Patriarch Und Pate Mit Hohen Summen Aus Schwarzen Kassen Hat Sich Helmut Kohl Über Jahrzehnte Die Macht in Der Union Gesichert
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Titel Altkanzler Kohl (am Dienstag vergangener Woche vor der Sondersitzung des Unionspräsidiums in Berlin): „Dies habe ich nicht gewollt“ Patriarch und Pate Mit hohen Summen aus schwarzen Kassen hat sich Helmut Kohl über Jahrzehnte die Macht in der Union gesichert. Nun erfaßt die Parteispendenaffäre um den mächtigen Altkanzler auch weitere CDU-Größen. ünfmal hat er feierlich, die rechte Gut ein Jahr nach Ende seiner letzten rer Herr nur ein paar Kontoauszüge durch- Hand zum Schwur erhoben, das Amtszeit gestand derselbe Mann: „Eine einander gebracht. Es klang ein wenig nach Fstaatstragende Bekenntnis abgelegt. von den üblichen Konten der Bundes- Erich Mielke, der vor der Volkskammer Und Millionen Deutsche hörten mit. „Ich schatzmeisterei praktizierte getrennte Kon- mit seinem gestammelten „Ich liebe, ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle tenführung erschien mir vertretbar.“ Und liebe doch alle …“ um Mitleid barmte. des deutschen Volkes widmen, seinen Nut- dann: „Ich bedauere, wenn die Folge mög- Die vielleicht größte Parteispendenaffä- zen mehren, Schaden von ihm wenden, das licherweise Verstöße gegen Bestimmungen re der Nation nur ein Versehen, eine Art Grundgesetz und die Gesetze des Bundes des Parteiengesetzes gewesen sein sollten. Kavaliersdelikt? Keinem geschadet, alles wahren und verteidigen, meine Pflichten Dies habe ich nicht gewollt.“ nicht gewollt? Doch die absurde Hoffnung, gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit Mit seiner rührseligen Entschuldigung die beliebteste Ausrede aller Stasi-Helfer gegen jedermann üben werde.“ Der gläu- am vergangenen Dienstag im CDU-Haupt- könne auch hier wirken, hielt nur kurz. bige Katholik Helmut Kohl bekräftigte die quartier in Berlin erweckte der Altkanzler Als habe es den Fall Flick nie gegeben, Formel stets: „So wahr mir Gott helfe.“ den Eindruck, als habe ein tüdeliger älte- hat Helmut Kohl, 16 Jahre lang Bundes- 22 der spiegel 49/1999 kanzler und ein Vierteljahrhundert Chef der CDU, offenbar vorsätzlich und im- mer wieder gegen Recht, Gesetz und Verfassung verstoßen, den Amtseid ge- brochen. Im sicheren Gefühl der Unangreifbar- keit hat der majestätische Herrscher Kohl nicht nur sein eigenes Lebenswerk relati- viert, sondern auch seine Partei an den Rand des politischen wie finanziellen Ruins getrieben (siehe Seite 26). Vorbei der stete Aufwind, an den sich die CDU nach acht gewonnenen Wahlen ge- wöhnt hatte. Nun wenden sich die Umfra- gen, Gerhard Schröder tritt aus dem Schat- ten des Überkanzlers. Die rot-grüne Re- gierung, vor Monatsfrist noch abgeschrie- ben, zittert nicht mehr dem SPD-Parteitag in dieser Woche entgegen, die Angst vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen weicht plötzlich Generalsekretär Geißler, Kiep (1982) der Hoffnung auf eine Chance 2000. Kohl „Eine neue Dimension“ hat Schröder saniert. Noch sind die Folgen der Affäre nicht ab- System“ getauft, inzwischen alles denk- zuschätzen. Doch schon jetzt steht fest, bar ist, zeigen Überlegungen der Fahnder dass Kohls schwarzer Dienstag von histo- in Augsburg und Frankfurt. Bei Aktio- rischer Bedeutung war. Nun ist Wirklich- nen gegen mutmaßliche Steuerflüchtlinge keit, was trotz Schröders eindrucksvollem und ihre Helfer in deutschen Banken Sieg am 27. September 1998 niemand zu waren die Ermittler 1997 auch auf eine denken wagte: Die Ära Kohl ist endgültig Stiftung von Wolfgang Röller gestoßen, vorbei und mit ihr die Bonner Republik, in damals Aufsichtsratschef der Dresdner der Demokratie offenbar gelegentlich mehr Bank. gespielt als gelebt wurde. Das Vermögen der Liechtensteiner Stif- Immer neue Fakten belegen, wie listig tung namens „Gallumena“ betrug Ende und jenseits der Gesetze das System Kohl 1993 rund 3,4 Millionen Schweizer Fran- über Jahrzehnte arbeitete. Im Schatten- ken. Er verwalte das Vermögen treuhän- FOTOS: DPA reich des ewigen Kanzlers lief es offenbar derisch für Dritte, behauptete Kohl-Freund wie geschmiert. Allein 1986/87 flossen auf Geheiß Immer neue Fakten belegen, Kohls innerhalb eines Jah- wie weit ab der Gesetze res rund 2,75 Millionen Mark aus der schwarzen das System Kohl arbeitete Kasse ab: je eine halbe Million für die Landesver- Röller damals. Der Verdacht, es sei CDU- bände Hamburg, Saarland Geld, ließ sich nicht erhärten. und Niedersachsen, die Die Fantasie der Fahnder wurde durch CDA-Sozialpolitiker beka- Reisekostenabrechnungen des CDU-Steu- men 250000 Mark für neu- erberaters Horst Weyrauch in Sachen es Mobiliar im Schulungs- Schweiz neu angeregt. Gemeinsam prüfen heim Königswinter. sie derzeit die beschlagnahmten Akten Sicher ist, dass Kohl vie- nach Hinweisen auf Liechtenstein. le seiner Extras aus dem Noch klingt es unglaublich: Helmut Kohl ominösen Topf finanzier- eine Politik-Variante von Tennisvater Peter te: Die Kanzler-Illustrierte Graf, der einst die Antrittsgelder für seine zu Silvester 1986 war Tochter Steffi im Plastikbeutel am Fiskus ihm eine Million Mark vorbei ins Ausland schleppte und dafür Schwarzgeld wert. Mal be- zwei Jahre hinter Gitter kam? Der Kanz- zahlte er so 700000 Mark ler der Bundesrepublik Deutschland und Porto für Briefe an die Par- seine einstige Regierungspartei am Ende teimitglieder, mal beglich ganz gewöhnliche Steuerflüchtlinge? er so die Hubschrauber- Ob und welche strafrechtlichen Kon- flüge zur Weihnachtssause sequenzen ernsthaft zu diskutieren sein mit seinen liebsten Mitar- werden, wird wohl erst die Detailprüfung beitern. des Systems ergeben. Staatsanwalt Jörg Was auf Kohls Konten, von Essen, Parlamentarischer Geschäfts- parteiintern schon „KoKo- führer der FDP-Fraktion, glaubt nach Rücksprache mit Experten jedenfalls: „Für Kanzler Schröder (in Paris) alle Vorstandsmitglieder, die wussten, dass Ära Kohl beendet die Rechenschaftsberichte unvollständig der spiegel 49/1999 23 Kommentar Kuckucksei im Schoß der Nato RUDOLF AUGSTEIN ohin es führt, wenn der grüne Abenteuer vor. Dabei hat Solana führen – unbeschadet irgendwelcher Außenminister Joschka Fi- durchaus eigene Erfahrungen, er war Aktionen der Nato“. Mitentworfen hat Wscher sich mit einem quasi nämlich von 1995 bis Oktober 1999 dieses Sprengstoffpapier der grüne symbolischen Beitrag an dem Krieg in Generalsekretär der Nato, die von Außenminister Joschka Fischer. Osttimor beteiligt, wird sich demnächst den Amerikanern dominiert wird. Und Hier geht es nicht um die Olympi- wieder, wie üblich ohne irgendeine auf einen Konkurrenzkampf gegen die schen Spiele, sondern um die Zertrüm- öffentliche Diskussion, entscheiden. USA würde das Unternehmen hinaus- merung aller bisher in Europa erreich- Übermütig geworden durch den Erfolg laufen. ten Errungenschaften. Die Regierung der Einführung des Euro und die knir- Die Amerikaner haben bereits in al- Schröder tut so, als wolle sie der schend funktionierende Wirtschafts- ler Deutlichkeit klargemacht, dass sie Empfehlung der Zeitung „Handels- union, sieht sich Berlin vor die Wahl im Schoß der Nato kein Kuckucksei blatt“ folgen: „Wenn die Europäer zwischen Pest und die Währungsunion Cholera gestellt. nicht ohne Not ris- Die Europäer, an- kieren wollen, dann geführt von Tony erscheint es ratsam, Blair und Jacques die Fortentwicklung Chirac, verfolgen der Sicherheitsiden- einen aberwitzigen tität nur langsam Plan: Die Europäi- voranzutreiben.“ sche Union soll eine Dies scheint die mit modernsten Mit- Regierung Schröder/ teln ausgerüstete Ar- Fischer auch anzu- mee bekommen, die streben, zumindest auch ohne das Ein- bis zu den nächs- verständnis der Nato ten Bundestagswah- in den fernsten Kri- len. Eine eindeutige sengebieten eingrei- Erklärung wird man fen könnte. Erstes von ihr wohl nicht Opfer wäre die Wäh- erwarten dürfen. rungsunion (Großbri- Zwar schätzt tannien ist ihr noch Nato-Generalsekretär nicht einmal beige- George Robertson, treten) samt Euro, die Nachfolger Solanas, ein Rüstungswett- die gesamten eu- lauf der europäischen ropäischen Aufwen- Teilnehmer in die Low-Karikatur im SPIEGEL (4/1951) daily herald dungen auf 60 Pro- Luft sprengen müsste. zent des Pentagon- Der allgemein verordnete Spar- ausbrüten wollen, dem dann eine von Etats. Mit diesen Mitteln könnten die zwang würde einer einmaligen Rüs- ihnen unabhängige nennenswerte Europäer allenfalls 10 Prozent der ame- tungsanstrengung weichen müssen, de- Streitmacht entschlüpfen würde. Sicher rikanischen Schlagkraft erzielen. Man ren Kosten noch keineswegs errechen- ist, dass die Amerikaner sich zuneh- müsse das Geld nur klüger einsetzen. bar sind, in jedem Fall aber immens mend von solch einem Europa lösen Wenn es aber einen Etatposten gibt, sein würden. Bekanntlich ist Javier So- würden. Theoretisch könnten die USA wo das Geld verschwenderisch und lana, seit sieben Wochen als Hoher Re- eine bisher vertraglich verbotene lan- sehr unklug eingesetzt wird, dann ist präsentant zuständig für die gemeinsa- desweite Raketenabwehr aufbauen. das der gesamte Rüstungskomplex. me Außen- und Sicherheitspolitik der Dieser Schritt würde sie von allen an- So aufdringlich die Vereinigten Staa- Union, ein aktiver Betreiber dieses bo- deren Bundesgenossen abkoppeln. ten als einzige verbliebene Weltmacht denlosen Unterfangens. Er sinniert be- Die Bundesregierung sieht das Di- überall auftreten: Die Nato zu unter- reits, ob sich eine EU-Armee in der lemma. In der Beschlussvorlage zum laufen, das dürfen wir, wie zu Zeiten Stärke von 150000 Mann einem Ein- EU-Gipfel dieser Woche in Helsinki des Kalten Krieges unter Stalin und satz in Osttimor oder einem Brenn- heißt es unmissverständlich: Die EU Chruschtschow, nicht einmal erwägen. punkt in Afrika entziehen könne. Ost- soll