frage A 54 — Drucksache 7/1380 — der Collet (SPD) . . . ...... 4299 D Abg. Frau Eilers (Bielefeld) (SPD) : Geiger (SPD) ...... 4300 A Konjunkturpolitische Maßnahmen zur Dr. Unland (CDU/CSU) 4300 A Besserung der Situation in der Textil- Frau Eilers (Bielefeld) (SPD) . . 4300 B industrie Niegel (CDU/CSU) 4300 C Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 4294 A, B Biermann (SPD) 4300 C Frau Eilers (Bielefeld) (SPD) . . . 4294 B Dr. Fuchs (CDU/CSU) 4300 D Wehner (SPD) 4301 A Frage A 61 — Drucksache 7/1380 — des Abg. Junghans (SPD) : Frau Schlei (SPD) 4301 B Gefährdung der mit öffentlichen Mit- Immer (SPD) ...... 4301 C teln in der Textilindustrie geschaffenen Schonhofen (SPD) 4301 D Arbeitsplätze in industrieschwachen Regionen Frage A 1 — Drucksache 7/1380 — des Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) Abg. Lagershausen (CDU/CSU) : 4294 C, D, 4295 A, B, C Einbeziehung von Personalwohnhei- Stahl (Kempen) (SPD) 4294 D men und Schwesternschulen in die För- derung nach dem Gesetz zur wirtschaft Dr. Warnke (CDU/CSU) 4295 A lichen Sicherung der Krankenhäuser Frau Dr. Lepsius (SPD) 4295 A Westphal, Parl. Staatssekretär Rappe (Hildesheim) (SPD) . . . 4295 B (BMJFG) ...... 4302 A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 III

Fragen A 2 und 3 — Drucksache 7/1380 Frage A 11 — Drucksache 7/1380 — des — des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein- Abg. Böhm (Melsungen) (CDU/CSU): Hohenstein (CDU/CSU) : Klagen des hessischen Ministers für Kürzung der für die Zulassung von aus- Wirtschaft und Technik über man- ländischen Studienbewerbern der Me- gelnde Zusammenarbeit mit dem Bun- dizin vorgesehenen Quote; Studien- desverkehrsminister plätze für Bewerber, die sich nach Ab- Haar, Parl. Staatssekretär (BMV) . 4306 B, C schluß ihrer Ausbildung in Stadtrand- Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . 4306 C, D gebieten und ländlichen Gemeinden als Arzt für Allgemeinmedizin niederlassen Frage A 13 — Drucksache 7/1380 — des Zander, Parl. Staatssekretär (BMBW) 4302 C, Abg. Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU): 4303 A, B, C Meldungen betr. Vorschläge zur Um- Prinz zu Sayn-Wittgenstein strukturierung und zu personellen Um- Hohenstein (CDU/CSU) . . . 4303 A, B besetzungen in den Bundesministerien Dr. Sperling (SPD) 4303 C für Forschung und Technologie und Dr. Schmitt-Vockenhausen, für das Post- und Fernmeldewesen Vizepräsident 4303 C Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 4303 C (BMFT/BMP) ...... 4306 D

Fragen A 15 und 16 — Drucksache 7/1380 Fragen A 6 und 7 — Drucksache 7/1380 — — des .Abg. Dr. Freiherr Spies von Bül- des Abg. Dr. Evers (CDU/CSU) : lesheim (CDU/CSU) : Pläne zur Aufhebung von Stückgut- Verlust der Deutschen Bundespost im bahnhöfen und die Erdölkrise; Schlie- Bereich des Zahlungsverkehrs im ßung von Stückgutbahnhöfen in wenig Jahre 1972 und Verzicht auf die Erhe- erschlossenen Mittelgebirgslagen bung der üblichen Gebühren in be- Haar, Parl. Staatssekretär (BMV) . . 4303 D, stimmten Dienstzweigen 4304 B, C Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär Dr. Evers (CDU/CSU) . . . 4304 A, B, C (BMFT/BMP) 4307 B, C

Fragen A 17 und 18 Drucksache 7/1380 Frage A 8 — Drucksache 7/1380 — des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) : — des Abg. Dr. Probst (CDU/CSU) : Anteil der im öffentlichen Dienst täti- Kennzeichnung spikesbereifter Kraft- gen Hochschulabsolventen an der Ge- fahrzeuge - samtzahl der erwerbstätigen Hochschul- Haar, Parl. Staatssekretär (BMV) . . 4304 D, absolventen in der Bundesrepublik 4305 A, B Deutschland; Anstellung der Hochschul- Dr. Jobst (CDU/CSU) 4305 A absolventen, die nach Abschluß ihres Studiums im privaten Bereich keine an- gemessene Berufsmöglichkeit gefunden Frage A 9 — Drucksache 7/1380 — des haben, durch öffentliche Dienstherren Abg. Immer (SPD) : Genscher, Bundesminister (BMI) . . 4307 D, Verlagerung von Gütertransporten von 4308 A der Straße auf die Schiene Dr. Probst (CDU/CSU) . 4307 D, 4308 A Haar, Parl. Staatssekretär (BMV) . 4305 B, D Immer (SPD) ...... 4305 C, D Frage A 19 — Drucksache 7/1380 — des Abg. Spranger (CDU/CSU) : Meldungen über die Parteizugehörig- Frage A 10 — Drucksache 7/1380 — des Abg. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) : keit der Chilenen, die in die Bundes- republik Deutschland übersiedeln wol- Ausgleich der gemeinwirtschaftlichen len; Geltung der Bedürfnisse der in- Lasten der kommunalen Träger des neren Sicherheit für Linksradikale öffentlichen Personennahverkehrs im Genscher, Bundesminister (BMI) . . Bereich des Ausbildungs- und Berufs- 4308 B, C, D, 4309 A, B verkehrs ; Betriebskostenzuschüsse für den Münchner Verbundverkehr Spranger (CDU/CSU) 4308 C, D Lambinus (SPD) ...... 4309 A Haar, Parl. Staatssekretär (BMV) . . 4305 D, 4306 A, B Dr. Sperling (SPD) 4309 A Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . 4306 A, B von Alten-Nordheim (CDU/CSU) . 4309 B IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Frage A 20 — Drucksache 7/1380 — der Fragen A 87 und 88 — Drucksache 7/1380 Abg. Frau Eilers (Bielefeld) (SPD) : — des Abg. Dr. Abelein (CDU/CSU) :

Kürzung des Kinderzuschlags gemäß Verhältnis des Grundgesetzes zum § 19 Abs. 2 Nr. 4 des Bundesbesol- Transitabkommen und zu weiteren dungsgesetzes Vereinbarungen Genscher, Bundesminister (BMI) . 4309 C, D Genscher, Bundesminister (BMI) . . 4312 D, Frau Eilers (Bielefeld) (SPD) . . . 4309 D 4313 A, B, D, 4314 A Dr. Abelein (CDU/CSU) . 4313 A, B, C, D Frage A 25 — Drucksache 7/1380 — des Abg. Schreiber (SPD) : Entwurf eines Gesetzes zur Unterstützung der Initiativen zur Auf Änderung der (Bundesrat) (Druck- nahme politischer Flüchtlinge aus Chile Zivilprozeßordnung sache 7/268); Bericht und Antrag des Genscher, Bundesminister (BMI) . . 4310 A Rechtsausschusses (Drucksache 7/1384) — Zweite und dritte Beratung — Frage A 26 — Drucksache 7/1380 — des Dr. Schöfberger (SPD) ...... 4314 B Abg. Dr. Schweitzer (SPD) : Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) . . 4315 B Ablehnung einer Bewerbung um Über- nahme in den öffentlichen Dienst auf Engelhard (FDP) ...... 4316 D Grund vorübergehender Mitgliedschaft Dr. Held, Minister des Landes Bayern 4317 B im „Spartakus" an einer wissenschaft- lichen Hochschule Entwurf eines Bundespersonalvertretungs- Genscher, Bundesminister (BMI) . 4310 B, C gesetzes (SPD, FDP) (Drucksache 7/176); Dr. Schweitzer (SPD) . . . . . 4310 B, C Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO ( Drucksache 7/1425), Bericht und Fragen A 27 und 28 — Drucksache 7/1380 Antrag des Innenausschusses (Druck- — des Abg. Büchner (Speyer) (SPD) : sachen 7/1339, 7/1373) — Zweite und Förderung von Sportbaumaßnahmen dritte Beratung — durch die Bundesregierung im Haus- Volmer (CDU/CSU) . . 4318 C, 4332 B haltsjahr 1973; Förderung des Sport- Dr. Miltner (CDU/CSU) 4318 D stättenbaus im Zonenrandgebiet Liedtke (SPD) ...... 4321 A Genscher, Bundesminister (BMI) . . 4310 D, 4311 A Groß (FDP) 4322 C, 4335 C Dr. Farthmann (SPD) 4323 C Frage A 29 — Drucksache 7/1380 — des Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . 4324 B Abg. Dr. Wernitz (SPD) : - Vorarbeiten und Koordinierungsbemü- Müller (Remscheid) (CDU/CSU) . 4327 C hungen für den Beitrag der Bundes- Dr. Glotz (SPD) ...... 4328 D republik Deutschland zum Europäischen Becker (Nienberge) (SPD) . . . 4330 C Denkmalschutzjahr 1975 Genscher, Bundesminister (BMI) . 4338 C Genscher, Bundesminister (BMI) . . 4311 A, B, C Dr. Wernitz (SPD) ...... 4311 B, C Antrag des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung betr. Frage A 30 — Drucksache 7/1380 — des Aufhebung der Immunität des Abg. Wie- Abg. Dr. Wernitz (SPD) : nand (Drucksache 7/1428) 4332 A Aufnahme der Zollverwaltung in das Sicherheitsprogramm Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (Drucksache 7/550); Be- Genscher, Bundesminister (BMI) . . 4311 C, richt und Antrag des Sonderausschusses 4312 A für die Strafrechtsreform (Drucksachen Dr. Wernitz (SPD) 4312 A 7/1232, 7/1261) — Zweite und dritte Be- ratung — Frage A 31 — Drucksache 7/1380 — des Abg. Straßmeir (CDU/CSU) : Dr. Penner (SPD) . . . 4340 B, 4342 A Beschluß der Bundesregierung über die Dr. Eyrich (CDU/CSU) . . . . 4341 A Errichtung des Bundesamtes für Um- von Schoeler (FDP) weltschutz in 4343 D Genscher, Bundesminister (BMI) 4312B, C Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 4345 B Straßmeir (CDU/CSU) 4312B, C Jahn, Bundesminister (BMJ) . . . 4346 A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 V

Entwurf eines Gesetzes zu dem Beschluß zur Verlängerung bestimmter die Ge- vom 28. Februar 1972 der im Rat ver- währung von Zuschüssen aus dem Euro- einigten Vertreter der Regierungen der päischen Ausrichtungs- und Garantie- Mitgliedstaaten der Europäischen Ge- fonds für die Landwirtschaft, Abteilung meinschaft für Kohle und Stahl zur Auf- Ausrichtung, betreffender Fristen für die hebung der gemäß Artikel 69 des Ver- Jahre 1972, 1973 und 1974 (Drucksachen trags über die Gründung der Europä- 7/1073, 7/1336) ...... 4349 A ischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl erlassenen Rechtsakte (Drucksache Bericht und Antrag des Ausschusses für 7/1142); Bericht und Antrag des Aus- Wirtschaft zu den Vorschlägen der EG- schusses für Wirtschaft (Drucksache Kommission für eine 7/1374) — Zweite Beratung und Schluß- abstimmung — 4347 D Richtlinie des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvor- schriften für die Filmwirtschaft Entwurf eines Gesetzes zum Protokoll vom 30. November 1972 zur Änderung des in Richtlinie über die Verwirklichung des Paris am 22. November 1928 unterzeich- freien Dienstleistungsverkehrs für die neten Abkommens über Internationale selbständigen Tätigkeiten des Filmver- Ausstellungen (Drucksache 7/1143); Be- leihs (Drucksachen VI/2569, 7/1387) . . 4349 B richt und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft (Drucksache 7/1365) — Zweite Erklärung nach § 36 GO Beratung und Schlußabstimmung — . . 4348 A Gansel (SPD) ...... 4349 C

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Nächste Sitzung ...... 4349 D Gewerbeordnung (Drucksache 7/111); Be- richt und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft (Drucksache 7/1385) — Zweite und dritte Beratung — ...... 4348 B Anlagen

Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung Anlage 1 einer Zusatzversorgungskasse für Arbeit- Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 4351* A nehmer in der Land- und Forstwirtschaft (Drucksache 7/1342) — Erste Beratung — 4348 C Anlage 2

Sammelübersichten 12 und 13 des Petitions- Berichtigung zum Antrag des Innenaus- ausschusses über Anträge zu Petitionen schusses auf Drucksache 7/1339 (BPersVG) 4351* C (Drucksachen 7/1363, 7/1378) 4348 C Anlage 3 Ubersicht 5 des Rechtsausschusses über die Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner dem Deutschen Bundestag zugeleiteten (BMWi) auf die Fragen A 93 und 94 — Streitsachen vor dem Bundesverfassungs- Drucksache 7/1320 — des Abg. Vogt gericht (Drucksache 7/1318) 4348 D (CDU/CSU) : Berufung eines verbraucher- politisch versierten Mitglieds in die Mo- Bericht und Antrag des Ausschusses für nopolkommission und Haushaltsmittel innerdeutsche Beziehungen zu der Unter- für verbraucherpolitische Maßnahmen . . 4351* D richtung durch die Bundesregierung über den erweiterten Verkehrswegeplan für Anlage 4 das Zonenrandgebiet; hier: Bericht des Bundesministers für Verkehr 1972 über Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner den Fortgang der Verkehrserschließung (BMWi) auf die Fragen A 97 und 98 — des Zonenrandgebietes (Drucksachen Drucksache 7/1320 — des Abg. Lenzer V/3711, 7/64, 7/1289) ...... 4348 D (CDU/CSU) : Kohleverflüssigungsanlage als Notstandsreserve; Förderung der Ge- Antrag des Bundesrechnungshofes betr. winnung von Benzin aus Kohle . . . . 4352* B Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung (einschließ- Anlage 5 lich der Bundesvermögensrechnung) für Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner das Haushaltsjahr 1971 (Drucksache (BMWi) auf die Frage A 118 — Druck- 7/1242) 4349 A sache 7/1320 — des Abg. Wagner (Günz- burg) (CDU 'CSU) : Reaktion deutscher Bericht und Antrag des Ausschusses für Tochtergesellschaften amerikanischer Öl- Ernährung, Landwirtschaft und Forsten konzerne auf das Verhalten der Bundes- zu dem Vorschlag der EG-Kommission regierung während des Nahostkriegs ge- für eine Verordnung (EWG) des Rates genüber den Vereinigten Staaten . . . 4352* D VI Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Anlage 6 Drucksache 7/1320 — des Abg. Spranger Antwort des Parl. Staatssekretärs Loge- (CDU/CSU) : Pressemeldung über die Gel- mann (BML) auf die Frage A 135 — tendmachung von Reisespesen für ein Drucksache 7/1320 — des Abg. Dr. Früh Gespräch mit einem ausländischen Jour- (CDU/CSU): Besuche des EG-Agrarkom- nalisten durch den Mitarbeiter des Bun- missars in einzelnen Bundesländern . . 4353*A deskanzlers Klaus Harpprecht . . . . 4355* A

Anlage 7 Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar Antwort des Parl. Staatssekretärs Berk- (BMV) auf die Frage A 12 — Drucksache han (BMVg) auf die Fragen B 2 und 3 — 7/1380 -- des Abg. Lagershausen (CDU/ Drucksache 7/1320 — des Abg. Nordlohne CSU) : Vereinbarkeit der Förderung von (CDU/CSU) : Benutzung von Sonder- Bundesausbauorten mit der Schließung maschinen und Hubschraubern der Bun- von Stückgutbahnhöfen in diesen Orten 4353* B deswehr und des Bundesgrenzschutzes durch Mitglieder der Bundesregierung Anlage 8 seit dem Beginn der Mineralöl- und Treibstoffrationierung ...... 4355* A Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Frage A 14 — Drucksache 7/1380 — des Abg. Dr. Riedl Anlage 14 (München) (CDU/CSU) : Beschränkung Antwort des Parl. Staatssekretärs Berk- der Gesprächsdauer für Ortsgespräche 4353* C han (BMVg) auf die Frage B 4 — Druck- sache 7/1320 — des Abg. Dr. Schäuble Anlage 9 (CDU/CSU) : Frage nach der Vereinbar- keit der Reise des Bundesinnenministers Antwort des Bundesministers Genscher in einer Sondermaschine der Bundeswehr (BMI) auf die Fragen A 21 und 22 — in die Volksrepublik China mit den Be- Drucksache 7/1380 — des Abg. Rollmann mühungen um Energieeinsparung . . . 4356* B (CDU/CSU) : Pressemeldung über die Par- teizugehörigkeit der Chilenen, die in der Bundesrepublik Deutschland Aufnahme Anlage 15 finden sollen; Gewähr dieser Chilenen Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch für die Beachtung der Verfassung und (AA) auf die Frage B 5 — Drucksache der Gesetze der Bundesrepublik Deutsch- 7/1320 — des Abg. Geldner (FDP) : Orte land 4353* D und Ausmaß von Hungersnot und Maß- nahmen zur Behebung derselben . . . 4357* A Anlage 10

Antwort des Bundesministers Genscher Anlage 16 (BMI) auf die Fragen A 23 und 24 — Drucksache 7/1380 — des Abg. Wende Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. (SPD) : Maßnahmen der Bundesregierung Apel (AA) auf die Frage B 6 — Druck- zur Vermeidung von Fehlplanungen bei sache 7/1320 — des Abg. Sick (CDU/ der Errichtung von Zentren für den Lei- CSU) : Dringlichkeit von Bemühungen um stungssport; Erstellung des „Gesamtplans Fortschritte zur Schaffung eines politisch Leistungszentren" ...... 4354" B handlungsfähigen Europa 4357* D

Anlage 11 Anlage 17 Antwort des Bundesministers Genscher Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung (BMI) auf die Fragen A 32 und 33 — (BMI) auf die Frage B 7 — Drucksache Drucksache 7/1380 — des Abg. Wagner 7/1320 — des Abg. Biehle (CDU/CSU) : (Günzburg) (CDU/CSU) : Auffassung der Dynamisierung von Renten aus der Zu- Bundesregierung betr. verfassungsfeind- satzversorgung 4358* A liche Ziele der DKP; Aushöhlung der frei- heitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bei wei- Anlage 18 terer Verzögerung des Verbots der DKP 4354* C Antwort des Parl. Staatssekretärs Jung (BMI) auf die Fragen B 8 und 9 — Druck- sache 7/1320 — des Abg. Biechele (CDU/ CSU) : Beurteilung des Systems der Müll- kompostierung der Maschinenfabrik Anlage 12 FAHR AG, Gottmadingen; finanzielle Antwort des Staatssekretärs Freiherr von Förderung dieses Systems der Müllkom- Wechmar (BPA) auf die Frage B 1 — postierung 4358* C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 VII

Anlage 19 Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Fragen B 10 und 11 — (BMWi) auf die Frage B 20 — Drucksache Drucksache 7/1320 — des Abg. Lenders 7/1320 — des Abg. Dr. Jahn (Braun- (SPD) : Haltung der Delegation der Bun- schweig) (CDU/CSU) : Zusammenarbeit desrepublik Deutschland in der Arbeits- im Rahmen der EWG und in Überein- gruppe des Europarats zur Frage einer stimmung mit den USA und Kanada bei neuen internationalen Konvention über Erschließung neuer und erweiterter Ener- die Beschränkung der irreführenden Wer- giequellen 4363* A bung; heutige Einstellung der Bundes- regierung zur Frage einer internationa- Anlage 26 len Regelung dieses Problemkreises . . 4359* A Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage B 21 — Drucksache Anlage 20 7/1320 — des Abg. Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) : Maßnahmen zur Beseitigung Antwort des Parl. Staatssekretärs Herms- von nachteiligen Auswirkungen des dorf (BMF) auf die Frage B 12 — Druck- Sonntagsfahrverbotes für abseits öffent- sache 7/1320 — des Abg. Pfeifer (CDU/ licher Verkehrslinien gelegene Hotels CSU) : Finanzierung von Umweltschutz- und Gaststätten ...... 4364* A maßnahmen durch die Gemeinden; Ge- währung eines größeren Kreditkontin- gents für das Land Baden-Württemberg Anlage 27 zur Finanzierung von Umweltschutzmaß- Antwort des Parl. Staatssekretärs Loge- nahmen 4361* A mann (BML) auf die Frage B 22 — Druck- sache 7/1320 — des Abg. Müller (Bay- Anlage 21 reuth) (SPD) : Kennzeichnung landwirt- schaftlicher Produkte aus der Massentier- Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. haltung auf dem Verpackungsmaterial . . 4364* B Haack (BMBau) auf die Fragen B 13 und 14 — Drucksache 7/1320 — des Abg. Dr. Anlage 28 Häfele (CDU/CSU) : Bundesmittel für das Entwicklungsvorhaben Villingen-Schwen- Antwort des Pari. Staatssekretärs Loge- ningen 4361* B mann (BML) auf die Frage B 23 — Druck- sache 7/1320 — des Abg. Eigen (CDU/ Anlage 22 CSU) : Gründe für den Vorschlag in dem Referentenentwurf zur Milchkennzeich- Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. nungsverordnung, die Bezeichnung Hauff (BMFT/BMP) auf die Fragen B 15 „Trinkmilch" durch „Konsummilch" zu und 16 — Drucksache 7/1320 — des Abg. ersetzen ...... 4364 * C Christ (FDP) : Anregung oder Unterstüt- zung von Forschungsprojekten für den Anlage 29 Ersatz von Benzin als Treibstoff für Kraftfahrzeugmotoren; Entwicklung von Antwort des Parl. Staatssekretärs Loge- geeigneten Wasserstoff-Formen als Treib- mann (BML) auf die Frage B 24 — Druck- stoff für Ottomotoren und Herstellung sache 7/1320 — des Abg. Eigen (CDU/ von Elektro-Batterie-Motoren . . . . 4361* C CSU) : Meldung über öffentliche Zu- schüsse für mit Erdgas beheizte Unter- Anlage 23 glaskulturen in den Niederlanden . . . 4364* D Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner Anlage 30 (BMWi) auf die Fragen B 17 und 18 — Drucksache 7/1320 — des Abg. Dr. Schwö- Antwort des Staatssekretärs Eicher rer (CDU/CSU) : Aufnahme der Alb und (BMA) auf die Frage B 25 — Drucksache des Schwarzwaldes in die europäischen 7/1320 — des Abg. Geisenhofer (CDU/ Fördergebiete und Förderung dieser Ge- CSU) : Sozialplan der Bundesanstalt für biete aus dem Europäischen Regional- Arbeit für die betroffenen 700 weiblichen fonds 4362* B Arbeitskräfte der stillzulegenden Triumpf- International-Werke ...... 4365* A Anlage 24 Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage B 19 — Drucksache Antwort des Staatssekretärs Eicher 7/1320 — der Abg. Frau Dr. Riedel-Mar- (BMA) auf die Fragen B 26 und 27 — tiny (SPD) : Maßnahmen zur genaueren Drucksache 7/1320 — des Abg. Niegel Deklarierung und Füllung von Milch- und (CDU/CSU) : Ausmaß der Minderung der Molkereiproduktenpackungen . . . . 4362* D Erwerbsfähigkeit bei Verlust eines VIII Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Auges; Härten bei Ablehnung von Bade- Drucksache 7/1320 — des Abg. Dr. Riedl kuren für Beschädigte mit Minderung der (München) (CDU/CSU): Änderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % 4365* B Zweckbindung der Bundesmittel für den kommunalen Straßenbau; Verwendung Anlage 32 dieser Bundesmittel zur Abdeckung von Defiziten des Münchner Verkehrs- und Antwort des Parl. Staatssekretärs Berk- Tarifverbundes und der Verkehrsbetriebe 4367* D han (BMVg) auf die Frage B 28 — Druck- sache 7/1320 — des Abg. Hansen SPD) : Anlage 39 Anspruch auf Fachausbildung für Inhaber eines Eingliederungsscheines . . . . . 4366* A Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage B 39 — Drucksache Anlage 33 7/1320 — des Abg. Pieroth (CDU/CSU) : Verbilligung der Bahntarife für Autofah- Antwort des Parl. Staatssekretärs Berk rer bei Verzicht auf die Benutzung ihres han (BMVg) auf die Fragen B 29 und 30 Fahrzeuges als zusätzlicher Anreiz zur — Drucksache 7/1320 — des Abg. Dr. Benutzung der Deutschen Bundesbahn Wittmann (München) (CDU/CSU) : Not- und zur Einsparung von Mineralkraft wendigkeit einer flexiblen Verteilung stoffen 4368* B von Planstellen nach A 15 bei der Bun- deswehr 4366* A Anlage 40

Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Fragen B 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berk- und 41 — Drucksache 7/1320 — des Abg. han (BMVg) auf die Fragen B 31 und 32 Lenzer (CDU/CSU) : Integrierung des — Drucksache 7/1320 — des Abg. Dr. Baus einer Kohleverflüssigungsanlage auf Miltner (CDU/CSU) : Beschwerlichkeit Braunkohle- oder Steinkohlenbasis in die der Beschäftigung in der Untertagean- Planungen für den Einsatz der nuklearen lage Neckarzimmern; Weiterzahlung der Prozeßwärme aus Hochtemperaturreak- Grubenaufwandsentschädigung . . . . 4366* C toren; Bau einer kommerziellen Anlage zur Kohleverflüssigung auf Braunkohle Anlage 35 basis 4368* D Antwort des Parl. Staatssekretärs Berk- han (BMVg) auf die Frage B 33 — Druck- Anlage 41 sache 7/1320 — des Abg. Wittmann Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. (Straubing) (SPD) : Verminderung der An- Hauff (BMFT/BMP) auf die Fragen B 42 zahl von Verkehrsunfällen bei Wochen- und 43 — Drucksache 7/1320 — des Abg. endheimfahrten von Soldaten durch Ge-- Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) : Meldung währung einer zweiten monatlichen Frei- über Gründe des Scheiterns des Baues fahrkarte vom Standort zum Heimatort 4366* D eines umweltfreundlichen Prototyps des von dem Wiener Plasmaphysiker Karl Anlage 36 Nowak entwickelten Kernfusionssystems Antwort des Parl. Staatssekretärs Berk- und Gründe für eine Verweigerung von han (BMVg) auf die Frage B 34 — Druck- Mitteln für das neue Fusionssystem . . 4369* B sache 7/1320 — des Abg. Dr. Schwencke (SPD) : Maßnahmen gegen unerträgliche Anlage 42 Lärmbelästigung durch Überschallflüge im Raum Nienburg, insbesondere im Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander Raum Schessinghausen-Husum . . . 4367* B (BMBW) auf die Frage B 44 — Druck- sache 7/1320 — des Abg. Wüster (SPD) : Meldungen über verzögerte Behandlung Anlage 37 von Anträgen von Studenten der Kölner Antwort des Parl. Staatssekretärs West- Universität auf Förderung gemäß Bun- phal (BMJFG) auf die Fragen B 35 und desausbildungsförderungsgesetz . . . 4369* D 36 — Drucksache 7/1320 — des Abg. Köster (CDU/CSU) : Qualifikation von Anlage 43 Diplompsychologen bei Verwendung in der Klinischen Psychologie; Errichtung Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander einer Kammer für Klinische Psychologen 4367* C (BMBW) auf die Frage B 45 — Druck- sache 7/1320 — des Abg. Dr. Evers (CDU/ CSU) : Bezuschussung von Internatskosten Anlage 38 aus Bundesmitteln für Lehrlinge bei Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar Blockunterricht zur Verbesserung der ge- (BMV) auf die Fragen B 37 und 38 — werblichen Ausbildung . • . . . . . 4370* C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4251

70. Sitzung

Bonn, den 12. Dezember 1973

Entschließung des Rates zur Verwirklichung der zweiten Stenographischer Bericht Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemein- schaft Richtlinie des Rates betreffend Stabilität, Wachstum und Beginn: 9.00 Uhr Vollbeschäftigung in der Gemeinschaft Entscheidung des Rates über die Verwirklichung eines hohen Grades an Konvergenz der Wirtschaftspolitik der Mitglied- staaten der Gemeinschaft Die Sitzung ist Vizepräsident Frau Funcke: Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) eröffnet. Nr. 907/73 des Rates vom 3. April 1973 zur Errichtung eines Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit Auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung Entscheidung über die Einsetzung eines Ausschusses für soll die Tagesordnung ergänzt werden um die Bera- Wirtschaftspolitik tung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. — Drucksache 7/1322 — Energiepolitik — Drucksache 7/1401 —. Ist das Haus überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft (federführend), Finanzausschuß, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage damit einverstanden? — Ich höre keinen Wider- des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im spruch; es ist so beschlossen. Der Antrag wird als Rat

Punkt 2 g aufgerufen werden. Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung des gemein- schaftlichen Produktionspreises für Thunfische, die für die Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Konservenindustrie bestimmt sind, für das Fischwirtschafts- Verlesung in den Stenographischen Bericht aufge- jahr 1974 — Drucksache 7/1323 — nommen: überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Überweisung von EG-Vorlagen Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der Orientie- rungspreise für die in Anhang II der Verordnung (EWG) Richtlinie des Rates zur Ergänzung der Richtlinie Nr. 72/281/ Nr. 2142/70 aufgeführten Fischereierzeugnisse für das Fisc h EWG betreffend statistische Erhebungen über die Schweine- -wirtschaftsjahr 1974 erzeugung infolge der Erweiterung der Gemeinschaft — Drucksache 7/1324 — — Drucksache 7/1299 — überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat endgültigen Beschlußfassung im Rat

Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für (EWG) Nr. 1411/71 hinsichtlich des Fettgehalts von Vollmilch Kolophonium, einschließlich „Brasis résineux", der Tarifstelle — Drucksache 7/1325 — 38.08 A des Gemeinsamen Zolltarifs — Drucksache 7/1300 — überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um endgültigen Beschlußfassung im Rat Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschluß- fassung im Rat Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 166/71 zur Festlegung gemeinsamer Vermark- Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung tungsnormen für Garnelen der Gattung Grangon (EWG) Nr. ../73 betreffend den in der Landwirtschaft anzu- — Drucksache 7/1326 — wendenden Umrechnungskurs für die italienische Lira — Drucksache 7/1301 — überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Forsten mit der Bitte uni Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung (EWG) des Rates Memorandum der Kommission über die Anpassung der ge- zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemein- meinsamen Agrarpolitik schaftszollkontingents für Grège, weder gedreht noch ge- — Drucksache 7/1302 — zwirnt, der Tarifnummer 50.02 des Gemeinsamen Zolltarifs überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemein- Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaft, Haushaltsaus- schaftszollkontingents für Garne, ganz aus Seide, nicht in schuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifnummer ex endgültigen Beschlußfassung im Rat 50.04 des Gemeinsamen Zolltarifs zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemein- Richtlinie des Rates über Beihilfen für den Schiffbau schaftszollkontingents für Garne, ganz aus Schappeseide, nicht Mitteilung der Kommission an den Rat betreffend die Moda- in Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifnummer ex litäten einer Aktion auf dem Gebiet des Schiffbaus 50.05 des Gemeinsamen Zolltarifs -- Drucksache 7/1315 — — Drucksache 7/1327 —

überwiesen an den Ausschuß für Verkehr (federführend), überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschluß- rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat fassung im Rat 4252 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Vizepräsident Frau Funcke Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: f) Beratung des Antrag der Fraktion der CDU/ CSU betr. Arbeitsplatzsicherungsprogramm a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Ge- — Drucksache 7/1359 — setzes über die Gewährung eines einmaligen Überweisungsvorschlag der Fraktionen der Heizölkostenzuschusses SPD, CDU/CSU, FDP: — Drucksache 7/1395 — Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Überweisungsvorschlag der Fraktionen der Finanzausschuß SPD, CDU/CSU, FDP: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und (federführend) Städtebau Ausschuß für Wirtschaft Haushaltsausschuß Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und g) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ Städtebau CSU betr. Energiepolitik Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO — Drucksache 7/1401 — b) Erste Beratung des von der Fraktion der Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Ge- SPD, CDU/CSU, FDP: setzes zur Änderung des Investitionszulagen- Ausschuß für Wirtschaft (federführend) gesetzes Ausschuß für Forschung und Technologie und — Drucksache 7/1364 — für das Post- und Fernmeldewesen Überweisungsvorschlag der Fraktionen der Zur Begründung des Gesetzentwurfs unter SPD, CDU/CSU, FDP: Punkt 2 a hat das Wort Herr Abgeordneter Nölling. Finanzausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Dr. Nölling (SPD) : Frau Präsidentin! Meine Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen Damen und Herren! Vor zwei Monaten schien die Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO Energiewelt noch in Ordnung zu sein. Man über- treibt aber nicht, wenn man heute feststellt, daß das, c) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ was sich seither abgespielt hat, an den Wilden CSU betr. Maßnahmen zum Ausgleich der auf- Westen erinnert. Rücksichtslos haben die großen, grund der Ölkrise gestiegenen Heizkosten für meist multinationalen Konzerne eine politisch be- die sozial schwächeren Teile der Bevölke- dingte Erdöl- und Energiekrise ausgenutzt, um den rung Verbraucher wirtschaftlich auszubeuten und um ihm — Drucksache 7/1346 — das Fell über die Ohren zu ziehen. Überweisungsvorschlag der Fraktionen der (Beifall bei der SPD. — Oh-Rufe von der SPD, CDU/CSU, FDP: CDU/CSU.) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Es gibt, meine Damen und Herren, kaum ein ver- (federführend) gleichbares Beispiel für ein Hochschnellen und ein Ausschuß für Wirtschaft Hochtreiben von Preisen innerhalb kürzester Zeit und Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und einen damit verbundenen drastischen Eingriff in die Städtebau Einkommensverwendung von Millionen von Ver- brauchern unabhängig von ihrer Einkommenslage. Haushaltsausschuß Nach Unterlagen aus dem Wirtschaftsministerium d) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ stiegen zwar die Einstandspreise für Rohöl je nach CSU betr. Konzertierte Aktion Abgabeland um 60 bis 100%, aber wir wissen, daß sie nur Prozente der Verkaufspreise überhaupt aus- — Drucksache 7/1347 — machen. Die Abgabepreise der Mineralölgesellschaf- Überweisungsvorschlag der Fraktionen der ten an den Konsumenten waren dagegen am 3. De- SPD, CDU/CSU, FDP: zember 1973 verglichen mit August 1973 wie folgt Ausschuß für Wirtschaft (federführend) gestiegen: in Rotterdam Diesel und leichtes Heizöl Finanzausschuß von 14 Pfennig auf 46 bis 52 Pfennig je Liter, d. h. um 230 bis 270 %; schweres Heizöl von 70 DM auf e) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ 130 DM je Tonne, d. h. um 86 %. Im Inland hat sich CSU betr. Heizölkostenbeihilfen für Landwirt- der Preis für schweres Heizöl in dieser Zeit fast ver- schaft und Gewerbe doppelt; der Preis für leichtes Heizöl ist bis zum — Drucksache 7/1348 20. November 1973 — neuere Vergleichszahlen lie- gen mir nicht vor — bei deutschen Gesellschaften Überweisungsvorschlag der Fraktionen der um etwa 130 %, bei europäischen Gesellschaften um SPD, CDU/CSU, FDP: etwa 150 %, bei internationalen Gesellschaften um Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und etwa 100 %, bei Importeuren um etwa 290% ge- Forsten (federführend) stiegen. Ausschuß für Wirtschaft (Abg. Dr. Müller-Hermann: Wie bei der Haushaltsausschuß Post!) Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4253

Dr. Nölling Es ist offenkundig, meine Damen und Herren, daß Die wirtschaftspolitische Ohnmacht unseres Staa- die Mineralölwirtschaft die Förderrestriktionen in tes war jetzt nicht zu vermeiden. den arabischen Staaten unmittelbar zur Ausdehnung (Abg. Dr. Müller-Herrmann: Alles Ohrfei ihrer Gewinne benutzt hat. gen für Herrn Friderichs, mein lieber (Beifall bei der SPD. — Abg. Wehner: Herr Kollege!) Leider wahr!) Kurzfristig haben wir jedoch unsere sozialpolitische Handlungsfreiheit behalten. Wir müssen sie nutzen, Mit Kostensteigerungen hat diese Preispolitik wenig und zwar im Interesse der Bevölkerungsteile, für die zu tun. Obwohl die Tanker vom Persischen Golf nach wir uns besonders verantwortlich fühlen. Die sozial- Europa vier bis fünf Wochen Fahrzeit benötigen, liberale Koalition war sich im klaren darüber, daß kürzten die Ölgesellschaften schon wenige Tage nach sie den einkommensschwachen Teilen unserer Be- den ersten Boykotterklärungen die Belieferungs- völkerung gegenüber eine besondere Verpflichtung quoten an den Heizölhandel. Zu dieser künstlichen einlösen müsse. Angebotsverknappung kam eine Nachfrageauswei- tung, die in der Furcht und Nervosität der Konsu- Am 22. November beschloß das Kabinett, nach menten begründet war. Auf diese Weise entstand Lösungen zu suchen. Am 5. Dezember wurde eine ein Klima, das den Mineralölunternehmern und Maßnahme beschlossen, die die Grundlage für den -händlern einen beachtlichen Spielraum für Preis- gestern eingebrachten Koalitionsgesetzentwurf bil- erhöhungsstrategien eröffnete, den sie auch voll det. Mit diesem Gesetz wollen wir zirka drei Millio- ausgeschöpft haben. nen Haushalten schnell, wirkungsvoll und so un- bürokratisch wie möglich helfen, daß sie den größten Für den deutschen Verbraucher bedeutet dies, geht Teil der Mehrkosten durch die Heizölpreissteigerun- man einmal von einem normalen Arbeitnehmerhaus- gen nicht selbst zu tragen brauchen. Diese Maß- halt mit zwei Kindern aus, daß er mindestens eine nahme wird etwa eine halbe Milliarde DM kosten. Verdoppelung der Heizungskosten für die gegen- wärtige Heizperiode zu erwarten hat, und zwar im Anspruchsberechtigt sind alleinstehende Personen Ausmaß von etwa 300 bis 350 DM. Solche Steige- und Haushaltsvorstände, die für einen Zeitraum zwi- rungen treffen alle Haushalte, vor allem aber die- schen dem 15. Oktober 1973 und dem 14. April 1974 jenigen besonders hart, deren verfügbares Einkom- Wohngeld entweder bezogen haben oder beziehen men unter dem Durchschnittseinkommen liegt. werden, außerdem solche, die Hilfe zum Lebens- In den letzten Wochen ist nun viel darüber disku- unterhalt nach dem BSHG oder den Bestimmungen tiert worden, in welcher Weise die Regierung das des Bundesversorgungsgesetzes über die Kriegs- Kunststück fertigbringen könne, sowohl die Versor- opferfürsorge erhalten oder mit ihrem Einkommen gung zu gewährleisten als auch das ungezügelte, unter dem Zweieinhalbfachen des Regelsatzes der dem Gemeinwohl schadende Treiben der Mineralöl- Sozialhilfe bleiben, wobei sich für weitere zum konzerne zu unterbinden. Beim Hineinleuchten in Haushalt gehörende und unterhaltsberechtigte Per- den wirtschaftspolitischen Instrumentenkasten stellte sonen dieser Betrag jeweils um 160 DM erhöht. Na- sich aber schnell heraus, daß unser demokratisch ver- türlich werden nur solche Personen auf Grund dieses - faßter Staat nicht so schnell reagieren konnte wie Gesetzes anspruchsberechtigt sein können, deren die im Gleichschritt mit dem Ziel der Profitmaximie- Wohnraum mit Heizöl geheizt wird. Nach diesen rung operierenden Mineralölkonzerne und -händler. Einkommensgrenzen wird zur Zeit ein Alleinstehen- der einen Anspruch haben, wenn er netto weniger Man kann meines Erachtens kaum darüber streiten, als 550 DM monatlich verdient. Eine vierköpfige Fa- ob der Appell des Bundeswirtschaftsministers vom milie wird den Anspruch dann haben, wenn der 4. Dezember, er erwarte nunmehr „besondere preis- Haushaltungsvorstand weniger als 1030 DM, eine politische Disziplin", nicht schon sechs Wochen früher fünfköpfige Familie, wenn er weniger als 1190 DM angebracht gewesen wäre. Aber ich habe keine monatlich netto an Einkommen zur Verfügung hat. Illusionen darüber, daß er auch dann ständig über- hört worden wäre. Diese Anspruchsberechtigten erhalten ab Januar 1974 eine einmalige Ausgleichszahlung, die je nach (Abg. Dr. Müller-Hermann: Wie der kleine Familiengröße zwischen 100 und 300 DM beträgt. Moritz!) Bund und Länder werden gemeinsam die etwa eine halbe Milliarde DM aufbringen. Der Bund wird sich Angesichts der Preis- und Gewinnspannenexplo- daran mit zwei Dritteln beteiligen. sion mutet es geradezu grotesk an, durch das Offen- legen von Preis- und Kostenstrukturen erst einmal Wie könnte es anders sein, als daß auch die Op- feststellen zu müssen, ob diese Unternehmen ihre position an der Heizölkrise „verdienen" möchte. marktbeherrschende Stellung auf dem Markt miß- (Zurufe des Abg. Rawe.) bräuchlich ausgenutzt haben. Das haben sie getan, meine Damen und Herren. Sie reagierte mit ihrem Antrag auf Drucksache 7/1346 zwar erst an dem Tag, als das Kabinett einen (Beifall bei der SPD.) Beschluß faßte, nämlich am 5. Dezember 1973, be- hauptet aber mit echt christ-demokratischer Beschei- Wenn solche Formulierungen im Gesetz gegen Wett- denheit die Regierung dazu angetrieben zu haben. bewerbsbeschränkungen überhaupt einen Sinn ha- ben und zu beweisen sind, dann in diesem Fall. (Heiterkeit bei der SPD.) 4254 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Dr. Nölling Die Opposition ist aber nicht nur bescheiden, son- und gründlich prüfen, ob interne Verrechnungsmani- dern verdreht auch die Wahrheit, wenn sie behaup- pulationen, die in der Vergangenheit bekannt wur- tet, daß die Regierung dem Anliegen der Opposition den, nun verstärkt angewandt werden, um die enor- „teilweise Rechnung" getragen habe, während doch men Gewinne ins steuergünstige Ausland zu ver- jeder, der lesen kann und seine fünf Sinne beisam- lagern. Wir erwarten, daß Weisungen erteilt wer- men hat, leicht feststellen kann, daß die Regierungs- den, um Betriebsprüfungen zu beschleunigen, und koalition von sich aus weit über den Antrag der daß das Steuerfluchtgesetz voll angewendet wird. Opposition hinausgegangen ist. (Beifall bei der SPD.) Beim CDU/CSU-Antrag wären Millionen von Mit dem Gesetz über die Gewährung eines einma- Haushalten leer ausgegangen. Ich bin gespannt, ob ligen Heizölkostenzuschusses können wir die Ener- der Kollege, der den Oppositionsantrag begründet, giekrise nicht lösen, wohl aber einkommensschwa- diese Tatsachenverdrehung öffentlich wiederholen chen Bevölkerungsteilen erst einmal üb er die Run- wird. den helfen. Als Sozialpolitiker wird man an Kaiser (Zuruf von der CDU/CSU: Sie verdrehen Wilhelms Zeiten erinnert, die Tatsachen, Herr Kollege Nölling!) (Oh-Rufe bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege als von dem Tropfen sozialen Öls gesprochen wurde, Nölling, wir sind bei der Begründung eines Antrags, um kapitalistische Mißstände erträglich zu machen. noch nicht in der Debatte. Die Wirtschafts- und Energiepolitiker sind nun an der Reihe — das wird die Debatte heute ja sicher- (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: lich ergeben —, den Ölpreis selbst wieder sozialer Sind wir auch! — Abg. Franke (Osnabrück) : zu gestalten und die wirtschaftlichen und sozialen Aber er muß sich bei den Genossen immer Verwerfungen dort zu beseitigen, wo sie entstehen. neu profilieren! — Weiterer Zuruf von der Dabei besteht kein Anlaß, CDU/CSU: Eine Pflichtübung!) die Marktwirtschaft selbst zu exekutieren, (Abg. Dr. Müller-Hermann: Das tun Sie Dr. Nölling (SPD) : Meine Damen und Herren, doch laufend!) die sozialpolitische Korrektur marktwirtschaftlicher Fehlentwicklungen von diesem Ausmaß wird ein wie Herr Dietz gestern befürchtete. Aber wir wer- einmaliger Akt bleiben müssen. Es ist unvorstell- den Herrn Dietz beim Worte nehmen, der gestern bar, daß sich dieser Korrekturvorgang, der außer- auch sagte — ich zitiere ihn —: ordentlich hohe öffentliche Finanzmittel und eine er- Für die Unternehmer ist die Ölkrise nicht nur hebliche Arbeitsbelastung der Kommunalverwaltun- eine ökonomische Bewährungsprobe, sondern gen mit sich bringen wird, in derselben Weise wie- auch eine Herausforderung zu politischer Soli- derholen könnte. So sehr wir es unterstützen und darität und gesellschaftlicher Mitverantwortung. begrüßen, daß Millionen von Bürgern schnell ge- holfen wird, wissen wir doch auch, daß sich viele (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten fragen, ob die Regierung nicht kurz- und mittelfri- der FDP.) stig mehr Handlungsspielraum hat und ihn auch nutzen sollte, um sowohl bei der Preisbildung des Vizepräsident Frau Funcke: Meine Damen Erdöls und der Erdölprodukte als auch bei der Be- und Herren, wie ich gehört habe, sollen die übrigen steuerung der hohen Gewinne anzusetzen. Anträge im Rahmen der Debatte begründet werden. Ich eröffne damit die Debatte. Das Wort hat Frau Für mich ist klar: Wird ein möglicherweise zuneh- Bundesminister Dr. Focke. mender Mangel an 01 weiterhin bei freiem Spiel der Kräfte über den Preis reguliert, Frau Dr. Focke, Bundesminister für Jugend, (Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommt's) Famile und Gesundheit: Frau Präsidentin! Meine Da- so werden die sozialen Ungerechtigkeiten größer men und Herren! Als die neue Situation auf dem und mit Ausgleichszahlungen nicht mehr zu korri- Energiesektor deutlich werden ließ, daß die steigen- gieren sein. den Heizölpreise zu einer großen Belastung für viele unserer Mitbürger würden, hat die Bundesregierung (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/ sofort reagiert und Überlegungen angestellt, wie CSU: Das müssen Sie Herrn Friderichs mal dem einkommensschwächsten Teil unserer Bevölke- schriftlich geben!) rung schnell und gerecht geholfen werden kann. Das gilt auch für andere Preisentwicklungen. Eine Unabhängig von der Frage, wie wir auf mittlere Rationierung wird dann unvermeidlich werden und und längere Sicht der Probleme im Energiebereich sozial und auch wirtschaftlich gerechter sein. Herr werden können, war klar: Es müssen unverzüg- Die Regierung muß sich auf diese Notwendigkeit lich Maßnahmen ergriffen werden, die all denen jedenfalls einstellen. Wir erwarten, daß die Regie- einen Ausgleich schaffen, für die die gestiegenen rung dabei Erkenntnisse aus der Preispolitik der Kosten für leichtes Heizöl sonst eine untragbare Konzerne nutzt — von denen wir natürlich hoffen, Last werden. Aus diesem Grund dankt die Bundes- daß sie sie überhaupt bekommt —, daß die Kartell- regierung den Fraktionen der SPD und FDP, daß behörden deren Praktiken ausleuchten und öffent- sie es in Abstimmung mit der Bundesregierung er- lich bekanntgeben und daß die Finanzämter schnell möglicht haben, durch Einbringung des Ihnen heute Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4255

Bundesminister Frau Dr. Focke vorliegenden Entwurfs eines Gesetzes für die Ge- Weil der Entwurf der Koalition einen pauschalen währung eines einmaligen Heizkostenzuschusses so Ausgleich vorsieht und die Beihilfe und ihre Ver- schnell Abhilfe leisten zu können. wendung nicht im einzelnen kontrolliert, vermeidet er, daß ohne jede Rücksicht auf den Preis gekauft In plötzlich auftretenden Notsituationen ist wird. Möglichst preiswerte Angebote zu nutzen, schnelle Hilfe doppelte Hilfe. Deswegen kam es dar- bleibt im Interesse jedes einzelnen. auf an, einen Weg zu finden, der einfach, unkompli- Weil sich der Entwurf der Koalition mit der Ab- ziert und so unbürokratisch wie möglich ist. Wir grenzung der hilfeberechtigten Personen an die sind sicher, daß eine solche rasche Lösung mit diesem Wohngeld-, Sozial- und Kriegsopferfürsorgegesetz- Gesetzentwurf gefunden ist. gebung anlehnt, vermeidet er zusätzliche Bürokra- Natürlich weiß die Bundesregierung, daß wirk- tie und zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Der same Maßnahmen zur Bekämpfung der Mangelsitua- Wohngeldberechtigte muß nur nachweisen, daß er tion auf dem Energiemarkt durch diesen Gesetzent- Wohngeld bezogen hat. Der Empfänger von Hilfen wurf keineswegs unnötig gemacht werden. Wir ha- zum Lebensunterhalt muß seinen Leistungsbescheid ben in den vergangenen Wochen dargelegt, mit wel- vom Sozialamt oder von der Fürsorgestelle für chen energie- und wettbewerbspolitischen Maßnah- Kriegsopfer vorlegen. Der Berechtigte mit geringem men wir die Schwierigkeiten bewältigen wollen. Wir Einkommen kann auf einfachste Weise durch Vor- werden diese Überlegungen weitertreiben und die lage von Einkommensbescheinigungen des Arbeit- Öffentlichkeit hierüber weiter offen informieren. gebers, Rentenbescheiden oder ähnlichen Dokumen- Aber ich möchte betonen, daß der mit diesem Ge- ten sein Einkommen nachweisen. Für die Hilfebe- setzentwurf gefundene Weg eines Heizölkostenzu- rechtigten ist selbstverständlich nur das Nettoein- schusses auch ganz bewußt so gestaltet worden ist, kommen entscheidend. daß er keine zusätzliche Nachfrage auf dem Heizöl- Meine Damen und Herren, was bedeutet ein sol- sektor provoziert und damit kein zusätzlicher An- ches Gesetz nun für die Bürger, denen es helfen soll? reiz für den Anstieg der Heizölpreise ausgeübt wird. Ich möchte an zwei Beispielen illustrieren, was es praktisch bietet. Nehmen wir eine Familie mit zwei Dieser Gesetzentwurf kann auch kein Ersatz für Kindern; der Mann ist berufstätig; die Familie be- systematische Sozialpolitik sein. Es bleibt das Ziel wohnt eine mit leichtem Heizöl 'beheizte Wohnung; der Bundesregierung, durch Weiterentwicklung des dabei ist gleichgültig, ob dies durch eine eigene Systems der sozialen Sicherung und durch eine so- oder durch Fernheizung geschieht. Die Familie ziale Boden- und Wohnungspolitik jeden Bürger in kommt in den Genuß der Leistung nach diesem Ge- den Stand zu setzen, aus seinem Einkommen oder setz dann, wenn das Familieneinkommen nach Ab- aus allgemeinen Sozialleistungen die Grundbedürf- zug von Steuern, Soziallasten und anderen nach dem nisse zu befriedigen, zu denen auch das angemes- Bundessozialhilfegesetz absetzbaren Aufwendungen sene Wohnen gehört. 1 030 DM nicht übersteigt. Dieser Familie würde dann ein Zuschuß von 250 DM gewährt werden. Außergewöhnliche Verhältnisse erfordern jedoch außergewöhnliche Hilfsmaßnahmen. Diejenigen, die Ein zweites Beispiel. Ein älteres Ehepaar wird mit einem so geringen Einkommen leben müssen,- noch einen Anspruch auf den Zuschuß haben, wenn daß es nicht ausreicht, um mit solchen ungewöhn- das monatliche Familiennettoeinkommen 710 DM lichen Preissprüngen fertig zu werden, wie die an- nicht übersteigt; ihm würde dann ein Zuschuß von gedrohten Lieferkürzungen sie mit sich gebracht ha- 150 DM zustehen. Ist dieses Ehepaar jedoch wohn- ben, dürfen nicht unter dieser Entwicklung leiden. geldberechtigt, steht ihm — das ist wichtig —, wie Helfen kann man den besonders stark Betroffenen allen Wohngeldempfängern, der Zuschuß zu, ohne aber nur, wenn unnötiger Bürokratismus und lang- daß erst noch eine Einkommensberechnung erfolgen wierige Verwaltungsverfahren vermieden werden. muß. Hilfe wird auch nur durch solche Regelung ge- Nach den überschlägigen Schätzungen der Bundes- schaffen, die keine weiteren Preissteigerungen sti- regierung werden etwa 3 Millionen Haushalte die muliert. Beides berücksichtigt der vorliegende Ge- Beihilfe erhalten können; das wird einen Aufwand setzentwurf. von etwa 420 bis 510 Millionen DM erfordern. Weil der Entwurf der Koalition eine rasche Bar- Die Bundesregierung appelliert an die Länder, zahlung für denjenigen vorsieht, der in dieser Hei- mit dafür zu sorgen, daß diese dringliche soziale zungsperiode mit 01 heizen muß und unter den Maßnahme schnell verwirklicht wird, und sie appel- festgelegten Einkommensgrenzen liegt, bedeutet er liert an die Bereitschaft der Länder, bei der Auf- einen wirksamen Ausgleich für die gestiegenen Ko- bringung der Mittel hierfür ihren Beitrag nicht zu sten. Weil der Entwurf der Koalition drei Personen- versagen. Dies sollte den Ländern schon deshalb gruppen einbezieht — die Wohngeldberechtigten, nicht allzu schwerfallen, weil die Sozialhilfe, auf Personen mit einem Einkommen unter dem zwei- die ohne diese Regelung ein großer Teil der be- einhalbfachen Satz des Sozialhilferegelsatzes und troffenen Bürger angewiesen wäre, nun von solchen schließlich Empfänger von Hilfen zum Lebensunter- zusätzlichen Ansprüchen entlastet wird. Ein Länder halt, auch wenn sie wegen ihrer Familiengröße über Anteil von einem Drittel der erforderlichen Mittel dem Satz für geringe Einkommen liegen, auch wenn ist deshalb durchaus gerechtfertigt und angemessen. sie kein Wohngeld beziehen —, umfaßt er wirklich alle, denen nicht zugemutet werden kann, die ge- Für diejenigen, die Leistungen nach diesem Ge- stiegenen Heizölpreise zu bezahlen. setz beanspruchen können, ist es wichtig, zu wissen, 4256 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Bundesminister Frau Dr. Focke an welche Stelle sie sich wenden müssen, um nähere Um das zu tun, meine Damen und Herren, lassen Auskünfte zu erhalten. Nun war es der Bundes- Sie mich einen Blick auf die konjunkturelle Lage regierung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht werfen, die wir im Augenblick vor uns sehen. Einige möglich, diese Stelle zu bestimmen; die Regelung Beispiele mögen das, was ich sagen möchte, erläu- wird von den Ländern zu treffen sein. Trotzdem tern. Im Bereich der Textil- und der Bekleidungs- möchte ich den interessierten Bürgern heute schon industrie stehen einhunderttausend Arbeitnehmer folgenden Rat dazu geben. Denjenigen, die heute in Kurzarbeit, gibt es 20 000 Arbeitslose. Das ist eine schon Wohngeld beziehen, empfehle ich, sich zu- Arbeitslosenquote in diesem Sektor von 3 bis 4 0/0. nächst an die Wohngeldstelle zu wenden, und die- Morgen findet, wie wir wissen, eine Protestkundge- jenigen unserer Mitbürger, die bisher schon Sozial- bung der Gewerkschaft auf dem Bonner Marktplatz hilfeempfänger durch Hilfe zum Lebensunterhalt statt. Ähnlich schwierig ist die Lage bei der Schuh-, sind oder die meinen, daß sie auf Grund ihres zu bei der Lederindustrie und in der Bauwirtschaft. Und niedrigen Einkommens auch Anspruchsberechtigte in der Automobilindustrie haben wir starke Rück- sein müßten, sollten sich zuerst an das für sie zu- gänge der Bestellungen, bis zu 50 % gegenüber dem ständige Sozialamt wenden. Vergleichsmonat des Vorjahres, zu verzeichnen. Die Entwicklung der Kurzarbeit im ganzen zeigt stark Die Bundesregierung und — dessen bin ich si- steigende Tendenz. Die Zahl der Kurzarbeiter hat cher — auch die Länder werden dafür sorgen, daß sich von August bis September 1973 verdreifacht, die Öffentlichkeit sobald wie möglich Genaueres hierüber erfahren wird. Presse, Rundfunk und Fern- (Abg. Franke/Osnabrück: Hört! Hört!) sehen darf ich darum bitten, daß sie durch eine mög- dann von September bis Oktober 1973 noch einmal lichst genaue Berichterstattung in den nächsten Wo- verdoppelt, chen den betroffenen Personen alle Informationen, die für sie wichtig sind, weiterleiten. (Abg. Franke/Osnabrück: Ohne Ölkrise!) und im November 1973 ist sie gegenüber Oktober Die Bundesregierung bittet den Bundestag, die- 1973 noch einmal um mehr als 50 % gestiegen. Die sem Gesetzentwurf ,der Koalitionsfraktionen zuzu- Zahl der Arbeitslosen betrug im November 1973 stimmen. Sie wird in enger Zusammenarbeit mit 330 000. Das waren 40% mehr als im Vergleichs- Ländern und Gemeinden alles tun, damit dieses Ge- monat des Vorjahres. setz als dringende, gezielte Hilfe unverzüglich in Kraft tritt und damit niemand — trotz Ölkrise — Dies alles, meine Damen und Herren, ist völlig Angst vor einem kalten Winter zu haben braucht. unabhängig von der Ölsituation eingetreten als eine (Beifall bei den Regierungsparteien.) Folge der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik dieser Regierung. (Beifall bei der CDU/CSU.) Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Carstens. Ich darf dazu auf eine Fernseherklärung verweisen, die der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit am 26. November dieses Jahres abgegeben hat. Er sagte Dr. Carstens (Fehmarn) (CDU/CSU) : Frau Präsi- damals wörtlich -- ich zitiere —: dentin! Meine Damen und Herren! Ich begrüße es sehr, Frau Präsidentin, daß Sie die Debatte zu all den Das, was wir bis jetzt an Kurzarbeitsmeldun- Punkten, die heute morgen im Zusammenhang mit gen bei der Automobilindustrie haben, sind den gestiegenen Heizölpreisen und mit der wirt- noch nicht die Auswirkungen der Ölsituation, schaftlichen Lage im allgemeinen zu erörtern sein sondern das waren schon Auswirkungen der werden, gleichzeitig eröffnet haben. Meine Fraktion Bremsmaßnahmen der Bundesregierung in wird zu jeder der einzelnen Vorlagen gesondert einem Teilbereich. Stellung nehmen. Ich möchte gleich vorab sagen, daß wir selbstverständlich den Plan unterstützen, den Und ich füge hinzu: Es waren die Folgen einer fal- betroffenen, sozial schwächeren Bevölkerungsgrup- schen Wirtschafts- und Konjunkturpolitik. pen einen Heizkostenzuschuß zu gewähren. Aber (Beifall bei der CDU/CSU.) die Art und Weise, wie der Kollege Nölling diesen Antrag hier eingebracht und begründet hat, Gegenüber der seit Jahren steigenden Gefahr einer zunehmenden progressiven Inflation hat die Regie- (Abg. Franke [Osnabrück] : Der kann nicht rung viel zu spät Gegenmaßnahmen ergriffen, prak- anders!) tisch erst im Mai dieses Jahres. gibt doch vielleicht Veranlassung, den Rahmen, den (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der er gezogen hat, etwas weiter zu ziehen. SPD.) (Beifall bei der CDU/CSU.) — Es tut mir leid, wenn es Ihnen unangenehm ist, Er hat die Mineralölgesellschaften attackiert. Nun daß man bestimmte Wahrheiten immer wiederholt. gut, aber ich denke, es ist doch wohl aus Gründen Aber ich denke, es ist ganz nützlich, dies zu tun, und der Objektivität geboten, zu untersuchen, welche Sie werden merken, daß die Wiederholungen wenn Rolle die Bundesregierung in diesem Zusammenhang nicht bei Ihnen, so doch bei anderen allmählich einen eigentlich spielt. gewissen Eindruck machen; (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.) (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.) Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4257 Dr. Carstens (Fehmarn) denn bis dahin hat die Regierung in der Tat die litik. Im Oktober erweckten der Bundeswirtschafts- Inflationsgefahr systematisch bagatellisiert. Ich er- minister und sein Staatssekretär den Eindruck, daß innere an das bekannte Wort, daß 5% Inflation bes- für diesen Winter überhaupt nicht zu befürchten ser seien als 5 % Arbeitslosigkeit. Die Regierung hat oder zu besorgen sei. Der Herr Staatssekretär Roh- eben in dieser Zeit nichts Wirksames unternommen. wedder erklärte speziell, was das schwere Heizöl Noch im Februar dieses Jahres, vor zehn Monaten, anlange, daß keine Versorgungsschwierigkeiten zu legte sie ein Stabilitätsprogramm vor, das der Sach- befürchten seien. Vor wenigen Tagen teilte die verständigenrat als völlig unzulänglich bezeichnete. Mineralölindustrie mit, daß mit einer Minderpro- Die Hauptlast trug während dieser ganzen Zeit die duktion von 400 000 bis 600 000 t schweren Heizöls Bundesbank, die scharf, ja drastisch gegensteuerte im Dezember zu rechnen sei; das sind ungefähr und das Zinsniveau auf die uns bekannte Höhe trieb. 20 °/o des Verbrauchs. Auch das Mai-Programm, das die Regierung dann Der Bundeskanzler beschwor in einer Ansprache schließlich vorlegte, war unausgewogen und mußte die düsteren Jahre 1945 bis 1948 und sagte, uns zu strukturellen Verzerrungen führen. Wir haben ständen ähnliche Anstrengungen wie damals bevor, damals darauf hingewiesen; heute sind diese struk- während der Bundeswirtschaftsminister sich damals turellen Verzerrungen eingetreten. und heute bemüht, die Lage als entspannt und nur halb so schlimm hinzustellen. Der Bundesfinanzmini- (Beifall bei der CDU/CSU.) ster demgegenüber erwägt Pläne der Ausdehnung Dies sind alles Folgen der falschen Konjunktur- des Fahrverbots auf den Sommer des nächsten Jah- politik dieser Bundesregierung und nicht Folgen der res und seine Erstreckung auch auf die Sonnabende. Ölkrise. Immer noch ist die Regierung nicht bereit, auf (Beifall bei der CDU/CSU.) unsere Vorschläge zur Entlastung der kleineren und Die CDU/CSU wendet sich gegen den unzulässigen mittleren Einkommen durch eine steuerliche Erleich- Versuch der Regierung, die Ölkrise als ein Alibi terung einzugehen, obwohl diese Vorschläge heute für ihre eigenen schweren Versäumnisse zu ver- so notwendig sind, wie sie vor vier oder fünf Mo- wenden. naten waren; (Bravo-Rufe und lebhafter Beifall bei der (Beifall bei der CDU/CSU) CDU/CSU.) denn niemand glaubt doch — und die Regierung selbst glaubt es nicht —, daß die Inflationsgefahr Ebenso unverständig wie bei der Bekämpfung etwa gebannt sei. Die Regierung bemüht sich durch der Inflation verhielt sich die Bundesregierung beschwörende Appelle an die Tarifpartner, eine auch gegenüber den Anträgen der CDU/CSU, die auf übermäßige Steigerung des Lohnniveaus zu verhin- eine gezielte Hilfe an die hauptsächlich betroffenen dern, anstatt den Tarifpartnern konkrete Vorschläge Sektoren und Regionen hinauslief. Als wir im Früh- auf den Tisch zu legen, wie wir sie hier gemacht herbst solche Anregungen gaben, ignorierte die Re- haben, die sehr wohl die Wirkung haben können, gierung sie, und das Arbeitsplatzsicherungspro- wenn sie richtig behandelt werden, die Steigerun- das wir Ende vorigen Monats in diesem gramm, gen des Lohnniveaus in maßvolleren Grenzen zu Hohen Hause vorlegten, wurde von den Sprechern halten. der Regierungsfraktionen mit Hohn und Spott- über- (Beifall bei der CDU/CSU.) gossen. Jetzt ist die Regierung soweit, große Teile dieses Programms sich zu eigen zu machen und zu Man halte uns doch bitte nicht entgegen, daß die übernehmen. Gewerkschaften den Gedanken einer Verbindung (Beifall bei der CDU/CSU.) der steuerlichen Entlastung mit den Lohnforderungen abgelehnt hätten. Es ist verständlich, daß die Ge- Aber die Regierung lehnt es weiter ab, unsere werkschaften dies getan haben, nachdem ihnen doch Vorschläge über die steuerliche Entlastung der Be- bisher niemand konkret einen derartigen Vorschlag zieher mittlerer und kleiner Einkommen, die von gemacht hat. Glauben Sie denn nicht, Herr Bundes- der durch die Inflation begründeten Lohnsteuerpro- minister für Wirtschaft, wenn Sie demnächst wieder gression betroffen werden, auch nur ernsthaft zu eine konzertierte Aktion veranstalten und dort, wie diskutieren. ich annehme, beruhigend, beschwörend auf die Tarif- Natürlich verstärkt die jetzt einsetzende Ölkrise partner enreden werden, daß sie sich mit maßvollen die negativen Tendenzen des Wirtschaftsablaufs, ob- Tarif- und Lohnerhöhungen zufriedengeben sollen, wohl sie nicht ihre Hauptursache ist. Aber auch in daß es schon etwas wert wäre, in diese Auseinander- dieser Lage begeht die Regierung weiterhin schwere setzung auch ein handfestes Argument einführen zu Fehler. können und zu sagen: Wenn ihr das tut, entlasten wir die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen (Abg. Dr. Nölling: Nur die Opposition um, sagen wir einmal, zwei Punkte bei der Einkom- macht alles richtig!) men- und bei der Lohnsteuer? — Jawohl, die Opposition macht Vorschläge, und (Beifall bei der CDU/CSU.) die werden wir Ihnen gleich im einzelnen darlegen. In dieser Lage erwägt die Bundesregierung nun (Beifall bei der CDU/CSU.) schließlich noch die Gewährung hoher Kredite an Die Regierung treibt vor allem das muß doch osteuropäische Staaten zu außerordentlich günstigen einmal wirklich mit aller Deutlichkeit ausgesprochen Bedingungen. Herr Kollege Nölling, wenn Sie schon werden — eine ganz unzulängliche Informationspo die Mineralölgesellschaften so kritisch vor Ihre 4258 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Dr. Carstens (Fehmarn) Flinte genommen haben, möchte ich Sie doch bitten, Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Frau Präsident! Ihren Blick einmal einen Moment etwas weiter im Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Na- Umkreis schweifen zu lassen und sich folgenden Zu- mens der Fraktion der FDP habe ich zu erklären, sammenhang zu vergegenwärtigen. Wir stehen vor daß wir den Gesetzentwurf, der von den Koalitions- der Drohung mit einem arabischen Ölboykott. Das fraktionen eingebracht worden ist, begrüßen und wird wohl niemand bestreiten wollen. Aber welches daß wir es für notwendig und richtig halten — wie ist der politische Hintergrund dieser Ölboykottdro- wir es schon in der vorigen Debatte erklärt haben hungen? Es ist doch offenbar die Tatsache, daß die daß den wirtschaftlich Schwachen die Last, die arabischen Staaten durch die osteuropäischen Staa- aus der Entwicklung auf dem Heizölsektor eingetre- ten einschließlich der Sowjetunion politisch abge- ten ist, abgenommen wird. sichert werden. Und nun machen Sie mir bitte einmal Persönlich füge ich allerdings hinzu, daß die Über- klar, worin der Sinn einer Politik bestehen soll, die schrift dieses Gesetzes in meinen Augen nicht ganz just in diesem Augenblick den osteuropäischen zutreffend ist. „Sozial schwach" sind für mich Besit- Staaten einschließlich der Sowjetunion hohe zins- zer von oberbayerischen Seenufern oder nordrhein- verbilligte Kredite einräumen will. westfälischen Wäldern, die dem Publikum den Zu- (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. tritt nicht erlauben. Hier handelt es sich, wie mir Wehner: Kalter Krieger!) scheint, um wirtschaftlich Schwache. — Das hat mit Kaltem Krieg überhaupt nichts zu tun, (Heiterkeit und Beifall.) Herr Kollege Wehner, Wir gehen davon aus, daß gerade das System der (Abg. Wehner: Natürlich! Kalter Krieger!) sozialen Marktwirtschaft in der Lage sein muß, so eine Erleichterung und so eine Hilfe zu leisten. Denn sondern das ist ein Funke politischer Vernunft, die wir wissen, daß die Regulierung einer solchen Situa- ich Ihnen gelegentlich auch wünschen würde. tion über den Preis, die im Grunde genommen richtig (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.— Abg. ist, unbillige und unvertretbare Härten für be- Wehner: Sie eiskalter Reaktionär!) stimmte Bevölkerungsschichten mit sich bringt. Und diese unvertretbaren Härten müssen wir ausgleichen. Die CDU/CSU-Fraktion fordert die Bundesregie- rung auf, endlich eine seriöse Informationspolitik zu Wir haben nur die Wahl zwischen zwei Möglich- betreiben und keine Prognosen zu stellen, die sich keiten, die beide unerfreulich sind, nämlich die Re- jeweils kurz danach als falsch erweisen. Wenn die gulierung über den Preis oder die Regulierung Regierung selbst im Dunkeln tappt, ist es besser, über ein Bezugscheinsystem. Dazu haben wir uns nichts zu sagen, als etwas Falsches zu sagen. in der vorigen Debatte geäußert. Die jüngsten Be- richte aus Holland, wo bereits vor Verteilung, aber (Abg. Wehner: Das gilt für Sie!) nach dem Druck von Bezugscheinen der Schwarz- Vor allem fordern wir die Regierung auf, sich end- markt mit diesen blüht, sprechen gegen eine solche lich zu einer einheitlichen Meinung durchzuringen Maßnahme. Sie kann uns nicht helfen. Sie trifft und die deutsche Bevölkerung nicht einer Behand- gerade den wirtschaftlich Schwachen, wie ich es hier lung nach dem Muster des Römisch-Irischen Dampf- schon einmal dargelegt habe, in noch stärkerem bades auszusetzen, wo abwechselnd eiskalte und Maße, als es die Regulierung über den Preis alleine warme Duschen auf uns herabrieseln, indem uns tut. einmal klargemacht wird, daß die Lage so ernst (Beifall bei der FDP und Abgeordneten der sei, wie sie seit 1945 noch nicht gewesen sei, und CDU/CSU.) wir im nächsten Augenblick hören, es sei alles nicht Damit kommen beide negativen Wirkungen zusam- so schlimm, die Lage sei entspannt. men. Die CDU/CSU-Fraktion fordert die Bundesregie- Wir begrüßen in diesem Zusammenhang ausdrück- rung auf, endlich die von unserer Fraktion einge- lich die gestrige Erklärung des Bundeskartellamtes brachten Anträge ernsthaft zu prüfen, anstatt sie und der Kartellreferenten der Länder, daß mit aller mit unsachlichen Argumenten abzutun. Unsere Frak- Eindeutigkeit und mit aller Härte, die das Gesetz tion hat während der letzten drei Jahre eine Politik vorschreibt und möglich macht, gegen diejenigen empfohlen, ,die sich jetzt eindeutig als die richtigere vorgegangen wird, die eine solche Situation in un- erweist. billiger und unrechtmäßiger Weise ausnutzen. (Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen bei der Wir glauben auch feststellen zu sollen, daß ein SPD.) System der Einführung von Höchstpreisen nach wie vor im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht weiterhelfen Wir legen heute erneut ein umfangreiches Programm wird. Das belgische Beispiel, in dem die seinerzeit zur Sicherung der Arbeitsplätze, zur Wiedergewin- festgesetzten Höchstpreise wieder erhöht werden nung der Stabilität und zur Bekämpfung der Ölkrise mußten, und die Tatsache, daß man zwar in Aachen vor. Wir erwarten von der Regierung, daß sie die Heizöl kaufen konnte, aber in Eupen eben keines, von uns vorgeschlagenen Maßnahmen ergreift. sind ein Beweis dafür, daß ein Umlenken von 01- (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU. — strömen erfolgt wäre. Aber darüber, so scheint mir, Abg. Wehner: Das war ein Lehrstück!) sind wir in diesem Hause alle einig. (Lachen und Widerspruch bei der CDU/ Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der CSU. — Abg. Dr. Müller-Hermann: Die Abgeordnete Graf Lambsdorff. Koalition nicht!) Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4259 Dr. Graf Lambsdorff — Darüber sind wir einig, meine Damen und Herren. Bundeswirtschaftsministerium als auch aus einer Die Bundesregierung, die von dieser Koalition ge- neuen, vertraulichen Umfrage eines der Spitzenver- tragen wird, hat in dieser Richtung agiert und eine bände der deutschen Wirtschaft. Es gibt einige Eng- richtige Politik betrieben. Die marktwirtschaftliche pässe; aber es sieht so aus — lassen Sie es mich Handhabung, die bisher erfolgt ist, findet unsere kurz so formulieren —, als wenn wir es schafften. Unterstützung. In zwei Schlüsselindustrien gibt es sicherlich be- Die Bundesregierung hat gegenüber dieser akuten sondere Probleme: erstens in der Chemie, wo das Situation Entschlossenheit und das notwendige Maß schwere Heizöl nicht nur als Energieträger ver- an Flexibilität gezeigt. Wir sprechen ihr dafür unsere wandt, sondern auch als Ausgangspunkt für die Anerkennung und unsere Unterstützung aus. Produktion, als Rohstoff, benötigt wird. Die Bun- Wir sind uns auch darüber einig, daß es natürlich desregierung beobachtet die Situation auf diesem Situationen geben kann Herr Kollege Wehner, Sektor besonders sorgfältig, weil von daher natur- wir haben Ihre Ausführungen im Fernsehen in der gemäß sich fortsetzende Schwierigkeiten entstehen vorigen Woche sehr aufmerksam und mit Zustim- könnten. Ich weiß, daß ,das Bundeswirtschaftsmini- mung verfolgt —, in denen die Mittel des Marktes sterium alle notwendigen Anstrengungen unter- nicht mehr ausreichen, dann nämlich, wenn der ge- nimmt, um es hier nicht zu Versorgungsausfällen zielte Boykott in einer Weise durchgeführt wird, daß kommen zu lassen. von der anderen Seite marktwirtschaftliche Mittel Was die Automobilindustrie, die zweite große nicht mehr eingesetzt werden. Dann müßten wir uns Schlüsselindustrie, insbesondere von der Zahl der — sehr zu unserem Leidwesen — auf andere Mög- Beschäftigten her gesehen, betrifft, ist der Absatz — lichkeiten besinnen. Insofern, Herr Kollege Wehner, insofern haben Sie, Herr Professor Carstens, recht findet es unsere Zustimmung, wenn Sie ausgeführt — zur Zeit schwach. Das ist aber nicht eine Folge haben, daß die bisher eingesetzten Möglichkeiten der von Ihnen kritisierten Konjunktur- und Wirt- und Mittel Unterstützung verdienen und daß sie schaftspolitik, sondern das ist nach jüngsten Berich- weitergehende, möglicherweise notwendige, wie Sie ten — erst gestern abend habe ich eine Reihe von gesagt haben, nicht verbaut haben. Gesprächen darüber geführt — eine Folge der ener- Der einzige Unterschied liegt darin, daß Sie gesagt giepolitischen Maßnahmen. haben, es werde wahrscheinlich so kommen, daß (Abg. Dr. von Bismarck: Das stimmt doch weitergehende Mittel notwendig würden. Hier sind nicht!) wir optimistischer. Aber wir begeben uns damit, wie Das ist auch kein Wunder. Denn wer soll heute ein jedermann zugeben wird, auf das Gebiet der Wahr- Auto bestellen, wenn er befürchten muß, daß even- sagung und der Spekulation; denn niemand weiß tuell Bezugsscheine ausgegeben werden, oder wenn genau, wie die Dinge weitergehen werden. er mit Sicherheit damit rechnen muß, daß er vorläu- (Abg. Dr. Müller-Hermann: Sind Sie denn fig sonntags nicht fahren darf? Dann wartet man der Meinung von Herrn Nölling?) eben vier, sechs oder acht Wochen. Die entschei- — Ich bin im Augenblick dabei, Herr Müller-Her- dende Frage ist, ob man nur vier, sechs oder acht mann, mich mit der anstehenden Frage auseinander- Wochen wartet oder ob das ein dauerhafter Zustand zusetzen, bzw. ich stimme dem zu, was Herr Wehner ist, der dann natürlich zu einer bedrohlichen Lage gesagt hat. führen würde. Anders gefragt: Wie reagiert der Verbraucher auf die Dauer gesehen? (Abg. Dr. Müller-Hermann: Herr Wehner hat für seine Person gesprochen, Herr Nöl- Ich habe hier schon einmal ausgeführt, daß die ling für die Fraktion! — Abg. Dr. Nölling: Energiekrise für uns alle ein Stück Konsumverzicht Dem können wir genauso zustimmen! — mit sich bringen wird. Wir werden das, so betrüb- Abg. Wehner: Das hat Ihnen wohl leid ge- lich dies ist, nicht ändern können. Wir werden tan! Deswegen quäken Sie dazwischen! — zur Kenntnis nehmen müssen, daß wir bisher in die- Lachen bei der CDU/CSU.) sem Bereich auf trügerischem Boden gelebt haben. Niemandem kann ein Vorwurf daraus gemacht wer- — Herr Müller-Hermann, darüber wird doch wohl den. Aber so ist es nun einmal. Wenn ich mir über- kein Zweifel bestehen, daß der Kollege Wehner für lege, ob der Konsumverzicht, der notwendig wird, seine Fraktion spricht. Ich habe bisher jedenfalls zu Lasten des Automobils in der Bundesrepublik nicht bemerkt, daß sie ihm diese Legitimation be- Deutschland gehen wird, komme ich zu der Erkennt- streitet. Sie werden das, glaube ich, auch nicht nis, daß die Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre schaffen. eher Anlaß geben, das Gegenteil zu vermuten. Auf (Zuruf von der CDU/CSU: Auch in Moskau?) diesem Gebiet hat der Konsumverzicht in diesem Meine Damen und Herren, die Frage ist, ob ein Lande im Grunde nie angefangen, und das wird, solcher Optimismus, wie er unseren Überlegungen glaube ich, auch diesmal nicht geschehen. zugrunde liegt, gerechtfertigt ist. Die akute Situation, die durch eine Kürzung um etwa 15 % gekennzeich- Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege, ge- net ist, läßt vermuten, und zwar mit einiger Sicher- statten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeord- heit, daß wir im Monat Januar keine weiteren Ein- neten Franke? sparungsmaßnahmen werden ergreifen müssen. Das ergibt sich sowohl aus den Berichten der Mineralöl- wirtschaft aus der Tatbestandsaufnahme durch das Dr. Graf Lambsdorff (FDP): Bitte sehr! 4260 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) : Herr Kollege Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege, ge- Graf Lambsdorff, wenn das richtig ist, was Sie ge- statten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeord- rade gesagt haben, wie erklären Sie sich dann den neten von Bismarck? Rückgang der Bestelleingänge in der Automobilin- dustrie im September und Oktober? Da waren es Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Bitte sehr! 30 % weniger als vor einem Jahr. Dr. von Bismarck (CDU/CSU) : Herr Kollege Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Herr Kollege Graf Lambsdorff, ist Ihnen wirklich entgangen, daß Franke, in Zeiten konjunktureller Gegensteuerung der Bundesfinanzminister mehrfach in schwärzesten ist natürlich ein Teil der Bestellrückgänge, und zwar Farben gemalt hat, obwohl doch auch er wissen im wesentlichen über den Zins — — mußte, was wir alle wissen, daß die Kürzungen sich (Aha-Rufe bei der CDU/CSU.) in sehr viel bescheidenerem Maße gehalten haben, als wir befürchtet haben? -- Moment! Das ist der normale Ablauf, den wir auch in anderen konjunkturellen Phasen beobach- (FDP) : Herr von Bismarck, tet haben. Aber die Bestellrückgänge, die jetzt zu Dr. Graf Lambsdorff die Frage ist ja immer, was wir heute wissen und verzeichnen sind und die auch zu der von Ihnen er- was wir vor zwei oder drei Tagen gewußt haben. wähnten Kurzarbeit geführt haben, sind auf die Man kann es in diesen eng begrenzten Zeitraum akute Auslösung in der gegenwärtigen Situation fassen. Wir wußten vor zwei bis drei Tagen über zurückzuführen. die Kürzungen und die effektiven Vorräte in der Im übrigen, meine Damen und Herren, erlaube Bundesrepublik Deutschland sehr viel weniger als ich mir die Zwischenfrage, wo eigentlich alle die- gestern abend. In dem gestrigen Gespräch mit der jenigen geblieben sind, die den Individualverkehr Mineralölwirtschaft haben wir die neuesten Zahlen unbedingt zum Erliegen bringen wollten. Wo sind auf den Tisch bekommen. Diese Zahlen sehen anders die Antiauto-Fetischisten heute? aus, als wir es noch in der vorigen Woche angenom (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.) men haben. — Meine Damen und Herren, solche hat es auch in Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege, ge- Ihren Reihen gegeben, und zwar in großer Zahl. statten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeord- (Zurufe von der CDU/CSU.) neten Reddemann? Die Frage bleibt für uns, was wir in der Energie- politik langfristig und mittelfristig zu tun haben. Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Bitte sehr! Wir hoffen und wir gehen davon aus — ich per- sönlich bin überzeugt davon, aber ich weiß, daß Reddemann (CDU/CSU) : Herr Kollege Graf dies nicht bewiesen werden kann —, daß, wenn Lambsdorff, fällt es Ihnen nicht auf, daß die unter- sich die gegenwärtige Aufregung gelegt hat, wenn schiedlichen Aussagen aus dem Koalitionslager die Situation im Nahen Osten einmal nicht mehr so merkwürdigerweise immer auch jeweils zwischen brisant ist, auch das kaufmännische Interesse der - den Parteien unterschiedlich sind? Lieferländer wieder wach werden wird und die nüchterne kaufmännische Überlegung Platz greift, Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Herr Kollege Red- daß man Mengen und Preise so zu halten hat, daß demann, dies ist mir nicht aufgefallen. Die Frage, die Kundenbeziehungen langfristig aufrechterhalten in welchem Umfang Kürzungen vorgenommen wur- werden können. den, ist keine Frage, die sich nach Parteiprogramm Im Zusammenhang damit haben Sie, Herr Pro- beantworten läßt — dieser Versuch ist auch nicht fessor Carstens, wieder den Vorwurf erhoben, die unternommen worden —, sondern es ist eine Frage, Informationspolitik der Regierung sei unzulänglich. die sich nur auf Grund von Sachinformationen be- Wir haben darüber schon beim vorigen Mal debat- antworten läßt. Dies müssen Sie zur Kenntnis tiert. Wenn ich mir das Fernschreiben, das gestern nehmen. gekommen ist, ansehe, wonach die Bundesrepublik, (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zu Frankreich und Österreich nach Erklärungen der ruf von der CDU/CSU: Die Differenz ist rein Herren Gaddafi und Boumedienne weiterhin das zufällig!) Erdöl erhalten sollen, das §ie benötigen, so frage ich mich, wie dies mit der Meldung in Zusammen- Meine Damen und Herren, ich will mich mit dem hang zu bringen ist, die gestern vormittag durch Gebiet der Informationspolitik nicht länger ausein- das Radio kam, daß es im Januar eine Kürzung um andersetzen, weil wir das beim letztenmal, wie ich weitere 5 % gibt. Meine Damen und Herren, auf die- glaube, ausführlich genug getan haben. ser Basis ist natürlich eine Informationspolitik, wie Ich möchte aber einige Worte zu der Frage sagen, Sie sie verlangen, Herr Professor Carstens, beim Herr Professor Carstens, ob Stabilitätspolitik ei- besten Willen nicht zu betreiben. Man kann nicht gentlich zu Recht betrieben worden ist, ob sie wei- mehr Information auf den Tisch legen, als man ter fortgesetzt werden soll und was wir in dieser selber besitzt. In dieser Frage herrscht doch weltweit Situation auf dem Gebiet der Konjunkturpolitik zu -- nicht nur bei uns — völlige Unklarheit. tun haben. Herrr Professor Carstens, Sie haben zu- (Abg. Rawe: Wenn man aber keine Infor nächst erwähnt, daß in der Textilindustrie, in der mationen besitzt, hält man den Mund!) Bekleidungsindustrie, in der Schuh- und Lederindu- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4261

Dr. Graf Lambsdorff strie, in der Bauindustrie und in einigen anderen gramm keine strukturellen Fehler gebracht, sondern Bereichen Schwierigkeiten, auch was die Beschäfti- einen ganz entscheidenden strukturell positiven gung angeht, aufgetreten sind. Herr Franke, dies Effekt erzielt. ist uns längst bekannt. Sie werden sich daran er- (Beifall bei 'den Regierungsparteien. — innern, daß ich hier vor etwa acht oder zehn Wo- Abg. Dr. Müller-Hermann: Den müssen Sie chen gesagt habe, daß gerade in der Bekleidungs- nachweisen!) industrie strukturelle Schäden zu verzeichnen sind, daß dort eine strukturelle Situation besteht, die durch die konjunkturellen Maßnahmen besonders Vizepräsident Frau Funcke: Gestatten Sie deutlich ans Tageslicht gekommen ist. Ich hätte eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von Bedenken, diese Situation jetzt einfach wieder durch Bismarck? antikonjunkturelle Maßnahmen unter den Tisch zu wischen, denn in der nächsten Krise träten wieder (CDU/CSU) : Herr Kollege dieselben strukturellen Schäden auf. Dies ist eine Dr. von Bismarck unangenehme Erkenntnis. Es ist ,eine Erkenntnis, Graf Lambsdorff, wollen Sie dem Plenum wirklich die die nicht zu Lasten der in diesem Bereich Beschäf- Nachricht verkaufen, daß durch das Stabilitätspro- tigten ausgebadet werden darf. Sie können sie aber gramm die Gewinnexplosion verhindert worden sei? nicht einfach vom Tisch diskutieren. Sie können auch Sind Sie nicht selber viel besser im Bilde, daß das nicht einfach darüber hinweggehen, indem Sie etwa völlig andere Gründe hat, Gründe nämlich, die in den zinsverbilligte Kredite zur Verfügung stellen. Da- Kostensteigerungen und völlig ausgebliebenen Ge- durch wird nämlich die Wettbewerbssituation in winnmöglichkeiten liegen? Wissen Sie nicht, daß Ab- der Bekleidungsindustrie keineswegs so gut, daß die schreibungen die Gewinne nicht erhöhen? Produkte dieses Industriezweiges wieder mit dem, was aus ,dem Ausland zu uns kommt, wettbewerbs- Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Herr von Bismarck, fähig würden. Die Auslandsimporte haben wegen zunächst habe ich überhaupt nicht die Absicht, etwas der Kostenstruktur in der Bundesrepublik Deutsch- zu verkaufen. Als Verkäufer betätige ich mich hier land zu dieser schwierigen Situation geführt. nicht. Meine Damen und Herren, seien Sie aber ver- Zur Beantwortung Ihrer Frage möchte ich sagen, sichert: Die sozialliberale Koalition, die Regierung daß die Stabilitätsabgabe mit den durch sie einge- Brandt/Scheel widmet ihre Aufmerksamkeit in aller- schränkten Gewinnmöglichkeiten bei den oberen erster Linie den Beschäftigungsproblemen in der Einkommen und den Einkommen der Körperschaften Bundesrepublik Deutschland. Wir haben die geeig- eindeutig dazu beigetragen hat, daß die Gewinn- neten Maßnahmen getroffen und beschlossen und explosion vermieden worden ist. Das können Sie im werden sie jetzt durchführen, Maßnahmen, die einer übrigen auch im Gemeinschaftsgutachten nachlesen; Entwicklung entgegenwirken, welche auch nur in es ist dort bestätigt worden. irgendeiner Weise bedrohlich werden sollte. Diese Regierung steht dazu, wie es heute jede demokra- Meine Damen und Herren, nun zu der Frage, ob tisch gewählte Regierung tun muß, meine Damen diese Stabilitätspolitik fortzusetzen ist oder nicht. und Herren. Sie steht dazu — das ist ihre -Pflicht , Ich muß sagen, aus den Anträgen, Herr Professor und sie trägt die Verantwortung für die Vollbe- Carstens, die Sie vorgelegt haben, kann ich nur er- schäftigung in dem Sinne, wie wir sie hier oft genug sehen, daß darin eine Reihe von Maßnahmen enthal- definiert haben, vom Bundeskanzler über den Bun- ten sind, die einem solchen Ziel deutlich widerspre- desfinanzminister bis zu den Sprechern meiner chen. Woher sollen wir eigentlich die Mittel für die Fraktion. Wir werden diese Politik durchführen Erhöhung der Investitionszulage und der ERP-Mittel und garantieren. nehmen? Sie wissen, daß das ein geschlossener Fonds Herr Professor Carstens hat behauptet, wir hätten ist. Wir könnten nur auf den Markt gehen und An- die Inflation bagatellisiert und eine falsche Politik leihen aufnehmen, um das Volumen zu vergrößern. mit strukturell falschen Folgen gemacht. Herr Car- (Abg. Dr. Nölling: Aus den Steuersenkungen!) stens, ich darf Sie daran erinnern, daß uns gerade — Ja. Es gibt also keine Möglichkeit. Dies ist stabili- das zweite Stabilitätsprogramm vom Mai das ent- tätswidrig. scheidende positive Ergebnis gebracht hat. Dadurch ist das verhindert worden, was gemeinhin unter Hier muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden: dem Stichwort „Gewinnexplosion" erörtert worden Eine Regierung muß den Mut haben, auch unpopu- ist. Ich meine die Gewinnexplosion, die uns das läre Dinge zu vertreten, z. B. daß die Erhöhung des zweite Sondergutachten der Sachverständigen vor- Weihnachtsfreibetrages in der gegenwärtigen Situa- hergesagt hat und die wir mit der Stabilitätsab- tion stabilitätswidrig wäre. Eine solche Erhöhung gabe, ,die Sie lebhaft kritisiert haben und die auf wäre das Musterbeispiel einer verfehlten Politik, die oberen Einkommenstufen beschränkt war, abge- die unter dem Deckmantel der sozialen Haltung in fangen haben. Die Zuwachsraten der Bruttover- Wirklichkeit inflationsfördernd, d. h. unsozial, wir- dienste bei Einkommen aus unselbständiger Tätig- ken müßte. Wenn nämlich angesichts der Energie- keit und bei Einkommen aus Unternehmertätigkeit krise mit einem geringeren Angebot an Gütern der liegen heute etwa auf gleicher Höhe. Die Gewinn- Geldumlauf und die Konsumkaufkraft erhöht wür- explosion hätten wir sozialpolitisch, tarifpolitisch den, würde man über eine höhere Nachfrage, der und damit auch stabilitätspolitisch in diesem Herbst kein Angebot gegenübersteht, einen weiteren Preis- nicht verkraften können. Insofern hat dieses Pro auftrieb erreichen. 4262 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Dr. Graf Lambsdorff Es kann kein Zweifel sein, meine Damen und Her- Zu den Anträgen im einzelnen, meine Damen und ren, daß in der gegenwärtigen Situation die Ölkür- Herren und Herr Professor Carstens, will ich mich zung bedeutet, wie es ein amerikanischer Wirt- hier nicht äußern. Darüber soll nachher, wenn sie schaftsbericht ganz kurz und knapp formuliert hat, im einzelnen von Ihnen begründet werden, sicher- daß uns weniger Wachstum und mehr Inflation be- lich noch debattiert werden. Ihnen ist inzwischen schert wird. Das kann nicht ausbleiben. Wir haben bekannt, daß die Konzertierte Aktion stattfindet, keine Möglichkeit und keine Veranlassung, Herr und Ihnen ist auch bekannt, daß natürlich erst da- Professor Carstens, jetzt etwas zu tun, was dem nach Orientierungsdaten veröffentlicht werden kön- unter stabilitätspolitischen Gesichtspunkten entge- nen. genwirken könnte. Außerdem müssen Sie sich bitte (Abg. Dr. Müller-Hermann: Nach der Kon sagen lassen, daß Sie mit Ihrer Auffassung im Ge- zertierten Aktion?) gensatz sowohl zum Gemeinschaftsgutachten wie — Nach der Konzertierten Aktion, frühestens aber, zum Sachverständigengutachten wie auch eindeutig meine Damen und Herren, nach der Erstattung des zur Bundesbank stehen, die an ihrer Geld-, Kredit- Sondergutachtens der Sachverständigen unter Einbe- und Stabilitätspolitik festhalten will und wird und ziehung der energiepolitischen Maßnahmen, Vorher dies nach meiner Überzeugung auch mit Recht tut. ist das wohl kaum möglich. (Abg. Dr. Müller-Hermann: Das tun wir doch auch!) Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege, ge- — Dann können Sie solche Anträge nicht vorlegen. statten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abge- Denn wenn Sie auf der einen Seite die Geld- und ordneten Müller-Hermann? Kreditpolitik für richtig und die Begrenzung des Geldumlaufs für vertretbar halten, dann können Sie Dr. Graf Lambsdorff nicht auf der anderen Seite Milliardenbeträge frei- (FDP) : Aber sehr gerne. setzen, die in den Geldkreislauf hineingehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Dr. Müller - Hermann (CDU/CSU) : Herr Kollege Graf Lambsdorff, wie stellen Sie sich eigentlich einen Das heißt, daß Sie das derzeitig knappe 01 auch noch möglichen Erfolg der Konzertierten Aktion vor, ins Feuer schütten. wenn die Orientierungsdaten vom 22. November 1973 weiterhin Maßstab der Regierungspolitik sein Meine Damen und Herren, es muß klar gesehen sollen? werden, daß wir verpflichtet sind, diese Politik ) weiter zu betreiben, und daß die Bundesregierung die richtigen Maßnahmen getroffen hat. Ich persön- Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Herr Müller-Her- lich stehe nicht an, es auch für richtig zu halten, mann, ich habe das ja eben korrigiert. Sie haben daß z. B. die Bundesbank offensichtlich erste An- völlig recht. Wenn das Sondergutachten vorliegt, stalten macht, bei der Anwendung des Bardepotge- können Orientierungsdaten gegeben werden. Das setzes etwas flexibler und großzügiger zu werden, Sondergutachten wird am 18. und 19. Dezember er- daß in den Rediskont- und Lombardkontingent etwas stattet werden. Dann wird hoffentlich, Herr Müller- - Luft gelassen wird, weil es nicht notwendig ist, Hermann, ein Sondergutachten vorgelegt werden weiteren Druck auf den Geldumlauf zu tun, wohl können — vielleicht überfordern wir die Sachver- aber richtig ist, so viel Luft zu geben und so viel ständigen auch —, das die Daten unter Einschluß der Raum zu schaffen, wie durch den Abfluß von Devi- Energiekrise enthält und das Orientierungsdaten sengegenwerten entzogen worden ist. möglich macht. Ich weiß das nicht; ich befürchte, Sie wissen es auch nicht, aber ich will Ihnen das nicht Die Bundesregierung hat recht, wenn sie die unterstellen. Sie wissen so viel, Herr Müller-Her- Investitionssteuer aufheben läßt und die degressiven mann. Abschreibungen wieder einführt. Ich bitte darum, Meine Damen und Herren, in dieser Frage — auf daß das so bald wie möglich geschieht, weil der einem hohen Inflationssockel Stabilitätspolitik wei- ,Ankündigungseffekt natürlich einen Anstoß für ter zu betreiben — müssen wir nach unserer Über- den Nichteingang von Bestellungen bei den Auto- zeugung festbleiben. Diese Politik darf nicht auf- mobilfabriken darstellt, Herr Professor Carstens. gegeben werden, und wir sind die letzten, Herr Kol- Die Tatache, daß man ankündigt, am 19. November lege Carstens, die die Inflation bagatellisieren wol- wird die Investitionssteuer aufgehoben, führt zu len. Ich bestreite Ihnen nicht, Herr Professor einem sofortigen Stopp von Bestellungen bei den Carstens, daß diese Stabilitätspolitik spät, wenn Automobilfabriken, insbesondere für Lastkraftwa- nicht zu spät, begonnen worden ist. Dies hat aber gen. Dies ist kein Wunder. Wenn ich sie übermor- einen guten Teil seiner Gründe natürlich auch in der gen um 11 % billiger kaufen kann, warte ich selbst- Entwicklung des Herbstes 1972. Hier kritisieren uns verständlich mit meiner Bestellung. Deswegen wäre auch die Sachverständigen, die im übrigen aber die- es richtig, wenn die Bundesregierung darüber bald ser Bundesregierung das Zeugnis ausstellen, daß sie entschiede. die härteste, erfolgreichste und konsequenteste Sta- Das gleiche gilt für den § 7 b. Wir haben auch das bilitätspolitik betrieben habe, die je eine Bundes- regierung auf die Beine gestellt hat. hier schon vor einiger Zeit in Zusammenhang mit der Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus und Immer wieder hören wir von Ihnen, Herr Carstens, den dafür vorgesehenen Maßnahmen besprochen. daß wir die kleinen Einkommen steuerlich ent- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4263

Dr. Graf Lambsdorff lasten sollen. Dies ist natürlich nicht Stabilitäts- Ich habe kein Verständnis dafür, wenn heute Bank- politik! vorstände eine Aufhebung der Stabilitätspolitik ver- (Abg. Rawe: Doch!) langen; denn die sollten am besten wissen, daß das Herr Professor Carstens, es ist uns nun einmal in einen neuen Schub in die Inflation geben würde. der Konzertierten Aktion, auf die Sie mit Ihrem Ich begreife diese Einstellung nicht. Antrag so besonderen Wert legen, von den Gewerk- Ein Zweites. Herr Professor Carstens, Sie haben schaften gesagt worden, dies könne keinen Einfluß für mein Empfinden und das Empfinden meiner auf die Tarifverhandlungen haben. Freunde eine außergewöhnlich kühne Volte mit (Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg. der Verbindung von der russischen Hilfe für die Rawe: Können Sie kein konkretes Angebot Araber zu den Ostkrediten geschlagen; wirklich sehr machen?) kühn. (Beifall bei den Regierungsparteien.) — Meine Damen und Herren, wir können das natür- lich glauben oder nicht glauben, aber eine Bundes- Herr Professor Carstens, wenn wir unsere Bezie- regierung kann doch nicht eine solche ganz klare hungen zu unseren östlichen Nachbarn von deren Mitteilung ihres Gesprächspartners in der Konzer- Auftreten in jedem Teil der Welt abhängig machen tierten Aktion beiseite tun und sagen, ich glaube es und danach ausrichten wollten, würde das bedeuten, nicht, ich hoffe doch, daß es besser geht, mit dem daß wir gar keine Ostpolitik mehr betreiben könn- Ergebnis, daß wir hinterher zweimal einen Konsum- ten. stoß in die Volkswirtschaft hineinpumpen. Wir wer- (Beifall bei den Regierungsparteien. den dies nicht tun. Zurufe von der CDU/CSU.) Ich weiß nicht, ob Sie das wollen; vielleicht. Aber Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege, ge- dann würden wir uns den letzten Bewegungsspiel- statten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeord- raum einengen. Ich habe von dieser Stelle — unid neten von Bismarck? damals unter Zustimmung Ihrer Freunde aus- drücklich gesagt, daß wir in der gegenwärtigen Situation z. B. für die Diversifizierung unserer Ener- Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Aber gerne. giequellen sorgen und dabei selbstverständlich auch in Richtung Osten diversifizieren müßten. Es bleibt Dr. von Bismarck (CDU/CSU) : Herr Kollege uns gar nichts anderes übrig. Ich begrüße es sogar, Lambsdorff, wie vereinbaren Sie es mit dieser Aus- daß wir hier eine Verflechtung internationaler wirt- sage, daß die IG Metall eine Druckschrift heraus- schaftlicher Abhängigkeiten schaffen, weil wirt- gegeben hat, in der sie genau auf die 8 Milliarden schaftliche Abhängigkeiten dieser Art ein Stück — DM hinweist, die nach ihrer Meinung dabei den ein kleines Stück, ich will es zugeben; aber dies Arbeitnehmern in der Tasche geblieben wären, und alles sind nur kleine Stücke — weiterer Friedens- die Vorenthaltung als einen schweren Fehler kenn- sicherung bedeuten können. zeichnet? Meine Damen und Herren, ,die Opposition — las- sen Sie mich das zum Schluß sagen — gefällt sich - Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Herr von Bismarck, darin, der Bundesregierung unter dem Stichwort dies ist völlig verständlich. Daß das erbeten und Krise vorzuhalten, daß hier alles drunter und drüber gewünscht wird und daß 8 Milliarden gern behalten ginge: würden, ist klar. Aber in dieser Druckschrift steht (Zuruf von der CDU/CSU: So ist eis! — kein Wort davon, daß man mit diesen acht Milliar- Abg. Rawe: Das sagt Herr Wehner auch!) den, die man in der Tasche behielte, dann von den die Energiekrise, die Koalitionskrise, die Führungs- Forderungen herunterginge, die jetzt auf dem Tisch krise, die SPD-Krise, die Beschäftigungskrise. liegen, und einzig und allein darum geht es. (Abg. Rawe: Wie recht Herr Wehner hat!) (Beifall bei den Regierungsparteien.) Dies alles, meine Damen und Herren, erinnert an Das kann man angesichts der Situation, die die Ge- den Wahlkampf des Jahres 1972. Ich habe den Ein- werkschaftsvorstände im Laufe dieses Sommers hin- druck, ter sich gebracht haben, auch nicht erwarten. Ich halte es für ganz unzumutbar, ihnen eine solche Er- (Abg. Russe: Sie glauben das doch selbst klärung abzuverlangen. nicht, was Sie da sagen!) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum daß die Opposition zu viel von dem 49 %igen Allens- Schluß noch kurz auf zwei Punkte eingehen. bacher genossen hat. Der stimmt Sie offensichtlich high. Aber ich sage Ihnen: Vorsicht, dies war ein Zunächst einmal bin ich der Auffassung, daß diese etwas fuseliger Verschnitt; beim Erwachen gibt es Energiekrise, die der Bundeskanzler mit Recht als Kopfschmerzen und einen Kater, wie gehabt. eine Herausforderung und auch eine Chance für uns alle bezeichnet hat, auch eine Herausforderung und (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungs eine Chance für die Marktwirtschaft ist und hier parteien.) insbesondere auch für die Unternehmer. Es muß von Ich danke Ihnen. ihnen erwartet werden, daß sie sich mit Einfalls- reichtum und Geschick dieser Situation gewachsen Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der zeigen und nicht fortgesetzt nach dem Staate rufen. Abgeordnete Ehrenberg. 4264 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Dr. Ehrenberg (SPD) : Frau Präsident! Meine die Opposition in der Vergangenheit keine Alterna- sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich hätte tiven gehabt habe, zuwenig getan habe, mit der sehr gern in dieser Runde noch dem als nächsten an- Vielzahl von Anträgen, die sie nun eingebracht hat, gekündigten Sprecher, Herrn Müller-Hermann, den nach Ihrer Meinung jetzt aber zuviel tut, wäre es Vortritt gelassen, um die Vielzahl der Runden abzu- äußerst interessant zu wissen — ich bitte Sie, das kürzen. Aber dieser mein Vorschlag fand keine Ge- dem Hause zu sagen --, was denn die Opposition genliebe, so daß ich mich hier doch wohl auf die tun könnte, um der Regierungskoalition zu gefallen. vorliegenden Anträge und auf den Beitrag des Oppo- (Abg. Reddemann: Ja sagen!) sitionsvorsitzenden beschränken muß und nicht die von Herrn Müller-Hermann zu erwartende Begrün- dung der Oppositionsanträge schon mit einbezie- Dr. Ehrenberg (SPD) : Herr Breidbach, die Oppo- hen kann, was ich bedauere. sition hat nicht die Aufgabe, der Regierung zu ge- fallen. Nur täte sie sich selber einen Gefallen, wenn Herr Professor Carstens, Sie haben einleitend ge- sie eine Vielzahl von Forderungen stellte, bevor sagt, die von Ihnen vorgeschlagene Politik habe sich die Regierung gehandelt hat, als richtig erwiesen, und weil das richtig gewesen sei, legten Sie auch jetzt ein umfassendes Programm (Lachen bei der CDU/CSU) vor; wenn wir dem folgten, ginge es diesem Lande und nicht einen Forderungskatalog vorlegt, der Ihrer Ansicht nach besser. Ich frage mich vergeblich, zum größten Teil entweder schon erfüllt oder zu- wenn ich in meiner Erinnerung herumkrame, wann, mindest in der Arbeit ist. wo und wie Sie denn Vorschläge zur Stabilitäts- politik gemacht haben. (Abg. Dr. Nölling: Also abgeschrieben!) (Zuruf von der CDU/CSU: Eine ganze Das halte ich allerdings für eine schwache Opposi- Latte!) tionsleistung. Das muß ich hier ganz offen sagen. (Beifall bei den Regierungsparteien.) die irgend etwas besser gemacht hätten. Denn die Vorwürfe, die Sie heute erhoben haben, stehen in einem merkwürdigen Widerspruch dazu, daß Sie Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege, ge- zwei Jahre lang — das geht zurück bis in die letzte statten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeord- Legislaturperiode — alle Stabilitätsmaßnahmen der neten Graf Lambsdorff? Bundesregierung stets als zu gering, zu klein, zu schwach und zu wenig bezeichnet haben. Jetzt ist es Ihnen innerhalb weniger Monate zuviel geworden! Dr. Ehrenberg (SPD) : Gern.

(Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Zu spät!) Diesen Widerspruch können Sie nur selber auf- Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Herr Kollege klären; ein anderer wird das nicht können. Ehrenberg, 'hätten Sie die Freundlichkeit, dem Kol- legen Breidbach zu bestätigen, daß seine Bemühun- (Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Sie haben zu gen, uns zu gefallen, sicherlich immer erfolglos blei- scharf und zu spät gebremst!) ben müßten? Der Widerspruch klärt sich genauso wenig, meine (Heiterkeit bei den Regierungsparteien.) Damen und Herren von der Opposition, wenn man dieses umfangreiche Bündel verschiedenartiger An- träge insgesamt sechs an der Zahl, die sich zum Dr. Ehrenberg (SPD) : Das gilt für Plenum und Teil überschneiden — und die darin enthaltene Viel- Ausschuß gleichermaßen. zahl von einzelnen Forderungen durchsieht; es bleibt Aber damit Sie, meine Damen und Herren von von diesen Vorschlägen nur ganz wenig übrig, bei der Opposition, nicht glauben, ich täte das nur so dem sich die Regierungsfraktionen und die Bundes- pauschal, habe ich mir die Mühe gemacht, jenen regierung nicht in der Rolle des Swinegels — in je- Forderungskatalog, wie er vor allen Dingen in dem nem berühmten Wettlauf zwischen Has und Swin- heute erst vorgelegten Antrag enthalten ist, der egel in Buxtehude — fühlen müßten; denn zu Reihe nach durchzugehen. Da wird u. a. gefordert der Mehrzahl Ihrer Vorschläge kann man auf gut die Umstellung der Feuerung von schwerem Heizöl norddeutsch nur sagen: „Ick bün all dor." Was da auf andere Brennstoffe 'bei Kraftwerken, Stahlwer- gefordert wird, wird von der Bundesregierung seit ken und sonstigen Großverbrauchern, dann die volle Wochen praktiziert. Auslastung jener Raffinerien, die technisch in der (Beifall bei den Regierungsparteien.) Lage sind, zusätzliche Mengen Leichtprodukte aus schwerem Heizöl zu gewinnen, oder auch die Über- nahme eines größeren Anteils der Stromversorgung Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege, ge- als bisher von Kohlekraftwerken. statten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeord- Sie wollen doch nicht im Ernst behaupten, daß das neten Breidbach? neue Erkenntnisse sind. Seit vier Wochen ist die Regierung dabei, das zu tun. Ein großer Teil dieser Dr. Ehrenberg (SPD) : Gerne. Umschichtungen ist bereits erfolgt. Aber wenn man genauer hinsieht, erkennt man Breidbach (CDU/CSU) : Herr Kollege Ehrenberg, allerdings doch einen bedeutsamen Unterschied zu nachdem Sie gerade darauf hingewiesen haben, daß den Maßnahmen der Regierung und auch zu den Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4265 Dr. Ehrenberg Absichten der SPD-Bundestagsfraktion. In Ihrem ben zu können, kann doch wohl niemand ernst ganzen Katalog der energiepolitischen Umstellung nehmen. stellen Sie vorweg die Forderung, 'daß durch geeig- (Abg. Dr. Müller-Hermann: Es geht um nete Anreize diese Möglichkeiten geschaffen wer- Kostenentlastungen!) den sollen. Hier sind wir allerdings anderer Mei- nung: Diese gesamtwirtschaftlich so notwendigen, — Ich habe sehr wohl kapiert, was hinter Ihrem An- im Gesamtinteresse 'unabdingbaren Umstellungen trag, daß dieser Deutsche Bundestag die Regierung müssen nicht erst durch massive öffentliche Anreize ersuchen solle, die Konzertierte Aktion einzube- möglich gemacht werden, sondern die auch Wirt- rufen, und hinter Ihrem Vorschlag, daß die Regie- schaftsunternehmen obliegende Verantwortung 'be- rung den dort versammelten Tarifvertragsparteien dingt es, daß diese Umstellungen so schnell wie gewissermaßen ein Weihnachtsgeld auf den Tisch möglich durchgeführt werden und daß wir nicht erst legen soll, steckt. Ich habe sehr wohl kapiert, was ein umfangreiches Anreizeangebot vorlegen müssen. das für die Tarifautonomie in diesem Lande bedeu- Die Bundesregierung verhandelt 'bereits mit den ten würde, wenn wir so töricht wären, Ihrem Vor- Wirtschaftszweigen, für die diese Umstellung not- schlag zu folgen. wendig ist. Ich glaube, hier ist ein guter Platz, sehr (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der deutlich auszusprechen, daß dort, wo mangels Ein- CDU/CSU.) sicht der betroffenen Unternehmen diese Verhand- lungen noch zu keinem Erfolg geführt haben, die Das kann und wird nicht in Frage kommen. Bundesregierung sehr schnell von den Möglichkei- Sicher — dies ist aus der Rolle der Opposition ten, die dieses Parlament ihr mit dem Energiesiche- heraus sogar verständlich — ist gerade kurz vor rungsgesetz eingeräumt hat, Gebrauch machen soll- Weihnachten die Forderung nach einer Verdrei- te, um notfalls im Wege der Rechtsverordnung ge- fachung des Weihnachtsfreibetrages recht populär. samtwirtschaftlich verantwortliches Handeln zu er- Nur, ebenso sicher ist es, daß sich mit kurzfristiger zwingen. Es kann nicht der Einsicht einzelner Un- Publizitätseffekthascherei eine gesamtwirtschaftlich ternehmer und auch nicht erst massiven öffentlichen verantwortliche Konjunkturpolitik nicht machen läßt. Anreizen überlassen bleiben, ob hier die notwen- (Abg. Sauer [Salzgitter] : Meinen Sie Duis digen Substitutionen von Erdöl durch andere Brenn- burg?) stoffe vorgenommen werden. Dafür haben wir die Möglichkeiten im Energiesicherungsgesetz geschaf- Jetzt ist es unsere vorrangige Aufgabe, mit geziel- fen. ten Investitionsprogrammen zu einem reibungslosen Übergang von der gegenwärtigen Konjunkturphase Eine Nebenmerkung in diesem Zusammenhang: zu einer energiesparenden Produktionsstruktur zu Wer das, was dort notwendig ist — auch solche kommen. Diese Aufgabe kann durch kurzfristige Stimmen gibt es im Hintergrund — , für Dirigismus Steuermindereinnahmen nur erschwert, aber nicht hält, sei gebeten, einmal darüber nachzudenken, erleichtert werden. Deshalb werden wir diesen An- wieviel Dirigismus beispielsweise in dem Sonntags- trag in den zuständigen Ausschüssen und auch hier fahrverbot für wie viele Bürger steckt. In diesen im Plenum ablehnen. Fragen der Maßnahmen zur Sicherung der Energie- versorgung kann Dirigismus nie eine Frage- des In dem Bündel Ihrer sechs Anträge enthält ein ein- Prinzips sein, sondern muß ganz allein eine Frage ziger nicht überholte — jedenfalls nicht voll über- der Zweckmäßigkeit sein. holte —, brauchbare Vorschläge; das ist das Arbeits- platzsicherungsprogramm, das ja bereits in der Ener- Allein von der Zweckmäßigkeit her wird auch Ihr giedebatte vom 29. November hier vorgelegt wurde; Antrag zur Änderung des Investitionszulagengeset- auch dort ist ein großer Teil schon in Arbeit, ein Teil zes zu entscheiden sein. Vor dem Hintergrund der überschneidet sich mit den anderen Anträgen. Aber Energieverknappung sind unter der Vielzahl not- die sachliche Basis — jedenfalls weitgehend sachliche wendiger Maßnahmen arbeitsplatzsichernde und die Basis — dieses Antrags wird sicher zu einer Berei- Energieversorgung verbreiternde Investitionen von cherung der notwendigen Ausschußberatungen bei- absolutem Vorrang. Auch bei schon bald erfolgter tragen. Inanspruchnahme der während der Hochkonjunktur Für das konjunkturpolitische Gesamtkonzept aller- bei der Bundesbank stillgelegten Mittel bedarf es dings — gerade, wenn man die Konjunkturlage so hierzu erheblicher Haushaltsanstrengungen. Diese sieht, wie Herr Professor Carstens sie hier vorgetra- notwendigen Haushaltsdispositionen sollten jetzt gen hat —, meine Damen und Herren, reichen Ihre nicht durch einen ad hoc vorgelegten Gesetzentwurf Vorschläge nicht aus; auch da sind Regierungsfrak- über erhebliche Haushaltsmittel präjudiziert werden. tionen und Bundesregierung mit Überlegungen schon Das bedarf einer sorgfältigen und in das konjunktur- ein ganzes Stück weiter; mein Kollege Lambsdorff politische Gesamtkonzept einzupassenden Überle- hat einen großen Teil davon hier schon genannt. gung. Ich würde der Deutlichkeit halber hier gerne noch Herr Professor Carstens, daß Sie noch einmal die hinzufügen, daß die gegenwärtige Konjunkturphase Argumentation Ihres berühmt-berüchtigten Infla- zwar keine radikale Umkehrung der bisherigen Poli- tionsgesetzes vom 4. Oktober hervorgeholt haben, tik erfordert, wohl aber eine sehr deutliche Neu- daß Sie ausgerechnet im Zeichen neuer, von außen akzentuierung in Richtung auf Sicherung der Arbeits- her kommender Preisbewegungen glauben, mit mas- plätze, eine sehr deutliche Neuakzentuierung hin- siven Kaufkraftentlastungen Stabilitätspolitik betrei sichtlich des Vorrangs energiesparender, energie- 4266 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Dr. Ehrenberg sichernder Investitionen. Um diese Entwicklung sozialdemokratische Bundestagsfrakti on —, der muß kurzfristig in Gang bringen zu können, sind sehr sie vor solchen Angriffen schützen. schnell die Aussetzung der Investitionssteuer und (Beifall bei den Regierungsparteien.) die Wiedereinführung der degressiven Abschrei- bungsmöglichkeiten, die Wiedereinführung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes, die vor allen Dingen Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der in den wirtschaftsschwachen Regionen ihre positive Abgeordnete Müller-Hermann. Wirkung auf den Baumarkt nicht verfehlen wird, der volle Haushaltsansatz für die Mittel der Gemein- Dr. Müller - Hermann (CDU/CSU) : Frau Präsi- schaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen dentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der Wirtschaftsstruktur sowie der Agrarstruktur und des Schwierigkeiten, in denen sich unsere Volkswirt- Küstenschutzes und die Erarbeitung von tiefgestuf- schaft befindet und die mit Sicherheit noch auf sie ten und breitgefächerten Investitionsprogrammen zur zukommen, täte eine besonnene und kraftvolle poli- Arbeitsplatz- und Energiesicherung zu beschließen. tische Führung dringend not. Diese besonnene und kraftvolle politische Führung ist nicht vorhanden. Notwendig ist dazu auch — gewissermaßen als Par- Die Opposition stellt heute so etwas wie einen allelprogramm — eine Überprüfung der Geld- und ruhenden Pol in einer aufgeregten Diskussion dar. Kreditpolitik in Richtung auf eine behutsame, vor- sichtig dosierte, aber doch deutliche Lockerung des (Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen bei Restriktionskurses. Unter den sehr schwierigen Pro- den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: duktionsbedingungen möglicher Energieengpässe be- Sagen Sie „Kohl" statt „Pol" !) dürfen in Zukunft auch die Kostenelemente eines Innerhalb der Koalition klafft offenbar ein ganz hohen Zinsniveaus einer besonderen Beachtung. tiefer Riß. Wer das noch nicht gespürt hat, der mußte es heute bei den Ausführungen des Kollegen Meine Damen und Herren, die nächsten Monate Nölling merken, die ja im Grunde nicht an die werden schwierig werden. Öffentlichkeit und an dieses Hohe Haus gerichtet (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.) r waren, sondern an den Bundeswirtschaftsminister Die Überwindung der vielfältigen Schwierigkeiten und den Koalitionspartner. wird aber durch Übertreibungen, wie sie die Oppo- (Zustimmung bei der CDU/CSU.) sition und auch eine Reihe von Verbandsgeschäfts- Dieser tiefe Riß zeigt sich sowohl in der Darstellung führern in den letzten Wochen nur allzu gerne ge- der Lage als auch bei der Frage, wie man mit den pflegt haben, nicht leichter. Schwierigkeiten fertig werden will. (Abg. Dr. Ritz: Wer hat denn übertrieben?! — Zuruf des Abg. Breidbach.) Wer dramatisiert denn nun eigentlich? Der Herr Bundeswirtschaftsminister Friderichs hat, glaube ich, Das gilt für die Konjunkturpolitik genauso wie für hier durchaus gute Absichten gehabt, mit einer nüch- die Energieversorgung. Ob zur Sicherstellung der ternen Darstellung der Lage keine falschen Erwar- Energieversorgung bzw. der gesamtwirtschaftlich tungen und falschen Besorgnisse in der Öffentlich- sinnvollsten Verteilung weitergehende Maßnahmen keit aufkommen zu lassen. Aber, Herr Bundeswirt- als bisher notwendig werden, darf nicht im voraus schaftsminister, es gibt in einer Regierung nun ein- zerredet werden, sondern muß von dem tatsächlich mal keine teilbare oder geteilte Verantwortung; erreichten Stand der Energieversorgung abhängig wenn wir die Informationspolitik der Regierung gemacht werden. Die Maßnahmen dürfen allerdings kritisieren, müssen Sie sich eben auch mit ange- auch nicht von Dogmatismen der verschiedensten sprochen fühlen. Art abhängig gemacht werden, sondern allein von der Zweckmäßigkeit und dem für alle verbindlichen Frau Präsidentin, ich werde mir erlauben, einen Auftrag, soziale Härten zu minimieren. Auszug von Zitaten aus dem Lager der Regierung und der Koalition aus den letzten drei und vier Zu minimieren sind allerdings auch — darauf hat Wochen zur Energiekrise und zur konjunkturpoliti- mein Kollege Nölling eingangs schon hingewiesen — schen Lage zu Protokoll zu geben, der der Öffentlich- die vorhandenen Möglichkeiten, durch keine Kosten- keit dann nachweisen wird, welche Widersprüche veränderungen begründete Marktlagengewinne wir hinnehmen mußten. höchsten Ausmaßes zu kassieren. Hier hat die Bun- Herr Kollege Nölling hat — offenbar auch ent- desregierung begonnen — sie wird von uns sehr ge- sprechend den parteiinternen Diskussionen innerhalb beten, das noch schärfer zu tun —, alle Möglichkei- der SPD — heute wieder — allerdings unter dem ten des Kartellrechts voll auszuschöpfen und unver- Etikett „Marktwirtschaft" — im Grunde ständig neue antwortliche Gewinne in Zukunft zu verhindern bzw. Staatseingriffe entsprechende Maßnahmen — auch Strafmaßnah- men — einzuleiten, um hier zu verhindern, daß diese (Zuruf des Abg. Dr. Nölling) marktwirtschaftliche, aber sozialgebundene Wirt- zur Bewältigung einer Krise verlangt, von der wir schaftsordnung in der Bundesrepublik immer noch gar nicht wissen, ob sie vorhanden ist. Ich würde hinter deren Sozialbindung herhinkt, daß diese durch von Herrn Bundeswirtschaftsminister Friderichs gern solch unverantwortliche Handlungsweise weiterhin einmal eine Auskunft haben, inwieweit denn nun diskreditiert und damit in ihrem Bestand zur Diskus- wirklich ein Engpaß in der Energieversorgung be- sion gestellt wird. Wer es mit dieser marktwirt- steht. Im Augenblick, glaube ich, haben wir keinen, schaftlichen Ordnung gut meint — und das tut die jedenfalls nicht bei Benzin und Dieselkraftstoff. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4267 Dr. Müller-Hermann Allerdings haben wir eine gewiß besorqniserregende his siebente Barger im Lande lebt, nicht ohne Wir- Tendenz beim schweren Heizöl. Im Augenblick wir d kungen auf die ganze Volkswirtschaft einfach abge- aber eben auf seiten der SPD versucht, die konjunk würgt werden darf. Es ist eigentlich sehr belusti- turpolitischen Schwierigkeiten, die die Folge der bis- gend, wenn man hört, daß Bundesfinanzminister herigen Konjunkturpolitik der Bundesregierung sind, Schmidt bei etwaigen Einbußen in der Vollbe- mit der angeblich vorhandenen oder auf uns zukom- schäftigung der Chemie und Automobilindustrie menden Ölkrise zu begründen. empfiehlt, die Leute bei der Post und bei der Bahn (Abg. Dr. Nölling: Das ist gut, daß Sie das oder über öffentliche Investitionen wieder in Be- als „angeblich" bezeichnen! Sie sind ein her- schäftigung zu bringen. vorragender Kenner der Materie!) Vizepräsident Frau Funcke: Gestatten Sie Es gibt offenbar in Ihren Reihen, sehr verehrter eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gei- Herr Kollege Nölling, sehr starke Kräfte, die die ger? Schwierigkeiten gern als Aufhänger benutzen, um gegen die Marktwirtschaft zu agieren und Dirigis- mus zu predigen. Dr. Müller - Hermann (CDU/CSU) : Bitte schön! (Abg. Dr. Nölling: Reden Sie doch keinen Quatsch daher!) Geiger (SPD) : Herr Kollege Müller-Hermann, würden Sie die eben vorgetragene Erkenntnis, daß Von dem früheren Bundeswirtschaftsminister man eine Sache herbeireden kann, auch auf das seit Schiller stammt ein kluges Wort: „Fünfzig Prozent zwei Jahren konsequente Gerede über eine Inflation der Wirtschaftspolitik ist Psychologie." Meine Da- anwenden? men und Herren, das spüren wir eben auch heute. (Lachen bei der CDU/CSU.) Man kann eine Krisensituation auch herbeireden. (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.) Dr. Müller - Hermann (CDU/CSU) : Herr Kollege Dabei ist die Bundesregierung, und dabei ist im Geiger, wenn Sie noch nicht gemerkt haben, daß Augenblick die SPD. wir tatsächlich in einer Inflation sind, die jetzt noch einen zusätzlichen Schub erhält, dann ist Ihnen nicht (Abg. Dr. Nölling: Das tun Sie seit langem zu helfen. Hier haben wir die Tatsachen genannt, meisterhaft!) die Sie bemänteln wollen. Es ist eine Verunsicherung der Verbraucher einge- (Beifall bei der CDU/CSU.) treten, die doch nicht von ungefähr kommt, sondern die Folge der unterschiedlichen, widersprüchlichen und auch falschen Darstellungen aus dem Regie- Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege, ge- rungslager ist. statten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff? (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Wenn wir beispielsweise durch eine EMNID-Be- Dr. Müller - Hermann (CDU/CSU) : Bitte sehr! fragung erfahren, daß ,der Autofahrer, der in nor- malen Zeiten mit 201 im Tank durch die -Gegend Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Herr Kollege Mül- fuhr, heute mit 401 fährt — ja, worauf ist das zu- ler-Hermann, darf ich darauf aufmerksam machen, rückzuführen? Oder wenn derzeit alle Heizöltanks daß nach meiner Kenntnis jedenfalls die Automobil- voll sind, obwohl das nicht ,dem normalen Zustand industrie in keiner Weise Hilfestellung von der Re- entspricht — worauf ist denn das zurückzuführen? gierung oder von wem auch immer erwartet, sondern Wenn wir, meine Damen und Herren, heute hören, ein vitales Interesse daran hat, daß ihre derzeitige daß wieder mehr gespart wird, obwohl das Sparen Situation in keiner Weise dramatisiert wird und in Deutschland im Grunde bestraft wird, — auch das daß die Zuversicht, daß sich diese Dinge in abseh- ist ,die Folge einer veränderten psychologischen barer Zeit wieder geregelt haben werden, aufrecht- Situation: die Bürger fühlen sich verunsichert und erhalten bleibt. beginnen, sich wieder ein Polster anzulegen. Das gleiche gilt für die veränderten Kaufgewohnheiten, die der Einzelhandel schon zu spüren bekommt; Dr. Müller - Hermann (CDU/CSU) : Sehr verehr- für Heizkosten und für Kraftstoff wird mehr aufge- ter Kollege Graf Lambsdorff, wir befinden uns hier wendet, es wird mehr gespart, und daher gehen in völliger Übereinstimmung. Aber ich weise dar- auch die Umsätze im Einzelhandel offenbar weiter auf hin — Sie haben das selbst gesagt —, daß hier zurück. bei der nachlassenden Nachfrage nach Neufahrzeu- gen verschiedene Faktoren zusammentreffen, nicht Das gleiche läßt sich auch für das Automobilge- nur das Sonntagsfahrverbot und die Begrenzung schäft sagen, wo natürlich, wie einer ,der Kollegen von Geschwindigkeiten, sondern auch die generelle — ich glaube, es war Graf Lambsdorff — gesagt hat, Unsicherheit infolge der Verteufelungsaktion, die mehrere Faktoren zusammenkommen, nicht zuletzt aus dem Lager der Koalition und aus dem Lager der diese Anti-Autohysterie, meine Damen und Herren, Regierung nach Kräften unterstützt worden ist. deren Folgewirkungen Sie heute spüren. Sie müssen sich jetzt bemühen, der Automobilwirtschaft wieder (Beifall bei der CDU/CSU.) Ihre Aufmerksamkeit zu schenken, weil Sie selbst Das sind die Folgewirkungen, die wir jetzt ausbaden einsehen, daß eine Branche, von der jeder sechste müssen. — Bitte! 4268 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Herr Kollege Mül- Gerade deshalb, Herr Kollege Graf Lambsdorff, ler-Hermann, darf ich, um mich ganz verständlich zu meine ich immer wieder darauf hinweisen zu müs- machen und um nicht mißverstanden zu bleiben — sen, welche zusätzlichen Erschwernisse für die deut- denn es sieht mir so aus, als sei ich mißverstanden sche Wirtschaft hinzukommen, wenn wir auf der worden —, noch einmal sehr deutlich sagen und klar- Kostenseite über Gebühr zusätzliche Belastungen machen, daß ich diese Ereignisse für vorübergehend auf die deutsche Wirtschaft zukommen lassen. Das halte und mit der Automobilindustrie, deren Schlüs- ist mit ein Grund, weswegen wir immer wieder dar- selindustriecharakter für unsere Beschäftigungslage auf hinweisen, daß wir in dieser Situation in einem allgemein bekannt ist, der Ansicht bin, daß die verstärkten Zielkonflikt zwischen Stabilität und Schwierigkeiten überwunden werden können, daß Vollbeschäftigung stehen und daß die Regierung zu irgendwelcher Dramatisierung und ernsthafter ihre Führungskraft im Hinblick auf die Tarifpartner nachhaltiger Besorgnis kein Anlaß besteht. unter Beweis stellen muß. Wenn ein übergebühr- licher Zuwachs bei den Lohnkosten das kaum mehr vorhandene Wachstum der Wirtschaft zusätzlich Dr. Müller - Hermann (CDU/CSU) : Graf Lambs- strapaziert, laufen wir Gefahr, unsere Position im dorff, Ihr Wort in Gottes Ohr. Export weitgehend zu verschlechtern und durch die (Abg. Kiep: Ihr Wort in Feisals Ohr!) mangelnde Kapazitätsauslastung der deutschen in- dustriellen Anlagen zu noch stärkeren Einbußen bei Ich hoffe, daß Sie recht haben. Aber die nüchternen der Vollbeschäftigung zu kommen. Darum unser Überlegungen der Automobilindustrie — das kann Appell an die Bundesregierung, so früh wie mög- ich aus Gesprächen vortragen — gehen dahin, daß lich und so schnell wie möglich die Konzertierte Ak- wir im Jahre 1974 gegenüber 1973 mit einem um tion zusammenzurufen, damit die Risiken verdeut- etwa 25 °/o verringerten Umsatz in der Bundesrepu- licht werden und die Vernunft wieder Einzug hält. blik zu rechnen haben. Das sind die Daten, die sich jetzt auf Grund der Situationsanalyse der letzten In diesem Zusammenhang muß ich noch einmal Monate und der inzwischen für die nächste Zeit unterstreichen, was Kollege Carstens hier schon zu eingegangenen Bestellungen abzeichnen. Anfang der Debatte erklärt hat. Unser Steuerentla- stungsprogramm ist den Tarifpartnern bisher noch nicht als Angebot der Regierung auf den Tisch gelegt Vizepräsident Frau Funcke: Gestatten Sie worden. Wenn Sie das in den zurückliegenden Wo- noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten chen getan hätten, wäre uns manches an zusätzlichen Graf Lambsdorff? Risiken erspart geblieben. Denn ich bin ganz sicher, daß die Einsicht in die zusätzlichen wirtschaftlichen Risiken für die Vollbeschäftigung bei den Gewerk- Dr. Müller - Hermann (CDU/CSU) : Bitte sehr! schaften ebenso vorhanden ist wie auf seiten der Arbeitgeber, also in breiten Kreisen der Volkswirt- Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Herr Kollege Mül- schaft. ler-Hermann, erlauben Sie, daß ich noch einmal (Abg. Breidbach: Sehr wahr!) nachfrage — das erscheint mir sehr wichtig —, ob Hier ist eine Chance vertan worden, was Sie im Sie diese 25 % auf den innerdeutschen Kraftfahr- Lager der Koalition noch einmal bitter bereuen wer- zeughandel oder auf die Produktion beziehen, die den. aber doch einen ganz anständigen Exportanteil hat. (Beifall bei der CDU/CSU.) Ich glaube, daß das erstere der Fall ist. Wir sollten ganz deutlich sagen, daß nicht etwa ein 25%iger Ich möchte noch einmal auf die zurückliegende Produktionsrückgang zu erwarten ist. Das ist ja Stabilitätspolitik zurückkommen, obwohl ich meine, ein wesentlicher Unterschied. man soll in der derzeitigen Situation nicht zuviel über die Vergangenheit sprechen. Unser Vorwurf bleibt im Raum, daß die Bundesregierung die Infla- Dr. Müller - Hermann (CDU/CSU) : Herr Kollege Graf Lambsdorff, Sie bringen mich da auf ein Thema, tion in ihren volkswirtschaftlichen Konsequenzen auf das ich ohnehin zu sprechen gekommen wäre. bagatellisiert und unterbewertet hat. Was ich hier über den 25 %igen Rückgang gesagt (Abg. Kiep: Sehr wahr!) habe, den man erwartet, bezieht sich auf den Bin- Ich erinnere nicht nur an das berühmte, sondern auch nenmarkt. Die Exportsituation ist für die deutsche berüchtigte Wort von von den 5% Automobilindustrie derzeit noch nicht ungünstig; Preisauftrieb statt 5 % Arbeitslosigkeit ; ich darf ich will mich jetzt sehr vorsichtig ausdrücken. Ich auch an das Wort des Kanzlers erinnern, bei 4 % meine aber, auch hier müssen wir mit gewissen zu- werde es ernst — das war im Sommer 1970 —, und sätzlichen Risiken rechnen. Wenn es nämlich welt- ich darf an die berühmte Rechnung unter dem Strich weit zu einer Konjunkturabschwächung kommt, erinnern, die heute nicht mehr aufgeht. werden wir nicht damit rechnen können, daß wir im Jahre 1973 eine weitgehende Auslastung der Der Mangel des Stabilitätsprogramms der Regie- deutschen Kapazitäten durch Aufträge für den Ex- rung lag im letzten Frühjahr und im Sommer darin, port haben werden. Kommt es zu einem generellen daß man ganz bewußt unter Vernachlässigung der weltweiten Konjunkturabschwung, wird eben auch Beiträge der öffentlichen Hände der Bundesbank die unsere Exportmöglichkeit erschwert werden. Das Bremspolitik zugeschoben und über die Investitions- wird Rückwirkungen auf die Beschäftigungslage im steuer praktisch zusätzlich zu Lasten des Wachstums Inland haben. operiert hat. Insofern muß sich die Koalition den Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4269 Dr. Müller-Hermann 1 Vorwurf gefallen lassen, daß es eine gewollte Ak- Dr. Friderichs, Bundesminister für Wirtschaft: tion gewesen ist, wenn es im Jahre 1974 zu einem Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen! Meine Her- Wachstum Null oder unter Null kommt. ren! Ich will nur wenige Ausführungen zu der An- merkung des Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, (Abg. Breidbach: Sehr wahr!) Professor Carstens, bezüglich der Informationspoli- Ich will das böse Wort von 1966 nicht wiederholen; tik machen. Ich habe mich bemüht, dem berechtigten Bedürfnis der Fraktionen dieses Hauses und der (Abg. Breidbach: Gewollte Rezession!) Öffentlichkeit zu entsprechen. Ich möchte hier nur aber es wird diese Regierung im Umkehrschluß tref- noch einmal darauf hinweisen, daß ich jede Woche fen: Sie haben die Minderung des Wachstums bis auf mittwochs dieselbe schriftliche Information, die ich Null durch Ihre Politik provoziert. dem Bundeskabinett und meinen Kollegen in den Bundesländern zugänglich mache, am selben Mitt- (Beifall bei der CDU/CSU.) woch den Vorsitzenden der in diesem Hohen Hause vertretenen Fraktionen zuleite, so auch heute, und In dieser Situation, wo wir kein Wachstum haben daß jedesmal in dem beigefügten Begleitbrief die werden, wo sich von seiten der Rohstoffpreise und Bereitschaft angeboten wird, mit den Fraktionen der Kosten der Inflationsimpuls weiter verstärken oder Teilen der Fraktionen auch über dieses Infor- wird und wo die Arbeitsplätze in Gefahr geraten mationsmaterial zu sprechen. Ich habe nicht die Ab- werden — ich weise auf die Aussagen von Herrn sicht, daran etwas zu ändern. Ich glaube, daß man Stingl hin --, müssen die Bemühungen um die Stabi- sich wohl nicht beklagen kann, wenn man am selben lität trotzdem fortgesetzt werden. Um das aber zu Tag dieselbe schriftliche Information wie auch das können, empfehlen wir in unserem Arbeitsplatz- Bundeskabinett bekommt. sicherungsprogramm gezielte Hilfen für die Regio- nen, für die Sektoren, in denen die Bremsspuren (Beifall bei den Regierungsparteien.) ganz besonders deutlich werden. Mit anderen Wor- ten, unser Arbeitsplatzsicherungsprogramm ist dar- Zweitens. Sie haben, Herr Professor Carstens, auf abgestellt, die Bemühungen um die Wiederher- weiterhin gesagt, die Beurteilung bei der Situation stellung der Stabilität auch unter widrigen Umstän- des schweren Heizöls zeige doch — jedenfalls den durchstehen zu können. war das inhaltlich herauszuhören —, mit welch unrichtigen Beurteilungen wir an die Dinge heran- Ich will meine Redezeit nicht überziehen und nur gingen. Mein Staatssekretär Dr. Rohwedder und ich noch einmal darauf hinweisen, für wie dringend wir hätten gesagt „Da gibt es keine Probleme", und nun es halten, daß in dieser Situation die Bundesregie- seien die Probleme da. Das ist völlig richtig, was Sie rung gegenüber den Tarifpartnern und auch gegen sagen. Nur hätten Sie dann auch die Ihnen bekann- über den anderen öffentlichen Händen eine Füh- ten Gründe dafür sagen sollen; denn die gehen aus rungsaufgabe übernimmt. Wenn wir in der heutigen den Ihnen zur Verfügung gestellten Unterlagen, Zeitung lesen, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund wenn ich das richtig sehe, hervor. das Zusammentreten der Konzertierten Aktion als nicht zweckmäßig ansieht, weil keine neuen Orien- Es trifft zu, daß wir noch vor einigen Wochen — tierungsdaten vorliegen, so habe ich ein gewisses- noch während der kriegerischen Handlungen im Verständnis dafür. Aber es ist wirklich eine Schande, Nahen Osten — die Frage erörtert haben, in wel- würde ich sagen, daß die Bundesregierung noch am chem Umfange wir schweres Heizöl durch Kohle sub- 22. November der Öffentlichkeit und auch den Tarif- stituieren sollten. Und es ist richtig, daß uns in partnern Orientierungsdaten präsentiert hat, von dem damaligen Gespräch die Mineralölwirtschaft — denen sie zu diesem Zeitpunkt wissen mußte, daß sie und zwar unterschiedslos, ob internationale, europä- völlig unrealistisch sind, daß sie an den Tatsachen ische oder deutsche — gebeten hat, davon noch Ab- vorbeigehen. Hier hat die Bundesregierung jetzt stand zu nehmen, da die Läger mit schwerem Heiz- wirklich dringend einen Nachholbedarf zu befriedi- öl übervoll seien und bei ihren Raffinerien ein be- gen, denn von dem Ausgang der Konzertierten Ak- stimmter Anteil schweren Heizöls beim Prozeß ganz tion wird die Chance abhängen, weiteres Unheil einfach anfalle. über die Schwierigkeiten hinaus, die wir schon Es trifft ebenso zu, daß sich diese Lage während sehen, abzuwehren. Aber darum muß eben unver- der letzten Wochen drastisch verändert hat, und züglich und kraftvoll mit den nötigen Argumenten zwar aus einem ganz einfachen Grunde, nämlich gehandelt werden, und dazu fordern wir die Regie- deswegen, weil die Rohölqualitäten — insbeson- rung auf. dere aus einem der bedeutendsten Förderländer —, (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: die in die Bundesrepublik einfließen, sich in den letz- Kommt gleich!) ten Wochen verändert haben. Offensichtlich sind die Mengen aus anderen Förderquellen zu uns gekom- men. Die neuen Rohöle enthalten mehr sogenannte Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege mittlere und leichte Anteile und weniger schwere. Müller-Hermann, Sie haben vorhin etwas zu Proto- Daraus ergibt sich eine stark verminderte Produk- koll geben wollen. Ich nehme an, Sie wissen, daß das tion an schwerem Heizöl, allerdings bei gleichzeitig nicht geht, daß nur das, was hier in diesem Haus ge- vermehrter Produktion — anteilig, meine ich — der sagt wird, mitgeschrieben wird. Aber Ihr Hinweis auf mittelschweren und leichten Fraktion, was wir an Ihre Arbeit steht auf jeden Fall im Protokoll. sich begrüßen; denn der größere Engpaß bestand zu- Das Wort hat der Herr Bundesminister Friderichs. nächst bei den Mitteldestillaten und nicht bei der 4270 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Bundesminister Dr. Friderichs schweren Ware. Ich begrüße das weiterhin des- nuar einzuladen, da man den Teilnehmern die Mö wegen, weil die Substitutionsmöglichkeiten bei der lichkeit einräumen muß, dieses Sondergutachten schweren Ware einfacher zu realisieren sind als bei wenigstens zu lesen und in ihren Kreisen zu erör- leichter und mittlerer Ware. Ich sage das nur des- tern. Dies ist der Tatbestand. halb, weil ich es nicht für gut halte, wenn der Oppo- Ich halte es nicht für richtig, Herr Müller-Her- sitionsführer in Kenntnis dieser Tatsachen einfach mann, wenn Sie hier sagen, die Regierung hätte so tut, als ob dies an Fehlleistungen der Regierung unter Berücksichtigung der Mineralölsituation oder ihrer Informationspolitik liege. längst neue Orientierungsdaten vorlegen müssen, (Zustimmung bei den Regierungsparteien. zumal wenn man dies nur mit einem Maß an Un- — Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Besser gar sicherheit tun kann, das ich 'bei Orientierungsdaten nichts sagen als was Falsches!) nicht für vertretbar halte. Ich habe unsere Modell- rechnungen, als ich das letzte Mal hier sprach, vor- — Das ist richtig: besser gar nichts sagen als etwas gelegt. Ich hoffe, daß wir bis zum 18. u. a. mit Hilfe Falsches. der Sachverständigen und der Forschungsinstitute (Beifall bei den Regierungsparteien.) die entsprechenden Input-output-Analysen und da- So ist es, Herr Professor Carstens. Dies war mein mit ein hinreichendes Maß an Verläßlichkeit haben Rat an Sie; denn das, was Sie gesagt haben, stimmt werden. nicht. (Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Vizepräsident Frau Funcke: Herr Bundes- Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Und der minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn meine an Sie!) Abgeordneten Müller-Hermann? — Entschuldigen Sie bitte! Ich werde auch weiter- hin, Herr Professor Carstens — ich bin dazu ver- Dr. Friderichs, Bundesminister für Wirtschaft: pflichtet —, der jeweiligen Wochensituation entspre- Ja, bitte! chend meine Vorlagen machen. Wenn sich die Situa- tion ändert, werden wir sie eben entsprechend dar- Dr. Müller -Hermann (CDU/CSU) : Herr Mini- stellen. Darauf werde ich gleich noch eingehen. ster, wäre es nicht unter Hinweis auf das auch von (Abg. Reddemann: Sie sollten sich lieber Ihnen gebrauchte Wort „besser schweigen" richtiger besser informieren!) gewesen, am 22. November statt falscher keine — Danke schön! Orientierungsdaten herauszugeben? (Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Was soll I) denn das? — Weitere Zurufe von der SPD.) Dr. Friderichs, Bundesminister für Wirtschaft: Ich habe am 22. November — dafür war ich, und -- Das war ein Zwischenruf des Abgeordneten dazu stehe ich auch heute — eine Stellungnahme Reddemann. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. der Bundesregierung zum Sachverständigengut- (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungs achten abgegeben. Es war eine Stellungnahme zum parteien.) Sachverständigengutachten ohne Berücksichtigung g- - Auf die Ratschläge des Herrn Abgeordneten Dr. der Mineralölsituation; tendenziell, nicht quantifi- Müller-Hermann in Sachen Konzertierte Aktion ziert, hat sie diese jedoch mitberücksichtigt. Darauf möchte ich wie folgt antworten. Ich hatte ursprüng- hatte die Öffentlichkeit nach meiner Meinung An- lich die Absicht — wissen Sie, man sollte die Dinge spruch. Hätten wir dies nicht getan, stünden Sie so darstellen, wie sie sind; das ist das allerein- jetzt hier und fragten: Warum habt ihr keine Stel- fachste —, die Konzertierte Aktion zum 6. Dezem- lungnahme abgegeben? Wir haben sie abgegeben, ber einzuberufen. Darüber waren auch Kontakte mit und nun stehen Sie hier und fragen: Warum habt den Beteiligten gepflogen worden. Es sinçl dann Ein- ihr eine abgegeben? wände gekommen, daß es nicht sinnvoll sei, die (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Konzertierte Aktion am 6. Dezember auf der Basis Dr. Müller-Hermann: Insoweit hatte Herr des Sachverständigengutachtens und der dazu ab- Vetter recht!) gegebenen Stellungnahme der Bundesregierung Wir sollten in dieser Situation einen sehr kühlen stattfinden zu lassen, weil die Sachverständigen Kopf behalten, weil es — hier stimme ich Ihnen die Mineralölsituation in diesem Gutachten nicht be- sogar zu — richtig ist, daß man die konjunktur- rücksichtigt hatten und dies auch nicht konnten, politischen Dinge und die Mineralölkonsequenzen Teilnehmer an der Konzertierten Aktion aber der zwar gemeinsam sehen, aber nach Ursache und Meinung waren, daß es richtiger wäre, diese unter Wirkung zunächst auseinanderdividieren muß. Dar- Einbeziehung der genannten Dinge abzuhalten. Die- über gibt es überhaupt keine Meinungsverschieden- ser Meinung habe ich mich angeschlossen. Ich habe heit. Dazu versuche ich beizutragen. Ich will gar mit den Sachverständigen sofort Kontakt aufgenom- nicht darüber rechten, daß wir ohne Mineralölpolitik men, nachdem der Bundeskanzler sie gebeten hatte, beim Übergang vom Boom zur Normallage in die ein Sondergutachten anzufertigen, und sie gefragt, schwierigste Phase geraten. Darüber waren wir uns wann das in etwa vorliegen werde. Nachdem uns als frühester Termin — ich unterstreiche „frühe- aber im Mai bei der Verabschiedung des Stabilitäts- ster" — der 18. Dezember in Aussicht gestellt wor- programms einig. den war — schneller geht es einfach nicht —, habe Nur eines verstehe ich nicht. Wir müssen doch ich mir erlaubt, die Konzertierte Aktion zum 10. Ja wissen, daß die Maßnahmen der Globalsteuerung Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4271

Bundesminister Dr. Friderichs — das wußte ich auch im Mai, Sie hoffentlich auch — Ich gebe es nachher zu Protokoll. Das kann aus- in ihrer Auswirkung auf die Branchen selbstver- gerechnet werden. ständlich nicht gleichmäßig sein werden, auch wenn Lassen Sie mich noch etwas zur Versorgungssitua- sie in ihrem Ansatz gleich sind. Dies ist ganz ein- tion sagen. Die Versorgungssituation in der Bundes- fach deswegen so, weil stark wachstumsorientierte republik stellt sich wie folgt dar. Die Kürzung der Branchen und sehr an der dünnen Decke des Eises Rohöl- und Rohölprodukteinfuhren in den Monaten operierende Branchen unterschiedlich schnell von Dezember und Januar — ich nehme beide Monate einer Konjunkturabflachung — sei sie nun gewollt zusammen - wird sich auf durchschnittlich 13 bis oder nicht gewollt betroffen werden. 14 % gegenüber dem Planansatz belaufen. Ich be- tone: gegenüber dem Planansatz, der seinerseits Ich möchte mich hier heute aber nicht im einzel- etwa 7 % über dem Ist-Ergebnis der Referenzperiode nen zur Konjunkturpolitik äußern, weil das Bun- des Vorjahres liegt. Dabei wird die Kürzung der deskabinett darüber am kommenden Mittwoch be- Produkteinfuhren wesentlich höher sein als die Kür- rät und entscheidet. Ich hielte es für einen schlech- zung der Rohöleinfuhren. Die Gesellschaften planen ten Stil, hier Einzelheiten der Überlegungen vorzu- daher eine Reduzierung der Auslieferung von Pro- tragen. Ich möchte zu der Debatte vielmehr dadurch dukten im Dezember zwischen 11 und 17 % je nach beitragen, daß ich mich bemühe, ein paar Informa- Produkt und im Januar zwischen 12 und 18 °/o. tionen über den Energiebereich zu geben. Ich bin gern bereit, Ihnen auch Auskunft über die Herr Professor Carstens, lassen Sie mich im Blick Einfuhrentwicklung im Dezember allein — also ohne auf Ihr Informationsbedürfnis vorab noch etwas sa- Januar zu geben. Die Ölzufuhrentwicklung — gen, was mit den Preisen zu tun hat. Es gibt auf dem Rohöl plus Produkte beläuft sich im Dezember Weltmarkt Mengen in großer Zahl. Es vergeht kaum 1973 auf minus 6,2 %. Die projektierte Verminde- ein Tag, an dem nicht bei uns im Hause oder aber rung beläuft sich im Januar auf 20,5 %. Daraus er- auch bei den Mineralölgesellschaften Angebote ein- gibt sich zusammengenommen ein Minus von 26,7% gehen. Auch darüber wird ja draußen diskutiert. Ich oder, auf die beiden Monate umgelegt, von je 13,4%. will Ihnen nur einmal ein solches Angebot, das mir Die Bundesregierung hatte in der letzten Diskussion heute morgen auf den Tisch kam, schildern: Von hier ein Minus von zirka 15%, bei Fertigprodukten einem bestimmten Land werden 62 000 t Rohöl zum etwas mehr prognostiziert. Preise von 16,75 Dollar pro Barrel angeboten. Das bedeutet: 350 DM pro Tonne frei deutsche Raffinerie. Nun zu den Ölauslieferungen. Gemeint sind Aus- Dieselbe Gesellschaft kauft die Ware im Augenblick lieferungen ab Raffinerien an den deutschen Ver- jedoch für bis zu 200 DM pro Tonne frei deutsche braucherhandel etc. Die Entwicklung betrug bei Ben- Raffinerie. Die Gesellschaften und auch wir — wenn zin im Dezember minus 11,1 %, bei den Mittel- wir als Ratgeber gefragt werden — stehen jedesmal destillaten Dieselkraftstoff und leichtes Heizöl minus vor der Frage: Soll man? Soll man nicht? Ich will 13,3 %, bei schwerem Heizöl minus 17,2 %. Ich ver- das Beispiel weiter durchspielen. Bei unveränderter weise auf meine Eingangsbemerkung. Preissituation ab Raffinerie — und die Gesellschaft, Im Januar beträgt die Entwicklung bei Benzin die ich hier meine, hat die Absicht, ihre Preise ab minus 12,1 %, bei Mitteldestillaten minus 16,4%, bei Raffinerie, wenn irgend möglich, zu halten — träte schwerem Heizöl minus 17,9%. bei 62 000 t Rohöl ein Verlust von 10 Millionen DM ein, oder aber die Gesellschaft müßte sich — dies Das bedeutet, daß die Zufuhren in die Bundes- ist ja das Gefährliche an der Situation — in ihrer republik im Dezember höher waren, als von uns Preispolitik anders verhalten, woran wir natürlich ursprünglich angenommen wurde. Wenn man beide kein Interesse haben. Monate zusammennimmt, liegt man etwa in der von uns projektierten Größenordnung. Ich glaube, eine Gestern — ich will Ihnen ein zweites Beispiel Umlegung auf die Monate Dezember und Januar ist nennen— sind in einem Förderland die Angebote richtig, um ein vernünftiges Ablaufschema zu er- für eine Menge von rund 24 Millionen t Rohöl ge- reichen. öffnet worden. In diesem Land kaufen die Gesell- schaften aus der Bundesrepublik zur Zeit 01 zu ei- Ich möchte heute schon sagen, daß die private Be- nem Preis zwischen 5 und 6 Dollar pro Barrel. Das vorratung an leichtem Heizöl sehr hoch ist. Dies hat höchste Angebot einer nichtdeutschen Gesellschaft sicher Vorteile für den Januar. Es birgt aber das lag gestern jedoch auf über 17 Dollar pro Barrel. Risiko in sich, daß etwa im Februar gleichmäßig Wieder steht man vor der Frage: Soll man? Soll wieder eine zusätzliche Nachfrage entsteht, die dann man nicht? Wir haben im Augenblick einen schwie- zu den Ereignissen führen kann, die wir im Dezem- rigen Weg zu beschreiten, nämlich den, auf der ei- ber hatten, nämlich zu stark steigenden Verbrau- nen Seite so viel Rohöl und Mineralölprodukte wie cherpreisen. möglich in unser Land zu bringen, auf der anderen Auch die Zahlen über Bevorratung einschließlich Seite aber durch das Verhalten unserer Gesellschaf- Pflichtvorräte lege ich offen auf den Tisch. Benzin: ten oder unser eigenes Verhalten zum Preisauftrieb am 15. November für 59 Tage, am 1. Dezember eben- nicht selbst einen Beitrag zu leisten oder — was ich falls für 59 Tage. Es gab also keine Verminderung für noch viel schlimmer halte — einen Vorwand da- der Vorräte. Leichtes Heizöl: am 15. November für für zu liefern. 74 Tage, am 1. Dezember für 77 Tage. Hier haben wir (Abg. Dr. Wulff: Können Sie die Angaben eine leichte Erhöhung der Vorräte. Schweres Heizöl: nicht in D-Mark pro Tonne machen?) am 15. November für 75 Tage, am 1. Dezember für 4272 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Bundesminister Dr. Friderichs 72 Tage. Das bedeutet eine geringe Abnahme der zungen um 2 Grad und den Sonntagsfahrverboten, Vorräte. Ich verweise auf meine Eingangbemerkung. in Anbetracht der gerade von Ihnen angegebenen Was das Benzin betrifft, so haben die bisher ein- Tatsachenzahlen überhaupt noch für gerechtfertigt? geleiteten Sparmaßnahmen — Sonntagsfahrverbot, Geschwindigkeitsbegrenzung und Sparappelle — Dr. Friderichs, Bundesminister für Wirtschaft: nach übereinstimmender Meinung von Mineralöl- Ich halte sie für erforderlich und für angemessen, wirtschaft und Wirtschaftsministerium dazu geführt, denn die bisherige Überprüfung des Minderver- daß die verminderte Auslieferung, die ich eben dar- brauchs zeigt, daß wir in etwa einen Gleichklang gestellt habe — etwa 11,1% weniger —, gut aus- zwischen Minderbelieferung und Minderverbrauch geglichen werden konnte. Mengenmäßige Beschrän- gefunden haben; ich habe Ihnen die Zahlen genannt. kungen sind bei der Auslieferung von Benzin also Die Zahlen der Bevorratung zeigen, daß dies in etwa praktisch nicht mehr gegeben. Das heißt aber auch, richtig ist. Bei Benzin ist die Bevorratungsmenge daß bei der Verminderung der Auslieferung um gleich geblieben, bei leichtem Heizöl ist sie leicht ge- 12,1 % im Januar auch im nächsten Monat Sparmaß- stiegen, bei schwerem Heizöl leicht gefallen, so daß nahmen erforderlich sind. Die Frage, welche Spar- wir im Schnitt mit derselben Bevorratung aus dem maßnahmen zur Anwendung kommen, wird das Dezember herausgehen, mit der wir hereingegangen Bundeskabinett ebenfalls am 19. Dezember entschei- sind. Dies war das Ziel, denn ich hatte immer gesagt, den, so daß sich die Bevölkerung rechtzeitig auf die ich hielte es nicht für vertretbar, im Augenblick be- jeweilige Form der Maßnahmen einrichten kann. Es reits in nennenswertem Umfang an die Vorräte her- ist nicht geplant, in der Zeit zwischen dem 19. De- anzugehen. Ich halte die jetzigen Maßnahmen für der zember und dem 6. Januar einschließlich Einschrän- Situation angemessen. Dies deckt sich übrigens mit kungen zu verfügen, so daß der Weihnachtsverkehr der Meinung der Mineralölwirtschaft und der übri- ungehindert laufen kann. gen Wirtschaftskreise, mit denen wir in diesen Ta- Die Bundesregierung bemüht sich, auch die für gen recht viel gesprochen haben. Januar zu treffenden Maßnahmen zur Verminderung der Nachfrage angemessen zu dosieren, d. h. weder Dieselkraftstoff: Keine wesentliche Veränderung. überzudosieren noch unterzudosieren. Die Nachfrage wird befriedigt.

Flüssiggas: Hier handelt es sich um einen echten Vizepräsident Frau Funcke: Herr Bundesmini- Problembereich, weil die Flüssiggasproduktion in ster, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeord- nicht unerheblichem Maße zurückgegangen ist. Das neten Kiep? hängt wiederum mit bestimmten technischen Prozes- sen zusammen. Leider sind bestimmte Wirtschafts- Dr. Friderichs, Bundesminister für Wirtschaft: zweige von Flüssiggas überdurchschnittlich abhän- Bitte, Herr Kiep! gig, beispielsweise die Glasindustrie. Dort kann man nicht einfach den Verbrauch um 20 % vermin- Kiep (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, könnten dern, sondern entweder läuft der Schmelzofen, oder Sie uns Aufklärung darüber geben, wie Ihr Herr er läuft nicht. Vorgänger auf das Memorandum der Vereinigten- Staaten aus dem Jahre 1972, das der OECD vorge- (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Schmitt legen hat, reagiert hat, in dem die amerikanische Vockenhausen.) Regierung die EG-Partner darauf hingewiesen hat, Wir haben uns daher zusammen mit der Clearing- daß eine Preisentwicklung und eine Versorgungs- Stelle bemüht, hier so zu steuern, daß Produktions- knappheit im Jahre 1973 oder 1974 zu erwarten sei, ausfälle, wo irgend vermeidbar, nicht eintreten. und in dem im einzelnen sowohl die Knappheit als auch die Preisentwicklung vorgezeichnet waren? Schweres Heizöl: Hier haben die Vermittlungs- stellen mehr zu tun als ursprünglich angenommen. Dr. Friderichs, Bundesminister für Wirtschaft: Ich möchte hierzu sagen, daß hier außerordentlich Dazu bin ich aus dem Stegreif, Herr Abgeordneter, geringe Verbraucherbestände vorhanden sind, weil nicht in der Lage. sich die Industrie aus Kostengründen immer sehr knapp bevorratet hat und bei den Gesellschaftern (Abg. Reddemann: Diese Information hatten eine relativ geringe Flexibilität in der Ausnutzung Sie nicht, Herr Minister!) ihrer Raffineriekapazität gegeben ist. Das ist ein — Ich habe Ihren Zuruf akustisch nicht verstanden, alter Streitpunkt. Die Raffinerien in Deutschland Herr Abgeordneter. — Ich bin aber gern bereit, erzeugen 29 % schweres Heizöl. Die Raffinerien Ihnen das mitzuteilen. in den Mitgliedstaaten der EG erzeugen etwa 14% schweres Heizöl, in Amerika unter 10 %. Das heißt, Vizepräsident Frau Funcke: Gestatten Sie daß wir uns mittel- und langfristig in der Auslegung eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Breid- der Raffinerien etwas einfallen lassen müssen, näm- bach? lich eine Verminderung der Produktion des schweren Heizöls. Das ist aber nicht kurzfristig möglich und Breidbach (CDU/CSU) : Herr Minister, halten Sie hängt von dem jeweiligen Rohöl ab, das sie im Welt- die drastischen Energieeinsparungsmaßnahmen, markt einkaufen können. angefangen von der Ferienverlängerung für die Bei schwerem Heizöl gibt es ein Sonderproblem Schulkinder bis hin zur Herunterstellung von Hei regionaler Art. Der Schwerpunkt der Engpässe liegt Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4273

Bundesminister Dr. Friderichs hier in Nordrhein-Westfalen, insbesondere im Be- dem wir aber, wie ich glaube, sehr nahe auf den reich um Köln. Das hängt damit zusammen, daß die Fersen sind. Raffinerie UK Wesseling an der Rotterdam-Pipeline mit den Ihnen bekannten Problemen hängt. Pflichtvorräte; auch hier eine Information. Die Pflichtvorräte der Mineralölgesellschaften müßten Im Rahmen der angestrebten Kooperationslösung ab 1. Januar 1974 erhöht werden, und zwar einfach müssen nach neuesten Berechnungen rund 490 000 deswegen, weil sie sich dann auf die Referenzperiode Tonnen schweres Heizöl unverzüglich substituiert 1973 beziehen, und die Zahlen von 1973 sind höher werden. Die Voraussetzungen hierfür sind wohl als die von 1972. Einer Entscheidung der Bundes- weitgehend geschaffen. regierung möchte ich nicht endgültig vorgreifen. Ich neige dazu, angesichts der schwierigen Versor- Es gibt noch einen Bereich, der uns Sorge macht gungssituation vorerst zu gestatten, die Referenz und zum Problembereich zählt. Das ist die Verbin- periode 1972 beizubehalten, weil ich es für kaum dungsstelle Bunkeröl, d. h. das Bebunkern der verantwortbar hielte, ausgerechnet im Januar eine Schiffe. Hier liegt das Problem aber weniger in der Aufstockung der Pflichtvorräte zu Lasten der unmit- Bundesrepublik Deutschland als insbesondere in telbaren Versorgung durchzuführen. Bis jetzt sind einigen anderen Staaten, in denen unsere Schiffe Pflichtvorräte nicht angegriffen worden. Ich kann es entweder nicht ausreichend bebunkert werden oder nicht ausschließen, daß bei der einen oder anderen nur dann bebunkert werden, wenn sie den Hafen Gesellschaft vorübergehend auf Pflichtvorräte zu- zum Zwecke der Ent- oder Beladung anlaufen. Es rückgegriffen werden muß, wenn das Problem des gibt aber gerade in Südamerika Fälle, in denen Betriebs der Rotterdam-Pipeline nicht lösbar ist. Ich Häfen, die zum Be- und Entladen angelaufen wer- halte es nicht für vertretbar, beispielsweise im den, nicht in der Lage sind, zu bebunkern, und, wenn Rhein-Main-Gebiet die Pflichtvorräte unangetastet dann der Nachbarhafen eines anderen Staates an- zu lassen, aber gleichzeitig die Versorgung der Farb- gelaufen wird, das deutsche Schiff dort nicht be- werke Höchst durch die Caltex-Raffinerie nicht zu bunkert wird. Daraufhin haben wir zusammen mit ermöglichen und damit 29 000 Arbeitsplätze zu ge- dem Bundesminister für Verkehr die entsprechenden fährden, obwohl nebenan die Vorräte verfügbar diplomatischen Schritte in die Wege geleitet, weil sind. Hier werden wir mit Austauschmengen sehr u. a. der Transport deutscher Automobile ins Aus- flexibel handeln müssen. land und der Transport aus einem Tochterunterneh- men eines deutschen Automobilwerks in Südamerika Zum Preisproblem: Von den 16 Raffineriegesell- von der ausreichenden Bebunkerung der Schiffe in schaften haben seit Montag dieser Woche 14 ihre einem nicht unbeachtlichen Ausmaß abhängt. Meldungen abgegeben. Ihre Meldungen entsprechen dem Formblatt über Bestände, Abgänge, Einstands Der nächste Bereich ist das Problem des sogenann- preise, Verarbeitungskosten, Abgabepreise etc. Die Angaben der Handelsgesellschaften des MWV ste- ten Leichtbenzins, nämlich die Versorgung der che- hen aus und kommen in Kürze. Die Gesellschaften mischen Industrie. Die Gespräche zwischen Mineral- ölwirtschaft, Chemie, zuständiger Gewerkschaft und haben sich bereit erklärt, diese Meldebögen nicht nur dem Bundeswirtschaftsminister, sondern auch Bundeswirtschaftsministerium sind in dieser- Woche fortgeführt worden. Es liegt mittlerweile eine Zu- dem Bundeskartellamt zuzuleiten. sage der Mineralölwirtschaft an die Chemie vor, im Ich möchte hier aber genauso offen sagen, daß die ersten Halbjahr mindestens 5 Millionen t Leicht- Aussagen in den Meldebögen zum Teil erheblich benzin an die Chemie zu liefern. Die Forderung der voneinander abweichen, so daß sich vermuten läßt, Chemie lag bei 6 Millionen t, die Ist-Auslieferung daß bei den Unternehmungen zum Teil unterschied- 1973 lag im Schnitt des Jahres bei 11,3 Millionen t. liche Bewertungen und Abgrenzungen angewendet Das heißt, die Zusage für das erste Halbjahr liegt worden sind. Tendenziell werden ein starkes An- unter den Wünschen der Chemie und etwa auf der steigen der Rohöleinstandskosten gegenüber Okto- Höhe der Auslieferung des ersten Halbjahres 1973. ber, sehr unterschiedliche Verarbeitungskosten der Selbstverständlich sind wir bemüht, hier die Wün- einzelnen Raffinerien deutlich. Hier muß noch auf- sche voll zu befriedigen. Das hängt aber weitgehend geklärt werden. Wir sind uns nicht klar, woran diese von der Produktion von Naphta auch in Holland ab; breite Streuung liegt bzw. worauf das unterschied- denn wir haben in einem beachtlichen Umfang aus liche, im Verhältnis zur Eigenproduktion weit höhere Holland Leichtbenzin für die deutsche chemische Preisniveau für Produktimporte zurückzuführen ist. Industrie bezogen. Die Kürzungen der einzelnen Um die Ausweitung auf eine sicherere Basis zu stel- Gesellschaften schwanken zwischen 12,5 und 20%. len, haben sich vier unterschiedlich strukturierte Ge- Über das zweite Halbjahr 1974 soll im Februar/März sellschaften bereit erklärt, am Freitag dieser Woche, des kommenden Jahres eine Vereinbarung getroffen also übermorgen, mit dem Bundeskartellamt und werden, so daß die chemische Industrie einen totalen meinen dafür zuständigen Mitarbeitern ein Aufklä- mittelfristigen Überblick für ihre Produktion hat. — rungsgespräch zu führen, so daß wir in der kommen- Ich erwähne dies so ausführlich, meine Damen und den Woche am 19. im Kabinett auch in der Lage Herren, weil von der Versorgung der chemischen sind, zur Preisentwicklung, zur Preisgestaltung und Industrie und ihrer Lieferung von Grundprodukten damit auch zur Frage der Ausnutzung der Situation an die kunststoffverarbeitende Industrie bei uns der deutliche, auf konkreten Unterlagen aufbauende An- Maschinenbau, die Automobilindustrie und die Elek- gaben zu machen. troindustrie weitgehend abhängen. Hier handelt es Das Informationssystem wird ausgedehnt auf die sich also um ein Problem mittelbarer Auswirkungen, Mitgliedsunternehmen des Außenhandelsverbandes 4274 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Bundesminister Dr. Friderichs für Mineralöl, AfM. Die in den mittelständischen situation, deren Ursachen auf der einen Seite in Verbänden des Mineralölhandels organisierten Un- einem sogenannten ökonomischen Monopol, nämlich ternehmen haben in einem Gespräch vorgestern ge- der Förderländer, andererseits aber auch im politi- wünscht, in dieses Informationssystem einbezogen schen Bereich liegen, vor einem hüten sollten: ein zu werden. Ich habe das akzeptiert, so daß wir nun- mittel- oder langfristiges Programm in der Öffent- mehr über alle Bereiche das Informationsmaterial lichkeit zu diskutieren und festzuschreiben. Ich bin bekommen. Offenbar ist die Preispolitik nicht ganz der Auffassung, daß es richtig ist, in einer akuten einheitlich. Situation konkrete Maßnahmen zur Behebung dieser Ich darf ausdrücklich das begrüßen, was der Abge- Situation durchzuführen. Selbstverständlich gehört ordnete Ehrenberg soeben gesagt hat. Ich bin näm- es auch während dieser Zeit zur Pflicht einer Regie- lich der Auffassung, daß es ganz schlecht wäre, wenn rung, ihre mittel- und langfristigen Maßnahmen zu es nicht gelänge, eine hinreichende Transparenz überprüfen und eventuell neu auszurichten. Aber was ich für ganz gefährlich hielte, wäre, mitten in in die Preispolitik zu bekommen, weil damit Ver- einer solchen emotional aufgeladenen Situation ein dächtigungen — berechtigter oder unberechtigter Programm zu diskutieren und aus dieser Situation Art , aber auch möglichen unberechtigten Recht- womöglich mittel- und langfristige Schlüsse zu zie- fertigungen alle Möglichkeiten offenständen. hen, die nach Behebung der Krisensituation der neuen Lage nicht mehr entsprächen. Für unsere Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Volkswirtschaft stünde bei einem solchen Vorgehen Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des zuviel auf dem Spiel. Herrn Abgeordneten Ey? Was meine ich damit? Ich hielte es für ausgespro- Dr. Friderichs, Bundesminister für Wirtschaft: chen riskant, jetzt ein langfristiges Programm fest- Bitte schön! zuschreiben, beispielsweise mit hohen Investitio- nen zugunsten teurerer, aber sichererer Energieträ- ger. Denn womöglich müßten wir dann nach sechs Ey (CDU/CSU): Herr Minister, sind die Mineral- Monaten feststellen, daß diese Investitionen den Pri- ölversorgungsmaßnahmen ausreichend auch für den vatunternehmern nicht zugemutet werden können Fall eines extrem kalten Winters, und in welchem — dann werden wir zur Kasse gebeten - oder aber Umfange sind sie darauf abgestellt? daß wir selber -- durch staatliche Garantien, Steuer- begünstigungen oder was auch immer - zu volks- Dr. Friderichs, Bundesminister für Wirtschaft wirtschaftlichen Fehlinvestitionen beigetragen ha- Wir sind der Meinung, daß es angesichts der der- ben. zeitigen sehr guten Bevorratung — hier geht es ja in erster Linie um Beheizung, nämlich uni leichtes Heiz- Ich bin der Meinung, daß wir uns nachhaltig auf öl -- zusammen mit einem dann notwendigen an- eine veränderte Situation bei Energie und Rohstof- deren Ablaufschema, nämlich einer stärkeren Ab- fen einzustellen haben und daß wir daher nachhaltig senkung der Vorräte bei Ende der Heizperiode, ein verändertes Verhältnis der industriellen Ver- möglich sein müßte, das zu gewährleisten. Das setzt braucherländer zu den Förderländern und anderen - ntürlich voraus, daß sich die Zuflüsse in etwa in der Rohstofförderländern finden müssen, mit ganz ver- Größenordnung halten, wie sie derzeit überschau- änderten Kombinationen, Kooperationen und ähn- bar sind. lichem mehr. Ich bin deshalb der Meinung, daß das, was im Energieprogramm stand, nämlich, dies müsse Nach dieser Information über Maßnahmen auf dem mit einem Höchstmaß an Diversifizierung erfolgen Energiesektor möchte ich zu dem Antrag der Oppo- — nicht nur von Produkt zu Produkt, sondern auch sition nur wenige Sätze sagen. Der Entschließungs- von Land zu Land --, durch die Krise dieser Wochen antrag der Opposition deckt sich in allen wesent- eindeutig bestätigt wurde. Je mehr wir in der Menge lichen Punkten mit den entsprechenden Ausführun- von einigen oder wenigen politisch gleich struktu- gen im Energieprogramm vom 5. September dieses rierten Länder abhängen, desto höher wird das Ri- Jahres. Ich habe daher nur zu sagen: Ich begrüße es, siko, und angesichts der Struktur unserer Volks- wenn eine so weitgehende Übereinstimmung zwi- wirtschaft wächst dieses Risiko ja nicht linear, son- schen den Auffassungen der Regierung, wie sie in dern progressiv. diesem Programm dargelegt sind, und dem Antrag der Opposition, der im wesentlichen einen Extrakt Daher werden wir uns über diese Dinge unterhal- aus diesem Programm darstellt, besteht, weil ich der ten. Wir sind dabei, das eigene Programm in Er- Meinung bin, in einer schwierigen Lage kann es kenntnis dieser Perspektiven fortzuschreiben. Aber nur gut sein, wenn wir die Situation und die daraus ich darf sehr um Verständnis bitten, daß ich mich zu folgernden Maßnahmen weitgehend übereinstim- in einer Lage, in der fast alles unter der augenblick- mend beurteilen. Daher möchte ich zu den Einzelhei- lichen Mangelsituation gesehen und beurteilt wird, ten gar nicht Stellung nehmen; sie sind im Programm sehr davor hüten muß, das Jahr 1980 zu program- enthalten. Ich habe mich zu diesem Programm selbst- mieren, womöglich falsch zu programmieren. Wir verständlich bekannt; denn ich habe es vorgelegt sollten das staatliche ebenso wie das private In- und in diesem Hohen Haus eingebracht. vestitionsrisiko so minimal wie möglich halten, denn Ich möchte nur eine Bemerkung dazu machen und jede Fehlinvestition staatlicherseits und privater- mich bewußt einer Detaildiskussion jetzt enthalten. seits führt eben zu Verlusten in der gesamten Volks Ich neige dazu, daß wir uns in einer akuten Mangel wirtschaft. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4275

Bundesminister Friderichs Erlauben Sie mir zum Schluß noch eine Bemerkung — Herr Abgeordneter Wehner, dessen bin ich ge- in bezug auf einen Teil der Ausführungen von Herrn wiß. Gleichwohl sollte man auf Grund entsprechen- Professor Carstens. Auch Energiekooperations- und der Informationen auch darlegen, wie sich die -lieferverträge mit Staaten des Ostblocks werden, Situation insgesamt darstellt. Ich fühlte mich ver- Herr Professor Carstens, in diesem Lichte geprüft pflichtet, dies zu sagen. Ich bitte das Hohe Haus und gewertet. Ich bin allerdings der Meinung, daß gleichzeitig um Verständnis dafür, daß ich die wir auch jede reelle Chance, in dieser Weise zu Debatte nunmehr wegen der angesetzten Reise ver- diversifizieren — durch Gas, durch andere Ener- lassen muß. gien —, nutzen müssen. (Beifall bei den Regierungsparteien.) Ich möchte auf die Diskussion, die Sie mit „Ost- krediten" umschrieben haben, jetzt nicht eingehen, Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: weil ich in einer Viertelstunde zu Verhandlungen Das Wort hat der Abgeordnete Burger. nach Warschau fliege, die gewiß nicht leicht sein werden. Ich möchte Ihnen, Herr Professor Carstens, Burger (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr eine Information aber nicht vorenthalten, nämlich geehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Ge- die Information, die mir gestern der sowjetische setzentwurf von SPD und FDP über die Gewährung stellvertretende Außenhandelsminister hat zuteil eines einmaligen Heizölkostenzuschusses und zum werden lassen, der von Paris nach Bonn kam — Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Maß- nicht, um um mit mir zu verhandeln, sondern um mit nahmen zum Ausgleich der auf Grund der Ölkrise einer deutschen Firmengruppe über ein großes Pro- gestiegenen Heizkosten sprechen. jekt zu verhandeln, das ein beachtliches Auftrags- volumen in die Bundesrepublik im Sinne der Arbeits- Der Herr Kollege Nölling, meine Damen und Her- platzsicherung, um die Sie sich ja bemühen, brächte. ren, hat es sich vorhin etwas zu leicht gemacht, wenn Ich möchte Ihnen also nicht vorenthalten, daß mir er für alle Schwierigkeiten die Ölkrise verantwort- mein sowjetischer Gesprächspartner gestern mitge- lich machte. Mit seinem ihm eigenen, etwas bruta- teilt hat, daß nach den Amerikanern, die über die len Charme versuchte Kollege Nölling, die vor allem Eximbank Kredite für derartige Projekte in einer in den ersten Wochen der Ölkrise widersprüchlichen Größenordnung von 6,25 % zu geben pflegen, ihm Informationen der Bundesregierung zu vernebeln. gestern der französische Finanzminister einen Meine Damen und Herren, auch diese unterschied- Staatskredit in Höhe von 1,5 Milliarden Franc zu lichen Äußerungen waren ein Grund für Angstkäufe denselben Bedingungen angeboten hat. und damit auch für Preissteigerungen. (Abg. Wehner: Hört! Hört!) Seit Wochen diskutieren wir nun über die Not- wendigkeit von sozialen Hilfen. Professor Carstens Der Bundeswirtschaftsminister hat dies gestern nicht hat diese 'bereits am 27. November gefordert, aber getan, Herr Professor Carstens; dies zu Ihrer Infor- erst wenige Stunden vor der Behandlung im Parla- mation. Aber ich will nicht verhehlen: Wenn alle ment lag der Opposition der Koalitionsentwurf rings um uns herum, also auch diejenigen, mit denen eines Gesetzes über die Gewährung eines einmali- wir durch einen Freundschaftsvertrag verbunden - gen Heizölkostenzuschusses zur Vorberatung vor. sind und in ständigen Verhandlungen leben, dies Die Bundesregierung war sich viel zu lange im tun, verbessert sich nicht gerade die Wettbewerbs- unklaren darüber, auf welche Weise schnell gehol- position derjenigen Firmen — nicht der Bundes- fen werden konnte. regierung —, die gestern und heute mit der so- wjetischen Seite in schwierigen, umfangreichen Ver- Bereits in der Debatte zur Energiekrise vor zwei handlungen standen bzw. stehen. Wochen hatte die Opposition deutlich gemacht., daß die Zuschüsse für Bedürftige nicht, wie der Bundes- (Abg. Stücklen: Das ist doch keine Recht kanzler damals forderte, auf den Rücken der Ge- fertigung dafür, daß wir auch so handeln meinden abgewälzt werden können. Obwohl der müssen!) Herr Bundeswirtschaftsminister daniels Koordinie- — Herr Stücklen, ich habe mich nicht zu der Frage rungsgespräche unter den Fachministerien ankün- geäußert, was gerechtfertigt sei. Ich habe gesagt: digte, fiel die Entscheidung erst in letzter Stunde. ich habe gestern ein derartiges Angebot nicht unter- Leider zeigt der Gesetzentwurf einige Spuren der breitet, sondern weiter sehr klar meine bisherige Eile der Beratung, und ich will hoffen, daß trotz Haltung vertreten. Dennoch muß man wissen, in wel- der hastigen Behandlung noch vorhandene Mängel cher Welt man lebt; beseitigt werden können. (Abg. Dr. Müller-Hermann: Das spricht für Im Gesetzentwurf nicht berücksichtigt, meine mangelnde Koordination in Europa!) Damen und Herren, sind Personen, die in Altenhei- men, Altenpflegeheimen, Heimen für Behinderte dennoch habe ich nicht die Absicht -- deshalb sage und anderen vergleichbaren Einrichtungen leben. ich es heute —, mir eines Tages von der Opposition Gerade aber dieser Personenkreis ist seit Jahren Vorwürfe machen zu lassen, diesen großen Auftrag Opfer der inflationären Entwicklung. In den letzten zur Beschäftigung einer großen Anzahl von Arbeit- Jahren sind die Altenheimpflegesätze sprunghaft an- nehmern in ,der Bundesrepublik selbst versiebt zu gestiegen, so daß sich die Schere zwischen Renten- haben. Dies wollte ich hier wenigstens gesagt haben. einkommen und Heimkosten immer weiter öffnete. (Abg. Wehner: Sie werden eines jeden Die Einnahmen dieser Mitbürger hielten mit den Vorwurfs gewärtig sein müssen!) steigenden Pflegesätzen nicht mehr Schritt. Die 4276 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Burger Pflegesätze in Altenheimen kletterten schon auf Vizepräsident Dr. Schmitt -Vockenhausen: 40 bis 50 DM pro Tag. Deshalb wird für die älteren Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage Menschen das Älterwerden nachgerade zum Alp- der Frau Kollegin Meermann? — Bitte, Frau Kolle- druck. Heute reicht bereits das Ruhegehalt eines gin Meermann! Studienrats nicht mehr aus, um die Pflegekosten für ein Ehepaar aufzubringen. Es sind also keineswegs Frau Meermann (SPD) : Herr Kollege Burger, nur die Kleinrentner, deren Los den Gesetzgeber Ihnen ist doch bekannt, daß ein großer Teil der und den Praktiker in den letzten Jahren beschäftigt. Bewohner von Altenwohnheimen sehr wohl in der Die CDU/CSU hatte auf Grund dieser uns bekann- Lage ist, den Antrag auf Wohngeld zu stellen; sie ten Tatsachen erst letzte Woche im Ausschuß für würden also unter die erste Gruppe fallen oder Jugend, Familie und Gesundheit beantragt, be- sofern sie einkommensschwach sind, die Mög- stimmte Anteile der Einkommen der Heimbewohner lichkeit haben, in der dritten Gruppe berücksich- dem Zugriff des Sozialhilfeträgers zu entziehen. Wir tigt zu werden. Ich gebe allerdings gern zu, daß die waren der Meinung, daß die rücksichtslose Einkom- Wohngeldregelung nicht alle Fälle einschließt. mensnivellierung im Altersheim nicht unserer Auf- fassung und dem Gebot der Menschenwürde ent- Burger (CDU/CSU) : Frau Kollegin, wir wollen spricht. Leider sind diese Bemühungen von der uns hier nicht einem Expertenstreit hingeben; wir Koalitionsmehrheit abgelehnt worden. Nun ist die- können das alles im Ausschuß klären. Ich bin aber ser Personenkreis — und das bedauern wir — erneut nach wie vor der Meinung, daß Bewohner von Al- vergessen worden. Die CDU/CSU-Bundestagsfrak- tenheimen keinen Wohngeldanspruch geltend ma- tion wird deshalb im Ausschuß beantragen, daß chen können. auch Personen, die in Altenheimen, Altenpflegehei- men, Heimen für Behinderte und anderen vergleich- (Zustimmung bei der CDU/CSU.) baren Einrichtungen leben, berücksichtigt werden. Dies liegt nicht in den Möglichkeiten des Gesetzes, und darüber wollen wir im Ausschuß sprechen. Wir Durch Rechtsverordnungen mit Zustimmung des wollen in diesem Gesetzentwurf genau festgelegt Bundesrats — so werden wir vorschlagen — muß wissen, daß dieser Personenkreis nicht zu kurz sichergestellt werden, daß Zuschüsse für den ge- kommt. nannten Personenkreis direkt an das Heim zu zah- len sind mit der Maßgabe, daß die erhöhten Heizöl- Meine Damen und Herren, ein Letztes: Die Be- kosten nicht zu einer entsprechenden Erhöhung der rechnungen unserer Fachleute haben auch erge- Tages- oder Pflegesätze führen. Mit dieser einfa- ben, daß die vorgeschlagenen pauschalen Zuschüsse chen und unkomplizierten Regelung kann erreicht nicht den wirklichen Mehrausgaben entsprechen. werden, daß die Mehraufwendungen der Heime für Sie sind nach unserer Auffassung zu niedrig. Auch teureres Heizöl nicht auf die Tagessätze durch- darüber wollen wir im Ausschuß noch einmal spre- schlagen. chen. Grundsätzlich begrüßen wir die Tendenz der Vor- Vizepräsident Dr. Schmitt -Vockenhausen: lage der Koalition, den Schwachen gezielt zu hel- Herr Abgeordneter, Sie gestatten eine Zwischen- fen. Auch der Antrag der CDU/CSU-Fraktion sieht frage des Herrn Kollegen Professor Dr. Schellen- dies vor. Wir haben allerdings noch die kritische berg? — Bitte! Frage zu stellen: Wie soll dies finanziert werden? Aus welchem Ressort kommen die Mittel? Dr. Schellenberg (SPD) : Herr Kollege Burger, (Abg. Dr. Nölling: Einzelplan 60! Steht alles ist Ihnen bekannt, daß der Entwurf der Koalitions- in der Vorlage!) fraktionen in § 2 Abs. 3 eine solche Rechtsverord- nung für diesen Personenkreis vorsieht? Das müßte klargestellt werden; denn wir fürchten, daß unter Umständen beim Einzelplan 15 Kürzun- gen notwendig wären, Burger (CDU/CSU) : Ich habe im Gegensatz zu Ihrer Information gesprächsweise gehört, daß ge- (Abg. Dr. Nölling: Überhaupt nicht!) plant ist, die Möglichkeit der Regelung durch und das wäre dann doch ein Lastenausgleich auf Rechtsverordnung überhaupt auszuschließen. Im dem Rücken der sozial Schwachen. übrigen, Herr Kollege Schellenberg, sind die Per- sonen, die in Altenheimen wohnen, ausdrücklich (Abg. Wehner: Sie konnten sich doch vor- nicht genannt. Für diese Personen ist also eine her erkundigen! Das steht doch darin! Die Regelung auf Grund der Vorlage der Bundesregie- Drucksache liegt hier!) rung nicht möglich. Lieber Herr Kollege Schellen- — Herr Fraktionsvorsitzender Wehner, Sie sagen berg, wir können ja im Ausschuß diese Unklarheiten mir, ich solle mich vorher erkundigen. Sie hätten ausbügeln. Wir sind jedenfalls der Meinung, daß sich vor 14 Tagen auch bei der Bundesregierung dieser Personenkreis nicht übersehen werden darf. erkundigen sollen, als Sie gefragt haben: Was soll Er ist im Rahmen unserer sozialrechtlichen Bestim- der Verbraucher tun? mungen benachteiligt, u. a. auch deshalb, weil z. B. die gestiegenen Wohnkasten ebenfalls voll in die (Abg. Wehner: Nehmen Sie doch diesen Tagessätze durchschlagen, die Bewohner von Alten- Gesetzentwurf!) heimen aber nicht die Möglichkeit haben, einen Wir wollen die Sache klargestellt wissen. Ich bin Antrag auf Wohngeld zu stellen. von Mitgliedern des Haushaltsausschusses darauf Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4277 Burger aufmerksam gemacht worden, daß das nicht so klar Nordlohne (CDU/CSU) : Herr Kollege Wehner, ist, wie Sie es soeben darstellten. es geht um die — — (Abg. Wehner: Sie könnten sich eine Menge (Abg. Wehner: Bitte sehr, „vorgegeben", Energie sparen, wenn Sie das vorher ge was heißt das?) lesen hätten!) — Es geht um die Frage, inwieweit hier eine Steige- — Herr Abgeordneter Wehner, ich bin sehr glück- rung von 30 % oder mehr anstand. lich, wenn Sie für Ihre Fraktion verbindlich erklä- ren, daß diese Aufwendungen aus Steuermehrein- (Abg. Wehner: Ich kann nur von der aus- nahmen getragen und nicht aus irgendeinem Sozial- gehen, die ich selber durch den Schlitz ge- etat abgezwackt werden. Da werden Sie unseren steckt bekommen habe!) vollen Beifall finden. Wir wollen das im Ausschuß — Herr Kollege Wehner! sichergestellt haben. (Abg. Wehner: Das ist eine Ungeheuerlich (Abg. Dr. Nölling: Wir legen doch keine keit! CDU heißt, andere anlügen! — Gegen Anträge ohne Deckung vor, wie Sie das rufe von der CDU/CSU.) immer machen!) Meine Damen und Herren, wir sind der Auffas- sung, daß alle sozial Schwachen berücksichtigt wer Vizepräsident Dr. Schmitt -Vockenhausen: den müssen und daß die Zuschüsse einen echten Herr Abgeordneter Wehner, ich rüge Ihre Berner- Ausgleich für die gestiegenen Heizölkosten darstel- kung. len müssen. (Beifall bei der CDU/CSU.) Nordlohne CDU/CSU) : Ich möchte fortfahren. Herr Wehner, da Sie mit der Antwort des Herrn Vizepräsident Dr. Schmitt -Vockenhausen: Wirtschaftsministers völlig unzufrieden waren, Das Wort hat Herr Abgeordneter Nordlohne. stellten Sie anschließend dem Sprecher der Oppo- sition, Herrn Müller-Hermann, dieselbe Frage. Das Nordlohne (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine geschah entweder weil Sie selbst nicht wußten — sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich und das muß man daraus folgern —, wie dieses Pro- namens der CDU/CSU-Fraktion in aller gebotenen blem zu lösen sei, oder weil Ihnen die eigene Regie- Kürze zu dem unter Punkt 2 a) der Tagesordnung zu rung eine absolut unabgeklärte Aussage zu diesem beratenden Gesetzentwurf über die Gewährung Problem gemacht hatte. eines einmaligen Heizölkostenzuschusses äußern. Herr Minister Friderichs, der später noch einmal Im Zusammenhang mit der Aussprache über die das Wort nahm, erklärte auf die durch diese Zwi- in der 67. Sitzung dieses Hauses am 29. November schenfragen entstandene Kontroverse wörtlich, daß 1973 abgegebene Erklärung der Bundesregierung zu Mitarbeiter der Ministerien für Arbeit und Sozial- aktuellen Fragen der Wirtschafts- und Energiepolitik ordnung, der Finanzen, für Jugend, Familie und Ge- stellte der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herbert - sundheit, für Raumordnung, Bauwesen und Städte- Wehner, dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft, bau sowie des Bundeskanzleramtes am 28. Novem- Dr. Friderichs, wie Sie sich vielleicht erinnern, meine ber zusammengesessen hätten, um die angeschnit- Damen und Herren, eine Zwischenfrage, die ich mit tene Frage der Entlastung der Bezieher kleinerer freundlicher Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitie- Einkommen von den Belastungen durch die gestie- ren darf: genen Mineralölpreise einer Regelung zuzuführen. Was macht der Endverbraucher, z. B. ich als Er erklärte weiter, daß er sich nicht in der Lage Mieter, dem durch den Schlitz gesteckt wird, daß sehe, dieses Beamtenpapier — so wörtlich — in die- ich vom 1. Dezember 1973 an 30 °/o mehr für sem Hohen Hause im einzelnen darzulegen, da es Heizung zu bezahlen habe? Wie kann man dem von den zuständigen Ressortministern noch nicht Endverbraucher helfen? eingesegnet worden sei.

Ganz abgesehen davon, daß die vorgegebene Hei- Meine Damen und Herren, warum rufe ich diese zungskostenanhebung von 30 % einen unrealisti- Diskussion am heutigen Tage in unsere Erinnerung schen Prozentsatz darstellt, sah sich Herr Friderichs zurück? Nur zu dem Zweck, an diesen Fakten deut- zunächst nicht in der Lage, Herrn Wehner diese lich zu machen, daß die Regierung mit ihrem gesam- Frage zu beantworten. ten Verwaltungsapparat fast genau 14 Tage benötigt hat, um ihre Absicht in zehn Paragraphen eines Ge- Vizepräsident Dr. Schmitt -Vockenhausen: setzestextes zu kleiden und ihn durch die Ressort- Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage minister abzeichnen zu lassen. des Herrn Abgeordneten Wehner? (Abg. Dr. Nölling: Sie haben nicht einmal einen Antrag zustande gebracht!) Nordlohne (CDU/CSU) : Bitte schön. Der Opposition — und der Kollege Burger hat es Wehner (SPD) : Wenn Sie schon darauf Ihre bereits heute morgen gesagt — ist die endgültige Argumentation aufbauen, darf ich Sie fragen, was Fassung des Gesetzentwurfs am gestrigen späten Sie mit dem Wort „vorgegeben" meinen. Oder wol- Nachmittag zugegangen. Bereits wenige Stunden len Sie, daß ich Ihnen meinen Schein schicke? später soll sie unter Punkt 2 a) im Plenum des Deut- 4278 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Nordlohne schen Bundestages in erster Lesung dazu Stellung September 1973 und November 1973 erheblich über nehmen. der 100-%-Grenze. Diese Auffassung wird in der (Abg. Dr. Nölling: Wieviel Stunden brau Tat von uns geteilt. Nach den von mir am gestrigen chen Sie, um das zu lesen, wenn es nur zehn Abend bei verschiedenen Heizöllieferanten einge- Paragraphen sind?) holten Auskünften betrug der Heizölpreis bei den Markenhändlern der Mineralölgesellschaften vor Meine Damen und Herren, dieses Verfahren ist dem 15. Oktober 1973 rund 16 Pfennig. Der augen- eine unverantwortliche Haltung seitens der Regie- blickliche Verkaufspreis an der Untergrenze beläuft rung und der Koalitionsfraktionen gegenüber der sich bei diesen Markenhändlern auf 28 bis 30 Pfen- Opposition in diesem Hause. nig je Liter. Im Unterschied dazu kostet ein Liter (Abg. Wehner: Sehr schwach!) Heizöl bei den freien Händlern nach wie vor zirka 40 bis 50 Pfennig. Hier kann eher von einer Ver- Da sich derartige Vorgänge in letzter Zeit wieder- dreifachung des Preises als von einer Verdoppelung holt ergeben haben, möchte ich an dieser Stelle die gesprochen werden. Bundesregierung auffordern, künftig der Opposition die notwendigen Unterlagen früher zur Verfügung 5. In der Begründung des Gesetzentwurfes geht zu stellen. die Bundesregierung davon aus, daß ein Vierper- sonenhaushalt 1971 rund 2 000 und 1972 rund Zum Gesetzentwurf selbst will ich folgendes aus- 2 500 Liter leichtes Heizöl für die normale Woh- führen. nungsbeheizung benötigte. Diese Zahlen sind ein- 1. Die CDU/CSU-Fraktion stellt fest, daß die Bun- deutig falsch. Nach den übereinstimmenden Sach- desregierung dem Entschließungsantrag der Oppo- aussagen der von mir befragten Heizöllieferanten sition vom 29. November 1973, erste Maßnahmen benötigt ein durchschnittlicher Haushalt pro Heiz- zur Milderung sozialer Härten durchzuführen, die periode 4 500 bis 5 500 Liter Heizöl, also rund das als Folge der Heizölverteuerung aufgetreten sind, Doppelte der angegebenen Menge. Damit treffen teilweise Rechnung trägt. die in der Begründung angegebenen Heizkostenauf- (Abg. Dr. Nölling: Absolut lächerlich, was wendungen von 320 DM und 350 DM nicht zu. Sie Sie erzählen!) belaufen sich auf zirka 600 bis 700 DM. Es trifft ferner nicht zu, daß bei den Rentnern und Sozial- 2. Der Zielsetzung, mit öffentlichen Finanzmitteln hilfeempfängern von einem Zweipersonenhaushalt einen Ausgleich von Härten für einkommensschwa- in der vergangenen Heizperiode, wie dort ausge- che Schichten vorzunehmen, wird der uns vorlie- führt, nur 230 bis 250 DM für die Beheizung der gende Entwurf nicht gerecht. Wohnung mit leichtem Heizöl ausgegeben wurden. Allein der Umstand, daß die örtlichen Sozialämter Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: nach den Richtlinien und Erlassen der jeweiligen Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischen- Länder bei den Empfängern von laufender Sozial- frage des Herrn Abgeordneten Nölling? hilfe und den Personenkreisen, die mit ihrem Ein- kommen nicht über 10 °/o des Regelsatzes hinaus- Nordlohne (CDU/CSU): Bitte sehr. kommen, an Alleinstehende und Zweipersonen- - haushalte eine Winterfeuerungsbeihilfe zu den ent- Dr. Nölling (SPD) : Herr Nordlohne, erzählen stehenden Heizkosten in Höhe von 300 DM, an Sie doch bitte einmal, worauf sich die Behauptung Haushalte mit drei bis fünf Personen in Höhe von gründet, daß der Gesetzentwurf der Koalitionsfrak- 360 DM und an Haushalte mit sechs und mehr Per- tionen Ihrem Antrag vom 5. Dezember nur teil- sonen in Höhe von 420 DM zahlen, läßt diese Anga- weise gerecht wird. ben als völlig unglaubwürdig und keineswegs den Tatsachen entsprechend erscheinen. Nordlohne (CDU/CSU) : Herr Kollege Nölling, 6. Es ist bekannt, daß vielen Mietern — und ich komme darauf im Zusammenhang mit meinen das war das Problem, das Herr Kollege Wehner weiteren Ausführungen zurück. damals in seiner Frage ansprechen wollte —, unse- (Abg. Wehner: Im Schlußwort!) res Landes in den vergangenen Tagen und auch in den nächsten Wochen Bescheide über die Erhöhung Nein, nicht im Schlußwort, Herr Kollege Weh der Heizungskosten zugegangen sind, bzw. sie wer- ner. den an sie abgesandt werden. Vielfach sind in der 3. Der vorgelegte Gesetzentwurf ist nach unserer Vergangenheit für eine durchschnittliche Wohnung Auffassung mit verschiedenen Mängeln behaftet, rund 40 DM als Heizungskostenpauschale zu ent- die in den Ausschußberatungen abzustellen sind. richten gewesen, und zwar das ganze Jahr hindurch. Lassen Sie mich nur ein Beispiel dafür nennen. Den Demnächst werden nicht nur monatlich 80 DM, son- Zuschuß sollen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 alleinstehende dern darüber hinaus Beträge für diese Heizungs- Personen und Haushaltsvorstände erhalten, deren kostenpauschalen verlangt. monatliches Einkommen des Zweieinhalbfache des Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in Er- Regelsatzes nicht übersteigt. Die Frage, ob vorhan- widerung auf die Aussage von Frau Focke vom heu- denes Vermögen berücksichtigt werden soll, ist bei- tigen Morgen einen praktischen Fall aufzeigen. Ich spielsweise im Entwurf nicht geklärt. habe durchgerechnet, daß ein alleinstehender Rent- 4. Nach dem Wortlaut der Begründung des Ge- ner, dessen monatliches Renteneinkommen z. B. setzentwurfes liegen die Preissteigerungen zwischen 550 DM beträgt, bei einer monatlichen Mietzahlung Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4279

Nordlohne von 181 DM nach den neuen Wohngeldbestimmun- einfach unbefriedigend für die sozial Schwachen in gen ah 1. Januar 1974 Anspruch auf 74 DM Wohn- unserem Lande, wenn die von der breiten Bevölke- geld hat. Ein Anspruch auf laufende Hilfe besteht rungsschicht nicht verschuldete Heizölkostenverteu- nicht. Er hat daher unter Abzug seiner selbst zu tra- erung diesen Personen zusätzlich zu allen Preisstei- genden Miete seinen Lebensunterhalt mit insgesamt gerungen des täglichen Lebens zu 75% auferlegt 443 DM zu bestreiten. Davon zahlte er bislang als wird. Mieter einen monatlichen Heizkostenbeitrag von Lassen Sie mich auch im Hinblick auf das, was der rund 40 DM, und zwar das ganze Jahr hindurch. Kollege Burger gesagt hat, folgendes sagen. Wir hat- Nunmehr hat er — so wird es in vielen Fällen sein ten in der Fraktion gestern einstimmig beschlossen, -- den doppelten Betrag zu entrichten. Das heißt, die Beträge von 100 DM für den Alleinstehenden auf für ihn belaufen sich die Gesamtheizungskosten auf 200 DM — einen solchen Antrag werden wir vor jährlich rund 960 DM. legen —, (Zurufe von der SPD) Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: für das Familienmitglied von 50 auf 75 DM zu er- Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischen- höhen und als Höchstbetrag statt 300 DM 500 DM frage des Herrn Abgeordneten Wolfram? zu gewähren. (Abg. Wehner: Deckungsvorschlag? — Wei- Nordlohne (CDU/CSU) : Ja, bitte schön! tere Zurufe von der SPD.) -- Herr Kollege Wehner, ich komme auf den Dek- Wolfram (SPD) : Herr Kollege, sind Sie nicht der kungsvorschlag schon noch zu sprechen. — Wir Meinung, daß Sie diese Ausführungen zweckmäßi- schlagen vor, die erforderlichen Bundesmittel im gerweise im Ausschuß machen und uns hier nicht Einzelplan 60 des Bundeshaushaltsplanes 1974 aus- länger aufhalten sollten? zuweisen und eine Deckung aus den dem Staat über (Abg. Dr. Nölling: Langweilen!) den Anstieg der Heizölpreise zufließenden Mehr- wertsteuerbeträge vorzunehmen, wie wir es bereits Wir wollen um 12 Uhr mit der Sachberatung begin- in der Energiedebatte vor etwa zwei Wochen in die- nen. Das wäre doch viel zweckmäßiger. sem Hause vorschlugen. (Beifall bei den Regierungsparteien. — (Beifall bei der CDU/CSU.) Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Unglaublich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.) Erlauben Sie mir bitte, auf diese Zahlen zu spre- chen zu kommen. Nordlohne (CDU/CSU) : Herr Kollege, ich hielte

es für angebracht, bei der Beratung dieses Gesetzent- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: wurfes ganz konkrete Aussagen der Opposition zu Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischen- diesem Gesetzentwurf zu machen. frage des Herrn Abgeordneten Dr. Ehrenberg? (Beifall bei der CDU/CSU.) Wir werden selbstverständlich auch im Ausschuß- Nordlohne (CDU/CSU) : Ja, wenn mir die Zeit darauf zurückkommen. zugerechnet wird. (Abg. Dr. Nölling: Wollen Sie dort noch

eine halbe Milliarde beantragen? — Abg. Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Stücklen: Unduldsames Volk da drüben! — Ja, bitte! Abg. Dr. Müller-Hermann: Mehr Demokra tie! — Gegenrufe der SPD.) Dr. Ehrenberg (SPD) : Herr Abgeordneter, wäre Nach dem in dieser Vorlage zum Ausdruck kommen- es nicht besser, Sie würden zur Deckung die Verdrei- den Willen des Gesetzgebers soll ein monatlicher fachung des Weihnachtsfreibetrages, die Sie auch Zuschuß von 100 DM für den Alleinstehenden und vorgeschlagen haben, mit heranziehen? von 50 DM für die Familienmitglieder gezahlt wer- (Abg. Stücklen: Immer wenn es um soziale den. In der — Dinge geht, habt Ihr kein Geld!) (Anhaltende Zurufe von der SPD. — Abg. Russe [zur SPD] : Wenn Sie sich langweilen, Nordlohne (CDU/CSU) : Herr Kollege Ehrenberg, dann gehen Sie doch raus!) da dieses eine polemische Frage war, — Ich würde gern weiter fortfahren. (Abg. Wehner: Genau wie Ihr Antrag!) (Abg. Stücklen: Die wollen uns gar nicht — ganz im Gegenteil —, bin ich nicht bereit, darauf hören! Machen Sie weiter! — Abg. Dr. Jen zu antworten. Ich möchte Ihnen folgendes sagen: ninger: Volkskammermethoden!) In der vergangenen Woche und auch in den vorheri- Das ist vorgesehen, daß sie einen Höchstbetrag von gen Tagen ist in der Öffentlichkeit ein Betrag von 160 Millionen DM genannt worden. 300 DM erhalten. (Abg. Dr. Müller-Hermann: Genau so ist es!) Wird sich bei den eben angesprochenen Heiz- kostenverteuerungen der Rentner als Alleinstehen- Zu unserer Überraschung wurde dann am gestrigen der mit 100 DM zufriegengeben können? Es ist Abend — ich finde das einfach unerträglich — eine 4280 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Nordlohne Summe von 420 und 510 Millionen als Grundlage mensschwachen Bevölkerungsgruppen, deren be- für diese Vorlage der Fraktionen angegeben. rechtigte Anliegen hier soeben beraten wurden, gibt es (Zuruf von der SPD: Auch noch die Land Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Herr Abgeordneter, ich nehme an, Sie gestatten wirtschaft!) auch die Frage der Frau Kollegin Meermann. Bereiche, vor allen Dingen in der Landwirtschaft und in der mittelständischen Wirtschaft Frau Meermann (SPD) : Herr Kollege, da Sie (Lachen und Zurufe von der SPD) die Zeitungen ja sicher sehr aufmerksam verfolgt — ja, die gibt es wirklich; sie interessieren Sie viel- haben, haben Sie gewiß bemerkt, daß die erhöhte leicht nur nicht —, Summe darauf zurückzuführen ist, daß mittlerweile der Kreis der Berechtigten erweitert worden ist, (Abg. Dr. Nölling: Die hat die Regierung nämlich von den Empfängern des zweifachen Regel- doch schon berücksichtigt!) satzes auf Empfänger des zweieinhalbfachen Regel- die durch die Energiepreissteigerung in große Not satzes. Das macht eine ganze Menge aus. Da Sie geraten sind oder geraten können. Die CDU/CSU- so schön rechnen, würde ich Sie bitten, das auch mit Fraktion bringt aus diesem Grunde einen Antrag zu berücksichtigen. — Durcksache 7/1348 — ein, in dem die Bundes- regierung aufgefordert wird, zeitlich begrenzte Heiz- Nordlohne (CDU/CSU) : Frau Kollegin, ich habe ölkostenbeihilfen für solche Bereiche in der Land- selbstverständlich gesehen, daß in dem Rohentwurf wirtschaft und im Gewerbe vorzusehen, die durch vom 8. Dezember zunächst einmal der zweifache die Energiepreissteigerung in ihrer Existenz gefähr- Regelsatz genannt war. Aber da waren weder der det sind. Eine uferlose Subvention — darauf weise Kreis der Bezieher, noch die Höhe der Gesamtko- ich nachdrücklich hin — ist von uns nicht gewollt sten genannt. Hier ist heute morgen ausgeführt (Abg. Wehner: Hört! Hört!) worden, daß es etwa drei Millionen Bezieher sein sollen. und wird dadurch verhindert, daß eine unverschul- dete Existenzgefährdung ausdrücklich nachgewiesen Ich möchte meine Ausführungen mit folgender werden muß. Feststellung beenden. (Abg. Dr. Müller-Hermann: Sehr richtig!) (Ironischer Beifall bei der SPD. — Abg. Stücklen: Immer wenn es um soziale Dinge Dieser Antrag wird aus der tiefen Sorge gestellt, geht, sind die unruhig!) daß die Bundesregierung die Dinge wie bisher ohne Allzuoft ist der Opposition, meine Damen und Her- eine umfassende Konzeption, ja offensichtlich ohne ren, von Ihrer Seite in diesem Haus in den letzten ausreichende Kenntnis der Sorgen im Lande, treiben Wochen und Monaten völlig zu Unrecht vorgehal- läßt. Die Geschehnisse um die Hilfe für die Garten- ten worden, sie habe kein Alternative. Wir haben baubetriebe unter Glas sind leider ein deutlicher Ihnen heute eine detailliert begründete Alternative Beweis hierfür. zu Ihrem Gesetzentwurf über die Gewährung von - (Abg. Dr. Nölling: Konservativer müßte Heizölkostenzuschüssen an die sozial Schwachen in man sein; dann könnte man solche Unver unserem Land für die weiteren Beratungen genannt. schämtheiten hier loslassen!) Wir haben Ihnen ferner gesagt, in welcher Form die Deckung im Haushaltsplan 1974 vorgenommen wer- Am 4. Oktober 1973 gaben Staatssekretär Grüner den könnte. Es bleibt Ihnen überlassen, bei der weite- und am 24. Oktober 1973 Bundesminister Friderichs ren Beratung dieses Gesetzentwurfs, in der letzten in Antworten auf meine Anfragen zu, daß sie kein Woche des ablaufenden Jahres 1973 entweder wie umfassendes, auch einzelne Wirtschaftsbereiche be- bisher die Opposition nach ihrer Alternative zu treffendes energiepolitisches Programm hätten. Am fragen, bei Nennung und Vorlage dieser Alterna- 29. November 1973 erklärte Bundesminister Ertl auf tive uns die Frage zu stellen, woher wir das Geld meine Anfrage — ich zitiere mit Genehmigung des nehmen wollen, oder unseren Vorstellungen zu fol- Präsidenten —: gen und das zu vollziehen, was alle Parteien in Die in den Niederlanden geplante neue Maß- den vergangenen Wochen übereinstimmend immer nahme (Erdgasverbilligung) wird zur Vorbe- wieder in der Öffentlichkeit erklärt haben, nämlich: reitung einer entsprechenden Kommissionsent- die durch die Energiesituation und die Heizölkosten- scheidung in der Arbeitsgruppe „Wettbewerbs- steigerung ohne eigenes Verschulden am härtesten bedingungen in der Landwirtschaft" auf ihre Betroffenen in dieser Situation nicht alleinzulassen, Vereinbarkeit mit den Wettbewerbsregeln der sondern ihnen unbürokratisch und tatkräftig zu EG geprüft. helfen. (Beifall bei der CDU/CSU.) Diese Erklärung wurde abgegeben, nachdem ich am 28. November 1973 im Namen der CDU/CSU-Frak- tion einen Entschließungsantrag über Hilfsmaßnah- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: men für den Gartenbau im Ernährungsausschuß aus- Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eigen. führlich und in der Sache unwidersprochen begrün- det hatte. Leider wurde dieser Antrag im Ausschuß Eigen (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr bei Stimmengleichheit abgelehnt. Immer noch wollte geehrten Damen und Herren! Außer den einkom also Herr Minister Ertl nicht erkennen, daß die ent- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4281

Eigen scheidende Wettbewerbsverzerrung im Verhältnis gen, die wir jetzt festzustellen haben, sondern Ihre Erdgaskosten in Holland zu den gestiegenen Heizöl- verfehlte Wirtschaftspolitik. kosten in der Bundesrepublik Deutschland liegt, und (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Nöl- zwar 3,11 DM je qm zu ca. 19 DM je qm bei 0,40 DM ling: Gut nachgebetet, Herr Warnke!) je Liter leichtes Heizöl; und das, meine Damen und Herren bei ca. 70 % Einfuhranteil der entsprechen- Sie haben eine Politik des Wechselbades betrie- den Gartenbauprodukte aus Holland. ben, meine Damen und Herren von der Koalition. Was die ganze Welt als Wirtschaftswunder bezeich- Am 4. Dezember 1973 beschloß dann das Kabi- nete, waren für Sie 20 Jahre Mißwirtschaft. Sie rede- nett, 15 Millionen DM aus dem Haushalt Landwirt- ten der Bevölkerung ein, Sie würden jetzt erst richtig schaft 1974 bereitzustellen; dabei ist dieser schon anfangen. Traumraten von 10 bis 15 °/o Einkommens- gegenüber 1973 um 2,6 °/o gekürzt. Bis heute berät steigerung Jahr für Jahr, ein halbes Jahrzehnt hin- die Bundesregierung noch darüber, auf welche Weise durch; die Überbeschäftigungsgarantie des Herrn sie die Mittel an die betroffenen Betriebe zahlen Bundeskanzlers; Steuersenkungsversprechen, für die will. Ich empfehle u. a. Heizölkostenbeihilfen zur Sie, Herr Nölling, damals auch eingetreten sind, ob- Sicherstellung eines Preisniveaus zur Vermeidung wohl Steuererhöhungen notwendig gewesen wären von Wettbewerbsverzerrungen, die an dem staat- — das war die heiße Phase des Anheizens. Dann lich gesteuerten Heizkostenniveau des niederländi- kam die kalte Dusche: Stabilitätspolitik mit dem schen Gartenbaues ausgerichtet sind. Holzhammer, die nun Gerechte und Ungerechte traf, am schwersten Die Bundesregierung sollte sich rechtzeitig Ge- danken machen, wie z. B. den Dienstleistungsbetrie- (Abg. Dr. Nölling: Am schwersten vielleicht ben, den Gastwirten in den Naherholungsgebieten, die Opposition!) die durch das Sonntagsfahrverbot besonders hart die ländlichen Räume und Randgebiete, mit denen getroffen sind, geholfen werden kann. Ich betone Sie, Herr Nölling, es nicht besonders haben. noch einmal, daß nur diejenigen, die ohne eigenes Verschulden von dieser Verteuerung betroffen wer- (Abg. Dr. Nölling: Ich bin doch einmal bei den, für diese Hilfe in Frage kommen. Ihnen gewesen! Wissen Sie das nicht mehr?) Das Ernährungsgewerbe — unter anderem Mol- Das Wort von Jochen Steffen, daß die SPD sich nicht kereien, Zuckerfabriken, Konservenfabriken, Grün- um die ländlichen Räume kümmert, weil die Masse futtertrocknungsanlagen — steht als Produzent von der Bevölkerung in den Städten wohnt, ist die Ernährungsgütern in einer ganz besonderen Wett- Maxime Ihrer Struktur- und auch Ihrer Stabilitäts- bewerbssituation gegenüber den Mitgliedsländern bemühungen gewesen. der Europäischen Gemeinschaft, die sich — das sei hier am Rande vermerkt — ja auch nicht gerade als (Beifall bei der CDU/CSU.) stark und solidarisch erwiesen hat. Hier kommt es, genauso wie bei der Diesel- und Heizölkostensteige- Vizepräsident Dr. Schmitt -Vockenhausen: rung in der Landwirtschaft, darauf an: Entwickeln Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischen- sich die Energiekosten in den Mitgliedsländern der frage des Herrn Abgeordneten Gansel? Europäischen Gemeinschaft in der gleichen -Weise oder nicht? Wird die zusätzliche Kostensteigerung Dr. Warnke (CDU/CSU) : Bitte sehr! bei den Agrarpreisverhandlungen in Brüssel berück- sichtigt? Ist überhaupt die Belieferung mit Diesel- und Heizöl für Ernährungsgewerbe und Landwirt- Gansel (SPD) : Herr Abgeordneter, hätten Sie, schaft sichergestellt? wenn Sie Jochen Steffen in diesem Zusammenhang fälschlicherweise zitieren, wenigstens die Güte, die Es hängt vor allem von den Handlungen der Bun- Belegstelle — selbst wenn es die „Deutsche Monats- desregierung ab, in welchem Umfang der vorlie- zeitschrift" wäre — anzugeben, damit eine Gegen- gende Antrag zum Tragen kommt. Ich bitte um Zu- darstellung möglich wäre? stimmung zu diesem Antrag. (Abg. Stücklen: Wird geliefert! — Abg. (Beifall bei der CDU/CSU.) Nordlohne: „Süddeutsche Zeitung" !)

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Dr. Warnke (CDU/CSU): Herr Gansel, dazu kann Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Warnke. ich nur sagen: Besonders flott sind Sie nicht, denn es ist jetzt das vierte Mal, daß wir im Laufe eines halben Jahres hier im Plenum das Wort von Jochen Dr. Warnke (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Steffen zitieren, Damen und Herren! iDe Sorge um den Arbeitsplatz ist für eine wachsende Zahl von Menschen in der (Abg. Dr. Ehrenberg: Etwas Neues fällt Ihnen Bundesrepublik Deutschland in den Vordergrund nicht ein!) getreten, in Ostbayern ebenso wie in Schleswig- und es ist das erste Mal, daß Sie das Bedürfnis Holstein, in Teilen von Rheinland-Pfalz ebenso wie nach einer Gegendarstellung verspüren. Ich sage in Bereichen von Nordrhein-Westfalen bis hinein ins es Ihnen aber gern: Jochen Steffen hat diese Erklä- Revier. Eine Saat geht jetzt auf, die von zwei Regie- rung am 8. Februar im Süddeutschen Rundfunk ab- rungen Brandt gesät worden ist. Nicht die Energie- gegeben. krise ist der Grund für Kurzarbeit und für Entlassun (Beifall bei der CDU/CSU.) 4282 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Dr. Warnke Ich zitiere Ihnen diese Erklärung gern noch aus hat bei uns ein Jahr nach der Bildung der Regie führlicher.Jochen Steffen hat gesagt: rung auch immer durchgedreht und ein Jahr nach Die SPD sieht die Probleme des ländlichen Rau- den Bundestagswahlen die Profilneurose bekom- mes, kümmert sich aber nicht darum, weil die men. Nur ist es schade, daß das heute auf dem Masse der Wähler in den Städten wohnt. Rücken derjenigen ausgetragen wird, die um ihre Arbeitsplätze bangen müssen, die von der Bundes- (Abg. Stücklen: So handelt sie auch!) regierung schnelles Handeln erwarten, aber mit \Nenn Ihnen das besser gefällt, dann zitieren Sie allgemeinen Formeln abgespeist werden. es in dieser Form. (Beifall bei der CDU/CSU.) Damals, als Sie versuchten, aus der von Ihnen Wir schlagen erstens Aufhebung der Kürzungen verschuldeten Überhitzung in etwas stetigere Bah- bei Arbeitsplatzförderung und Infrastrukturförde- nen zu kommen, haben Sie es mit der charakteristi- rung vor. Nach dem, was ich gehört habe, beabsich- schen Rücksichtslosigkeit getan, indem Sie den tigt der Herr Bundesfinanzminister, die zehnpro- schwächsten Bereichen Sonderopfer auferlegt ha- zentige Kürzung, die er in diesem Jahr unter dem ben. Es war ein fünffaches Sonderopfer. Es war die verschönernden Wort „Streckung" eingeführt hat, Kürzung der Mittel für die Arbeitsplatzförderung. jetzt in der Versenkung verschwinden und im Haus- Es war die Kürzung der Infrastrukturmittel. Es war halt untergehen zu lassen. Jedenfalls hat das Kabi- die Kürzung der Mittel zur Verbesserung der Agrar- nett in der vergangenen Woche, als es seine Ab- struktur. Es war die praktisch ganzjährige Sperre sicht zurücknehmen mußte, im nächsten Jahr ein der Kredite für die Gemeinden und den Mittelstand Drittel dieser Mittel zu streichen, nicht davon ge- aus dem sogenannten ERP-Vermögen. Es war redet, daß die in diesem Jahr verhängte zehnpro- die Kürzung der Straßenbaumittel, ohne einen Aus- zentige Streckung rückgängig gemacht werden soll. gleich im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs zu gewähren. Wir fordern zweitens Wiederherstellung der Arbeitsplatzförderung durch die Investitionszulage Über jede einzelne dieser Maßnahmen hätte man in Höhe von 10 °/o in den wirtschaftsschwachen Ge- diskutieren können. Das Bündel als Ganzes war eine bieten. Zu diesem Zweck haben wir den Ihnen vor- Rücksichtslosigkeit und ging an den Lebensnerv der liegenden Gesetzentwurf eingebracht. Betroffenen, ohne daß die Inflationsrate deshalb auch nur um ein Zehntel Prozent zurückgedreht Drittens fordern wir die unverzügliche Erhöhung worden wäre. der zinsgünstigen Kredite für die Gemeinden und den Mittelstand in den wirtschaftsschwachen Gebie- (Abg. Kirst: Das stimmt doch auch nicht, ten. Ich sage deshalb „unverzüglich", weil es dieses was Sie da sagen!) Jahr volle elf Monate gedauert hat, bis der Mittel- -- Noch vor einem Monat, Herr Kirst, Anfang No- stand an das Geld kam, und das zu einer Zeit, wo vember, wollte der Herr Bundeswirtschaftsmini- Sie ihn durch die Hochzinspolitik in eine Existenz- ster die Mittel für die Infrastruktur der Förderge- krise getrieben haben und Sätze von 15 % an Be- biete für 1974 sogar um volle 30% kürzen. Seine triebsmittelzinsen vielen mittelständischen Betrieben eigenen Parteigenossen, die Länderwirtschaftsmini- das Leben bereits schwergemacht haben. Sagen Sie ster, haben ihm die Gefolgschaft versagt.- Er hat uns, wann Sie diese Mittel für 1974 im ERP-Haus- sich eine Schlappe eingehandelt. So viel Rück- haltsplan bereitstellen wollen; er ist bereits heute sichtslosigkeit ging sogar FDP und SPD über die überfällig. Hutschnur. Wir fordern viertens gezielte Maßnahmen zur Be- Die CDU/CSU-Fraktion hat nunmehr ein Arbeits- lebung des Wohnungsbaus. Dabei denken wir be- platzsicherungsprogramm vorgelegt. Es soll an die sonders an den sozialen Wohnungsbau, der heute, Stelle des Holzhammers — und es ist fünf Minuten meine Damen und Herren, auch durch die von Ihnen vor zwölf — immer wieder in die Diskussion gebrachte Wieder- (Heiterkeit — Abg. Wehner: Stimmt, genau inkraftsetzung des § 7 b des Einkommensteuer- richtig! — Abg. Dr. Nölling: Ihre Uhr geht gesetzes bei den derzeitigen Kapitalmarktzinsen sogar ein bißchen nach!) nichtbelebt werden könnte. einen Stabilitätskurs mit Feinsteuerung setzen. Wir fordern fünftens sofortige Durchführung von Aber, meine Damen und . Herren, Sie haben diese Konjunkturprogrammen für die wirtschaftsschwa- Minuten schlecht genutzt. Denn Sie haben schon chen Gebiete, abgestimmt zwischen Bund und Län- 14 Tage Zeit gehabt, seitdem wir das Programm dern. In Ostbayern wird mit 50 % Arbeitslosen in veröffentlicht haben. In den 14 Tagen sind die Mel- der Bauwirtschaft gerechnet, davon 85 % deutsche dungen über die Entlassungen, die Kurzarbeit, die Arbeiter. Dort und in anderen Gebieten in ver- unmittelbar bevorstehenden Stillegungen in der Bau- gleichbarer Lage wartet man Tag für Tag auf grü- industrie vom Präsidenten der Bundesanstalt für Ar- nes Licht aus Bonn hier und heute, denn bei den beit bestätigt worden. Aber Sie waren handlungs- langen Wegen der Ministerialbürokratie wird ein unfähig, weil Sie mit Ihrem Koalitionspartner zer- grünes Licht, das wir heute geben, gerade recht- stritten waren, der das Programm als „Inflations- zeitig kommen, um zu Beginn der Bausaison in den förderung" bezeichnet hat, während Herr Ehren- von der Wirtschaftsabschwächung betroffenen Ge- berg meinte, es enthalte viele wertvolle Punkte. bieten wirksam werden zu können. Diese Sorge mit der FDP kennen wir, Herr Wir fordern sechstens die Planung weiterer Inve- Ehrenberg. Wir können sie Ihnen nachfühlen. Die stitionsprogramme, die mit einem Griff aus der Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4283 Dr. Warnke Schublade gezogen werden können, wenn weitere Schuhe, durch die Beschlüsse dieser Bundesregierung Beschäftigungseinbrüche und diesmal auch außer- im Sommer dieses Jahres zusätzliche Einfuhren in halb der wirtschaftsschwachen Gebiete drohen. Höhe von 300 Millionen DM auferlegt bekommen Für die Gemeinden in den wirtschaftsschwachen haben, mit denen diese Bundesregierung bewußt Gebieten fordern wir siebentens einen angemesse- und gewollt Arbeitsplätze vernichtet hat. nen Spielraum durch Anhebung des Schulden- (Beifall bei der CDU/CSU.) deckels. Darum, Herr Ehrenberg, marschiert die Gewerkschaft Achtens, meine Damen und Herren, fordert die Textil und Bekleidung morgen auf Bonn. Das ist die CDU/CSU-Fraktion die Verringerung der Niedrig- Forderung, die sie an diese Bundesregierung zu stel- preiseinfuhren aus den Ostblockstaaten, insbeson- len hat, und ich kann Ihnen nur sagen, die CDU/ dere in den Branchen Textil und Bekleidung, Leder CSU-Fraktion steht in dieser Forderung hinter der und Schuhe. Gewerkschaft Textil und Bekleidung. Sie fordert: Schließlich fordern wir neuntens: Keine weitere Sicherheit der Arbeitsplätze muß wieder vor der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen an Staats- Osthandelspolitik stehen. firmen aus dem Ostblock, die mit der Preiskonkur- (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Stücklen: renz für die deutschen Firmen die Arbeitsplätze Sehr richtig!) Tausender von Arbeitnehmern in der Bauwirtschaft Dieses Arbeitsplatzsicherungsprogramm, meine gefährden. Damen und Herren, stellt keine Abkehr vom Stabili tätskurs dar, sondern ergänzt ihn durch die Fein- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: steuerung, die nun auf Grund der Entwicklung in Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischen- den betroffenen Gebieten und Wirtschaftszweigen frage des Herrn Abgeordneten Unland? notwendig geworden ist. Wir hören, daß Sie in der nächsten Woche über Maßnahmen beraten wollen, Dr. Unland (CDU /CSU) : Herr Kollege Warnke, die noch darüber hinausgehen. Welche Instrumente sind Ihnen Pressemitteilungen von gestern bekannt, Sie sich auch immer einfallen lassen mögen, ob Sie daß offensichtlich im deutsch-rumänischen Handel im diesen Forderungen — denen Sie Punkt für Punkt nächsten Jahr die bisher kontingentierten Bereiche nachkommen werden, das sage ich Ihnen heute schon erneut um — wenn ich es richtig gelesen habe — voraus — sich anschließen oder ob Sie zusätzliche 12 % aufgestockt werden, und sehen Sie darin nicht Maßnahmen ergreifen, über eins müssen Sie sich einen gewissen Widerspruch zu den jüngsten Erklä- klar sein: Wirtschaft braucht Vertrauen, Arbeits- rungen der Bundesregierung? platzsicherheit setzt Vertrauen in die Politik einer Regierung voraus. Dieses Vertrauen haben Sie ver- (Abg. Stücklen: Wenn wir alle Wider nichtet durch eine Politik des Wechselbades, die sich sprüche zur Sprache bringen wollten!) nicht genugtun konnte zunächst im Wachstums- fetischismus und dann in der Verteufelung des Dr. Warnke (CDU/CSU) : Ich sehe darin einen Wachstums unter dem Stichwort „Qualität des krassen Widerspruch, aber mehr noch eine Brüskie- Lebens", rung derjenigen, die zu einem großen Teil Wähler- (Abg. Dr. Müller-Hermann: Sehr gut!) dieser Bundesregierung sind und die heute wegen die sich nicht genugtun konnte zunächst in der Ver- dieser Politik ihren Arbeitsplatz verlieren oder kurz- herrlichung der autogerechten Stadt durch Leute wie arbeiten müssen. Bundesminister Vogel und dann in der Verteufelung (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Stücklen: des Autos durch eben diesen Bundesminister Vogel. Sehr richtig!) Ich habe hier sein Interview — es ist noch gar nicht Während wir hier, meine Damen und Herren, über lange her, daß er es gegeben hat, im März dieses die Sicherheit der Arbeitsplätze beraten, befindet Jahres —, wo er sagt, man müsse den Preis des sich der Herr Bundeswirtschaftsminister auf dem Autos in Zukunft erhöhen, indem man 200, 300 DM Weg nach Warschau, hält sich der Herr Bundes- bei der Zulassung drauflege, damit er kostengerech- kanzler in Prag auf und verhandelt dort heute über ter werde. Ich glaube, Herr Vogel wird es sich über- Wirtschaftsfragen. Ich kann ihm das, Herr Kollege legen, welches Vertrauensklima er mit diesen Äuße- Wehner, was Sie ihm innerparteilich ins Stamm- rungen geschaffen hat. Wenn dann durch Forderun- buch geschrieben haben, nur von hier aus auch nach gen wie von Ihnen, Herr Kollege Wehner, daß der Prag zurufen: Kanzler, werde hart! Staat das Heft in die Hand nehmen müsse, wenn durch Forderungen nach Überführung in Gemein- (Beifall bei der CDU/CSU.) eigentum, wie von Herrn Kollegen Gansel ge Die Taten der Regierung Brandt auf dem Gebiet der sagt — — Osteinfuhren stehen im Widerspruch zu den schönen

Worten Brandts über die Sicherheit der Arbeits- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: plätze. Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. (Lachen bei der SPD.) — Herr Ehrenberg, ich finde es nicht witzig, daß Dr. Warnke (CDU/CSU) : Wenn durch solche For- Industrien, die seit Jahr und Tag um ihre Existenz derungen das Vertrauen derjenigen, die die Sicher- im Strukturwandel kämpfen und sich behaupten heit der Arbeitsplätze garantieren müssen, unter- mußten, wie z. B. Textil, Bekleidung, Leder und I graben wird — und es ist langfristig untergraben 4284 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Dr. Warnke worden —, wenn durch die Verunglimpfung eines Lassen Sie mich noch zwei Sätze zu. dem sagen, Unternehmertums, das hier seine Pflicht und Schul- was der Herr Kollege Warnke so unvermittelt in digkeit getan hat, die Leistungsanreize beseitigt den Raum gestellt hat. Mit abgehackten Sätzen werden, dann werden Sie lange warten und sich noch haben Sie hier versucht, z. B. den Eindruck zu er- viele Maßnhmen einfallen lassen können, bis die wecken, daß der Bundesminister Vogel das Auto Pferde wieder saufen. Wir wollen Ihnen mit unse- insgesamt abschaffen wolle und daß die Textilindu- rem Arbeitsplatzsicherungsprogramm einen Anstoß strie infolge der Politik der Bundesregierung am und eine Denkhilfe geben, damit Sie handeln und Boden sei. Herr Kollege Warnke, weder daß eine damit Sie wieder Tritt fassen, bevor es zu spät ist. noch das andere ist richtig. Das wissen Sie ganz genau. Wenn Sie nämlich die gesamten Äußerungen (Beifall bei der CDU/CSU.) zu dem lesen, was der Herr Bundesminister Vogel gesagt hat, dann kommt da nicht heraus: Abschaf- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: fung des Autos, sondern dann kommt da natürlich, Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haase (Fürth). wie wir alle wissen und wie Sie doch hoffentlich nicht bestreiten werden, heraus: die Gefährdung der Haase (Fürth) (SPD) : Herr Präsident! Meine Umwelt durch Autoabgase. Das ist etwas ganz Damen und Herren! Herr Kollege Warnke, es ist anderes. 6 Minuten nach 12. Sie reden doch sonst immer nur in der Manier, daß es 5 Minuten vor 12 sei. Ich Zum zweiten, zur Textilindustrie: Wir sind uns wollte ,das hier nur bemerken, auch im Hinblick auf sehr wohl der schwierigen Situation bewußt. Aber die Zeit, ,die hier verredet wird, anstatt daß ge- das ist jetzt doch keine Folge der Situation, wie Sie handelt wird. sie versuchen darzustellen, (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.) (Abg. Dr. Müller-Hermann: Natürlich!) — Natürlich, anstatt daß gehandelt wird! Die Ur- sondern das sind Strukturkrisen, die ihre Ursachen sache dafür sind doch Sie mit Ihren Anträgen! auch darin ,finden,. daß ,deutsche Unternehmer mit ihren Fabriken nicht in Deutschland neue Arbeits- plätze geschaffen haben, sondern in Hongkong und Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: sonstwo, Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischen- frage des Herrn Abgeordneten Nordlohne? (Abg. Dr. Müller-Hermann: Sie treiben doch die deutschen Unternehmer ins Ausland!) Haase (Fürth) (SPD) : Nein, ich gestatte jetzt und sich nun gegenseitig Konkurrenz machen in der keine Zwischenfrage, weil ich mich verpflichtet habe, Weise, daß Unternehmen aus diesen Ländern, die in drei Sätzen fertig zu werden, damit wir endlich ja ein sehr niedriges Lohnniveau haben, wie Sie mit der Arbeit beginnen können. alle wissen, in ,die Bundesrepublik einführen. Damit (Beifall bei der SPD.) wird der eigenen Industrie Konkurrenz gemacht. Wir wollen dann mal sehen, ob alle diejenigen, die jetzt hier sind, heute nachmittag in den Ausschüs- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: - sen sitzen werden, um dann auch Punkt für Punkt Herr Abgeordneter Haase, gestatten Sie eine Zwi- durchzustehen, was hier in großsprecherischer schenfrage? Manier wie von Anstreichern deklamiert wird. (Abg. Lemmrich: Ihr Großsprechertum Haase (Fürth) (SPD): Ich habe schon gesagt: im kann doch keiner überbieten!) Hinblick auf ,die Zeit nicht. Natürlich ist das bei Ihnen so. Ich verstehe Ihre Situation. Sie versuchen, hier mit Ihren Anträgen Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: eine Art Handlungsnachweis dafür zu führen, daß Meine Damen und Herren, der Herr Kollege gestat- von Ihrer Seite etwas geschieht, tet keine Zwischenfrage. (Abg. Dr. Müller-Hermann: Treten Sie ab, dann werden wir handeln!) Haase (Fürth) (SPD): Wir können das dann ja während die Regierung und die Koalitionsfraktionen im Ausschuß gerne besprechen, Herr Warnke. Ich in der Zwischenzeit in den Bereichen, in denen Sie hoffe, Sie werden da sein. jetzt nachträglich Ihre Anträge bringen, längst ge- (Zuruf von der CDU/CSU: Hier ist die handelt haben. Öffentlichkeit, Herr Haase!) (Abg. Lemmrich: Deswegen erhöhen Sie die Textilkontingente aus Rumänien! Sie han Nun lassen Sie mich zum Schluß noch eines sagen. deln, wir sehen es!) Wir sollten nicht versuchen zu dramatisieren. Ihre Ankündigungseffekte wirken weit verheerender auf — Es geht um eine ganze Menge. Das wissen wir das, was Sie — das will ich Ihnen unterstellen — alle. nämlich auch wollen: Die Stabilisierung der Verhält- (Abg. Lemmrich: Ja, um noch mehr!) nisse. Mit den Anträgen, die Sie gestellt haben und Aber, Herr Kollege, eben darum sollten wir uns die durch die Beschlüsse der Bundesregierung, durch bemühen, ,daß das in den Ausschüssen eine Erledi- Vereinbarungen des Bundeskanzlers mit den Mini- gung findet. sterpräsidenten ja zum Teil überholt sind, machen Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4285

Haase (Fürth) Sie etwas, was auf die Beurteilung draußen im Lande die heute nachmittag die Frage stellen wird — ich verheerend wirken kann. darf sie auch in dieses Protokoll einführen —: (Abg. Dr. Müller-Hermann: Verheerend ist Ist der Bundesregierung bekannt, daß in dieser die Bankrottpolitik dieser Bundesregie- Woche erneut 10 000 Beschäftigte in der Textil- rung!) und Bekleidungsindustrie zur Kurzarbeit ange- Sie setzen Daten, von denen Sie wissen, daß sie nicht meldet werden, so daß jetzt die 100 000-Marke sinnvoll zu setzen sind, sondern daß sie nur aufge- überschritten wird, und was gedenkt die Bun- desregierung zu tun, um der schnell um sich putzt werden, um den Nachweis dafür zu liefern, greifenden Unterbeschäftigung in der Textil- daß Sie handeln wollten, daran aber von den bösen und Bekleidungsindustrie entgegenzutreten? Koalitionsfraktionen gehindert wurden. Haargenau dies ist das Thema, welches meine In der Sache sind wir in vielen Bereichen über- Kollegen heute morgen dauernd in die Debatte mit haupt nicht auseinander. Nur, es wird der Anschein eingeführt haben. Sie haben eben davon gesprochen, erweckt, als ob Sie mit Ihren Anträgen die Pro- der Berg habe gekreißt und ein Mäuslein geboren. bleme der Situation lösen würden. Lassen Sie mich 100 000 Kurzarbeiter sind kein Mäuslein, mein ver- sagen: So wie das eben ausschaut, sind das keine ehrter Herr Kollege! kreißenden Berge, sondern kleine Mäuslein. Sie sollten sie nicht noch aufputzen; denn Mäuslein (Beifall bei der CDU/CSU.) werden dadurch nicht lustiger, daß man ihnen Käpp- Diese Frage brennt uns auf den Nägeln, und Sie wol- chen aufsetzt. len nicht, daß das in der Öffentlichkeit diskutiert Herr Kollege Warnke, die von Ihnen verlesenen wird, sondern in der nichtöffentlichen Ausschuß- Anträge — Teilanträge, wie immer man sagen will sitzung, also unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Die- — werden uns im Ausschuß in sachlicher Weise, sen Gefallen werden wir Ihnen nicht tun. Wir wer- (Abg. Dr. Müller-Hermann: Das war nicht den Sie zwingen, in aller Öffentlichkeit die Fehl- sachlich!) leistungen dieser Regierung bekanntzugeben. Dem dient auch die Anfrage der SPD-Kollegin. hoffe ich, in einigen Punkten sicher auch dazu füh- ren, daß wir sagen: Das ist unsere gemeinsame (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Linie. Es gibt aber eine Reihe von Anträgen die Das ist ein wahnwitziger Kampf!) hat Ihnen Herr Kollege Ehrenberg vorhin schon auf- Wenn Herr Wehner das strenge Regiment, das er gezählt —, von denen Sie genau wissen, daß sie nicht hier führt — ich bewundere ihn deswegen oft —, sinnvoll sind. Das Gesetz, auf das Sie sich bezogen auch in der Fraktion geführt hat, dann kann diese haben, nämlich das Investitionszulagengesetz, liegt Anfrage nicht ohne Genehmigung von Herrn Weh- im gegenwärtigen Zeitpunkt — darauf muß man ja ner durchgelassen worden sein. Demnach haben Sie wohl abstellen -- in der Priorität sicher nicht ganz sich völlig neben die Beschlüsse Ihrer eigenen Frak- vorne. tion gestellt. In der gegenwärtigen Situation müssen wir dafür Ich unterstütze die Kritik, die in dieser Frage ent- sorgen, daß es keine Stagnationen gibt. Denn Sie halten ist. Wir werden darauf noch weiter zurück- wissen: Wenn es die gibt, brauchen wir auch nicht kommen. die 2,5 %; die werden an der Situation insgesamt (Beifall bei der CDU/CSU.) nichts ändern. Wir brauchen dann erst einmal die Dinge, von denen die Regierung gesagt hat, daß sie sie machen werde. Deshalb lassen Sie uns heute Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: um 13 Uhr im Ausschuß beraten, welche Prioritäten Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen wir setzen wollen, damit wir, hoffe ich, zu dem ge- liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. meinsamen Ziel kommen, diese Krise so schnell wie Ich schlage vor, die Vorlagen wie folgt zu über- möglich zu überwinden. Aber nicht sechs Minuten weisen. nach zwölf mit großen Erörterungen im Plenum, son- Punkt 2 a) : Ausschuß für Jugend, Familie und Ge- dern mit handfester Arbeit im Ausschuß! sundheit — federführend --, Ausschuß für Wirt- (Beifall bei der SPD.) schaft, Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO; Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Punkt 2 b) : Finanzausschuß — federführend —, Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Ausschuß für Wirtschaft, Ausschuß für innerdeutsche Abgeordnete Franke (Osnabrück). Beziehungen und Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO; Punkt 2 c) : Ausschuß für Jugend, Familie und Ge- Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) : Herr Präsident! sundheit — federführend —, Ausschuß für Wirt- Meine Damen und Herren! Der letzte Redner der schaft, Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und SPD hat eigentlich provoziert, daß ich hier noch ein- Städtebau sowie Haushaltsausschuß; mal auf die Bühne trete, um folgendes zu zitieren. Herr Kollege Haase, ist Ihnen nicht die Dringlich- Punkt 2 d) : Ausschuß für Wirtschaft — federfüh- keitsfrage der Kollegin Dr. Renate Lepsius aus der rend — und Finanzausschuß; SPD-Fraktion bekannt, Punkt 2 e) : Ausschuß für Ernährung, Landwirt- (Abg. Stücklen: Sein Name ist Hase! -- Abg. schaft und Forsten — federführend —, Ausschuß für Dr. Müller-Hermann: Er weiß von nichts!) Wirtschaft und Haushaltsausschuß; 4286 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Punkt 2 f) : Ausschuß für Wirtschaft — federfüh- oder „kleine Lösung" beim Abzahlungsgeschäft will, rend —, Finanzausschuß, Ausschuß für Arbeit und und wir daher erst heute zur Verabschiedung dieses Sozialordnung, Ausschuß für Raumordnung, Bau- Gesetzes kommen. Ich bin erforderlichenfalls bereit, wesen und Städtebau sowie Haushaltsausschuß; die entsprechenden Protokolle der einzelnen Gre- Zusatzpunkt 2 g) : Ausschuß für Wirtschaft — mien vorzulegen. Im Jahre 1965 — wenn ich das federführend — sowie Ausschuß für Forschung und erwähnen darf — hat die SPD-Fraktion bei dem da- Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen. maligen Entwurf gegen die „kleine Lösung" Beden- ken verfassungsrechtlicher Art gehabt. Im Jahre Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so 1971 hat die SPD-Fraktion die „große Lösung" im beschlossen. Wirtschaftsausschuß mit 6 gegen 7 Stimmen abge- lehnt. Das nur noch zur Geschichte des Gesetzent- Wir fahren in der Abwicklung der Tagesordnung wurfs. Ich glaube, wir sollten jetzt nicht weiter in fort. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: die Historie zurückgreifen, sondern allgemein be- Zweite und dritte Beratung des vom Bundes- grüßen, daß es endlich gelungen ist, hier im Inter- rat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten esse des Verbrauchers eine vernünftige, ausgewo- Gesetzes zur Änderung des Abzahlungs- gene Lösung ides Widerrufsrechts zu finden. gesetzes Die „große Lösung" ist unserer Auffassung nach — Drucksache 7/598 — die verbraucherfreundlichste und die sozialste Lö- Bericht und Antrag des Rechtsausschusses sung, weil sie jedem Abzahlungskäufer ganz (6. Ausschuß) gleich, ob er an der Haustür, im Einzelhandelsge- — Drucksache 7/1398 — schäft oder im Großkaufhaus kauft — eine Über- Berichterstatter: legungsfrist gibt, nochmals darüber nachzudenken, ob er an dem Kaufabschluß festhalten will, nachdem Abgeordneter Dr. Stark (Nürtingen) er in Ruhe die finanziellen Auswirkungen seines Abgeordnete Frau Däubler-Gmelin getätigten Kaufes übersehen kann. Nach der „gro- (Erste Beratung 39. Sitzung). ßen Lösung" hat also jeder Abzahlungskäufer in Zukunft die Möglichkeit, innerhalb einer Woche von Wird von seiten der Berichterstatter eine Ergän- dem abgeschlossenen Kauf zurückzutreten, bzw. zung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich danke wird der abgeschlossene Kauf erst wirksam, wenn den Berichterstattern. der Abzahlungskäufer nicht widerruft. Ich rufe in zweiter Beratung Art. 1, 2, 3 und 4 so- Wir begrüßen die „große Lösung" bei der Ein- wie Einleitung und Überschrift auf. — Das Wort führung des Widerrufsrechts aber auch deshalb, wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. weil sie unter wettbewerbs- und ordnungspoliti- Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung zuzustim- schen Gesichtspunkten die ausgewogenste Lösung men wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich ist. Schließlich sind bei der „großen Lösung" die im- danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ein- mer wieder geäußerten verfassungsrechtlichen Be- stimmig so beschlossen. denken gegen eine Benachteiligung eines Vertriebs- Wir treten in die zweiges unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 des Grundgesetzes — Gleichbehandlung — meines Er- dritte Beratung achtens nicht mehr aufrechtzuerhalten. ein. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stark. Umstritten war bei der nun gefundenen Lösung des Widerrufsrechts, ob bei den Versandhandels- Dr. Stark (Nürtingen) (CDU/CSU) : Herr Präsi- unternehmen das Widerrufsrecht durch das soge- dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! nannte Rückgaberecht ersetzt werden kann. Wir Namens der CDU/CSU-Fraktion darf ich folgende waren im Rechtsausschuß mit Mehrheit der Auffas- Erklärung zur Verabschiedung der Novelle zum Ab- sung, daß das Rückgaberecht verbraucherfreund- zahlungsgesetz abgeben. licher ist als lediglich das Widerrufsrecht. Hier ist Meine Fraktion begrüßt es, daß es endlich nach folgender Sachverhalt festzustellen: Nach Einfüh- jahrelangem Ringen gelungen ist, das Widerrufs- rung des Widerrufsrechts wird in Zukunft sehr wahr- recht in das Abzahlungsgesetz einzufügen. Wie Sie scheinlich von allen Verkäufern nur noch nach Ab- alle wissen, beschäftigt sich das Haus seit vielen lauf der Widerrufsfrist ausgeliefert werden. Beim Jahren mit dieser Frage. Wir begrüßen insbeson- Rückgaberecht wird der Käufer die Ware selten so- dere, daß die von uns bereits seit der 5. Legislatur- fort bekommen, sondern meistens erst nach einer periode vorgeschlagene „große Lösung" in das Ge- bestimmten Zeit — die Versandhandelsunterneh- setz Eingang gefunden hat. Wenn meine sehr ver- mer brauchen eine bestimmte Zeit, bis sie die Ware ehrte Kollegin Däubler-Gmelin in der ersten Aus- in Marsch setzen —; er hat also praktisch zwei sprache zu diesem Gesetz erklärt hat, daß die Frak- Überlegungsfristen: er kann überlegen, bis die tion der SPD nicht daran beteiligt war, daß erst Ware bei ihm ankommt, und er kann dann, wenn heute dieses Widerrufsrecht eingeführt werden er die Ware wirklich sieht und wenn er sie geprüft kann, so möchte ich, ohne auf die ganze Geschichte hat, nochmals überlegen und dann die Ware, soweit des Gesetzes einzugehen, doch erwähnen, daß die sie zurückversendungsfähig — postpaketversand- frühere Einführung dieses Widerrufsrechts vor allem fähig — ist, zurücksenden oder andernfalls ihre daran gescheitert ist, daß sich die Fraktion der SPD Rücknahme verlangen. Das geschieht auf Kosten nicht darüber einigen konnte, ob sie nun die „große" und Gefahr des Verkäufers. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4287

Dr. Stark (Nürtingen) Wer behauptet, hier sei ein Wirtschaftszweig-len oder abwarten, ob mit den jetzt vorgeschriebenen Vertriebszweig bevorzugt, hat meines Erachtens Regelungen der optimale Verbraucherschutz tat- nicht richtig verstanden, worum es uns gegangen sächlich so erreicht wird, wie wir uns das vorstel- ist: Wir wollten auf eine bereits eingespielte Ver- len. Wir haben deshalb im Rechtsausschuß die Bun- triebsart der Versandhandelsunternehmer Rücksicht desregierung übereinstimmend aufgefordert, uns nehmen und wollten dem Verbraucher in diesem nach Ablauf von zwei Jahren einen Bericht über die Falle sogar ein Mehr als lediglich das Widerrufs- Erfahrungen mit diesem Abzahlungsgesetz zu ge- recht geben. Wir waren der Meinung, daß es, wenn ben und vor allem die Bestimmungen über den der Verbraucher die Ware noch besichtigen und finanzierten Abzahlungskauf nochmals zu überden- prüfen kann, ein Mehr ist, als wenn er, ohne daß ken und zu überarbeiten. er die Ware je empfangen hat, nur widerrufen kann, Ich darf für die Fraktion der CDU/CSU ankündi- zumal er meistens nach Katalog bestellt hat. gen, daß wir dem Gesetzentwurf zustimmen. Wir begrüßen es darüber hinaus, daß der Ver- (Beifall bei der CDU/CSU.) such gemacht wurde, den sogenannten finanzierten Abzahlungskauf in das neue Abzahlungsgesetz ein- zubeziehen. Bisher bestand über die Kreditgewäh- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: rung durch Dritte vielfach die Möglichkeit, das Ab- Das Wort hat Frau Abgeordnete Däubler-Gmelin. zahlungsgesetz zu umgehen. Ob die hier gefundene Lösung bezüglich des finanzierten Abzahlungskaufs Frau Däubler - Gmelin (SPD) : Herr Präsident! schon der Weisheit letzter Schluß ist, ob alle Fälle Meine Damen und Herren! Sie wissen alle, daß mit erfaßt sind, die wir treffen wollen, muß die Erfah- dem Gesetzentwurf, der Ihnen heute zur Abstim- rung mit diesem Gesetz erst noch zeigen. mung vorliegt, ein Vorhaben zum Schutz und zum Im Interesse des Verbrauchers begrüßen wir es Nutzen des Verbrauchers verwirklicht wird, dessen ganz besonders, daß er über sein Widerrufsrecht und Grundlagen in der Tat bis ins letzte Jahrhundert über sein Rückgaberecht ausdrücklich und in den zurückreichen. Und auch die Bemühungen um die bei dem Kauf zu fertigenden Urkunden an hervor- uns heute vorliegende Änderung des Abzahlungs- gehobener Stelle belehrt werden muß. Durch eigene gesetzes dauern bereits länger als ein Jahrzehnt. Unterschrift des Käufers muß die Belehrung über Lieber Herr Dr. Stark, da wir uns im Ausschuß sein Widerrufsrecht bzw. sein Rückgaberecht ge- über diese Sache häufig genug unterhalten haben, sichert sein. brauche ich jetzt nicht noch einmal aufzuzeigen, von Wir begrüßen es ferner, daß in das Gesetz die wem was im einzelnen kommt. Sie wissen sehr sogenannten wiederkehrenden Leistungen, also genau, daß gerade meine Fraktion mehr getan hat, etwa der Bezug von Zeitschriften, einbezogen ist. als nur zu reden, und daß wir in einem Streit über Auch hier hat der Verbraucher die Möglichkeit, Urheberrechte gar nicht schlecht abschneiden wür- sich nochmals zu überlegen, ob er sich an das Ge- den. Im übrigen werden Sie ja sicherlich nicht die schäft halten will. Er kann während einer Überle- heutige Linie Ihres Fraktionsvorsizenden verfolgen gungsfrist von einer Woche seine Entscheidung in wollen, die, daß man durch ständiges Wiederholen Ruhe treffen. nicht immer ganz richtiger Behauptungen die Öffent- lichkeit schon von seinem Standpunkt überzeugen Mit der bevorstehenden Verabschiedung der No- werde. Deswegen kann ich es mir ersparen, im ein- velle zum Abzahlungsgesetz wird unseres Erachtens zelnen zu Ihren diesbezüglichen Äußerungen etwas ein wesentlicher Schritt auf dem Wege zu einem zu sagen. besseren Verbraucherschutz getan. (Abg. Stark [Nürtingen] : Frau Kollegin, Ausdrücklich möchte ich darauf hinweisen, daß Sie haben schon begonnen!) neben dem Widerrufsrecht natürlich die sonstigen Anfechtungsmöglichkeiten nach dem Bürgerlichen -- Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen möchten, Gesetzbuch oder im Zusammenhang mit einem Be- Herr Dr. Stark, können Sie das tun. Sonst würde trug nach wie vor gegeben sind. Der Verbraucher ich an sich lieber in der Erklärung meiner Fraktion muß das wissen. Er sollte nicht meinen, daß dann, fortfahren. wenn er betrogen, wenn er getäuscht worden, die Sie alle, die den langen und zum Teil etwas um- Widerrufsfrist aber abgelaufen ist, keine Anfech- ständlichen Weg dieses vernünftigen Reformgeset- tungsmöglichkeit mehr besteht. Ich halte es deshalb zes zum Verbraucherschutz miterlebten, haben auch für erforderlich, von dieser Stelle ausdrücklich dar- alle Schwierigkeiten vor Augen, die sich in diesem auf hinzuweisen. Zusammenhang ergeben haben. Die erste — darauf Unter Berücksichtigung des gleich noch zur Ver- möchte ich nochmals hinweisen — lag darin, ob man abschiedung anstehenden Entwurfs eines Gesetzes denn überhaupt ein Widerrufsrecht wolle, und zwar zur Änderung der Bestimmungen über die Gerichts- ein Widerrufsrecht, das es einem Teil, nämlich standsvereinbarung glaube ich, daß wir mit der Än- dem Verbraucher, ermöglichen sollte, von einer derung des Abzahlungsgesetzes und anderen Vor- bereits eingegangenen Kaufverpflichtung wieder Ab- haben, die noch auf uns zukommen werden, einen stand zu nehmen, oder ob man das alte, eherne Verbraucherschutz erreicht haben, der unter den ge- und schöne Prinzip des Pacta sunt servanda auf gebenen Bedingungen meines Erachtens optimal sein diesem Gebiet bis zum bitteren Ende durchhalten wird. Allerdings ist das Abzahlungsgesetz jetzt in sollte. Denn wir alle wissen, daß vornehmlich im kürzester Zeit zweimal geändert worden. Wir wol Bereich der Abzahlungsgeschäfte gerade dieses Prin- 4288 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Frau Däubler-Gmelin zip dazu führt, daß häufig den Ärmsten die Hunde haben uns für diese Lösung entschieden, weil alle beißen. Fraktionen — wie ich meine, glücklicherweise — der Wenn ich dieses sage, denke ich natürlich an Auffassung sind, daß der Verführungseffekt moder- die Haustürgeschäfte, den beliebten Tummelplatz ner Verkaufspsychologie, die durch Werbung in den für redegewandte und clevere Vertreter, die häu- Medien, in Fernsehen, Zeitung und Rundfunk, unter- fig mit mehr als unlauteren Mitteln arbeiten, aber stützt wird, heute mit der Überredungskunst eines aus Gründen der Beweisnot nicht dingfest gemacht cleveren Vertreters gleichgesetzt werden muß. Und werden können. Dann ist regelmäßig der Verbrau- dies auch dann, wenn wir sehr wohl sehen, daß be- cher der Dumme, der wirtschaftlich schwächer ist stimmte Tricks und Überredungsmodalitäten im sta- und sich häufig mit unserer komplizierten wirt- tionären Einzelhandel gar nicht so leicht auftreten schaftlichen und rechtlichen Situation nicht zurecht- können. findet. Neben der Streitfrage, ob große oder kleine Lö- Ich denke natürlich im Zusammenhang mit der sung, stand natürlich auch in Frage, ob weitere Ver- Frage, ob der Grundsatz des Pacta sunt servanda auf träge in unsere Regelung einbezogen werden könn- sämtlichen Gebieten durchgehalten werden soll, an ten. Nicht nur die Frage des Ortes des Vertragsab- die Kaffeefahrten, auf denen Heimbügelmaschinen schlusses war somit interessant, sondern auch fol- alten Leuten aufgeschwätzt werden, die dann dar- gendes: Wir haben es mit Überredungskünstlern auf sitzenbleiben und dann zum Teil unverschämten und Übervorteilten nicht nur dort zu tun, wo einmal Drohungen und Mahnungen von seiten der Ver- ein Gegenstand auf Raten verkauft wird, also Auto, käufer ausgesetzt sind. Heimtextilien oder Teppiche, sondern wir haben diese Schwierigkeiten ebenso dort, wo jemandem Meine Damen und Herren, ich denke natürlich ein Zeitungsabonnement angedreht wird, wo ein auch an alle diejenigen Fälle, in denen einem Ver- Verbraucher eine Lexikonlieferung vertraglich ver- braucher — wo auch immer — Waren aufgeschwätzt einbart oder auch — und das insbesondere in letzter werden zum Nutzen des Verkäufers, aber nicht des Zeit — wenn er Fernlehrkurse ankauft, die mit um- Käufers. In diesem Zusammenhang gibt es ganz be- fassender Betreuung und Korrektur von zu Hause sonders betrübliche Randerscheinungen, nämlich anzufertigenden Aufgaben verbunden sein sollen. solche — wie würden Sie die bezeichnen? —, in Alle diese Verträge sind entweder Sonderformen denen einem Verbraucher ein Kaufvertrag förmlich des Kaufvertrages oder entsprechende Mischver- aufgedrängt wird, er dann die Waren erhält, die er träge, deren Gestaltung bereits im BGB nur unvoll- nicht brauchen und auch nicht bezahlen kann, was er ständig geregelt und die bisher im Abzahlungsge- eigentlich auch wußte. Dann folgt in der Regel ein setz überhaupt nicht aufgetaucht sind. Betrugsverfahren. Denn der Käufer hätte ja wissen müssen, daß er nicht zahlen kann, und der Verkäufer, Wir haben uns wiederum erfreulicherweise, wie der ihm diese Waren durch seine Überredungskunst ich meine, dafür entschieden, für alle diese Ver- aufdrängt, hat ja den Schutz des Rechts für sich. träge ein Widerrufsrecht vorzusehen. Das heißt im Klartext: alle Ratenzahlungskäufer, auch solche, die Das sind die Erscheinungen, die wir alle mit un- gemischte Verträge abschließen, können innerhalb serem Entschluß, das Widerrufsrecht nun endlich einer Woche vom Vertrag zurücktreten, ohne dafür zu wollen, wie ich hoffe, endgültig in den Orkus Gründe angeben zu müssen. Ich kann nur noch ein- geschickt haben. Das sind die Fälle, in denen wir es mal ganz deutlich hervorheben, meine Damen und in Zukunft nicht mehr nötig haben werden, durch Herren, damit sind wir in der Tat ein ganz großes Interventionen von Abgeordneten, durch Interven- Stück weiter auf dem Wege zu mehr und besserem tionen von Bürgermeistern, durch Tricks von Rechts- Verbraucherschutz. anwälten die Auswirkungen von Beweisnot wenig- stens etwas zu mildern; das sind die Fälle, für die Wenn wir berücksichtigen — Herr Dr. Stark hat wir tatsächlich zeigen konnten, daß uns Verbrau- dankenswerterweise darauf hingewiesen —, daß cherschutz interessiert. wir auch die Bestimmungen über den finanzierten Abzahlungskauf in unsere Regelung hineingenom- (Beifall bei der SPD.) men haben, dann verstärkt sich dieser günstige Ein- Der zweite Streitpunkt, meine Damen und Herren, druck vollkommen zu Recht, denn damit verschlie- betraf folgendes: Wenn wir einen Widerruf wollen, ßen wir ein weiteres Schlupfloch, und zwar zugun- für welche Arten von Verträgen, von Ratenzahlungs- sten der Verbraucher. Ratengeschäfte, bei denen ,der geschäften sollte denn dieses Widerrufsrecht mög- Verbraucher die Ratenzahlungen nicht an den Ver- lich sein? Nur für solche, die an der Haustür, in Bus- käufer selbst entrichtet, sondern im Rahmen eines sen oder auf der Straße, also im nichtstationären gesonderten Kreditvertrages an eine Bank zahlt, Einzelhandel durch fliegende Vertreter oder Ver- die ihrerseits dem Verkäufer die gesamte Summe treterkolonnen abgeschlossen wurden? Diesen Vor- auszahlt, wurden durch das Abzahlungsgesetz, wenn schlag machte das Land Hessen, als es in sehr ver- überhaupt, so doch nur sehr unvollkommen erfaßt. dienstvoller Weise die letzte Runde des Kampfes Die Rechtsprechung, die hier dankenswerterweise um die Reform des Abzahlungsgesetzes einläutete. vernünftige und verbraucherfreundliche Wege ein- geschlagen hat, schien in der letzten Zeit erkennen Kontrapunkt zu dieser kleinen Lösung war — wie zu lassen, daß sie wohl eine Äußerung des Gesetz- kann es anders sein? — die große Lösung, die alle gebers braucht, der sie auf ihrem ursprünglichen Abzahlungsgeschäfte umfassen sollte, gleichgültig Wege bestärkt. Genau auf diesen Weg wollten wir an welchem Ort sie abgeschlossen würden. Wir mit dieser Regelung hinweisen, die wir jetzt vor- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4289

Frau Däubler-Gmelin liegen haben. Wir wollten damit ganz deutlich mag dies beklagen oder auch begrüßen. Ich selber machen, daß wir den verbraucherfreundlichen Weg nehme eine etwas ambivalente Haltung zu der vor- der Rechtsprechung für richtig halten und daß wir liegenden Formulierung ein. Denn wir wollten zwar, ihn unterstützen. daß die großen Versandhandelsunternehmen, die in der Tat als gesonderte Branche angesehen werden Im Gegensatz zu dem, was Herr Dr. Stark sagte, können und die heute schon ein Rückgaberecht an- halte ich die uns jetzt vorliegende Formulierung bieten, ein gesetzliches Rückgaberecht weiter an- sicherlich nicht für der Weisheit letzten Schluß. Sie bieten können, aber ich sehe natürlich auch die gro- wird nicht allen Detailanforderungen gerecht wer- ßen Schwierigkeiten: Der Begriff des Versandhan- den können. Wenn wir aber berücksichtigen, daß wir bald besondere, ausformulierte und präzise Rege- dels ist bisher weder präzise noch eindeutig defi- lungen über die Einschaltung von Kreditinstituten niert. Wir werden darauf warten müssen, daß uns bei der Abwicklung von Ratengeschäften haben wer- die Rechtsprechung einen einengenden Begriff be- den, können wir uns mit dieser Formulierung zu- schert. Denn wir wollen natürlich nicht — keiner nächst durchaus zufriedengeben, weil wir dann heute von uns will das —, daß jeder kleine fliegende nur unseren grundsätzlichen Willen zum Ausdruck Händler, dem gerade wir seine Mißbrauchsmöglich- bringen, aber nicht mehr. keiten versauern wollten, mit Hilfe des alternativen Rückgaberechtes sein Unwesen weitertreibt. Des- (Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Hier befinden wegen wird es darum gehen, hier eine vernünftige wir uns in keinem Gegensatz!) Eingrenzung durch die Rechtsprechung zu bekom- -- Herr Dr. Stark, stellen Sie doch eine Zwischen- men. frage, wenn Sie etwas von mir wissen wollen. Insgesamt kann die SPD-Fraktion jedoch erklä- (Heiterkeit.) ren, daß sie über die Vorlage sehr erfreut ist. Wir alle stimmen dem Gesetz zu, das wir insgesamt für Ich möchte gern noch auf drei. Punkte hinweisen. sehr gelungen halten und für das wir — das wird Wir haben einerseits eine ganze Reihe von Rück- wohl jeder in diesem Hause bestätigen — ein biß- abwicklungsproblemen gesondert geregelt, was sich chen mehr getan haben, als nur zu reden. Wenn wir zugunsten des Verbrauchers auswirkt. Das ist eine bestimmte Vorschläge nicht vorgelegt hätten und sehr wichtige Sache. nicht mit einem derartigen Druck vorgegangen wä- Es sind jedoch noch zwei weitere Dinge zu er- ren, wären wir nicht da, wo wir heute sind. Und wähnen, von denen nur das eine sehr positiv zu daß wir diese Regelung heute beschließen können, bewerten ist. Dazu soviel: Gerade wenn man sich freut uns. Ich danke Ihnen. damit befaßt, Regelungen, Gesetze zu schaffen, die (Beifall bei der SPD.) den Verbraucher schützen sollen, muß man zugleich dafür sorgen, daß die Information über das Recht tatsächlich an den Betroffenen gelangt. In unserem Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Fall würde ein Widerrufsrecht gar nichts nützen, Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert. wenn wir nicht verankert und abgesichert hätten, daß zugleich )die Belehrung des Betroffenen erfolgen (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr ver- muß. Wir haben deshalb eine Regelung aufgenom- Kleinert - ehrten Damen! Meine Herren! Zu der Technik und men, die nicht nur verschreibt, schriftlich den Käufer der Anlage des Gesetzes haben die Erklärungen über alle seine Rechte zu belehren, sondern wir meiner Vorredner schon das meiste dargelegt. Ich haben an diese Pflicht zusätzlich noch bestimmte habe für die Fraktion der Freien Demokraten zu er- verschärfende Maßregeln geknüpft: Wird nicht be- klären, daß wir nach all den Arbeiten und Ausein- lehrt, beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen; andersetzungen, die in den letzten vier Jahren über wird nicht belehrt und die Ware wird dennoch aus- dieses Thema stattgefunden haben, das Gesetz aus geliefert, verschärft sich das Risiko des Verkäufers. Überzeugung mit tragen. Wir glauben, daß wir mit diesem Ansporn zu mehr Information und Belehrung ebenfalls einen guten Nachdem dieses feststeht, möchte ich einige Be- Schritt getan haben. merkungen etwas skeptischerer Art machen. Immer- hin haben wir bei der Diskussion nichts von dem Der letzte Punkt — der, den ich als nicht positiv gehört, was wir in diesem Hause sonst sehr oft empfinden kann — betrifft die Frage, die Herr hören, nämlich daß wir unser besonderes Wohlwol- Dr. Stark als das alternative Rückgaberecht als len einer Figur schenken, die der „mündige Bürger" Sonderregelungen für Versandhandelsunternehmen genannt wird. Es ist ein erklärtes Ziel aller Fraktio- — aufgeführt hat. Mich hat Herr Scheu, der Bericht- nen des Hauses, aller Parteien, daß wir dahin kom- erstatter des Wirtschaftsausschusses, in Sachen Ab- men, daß unsere Bürger sich möglichst mündig, d. h. zahlungsgesetz ausdrücklich gebeten, Ihnen mitzu- möglichst selbstverantwortlich im Privat- und auch teilen, daß der Wirtschaftsausschuß diese Formulie- im Geschäftsleben betätigen können. Anscheinend rung und diese Regelung gestrichen haben wollte; sind wir auf diesem Weg noch nicht so weit wie das ,sei vom Wirtschaftsausschuß einstimmig be- wünschenswert vorangekommen. Sonst wäre dieses schlossen worden. Sie wissen auch — das hat Herr Gesetz zum Schutze des idealtypischen mündigen Dr. Stark gesagt —, daß der Rechtsausschuß sich Bürgers nicht erforderlich. Das muß man einfach mit Mehrheit dafür ausgesprochen hat, die Regelung sehen. in das Gesetz aufzunehmen. Nun, dieses Sonder rückgaberecht schafft, wie schon sein Name andeu- Ich sehe auf der anderen Seite aber auch, daß wir tet, Sonderregelungen für den Versandhandel. Man an der Realität nicht vorbeigehen können. Diese 4290 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Dr. Kleinert Realität wird auch von den auf der Vertriebsseite aber nicht der Aufklärung unserer Bürger dienen handelnden Kräften gesehen, und zwar auch mit können. einer gewissen Portion, nennen sie es Ironie oder Zynismus. Das kann man zum Beispiel daran er- Was die Sache selbst angeht, möchte ich mich auf kennen, daß im Büro des Chefs einer solchen Ver- einige wenige Punkte der vorgesehenen Regelung triebsfirma ein schön handgemaltes Schild an der beschränken. Wir haben es als ein wichtiges Ziel Wand hängt, das jeder Besucher dort zur Kenntnis angesehen, nicht nur den Verbraucher zu schützen, nehmen kann. Auf diesem Schild steht: „Es ist ganz sondern auch die Wettbewerbsgleichheit aller be- gleich, wieviel man für eine Sache bezahlen muß, teiligten Vertriebswege möglichst weitgehend auf- wenn es nur nicht sofort und auf einmal sein muß." rechtzuerhalten, dieses Gesetz also im Hinblick auf Das ist natürlich der Antrieb, der dahintersteht. Ge- den Wettbewerb u. a. zwischen den Großunterneh- nau das ist es, wovor einige Leute durch dieses men des Versandhandels und den Kaufhäusern, aber Gesetz geschützt werden müssen. auch zwischen einer Vielzahl kleinerer Wettbewer- ber am Markt, die nicht so bekannt sind, neutral zu Bedeutend lieber wäre es uns Freien Demokraten gestalten. Das ist unserer Auffassung nach zum und wahrscheinlich auch den Damen und Herren in einen durch die nunmehr allseits akzeptierte „große den anderen Fraktionen, wenn wir raschere Fort- Lösung", zum anderen aber auch durch die Erset- schritte bei der Aufklärung unserer Bürger erzielen zung des Widerrufsrechts durch ein Rückgaberecht könnten, und zwar auch derjenigen, die in mehrerer in dem Bereich geschehen, in dem die Ware dem Hinsicht etwas zu kurz gekommen sind, wenn wir Kunden ins Haus geschickt und anvertraut wird, also auf dem Gebiet der Gesetzgebung etwas weni- wo er sie ohne jede Fremdbeeinflussung besehen ger umfassend Vorsorge treffen müßten. Ich stelle und bewerten kann und es ihm freisteht, sie wieder mir das allerdings nicht so vor, wie es in den hessi- zurückzusenden. Diese Besonderheit in dem Bereich, schen Rahmenrichtlinien für den Schulunterricht in dem jemandem Waren ins Haus geschickt werden vorgesehen ist, nach denen auch Wirtschaftsunter- und ihm traditionell ein Rückgaberecht gewährt richt gegeben werden soll. Ich hatte neulich durch wird, mußte in der jetzt getroffenen Regelung be- einen seltenen Zufall Gelegenheit, Herrn von Auer, rücksichtigt werden. Ich glaube, daß hier keine der u. a. für diesen Bereich zuständig ist, im Fern- Verzerrung eingetreten ist, sondern daß nur durch sehen zu beobachten, als er erklärte: Es wäre doch diese Regelung eine sonst drohende Verzerrung zum sehr sinnvoll, wenn die Kinder in der Schule lern- Nachteil der Versender und zum Vorteil der statio- ten, den Wirtschaftsteil einer Tageszeitung zu lesen, nären Unternehmen verhindert werden kann. Ich damit sie wissen, wie in einem benachbarten Werk bin auch der Meinung, daß die Abgrenzung des der Großindustrie enorme Gewinne gemacht werden, Begriffs „Versandhandel" der Rechtsprechung nicht und sich darauf einrichten können. Diese Art von allzugroße Schwierigkeiten bereitet. Wenn Ware sogenanntem Unterricht über Wirtschaftsfragen versandt wird, in der Wohnung des Käufers zum wird hoffentlich nicht zu ausschweifend praktiziert, Besicht zur Verfügung steht, ohne daß dabei irgend- sondern alsbald durch einen wirklich sachbezoge- welche Möglichkeiten gegeben sind, den Käufer nen und objektiven Unterricht ersetzt werden. Nach zu beeinflussen, der Käufer also ein uneingeschränk- meinen Beobachtungen müßte man aber zunächst tes Rückgaberecht hat, so ist dies meines Erachtens einmal bei der Lehrerbildung anfangen und dürfte als Kriterium zur Abgrenzung durchaus ausreichend. nicht Lehrer einsetzen, die davon genausowenig verstehen wie die Schüler und deshalb notwendiger- Zu den anderen Fragen ist bereits Stellung ge- weise ihre Zuflucht zur Ideologie nehmen müssen. nommen worden. Gestatten Sie mir noch ein Wort (Zustimmung bei der FDP und bei der in dem Zusammenhang, den ich einleitend bereits CDU/CSU.) angeschnitten hatte. Wir haben von der Wirksam- keit dieses Gesetzes jetzt nur die im Handelsregister Das sind, meine ich, Erwägungen, die keineswegs eingetragenen Vollkaufleute und gewisse Firmen vom Thema wegführen, sondern die durchaus zum und Institutionen, die eigene Rechtspersönlichkeit Thema gehören. Tun wir alles, um unseren Bür- haben, ausgenommen. Ich weiß nicht, ob man diese gern dabei zu helfen, sich in jedem Fall selbstver- Regelung lange Zeit aufrechterhalten sollte, denn sie antwortlich zu verhalten, und machen wir es mög- bedeutet doch, daß wir der Masse der in diesem lich, daß wir in nicht allzu ferner Zukunft auf die Lande tätigen Handwerker und vielen Kaufleuten „Krücken" derartiger Schutzgesetze, von denen wir mit einem keineswegs kleinen Umsatz vom Gesetz- eines heute verabschieden, werden verzichten kön- geber aus hiermit die Mitteilung zugehen lassen, sie nen. seien nicht in der Lage, sich im Geschäftsleben frei Auf keinen Fall aber sollten wir uns auf den Weg und verantwortlich zu bewegen. Ich weiß wohl um begeben — ich sage das, um nicht mißverstanden die Schwierigkeiten, eine bessere Abgrenzung zu zu werden —, der in letzter Zeit in verschiedenen finden. Die jetzt gefundene Regelung kann, so meine Eingaben und Veröffentlichungen vorgeschlagen ich, nur ein erster Versuch sein. Ich glaube, daß worden ist, nämlich Verbraucherakademien einzu- man weiterhin darüber nachdenken sollte, wie man richten. Es wäre wirklich das letzte, mit zusätzlichen den Bereich des Geschäftslebens deutlich gegenüber Institutionen Dinge ändern zu wollen, für die Insti- dem Bereich der privaten Geschäfte abgrenzen kann, tutionen in reichlicher Zahl vorhanden sind, statt die wir nun einmal, so wie die Dinge heute liegen, gesunden Menschenverstand und praktische Ver- zu schützen gezwungen sind. Wie gesagt, es gibt nunft zu entwickeln. Mit speziellen Akademien durchaus Bedenken gegen die jetzt gefundene Rege- würde man nur künftigen Inhabern von Planstellen, lung. Ich habe mich ja schon bemüht, darzulegen, daß Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4291 Dr. Kleinert auf dem Wege über den wirklich mündigen Bürger Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: eine weit bessere Lösung gefunden werden könnte. Nein, das können Sie nicht ohne weiteres, Herr Kol- Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen. lege, denn ich habe zunächst nur Punkt 8 der Tages- ordnung aufgerufen. (Beifall bei den Regierungsparteien.) Rapp (Göppingen) (SPD) : Herr Präsident! Meine Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Damen und Herren! Ich habe nur deshalb um das Zu einer Erklärung zur Abstimmung nach § 59 un- Wort zur Berichterstattung gebeten, um in drei serer Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Punkten noch etwas zur Verdeutlichung des Schrift- Unland das Wort. lichen Berichts auf Drucksache 7/1390 zu sagen, auf den ich im übrigen auch aus Gründen der Sprödig- Dr. Unland (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine keit der Materie verweisen möchte. Damen und Herren! Da vorn federführenden Rechts- Meine erste Anmerkung bezieht sich auf Art. 1 ausschuß wesentliche einstimmige Beschlüsse des des vorliegenden Gesetzentwurfes, wonach in § 5 Wirtschaftsausschusses nicht berücksichtigt worden Abs. 1 Nr. 1 des Hypothekenbankgesetzes die sind, sehe ich mich genötigt, folgende Erklärung ab- Vergabe von Kommunaldar- zugeben. Ich habe ernste verfassungsrechtliche Be- Höchstgrenze für die auf 10 vom Hundert der denken gegen die vom Rechtsausschuß gefundene lehen in andere EG-Staaten Gesamtdarlehen begrenzt wird. Dieser Vomhundert- Formulierung des § 1 b Abs. 5 des Abzahlungsge- satz, meine Damen und Herren, darf keineswegs als setzes. Ich sehe darin eine sachlich nicht gerecht- eine Maßeinheit für die Wertschätzung der Liberali- fertigte Diskriminierung des stationären Einzelhan- sierung des Kapitalverkehrs in Europa mißdeutet dels gegenüber dem Versandhandel, der im übrigen werden. Aus einer solchen Sicht hätte man über- in diesem Gesetzestext nicht einmal definiert wor- haupt keinerlei Begrenzung einführen dürfen. Viel- den ist. Ich bedaure daher, mich in der Abstimmung mehr handelt es sich darum, daß der Einstieg in ein über dieses wichtige Gesetz der Stimme enthalten zu neues Geschäft mit noch unbekannten Risiken er- müssen. möglicht wird. Der im Gesetz fixierte Prozentsatz ist somit unter Bonitätsgesichtspunkten zu sehen. Es Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: handelt sich nicht um einen politischen Prozentsatz. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich Im übrigen kann dieser Prozentsatz auf dem Ver- schließe die Aussprache. ordnungsweg erhöht werden, wobei die Bundes- Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzu- regierung auf die Gewährleistung und die Gewäh- stimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — rung von Gegenseitigkeit achten sollte. Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Der Zweitens möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf den Gesetzentwurf ist in dritter Beratung bei zwei in Drucksache 7/1382, Seite 3, im Antragstext ent- Stimmenthaltungen angenommen. haltenen Entschließungsantrag lenken. Wir haben es Wir haben noch über die Anträge des Ausschus- hier mit dem dornigen Problem der niedrigverzins- ses unter den Ziffern 2 und 3 abzustimmen. Ich lichen Pfandbriefe und Kommunalschuldverschrei- glaube, ich kann in gemeinsamer Abstimmung dar- bungen mit langen und überlangen Laufzeiten zu über bescheiden lassen. Wer den Ziffern 2 und 3 tun, mit Emissionen aus Niedrigzinsperioden, also des Ausschußantrags zustimmt, den bitte ich um das solchen, die die betreffenden Wertpapiersparer nicht Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltun- ohne Hinnahme sehr erheblicher Verluste veräußern gen? — Es ist so beschlossen. könnten. Die Bundesregierung hatte die Absicht, die- sem Problem durch den Erlaß von Rechtsverordnun- Vor der Mittagspause rufe ich noch Punkt 8 der gen zu Leibe zu rücken, wonach die Emittenten unter Tagesordnung auf: Wahrung der gebotenen Vorsicht zu vorfristigen Til- Zweite und dritte Beratung des von der Bun- gungen veranlaßt werden könnten. Von einer sol- desregierung eingebrachten Entwurfs eines chen Ermächtigung ist nunmehr in den Ausschuß- Gesetzes zur Änderung des Hypothekenbank- beratungen im Hinblick darauf Abstand genommen gesetzes und des Schiffsbankgesetzes worden, daß die Verbände der Realkreditinstitute — Drucksache 7/114 — zugesagt haben, freiwillig jährlich mindestens für 200 Millionen DM derartige Papiere vorfristig zu Bericht und Antrag des Finanzausschusses tilgen. In dem Entschließungsantrag wird zum Aus- (7. Ausschuß) druck gebracht, daß auf die Ermächtigung der Bun- — Drucksachen 7/1382, 7/1390 — desregierung zum Erlaß von Rechtsverordnungen nur im Vertrauen darauf verzichtet wird, daß die Berichterstatter: Realkreditinstitute ihre Zusage voll erfüllen. Die Abgeordneter Rapp (Göppingen) Bundesregierung wird in der Entschließung aufge- (Erste Beratung 15. Sitzung) fordert, dem Bundestag darüber in drei Jahren zu Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rapp als Be- berichten. richterstatter. An dieser Stelle ist es wohl angezeigt, nicht zu realisierenden Erwartungen an diese Regelung zu Rapp (Göppingen) (SPD) : Herr Präsident, kann begegnen. Das Volumen der niedrigverzinslichen ich davon ausgehen, daß auch Punkt 9 der Tages- Langläufer, wie das im Fachjargon heißt, beträgt ordnung mit aufgerufen ist? über 50 Milliarden DM. Die Möglichkeit, jährlich 4292 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Rapp (Göppingen) vorfristig zu tilgen, ist demgegenüber sehr be- Pfandbriefe und verwandten Schuldverschrei schränkt. bungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten

Um derartigen Fehlentwicklungen vorzubeugen, Drucksache 7/112 — stellen die vorliegenden Gesetzentwürfe ein höhe- Bericht und Antrag des Finanzausschusses res Maß an Laufzeitkongruenz zwischen dem Schuld- (7. Ausschuß) verschreibungsgeschäft einerseits und dem Dar- — Drucksachen 7/1383, 7/1390 -- lehensgeschäft andererseits sicher. Dies ist ein ent- scheidendes Stück Sparerschutz, das hier in die Ge- Berichterstatter: setze kommt. Auch hat der Markt inzwischen ja Abgeordneter Rapp (Göppingen) kürzere Laufzeiten erzwungen. (Erste Beratung 15, Sitzung) Drittens, meine Damen und Herren, ist es ange- Ich darf dem Herrn Berichterstatter sehr herzlich zeigt, Sie auf die Berichtigung des Ausschußantrags für seinen Bericht danken. Das Wort wird vom Herrn auf Seite 10 der Drucksache 7/1390 hinzuweisen. Die Berichterstatter nicht begehrt. in Art. 2 des Gesetzentwurfs Drucksache 7/1383 Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe — Punkt 9 der Tagesordnung — enthaltene Berlin- Art. 1, Art. 2 — mit der vom Berichterstatter unter Klausel ist unvollständig. Sie muß um den folgenden Tagesordnungspunkt 8 vorgetragenen Ergänzung—, Satz ergänzt werden: Art. 3, Einleitung und Überschrift auf. — Wer dem Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Ge- Gesetz in der zweiten Beratung zuzustimmen setzes erlassen werden, gelten im Land Berlin wünscht, den bitte ich um 'das Zeichen. — Ich danke. nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist ein- stimmig so beschlossen. Dies sind meine drei mündlichen Ergänzungen zum Schriftlichen Bericht, auf den ich im übrigen ver- Ich rufe die weise. dritte Beratung auf. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Ge- Namens des Ausschusses bitte ich, dem Gesetz- setz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, entwurf zuzustimmen, und zwar, was die Berlin- den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Klausel anlangt, unter Berücksichtigung dessen, was Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? -- Es ist ein- ich vorgetragen habe. Im übrigen bitte ich, auch dem stimmig so beschlossen. Entschließungsantrag zuzustimmen. Meine Damen und Herren, wir haben noch über (Beifall bei der SPD.) den Ausschußantrag auf Seite 2 abzustimmen. Ich nehme Zustimmung an. — Ich höre keinen Wider-

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: spruch. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Damit, meine Damen und Herren, sind die Punkte 8 und 9 der Tagesordnung noch heute vor- Wir treten in die zweite Beratung ein. — Das mittag erledigt worden. Ich danke Ihnen und unter- Wort wird nichtbegehrt. Ich rufe Art. 1, Art. 2 — - breche in einigen Augenblicken die Sitzung des Art. 3 entfällt , Art. 4, Art. 5, Art. 6 sowie Ein- Deutschen Bundestages bis 14 Uhr. leitung und Überschrift auf. -- Wer dem unter Berücksichtigung der vom Herrn Berichterstatter Wir beginnen nach der Unterbrechung mit der gegebenen Ergänzung zuzustimmen wünscht, den Fragestunde und fahren dann mit Punkt 5 der bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! -- Tagesordnung fort. Ich 'hoffe, daß ich anschließend Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so be- Punkt 3 aufrufen kann, wenn die Beratungen im schlossen. Haushaltsausschuß abgeschlossen sind. Ich unterbreche die Sitzung. Wir treten in die dritte Beratung (Unterbrechung der Sitzung von 13.02 Uhr bis 14.00 Uhr.) ein. — Das Wort wird nicht 'begehrt. — Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: danke Ihnen. Gegenprobe! -- Stimmenthaltungen? Meine Damen und Herren, die unterbrochene — Keine Gegenstimme, keine Enthaltung. Ich stelle Sitzung ist wieder eröffnet. einstimmige Beschlußfassung fest. Wer Nr. 2 und 3 des Ausschußantrages zustimmt Wir treten in die --- ich nehme an, daß ich auch hier gemeinsam ab- Fragestunde stimmen lassen kann --, den bitte ich um das Zei- — Drucksachen 7, 1380, 7/1393, 7/1394 — chen. — Ich danke Ihnen. Es ist so beschlossen. ein. Ich rufe nunmehr Punkt 9 der Tagesordnung auf: Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, daß wir auch Zweite und dritte Beratung des von der Bun in dieser Woche abweichend von den Richtlinien desregierung eingebrachten Entwurfs eines über die Fragestunde zwei Fragestunden mit einer Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die jeweiligen Dauer von 90 Minuten durchführen. — Ich Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4293 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so be- beide jetzt sprechen, im Juni abgeschlossen sein sol- schlossen. len?

Meine Damen und Herren, damit kann ich als erste Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister die Dringliche Frage aus dem Geschäftsbereich des für Verkehr: Ich verstehe Ihre Frage jetzt nicht. Sie Bundesministers für Verkehr auf der Drucksache meinen — wenn ich zurückfragen darf, Herr Präsi- 7/1393 des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch aufrufen: dent — die Untersuchung im Zusammenhang mit Ist es zutreffend, daß die Bundesregierung beabsichtigt, eine Tempo 100? generelle Geschwindigkeitsbegrenzung für Kraftfahrzeuge einzu- führen, die auch nach der Überwindung der Energiekrise gelten soll, und an welche Geschwindigkeitsgrenzen auf Bundesstraßen und Autobahnen ist dabei gedacht, und ist sich die Bundes- Dr. Hirsch (FDP) : So ist es. regierung bewußt, daß sie für den Fall solcher Absichten un- verzüglich die Öffentlichkeit unterrichten müßte, damit sich so- wohl Käufer als auch Hersteller von Kraftfahrzeugen in ihren Entscheidungen darauf einstellen können? Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Das ist ein langfristiger Versuch, und Zur Beantwortung der Frage steht der Herr Parla- die Ergebnisse liegen nicht bis zum Juni vor. Dieser mentarische Staatssekretär Haar zur Verfügung. Versuch dauert über einen längeren Zeitraum an, Herr Staatsekretär! aber Zwischenberichte werden selbstverständlich auch in unserem Hause ausgewertet und dem Hause Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister mitgeteilt. für Verkehr: Herr Präsident! Herr Kollege! Wäh- rend der sechsmonatigen Geltungsdauer der aus An- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: laß der Energiekrise eingeführten Geschwindigkeits- Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Weber. beschränkungen wird die Unfallentwicklung sorgfäl- tig beobachtet, um die Auswirkungen einer solchen Dr. Weber (Köln) (SPD) : Herr Staatssekretär, generellen Tempobeschränkungen möglichst klar wird die Bundesregierung, wenn sie diese Unter- und konkret beurteilen zu können. Die Bundesan- suchungen anstellt, dann im Rahmen dieser Unter- stalt für Straßenwesen wurde mit der Durchführung suchungen nicht nur die Unfallursachen und die Un- dieser Untersuchungen beauftragt. fallhäufigkeit, sondern gleichzeitig die Auswirkung Es bestehen keine Pläne, die aus Anlaß der Ener- der Geschwindigkeitsbeschränkungen auf das Ver- gieeinsparung eingeführte generelle Geschwindig- halten der Käufer und damit auf die Beschäftigungs- keitsbegrenzung aus anderen als aus diesen Grün- lage in der Automobilindustrie, prüfen? den über den vorgesehenen Zeitraum hinaus zu ver- längern. Deshalb kann auch nichts über generelle Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister Änderungen der Geschwindigkeitsgrenzen gesagt für Verkehr: Ich bin sicher, Herr Kollege, daß der- werden. Falls es derartige Überlegungen geben artige Untersuchungen, soweit sie zu Konsequenzen würde, wäre das Interesse der Öffentlichkeit auf führen würden, auch zu solchen Überlegungen zwi- rechtzeitige Information voll anzuerkennen. schen den Ressorts führen würden.

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter. Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jobst.

Dr. Hirsch (FDP) : Herr Staatssekretär, ich darf Dr. Jobst (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, sind Ihrer Antwort entnehmen, daß — jedenfalls unab- jetzt schon erste Auswirkungen dieser Geschwindig- hängig von den anhängigen Untersuchungen — keitsbeschränkung auf die Unfallhäufigkeit erkenn- keine Dauergeschwindigkeitsbeschränkungen beab- bar? sichtigt sind. Können Sie mir dann etwas darüber sagen, wann diese anhängigen Untersuchungen ab- Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister geschlossen sein werden? für Verkehr: In der Tendenz ja, Herr Kollege.

Parl. Staatssekretär beim Bundesminister Haar, Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: für Verkehr: Herr Kollege, über die zeitliche Dauer Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Evers. läßt sich im Augenblick eine verbindliche Auskunft deshalb nicht geben, da wir, wie Sie wissen, bei der Untersuchung über die Auswirkungen von „Tempo Dr. Evers (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, kann 100" als einem langfristigen Versuch kurzfristige man Ihre Ausführungen so interpretieren, daß die Erfahrungen nicht gelten lassen, die dann auch um- Bundesregierung nach ihrem gegenwärtigen Er- stritten sind, sondern eine solche Untersuchung muß kenntnis- und Willensstand entschlossen ist, nach schon eine wissenschaftliche Basis haben. Aufhebung des Energiemangels die gegenwärtigen Regelungen bezüglich der Geschwindigkeit wieder in Kraft treten zu lassen? Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Eine weitere Zusatzfrage. Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, soweit das jetzt über- Dr. Hirsch (FDP) : Ist es zutreffend, Herr Staats- schaubar ist, kann heute von einer Regierung, die sekretär, daß diese Untersuchungen, von denen wir verantwortlich handeln will, nicht verbindlich ge- 4294 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Parl. Staatssekretär Haar Verbesserung der Beschäftigungslage in industrieschwachen sagt werden, zu welchen Ergebnissen sie nach Ab- Regionen, z. B. im Emsland, in Bayern und im Zonenrandgebiet, schluß dieser Phase von sechs Monaten kommt. Ge- gefährdet bzw. bereits wieder verlorengegangen? genwärtig bestehen keine derartigen Pläne. Bitte.

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- Vielen Dank, Herr Staatssekretär. ster für Wirtschaft: Es ist richtig, Herr Kollege Jung- hans, daß die Arbeitsplätze einzelner Wirtschafts- Wir kommen nunmehr zu den Fragen aus der bereiche wie der Bauindustrie und der Textilwirt- Drucksache 7/1380 aus dem Geschäftsbereich des schaft in der gegenwärtigen konjunkturellen Situa- Bundesministers für Wirtschaft, die nach den Richt- tion gefährdet erscheinen. Allerdings liegen der Bun- linien für die Fragestunde vor der Dringlichkeits- desregierung bislang keine Informationen der Län- frage aus der Drucksache 7/1394 aufgerufen werden der vor, daß mit öffentlichen Mitteln geschaffene müssen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Arbeitsplätze der Bekleidungsindustrie in den wirt- Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner zur schaftsschwachen Gebieten bereits verlorengegan- Verfügung. gen sind. Eine solche Zuteilung der tatsächlich ent- Als erste die Frage 54 der Frau Abgeordneten standenen Arbeitslosen auf einzelne durch Förde- Eilers (Bielefeld) : rungsmaßnahmen geschaffene Arbeitsplätze ist nicht möglich. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu er- greifen, um mit den Mitteln der Konjunkturpolitik die im Be- Um einer solchen Entwicklung aber entgegenzu- reich der Textil- und Bekleidungsindustrie entstandene Situation aufzufangen und kurzfristig zu bessern? wirken, hat die Bundesregierung, wie ich schon sagte, bereits am 22. Novemeber 1973 eine Reihe von Herr Staatssekretär, bitte! Maßnahmen beschlossen, von denen ich auf folgende hinweisen möchte: Zur Realisierung des sozialen Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- Wohnungsbauprogramms werden für 50 000 bereits ster für Wirtschaft: Frau Kollegin, die Bundesregie- fertiggeplante Wohnungen vorübergehend Finanzie- rung hat auf die in der Textil- und Bekleidungs- rungserleichterungen gewährt. Für den Textil- und industrie entstandene Situation im handelspoliti- Bekleidungssektor werden die mit dem zweiten Sta- schen Bereich bereits reagiert. Sie hat beschlossen, bilitätsprogramm eingeführten Kontingentsaufstok- die im Rahmen des zweiten Stabilitätsprogramms kungen gegenüber den asiatischen Ländern nicht vorgenommenen Kontingentsaufstockungen gegen- über den 31. Dezember 1973 hinaus verlängert und über den asiatischen Ländern nicht über den 31. De- die Kontingente gegenüber den Staatshandelslän- zember 1973 hinaus zu verlängern und damit die dern nicht erhöht. bisher bestehenden Einfuhrmöglichkeiten zu redu- zieren und gleichzeitig die Möglichkeiten der Ein- Außerdem möchte ich darauf hinweisen, daß die fuhr aus den Staatshandelsländern gegenüber dem Bundesregierung am 5. Dezember beschlossen hat, Stand von 1973 nicht zu erhöhen. Außerdem wird die für das Jahr 1974 vorgesehene Streckung der zur Zeit geprüft, welche Entlastungsmaßnahmen bei Haushaltsmittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Ver- Fortsetzung der generellen Stabilitätspolitik vorge- besserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" nicht nommen werden können, um insbesondere den in durchzuführen. Die Mittel stehen daher in voller der Textil- und Bekleidungsindustrie aufgetretenen Höhe zur Förderung arbeitsplatzschaffender und ar- Finanzierungsschwierigkeiten entgegenwirken zu beitsplatzerhaltender Investitionen zur Verfügung. können. Hierüber wird sehr rasch entschieden wer- den. Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Ich darf hinzufügen, daß ich die Absicht habe, bei Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stahl, der Dringlichkeitsanfrage von Frau Dr. Lepsius noch etwas detaillierter auf dieses Thema einzugehen, Stahl (Kempen) (SPD) : Herr Staatssekretär, hiel- um mich nicht zu wiederholen, Herr Präsident. ten Sie es nach den vorliegenden Erkenntnissen und Konjunkturdaten nicht für erforderlich, für den Be- Frau Eilers (Bielefeld) (SPD) : Herr Staatssekre- reich der Textilindustrie z. B. für die Lagerhaltung tär, habe ich Sie richtig verstanden: Im asiatischen Kreditverbilligungen zu geben, um Arbeitsplätze Bereich haben Sie eine Reduzierung der Einfuhr- stärker zu sichern, und in diesem Zusammenhang quoten vor, während im anderen Bereich die Ein- gleichzeitig daran zu denken, den Gemeinden und frierung der gegenwärtigen Einfuhrquoten vorge- Städten durch Finanzhilfen die Ansiedlung von In- sehen ist? dustriebetrieben für ausscheidende Arbeitnehmer aus der Textilindustrie zu erleichtern? Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- ster für Wirtschaft: Das ist richtig, bezogen auf den Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- Stand von 1973. ster für Wirtschaft: Herr Kollege, ich habe darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung über die Frage von Finanzierungshilfen beraten wird und daß Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Dann rufe ich die Frage 61 des Herrn Abgeordneten eine Entscheidung darüber noch nicht getroffen ist. Junghans auf: Ich habe ebenfalls darauf hingewiesen, daß infolge des Wegfalls der beabsichtigten Streckung vermehrt In welchem Maße sind die in der Textil- und Bekleidungs- industrie mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Arbeitsplätze zur Mittel im Rahmen der regionalen Strukturpolitik Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4295

Parl. Staatssekretär Grüner für 1974 zur Verfügung stehen werden, mit denen reicht wird, und sieht die Bundesregierung die Mög das von Ihnen angestrebte Ziel, das auch unser Ziel lichkeit, regionale und sektorale Maßnahmen sofort ist, gefördert werden kann. in die Tat umzusetzen, weil ja für die Textilindu- strie und die Beschäftigten beide Merkmale, regio- nale und sektorale, zu beachten sind? Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Warnke.

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Dr. Warnke (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, Meine Damen und Herren, ich darf einmal allge- wie erklären Sie Ihre Behauptung, daß Mittel für mein zu den Zusatzfragen etwas sagen. Wenn Sie das Jahr 1974 vermehrt zur Verfügung stünden, erwarten, daß die Herren der Regierung auf Zusatz- wenn nach den mir vorliegenden Unterlagen die fragen auch klare Antworten geben, dann müssen Zahl der für die Gemeinschaftsaufgabe eingesetzten diese Fragen, wie das den Richtlinien der Frage- Beträge exakt die gleiche ist wie 1973? stunde entspricht, knapp und klar sein. Herr Kollege, ich habe Verständnis, daß jeder, da Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- er nur eine Zusatzfrage hat, natürlich nach Mög- ster für Wirtschaft: Herr Kollege, diese Aussage er- lichkeit versucht, zwei oder drei Zusatzfragen in klärt sich vor dem Hintergrund, daß die Bundes- einer unterzubringen. Ich werde das jetzt im Inter- regierung im Rahmen ihres Stabilitätsprogrammes esse der Antworten durch die Herren der Regierung, ursprünglich beabsichtigt hatte, die Mittel für 1974 von denen Sie ja erwarten, daß sie präzise Antwor- zu strecken, also ein ähnliches Verfahren zu wäh- ten auf die Fragen geben, nicht mehr zulassen. len mit einem entsprechend höheren Betrag als für Herr Staatssekretär! 1973. Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- - Vockenhausen: Vizepräsident Dr. Schmitt ster für Wirtschaft: Herr Kollege, im Rahmen der Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr. Lepsius. Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Strukturpolitik" werden die von Ihnen angesprochenen Ziele ver- Frau Dr. Lepsius (SPD) : Herr Staatssekretär, wirklicht und in Gemeinschaft mit den Ländern, wie darf ich fragen, ob daran gedacht ist, in dem Be- die bisherigen Ergebnisse dieser Strukturpolitik zei- reich, den die Bundesregierung noch berät, auch gen, auch tatsächlich erreicht. Liquiditätshilfen zu gewähren und auch im Rahmen der Investitionen zu neuen Überlegungen zu kom- - Vockenhausen: men, und wie wird die Bundesregierung gegebenen Vizepräsident Dr. Schmitt Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten falls bis ins einzelne deutlich machen, was die ein- Dr. Unland. zelnen Unternehmen in der gegenwärtigen Situation unternehmen können? Dr. Unland (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, trifft eine gestern zu lesende VWD-Meldung zu, Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- nach der der Leiter der deutschen Delegation bei ster für Wirtschaft: Frau Kollegin, ich habe- schon den deutsch-rumänischen Handelsvertragsverhand- auf die bevorstehende Beschlußfassung des Bundes- lungen bekanntgegeben hat, daß die Kontingente kabinetts, das alle die von Ihnen angeschnittenen Fragen beraten wird, hingewiesen. Ich bitte um auf dem gewerblichen Sektor für 1974 um 12 % Verständnis dafür, daß ich jetzt nicht in der Lage aufgestockt werden sollen? bin, die Entscheidungen, die am 19. Dezember 1973 durch das Bundeskabinett fallen werden, vorwegzu- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: nehmen. Herr Kollege, ich lasse die Zusatzfrage nicht zu. Sie steht nicht in dem geforderten Zusammenhang mit Wir werden selbstverständlich dafür sorgen, daß der eingereichten Frage. diese Entscheidungen dann auch einer breiten Öf- fentlichkeit bekanntwerden. Ich bin sicher, daß an- Ich rufe die Frage 62 der Frau Abgeordneten gesichts der intensiven Kontakte, die wir gerade mit Schlei auf: der Textil- und Bekleidungsindustrie und der Ge- Sieht die Bundesregierung die Gefahr im Bereich der Textil- werkschaft haben, die Information über diese Be- und Bekleidungsindustrie, daß mit massiver Frauenarbeitslosig- keit in Industrie- und Heimarbeit einhergehend eine an sich schlüsse sofort zu allen Unternehmen und zu allen notwendige Rationalisierung teils noch veralteter Strukturen Gewerkschaften gelangen werden. (wie im Bekleidungsbereich) durchgesetzt wird, deren struk- turelle Ursachen auf das engste mit der arbeitsteiligen Frauen- erwerbsarbeit verbunden sind, und was gedenkt die Bundes- regierung gegebenenfalls konjunktur- und strukturpolitisch da- gegen zu unternehmen? Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rappe. Bitte!

Rappe (Hildesheim) (SPD) : Sieht die Bundes- Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- regierung die Möglichkeit, Herr Staatssekretär, die ster für Wirtschaft: Die Bundesregierung ist sich der schwierige Lage in der Textilindustrie auch dadurch Tatsache bewußt, daß sich die Situation auf dem zu verbessern, daß im Rahmen ihrer allgemeinen Arbeitsmarkt in der Textil- und Bekleidungsindu- Konjunktur- und Beschäftigungspolitik eine größere strie im November 1973 weiter verschlechtert hat. Ausgewogenheit eines Arbeitsplatzangebotes er- Das gilt vor allem für das Ausmaß der Kurzarbeit. 4296 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Parl. Staatssekretär Grüner Angesichts des hohen Frauenanteils in der Textil- haben dann eine weitere. Das können wir nicht alles und vor allem in der Bekleidungsindustrie sind die verbinden. Ich habe das früher auch so versucht, weiblichen Beschäftigten von dieser Entwicklung be- aber ich bitte um Verständnis, daß das nicht geht. sonders betroffen. (Heiterkeit.) Hauptursachen für die Schwierigkeiten sind Son- derentwicklungen wie die auffallende Verbraucher- Frau Schlei (SPD) : Man lebt gern Vorbildern zurückhaltung und die stark gestiegenen Rohstoff- nach! kosten sowie Finanzierungsprobleme. Die weitere Entwicklung wird entscheidend vom Verhalten des Verbrauchers bestimmt werden. Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- ster für Wirtschaft: Frau Kollegin, ich bin durchaus Die Lage am Arbeitsmarkt zeigt, daß die Unter- der Auffassung, daß der Begriff „Motivation der nehmen bei Auftragsrückgang zunächst zur Kurz- Frau" in vielfältiger und häufig sicher auch unzu- arbeit übergehen und damit die Entlassung von Be- treffender Weise benutzt wird. Wenn wir uns hier schäftigen vermeiden. Soweit es sich hier um Pro- darüber unterhalten wollten, müßten wir uns über bleme aus längerfristigen Anpassungsprozessen eine konkrete Motivation und deren Ursachen ver- handelt, wird dem mit den Maßnahmen des Arbeits- ständigen. förderungsgesetzes, z. B. durch Fortbildung, Weiter- bildung und Umschulung, entgegenwirkt. Regional bedingte besondere Probleme werden durch die Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: regionale Strukturpolitik berücksichtigt. So ist aus- Eine weitere Zusatzfrage. drücklich die Förderung von Frauenarbeitsplätzen nicht nur in Schwerpunktorten, sondern auch außer- Frau Schlei (SPD) : Herr Staatssekretär, sind Sie halb von Schwerpunktorten möglich. Diese Regelung mit mir gemeinsam bereit zu überlegen, wie wir ist seit Beginn der Gemeinschaftsaufgabe in den Rah- Frauen durch bessere Angebote über das von Ihnen menplänen enthalten. Es wird damit gezielt dem skizzierte Instrumentarium hinaus motivieren kön- Umstand Rechnung getragen, daß Frauen stärker nen, ihre soziale Position zu verbessern, und haben als Männer an den Haushalt gebunden und weniger Sie konkrete Vorstellungen für eine mittelfristige als sie in der Lage sind, die gerade in den Förde- Verbesserung der Situation der sozial sehr betroffe- rungsgebieten oft langen Wege zur Arbeitsstätte zu nen Frauen? bewältigen. Insgesamt ist es auf diese Weise gelungen, allein Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- im Zeitraum vom 1. Januar 1972 bis 30. Juni 1973 ster für Wirtschaft. Ich bin der Meinung, daß das nicht nur 128 000 Arbeitsplätze für Männer, sondern eine ganz dringliche Aufgabe ist, Frau Kollegin. Al- weitere 54 000 Arbeitsplätze allein in den struktur- lerdings habe ich über die Maßnahmen hinaus, die schwachen Gebieten für Frauen zu schaffen. ich eben hier angeschnitten habe, aus dem Stand Die nicht zu bestreitende besondere Krisenanfäl- heraus keine weitergehenden Vorstellungen. ligkeit von Frauenarbeitsplätzen hat eine Fülle von Gründen, die von der Motivation der Frauen bei Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: der Wahl des Arbeitsplatzes bis zur Frage der be- Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Dr. Lepsius. ruflichen Qualifikation reichen. Sie sind im einzel- nen im Bericht der Bundesregierung über die Maß- nahmen zur Verbesserung der Situation der Frau Frau Dr. Lepsius (SPD) : Herr Staatssekretär, vom August 1972 dargelegt. Dort werden auch die welches sind eigentlich die Gründe dafür, daß die Maßnahmen zur beruflichen Fort- und Weiterbil- strukturellen Wandlungsprozesse beispielsweise im dung geschildert, mit denen die berufliche Situation Kohlenbergbau und in der Landwirtschaft mit er- der Frau mittel- und langfristig verbessert werden heblichen öffentlichen Steuergeldern subventioniert, soll. arbeitsmarktpolitisch also in verantwortlicher Weise gemildert werden, und gleiches offensichtlich nicht Im übrigen hat die Bundesregierung auf die ent- für den durch die Konjunkturpolitik besonders be- standenen Schwierigkeiten im konjunkturpolitischen troffenen Wandlungsprozeß im Textil- und Beklei- Bereich bereits durch den hier schon mehrfach zitier- dungssektor gilt? ten Beschluß reagiert.

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Frau Kollegin, ich kann die Zusatzfrage, weil der Frau Kollegin, haben Sie eine Zusatzfrage? —Bitte! notwendige Zusammenhang mit der entscheidenden Hauptfrage nicht besteht, leider nicht zulassen. Frau Schlei (SPD) : Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß der Begriff „Moti- Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Immer. vation der Frau" manchmal in einer Weise gehand- habt wird, die nicht zumutbar erscheint? Sind Sie Immer (SPD) : Herr Staatssekretär, da offenbar nicht mit mir der Ansicht — — Frauenarbeitsplätze im ländlichen Raum besonders krisenanfällig sind, frage ich Sie: Wie wird in Zu-

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: kunft verhindert, daß neue Arbeitsplätze, die geför- Frau Kollegin, zunächst die erste Zusatzfrage; Sie dert werden, nicht so krisenanfällig sind? Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4297

Grüner, Parl. Staatssekretär 'beim Bundesmini- Dr. Unland (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, ster für Wirtschaft: Das ist das Ziel der regionalen stehen Sie noch hinter Ihren in einer früheren Strukturpolitik. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, Fragestunde gemachten Ausführungen, daß auf daß sich mehr als 90 % der dadurch neugeschaffenen einen Arbeitslosen im Textilbereich immer noch 2,5 Arbeitsplätze als krisenfest erwiesen haben. Ich offene Stellen kämen, und können Sie es den be- weise darauf hin, daß Kurzarbeit ja noch nichts End- troffenen Menschen nachempfinden, daß sie eine gültiges darüber aussagt, ob diese Arbeitsplätze derartige Antwort als baren Zynismus empfinden? wirklich verloren sind. Das ist eine Frage, die erst dann zu beurteilen ist, wenn tatsächlich Arbeits- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: losigkeit eintritt, was wir nicht hoffen. Herr Kollege Unland, ich bitte um Nachsicht, aber auch diese Frage steht nur sehr bedingt im Zusam-

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: menhang mit der hier eingereichten Frage; sie hängt Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller entscheidend mit der anderen Frage zusammen. (Nordenham). Aber wenn der Herr Staatssekretär sie beantwor- ten will, dann gebe ich ihm dazu die Möglichkeit. Müller (Nordenham) (SPD) : Herr Staatssekretär, welchen Stellenwert in unserer Volkswirtschaft hat Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- die Textil- und Bekleidungsindustrie nach Auffas- ster für Wirtschaft: Herr Kollege Dr. Unland, es ist sung der Bundesregierung? ganz selbstverständlich, daß sich die Entwicklung von Arbeitslosenzahlen und vor allem von Kurz- Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- arbeit tatsächlich geändert hat. Und wenn ich vor ster für Wirtschaft: Wir sind daran interessiert, daß vier Wochen hier konkrete Zahlen genannte habe, die Textil- und Bekleidungsindustrie in der Bundes- dann müßte ich heute hier tatsächlich andere Zah- republik ihre herausragende Stellung behält als die len nennen, nämlich die neuesten Zahlen, die die größte Konsumgüterindustrie in der Bundesrepublik, Bundesanstalt für Arbeit auf den Tisch gelegt hat. die in den vergangenen Jahren eine außerordentlich Eine solche Aussage ist also immer nur für den erfreuliche Entwicklung zu verzeichnen hatte und augenblicklichen Zeitraum zutreffend. Wir sind dar- etwa im letzten Jahr den größten Produktivitätszu- auf angewiesen, die Hoffnung insbesondere darauf wachs in der Bundesrepublik erreicht hat, der weit zu setzen, daß das Verbraucherverhalten zu einer über dem Durchschnitt der übrigen Industrie lag. Belebung in den betroffenen Wirtschaftszweigen führen wird.

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stahl. Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Collet.

Stahl (Kempen) (SPD) : Herr Staatssekretär, nun Collet (SPD) : Herr Staatssekretär, da Sie im Zu- ist allgemein bekannt, daß gerade in der Textilindu- sammenhang mit allen gestellten Fragen — auch strie sehr viele Frauen tätig sind. Ich frage Sie noch- der letzten — davon gesprochen haben, daß das mals: Wann, glauben Sie, können die Hilfsmaßnah- Kabinett am 19. Dezember beraten wird — das heißt men, die Sie hier angekündigt haben, präzise fest- hier: Textil und Bekleidung —, möchte ich Sie fra- gelegt werden? Ab wann: In 14 Tagen, vier Wochen, gen: Kann ich davon ausgehen, daß da die Schuh- drei Monaten? Denn es wäre doch dringend erfor- industrie mit eingeschlossen ist? derlich, daß sich die Regierung nun endlich dazu bereit erklärt, konkrete Vorstellungen darzulegen. (Heiterkeit.)

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Herr Kollege, ich bitte um Nachsicht; Herr Kollege: Nur Fragen, nicht Kommentare. — Bitte! (Abg. Collet: Die Schuhindustrie gehört doch zur Bekleidungsindustrie!) Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- ich war bisher der Meinung, daß zwischen Textilien ster für Wirtschaft: Ich habe die konkreten Vor- und Leder noch ein gewisser gradueller Unterschied schläge der Regierung, soweit sie schon gefaßt sind, besteht. Ich bitte, also um Verständnis, daß ich hier dargelegt. Ich mache darauf aufmerksam, daß diese Zusatzfrage, obwohl Schuhe für Damen ein alle Hilfsmaßnahmen in diesem Bereich vergeblich wichtiger Bestandteil der Schönheit sind, hier nicht sein werden, wenn sich nicht die Absatzlage und da- zulassen kann. mit insbesondere das Verbraucherverhalten, das in Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordnete Warnke. diesem Bereich eine Schlüsselfunktion einnimmt, ändern. Aber alle Erfahrung zeigt — viele Krisen in Dr. Warnke (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, der Textilindustrie in der Vergangenheit haben das unter Bezugnahme auf Ihre Ausführungen zum sei- immer wieder deutlich gemacht -, daß aus einem nerzeitigen Zeitpunkt: Glauben Sie, daß es für eine solchen Tal auch wieder der Aufschwung folgt. verheiratete Näherin in Aschaffenburg ein beson- derer Trost ist, wenn sie erfährt, daß in Hamburg Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: 2,5 offene Hilfsarbeiterstellen oder sonstige Arbeits- Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Unland. stellen vorhanden sind — wenn es nicht 2,5 sind, 4298 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Dr. Warnke dann heute vielleicht eben 3 oder 2; Sie können Ist der Bundesregierung bekannt, daß in dieser Woche erneut 10 000 Beschäftigte in der Textil- und Bekleidungsindustrie zur die Zahlen einsetzen, wie Sie wollen --, und glau- Kurzarbeit angemeldet werden, so daß jetzt die 100 000-Marke überschritten wird, und was gedenkt die Bundesregierung zu ben Sie, daß das tatsächlich eine Hilfe für die Be- tun, um der schnell um sich greifenden Unterbeschäftigung in der troffenen ist, mit solchen Zahlen zu jonglieren? Textil- und Bekleidungsindustrie entgegenzutreten? Herr Staatssekretär! Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- ster für Wirtschaft: Herr Kollege, ich bin nicht der Meinung, daß das für die Betroffenen ein Trost ist. Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- Die Bundesregierung ist sich der außerordentlich ster für Wirtschaft: Der Bundesregierung ist diese schwierigen Lage derer, die von dieser Entwicklung Tatsache natürlich bekannt, Frau Kollegin Dr. betroffen sind, durchaus bewußt; darauf zielen ja Lepsius. Schon am 5. Dezember 1973 hat sie deshalb auch die Maßnahmen ab, von denen ich schon ge- beschlossen, bei den Gemeinschaftsaufgaben regio- sprochen habe. nale Wirtschaftsstruktur und Agrarstruktur die Sper- ren aufzuheben, um Beschäftigungsschwierigkeiten Worum es bei diesem Vergleich ging, war ja die in den strukturschwachen Gebieten, in denen die Absicht, deutlich zu machen, daß wir uns zum da- Textilbetriebe größtenteils angesiedelt sind, entge- maligen Zeitpunkt, zumindest was die gesamte kon- genzuwirken. Vorher schon hatte die Bundesregie- junkturelle Lage anging, in einer Lage befunden rung die Importkontingente für Textilien gegenüber haben, in der eine Lockerung der Stabilitätspolitik den asiatischen Ländern für 1974 um die Aufstockung nicht möglich war. Ich möchte darauf hinweisen, daß des Jahres 1973 gekürzt. Gegenüber den Staats- die sozialen Auswirkungen etwa einer weiteren handelsländern wurden die Einfuhrmöglichkeiten für Geldentwertung, einer zunehmenden Geldentwer- das Jahr 1974 auf die im Jahre 1973 vorgesehenen tung für alle Betroffenen sehr viel einschneidender Kontingente beschränkt. sind als die Folgen einer solchen strukturellen Krise, die für den einzelnen in dem betroffenen Be- Über weitergehende Maßnahmen, die der Textil- reich sicher sehr einschneidend sind. Dafür haben und Bekleidungswirtschaft gezielt helfen sollen, wird wir aber auch unsere sozialen Absicherungsmaß- die Bundesregierung in ihrer Kabinettsitzung am nahmen, die zwar den einzelnen sicher nicht dar- 19. Dezember entscheiden. Es ist daran gedacht, über über hinwegtrösten, daß er kurzarbeiten muß oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau zinsverbilligte daß er gar arbeitslos ist, die aber verhindern, daß Kredite an die Textil- und Bekleidungswirtschaft zu er in Not gerät. geben. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat sich bereit erklärt, bereits aus ihrem Programm für 1973

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: umfangreiche Kreditmittel für diesen Zweck zur Ver- Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Geiger. fügung zu stellen. Im Rahmen des Jahresprogramms der KW für 1974 kann dieses sektorale Schwerpunkt- Geiger (SPD) : Herr Staatssekretär, um den Zu- programm aufgestockt werden. Es ist weiter daran sammenhang mit dem Hauptthema der Frage der gedacht, im Rahmen des Vollzuges des ERP-Pro- Kollegin Lepsius wiederherzustellen, frage ich Sie: gramms für 1974 die Kreditanstalt anzuweisen, die Könnte es nicht auch Maßnahmen für die Textil- besondere Lage bestimmter Sektoren, wozu die industrie und für die Schuhindustrie geben ähnlich Textil- und Bekleidungswirtschaft gehören würde, wie bei der Strukturwandlung im Bergbau? bei ihren Kreditzusagen zu berücksichtigen. Auch bezüglich der insbesondere von den Ge-

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: werkschaften geforderten Steuerstundungen ist dar- Herr Kollege, ich muß Sie bitten, diese Frage nach- auf hinzuweisen, daß nach § 127 der Abgabenord- her im Zusammenhang mit der Frage der Frau Kol- nung bereits nach geltendem Recht Steuerzahlungen legin Lepsius zu stellen. Im Augenblick steht die gestundet werden können, wenn ihre Einziehung mit Frage der Kollegin Schlei zur Beantwortung an. erheblichen Härten für den Steuerpflichtigen ver- Zu einer weiteren Frage Herr Kollege Niegel. bunden wäre. Ich möchte abschließend darauf hinweisen, daß sich Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, können die derzeitigen Schwierigkeiten der Textil- und Be- Sie heute schon sagen, welche Zusicherungen der kleidungswirtschaft vor allem im Anstieg der Kurz- Herr Bundeskanzler morgen bei dem Empfang we- arbeit manifestieren. Zugleich kommt darin aber gen des Protestmarsches auf Bonn den beiden Ge- auch zum Ausdruck, daß sich die Firmen bemühen, werkschaftsführern machen wird? die ungünstiger gewordene Auftragslage durch Kurz- (Heiterkeit.) arbeit anstelle von Entlassungen zu überbrücken. Hierauf hat auch die Bundesanstalt für Arbeit in ihrem letzten Lagebericht zutreffend hingewiesen. Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Ich meine, es sollte auch in der Öffentlichkeit deut- Herr Kollege Niegel, ich muß auch Sie auf die licher gesehen werden, daß es sich bei aller Härte, Chance verweisen, daß jetzt die Frage der Frau die Kurzarbeit mit sich bringt, nicht um den Verlust Kollegin Lepsius aufgerufen wird, die den eigent- von Arbeitsplätzen in diesem Bereich handelt. Die lichen Kernpunkt Ihrer Frage bildet. entstehenden Verdienstausfälle werden bei einem Jetzt kommt die Frage der Abgeordneten Frau durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushalt netto zu Dr. Lepsius: zirka 80 °/o durch das Kurzarbeitergeld ausgeglichen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4299

Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: den nicht in dem Umfang Gebrauch machen kön Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu den nen, wie das an sich wünschenswert wäre. Zusatzfragen. Frau Abgeordnete Dr. Lepsius, Sie haben ja für das Haus dankenswerterweise die Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Frage so gestellt, daß eigentlich niemand bei Zusatz- Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Urbaniak. fragen die Richtlinien verfehlen kann. Bitte! Urbaniak (SPD) : Herr Staatssekretär, habe ich Frau Dr. Lepsius (SPD) : Herr Staatssekretär, Sie richtig verstanden, wenn ich davon ausgehe, nach allem, was Sie soeben gesagt haben, darf ich daß Sie die von der IG Metall vorgeschlagene Sie fragen, was Sie der kleinen Industrienäherin er- Steuerstundung, insbesondere die Stundung ,der klären, wenn sie sich an Sie um Hilfe wendet und Mehrwertsteuerzahlung, in die Kabinettsentschei- sagt: Ich bin jetzt Kurzarbeiterin, verdiene nicht dung mit einfließen lassen wollen? mehr so viel und werde in vier Wochen arbeitslos sein; ich kann auch keinen anderen Arbeitsplatz fin- Grüner, Parl. Staatssekretär 'beim Bundesmini- den, weil ich nicht den Ort wechseln kann, da ich an ster für Wirtschaft: Sie 'haben mich insofern richtig meine Familie gebunden bin. Was würden Sie ihr verstanden, als ich auf die 'bestehenden Möglichkei- mit ganz schlichten, verständlichen Worten sagen, ten zur Steuerstundung im Rahmen der Abgaben- was sie tun soll? ordnung ausdrücklich aufmerksam gemacht habe. (Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohen stein: Die Regierung muß zurücktreten!) Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Evers. Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- ster für Wirtschaft: Ich würde ihr auf eine solche Dr. Evers (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär Grü- Frage antworten, daß diese Schwierigkeit eine vor- ner, warum ist die Bundesregierung nicht bereit, die übergehende ist — allerdings für ,die davon betrof- autonomen Kontingentaufstockungen im Textilbe- fene Frau mit großer Härte verbunden, daß sie aber reich vom Frühjahr dieses Jahres gegenüber Staats- darauf vertrauen kann, daß diese Schwierigkeit im handelsländern genauso auslaufen zu lassen wie Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung behoben wer- gegenüber Fernostländern? den wird. Ich würde allerdings den Zusatz machen, daß heute niemand sagen kann, wann diese Schwie- Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- rigkeit überwunden sein wird, in welchem zeitlichen ster für Wirtschaft: Der Unterschied hat seinen Ablauf das etwa möglich ist. Ich würde allerdings Grund darin, daß wir uns den Staatshandelsländern auch hinzufügen, daß uns die bisherige Entwicklung gegenüber in handelsvertraglichen Vereinbarungen unserer Wirtschaft — im Blick auf die zurücklie- zu einer ständigen Ausweitung des Warenverkehrs genden Jahre — zu einem solchen Optimismus be- verpflichtet haben. Darüber hinaus sind wir der rechtigt; denn es ist ja nicht die erste Schwierigkeit, Meinung, daß etwa eine solche Rücknahme 'der die wir in der Textil- und Bekleidungsindustrie zu Kontingente nichts an der gegenwärtigen Lage der überstehen haben. - Textil- und der Bekleidungsindustrie ändern könnte, weil diese Lage insbesondere durch das Verbrau- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: cherverhalten heraufbeschworen wird. Mit einer Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin. Rücknahme solcher Kontingente, die jedenfalls zu einem Teil diese Einfuhren, insbesondere im Be- Frau Dr. Lepsius (SPD) : Herr Staatssekretär, im reich der Lohnveredelung aus den Staatshandels- Hinblick auf die Demonstration von 9000 Kurz- ländern, bewirken, würden wir gleichzeitig auch arbeiterinnen morgen auf dem Marktplatz in Bonn unsere Industrie hier treffen. Auch angesichts der möchte ich Sie fragen, was jene Frauen, die heute Größenordnung dieser Einfuhren wäre eine solche Kurzarbeit machen und morgen, d. h. in vier Wo- Maßnahme nicht zu rechtfertigen. chen, möglicherweise arbeitslos sind, in dem von Ihnen geschilderten Vertrauen auf eine unbekannte Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Zukunft erhoffen können. Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Collet. (Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohen stein: Neuwahl!) Collet (SPD) : Herr Staatssekretär, Sie haben angeführt, daß das Kabinett sich am 19. Dezember Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- mit der Problematik der Textil-, Bekleidungs- und ster für Wirtschaft: Frau Kollegin, ich habe schon Schuhindustrie befassen wird. Wird dann deutlich versucht, die Antwort zu geben; ich weiß, daß das werden, wer wo einen Antrag stellen kann, um das für den jeweils Betroffenen in seiner aktuellen zu verwirklichen, was der Bundeskanzler in der ver- schwierigen Situation keinen Trost darstellt. Ich gangenen Woche hier mit der Liquiditätshilfe und habe in meiner Antwort auf ,die Fülle der Möglich- der Bundesfinanzminister mit Liquiditäts- und An- keiten bis hin zu den Umschulungsmaßnahmen hin- passungshilfe gemeint haben? gewiesen, nämlich die Möglichkeit, in anderen Beru- fen eine Tätigkeit zu finden, wobei ich hinzufüge, Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- daß in vielen Fällen Frauen, insbesondere Haus- ster für Wirtschaft: Herr Kollege, das wird sicher frauen, von dieser Möglichkeit aus familiären Grün sehr deutlich werden. 4300 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, in Ihrer I Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Geiger. Antwort an die genannte Frau sagen Sie, es werde sich nur um vorübergehende Kurzarbeit handeln. Ich möchte Sie fragen: Besteht nicht angesichts der Geiger (SPD) : Herr Staatssekretär, wären Sie so Ausweitung des Osthandels langfristig gerade in der liebenswürdig, hier darzulegen, wo nach dem Be- Textilwirtschaft die Gefahr des Verlustes der Ar- schluß des Bundeskabinetts vermutlich die Anlauf- beitsplätze? stelle für die auch von Ihnen in Aussicht gestellte Hilfe sein wird? Sind die Länderminister mit zu- ständig, oder ist nur der Bund, also das Bundeswirt- Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- ster für Wirtschaft: Ich bin nicht der Meinung, daß schaftsministerium zuständig? langfristig diese Gefahr besteht. Allerdings wird der Strukturwandel in der Textilindustrie, der bei uns Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- seit vielen Jahren im Gange ist, weitergehen und ster für Wirtschaft: Im Rahmen einer Kreditierung natürlich auch ganz entscheidend von der Konkur- durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau — darauf renzlage der Textilindustrie etwa in den Staats- zielt Ihre Frage — sind die Banken in Verbindung handelsländern, in den asiatischen Ländern, aber mit der KW zuständig. auch in der EWG — wir bekommen die Haupt- einfuhren aus den EWG-Staaten —, bestimmt sein. Aus der EWG kommen die entscheidenden Einfuh- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Unland. ren, die für unsere Industrie von Belang sind.

- Vockenhausen: Dr. Unland (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wie Vizepräsident Dr. Schmitt Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Biermann. ist denn angesichts Ihrer eben gemachten Ausfüh- rungen, daß die textilen Importkontingente aus Staatshandelsländern 1974 unverändert bleiben sol- Biermann (SPD) : Herr Staatssekretär, Sie haben len, die gestrige VWD-Meldung zu verstehen, daß auf eine andere Frage deutlich gemacht, daß sich der Leiter der deutschen Delegation bei den deutsch- die rückläufigen Beschäftigungszahlen schon im rumänischen Handelsvertragsverhandlungen be- November klar abzeichneten. Sind Sie nicht der kanntgegeben hat, die Kontingente im gewerblichen Meinung, daß in Anbetracht der aktuellen Situation, Bereich für 1974 sollten um 12 % aufgestockt wer- in der wir stecken, die Hilfe, die Sie heute seitens den? des Wirtschaftsministeriums ankündigen, praktisch schon zu spät kommt? Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- ster für Wirtschaft: Mir ist diese Meldung nicht Grüner, ster für Wirtschaft: Herr Kollege, ich bin nicht bekannt. Ich halte sie für den Textilbereich nicht dieser Meinung. Eine Hilfe kommt nie zu spät. für richtig. Es kann sich lediglich um Aufstockun- gen handeln, die nicht den Textil- und Bekleidungs- (Lachen bei der CDU/CSU.) bereich, der hier zur Diskussion steht, betreffen.- Das Über den richtigen Zeitpunkt wird man sich lange ist die einzige Erklärung, die ich hierfür aus dem unterhalten können. Man wird sich, wenn man Handgelenk geben kann. ehrlich ist, Herr Kollege, auch darüber unterhal- ten müssen, ob in einer Wirtschaftslage, in der

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: insbesondere das Verbraucherverhalten, näm- Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Eilers. lich eine Zurückhaltung der Verbraucher im Ein- kauf, eine Rolle spielt, überhaupt Hilfen, die der Staat zur Verfügung stellt, die erhoffte und er- Frau Eilers (Bielefeld) (SPD) : Herr Staatssekre- wünschte Wirkung haben können. tär, ist den betroffenen Unternehmen der Textil- und Bekleidungsindustrie bekannt, daß es zur Finan- (Abg. Dr. Evers: Vertrauen wiederherstellen!) zierung der Lagerhaltung und Bevorratung Liquidi- tätshilfen gibt? Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fuchs. Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- ster für Wirtschaft: Diese Liquiditätshilfen gibt es Dr. Fuchs (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wie im Augenblick jedenfalls nur über den Banken beurteilen Sie die von Ihnen vorhin angedeutete apparat. Die Frage, in welcher Form die KW im Möglichkeit, in einer anderen Branche durch eine Rahmen ihrer Kreditierung auf Grund eines Kabi- Umschulung einen Arbeitsplatz zu gewinnen, für nettsbeschlusses, der noch bevorsteht, eine solche die strukturschwachen Gebiete, die ohnehin eine Hilfe geben wird, wird erst am 19. Dezember im weit über dem Durchschnitt liegende Arbeitslosen- Kabinett entschieden werden. Ich möchte und kann ziffer aufweisen? dieser Beratung und Entscheidung hier nicht vor- greifen. • Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- ster für Wirtschaft: Diese Möglichkeiten sind in der

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Vergangenheit vielfältig genützt worden. Ich habe Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel. schon auf die enorme Zahl zusätzlicher Arbeits- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4301 Parl. Staatssekretär Grüner plätze hingewiesen, die durch die regionale Struk- Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- turpolitik geschaffen worden sind. Daß das nicht ster für Wirtschaft: Frau Kollegin, ich kann hier in jedem Einzelfall klappen wird, ist uns selbstver- nicht in den Bereich des Bundesministers der Finan- ständlich bekannt. Es ist aber unsere feste Absicht, zen eingreifen. Ich möchte nur den Zusatz machen, diese regionale Strukturpolitik gemeinsam mit den daß damit natürlich massive finanzielle Unterstüt- Ländern fortzusetzen, um die Vollbeschäftigung zungen für Unternehmer gefordert werden und daß auch in den strukturschwachen Gebieten zu er- für uns die entscheidende Frage ist: Können mit halten. solchen Maßnahmen Arbeitsplätze erhalten werden? Das muß für uns an erster Stelle stehen.

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:

Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wehner. Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Immer! Wehner (SPD) : Herr Parlamentarischer Staats- sekretär, wäre es nicht ratsam, daß die Bundesregie- Immer (SPD) : Herr Staatssekretär, ich möchte rung in einer geeigneten einsehbaren, übersicht- Sie fragen, inwieweit sichergestellt ist, daß trotz lichen Weise der Lage und der Entwicklung im Be- aller dringend notwendiger Hilfen die erforderlichen reich Textil und Bekleidung entsprechend etwas Strukturwandlungen nicht verhindert werden, ohne zur allgemeinen Aufklärung täte? Entschuldigen Sie, die es in ganz bestimmten Bereichen zu permanenten wenn ich in einem Satz sage, warum ich diese Frage Krisen kommt. so stelle (Zurufe von der CDU/CSU) Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- — das dürfte man wohl — weil ich von jener Seite ster für Wirtschaft, Herr Kollege, ich habe schon dar- (zur CDU/CSU) den Eindruck habe, als wollte sie ein auf aufmerksam gemacht, daß auch die notwendigen Junktim zwischen Osthandel, Ostpolitik, und Textil- Hilfen im Grundsatz nichts an diesem Strukturan- misere herstellen. Ich bin Textilarbeiter gewesen; passungsprozeß ändern werden. Wir gehen davon mich interessiert das. aus, daß, nachdem unsere Textil- und Bekleidungs- (Zurufe von der CDU/CSU: Frage!) industrie den Anpassungprozeß in den letzten 20 Jahren, wenn ich das einmal so sagen darf, bravou- Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- rös bestanden hat — indem sie aus einer lohninten- ster für Wirtschaft: Herr Kollege Wehner, ich werde siven Industrie zu einer kapitalintensiven Industrie diese — — geworden ist —, auch dieser Strukturanpassungs- prozeß, der sich im Augenblick in einzelnen Berei- (Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU. — chen der Textil- und Bekleidungsindustrie vollzieht, Gegenruf des Abg. Wehner: Rufen Sie nicht von dieser Industrie und von den Arbeitnehmern in so dämlich, wenn Sie daraus ein politisches dieser Industrie gemeistert werden wird. Geschäft machen wollen, sondern helfen Sie den Arbeitern! — Glocke des Präsidenten.) Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: — Herr Kollege Wehner, ich werde diese in Frage- Die letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schon- form gestellte Anregung sehr gerne aufgreifen. Ich hofen. bin wirklich der Meinung, daß es notwendig ist, die- sen Gesamtüberblick zu geben. Schonhofen (SPD) : Herr Staatssekretär, hat vor Ich möchte den versteckten Tadel, der in dieser allem Ihr Haus einen so präzisen Einblick in die Frage vielleicht und in dieser Anregung vielleicht Ursachen der Schwierigkeiten und der Zusammen- auch liegt, daß wir hier nicht genügend getan haben, brüche der hier in Rede stehenden Betriebe, daß Sie gern entgegennehmen. Ich möchte allerdings hinzu- sagen können, wo — soweit es die Ursachen an- fügen, daß es natürlich für die Regierung leichter geht — ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang wäre, wenn die Fülle der in diesem Bereich schon mit den Billigimporten besteht und wo andererseits gegebenen Antworten auch von den Kollegen in die- ein solcher sachlicher Zusammenhang nicht zu sehen sem Hause gelegentlich zur Kenntnis genommen ist, weil — — würden. (Zurufe von der CDU/CSU.) Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Herr Kollege, damit ist aber die Zusatzfrage, glaube

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: ich, schon genügend präzisiert. Ich bitte um Ver- Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Schlei. ständnis! (Abg. Dr. Evers: Vielleicht war er auch Frau Schlei (SPD) : Herr Staatssekretär, ist zu Textilarbeiter! — Heiterkeit bei der CDU/ erwarten, daß die Bundesregierung den Landes- CSU.) finanzverwaltungen dringend empfehlen wird, Steu- erstundungsanträge von Firmen der Textil- und Be- Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- kleidungsindustrie bevorzugt und unbürokratisch ster für Wirtschaft: Herr Kollege, ein solcher sach- zu bearbeiten, und ist vielleicht in besonders schwie- licher Zusammenhang besteht für einzelne Betriebe rigen Fällen bei Klein- und Mittelbetrieben sogar innerhalb der Textil- und Bekleidungsindustrie, auch vorgesehen, Steuererlaß zu gewähren? für einige Bereiche, nicht aber für die Masse der 4302 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Parl. Staatssekretär Grüner

Textil- und Bekleidungsindustrie. Ich müßte das Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: detaillierter ausführen, was hier im Rahmen der Keine Zusatzfragen. Herr Staatssekretär, ich danke Fragestunde nicht möglich ist. Ihnen. Damit ist die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Ge- sundheit beantwortet. Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Meine Damen und Herren, damit sind die aktuellen Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers Fragen und die damit in Zusammenhang stehenden für Bildung und Wissenschaft auf. Es sind zwei Fra- schon vorher eingebrachten Fragen beantwortet. gen von dem Herrn Abgeordneten Prinz zu Sayn- Herr Staatssekretär Grüner, ich danke Ihnen, Wittgenstein-Hohenstein eingebracht worden. Herr Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers Staatssekretär Zander steht für die Beantwortung für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Die erste zur Verfügung. Frage ist von Herrn Abgeordneten Lagershausen Ich rufe die erste Frage — Frage 2 — auf: eingebracht. Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Die Wie beurteilt die Bundesregierung den vom ersten Vorsitzen- Frage lautet: den der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Muschallik, Hält die Bundesregierung die Einbeziehung von Personal- gemachten Vorschlag, die für die Zulassung von ausländischen wohnheimen und Schwesterschulen in die Forderung nach dem Studienbewerbern der Medizin vorgesehene Quote von 8 v. H. Gesetz der wirtschaftlichen Förderung der Krankenhäuser (KHG) um 3 v. H. auf 5 v. H. zu kürzen? für erforderlich, und ist sie bereit, angesichts der Kostensteige- rungen bei den Krankenhausträgern eine entsprechende Verord- nung nach § 4 Abs. 4 KHG zu erlassen? Zander, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- ster für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege, der Zur Beantwortung der Frage steht Herr Parlamen- Rahmen für die Ausländerquote ist heute durch Lan- tarischer Staatssekretär Westphal zur Verfügung. desrecht im Staatsvertrag der Länder auf „bis zu Bitte, Herr Staatssekretär! 8 v. H." festgelegt. Die einheitliche Durchführungs- verordnung der Länder konkretisiert in § 6 die Rah- Westphal, Parl. Staatssekretär beim Bundes- menregelung des Staatsvertrages auf 8 v. H. Ein An- minister für Jugend, Familie und Gesundheit: Herr trag des Landes Bayern im Verwaltungsausschuß der Kollege Lagershausen, nach § 4 Abs. 3 Nr. 8 des Zentralstelle für die Verteilung von Studienplätzen, Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Kran- den Anteil auf 5 % zu reduzieren, ist mit den Stim- kenhäuser und zur Regelung der Krankenhaus- men der anderen Länder abgelehnt worden. pflegesätze vom 29. Juni 1972 ist eine Förderung Die Bundesregierung hat im Entwurf eines Hoch- von Ausbildungsstätten und Personalwohnheimen schulrahmengesetzes die gleiche Rahmenregelung aus Mitteln des Krankenhausfinanzierungsgesetzes vorgesehen wie der Staatsvertrag. Die Festlegung nicht zulässig. Maßgebend hierfür war die Über- für die einzelnen Fächer soll durch Landesrecht er- legung, daß Personalwohnheime Teil des Wohnungs- folgen. Die Bundesregierung sieht gegenwärtig baues sind und aus den hierfür vorgesehenen Mit- keine Veranlassung, allgemein oder in der Fach- teln gefördert werden müßten. richtung Medizin für eine Reduktion der Ausländer- Der Bundestag hat einen entsprechenden Entschlie- quote auf 5% einzutreten. ßungsantrag bei der Verabschiedung des Gesetzes In anderen Ländern finden wir ebenso hohe oder angenommen. In Ausführung dieses Beschlusses sind höhere Ausländerquoten. Nach einer Statistik der dem Bundeshaushalt zusätzliche Mittel für den Bau OECD waren es 1970 beispielsweise in 'Osterreich von Schwesternwohnheimen bereitgestellt worden. 16,1 v. H., in Frankreich 5,7 v. H., in Großbritannien Nach Auffassung des Deutschen Bundestags und des 7,9 v. H. und in der Schweiz 22,5 v. H. Bund und Bundesrats kann die Förderung von Ausbildungs- Länder haben durch den Ausbau der medizinischen stätten im Krankenhausbereich nicht anders behan- Fakultäten die Zahl der Studienplätze so erhöht, delt werden als die der anderen Ausbildungsstätten daß heute jährlich etwa 7 000 Studienanfänger der und sollte daher aus Mitteln der Etats der Kultus- allgemeinen Medizin aufgenommen werden können. minister der Länder vollzogen werden. Durch die vorgeschlagene Reduktion der Ausländer- Um in einer Übergangszeit Härten zu vermeiden, quote würden nur etwa 200 Studienplätze zusätzlich ist in § 30 Abs. 2 des Krankenhausfinanzierungsge- für deutsche Studienbewerber verfügbar. Damit setzes vorgesehen, daß für Ausbildungsstätten, die könnte nur etwa 1 % der wartenden deutschen Stu- den Krankenhäusern angegliedert sind, bis zum dienbewerber zusätzlich einen Studienplatz erhal- 31. Dezember 1978 die bisherige Finanzierung über ten, während fast 40% weniger Ausländer aufge- die Pflegesätze weiter gesichert bleibt. Diese Frist nommen werden könnten. Durch eine Reduktion der soll den Ländern den nötigen Spielraum einräumen, Ausländerquote würde also eine nennenswerte Ent- um die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen spannung der Situation nicht eintreten, dagegen die und die finanziellen Grundlagen für den Vollzug Möglichkeit, Ausländer aufzunehmen, sehr empfind- dieser Maßnahmen zu schaffen. lich reduziert. Es besteht zur Zeit kein Anlaß, von diesen grund- sätzlichen Entscheidungen, die gerade dieses Haus Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Ich rufe die nächste Frage — Frage 3 — des Herrn getroffen hat, abzugehen und eine Verordnung nach Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohen- § 4 Abs. 4 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes stein auf: vorzulegen, zumal eine abschließende Beurteilung der Wirkungen des Gesetzes in diesem Teilbereich Ist die Bundesregierung in diesem Zusammenhang der Auffas- sung, daß die durch eine solche Kürzung gewonnenen Studien- nach einjähriger Laufzeit noch nicht erfolgen kann. plätze vorrangig den Bewerbern zur Verfügung gestellt werden Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4303 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen sollten, die sich verpflichten, nach Abschluß ihrer Ausbildung (SPD) : Herr Staatssekretär, machen sich in Stadtrandgebieten und ländlichen Gemeinden als Arzt Dr. Sperling für Allgemeinmedizin niederzulassen? die von Prinz zu Sayn-Wittgenstein aufgegriffenen Herr Staatssekretär! Anregungen aus dem Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung nicht deutlich, daß das bisherige System der Versorgung von Stadtrandgebieten und länd- Zander, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- lichen Gebieten nicht ausreicht und es deswegen an ster für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege, die der Zeit wäre, öffentlichen Einrichtungen die Mög- Bundesregierung hat im Entwurf des Hochschulrah- lichkeit zur ambulanten Behandlung zu eröffnen? mengesetzes eine Quote von bis zu 5 v. H. der Bewerber vorgesehen, die sich verpflichten, ihren Beruf in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Diese Frage steht nicht in dem erforderlichen Zusam- auszuüben. Die Bundesregierung wird durch Rechts- menhang mit der von Prinz zu Sayn-Wittgenstein verordnung diese Bereiche festlegen. Die Vorarbei- gestellten Frage. Ich lasse diese Frage nicht zu. ten, insbesondere zur Frage der Einbeziehung von Landärzten in diese Regelung, sind noch nicht abge- Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. schlossen. Schulze-Vorberg.

Dr. Schulze - Vorberg (CDU/CSU) : Herr Staats- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege? — Bitte! sekretär, da ich hier vor einiger Zeit eine ähnliche Frage betreffend die immer noch steigende Zahl von ausländischen Medizinern, die in der Bundesrepublik Prinz zu Sayn - Wittgenstein - Hohenstein bleiben, dadurch ihrer Heimat als Mediziner ver- (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, im Hinblick auf lorengehen und hier Studienplätze wegnehmen, an die Tatsache, daß viele ausländische Studenten der den Herrn Bundesarbeitsminister gerichtet habe, Medizin und Zahnmedizin — hier wieder aus Ent- sehe ich mich zu der Frage veranlaßt, ob Sie bereit wicklungsländern — nach Beendigung ihres Stu- sind, in der Bundesregierung die notwendige Ab- diums in der Bundesrepublik Deutschland bleiben, stimmung, vor allem mit dem Bundesarbeitsminister, darf ich Sie fragen, ob es nicht sinnvoller wäre, diese herzustellen. Studienplätze deutschen Bewerbern vorzubehalten, die bereit sind, in der ärztlichen Versorgung z. B. in Stadtrandgebieten und ländlichen Bereichen tätig zu Zander, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- werden? ster für Bildung und Wissenschaft: Aber selbstver- ständlich. Zander, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- ster für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege, Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: einerseits haben wir im Entwurf des Hochschulrah- Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär! Damit sind mengesetzes, auf den ich hingewiesen habe, eine die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundes- solche Regelung für einen besonderen Bedarf vor- ministers für Bildung und Wissenschaft beant- gesehen. Andererseits besteht der Eindruck in der wortet. Öffentlichkeit, daß die Zahl der ausländischen Medi- ziner, die in der Bundesrepublik tätig sind, zu hoch Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Die Fragen sei. Dabei handelt es sich aber meistens um Aus- länder, die sich noch in der Ausbildung befinden und 4 und 5 werden auf Wunsch des Fragestellers, des in Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen Herrn Abgeordneten Walkhoff, schriftlich beantwor- tet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. tätig sind. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundes- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: minister für Verkehr auf. Zur Beantwortung der Bitte! Fragen steht der Herr Parlamentarische Staats- sekretär Haar zur Verfügung. Die Frage 6 ist von

Prinz zu Sayn - Wittgenstein - Hohenstein dem Herrn Abgeordneten Dr. Evers eingebracht: (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, ist der Bundes- Beabsichtigt die Bundesregierung, die Pläne der Deutschen Bundesbahn zur Aufhebung von Stückgutbahnhöfen auch im Hin- regierung die genaue Zahl der Ärzte bekannt, die blick auf die veränderte Situation durch die Erdölkrise weiterhin nach Beendigung ihrer Facharztausbildung in der zu unterstützen, oder teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Erdölverknappung zwangsläufig zu Maßnahmen führen Bundesrepublik geblieben sind? muß, die eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene zum Inhalt haben und damit weitere Einschränkungsmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn ausschließen? Zander, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- ster für Bildung und Wissenschaft: Nein. Ich habe Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister mich heute bemüht, diese Zahl zu ermitteln, weil ich für Verkehr: Herr Kollege, im Zuge der Maßnahmen meinte, daß sie im Zusammenhang mit Ihrer Frage zur Einsparung von Energie wird selbstverständlich interessant sein könnte. Diese Zahl war nicht fest- angestrebt, Transporte von der Straße auf die zustellen. Schiene zu verlagern. Hierbei wird es sich ,um solche Güter handeln, die für die Eisenbahn besonders

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: geeignet sind, also um große Sendungen auf lange Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sper- Entfernungen. Die Pläne der Deutschen Bundesbahn ling. zur Konzentration des Stückgutdienstes werden hier- 4304 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Parl. Staatssekretär Haar von nicht berührt, da die mit dieser Maßnahme vor- regierung darin, daß das eine Ressort Beschränkun- gesehene Bündelung der Stückgut-Verkehrsströme gen in Gebieten durchführt, die gleichzeitig von auf weite Entfernungen eine wesentliche Entlastung anderen Ressorts auf Grund ihrer Wirtschafts- und der Straße gewährleistet und der Verkehr in der Strukturschwäche gefördert werden? Fläche bei günstigerer Auslastung mit nicht wesent- lich erhöhter Zahl an. Fahrten durchzuführen ist. Die Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister Durchführung der hier angesprochenen Konzentra- für Verkehr: Ich sehe einen solchen Zusammenhang tionsmaßnahmen ist im übrigen nicht vor Sommer nicht, Herr Kollege. 1975 zu erwarten. (Abg. Böhm [Melsungen] : Das ist ja das Schlimme!) Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Bitte, Herr Kollege, eine Zusatzfrage! Vizepräsident Dr. Schmitt -Vockenhausen: Eine weitere Zusatzfrage. Dr. Evers (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie auch in der Dr. Evers (CDU/CSU) : Sind Sie bereit zu prü- gegenwärtigen und möglicherweise länger anhalten- fen, ob die Beschränkungen im Stückgutverkehr den Situation keinen Anlaß sehen, von den Disposi- nicht dadurch ausgesetzt werden können, daß hier tionen abzurücken, die den Stückgutverkehr ein- — ähnlich wie bei anderen Maßnahmen der Bundes- schränken sollen? bahn — eine Sozialverpflichtung gesehen wird, die nicht in die Betriebsrechnung einzugehen hätte, son- Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister dern aus anderen Mitteln abzudecken wäre? für Verkehr: Herr Kollege, diese Dispositionen des Vorstands der Deutschen Bundesbahn erstrecken sich, wie bereits ausgeführt, über einen Zeitraum Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister von zwei Jahren. Wir sehen keinen Anlaß, an dem für Verkehr: Herr Kollege, es ist Aufgabe der Bun- zeitlichen Ablauf dieser beabsichtigten Maßnahmen desbahn, ihr Angebot auch im Bereich des Stückgut- etwas zu ändern. verkehrs so weit wie möglich zu verbessern. Dieses Ziel wird auch mit dieser unserer Absicht verfolgt. Im übrigen ist bekannt, daß keine Veränderungen Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: ohne vorherige Vereinbarung von Sozialplänen er- Keine weitere Zusatzfrage. folgen. Ich rufe die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Evers auf: Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Hält die Bundesregierung an ihren Plänen fest, auch in den Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Jobst auf: wenig erschlossenen Mittelgebirgslagen, beispielsweise im Hoch- Ist die Vorschrift noch gerechtfertigt, wonach an spikesbereiften schwarzwald, Stückgüterbahnhöfe anläßlich der veränderten Autos am Fahrzeugheck eine 100-Plakette angebracht sein muß, Situation auf dem Energiemarkt aufzugeben? obwohl nach der neuen Geschwindigkeitsregelung niemand schneller als 80 bzw. 100 Stundenkilometer fahren darf? Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister Bitte, Herr Staatssekretär! - für Verkehr: Herr Kollege, nach meiner Antwort auf Ihre vorhergehende Frage bin ich der Ansicht, Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister daß bei der Deutschen Bundesbahn keine Veran- für Verkehr: Herr Kollege Jobst, die Vorschrift des lassung besteht, die geplante Stückgutverkehr-Neu- § 4 der Spikesverordnung, wonach mit Spikereifen ordnung im Hochschwarzwald aufzugeben. Ich weise ausgerüstete Fahrzeuge das Schild mit der Aufschrift außerdem darauf hin, daß die Zentrale Transport- „100" führen müssen, ist sachlich gerechtfertigt. leitung Mainz der Hauptverwaltung der Deutschen Zwar ist auf Grund des Energiesicherungsgesetzes Bundesbahn voraussichtlich zum 1. März 1974 ein für die nächsten sechs Monate eine allgemeine Gesamtprogramm, einen sogenannten Netzplan vor- Höchstgeschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km in legen wird, in dem die durchzuführenden Schritte der Stunde auf Autobahnen sowie auf 80 km in der aufgezeichnet werden. Damit erfolgt allerdings noch Stunde auf den übrigen Straßen angeordnet. Das keine Festlegung der Zuordnung der Einzugsbe- Spikeschild hat jedoch nicht nur eine geschwindig- reiche und der Auswahl der Konzentrationspunkte. keitsbezogene Bedeutung. Es soll nicht nur anzei- Sobald die Überlegungen über eine Umgestaltung gen, daß das betreffende Fahrzeug nur 100 km in in den einzelnen Bereichen abgeschlossen sind, wer- der Stunde fahren darf, sondern das Schild soll dar- den die näheren Einzelheiten mit den jeweils betei- über hinaus dokumentieren, daß dieses Fahrzeug ligten Behörden, Verbänden und Firmen erörtert. Spikereifen führt und deshalb ein andersgeartetes Je nach Fortschritt der gegenwärtigen planerischen Fahr- und Bremsverhalten hat. Den übrigen Ver- Überlegungen werden diese Gespräche im Laufe der kehrsteilnehmern soll dadurch die Möglichkeit gege- Jahre 1974 und 1975 zu führen sein. ben werden, ihr eigenes Fahrverhalten hierauf einzu- stellen. Vizepräsident Dr. Schmitt -Vockenhausen: Die Art der Kennzeichnung von Spikefahrzeugen Eine Zusatzfrage. durch das Schild „100" ist auch international abge- sprochen. Bei den seinerzeitigen Verhandlungen mit Dr. Evers (CDU/CSU) : Sehen Sie mit mir eine den Nachbarländern konnte sich die deutsche Auf- unzureichende Koordination innerhalb der Bundes fassung leider nicht durchsetzen, die mit Spikes aus- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4305 Parl. Staatssekretär Haar gerüsteten Fahrzeuge mit einem Schild zu versehen, zustelldienste führen kann, in diesen Fällen also welches ein Spikessymbol enthält. Hätten wir heute keinen Treibstoffmehrbedarf auslöst. ein solches Symbolschild, wäre die Diskussion über Die von Ihnen angesprochene Erklärung des Herrn den Sinn des Schildes überhaupt nicht aufgekommen. Bundeskanzlers bezieht sich auf die Beförderung eisenbahnspezifischer Güter über lange Strecken. Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Das Sammeln und Verteilen kleiner Stückgutpartien Eine Zusatzfrage. in der Fläche gehört nicht hierzu.

Dr. Jobst (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, sind Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Sie nicht der Meinung, daß die Gründe, die Sie jetzt Zusatzfrage. für die Anbringung des Schildes beim Führen von Spikesreifen nochmals angeführt haben, nun über- (SPD) : Herr Staatssekretär, können Sie, holt sind, nachdem eine allgemeine Höchstgeschwin- Immer ausgehend davon, daß dennoch für längere Zeit eine digkeit von 100 km in der Stunde besteht? Verknappung eintritt und dies höhere Preise für Mineralöl zur Folge hat, ausschließen, daß diese Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister Verlagerung des Stückgutverkehrs dennoch zu Ko- für Verkehr: Herr Kollege, ich glaube nicht, daß die stensteigerungen gerade bei denjenigen Betrieben Kraftfahrer, die betroffen sind und Spikesreifen füh- führt, die wir erhalten wollen? ren, Verständnis dafür hätten, wenn jetzt vorüber- gehend auf eine solche Kennzeichnung verzichtet Parl. Staatssekretär beim Bundesminister würde, um sie später wiedereinzuführen. Haar, für Verkehr: Herr Kollege, ich darf ganz allgemein feststellen, daß die Bundesbahn gerade im Stück- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: gutverkehr in den letzten zwei Jahrzehnten prak- Eine weitere Zusatzfrage. tisch die Geschäfte der größeren Risiken übernom- men hat und daß es hier zu einer Umstrukturierung Dr. Jobst (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, mei- kommt, die sich letztlich auch auf den Bereich der nen Sie nicht, daß es unbillig und ein Witz ist, wenn Betriebsrechnung der Deutschen Bundesbahn aus- heute Kraftfahrer bestraft werden, die dieses Schild wirken soll. Das ist nicht auszuschließen. nicht mitführen, obwohl sie nicht mehr als 100 km in der Stunde fahren dürfen? Vizepräsident Dr. 'Schmitt - Vockenhausen: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege. Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, der Bundesregierung ist Immer (SPD) : Darf ich Sie noch einmal fragen, nicht bekannt, daß in der Zwischenzeit eine solche ob Sie auch ausschließen wollen, daß im Zuge die- Bestrafung erfolgt wäre. ser Verlagerung der Stückgutverkehr dennoch ganz auf die Straße abwandert? Und welche Maßnahmen Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: haben Sie getroffen, damit das nicht stattfinden Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Immer- auf: kann? Inwieweit ist die Bundesregierung bereit, in Ausführung der Erklärung des Bundeskanzlers, Gütertransporte von der Straße auf die Schiene zu verlagern, auch die Planung der Flächen- Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister bedienung nochmals gründlich zu überprüfen? für Verkehr: Der Bundesbahnvorstand hat wieder- Herr Staatssekretär! holt in vollem Einvernehmen mit dem Herrn Bundes- verkehrsminister darauf hingewiesen, daß es sich in Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der weiteren Entwicklung um ein verbessertes An- für Verkehr: Herr Kollege, die Bundesregierung hält gebot handelt und nicht um die Absicht, den Stück- es nicht für erforderlich, aus Gründen der Mineralöl- gutverkehr für die Bundesbahn aufzugeben. versorgung die angekündigte Konzentration im

Stückgutverkehr noch einmal zu überprüfen. Zur Be- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: gründung ist auf folgendes hinzuweisen. Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Dr. 1. Die Deutsche Bundesbahn kann die angekün- Riedl auf: Welche bundeseinheitlichen Regelungen hält die Bundesregie- digte Konzentration der Stückgutabfertigungsbahn- rung für notwendig, um die gemeinwirtschaftlichen Lasten auch höfe erst im Sommer 1975 verwirklichen. Ich möchte der kommunalen Träger des öffentlichen Personennahverkehrs im Bereich des Ausbildungs- und Berufsverkehrs auszugleichen, und fest annehmen, daß die akuten Versorgungspro- ab welchem Zeitpunkt ist gegebenenfalls aus solchen Regelungen mit Betriebskostenzuschüssen für den Münchner Verbundverkehr bleme dann überwunden sein werden. (MVV) zu rechnen? 2. Der Treibstoffverbrauch des gesamten gewerb- lichen Güternahverkehrs belief sich 1972 auf rund Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister 1,5 Millionen t. Das sind etwa 1,3 % des Gesamt- für Verkehr: Herr Kollege Dr. Riedl, die Bundes- verbrauchs an Mineralölprodukten. Auf die Stück- regierung hat am 12. September 1973 beschlossen, gutflächenbedienung entfällt nur ein Bruchteil die- den Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Lasten im ser Menge. Eine Erweiterung der Flächenbedienung öffentlichen Personennahverkehr bundeseinheitlich würde also nicht wesentlich ins Gewicht fallen. Da- zu regeln. Danach sollen den Nahverkehrsunterneh- bei ist noch zu berücksichtigen, daß die Konzentra- men die Mindereinnahmen aus dem Verkauf von tion auch zu einer besseren Auslastung der Straßen Zeitkarten, insbesondere des Ausbildungs- und Be- 4306 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Parl. Staatssekretär Haar rufsverkehrs, ausgeglichen werden. Das Bundeskabi- hinaus hat am 10. Dezember 1973 ein Gespräch in nett befaßt sich heute mit den entsprechenden Ände- Marburg zwischen Herrn Minister Dr. Lauritzen rungsgesetzentwürfen zum Personenbeförderungsge- und Vertretern der hessischen Straßenbauverwal- setz und zum Allgemeinen Eisenbahngesetz. Die Ge- tung sowie Vertretern der Kommunalverwaltungen setze sollen am 1. Januar 1975 in Kraft treten. Nach stattgefunden. Gegenstand dieser Besprechung dem Inkrafttreten dieser Änderungsgesetze kann waren u. a. Verkehrsprobleme Nordhessens. auch mit Ausgleichsleistungen an die im Münchner Verkehrsverbund zusammengeschlossenen Ver- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: kehrsträger gerechnet werden. Eine Zusatzfrage.

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) : Herr Staats- Zusatzfrage. sekretär, sind Sie bereit, von mir zur Kenntnis zu nehmen, daß die „Hessische Allgemeine" am 28. No- Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) : Herr Staats- vember 1973 folgendes berichtet hat — ich zi sekretär, welche Auswirkungen werden diese in tiere —: Aussicht gestellten Zuschüsse auf die derzeit in der Karry klagte in diesem Zusammenhang über Diskussion befindlichen Tariferhöhungen haben? mangelnde Zusammenarbeit mit dem Bundes- verkehrsminister. Er habe kaum die Möglich- Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister keit, mit Dr. Lauritzen die aktuellen Verkehrs- für Verkehr: Herr Kollege, auch diese zusätzlichen probleme zu erörtern. Leistungen, soweit sie ab 1. Januar 1975 gesetzlich vorgesehen sind, werden nicht ausreichen, um im Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister Münchner Tarifverbund Überlegungen entbehrlich für Verkehr: Herr Kollege, ich habe diese Presse- zu machen, die zu einer Erhöhung des Selbstkosten- mitteilung zur Kenntnis genommen. Ich werde den anteils führen können. Herrn Minister über diese Veröffentlichung gerne unterrichten.

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Eine weitere Zusatzfrage. Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) : Herr Staats- sekretär, sind Sie in der Lage, unter Vorwegnahme Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) : Darf ich Sie bit- der Ergebnisse der Beratungen im Bundeskabinett ten, Herr Staatssekretär, mir das Ergebnis Ihrer jetzt schon Zahlen zu nennen hinsichtlich der Höhe Untersuchung in diesem Fall dann schriftlich mit- des zu erwartenden Betriebskostenzuschusses und zuteilen. hinsichtlich der zu erwartenden Tarifanhebung?

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten La- für Verkehr: Herr Kollege, auf München- bezogen gershausen auf. Der Herr Abgeordnete war soeben bin ich im Augenblick nicht in der Lage, im Detail bei der Beantwortung einer anderen Frage noch im eine Antwort zu geben. Saal. Ich sehe ihn jetzt nicht. Die Frage muß da- her schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Böhm Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Damit sind (Melsungen) auf: die Fragen aus diesem Geschäftsbereich beantwor- Welche Stellungnahme bezieht die Bundesregierung zu der bei tet. einem Besuch der Stadt Homberg-Efze im Kreis Fritzlar-Homberg vom hessischen Minister für Wirtschaft und Technik geführten Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäfts- Klage über mangelnde Zusammenarbeit mit dem Bundesver- kehrsminister und der von Minister Karry (FDP) getroffenen bereich des Bundesministers für Forschung und Feststellung, er habe kaum die Möglichkeit, mit Dr. Lauritzen Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen. die aktuellen Verkehrsprobleme zu erörtern? Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Par- Herr Staatssekretär! lamentarische Staatssekretär Hauff zur Verfügung.

Haar, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten für Verkehr: Eine derartige Äußerung des hessischen Dr. Kunz (Weiden) auf: Ministers für Wirtschaft und Technik ist der Bundes- Treffen Meldungen zu, daß dem Bundesminister für Forschung regierung nicht bekannt. Ein Grund für eine solche und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen von nicht kompetenter Seite des Ministeriums umfangreiche Vor- Klage ist auch nicht gegeben, da die aktuellen Ver- schläge zur Umstrukturierung und zu personellen Umbesetzungen gemacht wurden, die eine einseitige Bevorzugung von Anhän- kehrsprobleme Hessens zwischen den zuständigen gern der SPD bedeuten würden, und welche Konsequenzen hat Stellen des Landes und des Bundes immer eingehend der Bundesminister aus diesem Vorgang gezogen bzw. gedenkt er zu ziehen? erörtert werden. Die Bundesregierung ist allerdings der Auffassung, daß abgesehen von grundsätzlichen Herr Staatssekretär! Fragen der Verkehrspolitik spezielle aktuelle Ver- kehrsprobleme nicht unbedingt Gegenstand von so- Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär 'beim Bundes- genannten Spitzengesprächen sein müssen. Darüber minister für Forschung und Technologie und für das Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4307

Parl. Staatssekretär Dr. Hauff Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Mel- Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär beim Bundes- dungen treffen nicht zu. Minister Ehmke hat im Au- minister für Forschung und Technologie und für das gust 1973 Mitarbeiter des Bundesministeriums für Post- und Fernmeldewesen: Es trifft nicht zu, daß Forschung und Technologie aufgefordert, zu einem die Deutsche Bundespost nur in Bereichen mit Al- Vorschlag für die Reorganisation des Ministeriums leinbetriebsrechten ihre Gebühren zu erhöhen beab- Stellung zu nehmen. Es wurden in erfreulich gro- sichtigt, während sie in Dienstzweigen, in denen sie ßer Zahl Änderungs- und Ergänzungsvorschläge ge- mit Wirtchaftsunternehmen konkurrieren muß, auf macht. Ich bin nicht der Meinung, daß Mitarbeiter die Erhebung der üblichen Gebühren verzichtet. Ein des Bundesministeriums für Forschung und Techno- Beispiel dafür ist der Postpaketdienst, bei dem die logie im Sinne Ihrer Fragestellung nicht kompe- Deutsche Bundespost trotz schärfsten Konkurrenz- tent für Stellungnahmen zu Fragen der Organisation druckes Gebührenmaßnahmen beabsichtigt. des Ministeriums sind. Im übrigen darf ich hinzu- Die Deutsche Bundespost strebt an, die Kosten- fügen, daß alle diese Vorschläge ausschließlich or- unterdeckung im Zahlkarten- und im Zahlungsan- ganisationsbezogen waren. weisungsdienst durch Gebührenangleichungen und weitere Rationalisierungsmaßnahmen abzubauen. Auch für den Überweisungsdienst werden Gebüh- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Keine Zusatzfragen. renmaßnahmen erwogen. Von einem Gebührenver- zicht kann daher nicht die Rede sein. Der Herr Abgeordnete Dr. Riedl hat um schrift- liche Beantwortung der von ihm eingereichten Frage Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: 14 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abge- Keine Zusatzfrage. Damit sind die Fragen aus druckt. dem Geschäftsbereich des Bundesministers für For- Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten chung und Technologie und für das Post- und Fern- Freiherr Spies von Büllesheim auf: meldewesen beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Ist es zutreffend, daß die Deutsche Bundespost in einem Be- reich, in dem sie mil der allgemeinen Kreditwirtschaft im Wett- bewerb steht, dein Bereich des Zahlungsverkehrs, im Jahr 1972 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers 480 Millionen DM Verlust erwirtschaftet hat u. a. auch deshalb, weil sie im Vergleich zur sonstigen Kreditwirtschaft niedrigere des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Gebühren erhebt? der Bundesinnenminister Genscher zur Verfügung. Herr Staatssekretär! Die erste Frage ist die Frage 17 des Herrn Abge- ordneten Dr. Probst: Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Wie hoch ist der Anteil der im öffentlichen Dienst tätigen minister für Forschung und Technologie und für Hochschulabsolventen an der Gesamtzahl der erwerbstätigen das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, mit Hochschulabsolventen in der Bundesrepublik Deutschland? Ihrer ersten Frage sprechen Sie den Postscheck- dienst, den Zahlkartendienst und den Zahlungsan- Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- weisungsdienst an. geordneter, der Anteil der im öffentlichen Dienst beschäftigten Hochschulabsolventen an der Gesamt- Der Überweisungsdienst, also der bargeldlose zahl der erwerbstätigen Hochchulabsolventen in der Zahlungsverkehr, wies 1972 eine Kostenüberdek- Bundesrepublik Deutschland beträgt nach den vor- kung von 41 Millionen DM auf. Im Zahlkartendienst handenen statistischen Unterlagen rund 45,6%. und im Zahlungsanweisungsdienst entstanden Unter- Fachhochschulabsolventen sind darin nicht einbegrif- deckungen von 332,6 Millionen DM bzw. 189,1 Mil- fen. Sie sind als solche in den statistischen Merkma- lionen DM. len bisher noch nicht erfaßt. Die Gebühren für Zahlkarten entsprechen im all- gemeinen den Zahlscheingebühren des Kreditge- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: werbes. Die Zustellung von Geldbeträgen in die Herr Kollege, haben Sie Zusatzfragen? — Dann rufe Wohnung des Empfängers ist Aufgabe des Zahlungs- ich die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Probst auf: anweisungsdienstes. Hier steht die Deutsche Bun- Ist die Bundesregierung der Meinung, die öffentlichen Dienst- herren in der Bundesrepublik Deutschland könnten mittelfristig despost nicht im Wettbewerb mit dem Kreditge- alle diejenigen Hochschulabsolventen anstellen, die nach Ab- schluß ihres Studiums im privaten Bereich keine angemessene werbe. Vielmehr nimmt das Kreditgewerbe diesen Berufsmöglichkeit gefunden haben? Dienst selber in Anspruch. Genscher, Bundesminister des Innern: Nein, Herr Abgeordneter. Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Keine Zusatzfrage? — (Heiterkeit.)

Dann rufe ich die Frage 16 des Herrn Abgeordne- Dr. Probst (CDU/CSU): Dann darf ich eine Zu- ten Freiherr Spies von Büllesheim auf: satzfrage stellen, nämlich: Wie beurteilt die Bundes- Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß die Deutsche regierung die Ausführungen des Leiters des Insti- Bundespost sehr erhebliche Gebührenerhöhungen in Bereichen beabsichtigt, in denen sie über ein Monopol verfügt, gleichzeitig tuts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bun- aber in den Dienstzweigen, in denen sie mit Wirtschaftsunter- desanstalt für Arbeit, die Frage der künftigen Be- nehmen konkurrieren muß, auf die Erhebung üblicher Gebühren verzichtet, und auf welche Größenordnung kann dieser Verzicht schäftigung von Akademikern sei ganz überwiegend für das Jahr 1973 beziffert werden? eine Frage der öffentlichen Aufgaben- und Stellen- Herr Staatssekretär. planung? 4308 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- scher Verfolgung nicht bedroht ist. Im übrigen wird geordneter, ich erlaube mir eine Beurteilung solcher Mandel die Einreise nicht verweigert, weil er Ausführungen nur dann, wenn ich sie nicht nur aus Marxist ist. dem Zusammenhang gerissen, sondern in ihrer Ge- Ich darf bei dieser Gelegenheit bemerken, daß samtheit kenne. Ich bin gern bereit, Ihnen meine gestern das Verwaltungsgericht Saarlouis die Zu- Meinung dazu schriftlich mitzuteilen. rückweisungsanordnung der Bundesregierung be- stätigt hat. Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Eine weitere Zusatzfrage? — Bitte! Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Eine Zusatzfrage. Dr. Probst (CDU/CSU) : Herr Minister, ich will Ihnen diese Frage gern noch einmal im Zusammen- hang vortragen. Der Institutsleiter schreibt in der Spranger (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, kön- nen Sie ausschließen, daß eine Reihe von Leuten „Zeit" vom 2. November: eingereist sind oder einreisen werden, die weiterhin, Die Frage der künftigen Beschäftigung von Aka- unter Umständen auch mit Gewalt, linksradikale demikern ist demnach ganz überwiegend eine Zielsetzungen verfolgen? Frage der öffentlichen Aufgaben- und Stellen- planung. Dies ist der eigentliche Boden aller Tatsachen. Die Bundesrepublik ist reich genug, Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- ihre Bildungspolitik weniger von prognostizier- geordneter, die Bundesregierung läßt sich von den ten Tendenzen als vielmehr von selbst gesteck- Grundsätzen der Genfer Konvention leiten, wonach ten gesellschaftlichen Zielen abhängig zu diejenigen aufgenommen werden sollen, die aus der machen. So steht es in den Kernsätzen der Orga- begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer nisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer Entwicklung. bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politi- schen Überzeugung ausreisen wollen. Dabei sind Ausnahmen in der Genfer Konvention gemacht, Genscher, Bundesminister des Innern: Ich kann ganz allgemein dazu bemerken, daß es wie schon nämlich für solche Personen, bei denen die Annahme bisher nicht Aufgabe des öffentlichen Dienstes ist, berechtigt ist, daß sie ein Verbrechen gegen den alle diejenigen aufzunehmen, die in anderen Berufs- Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen bereichen keine angemessene Beschäftigung finden. gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationa- len Vertragswerke begangen haben oder daß sie ein (Beifall bei der FDP.) schweres nichtpolitisches Verbrechen außerhalb des Die Einstellung in den öffentlichen Dienst richtet sich Aufnahmelandes begangen haben, bevor sie als nach Eignung und Bedarf und hat eine Bewerber- Flüchtlinge aufgenommen worden sind, oder daß sie auslese zur Voraussetzung. Es ist auch nicht beab- sich Handlungen zuschulden kommen ließen, die den sichtigt, die Zahl höherwertiger Funktionen im Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zu- öffentlichen Dienst, die für Hochschulabsolventen in widerlaufen. Betracht kommen, beliebig zu vermehren.-

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Eine weitere Zusatzfrage. Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Spranger ab : Spranger (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, ist Sind Meldungen zutreffend, denen zufolge 40 % der etwa der Bundesregierung bekannt, warum diese Links- 450 Personen, die von Chile in die Bundesrepublik Deutschland übersiedeln möchten, Kommunisten, weitere 20% Mitglieder radikalen in die Bundesrepublik Deutschland und der noch linksradikaleren Sozialisten sind, und warum gelten nicht in jene Staaten einreisen wollen, die ihrer die Bedürfnisse der inneren Sicherheit, wie sie für das Verbot der Einreise des Marxisten Ernest Mandel maßgebend waren, Ideologie wesentlich näherstehen? nicht für diese Linksradikalen?

Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- geordneter, bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus geordneter, ich glaube, wir sollten, wenn es um Chile läßt sich die Bundesregierung in erster Linie politische Verfolgung geht, zunächst einmal von der von humanitären Gesichtspunkten leiten. Das gilt Frage ausgehen, ob sich der Betreffende dieser Ver- für alle politisch Verfolgten, soweit für sie die Aus- folgung — unabhängig davon, welche politischen reise in die Bundesrepublik Deutschland die einzige Ziele und Meinungen er hat — nur in der von ihm Möglichkeit ist, sich dieser Verfolgung zu entziehen. nachgesuchten Weise entziehen kann. Das kann in Eine genaue Übersicht, wieviel Prozent der Zuflucht- den von mir genannten Fällen offensichtlich nur suchenden welchen chilenischen Parteien oder ehe- durch die Ausreise in die Bundesrepublik geschehen. maligen chilenischen Parteien angehören, wird in Ich will darüber hinaus nicht verschweigen, daß Kürze gegeben werden können. man sicher erwarten kann, daß diejenigen, die als Ein Vergleich mit dem Einreiseverbot für den Endziel den Kommunismus haben, von hier aus die belgischen Staatsbürger Mandel verbietet sich schon Weiterreise in solche Länder suchen werden, wo deshalb, weil dieser alle Vorzüge einer demokrati- ihre Vorstellungen schon weitgehend verwirklicht schen Ordnung in Belgien genießt und von politi sind. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4309

halt in Anspruch nimmt und somit die andere Hälfte des Kinder- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen,: zuschlags nicht zur Auszahlung gelangen kann, und erwägt die Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lambinus. Bundesregierung eine Neuordnung der Kinderzuschläge in der Weise, daß der Mutter, die ihr Kind allein unterhält, auch der volle Kinderzuschlag zugute kommt? Lambinus (SPD) : Herr Minister, teilen Sie meine Meinung, daß es sich bei den chilenischen Kommu- Genscher, Bundesminister des Innern: Frau Kol- nisten und sogenannten linksradikalen Sozialisten legin, ich teile Ihre Auffassung, daß das geltende in erster Linie um Menschen handelt, deren Leben Recht in Fällen der von Ihnen angesprochenen Art in akuter Gefahr ist, und daß für diese Menschen nicht immer befriedigend ist. Je nach Lage des Ein- nicht nur Art. 16 Abs. 2 Satz 2 unseres Grundgeset- zelfalles kann sich hier ein Interessenkonflikt mit zes, sondern auch und insbesondere das Gebot der der durch Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes geschütz- christlichen Nächstenliebe gilt? ten Intimsphäre ,der öffentlich Bediensteten ergeben, wie ihn beispielsweise das Bundesverwaltungsge- Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- richt in seinem Urteil vom 3. September 1970 bei der geordneter, ich hatte schon zum Ausdruck gebracht, Geltendmachung eines Beihilfeanspruchs einer Be- daß sich die Bundesregierung in dieser Frage von amtin zu den Kosten der Geburt ihres nichtehelichen humanitären Erwägungen leiten läßt und daß es für Kindes anerkannt hatte. sie auf die Frage ankommt, ob sich der Betreffende Diese Schwierigkeiten werden nicht mehr beste- nur auf diese Weise der politischen Verfolgung ent- hen, Frau Kollegin, wenn die in § 43 Abs. 2 Nr. 5 ziehen kann. vorgesehene Regelung des dem Bundeskabinett zu- geleiteten und heute verabschiedeten Entwurfs eines Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neu- Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sper- regelung des Besoldungsrechts in Kraft tritt, wonach ling. eine Beamtin auf Antrag den vollen Kinderzuschlag erhält, wenn ihr die Sorge für das Kind allein zu- Dr. Sperling (SPD) : Herr Minister, werden die steht. Da die Sorge für ein nichteheliches Kind allein praktizierenden Terroristen, die zur Zeit an der der Mutter zusteht, müßte ihr mit dem Inkrafttreten Spitze des chilenischen Staates stehen und garan- der genannten Vorschrift auf Antrag der volle Kin- tiert Gesetzes- und Verfassungsbruch betrieben ha- derzuschlag gewährt werden. ben und jegliches Gebot der Humanität verletzen, Sollte der Fall, der Ihrer Anfrage zugrunde im Falle einer Einreise zumindest den gleichen liegt, eine Beamtin des Bundes betreffen, darf ich Überprüfungen unterworfen werden wie die von bitten, mir Einzelheiten mitzuteilen, damit schon vor ihnen Verfolgten? Inkrafttreten des Gesetzes entsprechend verfahren werden kann. Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- geordneter, die Einreiseprüfungsgrundsätze der Frau Eilers (Bielefeld) (SPD) : Herr Minister, Bundesregierung sind in allen Fällen gleich. sind Sie mit mir der Meinung, daß dieser Mutter nicht erst auf Antrag das volle Kindergeld zuge-

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen:- standen werden sollte, sondern daß sie einen selbst- Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten verständlichen Rechtsanspruch auch ohne Antrag- von Alten-Nordheim. stellung darauf haben sollte?

von Alten - Nordheim (CDU/CSU) : Herr Bundes- Genscher, Bundesminister des Innern: Frau Kol- minister, ist die Bundesregierung bereit, diesen legin, diesen Rechtsanspruch hat die Mutter natür- Flüchtlingen die Aufenthaltsgenehmigung wieder zu lich, aber dem Gestaltungsrecht sollte nicht vorge- entziehen, wenn sie sich als Berufsrevoluzzer und griffen werden. Es gibt sehr wohl Fälle, in denen als Agitatoren erweisen? die Mutter daran nicht interessiert ist, sondern in denen sie daran interessiert ist, daß etwa direkt Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- dorthin gezahlt wird, wo sich das Kind aufhält. Ich geordneter, wenn es sich um eine Aufenthaltsge- glaube, 'daß mit der Gewährung des Antragsrechts, nehmigung handelt, ist das rechtlich möglich. Wenn d. h. eines Bestimmungsrechts der Mutter, das von die Betreffenden um Asyl nachsuchen und es be- der Zustimmung keiner anderen Person abhängt, kommen, ist das nach unserem Asylrecht, das ver- genau dem Rechnung getragen wird, was im Inter- fassungsrechtlich garantiert ist, nur unter ganz be- esse der Mutter und des Kindes zugleich liegt. sonderen Bedingungen möglich. Auch hier wird sich die Bundesregierung ausschließlich an der Verfas- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: sung orientieren. Die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Rollmann werden schriftlich beantwortet, da der Fragesteller

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: nicht im Saal ist. Die Antworten werden als Anlagen Ich rufe die Frage 20 der Abgeordneten Frau Eilers abgedruckt. auf: Hält es die Bundesregierung far gerechtfertigt, daß eine Kür- 'Die Fragen 23 und 24 des Abgeordneten Wende zung des Kinderzuschlags auf die Hälfte gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 4 des Bundesbesoldungsgesetzes auch dann vorgenommen wird, werden ebenfalls schriftlich beantwortet, da der wenn eine Beamtin zwar angibt, daß der Vater ihres nichtehe- Fragesteller nicht im Saal ist. Die Antworten werden lichen Kindes im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, ihn aber nicht benennt und auch nicht zivilrechtlich für den Kindesunter als Anlagen abgedruckt. 4310 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Ich rufe dann die Frage 25 des Herrn Abgeordne- liche beamtenrechtliche Regelungen im Bundesge- ten Schreiber auf: biet fragen, wie weit die vereinbarte neue Abstim- Ist die Bundesregierung bereit, die Initiativen der Gemeinden mung des Bundes und der Länder über diesen gan- und Kreise zu unterstützen, die sich bereit erklärt haben, poli- tische Flüchtlinge aus Chile aufzunehmen, und wenn ja, welcher zen Fragenkomplex der Beschäftigung Radikaler im Art wird diese Unterstützung sein? öffentlichen Dienst gediehen ist.

Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- Genscher, Bundesminister des Innern: Ich ver- geordneter, die Bundesregierung begrüßt 'die zahl- mute, daß sich schon die nächste Innenministerkon- reichen Initiativen der Gemeinden und Kreise, Per- ferenz damit befassen wird, wie das von den Mini- sonen aus Chile aufzunehmen. Sie sieht in dieser sterpräsidenten gewünscht wird. Bereitschaft zugleich die Anerkennung ihrer eige- nen Bemühungen, dem betroffenen Personenkreis Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: die Ausreise aus Chile und die Einreise in die Eine weitere Zusatzfrage. Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen und zu erleichtern. Dr. Schweitzer (SPD) : Herr Minister, wären Sie Bereits in meiner Antwort auf eine Frage des bereit, sich im Interesse dieser anzustrebenden Bun- Herrn Abgeordneten 'Marschall vom 29. November deseinheitlichkeit bei der Einstellung Radikaler im 1973 hatte ich darauf hingewiesen, daß für eine öffentlichen Dienst gegenüber dem Bundesland wirksame Hilfe in erster Linie die Länder zuständig Rheinland-Pfalz in einem bestimmten, meines Er- sind. achtens geradezu skandalös gehandhabten Fall zu verwenden, in dessen Zusammenhang dem Ihnen Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Ich habe hierzu am unterstellten Präsidenten des Bundesamtes für Ver- 29. November 1973 ausgeführt, daß über den Um- fassungsschutz Unterlagen vorliegen? Ihnen gegen- fang von Hilfsmaßnahmen, abgesehen von der über würde ich selbstverständlich gern vertrauliche grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder, erst ent- Angaben darüber machen. schieden werden kann, wenn die Vorfragen über die besonderen Hilfsmaßnahmen, also z. B. berufliche Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- Zuordnung oder Kinderzahl, beantwortet werden geordneter, wenn Sie mir Ihre Unterlagen zuleiten, können. Inzwischen haben einige Länder bereits bin ich gern bereit, mit dem Innenminister des Lan- Vorkehrungen für die Erstaufnahmen in Durchgangs- des Rheinland-Pfalz zu sprechen. heimen getroffen.

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Büch- Keine Zusatzfragen. ner auf: Welche Sportbaumaßnahmen hat die Bundesregierung mit den Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten im Haushaltsplan 1973 (06) ausgewiesenen 32,5 Millionen DM Dr. Schweitzer auf: gefördert? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß bei aller Wür- Bitte, Herr Minister! digung der Notwendigkeit, aktiv engagierte Links- oder Rechts- radikale vom öffentlichen Dienst in der Bundesrepublik Deutsch- land fernzuhalten, eine Bewerbung zur Übernahme- in diesen Genscher, Bundesminister des Innern: Für den Dienst nicht allein schon auf Grund einer vorübergehenden Mitgliedschaft im „Spartakus" an einer wissenschaftlichen Hoch- Sportstättenbau hat die Bundesregierung aus dem schule abgelehnt werden sollte? Einzelplan 06 bisher Mittel in Höhe von 29 Millio- Herr Minister! nen DM zur Verfügung gestellt. Hiervon sind für Bundesleistungszentren zirka 7,3 Millionen DM, für Genscher, Bundesminister des Innern: Nach Auf- Landesleistungszentren zirka 7,5 Millionen DM so- fassung der Bundesregierung ist bei der Entschei- wie für Sondermaßnahmen — wie das Haus des dung über Bewerbungen stets auf die Umstände des Sports in Frankfurt, in Oberstdorf und das Deutsche Einzelfalles abzustellen. Turnfest in Stuttgart — zirka 3,4 Millionen DM auf- gewendet worden. Generalisierende Regelungen lassen sich wegen der unterschiedlichen Gestaltung der einzelnen Fälle Für die Errichtung von Sportstätten, die aus- nicht aufstellen. Aus diesem Grunde kann auch die schließlich dem Breitensport dienen, sind aus dem von Ihnen abstrakt gestellte Frage nicht pauschal Einzelplan 06 bisher zirka 10,8 Millionen DM zur für alle Fälle gleich beantwortet werden. Ausgangs- Verfügung gestellt worden. Hiervon entfallen auf punkt für die Entscheidung kann stets nur die Frage Maßnahmen nach dem Goldenen Plan zirka 1,8 Mil- sein, ob im konkreten Fall zum Zeitpunkt der Bewer- lionen DM, der Zonenrandförderung — einschließ- bung eindeutige Tatsachen — Tatsachen, Herr Ab- lich Berlin — 9 Millionen DM. geordneter! — die Annahme rechtfertigen, daß der

Bewerber nicht die erforderliche Gewähr für Verfas- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: sungstreue bietet. Keine Zusatzfragen? —

Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Zusatzfrage. Büchner auf: In welcher Höhe standen der Bundesregierung 1973 Förderungs- mittel für den Sportstättenbau im Zonenrandgebiet zur Verfü- Dr. Schweitzer (SPD) : Herr Minister, darf ich gung, und welche Maßnahmen wurden damit gefördert? Sie im Hinblick auf Ihre Zuständigkeit für einheit Herr Minister! Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4311

Genscher, Bundesminister des Innern: Wie Dr. Wernitz (SPD) : Herr Minister, kann man schon bei der Beantwortung der Frage 27 dargestellt, also jetzt davon ausgehen, daß die Weichen dahin stehen aus dem Einzelplan 06 für den Sportstätten- gehend gestellt sind, daß wir 1975 auf diesem Ge- bau im Zonenrandgebiet, einschließlich Berlin, 9 Mil- biet insgesamt ein Niveau erreichen werden, das lionen DM zur Verfügung. Der Bundesminister für dem Vergleich mit den anderen Staaten in Europa innerdeutsche Beziehungen hat dem Bundesinnen- standhält? minister darüber hinaus 15,796 Millionen DM zusätz- lich für den Sportstättenbau im Zonenrandgebiet zu- Genscher, Bundesminister des Innern: Ja, Herr gewiesen. Es konnte damit zugunsten des Sport- Abgeordneter. stättenbaus im Zonenrandgebiet über insgesamt 24,796 Millionen DM an Bundesmitteln verfügt wer- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: den. Diese Mittel sind vorwiegend für Baumaßnah- Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Dr. men des Schul- und Vereinssports, namentlich für Wernitz auf: multifunktionale und integrierte Anlagen, verwen- Angesichts der Tatsache, daß die Zollverwaltung einschließlich det worden. der Zollfahndungsämter und des Zollkriminalinstituts einen wesentlichen Beitrag im Rahmen der Sicherheitsaufgaben leistet, Ich bin gern bereit, Ihnen die Gesamtübersicht frage ich die Bundesregierung, ob und gegebenenfalls welche Möglichkeiten bestehen, die Zollverwaltung in das Sicherheits- der geförderten Objekte, die jeweils am Ende eines programm aufzunehmen? Rechnungsjahres erstellt wird, zugänglich zu ma- chen. Genscher, Bundesminister des Innern: Ich stim- me Ihnen zu, daß die Zollverwaltung im Rahmen Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: der Sicherheitsaufgaben des Bundes einen wesent- Keine Zusatzfrage. lichen Beitrag leistet. Das gilt nicht nur, soweit sie unter der in § 62 Abs. 3 BGS-Gesetz vorgesehenen Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Fachaufsicht des Bundesministers des Innern für den Dr. Wernitz auf: BGS oder nach § 68 BGS-Gesetz im Wege des Per- Wie weit sind die Vorarbeiten und Koordinierungsbemühungen gediehen, um einen optimalen Beitrag der Bundesrepublik sonalverbundes grenzpolizeiliche Aufgaben wahr- Deutschland zum Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 zu ge- nimmt, sondern auch bei der Bekämpfung des inter- währleisten? nationalen Rauschgifthandels sowie des Schmuggels Herr Minister! von Waffen und Sprengstoffen. Es mag deshalb naheliegend erscheinen, die Zoll- Bundesminister des Innern: Die Bun- Genscher, verwaltung im Sicherheitsprogramm zu erwähnen. desregierung hat von Anfang an die Initiative des Bei diesem Programm handelt es sich allerdings um Europarats unterstützt, das Jahr 1975 unter dem eine Konzeption der Ständigen Konferenz der Innen- Leitspruch „Eine Zukunft für unsere Vergangenheit" minister der Länder, die schwerpunktmäßig lediglich zu erklären zum Europäischen Denkmalschutzjahr diejenigen Probleme der inneren Sicherheit an- und eine entsprechende Vorbereitungskampagne spricht, die aus der Sicht der Länder, und hier allein durchzuführen. der Innenressorts, vordringlich gelöst werden müs- Der Herr Bundespräsident hat sich bereit erklärt, sen. die Schirmherrschaft über das Denkmalschutzjahr Dieser Grundtendenz entsprechend wurde trotz zu übernehmen. Die konstituierende Sitzung des Beteiligung des Bundes an der Erarbeitung des Pro- Nationalkomitees fand am 7. Dezember 1973 im gramms im vergangenen Jahr und seiner Fortschrei- Bonner Rathaus statt. bung in diesem Jahr z. B. der für den Bund sicher- lich bedeutsame Bereich der grenzpolizeilichen Auf- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: gaben nicht aufgenommen. Auch bedeutsame Sach- Eine Zusatzfrage. gebiete, die die Zuständigkeit anderer Ressorts be- rühren, z. B. Bahnpolizei oder Wasser- und Schiff- Dr. Wernitz (SPD) : Herr Minister, woran liegt fahrtsverwaltung, wurden ausgeklammert, obwohl es, daß andere Staaten in Europa in der Vorberei- dort eine Zusammenarbeit mit den Polizeien der tung des Denkmalschutzjahres 1975 bereits etwas Länder ebenso notwendig ist wie bei der Zollver- weiter sind als wir in der Bundesrepublik? waltung. Angesichts dieser Konzeption erscheint das Sicher- Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- heitsprogramm — systematisch — der richtige Ort, geordneter, das mag damit zusammenhängen, daß es die Zusammenarbeit der Polizeidienststellen mit den notwendig war, hier eine Einigung zwischen Bund Zolldienststellen zu regeln, zumal die derzeitige Zu- und Ländern herbeizuführen, weil der Denkmal- sammenarbeit mit der Zollverwaltung, wie ich zu- schutz in der Bundesrepublik Deutschland bekannt- mindest für den BGS und das Bundeskriminalamt lich in die Zuständigkeit der Länder fällt. sagen kann, keine Mängel aufweist. (Abg. Lenzer: Gilt das auch für politische Der Text des fortgeschriebenen Sicherheitspro- Denkmäler?! — Heiterkeit bei der CDU/ gramms wurde übrigens in der Sitzung der Innen- CSU.) ministerkonferenz am 28. September 1973 bereits beraten. Das fortgeschriebene Programm soll ver-

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: abschiedet werden, sobald ein von der Gewerk- Eine weitere Zusatzfrage. schaft ÖTV und dem Bund Deutscher Kriminalbeam- 4312 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Bundesminister Genscher ter gewünschtes Gespräch mit dem Vorsitzenden der gefordert hat, daß sich die Tätigkeit ausschließlich auf Innenministerkonferenz und seinen Stellvertretern wissenschaftliche und Forschungsaufgaben beschrän- stattgefunden hat. Weder die Innenminister noch ken soll? die Gewerkschaften haben bisher die Frage der Ein- beziehung der Zollverwaltung in das Sicherheits- Genscher, Bundesminister des Innern: Ich kann programm angesprochen. Sollte eine Aufnahme der Ihnen diese Frage im Augenblick nicht beantworten, Zollverwaltung in das Sicherheitsprogramm nicht Herr Abgeordneter. Ich will das aber gern nach- möglich sein, so bedeutet das nicht, daß etwa an- holen. stehende Probleme in der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden nicht auch außerhalb des Pro- gramms einer sinnvollen Lösung zugeführt werden Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: könnten. Eine weitere Zusatzfrage.

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Straßmeir (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, Zusatzfrage. wann ist mit der Umwandlung der neu eingerichte- ten Bundesstelle für Umweltangelegenheiten in Ber- Dr. Wernitz (SPD) : Herr Minister, darf ich aus lin in ein Umweltbundesamt zu rechnen? Ihrer Antwort zumindest im Kern entnehmen, daß Sie mit mir der Auffassung sind, daß ein umfassen- Genscher, Bundesminister des Innern: Sobald die des, kompaktes Sicherheitsprogramm auch unter Ein- gesetzgebenden Körperschaften über das Errich- schluß der einschlägigen Teile der Zollverwaltung — tungsgesetz entschieden haben. im Prinzip, wohlgemerkt — erforderlich ist?

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Genscher, Bundesminister des Innern: Auch das Herr Abgeordneter Wagner (Günzburg) hat um kann ich bejahen, Herr Abgeordneter. schriftliche Beantwortung seiner Fragen 32 und 33 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abge- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: druckt. Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 87 des Herrn Abgeordneten Dr. Ich rufe die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Abelein auf: Straßmeir auf: Welche von den verschiedenen Ansichten, die Mitglieder der Hat die Bundesregierung inzwischen durch Beschluß über die Bundesregierung über das Verhältnis von Grundgesetz und Errichtung des Bundesamts für Umweltschutz in Berlin entschie- Transitabkommen bzw. von Grundgesetz und den übrigen im den, und wie ist der Stand des Verfahrens in bezug auf den Zusammenhang mit dem Vier-Mächte-Abkommen über Berlin ge- Zeitpunkt, den Standort sowie die räumliche und personelle Aus- troffenen Vereinbarungen geäußert haben, ist für die Bundes- stattung des Amts? regierung die maßgebliche? Herr Minister! (Unruhe bei der CDU/CSU. — Abg. Jäger [Wangen] hatte sich zu einer Zusatzfrage Genscher, Bundesminister des Innern: Wie be- gemeldet.) kannt, beabsichtigt die Bundesregierung entspre- chend der von mir mit Zustimmung des Herrn Bun- — Ich habe die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. deskanzlers und des Herrn Außenministers abgege- Abelein aufgerufen. benen Erklärung Berlin als Standort des Umwelt- bundesamtes zu bestimmen. Ein Beschluß der Bun- Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- desregierung ist insoweit noch nicht ergangen. Nach geordneter, für die Bundesregierung stand von An- dem Haushaltsplan für das Jahr 1973 sind in Einzel- fang an außer Zweifel, daß die Konkretisierung der plan 06 bei Kap. 06 28 für das Umweltbundesamt ins- Pflichten, die sich aus der Mißbrauchsregelung des gesamt 155 Stellen ausgebracht. Der Haushaltsent- Viermächteabkommens ergeben, im Transitabkom- wurf 1974 sieht weitere 117 Stellen vor. Die Bundes- men nur in voller Übereinstimmung mit dem Grund- regierung ist bemüht, für das Personal des Umwelt- gesetz erfolgen sollte und erfolgen konnte. Dem ist bundesamtes die erforderlichen Räume bereitzustel- in Art. 16 Abs. 6 und Art. 17 des Transitabkommens len. Die Bundesregierung weiß sich mit drei West- Rechnung getragen worden. Das, was die Bundes- mächten darin einig, daß Berlin als Standort des regierung vertraglich zugesichert hat und was sie Umweltbundesamtes mit dem Viermächteabkommen zur Erfüllung der übernommenen vertraglichen Ver- vom 3. September 1971 vereinbar ist, da sich die pflichtungen im Interesse eines reibungslosen Tran- Tätigkeit des Amtes im Rahmen dieses Abkommens sitverkehrs an Maßnahmen in der Bundesrepublik halten wird. Deutschland trifft, steht unter dem Vorbehalt der Möglichkeiten der „allgemein üblichen Vorschriften

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: der Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Zusatzfrage. öffentlichen Ordnung". Dazu gehört auch die ver- fassungsrechtliche Grundordnung der Bundesrepu- Straßmeir (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, blik Deutschland. treffen Pressemeldungen zu, wonach die Sowjet- Herr Kollege Franke hat im übrigen in der Sit- union unter Bezugnahme auf das Viermächteabkom- zung des Ausschusses für innerdeutsche Beziehun- men bei den Westalliierten eine Begrenzung der gen am 5. Dezember 1973 dazu schon Stellung ge- administrativen Befugnisse des Amtes in der Form nommen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4313

Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: aus § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfas- Herr Abgeordneter Abelein, Sie haben jetzt noch sungsgericht, wonach die Entscheidungen des Bun- zwei Zusatzfragen. Dadurch würde allerdings die Be- desverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des antwortung Ihrer weiteren Frage gefährdet. Ich sage Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Be- Ihnen das wegen des Ablaufs der Fragestunde. hörden binden. Die zuständigen Organe der Sowjetunion und der Dr. Abelein (CDU/CSU) : Wird die andere Frage DDR kennen die Entscheidung des Bundesverfas- dann morgen beantwortet? sungsgerichts, und sie kennen diesen von mir vor- getragenen Rechtsstandpunkt der Bundesregierung.

Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Der DDR ist im übrigen bei den Vertragsverhand- Sie müßte dann morgen beantwortet werden. lungen seitens unserer Delegation eindeutig klarge- macht worden, über welche Fragen verhandelt wer- den konnte und daß verfassungsrechtliche Fragen Dr. Abelein (CDU/CSU) : Ich würde den Vor- schlag machen, daß ich jetzt noch Zusatzfragen stel- nicht zum Verhandlungsgegenstand gemacht werden len kann, daß aber dann morgen die andere Frage können. entweder von Herrn Minister Genscher oder von Ergänzend darf ich zu Ihrer Frage auf die Ant- einem Stellvertreter beantwortet wird. wort hinweisen, die der Parlamentarische Staats- sekretär beim Bundesminister des Auswärtigen, Herr Kollege Moersch, in der Fragestunde dieses Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Hohen Hauses am 19. Oktober 1973 auf die Frage Gut. Dann stellen Sie also zunächst zwei Zusatzfra- des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes gegeben hat. gen.

Dr. Abelein (CDU/CSU) : Welche Schlußfolgerun- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: gen zieht die Bundesregierung aus diesen Ausfüh- Zusatzfrage, Herr Abgeordneter. rungen im Hinblick auf Maßnahmen gegen Flücht- linge und Fluchthelfer, die eventuell gegen Bestim- Dr. Abelein (CDU/CSU) : Herr Bundesminister, mungen des Transitabkommens verstoßen? ergibt sich aus diesen Ausführungen, daß die Bun- desregierung mit dem Bundesverfassungsgericht der Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- Meinung ist, daß die Bundesregierung verpflichtet geordneter, es kann sich nur um Schlußfolgerungen ist, in den zwischenstaatlichen Auseinandersetzun- im Rahmen der geltenden Gesetze handeln. Flucht- gen, insbesondere auch gegenüber den Vertragspart- hilfe ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht nern, dem Vertrag die Auslegung zu geben, die strafbar. nach dem Grundgesetz erforderlich ist und die das Bundesverfassungsgericht verbindlich festgestellt hat, oder sind Sie der Meinung, daß der Inhalt des Dr. Abelein (CDU/CSU) : Hat sich zu diesen Urteils des Bundesverfassungsgerichts nur von rein Rechtsauffassungen, die Sie heute, wenn ich das interner Bedeutung ist? recht verstehe, als maßgebliche Ansicht der Bundes- regierung vorgetragen haben, in der Zwischenzeit auch das Mitglied der Bundesregierung Bundesmini- Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- ster Bahr bekehrt? geordneter, ich muß Ihnen noch einmal sagen, daß nicht nur für diesen Teil des Urteils, sondern gene- Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- rell das gilt, was in den von mir zitierten gesetz- geordneter, ich trage hier nicht eine, wie Sie ein- lichen Bestimmungen, insonderheit in § 31 Abs. i schränkend sagen, maßgebliche Ansicht der Bun- des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ge- desregierung vor, sondern d i e Ansicht der Bundes- sagt ist, nämlich daß Entscheidungen des Bundesver- regierung, die von dem Bundesminister Bahr selbst- fassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes verständlich geteilt wird. und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden binden. Im übrigen hat das Bundesverfassungsge- richt selber in dem Urteil auch noch etwas zur Bin- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Ich rufe die Frage 88 des Herrn Abgeordneten Dr. dungswirkung gesagt, was, übergeleitet durch diese Abelein auf: Bestimmungen, selbstverständlich Verbindlichkeit für die Bundesregierung hat. Hat die Bundesregierung ihre Vertragspartner darauf aufmerk- sam gemacht, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Grundvertrags für sie verbindlich ist? Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Eine letzte Zusatzfrage. Genscher, Bundesminister des Innern: Die Bun- desregierung handelt bei allen Maßnahmen im Rah- Dr. Abelein (CDU/CSU) : Steht die Bundesregie- men des Grundgesetzes, Daß dies auch beim Ab- rung auch zu dem Satz des Bundesverfassungsge- schluß des Grundlagenvertrages mit der DDR ge- richts, der besagt, daß die Grenzen zwischen den schehen ist, hat das Bundesverfassungsgericht in beiden deutschen Staaten als staatsrechtliche Grenze seinem Urteil vom 31. Juli 1973 über die Verfas- zu qualifizieren sind, deren Besonderheit darin be- sungsmäßigkeit des Grundlagenvertrages festge- steht, daß sie auf dem Fundament des noch existie- stellt. Die Verbindlichkeit dieses Urteils ergibt sich renden Staates Deutschland als Ganzes beruhen? 4314 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Ab- schutz, und zum zweiten macht er den Zivilproß geordneter, die Tatsache, daß das Gesetz vor- in den Augen vieler betroffener Bürger wenigstens schreibt, daß die Entscheidungen des Bundesverfas- in den einschlägigen Fällen — und davon gibt es sungsgerichtes auch für die Bundesregierung bindend Zehntausende pro Jahr — verständlicher und ge- sind, läßt eine Unterscheidung zwischen Teilen, an rechter. Mit kurzen Worten ist dies das Ziel des die sich die Bundesregierung gebunden fühlt, und Gesetzentwurfes: Der am Rechtsverkehr teilneh- solche, an die sie sich nicht gebunden fühlt, gar nicht mende Bürger soll nicht mehr an einem x-beliebigen zu. ihm aufgezwungenen Gerichtsstand verklagt wer- den können, sondern nur noch an dem Gerichts- stand seines Wohn- und gewöhnlichen Aufenthalts- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende ortes, wo er sich gegebenenfalls vor allem vor den der Fragestunde. Amtsgerichten ohne weiteres auch ohne Anwalt selbst verteidigen kann. Ich rufe nunmehr Punkt 5 der Tagesordnung auf: In den Jugendjahren der ZPO spielte dieses Pro- Zweite und dritte Beratung des vom Bundes- blem nahezu keine Rolle, weil der Durchschnitts- rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur bürger nur selten überörtliche Rechtsgeschäfte tä- Änderung der Zivilprozeßordnung tigte. Man konnte es damals der Privatautonomie überlassen, sich einen Gerichtsstand auszuwählen. — Drucksache 7/268 Bereits in den 30er Jahren begannen Reformbe- Bericht und Antrag des Rechtsausschusses strebungen, die heute Gott sei Dank abgeschlossen (6. Ausschuß) werden können. Mit der zunehmenden Industriali- -- Drucksache 7/1384 sierung, mit dem modernen Waren-, Güter- und Leistungsaustausch und den notwendigen über- Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schöf örtlichen Geschäftsbeziehungen nimmt die Masse berger der Bevölkerung am überörtlichen rechtsgeschäft- Abgeordneter Dr. Hauser lichen Verkehr teil. Man denke nur an die Viel- (Sasbach) falt der Versandhandelsgeschäfte. Es soll also der (Erste Beratung 21. Sitzung) grobe Mißbrauch abgestellt werden, der bisher mit den Gerichtsstandsvereinbarungen getrieben wurde. Ich frage die Herren Berichterstatter, ob das Wort zur ergänzenden Berichtersattung noch gewünscht Nicht nur wirtschaftlich schwache und geschäft- wird. — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich lich unerfahrene Bürger, sondern Millionen von danke den Herren Berichterstattern. Verbrauchern haben sich alltäglich beim Abschluß Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf von Verträgen Erfüllungsorts- und Gerichtsstands- Art. 1, 1 a, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift -- klauseln unterworfen. Bei den typischen Massenge- Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. schäften des täglichen Lebens standen diese Klau- seln in aller Regel im sogenannten Kleingedruckten Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, späte- in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte stens auf Lieferscheinen oder Rechnungen. Der - ich um das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — rechtsunkundige Bürger nimmt sie in den allermei- Stimmenthaltungen? — Keine Gegenstimmen, keine sten Fällen gar nicht zur Kenntnis, weil er beim Stimmenthaltungen; es ist so beschlossen. Abschluß eines Rechtsgeschäfts nicht unbedingt an einen späteren Rechtsstreit denkt. Selbst Bürger, Wir treten ein in die die solche Klauseln entdeckten und sich zur Wehr dritte Beratung setzen wollten, mußten sich oftmals dem Diktat eines wirtschaftlich Stärkeren bei der Gestaltung der Das Wort hat der Herr Abgeordneter Dr. Schöf- vertraglichen Beziehungen beugen, wenn sie nicht berger. auf entscheidende Geschäftsmöglichkeiten verzich- ten wollten. Dr. Schöfberger (SPD): Herr Präsident! Meine Die Überraschung für den ahnungslosen oder Damen und Herren! Für die Fraktion der SPD ge- den genötigten Verbraucher kommt immer dann, statte ich mir, folgende Erklärung zu diesem Tages- wenn ihm eine Klage oder ein Zahlungsbefehl ins ordnungspunkt abzugeben. Haus flattert, den sein Geschäftspartner unter Hin- Der Entwurf enthält sicher keine revolutionäre weis auf solche Vereinbarungen bei einem Amts- Änderung der Zivilprozeßordnung, aber mit ihm soll gericht womöglich am anderen Ende der Bundesre- ein lange kritisiertes Übel des deutschen Zivilpro- publik anhängig gemacht hat. Welcher Bürger will zeßrechts beseitigt werden. Die nach geltender ZPO dann und kann dann die hohen Reisekosten für vielfach möglichen Gerichtsstandsvereinbarungen eine Fahrt zum entfernten Gericht auf sich nehmen? sollen auf wenige eng umschriebene Fälle begrenzt Die Kosten sind oftmals höher als die Klagesumme werden. Die damit bisher verbundenen Mißbräuche selbst. Welcher Bürger will dann und kann dann und Mißstände sollen abgestellt werden. schon mit zwei Anwälten auftreten, einem am Hei- Die SPD-Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zu- matort und einem Korrespondenzanwalt am fernen stimmen, weil er über eine rechtstechnische Neu- Gerichtsort? regelung hinaus zwei gesellschaftspolitische An- Meist haben die Bürger den Rechtsstandpunkt liegen fördert: Er dient einmal dem Verbraucher dem Gericht schriftlich mitgeteilt und haben dann Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4315

Dr. Schöfberger die Welt oder zumindest die deutsche Justiz nicht. Fraktion dart ich folgende Erklärung abgeben. Was mehr verstanden, wenn sie mangels Vertretung vor hier in abschließender Lesung verabschiedet werden dem Gericht ein Versäumnisurteil bekommen ha- soll, zielt darauf ab, eine geltende Regelung zugun- ben. Die geltende Zivilprozeßordnung sah dies vor, sten betroffener weiter Bevölkerungskreise zu ver- auch wenn die Sache materiell-rechtlich gar nicht bessern, wirklich eine Reform durchzuführen, die so aussichtslos gewesen wäre. Mehr als 80 O/0 aller dringend notwendig ist. bei Amtsgerichten anhängigen Distanzprozesse ha- Wer kennt denn nicht die Fälle, wo tagtäglich ben mit Versäumnisurteilen geendet. Bei den Ab- zahlungsgeschäften, wo es schon das Verbot der Bestellungen, Kaufvertragsformulare unterzeichnet werden, in denen auf sogenannte Allgemeine Ge- Gerichtsstandsvereinbarung gibt, waren es nur etwa Bezug genommen wird, wo dann 40 %. schäftsbedingungen auch am Schluß zusätzlich zu lesen bleibt: „Aus- Daraus ergibt sich für uns folgende Erkenntnis: schließlicher Gerichtsstand oder Erfüllungsort ist Durch das grundsätzliche Verbot von Gerichtsstands- beiderseits für sämtliche gegenwärtigen und künf- vereinbarungen Vollkaufleute und juristische tigen Ansprüche aus der Geschäftsverbindung der Personen können das nach wie vor — kann die Sitz des Verkäufers und das für ihn zuständige Ge- Zahl der Versäumnisurteile wesentlich gesenkt und richt." Welcher Käufer überschaut schon bei Ver- die Verteidigungschance der Verbraucher vor Ge- tragsschluß die Tragweite all der vielen Sonderbe- richt ganz wesentlich erhöht werden. Die SPD-Frak- stimmungen in den ihm aufgedrängten Geschäfts- tion hat sich aus dieser Einsicht heraus das Anliegen bedingungen, und in wie vielen Fällen werden auch des Bundesratsentwurfs zu eigen gemacht. Aller- — ist der Kaufentschluß einmal geweckt — unge- dings darf man bei dieser Gelegenheit bemerken, prüft jene Erklärungen unterschrieben, die einen in daß der Entwurf des Bundesrates in seiner ursprüng- diesem Zeitpunkt für unwahrscheinlich gehaltenen lichen Fassung ziemlich unausgegoren war und im Prozeß betreffen. Selbst wenn der Käufer erkennen Rechtsausschuß erst dann wesentlich verbessert und sollte, daß bei der Gerichtsstandsvereinbarung ein mit der Systematik der ZPO abgestimmt werden gerichtliches Verfahren weit entfernt von seinem mußte. Wohnsitz durchgeführt werden muß, fehlt ihm der Schließlich hat auch die Bundesregierung ihre Überblick über sämtliche sich hieraus ergebenden ursprüngliche Absicht, die Materie alsbald in einem Konsequenzen. größeren Zusammenhang, nämlich im Zusammen- So ist das Gleichgewicht der Vertragsteile, wie es hang mit einer umfassenderen Zivilprozeßreform zu der Gesetzgeber im Auge hat, nicht mehr vorhanden. regeln, aufgegeben und im Interesse des Verbrau- So läuft der Käufer bei solchen unbedacht hinge- cherschutzes einer vorweggenommenen Regelung nommenen vertraglichen Sonderabmachungen Ge- zugestimmt. fahr, für etwas bezahlen zu müssen, was sein Geld Wie kaum anders zu erwarten, haben der Deut- keineswegs wert ist, wenn er von einem weit ent- sche Industrie- und Handelstag und der Bundesver- fernt wohnenden Hersteller oder Versender Ware band der Deutschen Industrie grundlegende Ein- bezieht, mit der er aus berechtigten Gründen nicht wände gegen die verbraucherfreundliche Novelle zufrieden ist. erhoben mit 'der Bemerkung, man könne dem Han- Zwei Gründe sind es, die in ihrem Zusammen- del und der Industrie das Bestellen von Korrespon- wirken das Gericht zwingen können — wie Richter denzanwälten nicht zumuten. Gerade dies war es selbst es sehen —, „vorsätzlich falsche Urteile" zu aber, was man Hunderttausenden von Verbrauchern fällen: einmal die unbeschränkte Zulässigkeit von bisher zugemutet hat. Die von diesen Verbänden Gerichtsstandvereinbarungen, die ehedem vom Ge- Vertretenen hatten also von der geltenden Rege- setzgeber nur als Ausnahme gedacht war, vom ge- lung einen Vorteil, in Zukunft sollen die Verbrau- schäftlich Gewandten und damit auch wirtschaftlich cher einen Vorteil haben. Stärkeren aber zu seinen Gunsten ausgenutzt wird, Die Einwände des Deutschen Industrie- und Han- und zweitens die Zivilprozeßordnung, mit der — wie delstages und des Bundesverbandes der Deutschen es in der Literatur einmal hieß — harten Waffe des Industrie haben die Mitglieder meiner Fraktion im Versäumnisurteils. Ausschuß nicht davon abhalten können, einer No- Was im Zeichen der Massengeschäfte, wo sich der velle zuzustimmen, die den Rechtsschutz wirtschaft- Handel längst nicht mehr rund um den Marktplatz lich schwächerer Verbraucher über die Privatauto- abspielt, heute zu offensichtlichen Mißständen ge- nomie der bisher Begünstigten stellt. Die Rechtsvor- führt hat — daß die Betroffenen letztlich ohne wirk- teile aus den Gerichtsständen sollen künftig der samen Rechtsschutz bleiben —, war bereits vor mehr Masse der Verbraucher zugute kommen. Deshalb als 40 Jahren Anlaß, an Gesetzesänderungen heran- bitte ich Sie um Zustimmung. zugehen; enthielt doch der Entwurf einer Zivil- (Beifall bei der SPD.) prozeßordnung des Reichsjustizministeriums aus dem Jahre 1931, der nur nicht mehr Gesetz wurde, schon ganz erhebliche Einschränkungen von Ge- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: richtsstandvereinbarungen mit der gleichen Zielrich- Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr tung wie heute, nämlich geschäftsungewandte Per- Abgeordnete Dr. Hauser (Sasbach). sonen vor solch unberechtigten Vereinbarungen zu schützen, über deren Auswirkungen sie nicht im Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) : Herr Präsi- klaren waren. Schon damals sollten Minderkaufleute dent! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner in diesen Schutz mit einbezogen werden. Schon da- 4316 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Dr. Hauser (Sasbach) mals plädierte etwa der Prozeßrechtler Maurach für ser gesetzlichen Regelung wird darüber hinaus un- eine Änderung der Vorschriften im Versäumnisver- weigerlich auch eine Warn- und Aufklärungsfunk- fahren, daß die Fiktion des Zugestehens nach § 331 lion ausgehen, es mit allzu einseitigen sonstigen auf Fragen des materiellen Rechts beschränkt blei- Geschäftsbedingungen nicht zu überziehen, wie dies ben müsse. Auch diese Anregung ist in unsere No- mit Haftungsbegrenzungen, Haftungsfreizeichnun- volle eingebaut. Bei der Frage des Gerichtsstandes gen, Vertragsstrafenklauseln, Vereinbarungen über kann der Kläger nämlich künftig in einer mündlichen Eigentumsvorbehalt zu vollen Lasten der Käufer lei- Verhandlung nicht mehr deren Vereinbarung mit der zu oft in Kauf- und Lieferverträgen geschehen dem nicht erschienenen Beklagten behaupten, es sei ist. Bei mangelnder Selbstdisziplin der Unternehmen denn, der Beklagte wäre Vollkaufmann. könnte sonst der staatliche Kontrolleur über solche Vertragsbedingungen heraufbeschworen werden, Mit dieser Gesetzesvorlage sind also frühere Ver- wie er auf dem letztjährigen rechtspolitischen Kon- besserungsvorschläge wieder aufgegriffen worden, greß der SPD in Braunschweig, von der ASJ Süd- nachdem die gesetzliche Norm des allgemeinen Ge- bayerns erneut und jüngst auch von der Arbeits- richtsstandes durch vertragliche Serien- und Typen- kammer in Bremen ja schon gefordert wurde. Da- regelungen mit einem besonders vereinbarten Ge- durch würde aber nur ein neuer staatlicher Dirigis- richtsstand einfach überwuchert worden ist. 25 °/o mus inthronisiert, und letztlich würde womöglich aller Versäumnisurteile, wie ernsthafte Diskutanten der Preiskommissar unseligen Angedenkens zu behaupten, bringen ob solcher Mißstände keine sach- neuem Leben erweckt. gerechte Entscheidung mehr. Die Verabschiedung dieses Gesetzes möge daher Diese ungute Entwicklung, die immer mehr zu ein gutes Beispiel dafür werden, daß die berufenen Lasten des Verbrauchers gehen muß, hat die Kräfte in unserem Volke, die es mit unserer frei- bayerische Staatsregierung mit stets größerer Be- heitlich-demokratischen Grundordnung ernst meinen, sorgnis verfolgt, um schließlich die Initiative zu er- immer auf der Wacht sind, sichtbare Schwierigkeiten greifen, hier Einhalt zu gebieten. Ohne Deklamation baldigst in Ordnung zu bringen, wo immer dies er- und ohne große Ankündigungen, daß der Schutz des forderlich ist. Verbrauchers ein besonderer Schwerpunkt rechts- politischer Arbeit werde, hat sie bereits in der letz- Die CDU/CSU-Fraktion wird dem Entwurf zustim- ten Legislaturperiode die Konstituierung einer Sach- men. verständigenkommission auf Bundesebene angeregt, (Beifall bei der CDU/CSU.) die nunmehr an Vorschlägen zur Reform des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen arbeitet und hoffentlich recht bald zu positiven Ergebnissen Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: findet. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard. Damit aber nicht genug: Die bayerische Staats- regierung — dafür ist ihr und dem hier anwesenden Engelhard (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen Justizminister aus Bayern ein ganz besonderer Dank und Herren! Die FDP-Fraktion stimmt dem vorlie- zu sagen —, genden Entwurf zu. Meine beiden Vorredner haben (Beifall bei der CDU/CSU) die Einzelheiten bereits dargelegt. Ich kann mich deshalb auf einige grundsätzliche Bemerkungen be- hat gleichzeitig auch durch die Vorlage von drei Ge- schränken. setzentwürfen über den Bundesrat mit dem Verbrau- cherschutz Ernst gemacht. Zwei dieser Initiativen Der Haupteinwand gegen den vorliegenden Ent- sind inzwischen Gesetz geworden: die Änderung des wurf war der, daß hier in einer möglicherweise un- § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches und die Ände- zulässigen Weise in die Vertragsfreiheit eingegrif- rung des Wohnungseigentumsgesetzes, womit die fen werde. Ich glaube, wenn man die Dinge nüchtern Rechtsstellung des Wohnungseigentümers entschei- abwägt, wird man diese Bedenken nicht teilen kön- dend verbessert wurde. Die dritte Vorlage ist diese nen. Wir stehen doch vor der Situation, daß bei Novelle, der Sie, Herr Bundesjustizminister, unver- einer Vielzahl von Verträgen jene zitierte Vertrags- ständlicherweise noch bis vor kurzem Widerstand freiheit eine bloße Fiktion darstellt. Rechtlich und entgegengesetzt haben. Daß hier endlich auch im im Geschäftsleben versierte Partner nehmen eine Justizministerium bessere Erkenntnis Einzug gehal- Gerichtsstandsvereinbarung in ihre Geschäftsbedin- ten hat, läßt doch hoffen, daß auch in anderen drän- gungen auf. Der andere, im Zweifel wirtschaftlich genden Fragen rechtspolitischer Art, wie etwa der schwächere, jedenfalls aber geschäftsungewandte Änderung der Streitwertgrenzen, wie sie vom Land Vertragspartner akzeptiert dies, und zwar häufig Baden-Württemberg eingebracht wurde, nicht nur in Unkenntnis der Tatsache, daß es später zu einem Rechtsstreit kommen könnte, sondern auch (Abg. Vogel [Ennepetal] : Sehr gut!) in Unkenntnis der Tatsache, daß ein Rechtsstreit eine sachgerechtere und vernünftige Beurteilung gegen ihn vor einem anderen Gericht als dem Ge- Platz greift, wie sie ja in Fachkreisen ohne Aus- richt an seinem Wohnsitz geführt werden könnte. nahme zur Behebung eines tatsächlichen Notstandes Ich glaube, daß man umgekehrt überall dort — und längst gefordert wird. dem hat der Entwurf Rechnung getragen — der Ver- Mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz wird tragsfreiheit Raum geben soll, wo sich Partner ge- ein Vertrag nicht allein sein individuelles Gepräge genüberstehen, die über das Wesen des Gerichts- nach der prozeßrechtlichen Seite hin zurückerhalten, standes orientiert sind und bei denen sich häufig ein wie dies der Gesetzgeber einst gewollt hat. Von die- nicht unbeträchtlicher Teil der Vertragsverhandlun- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4317

Engelhard gen gerade auf diese Frage bezieht. Insoweit ist es Die Regelung unserer Zivilprozeßordnung über richtig, daß man um der klaren Abgrenzung willen die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen — notwendigerweise etwas schematisiert — Voll- stammt aus dem vorigen Jahrhundert. Überörtliche kaufleute und andere in diese Regelung nicht mit Geschäfte waren damals selten. Entsprechend gering einbezogen hat. war die praktische Bedeutung von Gerichtsstands- vereinbarungen. Heute treten weite Teile der Be- Der einzelne Geschäftsungewandte ist auch dann völkerung beim Erwerb von Konsumgütern und bei zur Disposition im Sinne der Vertragsfreiheit in der der Inanspruchnahme von Dienstleistungen mit Ge- Lage und kann über die Frage des Gerichtsstands schäftspartnern in Verbindung, die ihre zentrale Nie- auch künftig Vereinbarungen treffen, wenn die Strei- derlassung weit entfernt vorn Wohnsitz des Kunden tigkeit bereits entstanden ist und er über die Trag- haben. Regelmäßig erhalten die Verträge dann Klau- weite seiner Willenserklärung informiert ist. Das seln über Erfüllungsort oder Gerichtsstand, durch die gilt auch im Mahnverfahren, wo es bei ihm liegt, der allgemeine Gerichtsstand der ZPO, der Gerichts- ob er durch seinen Widerspruch oder Einspruch die stand am Wohnsitz des Schuldners, abbedungen Sache an sein Wohnsitzgericht bringen will; er kann wird. Bei den Massengeschäften des täglichen Le- aber auch ausdrücklich wünschen, daß vor dem an- bens hat der Bürger praktisch meist keine Möglich- gerufenen Gericht verhandelt wird. keit, sich einer solchen Klausel zu widersetzen. Viele Das Ärgerliche — das muß ganz klar gesehen unserer Bürger verstehen auch nicht, was eine so ge- werden — über die materiellen Folgen der bisheri- schlossene Gerichtsstandsvereinbarung im Streitfall gen Regelung hinaus war doch einfach, daß hier in dann bedeutet. Immer wieder hören wir von unse- einem formalistischen Automatismus Entscheidun- ren Richtern, wie einzelne Bürger am Recht verzwei- gen in der Sache selbst getroffen worden sind. Allen feln, wenn sie vor einem weit entfernten Gericht Belehrungen zum Trotz ist aber dem einzelnen Bür- verklagt werden und hören müssen, daß es nicht ger nicht klarzumachen, daß das Prinzip des recht- genügt, die Einwendungen gegen die Klage schrift- lichen Gehörs hier nicht wie gegenüber anderen lich vorzubringen. Gerade für den geschäftlich weni- Behörden durch eine eingehende schriftliche Dar- ger gewandten Bürger, der sich nicht entschließen legung ausgeschöpft werden kann, die dem ange- kann, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, ist es wich- gangenen, meist weit entfernten Gericht gegeben tig, daß er den ihm zustehenden Rechtsschutz an sei- wird, sondern daß es hier der persönlichen An- nem Wohnsitzgericht erhält. wesenheit oder der Vertretung durch einen Prozeß- bevollmächtigten bedarf. Wenn alle diese schrift- Nicht zuletzt um das Vertrauen dieser unserer lichen Darlegungen Makulatur sind, wird das Rechts- Mitbürger in den Rechtsstaat zu erhalten, hat der empfinden des einzelnen Bürgers gestört, und es Bundesrat auf Initiative der Bayerischen Staatsregie- fehlt genau jene Volksnähe, die man von dem ge- rung schon in der vergangenen Legislaturperiode samten Rechtswesen in unserem Staat ganz einfach vorgeschlagen, daß die Zulässigkeit von Gerichts- erwarten muß. standsvereinbarungen einschneidend beschränkt wird. Die Einzelheiten haben Ihnen die Herren Be- Ich frage mich manchmal — das ist eine Anmer- richterstatter ausreichend hier vorgetragen. kund hierzu —, ob wir dieser notwendigen Volks- nähe bei allen Bemühungen, den Verbraucher, den Ich freue mich, daß die Bundesregierung ihren an- geschäftsungewandten Partner im Geschäftsverkehr fänglichen Widerstand aufgegeben hat und jetzt bei stärker zu schützen, auch immer hinreichend Rech- den Beratungen im Rechtsausschuß tatkräftig mitge- nung tragen, oder ob wir nicht stellenweise in den wirkt hat, um den Entwurf in einigen Randfragen Fehler verfallen, so perfekte Regelungen bringen zu noch zu überarbeiten. Ich freue mich, daß im Rechts- wollen, daß der einzelne betroffene Bürger sie wie- ausschuß auch in diesen Randfragen Übereinstim- derum gar nicht in sich aufnehmen kann und eines mung erzielt werden konnte. Ich freue mich natür- Experten bedarf, der ihn berät und darüber aufklärt, lich ganz besonders, daß unser und des Bundesrats was bereits alles zu seinem Schutz im einzelnen un- grundsätzliches Anliegen inzwischen von allen poli- ternommen worden ist. tischen Kräften akzeptiert wird. Wir .sollten das ganz kritisch sehen. Daß aber hier Meine Damen und Herren, der vorliegende Ent- mit dem vorliegenden Entwurf etwas Machbares wurf ist eine besonders wichtige Sofortmaßnahme getan wurde, das dem von uns allen vertretenen auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes. Auf Vor- Anliegen auch in der Praxis dienen wird, darüber schlag der Bayerischen Staatsregierung hat der Bun- freuen wir uns, und wir sagen ja dazu. desrat schon mehrere solcher Sofortmaßnahmen vor- geschlagen. Ich erinnere an die bayerischen Initia- (Beifall bei den Regierungsparteien.) tiven zu § 313 BGB und zum WEG. Ich erinnere aber auch an die hessischen Initiativen zum Abzahlungs- gesetz und zu § 138 BGB. Diesen Bestrebungen ge- Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Für den Freistaat Bayern hat das Wort Herr Mini- meinsam ist das Ziel, den Bürger bei seinem wirt- ster Dr. Held. schaftlichen Handeln rechtlich besser zu schützen. Gerade in seiner Eigenschaft als Verbraucher hat Dr. Held, Minister des Landes Bayern: Herr es der einzelne im wirtschaftlichen Leben heutzutage Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine vielfach mit Vertragspartnern zu tun, die ihm wirt- Herren! Gestatten Sie mir einige kurze Bemerkun- schaftlich und in ihrer Kenntnis der Rechtsordnung gen zur Bedeutung des vorliegenden Gesetzentwurfs. überlegen sind. Besonders deutlich wird dies an dem 4318 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Landesminister Dr. Held Umstand, daß der Bürger beim ganz überwiegenden a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- Teil der Geschäfte des täglichen Lebens nicht zu frei schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ausgehandelten Vertragsbedingungen kontrahieren — Drucksache 7/1425 kann. Er steht vor der Alternative, sich allgemei- nen Geschäftsbedingungen bzw. Formularverträgen Berichterstatter: Abgeordneter Walther zu unterwerfen oder auf einen Vertragsschluß ganz b) Bericht und Antrag des Innenausschusses (4. zu verzichten. Ausschuß) Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen — Drucksachen 7/1339, 7/1373 — bedarf dringend einer gesetzlichen Regelung. Ich be- grüße es sehr, daß der Herr Bundesminister der Berichterstatter: Abgeordneter Volmer Justiz auf unsere Initiative eine Kommission einge- Abgeordneter Becker setzt hat, die hierfür Vorschläge vorlegen wird. (Nienberge) Abgeordneter Groß Für den Bereich der Gerichtsstandsvereinbarungen kann aber nicht auf den Bericht der Kommission (Erste Beratung 15. Sitzung) gewartet werden. Wie die Entwicklung der Recht- Das Wort hat der Abgeordnete Volmer als Be- sprechung zeigt, brennt dieses Problem auch der richterstatter. Praxis auf den Nägeln. Die Kommission hat, wie wir hören, ebenfalls vorgeschlagen, den vorliegenden Entwurf vorzuziehen. Volmer (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Berichterstatter Es ist besonders dringlich, mit dem Recht der Ge- darf ich zum schriftlich vorliegenden Bericht und richtsstandsvereinbarung auf das Ungleichgewicht, zum Antrag des Innenausschusses auf Drucksache das sich zwischen dem Verbraucher und seinem Ver- 7/1339 eine redaktionelle Änderung zu Protokoll tragspartner ergeben hat, zu reagieren. Wir müssen geben, die sich daraus ergibt, daß im § 67 Abs. 1 die soziale Komponente des Privatrechts zum Schutz ein Satz 2 eingeschoben wurde. Anstatt auf Satz 2 des einzelnen Bürgers, nicht minder aber zur Erhal- muß richtig auf Satz 3 verwiesen werden. tung der freiheitlichen Wirtschaftsordnung selbst Bei § 108 auf Seite 59 gibt es ebenfalls eine re- verstärken. Deshalb bin ich sehr dankbar, daß diese daktionelle Änderung. Ich gebe den Vorgang hier- Novelle heute mit dieser großen Einmütigkeit — wie mit zu Protokoll *). ich hoffe — hier im Bundestag verabschiedet wer- den kann. Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke den Be- richterstattern, den Abgeordneten Volmer, Becker ,) Das Wort hat der Vizepräsident Dr. Jaeger: (Nienberge) und Groß, für ihren Schriftlichen Bericht. Abgeordnete Dr. Miltner. Soll zuerst eine allgemeine Aussprache stattfin- (Zurufe: Wozu denn? — Zum Personalver den, oder wollen Sie erst die Einzelberatung? tretungsgesetz!) (Zuruf: Die Anträge!) — Da sieht man wieder die Unvollkommenheit die- - — Sie wollen zuerst die Anträge? — Dann rufe ich in ses Instruments hier, das bereits die Redner für zweiter Beratung die §§ 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 8 a, 9, den nächsten Punkt vormerkt, ohne zu sagen, daß 10, 11 und 12 auf. Bis dahin liegen keine Änderungs- sie für den nächsten Punkt und nicht für diesen anträge vor. — Das Wort wird nicht gewünscht. Punkt angemeldet sind. Meine Damen und Herren, Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen ich kann es leider nicht abschaffen; ich täte es lie- wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bend gern. bitte um die Gegenprobe! — Es ist so beschlossen. Wir kommen damit zur Schlußabstimmung. Wer Ich rufe § 13 und den Änderungsantrag der Frak- dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den tion der CDU/CSU Drucksache 7/1403 Ziffer 1 auf. bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um Das Wort wünscht der Abgeordnete Dr. Miltner. die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthal- tungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig ange- (Abg. Dr. Schäfer (Tübingen) : Er kann doch nommen. die Anträge auf einmal begründen!) — Das muß ich den Antragstellern überlassen. Ihre Wir haben noch über den Ausschußantrag unter Anregung in das Ohr der Antragsteller! Nr. 2 abzustimmen, die zu dem Gesetzentwurf ein- gegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich Dr. Miltner (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine um das Handzeichen. — Einstimmig angenommen. Damen und Herren! Ich werde die Anträge in cumulo hier behandeln. Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich sehe, die An- tionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs regung des Abgeordneten Dr. Schäfer ist schon auf- eines Bundespersonalvertretungsgesetzes gegriffen. (BPersVG) — Drucksache 7/176 — *) Siehe Anlage 2 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4319

Dr. Miltner (CDU/CSU) : Das zur Entscheidung heitssatz in seiner falschen Bedeutung Anwendung anstehende Bundespersonalvertretungsgesetz wird finden soll. zwar die Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion erhal- ten, doch muß ebenso auch deutlich gemacht werden, Wo die tatsächlichen Verhältnisse so gelegen sind daß trotz manch notwendiger Fortschreibungen des wie im Falle der ausländischen Mitarbeiter, darf man geltenden Rechts diesem neuen Personalvertretungs- eigentlich nicht so tun, als ob es sie nicht gäbe oder gesetz ein wirklich neuer Gedanke und echter Fort- ob man sie überspielen könnte. Die Koalition, so schritt fehlen. Die Opposition belegt diese Feststel- meinen wir, handelt hier an der Wirklichkeit vorbei. lung insbesondere durch ihre 19 Anträge, die sie Es ist auch schade, daß die FDP hier eher einer Lö- hier und heute stellt. sung mit ideologischen Scheuklappen den Vorzug gibt. Der erste Antragskomplex umfaßt die Anträge unter den Ziffern 1, 5, 7, 8 und 10 der Antragsvorlage Man muß nämlich bei der Macht der faktischen Drucksache 7/1403 zu den §§ 13, 33, 38, 39 und 65. Verhältnisse in diesem Falle schon den Eindruck Hier geht es um die Vertretung der ausländischen gewinnen, daß eine mangelnde Vertretung auslän- Beschäftigten. Wir gehen bei diesen Anträgen davon discher Arbeitnehmer bewußt in Kauf genommen aus, daß das passive Wahlrecht zum Personalrat nur wird. Hier gilt wie überall der Satz, daß Reformen derjenige Beschäftigte hat, der auch das Wahlrecht nur um ihrer selbst und der Sache willen durchge- zum Deutschen Bundestag besitzt. führt werden dürfen, nicht um außer der Sache liegender Verhältnisse willen, sondern damit der Ausländer im öffentlichen Dienst sollen eine einzelne vor Schaden bewahrt wird, nicht um eine eigene Vertretung erhalten, so wie wir das in § 65 sogenannte emanzipierte Gesellschaft zu erreichen, ausgestaltet haben. Wir beantragen damit die Wie- sondern um das Wohl des einzelnen zu sichern. Ich derherstellung des Grundgedankens des ursprüng- glaube, die Praxis des Personalvertretungsrechts lichen Entwurfs, gehen aber in der Ausgestaltung wird in der Zukunft zeigen, daß unser Vorschlag für erheblich darüber hinaus. Den ausländischen Be- eine eigene Vertretung der Ausländer richtig ist. schäftigten wird ein Initiativrecht, Einspruchs-, Be- ratungs- und Teilnahmerecht an Sitzungen des Per- Beim zweiten Antragskomplex geht es um die an- sonalrats gewährt. teilige Berücksichtigung der im Personalrat vertre- tenen Gewerkschaften bzw. der Listen, und zwar im Wir haben uns sehr intensiv mit der Frage befaßt, Personalvorstand und bei den Freistellungen. Un- ob den ausländischen Arbeitnehmern das passive sere Anträge sind aus den Ziffern 4 und 9 auf Wahlrecht gegeben werden soll. Wenn wir der Drucksache 7/1403 zu ersehen und betreffen die Überzeugung sein könnten, daß die Interessen der §§ 32 und 45. Wir wollen damit sicherstellen, daß die ausländischen Beschäftigten im öffentlichen Dienst Miglieder des Personalrats aus verschiedenen mit- mit dem passiven Wahlrecht besser gewahrt werden einander konkurrierenden Wahlvorschlagslisten könnten, dann wären wir diesen Weg mitgegangen. auch im Personalvorstand entsprechend ihrem zah- Jeder Einsichtige muß aber zugeben, daß sich der lenmäßigen Anteil vertreten sind. Dieselbe Rege- ausländische Arbeitnehmer in fast allen öffentlichen lung soll auch bei den Freistellungen Platz greifen. Dienststellen, wenn es dort überhaupt Ausländer - Die Tätigkeit des Personalrats im Rahmen der Frei- gibt, in einer hoffnungslosen Minderheit befindet. stellung ist ja auch eine wesentliche Aufgabe inner- Wir müssen uns daher fragen, wie der ausländische halb der Personalverfassung. Daher reicht es unter Beschäftigte überhaupt eine reale Chance bekommt, Berücksichtigung des im Gesetzentwurf durchzie- in den Personalrat gewählt zu werden. henden Gruppenprinzips nicht aus, wenn die Grup- Wird es deutsche Mitarbeiter geben, die für ihre pen bei der Freistellung nur angemessen, wie es eigenen Interessen einen Ausländer zu ihrem Inter- im Gesetzentwurf heißt, zu berücksichtigen sind. essenvertreter machen wollen? Oder wieviel Aus- Wie die Praxis der vergangenen 18 Jahre gezeigt länder werden von der Sprache her, von der Kennt- hat, gibt es immer wieder neue Streitfälle über die nis unseres Staats- und Verwaltungsaufbaus her, Auslegung des Wortes „angemessen". Das Bundes- von der Funktion der Verwaltung her die Fähigkeit verwaltungsgericht und die unteren Gerichte haben besitzen oder wem traut man die Fähigkeit zu, die sich in zahllosen Entscheidungen hiermit auseinan- Interessen auch der deutschen Mitarbeiter mit zu dersetzen müssen. Es sollte daher unsere Aufgabe vertreten? Selbst bei gutem Willen der Gruppen als Gesetzgeber sein, erkannte Mißstände abzustel- und Gewerkschaften, wenn diese eine Liste auf- len und nach Formulierungen zu suchen, die eine stellen, wird das Wahlergebnis mit großer Wahr- klare Abgrenzung ermöglichen. Die genannten An- scheinlichkeit so ausfallen, daß dann die ausländi- träge dienen also dem notwendigen und gerechten schen Beschäftigten keine eigene Vertretung haben Schutz von Minderheiten bei der Personalvertre- werden. Aus diesem Grunde halten wir die Schaf- tung. fung einer eigenen Vertretung der ausländischen Mitarbeiter für wirkungsvoller, praktischer und In diesen Zusammenhang gehört auch die Gleich- auch erfolgreicher. Wir betrachten das passive Wahl- behandlung der im Personalrat vertretenen Gewerk- recht für ausländische Mitarbeiter in unserer heuti- schaften hinsichtlich der Teilnahme an Personalrats- gen Lage als eine schematische, unrealistische und sitzungen und hinsichtlich des Rechts zum Einrei- damit unrichtige Regelung, die dem eigentlichen An- chen von Wahlvorschlägen. Diese Rechte wollen liegen in keiner Weise gerecht wird. Wir bedauern, wir mit unseren Anträgen unter den Ziffern 6 und 2 daß hier trotz vorhandener Unterschiede der Gleich zu den §§ 35 und 18 Abs. 4 erreichen. 4320 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Dr. Miltner Der dritte Antragskomplex enthält unser Mitbe- Erwartung, daß damit auch die Koalition unserem stimmungskonzept. Es handelt sich um die An- Vorschlag der Zusammenfassung aller Mitbestim- träge 11 bis 16 und 18 und um die §§ 69 bis 75 a mungsangelegenheiten folgen würde. Der Vorschlag und 97. Wir sind der Auffassung, daß wir mit unse- der CDU/CSU bedeutet daher, daß es im Personal- rem Mitbestimmungskonzept einen echten und ab- vertretungsrecht des Bundes nur noch Mitbestim- gewogenen Reformschritt unternehmen. Ein echter mungsangelegenheiten geben soll und daß die Ent- Fortschritt wäre nämlich die Verankerung und Aus- scheidungskompetenz im Bereich der Arbeitnehmer- dehnung des Initiativrechts des Personalrats, und seite bei der Einigungsstelle verbleibt, im übrigen zwar auf alle Beteiligungsangelegenheiten. Wer so die Einigungsstelle eine Empfehlung gibt und dann oft das Wort „Mitbestimmung" in den Mund nimmt, die letzte Entscheidung beim parlamentarisch-ver- hätte auch die wesentliche Komponente, die zur antwortlichen Minister liegt. Mitbestimmung gehört, nämlich das Initiativrecht, nicht unter den Tisch fallen lassen sollen. Auf einen speziellen Antrag, meine Damen und Herren, möchte ich bei diesem Komplex noch zu (Abg. Katzer: Sehr wahr!) sprechen kommen. Der Personalrat soll auch bei Wir bedauern daher, wenn die Regierungskoa- Personalentscheidungen für Beamte von A 16 an lition unserem Antrag weder im Innenausschuß ge- aufwärts bis zu den „politischen 'Beamten" im Sinne folgt ist, noch heute unserem Antrag im Plenum von § 36 des Bundesbeamtengesetzes zuständig sein. folgen sollte. Wir wollen klarstellen, daß eben ein Ich glaube, das Bedürfnis nach zusätzlicher Gewähr wesentliches Merkmal von Mitbestimmung damit für eine objektive und gerechte Personalentschei- fehlte. dung hat sich gerade auch bei diesen Stellen ge- zeigt. Es war und ist aber auch unser Ziel, die Unter- (Beifall bei der CDU/CSU.) scheidung zwischen Mitbestimmung und Mitwir- kungsangelegenheiten aufzuheben. Schon die für Im übrigen wird hier die Praxis legalisiert, die be- einen normalen Sterblichen kaum zu verstehende reits in mehreren Ressorts ausdrücklich im Vor- Begriffsunterscheidung hätte eigentlich den Gesetz- griff auf die gesetzliche Neuregelung eingeführt geber veranlassen müssen, nur von einem einheit- worden ist. Ich muß daher die Kollegen der Regie- lichen Begriff, nämlich von der Mitbestimmung al- rungskoalition fragen, ob sie diese Praxis nunmehr lein, auszugehen. mit dieser Entscheidung wieder aufheben wollen. (Abg. Berger: Offenbar!) Unser Vorschlag geht deshalb dahin, alle verfas- sungsrechtlich zulässigen Mitwirkungsangelegen- In diesem entscheidenden Punkt der Mitbestimmung, heiten in den Katalog der Mitbestimmung einzube- meine Damen und Herren, hat die CDU/CSU eine ziehen. Leider fand dieser Vorschlag auch im Innen- echte, fortschrittliche Lösung der Mitbestimmung im ausschuß nicht die Zustimmung der Regierungskoa- öffentlichen Dienst gefunden, und sie bietet sie die- lition. Es wäre aber ein echter Fortschritt, hätten sem Hohen Hause ,an. wir im Personalvertretungsrecht nur noch die Mit- Der vierte Antragskomplex, meine Damen und bestimmungsangelegenheiten verankert. Herren, betrifft die gerichtlichen Entscheidungen im Mit diesem Vorschlag verbanden wir ursprünglich Konfliktsfall bei unserer Ständigen Vertretung bei das Ziel, auch in den seltenen Fällen der Nichteini- der DDR. Mit unserem Antrag unter Ziffer 17, dem gung zwischen der Personalvertretung und der Be- vorgeschlagenen Zusatz 'bei § 83 c, möchten wir 'das hördenspitze — und zwar in allen Instanzen — nahegelegene Verwaltungsgericht Berlin für zu- den Spruch der Einigungsstelle einheitlich für alle, ständig erklären, damit den in der Ständigen Ver- also Beamte, Angestellte und Arbeiter, als Empfeh- tretung 'beschäftigten Mitarbeitern die Prozeßfüh- lung an den parlamentarisch verantwortlichen Mini- rung nicht vor dem Verwaltungsgericht Köln zuge- ster auszugestalten. Dies sollte der Einheitlichkeit mutet wird. und einer klaren politischen Verantwortlichkeit Der letzte Antragskomplex befaßt sich mit dem dienen. Ausbau der Beteiligung von gewerkschaftlichen Gleichzeitig hatten wir damit auch die Neuord- Spitzenorganisationen. Unter Ziffer 19 unserer An- nung des öffentlichen Dienstrechts im Auge, die tragsvorlage ist ein neuer § 108 a vorgesehen. Wir doch wohl nur schrittweise in einer Angleichung sind der Auffassung, daß das Bundespersonalver- der Rechtsverhältnisse aller Gruppen im öffent- tretungsgesetz von der Materie her und im jetzigen lichen Dienst erfolgen kann. Beim Bundespersonal- Zeitpunkt die Gelegenheit gibt und schafft, einen vertretungsgesetz wäre jetzt eine Gelegenheit gege- weiteren praktischen Schritt zur sachgerechten Re- ben, die Absicht der schrittweisen Annäherung von form des öffentlichen Dienstes zu verwirklichen. Die Beamten- und Arbeitnehmerrecht im öffentlichen Beteiligung der gewerkschaftlichen Spitzenorganisa- Dienst zu verwirklichen. Auch hier muß ich mit Be- tionen bei der Vorbereitung von Gesetzentwürfen dauern feststellen, daß die Koalition nun schon zum soll also erweitert und institutionell gefestigt wer- zweiten Mal eine Gelegenheit ausläßt, diesem Ziel den. Zu diesem Zweck müssen das ,Beamtenrechts- der Annäherung zur Verwirklichung des Gutachtens rahmengesetz, das Richtergesetz und das Soldaten- über die Neuordnung des öffentlichen Dienstrechts gesetz geändert werden, damit dieses Beteiligungs- näherzukommen. Wir haben unseren ursprünglichen recht nicht nur für Bundesbeamte gilt, sondern Vorschlag, einheitlich von einer Empfehlung der auch für bundesrechtliche Regelungen, die Landes- Einigungsstelle an die parlamentarisch-verantwort- beamte betreffen, dann für Richter und auch für liche Stelle auszugehen, nunmehr modifiziert in der Soldaten. Das Beteiligungsrecht der gewerkschaft- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4321 Dr. Miltner lichen Spitzenorganisationen wäre mit unserem Vor- Vorenthaltung des passiven Wahlrechts, wie die schlag somit institutionell verankert. Opposition sie vorschlägt, stempelt diese Leute mit dem Etikett der Besonderheit; sie macht sie ungleich. Abschließend, meine Damen und . Herren, sei zu Wir lehnen das ab. — Ja bitte! den Anträgen der CDU/CSU-Fraktion bemerkt: Das geltende Personalvertretungsgesetz war 1955, als es unter einer CDU/CSU-Regierung erlassen wurde, Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) : Herr Kollege ein wichtiger und mutiger Schritt. Nach 18 Jahren Liedtke, ist Ihnen klar, daß dann viele Gastarbeiter, praktischer Erfahrung kann sich ein ähnlich weit- weil sie zu wenige sind, in vielen Personalräten reichender Schritt nicht bloß in technischer Fort- nicht vertreten sind — im Gegensatz zu unserer Lö- schreibung 'des geltenden Rechts erschöpfen. Eine sung? echte Fortentwicklung, die auch vor wirklich neuen (Beifall bei der CDU/CSU.) Einzellösungen nicht zurückschreckt, wäre notwen- dig. Unsere Anträge bieten, aufbauend auf den Er- Liedtke (SPD) : Ist Ihnen klar, daß Sie den Gast- fahrungen mit dem geltenden Recht und ebenso auf arbeiter, wenn Sie ihn dem deutschen Arbeiter den Überlegungen eines verantwortungsbewußten, gleichstellen wollen, nicht unterhalb der Wählbar- loyalen und leistungsfähigen öffentlichen Dienstes, keit mit Sonderrechten, die in Wirklichkeit Sonder- diese neuen Lösungen. Darum, meine Damen und einschränkungen sind, ausstatten können? Herren, stellt die CDU/CSU-Fraktion diese Anträge und bittet um Ihre Zustimmung. (Beifall bei den Regierungsparteien.) (Beifall bei der CDU/CSU.) Können Sie mir einen Beweggrund dafür nennen, daß Sie im Betriebsverfassungsgesetz den Gastarbei- tern die Gleichheit gewähren, sie ihnen aber im Per- Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der sonalvertretungsgesetz, also im öffentlichen Dienst, Abgeordnete Liedtke. vorenthalten wollen? Ich sehe keinen.

Liedtke (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr ver- Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter, ehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vorbemerkung: Wenn die Opposition pro Antrag Groß? wenigstens einen Abgeordneten hier im Saale hätte, fiele es uns leichter, die Ernsthaftigkeit ihres Wol- Liedtke (SPD) : Bitte sehr. lens zu würdigen. (Beifall bei der SPD.) Groß (FDP) : Herr Kollege Liedtke, würden Sie -- Herr Carstens, schauen Sie nicht so entsetzt! so freundlich sein, den Kollegen Franke darauf auf- (Zuruf von der SPD: Er zählt die Häupter merksam zu machen, daß in einigen Ländern, die seiner Lieben!) von der CDU regiert werden, die gleichen Regelun- Zweite Vorbemerkung: Da alle Anträge bis auf gen, wie wir sie hier vorschlagen, in den Personal- zwei bereits im Innenausschuß gestellt wurden und vertretungsgesetzen bereits verankert sind? von ,der Koalition als systemwidrig und nicht in dieses Gesetz passend abgelehnt werden mußten, Liedtke (SPD) : Schönen Dank für den Hinweis. folgen wir nur der Logik, wenn wir sie auch heute (Abg. Rawe: Eine tolle Frage war das!) ablehnen. (Beifall bei der SPD.) — Ich sagte ja: Schönen Dank für den Hinweis, da ich nicht sicher bin, ob Sie angesichts der Unter- Dritte Vorbemerkung: Die Koalitionspartner spre- schiedlichkeit in Ihren Ländern wissen, was dort chen jeweils nicht für ihre Fraktion, sondern für die jeweils geschieht. Koalition. Das entspricht dem Stil dieser Koalition. (Abg. Berger: Das wissen wir ganz genau!) (Zuruf von der CDU/CSU: Aha! — Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Das haben wir schon — In Nordrhein-Westfalen — da kommen wir beide häufiger erlebt!) her — wissen Sie es vielleicht. Nun meinen Part zur Sache. Ich komme zum nächsten Punkt: § 27. Hierzu be- antragt die Opposition, daß einem Personalratsmit- Punkt 1: Die §§ 13, 33, 38, 65, neues Kapitel 5 glied durch das Verwaltungsgericht das passive befassen sich einheitlich mit der Frage: Geben wir Wahlrecht für eine Zeit bis zu drei Jahern aber- den Gastarbeitern das passive Wahlrecht, oder ge- kannt werden kann. Wir halten das nicht nur für ben wir es ihnen nicht? Im Gegensatz zur Opposi- eine unzumutbare Einschränkung des passiven tion sind wir für die uneingeschränkte Gewährung Wahlrechts, wir würden es auch für urkomisch und damit die uneingeschränkte Gleichstellung der halten, wenn der Bürger X zwar die Wählbarkeit Gastarbeiter hier in der Bundesrepublik Deutsch- für den Deutschen Bundestag besäße, nicht aber für land. den Personalrat in seinem Wahlkreis. Wir lehnen (Beifall bei der SPD.) jede Differenzierung und Einschränkung des passi- Im Gegensatz zum alten Gesetz wollen wir für die ven Wahlrechts ab. Wir meinen auch, es sei eine Zukunft nicht, daß sie in dieser Gesellschaft bei uns Einschränkung des aktiven Wahlrechts, wenn das als Passagiere der Touristenklasse zweitrangig mit- Gericht gewisse Personen ausschließen kann. Sie fahren. Jede spezifische Sonderausstattung unter setzen auf die Klugheit der Gerichte; wir setzen hier 4322 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Liedtke auf das gesunde Urteil der Bediensteten, schon die Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der richtigen Leute für die Personalräte zu benennen. Abgeordnete Groß. (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Sie setzen auf die richtigen Groß (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und Männer! Von denen haben wir schon ein- Herren! Für die Koalitionsfraktionen möchte ich zu mal etwas gehört!) zu den Anträgen Ziffer 2 a), Ziffer 4, Ziffer 9, Zif- fer 14 a) und Ziffer 19 der CDU/CSU-Fraktion auf - Wir setzen auch auf die Frauen, nicht nur auf Drucksache 7/1403 Stellung nehmen. die Männer! Zunächst zum Antrag 2 a bezüglich § 18: Wir mei- (Beifall bei der SPD. Abg. Dr. Lenz nen, daß dieser Gesetzentwurf keine sonderliche [Bergstraße] : Eine neue Erkenntnis! Die war Bereicherung erführe, wenn man hier statt der Ver- 1969 noch nicht da!) hältniswahl das Höchstzahlverfahren nach dem Nicht bei uns, vielleicht bei Ihnen! berühmten Herrn d'Hondt einführte. Speziell für Ich komme zum nächsten Paragraphen, zu § 83 c meine Fraktion kann ich sagen, daß wir für diesen und zum Änderungsantrag Ziffer 17 a und b. Wir Herrn noch nie sonderliche Sympathien empfunden sind uns einig, daß es hier um den Grundsatz geht: haben. Ist die Vertretung in der DDR eine Auslandsver- (Abg. Franke [Osnabrück]: Aber Sie leben tretung oder nicht? Wir sind uns im Grundsatz einig: davon!) Sie ist keine Auslandsvertretung, keine Vertretung — Wir leben nicht von dem Herrn d'Hondt; von dem wie in irgendeinem Lande der Welt. Soweit besteht leben wir sogar schlecht, Herr Franke. Das wissen Einvernehmen. Der Kanzler nennt das die besonde- Sie ganz genau. Wir leben vom Verhältniswahlrecht. ren Verhältnisse, die sich auch in den besonderen (Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Aber Sie über- Verträgen zwischen uns und der DDR ausdrücken, leben mit d'Hondt!) welche — zwar jenseits Ihrer persönlichen Zustim- mung, aber, wie wir meinen, mit Erfolg -- prakti- — Herr Lenz, wir überleben dank der Qualität unse- ziert werden und deswegen für Sie vielleicht nicht rer Politik, und ich glaube, das dürfte in der der- in allen Fällen so einsichtig sein mögen. zeitigen Situation gar nicht schlecht sein. Meine Damen und Herren, wir lehnen diese Änderung zu Nun versuchen Sie gar, über das Personalvertre- tungsgesetz mit kleinen Nadelstichen ein bißchen § 18 ab. Außenpolitik in diesem Bereich zu betreiben. Kon- Zu § 32 — das ist Ziffer 4 des Änderungsantrags kret wollen Sie also das Verwaltungsgericht Köln — glauben wir, daß eine entscheidende Verände- gegen das Verwaltungsgericht West-Berlin in der rung dieser Bestimmung durch die von der Opposi- Hoffnung austauschen, man könne dadurch mit so tion beantragte Änderung nicht eintritt. Ich meine, einem kleinen Piekser wieder einen kleinen will- daß deshalb diesem Antrag nicht gefolgt werden kommenen Sturm im Wasserglas erreichen. Ich be- sollte. wundere Ihren Einfallsreichtum, aber Sie müßten (Abg. Vogel [Ennepetal] : „Mehr Demokra lernen, daß Sticheleien ihrerseits bei uns in der Fort- tie" !) führung der Entspannungspolitik keinen- Juckreiz - Ich weiß nicht, welcher der Kollegen im Augen- auslösen können. blick in diesem Zusammenhang das Wort Demo- Zum Änderungsantrag Ziffer 17 b zu § 83 c, zur kratie brachte. Ich glaube, darüber wäre sicher bei Stellung der Ortskräfte: Hier wissen Sie wie wir, anderer Gelegenheit des längeren und breiteren daß wir von vier Ministerien Beurteilungen einge- etwas zu sagen. holt haben, die vierfach unterschiedlich waren. Die Nun zu § 45, der Ziffer 9 des Antrags. Dieser An- Sicherheitsbelange wurden in sehr unterschiedlicher trag könnte ganze sympathisch klingen, wenn er, Weise gewertet, und so haben wir beantragt, daß so meine ich, ganz genau die Realitäten berücksich- uns die Bundesregierung bis zum 1. Januar 1978 tigte. Da aber die Vorschlagslisten von Gruppen und einen Erfahrungsbericht über den gesamten Bereich Organisationen durcheinandergehen, glauben wir der Vertretung außerhalb der Bundesrepublik geben sagen zu müssen, daß dieser Vorschlag realistisch soll. nicht durchgeführt werden kann, daß infolgedessen Letztlich zu § 97, zu einem der beiden Anträge den Beschäftigten hier Steine statt Brot gegeben unter Ziffer 18: Sie halten es für sinnvoll, bei Strei- werden. tigkeiten in den Ländern über den Rahmen des Zu § 74 b, der Ziffer 14 des Antrags. Herr Miltner, Personalvertretungsgesetzes eine Einigungsstelle entschuldigen Sie, daß ich Ihnen hier eine gewisse tätig werden zu lassen. Wir würden das befürwor- Inkonsequenz vorhalte: Dieser Antrag widerspricht ten, halten es jedoch für unnötig. Im Schriftlichen ganz entscheidend dem, worauf Sie immer wieder Bericht ist erkennbar, daß dieses Gesetz keine Lan- mit Recht hingewiesen haben, daß nämlich die Orga- desregelungen einengt. Wir haben dazu auch die nisationsgewalt der Regierung nicht eingeschränkt Erklärung der Bundesregierung im Bundestag. Letzt- werden dürfe. Ich glaube, es braucht uns hier in lich glaube ich, meine Damen und Herren, das Ge- diesem Saal niemand klarzumachen, daß diese Or- setz ist so gut, daß wir die Länder freundlich ein- ganisationsgewalt durch eine Regelung, wie Sie sie laden können, sich in diesem Rahmen genußvoll vorschlagen, ganz entscheidend berührt wird. Wir auszudehnen. meinen, daß ein Staat, der Wert darauf legt, nicht (Beifall bei den Regierungsparteien.) nur parlamentarische Wahlen zu haben, sondern Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4323

Groß auch eine parlamentarische Regierung zu haben, tion in Aussicht gestellt. Ich darf aus dieser Be- dieses Thema in dem Sinne behandeln sollte, wie merkung, wenn ich sie richtig verstanden habe, nur wir es hier vorschlagen. den Schluß ziehen, daß dieses Gesetz trotz der Worte des Kollegen Miltner so unzulänglich nicht ist, auch wenn die Anträge der Opposition abge- Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter, lehnt werden sollten, und um diese Ablehnung gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abge- möchte ich hier — für diese Anträge, zu denen ich ordneten Berger? gesprochen habe — bitten. (Beifall bei den Regierungsparteien.) Berger (CDU/CSU): Ist Ihnen denn nicht bekannt, Herr Kollege Groß, daß in allen Ministerien 'bis auf Das Wort hat der zwei im Vorgriff auf diese erwartete Regelung be- Vizepräsident Dr. Jaeger: Abgeordnete Dr. Farthmann. reits Mitwirkungsrechte oberhalb von A 16 prakti- ziert werden? Dr. Farthmann (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu den Einzelanträgen Groß (FDP) : Herr Berger, es ist natürlich nicht von Herrn Miltner komme, muß ich zu einer Bemer- auszuschließen, daß Ministerien, die glauben, viel- kung von ihm Stellung nehmen. Er hat hier den Ein- leicht sehr viel weitersehen zu können, als es das druck zu erwecken versucht, als ob das Bundesperso- Parlament durch Beschlüsse festlegt, im Vorwege nalvertretungsgesetz von 1955 ein entscheidender Regelungen getroffen haben. Ich meine nur, Herr Schritt nach vorn gewesen sei und als ob das neue Berger, daß sich die Ministerien an das zu halten Gesetz nur eine Art Fortschreibung des alten sei. haben— das wäre nur eine Variante zu dem, was In diesem Zusammenhang muß jedoch noch einmal ich eben in einem anderen Zusammenhang gesagt eindeutig festgestellt und in Erinnerung gerufen habe —, was dieses Haus beschließt, und an nichts werden, daß das Personalvertretungsgesetz von anderes. Ich möchte auch nichts anderes sehen. Ich 1955 seinerzeit gegenüber dem alten Kontrollrats- glaube, daß ist die übereinstimmende Meinung die- gesetz Nr. 22 genauso ein Rückschritt war, wie das ses Hauses. alte Betriebsverfassungsgesetz von 1952 ein Rück- (Beifall bei Abgeordneten der Regierungs schritt gegenüber dem gleichen Kontrollratsgesetz parteien.) war. Den entscheidenden Durchbruch zu mehr Mit- bestimmung und zu mehr Mitgestaltung hat im Be- Wo kämen wir hin, wenn 'die Ministerien glaubten, reich der privaten Wirtschaft erst das Betriebsver- im Vorgriff etwas anders regeln zu sollen! fassungsgesetz von 1972 gebracht, das ja so weit Meine Damen und Herren, ich komme dann zu ging — das wissen wir auch noch —, daß von Ihrer Ziffer 19 des Änderungsantrages, die nach § 108 Seite nur 22 Kollegen mitstimmen konnten. Das einen § 108 a eingesetzt haben möchte. Nun glaube gleiche bringt jetzt für den Bereich des öffentlichen ich, daß es nützlich wäre, in diesem Hause sehr Dienstes das Bundespersonalvertretungsgesetz in bald über die Reform des öffentlichen Dienstrechts der Form, in der es Ihnen vorliegt. und alles, was damit zusammenhängt, nämlich- auch Dazu sind nun einige Anträge gestellt worden; ein die Reform der öffentlichen Verwaltung, einmal Teil ist schon behandelt worden, den Rest möchte ich eine intensive Debatte zu führen. Wir meinen aber, behandeln. Der erste Antrag, den ich zu behandeln daß es nicht gut ist, ohne diese Zusammenhänge so- habe, betrifft eine Änderung des § 18 Abs. 4. Dabei zusagen beiläufig einen nicht unwesentlichen Punkt geht es darum, daß künftig nach den Vorstellungen dieser Reform des öffentlichen Dienstrechts hier ver- der CDU/CSU Gewerkschaften auch dann einen steckt in einer Schlußbestimmung unterzubringen. Wahlvorschlag sollen machen dürfen, wenn sie nicht Wir sind, Herr Kollege Miltner, meine Damen und ein Zehntel der Beschäftigten oder nicht wenigstens Herren von der Opposition, in der Sache gar nicht 100 Unterschriften zusammenbringen. Ich möchte weit auseinander. Wir meinen übereinstimmend, mich gegen diesen Antrag aussprechen. Der eine daß es notwendig ist, die Spitzenorganisationen Grund dafür ist, daß wir uns darum bemüht haben, stärker zu beteiligen. Aber alle Zusammenhänge, in soviel wie möglich mit dem Betriebsverfassungs- die das zu stellen ist, müssen doch erst einmal auf gesetz zu synchronisieren, und in der Koalitions- dem Tisch liegen. Ich weiß nicht, ob die Opposition vorlage ist die Regelung des Betriebsverfassungs- mit einem solchen Antrag sehr viel erreichen wird, gesetzes wörtlich übernommen worden. Ich halte die wenn alle anderen Fragen, die damit zusammen- Lösung des Regierungsentwurfs aber auch in der hängen, ungeklärt bleiben. Deswegen nehmen wir Sache für richtig. — Bitte schön! Ihre Absicht gern zur Kenntnis, hier auch mit uns zusammen etwas zu verändern, aber glauben, daß in diesem Zeitpunkt bei dieser Gelegenheit nicht der Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte, Herr Berger! rechte Ort dafür sei. Eine Schlußbemerkung! Herr Kollege Miltner hat Berger (CDU/CSU): Sie sprechen von der Koali- die Vorstellungen, 'die dieses Gesetz mit sich 'bringt, tionsvorlage. Ist Ihnen denn nicht bekannt, daß die kritisiert. Er hat sie als nicht zulänglich bezeichnet, Formulierung, die jetzt von der CDU/CSU beantragt wenn ich das richtig in Erinnerung habe, hat aber wird, wörtlich dem damaligen Genscher-Entwurf und nichtsdestoweniger auch bei Ablehnung der An- damit auch dem Entwurf der SPD-FDP-Koalition ent- träge der Opposition die Zustimmung der Opposi spricht? 4324 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Dr. Farthmann (SPD) : Sie sollten sich darauf teilnehmen zu lassen, automatisch sämtliche anderen einstellen, daß wir jetzt den Entwurf in seiner letz- vertretenen Gewerkschaften in die Personalratssit- ten Fassung behandeln und nicht irgendwelche frü- zung einmarschieren müssen. Auch hier verweise ich heren Stadien, die in der Beratung verändert wor- zunächst auf den Gesichtspunkt der Synchronisation den sind. mit dem Betriebsverfassungsgesetz. Auch dort haben (Beifall bei der SPD.) wir die Regelung, daß jeweils ein Viertel oder je- weils die Mehrheit einer Gruppe beschließen kann, Nicht nur aus Gründen der Synchronisation mit daß eine bestimmte Gewerkschaft mit beratender dem Betriebsverfassungsgesetz, sondern auch in der Stimme hinzugezogen werden soll. Wir glauben, daß Sache möchte ich mich gegen das Vorhaben der sich diese Regelung auch für das Personalvertre- CDU/CSU aussprechen. Denn wir sind der Meinung, tungsgesetz eignet. Die Automatik, die von der CDU/ daß es primär Sache der Beschäftigten in der Dienst- CSU gewünscht wird, würde wegen ihrer Starrheit stelle ist, Vorschläge für Wahlkandidaten zu machen. nur zur Behinderung der Beratungen im Personalrat Wir haben früher von Ihnen in diesem Punkte auch führen; denn es können durchaus auch einmal Ge- immer andere Töne gehört, meine Damen und Her- sichtspunkte behandelt werden, die sich unter Um- ren von der Opposition. Da wurde immer die Gefahr ständen gerade gegen eine der dann automatisch der Steuerung von außen beschworen. Offensichtlich geht es Ihnen in diesem Fall nicht um eine Verstär- hinzugezogenen Organisationen richten. Im übrigen kung des Einflusses der Gewerkschaften, sondern sage ich an dieser Stelle ausdrücklich: in der Praxis um deren Zersplitterung. sollte man in diesem Punkt großzügig verfahren; Gewerkschaften sollten nicht aus formalen Gründen (Abg. Wehner: Natürlich!) von der beratenden Teilnahme an Personalratssit- zungen ausgeschlossen werden, wenn sie im Rahmen Wir sind der Meinung: Wenn eine Gewerkschaft der notwendigen Kooperation relevant sind. nicht 10 °/o der Belegschaftsmitglieder oder — in einer größeren Verwaltung — wenigstens 100 Be- Meine Damen und Herren, der dritte Antragskom- schäftigte für eine Unterschrift zusammenbringt, hat plex, wie ich ihn jetzt bezeichnen muß, beschäftigt sie auch nicht das eigenständige Recht, Wahlvor- sich mit dem, was Herr Miltner mit großer Liebe schläge zu machen. dargestellt hat, nämlich mit dem Antrag der Oppo- (Beifall bei der SPD.) sition, die Mitwirkungsrechte in Mitbestimmungs- rechte umzuwandeln. Zunächst muß ich darauf hin- Ich bin deswegen der Auffassung, daß dieser Antrag weisen, daß der Entwurf des Personalvertretungs- abzulehnen ist. rechts im jetzigen Stadium drei verschiedene Betei- (Abg. Vogel [Ennepetal] : Wollen wir das ligungsformen vorsieht, nämlich die echte Mitbestim- auch für Parteien einführen?) mung mit der Konsequenz der verbindlichen Ent- scheidung der Einigungsstelle, zweitens die soge- — Es geht um das Personalvertretungsgesetz, Herr nannte modifizierte Mitbestimmung, bei der die Vogel. Was soll denn das? Sie wissen doch genau, Einigungsstelle nur ein Empfehlungsrecht hat und daß es hier zu den Parteien keine Parallelen gibt und keine verbindlichen Entscheidungen treffen kann, geben kann. und drittens die Mitwirkung, bei der es gar keine (Abg. Franke [Osnabrück] : Das würde ich Einigungsstelle gibt. Die CDU/CSU möchte jetzt das, nicht sagen! — Weitere Zurufe von der was in diesem Dreiklang „Mitwirkung" genannt CDU/CSU.) wird, auf die zweite Stufe der modifizierten Mitbe- stimmung heben. Diese ist aber gar keine Mitbestim- — Wir wollen doch die Beratungen nicht unnötig mit mung im eigentlichen Sinne des Wortes. Der einzige derartigen nichtsnutzigen Zwischenrufen aufhalten. sachliche Unterschied zwischen der sogenannten modifizierten Mitbestimmung und der Mitwirkung (Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — besteht darin, daß eine Einigungsstelle eingeschaltet Lachen bei der CDU/CSU.) wird, die eine Empfehlung geben kann, an die der Dienststellenleiter aber nicht gebunden ist. Dadurch Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter, tritt zunächst einmal nichts weiter als eine Verzöge- ich bitte, sich bei der Qualifikation der Zwischenrufe rung ein. Das kann in dem einen oder anderen Punkt von Kollegen etwas zurückzuhalten. durchaus im Interesse einer besseren Behandlung der Angelegenheit liegen. Deswegen gibt es auch (Abg. Wehner: Nur so kann man Ungeziefer abwehren, Herr Präsident!) Punkte in dem Entwurf, die wir der sogenannten modifizierten Mitbestimmung unterworfen haben.

Dr. Farthmann (SPD) : Ich bitte um Entschuldi- Eine grundsätzliche Überlegung ist jedoch in die- gung, Herr Präsident. sem Zusammenhang notwendig. Im öffentlichen Dienst darf es nie dahin kommen, daß die Selbst- Meine Damen und Herren, der nächste Antrag, zu bestimmung des Bürgers durch die Mitbestimmung dem ich sprechen wollte, betrifft § 35. In § 35 geht der Beschäftigten außer Kraft gesetzt wird. Das be- es um das Recht der Teilnahme von Gewerkschafts- deutet, daß die Durchsetzung des politischen Willens vertretern an den Sitzungen des Personalrats. Hier der demokratisch legitimierten Institutionen durch wünscht die Opposition, daß dann, wenn der Per- Mitbestimmung nicht behindert werden darf. Dar- sonalrat beschließt, einen Gewerkschaftsvertreter über sind wir uns hoffentlich auch mit denjenigen Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4325

Dr. Farthmann einig, die zur Zeit, Gott sei Dank, nicht an den Re- daß ich zunächst Schwierigkeiten gehabt habe, die gierungshebeln sitzen. etwas unklare Formulierung des Oppositionsantrages zu verstehen. Es ging jedenfalls bisher nie darum, (Abg. Müller [Remscheid] : Mit Ausnähme festzulegen, wann der Personalrat widersprechen des „Gott sei Dank" einverstanden! Abg. sollte. Wann er widersprechen sollte, muß er selber Dr. Blüm: Leider Gottes! — Heiterkeit bei wissen. Es liegt allein in seiner Autonomie, darüber der CDU/CSU.) zu entscheiden, wann er widersprechen möchte und — Das kann ich verstehen, Herr Kollege Müller. wann er nicht widersprechen möchte. Das Problem, um ,das es geht und um das es auch immer gegangen Wenn man das anerkennt, meine Damen und ist, ist, ob es eine Grenze gibt, von der an die Herren von der Opposition, wird auch die Entschei- Zustimmungsverweigerung nicht mehr wirksam sein dung des Bundesverfassungsgerichts verständlich, , darf. Ich weiß nicht, ob der Oppositionsantrag dieses das in diesem Zusammenhang gesagt hat — dieser Ergebnis erreichen will. Wenn damit tatsächlich be- Rechtsgedanke ist auch in § 97 des Entwurfs nieder- zweckt sein sollte, dem Personalrat auch in den hier gelegt —, daß die Organisationsgewalt der politi- anstehenden Fragen ein uneingeschränktes Recht zu schen Exekutive nicht entzogen werden darf. Unter geben, seine Zustimmung zu versagen, dann be- Berücksichtigung dessen haben wir, so glaube ich, kenne ich mich unter den oben genannten Gesichts- mit unserem dreifach abgestuften Beteiligungsrecht punkten eindeutig dazu, eine solche Regelung ab- eine ausgewogene Lösung für den öffentlichen zulehnen. Ich bekenne mich dazu aus den Gründen Dienst gefunden. In dieser Lösung sind beide Ge- der Erhaltung der Effektivität der Verwaltung und sichtspunkte berücksichtigt: eine optimale Mitwir- der Gewährleistung der Organisationsgewalt für die kungs- und Mitgestaltungsmöglichkeit ,der Beschäf- politische Exekutive. tigten im öffentlichen Dienst und eine leistungs- fähige Verwaltung im Interesse der Bürger. Von (Beifall bei. der FDP.) der Beachtung dieses zweiten Gesichtspunktes lassen Meine Damen und Herren, ich bitte Sie deshalb, wir uns und lasse ich mich auch durch Gründe der auch diesen Antrag der Opposition abzulehnen. politischen Optik nicht abbringen. (Beifall bei den Regierungsparteien.) (Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Sehr gut!) Meine Damen und Herren, die vorstehenden Aus- Wird des weiteren führungen betreffen die Ziffern 11, 13, 15 und 16 Vizepräsident Dr. Jaeger: das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. des Änderungsantrages der Opposition auf Druck- sache 7/1403 Ich betrachte die Anträge unter diesen Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 1 des Ziffern hiermit als erledigt. Änderungsantrags der Fraktion der CDU/CSU auf (Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Das ist nicht Drucksache 7/1403. Wer zuzustimmen wünscht, den Ihre Sache!) bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der und bitte Sie, alle diese Anträge abzulehnen. Antrag ist abgelehnt. Der vierte Komplex, den ich noch kurz ansprechen Wir stimmen dann über § 13 in der Ausschußfas- möchte, betrifft § 69 a. Dort geht es um das Initiativ- sung ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um recht des Personalrats. Ich erinnere auch in diesem das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Zusammenhang an die Beratungen zum Betriebs- — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. verfassungsgesetz. Damals wollte die CDU/CSU im Bereich 'der privaten Wirtschaft einen Unterschied Ich rufe die §§ 14, 15, 16 und 17 auf. — Das Wort zwischen Mitbestimmung mit Initiativrecht und Mit- wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, bestimmung ohne Initiativrecht machen. Damals ha- den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um ben wir uns zu der These bekannt: Wo es Mitbe- die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen. stimmung gibt, muß es auch Initiativrechte geben. Ich rufe § 18 auf. Hierzu liegt auf Drucksache Damals haben Sie das abgelehnt. Seltsamerweise 7/1403 unter Ziffer 2 ein Änderungsantrag der Frak- wollen Sie heute, da es um den öffentlichen Dienst tion der CDU/CSU vor. Der Antrag ist begründet. geht, diesen Unterschied beseitigen. Anders aus- Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Ände- gedrückt: Sie wollen dem öffentlichen Dienstgeber — etwas zumuten, was Sie dem privaten Arbeitgeber rungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — offenbar nicht zumuten zu können gemeint haben. Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abge- Ich verweise deshalb noch einmal auf den von mir schon oben angesprochenen Gesichtspunkt, daß die lehnt. Organisationsgewalt der politischen Exekutive nicht Wir kommen zu § 18 in der Ausschußfassung. Wer entzogen werden darf. Aus 'diesem Grunde sehen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- wir uns nicht imstande, in den vier Punkten, die zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste alle personelle Maßnahmen betreffen, das Initiativ- ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. recht anzuerkennen. Ich bitte deshalb, den Antrag Ich rufe §§ 19 bis 26 auf. Soweit liegen keine der Opposition hierzu aus ,dem gleichen Grunde wie Änderungsanträge vor. — Das Wort wird nicht ge- vorhin abzulehnen. wünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zu- Meine letzte Bemerkung betrifft § 74b. Es geht zustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- hier um ,den berühmten Versagungskatalog bei per- zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so sonalpolitischen Maßnahmen. Ich muß offen sagen, beschlossen. 4326 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Vizepräsident Dr. Jaeger Wir kommen zu § 27. Dazu liegt der Änderungs probe. Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist antrag der Fraktion der CDU/CSU Drucksache abgelehnt. 7/1403 Ziffer 3 vor. Der Antrag ist begründet. — Das Ich lasse über § 38 in der Ausschußfassung abstim- Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungs- men. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um antrag der Fraktion der CDU/CSU zuzustimmen das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich — Es ist so beschlossen. bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt. Wir kommen zu § 39 mit dem Änderungsantrag Ziffer 8. Die Begründung des Antrags ist erfolgt. — Ich rufe § 27 in der Ausschußfassung auf. Wer zu- Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Wer dem zustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzei- Antrag Ziffer 8 zuzustimmen wünscht, den bitte ich chen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. beschlossen. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist ab- Ich rufe §§ 28 bis 31 auf. — Das Wort wird nicht gelehnt. gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen Ich lasse über § 39 in der Ausschußfassung ab- zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- stimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen. beschlossen. Ich rufe §§ 40 bis 44 auf. — Das Wort wird nicht Ich rufe § 32 und dazu den Änderungsantrag der gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen Fraktion der CDU/CSU Drucksache 7/1403 Ziffer 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- auf. Der Antrag ist begründet. — Das Wort wird zeichen. — Es ist so beschlossen. nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag zuzu- stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Wir kommen zu § 45 und dem Änderungsantrag — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist Ziffer 9. Der Antrag ist begründet. — Aussprache die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Ziffer 9 zuzustimmen Wir kommen zur Abstimmung über § 32 in der wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist wieder bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die die Mehrheit; abgelehnt. Gegenprobe. — Es ist so beschlossen. Ich lasse über § 45 in der Ausschußfassung abstim- Ich rufe § 33 und vom gleichen Änderungsantrag men. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um die Ziffer 5 auf, die ebenfalls begründet ist. — Das das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Wort wird ebenfalls nicht gewünscht. Wer dem Es ist so beschlossen. Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zuzu- stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich rufe §§ 46 bis 64 auf. - Wer den aufgerufenen -- Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. um das Handzeichen. -- Ich bitte um die Gegen- probe. Es ist so beschlossen. Ich lasse jetzt über § 33 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den- bitte ich Wir kommen zu dem Änderungsantrag der Frak- um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen- tion der CDU/CSU Ziffer 10 auf Einfügung eines probe. — Es ist so beschlossen. fünften Kapitels nach § 64. Der Antrag ist begrün- det. --- Aussprache wird nicht mehr gewünscht. Wer Ich rufe § 34 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den dem Änderungsantrag Ziffer 10 zuzustimmen bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die wünscht, den bitte ich um 'das Handzeichen. Ich Gegenprobe. — Es ist so beschlossen. bitte um die Gegenprobe. -- Abgelehnt. Ich rufe § 35 und von dem schon mehrfach erwähn- ten Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU die § 65 entfällt. Ziffer 6 auf. Der Antrag ist begründet. — Das Wort Ich rufe nunmehr §§ 66 bis 68 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Be- zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- stimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen- zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. probe. — Es ist so beschlossen. Ich lasse über § 35 in der Ausschußfassung abstim- Ich rufe § 69 und von dem Änderungsantrag die men. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um Ziffer 11 auf. Auch dieser Antrag ist begründet. — das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Das Wort wird wieder nicht gewünscht. Wer dem — Es ist so beschlossen. Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Zif- Ich rufe §§ 36 und 37 auf. — Das Wort wird nicht fer 11 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen. Der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe § 38 und von dem erwähnten Änderungs Ich komme zu § 69 in der Ausschußfassung. Wer antrag die Ziffer 7 auf. Der Antrag ist begründet. zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- -- Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Ände- zeichen. -- Es ist so beschlossen. rungsantrag Ziffer 7 zuzustimmen wünscht, den bitte Ich komme zu § 69 a und dem Änderungsantrag ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen- Ziffer 12. Das ist wieder der gleiche Sachverhalt; Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4327

Vizepräsident Dr. Jaeger ich kann abstimmen lassen. Wer dem Änderungs- Ich komme nunmehr zu den §§ 84 und 85. Wer antrag Ziffer 12 zuzustimmen wünscht, den bitte ich zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen- zeichen. — Es ist so beschlossen. probe. — Abgelehnt. Ich komme nunmehr zu dem Änderungsantrag Ich lasse über § 69 a in der Ausschußfassung ab- Drucksache 7/1410 der Abgeordnete Müller (Rem- stimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich scheid), Katzer, Dr. Blüm, Vogt, Russe, Orgaß und um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen. Genossen. Ich komme zu § 70. Kein Änderungsantrag. Wer Zur Begründung hat .das Wort der Abgeordnete dem Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um Müller (Remscheid). das Handzeichen. Es ist so beschlossen. Ich komme zu § 71 und dem Änderungsantrag Müller (Remscheid) (CDU/CSU) : Herr Präsident! Ziffer 13. Der gleiche Sachverhalt. Wer dem Ände- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lange ge- rungsantrag der Fraktion .der CDU/CSU Ziffer 13 nug haben die Koalitionsparteien gebraucht, um zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- einen völlig unzureichenden Entwurf eines Bundes- zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit personalvertretungsgesetzes der Bundesregierung Mehrheit abgelehnt. aus der 6. Legislaturperiode, Ich komme zu § 71 in der Ausschußfassung. Wer (Widerspruch bei den Regierungsparteien) zuzustimmen wünscht, Iden bitte ich um das Hand- der bekanntlich auf die heftigste Kritik der Gewerk- zeichen. — Es ist so beschlossen. schaften und der Arbeitnehmer des öffentlichen Ich komme nunmehr zu §§ 72, 73, 74 und 74 a. Dienstes gestoßen war, zu beraten. Das werden Sie Keine Änderungsanträge. Wer zuzustimmen wohl nicht bestreiten können. wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich (Abg. Wehner: Olle Kamellen!) bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen. Sie haben in der 6. Legislaturperiode, meine Damen Ich komme zu § 74 b und dem Änderungsantrag und Herren, diese Schwierigkeiten nicht ausräumen Ziffer 14. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse können, so daß Sie selbst als Koalitionsfraktionen über Ziffer 14 abstimmen. Wer dem Änderungs- den ursprünglichen Regierungsentwurf eines Bun- antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das despersonalvertretungsgesetzes dann als Ihren eige- Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — nen Entwurf unmittelbar nach der Bundestagswahl Mit Mehrheit abgelehnt. 1972 wieder einbrachten. Wer aber geglaubt hätte, Ich lasse über § 74 b in der Ausschußfassung ab- damit wären die Schwierigkeiten für ein fortschritt- stimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich liches Personalvertretungsgesetz überwunden ge- um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen. wesen, der wurde eines anderen belehrt. Ich komme zu § 75 und idem Änderungsantrag Immerhin ist anzuerkennen, daß es nicht zuletzt Ziffer 15. Wieder keine Wortmeldung. Wer dem den intensiven Bemühungen der Organisationen der Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gelungen ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen- ist, ein einigermaßen annehmbares Konzept für die probe. — Mit Mehrheit abgelehnt. Beratungen des heutigen Tages in der zweiten und Wer § 75 in der Ausschußfassung zuzustimmen dritten Lesung zu erreichen. Wir haben sehr früh- wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es zeitig in Leitsätzen die Grundvoraussetzungen dar- ist so beschlossen. gelegt, an denen ein solches fortschrittliches Per- sonalvertretungsgesetz gemessen wird. Ich komme zu § 75 a und dem Änderungsantrag In den Beratungen des Innenausschusses, vor Ziffer 16. Gleicher Sachverhalt. Wer zuzustimmen allem aber im Ausschuß für Arbeit und Sozialord- wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ge- genprobe bitte! — Mit Mehrheit abgelehnt. nung als mitberatendem Ausschuß haben wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Grundnorm Wer § 75 a in der Ausschußfassung zuzustimmen aufgestellt, daß die Arbeitnehmer des öffentlichen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es Dienstes hinsichtlich der Mitwirkung und der Mit- ist so beschlossen. bestimmung nicht schlechter gestellt sein dürfen als Ich rufe §§ 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 83 a, 83 b die Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich auf. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustim- des Betriebsverfassungsgesetzes fallen. men wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — (Abg. Katzer: Sehr richtig!) Es ist so beschlossen. Wir haben verlangt, den Entwurf des Bundesperso- Ich komme zu § 83 c und dem Änderungsantrag nalvertretungsgesetzes mit seiner Auswirkung auf Ziffer 17. Der Antrag ist begründet. Eine Aussprache die Personalvertretungsgesetze der Länder im Sinne wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag des Betriebsverfassungsgesetzes überall dort zu än- Ziffer 17 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um dern, wo nicht zwingende Gründe des öffentlichen das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Dienstes einer absoluten Angleichung im Wege — Mit Mehrheit abgelehnt. stehen. Herr Kollege Farthmann, ich glaube nicht, Wer § 83 c in der Ausschußfassung zuzustimmen daß hinsichtlich des Initiativrechts solche zwingen- wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Mit den Gründe vorhanden sind. Mehrheit beschlossen. (Abg. Katzer: Sehr richtig!) 4328 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Müller (Remscheid) Einer der Punkte, die wir in dem Entwurf der Personalrat soll auch für die Angelegenheiten der Koalitionsparteien als völlig unbefriedigend ange- Mitarbeiter im Programmbereich einen Ausschuß sehen haben und auch jetzt noch ansehen, ist die bilden, in dem außer einigen Mitgliedern des Perso- Regelung der Personalvertretung für die öffentlich- nalrats sowohl festangestellte als auch freie Pro- rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, sowohl gramm-Mitarbeiter tätig sein sollen. Die Aufgabe für die bundesunmittelbaren Anstalten als auch für eines solchen Ausschusses soll es ein, die Zweifels- diejenigen Rundfunk- und Fernsehanstalten, die den fragen oder Meinungsverschiedenheiten, die sich Ländergesetzen zugeordnet sind. Diese zweifellos aus der Tätigkeit der Programm-Mitarbeiter erge- vorhandene Lücke wollen wir mit dem vorliegenden ben können, mit dem Intendanten zu klären. Änderungsantrag schließen. Wir sind allerdings der Meinung, daß bei einer Die Absätze 1 bis 5 in dem vorgeschlagenen § 85 a Nichteinigung nicht der Intendant, sondern der Ver- sind mehr formeller Art. Sie sollen sicherstellen, daß waltungsrat oder der Fernsehrat endgültig entschei- Bedienstete im Sinne des Personalvertretungsgeset- den soll. Ich habe mir sagen lassen, daß die Inten- zes die Arbeitnehmer der Rundfunkanstalten ein- danten der deutschen Rundfunk- und Fernsehanstal- schließlich der arbeitnehmerähnlichen Personen und ten die letzten „regierenden Fürsten" in Deutsch- der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sind. land seien. Also müssen auch hier klare Verhält- Hier, meine Damen und Herren, weise ich be- nisse geschaffen werden, daß die gewählten Ver- sonders auf die Bezeichnung „arbeitnehmerähnliche waltungs- und Fernsehräte bei Differenzen mit den Personen" hin. Ich will in diesem Zusammenhang Mitarbeitern aus dem Programmbereich letztlich nur andeuten, daß die meisten freien Mitarbeiter entscheiden. bei den Rundfunk- und Fernsehanstalten bei der Ab- In einem dritten Punkt beantragen wir, daß die sicherung ihrer Beschäftigungsmöglichkeiten und in Personalvertretungen für die Landesrundfunk - und ihrem sozialen Status außerordentlich benachteiligt -fernsehanstalten nach den Grundsätzen der §§ 85 a sind. Wir wollen mit diesem Antrag sicherstellen, und b in gleicher Form zu regeln sind. Es ist unser daß die freien Mitarbeiter in den vollen Schutz des Bestreben, mit diesem Antrag zu erreichen, daß Personalvertretungsgesetzes einbezogen werden. alle Mitarbeiter der Rundfunk- und Fernsehanstal- (Abg. Katzer: Sehr richtig!) ten, gleichgültig ob sie in Bundes- oder Landesan- stalten tätig sind, in gleicher Weise in den vollen Die weiteren Absätze in dem von uns beantragten Geltungsbereich und damit den vollen Schutz des § 85 a dienen der rechtlichen Klarstellung über die Personalvertretungsgesetzes einbezogen werden. Dienststelle, den Leiter der Dienststelle und Fragen der Wählbarkeit zum Personalrat. Ich bitte Sie um die Zustimmung zu diesem An- trag, den ich in den Ausschußberatungen des Aus- Eine größere Bedeutung kommt dem von uns be- schusses für Arbeit und Sozialordnung bereits ange- antragten § 85 b zu. Der Wortlaut dieses Paragraphen kündigt habe, weil der Bundestag mit dem Personal- ist im wesentlichen dem Personalvertretungsgesetz vertretungsgesetz auch einen wichtigen Beitrag für für das Saarland entnommen, einem Personalver- die Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- tretungsgesetz, dem das Attribut „fortschrittlich" und Fernsehanstalten leisten kann, der bisher in bestimmt zugeordnet werden kann. Wir wollen mit dem jetzt vorliegenden Antrag des Ausschusses der Einfügung dieses § 85 b erreichen, daß der Per- nicht enthalten ist. sonalrat in der dort festgelegten Form an den Sit- zungen des jeweiligen Rundfunkrates mit beraten- (Beifall bei der CDU/CSU.) der Stimme teilnehmen kann. Ihm soll Gelegenheit gegeben werden, in den Ausschüssen des Rundfunk- Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der rates und des Verwaltungsrates die Auffassung der Abgeordnete Dr. Glotz. Personalvertretung darzulegen, wenn personelle oder soziale Angelegenheiten der Rundfunkanstal- ten behandelt werden. Dr. Glotz (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf die polemischen Ein- Besondere Schwierigkeiten haben sich in den ver- gangsbemerkungen des Herrn Kollegen Müller gangenen Jahren für diejenigen Mitarbeiter der (Remscheid) nicht eingehen, weil dieser Antrag in Rundfunk- und Fernsehanstalten ergeben, die im der Tat sehr ernster Diskussionen wert ist. Herr Kol- Prgrammbereich tätig sind. Einige Rundfunk- und lege Müller (Remscheid), wir haben Verständnis da- Fernehanstalten haben einen schwachen Versuch für — lassen Sie mich das einfach sagen —, daß die gemacht, diese Frage durch Redakteurausschüsse zu Sozialausschüsse in Mitbestimmungsfragen was lösen, ohne jedoch für solche Redakteurausschüsse immer es betrifft: die Unternehmensebene oder bessere Arbeitsregelungen oder den Schutz der Mit- auch das Personalvertretungsrecht — ein gewisses arbeiter im Programmbereich festzulegen. Zum Teil Nachholbedürfnis haben. Nur müssen Sie das in arbeiten diese Redakteurausschüsse an den Perso- nalräten vorbei, zum Teil gibt es eine lose Zusam- Ihrer eigenen Fraktion und Partei abklären. menarbeit. (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wir wollen nun mit dem vorliegenden Antrag Dr. Lenz [Bergstraße] : Halten Sie das für erreichen, daß der Personalrat, gegebenenfalls eine besonders sachliche Bemerkung?) durch Abschluß einer Dienstvereinbarung, bei der Zu dem Antrag lassen Sie mich sagen: Der Antrag Festlegung besonderer Arbeitsregeln für die Mit- bringt ein Anliegen auf den Tisch, das ganz ohne arbeiter im Programmbereich mitzuwirken hat. Der Zweifel wichtig ist. Wir sind der Meinung, daß das Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4329 Dr. Glotz Anliegen in der Tat einer Lösung bedarf. Wir sind das betrifft nun alles das, Herr Kollege Müller (Rem- der Meinung, daß die Lösungen, die heute dazu ge- scheid), was in Ihrem Gruppenantrag zu § 85 b ge- geben sind, noch nicht ausreichend sind. regelt ist — in den Rundfunkgesetzen der Länder geregelt werden müssen oder aber — für die beiden (Zuruf des Abg. Katzer.) Rundfunkanstalten des Bundesrechts — in dem Ge- Wir können, Herr Kollege Katzer, aus folgenden setz über Deutschlandfunk und Deutsche Welle. Gründen nicht zustimmen. Wir haben, wie Sie wis- sen, den Regierungsentwurf in den Beratungen, ge- Wenn Sie uns unterstützen, meine Damen und rade was die Mitbestimmung der Mitarbeiter in Herren von der CDU, und zwar nicht nur eine Rundfunkanstalten betrifft, geändert. Wir haben Gruppe von Ihnen, Herr Kollege Carstens, sondern jetzt die volle Anwendung des Personalvertretungs- Ihre ganze Fraktion, hier im Bundestag dieses Ge- gesetzes für alle Mitarbeiter der Rundfunkanstalten setz für Deutschlandfunk und Deutsche Welle in mit einer Ausnahme, die wir zusätzlich in § 69 ver- fortschrittlicher Weise zu novellieren und zu ver- ankert haben. Diese Ausnahme betrifft diejenigen, ändern, dann möchte ich Ihnen für diese Unter- die ganz besonders an der Programmgestaltung mit- stützung schon jetzt herzlich danken. wirken. Wir haben das dann noch im Ausschußbe- (Zurufe von der CDU/CSU: Zustimmen!) richt definiert: Das sind nur diejenigen, die außer- — Nein, wir können deshalb nicht zustimmen, weil tarifliche Verträge haben. Für alle anderen zieht wir meinen, daß diese Regelungen aus rechtlichen das Personalvertretungsgesetz also voll durch. und tatsächlichen Erwägungen heraus ins Rundfunk- Die Einzelheiten der Klarstellungen, was die gesetz gehören und nicht ins Personalvertretungs- oberste Dienstbehörde usw. ist, sind selbstverständ- gesetz. lich. Sie wären nicht schädlich. Aber auch diejenigen Lassen Sie mich zum Schluß noch zwei zusätzliche unter uns, die gemeint haben, daß solche Bestim- Bemerkungen machen. Erstens. Herr Kollege Müller mungen eingefügt werden sollten, mußten sich von (Remscheid), Sie fordern, daß in den Personalräten dem Argument überzeugen lassen, Herr Kollege und auch im Rundfunkrat beispielsweise Vertreter Müller, daß man bei dem Gesamtgesetzeswerk so der Redakteure mit beratender Stimme tätig sein weit wie möglich verhindern sollte, zuviel Sonderbe- sollten. Das ist ein vernünftiges Anliegen. Ich meine stimmungen einzufügen. aber: Es geht nicht weit genug; sie sollten nicht nur (Abg. Katzer: Das ist ein tolles Argument!) mit beratender, sondern mit beschließender Stimme beteiligt sein. Dies war das Hauptmotiv, daß diese zusätzlichen un- (Zuruf des Abg. Katzer.) strittigen Einzelheiten — Moment, das betrifft jetzt nur § 85 a — nicht extra geregelt werden. Jetzt, Herr Kollege Katzer, wird es interessant. Ge- nau dieses haben wir in Bremen im Rundfunkgesetz (Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Sondertatbe gegen den Willen der CDU gemacht. Dieses habe ich stände kann man nur durch Sondervorschrif im bayerischen Landtag beantragt. Was glauben Sie, ten regeln!) wer es abgelehnt hat? — Die CSU-Mehrheit in Nun komme ich zu dem ganz besonderen und Bayern! Dies ist meiner Meinung nach doppelzüngig, meine Damen und Herren von der CDU/CSU; so darf wichtigeren Abschnitt: § 85 b. Hier muß ich einfach- verweisen auf die Gesamtdiskussion, die wir zur man es nicht machen. Zeit in der Medienpolitik führen und die wir in die- (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zu- sem Hause am Beispiel des Presserechtsrahmenge- rufe von der CDU/CSU. — Abg. Wehner: setzes noch sehr viel ausführlicher werden führen „Doppelzüngig" ist doch kein Vorwurf müssen. Ich verweise beispielsweise auf das letzte gegen die! Das ist doch ein Naturgesetz!) für dieses ganze Thema sehr einschlägige Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum niedersächsischen Zweite Bemerkung. Der Kollege Müller (Rem- Vorschaltgesetz, in dem klargemacht wird, welchen scheid) hat ganz berechtigt gesagt — ich will nicht Unterschied es gibt zwischen der Personalvertretung sagen, daß es hundertprozentig berechtigt ist, aber auf der einen Seite und — jetzt für den Hochschul- man kann ganz ernsthaft darüber diskutieren —, daß bereich der akademischen Selbstverwaltung auf die Herren Intendanten vielleicht die letzten „regie- der anderen Seite, und in dem diese Formen der Mit- renden Fürsten" in unserer Republik seien. bestimmung auseinandergehalten werden. An diese (Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Kein schlech Grundsätze wird man sich wohl auch bei Rundfunk- ter Vergleich!) anstalten halten müssen. Derselbe Art. 5 des Grund- — Gut. Wenn dies aber so ist, dann mache ich Ihnen gesetzes, der ja in einem anderen Absatz für Hoch- einen Vorschlag: Wir machen mal die Probe aufs schulen gilt, legt dieses Grundrecht beispielsweise Exempel und legen unsererseits — denn wir haben auch für Rundfunkanstalten fest. manchmal auch den Verdacht, daß das nicht alles so Das heißt also, wir gehen davon aus — ich glaube, ist, wie es sein sollte — in den einzelnen Ländern wir müssen davon ausgehen —, daß diese besonde- Vorschläge zur kollegialen Intendantenverfassung ren Mitbestimmungsrechte, so, wie wir uns das vor- vor, durch die wirklich die Stellung des „regierenden stellen, über das hinausgehen müssen, was etwa für Fürsten" beispielsweise durch Kollegien demokrati- Zeitungen im Betriebsverfassungsgesetz oder aber siert wird, wie das auch in Universitäten und vielen hier im Personalvertretungsrecht geregelt wird, weil Gremien schon der Fall ist, wo nicht einer entschei- Rundfunkanstalten unter einem besonderen Schutz det, sondern Vorstandsgremien befinden. Ich gehe des Art. 5 stehen. Wir glauben, daß diese Fragen — eine Wette mit Ihnen, meine Damen und Herren, 4330 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Dr. Glotz darüber ein, was uns Sozialdemokraten passieren bitte ich uni das Handzeichen. -Ich bitte um die wird: Wir werden da, wo Sie die Mehrheit haben, Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt. diese Anträge bringen, und Sie werden sie ablehnen. Ich rufe nunmehr die §§ 109, 110, 111, Einleitung Dies ist dann wieder das, was der Herr Kollege und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den Wehner gerade ein „Naturgesetz" genannt hat und bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die was ich hier sehr viel sanfter nur für einen Fall als Gegenprobe. — Es ist so beschlossen. doppelzüngig angeführt habe. Aus allen diesen Gründen müssen wir leider beide Wir treten damit in die Anträge, Herr Kollege Müller (Remscheid), ableh- dritte Beratung nen. ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. (Beifall bei den Regierungsparteien. — La chen bei der CDU/CSU. — Abg. Katzer: In Das Wort hat der Abgeordnete Becker (Nien- Bayern zustimmen und in Bonn ablehnen, berge). das ist herrlich!) Becker (Nienberge) (SPD) : Herr Präsident! Meine Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird des weiteren Damen und Herren! Gestatten Sie mir in der dritten das Wort gewünscht? -- Das ist nicht der Fall. Lesung des von den Fraktionen der SPD und FDP Dann lasse ich über den Änderungsantrag der Ab- auf Drucksache 7/176 eingebrachten Entwurfs eines geordneten Müller (Remscheid) und Genossen auf Bundespersonalvertretungsgesetzes für die SPD die Drucksache 7/1410, Ziffer I, die §§ 85 a und 85 b politischen Schwerpunkte dieser Reform — wir hal- einzufügen, abstimmen. Wer diesem Änderungs- ten dieses Gesetz für eine wichtige Reform — noch antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das einmal herauszustellen. Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. Genau heute vor fünf Jahren, am 12. Dezember Mit Mehrheit abgelehnt. 1968, brachte die SPD-Fraktion des Deutschen Bun- Ich rufe nunmehr die §§ 86 bis 96 auf. Wer den destages fünf Gesetzentwürfe ein; vielleicht erin- aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, nern sich einige Kollegen noch an diese Gesetzent- den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um würfe. Sie betrafen die großen sozialpolitischen und die Gegenprobe. Es ist so beschlossen. gesellschaftspolitischen Vorhaben, ,die damit reali- siert werden sollten, wie die Änderung des Betriebs- Ich komme nunmehr zu § 97 und dem Änderungs- verfassungsgesetzes, die Fortführung der Mitbe- antrag der Fraktion der CDU/CSU, den wir früher stimmung im Montan-Bereich, die Beschränkung der behandelt haben, auf Drucksache 7/1403, Ziffer 18 Aufsichtsratsbezüge in den Großunternehmen, die- Buchstabe B: Für den Fall der Nichtannahme der ses Bundespersonalvertretungsgesetz und letztlich vorstehenden Vorschläge zu Nr. 11 bis Nr. 16. Ist die Mitbestimmung in den Großunternehmen. Wenn der Antrag begründet? -- Sie diese Reformvorhaben einmal über diese fünf (Zurufe von der CDU/CSU: Ja!) Jahre hin verfolgen, dann wissen Sie, daß wir hier heute mit diesem Bundespersonalvertretungsgesetz Das ist der Fall; das Wort wird nicht gewünscht.- eine dritte, sehr wesentliche Reform verabschieden. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegen- In ,der Lesung des Deutschen Bundestages am probe. — Mit Mehrheit abgelehnt. 8. Juni 1955 hatte die SPD-Fraktion den damals von der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Bundes- Ich rufe § 97 in der Ausschußfassung auf. Wer zu- personalvertretungsgesetzes abgelehnt, weil er völ- zustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzei- lig unzureichend war; die SPD-Fraktion wollte im chen. — Es ist so beschlossen. Jahre 1968 diesen Gesetzentwurf reformieren. Die Ich sehe, daß da noch § 88 — Zweiter Teil — des abschließende Behandlung in den Jahren 1968/69 ist Antrags der Abg. Müller und Genossen zu behan- damals durch ,die CDU/CSU-Fraktion verhindert deln gewesen ist. Wird dazu noch das Wort ge- worden. Seit Ende 1969 hat die sozialliberale Koali- wünscht? — tion die Vorbereitungen für die Reform des Perso- nalvertretungsgesetzes vorangetrieben. (Abg. Müller [Remscheid] : Ist erledigt!) (Zuruf des Abg. Müller [Remscheid] .) Oder wird das auf Grund des ersten zurückgezogen? Die Bundesregierung legte 1972 einen Gesetzent- (Zurufe von der CDU/CSU: Ist erledigt!) wurf vor, um eine möglichst breite Diskussion zu — Dann brauchen wir die Sache gar nicht mehr zu ermöglichen. Eine öffentliche und eine nichtöffent- behandeln. liche Anhörung gaben den Gewerkschaften, Dienst- stellenleitern, Personalräten und Vertretern der Ich rufe die §§ 98 bis 108 auf. Wer zuzustimmen Gerichte nach unserem Selbstverständnis von mehr wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich Demokratie Gelegenheit, ihre Meinung schriftlich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen. und mündlich darzutun. Heute kann man, nachdem Ich komme zu § 108 a und dem Änderungsantrag die Koalitionsfraktionen diesen Gesetzentwurf wie- der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/1403 der unverändert eingebracht hatten, als Ergebnis unter Ziffer 19. Der Antrag ist begründet; das Wort und als Erfolg der Arbeit in dieser Koalition fest- wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag, stellen, daß das Gesetz mit mehr als 200 Änderungs- einen § 108 a einzufügen, zuzustimmen wünscht, den anträgen weiterentwickelt und erheblich verbessert Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4331 Becker (Nienberge) worden ist, z. B. beim Zugangsrecht der Gewerk- zogen werden. Die Persönlichkeitsrechte wurden schaften und 'bei der Ausweitung der Mitbestim- ausgebaut. Und schließlich sind 'die Gastarbeiter mung. durch das passive Wahlrecht voll integriert. Ich hätte es eigentlich gern gesehen, wenn wir im Für Sonderdienststellen wie Bundesnachrichten- Innenausschuß des Deutschen Bundestages gerade dienst und Bundesamt für Verfassungsschutz wurde das Zugangsrecht und die Beteiligungsrechte der Ge- der Grundsatz verwirklicht, möglichst alle Bestim- werkschaften einhelliger in dieses Gesetz hätten mungen des Personalvertretungsgesetzes auch hier einfügen können, als dies gegen einen Teil ,der Die Personalvertretun- zur Anwendung zu bringen. Oppositionsstimmen leider der Fall sein mußte. gen im Bereich des Bundesgrenzschutzes tragen dem Das Betriebsverfassungsgesetz wurde dank der Grundgedanken Rechnung, den Bundesgrenzschutz vorbildlichen Mitarbeit und Unterstützung des Aus- als eine leistungsfähige und stets einsatzbereite schusses für Arbeit und Sozialordnung in vielen Polizei fortzuentwickeln. Für die Dienststellen des Punkten übernommen oder aber nahezu erreicht, in Bundes im Ausland ist eine Kompromißlösung ge- manchen Regelungen auch weiterentwickelt. Im funden worden. Sie sollte möglichst bald einer Über- übrigen war 'das Betriebsverfassungsgesetz eine prüfung und Weiterentwicklung unterzogen werden. Richtschnur für die Formulierungen der Einzelpara- graphen des Personalvertretungsgesetzes. Die refor- Das vorliegende Personalvertretungsgesetz beein- mierten Personalvertretungsgesetze sozialdemokra- trächtigt — das ist hier schon gesagt worden — tisch regierter Länder haben die Beratungen wesent- nicht die fortschrittlich gestalteten Personalvertre- lich beeinflußt. Die Vorschläge der Gewerkschaften, tungsgesetze in den Bundesländern. Im Gegenteil: insbesondere des 'Deutschen Gewerkschaftsbundes, In einigen Bereichen, vor allen Dingen bei CDU/ waren eine wertvolle Hilfe für die fortschrittliche CSU-regierten Ländern, kann das vorliegende Ge- Gestaltung der Mitbestimmungs- und sonstigen Be- setz als Richtschnur für den Ausbau des Personalver- teiligungsrechte der Personalräte sowie ihrer per- tretungsrechts angesehen werden. sönlichen Rechte als Beschäftigte. Die Anträge der (Beifall bei der SPD.) Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in Hier ist abschließend insbesondere noch auf die Duisburg sind zu einem großen Teil in ■ dieses Gesetz folgenden Bestimmungen hinzuweisen, die die eingebaut und übernommen worden. Arbeitsmöglichkeiten der Personalräte bereits ab (Zuruf des Abg. Katzer.) 1. April 1974 verbessern sollen — dies ist unsere Die Anregungen vieler Personalräte und örtlicher erklärte Absicht , während wir allgemeine Wah- und betrieblicher Gewerkschaftsorganisationen wur- len mit allen Folgewirkungen aus diesem Gesetz den ebenso wie die Wünsche einer Reihe von Kol- erstmals für ,die Zeit von März bis Mai 1976 vor- legen des Bundestages und die Anträge der Oppo- gesehen haben. sition sowie Überlegungen des Bundesrates in die Ich möchte am Schluß zusammenfassend sagen: Beratungen einbezogen. Durch dieses Gesetz sind die Arbeitnehmer des Die Koalitionsfraktionen unterstreichen noch ein- öffentlichen Dienstes über ihre Personalräte im mal nachdrücklich, daß sie im Zuge der Beratung Prinzip mit ebenso vielen Mitbestimmungs- und über die Weiterentwicklung des öffentlichen Dienst-- Beteiligungsrechten ausgestattet wie die Arbeitneh- rechts das Gruppenprinzip, die tarifvertragliche mer in der Wirtschaft durch das Betriebsverfassungs- Frage und die Frage der Gerichtsbarkeitszuordnung gesetz. Das Gesetz muß sich in den nächsten Jahren ebenso wie Anhörungen nach § 94 BBG erörtern und bewähren. Dienststellen, Gewerkschaften, Gast- natürlich auch entscheiden werden. Soviel zu den arbeitern, Jugendlichen und Vertrauensmännern der Grundsätzen. Schwerbeschädigten 'kommt damit eine wichtige Nun zu einigen Schwerpunkten der vorliegenden und verantwortungsvolle Aufgabe zu. Die Bundes- Reform. Die Festlegung des Zugangsrechts der Ge- regierung soll nach einhelliger Auffassung des Aus- werkschaften zu den Dienststellen sowie ihre Be- schusses über die Erfahrungen nach diesem Gesetz teiligung an Personalratssitzungen und -versamm- zum 1. Januar 1978 berichten. Wir meinen nämlich lungen wurden gesetzlich abgesichert und wesent- nicht das, was der damalige Innenminister Dr. Schrö- lich erleichtert. Die Mitbestimmungs- und sonstigen der am 8. Juni 1955 in ,diesem Hause ausführte, daß Beteiligungsrechte der Personalräte wurden in ein das seinerzeitige Gesetz den Schlußstein in der Mit- neues System gebracht, genau geordnet und stark bestimmung in unserem Vaterlande darstelle. Wir ausgebaut, das Initiativrecht wegen seiner Bedeu- haben uns alle davon überzeugen können, daß es tung im Personalvertretungsrecht in einem besonde- eine ganz andere Entwicklung gegeben hat, und wir ren Paragraphen festgelegt. Die Verbesserung der sind der Meinung, daß man solche Gesetze nicht so Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten für die einzel- statisch betrachten sollte, sondern daß sie dynamisch nen Personalvertreter sichert für die Zukunft eine fortentwickelt werden müssen. Das wollen wir auch noch effektivere Arbeit. beim Personalvertretungsgesetz. Wie im Betriebsverfassungsgesetz ist der Kündi- (Beifall bei den Regierungsparteien.) gungsschutz ausgedehnt worden. Die Mitarbeit der Jugendvertretung wurde in einem eigenen Para- Lassen Sie mich jetzt noch Dank sagen der Bun- graphen zusammengefaßt und erheblich erweitert. desregierung und ihren Beamten — besonders gilt

Die Betreuung 'der Schwerbeschädigten im Zusam- das für das federführenden Innenministerium —, menhang mit der Mitarbeit des Vertrauensmannes dem Büro des Innenausschusses Ides Bundestages der Schwerbeschädigten kann wesentlich besser voll sowie schließlich 'all denjenigen Beschäftigten in 4332 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Becker (Nienberge) diesem Hause, die die uns vorliegenden Unterla- einmal die Präsenz bei seinem Mini-Partner FDP gen angesehen hätte. (Abg. Berger: Die 200 Anträge!) Eine zweite Vorbemerkung: Herr Kollege Becker, in aller Eile noch rechtzeitig gedruckt und vorge- ich glaube, es ist Ihnen entgangen, daß die fort- legt haben. schrittlichen Gesetze in Rheinland-Pfalz, in Schles- (Beifall bei den Regierungsparteien.) wig-Holstein, im Saarland und in Bayern Gesetze in CDU/CSU-regierten Ländern sind. Möge sich unsere gemeinsame Arbeit bewähren! (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Lachen Die Fraktion der SPD stimmt dem Gesetzentwurf bei der SPD. — Abg. Wehner: Ach Gott, in der Überzeugung, eine bedeutsame Reform ge- nein!) schaffen zu haben, zu. — Ich weiß nicht, Herr Wehner, ob Sie diese Gesetze (Erneuter Beifall bei den Regierungspar kennen. teien.) (Abg. Wehner: Natürlich!) Ich würde sie Ihrem Studium einmal empfehlen. Meine Damen und Vizepräsident Dr. Jaeger: Dann hätte Ihre Fraktion sicherlich eine bessere Vor- Herren, die drei Fraktionen des Hauses haben mich lage gemacht als diese! gebeten, an dieser Stelle die Beratung des Personal- vertretungsgesetzes zu unterbrechen, um einen in (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: einer inzwischen wohl verteilten Drucksache ent- Hochmut kommt vor dem Fall bei Ihnen!) haltenen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen. Mit der Drucksache 7/176 brachten die Koalitions- Ist das Haus mit der Unterbrechung einverstanden? fraktionen einen Entwurf eines Personalvertretungs- — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlos- gesetzes ein, der dem Regierungsentwurf aus der sen. 6. Legislaturperiode glich wie ein Ei dem anderen. Dann schlage ich Ihnen vor, den Antrag des Aus- Nur, meine Damen und Herren, scheinen beide Eier schusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge- nicht mehr ganz frisch gewesen zu sein; denn die schäftsordnung betr. Aufhebung der Immunität des Koalitionsfraktionen rühmen sich, Abgeordneten Wienand Drucksache 7/1428 — (Lachen bei der SPD — Abg. Dr. Schäfer auf die Tagesordnung zu setzen und sofort zu be- [Tübingen] : Die haben wir in der Zwischen- handeln. — Widerspruch erhebt sich nicht; es ist so zeit ausgebrütet!) beschlossen. durch 200 Änderungsanträge, Herr Professor Schä- Ich rufe dann diesen Zusatzpunkt der Tagesord- fer, zur Verbesserung Ihres eigenen Entwurfs bei- nung auf: getragen zu haben. Antrag des Ausschusses für Wahlprüfung, (Aha! bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Immunität und Geschäftsordnung (1. Aus- Wollen Sie denn dagegenstimmen? Sagen schuß) — Immunitätsangelegenheiten — betr. Sie das doch einfach!) Aufhebung der Immunität des Abgeordneten - Diese Änderungsanträge waren damit, Herr Weh- Wienand ner, gleichzeitig eine nicht zu übersehende Kritik an — Drucksache 7/1428 — dem Regierungsentwurf aus der 6. Wahlperiode. Was die 200 Anträge betrifft, Herr Kollege Wehner: Ist der Antrag allgemein verteilt? es sind sämtliche Kommaveränderungen mitgezählt. (Zustimmung.) Außerdem gibt es 100 Anträge aus dem Ministerium. Ich höre, daß auf eine Berichterstattung verzichtet (Abg. Wehner: Das muß aber wehtun, hö wird. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme ren Sie!) zur Abstimmung. Wer Idem Antrag auf Drucksache — Das tut gar nicht weh, höchstens Ihnen. Wir haben 7/1428 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzei- uns nicht die Mühe gemacht, diese Dinge nachzu- chen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Ge- zählen. genstimmen. Stimmenthaltungen? — Keine Stimm- Die ganze Angelegenheit wird aber noch interes- enthaltungen. Der Antrag ist einstimmig angenom- santer, wenn man bedenkt, daß nicht nur die Koali- men. tionsfraktionen Änderungsanträge zum eigenen Ent- Meine Damen und Herren, wir fahren in der drit- wurf eingebracht haben, sondern auch die Bundes- ten Beratung des Personalvertretungsgesetzes fort. ministerien in der Ausschußdrucksache 7/15 mit Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Volmer das rund 100 Änderungsanträgen, die zum größten Teil Wort. mit den Anträgen der Koalition identisch sind, ver- treten waren. Das heißt, daß auch die Bundesministe- Volmer (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr rien den Koalitionsentwurf und damit den eigenen geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, ge- Entwurf aus der 6. Wahlperiode für einen völlig un- nauso wie vorhin der Herr Kollege Liedtke zwei zureichenden Vorschlag gehalten haben. Wenn das Vorbemerkungen zu machen. Die erste Vorbemer- aber so ist, ist doch die Frage zu stellen, warum die kung an Herrn Kollegen Liedtke, den ich im Augen- Regierung bei 100 Änderungsanträgen der Ministe- blick nicht sehe. Er hätte vorhin für die Koalition rien nicht selbst einen gegenüber dem Entwurf aus glaubhafter gesprochen, wenn er sich zu der Zeit der 6. Legislaturperiode verbesserten neuen Entwurf, Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4333

Volmer der die Vorschläge der Ministerien enthalten hätte, werden und dann mit der Stellungnahme versehen eingebracht hat. zu uns kommen. Die Meinung der CDU/CSU-Frak- tion zu dem vorliegenden Entwurf war von Anfang (Abg. Wehner: Sie reden über die Eier von an klar und wurde unmißverständlich in einer Er- vorgestern!) klärung vor Beginn der Ausschußberatung zum Aus- — Diese Eier von vorgestern, Herr Wehner, waren druck gebracht, aber auch in der ersten Beratung im die gemeinsamen Eier der Regierung und der Koali- Innenausschuß vorgetragen: tion, (Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Aber ausge 1. Der vorliegende Entwurf ist völlig unzureichend. brütete!) (Abg. Wehner: Immer noch der vorige!) und sie waren faul, weil Sie selbst sie verbessern Insofern bestand offensichtlich Übereinstimmung. mußten. 2. Das Personalvertretungsgesetz muß, soweit es (Abg. Wehner: Freuen Sie sich doch, daß die Eigenart des öffentlichen Dienstes zuläßt, weit- das nun eine Auferstehung ist!) gehend dem Betriebsverfassungsgesetz angepaßt Es stellt sich weiter die Frage, ob man nicht die werden. Absicht hatte, dadurch, daß man einen völlig unzu- 3. Die Mitwirkungsrechte müssen unter Berück- reichenden Gesetzentwurf einbrachte, den Bundes- sichtigung der Letztverantwortung gewählter Parla- rat bei der Vorbereitung des Entwurfs auszuschalten, mente in Mitbestimmungsrechte übertragen werden. der zwar zum alten Entwurf eine Stellungnahme ab- gegeben hat, aber nicht zum jetzigen, der so erheb- 4. Das Gruppenwahlrecht muß so lange aufrecht- lich verändert war. Meine Damen und Herren, dieses erhalten bleiben, bis es zu einem einheitlichen Verfahren ist genauso unzureichend, wie es der Dienstrecht kommt. Gesetzentwurf war. 5. Im Wahlverfahren muß der Minderheitenschutz (Abg. Wehner: Wollen Sie endlich mal zu für die Gruppen und die unterschiedlichen Listen dem, was ist, etwas sagen?) gewährleistet werden. — Wir sind Ihre Zwischenrufe ja gewöhnt, Herr 6. Das Recht der Jugendvertretung und des Schwer- Wehner. Sie bringen mich damit nicht aus der Ruhe. beschädigtenobmanns muß verbessert werden. (Abg. Wehner: Aber noch nicht lange ge 7. Die Ausländer müssen eine eigene Ausländer- nug!) vertretung erhalten. Auf diese Tatsache habe ich bereits bei Beginn 8. Bei Streitverfahren muß das Verwaltungsge- der Beratung im Innenausschuß hingewiesen, und ich richt zuständig bleiben, weil es sich um öffentliches möchte es darum auch heute hier nicht verschweigen. Recht handelt. 9. Die Anzahl der freizustellenden Personalrats- Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter mitglieder soll der Freistellung nach dem Betriebs- Volmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn verfassungsgesetz angepaßt werden. Abgeordenten Dr. Schäfer? - 10. Das Recht der gewerkschaftlichen Spitzenorga- Volmer (CDU/CSU) : Bitte schön! nisationen bei dem Verfahren zur Regelung beam- tenrechtlicher Fragen muß ausgebaut und verstärkt werden. Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) : Herr Volmer, hal- Diesen Katalog von Forderungen, meine Damen ten Sie es nicht für fair gegenüber dem Bundesrat, und Herren, haben wir vor Eintritt in die Beratungen daß die Koalitionsfraktionen wörtlich den Entwurf eingebracht haben, zu dem der Bundesrat bereits (Abg. Wehner: Vor Eintritt! Jetzt sind Stellung genommen hatte? Sind Sie nicht der Auf- aber die Beratungen abgeschlossen!) fassung, daß es möglicherweise doch mehr Schwie- im Innenausschuß vorgetragen und bei den Beratun- rigkeiten gegeben hätte, wenn wir mit einem gen entsprechende Anträge konkret gestellt. Initiativentwurf am Bundesrat hätten vorbeigehen müssen, wenn wir die Entwicklung, die wir dann (Abg. Wehner: Kalter Kaffee!) vollzogen haben, dort schon deutlich gemacht hät- Bei einigen dieser Fragen bestand zwischen den ten? Fraktionen Übereinstimmung, die meisten Anträge wurden jedoch von den Koalitionsfraktionen nieder- Volmer (CDU/CSU) : Herr Kollege Schäfer, ich gestimmt. hätte es für fair gehalten, wenn Sie nicht selbst im (Abg. Vogel [Ennepetal] : So ist das!) Ausschuß Ihren eigenen Entwurf lediglich als eine Wir haben diese Anträge in der zweiten Lesung Diskussionsgrundlage bezeichnet hätten, die Sie von erneut gestellt, und sie sind ebenfalls — ich über- Anfang an erheblich zu verändern bereit gewesen nehme einmal eine Wortprägung, die einer Ihrer sind. Kollegen heute morgen vornahm — (Zurufe von der SPD.) (Abg. Wehner: Unterdrückt worden!) Meine Damen und Herren, ein Gesetz, das rah- menrechtliche Bindungen für die Länder enthält, erneut niedergebügelt worden. sollte, so meine ich, auch erst im Bundesrat beraten (Abg. Wehner: Unterdrückt worden!) 4334 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Volmer Gestatten Sie mir, daß ich zu einigen Fragen Demokratie ist nur dort, wo auch die kleineren einige Bemerkungen mache. Bei der Diskussion über Gruppen zu ihrem Recht kommen, und nicht da, wo das passive Wahlrecht der ausländischen Beschäftig- die Mehrheiten ohne Rücksichten entscheiden. ten kam es zu einer lebhaften Kontroverse. Die In den meisten Bereichen des Gesetzes hat man Koalitonsfraktionen waren lediglich bereit, in § 13 den Gewerkschaften — und das sicher auch zu Abs. 1 die Formulierung zu streichen, daß nur der Recht — besondere Erleichterungen beim Tätig- wählbar ist, der das Wahlrecht für den Deutschen werden nach diesem Gesetz eingeräumt. Ihr eigener Bundestag besitzt. Eine ähnliche Regelung findet sich Entwurf sah vor, daß die in der Dienststelle vertre- in einigen Ländergesetzen. Die CDU/CSU-Fraktion tenen Gewerkschaften für die Aufstellung ihrer vertritt jedoch die Meinung, daß durch die Wählbar- Wahlvorschläge keine Unterschriften benötigten. keit alleine noch kein Ausländer in den Personalrat Diese vorgesehene Regelung entspricht nach unserer kommt. Es gibt zwar Dienststellen bei der Deutschen Auffassung auch der Bedeutung der Gewerkschaf- Bundespost und Bundesbahn, wo die große Anzahl ten, so wie wir sie sehen. Es muß daher — so der Ausländer Personalratsmandate durchsetzen meine ich — als direkt reaktionär bezeichnet wer- kann, wenn sie auf der gemeinsamen Liste unter- den, daß die Koalitionsfraktionen mit Mehrheit die gebracht werden oder wenn es zur eigenen Liste Streichung dieser Formulierung verlangt haben und kommt. Bei Dienststellen, meine Damen und Herren damit die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften von der Koalition, mit einer geringen Zahl von Aus- ebenfalls zur Unterschriftensammlung zwingen. Hier ländern besteht nach Ihrer Regelung kaum die Mög- muß man doch die berechtigte Frage nach dem lichkeit der eigenen Vertretung. Dieser Ihrer mini- Grund stellen. Wenn, meine Damen und Herren, malen Lösung hat die CDU/CSU-Fraktion eine in einer pluralen Gesellschaft nur die zahlenmäßig Optimallösung durch eine eigene Ausländervertre- starken Organisationen ein bevorzugtes Recht zum tung entgegengesetzt. Hier hätte die Möglichkeit Leben haben, dann kan man weder von einer besse- bestanden, nicht nur den ausländischen Mitarbeitern ren Lebensqualität noch von mehr Demokratie re- generell, sondern auch bei einer größeren Zahl den. unterschiedlicher Nationen diesem Zustand Rech- (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der nung zu tragen und den betreffenden Ausländern SPD.) die Gelegenheit zu geben, ihre eigenen Interessen zu vertreten. In unserem Bündel wohlbegründeter Anträge, mit denen wir nach 18jähriger Erfahrung mit dem gel- Es ist zwar sehr tröstlich für uns, wenn Vertreter tenden Personalvertretungsgesetz echte und abge- der Koalitionsfraktionen im Ausschuß diesen Vor- wogene Reformschritte aufnehmen wollten, die aber schlag für eine echte Alternative gehalten haben; der starren Haltung der Koalitionsfraktionen zum aber schöne Worte allein sind noch keine Lösung. Opfer fielen, ging es der CDU/CSU-Fraktion u. a. und in erster Linie auch um die Verstärkung und (Zurufe von der SPD. — Abg. Dr. Schäfer Vereinheitlichung der praktischen Mitverantwor- [Tübingen]: Überall!) tung der Personalräte durch Ausdehnung ihres Ini- tiativrechtes auf alle Beteiligungsangelegenheiten, Eine Zustimmung zu dieser Alternative — Herr Pro- durch Überführung des schwächeren Mitwirkungs- fessor Schäfer — wäre für die Ausländer viel wir- - verfahrens kungsvoller gewesen. (Abg. Katzer: Sehr gut!) (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. in das volle Mitbestimmungsverfahren, um eine ge- Schäfer [Tübingen]: Nach Ihrer Meinung!) zielte Neuformulierung der Versagungsgründe zur Objektivierung der Personalpolitik und um die Ein- — Herr Professor Schäfer, Sie nehmen es mir nicht beziehung der Besoldungsgruppen A 16 und höher übel, daß ich unsere Meinung und nicht Ihre hier mit Ausnahme der sogenannten politischen Beamten vertrete. nach § 36 des Bundesbeamtengesetzes. (Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]: Natürlich Daß Sie von der SPD Ihren Bundeskanzler immer nicht! — Abg. Wehner: Ihre frühere Mei wieder zurückpfeifen, ist uns bekannt. Heute pfeifen nung!) Sie aber auch mehrere Bundesminister zurück, die Im parlamentarischen Leben ist es allgemein üblich, bisher durch Rundschreiben und Erlasse — ich habe daß die Zuteilung etwa von Ausschußsitzen oder sie hier -- bereits angeordnet haben, in ihren Häu- von ähnlichen Einrichtungen im Verhältniswahl- sern die Mitbestimmung und Mitbeteiligung der Per- recht nach dem Höchstzahlverfahren von d'Hondt sonalräte bis einschließlich B 3 zu vollziehen. Ihre erfolgt. Die CDU/CSU-Fraktion hat bei den entspre- starre Haltung heute bedeutet doch, daß Ihre Mini- chenden Paragraphen des Gesetzentwurfs die glei- ster ihre Rundschreiben und Anordnungen zugun- che Regelung für Personalräte und -vorstände vor- sten einer verschlechterten Lösung zurücknehmen geschlagen. Dadurch sollte das Verfahren eindeuti- müss en. ger geregelt und ein Minderheitenschutz statuiert (Abg. Katzer: Leider wahr!) werden. Leider wurde der Antrag von den Koali- Nach unserem ursprünglichen Vorschlag sollte zu- tionsfraktionen abgelehnt. Man kann, meine Damen gleich für die sehr seltenen Fälle der Nichteinigung und Herren, aber nicht immer von „mehr Demokra- in allen Instanzen der Spruch der neutralen Eini- tie" reden, wenn man nicht bereit ist, sie auch zu gungsstelle, der bisher teils als Entscheidung, teils praktizieren. als Empfehlung ergeht, einheitlich dann als Emp- (Beifall bei der CDU/CSU.) fehlung ausgesprochen werden, wenn die Entschei- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4335

Volmer dung bei dem parlamentarisch verantwortlichen — doch, wir haben heute unseren ,sozialen Tag, Herr Minister liegt. Hiermit sollten eine einheitliche Lö- Wehner sung und eine klare politische Verantwortlichkeit (Heiterkeit bei der CDU/CSU) gefunden werden. Wir haben bereits bei der Bera- weil er eine Verbesserung des bisherigen Rechts tung im Ausschuß vorgeschlagen, es in diesem Punkt darstellt. Was jedoch und jetzt hören Sie bitte bei der bisherigen Regelung zu belassen und damit zu — nach Ablehnung unserer Anträge übrigbleibt, der Koalition entgegenzukommen, um das Paket der ist nur ein Torso fortschrittlichen Denkens und prak- übrigen Verbesserungen durchzubringen. Es ist uns tizierte Demokratie. Daran ändern auch ihre angeb- dadurch gelungen, die SPD/FDP-Koalition zu einem lich 200 Einzeländerungen des Entwurfs nichts, bei Durchdenken ihrer eigenen Änderungsvorschläge zu denen buchstäblich jede Kommaänderung und die ihrem eigenen Gesetzentwurf zu bewegen, damit zu mehr als 100 Änderungsvorschläge der Bundesmini- einer Annäherung an unsere fortschrittliche Lösung sterien mitgezählt wurden. Meine Damen und Her- zu bringen und sie auch zur Übernahme einiger Mit- ren, dieses Gesetz verdient den Namen „Reform- wirkungsfälle in das Mitbestimmungsverfahren zu gesetz" nicht. bewegen. (Abg. Wehner: Deswegen stimmen Sie ihm Im Gesetzentwurf wird den deutschen Ortskräften zu!) bei Dienststellen des Bundes im Ausland weder das Die Regierungskoalition hat, wie so häufig, Herr aktive noch das passive Wahlrecht gewährt. Damit Wehner, heute wieder einmal eine große Chance stellt man die deutschen Kräfte im Ausland schlech- ter als die ausländischen Beschäftigten in der Bun- vertan. (Beifall bei der CDU/CSU.) desrepublik. Den Bemühungen der Opposition, diese Benachteiligung zu beseitigen, kam ein Fernschrei- ben der Gewerkschaft ÖTV entgegen. Die CDU/CSU- Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Fraktion hat den im Fernschreiben aufgeführten Herr Abgeordnete Groß. Vorschlag aufgegriffen und der Sache nach bean- tragt, den deutschen Ortskräften das volle aktive Groß (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und und passive Wahlrecht zu gewähren Herren! Nach den elegischen Betrachtungen des (Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Schnee vom Kollegen Volmer, die rückwärts gewandt waren, letzten Winter!) sich also auf die Vergangenheit konzentrierten — manche werden sagen: wen sollte es wundern? —, und für diesen Bereich die Beteiligungsrechte der sollte man, so meine ich, dieses Gesetz auch einmal Gewerkschaften nach den §§ 35 und 51 auszuschlie- im Hinblick auf seine Auswirkungen in der Zukunft ßen. unter die Lupe nehmen. (Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Sie haben Meine Damen und Herren, zunächst meine ich aber den Antrag nicht wiederholt!) hier feststellen zu sollen, daß dieses Gesetz ein — Das war der Vorschlag der ÖTV, Herr Kollege neuer Beweis dafür ist, daß die sozialliberale Koa- Schäfer. Sie haben das gleiche Schreiben bekommen lition nicht nur schnell arbeiten kann. wie wir. (Abg. Frau Berger [Berlin] : Sondern auch langsam! — Heiterkeit bei der CDU/CSU.) Diese Ausschließung sollte das Hauptargument gegen die Gewährung des Wahlrechts beseitigen. Es Aus Zeitgründen, Herr Kollege Miltner, wurde ja sollte verhindert werden, daß ausländische Gewerk- au ch dieses Verfahren, das der Kollege Volmer eben schaften Einfluß auf deutsche Dienststellen nehmen kritisiert hat, angewandt: Wir haben den alten Re- können. Auch dieser Antrag wurde von der Koali- gierungsentwurf übernommen. tion abgelehnt. Damit haben deutsche Kräfte bei Hierzu gleich eine Bemerkung, Herr Volmer. Wir Dienststellen des Bundes im Ausland mindere sind der Meinung, daß Anhörungen, auf gut deutsch Rechte als ausländische Dienstkräfte bei deutschen Hearings genannt, keine Scheinveranstaltungen zur Dienststellen im Inland. Erbauung des Publikums und zur Erbauung der Drucker, die hinterher alles drucken müssen, sind. Es war das Bemühen der CDU/CSU-Fraktion, die Wir meinen vielmehr, daß wir die Argumente, die Beteiligung der gewerkschaftlichen Spitzenorgani- wir in den Hearings hören, ernst nehmen sollten und sationen zu verbessern und durch die Aufnahme daß Vorlagen, die auf den Tisch gelegt worden einer Schlußvorschrift im Personalvertretungsgesetz sind, dementsprechend verbessert werden sollten. unsere Vorstellungen von einem wirklichen Reform- gesetz zu erfüllen und damit den Anfang einer Neu- (Beifall bei den Regierungsparteien.) ordnung des öffentlichen Dienstrechtes zu machen. Wenn die CDU/CSU solche Hearings als Scheinver- Unsere Anträge wurden von der Mehrheit des Hau- anstaltungen ansieht, so möge sie das bitte vor dem ses im Innenausschuß und heute jedoch abgelehnt. nächsten entsprechenden Antrag sagen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf Dem Gesetzentwurf, der uns nun zur Verabschie- stellt natürlich einen Kompromiß dar. Am Anfang dung vorliegt, werden wir zwar zustimmen hat es auch zwischen den Koalitionspartnern Mei- nungsverschiedenheiten gegeben. Warum auch (Abg. Wehner: Hört! Hört! Einem so eigentlich nicht? Es könnte vielleicht auch in ande- schlechten Gesetzentwurf stimmen Sie zu?!) ren Bereichen so gehandhabt werden, daß diese 4336 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Groß Meinungsverschiedenheiten nicht auf dem Markte Berger (CDU/CSU) : Ist Ihnen denn nicht klar, ausgetragen werden. Ich meine, daß solche Dinge, Herr Groß, daß es unter den vielen Bestimmungen die ja manchmal unter dem Aspekt von Profilpro- auch im Genscher-Entwurf einige gibt, die ganz ver- blemen gesehen werden, vielleicht so gehandhabt nünftig sind, und andere, die verbesserungsbedürf- werden könnten, wie wir es hier praktiziert haben. tig waren? Wir konnten diese Behandlungsweise um so leich- ter wählen, als wir von Anfang an von dem Willen Groß (FDP) : Herr Kollege Berger, wenn Sie das getragen waren, dieses Vorhaben auch zu einem so sagen, hört sich das ganz anders an als das, was Erfolg zu bringen. Wir waren sicher, daß eventuell kurz danach Ihr Kollege Müller (Remscheid) gesagt bestehende Meinungsverschiedenheiten auch aus- hat, der ganz pauschal darüber gesprochen hat. Ich gestanden werden könnten. wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre sehr pauschalen Meine Damen und Herren, Herr Kollege Berger Abqualifikationen von Entwürfen der Regierung, hat sich vorhin zum lebhaften Verfechter des um des Kabinetts hier durch eine etwas differenziertere den Kollegen Müller (Remscheid) zu zitieren — Betrachtung ersetzten. Sie sollten nicht durch solche unzureichenden Antrags der Koalitionsfraktionen in pauschalen Bemerkungen versuchen, die Dinge hier der ursprünglichen Fassung gemacht, indem er sich ein wenig zu verunklären. hier hinstellte und sagte, er müsse diesen ursprüng- lichen Antrag, nachdem ihn die Koalition verändert Vizepräsident Dr. Jaeger: Gestatten Sie eine habe, aufrechterhalten. Zwischenfrage des Abgeordneten Müller (Rem- scheid)? Die Äußerungen sowohl des Herrn Kollegen Ber- ger als auch von Herrn Müller (Remscheid) und Müller (Remscheid) (CDU/CSU) : Würden Herrn Volmer veranlassen mich zu einer Bemer- Sie mir vielleicht einmal folgenden Unterschied sagen? Ich kung. Herr Kollege Müller (Remscheid) hat hier er- habe „unzulänglich" gesagt, während die Gewerk- klärt — jedenfalls habe ich das so in Erinnerung —, schaften des öffentlichen Dienstes von einem rück- daß es sich um einen völlig unzureichenden Entwurf schrittlichen Entwurf dieses Ministers gesprochen gehandelt habe. Ich bitte um Widerspruch, Herr haben. Was war dann fairer ausgedrückt? Meine Müller, wenn das falsch zitiert ist. Herr Volmer hat Bezeichnung oder die der Gewerkschaften? ähnliches gesagt. Er hat hier allerdings nicht näher erläutert, warum er den Entwurf für unzulänglich hält. Da Sie uns dies nicht gesagt haben, Herr Mül- Groß (FDP) : Herr Kollege Müller, die Frage ler, darf ich vielleicht Sie bitten, Herrn Kollegen Rückschritt oder Fortschritt könnte zu längeren Be- Berger, der diesen ursprünglichen Entwurf in vielen trachtungen veranlassen. Punkten vertritt, das zu erläutern. Ich meine, daß es (Zurufe von der CDU/CSU.) eigentlich keine Art ist, über die wir uns ernsthaft Ich will sie gern anstellen, Herr Müller, da Sie mich unterhalten sollten, wenn man sich einerseits hin- so herausfordern. In der Tat wird von manchen in stellt und sagt, dieser Entwurf sei absolut unzurei- diesem Land auch der Gesetzentwurf, wie er jetzt chend, und ihn andererseits vertritt, und zwar vorliegt, als rückschrittlich bezeichnet. Ich gehe aber — entschuldigen Sie, daß ich das einmal so deutlich - davon aus, daß es in diesem Land noch keinen gro- sage — je nach Couleur. ßen Guru gibt, der autoritativ sozusagen feststellt, (Beifall bei der SPD. — Abg. Müller [Rem was in diesem Land fortschrittlich zu sein babe. Da scheid] : Das ist doch Blödsinn!) es diesen Guru nicht gibt — ich weiß, einige möch- Meine Damen und Herren, wenn die CDU/CSU ten das gern für sich in Anspruch nehmen; aber das glaubt uns bei allen möglichen feierlichen und un- berührt mich nicht sonderlich , gehe ich unver- feierlichen Gelegenheiten freundliche Worte sagen ändert davon aus, daß das Prädikat „fortschrittlich" zu müssen, wie nett wir als Freie Demokraten seien, oder „rückschrittlich" je nach der spezifischen Aus- und man müsse mit uns möglichst schnell eine Koali- gangslage einer Fraktion vergeben wird. Ich glaube, tion eingehen, dabei sollten wir es auch belassen. (Widerspruch bei der CDU/CSU — Abg. Katzer: Wer sagt das denn?) Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter Groß, gestatten Sie nun eine Zwischenfrage des Ab- dann möchte ich hier sagen das wird ja in den geordneten Becker? Ländern von Herrn Dregger bis zu Ihrem Kollegen Hasselmann ständig gesagt —: Sie müssen einmal Groß (FDP) : Ja, gerne. ganz deutlich zur Kenntnis nehmen, daß dieses Spiel, jedem bei verschiedenen Gelegenheiten etwas Ver- schiedenes zu erzählen, eben keine Grundlage für Becker (Nienberge) (SPD) : Herr Kollege Groß, eine Zusammenarbeit ist. zu den Einlassungen der CDU/CSU: Teilen Sie auch heute noch meine Verwunderung, daß die CDU/CSU (Beifall bei den Regierungsparteien.) in den Ausschußberatungen unentwegt den früher Das müssen Sie einfach einmal sehen. von der Regierung vorgelegten Entwurf verteidigt hat? Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Groß (FDP) : Herr Becker, es ist mit anderen Wor- Berger? ten genau das, was ich eben gesagt habe über die Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4337

Groß — sagen wir einmal — Doppeldeutigkeit, um es vor- sonders wichtig ist, entscheidend davon abhängt, sichtig zu nennen — manche würden das anders daß vorhandene Minderheiten nicht, um es drastisch nennen --, wie sie in der CDU/CSU-Fraktion bis auszudrücken, untergebuttert werden. heute üblich ist. Ich möchte nicht versäumen, in diesem Zusam- (Abg. Pensky: Dazu hat der Kollege Groß menhang auch darauf hinzuweisen, daß dieses Per- ja eben schon eine Antwort gegeben!) sonalvertretungsgesetz auch die Rechte des einzel- nen Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung — Eben, Herr Pensky. sehr wohl im Auge hat. Dies ist ein Punkt, der, wie Aber, meine Damen und Herren, zu diesem Gesetz. Sie verstehen können, uns besonders am Herzen Es gibt den Gewerkschaften ein Mehr an Rechten. liegt. Diese Rechte bedingen auch ein Mehr an Pflichten. Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist in der Ich glaube, daß über diesen Punkt Klarheit herr- Öffentlichkeit sehr stark unter dem Gesichtspunkt schen sollte, und daß dieses Mehr an Pflichten auch diskutiert worden, daß es darum gehe, das Personal- bedeutet, daß die Gewerkschaften sich über den vertretungsgesetz an das Betriebsverfassungsgesetz Sinn, den diese öffentliche Verwaltung hat, nämlich anzugleichen. Damit sind natürlich auch einige Ak- das zu tun, was Verfassung und Gesetz von ihr ver- zente in diese Diskussion hineingekommen, die viel- langen, im klaren sind. Ich bin sicher, daß die Ge- leicht der Sache nicht gerecht werden, weil hier Un- werkschaften auch sehen, daß es eine Pflicht ist, von vergleichbares miteinander verglichen wird. Ich darf ihren zusätzlichen Rechten und Möglichkeiten einen in diesem Zusammenhang mit Genehmigung des angemessenen Gebrauch zu machen. Dazu gehört Herrn Präsidenten einmal zitieren, was der Präsident natürlich auch, daß sie im Verkehr untereinander, des Bundesverwaltungsgerichts, Wolfgang Zeidler, d. h. zwischen den Organisationen, sich so verhal- in einem im übrigen sehr lesenswerten Aufsatz im ten, wie es § 2 des Gesetzes besagt, nämlich in einem „Deutschen Verwaltungsblatt" geschrieben hat. Dort partnerschaftlichen Verhältnis. Der Bürger — um sagt er: den es wohl letzten Endes in diesem Gesetz geht — hat mit Sicherheit kein Verständnis dafür, wenn Dies sich innerhalb der öffentlichen Verwaltung ein lusti- — was ich eben nannte, also die Forderung nach ger Krieg der Organisationen abspielt und bei die- —Angleichung sem Krieg die Aufgaben der öffentlichen Verwal- wird von den Gewerkschaften und Berufsver- tung auf der Strecke bleiben. bänden ebenso wie von den Adressaten solcher Meine Damen und Herren, dieses Gesetz erhält Forderungen in den Parlamenten und Regie- das sogenannte Gruppenprinzip aufrecht. Ich weiß rungen mit unreflektierter Schlichtheit des Argu- sehr wohl, daß das sicher nicht nach dem Geschmack ments dahin begründet, daß man den Angehöri- aller ist. Aber wir sollten uns darüber klar sein, daß gen des öffentlichen Dienstes die sonst im die Frage der Gruppen — Arbeiter, Angestellten Arbeitsleben erreichten Fortschritte nicht vor- und Beamten — im öffentlichen Dienst 'bei der an- enthalten könne. stehenden Reform des öffentlichen Dienstrechts er- Dies will auch niemand. Aber, meine Damen und örtert werden muß und daß man sie nicht sozusagen Herren, wir müssen ganz deutlich sehen, daß es hier beiläufig bei Gelegenheit des Personalvertretungs- darum geht, die qualitativen Unterschiede zwischen gesetzes als eines Organisationsgesetzes lösen kann. der öffentlichen Verwaltung und der freien Wirt- Es ist hier schon vom Minderheitenschutz gespro- schaft zu berücksichtigen. Wir müssen sehen, daß es chen worden, und ich habe mit Vergnügen die gol- im Betriebsverfassungsgesetz darum ging, die Ver- denen Wort aus dem Munde von Herrn Volmer fassung, die innere Ordnung des Unternehmens zu über die neuen Auffassungen der CDU/CSU über regeln und zusätzlich die Mitbestimmungsmöglich- Minderheiten im allgemeinen und im speziellen ge- keiten des Arbeitnehmers festzuschreiben, während hört. Ich wäre dankbar, Herr Volmer, wenn Sie das es hier im öffentlichen Dienst doch in erster Linie Ihren Kollegen, beispielsweise auch im Bayerischen darum geht, diese Beteiligungsrechte festzuschrei- Landtag, einmal vermitteln würden. Ich meine, es ben. Das, was wir „Betriebsverfassung des öffent- geht hier um ein grundsätzliches Problem. Man kann lichen Dienstes" nennen könnten, ist doch wohl im sich nicht aussuchen, wie man Minderheiten mal da, Grundgesetz und in einer Vielzahl von Gesetzen mal dort behandelt. Ich glaube, es gibt auch in die- festgehalten. Das entzieht sich der Regelung durch sem Hause aus der Vergangenheit einige Punkte, dieses Personalvertretungsgesetz. die ich jetzt nicht erörtern will, aber die man viel- Dies ist Anlaß, auch auf das noch einmal einzu- leicht in diesem Zusammenhang noch in Erinnerung gehen, was in der öffentlichen Diskussion und bei- hat. läufig auch hier unter dem Thema Demokratisierung Dieser Minderheitenschutz ist für uns Freie Demo- abgehandelt worden ist. Meine Damen und Herren, kraten außerordentlich wichtig, nicht weil wir der dieser Begriff ist außerordentlich schillernd. Es gibt Meinung wären, daß sich im öffentlichen Dienst eine Leute, die der Meinung sind, unter Demokratisie- Unzahl von Gruppen und Organisationen befehden rung in der öffentlichen Verwaltung sei letzten sollten, sondern weil wir meinen, daß es unter- Endes zu verstehen, daß diese öffentliche Verwal- schiedliche Interessen in dieser öffentlichen Verwal- tung ein sich selbst regulierender Staat im Staate tung gibt, die die Möglichkeit haben müssen, sich in sei. Dies kann jedenfalls unsere Meinung, die Mei- Organisationen zusammenzufinden, wobei der Ar- nung der Freien Demokraten nicht sein, und das beitsfriede, der in der öffentlichen Verwaltung be- wird auch nicht die Meinung — so hoffe ich j eden- 4338 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Groß falls — anderer Teile des Hauses sein. Es muß hier zu nutzen im Sinne des Bürgers und damit wohl in aller Deutlichkeit gesagt werden, daß wir eisern auch dieses Hauses. an den durch dieses Grundgesetz festgelegten Zu- (Beifall bei den Regierungsparteien.) ständigkeiten des Parlaments festhalten müssen. Um wiederum Zeidler zu zitieren: „Man kann sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, die Par- Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der lamente seien in eine Art euphorischen Rausch der Herr Bundesminister des Innern, Herr Genscher. Selbstentmachtung verfallen, der sich fast als Form eines spezifisch politischen Masochismus bezeich- Genscher, Bundesminister des Innern: Herr Prä- nen läßt." Hierauf wäre hinzuweisen. Ich meine, sident! Meine Damen und Herren! Die Bundes- daß das Thema Demokratisierung sicher bei einer regierung begrüßt, daß die seit langem überfällige anderen Gelegenheit anzusprechen ist. Hier aber Reform des Personalvertretungsrechts vor dem Ab- müssen wir auf die Entscheidungsrechte des Par- schluß steht. Es war ein langer und oft mühevoller laments und der von ihm gebildeten Regierung ab- Weg von den ersten Vorbereitungen in der ver- stellen. Wir müssen deutlich sehen, daß es doch gangenen Legislaturperiode bis heute. Als die erste sicher für uns alle unerträglich wäre, wenn wir hier Regierung Brandt/Scheel in ihrer ersten Regie- eines Tages einen Minister auf eine Frage antwor- rungserklärung mitteilte, sie wolle eine Reform des ten ließen: Dafür kann ich keine Verantwortung Personalvertretungsgesetzes vorlegen, beendete sie übernehmen, darüber hat der Personalrat entschie- eine 15jährige Periode der Reformabstinenz im öf- den. fentlichen Dienst. Meine Damen und Herren, dieses Gesetz — auch (Beifall bei den Regierungsparteien.) das sollte man sehen — kann die Verwaltungsab- So kam es auch, daß sie auf keinerlei Vorberei- läufe erleichtern, indem es manche betriebsinternen tungsarbeiten zurückgreifen konnte, sondern das Schwierigkeiten verkürzt. Dieses Gesetz kann den Thema vom Grunde aus neu erarbeiten mußte. Verwaltungsablauf hemmen, wenn es extensiv aus- gelegt wird. Angesichts — nicht des Reform-, sondern — des Antragseifers, den wir heute aus den Kreisen der Dieses Gesetz wird Geld kosten. Auch das muß Opposition erlebt haben, muß man natürlich fragen, der Bürger wissen. Die Kosten, die in dem Bericht warum nicht schon vor 1969 alle diese Anträge, die des Haushaltsausschusses angegeben werden, ver- Sie jetzt offensichtlich für notwendig halten, ver- doppeln sich, wenn Sie die Kosten aus dem Be- wirklicht worden sind. reich der Bahn und der Post hinzunehmen. Demo- kratie ist teuer. Andere Staatsformen sind weitaus (Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Vielleicht teurer. Diese hohen Kosten wird der Bürger hin- war damals die FDP auch schon daran nehmen, wenn auf der anderen Seite die Verwal- schuld!) tung besser funktioniert. Er wird uns eines Tages - Wie Sie das so sagen, Herr Kollege! Verführen schelten, wenn daraus die Konsequenz erwachsen Sie mich nicht dazu, zu diesen Anträgen etwas zu sollte, daß diese Verwaltung für den Bürger weni- sagen. Wenn ich z. B. einen Änderungsantrag lese, ger erbringt. auf dem oben als Antragsteller stehen die Abgeord- - Dieses Gesetz bringt Rechte, mehr Rechte, und neten Müller (Remscheid), Katzer, Dr. Blüm, Vogt, bringt mehr Pflichten, auch wenn von diesen Pflich- Russe, Orgaß und Genossen, dann kommt mir der ten in dem Gesetz nicht gesprochen wird. Verdacht, daß hier einige Kollegen nach dem Aus- gang des Hamburger Parteitags auf anderer Bühne Wenn es ein Ziel der Durchsetzung des Mitbestim- endlich ein Erfolgserlebnis suchen. mungsgedankens auch in der öffentlichen Verwal- (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungs tung sein soll, daß der Beschäftigte von dem Ge- parteien. — Abg. Katzer: Und das haben Sie fühl, leise treten zu müssen, befreit wird, dann wäre ihnen noch nicht einmal verschafft!) es aber ein schlechter Tausch, wenn wir die Leise- treterei des Beschäftigten eintauschten gegen die — Nun haben Sie, verehrter Herr Kollege Katzer, Leisetreterei des Vorgesetzten. Es muß bleiben, daß das ja teilweise sogar erreicht: Sie haben nämlich der Vorgesetzte uneingeschränkt Mißstände auch zum erstenmal Ihre ganze Fraktion zwar nicht zur Mißstände nennen kann. Unterstützung Ihrer Anträge, aber wenigstens zur Zustimmung im Parlament gebracht. Das konnten Dieses Gesetz ist ein Angebot an alle Beschäftig- Ihre Kollegen auch, weil sie wußten, daß der An- ten der öffentlichen Verwaltung. Dieses Angebot trag eh nicht angenommen wird. kann sehr verschieden genutzt werden. Wird es im Sinne der Antragsteller genutzt — ich denke, auch (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungs des ganzen Hauses —, in dem Sinne nämlich, daß parteien. — Abg. Katzer: Wir haben ge es darum geht, partnerschaftliches Verhältnis zu dacht, von dort [zur SPD] käme Zustim üben, wird dieses Gesetz eine Weiterentwicklung mung! — Abg. Müller [Remscheid] : Das hat darstellen. Wird es aber mißbraucht, dann wird Ihnen offensichtlich weh getan! — Weitere eines Tages der Bürger von uns verlangen, daß wir Zurufe von der CDU/CSU.) das, was hier gewährt wird, zurücknehmen. Es — Herr Kollege, das konnte ja gar nicht wehtun, hängt nunmehr von den Beschäftigten der öffent- weil Sie heute mit großer Hochachtung von mir ge lichen Verwaltung ab — ihr Wirklichkeitssinn ist sprochen haben. Sie haben permanent einen ganz bisher sehr erfreulich gewesen —, dieses Gesetz normalen Regierungsentwurf als Genscher-Entwurf Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4339

Bundesminister Genscher bezeichnet, so als hätte ich die Mehrheit in der licher Rechte eingeräumt. Das gesamte Verwaltungs- Bundesregierung. handeln unterliegt der Kontrolle der Volksvertre- (Abg. Katzer: Fast schon!) tung. Ihr müssen — darauf ist schon mit Recht hin- gewiesen worden — im demokratischen Rechtsstaat Sie haben sich auseinandergesetzt mit einem Re- die Spitzen der Exekutive verantwortlich seien. gierungsentwurf. Was Sie beklagen, sehen wir als Vorzug an. Wenn wir sagen: mehr Demokratie, so Die Verwaltungsangehörigen erhalten durch das heißt das auch: Wenn wir einen Gesetzentwurf vor- neue Gesetz bessere Möglichkeiten, durch ihre ge- gelegt haben, hinhören, was die Betroffenen sagen, wählten Repräsentanten auf Entscheidungen, die sie daraus lernen und eigene Vorstellungen verbessern. unmittelbar betreffen, einzuwirken. Niemand soll Das ist der Inhalt dieses neuen Entwurfs, durch eine dienstrechtliche Entscheidung mit ihren oft weitreichenden persönlichen Folgen vor vollen- (Beifall bei den Regierungsparteien — Lachen dete Tatsachen gestellt werden können. Die früh- bei der CDU/CSU) zeitige Einschaltung der Personalvertretung wird der ja so gut ist, meine verehrten Damen und Her- einen gerechten Ausgleich der unterschiedlichen In- ren, daß Sie heute uns sogar dazu verhelfen wer- teressen der Verwaltung und des einzelnen Beschäf- den, sagen zu können: Diese unsere Vorstellungen tigten, aber auch der Beschäftigten untereinander haben die Zustimmung des ganzen Deutschen Bun- sichern. Die Angehörigen des öffentlichen Dienstes destages gefunden. Was wollen Sie eigentlich mehr? sollen sich nicht als Objekt einer anonymen Ver- waltungsmaschinerie fühlen, sondern durch ihre (Beifall bei den Regierungsparteien.) Vertretungen den innerdienstlichen Bereich mitge- Wir geben Ihnen die Möglichkeit, hier eine wichtige stalten. innere Reform mit zu verabschieden. Diese Reform Die erweiterte Mitbestimmung im innerdienst- ist so gut, daß Sie zustimmen. Das ist wichtig, denn lichen Bereich der öffentlichen Verwaltung ist eines wir wollen, daß eine solche wichtige Reform auf der von der Bundesregierung bei ihrem Amtsantritt einer breiten parlamentarischen Grundlage zur Ver- aufgestellten Reformziele. Sie wird sich zum Wohle abschiedung kommt. der Verwaltungsangehörigen ebenso wie zum Besten Diese Reform bringt einen wesentlichen Ausbau der Allgemeinheit auswirken, wenn sie von allen der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte. Diese Beteiligten verantwortungsbewußt gehandhabt wird. Reform bringt, was Ihnen nicht gefällt, eine wesent- Alle, die erweiterte Mitbestimmungsrechte erhalten, liche Verbesserung der Rechtsstellung der auslän- übernehmen damit zugleich Mitverantwortung. dischen Verwaltungsangehörigen das sage ich be- Das Gesetz ermöglicht, daß alle Beteiligten ver- sonders als Bundesminister des Innern durch die trauensvoll zum Wohle der Beschäftigten und zur Einräumung auch des passiven Wahlrechts zu den Erfüllung der der Dienststelle obliegenden Aufgaben Personalvertretungen. zusammenarbeiten. Es liegt jetzt an uns allen, vor Meine Damen und Herren, angesichts der noch allem aber an denjenigen, die in den Verwaltungen tätig sind und dort Verantwortung tragen, daß wir nicht gelösten Fragen der Reform des öffentlichen- Dienstes hält der Reformentwurf mit Recht am so- dieses Gesetz im Interesse der im öffentlichen genannten Gruppenprinzip fest, das sich nach dem Dienst Tätigen mit Leben erfüllen. geltenden Recht bewährt hat. Solange es im öffent- (Beifall bei den Regierungsparteien.) lichen Dienst Beschäftigte mit verschiedenem Status und daher zum Teil unterschiedlichen Interessen gibt, soll vermieden werden, daß kleinere Gruppen Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmel- von einer größeren Gruppe majorisiert werden. Es dungen liegen nicht vor: Ich schließe die Aussprache gehört zum Wesen der Demokratie, die Interessen in dritter Lesung. von Minderheiten in den Entscheidungsprozeß ein- Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem zubeziehen. Gesetz in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. Ent- Die Rahmenvorschriften lassen den Landesgesetz- haltungen. — Bei zwei Enthaltungen ist das Gesetz gebern den notwendigen Spielraum zur Berücksich- angenommen. tigung von organisatorischen und anderen Beson- derheiten der einzelnen Länder. Wo solche Beson- Wir müssen noch über die Entschließung des Aus- derheiten nicht gegeben sind, sollte es aber im In- schusses abstimmen; Sie finden sie auf Seite 3. Wer teresse der Einheitlichkeit des öffentlichen Dienstes dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — einheitliche Regelungen in Bund, Ländern und Ge- Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlos- meinden geben. Die Angehörigen des öffentlichen sen. Dienstes werden kein Verständnis für sachlich nicht begründete Unterschiede aufbringen. Ich rufe Punkt 6 unserer Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Soweit wie möglich wird das neue Personalver- desregierung eingebrachten Entwurfs eines tretungsrecht dem Betriebsverfassungsrecht ange- Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch paßt werden, aber die Unterschiede zwischen Privat- (EGStGB) wirtschaft und öffentlichem Dienst sind nicht über- sehen worden. Wir haben auch eine Reihe zusätz Drucksache 7/550 — 4340 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Vizepräsident von Hassel Bericht und Antrag des Sonderausschusses für setz über eine Statistik des grenzüberschreitenden die Strafrechtsreform Güterkraftverkehrs ist erst neulich verabschiedet — Drucksachen 7/1232, 7/1261 — worden und steht zur Verkündung an; es muß also ebenfalls im Einführungsgesetz berücksichtigt wer- Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Eyrich den, was bisher nicht möglich war. Abgeordneter Dr. Penner Drittens. Mit dem Antrag unter Ziffer 3 auf der (Erste Beratung 36. Sitzung) Drucksache 7/1400 wird das Ziel verfolgt, zwei Vor- schriften des Entwurfs statt am 1. Januar 1975 aus Ich darf zunächst den Berichterstattern danken. Gründen der Zweckmäßigkeit bereits am Tage nach Ich frage die Berichterstatter, ob sie eine mündliche der Verkündung in Kraft zusetzen. Ergänzung vorzutragen wünschen. — Das ist nicht der Fall. Wir bitten um Zustimmung. Ich eröffne die zweite Beratung. Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erbeten? Vizepräsident von Hassel: Das Wort wird zu den Änderungsanträgen nicht weiter gewünscht. (Zuruf des Abg. Dr. Penner.) Wir kommen zur Abstimmung über den Ände- — Ich darf vielleicht, Herr Kollege, auf folgendes rungsantrag auf Drucksache 7/1399. Wer dem zu- hinweisen. Es liegen ein paar Änderungsanträge zustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- vor, zu denen ich bei den Bestimmungen, auf die zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthal- sie sich beziehen, das Wort erteilen möchte. Sind tung? — Der Änderungsantrag ist einstimmig be- Sie damit einverstanden, oder wollen wir es in die schlossen. generelle Aussprache mit einbeziehen? Damit ist Art. 39 gestrichen, und die Art. 264 (Abg. Dr. Penner: Nein, wir können es und 297 sind geändert. jetzt machen!) Ich rufe nun die Art. 39 a, 39 b und 40 bis ein- Also, ich darf Sie bitten, mit mir in die Abstim- schließlich 250 auf. Wer dem zustimmt, den bitte ich mung einzutreten. Nehmen Sie bitte die Drucksache um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen- 7/1232 zur Hand. Zunächst einmal lasse ich über probe. — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so den Antrag des Ausschusses, die in den Ziffern 1 beschlossen. bis 7 auf Seite 3 bezeichneten Punkte zurückzustel- len, abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich Ich rufe nunmehr den Art. 250 a auf. Dazu liegen um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so die Anträge unter den Ziffern 1 und 2 der Druck- beschlossen. sache 7/1400 vor, die Herr Dr. Penner soeben be- gründet hat. Wer diesen Anträgen auf Drucksache Dann darf ich nunmehr die Art. 1 bis 38, zu denen 7/1400 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Änderungsanträge nicht vorliegen, zur Abstimmung — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? aufrufen. Wer zustimmt, den bitte ich um das Hand- — Es ist einstimmig so beschlossen. Damit ist ein zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ent- neuer Art. 250 a eingefügt worden; der bisherige haltungen? — Keine Enthaltungen, keine Gegen- Art. 250 a wird Art. 250 b. stimmen; es ist so beschlossen. - Wir stimmen nunmehr ab über Art. 250 b sowie Ich rufe nunmehr Art. 39 auf. Dazu bitte ich Sie, über Art. 251 bis 298, davon Art. 264 und Art. 297 den Antrag Drucksache 7/1399 zur Hand zu nehmen. in der durch den Antrag Drucksache 7/1399 geänder- Das Wort zur Begründung dieses Änderungs- ten Fassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte antrags hat der Herr Abgeordnete Dr. Penner. ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen- probe. — Enthaltung? — Es ist einstimmig so be- (Abg. Dr. Penner: Kann ich den Antrag schlossen. Drucksache 7/1400 gleich mit begründen?) Zu Art. 299 liegt der Änderungsantrag auf Druck- -- Ich habe keine Bedenken. Bitte schön! sache 7/1400 Ziffer 3 vor. Wer ist dafür? — Der An- trag ist angenommen. Dr. Penner (SPD) : Herr Präsident! Meine Da- Wir stimmen über Art. 299 in der geänderten men und Herren! Für die Antragsteller darf ich die Fassung sowie über Einleitung und Überschrift ab. Änderungsanträge wie folgt begründen. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Erstens. Mit der Drucksache 7/1399 wird eine tech- — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen. nische Änderung beantragt, die dadurch erforder- lich wird, daß der Bundestag soeben den Entwurf Damit sind wir am Ende der Einzelabstimmung in eines Bundespersonalvertretungsgesetzes — Druck- zweiter Beratung. sache 7/1339 — verabschiedet hat und daß dieses Gesetz vor dem Einführungsgesetz zum Strafgesetz- Wir kommen zur buch in Kraft treten wird. Das Einführungsgesetz dritten Beratung. muß also auf das künftige Bundespersonalvertre- Ich eröffne die Aussprache. Es liegt eine Reihe tungsgesetz und nicht auf dessen Vorgänger ab- von Wortmeldungen vor. Das Wort hat der Abge- stellen. ordnete Dr. Lenz. — Der Abgeordnete ist nicht an- Zweitens. Entsprechendes gilt für die Ziffern 1 wesend. An seiner Stelle der Abgeordnete Dr. Ey- und 2 des Antrags auf Drucksache 7/1400. Das Ge rich. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4341

Dr. Eyrich (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine langen und unbestrittenen Rechtsprechung unserer sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen heute obersten Gerichte gewesen sind. am Ende der Beratung eines Gesetzes, das in der Im Anschluß an diese Feststellung muß ich ein weiten Öffentlichkeit unbekannt ist und der weiten Wort zu der Regelung sagen, die in Zukunft dem Öffentlichkeit nach aller Voraussicht auch fürderhin Staatsanwalt die Möglichkeit gibt, bestimmte Ver- verschlossen bleiben wird. fahren gegen Auflagen und Weisungen einzustellen. Das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch hat Es ist hier besonders harte Kritik geübt worden. Es dem Bundestag bereits in der 6. Legislaturperiode handelt sich aber nicht um eine unzulässige Aus- vorgelegen und konnte damals nicht mehr zu Ende dehnung staatsanwaltschaftlicher Befugnisse, son- beraten werden. dern darum, in Fällen, die bisher im wesentlichen Anläßlich ,der Beratung des Gesetzes über das In- Übertretungen beinhalten, der Staatsanwaltschaft krafttreten des Zweiten Gesetzes zur Reform des die Möglichkeit zu geben, der Sache eine ihrer Be- Strafrechts hat unser Kollege Erhard zwei Gesichts- deutung angemessene Behandlung zuteil werden zu punkte im Hinblick auf 'dieses Einführungsgesetz lassen. Hinzu kommt, daß der Staatsanwalt in jedem dem Hohen Hause vorgetragen. Er hat erstens die Falle der Zustimmung des Beschuldigten bedarf. Daß Bereitschaft der Opposition erklärt, alles zu tun, es dabei Unzulänglichkeiten geben kann, ist be- was das Inkrafttreten des Zweiten Strafrechtsreform- kannt; es ist unmöglich, sie alle zu verhindern. Daß gesetzes fördert. Dazu gehört die Verabschiedung aber sehr viele Bagatellverfahren — und allein um dieses Einführungsgesetzes. Er hat zweitens Beden- solche Verfahren handelt es sich — schnell und ohne kens vorgetragen, was die Qualität dieses Einfüh- die Belastung einer Hauptverhandlung abgeschlos- rungsgesetzes betrifft angesichts des sehr starken sen werden können, rechtfertigt meines Erachtens Zeitdrucks, unter dem die Beratung des Einfüh- die Zustimmung zu einer solchen Regelung. rungsgesetzes stand und steht. Lassen Sie mich zu Andere Bedenken allerdings wiegen schwerer, diesen beiden Punkten etwas sagen. schwerer deshalb, weil sie ein Stück des Selbstver- Erstens. Die Zusage, an diesem Gesetz mitzu- ständnisses des Parlaments tangieren. Es ist einfach arbeiten, es zu fördern, es dort zu verändern, wo unmöglich — und ich muß mich hier an den Herrn es notwendig erscheinnt, um es zu einem baldigen Justizminister wenden —, daß bei ein und demsel- Abschluß zu bringen, hat die Opposition eingehal- ben Gegenstand, nämlich in diesem Falle beim Straf- verfahrensrecht, zwei Gesetzentwürfe ten. Sie hat diese Zusage auch angesichts des Um- an zwei ver- schiedene Ausschüsse standes eingehalten, daß nicht nur solche Ände- gegeben werden. Das ist ein Zeichen mangelnder Koordination, rungen vorgeschlagen waren, die dem Inkrafttreten des Zweiten Strafrechtsreformgesetzes dienlich wa (Abg. Vogel [Ennepetal] : Sehr wahr!) ren, sondern auch solche, die über den Rahmen eines um nicht zu sagen: mangelnder Übersicht. Einführungsgesetzes zum Teil nicht unerheblich hin- ausgegangen sind. Der Bundeskanzler hat am 2. Mai 1973 diesem Par- (Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Das kann lament einen Gesetzentwurf zur Reform des Straf- man wohl sagen!) verfahrensrechts vorgelegt; dieser Entwurf fällt in - die Zuständigkeit des Rechtsausschusses. Am Diejenigen Vorschriften, die eine längere Beratungs- 10. Mai 1973 haben derselbe Bundeskanzler und das zeit erfordert hätten und die über den soeben ge- Bundeskabinett diesem Parlament das Einführungs- nannten Rahmen des Einführungsgesetzes hinaus- gesetz zum Strafgesetzbuch mit der Zuständig- gingen, sind zurückgestellt worden. Zu nennen sind keit des Sonderausschusses für die Strafrechtsre- dabei insbesondere die Vorschriften über die Kon- form — zugeleitet. Beide Entwürfe betreffen je- kursstraftaten bei denen übrigens gewährleistet weils mehr als 100 Änderungen der Strafprozeßord- sein muß, daß sie im Zusammenhang mit den Über- nung, die sich zum Teil auch noch überschneiden. legungen zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminali- Das kann auch nicht mit dem Hinweis auf Zeitdruck tät einer intensiven Beratung unterzogen werden. entschuldigt werden. Und es sollte auch nicht der Die Bedeutung dieses Zweiges der Strafrechtspflege Verdacht aufkommen dürfen, daß die Bundesregie- wird immer mehr sichtbar. rung eine notwendige Beschleunigung dazu nutzen Dagegen hat die CDU/CSU trotz mehrerer Beden- wollte, mehr Änderungen als erforderlich in diesem ken auch manchen Vorschriften zugestimmt, deren Gesetzentwurf unterzubringen und dann verabschie- Neufassung nicht unbedingt Gegenstand dieses Ge- den zu lassen. Dieses Verfahren — nicht der Inhalt setzes hätte sein müssen. Ich muß allerdings darauf der geänderten Bestimmungen — wird einige mei- hinweisen, daß es sich im wesentlichen um solche ner Kollegen veranlassen, dem Gesetz ihre Zustim- mung nicht zu geben. Vorschriften handelte, gegen deren Neufassung auch der Bundesrat keine Bedenken vorbrachte, wie- Lassen Sie mich aber abschließend sagen, daß die wohl sie von mancherlei Kritik der Wissenschaft CDU/CSU-Fraktion in ihrer Mehrheit diesem Ge- begleitet waren. Wir haben diese Kritik der Wis- setz aus folgenden Gründen zustimmen wird. Er- senschaft ernstgenommen und sie dort, wo immer es stens. Dieses Gesetz dient dazu, das Zweite Straf- möglich erschien, verwertet. Wenn wir trotzdem rechtsreformgesetz endlich in Kraft zu setzen, ein ungeachtet dieser Kritik manchen Bestimmungen zu- Gesetz, das im Jahre 1969 unter Führung der CDU/ gestimmt haben, so deswegen, weil die Verände- CSU verabschiedet worden ist. Es beinhaltet so rungen dieser Vorschriften nicht tiefgreifender wichtige Bestimmungen wie etwa die Abschaffung Natur, sondern im wesentlichen das Ergebnis einer der kurzzeitigen Freiheitsstrafe und die Einrichtung 4342 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Dr. Eyrich der sozialtherapeutischen Anstalten. Es enthält auch kenntnissen einer langen Strafrechtsgeschichte auf. eine gerechtere Handhabung der Geldstrafe, die Die Aufmerksamkeit und die kritische Begleitung jeden ohne Ansehen seines Einkommens in glei- der Strafrechtstheorie bis in die jüngste Zeit hinein chem Maße belasten soll. Durch die Einführung des verdienen alle Anerkennung. Aber auch Tausende Grundsatzes, daß sich die Höhe der Geldstrafe am deutscher Strafrechtspraktiker, Richter und Staatsan- Einkommen des Täters orientieren muß, wird ver- wälte sind als Wegbereiter und Mitgestalter des hindert, daß Bezieher niedrigerer Einkommen schwe- neuen Rechts anzusehen. Dem vorliegenden Ent- rer getroffen werden als andere. wurf liegen die Planungen des Justizministeriums, die Anregungen des Bundesrates, die flankierenden Zweitens. Wir stimmen diesem Gesetz auch des- Maßnahmen des Sekretariats des Sonderausschusses, halb zu, weil allen Bundesländern die Möglichkeit die langen Beratungen im Plenum des Ausschusses, gegeben werden muß, sich auf den Zeitpunkt des die eingehenden Untersuchungen in der eigens dafür Inkrafttretens, nämlich auf den 1. Januar 1975, ein- eingesetzten Arbeitsgruppe und ungezählte Einzel- zustellen. Und wir stimmen ihm schließlich zu, weil überlegungen zugrunde, ohne daß sie alle protokol- wir mit diesem Gesetz einen Beitrag zur Rechts- larisch nachweisbar wären. sicherheit in unserem Lande leisten wollen. (Beifall.) Die Diskussionswürdigkeit und die Dialektik ein- zelner Entscheidungen dieser Vorlage mag einge- räumt sein. Bemühungen um noch bessere, noch Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der perfektere Lösungen hätten aber die Gefahr des Abgeordnete Dr. Penner. Scheiterns der Reform insgesamt sehr leicht nach sich ziehen können. Selbst hartnäckige Zweifler wer- den einräumen müssen, daß die nunmehr zu tref- Dr. Penner (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen fende Entscheidung auf sehr soliden Voraussetzun- und Herren! Der heutige Tag besiegelt einen wich- gen beruht. Bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts tigen Schritt auf dem Wege der Strafrechtserneue- am 1. Januar 1975 haben die Länder Zeit, ihre Ge- rung. Mit der Verabschiedung des vorliegenden Ge- setzgebung, soweit dies erforderlich ist, dem neuen setzentwurfs wird der Allgemeine Teil des Straf- Recht anzupassen. Folgende Neuerungen, sämtlich gesetzbuches in der geltenden Fassung durch neues auf der Grundlage des Zweiten Strafrechtsreform- Recht abgelöst. Auf der Grundlage des Zweiten gesetzes, sind besonders hervorzuheben: Strafrechtsreformgesetzes der 5. Legislaturperiode werden über 300 Strafgesetze angepaßt. Erstens. Übertretungen als die schwächste Form strafrechtlichen Fehlverhaltens soll es künftig nicht Gewiß hat es auch in der Vergangenheit an tief- mehr geben. Die schon in den 60er Jahren begon- greifenden Ergänzungen, Änderungen und Aufhe- nene Entkriminalisierung im Verkehrsstrafrecht bungen im deutschen Strafrecht nicht gefehlt. wird damit auch im übrigen Strafrecht vollzogen. Dunkle Punkte deutscher Strafrechtsgeschichte sind Diese Strafvorschriften sollen überwiegend als Ord- in frischer Erinnerung: die Aufhebung des Analogie- nungswidrigkeiten ausgewiesen werden. Sie ver- verbots, die Einführung des „gesunden Volksemp- langen Beachtung, als strafbares Unrecht erscheinen findens" als Grundlage strafrechtlicher Beurtei- sie jedoch nicht. Dies entspricht dem differenzieren- lung, die Volksschädlingsverordnung,- das Heim- den Selbstverständnis unserer Rechtsstaatlichkeit. tücke- und das Blutschutzgesetz sind bleibende Das Strafrecht muß, will es wirksam sein, auf Mahnmale aus der Zeit nationalsozialistischer Ge- schwerwiegende Verstöße gegen die Rechtsordnung waltherrschaft. Andererseits sind das sehr fort- beschränkt sein. Die vorgesehene Eingrenzung des schrittliche Jugendgerichtsgesetz aus dem Jahre Strafrechts kann daher auch dazu beitragen, die 1923 und die Einführung des Instituts der Strafaus- Strafverfolgungsbehörden von weniger Wesent- setzung zur Bewährung Fixpunkte aufgeklärten lichem zu entlasten und damit bei der Bekämpfung Strafrechtsverständnisses. der Schwerkriminalität zu unterstützen. In der nunmehr über hundertjährigen Geschichte des deutschen Strafrechts hat es eine Reform in Die Entwendung geringwertiger Sachen, Übertre- diesem Umfange nicht gegeben. Die Versuche zur tungen nach geltendem Recht, soll davon abwei- Veränderung haben eine lange Tradition. Seit 1902 chend auch in Zukunft wie der eigentliche Diebstahl wird an der Reform des Strafrechts gearbeitet. Un- strafbar sein. Der Ausschuß hielt es für angezeigt, geachtet der nicht ermutigenden Ergebnisse bis zum im Hinblick auf die hohen Schadensquoten in Selbst- Ende der Weimarer Zeit wurden auch nach dem bedienungsläden auf Strafrechtsschutz nicht zu ver- zweiten Weltkrieg die Bemühungen um eine Straf- zichten. rechtsreform aus einem Guß fortgesetzt, dies nun auch schon fast 20 Jahre lang. Die Arbeitsergeb- Eine Erweiterung dieses Schutzes ist damit nicht nisse teilen allerdings ein gemeinsames Schickal: sie beabsichtigt. Diese Möglichkeiten der Strafprozeß- wurden bisher nie geltendes Recht. ordnung und beabsichtigte Ergänzungen der Richt- linien für das Strafverfahren sollten wichtige Hin- So gesehen ist der vorliegende Entwurf eines Ein- weise sein, die Strafverfolgung wie bisher auf die führungsgesetzes zum Strafgesetzbuch in Verbin- geeigneten Fälle zu konzentrieren. Das Spannungs- dung mit dem Zweiten Strafrechtsreformgesetz nicht feld zwischen den verführerischen Möglichkeiten nur dem Umfang nach von historischer Bedeutung. eigener Art der Selbstbedienung und der Notwen- Selbstverständlich baut diese Erneuerung auf den digkeit strafrechtlichen Schutzes ist in diesem Zu- praktischen Erfahrungen und den theoretischen Er sammenhang besonders gegeneinander abzuwägen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4343

Dr. Penner Zweitens. Die Geldstrafe wird noch mehr als bis- Aufgabe gesehen werden kann. Die zunehmende her die kurzfristige Freiheitsstrafe ablösen. Frei- Internationalisierung vieler Lebensvorgänge zwingt heitsstrafen unter einem Monat soll es nicht mehr uns einfach dazu, sollen nicht Reservate für Wirt- geben. Die durchweg unguten Erfahrungen bei der schaftsstraftäter großen Stils entstehen oder erhal- Vollstreckung kurzfristiger Freiheitsstrafen hierzu- ten bleiben. Die Strafandrohungen der einzelnen lande und die ermutigenden Ergebnisse anderer Straftatbestände werden eingehend untersucht wer- Länder bei der Verhängung von Geldstrafen anstelle den müssen. Allein der Vergleich zwischen den dieser kurzen Freiheitsstrafen sind für diese Emp- Tatbeständen der Körperverletzung und des Dieb- fehlung maßgebend. Der untere Bereich des Straf- stahls läßt ein Spannungsverhältnis zu Lasten des rahmens erscheint deshalb besser abgedeckt als bis- Rechtsguts Gesund heit erkennen, das beseitigt wer- her. den sollte. Freilich, die Entscheidung für Geldstrafe anstelle Eine Aufgabe von besonderem Rang wird es sein, kurzfristiger Freiheitsstrafe wird für die Praxis unser Strafrecht ständig mit der Sonde des An- nicht in allen Fällen gänzlich problemfrei sein. So spruchs und der Verfassungswirklichkeit der Grund- ist es durchaus denkbar, daß namentlich bei Ver- rechte zu messen. Dabei wird es nicht genügen, daß letzung der Unterhaltspflicht eine kurzfristige Frei- Leben, Gesundheit, Freiheit oder auch Eigentum, heitsstrafe die einzig mögliche Strafe ist, will man wie schon früher, so auch jetzt strafrechtlich ge- diesen Straftatbestand selbst nicht in Frage stellen. schützt sind. Die möglichen Gefährdungen dieser Rechtsgüter mit Verfassungsrang durch ungezügelte Das vorgeschlagene Tagessatzsystem bei Geld- Industrialisierung und Technologie sollten in die- strafen stellt sicher, daß jeder Betroffene entspre- sem Zusammenhang sorgfältig beobachtet werden. chend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zur Das Strafrecht in einem freiheitlich-demokratischen Kasse gefordert wird. Diese Regelung ist wichtig. Rechtsstaat kann dazu beitragen, Grenzen mitzube- Sie trägt dem Gleichheitsgrundsatz für die Wirkung stimmen, die im Interesse des einzelnen nicht über- der Strafe Rechnung. Das Mindestmaß für eine schritten werden dürfen. Vom Umweltschutz einmal Geldstrafe soll 10 DM sein, ihr Höchstmaß 3,6 Mil- abgesehen, dessen zentrale Bedeutung inzwischen lionen DM. Dieser weite Rahmen bietet der Straf- allgemein erkannt worden ist, gilt dies vorrangig justiz ausreichend Gelegenheit für ausbalancierte auch für den Bereich des Datenschutzes. Strafzumessung auch in diesem Bereich. Reform des Strafrechts kann nicht allein auf das Drittens. Mit der sozialtherapeutischen Anstalt materielle Recht beschränkt sein. Strafverfahrens- und der Führungsaufsicht soll der Teufelskreis des recht und Strafvollzugsrecht gehören dazu. Die Bun- reinen Vergeltungsstrafrechts durchbrochen werden. desregierung hat dies mit der Vorlage der Entwürfe In der Tat kann dem Staat nicht daran gelegen sein, zu einem Strafverfahrensreformgesetz und einem sich auf bloße Strafen zu verlegen, wenn dies eine Strafvollzugsgesetz berücksichtigt. Die SPD-Bundes- Wurzel zu weiterem kriminellen Handeln ist. Der tagsfraktion hält diese Konzeption der Bundesregie- Staat, die Gemeinschaft der Bürger, kann sich nicht rung für richtig. Der vorliegende Gesetzentwurf ist darauf beschränken, der Kriminalität ausschließlich ein wichtiges Teilstück der Erneuerung des Straf- mit den Möglichkeiten der Strafe zu begegnen. Wir rechts. alle werden lernen müssen, daß Wiederholung straf- Die SPD-Bundestagsfraktion stimmt der Vorlage barer Handlungen darüber hinaus durch ein diffe- zu. renziertes Instrumentarium kriminalpolitischer, so- (Beifall bei den Regierungsparteien.) zialpolitischer und gesellschaftspolitischer Maßnah- men, wenn schon nicht gänzlich verhindert, so doch erheblich erschwert werden kann. Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der (Beifall bei der SPD.) Abgeordnete von Schoeler. Beide Institute, sozialtherapeutische Anstalt und Führungsaufsicht, erscheinen als geeignete Markie- von Schoeler (FDP) : Herr Präsident! Meine rungen auf dem Wege zu wirksamerer Verbrechens- Damen, meine Herren! Mit der Verabschiedung des bekämpfung. Ihnen vorliegenden Einführungsgesetzes zum Straf- gesetzbuch gibt der Bundestag heute grünes Licht Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist die Straf- für das Inkrafttreten des Zweiten Strafrechtsreform- rechtsreform nicht zu Ende. Im materiellen Straf- gesetzes. Das Zweite .Strafrechtsreformgesetz, im recht gilt dies besonders für die Wirtschaftskrimina- Jahre 1969 von allen Fraktionen in diesem Hause lität. Es ist zu begrüßen, daß die Bundesregierung gemeinsam beschlossen, konnte Ibis heute nicht in hierzu noch in dieser Legislaturperiode einen umfas- Kraft treten, weil die notwendige Anpassung nicht senden Gesetzentwurf vorlegen will. Daß sich die Be- nur des Strafgesetzbuches, sondern zahlreicher ande- mühungen der Bundesregierung nicht auf das rein rer Gesetze sowie vieler Vorschriften des Neben- Strafrechtliche beschränken, sondern auch die Vor- strafrechtes bis jetzt nicht erfolgt ist. felder dieser Kriminalität Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit sind, läßt auf die Schaffung geeig- Heute nun werden die Voraussetzungen dafür neter Instrumente hoffen. geschaffen, daß am 1. Januar 1975 ein großer Schritt auf dem Wege insbesondere zu einer modernen Aus- Gerade der Bereich der Wirtschaftskriminalität gestaltung des Sanktionsystems unseres Strafrechts macht sinnfällig, daß das Strafrecht künftig nicht zurückgelegt werden kann. Damit werden der Straf- mehr ausschließlich oder hauptsächlich als nationale rechtspraxis einige wirksame Instrumente der Krimi- 4344 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 von Schoeler nalpolitik mit dem Ziel einer Verhütung künftiger genannten Anstalten haben insgesamt nur 174 Straftaten vor allem durch Resozialisierung des Plätze. Das ist, wie ich meine, eine traurige Bilanz. Straftäters zur Verfügung gestellt. Die — um nicht schärfere Worte zu gebrauchen -- An erster Stelle möchte ich hier die Einschränkung Zurückhaltung der Bundesländer bei der Einrichtung der kurzen Freiheitsstrafen durch Anhebung des sozialtherapeutischer Anstalten hat uns gezwungen, Mindestmaßes von einem Tag auf einen Monat er- im Juli dieses Jahres in diesem Hause das Inkraft- wähnen. Damit wird der Erkenntnis Rechnung ge- treten der entsprechenden Vorschriften des Zweiten tragen, daß die Verbüßung kurzer Freiheitsstrafen Strafrechtsreformgesetzes auf den 1. Januar 1978 spezialpräventiv mehr Schaden als Nutzen anrichtet, zu verschieben. Die Bundesländer fordern ein wei- daß ein an der Resozialisierung des Täters orientier- teres Hinausschieben dieses Termins. Es stellt dem ter Behandlungsvollzug während der Verbüßung Reformwillen der Länder ein schlechtes Zeugnis aus, einer kurzen Freiheitsstrafe nicht möglich ist und wenn eine von allen Fraktionen dieses Hauses als daß die Belastung des Vollzuges durch viele Kurz- so wesentlich angesehene Reform des Strafrechts strafer eine sinnvolle Arbeit im Strafvollzug er- und des Strafvollzuges immer wieder hinausgescho- schwert. Hier ist zu erwähnen, daß sich die Zurück- ben wird. drängung der kurzen Freiheitsstrafen zugunsten der Geldstrafen auf Grund des Ersten Strafrechtsreform- In den Diskussionen wird die Absicht der Län- gesetzes entgegen da und dort öffentlich geäußerten der deutlich, die entsprechenden Vorschriften zu- Befürchtungen positiv ausgewirkt hat, wie die Ant- gunsten einer vollzugsrechtlichen Lösung zu strei- wort der Bundesregierung auf eine entsprechende chen, bevor sie überhaupt in Kraft treten konnten. Anfrage der Fraktionen ,der SPD und FDP vom Eine solche Lösung hätte neben allen materiellen 26. Juni dieses Jahres ergeben hat. Nachteilen, über die wir uns im Strafrechtssonder- Wir Freien Demokraten treten dafür ein, auf die- ausschuß ausführlich unterhalten haben, sicher auch sem Wege weiterzugehen, und bitten an dieser den Nachteil, daß der Zwang zur Einrichtung solcher Stelle den Bundesjustizminister, auf Grund der vor- 1 Anstalten für die Länder erheblich vermindert, wenn liegenden Rechtstatsachen noch einmal eingehend zu nicht gar beseitigt würde. Wir Freien Demokraten überprüfen, ob eine weitere Anhebung des Mindest- werden uns diesen Bestrebungen widersetzen und maßes der kurzen Freiheitsstrafen vorgenommen am Inkrafttreten der Vorschriften über die sozial- werden kann. Die Beratung des Strafvollzugsgeset- therapeutischen Anstalten am 1. Januar 1978 fest- zes wird uns im Strafrechtssonderausschuß noch halten. einmal zu Überlegungen in diesem Sinne Anlaß (Abg. Vogel [Ennepetal] : Gebt den Ländern sein. ein bißchen Geld dafür!) Dem Ziel der Zurückdrängung der Freiheitsstrafe zugunsten der Geldstrafe dient auch die gerechtere Mit dem Ihnen vorliegenden Einführungsgesetz und soziale Ausgestaltung der Geldstrafe durch Ein- zum Strafgesetzbuch werden, der grundsätzlichen führung des Tagessatzsystems, das sich an skandi- Entscheidung des Zweiten Strafrechtsreformgesetzes navischen Vorbildern orientiert. Ebenfalls auf Grund folgend, die Übertretungen des Hauptstrafrechts und des Zweiten Strafrechtsreformgesetzes wird das neue die Übertretungstatbestände des Nebenstrafrechts Institut der Verwarnung mit Strafvorbehalt einge- in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt, sofern sie führt. Damit wird den Gerichten in Zukunft eine nicht ersatzlos entfallen konnten. Hierbei sind in Möglichkeit gegeben sein, im unteren Bereich der einigen Fällen einige Probleme aufgetaucht. So wird Kriminalität dem zu einer Geldstrafe Verurteilten z. B. die jetzt im Rahmen der Bagatellkriminalität bei einer günstigen Prognose für seine zukünftige gefundene Lösung ständiger Überprüfung bedürfen. Entwicklung im Bewährungsfalle den Makel einer Insgesamt aber wird mit der Beseitigung der Über- Vorstrafe zu ersparen. tretungen ein wesentlicher Beitrag dazu geleistet, daß sich das Strafrecht, am Grundgesetz orientiert, Meine Damen und Herren, große Sorge bereitet auf schwerwiegende Verstöße gegen die Rechtsord- uns Freien Demokraten die praktische Verwirkli- nung beschränkt. chung eines weiteren Kernstücks des Zweiten Straf- rechtsreformgesetzes, nämlich die Einrichtung der Mit dem vorliegenden Einführungsgesetz werden sozialtherapeutischen Anstalten durch die Bundes- wegen der notwendigen Anpassungen an das länder. In diesen Anstalten sollen nach dem Willen Zweite Strafrechtsreformgesetz in einigen Bereichen des Zweiten Strafrechtsreformgesetzes Täter, die auch Änderungen des materiellen Rechts vorge- z. B. auf Grund einer schweren Persönlichkeitsstö- nommen. Im Strafrechtssonderausschuß und in der rung einer besonderen Behandlung bedürfen, unter- von ihm eingesetzten Arbeitsgruppe haben wir die gebracht werden. Nach dem im Jahre 1969 von den Frage, ob solche Änderungen im Rahmen eines Ein- Sprechern aller Fraktionen in diesem Hause bekun- führungsgesetzes vertretbar erscheinen, nicht leicht- deten Willen sollten die sozialtherapeutischen An- genommen und in jedem Fall eingehend geprüft. stalten darüber hinaus Modellcharakter für den ge- Einige im Gesetzentwurf der Bundesregierung vor- samten Strafvollzug haben. Obwohl den Bundes- gesehene Neuregelungen haben wir zurückgestellt, ländern seit mehreren Jahren bewußt ist, daß die so z. B. die Neugestaltung der Konkursstraftatbe- Einrichtung dieser Anstalten auf sie zukommt, wird stände, die Frage der Lockerung des Steuergeheim- bisher erst in sozialtherapeutischen Anstalten in nisses im Strafverfahren zwecks Bemessung der Düren, Hohenasperg, Hamburg-Bergedorf, Ganders- Geldstrafe und die Änderung des Gesetzes gegen heim, Ludwigshafen und Erlangen gearbeitet. Die den unlauteren Wettbewerb. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4345 von Schoeler In anderen Bereichen schlagen wir Ihnen Neu- entwurf geschickt, den Entwurf eines Einführungs- regelungen vor. Dabei war für uns zum einen die gesetzes zum Strafgesetzbuch, den wir heute be- Überlegung maßgebend, daß es nicht vertretbar raten. Er bringt weitere 133 Änderungen der Straf- wäre, veraltete Strafvorschriften unverändert zu be- prozeßordnung. Nach einer überschlägigen Zählung lassen und lediglich technisch anzupassen, obwohl waren in drei Dutzend Fällen dieselben Vorschriften uns allen bewußt war, daß in dieser Legislatur- von Änderung betroffen. Der eine Gesetzentwurf periode auf Grund des vor uns liegenden Gesetz- wurde am 24. Mai dem Sonderausschuß und der gebungsprogramms notwendige Reformen nicht mehr andere am 18. Mai dem Rechtsausschuß überwiesen. vorgenommen werden können. Zum anderen waren Wir haben die Tatsache zu verzeichnen, Herr Bun- wir uns alle der Verpflichtung bewußt, das Inkraft- desminister der Justiz, daß der Rechtsausschuß einen treten des Zweiten Strafrechtsreformgesetzes nicht Gegenstand zur Beratung überwiesen bekommen länger hinauszuzögern. hat — er ist ihm bisher nicht etwa weggenommen Lassen Sie mich die Bedeutung dieser Entschei- worden , der heute hier verabschiedet werden dung mit einem persönlichen Beispiel erläutern. Ein soll, der entscheidende Punkt des Strafverfahrens- Jahr, nachdem ich 1968 mit dem Jurastudium begon- rechts regelt, z. B. die Befugnisse der Staatsanwalt- nen hatte, beschloß der Bundestag das Zweite Straf- schaft zur Einstellung von Verfahren. Ich glaube, rechtsreformgesetz. Die Hoffnungen aller Straf- daß sich in der deutschen Gesetzgebungsgeschichte rechtstheoretiker und aller Strafrechtspraktiker auf ein Vorgang dieser Art nicht wiederfindet: eine moderne Gestaltung unseres Strafrechts waren (Abg. Dr. Hauser [Sasbach] : Sehr richtig!) damals groß. Die entsprechenden Vorschriften sind bis heute nicht in Kraft getreten. So gesehen, leisten daß das gleiche Gesetz auf zwei Gleisen gleichzeitig wir heute mit der Verabschiedung des Einführungs- und unkoordiniert geändert wird. gesetzes einen erheblichen Beitrag dazu, daß die Wir haben das neulich, Herr Bundesminister der Glaubwürdigkeit des Gesetzgebers nicht ernstlich Justiz, im Rechtsausschuß festgestellt und gefragt, gefährdet wird. Für uns Freie Demokraten, die wir ob das denn nun das richtige Verfahren sei. Da seit vielen Jahren an einer fortschrittlichen Entwick- haben all diejenigen, die sich als zur Regierungs- lung des Strafrechts gearbeitet haben — wir werden seite gehörig fühlten, ein bißchen betroffen unter auch weiter daran arbeiten —, war dieser Gesichts- den Tisch geschaut, weil man dieses Verfahren eben punkt von besonderer Bedeutung. offenbar nicht vertreten kann. Mit dem heutigen Tag ist die Strafrechtsreform Ich glaube, Herr Bundesminister der Justiz, dies nicht zu Ende. Auch die Reform des Besonderen Teils ist keine reine Formmäkelei. Rechtsstaatlichkeit ist des Strafrechts ist mit der Verabschiedung des vor- vor allen Dingen geordnetes Verfahren. Aber das, liegenden Gesetzentwurfes keineswegs abgeschlos- was hier vorliegt, ist unordentliches Verfahren. sen. Einige der angepaßten oder geänderten Vor- schriften werden der Überprüfung bedürfen. Neu- (Beifall bei der CDU/CSU.) regelungen werden im Bereich des Wirtschaftsstraf- Nun muß ich hier aber auch eine zweite Berner- rechts und der Umweltschutzdelikte notwendig sein. kung machen, Herr Bundesminister der Justiz. In der Ergänzt wird die Strafrechtsreform noch in dieser Beratung ist schon angesprochen worden, daß dieser Legislaturperiode durch das Strafvollzugsgesetz und Entwurf über den Rahmen eines Einführungsgeset- die Reform des Strafverfahrens. Der Bundesjustiz- zes hinausgeht. Warum war das notwendig? Warum minister kann auf diesem Wege unserer drängenden war das gut? Sollte hier einfach unter dem Titel Unterstützung gewiß sein. „Einführungsgesetz" die normale Zuständigkeit der Im Namen der FDP-Fraktion bitte ich Sie, dem vor- parlamentarischen Ausschüsse umgangen werden, liegenden Gesetzentwurf zuzustimmen. um vielleicht das eine oder andere schneller, anders oder besser durchzuziehen? Ich glaube, Herr Bun- (Beifall bei den Regierungsparteien.) desminister der Justiz, auch diesen Punkt sollte man sich noch einmal deutlich überlegen. Ein Einfüh- Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der rungsgesetz hat im Recht eine ganz bestimmte Funk- Herr Abgeordnete Dr. Lenz. tion. Aber was hier vorliegt, geht entschieden dar- über hinaus. Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) : Herr Präsi- Ich maße mir nicht an, hier jetzt zu sagen, ob die dent! Meine Damen und Herren! Ich bitte zunächst einzelnen Regelungen gut oder schlecht sind. Dazu um Entschuldigung, wenn ich vorhin aufgerufen wor- ist das Werk zu umfangreich. Die Möglichkeiten den sein sollte und nicht im Saale war. Ich war im zum Studium waren für diejenigen, die nicht die Vermittlungsausschuß und konnte das nicht voraus- Ausschußberatungen mitgemacht haben; zu gering. sehen. Ich möchte nur sagen, daß mir das ganze Verfah- Zur Sache möchte ich zwei Bemerkungen machen. ren in dieser Art kein Vertrauen einflößt, bei dem Die erste Bemerkung betrifft das Verfahren. ich diesem Gesetzentwurf etwa meine Zustimmung Herr Bundesminister der Justiz, der Bundeskanz- geben könnte. Ich persönlich werde den Entwurf ler hat uns am 2. Mai 1973 den sogenannten Straf- ablehnen. verfahrensrefomgesetzentwurf geschickt, der, wenn Noch eine dritte Bemerkung. Sie werden natürlich ich es richtig sehe, 123 Änderungen der Strafprozeß- fragen, Herr Bundesminister der Justiz — und Sie ordnung beinhaltete. Eine Woche später, am 10. Mai, haben ein Recht, zu erfahren, was ich dazu sage —, hat uns der Bundeskanzler einen weiteren Gesetz- wie man es hätte machen sollen. Ich will Ihnen dar- 4346 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Dr. Lenz (Bergstraße) auf eine ganz klare und eindeutige Antwort geben. Einführungsgesetzes in dieser Form geführt haben, Wir haben hier im Mai dieses Jahres über die Frage keine gerechte Kritik an den Vorarbeiten darstellen. des Inkrafttretens gesprochen. Da ging es um die Ich muß sie deshalb zurückweisen. Frage, ob der 1. Januar 1975 oder der 1. Januar 1976 Meine Damen und Herren, die Geschichte der Re- gewählt werden sollte. Damals hat die Koalition mit form unseres über 100 Jahre alten Strafgesetzbuches ihrer Mehrheit den 1. Januar 1975 durchgesetzt und reicht weit zurück. Etwa 70 Jahre dauerte das Rin- mit Hilfe dieses Datums den Termindruck erzeugt, gen um die Erneuerung des Strafgesetzbuches an. der wahrscheinlich als Rechtfertigung für dieses Der entscheidende Wendepunkt ist im Jahre 1969 Verfahren, das ich hier kritisiert habe, herangezo- eingetreten, als das Erste und Zweite Strafrechts- gen wird. Man hätte nichts anderes zu tun brauchen, reformgesetz verabschiedet wurden. Diese beiden Herr Bundesminister der Justiz, als unseren Termin Gesetze sind von meinem Amtsvorgänger Profes- zu akzeptieren und dann einen einzigen Gesetzent- sor Ehmke bei der Schlußberatung in diesem Hause wurf zur Änderung der Strafprozeßordnung vorzu- mit Recht als der entscheidende Durchbruch zu legen. Ein solches Gesetz hätte ordnungsgemäß und einer modernen Konzeption des Strafrechts bezeich- rechtzeitig zu diesem Datum fertiggestellt werden net worden. können. Das hier angewandte Verfahren ist unter keinem Gesichtspunkt zu rechtfertigen. Das zweite Gesetz zur Reform des Strafgesetz- buchs mit seinem neuen Strafen- und Maßregel- (Beifall bei der CDU/CSU.) system ist jedoch noch nicht in Kraft getreten. Es konnte auch noch nicht in Kraft gesetzt werden. Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Dafür ist eine Fülle von einführenden Bestimmun- Herr Bundesminister der Justiz, Herr Jahn. gen notwendig, die jetzt der vorliegende Entwurf des Einführungsgesetzes bringt. Damit vollendet sich Jahn, Bundesminister der Justiz: Herr Präsi- die Geschichte zur Erneuerung des Strafgesetzbu- sident! Meine Damen und Herren! Ich will nur ches als eines großen Gesamtwerks. kurz auf die Bemerkungen von Herrn Kollegen Dr. Die freilich weiterhin notwendigen Reformarbei- Lenz eingehen. Sie wissen genau, daß es für dieses ten können sich künftig auf Teilbereiche des Straf- Verfahren, die Änderungen der Strafprozeßordnung gesetzbuches beschränken. Die Reform der Straf- mit Hilfe von zwei Gesetzen anzugehen, sachliche vorschriften über den Schwangerschaftsabbruch, Notwendigkeiten gab. die Strafvorschriften zur besseren Bekämpfung der (Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Das bestreite Wirtschaftskriminalität, die Strafvorschriften zum ich eben, Herr Bundesminister der Justiz, Umweltschutz und andere Teilbereiche sind noch mit großem Nachdruck!) unerledigte oder auch neuartige Fragen, mit denen Sie können das bestreiten, aber Sie können die wir uns jetzt auseinandersetzen müssen. Tatsachen damit nicht aus der Welt reden. Der heutige Tag, an dem die Geschichte der Straf- Das Inkrafttreten des Strafgesetzbuches in seiner rechtsreform als Gesamtwerk zu einem guten Ende neuen Fassung, insbesondere des Zweiten Straf- geführt wird, gibt Grund zu Freude und Dankbar- rechtsreformgesetzes, war ohnehin, da es eine keit. Mein Dank und meine Anerkennung gelten in schwierige Arbeit ist, schon allzu lange hinaus- erster Linie dem Sonderausschuß für die Strafrechts- geschoben worden. Es war der übereinstimmende reform und im besonderen Maße der Arbeitsgruppe Wille der Fraktionen der Koalition, dem ich in vol- dieses Ausschusses, den Herren Abgeordneten Dr. lem Umfange zustimme, dieses Gesetz nicht nur so Eyrich, Dr. Penner und von Schoeler. Nur auf Grund schnell wie möglich auf den Weg zu bringen, son- der eingehenden, schwierigen und zeitraubenden dern auch so bald wie möglich in Kraft treten zu Arbeit, die von den genannten Mitgliedern des lassen. Ungeachtet dessen gehörte in diesen Zusam- Ausschusses neben ihrer sonstigen parlamentari- menhang aber wegen der im Einführungsgesetz ent- schen Arbeit, zum Teil in den Ferien und in Klau- haltenen materiellen Bestimmungen notwendiger- surtagungen, stellvertretend für alle Fraktionen die- weise das Eingehen auf eine Reihe strafprozessualer ses Hauses geleistet worden ist, konnte diese Vor- Vorschriften. Daß darüber hinaus in diesem Zusam- lage, die sicher zu den umfangreichsten Gesetz- menhang dann auch andere Änderungen des Straf- gebungswerken dieses Jahrhunderts gehört, in der prozeßrechtes erforderlich waren, ergab sich ein- parlamentarischen Beratung bewältigt werden. Es fach daraus, daß wir doch verpflichtet waren, al- ist der Sache zugute gekommen, daß sich diese les, was sinnvollerweise in diesem Zusammenhang Arbeitsgruppe in so hervorragender Weise zu einer mit dem Inkraftsetzen des Zweiten Strafrechtsre- gemeinsamen Beratung dieser umfangreichen Ge- formgesetzes, der damit verbundenen umfangreichen setzesvorlage zusammengefunden hat. Diese Zusam- Rechtsbereinigung und möglichen, weil im Grunde menarbeit war erfolgreich. Dabei danke ich in unstrittigen Reformen verbunden werden konnte, ganz besonderem Maße Ihnen, Herr Dr. Eyrich, als auch in dieses Einführungsgesetz aufzunehmen. An dem Vorsitzenden dieser Arbeitsgruppe. dieser Notwendigkeit hat es bisher auch keinen (Beifall.) Zweifel gegeben. Ich meine deshalb, daß die Bean- standung des Verfahrens, die von Ihrer Seite hier Das Verdienst der Herren Kollegen Dr. Penner und geltend gemacht worden sind, in der Sache selber von Schoeler wird dadurch nicht geschmälert. Sehr niemandem etwas nützen, daß sie insbesondere aber herzlich danke ich aber auch dem Vorsitzenden des gegenüber den Überlegungen, die auch Ihnen be- Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, Herrn kannt sind und die zur notwendigen Behandlung des Dr. Müller-Emmert, der mit hervorragender Sach- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4347

Bundesminister Jahn kunde und Umsicht die Ausschußberatungen zum Werbung nicht einfach unter den Tisch fallen, son- Abschluß geführt hat. dern weiterhin Beratungsgegenstand bleiben. Unter dem farblosen Namen „Einführungsgesetz Der Ausschuß hat damit rechtspolitisch Schwer- zum Strafgesetzbuch", den der vorliegende Entwurf punkte gesetzt. Er hat Reformanliegen, die im we- hat, sind neben der notwendigen technischen An- sentlichen rechtspolitisch nicht umstritten und die passung des gesamten Bundesrechts an die neue auch eingehend vorberaten sind, in den Grundzügen, Konzeption des Allgemeinen Teils des Strafgesetz- jedoch auch mit zahlreichen Verbesserungsvorschlä- buches aus Gründen der notwendigen oder zumin- gen zu Einzelfragen zugestimmt. Auf diese Weise dest gebotenen Rechtsbereinigung auch ein Bündel erhält das Strafgesetzbuch eine in wesentlichen Tei- von Einzelreformen zusammengefaßt. Die Reform len aufeinander abgestimmte und neueren Erkennt- der Bestechungsdelikte löst die seit langem frag- nissen sowie Gegegebenheiten besser gerecht wer- würdige Verordnung gegen Bestechung und Ge- dende Fassung. heimnisverrat nichtbeamteter Personen aus dem Zugleich bleibt bei dem hier eingeschlagenen Weg Jahre 1943 ab. Die Reform der Strafvorschriften noch genügend Zeit dafür frei, im Ausschuß beson- über die Verletzung von Privatgeheimnissen durch ders dringliche Einzelreformanliegen näher zu bera- Amtsträger und amtsnahe Personen löst die bishe- ten, nachdem die Voraussetzungen für das Inkraft- rigen Einzelregelungen in Hunderten von Gesetzen treten des neuen Strafgesetzbuches als großen Ge- außerhalb des Strafgesetzbuches ab. Die Reform der samtwerks mit dem vorliegenden Entwurf geschaf- Strafvorschriften über Geld- und Wertzeichenfäl- fen worden sind. schung löst ältere verstreute Vorschriften über die Es ist zu begrüßen, daß die Gesetzesvorlage von Wertzeichenfälschung in einzelnen Gesetzen außer- allen Fraktionen getragen wird. Dort, wo wir uns in halb des Strafgesetzbuches ab. Dies sind nur wenige der parlamentarischen Arbeit zu einer gemeinsamen Beispiele, die zeigen, daß zugleich auch der Beson- Auffassung finden können, sollten wir diese Ge- dere Teil des Strafgesetzbuches mit der notwendigen legenheit auch nutzen. Dies gilt besonders für Refor- Anpassung in weiten Teilen ein neues Gesicht erhält, men des Strafrechts, deren Überzeugungskraft und um längst überfällige Reformanliegen in die Tat um- Glaubwürdigkeit dadurch erheblich gestärkt werden, zusetzen. daß sie im Parlament eine möglichst breite Mehrheit Die Aufnahme dieser Einzelreformen in das Ein- finden. Deshalb bitte ich Sie namens der Bundes- führungsgesetz hat zum Teil nicht erst heute, Herr regierung, der Vorlage zuzustimmen. Kollege Lenz, Kritik hervorgerufen. Damit würden, (Beifall bei den Regierungsparteien.) so hieß es, versteckt oder überhastet Rechtserneue- rungen vorgenommen. Davon kann keine Rede Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmel- sein. Jede dieser Änderungen ist im Bundesrat dungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache und im federführenden Ausschuß dieses Hauses in dritter Lesung. offen und so eingehend, wie dies sachlich geboten Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem erschien, abgehandelt worden. Schon die zahlreichen Gesetz in der Schlußabstimmung zustimmen will, Änderungen, die der federführende Ausschuß hier- den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist bei zu vorgeschlagen hat, zeigen anschaulich,- wie gründlich die parlamentarischen Beratungen trotz zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen ange- der Fülle des Stoffes und trotz der gewiß knapp be- nommen. messenen Zeit durchgeführt worden sind. Ich darf Sie bitten, noch einen Moment zu verwei- len. Wir erledigen noch einige Punkte, um die Ta- Ich begrüße es sehr, daß der Ausschuß auf Grund gesordnung für morgen auf die großen Gesetzes- dieser Beratungen im wesentlichen der von der Bun- vorhaben zu konzentrieren, die wir noch zu beraten desregierung vorgeschlagenen Lösung zugestimmt haben. hat. Sie bringt gegenüber dem geltenden Recht ganz erhebliche Verbesserungen. Sie macht den Weg da- Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf: für frei, die künftigen gesetzgeberischen Reform- Zweite Beratung und Schlußabstimmung des arbeiten auf einzelne, wichtige Schwerpunkte zu von der Bundesregierung eingebrachten Ent konzentrieren. wurfs eines Gesetzes zu dem Beschluß vom Daß der Ausschuß andererseits eine Reihe von 28. Februar 1972 der im Rat vereinigten Ver- Einzelproblemen, die noch eingehender geprüft wer- treter der Regierungen der Mitgliedstaaten den müssen, z. B. die Neuregelung des § 4 des Ge- der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und setzes gegen den unlauteren Wettbewerb und das Stahl zur Aufhebung der gemäß Artikel 69 des Konkursstrafrecht, aus dem Entwurf ausgeklammert Vertrags über die Gründung der Europäischen und zur weiteren Beratung anhängig gelassen hat, Gemeinschaft für Kohle und Stahl erlassenen ist ebenfalls zu begrüßen. Dieses Verfahren hat Rechtsakte zwei Vorteile, erstens den, daß das Inkrafttreten — Drucksache 7/1142 — der Strafrechtsreform als Gesamtwerk zu dem ge- Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirt- setzlich fixierten Zeitpunkt, dem 1. Januar 1975, schaft (9. Ausschuß) nicht gefährdet wird, und zweitens den, daß rechts- — Drucksache 7/1374 — politisch so bedeutsame Änderungen wie z. B. die Berichterstatter: Abgeordneter Wolfram von der Bundesregierung im Interesse eines wirk- (Erste Beratung 64. Sitzung) sameren Verbraucherschutzes vorgeschlagene Er- weiterung der Strafvorschrift über die irreführende Ich danke dem Berichterstatter. 4348 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 Vizepräsident von Hassel Ich eröffne die Aussprache und rufe die Art. 1, 2 Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf: und 3 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zu- Erste Beratung des von der Bundesregierung stimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenom- die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse men. für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirt- schaft — ZVALG Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: — Drucksache 7/1342 — Zweite Beratung und Schlußabstimmung des Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (feder- wurfs eines Gesetzes zum Protokoll vom führend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung 30. November 1972 zur Änderung des in Paris Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO am 22. November 1928 unterzeichneten Ab- kommens über Internationale Ausstellungen Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht begehrt. — Drucksache 7/1143 — Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats er- Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirt- sehen Sie aus der Tagesordnung. Wer dem zu- schaft (9. Ausschuß) stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ge- — Drucksache 7/1365 — genprobe! — Enthaltungen? — So beschlossen.

Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Freiwald Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf: (Erste Beratung 64. Sitzung) a) Beratung der Sammelübersicht 12 des Peti- Ich danke dem Berichterstatter. tionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen Ich eröffne die Aussprache und rufe die Art. 1, 2, — Drucksache 7/1363 — 3, Einleitung und Überschrift auf. — Wer dem Ge- setzentwurf in der Schlußabstimmung zustimmt, den, b) Beratung der Sammelübersicht 13 des Peti- bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegen- tionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge probe. — Enthaltungen? — Angenommen. zu Petitionen Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf: — Drucksache 7/1378 — Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort ge- desregierung eingebrachten Entwurfs eines wünscht? — Das ist nicht der Fall. Gesetzes zur Änderung der Gewerbeord- nung Wer den Anträgen des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — — Drucksache 7/111 Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen. Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirt- schaft (9. Auschuß) Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf: — Drucksache 7/1385 — Beratung der Ubersicht 5 des Rechtsausschus- ses (6. Ausschuß) über die dem Deutschen Berichterstatter: Abgordneter Scheu Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem (Erste Beratung 17. Sitzung) Bundesverfassungsgericht — Drucksache 7/1318 — Wir treten ein in die zweite Beratung. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag Ich mache darauf aufmerksam, daß der Ausschuß des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich auf Drucksache 7/1385 für Art. 1 Nr. 4 und Nr. 6 um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltun- andere Fassungen vorschlägt. gen? — So beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf: Beratung. Ich rufe auf Art. 1 — mit den genannten Beratung des Berichts und des Antrags des Änderungen —, 2 und 3. Wer zustimmt, den bitte Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen ich um das Handzeichen. -- Ich bitte um die Gegen- (16. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die probe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlos- Bundesregierung über den erweiterten Ver- sen. kehrswegeplan für das Zonenrandgebiet Wir treten ein in die hier: Bericht des Bundesministers für Verkehr dritte Beratung. 1972 über den Fortgang der Verkehrserschlie- ßung des Zonenrandgebietes (Drucksache Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen V/3711) liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. — Drucksachen 7/64, 7/1289 — Wer dem Gesetz in dritter Beratung zustimmt, Berichterstatter: den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Abgeordneter Hösl Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen. Abgeordneter Zebisch Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4349 Vizepräsident von Hassel Ich danke den Berichterstattern. Das Wort wird Ich danke dem Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich stelle fest, daß der Bundestag nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses den Bericht zur Kenntnis genommen hat. zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — So Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf: beschlossen. Beratung des Antrags des Bundesrechnungs- Zum Schluß erteile ich . zur Abgabe einer Erklä- hofes betr. Entlastung der Bundesregierung rung nach § 36 unserer Geschäftsordnung dem Abg. wegen der Bundeshaushaltsrechnung (ein- Gansel das Wort. schließlich der Bundesvermögensrechnung) für das Haushaltsjahr 1971 Gansel (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und — Drucksache 7/1242 — Herren! Gemäß § 36 der Geschäftsordnung möchte ich folgende Erklärung abgeben. Der Abgeordnete Es wird vorgeschlagen, die Vorlage dem Haus- Dr. Warnke (CSU) hat in der Debatte heute morgen haltsausschuß zu überweisen. — Das Haus ist damit den schleswig-holsteinischen SPD-Landesvorsitzen- einverstanden. den Jochen Steffen als Zeugen für seine Behauptung Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf: zitiert, die SPD kümmere sich nicht um ländliche Ge- biete. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft Auf meine Zwischenfrage nach der Belegstelle die- und Forsten (10. Ausschuß) zu dem von der ses Zitats hat er ein Interview des Süddeutschen Bundesregierung zur Unterrichtung vorgeleg- Rundfunks vom 8. Februar dieses Jahres angege- ten Vorschlag der EG-Kommission für eine ben. Telefonische Nachfragen beim Süddeutschen Verordnung (EWG) des Rates zur Verlänge- Rundfunk ergaben, daß für diesen Tag kein Inter- rung bestimmter die Gewährung von Zuschüs- view mit Jochen Steffen festgestellt werden konnte. sen aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Es existiert allerdings eine Presseerklärung des Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abtei- CDU-Abgeordneten Ritz vom 14. März dieses Jah- lung Ausrichtung, betreffender Fristen für die res, in der auf ein Interview Jochen Steffens vom Jahre 1972, 1973 und 1974 4. März 1973 im Süddeutschen Rundfunk Bezug ge- nommen wird, das der Abgeordnete Dr. Warnke — Drucksachen 7/1073, 7/1336 — gemeint haben könnte. Auch am 4. März hat der Berichterstatter: Abgeordneter Saxowski Süddeutsche Rundfunk jedoch mit Steffen ein Inter- Das Wort wird nicht gewünscht. Ich stelle fest, daß view nicht aufgenommen. Es wurde vielmehr ein das Haus den Vorschlag der EG-Kommission zur Interview mit Herrn Reddemann von der CDU ge- Kenntnis genommen hat. sendet. (Heiterkeit bei der SPD.) Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf: Auch telefonische Anfragen beim Süddeutschen Beratung des Berichts und des Antrags des Rundfunk ergaben, daß ein Interview mit Steffen in Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der fraglichen Zeit nicht stattgefunden hat. den von der Bundesregierung zur Unterrich- (Beifall bei den Regierungsparteien. — tung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kom- Lachen bei der CDU/CSU.) mission für eine Richtlinie des Rates zur Koordinierung be- Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und stimmter Rechts- und Verwaltungsvorschrif- Herren, wir sind am Ende unserer heutigen Arbeit ten für die Filmwirtschaft angelangt. Ich berufe die 71. Sitzung des Deutschen Richtlinie über die Verwirklichung des freien Bundestages auf Donnerstag, den 13. Dezember Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen 1973, 9 Uhr ein. Tätigkeiten des Filmverleihs Die Sitzung ist geschlossen. — Drucksachen VI/2569, 7/1387 — Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber (Schluß der Sitzung: 19.19 Uhr.)

Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4351*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Mursch (Soltau-Harburg) * 15. 12. Liste der beurlaubten Abgeordneten Dr. Prassler 15. 12. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Roser 13. 12. Richter ** 14. 12. Dr. Achenbach* 15. 12. Schmidt (Kempten) ** 14. 12. Adams * 15. 12. Schmidt (München) * 15. 12. Dr. Ahrens ** 14. 12. Dr. Schmude 13. 12. Dr. Aigner * 14. 12. Dr. Schulz (Berlin) * 15. 12. Alber ** 14. 12. Schwabe * 15. 12. Amrehn ** 14. 12. Dr. Schwencke ** 14. 12. Dr. Arndt (Berlin) 14. 12. Dr. Schwörer * 15. 12. Dr. Artzinger * 15. 12. Seefeld * 15. 12. Dr. Bangemann * 15. 12. Dr. Slotta 15. 12. Behrendt * 15. 12. Springorum * 15. 12. Blumenfeld * 15. 12. Dr. Starke (Franken) * 15. 12. Dr. Böger 13. 12. Dr. Vohrer ** 15. 12. Bredl 15. 12. Walkhoff * 15. 12. Dr. Burgbacher * 15. 12. Dr. Wallmann 14. 12. Dr. Corterier * 15. 12. Frau Dr. Walz * 15. 12. Dr. Dregger 12. 12. Weber (Heidelberg) 14. 12. Entrup 15. 12. Wischnewski 12. 12. Dr. Erhard 12. 12. Fellermaier * 15. 12. Flämig * 15. 12. Frehsee * 15. 12. Dr. Früh * 15. 12. Anlage 2 Gerlach (Emsland) * 15. 12. Gerster (Mainz) 14. 12. Berichtigung zum Antrag des Innenausschusses auf Dr. Geßner ** 12. 12. Drucksache 7/1339 (BPersVG) Gewandt 19.1. 1974 1. a) Auf Seite 22 muß es in § 50 rechte Spalte in Dr. Gölter ** 13. 12. Graaff 19.1. 1974 der Verweisung richtig heißen: „§ 67 Abs. 1 Satz 3". Härzschel * 15. 12. Dr. Holtz ** 13. 12. b) Auf Seite 25 muß es in § 61 rechte Spalte in Hussing 12. 12. der Verweisung richtig heißen: „§ 67 Abs. 1 Dr. Jahn (Braunschweig) * 15. 12. Satz 3". Jahn (Münster) 12. 12. c) Auf Seite 26 hätte § 64 Abs. 3 auch in der Kahn-Ackermann ** 14. 12. rechten Spalte ausgedruckt werden müssen, Kater * 15. 12. weil es in der Verweisung richtig heißen Dr. Kempfler ** 14. 12. muß: „§ 67 Abs. 1 Satz 3". Dr. Klepsch * 15. 12. Krall * 15. 12. 2. Auf Seite 59 sind in § 108 Abs. 2 in der rechten Krampe 15. 12. Spalte nach den Worten „längstens jedoch in den Dr. Kreile 12. 12. Fällen des Abs. 1" die Worte „Satz 1 bis zum Lagershausen ** 14. 12. 31. Mai 1976, in den Fällen des Abs. 1" einzu- Lange * 15. 12. fügen. Lautenschlager * 15. 12. Lenders 12. 12. Lücker * 15. 12. Marquardt ** 14. 12. Memmel ' 15. 12. Anlage 3 Dr. Mende ** 13. 12. Antwort Dr. Mertes (Gerolstein) 14. 12. Metzger 13. 12. des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 6. Dezember Mick 15. 12. 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 14. 12. Vogt (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Fragen A 93 Müller (Mülheim) * 15. 12. und 94) : Dr. Müller (München) ** 13. 12. Hat die Bundesregierung entgegen dem Votum des Verbrau- cherbeirats beim Bundesminister für Wirtschaft und der Ar- beitsgemeinschaft der Verbraucher kein verbraucherpolitisch * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen versiertes Mitglied in die Monopolkommission berufen, und Parlaments warum hat sie dies gegebenenfalls unterlassen? ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Ver- Beabsichtigt die Bundesregierung, die Mittel, die im Haus- halt 1974 für verbraucherpolitische Maßnahmen vorgesehen sammlung des Europarates sind, der geplanten globalen Etatkürzung zu unterwerfen? 4352* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Zu Frage A 93: Zu Frage A 98: Die Bundesregierung hat beschlossen, folgende Die Bundesregierung kann die Frage, ob die Ge- Mitglieder in die Monopolkommission zu berufen: winnung von Benzin aus Kohle steuerlich gefördert werden soll, erst prüfen, wenn die technischen und Herrn Fertsch-Röver wirtschaftlichen Bedingungen der Gewinnung ge- Herrn Prof. Dr. Kantzenbach klärt sind. Wie bekannt, waren die Voraussetzun- Herrn Prof. Dr. Mestmäcker gen für eine wirtschaftliche Gewinnung von Benzin Herrn Dr. Mittelsten Scheid aus Kohle in der Bundesrepublik bisher auch nicht Herrn Murawski. annähernd gegeben. Ich verweise hier auf die von diesem Hohen Hause in Auftrag gegebene Studie Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß bei der Professoren Pichler und Krüger (TH Karlsruhe), dieser Besetzung auch die verbraucherpolitischen die 1971 vorgelegt worden ist. Ich hielte es für vor- Gesichtspunkte im Hinblick auf die Unternehmens- eilig, aus den derzeitigen Verknappungserscheinun- konzentration hinreichend zur Geltung kommen wer- gen und dem damit verbundenen Preisauftrieb bei den. Vor allem die beiden Wissenschaftler Prof. den Mineralölprodukten diese bisherige Aussage Kantzenbach und Prof. Mestmäcker haben in ihren als in vollem Umfang revidiert anzusehen und aus Äußerungen zur Konzentration in der Wirtschaft einer solchen Situation heraus überstürzt langfristig immer besonders das Interesse der Verbraucher an wirksame Investitionsentscheidungen zu treffen, einer Aufrechterhaltung und Sicherung des Wett- deren Verwirklichung auf Dauer hohe volkswirt- bewerbs betont. Bei der Frage der Berufung eines schaftliche Kosten bedingen. Die Erstellung einer Vorstandsmitgliedes der Arbeitsgemeinschaft der großtechnischen Anlage zur Kohleverflüssigung in Verbraucher (AGV) war zu berücksichtigen, daß der Mindestkapazität von rd. 2 Millionen Jahres- nach § 24 b Abs. 2 des Kartellgesetzes „Repräsentan- tonnen Kraftstoffausstoß würde immerhin weit mehr ten eines Wirtschaftsverbandes" nicht Mitglieder als 2 Mrd. DM Investitionsaufwand erfordern und der Monopolkommission werden können. wäre in der Tat nur mit erheblicher staatlicher För- derung zu erreichen. Ohne mengenmäßige und preis- Zu Frage A 94: liche Absatzgarantien würde wohl kein Unterneh- men bereit sein, mit derart hohen Risiken verbun- Bisher ist im Entwurf des Haushaltsplanes 1974 dene Investitionen zu tätigen. lediglich eine globale Minderausgabe von 1,5 Mrd. DM vorgesehen, die in Höhe von 615 Millionen DM Sollte die bisher noch nicht hinreichend über- durch Streckung bei den Gemeinschaftsaufgaben auf- schaubare weitere Entwicklung dazu führen, daß die gebracht werden soll. Über die Aufteilung des ver- Erzeugung von Hydrier-Benzin mit nachhaltiger För- bleibenden Betrages hat die Bundesregierung noch derung durch die öffentliche Hand ins Auge gefaßt nicht entschieden. Sie würde bei einer solchen Ent- werden muß, müßte die Art und Weise der notwen- scheidung sicherlich auch den hohen Stellenwert digen Förderung im einzelnen noch eingehend ge- berücksichtigen, den sie einer besseren Information prüft werden. Dabei wäre allerdings zu bedenken, des Verbrauchers beimißt. daß gegen eine Mineralölsteuerermäßigung gewich- tige Gründe sprechen, Z. B. wäre eine solche Steuer- - ermäßigung im Haushalt nicht betragsmäßig auszu- weisen und unterläge damit nicht mehr der jähr- Anlage 4 lichen Bewilligung des Hohen Hauses. Antwort Gegen Bürgschaften und Darlehen für den Bau von Hydrieranlagen bestehen in einem solchen Fall des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 6. Dezember wohl geringere Bedenken. Bürgschaften können aller- 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten dings entsprechend den haushaltsrechtlichen Vor- Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Fragen A 97 schriften nur nach Prüfung des Einzelfalles zugesagt und 98) : werden. Dabei ist insbesondere zu klären, ob die an- Trifft es zu, daß bei den Besprechungen im Bundeswirtschafts- derweitige Finanzierung möglich und das Risiko für ministerium über die Anlage einer Mineralölreserve auch das Projekt einer Kohleverflüssigungsanlage geprüft wurde und die öffentliche Hand vertretbar ist. Sollte im Zu- daß gegen den Rat einiger Fachleute das Bundeswirtschaftsmi- nisterium darauf verzichtet hat, eine derartige Anlage als Not- sammenhang mit Projekten zur Kohlehydrierung standsreserve zu bauen? eine Bürgschaft beantragt werden, wird die Bundes- Ist die Bundesregierung bereit, Benzin aus Kohle durch Er- regierung prüfen, ob die Voraussetzungen gegeben mäßigung der Mineralölsteuer zu fördern und den Bau einer großtechnischen Anlage zur Kohleverflüssigung durch Bürg- sind. schaften und Darlehen zu stimulieren?

Zu Frage A 97: Anlage 5 Ich muß Ihre Frage verneinen. Nach Auskunft der Antwort damals für Kohle und Mineralöl zuständigen Beam- ten des Bundesministeriums für Wirtschaft ist bei des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 6. Dezember den Besprechungen über die Anlage einer Rohöl 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten reserve des Bundes das Projekt einer Kohleverflüs- Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 sigungsanlage nicht erörtert worden. Auch in den Frage A 118) :

Protokollen und sonstigen Akten hierüber findet Muß die Bundesregierung nach ihrem während des Nahost Kriegs den Vereinigten Staaten gegenüber gezeigten Verhalten sich dazu kein Hinweis. nicht damit rechnen, daß möglicherweise nadi GULF noch wei- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4353*

tere deutsche Tochtergesellschaften amerikanischer Ölkonzerne ausbaugebiet bessere Dienstleistungen erwarten vom deutschen Markt verschwinden, und welche Konsequenzen könnten sich daraus ergeben? läßt, u. a. in Form kürzerer Beförderungszeiten von Haus zu Haus sowie geringerer Transportschäden GULF hat sich bereits im Juli 1973 vom deutschen auf Grund verminderter Umladehäufigkeit während Markt zurückgezogen. Die Motive dafür lagen im der Beförderung auf der Schiene. wirtschaftlichen Bereich. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, daß die übrigen in der Bundesrepublik tätigen Sobald die gegenwärtigen planerischen Überlegun- Tochtergesellschaften amerikanischer Ölkonzerne gen zu einer Umgestaltung in den Einzelbereichen die Absicht hätten, sich aus dem deutschen Markt abgeschlossen sind, werden die näheren Einzelheiten zurückzuziehen. Gespräche, die mit leitenden Her- mit den jeweils Beteiligten, u. a. auch den Industrie- ren einiger großer amerikanischer Mineralölgesell- und Handelskammern, erörtert werden. Je nach Fort- schaften geführt worden sind, haben im Gegenteil schritt der derzeitigen Überlegungen werden diese erkennen lassen, daß sie ihr Engagement auf dem Gespräche im Laufe der Jahre 1974-1975 geführt deutschen Markt aufrechterhalten wollen. werden.

Anlage 6 Anlage 8 Antwort Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann vom 7. Dezem- des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 12. Dezem- ber 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten ber 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Früh (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Frage Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1380 A 135) : Frage A 14) : Wie beurteilt die Bundesregierung Besuche des Agrar-Kom- Trifft es zu, daß die Deutsche Bundespost künftig die Ge- missars in einzelnen Bundesländern, um die landwirtschaft- sprächsdauer für Ortsgespräche auf fünf Minuten bei einer lichen Probleme aus eigener Anschauung kennenzulernen? Gebühr von 0,20 DM beschränken will, und ist sich die Bundes- regierung darüber im klaren, daß davon insbesondere die ein- kommensschwachen Bevölkerungsgruppen besonders betroffen Die Bundesregierung beurteilt Besuche des Komis- werden? sars Lardinois in einzelnen Bundesländern durchaus positiv, wenn sie nach vorheriger Abstimmung und Die Deutsche Bundespost hat zur Zeit nicht die unter Beteiligung des Bundes stattfinden. Die per- Absicht, die Dauer für Ortsgespräche auf 5 Minuten sönliche Unterrichtung über nationale Probleme in festzulegen. der Praxis ist zu begrüßen, da hierdurch die Ver- handlungen in Brüssel erheblich erleichtert werden. In diesem Zusammenhang sollte an den Sinneswan- Anlage 9 del von Herrn Vizepräsident Manshold zur Frage der Nebenerwerbsbetriebe erinnert werden, der auf Antwort eine Besichtigungsreise in der Bundesrepublik des Bundesministers Genscher vom 12. Dezember Deutschland zurückzuführen war. 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten - Rollmann (CDU/CSU) (Drucksache 7/1380 Fragen A 21 und 22) : Anlage 7 Entspricht es den Tatsachen, daß — wie die DGB-Wochen- zeitung „Welt der Arbeit" am 7. Dezember 1973 meldet — 40 % Antwort der rund 450 Chilenen, die jetzt als politische Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland Aufnahme finden sollen, der Kom- munistischen Partei Chiles und 20% der linksradikalen Sozia- des Pari. Staatssekretärs Haar vom 12. Dezember listischen Partei Chiles angehören? 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Welche Gewähr bieten diese Chilenen, daß sie wenigstens in Lagershausen (CDU/CSU) (Drucksache 7/1380 Frage der Bundesrepublik Deutschland nicht gegen Verfassung und Gesetze verstoßen werden? A 12): Hält die Bundesregierung die Förderung von Bundesausbau orten für vereinbar mit der Schließung von Stückgutbahnhöfen in Zu Frage A 21: diesen Bundesausbauorten, besonders auch dann, wenn u. a. unter Hinweis auf das bisherige Dienstleistungsangebot der Deutschen Bundesbahn Ansiedlungen erfolgt sind? Ihre Frage deckt sich inhaltlich mit der des Kolle- gen Spranger. Ich darf daher auf meine heutige Ant- Die mit der neuen Stückgut-Konzentration der wort dazu verweisen, in der ich folgendes ausge- Deutschen Bundesbahn verbundene stärkere Indivi- führt habe: dualbedienung mit Kraftwagen kommt den Bemü- hungen der Gemeinden und der Länder um eine Bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Chile läßt notwendige strukturelle Verbesserung bestimmte sich die Bundesregierung in erster Linie von huma- Entwicklungsgebiete, u. a. auch den Bundesausbau nitären Gesichtspunkten leiten. Das gilt für alle poli- gebieten entgegen. Die Bundesregierung geht davon tisch Verfolgten, soweit für sie die Ausreise in die aus, daß eine individuelle Verkehrsbedienung in Bundesrepublik Deutschland die einzige Möglichkeit diesen Räumen über die Straße vom künftigen Kon- ist, sich dieser Verfolgung zu entziehen. Eine genaue zentrationspunkt aus das allgemeine wirtschaftliche Übersicht, wieviel Prozent der Zufluchtsuchenden Wachstum sogar noch fördern kann. Dies insbeson- welchen chilenischen Parteien oder ehemaligen dere dadurch, daß die Konzentration des Kleingut- chilenischen Parteien angehören, wird in Kürze ge- verkehrs auf der Schiene in Verbindung mit einem geben werden können. gut ausgebauten Transportdienst auf der Straße im Ein Vergleich mit dem Einreiseverbot für den bel- regionalen Bereich auch für den Kunden im Bundes gischen Staatsbürger Mandel verbietet sich schon 4354* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 deshalb, weil dieser alle Vorzüge einer demokrati- Da das Aufbauprogramm der Bundesleistungszen schen Ordnung in Belgien genießt und von politi- tren im wesentlichen abgeschlossen ist, gilt dieses scher Verfolgung nicht bedroht ist. Im übrigen wird Verfahren vor allem für die Beteiligung des Bundes Mandel die Einreise nicht verweigert, weil er Mar- an der Errichtung derjenigen Landesleistungszen- xist ist. tren, die in erheblichem Umfang auch durch Maß nahmen der Bundessportfachverbände genutzt wer- Ich darf bei dieser Gelegenheit bemerken, daß den (sog. Landesleistungszentren mit Bundesnut- gestern das Verwaltungsgericht Saarlouis die Zu- zung). Bei Bundesleistungszentren wird jeweils ge- rückanweisungsanordnung der Bundesregierung be- prüft, ob durch Ausbaumaßnahmen die Effektivität stätigt hat. erhöht und die Auslastung — auch durch andere, Verbände — verbessert werden kann. Zu Frage A 22: Darüber hinaus dienen der Verbesserung der Aus- Zu meiner Antwort auf die Frage des Kollegen lastung die bei den Bundesleistungszentren gegrün- Spranger habe ich schon darauf hingewiesen, daß deten Kuratorien, in denen der Vertreter meines sich die Bundesregierung bei der Aufnahme von Hauses den Vorsitz führt. Chile-Flüchtlingen zuallererst von humanitären Ge- Den gleichen Zweck verfolgen u. a. auch die Ge- sichtspunkten leiten läßt und daß sie diese Ge- spräche meines Hauses über die Jahresplanung der sichtspunkte mit den legitimen Sicherheitsbedürfnis- Bundessportfachverbände. sen der Bundesrepublik Deutschland abwägt. Diese Fragestellung scheint der Bundesregierung richtiger als die von Ihnen vorgeschlagene danach, Anlage 11 welche Gewähr die Chile-Flüchtlinge dafür bieten, Antwort daß sie bei uns nicht gegen Verfassung und Gesetz verstoßen. Niemand kann selbstverständlich eine des Bundesministers Genscher vom 12. Dezember absolute Gewähr bieten. Ich bin jedoch davon über- 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten zeugt, daß die Personen, die bei uns Aufnahme fin- Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache 1380 den, die humanitäre Haltung der Bundesregierung Fragen A 32 und 33) : Hält die Bundesregierung an ihrer Auffassung fest, die DKP anerkennen und sich bemühen werden, das Gast- verfolge verfassungsfeindliche Ziele, und welche Folgerungen hat sie zwischenzeitlich aus dieser Aussage des Parlamentari- recht in der Bundesrepulik Deutschland nicht zu ver- schen Staatssekretärs Baum vom 23. März 1973 vor dem Deut- letzen. schen Bundestag vor allem im Hinblick auf das Urteil des Bun- desverfassungsgerichts vom 17. August 1956 gezogen? Im übrigen ist selbstverständlich, daß die für alle Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß mit einer weiteren Verzögerung in der Feststellung der Verfassungs- geltenden Gesetze auch für sie gelten. widrigkeit und des Verbots der DKP die Aushöhlung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bewirkt wird? Die DKP hat seit ihrer Gründung im Jahre 1968 eine unverändert verfassungsfeindliche Zielsetzung. Anlage 10 Weder die bei der Gründung der DKP amtierende Antwort - Bundesregierung noch ihre Nachfolgerin haben bis- her einen Anlaß gesehen, rechtliche Maßnahmen ge- des Bundesministers Genscher vom 12. Dezember gen die DKP einzuleiten. 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Die Bundesregierung befindet sich in dieser Be- Wende (SPD) (Drucksache 7/1380 Fragen A 23 urteilung in Übereinstimmung mit der Meinung der und 24) : Regierungen der Länder. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung nach den Grund- satzerörterungen im Sportausschuß des Deutschen Bundestags am Die Gefahr, daß hierdurch die freiheitlich-demo- 16. März 1972 getroffen, um in Zukunft Fehlplanungen und Min- kratische Grundordnung ausgehöhlt wird, besteht derbenutzungen bei der Errichtung von Zentren für den Leistungs- sport zu vermeiden? nach Auffassung der Bundesregierung nicht. Sie be- Hat die Bundesregierung inzwischen den angekündigten ,Ge- findet sich auch insoweit in Übereinstimmung mit samtplan Leistungszentren" für die Bundesrepublik Deutschland im Einvernehmen mit dem Deutschen Sportbund und den Sport- den Regierungen der Bundesländer. fachverbänden sowie den Bundesländern erstellt? Die Bundesregierung vertritt im übrigen unabhän- Zur Vermeidung von Fehlplanungen und Minder- gig von der Frage der DKP die Auffassung, daß die benutzungen von Zentren des Leistungssports trifft Auseinandersetzung mit verfassungsfeindlichen Ziel- die Bundesregierung ihre Entscheidung über die Be- setzungen im Vordergrund zu stehen hat. Deshalb teiligung an der Finanzierung von Leistungszentren informiert sie die Öffentlichkeit immer wieder über erst nach eingehenden Verhandlungen mit dem be- die verfassungsfeindliche Zielsetzung auch der DKP. troffenen Bundessportfachverband, dem Deutschen Die Bundesregierung ist im übrigen aber der Mei- Sportbund und der jeweiligen Landesregierung. nung, daß Verbotsmaßnahmen immer nur ein äußer- stes und letztes Mittel sein können. Sie befindet Wesentliche Grundlage für diese Entscheidung der sich darin auch in Übereinstimmung mit dem Bun- Bundesregierung ist ein Strukturplan, der von dem desvorstand der CDU, der am 30. 8. 1973, bezogen jeweiligen Bundessportfachverband vorzulegen ist. auf die DKP, erklärte: „Die schwerste Waffe der Dieser Plan soll den Zeitraum bis 1980 erfassen und streitbaren Demokratie — das Parteienverbot — sei Angaben über die zur Zeit bestehenden sowie noch nach Möglichkeit zu vermeiden." erforderlichen Leistungszentren und deren Aus- lastung enthalten. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4355*

Anlage 12 mit Hubschraubern des Bundesgrenzschutzes nur Antwort nach eingehender Prüfung der Notwendigkeit des Fluges zu beantragen, weil die Lage in der Energie- des Staatssekretärs Freiherr von Wechmar vom versorgung einen äußerst sparsamen Einsatz von 6. Dezember 1973 auf die Schriftliche Frage des Ab- Hubschraubern erforderlich mache. geordneten Spranger (CDU/CSU) (Drucksache 7/320 Diese Maßnahmen haben dazu geführt, daß Ma- Frage B 1) : schinen der Flugbereitschaft des Bundesministeriums Sind Meldungen in der Bonner Zeitschrift „Esprit" vorn No- der Verteidigung und Hubschrauber des Bundes- vember 1973 zutreffend, denen zufolge der sich als „Special Consultant to Chancellor " bezeichnende Mitar- grenzschutzes nur dann eingesetzt wurden, wenn die beiter des Bundeskanzlers, Herr Klaus Harpprecht, grundlos Wahrnehmung der Aufgaben einzelner Mitglieder 1 400 DM als Reisespesen für ein Gespräch mit einem ausländi- schen Journalisten von diesem forderte, und hält der Bundes- der Bundesregierung bei Benutzung öffentlicher Ver- kanzler dieses Verhalten mit dein Ansehen des Bundeskanzler- amts und seiner Mitarbeiter für vereinbar? kehrsmittel nicht gewährleistet werden konnte. Auf Ihre 2. Frage darf ich Ihnen folgendes mit- Die Meldungen sind unrichtig. Herr Klaus Harpp- teilen: Die Bundesregierung teilt in vollem Umfang recht hat dies bereits mit Schreiben vom 14. Novem- die Auffassung, daß Appelle an die Bevölkerung, ber 1973 an die Chefredaktion der Zeitschrift ESPRIT freiwillig Energie zu sparen, für diesen Erfolg ein festgestellt und den zutreffenden Sachverhalt dar- entsprechendes beispielgebendes Verhalten der poli- gelegt. Gleichzeitig hat Herr Harpprecht die Chef- tisch Verantwortlichen erfordern. redaktion um Veröffentlichung seiner Erwiderung gebeten und sich gerichtliche Schritte vorbehalten. Dieser Haltung steht die Benutzung einer Ma- schine der Bundeswehr für die Reise des Bundes- innenministers in die Volksrepublik China nicht entgegen. Die Benutzung von Maschinen der Flug- bereitschaft des Bundesministeriums der Verteidi- Anlage 13 gung ist den obersten Staatsorganen und den Mit- Antwort gliedern der Bundesregierung unter bestimmten Voraussetzungen möglich. des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 6. Dezember Der Bundesminister des Innern hat für sich für 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten seine Reise in die Volksrepublik China von dieser Nordlohne (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Fragen Möglichkeit ausnahmsweise Gebrauch gemacht, weil B 2 und 3): dafür schwerwiegende Sicherheitsgründe sprachen. Inwieweit haben Mitglieder der Regierung seit dem Tag der Mineralöl- und Treibstoffrationierung für die deutsche Wirt- Die Reise in die Volksrepublik China ging auf eine schaft und für die gesamte Bevölkerung nach wie vor Sonder- maschinen und Hubschrauber der Bundeswehr als auch des Einladung der chinesischen Regierung vom Frühsom- Bundesgrenzschutzes benutzt, obwohl für diese Flüge Linien- mer des Jahres 1973 zurück. Sie mußte im September maschinen der Luftverkehrsgesellschaften hätten in Anspruch ge- nommen werden können? 1973 aus dienstlichen Gründen verschoben und auf Sieht die Bundesregierung keinen Widerspruch darin, daß es die Woche vom 17. bis 24. November gelegt werden. einerseits sämtlichen Abgeordneten des Deutschen Bundestages Eine nochmalige Verlegung war nicht möglich. untersagt ist, an den kommenden vier Sonntagen in Ausübung ihres Mandats wegen der bestehenden Brennstoffkrise ihr eige- nes Kraftfahrzeug zu benutzen, während andererseits Mitglie- Angesichts der Energiekrise ist die Frage der Be- der der Bundesregierung, insbesondere Bundesminister Gen- nutzung der Maschine der Bundeswehr unmittelbar scher, Sondermaschinen für ihre Dienstreisen verwenden? vor Antritt der Reise erneut eingehend geprüft Der Bundesminister der Verteidigung hat unter worden. dem 12. November 1973 den Herrn Bundeskanzler, Die Entscheidung wurde aufgrund der seit den die Mitglieder der Bundesregierung, den Herrn Prä- Münchener Ereignissen vom September 1972 gege- sidenten des Bundesrates und die Frau Präsidentin benen und durch den Nah-Ost-Konflikt zusätzlich des Bundestages davon unterrichtet, daß er alle verschärften Sicherheitslage und der von den Sicher- Dienststellen der Bundeswehr zu sparsamerem Ener- heitsfachleuten für den Bundesinnenminister einge- gieverbrauch angewiesen habe. schätzten Gefährdung aufrechterhalten. In diesem Zusammenhang hat der Bundesminister Es ging dabei nicht in erster Linie um die Gefähr- der Verteidigung auch die Flugbereitschaft des Bun- dung des Bundesinnenministers, sondern um die Ver- desministeriums der Verteidigung angewiesen, den meidung eines Sabotage- oder Entführungsrisikos Flugbetrieb flugkosten- und energiesparender zu für Passagiere und Besatzung einer Linienmaschine. betreiben. Es wäre nicht vertretbar gewesen, eine solche Ge- Im Rahmen dieser Bemühungen sollten daher ver- fährdung, die sich aus der nicht zu verheimlichenden mehrt Propellerflugzeuge des Typs CONVAIR und Benutzung der Linienmaschine durch den Bundes- Do 28 eingesetzt werden, soweit es die technischen, innenminister ergeben hätte, zu Lasten von Passa- personellen und sicherheitsmäßigen Bedingungen gieren und Besatzungsmitgliedern zusätzlich in zulassen. Kauf zu nehmen. Der Bundesminister des Innern hat am 13. No- Des weiteren sollte eine potentielle Erpressungs- vember 1973 für den Bereich des Bundesgrenzschut- situation für die Bundesregierung ausgeschlossen zes umfassende Sparmaßnahmen beim Energiever- werden. brauch angeordnet und am 14. November 1973 die Die Befürchtung einer Gefährdung des Fern-Ost- Obersten Bundes- und Landesbehörden ausdrücklich Linienverkehrs wird im übrigen bestätigt durch die darum gebeten, eine Genehmigung für einen Flug jüngste Entführung einer Linienmaschine der KLM. 4356* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Dasselbe gilt für die in der Person des Bundes- Die Reise in die Volksrepublik China ging auf innenministers gegebene besondere Gefährdung, die eine Einladung der chinesischen Regierung vom noch einmal durch einen im November 1973 bekannt- Frühsommer des Jahres 1973 zurück. Sie mußte im gewordenen Plan anarchistischer Kreise erhärtet September 1973 aus dienstlichen Gründen verscho- wurde, wonach durch die Entführung u. a. des Bun- ben und auf die Woche vom 17. bis 24. November desinnenministers die Freilassung inhaftierter Mit- 1973 gelegt werden. Eine nochmalige Verlegung war glieder der Baader-Meinhof-Bande erzwungen wer- nicht möglich. den soll. Angesichts der Energiekrise ist die Frage der Be- Die Frage, ob die für die Reise in die Volksrepu- nutzung der Maschine der Bundeswehr unmittelbar blik China in Frage kommenden Linienmaschinen vor Antritt der Reise erneut eingehend geprüft hätten ausreichend gesichert werden können, mußte worden. nach Abwägung aller Umstände verneint werden. Die Entscheidung wurde aufgrund der seit den Es gibt keinen Lufthansa-Flug in die Volksrepu- Münchener Ergeignissen vom September 1972 gege- blik China und es gibt keinen Flug einer ausländi- benen und durch den Nah-Ost-Konflikt zusätzlich schen Fluggesellschaft aus der Bundesrepublik in verschärften Sicherheitslage und der von den Sicher- die Volksrepublik China. Von den Problemen, die heitsfachleuten für den Bundesinnenminister einge- sich bei den notwendigen Zwischenlandungen durch schätzten Gefährdung aufrechterhalten. zusteigende Fluggäste ergeben, gar nicht zu reden. Aus den angegebenen Gründen, die aus der Be- Es ging dabei nicht in erster Linie um die Ge- richterstattung der Presse in diesem Umfang nicht zu fährdung des Bundesinnenministers, sondern um die entnehmen waren, geht die Bundesregierung davon Vermeidung eines Sabotage- oder Entführungs- aus, daß Sie, Herr Kollege, Verständnis für die Be- risikos für Passagiere und Besatzung einer Linien- maschine. nutzung einer Maschine der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung für den Flug Es wäre nicht vertretbar gewesen, eine solche Ge- des Bundesinnenministers in die Volksrepublik fährdung, die sich aus der nicht zu verheimlichenden China haben. Benutzung der Linienmaschine durch den Bundes- Mit dieser Mitteilung habe ich auch die in die innenminister ergeben hätte, zu Lasten von Passa- gleiche Richtung gehende Frage des Herrn Kollegen gieren und Besatzungsmitgliedern zusätzlich in Dr. Schäuble beantwortet. Kauf zu nehmen. Des weiteren sollte eine potentielle Erpressungs- situation für die Bundesregierung ausgeschlossen werden. Die Befürchtung einer Gefährdung des Fern-Ost- Anlage 14 Linienverkehrs wird im übrigen bestätigt durch die Antwort jüngste Entführung einer Linienmaschine der KLM. Dasselbe gilt für die in der Person des Bundes- des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 6. Dezember innenministers gegebene besondere Gefährdung, die 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten noch einmal durch einen im November 1973 be- (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Frage Dr. Schäuble kanntgewordenen Plan anarchistischer Kreise er- B 4): härtet wurde, wonach durch die Entführung u. a. des Wie vereinbart die Bundesregierung die Reise des Bundes- innenministers in einer Sondermaschine der Bundeswehr in die Bundesinnenministers die Freilassung inhaftierter Volksrepublik China mit den Bemühungen um Energieeinspa- Mitglieder der Baader-Meinhof-Bande erzwungen rung, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß Appelle an die Bevölkerung, freiwillig Energie zu sparen, für ihren werden soll. Erfolg ein entsprechendes beispielgebendes Verhalten der poli- tisch Verantwortlichen erfordern? Die Frage, ob die für die Reise in die Volks- republik China in Frage kommenden Linienmaschi- Die Bundesregierung teilt in vollem Umfang die nen hätten ausreichend gesichert werden können, Auffassung, daß Appelle an die Bevölkerung, frei- mußte nach Abwägung aller Umstände verneint willig Energie zu sparen, für diesen Erfolg ein ent- werden. sprechendes beispielgebendes Verhalten der poli- tisch Verantwortlichen erfordern. Es gibt keinen Lufthansa-Flug in die Volksrepu- Dieser Haltung steht die Benutzung einer Ma- blik China und es gibt keinen Flug einer ausländi- schine der Bundeswehr für die Reise des Bundes- schen Fluggesellschaft aus der Bundesrepublik in innenministers in die Volksrepublik China nicht ent- die Volksrepublik China. Von den Problemen, die gegen. Die Benutzung von Maschinen der Flugbereit- sich bei den notwendigen Zwischenlandungen durch schaft des Bundesministers der Verteidigung ist den zusteigende Fluggäste ergeben, gar nicht zu reden. obersten Staatsorganen und den Mitgliedern der Aus den angegebenen Gründen, die aus der Be- Bundesregierung unter bestimmten Voraussetzungen richterstattung der Presse in diesem Umfang nicht möglich. zu entnehmen waren, geht die Bundesregierung da- Der Bundesinnenminister hat für sich für seine von aus, daß Sie, Herr Kollege, Verständnis für die Reise in die Volksrepublik China von dieser Mög- Benutzung einer Maschine der Flugbereitschaft der lichkeit ausnahmsweise Gebrauch gemacht, weil da- Bundeswehr für den Flug des Bundesinnenministers für schwerwiegende Sicherheitsgründe sprachen. in die Volksrepublik China haben. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4357*

Anlage 15 men des Internationalen Nahrungsmittelhilfe- Übereinkommens. Im Erntejahr 1972/73 lieferte Antwort sie 192 000 t Getreide im Werte von 103 Millio- des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 5. Dezember nen DM. Die Getreidelieferungen der EG in 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Höhe von 465 000 t werden von ihr zu ca. Geldner (FDP) (Drucksache 7/1320 Frage B 5) : einem Drittel finanziert.

Ist der Bundesregierung bekannt, in welchen Ländern der Darüber hinaus wandte sie bilateral für die Erde gegenwärtig Hungersnot herrscht, und wie groß ist diese Lieferung besonders hochwertiger Nahrungs- Not im einzelnen, und was haben Bundesregierung und EG zur Behebung dieser Hungersnot bisher getan, und was ist für die mittel im Haushaltsjahr 1973 14,7 Millionen nächste Zukunft noch geplant? DM auf. (Titel 686 08) 1 a) Länder, in denen Hungersnot herrscht Die Nahrungsmittellieferungen des Welternäh- rungsprogramms (WEP) wurden von der Bun- Der Bundesregierung ist bekannt, daß in ver- desregierung mit 18 Millionen DM unterstützt. schiedenen Ländern der Erde zur Zeit Hungers- Im Rahmen der Katastrophenhilfe wurden von not herrscht und daß in zahlreichen Ländern ihr 9,3 Millionen DM aufgebracht. (Titel 686 12) ernste Schwierigkeiten bei der Versorgung der Für ein Soforthilfeprogramm für Äthiopien Bevölkerung mit Nahrungsmitteln bestehen. wurden bislang 9,3 Millionen DM zur Verfü- Besonders betroffen sind die Länder der Sahel- gung gestellt. Zone und Äthiopien, wo infolge mehrjähriger Dürre große Not herrscht. Durch Flutkatastro- b) Zukünftige Maßnahmen phen ist in Pakistan die Versorgungslage gro- Die Bundesregierung setzt sich für die Ver- ßer Bevölkerungsteile kritisch geworden. In längerung des 1974 auslaufenden Internatio- Bangla Desh herrscht als Folge der Unabhän- nalen Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommens gigkeitskämpfe und großer Überschwemmun- ein. gen Nahrungsmittelmangel. Im Rahmen der EG bemüht sie sich ferner um b) Zur Lage im einzelnen die Ausweitung der Sonderprogramme der EG - Die langanhaltende Dürreperiode verur sowie deren längerfristige Planung und bessere sachte in der Sahel-Zone (Mauretanien, Abstimmung auf die Bedürfnisse der Entwick- Mali, Niger, Obervolta, Senegal, Tschad) lungsländer. Eine verstärkte Hilfe für die Län- Mißernten und die Vernichtung des Groß- der der Sahel-Zone und für Äthiopien wird zur teils des Viehbestandes. Hierdurch entstan- Zeit haushaltsmäßig vorbereitet. den in den einzelnen Ländern Nahrungs- mitteldefizite zwischen 100 000 und 350 000 Tonnen. (Quelle: Berichterstattung der deut- schen Auslandsvertretungen.) Anlage 16 — In den nördlichen Provinzen Äthiopiens be- Antwort steht augenblicklich ein akuter Versor-- gungsengpaß. Ein Überblick über das Nah- des Parl. Staatssekretärs Dr. Apel vom 5. Dezember rungsmitteldefizit kann erst nach vollstän- 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten diger Einbringung der neuen Ernte gegeben Sick (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Frage B 6) : werden. Es ist abzusehen, daß hochprotein- haltige Nahrungsmittel zur Rettung der Ist die Bundesregierung der Meinung, daß gerade angesichts der aktuellen politischen Ereignisse die Bemühungen um Fort- durch Unterernährung geschwächten Bevöl- schritte in Richtung auf Schaffung eines politisch handlungs- fähigen Europa besonders dringlich geworden sind und daß kerung, vor allem der Kinder, in großem diese Bemühungen nicht mehr willkürlich lange ohne Erfolg Umfang benötigt werden. (Quelle: FAO) bleiben dürfen? — In Pakistan ist durch die jüngste Flutkata- Die Bundesregierung hat sich ebenso wie ihre strophe zu dem normalen Nahrungsmittel- Vorgängerinnen stets für die Schaffung eines poli- defizit von 1,5 Millionen Tonnen ein zu- tisch handlungsfähigen Europas eingesetzt. Die sätzliches Defizit von 459 000 Tonnen ent- aktuellen politischen Ereignisse haben die bereits standen. 350 000 Tonnen konnten noch nicht in der Regierungserklärung vom 18. Januar festge- durch Nahrungsmittelimporte gedeckt wer- stellte vorrangige Bedeutung des Aufbaus einer den. (Quelle: Pakistanische Angaben) Europäischen Union bestätigt. Die Bundesregierung — In Bangla Desh sind von einem Nahrungs- bemüht sich nach Kräften, im Rahmen der Euro- mitteldefizit von 2,072 Millionen Tonnen päischen Gemeinschaft und im Rahmen der Euro- 1,073 Millionen Tonnen noch nicht durch päischen Politischen Zusammenarbeit die vom Importe gedeckt. (Quelle: Angaben der Re- Pariser Gipfel ins Auge gefaßte Entwicklung zur gierung von Bangla Desh) Europäischen Union bis 1980 voranzutreiben. Sie wird die besondere Verantwortung, die ihr die Prä- sidentschaft in der EG und in der EPZ im ersten 2 a) Bisherige Maßnahmen der Bundesregierung Halbjahr 1974 aufgibt, in diesem Sinne nutzen. An- Zur Bekämpfung des Hungers in der Welt lei- gesichts der ermutigenden europäischen Entwicklung stet die Bundesregierung bilateral sowie multi- der letzten Monate erwägt die Bundesregierung vor- lateral in der EG Nahrungsmittelhilfe im Rah zuschlagen, den Bericht der Organe der Gemein- 4358* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 schaft über die Europäische Union um ein .lahr auf sorgung sogar übersteigt, kann eine zusätzliche Ende 1974 vorzuziehen und nach Möglichkeit auch Dynamisierung schon aus Gleichbehandlungsgrün- andere selbstgesetzte Fristen abzukürzen, um sobald den nicht in Betracht kommen. wie möglich ein politisch handlungsfähiges Europa Die unterschiedliche Behandlung der vorstehend entstehen zu lassen. Sie wird vor allem auch die gekennzeichneten Versichertengruppen ist somit nur bevorstehende Gipfelkonferenz der neun Staats- und eine scheinbare, da unterschiedliche Tatbestände ab- Regierungschefs in Kopenhagen nutzen, um auf dem weichende Regelungen erfordern. Ich sehe daher zu Weg zur Einheit Europas voranzudrängen. meinem Bedauern keine Möglichkeit, auf eine Ände- rung hinzuwirken.

Anlage 17 Antwort Anlage 18 des Parl. Staatssekretärs Jung vom 6. Dezember 1973 Antwort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Biehle des Parl. Staatssekretärs Jung vom 6. Dezember 1973 (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Frage B 7): auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß Renten (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Fragen B 8 aus der Zusatzversorgung für Hunderttausende von Rentnern Biechele im Gegensatz zu den aus der gesetzlichen Rentenversicherung und 9) : nicht dynamisiert sind, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, eine solche unterschiedliche Behandlung zu Wie beurteilt die Bundesregierung das System der Müllkom- beseitigen? postierung der Maschinenfabrik FAHR AG, Gottmadingen, von dem für bisher zwölf nicht an ein Abfallbeseitigungssystem an- geschlossenen Gemeinden mit 3500 Einwohnern ein Modell seit Ihre Frage betrifft die Zusatzversorgung der Ar- Mai 1973 bei Zoznegg, Landkreis Konstanz, in Betrieb ist, durch beitnehmer des öffentlichen Dienstes. Diese Zusatz- das in weniger als einem halben Jahr der Kompost ohne Lärm, Rauch und Gestank ausreifen und als Humus an die Land- und versorgung sieht, den Grundsätzen der Beamtenver- Forstwirtschaft abgegeben werden kann, Kompost, der nach einem Gutachten der Universität Hohenheim hygienisch ein- sorgung folgend, seit dem 1. Januar 1967 eine dyna- wandfrei ist und während des Verrottens Hemmstoffe und Anti- mische Gesamtversorgung für solche Arbeitnehmer biotika entwickelt, die selbst Milzbrandbakterien und Salmonel- des öffentlichen Dienstes vor, die über einen ange- len vernichten? Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, dieses erfolg- messenen Zeitraum hin bis zum Eintritt des Ver- versprechende System der Müllkompostierung finanziell zu för- sicherungsfalles im öffentlichen Dienst verblieben dern? sind. Die Mehrzahl der früheren Arbeitnehmer des 1. Die Bundesregierung ist seit Frühjahr 1972 über öffentlichen Dienstes erhält somit nicht nur eine mit die bei der Maschinenfabrik Fahr AG, Gottmadingen, den Arbeitnehmereinkommen steigende Rente aus durchgeführten Entwicklungsarbeiten eines Systems der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern auch zur Sammlung, Behandlung und Beseitigung von eine dynamische Versorgungsrente der Versor- Abfällen im ländlichen Raum unterrichtet. Unter- gungsanstalt des Bundes und der Länder oder einer lagen über Planung und Fortgang der Entwicklung anderen Zusatzversorgungseinrichtung. wurden in verschiedenen Schreiben vorgelegt. Fer- Arbeitnehmer, die vor Eintritt des Versicherungs-- ner fanden Besprechungen im Bundesministerium falles aus dem Arbeitsverhältnis zu einem Arbeit- des Innern und dem Bundesministerium für Ernäh- geber des öffentlichen Dienstes ausscheiden, haben rung, Landwirtschaft und Forsten mit Vertretern der nur Anspruch auf eine Versicherungsrente, die sich Maschinenfabrik statt. allein nach den entrichteten Beiträgen bemißt und somit zwangsläufig einer Dynamisierung entzogen Die Bundesregierung beurteilt die Umwandlung ist. Das gleiche gilt für Arbeitnehmer, solange deren von Abfällen in ein Bodenverbesserungsmittel durch Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu- Kompostierung grundsätzlich als ein für den Um- sammen mit dem Betrag der beitragsbezogenen Ver- weltschutz positives Verfahren der Abfallbeseiti- sicherungsrente oder einer Besitzstandsrente die gung. Solange jedoch noch keine einheitlichen Qua- nach beamtenrechtlichen Grundsätzen bemessene litätskriterien für Kompost festgelegt sind, kann sie dynamische Gesamtversorgung übersteigt. sich nicht zu den Vorteilen und Nachteilen bestimm- ter Verfahrenstechniken der Kompostierung äußern. Bei Arbeitnehmern, die vorzeitig aus dem öffent- Die Erarbeitung derartiger Kriterien ist eingeleitet. lichen Dienst ausscheiden, besteht eine besondere Fürsorgepflicht, die allein die Dynamisierung recht- 2. Die Bundesregierung gewährt Kredite aus dem fertigen könnte, nicht. Ich nehme insoweit Bezug auf ERP-Vermögen an Gemeinden, Gemeindeverbände meine schriftliche Antwort vom 30. September 1971 und Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, die auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. zur Abfallbeseitigung berechtigt sind, für die Errich- Evers (Anlage 22 zum Stenografischen Bericht über tung und Erweiterung baulicher und maschineller die 139. Sitzung des Deutschen Bundestages am Anlagen zur Abfallbeseitigung. 1. Oktober 1971.). Voraussetzung für die Gewährung solcher Kredite Soweit Versorgungsrenten nur deshalb — und im ist neben der Erfüllung der Allgemeinen Bedingun- übrigen grundsätzlich nur zeitweilig — von der gen für die Vergabe von ERP-Mitteln eine Bestäti- Dynamisierung ausgeschlossen sind, weil die gesetz- gung der zuständigen Landesregierung, daß die zu liche Rente und die beitragsbezogene Zusatzrente fördernde Anlage den Abfallbeseitigungsplänen nach bzw. Besitzstandsrente die dynamische Gesamtver § 6 des Abfallbeseitigungsgesetzes entspricht. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4359*

Die Bundesregierung ist im übrigen bestrebt, die braucherfreundlichen, anerkannt strengen Maßstäbe bisher nur 20 Millionen DM betragenden Kredit- des deutschen Rechts nicht verwässert werden. mittel so rationell wie möglich einzusetzen. Andere Möglichkeiten finanzieller Förderung von Anlagen Bei den Arbeiten im Rahmen der Europäischen zur Abfallbeseitigung stehen ihr nicht zur Verfü- Gemeinschaften werden darüber hinaus die im Rah- gung. men des Europarats gegebenen Anregungen und Empfehlungen besonders eingehend geprüft und so- weit als möglich berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für die Entschließungen Nr. 543 und 705, die eine europäische Verbraucherschutz-Charta zum Gegenstand haben. Anlage 19 Antwort (Übersetzung)

des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 5. Dezember EUROPARAT 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Ministerausschuß Lenders (SPD) (Drucksache 7/1320 Fragen B 10 und 11) : Trifft es zu, daß die Delegation der Bundesrepublik Deutsch- Entschließung (72) 8 land in der Arbeitsgruppe des Europarats über irreführende Werbung die Auffassung vertreten hat, eine neue internationale (von den Vertretern der Minister am 18. Februar Konvention über die Beschränkung der irreführenden Werbung würde ein unvermeidliches Risiko der Duplikation und der 1972 angenommen) Überlappung mit bestehenden Regelungen bedeuten und des- halb eine Quelle der Konfusion sein, und wenn id, mit wel- cher Begründung hat die Delegation diese Auffassung vertreten? Schutz der Verbraucher Ist die Bundesregierung auch heute noch dieser Meinung, oder würde sie eine internationale Regelung dieses Problem- vor täuschender Werbung kreises befürworten und in dieser Richtung aktiv werden? 1. Da in einer auf Massenherstellung eingestellten Im Europarat ist Anfang 1972 eine Entschließung Wirtschaft der Einfluß und die Bedeutung der an über den Schutz der Verbraucher vor täuschender die Verbraucher gerichteten kommerziellen Wer- Werbung verabschiedet worden, von der ich Ihnen bung aus zahlreichen Gründen beträchtlich gewach- ein Exemplar beifüge. In der Entschließung ist unter sen sind, u. a. wegen: den Nrn. 7 und 10 zum Ausdruck gebracht, daß eine Rechtsangleichung im Wege der Konvention erheb- — der Entwicklung der Verbreitungsmittel, liche Schwierigkeiten mit sich gebracht hätte. Der - der Verwendung immer besserer Techniken in Europarat hat sich deshalb auf diese Entschließung der Massenkommunikation, beschränkt. --- des ständigen Erscheinens neuer Erzeugnisse in- In den Beratungen über diese Entschließung hat folge des technischen Fortschritts, auch die deutsche Delegation die Auffassung ver- — der Zunahme der für die Werbung eingesetzten treten, 'daß die Ausarbeitung einer Konvention- im Geldmittel, Rahmen des Europarats zu Doppelarbeit und wegen der Überschneidung mit Projekten in anderen Or- -- der Ausweitung der Märkte infolge des stufen- ganisationen auch im Ergebnis zu Schwierigkeiten weisen Abbaus der Handelsschranken, beson- führen würde. ders der Zölle und der Kontingente;

Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Bundesregie- 2. Im Bewußtsein, daß eine angemessene Werbung rung nicht an einer internationalen Regelung dieses ein notwendiger Bestandteil der Marktwirtschaft ist; Problemkreises interessiert wäre. Sie ist jedoch der Auffassung, daß die bereits aufgenommenen Arbei- 3. da aber Fälle täuschender Werbung vorkommen, ten im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften vor denen die Verbraucher und vor allem ihre am eher die Chance haben, in absehbarer Zeit zu kon- leichtesten verletzbaren Gruppen geschützt werden kreten Ergebnissen zu führen. Sie hat sich deshalb müssen; von Anfang an aktiv an den Bemühungen beteiligt, im Gemeinsamen Markt eine einheitliche und im 4. da dieser Schutz, um wirksam zu sein, gleichzei- Interesse des Verbrauchers wirksame Regelung zur tig einer genügend genauen Begriffsbestimmung, Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs zu errei- einer schnellen Aufdeckung und einer wirksamen chen. Sie hat sich insbesondere auch mit Erfolg da- Bekämpfung der täuschenden Werbung bedarf; für eingesetzt, daß dem Thema einer einheitlichen 5. da die Bekämpfung der täuschenden Werbung Regelung zur Unterdrückung der irreführenden Werbung im Rahmen dieser Arbeiten die erste Prio- durch Maßnahmen sichergestellt werden kann und in Wirklichkeit oft auch wird, die von den Behörden rität gegeben worden ist. Sie unterstützt damit die oder von Berufsorganisationen getroffen und ange- Auffassung der Kommission der Europäischen Ge- wandt werden; da meinschaften, daß es sich bei der Bekämpfung der irreführenden Werbung um ein vordringliches An- - es in zahlreichen Mitgliedländern tatsächlich liegen des Verbraucherschutzes handelt. Sie wird Gesetzesbestimmungen gibt, die die täuschende im Zuge der weiteren Arbeiten auf EG-Ebene daher Werbung entweder im Rahmen einer allgemei mit allem Nachdruck dafür eintreten, daß die ver nen Gesetzgebung — zum Beispiel einer Gesetz- 4360* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

gebung über den unlauteren Wettbewerb, eines — den Gesamtpreis, den der Käufer des Erzeugnis- Zivilgesetzbuches usw. — oder durch besondere ses und der Dienstleistung tatsächlich zu zahlen Gesetze bekämpfen, zum Beispiel über die Nah- hat, und jeden vom Werbetreibenden angestell- rungsmittel, die Heilmittel usw.; ten vorteilhaften Preisvergleich; — es zudem in verschiedenen Mitgliedländern Be- — die Identität, die Eignung und die Fähigkeiten rufsordnungen über die täuschende Werbung des Herstellers, der Wiederverkäufer oder der gibt sowie Berufsorganisationen, die mit der Erbringer von Dienstleistungen; Durchsetzung dieser Ordnungen beauftragt sind; (2) daß allgemeine Regeln, die auf ein Verbot 6. Da Inhalt und Wirksamkeit dieser beiden Grup- der täuschenden Werbung abzielen, wenn notwen- pen von Bestimmungen jedoch von Land zu Land dig durch besondere Bestimmungen für gewisse beträchtlich abweichen; Gruppen von Erzeugnissen und Dienstleistungen oder für gewisse Verkaufsmethoden vervollständigt 7. da die Verschiedenheit der innerstaatlichen Be- werden; stimmungen weitgehend auf den Unterschieden in der Denkweise, den rechtlichen und den wirtschaft- (3) daß die Mitgliedländer ihre Aufmerksamkeit lichen Verhältnissen und den Handelsgebräuchen besonders der Werbung durch Hörfunk und Fern- der einzelnen Länder beruhen, so daß auf diesem sehen widmen, in Anbetracht ihrer sehr ausgedehn- Gebiet eine vollständige Angleichung, auch wenn ten Zuhörer- und Zuschauerschaft und ihrer Durch- sie noch so erstrebenswert ist, kaum sofort erreicht schlagskraft; werden kann; (4) daß die Mitgliedländer alle nötigen, auf ihre 8. da es gleichwohl — wenn man die Entwicklung eigenen Rechtsverhältnisse abgestimmten Maßnah- des internationalen Austausches und die Schwierig- men treffen, um zu gewährleisten, daß keiten berücksichtigt, die bei der Bekämpfung täu- — außer den Auftraggebern die Werbeagenturen schender Werbung ausländischer Herkunft ent- und die Werbeträger entweder als Erste oder stehen — erwünscht ist, daß der den Verbrauchern als Zweite haftbar gemacht werden können, zugesicherte Schutz gewissen gemeinsamen Regeln wenn diese Agenturen oder Werbeträger wis- entspricht, die die Lauterkeit der Werbung gewähr- sentlich die Bestimmungen über die täuschende leisten; Werbung verletzt oder sie zu verletzen veran- laßt oder geholfen haben; 9. da eine gesetzliche Regelung, verbunden mit Strafmaßnahmen, selbst dann nötig ist, wenn eine — die Gesetze gegen die täuschende Werbung ge- Berufsordnung bestehen sollte; nügend strenge Strafbestimmungen enthalten, um davon abzuschrecken; 10. da jedoch die Art und Weise, Gesetze und Ver- ordnungen zu erlassen, die diese Grundsätze ver- — geeignete Mittel zur Verfügung stehen, um so wirklichen sollen, dem Ermessen der Behörden je- schnell wie möglich Handlungen täuschender des einzelnen Mitgliedlandes entsprechend seinen Werbung ein Ende zu setzen, eine wirksame An- besonderen Problemen, Erfahrungen und Traditio- wendung der Bestimmungen auf Anstoß der Be- nen überlassen werden müßte, hörden, der Verbraucher oder ihrer Verbände oder der Berufsorganisationen oder anderer Ver- 11. empfiehlt der Ministerausschuß einigungen beliebiger Art zu gewährleisten; nach Einsicht in den Begleitbericht zu dieser Ent- (5) daß die Mitgliedländer, um die täuschende Wer- schließung den Regierungen der Mitgliedländer: bung zu beseitigen, folgendes fördern:

(1) daß die Mitgliedländer alle nötigen, an ihre — die Ausarbeitung von Richtlinien über die Lauter- eigenen rechtlichen Verhältnisse angepaßten Maß- keit in der Werbung durch geeignete Berufs- nahmen ergreifen, um allgemeine Bestimmungen in organisationen, wie es z. B. die Internationale ihre innerstaatliche Gesetzgebung einzuführen, die Handelskammer getan hat; jede Werbung verbieten sollen, die den Verbrau- — die Schaffung von Organisationen zur Selbstüber- cher unmittelbar oder mittelbar über die Erzeug- wachung oder die Anwendung anderer geeigneter nisse und Dienstleistungen des Werbetreibenden Verfahren der Pflichteneinschärfung; täuschen und so seine Entscheidung über die Wahl dieser Erzeugnisse und Dienstleistungen beeinflus- — die Zusammenarbeit zwischen den Behörden und sen kann. Dabei kommt es nicht auf den Werbeträ- den Selbstüberwachungs-Organisationen oder ger und die verwendete Form an. Es ist vor allem den Berufsverbänden; jede Werbung zu verbieten, die über folgendes zu — die gegenseitige Hilfe der Selbstüberwachungs- täuschen vermag: Organisationen oder der Berufsverbände ver- schiedener Länder; - die Natur, die Zusammensetzung, den Ursprung, die Menge, die Güte, das Herstellungsdatum — eine geeignete Zusammenarbeit zwischen den oder die Eigenschaften der Erzeugnisse und — Selbstüberwachungs-Organisationen oder den Be- soweit dies zutrifft — der Dienstleistungen, die rufsverbänden und den Verbraucherorganisatio- Gegenstand der Werbung sind; nen der entsprechenden Länder. •

Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4361*

Anlage 20 den Stadtbezirken Villingen und Schwenningen. Ein Antwort Antrag auf Gewährung weiterer Bundesfinanzhilfen im Jahre 1974 liegt der Bundesregierung nicht vor. des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 6. Dezem Im Programm des Landes Baden-Württemberg für ber 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten die städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungs- Pfeifer (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Frage B 12) : maßnahmen, für die Finanzhilfen des Bundes nach § 71 StBauFG in Betracht kommen, wird die Entwick- Ist die Bundesregierung bereit, bei der für 1974 in Aussicht genommenen Begrenzung der kommunalen Verschuldung dar- lungsmaßnahme Villingen-Schwenningen für 1974 auf Rücksicht zu nehmen, daß die Gemeinden zunehmend Um- weltschutzmaßnahmen, wie etwa Investitionen für die Abwas- als Leertitel ohne Förderungsbetrag geführt. serbeseitigung, nur noch finanzieren können, wenn ihnen die hierfür bereitgestellten zinsverbilligten Darlehen nicht auf ihr Die Gewährung weiterer Bundesfinanzhilfen für Kreditkontingent angerechnet werden, und wird die Bundes- die Entwicklungsmaßnahme Villingen-Schwennin- regierung dem Land Baden-Württemberg u. a. zur Finanzierung derartiger Umweltschutzmaßnahmen 1974 ein größeres Kredit- gen im Zuge der Anpassung und Fortschreibung des kontingent zuteilen? Bundesprogramms nach § 72 Abs. 3 StBauFG für den Die Bundesregierung hat in dem von ihr im Bun- Zeitraum 1974 bis 1978 hängt davon ab, daß das desrat vorgelegten Entwurf einer Verordnung über Land Baden-Württemberg zunächst klärt, ob eine die Begrenzung der Kreditaufnahmen durch Bund, Rechtsverordnung zur förmlichen Festlegung eines Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände im städtebaulichen Entwicklungsbereichs nach § 53 Haushaltsjahr 1974 weder eine Befreiung der Kre- StBauFG erlassen werden soll, mit der die landes ditaufnahmen zugunsten von Investitionen zur Ab- planerische Zielsetzung, Villingen-Schwenningen wasserbeseitigung von den Beschränkungen nach der zum Oberzentrum der Region Schwarzwald-Baar- Schuldendeckelverordnung noch eine Erhöhung des Heuberg zu entwickeln, verwirklicht werden könnte. Kreditkontingents für die Gemeinden in Baden- Für den Zeitraum 1975 bis 1977 sind vom Land Württemberg vorgesehen. Die Höhe des Kreditkon- vorsorglich Kostenbeträge in das Landesprogramm tingents der Gemeinden und Gemeindeverbände und eingestellt worden. Die Beratung des Bundesmini- der gewählte Verteilungsschlüssel gehen auf eine sters für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau mit Empfehlung des Finanzplanungsrats vom 5. Novem- den zuständigen Ministern und Senatoren der Länder ber 1973 zurück. Die Bundesregierung sieht keine über deren Programme findet am 13. Dezember 1973 Veranlassung von dem vorgelegten Entwurf abzu- statt. weichen, da seine Regelungen die Zustimmung der Ob und in welcher Höhe Bundesfinanzhilfen, die kommunalen Spitzenverbände und der überwiegen- bis zu einem Drittel der förderungsfähigen Kosten den Zahl der Länder im Finanzplanungsrat gefunden gewährt werden, für die Entwicklungsmaßnahme haben. Eine Herausnahme der Kreditaufnahmen für Villingen-Schwenningen auf Antrag des Landes für Investitionen zur Abwasserbeseitigung von den die Programmjahre ab 1975 in Betracht kommen, Kreditbeschränkungen würde die konjunkturpoli- hängt vom Zuschnitt und der Bedeutung eines Ent- tische Wirksamkeit der vorgesehenen Verordnung wicklungsbereichs Villingen-Schwenningen ab und beeinträchtigen und darüber hinaus einen Präzedenz- wird zu gegebener Zeit Gegenstand der Beratungen fall für weitere Ausnahmen darstellen. m it den Länderfachministern sein. Aus Bundessicht - würde die Verwirklichung der Entwicklungsmaß- nahme wegen der großräumigen Strukturverbesse- rung der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg, die mit Anlage 21 der Stärkung der oberzentralen Funktionen der Stadt Villingen-Schwenningen bewirkt werden Antwort könnte, begrüßt werden. des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack vom 6. Dezember 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Häfele (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Fragen B 13 und 14) : Anlage 22 Wird die Bundesregierung für das Entwicklungsvorhaben Vil- lingen-Schwenningen ab 1974 Bundesmittel vorsehen? Antwort Mit welchem Bundesanteil und welcher Höhe von Bundeszu- schüssen kann Villingen-Schwenningen rechnen, sobald sich die Stadt Villingen-Schwenningen und das Land Baden-Würt- des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 5. Dezember temberg über einen Vorschlag zur Entwicklung verständigt ha- 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten hen? Christ (FDP) (Drucksache 7/1320 Fragen B 15 und 16) :

In den Programmen 1971 und 1973 nach dem Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, auf natio- Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) sind dem naler oder EG-Ebene Forschungsprojekte für den Ersatz des Benzins als Treibstoff für Kraftfahrzeugmotoren anzuregen bzw. Land Baden-Württemberg für die Entwicklungsmaß- durch finanzielle Zuschüsse zu unterstützen? nahme Villingen-Schwenningen Bundesfinanzhilfen in Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussicht, als Ersatz für den herkömmlichen Antrieb von Kraftfahrzeugen geeignete Höhe von insgesamt 289 000 DM entsprechend einem Wasserstoff-Formen als Treibstoff für Ottomotoren zu entwik- Drittel der förderungsfähigen Kosten gewährt wor- kein und/oder leistungsfähige sowie wirtschaftliche Elektro-Batte- rie-Motoren herzustellen? den. Die Bundesfinanzhilfen dienten der Vorberei- tung der Entwicklungsmaßnahme, insbesondere der Erarbeitung von Planungsalternativen und einer Zu Frage B 15: städtebaulichen Rahmenkonzeption für Nutzungs- Der Bundesminister für Forschung und Techno- möglichkeiten der bestehenden Freiflächen zwischen logie fördert in der Kraftfahrzeug- und Straßenver- 4362* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 kehrstechnik Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, Die EG-Kommission hat in ihren Vorschlägen zur die Verbesserungen der europäischen Regionalpolitik versucht, an Hand ob- Verkehrsbelange jektiver Kriterien diejenigen Gebiete zu ermitteln, deren Wirtschaftskraft unter dem europäischen -- der Wirtschaftlichkeit, insbesondere der Energie- Durchschnitt liegt. Sie ist dabei von Daten ausge- einsparung gangen, die ihr von den Mitgliedstaaten zur Ver- — des Umweltschutzes fügung gestellt wurden. Die Ergebnisse der Kom- mission werden rechnerisch und methodologisch -- der Sicherheit überprüft. Sollte die Überprüfung ergeben, daß zum Ziel haben. Schwarzwald und Alb zu Unrecht nicht in den Kreis der europäischen Fördergebiete aufgenommen wor- Dafür sind insbesondere die Entwicklung und Er- den sind, wird sich die Bundesregierung selbstver- probung von ständlich für eine Änderung der Gebietsliste ein- — Antriebssystemen mit unkonventionellen Treib- setzen. stoffen wie z. B. Methanol und Wasserstoff Unabhängig davon wird die Bundesregierung bei — Elektroantrieben und den Verhandlungen in Brüssel sorgfältig abwägen, ob es ratsam erscheint, für eine Erweiterung der Ge- — Antrieben mit äußerer Verbrennung u. a. nach bietsvorschläge der Kommission einzutreten. Im Hin- dem Stirling- und Rankine-Prinzip blick auf die Kosten des Europäischen Fonds für in den Förderungsmaßnahmen vorgesehen. regionale Entwicklung sollte sein Anwendungsbe- reich — zumindest am Anfang — möglichst eng Die Arbeiten werden mit den zuständigen Stellen definiert werden. in der Bundesrepublik und mit internationalen Gre- mien abgestimmt. Im übrigen würde die Aufnahme des Schwarz- waldes und der Alb in die europäische Förderge- bietsliste an Art und Umfang der Förderung in die- Zu Frage B 16: sen Gebieten nichts ändern. Der Europäische Fonds Die Verwendung von Wasserstoff als Kraftstoff wird sich nur im Rahmen der nationalen Förderung ist zur Zeit noch problematisch wegen der großen an bestimmten Vorhaben beteiligen. Dieser Rahmen Schwierigkeit, sichere und preisgünstige Treibstoff- ergibt sich aus den Regionalen Aktionsprogrammen speicher zu entwickeln. Der Einsatz von Wasserstoff „Südlicher Oberrhein -- Hochschwarzwald" und ist vor allem aus diesem Grund im Augenblick noch „Alb — Oberschwaben -- Bodensee", nach denen nicht abzusehen, zumal auch das erforderliche An- diese Gebiete gefördert werden. gebot und die umfangreichen Versorgungsinfrastruk- turen nicht vorhanden sind. Für den Einsatz von Elektrobatteriemotoren sind die Regelungselektronik und die Motoren weitge- Anlage 24 hend entwickelt. Seit geraumer Zeit fördert der Antwort Bundesminister für Forschung und Technologie For- schungs- und Entwicklungsvorhaben, die sich mit der des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 5. Dezember — Verbesserung von Blei-Traktionsbatterien und 1973 auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Frau Dr. Riedel-Martiny (SPD) (Drucksache 7/1320 — Entwicklung von Hochtemperaturbatterien Frage B 19) : befassen. Der Stand der Entwicklungen läßt erwar- Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, zu errei- chen, daß Milch- und Molkereiproduktenpackungen genauer de- ten, daß in absehbarer Zeit leistungsfähige und wirt- klariert und gefüllt werden, damit die Beanstandungsquote der schaftliche Elektrofahrzeuge für spezielle Einsatz- Eichbehörden von 1972 nicht weiter ansteigt, sondern fällt, und wann ist mit solchen Maßnahmen zu rechnen? bereiche gebaut werden können. Aufgrund der Vorschriften der am 1. Januar 1972 in Kraft getretenen Fertigpackungsverordnung wur- den im Jahre 1972 erstmals von den Eichbehörden der Länder die Füllgewichte und -volumen von Fer- Anlage 23 tigpackungen in den Abfüllbetrieben geprüft. Die Antwort Prüfungen vermitteln ein erheblich aussagekräftige- des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 5. Dezember res Bild von der Abfüllgenauigkeit bei der Herstel- 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten lung von Fertigpackungen als die bisherigen Einzel- Dr. Schwörer (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Fragen prüfungen im Handel. B 17 und 18) : Die Bundesregierung bedauert das unerfreuliche Nachdem der Europäische Kommissar Lardinois in einer Er- Prüfungsergebnis. klärung zur Regionalpolitik in Stuttgart am 23. November 1973 die Notwendigkeit und die Möglichkeit betont hat, Gebiete der Sie erwartet, daß die Kontrollen durch die Landes- Bundesrepublik Deutschland, besonders die Alb und den Schwarzwald, in die europäischen Fördergebiete aufzunehmen, behörden und die umfangreiche Aufklärung über die frage ich die Bundesregierung, warum in den neuesten Karten der EG diese Gebiete nicht als Fördergebiete aufgeführt sind. Vorschriften der Verordnung durch Behörden und Ist die Bundesregierung bereit, in den Verhandlungen im Mi- Verbände zu einer erheblichen Verbesserung der nisterrat ihren (janzen Einfluß geltend zu machen, daß die For- Abfüllgenauigkeit und zu einem baldigen Rückgang derung dieser Gehfete aus dem Europäischen Regionaltonds zu- stande kommt? der Beanstandungsfälle führen werden. Wiederho- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4363* lungsprüfungen in Beanstandungsfällen haben in der gestrebt. Bei der Entwicklung von Hochtempera- Vergangenheit gezeigt, daß sich die Abfüllsituation turreaktoren besteht eine deutsch-amerikanische in den Betrieben gegenüber der Erstprüfung häufig Kooperation. Beide Entwicklungen werden eben- verbessert hat. Um die Wirtschaft zu einer intensi- falls im 4. Atomprogramm gefördert. veren Überwachung der Abfüllung anzuhalten, ist den Abfüllbetrieben durch die Erste Verordnung zur 4. Die deutsche Fusionsforschung ist mit dem Ziel Änderung der Fertigpackungsverordnung vorge- einer Arbeitsteilung mit Euratom abgestimmt. schrieben worden, ab 1. Januar 1975 die Ergebnisse Über den Bau einer gemeinsamen europäischen ihrer betriebsinternen Überwachungsmaßnahmen Anlage zur Fusionsforschung wird z. Z. intensiv aufzuzeichnen. verhandelt. Mit den USA findet ein Erfahrungs- austausch statt.

Im Bereich der nicht-nuklearen Energiequellen un- terstützt die Bundesregierung alle Bestrebungen deutscher Unternehmen, sich an internationalen Anlage 25 Kooperationen zu beteiligen, und strebt eine inter- Antwort nationale Abstimmung der Forschungs- und Entwick- lungsvorhaben an. des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 5. Dezember 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten 1. Ohne staatliche Förderung arbeiten deutsche Erd- Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache gasproduzenten mit amerikanischen Unterneh- 7/1320 Frage B 20) : men im europäischen Festlandsockel zur Erschlie- Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen der EWG und in ßung neuer Erdgasvorkommen zusammen. Übereinstimmung mit den USA und Kanada eine Zusammen- arbeit bei der Erschließung neuer und erweiterter Energiequellen anzustreben? 2. Die DEMINEX kooperiert bei verschiedenen Vor- haben auch mit britischen, amerikanischen und Die Bundesregierung strebt sowohl im Rahmen der kanadischen Firmen. Die Bundesregierung be- Europäischen Gemeinschaften als auch mit den USA müht sich, im Zuge der Neugruppierung der deut- und Kanada eine enge Zusammenarbeit bei der Er- schen Mineralölinteressen die DEMINEX so um- schließung neuer Energiequellen an. zugestalten, daß sie ein für die internationalen Mineralölgesellschaften interessanter Koopera- Bei der Kernenergie findet eine erfolgreiche Zu- tionspartner wird. sammenarbeit bereits seit einigen Jahren statt. Kooperationsvorhaben und Kooperationsmöglichkei- 3. Erste Ansätze für eine Intensivierung des Erfah- ten bestehen insbesondere bei der Versorgung mit rungsaustausches und der Zusammenarbeit mit Kernbrennstoffen (Natururan und angereichertes den USA und Kanada auf Unternehmensebene Uran), bei der Entwicklung der fortgeschrittenen Re- haben sich im Zusammenhang mit der Internatio- aktorlinien (Hochtemperaturreaktoren und Schnelle nalen Konferenz für Kohleforschung am 16/17. Brüter) sowie bei der Fusionsforschung. Im einzel- Oktober 1973 in Washington ergeben. An der nen ist hier folgendes hervorzuheben: Konferenz haben neben den USA und Kanada die in der Europäischen kohlebergbaulichen Ver- 1. Bei der Versorgung mit Kernbrennstoff bemüht einigung zusammengeschlossenen Länder Groß- sich die Bundesregierung, deutschen Unterneh- britannien, Frankreich, Spanien, Belgien, Nieder- men durch Finanzhilfen den Zugang zum Welt- lande und Deutschland teilgenommen. Über eine markt zu verschaffen. Kooperationspartner sind Konkretisierung der Zusammenarbeit auf west- insbesondere Kanada, USA und Frankreich. Da europäischer Seite soll demnächst gesprochen deutsche Kooperationswünsche bei den Uranlie- werden. ferländern zunehmend auf Schwierigkeiten sto- ßen, bemüht sich die Bundesregierung im Rahmen 4. Die Bundesregierung prüft eine verstärkte in- der Europäischen Gemeinschaft um das Zustande- ternationale Zusammenarbeit zur Entwicklung kommen selbständiger gemeinsamer Prospek- von wirtschaftlichen Verfahren der Kohleverga- tionsvorhaben von Unternehmen der Gemein- sung und ggf. auch der Kohleverflüssigung. Als schaft. '1 Kooperationspartner kommen hier insbesondere 2. Um eine europäische Versorgungsbasis für ange- Großbritannien, aber auch die USA in Betracht, reichertes Uran zu schaffen, arbeitet die Bundes- mit denen ein intensiver Erfahrungsaustausch regierung mit den Niederlanden und Großbritan- über den gesamten Bereich der nicht-nuklearen nien-- bei der Entwicklung und Nutzung des Gas Energieforschung angebahnt worden ist. Ultrazentrifugenverfahrens zusammen. Das Vor- In beiden Forschungsbereichen, sowohl bei der haben wird im Rahmen des 4. Atomprogramms nuklearen als auch bei der nicht-nuklearen Energie, gefördert. Frankreich ist eine Beteiligung an der unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen Zusammenarbeit angeboten. Eine Zusammen- der Europäischen Gemeinschaft um eine Abstim- arbeit mit Kanada ist nicht ausgeschlossen. mung der Forschungs- und Technologiepolitik im 3. Die Entwicklung Schneller Brüter erfolgt in einer europäischen Bereich. Sie steht insbesondere den deutsch-niederländisch-belgischen Zusammenar- Vorschlägen der Kommission zur Entwicklung eines beit, an der in loser Form auch Frankreich betei- Rahmenprogramms für die Energieforschung aufge- ligt ist. Die Einbeziehung Großbritanniens ist an- schlossen gegenüber. 4364* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Anlage 26 Anlage 28

Antwort Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 5. Dezember des Parl. Staatssekretärs Logemann vom 4. Dezem- 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten ber 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Eigen (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Frage B 23) : Frage B 21) : Welche Überlegungen haben die Bundesregierung zu dem Vor- Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung im Zu- schlag veranlaßt, für den Referentenentwurf zur Milchkennzeich- sammenhang mit den Auswirkungen des Sonntagsfahrverbotes nungsverordnung an Stelle von Trinkmilch - Konsummilch zugunsten abseits öffentlicher Verkehrslinien gelegener Hotels vorzuschreiben und damit u. a. dem Verbraucher eine Unter- und Gaststätten einzuleiten, die überwiegend auf die Sonntags- scheidung zwischen Trinkmilch und H-Milch zu erschweren? frequenz angewiesen sind und durch vorausgegangene kredit- finanzierte Investitionen nunmehr in eine existenzgefährdende wirtschaftliche Bedrängnis kommen? Gemäß Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1411/71 vom 29. Juni 1971 ist für Milch „die dazu Der Bundesregierung ist bekannt, daß manche bestimmt ist, als solche an den Verbraucher abge Hotel- und Gaststättenbetriebe in Naherholungsge- geben zu werden" die Begriffsbestimmung „Kon- bieten kaum mit öffentlichen Verkehrsmitteln als summilch" eingeführt worden. Unter diesem Ober- Ausflugsziele erreichbar sind. Diese Unternehmen begriff sind nunmehr sowohl die unerhitzte Milch können im Einzelfall im besonderen Maße von den als auch die erhitzte Milch, gleichgültig, ob sie Auswirkungen des Sonntagsfahrverbotes betroffen pasteurisiert, ultrahocherhitzt oder sterilisiert wor- werden. Das Fahrverbot für die vier Sonntage vom den ist, einzuordnen. 25. November bis 16. Dezember 1973 bezieht sich Die Übertragung der Begriffsbestimmungen der andererseits auf Tage, an denen der Ausflugsver- o. a. EWG-Verordnung in das nationale Recht ist kehr jahreszeitlich bedingt erfahrungsgemäß ein durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Ver- Minimum erreicht. Hier hat es auch in der Vergan- ordnung über Milcherzeugnisse vom 28. August 1973 genheit gelegentlich einen fast gänzlichen Umsatz- (BGBl. I S. 1199) erfolgt. ausfall gegeben. In dem Referentenentwurf einer „Verordnung Auf das gesamte Jahr 1973 gesehen dürften sich über Qualität und Kennzeichnung wärmebehandelter die Ertragseinbußen durch das Sonntagsfahrverbot Konsummilch" ist somit keine neue Begriffsbestim- selbst dann noch in Grenzen halten und keine wirk- mung eingeführt worden. liche Existenzgefährdung zur Folge haben, wenn die Betriebe durch hohe Fremdkapitalamortisationen Eine Unterscheidung nach Erhitzungsart ist für den finanziell sehr belastet sind. Ob und ggf. nach wel- Verbraucher nach Inkrafttreten der Verordnung über chen Kriterien einzelnen besonders betroffenen Qualität und Kennzeichnung wärmebehandelter Kon- Unternehmen ein Härteausgleich gewährt werden summilch nach wie vor gegeben, da die Art der kann, bedarf noch der näheren Prüfung. Wärmebehandlung zu kennzeichnen ist. Darüber hinaus ist in dem Verordnungsentwurf vorgesehen, daß der Buchstabe „H", der sich für die H-Milch ein- - gebürgert hat, auch in größerem Schriftbild weiter- hin gestattet ist.

Anlage 27

Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann vom 4. Dezem- ber 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Anlage 29 Müller (Bayreuth) (SPD) (Drucksache 7/1320 Frage Antwort B 22) :

Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, daß landwirt- des Parl. Staatssekretärs Logemann vom 3. Dezem- schaftliche Produkte und deren Gefrierwaren aus der Massen- tierhaltung als solche auf allen Verpackungsmaterialien mit ent- ber 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten sprechenden Kennzeichnungen den Verbrauchern im Interesse Eigen (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Frage B 24): des Tierschutzes deutlich gemacht werden? Trifft es zu, daß für mit Erdgas beheizte Unterglaskulturen in den Niederlanden ein Zuschuß aus öffentlichen Mitteln gezahlt Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit, wird, der die Preiserhöhung auch im kommenden Jahr weitge- landwirtschaftliche Produkte und deren Gefrierwaren hend ausgleicht, und um welche handelt es sich? aus der Massentierhaltung besonders kennzeichnen zu lassen. Die Qualität der Produkte hängt ent- Auf Ihre Anfrage zur Fragestunde am 28./29. No- scheidend vom Gesundheitszustand der Tiere und vember 1973 wurde Ihnen bereits mitgeteilt, daß die deren Fütterung ab. niederländische Regierung beabsichtigt, Kleinver- brauchern im Gartenbau ab 1. Januar 1974 2 Cent Fragen des Tierschutzes betreffen das lebende pro cbm verbrauchten Erdgases zurückzuerstatten. Tier und sind im Tierschutzgesetz vom 24. Juli 1972 geregelt. Diese Maßnahme kommt kleineren Gartenbaube- trieben zugute die pro Jahr 30 000 bis 170 000 cbm Zu Ihrer näheren Information ist ein Sonderdruck Erdgas abnehmen. Die ersten 30 000 cbm Erdgas aus dem Bulletin vom 28. November 1973 beigefügt. sind von der Rückerstattung ausgenommen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4365*

Die Verbilligung des Erdgaspreises in den Nieder- wirkungen haben den entscheidenden Maßstab ge- landen wird deutscherseits in der „Arbeitsgruppe bildet. Für die Bemessung der MdE bei einer Beein- Wettbewerbsbedingungen der Landwirtschaft" zur trächtigung des Sehvermögens ist die Grundlage Sprache gebracht werden. eine Tabelle, die die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft erarbeitet hat; für den Verlust des Seh- Herr Bundesminister Ertl hat die Frage in der vermögens eines Auges bei voll gebrauchsfähigem letzten Sitzung des Ministerrates am 19./20. Novem- anderen Auge ist in dieser Tabelle eine MdE um ber 1973 zur Sprache gebracht. Die Kommission der 25 v. H. angegeben, wobei berücksichtigt ist, daß EG hat die Arbeitsgruppe „Wettbewerbsbedingun- hierbei vorwiegend nur das räumliche Sehen gemin- gen in der Landwirtschaft" mit einer Prüfung beauf- dert ist. Trotzdem ist nach der VV zu § 30 BVG und tragt. Die Entscheidung der Kommission muß abge- nach den genannten „Anhaltspunkten" bei Verlust wartet werden. Über das Ergebnis werde ich Sie oder Erblindung eines Auges eine MdE um 30 v. H. unterrichten. festzusetzen, da dieser MdE-Grad beim Vergleich mit anderen Schädigungsfolgen, die nach den Grund- sätzen des BVG mit einer MdE um 30 v. H. zu be- werten sind, noch als zutreffender anzusehen ist. Als Beispiele solcher Gesundheitsstörungen seien die mittelgradige Schwerhörigkeit beiderseits, die völ- Anlage 30 lige Tonlosigkeit der Stimme, der Verlust einer Niere Antwort und die Versteifung eines großen Gelenks am Arm oder Bein in günstiger Stellung genannt. Im Hinblick des Staatssekretärs Eicher vom 5. Dezember 1973 auf auf die Auswirkungen dieser Gesundheitsstörungen die Schriftliche Frage des Abgeordneten Geisenhofer muß nach Überzeugung der Bundesregierung die (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Frage B 25) : Festsetzung einer MdE um 30 v. H. für den Verlust eines Auges als angemessen betrachtet werden. Um welchen Sozialplan für die betroffenen 700 weiblichen Arbeitskräfte der stillzulegenden Triumph-International-Werke hat sich die Bundesanstalt für Arbeit bemüht? Zu der zweiten Frage, ob der Bundesregierung be- kannt ist, daß bei Beschädigten mit weniger als Die Bundesanstalt war nach § 112 Abs. 2 Betriebs- 50 Prozent aber mindestens 30 Prozent, die nach dem verfassungsgesetz nicht mit dem Sozialplan der Bundesversorgungsgesetz anerkannt sind, bei Ab- Triumph-International-Werke befaßt. Nach meinen lehnung von Badekuren Härten entstehen, nehme Informationen haben sich Unternehmer und Betriebs- ich wie folgt Stellung: rat inzwischen auf einen alle Betriebe der Triumph- Werke umfassenden Sozialplan geeinigt. Das Bundesversorgungsgesetz (BVG) macht hin- sichtlich der Bewilligung von Badekuren nach § 11 Abs. 2 BVG wegen der anerkannten Schädigungs- folgen keinen Unterschied zwischen Schwer- und Leichtbeschädigten, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 BVG erfüllt sind. Hiernach wird Heil- Anlage 31 - behandlung gewährt, um die Gesundheitsstörungen oder die durch sie bewirkte Beeinträchtigung der Antwort Berufs- oder Erwerbsfähigkeit zu beseitigen oder zu bessern, eine Zunahme des Leidens zu verhüten, des Staatssekretärs Eicher vom 5. Dezember 1973 auf körperliche Beschwerden zu beheben oder die Fol- die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Niegel gen der Schädigung zu erleichtern. (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Fragen B 26 und 27) :

Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Einstufung bei Anträge auf Gewährung einer Badekur wegen Verlust eines Auges mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit Schädigungsfolgen werden nur abgelehnt, wenn die von 30 v. H. gerechtfertigt ist, oder beabsichtigt sie, eine Er- höhung dieses Satzes vorzuschlagen? vorstehend genannten Voraussetzungen nicht er-

Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei Beschädigten mit füllt sind. In diesen Fällen ist die Ablehnung unab- weniger als 50 v. H., die nach dem Bundesversorgungsgesetz an- hängig vom Grad der Minderung der Erwerbsfähig- erkannt sind, bei Ablehnung von Badekuren Härten entstehen, und was gedenkt sie zu tun? keit (MdE) . Schwerbeschädigte erhalten nach § 10 Abs. 2 BVG Ihre Frage, ob die Bundesregierung der Meinung Heilbehandlung auch für Gesundheitsstörungen, die ist, daß die Einstufung bei Verlust eines Auges mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 Pro- nicht als Folge einer Schädigung anerkannt sind, zent gerecht ist, beantworte ich wie folgt: soweit dieser Anspruch nicht durch Tatbestände im Sinne des § 10 Abs. 6 BVG ausgeschlossen ist. Die Alle Hundertsätze der Minderung der Erwerbs- Gewährung der Heilbehandlung für Nichtschädi- fähigkeit (MdE), die in den Verwaltungsvorschriften gungsleiden ist vom Gesetzgeber den Schwerbeschä- (VV) zu § 30 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) digten vorbehalten worden. Er ist dabei davon aus- und in den vom Bundesministerium für Arbeit und gegangen, daß Schwerbeschädigte eines besonderen Sozialordnung herausgegebenen „Anhaltspunkten Schutzes bedürfen. Dieser Grundsatz spiegelt sich in für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungs- verschiedenen Gesetzen wieder. Beschädigte mit wesen" angegeben sind, wurden aus langer Erfah- einer MdE von weniger als 50 v. H. (Leichtbeschä- rung gewonnen; Vergleiche vieler verschiedener digte) können daher Heilbehandlung — auch Bade- Gesundheitsstörungen und ihrer funktionellen Aus kuren — für Nichtschädigungsleiden nicht erhalten. 4366* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Anlage 32 gerade solche, die mit Erfolg Kommandeur waren, Antwort in herausgehobene Dienstposten zu bringen, die ihrer fachlichen Eignung entsprechen. Dies wird je- des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 6. Dezember doch nicht in allen Fällen gelingen. 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Hansen (SPD) (Drucksache 7/1320 Frage B 28): Eine Bündelung von Planstellen der Besoldungs- gruppe A 14/A 15 ist aufgrund des § 5 Absatz 5 Bun- Wann ist mit einer Novellierung von § 5 des Soldatenversor- gungsgesetzes zu rechnen, die auch Inhabern von Eingliederungs- desbesoldungsgesetz in der Fassung vom 5. August scheinen den Anspruch auf Fachausbildung gewährleistet? 1971 nicht zulässig. Die erforderliche Änderung des § 5 ,Abs. 1 Satz 1 des Soldatenversorgungsgesetzes beabsichtige ich im Rahmen einer voraussichtlich noch in dieser Le- gislaturperiode anstehenden Novellierung des Sol- Anlage 34 datenversorgungsgesetzes vorzunehmen. Antwort

des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 6. Dezember 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Anlage 33 Dr. Miltner (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Fragen Antwort B 31 und 32) : Ist die Bundesregierung bereit, die Grubenaufwandsentschä- des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 6. Dezember digung in der Untertageanlage des Gerätedepots (Heer) in Neckarzimmern wie bisher weiterzuzahlen, bis die Bundesregie- 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten rung das Problem einer sogenannten Bunkerzulage geprüft Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache und gelöst hat? 7/1320 Fragen B 29 und 30) : Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß für die Soldaten und die Zivilbediensteten die Beschäftigung in der Untertage- Treten bei der Besetzung von Planstellen nach A 15 in der anlage Neckarzimmern (einem ehemaligen Gipsbergwerk) wesent- Bundeswehr nicht dadurch Ungerechtigkeiten aut, daß ein Groß- lich beschwerlicher ist als etwa in einem kleineren Bunker? teil dieser Stellen nur für Bataillonskommandeure ausgewiesen ist und infolgedessen Offizieren mit bedeutend mehr Dienstjah- ren, die vor der Anhebung der Stellen nach A 15 Kommandeurs- Die Grubenaufwandsentschädigung für die in der zeiten mit Erfolg verkracht haben, eine Aufstiegsmöglichkeit Untertageanlage Neckarzimmern beschäftigten An- versperrt wird? gehörigen der Bundeswehr soll aufgrund besoldungs- Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, die vorhandenen Planstellen nach A 15 bei entsprechenden Dienstposten generell rechtlicher Vorschriften ab 1. Januar 1974 gekürzt als Stellen nach A 14/15 auszuweisen und sie über den Bereich werden. Die sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten der Bataillone hinaus flexibel zu verteilen, so daß mehr als bisher Offiziere, die nicht mehr als Kommandeure verwendet sind mir bekannt. Den in dieser Frage federführend werden, in den Genuß einer Planstelle nach A 15 kommen ken- nen? zuständigen Bundesminister des Innern habe ich des- halb um Zustimmung gebeten, die Grubenaufwands- Im Haushaltsplan 1973 wurden von insgesamt entschädigung über den angegebenen Zeitpunkt hin- 1 815 für Offiziere des Truppendienstes ausgewie- aus bis auf weiteres ungekürzt weiterzuzahlen. Von senen Planstellen der Besoldungsgruppe A 15 ledig- der Entscheidung des Bundesministers des Innern lich 192 für Batallionskommandeure und Inhaber ver- werde ich Sie unterrichten. gleichbarer Dienstposten bewilligt. Der Anteil der Planstellen A 15 für Bataillionskommandeure beträgt Es ist beabsichtigt, durch einen Arbeitsmediziner daher nur rund 10 %. gutachtlich untersuchen zu lassen, welche Erschwer- nisse sich im einzelnen bei einer Beschäftigung in Die verbleibenden 1 623 Planstellen der Besol- der Untertageanlage Neckarzimmern und in anderen dungsgruppe A 15, also rund 90 % der Gesamtzahl, Bunkern ergeben. Auch die Ergebnisse dieser Unter- stehen für die übrigen Offiziere, unter anderem auch suchungen werde ich Ihnen mitteilen. diejenigen zur Verfügung, die bereits früher Kom- mandeur waren. Die Aufstiegsmöglichkeiten nach A 15 sind da- durch begrenzt, daß der Anteil der A 15-Stellen am Anlage 35 gesamten Stellenumfang für Stabsoffiziere nur 15,3% beträgt. Es ist daher nicht möglich, jeden Offi- Antwort zier in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 einzuweisen oder zu einem höheren Dienstgrad zu des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 6. Dezember befördern. Ich darf darauf hinweisen, daß der Anteil 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten der Planstellen für Oberste nur 9,9 % an der Gesamt- Wittmann (Straubing) (SPD) (Drucksache 7/1320 zahl der Stabsoffiziere ausmacht. Frage B 33) : Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß durch Verdoppe- Von den 1973 in den Ruhestand versetzten Oberst- lung der Möglichkeit zu unentgeltlichen Familienheimfahrten für Angehörige der Bundeswehr mit der Bundesbahn von bisher ein- leutnanten haben 44,5 °/o die Besoldungsgruppe A 15 mal auf zweimal monatlich die hohe Anzahl von Verkehrsunfällen erreicht. Dieser Prozentsatz wird bei gleichbleiben- bei Wochenendheimfahrten von Soldaten erheblich verringert werden könnte, und ist sie bereit, die Mittel für eine zweite den Planstellenanteilen in den nächsten Jahren noch monatliche Freifahrkarte vom Standort zum Heimatort zur Ver- geringer werden, weil wegen des derzeitigen Alters- fügung zu stellen? aufbaus zunehmend auch jüngere Offiziere nach. Grundwehrdienstleistende erhalten seit dem A 15 bewertete Aufgaben wahrnehmen müssen. 1. Oktober 1970 monatlich eine Freifahrt auf der Das Bundesministerium der Verteidigung ist wie Deutschen Bundesbahn zwischen Standort und bisher bestrebt, auch tüchtige ältere Offiziere und Wohnort. Besteht auf dieser Strecke keine oder nur Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4367* eine unzureichende Eisenba hnverbindung, wird das aus Lärmminderungsgründen angeordneten Aufla- für sonstige öffentliche Verkehrsmittel verauslagte gen -- Flughöhe über 11 000 m, Radarüberwachung Fahrgeld erstattet. Hierfür wurden 1972 aus dem und zeitliche Begrenzung — wurden bei jedem die- Verteidigungshaushalt rund 43 Millionen DM ge- ser Flüge eingehalten. zahlt. Für weitere Fahrten auf inländischen Eisen- 2. Sie dürfen versichert sein, daß den Klagen der bahnen kann die etwa zum halben Fahrpreis ausge- Bürger volles Verständnis entgegengebracht wird. gebene Bundeswehrurlauber-Fahrkarte unbegrenzt Ihre Ursache — der Überschallknall ließe sich je- in Anspruch genommen werden. doch nur dann völlig ausschließen, wenn Überschall- Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß flüge in Zukunft untersagt würden. eine Verdoppelung der Freifahrten zwischen Stand- und Wohnort die Anzahl der außerdienstlichen Ver- Dies ist bedauerlicherweise nicht möglich, da diese kehrsunfälle spürbar senken kann. Diese Ansicht Flüge zur Erhaltung der Verteidigungsbereitschaft ergibt sich aus folgenden Tatsachen: der Streitkräfte zwingend erforderlich sind. 1. Die Unfallzahlen nach Einführung der Freifahrten Die derzeit bestehenden Einschränkungen errei- liegen nicht erkennbar unter denen der Vorjahre. chen die Grenze des zur Zeit zu Verantwortenden. 2. Die Mehrzahl der Kraftfahrzeugunfälle ereignet Ich bitte um Verständnis, wenn ich Ihnen keine sich nicht bei Wochenendheimfahrten, sondern Maßnahme zusagen kann, die darüber hinausgeht. während des Nachturlaubs oder der Freizeit im Standort. 3. Ein nicht unerheblicher Teil der Grundwehr- dienstleistenden benutzt für Familienheimfahrten Anlage 37 wegen fehlender oder schlechter Zugverbindun- Antwort gen nicht die Deutsche Bundesbahn, zum Teil wollen die Soldaten aber auch nicht auf die Be- des Parl. Staatssekretärs Westphal vom 5. Dezember nutzung des eigenen Kraftfahrzeugs verzichten. 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten So wurden im Jahre 1972 im Monatsdurchschnitt Köster (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Fragen B 35 nur rund 200 000 Gutscheine bei der Deutschen und 36) : Bundesbahn eingelöst. Dies ergibt eine Inan- Hält die Bundesregierung es für erforderlich, daß ein Diplom- psychologe über seine akademische Ausbildung hinaus in Zu- spruchnahme der Freifahrten zu 43 v. H. kunft besondere Qualifikationen erwerben muß, um in der Klini- Ergänzend muß darauf hingewiesen werden, daß schen Psychologie tätig werden zu können? Beabsichtigt die Bundesregierung einen Gesetzentwurf einzu sich eine Erhöhung der Zahl der Freifahrten auch bringen, der die Errichtung einer Kammer für Klinische Psycho- negativ auf die Bereitschaft der Soldaten, sich auf logen vorsieht? kürzere Dienstzeiten, d. h. also zum Beispiel auf 2 Jahre, zu verpflichten, auswirken könnte. Schon Zu Frage B 35: die jetzige Regelung, die für Soldaten auf Zeit nur Bei der Vorbereitung eines Entwurfes für ein die Ausgabe ermäßigter Fahrkarten ermöglicht, ist Gesetz über den Beruf des nichtärztlichen Psycho- bei ihnen auf Unverständnis gestoßen. - therapeuten, die im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit angelaufen ist, wird die Frage der für die Ausübung einer Tätigkeit als nichtärztlicher Psychotherapeut oder klinischer Psy- Anlage 36 chologe notwendigen Ausbildung geprüft werden. Antwort Diese Prüfung wird sich auch darauf erstrecken, welche besonderen Qualifikationen über die akade- des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 6. Dezember mische Ausbildung als Psychologe hinaus für diese 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Tätigkeit erforderlich sind. Dr. Schwencke (SPD) (Drucksache 7/1320 Frage B 34): Ist der Bundesregierung bekannt, daß in den letzten Wochen Zu Frage B 36: ein durch Überschallflüge im Raum Nienburg, insbesondere im Raum Schessinghausen—Husum verursachter Lärm von den Be- wohnern nicht nur als störend, sondern als untragbar empfunden Die Bundesregierung beabsichtigt dies nicht. Der wird, so daß, wenn keine Änderung eintritt, in Kürze mit größe ren Demonstrationen reagiert werden wird, und was gedenkt die Bund besitzt auch keine Gesetzgebungskompetenz Bundesregierung zu tun, um den berechtigten Protesten der Bür- für Angelegenheiten die ausschließlich die Berufs- ger zu begegnen? ausübung der Angehörigen von Heilberufen betref- 1. Es ist der Bundesregierung bekannt, daß die fen. Artikel 74 Nr. 19 GG erstreckt sich nur auf die Auswirkungen des militärischen Flugbetriebes zu Zulassung zu diesen Berufen. Belastungen der Bevölkerung im gesamten Bundes- gebiet führen. Aus dem Raum Nienburg gingen im November dieses Jahres sechs Beschwerden darüber ein. Im Anlage 38 Zeitraum vom 1. September bis zum 26. November Antwort 1973 wurden dort insgesamt 40 Überschallflüge regi- striert, die im Zusammenhang mit Übungen durch- des Parl. Staatssekretärs Haar vom 5. Dezember 1973 geführt werden mußten und die sich auf Nienburg auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. und Umgebung ausgewirkt haben können (Flüge in Riedl (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Fragen B 37 Entfernungen bis zu 40 km). Die Ihnen bekannten, und 38) : 4368* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973

Ist die Bundesregierung bereit, die Zweckbindung der Bundes- verzichten (unter Vorlage des Kfz-Scheins und des Führerscheins), mittel für den kommunalen Straßenbau dahin abzuändern, daß die Reisekosten so zu verbilligen, daß ein zusätzlicher Anreiz zur davon von den Kommunen für Zwecke des öffentlichen Nah- Benutzung der Deutschen Bundesbahn und damit zur Einsparung verkehrs nicht 10 Prozent, sondern künftig 20 Prozent verwendet von Mineralkraftstoffen entsteht? werden können, und kann insbesondere die Landeshauptstadt München damit rechnen, daß sie diese Beträge zumindest fur eine Übergangszeit (1974 bis 1975) auch zur Abdeckung des Betriebs- Die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit, von kostendefizits ihrer Verkehrsbetriebe verwenden kann? der Bundesbahn zu verlangen, daß sie Autobesitzern, Trifft es zu, daß von der Landeshauptstadt München 60 Millio- nen DM zweckgebundene Bundesmittel für den kommunalen die auf die Benutzung ihres Fahrzeugs verzichten, Straßenbau nicht abgerufen wurden, und können gegebenenfalls einen besonderen Preisnachlaß gewährt. Hierfür sind diese Mittel ganz oder teilweise zur Abdeckung der steigenden Kostendeckungsfehlbeträge des Münchner Verkehrs- und Tarif- folgende Gründe maßgebend: verbundes bzw. der Verkehrsbetriebe der Landeshauptstadt München 1974 his 1975 zugewiesen weiden? 1. Für die Aufstellung der Tarife ist die Bundes- bahn selbst verantwortlich. Da sie zu kaufmänni- Zu Frage B 37: scher Wirtschaftsführung verpflichtet ist, kann sie von sich aus nicht auf Einnahmen verzichten, Es liegt nicht im Ermessen der Bundesregierung, die zur Deckung ihrer Unkosten erforderlich sind. die Zweckbindung der Bundesmittel für den kom- Die gewünschte Tarifmaßnahme könnte deshalb munalen Straßenbau abzuändern. Die Zweckbindung nur im Wege einer Auflage an die Bundesbahn dieser Mittel ist nämlich gesetzlich, und zwar im durchgesetzt werden, mit der Folge, daß ihr die Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, ausdrücklich durch den zusätzlichen Preisnachlaß eintretenden festgelegt. Eine über die von Ihnen genannten 10% Fahrgeldausfälle über den Bundeshaushalt in vol- hinausgehende Flexibilität zugunsten des ÖPNV- ler Höhe erstattet werden müßten (§ 28 a des Bun- Bereiches war bei der Beratung des Gesetzes nicht desbahngesetzes). Eine derartige Belastung der durchsetzbar. Im übrigen können die für Zwecke des Allgemeinheit könnte nicht verantwortet werden. öffentlichen Personennahverkehrs bereitstehenden Zur Bewältigung der zu erwartenden Mehrnach- Bundesmittel — selbst wenn man sie verstärken frage ist die DB im übrigen gezwungen, zusätz- könnte nicht für die Deckung von Betriebsdefi- liche Leistungen zu erbringen, die relativ hohe ziten eingesetzt werden. Das Grundgesetz läßt näm- zusätzliche Kosten erfordern. lich für Bundesfinanzhilfen an die Länder nur eine investive Verwendung zu. Die Mittel nach dem Ge- 2. Eine Sonderstellung der Autobesitzer bei Fahrten meindeverkehrsfinanzierungsgesetz sind daher aus- mit der Bundesbahn würde eine Diskriminierung drücklich für Verkehrswegeinvestitionen zweckge- aller der Reisenden bedeuten, die kein Auto bunden. Die Verwendung dieser Mittel zur Deckung besitzen und deswegen von jeher auf die Benut- laufender Betriebsdefizite im öffentlichen Nahver- zung der Eisenbahn angewiesen sind. kehr ist deshalb aus Rechtsgründen nicht möglich. 3. Angesichts des vielfältigen Tarifangebots der Zu Frage B 38: Bundesbahn ist eine besondere Fahrpreisermäßi- gung für den in Rede stehenden Personenkreis Die Programme für den kommunalen Straßenbau auch nicht notwendig. Eine Reihe von Tarifen ist werden gemäß Gemeindeverkehrsfinanzierungsge- mit attraktiven Preisnachlässen ausgestattet. Vor setz von den Ländern aufgestellt. Die Länder sind im allem für die täglichen Fahrten im Berufs- und Einsatz der Mittel für die verschiedenen Straßenbau-- Schülerverkehr, deren Umschichtung vom Kraft- projekte frei. Eine Beantwortung der Frage, ob die fahrzeug auf die Schiene erhebliche Einsparungen Landeshauptstadt München 60 Millionen DM für den von Kraftstoff zur Folge hätte, bietet die Bundes- kommunalen Straßenbau bestimmter Mittel nicht in bahn ihren Kunden besonders günstige Fahr- Anspruch genommen hat, ist deshalb erst möglich, preisermäßigungen an (Monats- und Wochenkar- wenn mir nähere Informationen vorliegen, die das ten, Netz- und Bezirkskarten), deren Vorteile Bundesverkehrsministerium von den zuständigen zahlreiche Autobesitzer längst erkannt haben. Obersten Baubehörden anfordern müßte. Für den entscheidenden Gesichtspunkt, auf den es Ihnen in Ihrer Frage ankommt, kann dies aber offen bleiben. Selbst wenn 60 Millionen Straßenbaumittel nicht in Anspruch genommen worden sind, so kön- nen diese Mittel zur Abdeckung laufender Betriebs- Anlage 40 defizite im öffentlichen Personennahverkehr aus Antwort Rechtsgründen nicht verwendet werden. Ich verweise insoweit auf meine Ausführungen in der Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 5. Dezember auf die vorherige Frage. 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Fragen B 40 und 41) :

Anlage 39 Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß sich der Bau einer Kohieverflüssigungsanlage auf Braunkohle- oder Steinkohle Antwort basis durchaus integrieren läßt in die Planungen für den Einsatz der nuklearen Prozeßwärme aus Hochtemperaturreaktoren? des Parl. Staatssekretärs Haar vom 5. Dezember 1973 Ist die Bundesregierung bereit, den unverzüglichen Bau einer kommerziellen Anlage zur Kohleverflüssigung auf Braunkohle auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Pieroth basis in Angriff zu nehmen unter Berücksichtigung der Erfahrun- (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Frage B 39): gen, die bei dem vom Bundesforschungsministerium geforderten Projekt „Entwicklung von Verfahren zur Umwandlung fossiler Ist die Bundesregierung bereit, durch Verbilligung der Bahn- Rohstoffe mit Wärme aus Hochtemperatur-Kernreaktoren" gewon- tarife für Autofahrer, die auf die Benutzung ihres Fahrzeugs nen wurden? Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 4369*

Zu Frage B 40: Die Behauptung, daß die Förderung eines durch den österreichischen „Plasmaphysiker" Karl Nowak Die Bundesregierung wird selbstverständlich dar- entwickelten Kernfusionssystems an der Ablehnung auf achten, daß bei der Errichtung von Anlagen zur der Atomindustrie scheitert, die die Entwicklungs- Kohleveredlung (Vergasung, Hydrierung) eine nach- kosten für Spaltreaktoren amortisieren möchte, ist trägliche Umstellung auf nukleare Wärmedarbietung falsch. möglich ist. Richtig ist vielmehr, daß die Bundesrepublik Deutschland die Forschung auf dem Gebiet der Plas- mafusion intensiv fördert. Im 4. Atomprogramm sind hierfür für die Jahre 1973 bis 1976 rd. 300 Mio DM Zu Frage B 41: vorgesehen. Diese Arbeiten sind innerhalb der Bun- desrepublik Deutschland und im Rahmen von Asso- Die Bundesregierung fördert bereits seit einigen ziationsverträgen mit allen Partnern in den Euro- Jahren das Projekt „Entwicklung von Verfahren zur päischen Gemeinschaften abgestimmt. Umwandlung fester fossiler Rohstoffe mit Wärme Die Bundesregierung fördert Arbeiten im Zusam- aus Hochtemperatur-Kernreaktoren". menhang mit Plänen von Herrn Nowak deshalb An diesem Projekt arbeiten Forschungsstellen der nicht, weil sie nach einer Prüfung durch sachverstän- Industrie und die Kernforschungsanlage Jülich ge- dige Gutachter zu dem Ergebnis gekommen ist, daß meinsam. der von Herrn Nowak vorgeschlagene Weg nicht zur Der Schwerpunkt der Arbeiten liegt in der Ent- Energiegewinnung durch Kernfusion beitragen kann. wicklung von Verfahrenstechniken zur Vergasung Als Österreicher hatte sich Herr Nowak zunächst von Braun- und Steinkohle. an die österreichische Bundesregierung gewandt. Da die ersten Untersuchungen positive Ergebnisse Wissenschaftliche Stellungnahmen, die die österrei- hatten, erscheint es sinnvoll, angesichts der gegen- chische Regierung einholte und die dem Bundesmini- wärtigen Situation auf dem Energiemarkt, die Nut- sterium für Forschung und Technologie bekannt sind, zung dieser Verfahren auch mit konventionellen kamen zu den gleichen Ergebnissen. Wärmequellen in Angriff zu nehmen. Die Entwicklung von Verfahren zur Kohleverflüs- Zu Frage B 43: sigung wurde im Rahmen dieses Projektes nicht ver- folgt, weil dies aufgrund der 1971 unter der Feder Herr Nowak hat u. a. versucht, auch durch Ein- führung von Prof. Pichler erstellten Studie aus wirt- schalten des „Vereins gegen parlamentarischen und schaftlichen Gründen nicht vertretbar erschien. bürokratischen Mißbrauch e. V." Fördermittel des Bundesministeriums für Forschung und Technologie Demgegenüber beabsichtigt die Bundesregierung, für seine Vorhaben zu erlangen. den Bau von Pilotanlagen zur Herstellung von Kohle öl zu fördern. Die Grundlagenuntersuchungen hierzu Aufgrund der oben genannten Beurteilung sah sich sind abgeschlossen, während die Verfahrenstechnik der Bundesminister für Forschung und Technologie durch den Bau von Pilotanlagen entwickelt werden- nicht in der Lage, seine ablehnende Haltung zu än- muß. dern und öffentliche Mittel zu Lasten anderer Vor- haben für ein Projekt einzusetzen, das nach einhelli- ger Meinung der wissenschaftlichen Fachwelt keine Aussicht auf Erfolg hat.

Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 5. Dezember 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Anlage 42 Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Antwort Fragen B 42 und 43) : des Parl. Staatssekretärs Zander vom 6. Dezember Teilt die Bundesregierung die in einem Bericht des „Aschaffen- burger Volksblatts" vom 16. November 1973 wiedergegebene 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Meinung, der Bau eines nach dieser Meldung sehr umweltfreund- lichen Prototyps des von dem Wiener Plasmaphysiker Karl Wüster (SPD) (Drucksache 7/1320 Frage B 44) : Nowak entwickelten neuen Kernfusionssystems scheitere an der ablehnenden Haltung der Atomindustrie, die ihre Spaltreaktoren Trifft es zu, daß an der Kölner Universität eine große Anzahl nur deshalb weiterbauen wollte, um die Entwicklungskosten zu von Studenten, deren Anträge auf Förderung gemäß Bundes- amortisieren? ausbildungsförderungsgesetz fristgerecht und vollständig einge- gangen sind, die ihnen zustehenden Beträge vom Oktober und Ist es richtig, daß das Ministerium für Forschung und Techno- November 1973 noch nicht erhalten haben, weil die Förde- logie die Bereitstellung von Mitteln für das neue Fusionssystem rungsabteilung überlastet ist und die Anwendung des § 50 verweigert hat, obwohl der Verein gegen parlamentarischen und Abs. 4 Bundesausbildungsfürderungsgesetz unterlassen worden bürokratischen Mißbrauch e. V. in Dortmund sich intensiv für die ist, und wenn ja, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, daß Finanzierung des neuen Fusionssystems eingesetzt hatte? den Studenten schnell geholfen wird und in Zukunft solche Ver- zögerungen vermieden werden?

Zu Frage B 42: Nach dem Bericht des Ministers für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen als Die Bundesregierung teilt die in dem angespro- der zuständigen Obersten Landesbehörde für Aus- chenen Bericht wiedergegebene Meinung nicht. bildungsförderung haben an der Universität Köln 4370* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1973 etwa 300 Studenten, die bis 31. Juli 1973 ihre voll- Anlage 43 ständigen Anträge auf Weiterbewilligung beim Köl- Antwort ner Studentenwerk e. V. eingereicht und somit die Voraussetzungen des § 50 Abs. 4 BAföG erfüllt hat- des Parl. Staatssekretärs Zander vom 5. Dezember ten, entgegen der gesetzlichen Leistungsverpflich- 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten tung die bisherigen Förderungsbeträge ab 1. Okto- Dr. Evers (CDU/CSU) (Drucksache 7/1320 Frage B 45): ber 1973 nicht mehr erhalten, weil das Studenten- Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit der Bezuschussung von Internatskosten aus Bundesmitteln für Lehrlinge, die in werk aus Gründen starker Personalfluktuation und einem Internat sogenannten Blockunterricht zur Verbesserung der fristlosen Entlassung eines Sachbearbeiters die der gewerblichen Ausbildung für Handwerksberufe erhalten, des- sen Kosten bisher zu einem Drittel vom Land (siehe Baden- rechtzeitige Weiterzahlung nicht bewerkstelligen Württemberg) und zu zwei Dritteln von den Eltern zu tragen sind, sofern deren monatliches Einkommen über den Richtsätzen konnte. Die Studentenwerke sind kleine Verwal- nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz liegt, und wie be- tungskörper; in der Regel stehen ihnen daher andere urteilt die Bundesregierung den Vorschlag, die Lehrlingsvergü- Mitarbeiter, die sie kurzfristig zusätzlich einsetzen tung zur Deckung der Internatskosten heranzuziehen? können, nicht zur Verfügung. Internatskosten entstehen erstens beim Block- unterricht in zentralen Berufsschulen. Soweit in Sofort nach Bekanntwerden dieser Schwierigkeiten diesen Fällen keine Berufsausbildungsbeihilfe von hat die Oberste Landesbehörde das Kölner Studen- der Bundesanstalt für Arbeit nach dem Arbeitsförde- tenwerk ermächtigt, manuell Abschlagszahlungen in rungsgesetz gezahlt wird, hat der Bund keine Mög- Form von zinslosen Darlehen zu leisten. Außerdem lichkeit die Internatskosten zu übernehmen. hat sie ihr Einverständnis erklärt, daß Aushilfskräfte in erforderlichem Umfang eingestellt werden. Internatskosten können aber auch bei Lehrgängen in überbetrieblichen Ausbildungsstätten entstehen. In weiteren etwa 600 Förderungsfällen war die In diesem Fall gehören die Internatskosten zu den Weiterbewilligung nicht möglich, weil die Anträge Lehrgangskosten. Für die Kosten der Lehrgänge im nicht innerhalb der gesetzlichen Frist gestellt und Handwerk gewährt der Bundesminister für Wirt- überwiegend unvollständig waren. Sie konnten da- schaft Zuschüsse. Darüber hinaus sind Mittel für her nicht abschließend bearbeitet werden. Um aber solche Zwecke im Bundeshaushalt nicht vorgesehen. auch in diesen Fällen Härten zu vermeiden, wurde das Studentenwerk ermächtigt, kurzfristige Darlehen Ein Vorschlag, die Lehrlingsvergütung zur Dek gegen Schuldurkunde an diese Studenten auszu- kung der Internatskosten heranzuziehen, liegt mir zahlen. nicht vor. Bei einem solchen Vorschlag kommt es für die Beurteilung auf die Einzelheiten an. Falls Es ist zu erwarten, daß mit diesen Maßnahmen die mir ein solcher Vorschlag vorgelegt wird, bin ich aufgetretenen Schwierigkeiten beseitigt werden bereit zu prüfen, ob und inwieweit eine solche Her- können. anziehung gerechtfertigt ist.

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