Plenarprotokoll 12/40

Deutscher

Stenographischer Bericht

40. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: MdlAnfr 1, 2 Befragung der Bundesregierung (End- Ernst Schwanhold SPD gültige Annahme und Zeichnung eines Antw PStSekr Klaus Beckmann BMWi . . 3307B, Umweltschutzprotokolls zum Antarktis- 3308 B vertrag am 4. Oktober 1991 in Madrid; weitere aktuelle Themen) ZusFr Ernst Schwanhold SPD . . 3307D, 3308 C Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 3303 B ZusFr Franz Müntefering SPD 3308 D Monika Ganseforth SPD 3304 A ZusFr Harald B. Schäfer (Offenburg) SPD 3309 A Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 3304 B Verweisung ausbildungsplatzsuchender Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . . . 3304 D Mädchen auf überbet riebliche Ausbildungs- Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA 3304 D stätten in den neuen Bundesländern; Stellen- wert überbetrieblicher Ausbildungsstätten Franz Müntefering SPD 3304 D für die Berufsstruktur Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär MdlAnfr 5, 6 BMF 3305 A Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink FDP Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . . 3305 C Antw PStSekr BMA . . 3309 C, D , Parl. Staatssekretär BMU 3305 C ZusFr Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink FDP 3309 D Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . . 3305 D ZusFr Ernst Schwanhold SPD 3310A Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär BMU 3306 A Streichung der für die Volksrepublik China Harald B. Schäfer (Offenburg) SPD . . 3306 B vorgesehenen Entwicklungshilfe angesichts Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär der hohen Rüstungsausgaben und der Men- BMU 3306 B schenrechtsverletzungen in diesem Land Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . . 3306 D MdlAnfr 10 Hans Wallow SPD Dr. Lutz G. Stavenhagen, Staatsminister BK 3307 A Antw PStSekr Hans-Peter Repnik BMZ . 3310 C Tagesordnungspunkt 2: ZusFr Hans Wallow SPD 3310D Fragestunde — Drucksache 12/1141 vom 13. Septem- ZusFr Hans-Günther Toetemeyer SPD . 3311B ber 1991 — ZusFr Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD 3311C Ausgleichsmaßnahmen für die durch die ZusFr Thea Bock SPD 3311 D Schließung des Robotron-Büromaschinen- ZusFr SPD 3312A werks Sömmerda arbeitslos werdenden 5 000 Arbeitnehmer/innen ZusFr Ernst Schwanhold SPD 3312 C II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Verbot der Treibnetzfischerei Antw PStSekr BMFJ . . . 3319 C MdlAnfr 3, 4 ZusFr Otto Schily SPD 3319D Dietmar Schütz SPD Tagesordnungspunkt 3: Antw PStSekr BML 3313A, D a) Erste Beratung des von der Bundesregie- ZusFr Dietmar Schütz SPD 3313B, D rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- ZusFr Otto Schily SPD 3313D, 3314 B setzes zu dem Vertrag vom 19. November 1990 über konventionelle Streitkräfte in Abschluß der Überprüfung der Vorschläge Europa (Gesetz zum KSE-Vertrag) über die OK-TEDI-Mine in Papua Neu- (Drucksache 12/1133) guinea b) Erste Beratung des von der Bundesregie- MdlAnfr 11 rung eingebrachten Entwurfs eines Aus- Verena Wohlleben SPD führungsgesetzes zu dem Vertrag vom 19. November 1990 über konventionelle Antw PStSekr Hans-Peter Repnik BMZ . 3314 C Streitkräfte in Europa (Ausführungsge- ZusFr Verena Wohlleben SPD 3314 D setz zum KSE-Vertrag) (Drucksache 12/1135) Ergebnisse der Meldepflicht im Hotelge- werbe Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister AA 3320 C MdlAnfr 24, 25 Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP Katrin Fuchs (Verl) SPD 3321 D Antw PStSekr Eduard Lintner BMI . . . 3315A, B Peter Kurt Würzbach CDU/CSU 3325 A ZusFr Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP 3315A, B Ulrich Irmer FDP 3327 C Dr. PDS/Linke Liste . . . 3328 C Ablösung der Direktorin der Villa Massimo in Rom, Frau Elisabeth Wolken Vera Wollenberger Bündnis 90/GRÜNE 3329 C MdlAnfr 30 Ortwin Lowack fraktionslos 3330 B SPD Otto Schily Zusatztagesordnungspunkt 1: Antw PStSekr Eduard Lintner BMI . . . 3315 D Aktuelle Stunde betr. wohnungspoliti- ZusFr Otto Schily SPD 3315D sches Konzept der Bundesregierung und Wohnungsnot Zivile Nutzung des Flugplatzes Rheine Achim Großmann SPD 3331 A Hopsten nach Verlegung des Jagdgeschwa- ders 72 nach Laage/Rostock Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . . . 3332 C MdlAnfr 42, 43 Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 3333 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU Dr. Walter Hitschler FDP 3334 A Antw PStSekr Dr. Ottfried Hennig BMVg 3316B, D Iris Gleicke SPD 3335 A ZusFr Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . 3316 C Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer, Bundesmini sterin BMBau 3336 A Notwendigkeit des Einsatzes von Berater- gruppen der Bundeswehr in elf afrikanischen- Werner Dörflinger CDU/CSU 3337 C Entwicklungsländern Dieter Maaß (Herne) SPD 3338 C MdlAnfr 44 Peter Götz CDU/CSU 3339 B Hans Wallow SPD Thomas Molnar CDU/CSU 3340 B Antw PStSekr Dr. Ottfried Hennig BMVg . 3317 A Otto Reschke SPD 3341 A ZusFr Hans Wallow SPD 3317 B Josef Hollerith CDU/CSU 3342 B ZusFr Dr. SPD 3317 C Nächste Sitzung 3343 C Auswirkung der Streichung der Aufwands- zuschüsse für den Einsatz von Zivildienstlei- Anlage 1 stenden ab 1993 MdlAnfr 45, 46 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3345* A Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste Anlage 2 Antw PStSekr Peter Hintze BMFJ . . . 3318A, D Funktion des geplanten Fernmeldeturms auf ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste . 3318B, A dem Albsfelder Berg im Kreis Herzogtum Umsetzung der Forderungen des sog. Welt- Lauenburg gipfels für Kinder MdlAnfr 7 — Drs 12/1141 — MdlAnfr 47 Eckart Kuhlwein SPD Otto Schily SPD SchrAntw PStSekr Wilhelm Rawe BMPT . 3345* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 III

Anlage 3 Anlage 10 Zusammenhänge zwischen den verstärkten Entsendung von Staatsanwälten und Wirt- Vulkanausbrüchen auf der Welt schaftsreferenten zur Arbeitsgruppe Regie- rungskriminalität MdlAnfr 8 — Drs 12/1141 — Dr. Klaus Kübler SPD MdlAnfr 34 — Drs 12/1141 — SPD SchrAntw PStSekr BMFT 3345* D SchrAntw PStSekr BMJ . . 3349* C Anlage 4 Anlage 11 Förderung der Entwicklung sog. Öko-Autos Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen MdlAnfr 9 — Drs 12/1141 — Punkt aus Anlaß des Umzugs von Bundestag Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD und Bundesregierung nach Berlin; Erhöhung SchrAntw PStSekr Bernd Neumann BMFT 3346* B der Mehrwertsteuer von 17 auf 18 Prozent angesichts der finanziellen Unterstützung der Sowjetunion Anlage 5 MdlAnfr 35, 36 — Drs 12/1141 — Erleichterung der Beteiligung von im Aus- Dr. Klaus Rose CDU/CSU land lebenden Deutschen an Wahlen, z. B. SchrAntw PStSekr Manfred Carstens BMF 3350* A durch Aufstellung von Wahlurnen in Bot- schaften Anlage 12 MdlAnfr 22, 23 — Drs 12/1141 — CDU/CSU Auswirkung des Aufgabenwandels beim Zoll auf den Grenzzolldienst; rechtzeitige SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI . . 3347* A Unterrichtung der Zollbeamten über ihre Versetzung Anlage 6 MdlAnfr 37, 38 — Drs 12/1141 — Richtlinien für die Vergabe von Projektförde- Antje-Marie Steen SPD rungsmitteln der politischen Bildung SchrAntw PStSekr Manfred Carstens BMF 3350* B MdlAnfr 26, 27 — Drs 12/1141 — Dr. Jürgen Schmieder FDP Anlage 13 SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI . . 3347* D Aufkündigung des Strukturhilfegesetzes durch die Bundesregierung; Investitionsvo- lumen der aus Mitteln des Strukturhilfege- Anlage 7 setzes geförderten Vorhaben in Hannover ab Beamtenrechtliche Neuordnung für die vor 1992 dem 8. Mai 1945 erworbenen Versorgungs- MdlAnfr 39, 40 — Drs 12/1141 — ansprüche in den neuen Bundesländern SPD MdlAnfr 28, 29 — Drs 12/1141 — SchrAntw PStSekr Manfred Carstens BMF 3350* C Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup CDU/CSU SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI . . 3348* B Anlage 14 Ableistung der Wehrpflicht durch Vollappro- Anlage 8 bierte und Ärzte im Praktikum; Anrechnung der Wehrdienstzeit auf die ärztliche Weiter- Verlegung des Bundesgerichtshofs nach bildung Leipzig MdlAnfr 48, 49 — Drs 12/1141 — MdlAnfr 31, 32 — Drs 12/1141 — Dr. Cornelie von Teichman FDP CDU/CSU SchrAntw PStSin Dr. Sabine Bergmann-Pohl SchrAntw PStSekr Rainer Funke BMJ . . 3348* D BMG 3351* B

Anlage 9 Anlage 15 Anerkennung der Kompetenz des Men- Erlaß der „Verordnung über Schwimm- und schenrechtsausschusses für Beschwerdever- Badebeckenwasser" ; Übergangsfristen für fahren nach Art. 41 (Staatenbeschwerde) des die Nachrüstung von Wasseraufbereitungs- Paktes über bürgerliche und politische anlagen Rechte MdlAnfr 50, 51 — Drs 12/1141 — MdlAnfr 33 — Drs 12/1141 — Wolfgang Weiermann SPD SPD SchrAntw PStSin Dr. Sabine Bergmann-Pohl SchrAntw PStSekr Rainer Funke BMJ . . 3349* B BMG 3351* D IV Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Anlage 16 Anlage 18 Konsequenzen aus dem Gutachten über Finanzielle Aufwendungen für die Bahn- die geplante Bundesbahnstrecke Stuttgart— strecke Cloppenburg—Friesoythe und Fracht München Jahren 1985 bis-gutaufkommen in den 1990 MdlAnfr 55, 56 — Drs 12/1141 — Robert Antretter SPD MdlAnfr 58, 59 — Drs 12/1141 — Günter Graf SPD SchrAntw PStSekr Wolfgang Gröbl BMV . 3352* A SchrAntw PStSekr Wolfgang Gröbl BMV . 3353* A

Anlage 19 Anlage 17 Belästigungen durch Motorrennboote auf Tempolimit auf Autobahnen der Elbe bei Lauenburg MdlAnfr 57 — Drs 12/1141 — MdlAnfr 60 — Drs 12/1141 — Dr. Klaus Kübler SPD Eckart Kuhlwein SPD SchrAntw PStSekr Wolfgang Gröbl BMV . 3352* C SchrAntw PStSekr Wolfgang Gröbl BMV . 3353* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3303

40. Sitzung

Bonn, den 18. September 1991

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Die Sit- Die 11. Sonderkonsultativtagung, eine Umweltson- zung ist eröffnet. derkonferenz für die Antarktis, hat im Verlauf von drei Sitzungsperioden seit November 1990 diesen Auftrag umgesetzt und ein entsprechendes Instru- Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: ment erarbeitet. Es besteht aus dem erwähnten Proto- Befragung der Bundesregierung koll zum Antarktis-Vertrag und den jeweiligen An- Die Bundesregierung hat mir mitgeteilt, daß sich hängen. das Kabinett als zentralem Thema mit der endgültigen Während das Protokoll allgemeine Kriterien und Annahme und Zeichnung eines Umweltschutzproto- Verfahrensvorschriften für alle Aktivitäten von Men- kolls zum Antarktis-Vertrag am 4. Oktober 1991 in schen in der Antarktis umfaßt, enthalten die Anhänge Madrid befaßt hat. Ich nehme an, daß Staatsministerin konkrete Verhaltensanweisungen zu den Bereichen Frau Seiler-Albring darüber berichten wird. Umweltverträglichkeitsprüfungen, Schutz der antark- Ich mache darauf aufmerksam, daß im Anschluß an tischen Tier- und Pflanzenwelt, Abfallbehandlung die Behandlung dieses Themas allgemeine Fragen an und Verhütung der Meeresverschmutzung. die Bundesregierung gerichtet werden können. Besonders wichtig ist die in dem Protokoll enthal- Zunächst erteile ich der Staatsministerin das Wort. tene Bestimmung über das Verbot von Bergbauakti- vitäten in der Antarktis. Das Verbot gilt prinzipiell unbefristet. Es kann wie die anderen Bestimmungen Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin im Auswärti- des Protokolls frühestens nach 50 Jahren unter engen gen Amt: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Voraussetzungen verändert oder aufgehoben wer- Das Bundeskabinett hat in seiner heutigen Sitzung die den. bisherigen Ergebnisse der Verhandlungen über ein Gerade über diese b risante Bestimmung hat es Umweltschutzprotokoll zum Antarktis-Vertrag gebil- langwierige Verhandlungen gegeben. In einigen ligt. Gleichzeitig hat das Kabinett für die abschlie- Konferenzphasen erschien ein erfolgreicher Konfe- ßende Verhandlungsrunde, die am 3. und 4. Oktober renzausgang zweifelhaft. Nach wiederholter Modifi- in Madrid stattfinden wird, die deutsche Delegation zierung der umstrittenen Bestimmung und einer öf- ermächtigt, diese völkerrechtliche Vereinbarung fentlichen Ankündigung von Präsident Bush, den im förmlich anzunehmen und auch schon zu zeichnen. Juni dieses Jahres in Mad rid ausgehandelten Kom- Zum Verständnis darf ich folgende Erläuterungen promiß mitzutragen, ist nunmehr ein positives Ergeb- geben. Der Antarktis-Vertrag, der seit 30 Jahren in nis greifbar. Kraft ist und dem die Bundesrepublik Deutschland 1979 beigetreten ist, trifft nur einige grundlegende Nachdem vor einem Jahr noch stark divergierende Bestimmungen, z. B. über das Verbot militärischer Vorstellungen zwischen verschiedenen Staaten be- Nutzung, über die wissenschaftliche Zusammenarbeit standen hatten, wie ein Umweltschutzinstrument für und zu der Frage der Souveränitätsansprüche in der die Antarktis aussehen und welche Regelung in der Antarktis. Frage von Bergbauaktivitäten getroffen werden sollte, ist die nunmehrige Einigung im Rahmen der Umwelt- Bestimmungen zum Umweltschutz enthält er nicht. sonderkonferenz ein großer Erfolg für das antarkti- Zwar haben die derzeit 40 Staaten des Antarktis-Ver- sche Vertragssystem. trages bei ihren bisher 15 regelmäßigen Konferenzen, den sogenannten Konsultativtagungen, zahlreiche Das Protokoll stellt in seiner jetzigen Form einen Bestimmungen zum Schutz der empfindlichen antark- ausgewogenen Kompromiß zwischen den divergie- tischen Umwelt und ihrer Ökosysteme angenommen; renden Ausgangspositionen der Vertragsstaaten die 15. Konsultativtagung beschloß aber 1989, einen dar. neuen, umfassenden Ansatz zu wählen und die die Die Bundesregierung hat die Idee eines spezifi- antarktische Umwelt betreffenden Regelungen in ei- schen Umweltschutzinstruments für die Antarktis nem Instrument konzentriert und in bindender Weise von Anfang an unterstützt und die Verhandlungen zusammenzufassen. aktiv mitgestaltet. Die Ergebnisse liegen durchweg 3304 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Staatsministerin Ursula Seiler-Albring nahe bei den von uns vertretenen Positionen. Das gilt bei jedes Schiff über 100 Passagiere und fast die glei- auch für die Frage des Bergbauverbots, auch wenn che Größenordnung an Besatzungsmitgliedern hat, sich die Bundesregierung in diesem Punkt bei den wie uns das Wirtschaftsministe rium mitgeteilt hat. Verhandlungen für ein dauerndes Verbot ausgespro- Wenn allein aus der Bundesrepublik der Tourismus in chen hatte. die Antarktis solch einen Umfang erreicht hat — bei Wir wollen das Protokoll auch bereits am 4. Oktober aller Vorsicht, die dabei natürlich an den Tag gelegt zeichnen und zügig in Kraft gesetzt sehen. wird —, ist das ein Unding. Ich meine, der Zugang zur Das Konferenzergebnis setzt im übrigen auch ein Antarktis sollte auf die Wissenschaft beschränkt wer- gutes Vorzeichen für die am 7. Oktober in Bonn be- den. Meine Frage: Wie weit ist es gelungen oder ist ginnende 16. reguläre Konsultativtagung der Antark- inzwischen das Interesse daran vorhanden, auch den Tourismus in die Antarktis zu verbieten? tisvertragsstaaten. Staatsministerin im Auswärti- Frau Ursula Seiler-Albring, Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: gen Amt: Frau Kollegin, es gab zwei Themen, die im Staatsminister, ich bedanke mich für diesen Bericht. Rahmen der 11. Sonderkonsultativtagung zwar auf Ich bitte nunmehr um Fragen zu diesem Bereich. — der Tagesordnung standen und behandelt wurden, Frau Abgeordnete Ganseforth, bitte schön. bei denen es aber noch nicht zu endgültigen Ergeb- nissen gekommen ist. Es ist einmal das System der Monika Ganseforth (SPD): Frau Staatsministerin, antarktischen Schutzgebiete und dann der Bereich, ich finde es sehr erfreulich, daß die Verhandlungen der von Ihnen angesprochen worden ist, der Antark- jetzt zu einem guten Ende gekommen sind. Die Bun- tistourismus. Beide Themen stehen auf der Tagesord- desregierung war ja vor vielen Jahren etwas zöger- nung der 16. Konsultativtagung in Bonn vom 7. bis lich, was die Ausbeutung der Antarktis und den Ant- 18. Oktober. Ich darf Ihnen die Positionen der deut- arktisvertrag betraf. Aber das hat sich geändert. Dann schen Bundesregierung dazu vortragen. Wir haben sie gab es noch Probleme mit Japan und schließlich mit noch nicht abschließend behandelt, aber die Überle- den USA. Es ist also sehr erfreulich, daß es jetzt so weit gungen bewegen sich in folgende Richtung: mög- gekommen ist. lichst weitgehende gegenseitige Unterrichtung der Wichtig bei einem solchen Vertrag ist, daß auch ent- Antarktisstaaten über touristische Aktivitäten, Füh- sprechende Kontrollorgane eingerichtet werden und rung von Touristengruppen nur durch gut ausgebil- daß eine Haftung z. B. von Ölunfällen oder anderen dete und erfahrene Führer, st rikte Anforderungen an Problemen, die auftauchen, vorgesehen wird. Im letz- die Ausrüstung dieser Gruppen unter dem Gesichts- ten Jahr war bei einer Forschungsstation Heizöl aus- punkt der Sicherheit und der Umweltverträglichkeit, gelaufen. Wir wissen, daß es in der Antarktis einige strikte Haftungs- und Versicherungsregelung für hundert Jahre braucht, bis das Öl wieder abgebaut ist. Touristen und Ausflügler. Ich mache aus meiner Mei- Es geht also um Haftungsfragen, um Streitschlich- nung dazu keinen Hehl, daß es sicherlich am sinnvoll- tungsverfahren usw. Es soll ein Umweltkomitee ein- sten wäre, wenn die Antarktis ganz der wissenschaft- gerichtet werden. Wie weit hat dieses Umweltkomitee lichen Forschung überlassen werden könnte. wirklich die Möglichkeit, Streitschlichtung zu betrei- ben und einzugreifen? Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- geordneter Jungmann. Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin im Auswärti- gen Amt: Frau Kollegin, Inspektionen sind vorgese- Horst Jungmann (Wittmoldt) (SPD): Frau Staatsmi- hen, während die Fragen der Haftung und der ent- nisterin, habe ich Sie richtig verstanden, daß die Um- sprechenden Ansprüche genau wie die anderen Fra- weltvereinbarungen nur als Anlage zum Protokoll ge- gen des Instrumenta riums, die Sie hier aufgeworfen geben werden? Können Sie mir dann sagen, welche haben, noch geklärt werden müssen. Diese Probleme völkerrechtliche Verbindlichkeit diese Anlagen zum werden in der darauffolgenden Verhandlungsrunde Protokoll haben? noch zu bearbeiten sein. Beinhaltet das Verbot des Bergbaus auch ein Ver- bot der Ölausbeutung in der Antarktis? Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Weitere Fragen? — Bitte sehr, Frau Abgeordnete. Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin im Auswärti- gen Amt: Die Anlagen haben die gleiche völkerrecht- Monika Ganseforth (SPD): Ich habe noch eine liche Verbindlichkeit. zweite Frage. Ich finde es erfreulich, daß jetzt das Die Frage der Ölausbeutung wird in der gleichen Außenministerium zuständig ist, nicht mehr — wie Weise geregelt wie die anderen Bergbauaktivitäten. noch vor kurzer Zeit — das Wirtschaftsministe rium, Es gibt also eine frühestmögliche Revision nach was ein bißchen eine Schieflage gegeben hat. Besser 50 Jahren. wäre noch, wenn das Umweltministerium stärker mit eingebunden wäre. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Keine Ich möchte auf eine Aussage zurückkommen, die weiteren Fragen zu diesem Bereich? — Dann können das Wirtschaftsministe rium noch im Sommer zum wir zu anderen Themen übergehen. Tourismus gemacht hat. Wie weit ist vorgesehen, den Herr Abgeordneter Müntefering, bitte schön. Tourismus in die Antarktis zu unterbinden? In der letzten Saison haben allein aus der Bundesrepublik Franz Müntefering (SPD): Meine Frage betrifft das vier oder fünf Gesellschaften Reisen in die Antarktis Ressort des Bundesfinanzministers. Die Bundesregie- angeboten, soviel wie ich weiß, mit acht Schiffen, wo- rung hat durch ihre Bundesbauministerin ein Pro- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3305

Franz Müntefering gramm für den Wohnungsbau verkünden lassen, das Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär beim Bun- — auch in Zahlen quantifiziert — gestern über die desminister der Finanzen: Herr Präsident, ich möchte Medien bekanntgegeben worden ist. Ich frage den dem Kollegen Müntefering sagen, daß die Bundesre- Bundesfinanzminister, ob er heute im Kabinett dazu gierung eine Meinung hat. Diese eine Meinung wird sein Ja gegeben hat oder wann denn das Ja zu den die Bundesbauministerin gleich darlegen. Vorschlägen zu erwarten ist. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Gibt es Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Es ant- weitere Fragen? — Herr Abgeordneter Jungmann. wortet der Staatssekretär Carstens. Bitte schön. Horst Jungmann (Wittmoldt) (SPD): Der Bundesmi- nister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär beim Bun- hat in der vergangenen Woche öffentlich angekün- desminister der Finanzen: Herr Präsident, wenn ich digt, eine Deponieabgabe für Hausmüll, für Industrie- die Tagesordnung richtig kenne, gibt es zu diesem müll und für belasteten Müll zu erheben. Ist es allge- Thema ja noch eine Aktuelle Stunde. Zu der Frage, meine Auffassung der Bundesregierung, daß zu dem die hier aufgeworfen wurde, wird dann auch die Bun- jetzt beschlossenen dualen Konzept der Müllbeseiti- desbauministerin sicherlich Stellung nehmen. gung noch eine Deponieabgabe hinzukommen soll? Das Kabinett hat vor einigen Wochen — ich glaube Oder war das eine Ankündigung des Umweltmini- mich richtig zu erinnern, wenn ich sage, daß es im Juli sters, die ohne Abstimmung mit der Bundesregierung gewesen ist — beschlossen, eine Wohnungsbaukon- erfolgte? zeption vorzulegen, die sehr bald auch offiziell seitens der Bundesregierung vorgelegt werden wird. In den Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Bitte sehr, letzten Tagen hat die zuständige Ministerin schon Herr Staatssekretär. Teilaspekte dieses Vorhabens dargelegt. Ich bin si- cher, daß sie das in der Aktuellen Stunde gleich noch Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär beim Bun- weiter ausführen wird. desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit: Herr Kollege, wir haben in der Koalitionsver- einbarung zur Vorstellung unseres geschlossenen ab- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Die Inter- pretation der Geschäftsordnung ist richtig, daß The- fallwirtschaftlichen Konzepts darauf hingewiesen, daß es bei diesem men, die in der weiteren Tagesordnung behandelt integrierten abfallwirtschaftlichen mehrere Bausteine gibt. Dazu hat auch im- werden, in dieser Regierungsbefragung nicht ange- Konzept mer die Abfallabgabe gehört. Hierzu ist der Diskus- sprochen werden sollen. Mir war im Moment nicht bekannt, daß es zu diesem Thema eine Aktuelle sionsentwurf vorgestellt worden. Dieser Diskussions- Stunde gibt. entwurf wird natürlich noch mit allen betroffenen Be- teiligten ausdiskutiert. Bitte schön, Herr Abgeordneter Müntefering. Der derzeitige Vorschlag besagt, daß wir eine breite Bemessungsgrundlage für eine solche Abfallabgabe Franz Müntefering (SPD): Das ist richtig, Herr Prä- mit dem Ziel vorsehen, Abfall zu vermeiden, d. h. sident, aber die Aktuelle Stunde bet rifft den Woh- letztendlich denjenigen zu einer Abfallabgabe zu nungsbau. Da ist die Bundesbauministerin gefragt. zwingen, der nicht vermeidet, und um so mehr Abga- Ich habe aber das Finanzministerium gefragt, wie ben zu erheben, je mehr Abfall — auch toxischer Ab- seine Position dazu eigentlich aussieht. Deshalb doch fall — anfällt. Der derzeitige Vorschlag umfaßt den noch einmal meine ergänzende Frage: Ist das, was Bereich vom Hausmüll bis zum Klärschlamm und be- gestern als Teil des gesamten wohnungspolitischen zieht alle Abfälle, unterschieden nach Schadstoffge- Konzepts bekanntgegeben worden ist, schon mit dem halten, ein. Wer Abfall vermeidet, ihn also nicht depo- Bundesfinanzminister abgestimmt worden? niert, muß dann selbstverständlich auch keine Abf all- abgabe bezahlen. Dies ist der Diskussionsstand, und Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Zunächst dies hat der Bundesminister am letzten Freitag der einmal möchte ich feststellen, Herr Abgeordneter Presse vorgestellt. Müntefering, daß der Gesamtzusammenhang so of- fensichtlich ist, daß ich es dem Staatssekretär des Fi- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Eine wei- nanzministeriums freistelle, ob er darauf antworten tere Frage? — Herr Abgeordneter Jungmann, bitte will oder nicht; denn die Aktuelle Stunde — beantragt schön. von der SPD-Fraktion — heißt: Wohnungspolitisches Konzept der Bundesregierung und Wohnungsnot. Horst Jungmann (Wittmoldt) (SPD): Herr Staatsse- kretär, können Sie mir dann einmal erklären, wie der Nun wird der Fachmann für Wohnungsbaufragen Endverbraucher zur Müntefering natürlich wissen, daß zu einem solchen Abfallvermeidung beitragen Konzept selbstverständlich auch die Finanzierung ge- kann, wenn das duale System noch nicht eingeführt hört, d. h. daß es von der Thematik her schon eine ist, und wie er sich davor schützen kann, den Haus- Einheit ist. müll zu vermehren? Wie ist das mit der Deponieab- gabe zu vereinbaren? Am Ende zahlt dann ja wieder (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Der derjenige, der am Schluß der Kette steht und nicht viel Präsident beantwortet die Frage! Etwas ganz zur Müllvermeidung beitragen kann, es sei denn, es Neues!) wird ein System eingeführt, das Müllteilung vorsieht. Jetzt frage ich den Staatssekretär beim Bundesfi- Dann ist aber immer wieder der Verbraucher gefragt. nanzminister, ob er trotz dieser Interpretation bereit Bei der Industrie, die Verpackungen vermeiden ist, eine Antwort zu geben, oder nicht. müßte, setzen Sie überhaupt nicht an. 3306 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär beim Bun- — Im Grunde genommen haben Sie nur eine Frage. desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Ich cherheit: Ich denke, daß Sie entweder das System überlasse es Ihrer Großzügigkeit! Machen noch nicht zur Kenntnis genommen haben oder nicht Sie es doch, wenn es der Wahrheitsfindung begriffen haben, daß wir die bislang bestehende Ver- dient!) antwortung des Produzenten bis zum Werktor, des — Einverstanden. Händlers, des Konsumenten und des Entsorgers nun nicht mehr teilen wollen; es soll also nicht jemanden geben, der nur für die Entsorgung zuständig ist. Wir Harald B. Schäfer (Offenburg) (SPD): Angesichts binden unter der Philosophie der neuen Produktver- der Tatsache, daß Sie zur wahrheitsgemäßen Aussage antwortung den Produzenten in die gesamte Verant- verpflichtet sind, Herr Staatssekretär, wortung für den Abfall mit ein. (Parl. Staatssekretär Bernd Schmidbauer: Von dieser Philosophie her sieht jetzt die Verpak- Darauf brauchen Sie mich nicht hinzuwei kungsverordnung als wesentliches Element Rück- sen, Herr Kollege!) nahme und Pfandpflicht vor. In der Verpackungsver- frage ich Sie, als Baden-Württemberger, ob Ihnen die ordnung ist vorgesehen, daß sich die Indust rie, der Lektüre der „Stuttgarter Zeitung" vom Montag dieser Produzent, eines Dritten bedienen kann. Hier sind Woche entgangen ist, wo die Kritik von Herrn Vetter kräftige Korsettstangen der Kontrolle durch die Ver- sehr breit abgehandelt worden ist. packungsverordnung eingesetzt. Dies bedeutet am Ende, daß wir keinen Abfall haben, sondern einen Wertstoff. Dieser Wertstoff kommt nicht auf die Depo- Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär beim Bun- nie. Damit kann natürlich jeder durch Sortieren, durch desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- Wertstoffauslese mit dazu beitragen, daß die Depo- cherheit: Herr Kollege Schäfer, ich will Ihnen nicht niekosten oder die Abfallabgaben für ihn entspre- sagen, ob ich die Montagslektüre mit der Zeitung, die chend niedrig ausfallen. So kann der Entsorgungs- Sie eben nannten, begonnen oder beendet habe. Ich pflichtige die Abgaben umgehen. habe diesen Artikel am Montag mit Sicherheit nicht Ich will noch einmal sagen: Uns kommt es nicht dar- zur Kenntnis genommen. auf an, Geld einzunehmen. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Na, —Ich frage Sie auch nicht nach Ihrer Zeitungslektüre, na, na!) Herr Kollege Schäfer. Uns kommt es darauf an, eine Lenkungsabgabe auf Wenn das zur Wahrheitsfindung beitragen soll, den Weg zu bringen. müssen Sie es schon präzisieren; dann aber vielleicht außerhalb dieses Raumes. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Es geordneter Schäfer (Offenburg) möchte eine Frage steht ja im Protokoll!) stellen. Bitte sehr.

Harald B. Schäfer (Offenburg) (SPD): Herr Staatsse- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Wenn die kretär, teilen Sie oder — wenn nicht — wie bewerten Herren das vielleicht an anderer Stelle klären würden Sie die harsche Kritik des baden-württembergischen und Sie freundlicherweise die Informationen dem Umweltministers Vetter an der im Gesetzentwurf aus Herrn Staatssekretär mitteilen würden, können wir dem Hause Töpfer vorgesehenen Deponieabgabe für weitermachen. Hausmüll, die, so der baden-württembergische- Um- Herr Abgeordneter Jungmann. weltminister, überhaupt keine vermeidende Len- kungswirkung entfalten würde? Horst Jungmann (Wittmoldt) (SPD): Herr Präsident, zu einem anderen Bereich! Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit: Ich kenne die Äußerungen des Kollegen Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Aber Vetter, was den Hausmüll bet rifft, so nicht. Ich kenne selbstverständlich, sonst hätten Sie auch keine Frage andere Aussagen, und ich bin sicher, daß wir, wenn im mehr. Zuge des Verfahrens über diese Abfallabgabe disku- tiert wird, auch berechtigte K ritik entgegennehmen Horst Jungmann (Wittmoldt) (SPD): Ich frage die und entsprechende Ausführungen dazu machen wer- Bundesregierung, ob sich das Bundeskabinett heute den. mit der Aussage des Staatsministers Stavenhagen Mir ist dies nicht bekannt. Ich bin Ihnen aber sehr und der Aussage des ehemaligen Präsidenten des dankbar, wenn Sie mir die Fundstelle nennen, bzw. Bundesnachrichtendienstes im Zusammenhang mit mir die entsprechende Presseerklärung zukommen der Schalck-Golodkowski-Affäre und mit den unter- lassen. Dann kann ich mich mit dieser K ritik auch aus- schiedlichen Aussagen, die dazu hier gemacht wor- einandersetzen. den sind, beschäftigt hat. Es war ja in den Zeitungen zu lesen, daß es jetzt angeblich, Herr Staatsminister, Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Weitere schriftliche Unterlagen gibt. Ich möchte gerne wissen, Fragen zu diesem Bereich sehe ich nicht. ob sich das Kabinett damit befaßt hat und ob es zu- (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: trifft, daß jetzt durch schriftliche Unterlagen erwiesen Doch!) ist, daß Sie nicht die Unwahrheit gesagt haben. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3307

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Wer ant- werden Zuschüsse für Investitionen der gewerbli- wortet für die Bundesregierung? — Herr Staatsmini- chen Wirtschaft zur Errichtung, Erweiterung, Umstel- ster Stavenhagen selber, bitte schön. lung oder grundlegenden Rationalisierung von Be- triebsstätten und für Investitionen in die wirtschafts- Dr. Lutz G. Stavenhagen, Staatsminister beim Bun- nahe Infrastruktur gewährt. Zusammen mit der Inve- deskanzler: Herr Kollege, zum ersten Teil Ihrer Frage: stitionszulage kann die Förderung p rivater Investitio- Dies war nicht Gegenstand der Beratungen des Kabi- nen bis zu 35% der Investitionskosten betragen. netts. Zweitens. Der Kreis Sömmerda ist zusätzlich Teil Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Die Papiere, die in eines regionalpolitischen Sonderprogramms im Rah- der Presse ihren Niederschlag fanden, sind Teile und men des Gemeinschaftswerks Aufschwung Ost für Anlagen des Verwaltungsermittlungsverfahrens des vom Strukturwandel besonders betroffene Regio- Bundesnachrichtendienstes, das zu einem klaren und nen. eindeutigen Ergebnis gekommen ist, das der Präsi- Drittens. In diesem Monat, im September, wird im dent des Bundesnachrichtendienstes, der heute vor Kreis Sömmerda ein vom Bundesministerium für Wirt- dem Unterausschuß zu Schalck-Golodkowski aus- schaft finanziertes Projektteam seine Arbeit aufneh- sagt, dort wohl auch darlegen wird. men. Es hat die Aufgabe, Entwicklungskonzepte für diese Region zu erarbeiten und umzusetzen. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Gibt es Viertens. Die Bundesregierung hat im Rahmen des weitere Fragen zu diesem Bereich? — Das ist nicht der Gemeinschaftswerks Aufschwung Ost die Möglich- Fall. Liegen weitere Fragen an die Bundesregierung keiten zur Durchführung von Arbeitsbeschaffungs- vor? — Dies ist ebenfalls nicht der Fall; das ist höchst maßnahmen erneut erweitert. Unter Leitung des Krei- erstaunlich. Offensichtlich herrscht allgemeine Zu- ses Sömmerda wird die Bildung einer Beschäftigungs- friedenheit. gesellschaft mit Unterstützung der Treuhandanstalt (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Herr vorbereitet. Das Unternehmen Büromaschinenwerk Präsident, Herr Präsident! Sie sind Präsident Sömmerda AG hat von der Treuhandanstalt den Auf- des Hauses, nicht einer Koalition!) trag, die Bemühungen zur Schaffung von ABM Ich muß mich jetzt mit den Fraktionen abstimmen. Plätzen durch Sachleistungen zu unterstützen. Ich kann die Sitzung bis zum Beginn der Fragestunde Fünftens. Die Attraktivität des Investitionsstandor- um 13.30 Uhr unterbrechen. Ich sehe aber, daß der tes Sömmerda wird durch Investitionen aus dem kom- erste Fragesteller da ist. Ich frage also, ob die Ge- munalen Investitionsprogramm und durch Mittel für schäftsführer damit einverstanden sind, daß wir sofort den Wohnungs- und Städtebau und für den kommu- mit der Fragestunde beginnen. Wenn Sie das nicht nalen Straßenbau gefördert. wünschen, unterbreche ich die Sitzung bis 13.30 Uhr. Sind Sie einverstanden? — Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Eine Zu- satzfrage; bitte schön, Herr Abgeordneter Schwan- Dann rufe ich mit Zustimmung der Fraktionen hold. Punkt 2 der Tagesordnungspunkte auf: Fragestunde Ernst Schwanhold (SPD): Die von Ihnen aufgezähl- — Drucksache 12/1141 — ten Maßnahmen, Herr Staatssekretär Beckmann, ha- ben sicherlich schon erste Erfolge gezeitigt. Können Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Sie dies hinsichtlich der Zahl der Arbeitsplätze und Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung der dort schon durchgeführten Investitionsvorhaben steht uns der Parlamentarische Staatssekretär- Klaus quantifizieren? Beckmann zur Verfügung. Ich rufe Frage i des Abgeordneten Schwanhold Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Ja. Wir ha- auf: ben hier sechs Investitionsvorhaben im gewerblichen Welche Maßnahmen leitet der Bundesminister für Wirtschaft Bereich. Das Investitionsvolumen beträgt 23,55 Mil- ein, um den durch die Treuhandanstalt beabsichtigten Schlie- lionen DM. Aus Gemeinschaftsmitteln sind davon ßung des ehemaligen Robotron-Werkes Sömmerda ca. 5 000 arbeitslos werdenden Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen 5,35 Millionen DM bewilligt. Das bringt zehn neue einen Ausgleich zu schaffen und die Region nicht wirtschaftlich und sichert 136 bisherige Arbeitsplätze. veröden zu lassen? Bei den Infrasturkturmaßnahmen, die auch zu die- Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort. sem Bereich zählen, haben wir zwei Maßnahmen vor. Hier ist das bewilligte Investitionsvolumen 5,64 Mil- Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- lionen DM, davon 3,38 Millionen DM aus der Gemein- desminister für Wirtschaft: Herr Präsident! Herr Kol- schaftsaufgabe. lege Schwanhold, die notwendige Umstrukturierung der Wirtschaft in den neuen Ländern kann erfolgreich Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Eine Zu- nur durch einen breiten Strom p rivater und öffentli- satzfrage, bitte schön. cher Investitionen bewältigt werden. Mit dem Eini- gungsvertrag und dem Gemeinschaftswerk Auf- Ernst Schwanhold (SPD): Können Sie die Auswir- schwung Ost hat die Bundesregierung hierfür umfas- kungen in der Region insgesamt hinsichtlich der Ar- sende und wirksame Hilfe bereitgestellt. Die wichtig- beitsplätze quantifizieren, die vor der Vereinigung sten regionsspezifischen Hilfsangebote sind: oder vor der Schließung des Werkes bestanden ha- Erstens. Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ben? Wie sieht hinsichtlich der Zahl der Arbeitslosen Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur die prozentuale Bewertung im Kreis Sömmerda aus? 3308 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Wir haben Möglichkeiten ausschöpfen, um rechtzeitig und um- die traurige Tatsache zu verzeichnen, daß die Ent- fangreich über ihre Entscheidungen die jeweils poli- wicklung des Unternehmens Büromaschinenwerk tisch Zuständigen in den Ländern zu informieren und Sömmerda AG in den vergangenen Monaten außer- notwendige Begleitprozesse abzustimmen. Gesetzli- ordentlich negativ gewesen ist. Wir hatten einen dra- che Änderungen im Hinblick auf die Aufgabenstel- matischen Umsatzeinbruch. Seit Monaten wird lung der Treuhandanstalt sind deshalb nicht notwen- durchschnittlich nur ein Zehntel des geplanten Um- dig. satzes realisiert — als Stichwort nenne ich hier nur den Wegfall des RGW-Marktes — , und wir haben hier Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Eine Zu- die fehlende Wettbewerbsfähigkeit für die Hauptpro- satzfrage, bitte schön. dukte PC und Drucker. Deshalb stuft die Treuhandan- stalt dieses Unternehmen als nicht sanierungsfähig Ernst Schwanhold (SPD) : Darf ich Ihrer Antwort ein und sieht eine Abwicklung im Sinne der stillen entnehmen, daß die Bundesregierung es zuläßt, daß Liquidation vor. Der Beschäftigtenstand per 1. Juli von seiten der Treuhandanstalt sehr wohl durch betrug 7 000 Arbeitnehmer. Schließung einzelner Bet riebe negative Strukturpoli- Die Bemühungen, von denen ich eben sprach, Be- tik und Regionalpolitik gemacht wird, wie am Beispiel strebungen von Land, Kreis, Kommune und Treu- Sömmerda eben dargelegt worden ist, daß der gesetz- handanstalt, laufen jetzt, was den Arbeitsmarktsektor liche Auftrag postive Struktur- und Regionalpolitik betrifft, auf ein Maßnahmenbündel hinaus, das fol- allerdings nicht erlaubt? gende Elemente aufweist: Erhalt von 500 Arbeitsplät- zen aus dem bisherigen Kernbereich, d. h. neue Pro- Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Nein, das ist keineswegs die Auffassung der Bundesregierung. Die duktionslinien durch Investoren aus der Computer- Bundesregierung geht davon aus, daß die Treuhand- branche, aktive Industrieansiedlung auf dem Unter- anstalt ihre Entscheidungen an betriebswirtschaftli- nehmensgelände für rund 1 500 Arbeitsplätze bis chen Kategori Ende 1993, Flankierung durch Gesellschaften für Ar- en orientiert, wobei sie natürlich auch regional- und strukturpolitische Aspekte mit einbe- beitsförderung und Beschäftigungsstrukturentwick- lung. Das habe ich eben schon angedeutet. Wir hof- zieht. Das ergibt sich daraus, daß sie diese Maßnah- men auch mit den zuständigen Länderregierungen fen, daß wir mit diesen Maßnahmen die beabsichtigte bespricht. Schließung des Büromaschinenwerkes Sömmerda AG in etwa sozialverträglich abfedern können. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Weitere Zusatzfragen? — Bitte. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Weitere Fragen gibt es zu diesem Bereich nicht. Ernst Schwanhold (SPD) : Wie können Sie sich die Dann rufe ich die Frage 2 des Abgeordneten Antwort „Nein" vor dem Hintergrund erklären, daß Schwanhold auf: Maßnahmen der Treuhandanstalt dazu führen wer- den, daß es sowohl im Werftenbereich als auch im Beabsichtigt der Bundesminister für Wi rtschaft ein Gesetz zu erarbeiten, die regionale Strukturpolitik als eine Aufgabe der Bereich der Textilindustrie als auch im Bereich der Treuhandanstalt festzusetzen, damit nicht weiterhin strukturbe- chemischen Industrie als auch im Bereich des Braun- stimmte Betriebe ohne Ausgleichsmaßnahmen in den neuen kohle- und Kalibergbaus zu erheblichen strukturellen Bundesländern geschlossen werden? und regionalpolitischen Veränderungen durch Abbau von Arbeitsplätzen und durch Schließungen kommt, Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege und dies angesichts der von Ihnen vorher gegebenen Schwanhold, die Bundesregierung hat nicht die Ab- Antwort? sicht, ein Gesetz zu erarbeiten, die regionale Struk- turpolitik als eine Aufgabe der Treuhandanstalt fest- Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Die Bundes- zusetzen. Regionale Strukturpolitik ist, wie Sie wis- regierung, Herr Kollege Schwanhold, hat es nicht zu sen, nach dem Grundgesetz Aufgabe der Länder. Der vertreten, daß wir es hier mit Bet rieben zu tun haben, Bund wirkt an dieser Länderaufgabe gemäß Art. 91 a deren Existenz durch 40 Jahre sozialistische Mißwirt- des Grundgesetzes mit. Diese Aufgabe kann der Staat schaft gefährdet ist. Die Bet riebe waren personell in auch nicht teilweise an die THA abgeben. den meisten Bereichen überbesetzt — das ist eine Tat- sache, an der man nicht vorbeikommt — , die Produkte Mit der am 14. März 1991 verabschiedeten Grund- veraltet und die Produktionsstätten verschlissen. Vor satzvereinbarung zwischen der Bundesregierung und diesem Hintergrund muß man die betriebswirtschaft- den Ministerpräsidenten der neuen Länder zur Zu- lichen Entscheidungen der Treuhandanstalt sehen. sammenarbeit von Bund, neuen Ländern und Treu- handanstalt ist die enge Zusammenarbeit bzw. der Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- notwendige enge Informationsaustausch der Treu- geordneter Müntefering hat um eine Zusatzfrage ge- handanstalt mit den Ländern vereinbart. Durch die beten. Treuhandwirtschaftskabinette, aber auch durch die Beiräte bei den Niederlassungen sind die Vorausset- Franz Müntefering (SPD): Sieht die Bundesregie- zungen gegeben, diese Vereinbarungen umzuset- rung die Länder, die nach Ihrer Meinung für die zen. Strukturpolitik zuständig sind, denn in der Lage, orga- Die Treuhandanstalt, die unter betriebswirtschaftli- nisatorisch und finanziell dieser Aufgabe gerecht zu chen Kategorien entscheidet, wird so weit wie mög- werden, die entsprechenden Analysen zu erstellen lich regionalpolitische Aspekte berücksichtigen. Sie und Konzepte für eine konstruktive Strukturpolitik zu wird entsprechend der Grundsatzvereinbarung alle entwickeln, oder in welcher Weise ist die Bundesre- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3309

Franz Müntefering gierung bereit, die Länder konzeptionell, organisato- Horst Seehofer, Parl. Staatssekretär beim Bundes- risch, finanziell über das bisher Bekannte hinaus zu minister für Arbeit und Sozialordnung: Frau Kollegin, unterstützen? bis Ende Juli 1991 nahmen 19 241 Bewerber ihre Aus- bildung in einer überbetrieblichen Einrichtung im Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sinne von § 40 c Abs. 4 des Arbeitsförderungsgesetzes Müntefering, in der Tat war es zu Beginn der Wieder- auf, darunter 7 427 Mächen und junge Frauen; das errichtung der neuen Bundesländer verwaltungstech- sind 38,8 %. Danach sind bis jetzt weibliche Bewerber nisch und administrativ, insgesamt gesehen, außeror- nicht überdurchschnittlich häufig auf überbetriebli- dentlich schwierig, die gewünschten Ergebnisse zü- che Einrichtungen zur Aufnahme oder Fortsetzung gig und zeitig zu erreichen. Mittlerweile sind die Län- ihrer Berufsausbildung verwiesen worden. Ende Au- derregierungen und ihre entsprechenden administra- gust 1991 waren allerdings 14 347 weibliche Ausbil- tiven Bereiche aufgebaut. Die Bundesregierung hat dungsplatzbewerber nicht vermittelt; das war ein An- sich — damit möchte ich auf Ihre Frage kommen — teil von 57,2 % der Gesamtzahl der noch nicht vermit- organisatorisch in ganz erheblichem Maße hieran be- telten Bewerber von 25 075. teiligt. Sie hat Personal zur Verfügung gestellt, um ein Die Arbeitsämter bemühen sich, für diese nicht ver- modernes marktwirtschaftliches Verwaltungshandeln mittelten Bewerber vorrangig bet riebliche Ausbil- dort mit einzuführen. Im übrigen haben das auch die dungsplätze zu erschließen. Hierzu trägt auch das anderen Bundesländer getan. Sie hat im übrigen ein Programm der Bundesregierung zur Förderung von ganz umfangreiches finanzielles Instrumenta rium zur Ausbildungsplätzen in Kleinunternehmen in den Förderung von Strukturmaßnahmen bereitgestellt, neuen Ländern bei, das nicht zuletzt zur gezielten das Ihnen allen bekannt ist. Gewinnung von Ausbildungsplätzen für Mädchen und junge Frauen genutzt wird. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Abgeord- Soweit eine Vermittlung in einen Bet rieb nicht ge- neter Schäfer, Offenburg. lingt, wird jeder Bewerbe rin und jedem Bewerber ein Ausbildungsplatzangebot in einer überbetrieblichen Harald B. Schäfer (Offenburg) (SPD): Herr Staatsse- Einrichtung gemacht. Dies könnte dazu führen, daß kretär, durch welche Maßnahmen stellt die Bundesre- sich der Anteil der weiblichen Auszubildenden in gierung sicher, daß bei entsprechenden strukturpoliti- überbetrieblichen Einrichtungen bis Anfang Oktober schen Konzepten, Maßnahmen, Vorhaben der Treu- 1991 noch erhöht. hand von Anfang an der ökologische Gedanke nicht zu kurz kommt? Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Zusatz- frage, Frau Abgeordnete Dr. Funke-Schmitt-Rink? — Nein. Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Die Treu- handanstalt hat sich bei ihren Entscheidungen selbst- Dann rufe ich die Frage 6 der Abgeordneten Frau verständlich an den Rechtsrahmen der Bundesrepu- Dr. Funke-Schmitt-Rink auf: blik Deutschland zu halten und hierbei auch alle un- Inwieweit sieht die Bundesregierung das Angebot an über- sere ökologischen Gesetze und Verordnungen mit und außerbetrieblichen Ausbildungsstätten im Einklang mit der zukünftigen Berufsstruktur in den neuen Bundesländern? einzubeziehen. Ich denke auch, daß der Informations- fluß zwischen der Treuhandanstalt, den Ländern und Herr Staatssekretär, bitte schön. den beteiligten politischen Instanzen dazu führt, daß Horst Seehofer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die ökologischen Aspekte mit einbezogen werden. nach Mitteilung der Bundesanstalt für Arbeit unter- Soweit Klagen laut werden und die Bundesregierung scheidet sich die Struktur des Angebots an überbe- auch erreichen, versucht die Bundesregierung, diese trieblichen Ausbildungsstellen: Während bei den un- Aspekte über die ihr noch möglichen Wege — z. B. besetzten betrieblichen Ausbildungsstellen solche der über den Verwaltungsrat der Treuhandanstalt — mit gewerblichen Berufe im Bereich Metall, Textil, Land- einzubringen. wirtschaft und Bau dominierten, legten die Dienststel- len der Bundesanstalt bei der Schaffung von Ausbil- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine dungsmöglichkeiten in überbetrieblichen Einrichtun- Damen und Herren, weitere Fragen zu diesem Be- gen besonderen Wert auf solche in den Bereichen reich liegen nicht vor. Organisations-, Verwaltungs- und Büroberufe, Wa- Wir haben mit der Fragestunde etwas eher angefan- renkaufleute sowie allgemeine Dienstleistungsbe- gen, und der eine oder andere Kollege hat sich nicht rufe. darauf eingestellt. Ich bitte das Haus um Verständnis Zusammengenommen nähert sich damit die Struk- dafür, daß ich jetzt die normale Reihenfolge ein biß- tur des Ausbildungsplatzangebots mehr den Wün- chen verändere je nachdem, welche Abgeordneten da schen der Jugendlichen und der zukünftigen Berufs- sind. Da sehe ich gerade, die Abgeordnete Frau struktur in den neuen Ländern an, in der die Dienst- Funke-Schmitt-Rink ist da, der Herr Staatssekretär leistungen eine größere Bedeutung haben werden. Seehofer auch. Deswegen rufe ich den Bereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Zusatz- Frage 5 der Abgeordneten Dr. Margret Funke- frage, Frau Dr. Funke-Schmitt-Rink, bitte schön. Schmitt-Rink: Sind in den neuen Bundesländern ausbildungsplatzsuchende Dr. Margret Funke-Schmi tt-Rink (FDP): Herr Mädchen überdurchschnittlich oft auf über- und außerbetriebli- Staatssekretär, da man schon jetzt absehen kann, daß che Ausbildungsstätten verwiesen worden? im Jahre 1992 das Problem noch gravierender zum Ich erteile dem Herrn Staatssekretär das Wort. Ausdruck kommen wird, da durch die Schulzeitver- 3310 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink kürzung in einzelnen Ländern die Zahl der nachfra- Herr Staatssekretär, bitte sehr. genden Jugendlichen noch größer und das Angebot möglicherweise genauso knapp wie dieses Jahr sein Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär beim Bun- wird: Hat das Ministerium bzw. die Bundesregierung desminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit: Die schon überlegt, wie sie die Weichen stellt, um auch Achtung der Menschenrechte sowie die Rüstungsaus- dann wieder alle unterzubekommen? gaben sind neben anderen Faktoren wichtige, jedoch nicht ausschließliche Kriterien nicht nur für den Um- Horst Seehofer, Parl. Staatssekretär: Unser Ministe- fang, sondern vor allem für die Art der Zusammenar- rium ist, wie Sie wissen, nur für die überbetrieblichen beit mit Entwicklungsländern. Im Vordergrund steht Ausbildungsstellen zuständig. Für das Lehrstellenan- damit die Frage, wie trotz Defiziten bei einzelnen Rah- gebot ist ja der Bildungsminister zuständig. Ich ver- menbedingungen mit einem Land zusammengearbei- weise auf meine Antwort auf Ihre erste Frage, daß wir tet werden kann. Der Zielsetzung unserer Entwick- jedem, der auf dem normalen Arbeitsmarkt keine lungspolitik entsprechend werden alle Instrumente Ausbildungsstelle bekommt, einen Ausbildungsplatz der Zusammenarbeit daraufhin geprüft, ob sie Mög- in einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte anbie- lichkeiten bieten, Armut zu bekämpfen und/oder Um- ten. welt zu schützen, ohne entwicklungswidrige Rah- Im übrigen verweise ich auch darauf, daß der Präsi- menbedingungen zu stabilisieren. dent des Zentralverbands des Deutschen Handwerks Dem Beschluß des Deutschen Bundestags vom vor wenigen Tagen erklärt hat, daß in seinem Bereich 23. Oktober 1990 lag das gemeinsame Verständnis jeder Lehrstellenbewerber eine Lehrstelle erhalten zugrunde, daß eine begrenzte und gezielte Auswei- wird. tung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China Voraussetzungen Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Die Fra- schafft, auf eine Verbesserung der Menschenrechtssi- gestellerin wünscht keine weitere Zusatzfrage. Dann tuation hinzuwirken. Die Bundesregierung wird bei bitte der Abgeordnete Schwanhold. den bevorstehenden Regierungsverhandlungen in der kommenden Woche mit China Menschenrechts- Ernst Schwanhold (SPD): Herr Staatssekretär, an- verletzungen wie bereits bei früheren Anlässen zur gesichts der noch nicht vorhandenen Kenntnis dar- Sprache bringen. Ich konnte vor ungefähr einer über, wie sich die Wirtschaft in den Regionen entwik- Stunde im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenar- keln wird, frage ich Sie, welche gesicherten oder pro- beit in Anwesenheit des Fragestellers zu diesem gnostizierten Erkenntnisse der Bundesregierung dar- Thema breit Be richt erstatten und aufzählen, welche über vorliegen, daß die jetzt in überbetrieblichen Aus- Projektarten wir in den Regierungsverhandlungen bildungsstätten Ausgebildeten auch tatsächlich in der durchführen und welche wir unter Bezugnahme auf gewünschten Region und dem gewünschten Bereich den Beschluß des Deutschen Bundestages aussparen einen Arbeitsplatz finden. wollen. Ein zu den Rüstungsausgaben Chinas in Auftrag Horst Seehofer, Parl. Staatssekretär: Darüber lie- gegebenes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, daß gen mir keine konkreten Erkenntnisse und Prognosen sich die Bedrohungslage Chinas merklich entspannt vor. hat, so daß „auch nicht mit einer Neuauflage einer an Aufrüstung orientierten Politik gerechnet werden Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr kann". Die Bundesregierung wird die weitere Ent- Schwanhold, Sie haben nur eine Zusatzfrage. Weitere wicklung sorgfältig beobachten. Zusatzfragen liegen nicht vor. Die Rahmenplanung des Bundesministers für wirt- Ich teile dem Haus mit, daß die Frage 7 des Abge- schaftliche Zusammenarbeit für 1991 — und damit ordneten Eckart Kuhlwein im Bereich des Bundesmi- auch der Länderbetrag für China — lag im übrigen nisteriums für Post und Telekommunikation auf dem Parlament vor und wurde in der Diskussion auch Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet von der Opposition so nicht beanstandet. wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ebenfalls schriftlich beantwortet werden die Fra- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Zusatz- gen 8 des Abgeordneten Dr. Klaus Kübler und 9 des frage, bitte schön, Herr Abgeordneter Wallow. Abgeordneten Albrecht Müller aus dem Geschäftsbe- reich des Bundesministers für Forschung und Techno- Hans Wallow (SPD): Herr Staatssekretär, die Bun- logie. Die Antworten werden als Anlagen abge- desregierung hat in der letzten Zeit durch den Bun- druckt. deskanzler und durch den Bundesminister für wirt- Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbe- schaftliche Zusammenarbeit das Kriterium Abrü- reich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusam- stung/Rüstungsanstrengungen eines Landes zur Kon- menarbeit. Zur Beantwortung steht der Parlamentari- dition für die Entwicklungshilfe öffentlich forciert. sche Staatssekretär Hans-Peter Repnik zur Verfü- China ist das einzige Land, das seit den 70er Jahren gung. seine Waffenexporte gesteigert hat: nach einer Ana- lyse der Deutschen Bank von 2 % auf 4 %. Welche Ich rufe zunächst die Frage 10 des Abgeordneten Konsequenzen zieht die Bundesregierung bei den Hans Wallow auf: kommenden Verhandlungen am Montag daraus? Wie wird die Bundesregierung bei den bevorstehenden Re- gierungsverhandlungen mit der Volksrepublik China ihre An- Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Ich habe kündigung, hohe Rüstungsausgaben und Verletzung der Men- schenrechte als Kriterien für die Streichung von Entwicklungs- vorhin darauf aufmerksam gemacht, daß auch diese hilfe anzulegen, in die politische Praxis umsetzen? Fragen eine Rolle spielen werden. Wir stehen zu der Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3311

Parl. Staatssekretär Hans-Peter Repnik Aussage, daß die Kriterien Rüstung und Entwicklung Leitungsebene geführt werden, sondern sie werden in einem engen Zusammenhang gesehen werden von den zuständigen Beamten geführt. Ich hoffe, ich müssen. Das bedeutet für uns, daß wir in einer sehr konnte Ihnen heute im Ausschuß überzeugend darle- sorgfältigen Einzelfallanalyse, bezogen auf jedes ein- gen, daß wir uns sehr sorgfältig, und zwar unter Be- zelne Land, untersuchen: In welchem Verhältnis ste- zugnahme auf den Bundestagsbeschluß, wie wir das hen die Rüstungsausgaben zu den Bildungsausgaben, übrigens immer tun, vorbereitet haben. wie ist das Verhältnis von Rüstungsausgaben zu So- Ich gehe davon aus, daß das Ergebnis auch zur zialausgaben, in welchem Umfeld befindet sich ein Zufriedenheit dieses Hauses ausfallen wird. Land, d. h. liegt es in einer bedrohten oder gefährde- (Hans-Günther Toetemeyer [SPD]: Das walte ten Region oder nicht? Wir haben aber immer darauf aufmerksam gemacht, daß das nur eines von mehre- Gott!) ren Kriterien sein kann. Diese Kriterien werden einge- bracht. Bei einem fortdauernden Verstoß gegen diese Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Zusatz- Kriterien werden von uns entsprechende Konsequen- frage des Abgeordneten Jungmann. zen gezogen. Horst Jungmann (Wittmoldt) (SPD): Herr Staatsse- Wir beginnen aber erst mit dem entwicklungspoliti- kretär, Sie haben auf die Beantwortung der Fragen schen Dialog in dieser Fragestellung mit den Partner- des Kollegen Wallow verschiedene Kriterien genannt, ländern. Ich glaube, der Fairneß halber muß hinzuge- die Sie bei der Überprüfung der Vergabe von Mitteln fügt werden, daß eine kritische Auseinandersetzung im Bereich der Entwicklungshilfe anlegen werden. Da in diesen Fragen im Grunde genommen erst seit den die Regierungsverhandlungen mit China am Montag veränderten weltpolitischen Bedingungen gegeben beginnen, frage ich: Ist es zuviel verlangt, daß die ist, seit dem Wegfall des Ost-West-Konflikts. Ich kann Bundesregierung heute schon sagt, welches Ergebnis Ihnen versichern, wir werden die Chance, die sich für ihre Überprüfung gebracht hat? Sie können ja nicht uns hieraus ergibt, nutzen. erst anfangen zu überprüfen, wenn Sie in die Regie- rungsverhandlungen gehen. Sie müssen meiner Auf- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ihre fassung nach wissen, welche Kriterien China erfüllt, zweite Zusatzfrage, bitte schön. die sie sich selbst gegeben hat. Dies bet rifft Fragen der Menschenrechte und Fragen des Wehretats. Nicht nur Hans Wallow (SPD) : Ein weiteres Thema, auch von die Rüstungsexporte, sondern auch die Höhe des der Bundesregierung, von diesem Hause, von uns for- Wehretats eines Landes sollten dabei eine Rolle spie- ciert, ist das Thema Menschenrechte. Ist die Bundes- len. Sind Sie da bisher noch zu keinem Ergebnis ge- regierung bereit, bei den zukünftigen Verhandlungen kommen? Wollen Sie einfach in die Regierungsver- die Forderung nach Freilassung von Oppositionellen handlungen gehen und abwarten, was Ihnen die Chi- zu einem Thema dieser Verhandlungen zu machen nesen alles vorbeten, und erst dann entscheiden? bzw. weitere Kredit- und Projektzusagen davon ab- hängig zu machen? (Heiterkeit bei der SPD)

Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Wir haben Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Herr Kol- als einen von mehreren Bestandteilen der Regie- lege Jungmann, wenn Sie Ihren Kollegen Wallow fra- rungsverhandlungen den Block der Menschenrechte gen, dann wird er Ihnen bestimmt bestätigen, eingebaut. Sie werden in der nächsten Woche Gegen- (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Ich stand der Besprechungen in den Regierungsverhand- habe Sie aber gefragt, Herr Staatssekretär!) lungen mit der Volksrepublik China sein. daß wir gerade auch über solche Fragen heute mor- gen im Ausschuß intensiv diskutiert haben; übrigens Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Zusatz- in einer nicht üblichen Form: Wir haben unsere Krite- frage, Herr Abgeordneter Toetemeyer. rien, die wir erarbeitet haben, auf den Tisch gelegt. Ich habe Projekt für Projekt dargestellt, weshalb wir Hans-Günther Toetemeyer (SPD): Herr Parlamen- bestimmte ursprünglich vorgesehene Projekte nicht tarischer Staatssekretär, wird Staatssekretär Lengl die realisieren werden. Dies war ein Ausfluß unseres Ur- Regierungsverhandlungen in der nächsten Woche mit teils, das wir gefaßt haben. Es war ein Ausfluß des China führen? Falls das der Fall sein sollte: Ist sicher- Abgleichens unserer Vorstellungen mit den Vorga- gestellt, daß er angesichts seiner freundlichen Umar- ben, die uns der Deutsche Bundestag gegeben hat; mung des chinesischen Ministerpräsidenten richtig d. h. wir haben schon einen sehr engen Spielraum, in vorbereitet ist, um die weitere Vergabe von Entwick- den wir eingebettet sind. Dieser Spielraum heißt: nur lungshilfe von konkreten Zusagen über Fortschritte solche Projekte in einem abgeschmälerten Umfang, bei den Menschenrechten abhängig zu machen? die direkt der Bevölkerung zugute kommen, die direkt der Umwelt dienen oder die die Wirtschaftsreform der Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Herr Kol- Volksrepulik China stärken. lege Toetemeyer, wir hatten dieses Thema ja bereits in epischer Breite im Ausschuß diskutiert. Ich möchte Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Zusatz- mich nachdrücklich auf meine Ausführungen im Aus- frage der Abgeordneten Frau Bock. schuß beziehen. Staatssekretär Lengl wird die Regierungsverhand- Thea Bock (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben lungen eröffnen. Sie wissen, auch darauf konnte ich eben gesagt, daß Sie bei Regierungsverhandlungen schon hinweisen, daß es nicht üblich ist, daß die Re- Menschenrechtsverletzungen ansprechen wollen. gierungsverhandlungen dann von Mitgliedern der Wir wissen aber alle, daß es gerade in diktatorischen 3312 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Thea Bock Systemen sehr schwierig ist, über das wahre Ausmaß weltprobleme in diesem Land mit unserer Hilfe einer von Menschenrechtsverletzungen zuverlässige Infor- Lösung zuzuführen. mationen zu bekommen. Meistens ist es ja so, daß gerade Oppositionelle, die nicht mehr im Land sind Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- — Sie wissen, daß gerade aus der Studentenbewe- geordneter Schwanhold, Sie haben das Wort. gung viele nach dem Massaker am Tiananmen-Platz das Land verlassen haben — , meistens bessere Infor- Ernst Schwanhold (SPD): Herr Staatssekretär, mationen haben, weil die Kanäle dann doch noch im- nachdem Sie die Frage des Abgeordneten Jungmann mer ins Land hineingehen. nicht in für mich ausreichender Konkretheit beant- Meine Frage: Haben Sie, um sich über die Men- wortet haben, möchte ich Sie sehr direkt fragen, wel- schenrechtsverletzungen zu informieren, Gespräche che Projekte Sie konkret angehen wollen. mit Oppositionellen, vor allen Dingen aus der Studen- tenbewegung außerhalb des Landes und auch hier in Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Es würde der Bundesrepublik, aufgenommen, um sich genau zu zu weit führen, dies jetzt in dieser Fragestunde zu informieren? offenbaren (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Unmög Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Wir haben, Frau Kollegin Bock, eine relativ breite Palette der In- lich! Dann können wir die Fragestunde ab formationen, die uns zur Verfügung stehen. Ich darf schaffen!) eine, wenngleich wohl die prominenteste Stimme hier — weil es sich um eine breite Palette handelt. Ich darf herausgreifen; es ist amnesty international. Wir berei- darauf aufmerksam machen: Im zuständigen Fach- ten uns gerade in diesen sensiblen Fragen sehr sorg- ausschuß habe ich dies getan. fältig vor und nutzen alle uns zur Verfügung stehen- (Horst Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Dann den Möglichkeiten, seien sie schriftlicher oder uns können wir die Fragestunde abschaffen!) auch mündlich vorgetragener Art. So haben wir dies gerade auch im Hinblick auf China getan, weil wir Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- wissen, was auch hier auf dem Spiel steht. geordneter Jungmann, Sie haben das Wort nicht. — Herr Staatssekretär, es wäre schon hilfreich, wenn Sie Otto Schily (SPD) : Herr Repnik, ich möchte Sie nicht darauf verzichten würden, Verweise auf Verhandlun- fragen — damit wir diese Diskussion bezogen auf gen zu geben, die dem Hause — bis auf die Fachaus- Herrn Lengl nicht fortsetzen — , ob es in Ihrem Hause schüsse — nicht bekannt sind, und sich mindestens inzwischen einen Kurs für Staatssekretäre gibt, wie die Mühe machen würden, das entsprechend zu er- man sich gegen Zwangsumarmungen zur Wehr set- gänzen. Ich wäre Ihnen dafür sehr dankbar. zen kann, (Heiterkeit) Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Herr Präsi- sondern meine Frage hat einen anderen Hinter- dent, gestatten Sie mir bitte den Hinweis, daß es un- grund. üblich ist, daß wir Regierungsverhandlungen, die na- Teilt die Bundesregierung die Ansicht des FDP-Vor- türlich nicht auf dem offenen Tisch ausgetragen wer- sitzenden Graf Lambsdorff, daß sich die Volksrepu- den, jetzt im Plenum des Deutschen Bundestages auf blik China fortlaufender massiver Menschenrechts- den Tisch legen. Ich habe mir ausschließlich deshalb verletzungen schuldig macht, teilt sie seine Auffas- erlaubt, auf den Fachausschuß zu verweisen, weil wir sung auch insofern, daß der britische Premierminister hier keine Geheimnisse haben und weil wir in der Major mit der Volksrepublik China paktiert, und wel- Vertrautheit des Fachausschusses, des Ausschusses che Maßnahmen wird die Bundesregierung- treffen, für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die Projekte er- um sich nicht einen ähnlichen Vorwurf zuzuziehen, örtert haben. wie er in diesen Bemerkungen von Graf Lambsdorff anklingt? Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich halte es, Herr Staatssekretär, für Ihre Pflicht, die notwen- Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Diese Aus- dige Vertraulichkeit auch gegenüber dem Plenum des führungen von Graf Lambsdorff sind mir nicht be- Deutschen Bundestages, soweit das notwendig ist, zu kannt. Von daher möchte ich dazu jetzt auch nicht wahren. Das ist nicht das Problem. Stellung nehmen. Es gibt nunmehr keine weiteren Fragen zu diesem Ich darf nur darauf aufmerksam machen, daß wir Bereich. unsere bilaterale Politik mit der Volksrepublik China auch in die internationale Abstimmung eingebettet Dann darf ich jetzt auf den Geschäftsbereich des haben. Wir haben uns in das eingefügt, was auf den Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und letzten beiden G-7-Gipfeln hierzu beschlossen wurde. Forsten zurückkommen. Hier steht uns der Parlamen- Wir befinden uns in diesen Fragestellungen auch mit tarische Staatssekretär Haschke zur Verfügung. der Weltbank in enger Übereinstimmung. Zunächst rufe ich die Frage 3 des Abgeordneten Deshalb kann ich eigentlich davon ausgehen, daß Dietmar Schütz auf: wir unter Würdigung der Gesamtumstände, der au- Wie beurteilt die Bundesregierung die Verwendung von bis ßenpolitischen wie der entwicklungspolitischen Um- zu 100 km langen Treibnetzen u. a. beim Thunfischfang, wenn dabei Millionen geschützter Delphine, Meeresschildkröten, stände, gegenüber der Volksrepublik China eine Poli- Robben, Haie und Seevögel getötet werden, und welche Schritte tik betreiben, die insbesondere den Ansprüchen der hat sie unternommen, um in der Europäischen Gemeinschaft armen Menschen in diesem Land gerecht wird und die und weltweit ein Verbot der Treibnetzfischerei zu erreichen? insbesondere danach trachtet, die ungeheuren Um- Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3313

Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär beim Bun- wird; hier muß eingegriffen werden. Für die Fischerei desminister für Ernährung, Landwirtschaft und in den Gewässern der Ostsee und der Nordsee gilt Forsten: Herr Kollege, mit der Entschließung 44/225 dies nicht; Delphine und Beifang können nur bei groß- der UNO vom 22. Dezember 1989 zur großflächigen flächiger Fischerei in die Netze gehen. Bei großflächi- Treibnetzfischerei, die von der Bundesregierung ger Fischerei kann es vorkommen, daß z. B. Delphine, nachdrücklich unterstützt worden ist, wurde ein wich- die auf Sauerstoff angewiesen sind, ins Netz gehen tiger Schritt getan, um schädliche Auswirkungen die- und auf diese Weise sterben müssen. ser Fischerei zu beenden. Danach soll die großflächige Treibnetzfischerei auf hoher See weltweit ab 30. Juni Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Eine wei- 1992 verboten sein. Im Südpazifik gilt das Verbot be- tere Zusatzfrage? reits seit dem 1. Juli 1991. Die Europäische Gemeinschaft hat bereits eine Dietmar Schütz (SPD): Darf ich noch einmal fragen: Reihe von Verboten für die Verwendung von Treib- Es ist doch bekannt, daß auf jeden Fall im Mittelmeer, netzen in den Gemeinschaftsgewässern des Atlantiks möglicherweise auch in der Biskaya, Delphine leben. verhängt. Auch einige Mitgliedstaaten — wie Spa- Unsere EG-Partner Frankreich und auch Portugal und nien, Portugal, Italien und Großbritannien — haben Italien fischen mit Treibnetzen. Ist dort ein solcher bestimmte Verbote erlassen, die für die Fischer des Beifang nicht möglich? Könnten wir nicht, wenn wir eigenen Landes gelten. In bezug auf das Mittelmeer selbst mit Treibnetzen fischen, auch ein Vorbild ge- sieht die Kommission der Europäischen Gemeinschaft ben, indem wir ganz auf Treibnetze verzichten, denn in Leitlinien für die Einführung einer gemeinsamen möglicherweise bringt unsere Fischerei mit den Treib- Fischereipolitik in dieser Region die schrittweise Re- netzen überhaupt nicht viel? duzierung von Fanggeräten vor, deren Verwendung für die Meeresumwelt von Nachteil ist. Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Ich habe Inzwischen hat die Kommission der Europäischen Ihnen ja bereits mitgeteilt, daß die Verhandlungen Gemeinschaft unter anderem auf Drängen der Bun- noch nicht abgeschlossen sind und die Bundesrepu- desrepublik Deutschland einen Verordnungsvor- blik Deutschland die großflächige Treibnetzfischerei schlag mit einem Verbot der großflächigen Treibnetz- auf alle Fälle mit verurteilt. fischerei vorgelegt. Dieser Vorschlag, der sich auf das gesamte EG-Meer, also alle Gewässer unter der Ho- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Eine Zu- heitsgewalt oder Gerichtsbarkeit von Mitgliedstaaten satzfrage des Abgeordneten Schily. der Gemeinschaft, bezieht und für Schiffe der Ge- meinschaft auch in externen Gewässern gelten soll, wird zur Zeit in den Gremien des Rates der Europäi- Otto Schily (SPD): Hat sich Ihr Haus denn um Er- schen Gemeinschaft fachlich beraten und soll im kenntnisse bemüht, in welchem Umfang Beifischerei Herbst dieses Jahres verabschiedet werden. von Delphinen z. B. im Mittelmeer stattfindet? Es gibt bisher keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Ausmaß der ökologischen Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Dazu kann Schäden der großflächigen Treibnetzfischerei. Alle in ich Ihnen keine genaue Auskunft geben, aber ich bin der Öffentlichkeit genannten Zahlen über Beifang bereit, Ihnen das schriftlich nachzureichen. und Tötung von Delphinen, Seevögeln und anderen Meereslebewesen beruhen auf unsicheren Schätzun- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Wir kom- gen. Die genannten Verbote sind dennoch gerechtfer- men zur Frage 4 des Abgeordneten Schütz: tigt, weil grundsätzlich von einer Schädlichkeit der Wie steht die Bundesregierung zu Embargo- oder Boykott- großflächigen Treibnetzfischerei auszugehen ist. aktionen z. B. der USA gegen Länder, die mit Treibnetzen trotz Ächtung durch die UNO Thunfischfang betreiben, und wird sie ggf. diese Aktionen durch eigene Initiativen unterstützen?

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- geordneter Schütz, bitte. Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Verehrter Herr Kollege, etwaige Embargo- oder Boykottmaß- nahmen gegen die Einfuhr von Thunfisch sind sorg- fältigst zu prüfen. Es muß verhindert werden, daß (SPD): Was verstehen Sie unter Dietmar Schütz auch mit ökologisch unbedenklichen Fanggeräten ge- großflächiger Treibnetzfischerei? Es ist ja möglich, fangene Fische erfaßt werden. In der für diese Fragen daß auch wir mit Treibnetzen z. B. in der Ostsee fi- zuständigen Europäischen Gemeinschaft beginnen schen. Fällt das unter dieses Treibnetzverbot oder wo erste Diskussionen über die mögliche Einführung ei- ist Ihrer Meinung nach die Grenze der großflächigen ner verbindlichen Deklaration über Herkunftsgebiet, Treibnetzfischerei? Nationalität der Fangflotte und über die Fangme- thode. Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: In diesem (Vorsitz : Vizepräsident Hans Klein) Punkt kann ich Ihnen keine genaue Auskunft geben, weil die Verhandlungen, in denen die Grenzen — was Dietmar Schütz (SPD): Herr Staatssekretär, haben großflächig zu nennen ist — festgelegt werden, noch Sie sich einmal erkundigt, wie die USA, die ein ziem- nicht abgeschlossen sind. Es spricht gegen die ver- lich rigides Vorgehen gegen die Treibnetzfischerei nünftigen Ansichten des Umweltschutzes, wenn mit geplant und dies auch bei den UN vertreten haben, '70 oder 100 Kilometer langen Treibnetzen gefischt einen solchen Widerstand mobilisiert haben? 3314 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Die Erkun- mich bei Ihnen. Wir können diesen Komplex dann dungen und ihre Ergebnisse sind durchaus bekannt; verlassen. man wird sich daran anlehnen. Aber ich habe Ihnen Herr Kollege Repnik, es ist noch eine Frage von auch gesagt, daß man natürlich verhindern muß, daß Frau Wohlleben, die Frage 11 aus dem Geschäftsbe- ein generelles Verbot für die Fischer, die ihre Fische reich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusam- auf herkömmliche, solide und ordentliche Art und menarbeit, offen. Weise gefangen haben, ausgesprochen wird. Ich rufe also nun die Frage 11 auf: Wann sind die von der Bundesregierung am 28. Mai 1991 Dietmar Schütz (SPD) : Herr Staatssekretär, die Um- angekündigten Überprüfungen der in der „Starnberger Studie" weltverbände rufen teilweise zu einem Boykott auf, enthaltenen Vorschläge, die die OK-TEDI-Mine in Papua Neu- nämlich dazu, zumindest den Thunfisch nicht mehr zu Guinea betreffen, abgeschlossen, und wann wird die Bundesre- kaufen, der von Japanern in Treibnetzen gefangen gierung zu dieser Studie Stellung nehmen? wird. Sie können aber einen zielgerichteten Boykott Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben nur dann durchführen, wenn die Deklarationen und das Wort. Hinweise auf den Fischverpackungen klar sind. Die Bundesregierung — darauf haben Sie hingewiesen — Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Vielen unterstützt das. Aber wann werden wir diese Dekla- Dank, Herr Präsident. — Die vom „Starnberger Insti- rationen endlich vorliegen haben? tut zur Erforschung globaler Strukturen und Krisen" durchgeführte Untersuchung über „Entwicklung und Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Ich hatte Umwelt — ökonomisch-ökologische Entwicklung in Ihnen vorhin schon die Termine genannt, die im Rah- Papua-Neuguinea" im Auftrag des Missionswerks der men der Europäischen Gemeinschaft festgelegt evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern liegt der sind. DEG, also der Deutschen Investitions- und Entwick- Was die Frage des Embargos, der Boykottmaßnah- lungsgesellschaft in Köln, und der Bundesregierung men und der Entscheidungen angeht, die jetzt auch vor. Das Gutachten wird derzeit noch von den deut- von seiten der Bundesregierung fällig sind, ist es, wie schen Teilhabern der Betreibergesellschaft der Ok- Sie sagen, ganz richtig, daß den Verbrauchern hier Tedi-Mine in Papua-Neuguinea geprüft. große Bedeutung zukommt, da sie die Möglichkeit Nach mir vorliegenden Informationen wollten die haben, auf den Kauf dieser Fische zu verzichten. Verfasser bzw. die Auftraggeber der Studie der Regie- Aber zum anderen muß auch garantiert sein — eine rung von Papua-Neuguinea und der Betreibergesell- Verordnung ist in Vorbereitung —, daß die getroffe- schaft eine eigene englische Übersetzung zuleiten, nen Maßnahmen kontrollfähig sind. Man ist jetzt da- damit diese sich ebenfalls damit auseinandersetzen bei, zu beraten, welches die beste Möglichkeit der können. Erst wenn die Regierung von Papua-Neugui- exakten Kontrolle ist und wie die Deklarationen, von nea, die mit 20 % an der Betreibergesellschaft betei- denen ich hier gesprochen habe, ausgestaltet wer- ligt ist, und die Betreibergesellschaft selbst zu den den. Vorschlägen der „Starnberger Studie " Stellung ge- nommen haben, können auch die deutschen Minder- Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Schily, eine heitsaktionäre wie DEG, Degussa und Metallgesell- Zusatzfrage? — Bitte. schaft abschließend fachlich und sachlich Position be- ziehen. Otto Schily (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben Wenn dieser gesamte Komplex abgeschlossen ist, auf die Fragen des Kollegen Schütz erklärt, die rigiden kann die Bundesregierung auf Grund der Stellung- Maßnahmen und Ergebnisse in den USA auf diesem nahmen der beteiligten deutschen Firmen zu dieser Felde seien Ihnen bekannt. Würden Sie uns freundli- Studie Stellung nehmen. Das ist unsere Absicht. cherweise mitteilen, was Ihnen davon konkret be- kannt ist? Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin, eine Zu- satzfrage. Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Ich muß Ih- nen hier sagen, sie sind der Bundesregierung be- kannt. Ich persönlich kann Ihnen hier keine genauen Verena Wohlleben (SPD): Herr Staatssekretär, kön- Angaben machen. Ich bin aber gern bereit, Ihnen nen Sie mir sagen, in welcher Zeitspanne das unge- hierauf schriftlich zu antworten. fähr passieren wird? Die USA haben auf diesem Gebiet einiges getan — darüber bin ich informiert — , aber ich muß Ihnen Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär: Ich wage leider mitteilen, daß ich hierzu keine Aussagen dazu im Moment keine Prognose. Uns liegt daran, diese machen kann, da ich mit dieser Angelegenheit nicht Überprüfung sehr schnell durchzuführen. Aber wir im Detail befaßt bin. Allerdings haben die USA — das sind darauf angewiesen, daß die Regierung von Pa- ist hier angeführt worden — in dieser Richtung etliche pua-Neuguinea dazu Stellung nehmen wird. Wir ha- Maßnahmen ergriffen. Ich bin leider überfragt, inwie- ben keinen Einfluß darauf, wie schnell diese Stellung- weit diese Maßnahmen schon durchgesetzt sind. Das nahme erfolgt. will ich Ihnen gerne schriftlich mitteilen. Vizepräsident Hans Klein: Keine weitere Zusatz- Vizepräsident Hans Klein: Gibt es weitere Fragen frage? — Nein. Zusatzfragen aus dem Haus? — Keine. an den Herrn Parlamentarischen Staatssekretär — Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekre- Haschke? — Das ist nicht der Fall. Dann bedanke ich tär. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3315

Vizepräsident Hans Klein Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- konnten, und daß Sie sich andererseits trotz des hohen nisters des Innern. Zur Beantwortung ist der Parla- Verwaltungsaufwands für die Weiterführung der Ho- mentarische Staatssekretär Eduard Lintner erschie- telmeldepflicht aussprechen? nen. Die Fragen 22 und 23 sollen schriftlich beantwortet Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Ich habe in werden. Die Antworten werden als Anlagen abge- meiner ersten Antwort darauf hingewiesen, daß druckt. durchaus Fahndungserfolge und auch Ermittlungser- folge zu verzeichnen sind. Dabei haben wir einen Wir kommen zur Frage 24 des Kollegen Otto: Überblick nur über das, was beim Bundeskriminalamt Hat die Meldepflicht in Beherbergungsstätten ( „Hotelmel- angefallen ist, nicht beispielsweise über die Erfolge depflicht") die Fahndungserfolge gebracht, die sich der Deut- sche Bundestag von ihrer Statuierung versprochen hatte (vgl. bei den Ländern. Aber auch die Länder haben offen- Drucksache 8/1845)? bar Erfolge erzielt. Denn sonst hätten sie sich schon Ich bitte Sie um Beantwortung. einmal gegen diese Hotelmeldepflicht gewandt.

Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfrage. minister des Innern: Die Antwort lautet wie folgt: Nach den vielfältigen Erfahrungen des Bundeskrimi- Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Hat die Bun- nalamts sind auf Grund der bestehenden Hotelmel- desregierung Erkenntnisse darüber, wie groß der bü- depflicht anlaßbezogen bei Ermittlungen in verschie- rokratische Verwaltungsaufwand für die entspre- densten Deliktbereichen Fahndungserfolge und wei- chenden Behörden, aber auch für die Gaststättenbe- terführende Ermittlungsansätze erzielt worden. Über triebe in Erfüllung der Hotelmeldepflicht ist? die Erfahrungen der Bundesländer liegen hier keine aktuellen Erkenntnissse vor; sie konnten in der Kürze Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Wir haben je- der Zeit auch nicht eingeholt werden. Bedenken der denfalls keine Klagen darüber. Die Erkenntnisse be- Länder gegen die Beibehaltung der Hotelmeldepflicht ziehe ich aus dem persönlichen Erfahrungsschatz, den sind der Bundesregierung nicht bekannt. ich bei Hotelübernachtungen sammeln konnte.

Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage. Vizepräsident Hans Klein: Für die Fragen 26 und 27 des Kollegen Dr. Schmieder wurde um schriftliche Be- Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Herr Staats- antwortung gebeten. Die Antworten werden als Anla- sekretär, da die Begründung des damaligen Gesetz- gen abgedruckt. entwurfs maßgeblich auf die Fahndung nach terrori- Das gleiche gilt für die Fragen 28 und 29 des Kolle- stischen Gewalttätern abgestellt hat, frage ich Sie, gen Dr. Meyer zu Bentrup. auch wenn Sie nicht in die Details gehen können: Ist Wir kommen zur Frage 30 des Abgeordneten der Bundesregierung bekannt, ob jemals auch nur ein Schily: einziger terroristischer Gewalttäter auf Grund von Er- Beabsichtigt die Bundesregierung, die Direktorin der Deut- kenntnissen infolge der Hotelmeldepflicht enttarnt schen Akademie Villa Massimo in Rom, Frau Elisabeth Wolkens, oder gar gefaßt werden konnte? aufgrund der jetzt durch einen Be richt in der Wochenzeitung „DIE ZEIT" vom 6. September 1991 (Nummer 37 S. 65) bekannt Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Das kann ich gewordenen Vorfälle abzulösen? Ihnen aus aktuellem eigenen Wissen nicht beantwor- Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. ten. Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Den kritischen Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage? Stimmen gegen die Direktorin der Villa Massimo standen und stehen auch positive Äußerungen gegen- Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Keine. über. Angesichts dieses differenzierten Bildes sowie der Tatsache, daß die Direktorin seit 1965 im Amt ist Vizepräsident Hans Klein: Ich rufe die Frage 25 des und sich zweifellos Verdienste um die Villa Massimo Abgeordneten Otto auf: erworben hat, hielt es der Bundesminister des Innern Hält die Bundesregierung die Hotelmeldepflicht noch für not- bisher für angemessen, mit der Direktorin die Situa- wendig? tion der Villa Massimo intensiv zu erörtern und in Ein- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesre- zelfällen Direktiven zu geben. gierung setzt sich für die Beibehaltung der bestehen- Der Bundesminister des Innern hat ein großes Inter- den Hotelmeldepflicht ein. Ähnliche Bestimmungen esse daran, daß in der Villa Massimo bald wieder eine in anderen, insbesondere auch europäischen, Staaten, den Zielsetzungen dieser Einrichtung entsprechende zum Teil mit über die hier bestehenden Regelungen Atmosphäre hergestellt wird. Er wird daher allen an- hinausgehenden Verpflichtungen wie der Ausweis- stehenden Fragen nachgehen und zunächst die Ge- vorlage, und die mit Fahndungsmaßnahmen im Aus- spräche mit den Beteiligten fortsetzen. land gesammelten überwiegenden positiven Erfah- rungen unterstützen diese Forderung. Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage.

Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage? Otto Schily (SPD): Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß eine Delegation des Innenministeriums in Rom Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Herr Staats- war, um sich an Ort und Stelle zu erkundigen, wie die sekretär, wie paßt es zusammen, daß Sie einerseits Verhältnisse an der Villa Massimo sind? Welches Er- über keine konkreten Hinweise verfügen, daß da- gebnis hatte diese Delegationsreise, wenn sie stattge- durch irgendwelche kriminellen Täter gefaßt werden funden hat? 3316 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Es trifft zu, gemäß der von Herrn Bundesminister Dr. Stoltenberg aber das Ergebnis ist mir noch nicht bekannt. am 5. August bekanntgegebenen Stationierungsent- scheidung der Bundeswehr wird das Jagdgeschwa- Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage. der 72 in Rheine-Hopsten bis Ende 1994 auf den Flug- platz Laage bei Rostock verlegt. Nach der Verlegung Otto Schily (SPD) : Ich muß mir eine Anmerkung des Geschwaders ist vorgesehen, das Flugplatzge- verkneifen, weil die Delegationsreise schon vor eini- lände in das allgemeine Grundvermögen des Bundes ger Zeit stattgefunden haben soll. Insofern hätte ich abzugeben. In Verhandlungen mit dem Bundesmini- gedacht, daß sich der Staatssekretär bei der Vorberei- ster der Finanzen besteht dann die Möglichkeit, die tung einer Fragestunde — — Liegenschaft zu erwerben und einer neuen Verwen- dung zuzuführen. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege, eine Frage. Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Herr Kol- Otto Schily (SPD) : Entschuldigung. lege. Ist denn der Bundesregierung der Be richt in der Karl-Josef Laumann (CDU/CSU) : Ist es möglich, Wochenzeitung „Die Zeit" vom 6. September 1991 daß die betroffenen Gemeinden, die Anrainer an die- bekannt? Hat sie sich darum gekümmert, ob dieser sem Flugplatz sind, auch noch während der Zeit, wo Bericht den Tatsachen entspricht? Welches war das der Flugplatz militärisch genutzt wird, die Planungs- Ergebnis ihrer Nachforschungen, falls sie sich darum hoheit über dieses Gelände bekommen? Des weiteren gekümmert haben sollte? habe ich die Frage, ob auf das Gelände des Flugplat- zes auch noch Dritte Ansprüche haben, die durch die Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Herr Schily, ich habe Ihnen gerade bestätigt, daß eine Delegation Grundstücksverträge Ansprüche gegenüber dem dort war. Ich habe Sie in meiner Antwort darauf hin- Bund auf Grundstücke haben, z. B. ein Vorkaufs- gewiesen, daß Gespräche stattgefunden haben und recht? die Gespräche auch fortgesetzt werden sollen. Des- halb ist ein abschließendes Ergebnis im Moment noch Dr. Ottfried Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kol- nicht vorhanden und daher auch nicht bekanntzu- lege Laumann, selbstverständlich kann in engster Zu- geben. Wir werden, wenn dieses Ergebnis vorliegt, sammenarbeit mit dem jetzigen Grundstückseigentü- selbstverständlich den fragenden Abgeordneten die- mer und der Gemeinde dafür gesorgt werden, daß ses Ergebnis mitteilen. man in dieser Phase des Übergangs bis Ende 1994 so zusammenarbeitet, daß die Gemeinde praktisch jetzt Vizepräsident Hans Klein: Gibt es aus dem Hause schon planen kann. Es ist in Einzelfällen auch vorstell- weitere Zusatzfragen dazu? — Das ist nicht der Fall. bar, daß eine zivile Mitnutzung bei gewissen militäri- Dann danke ich Ihnen, Herr Parlamentarischer Staats- schen Einrichtungen, beispielsweise Flugplätzen, er- sekretär. folgt. Wir sind dann jeweils bereit, auf Antrag der Für die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bun- Gemeinde dies zu überprüfen. Aber das leitet bereits desministers der Justiz haben alle Fragesteller um zu Ihrer nächsten Frage über, in der dies angespro- schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten chen wird. werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers Vizepräsident Hans Klein: Ich rufe die Frage 43 des der Finanzen auf. Zur Beantwortung ist erschienen Abgeordneten Karl-Josef Laumann auf: der Parlamentarische Staatssekretär Manfred Car- Wann ist die Verlegung des Jagdgeschwaders 72 von Rheine - Hopsten nach Laage bei Rostock abgeschlossen, bzw. von wel- stens. Die Fragen 35, 36, 37, 38, 39 und 40 werden chem Zeitpunkt an ist eine zivile Nutzung des Flugplatzes schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als An- Rheine-Hopsten möglich? lagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 41 des Abgeordneten Kirschner Dr. Ottfried Hennig, Parl. Staatssekretär: Wie bereits auf. — Der Kollege Kirschner ist nicht im Saal. Es wird bei der Beantwortung Ihrer ersten Frage dargestellt, verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. soll die Verlegung bis Ende 1994 abgeschlossen sein. Damit, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist Ihre Ab welchem Zeitpunkt eine zivile Nutzung des Flug- Tätigkeit hier beendet. platzes möglich ist, hängt jedoch entscheidend davon Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers ab, ob eine entsprechende Trägergesellschaft gefun- der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht der Par- den werden kann, die den Flugplatz übernimmt und lamentarische Staatssekretär Dr. Hennig zur Verfü- die Organisation und den Flugbetrieb durchführt. gung. Diese Verhandlungen sollten zweckmäßigerweise in Ich rufe die Frage 42 des Abgeordneten Laumann engem Kontakt mit der Landesregierung geführt wer- auf: den, da nach dem Subsidaritätsprinzip die Landesre- gierung bei Bedarf das Vorkaufsrecht hat und die er- Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung für eine zivile Anschlußverwendung des Flugplatzes Rheine-Hopsten nach forderlichen Genehmigungsverfahren mit den Luft- Verlegung des Jagdgeschwaders 72 nach Laage/Rostock? aufsichtsbehörden des Landes durchzuführen sind. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben zur Beantwortung das Wort. Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall. Dann bedanke ich mich. Dr. Ottfried Hennig, Parl. Staatssekretär beim Bun- Die Frage 44 hat der Abgeordnete Wallow ge- desminister der Verteidigung: Herr Kollege Laumann, stellt: Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3317

Vizepräsident Hans Klein Wie begründet die Bundesregierung die Notwendigkeit des Vizepräsident Hans Klein: Eine Zusatzfrage? Einsatzes von Beratergruppen der Bundeswehr in elf afrikani- schen Entwicklungsländern? Hans Wallow (SPD) : Herr Staatssekretär, ist die Mi- Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben litärhilfe nicht Ausdruck auch des Gott sei Dank zu das Wort zur Beantwortung. Ende gegangenen Ost-West-Gegensatzes, und sollte man sie nicht unter dem Gesichtspunkt, daß sie in den Dr. Ottfried Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kol- Ländern, die ich vorhin genannt habe, und in anderen lege Wallow, Beratergruppen der Bundeswehr wer- Diktaturen auch dazu beitragen kann, daß die Bevöl- den in Afrika im Rahmen der Ausstattungshilfe einge- kerung vom eigenen Militär unterdrückt wird, einstel- setzt. Diese Hilfe ist ein außenpolitisches Instrument len? der Bundesregierung und wird den Streitkräften der Empfängerländer gewährt. Die Lieferung von Waffen, Dr. Ottfried Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kol- Munition oder Maschinen zu deren Herstellung ist im lege, wir achten sehr sorgfältig auf diese Gesichts- Rahmen der Ausstattungshilfe ausgeschlossen. punkte. Bei der Absprache mit dem Auswärtigen Amt Die Armeen dieser Länder haben neben dem Ver- über solche Projekte werden selbstverständlich Ge- teidigungsauftrag oft umfassende Aufgaben bei der danken wie diese sorgfältig berücksichtigt. Ich glaube Landesentwicklung, z. B. bei der Herstellung von In- aber nicht, daß es einen Zusammenhang mit dem Ost- frastruktur, der Versorgung der Bevölkerung und der West-Konflikt gibt. Es handelt sich auch nicht um Mi- Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung zu litärhilfe im eigentlichen Sinne, sondern um die tech- erfüllen und unterscheiden sich daher in der Aufga- nische Zusammenarbeit für solche humanitären und benstellung von Streitkräften in entwickelten Län- strukturellen Bereiche, wie ich sie hier skizziert dern. Sie sind oft nicht in der Lage, diese Aufgaben habe. ohne personelle Unterstützung durch befreundete Im übrigen haben wir aus politischen Gründen die Staaten zu erfüllen. Zusammenarbeit für einige Länder eingestellt, bei- Außerdem trägt die Arbeit von Beratergruppen der spielsweise für Somalia aus Sicherheitsgründen oder Bundeswehr zu einem effektiven Einsatz des geliefer- für Sudan, wo politische Gründe für die Beendigung ten Ausstattungshilfematerials wesentlich bei. Unsere einer solchen Zusammenarbeit maßgebend waren. Berater können vor Ort in der partnerschaftlichen Zu- sammenarbeit mit den Angehörigen ausländischer Vizepräsident Hans Klein: Eine Zusatzfrage des Ab- Streitkräfte auch viele wertvolle Kontakte erschließen geordneten Dr. Scheer. und gleichzeitig ein Beispiel geben als Soldaten einer Armee, die fest in einem demokratischen Staatswesen Dr. Hermann Scheer (SPD): Herr Staatssekretär, verankert ist. wenn die Militärhilfe die Aufgaben leistet, die Sie eben beschrieben haben, warum findet dann nicht Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Herr Kol- eine solche Unterstützungsleistung durch technische lege Wallow. Hilfswerke oder ähnliche Einrichtungen, soweit sie international einsatzfähig sind, statt, warum statt des- Hans Wallow (SPD) : Herr Staatssekretär, welcher sen durch das Militär? Art ist die Militärhilfe an Diktaturen wie Togo, Zaire und Malawi? Dr. Ottfried Hennig, Parl. Staatssekretär: Auch dies gibt es, Herr Kollege Scheer. In dem Rahmen aber, in Dr. Ottfried Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kol- dem die Bundeswehr eine solche technische Hilfe be- lege, ich will Ihnen das, was an ganz konkreter Zu- sonders gut leisten kann — ich erinnere beispiels- sammenarbeit in diesen Staaten geschieht, gerne weise an Pioniere beim Thema „Straßenbau", das hier schriftlich darlegen. angesprochen worden ist — , ist die Frage in der Ver- gangenheit für einzelne, ausgewählte Länder in die- Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, daß es hier ser Hinsicht so beantwortet worden, wie sich das in überhaupt nicht um eine militärische Zusammenar- meiner Beantwortung widerspiegelt. beit im eigentlichen Sinne geht, sondern daß Ausstat- tungshilfe ein außenpolitisches Instrument der Bun- desregierung zur Vertiefung und Pflege unserer Be- Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfragen zu ziehungen zu zahlreichen Ländern in Af rika, Asien diesem Punkt? — Das ist nicht der Fall. Dann danke und Lateinamerika ist. Dieses Ausstattungshilfepro- ich Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. gramm wird in enger Zusammenarbeit vom Auswärti- Jetzt möchte ich schnell eine geschäftsführende Be- gen Amt und Bundesministerium der Verteidigung, merkung machen: Wir haben den Beginn des näch- bei dem die Durchführungsverantwortung dann liegt, sten Tagesordnungspunkts für 14.35 Uhr vorgesehen sichergestellt. Die einzelnen Länder trage ich Ihnen gehabt. Wir haben verfrüht mit der Fragestunde be- gerne nach. gonnen. Der Vorschlag ist: Wir machen bis 14.35 Uhr Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß die Lieferung mit der Fragestunde weiter und haben dann morgen von Waffen, Munition und derartigem völlig ausge- eine Viertelstunde bei der Fragestunde eingespart. schlossen ist. Im übrigen leisten die Beratergruppen Deshalb rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des der Bundeswehr in keinem Fall militärische Ausbil- Bundesministers für Frauen und Jugend auf. Zur Be- dung. Sie leisten vielmehr technische Unterstützung antwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär in den Bereichen Straßenbau, Wasserbohrungen, Kfz- Peter Hintze anwesend. Instandsetzung, Fernmeldewesen sowie Kranken- Ich rufe die Frage 45 des Abgeordneten Dr. Seifert hauseinrichtung und Krankenhausbetrieb. auf: 3318 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Vizepräsident Hans Klein Ist der Bundesregierung bekannt, daß die vom Bundesmini- Dr. Ilja Seifert (PDS/Linke Liste): Ich freue mich, daß sterium der Finanzen ab 1. Januar 1993 geplante generelle Sie derartige Überlegungen hier zumindest in den Streichung aller Aufwandszuschüsse für den Einsatz von Zivil- dienstleistenden (gegenwärtig kalendertäglich 11 DM) zusätzli- Bereich des Möglichen rücken. Dennoch noch einmal che Kosten für viele freie Träger wichtiger sozialer Hilfsdienste die Frage: Sind Sie nicht wie ich der Meinung, daß der [z. B. Mobiler Sozialer Hilfsdienst (MSHD) und der Individuellen Bund in Anbetracht der immensen Aufgaben in die- Schwerstbehindertenbetreuung (ISB)] verursachen würde, die sem sozialen Bereich, der gegenwärtig vom Zivil- beispielsweise in Berlin entweder zu einer Reduzierung der Lei- stungen oder zu einer Weitergabe der Kosten an die Nutzer die- dienst abgedeckt wird, Pflichten zu übernehmen hat, ser Dienste, die ohnehin benachteiligten Menschen im Alter und u. a. auch mit Hilfe finanzieller Zuwendungen? mit Behinderungen führen müßten? Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Ich sehe die posi- Peter Hintze, Parl. Staatssekretär bei der Bundesmi- tiven Wirkungen, die vom Einsatz der Zivildienstlei- nisterin für Frauen und Jugend: Herr Präsident, Herr stenden gerade im Bereich der von Ihnen angespro- Abgeordneter, die Zahlung von Aufwandszuschüssen chenen ambulanten Dienste ausgehen. Die Bundes- im Zivildienst ist für die Jahre 1991 und 1992 gesi- ministerin für Frauen und Jugend hat sich schon öf- chert. Für das Jahr 1993 enthält der geltende Finanz- fentlich dazu geäußert, daß sie sich bei den Beratun- plan keinen Ansatz mehr. gen des Bundeshaushaltes 1993 dafür einsetzen wird, Im Rahmen der Aufstellung des Bundeshaushaltes daß aus zivildienstpolitischen Gründen diese Förde- für das Jahr 1993 wird die Bundesregierung entschei- rung dann fortgeführt wird. den, ob aus zivildienstpolitischen Gründen eine wei- tere Bezuschussung der genannten Tätigkeitsberei- Vizepräsident Hans Klein: Ich kann jetzt nieman- che erforderlich ist. dem vorgreifen; aber nach meinem Eindruck ist die Die Bundesregierung verkennt nicht, daß beim Frage 46, Herr Kollege Seifert, durch die Antworten Wegfall der Aufwandszuschüsse Einkommensaus- auf Ihre Zusatzfragen schon beantwortet worden. fälle für Beschäftigungsstellen des Zivildienstes im Gleichwohl rufe ich die Frage 46 des Abgeordneten Bereich der von ihnen durchgeführten sozialen Dien- Dr. Seifert auf: ste entstehen. Ob dies zu einer Reduzierung des Lei- Wenn ja, welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung vor, stungsangebotes oder zu einer erhöhten Kostenbela- diese reale Verschlechterung der auf Pflege-Assistenz angewie- stung der Nutzer sozialer Dienste führt oder letztlich senen Menschen zu kompensieren und womöglich die Ange- ohne Auswirkungen auf die von den Nutzern zu tra- bote für Hilfen zur Selbsthilfe zusätzlich zu verbessern? genden Kosten bleibt, hängt von der Situation der Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben Beschäftigungsstelle und ihrer Nutzer im Einzelfall ab das Wort. und kann deshalb nicht generell beantwortet wer- den. Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich möchte die Frage 46 doch kurz, aber umfassend Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Herr beantworten. Dr. Seifert. Wie eben kurz angedeutet, hat der Bund soziale Dienste durch den Einsatz von Zivildienstleistenden Dr. Ilja Seifert (PDS/Linke Liste): Herr Staatssekre- und die Gewährung von Aufwandszuschüssen aus- tär, wenn Sie davon ausgehen, daß ab 1993 keine der- schließlich aus zivildienstpolitischen Gründen unter- artigen Zahlungen mehr gewährt werden: Gibt es in stützt, weil er nur auf dem Feld des Zivildienstes eine Ihrem Ministerium Alternativvorschläge, wie diese Finanzierungskompetenz im Rahmen unserer Finanz- Dienste finanziert werden können? Ob das nun über verfassung hat. Er hat das getan, um für den Zivil- den Zivildienst oder andere Stellen geht, ist mir egal. dienst nach Art der Beschäftigung besonders geeig- Mir geht es nur darum, ob diese Leistungen finanziert nete Zivildienstplätze zu erhalten. Daraus kann aber werden können. keine Gesamtverantwortung des Zivildienstes für den sozialen Bereich abgeleitet werden. Die Bundesregie- Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Es ist so, daß die rung hat deshalb nicht die Möglichkeit, unmittelbare, rechtliche Grundlage für die Finanzierung dieser Lei- einzelfallbezogene Kompensationsleistungen an stungen allein in der Aufgabenstellung des Zivildien- Stelle der Aufwandszuschüsse für den Zivildienst zu stes liegt. Die Finanzierungskompetenz für die sozia- erbringen. len Dienste, die hier angesprochen sind, liegt nicht Die Lösung muß nach Auffassung der Bundesregie- beim Bund, sondern bei den Ländern und den örtli- rung im Rahmen übergreifender sozialpolitischer chen Trägern der Sozialhilfe, so daß der Bund für die Maßnahmen zur Sicherstellung der Pflege gefunden Fragestellung der Aufrechterhaltung dieser sozialen werden. Die Bundesregierung ist sich mit allen Betei- Dienste nicht angesprochen und auch nicht verant- ligten darin einig, daß eine umfassende Lösung der wortlich gemacht werden kann. Pflegeproblematik nur durch ein Zusammenwirken Es ist aber so, daß im Rahmen der Beratungen des aller Beteiligten in gegenseitiger Abstimmung und Haushalts für 1993 zu prüfen ist, ob aus zivildienstpo- Verantwortung erreicht werden kann. litischen Gründen nicht doch wieder ein entsprechen- Entsprechend dieser Einschätzung hat die Bundes- der Haushaltsansatz hereinkommt, der dann auch die regierung bereits 1989 die Konzertierte Aktion im Ge- positive Auswirkung auf die sozialen Dienste hätte, sundheitswesen mit dem Thema Sicherstellung der die Sie angesprochen haben. Pflege befaßt. Darin wurde zwischen allen Beteiligten über eine ganze Reihe von Maßnahmen innerhalb der Vizepräsident Hans Klein: Eine weitere Zusatz- unterschiedlichen Zuständigkeiten Einvernehmen er- frage, Herr Kollege. zielt. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3319

Parl. Staatssekretär Peter Hintze In der Frühjahrssitzung 1991 hat die Konzertierte chen Hilfsbereiche und Zuständigkeiten Gegenstand Aktion das Thema erneut aufgegriffen und die Betei- der Erörterung ist. ligten u. a. aufgefordert, die in ihren Verantwortungs- bereich fallenden Maßnahmen zügig umzusetzen. Vizepräsident Hans Klein: Gibt es weitere Zusatz- Auf ihrer Herbstsitzung wird die Konzertierte Aktion fragen dazu? — Das ist nicht der Fall. erneut eine Bilanz des Erreichten ziehen. Dann rufe ich die Frage 47 des Abgeordneten Schily auf: Vizepräsident Hans Klein: Eine Zusatzfrage. Mit welchen konkreten Maßnahmen befolgt die Bundesregie- rung die Forderungen des sogenannten Weltgipfels für Kinder, Dr. Ilja Seifert (PDS/Linke Liste): Herr Staatssekre- der am 30. September 1990 in New York stattfand und an dem auch Bundespräsident Richard von Weizsäcker teilgenommen tär, es ist ja nun weithin bekannt, daß schon etwas hat? mehr als drei Wochen über die Pflegeabsicherung debattiert wird und daß eine Lösung noch nicht in Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, Sicht ist. Gibt es von seiten Ihres Ministeriums Über- Herr Abgeordneter Schily, die Bundesregierung setzt legungen, gemeinsam mit anderen Fachbereichen die Beschlüsse des Weltgipfeltreffens für Kinder in und Fachministerien — die Aufsplittung bringt ja auch folgenden Bereichen um. eine Aufsplittung der finanziellen Mittel und der Sie fördert künftig verstärkt Vorhaben der Primar- Kräfte mit sich — Wege zu erschließen, die es ermög- schulerziehung und Grundbildung in der Dritten Welt lichen, daß Menschen, die einer gewissen Assistenz als einen Schwerpunkt der Entwicklungspolitik für bedürfen, diese auch in Zukunft bekommen können die laufende Legislaturperiode. Sie fördert Vorhaben und daß sich diejenigen, die diese Pflege anbieten, die der Armutsbekämpfung, um die Lebensbedingungen also diese Assistenz bieten, darauf vorbereiten kön- der Familien zu verbessern, weil die Situation der Kin- nen? der untrennbar von der Situation der Eltern abhängt und bessere Lebensbedingungen für die Familien ins- Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordne- gesamt auch bessere Chancen für die Kinder bedeu- ter, die Bundesregierung wird einen Gesetzentwurf ten. Sie unterstützt mit zusätzlichen Mitteln für die zur Absicherung des finanziellen Pflegefallrisikos ein- Internationale Arbeitsorganisation in Genf Maßnah- bringen. Das zum ersten Teil Ihrer Frage. men zur Abschaffung der Kinderarbeit in der Dritten Zum zweiten Teil: Unser Ressort ist — wie schon in Welt, sie erhöht den deutschen Beitrag für UNICEF. der Vergangenheit — auch weiterhin bemüht, alle Die Bundesregierung fühlt sich in ihrer Kinder-, Ju- Möglichkeiten, die im Rahmen der Zuständigkeit des gend- und Familienpolitik durch die Beschlüsse des Bundes liegen — was uns betrifft, ist das der Zivil- Weltkindergipfels bestätigt. Dem Kindeswohl dient dienst — , dazu zu nutzen, um dafür zu sorgen, daß neben den zahlreichen familienpolitischen Maßnah- diese Tätigkeit auch in Zukunft weitergeführt werden men der Bundesregierung das neue Kinder- und Ju- kann und daß pflegebedürftigen Personen die Hilfe, gendhilferecht, das eine Vielzahl an Hilfen für Kinder die Sie angesprochen haben, mit Unterstützung des in unterschiedlichen Lebenssituationen vorsieht. Zivildienstes zugute kommt. Wir wollen dabei sehr darauf achten — wir haben die entsprechenden Maß- Vizepräsident Hans Klein: Eine Zusatzfrage. nahmen ergriffen —, daß diejenigen, die zu diesem Dienst bereit sind, auf diesen Dienst auch ausreichend Otto Schily (SPD): Herr Staatssekretär, halten Sie und gut vorbereitet und in diesem Dienst begleitet das für eine angemessene Antwort, wenn man die werden. zehn Punkte vor Augen hat, die in der Deklaration des Weltkindergipfels verabschiedet worden sind? Vizepräsident Hans Klein: Die zweite Zusatzfrage. Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Ja. Dr. Ilja Seifert (PDS/Linke Liste) : Herr Staatssekre- tär, da Sie immer auf die Bundeskompetenz aus- Vizepräsident Hans Klein: Eine weitere Zusatz- schließlich für den Zivildienst abheben, möchte ich frage. eine zweite Zusatzfrage in eine etwas andere Rich- tung stellen. Welche Aktivitäten gibt es von seiten Otto Schily (SPD): Herr Staatssekretär, wenn Sie die Ihres Ministeriums in bezug auf die Koordinierung der zehn Punkte durchgehen und z. B. den Punkt 10 vor Länderaktivitäten, infolge derer solche Leistungen Augen haben, wonach es u. a. notwendig ist, den über andere Wege als den Zivildienst angeboten wer- Transfer von angemessenen zusätzlichen Ressourcen, den? in Entwicklungsländern verbesserte Terms of Trade, eine weitgehende Liberalisierung des Handels und Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Hierfür gibt es Entschuldungsmaßnahmen zu vollziehen, um das Los keine Zuständigkeit bei unserem Ministe rium. Es der Kinder in den Dritte-Welt-Ländern zu verbessern, wird also im Sinne Ihrer Frage eine solche Koordinie- meinen Sie dann wirklich, daß die löbliche Absicht, rung von unserem Ressort nicht wahrgenommen. auch für den Privatschulbereich etwas zu tun, dem Aber im Rahmen der Zuständigkeit unseres Ressorts entspricht, was die wirkliche Notlage der Kinder in — es ist für den Bereich des Zivildienstes zuständig — den Dritte-Welt-Ländern darstellt? kommt es zu einer solchen Zusammenarbeit, bei- Ich möchte das noch kurz ergänzen. Sie wissen spielsweise zu regelmäßigen Besprechungen mit den wahrscheinlich, daß die Voraussage von UNICEF ist, Bundesländern, wobei von der Natur der Sache her daß in den nächsten zehn Jahren in den Dritte-Welt- dann auch das Ineinandergreifen der unterschiedli- Ländern über 100 Millionen Kinder buchstäblich ver- 3320 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Otto Schily hungern werden. Insofern, meine ich, ist Ihre Aussage Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bun- völlig unzureichend. desaußenminister Hans-Dietrich Genscher.

Vizepräsident Hans Klein: Ich muß noch einmal die Regeln ins Gedächtnis rufen. Wir stellen Fragen und Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister des Aus- erhalten Antworten, aber wir geben in der Frage- wärtigen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da- stunde keine Kommentare. Dazu sind die Debatten men! Meine Herren! Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag die Entwürfe eines Gesetzes da, Herr Kollege Schily. zum Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Eu- ropa und des ihn ergänzenden Ausführungsgesetzes Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordne- vorgelegt. Mit diesen Entwürfen strebt die Bundesre- ter Schily, ich stimme mit Ihnen überein, daß das Bil- gierung die parlamentarische Zustimmung zur Ratifi- dungswesen nur ein Ansatzpunkt zur Bewältigung kation des wichtigsten Rüstungskontrollabkommens dieser Fragen ist, aber ich habe ausgeführt und würde an, das Deutschland bislang unterzeichnet hat. Der das gern wiederholen, daß es zu einem Schwerpunkt Vertrag markiert das Ende des kalten Krieges und den der Entwicklungspolitik der Bundesregierung gehört, Eintritt in eine neue Ara kooperativer Sicherheit in Armutsbekämpfung in den von Ihnen angesproche- Europa. nen Regionen voranzubringen. Das ist, denke ich, das (Beifall bei der FDP) große, ernste und wichtige Thema, das auch als Ant- Mit seinen weitreichenden Bestimmungen über Rü- wort auf Ihre Frage angesprochen werden muß. stungsabbau, Höchststärken für die konventionellen Waffen und ein umfangreiches Verifikationsregime Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfragen legt der KSE-Vertrag die sicherheitspolitische Grund- dazu? — Das ist nicht der Fall. Dann danke ich Ihnen, lage für ein System, in dem Sicherheit nicht mehr Herr Parlamentarischer Staatssekretär. gegeneinander, sondern miteinander geschaffen Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers wird. für Gesundheit auf. Da ist für eine Reihe von Fragen Kernbestimmung des Vertrages sind die Reduzie- um schriftliche Beantwortung gebeten, Frau Parla- rung und Begrenzung der fünf wichtigsten Katego- mentarische Staatssekretärin. Die Fragen 53 und 54 rien konventioneller Waffen in Europa auf gleiche des Abgeordneten Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Obergrenzen zwischen zwei für die Zwecke des Ver- sind zurückgezogen worden. Zu der Frage 57 ist der trages gebildeten Staatengruppen und auf davon ab- Fragesteller nicht anwesend; also wird nach der Ge- geleitete nationale Höchststärken. schäftsordnung verfahren. Im Laufe von 40 Monaten nach Inkrafttreten des Ich komme jetzt zu dem Geschäftsbereich des Bun- Vertrages sind in Europa an die 45 000 Kampfpanzer, desministers für Verkehr. Da bitten alle Fragesteller gepanzerte Kampffahrzeuge, Artilleriegeschütze, um schriftliche Beantwortung. Diesen Geschäftsbe- Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber zu reduzie- reich können wir hiermit ebenfalls abschließen und ren. Die danach verbleibenden Reststärken werden damit die Fragestunde beenden, die heute knapp einem beispiellosen Regelwerk unterliegen, das nicht 75 Minuten gedauert hat. Ich bedanke mich bei den nur den Gesamtumfang an konventionellen Waffen Vertretern der Bundesregierung. der Vertragsteilnehmer begrenzt; es greift darüber Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: hinaus auch in die räumliche Verteilung und in den a) Erste Beratung des von der Bundesregierung Präsenzgrad der Streitkräfte ein, und es schafft mit eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem dem vereinbarten Kontroll- und Verifikationsregime Vertrag vom 19. November 1990 über- konven- einen bis dahin in Europa unbekannten Grad der Of- tionelle Streitkräfte in Europa (Gesetz zum fenheit der militärischen Potentiale. KSE-Vertrag) Für die Bundesrepublik Deutschland hat der KSE — Drucksache 12/1133 — Vertrag auch deshalb eine besondere Bedeutung, weil er zu den zentralen Rahmenbedingungen für die Überweisungsvorschlag : Auswärtiger Ausschuß (federführend) erfolgreiche Regelung der äußeren Aspekte der deut- Verteidigungsausschuß schen Einheit gehörte. Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO In einem engen politischen Zusammenhang mit b) Erste Beratung des von der Bundesregierung dem Vertrag steht auch unsere im Zuge des Eini- eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsge- gungsprozesses eingegangene Verpflichtung zur Re- setzes zu dem Vertrag vom 19. November 1990 duzierung des Personalumfangs der Streitkräfte des über konventionelle Streitkräfte in Europa vereinten Deutschland. Ein baldiges Inkrafttreten des (KSE-Vertrag) KSE-Vertrages liegt deshalb nicht nur im gesamteuro- (Ausführungsgesetz zum KSE-Vertrag) päischen, sondern sehr stark auch in unserem eigenen deutschen Interesse. — Drucksache 12/1135 — Überweisungsvorschlag : (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Auswärtiger Ausschuß (federführend) Schon zuviel Zeit ging durch den Versuch konser- Verteidigungsausschuß vativer Kräfte in der Sowjetunion verloren, den Ver- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für trag nach seiner Unterzeichnung umzuinterpretieren. die Aussprache eine Stunde vorgesehen. — Ich sehe Erst nach zähem, monatelangem Ringen ist es schließ- und höre dazu keinen Widerspruch; dann ist das so lich im Juni dieses Jahres gelungen, den durch die beschlossen. frühere sowjetische Militärführung ausgelösten Aus- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3321

Bundesminister Hans-Dietrich Genscher legungsstreit auszuräumen und den Weg zur Ratifika- Beispiel für Reduzierungen im Personalumfang gege- tion durch alle Vertragsstaaten frei zu machen. ben. Wir hoffen, daß andere jetzt folgen werden. Angesichts des Entstehens neuer Streitkräftestruk- 1992 soll eine neue Etappe in den Bemühungen in turen auf dem Boden der alten Sowjetunion gewinnt Abrüstung, Vertrauens- und Sicherheitsbildung in der KSE-Vertrag eine zusätzliche Bedeutung. Er muß Europa beginnen — eine Etappe, an der dann alle jetzt die neue Union und die in ihr zusammengeschlosse- 38 KSZE-Teilnehmerstaaten beteiligt sein werden. nen souveränen Staaten in den Stabilitätsrahmen des Auch diese Verhandlungen gilt es zu nutzen, um KSE-Rüstungskontrollregimes voll einbinden. durch die Vereinbarung neuer konkreter Rüstungs- kontrollmaßnahmen ein immer dichteres Netz von Präsident Gorbatschow und die höchsten Vertreter Vereinbarungen über Umfang, Zusammensetzung der zur Bildung der neuen Union entschlossenen Re- und Aktivitäten der Streitkräfte in Europa zu knüp- publiken haben den Willen bekräftigt, die von der fen. UdSSR eingegangenen Verpflichtungen zur Rü- Der Beginn der neuen Verhandlungen ab 1992 bie- stungsreduzierung und -kontrolle einzuhalten. Nach tet hierzu die Chance. Unser Ziel bleibt eine stabile meinen jüngsten Gesprächen in Moskau erwarte ich, Ordnung kooperativer Sicherheit in Europa. daß die neue Union und ihre souveränen Mitglieder diese Willenserklärung mit Blick auf den KSE-Vertrag Der Ihnen zur Zustimmung vorliegende KSE-Ver- konkretisieren und daß sie zusichern, alle Verpflich- trag markiert eine Etappe auf dem Weg zu diesem tungen, die die UdSSR mit der Unterzeichnung dieses Ziel. Für dieses Ziel einer neuen stabilen und koope- Vertrags übernommen hat — einschließlich der Ver- rativen Sicherheit ist es auch erforderlich, daß mit der pflichtung über Obergrenzen, Reduzierung und Veri- Beseitigung der nuklearen Kurzstreckenraketen und fikation —, voll und ganz einzuhalten, unabhängig der nuklearen Artilleriemunition unverzüglich be- davon, wer innerstaatlich dazu im einzelnen ver- gonnen wird. pflichtet ist. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die amerikanische Regierung nimmt dazu eine auf- geschlossene Haltung ein. Die sowjetische und die Ich habe auch in Moskau die Bereitschaft zu einer russische Führung sind zur gänzlichen Beseitigung raschen Ratifizierung des KSE-Vertrags vorgefunden. bereit. Wir wissen, daß unsere Verbündeten unsere Wir unsererseits sollten nicht zurückstehen und nun- Sorgen über die Proliferation dieser Waffen teilen. Der mehr in enger Abstimmung mit den anderen Ver- beste Weg, die Proliferation zu vermeiden, ist die tragspartnern die Ratifizierung zügig vorantreiben. gänzliche Beseitigung dieser schwer kontrollierbaren Das erfordert auch von uns die Bereitschaft zur Flexi- und destabilisierenden Vernichtungswaffen. bilität beim weiteren Vorgehen. Dafür erbitte ich die (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie Unterstützung des Deutschen Bundestags. bei Abgeordneten der SPD) Soweit durch die jüngsten Entwicklungen in der Wenn sie je einen Sinn hatten, so ist dieser Sinn im Sowjetunion Anpassungen des Vertrags notwendig Gefolge der grundlegenden Veränderungen in Eu- werden, sollten sie möglichst nach dessen Inkrafttre- ropa weggefallen. ten erfolgen. Meine Damen und Herren, das Ziel der Bundesre- Ein spezifischer Klärungsbedarf ergibt sich hin- gierung ist Abrüstung auf allen Gebieten, auch bei sichtlich der Position der baltischen Staaten zum den nuklearen Kurzstreckenwaffen. KSE-Vertrag. Wir halten den Beitritt dieser Staaten Ich bitte Sie um Unterstützung für diesen Vertrag, zum Vertrag nach seinem Inkrafttreten grundsätzlich der uns auch die anderen Fragen lösbarer machen für wünschenswert; denn wir möchten auch die balti- wird. schen Staaten in die durch den Vertrag entstehenden (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie kooperativen Sicherheitsstrukturen voll einbeziehen. bei Abgeordneten der SPD) Auf jeden Fall werden wir jedoch die in den drei bal- tischen Staaten zu treffenden Entscheidungen re- spektieren. Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat die Abge- Auch ohne Beitritt der baltischen Staaten oder vor- ordnete Katrin Fuchs. her wird es notwendig sein, Regelungen zu finden, mit denen die vorübergehend dort verbleibenden sowjeti- Katrin Fuchs (Verl) (SPD): Herr Präsident! Liebe schen Streitkräfte in das Vertragsregime voll einge- Kollegen und Kolleginnen! Über eines sind wir uns bunden werden. sicher nicht nur in diesem Hause einig, sondern auch Mit der Inkraftsetzung des KSE-Vertrags schaffen unter allen 22 Unterzeichnerstaaten: Der KSE-Ver- wir auch die Voraussetzung für weitere Schritte bei trag muß so schnell wie möglich ratifiziert werden. der Kontrolle der konventionellen Rüstung und Streit- Das Inkrafttreten dieses Vertrages, eines der Eckpfei- kräfte in Europa. Zunächst gilt es, neben den Waffen ler von Stabilität in einem unruhiger gewordenen Eu- auch Personalumfänge der konventionel--beständen ropa, duldet keinen Aufschub. len Streitkräfte zu begrenzen und, wo möglich, zu Gleichzeitig wissen wir aber auch, daß die politi- reduzieren. Wir wollen, daß ein solches Ergebnis bis schen Veränderungen der vergangenen Wochen ei- zum nächsten KSZE-Folgetreffen in Helsinki im Jahre nige Modifikationen und Ergänzungen verlangen. 1992 erreicht wird. Deutschland hat mit der Selbstbe- Niemand weiß, was aus dem Vertragspartner Sowjet- schränkung seiner Streitkräfte auf 370 000 Mann ein union am Ende werden wird. Deswegen brauchen wir 3322 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Katrin Fuchs (Verl) — hier stimme ich Ihnen ausdrücklich zu, Herr Au- Niemand kann ernsthaft vertreten, daß das nicht ßenminister — nicht nur von der Unionsregierung, ginge. Eine direkte militärische Bedrohung der Bun- sondern auch von den einzelnen Republiken eine desrepublik gibt es nicht mehr. Hatte das Verteidi- Verpflichtungserklärung darüber, daß die von der gungsministerium zu Jahresanfang in seiner Risiko- Sowjetunion notifzierten Anteilshöchstgrenzen weiter analyse noch das „Restrisiko Sowjetunion" ausge- gültig bleiben, und — zweitens — darüber, daß die macht, dürfte es jetzt, nach dem Ende der alten So- Verifikations- und Reduzierungsverpflichtungen wjetunion, auch mit diesem sogenannten Restrisiko auch für die sowjetischen Streitkräfte gelten, die noch vorbei sein. Gegen wen eigentlich sollen wir jetzt in den baltischen Staaten stehen. noch an solchem Irrsinn wie dem Jäger 90 festhalten: gegen das Restrisiko Rußland oder das Restrisiko Uk- Mit Estland, Lettland und Litauen haben drei Staa- raine? Machen Sie doch endlich Schluß damit! ten innerhalb des Vertragsgebiets ihre Unabhängig- keit neu erreicht. Sie haben nun die Wahl, entweder Die Bundesregierung hat bisher kein einziges gro- dem KSE-Vertrag beizutreten oder aber auszuschei- ßes Beschaffungsprojekt gestrichen, kein einziges den. Ich unterstütze ausdrücklich Ihre Position und Konversionsprogramm in Gang gebracht. Wer aber sage auch für meine Fraktion, daß wir es sehr begrü- jetzt nicht in der Lage ist, abzurüsten und diesen Pro- ßen würden, wenn die drei baltischen Staaten dem zeß für die Betroffenen sozial zu gestalten, der vergibt Stabilitätsregime des KSE-Vertrages beitreten wür- einmalige Chancen und überlebt sich politisch selbst, den. Allerdings müßten sie dann mit der sowjetischen was ich in diesem Fall nicht unbedingt bedaure. Unionsregierung neue Limits für ihre Länder aus dem (Beifall der Abg. Vera Wollenberger [Bünd Bestand der jetzigen sowjetischen Höchstgrenzen nis 90/GRÜNE]) aushandeln. Die Hochrüstung aus der Zeit der Ost-West-Kon- Wir sind mit der Bundesregierung völlig einer Mei- frontation schützt uns nicht vor den Risiken von heute nung, daß der Vertrag, so wie er ist, jetzt ratifiziert und morgen. Wirtschaftliche, soziale und ökologische werden muß, damit er möglichst schnell in Kraft treten Katastrophen, ethnische Spannungen und Flücht- kann. Die unzweifelhaft notwendigen und im Detail lingsbewegungen kann man nicht mit militärischen nicht unkomplizierten Veränderungen und Anpas- Mitteln bekämpfen. Genau dafür brauchen wir das sungen können nach Ratifizierung und Inkrafttreten Geld, das jetzt die Rüstung verschlingt. des Vertrages ausgehandelt werden. Im übrigen sind es keine Veränderungen des Vertrages selbst, son- Im übrigen ist in Europa auch nach dem KSE-Ver- dern lediglich solche seiner Anwendung. trag der Nahe Osten immer noch die Region mit der weltweit höchsten Waffenkonzentration. Diese funk- Meine Fraktion ist für die zügige Verabschiedung tionslos gewordene Rüstung kann angesichts der der Entwürfe eines Ratifizierungsgesetzes zum KSE spannungsreichen Entwicklung auf unserem Konti- Vertrag und des dazugehörigen Ausführungsgeset- nent zu einem eigenständigen Risikopotential führen. zes, das die rechtliche Grundlage für Verifizierungs- Am deutlichsten ist dies bei den taktischen Atomwaf- maßnahmen im nichtstaatlichen Bereich schafft. fen der Sowjetunion: rund 9 000 Sprengköpfe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle Welt meint, Unmittelbar nach dem Putsch teilte der damalige Abrüstung laufe nun von ganz allein. Aber auf die sowjetische Außenminister Bessmertnych mit, daß versprochene Friedensdividende warten wir bisher sich die Atomwaffen der Sowjetunion in der sicheren noch vergebens. Für das kommende Jahr hat die Bun- Verwahrung der zuständigen Behörden befunden desregierung einen Verteidigungsetat vorgelegt, der hätten. Welche Behörden das waren, wissen wir bis fast genauso hoch ist wie der diesjährige. Die NATO heute nicht. Aus den USA wurde die Version Bess- hat bereits im Frühjahr darauf hingewiesen,- daß sin- mertnychs zunächst bestätigt. Ich habe den Verdacht, kende Rüstungslasten in absehbarer Zeit nicht zu er- es gibt da eine Kumpanei von Atomwaffenbesitzern, warten seien, und das trotz der positiven Entwicklun- die versuchen, globale Risiken ihrer Vernichtungsar- gen um uns herum. Frankreich führt die neue Hades- senale auf jeden Fall herunterzuspielen. Atomrakete ein, die nur Deutschland und die Tsche- choslowakei erreichen kann, als hätte sich nichts, aber Inzwischen hat der sowjetische Verteidigungsmini- auch überhaupt nichts in Europa geändert. ster zusätzliche Sicherungen für die sowjetischen Atomwaffen angekündigt. Offensichtlich war doch Der Golfkrieg hat zu einer perversen Suche nach nicht alles Menschenmögliche getan worden, um die neuen militärischen Bedrohungen aus dem Süden ge- Gefahren dieser Massenvernichtungsmittel zu ban- führt, der mit neuer und höchst kostenträchtiger High- nen. Tech-Rüstung begegnet werden soll. Zwei Gefahren springen besonders ins Auge: der Schließlich könnte der Bürgerkrieg in Jugoslawien Mißbrauch bei einem Putsch oder Staatsstreich und manchen in Versuchung bringen, zu glauben, daß das Entstehen neuer Nuklearmächte bei dem Zerfall auch innerhalb Europas der Einsatz militärischer Mit- der Sowjetunion. Dagegen hilft nur eines — und da tel in Zukunft noch sinnvoll sei. stimme ich Ihnen, Herr Bundesminister, wiederum Hier liegen eine Reihe von Tretminen für die Abrü- zu — : Die taktischen Atomwaffen der Sowjetunion stung, fürchte ich. Ein friedliches Zusammenwachsen müssen gänzlich beseitigt werden, aber nicht nur die Europas aber wird es ohne weitere Abrüstung nicht der Sowjetunion, sondern auch die aller anderen Staa- geben. Die Völker Europas brauchen dringend die ten müssen restlos beseitigt werden. Ich freue mich, Mittel, die das Wettrüsten bisher verschlungen hat. daß wir da offensichtlich übereinstimmen. Das brauche ich hier im Hause keinem zu erzählen. (Beifall bei der SPD, dem Bündnis 90/ Das trifft uns Deutsche ja sehr direkt. GRÜNE und der PDS/Linke Liste) Deutscher Bundestag — 12. Wahlpe riode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3323

Katrin Fuchs (Verl) Dabei ist keine Zeit durch langwierige Verhandlun- Grundlagen. Wenn Wien I nicht über kurz oder lang gen zu verlieren. Es reicht, wenn die Sowjetunion und zu einer Vertragsruine werden soll, muß Wien II fol- die Vereinigten Staaten eine verbindliche Erklärung gen. Wien II wird sicherlich komplizierter werden als über den vollständigen Abzug ihrer taktischen Atom- die erste Runde, die auch schon nicht ganz einfach waffen aus Europa abgeben und sich verpflichten, war. Wien II wird sich in vielfacher Weise den neuen solche Systeme nicht wieder nach Europa zurückzu- Bedingungen in Europa anpassen müssen. führen. Ich will hier einmal einige vorläufige Gedanken zu Verhandeln müßten sie dann über die Verifizierung dieser nächsten Verhandlungsrunde umreißen. Das dieses Abzugs und die Vernichtung der Trägersy- ist sicher nur eine Skizze, aber zu Ende gedacht hat steme und der Sprengköpfe. Verhandeln müßten alle dieses Thema noch niemand, und das ist angesichts Atommächte auch über die weltweite Beseitigung der raschen Entwicklung auch gar nicht möglich. sämtlicher taktischer Atomwaffen. Natürlich darf sich dies nicht auf die Kurzstreckenraketen und die Atom- Bei den Wien-II-Verhandlungen werden nicht mehr artillerie beschränken. See- und luftgestützte Systeme zwei Militärblöcke verhandeln — das ist der erste gehören in das Paket hinein. Punkt — , sondern innerhalb des KSE-Rahmens 38 souveräne Staaten, jedenfalls nach dem jetzigen An dieser Stelle fordere ich noch einmal von der Stand. Es wird nicht mehr um ein stabiles Gleichge- Bundesregierung — das haben wir wiederholt getan, wicht zwischen zwei Bündnissen gehen, sondern um zuletzt während der Haushaltsdebatte —, daß sie die die Austarierung von 38 nationalen Höchstgrenzen. Einführung luftgestützter Atomraketen, die die NATO plant, ablehnt. Der NATO-Gipfel im November muß Damit stellt sich die praktische Frage nach den Kri- dieser sogenannten Modernisierung endgültig ein terien für 38 nationale Höchstgrenzen. Geographische Ende setzen. oder demographische Kriterien — Fläche, Grenzlage oder Bevölkerungszahl — werden dabei nach meiner (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ Auffassung kaum weiterhelfen. GRÜNE) Liebe Kollegen und Kolleginnen, vieles in der Abrü- Ich denke, die Lösung kann am besten aus dem vor- stung kann man jetzt eigenständig tun. Man kann handenen Instrumenta rium des KSE-Vertrages her- z. B. den Jäger 90 und den Panzerabwehrhubschrau- aus entwickelt werden. Hier haben wir mit den zwar ber 2 streichen und die Bundeswehrstärke auf unter veränderbaren, aber völkerrechtlich verbindlichen 370 000 Mann absenken. Anteilshöchstgrenzen bereits ein Instrument, zu- nächst allerdings nur für die 22 Unterzeichnerstaa- (Dr. [FDP] : Das hätte ich heute ten. fast vermißt!) Meine Idee ist es nun, daß man die 16 anderen Staa- — Na ja, ich wußte doch, daß ich noch etwas beitragen ten in den KSE-Vertrag einbezieht, mit eigenen Ober- muß, damit auch Sie zufrieden sind. Wenn wir jetzt grenzen und allen Informations- und Verifikationsver- wirklich übereinstimmen, dann kann ich mich nur pflichtungen. Dabei geht es, denke ich, zunächst nicht freuen. einmal so sehr darum, das Militärpotential der hinzu- (Dr. Werner Hoyer [FDP]: Ich fürchte nein!) kommenden Staaten zu reduzieren. Ich meine, es würde ausreichen, es zu limitieren. Die Limits, also die Wir werden uns noch wundern, Kollegen und Kol- Obergrenzen für die 16 neuen KSE-Teilnehmer, leginnen, welche Kettenreaktion eigenständiger Ab- könnten diese Staaten sogar maßgeblich selber be- rüstungsschritte in Gang gesetzt werden wird, wenn stimmen. erst einmal die Ankündigung des russischen Präsi- denten Jelzin realisiert wird, die sowjetische Armee In diesem ersten Schritt ist das Wichtigste, denke drastisch zu reduzieren. Ein solcher Prozeß ist gut und ich, die 16 Staaten in das KSE-Vertragsregime einzu- richtig. Das Tempo der politischen Entwicklung beziehen. Das könnte allerdings durchaus einige zwingt einfach dazu. Jahre dauern, fürchte ich. Aber erst wenn das geleistet Dennoch bleiben weitere Abrüstungsverhandlun- ist, haben wir eine gemeinsame Grundlage aller gen nötig, insbesondere auf dem Gebiet der konven- 38 Staaten, von der aus weitere tiefe Einschnitte vor- tionellen Abrüstung und der Vertrauensbildung in genommen werden können und auch vorgenommen Europa. werden müssen. Das große Verdienst des KSE-Vertrages ist es ge- Ein zweiter Gesichtspunkt ist für mich, daß sich die rade, daß er eine völkerrechtlich verbindliche und Verhandlungen in ihrem Inhalt und in ihrer Form der verifizierbare Ordnung für die konventionellen neuen politischen Lage in Europa anpassen müssen. Streitkräfte in Europa bringt. Ein solches Regime gibt Das heißt, im Mittelpunkt der Verhandlungen steht es sonst nirgendwo auf der Welt, und die Existenz nicht mehr die Regulierung der Konfrontation, son- einer solchen Rahmenordnung ist die Voraussetzung dern die Ausgestaltung der Kooperation. dafür, zu weiteren verbindlich festgeschriebenen und Praktisch bedeutet dies, daß in der ersten Phase von kontrollierbaren Abrüstungsschritten zu kommen. Wien II eine Vielzahl von Maßnahmen, die wir bisher Ich will dabei nicht übersehen, daß der Block-zu- unter dem Titel vertrauens- und sicherheitsbildende Block-Ansatz des KSE-Vertrages bereits bei seiner Maßnahmen diskutiert haben, im Vordergrund stehen Unterzeichnung überholt gewesen war. Das spricht werden. Dies könnten ganz neue Maßnahmen sein, aber nicht gegen diesen Vertrag, sondern für die Fort- etwa grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der führung des Wiener Verhandlungsprozesses und für militärischen Flugsicherung oder ein Personalaus- die Weiterentwicklung seiner konzeptionellen tausch zwischen grenznah stationierten Verbänden 3324 Deutscher Bundestag — 12. Wahlpe riode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Katrin Fuchs (Verl) oder eine gemeinsame europäische Sicherheitsakade- Wenn quantitative Abrüstung nicht über kurz oder mie aller 38 für den kontinuierlichen Dialog über lang durch eine neue High-Tech-Rüstung untergra- Streitkräfte, Strategien und Dokt rinen. ben und entwertet werden soll, dann bedarf es sech- stens eines Einstiegs in qualitative Rüstungskon- Also, Kreativität und Phantasie sind hier kaum trolle, d. h. einer Begrenzung des rüstungstechnologi- Grenzen gesetzt. Der Kerngedanke ist, daß weitere schen Fortschritts bis hin zum Verbot der Anwendung Reduzierungen um so leichter fallen, je mehr Ver- bestimmter Technologien. trauen und praktische Zusammenarbeit es gibt. Ein dritter Gedanke ist, daß es in Zukunft viel Noch wäre es möglich, den Einsatz von Technolo- gien auf der Basis neuer physikalischer Prinzipien schwerer fallen wird als zu Zeiten der Blockkonfron- tation, einheitliche Regelungen für ganz Europa zu — die wir bisher nur vom Thema SDI kennen, also treffen. Im Ostseeraum gibt es ganz andere Sicher- z. B. Laserwaffen oder elektromagnetische Ge- heitsprobleme als auf dem Balkan. Das heißt, es schütze — für die „konventionelle" — aber „konven- könnte notwendig werden, auch regionale Sicher- tionelle" in Anführungsstrichen — Kriegsführung zu heitsarrangements zu treffen. verbieten. Diesen Aspekt der Abrüstung, der in der Politik bisher so gut wie keine und auch in der Wis- Dies zielt nun überhaupt nicht auf die Schaffung senschaft nur wenig Aufmerksamkeit fand, müssen von Zonen ungleicher Sicherheit. Im Gegenteil: Das wir in Zukunft viel stärker beachten. Endziel gleicher Sicherheit in Europa könnte gerade dadurch erreicht werden, daß offensichtlich unter- Siebtens schließlich müssen die Obergrenzen für schiedliche Problemlagen in den verschiedenen Re- vertraglich bereits begrenztes Gerät weiter reduziert gionen mit unterschiedlichen Mitteln gelöst werden. und auch neue Katego rien einbezogen werden. Nach dem KSE-Vertrag sind insgesamt immer noch 157 000 Wir müssen dabei allerdings beachten, daß solche Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Artille rie, Kampfhub- regionalen Lösungen mit der angestrebten Gesamt- schrauber und Kampfflugzeuge in Europa zulässig; architektur für die europäische Sicherheit kompatibel eine ungeheure Menge, die in keinerlei Verhältnis zu und im Kreise aller 38 Teilnehmer konsensfähig sein den heute gegebenen politischen Bedingungen und müssen. Möglichkeiten steht. Viertens sollte man über Eingriffe in die Struktur, Auch wenn diese Obergrenzen nicht überall ausge- die Dislozierung und den Präsenzgrad der Streitkräfte schöpft sind — worüber wir uns freuen können —, nachdenken mit dem Ziel, ihre rein defensive Aus- sind weitere vertraglich festgelegte Reduzierungen richtung zu stärken. Angesichts einiger aktueller Pla- durchaus erforderlich; ich denke, sie sind sogar zwin- nungen, ist das, glaube ich, wichtiger denn je. gend erforderlich. Das im Mandat zu Wien I formulierte Ziel, die Fä- Ich würde mich freuen, Kollegen und Kolleginnen, higkeit zu groß angelegten offensiven Handlungen zu wenn sich in diesem Hause eine lebhafte Debatte über beseitigen, ist nicht nur von unveränderter Aktualität, die Zukunft der europäischen Abrüstung entwickeln sondern besitzt unter den neuen Bedingungen noch würde; gerade auch deshalb, weil es um dieses Thema viel weitergehende Realisierungschancen, und die in der letzten Zeit etwas ruhiger geworden war. Die müssen ergriffen werden. Praktische Maßnahmen Möglichkeiten für eine offene Diskussion sind gut, könnten sein, die Streitkräfte in Grenzregionen aus- weil die Bedingungen neu sind und weil noch nie- zudünnen oder den Präsenzgrad von Streitkräften er- mand über ein festes, unverrückbares Konzept ver- heblich herunterzufahren. fügt. Notwendig ist diese Diskussion schon deshalb, weil nach dem Beschluß des Berliner Ratstreffens der Unabweisbar ist fünftens der Einstieg- in die mari- time Rüstungskontrolle in den an Europa angrenzen- KSZE-Außenminister informelle Gespräche über den Meeren, also in der Ostsee, der Nordsee, aber Wien II schon in diesem September geführt werden auch im Mittelmeer. und formelle, vorbereitende Verhandlungen auf dem KSZE-Folgetreffen im März kommenden Jahres be- ( [SPD]: Die Ostsee grenzt ginnen sollen. aber nicht an Europa an, sondern liegt mitten in Europa, liebe Frau!) Angesichts der Bedeutung der Abrüstung für die Zukunft Europas darf es nicht nur Verhandlungen — Na gut; ich bedanke mich, Kollege Koschnick. zwischen Regierungen geben, es müssen vielmehr auch in den Parlamenten Diskussionen über diesen Gerade Regelungen über das Mittelmeer könnten Prozeß stattfinden. Gott sei Dank können wir diese dazu beitragen, auch für diese Region einen mit der Diskussion in dem Bewußtsein führen, daß Sicher- KSZE vergleichbaren Prozeß einzuleiten, der eines heitspolitik und auch Abrüstung nur noch Teile eines Tages zu einer Konferenz über Sicherheit und Zusam- umfassenden Systems europäischer Sicherheit sind, menarbeit im Mittelmeer führen würde. Der Einstieg das sich zunehmend und immer stärker auf zivile Ko- in das heftig umstrittene Gebiet der maritimen Rü- operation abstützen wird. stungskontrolle könnte darin liegen, daß in einem er- sten Schritt bestimmte Informationspflichten für Ma ri Mit der in der Vergangenheit wichtigen Lokomotiv -neaktivitäten vereinbart werden. Dabei darf es natür- Funktion der Abrüstung ist es angesichts der politi- lich nicht bleiben; aber wichtig ist, daß man endlich schen Umbrüche in Osteuropa vorbei. Was bleibt, ist mit der maritimen Rüstungskontrolle anfängt. Dem die Notwendigkeit einer neuen Kooperation, die die werden sich auch die Vereinigten Staaten nicht länger militärischen Altlasten der Ost-West-Konfrontation entziehen können. beseitigt und endlich die Mittel freisetzt, die wir für Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3325

Katrin Fuchs (Verl) die Gestaltung der europäischen Zukunft dringend Aber dies — da sollten wir uns nicht täuschen, und brauchen. das gehört hier angesprochen — muß nun erst umge- (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ setzt werden. Das bedarf vieler Anstrengungen. Das GRÜNE sowie des Abg. Dr. Hans Modrow lohnt volle politische Konzentration, und das fordert [PDS/Linke Liste]) — ich freue mich, daß der Außenminister dies er- wähnte — hohe Flexibilität auf allen Seiten. (Beifall bei der FDP — Hans Koschnick Das Wort hat der Abge- Vizepräsident Hans Klein: [SPD]: Stoltenberg sollte das hier sagen!) ordnete Peter Kurt Würzbach. Und es bedeutet noch mehr — und das möchte ich hier einfügen — : Das kostet eine Menge Geld. Peter Kurt Würzbach (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die CDU/CSU (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Aha!) Bundestagsfraktion begrüßt die Einbringung beider Gesetze durch die Bundesregierung und tritt für eine Es erfordert ebenfalls viel Zeit. Meine Bitte auch an zügige weitere parlamentarische Beratung ein. unsere Regierung — ich spreche das Ressort des Aus- wärtigen hier besonders an — ist in diesem Zusam- Das rüstungskontroll- und abrüstungspolitische menhang, in der innenpolitischen Diskussion, Herr Feld ist seit einigen Wochen wieder schwieriger ge- Minister, bei uns in Deutschland deutlich und deutli- worden, deshalb aber für uns alle um so bedeutsamer. cher zu machen — um auch Verständnis für die Ab- Die augenblickliche und — ich gehe davon aus — läufe dieser guten Ergebnisse, für die außenpoliti- noch etwas länger anhaltende Instabilität in der So- schen Erfolge in der Bevölkerung zu erwirken —, daß wjetunion sollte für West und Ost gerade Anlaß sein, dies Geld kostet, daß dies Anstrengungen kostet, daß mit besonderem Ernst — und damit meine ich: unter dies auch Zeit kostet, damit diese außenpolitischen Einsatz aller zur Verfügung stehenden politischen Erfolge umgesetzt werden. Mittel und Möglichkeiten —, die Ratifizierung, die Implementierung, die Realisierung und die Verifizie- Ich will beim Geld noch bleiben: Im Regierungsent- rung dieses Vertrages voranzutreiben. wurf des Verteidigungsetats, der hier angesprochen Unsere Bundesregierung kann mit Recht mit dem wurde — wenngleich mit anderer Absicht — , sind im Zustandekommen dieses wichtigen und erstmals so in Kapitel „Rüstungskontrolle und Abrüstung" allein für die Waffenbestände in Ost und West eingreifenden das kommende Jahr 265 Millionen DM eingesetzt — Vertrages auf einen weiteren großen und großartigen eine große Summe. Ich sage: Wenn wir mit der Ratifi- Erfolg in ihrer Abrüstungspolitik hinweisen. zierung von KSE Erfolg haben und die Waffen in den beabsichtigten Schritten vernichten, wird dieses Geld (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) nicht ausreichen. Wir werden noch mehr dafür brau- Ich will hier ausdrücklich den Verhandlungsführern chen: teures, wenngleich einem guten Zweck dienen- und vorweg unserem deutschen Botschafter in Wien, des Geld. Nur müssen wir in der innenpolitischen Dis- Herrn Hartmann, mit seinen militärischen Beratern kussion den außenpolitischen Erfolg mit der sich dar- sowie dem Auswärtigen Amt und dem Verteidigungs- aus ergebenden Notwendigkeit ein wenig besser als ministerium anerkennend für die Arbeit, die geleistet bislang verdeutlichen. wurde, danken. Und ich will noch konkreter werden: Deutschland (Vorsitz: Vizepräsident Helmuth Becker) ist es einzige Land, das die Reduzierung seiner Streit- Ich weiß, daß gerade von uns, den Deutschen, die kräfte — einseitig und vorleistend — verbindlich auf daran beteiligt waren, in der Phase der Verhandlun-- 370 000 Mann festgelegt hat. Wer bereits heute — wie gen eine Menge wichtige und tragfähige Brücken für eine Seite dieses Hauses es getan hat; hier soeben das Zustandekommen des Vertrages, Brücken zwi- noch einmal mehr als nur angedeutet geschehen — in schen Ost und West, gebaut wurden. dieser Lage mit dieser Zahl wieder weiter herunter (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie will, der übersieht den Zusammenhang von Rüstungs- bei Abgeordneten der SPD) kontrolle, Abrüstung und Sicherheitspolitik mit dem Ziel sich daraus ergebender größerer, berechenbarer Es ist erfreulich, daß das, so sage ich einmal, läh- Stabilität gerade jetzt in der Situation, in der wir hier mende Trauma von 17 Jahren MBFR-Verhandlungen in Europa leben. Er übersieht auch, daß die neuen diese Verhandlungen nicht gelähmt hat, sondern daß Demokratien im Osten, denen die NATO die Hand es hier in weniger als zwei Jahren, in 21 Monaten, offiziell noch nicht reichen kann und will — aus ein- gelungen ist, diesen komplexen und einschneidenden sehbaren Gründen —, Vertrag zur Vernichtung von Zehntausenden von großen Waffensystemen zu formulieren. Ich will hier (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Die als beispielhafte Zahl nur einmal die der Hauptkampf- Hände kann sie durchaus reichen!) waffe des Heeres, der Panzer, nennen: In der NATO werden über 4 000, im ehemaligen Warschauer Pakt wegen ihrer Sicherheitsbedürfnisse großes Interesse rund 12 000 dieser Hauptwaffensysteme zu vernich- daran haben, da auch wir dort Verantwortung über- ten sein, nehmen. Und ich sage denen, die dies jetzt fordern, noch etwas deutlicher: Sie übersehen — oder sie wol- (Karsten D. Voigt [Frankfu rt] [SPD]: Es bleibt len dies bewußt herbeiführen —, daß sie mit einer immer noch zuviel!) noch weiteren Reduzierung — auf welche Zahl auch bei uns in Deutschland sind es rund 3 000. — Ein gutes immer, aber erheblich darunter — die Wehrpflicht Ergebnis. zum jetzigen Zeitpunkt automatisch abschaffen, ob- 3326 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Peter Kurt Würzbach wohl sie dies nach ihren offiziellen Äußerungen nicht zum Inhalt hat, daß sie und ihre Teilrepubliken die wollen. von der Sowjetunion eingegangenen Verpflichtungen aus dem KSE-Vertrag erfüllen, daß in den einzelnen (Vera Wollenberger [Bündnis 90/GRÜNE]: Republiken möglicherweise neu entstehende Streit- Da könnten wir aber viel Geld sparen, wenn kräfte den Vertragsbestimmungen unterliegen und wir die Wehrpflicht abschaffen würden!) daß auch dasjenige Gerät, das außerhalb des Territo- Ich will hier deutlich machen, daß Abrüstung auch riums der neuen Union liegt, den eingegangenen Ver- in unseren Gemeinden — wo wir als Abgeordnete pflichtungen unterworfen bleibt. Das heißt auch, daß Rede und Antwort zu stehen haben — durch die ge- die Sowjetunion ihr noch im Baltikum stehendes Ge- genwärtige Entlassung unserer Soldaten und die Ent- rät auf ihre Höchstgrenzen anrechnet und in den In- lastung der Gemeinden, aus denen die Soldaten abge- formationsaustausch einbezieht. zogen werden, eine Menge Geld erfordert. Ich gebe Minister Genscher recht, wenn er sinnge- Zum Faktor Zeit: Hier, meine ich, sollten wir als mäß sagt, daß die Sowjetunion nun, um diese tiefen Deutsche sehr bewußt und auch selbstbewußt darauf Schnitte, diese großen Schritte in der eigenen Abrü- hinweisen, daß wir eine Menge Gutes vorgeleistet stung und des eigenen Rückzugs aus großen Regio- haben. Ich möchte als Beispiel nennen, daß wir in die- nen zu verdauen, eine bestimmte innere Ruhe sem Prozeß aus zwei Armeen in kürzester Zeit eine braucht. So habe ich Sie, glaube ich, sinngemäß rich- gemacht haben; daß wir uns zeitlich verpflichtet ha- tig zitiert. ben, diese eine Armee nun um rund die Hälfte zu reduzieren; daß wir im Zuge des Überdenkens der Ich möchte das, was Sie zu Recht für diesen Bereich NATO-Strategie, was ansteht, gezwungen sind, diese fordern, aber auf andere Bereiche übertragen, die neu zu dislozieren, umzustrukturieren, ihr neue Auf- diese innere Ruhe für den Ablauf dieser komplizierten gaben zu geben, daß wir deutlich machen müssen, Prozesse nötig haben. Ich schließe dabei ausdrücklich daß auf die Bundeswehr neue Aufgaben wie die Veri- die Bundesrepublik und die Bundeswehr ein. fizierung im Abrüstungsprozeß und anderes zukom- men. Parallel zu KSE sollten wir, fußend auf der Londoner Erklärung alle Energie einsetzen, um die Abschaffung (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Endlich mal was der bodengestützten nuklearen Kurzstreckenwaffen Vernünftiges!) — Rohrartillerie und Kurzstreckenraketen — zu errei- Herr Minister, eine weitere Bitte an Sie. Wir haben chen, und zwar in Europa. Das ist meine Empfeh- riesige Materialbestände: solche, die Überbestände lung. der Bundeswehr (alt) sind, plus solche aus der Über- Ich könnte Ihnen Zitate von Cheney oder dem nahme alten NVA-Gerätes — viele Lager, große Be- neuen sojwetischen Verteidigungsminister Scha- stände. Es kostet viel Geld, sie zu bewachen. Ganz poschnikow nennen. Ich könnte unseren langjährigen gelingt dies im Augenblick noch nicht einmal; wir Fraktionsvorsitzenden als Zeugen an- kennen die traurigen Nebenerscheinungen. Diese bei rufen, der dies als einer der ersten — nicht immer der Industrie zu vernichten verschlingt weitere Milli- regierungskonform — schon damals laut gefordert arden, und das Ganze kostet viel Zeit. Meine Bitte ist, hat. Aber ich freue mich, zwei zu zitieren, die in einem zu prüfen, wie wir unter Ihrer Überschrift — die ich Atemzug bei diesem Thema als in Übereinstimmung mir zu eigen mache — Flexibilität Entscheidungen zu nennen zu können mir besondere Freude macht: den möglicher Weitergabe dieser Geräte im eigenen Be- deutschen Generalsekretär der NATO, Manfred Wör- reich oder in voller Abstimmung — die herbeizufüh- ner, und den russischen Präsidenten Jelzin. Ich zitiere ren wäre — mit der anderen Seite aus einem Interview des „Deutschlandfunks" vom (Zuruf von der SPD) 12. September 1991, das also erst wenige Tage her ist, in dem Wörner von dem Journalisten gefragt wird: — ich kenne die Texte — zügig treffen können, Ent- „Jelzin hat ja z. B. vorgeschlagen, man solle ohne scheidungen, die allen miteinander nutzen. langwierige Verhandlungen die atomaren Kurzstrek- Meine Kolleginnen und Kollegen, nach den bisheri- kenraketen und die nukleare Artille rie schnellstens gen Erkenntnissen gibt es erfreulicherweise keinerlei verschrotten. Ist das Ihrer Ansicht nach ein guter Vor- Anlaß, an der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen schlag?" Die Antwort Wörners: „Das ist ein guter Vor- der ehemaligen Sowjetunion zu zweifeln. Wir begrü- schlag. " ßen es deshalb außerordentlich, daß sich Präsident Gorbatschow und mit ihm die Präsidenten der Repu- Ich finde, das ist ein gutes Beispiel, wie wir auf dem bliken verpflichtet haben — ich zitiere — , „die st rikte Weg von der Konfrontation zur Kooperation sind. Es Einhaltung aller internationalen Abkommen und ist weiter ein Beispiel dafür, daß entgegen manchen Verpflichtungen, die von der Sowjetunion übernom- Behauptungen die NATO sehr wohl in ihrer militär- men worden waren — einschließlich der Fragen der politischen Entwicklung auf der Höhe der Zeit ist. Es Rüstungsreduzierung und der Rüstungskontrolle —, geht um schnelles Realisieren des beiderseitigen tota- zu übernehmen". Dies ist etwas ganz Wichtiges und len Vernichtens dieser Kurzstreckensysteme. Meine Gutes, das wir nun einfordern sollten. Empfehlung ist, dies, wo es greifbar zu sein scheint, nicht mit zusätzlichen, weiterreichenden Forderun- Es muß unser Ziel sein — und meine Fraktion bittet gen über diesen Bereich hinaus zu befrachten. die Bundesregierung, hier sehr darauf zu achten —, schon jetzt alles zu tun, daß nach Abschluß des neuen In diesem Zusammenhang begrüße ich es sehr, daß Unionsvertrages von der dann neuen Union eine poli- der französische Präsident bezüglich der Ausgestal- tisch verbindliche Verpflichtung erreicht wird, die tung seines Nuklearpotentials Bewegung zeigt. Es ist, Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3327

Peter Kurt Würzbach füge ich hinzu, aus deutscher Sicht dringend ge- Ulrich Irmer (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. boten, daß dessen Zusammensetzung überdacht Der Vorredner hat gar nicht unklug gesprochen. wird. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Die Ha CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Sehr des müssen weg! Die müssen nicht nur be wahr!) wegt werden, die müssen weg!) Ich möchte das bei Frau Fuchs nicht so uneinge- Bei aller Freude, verehrte Kolleginnen und Kolle- schränkt sagen. gen, über bisherige und über konkret absehbare Er- Herr Bundesaußenminister, Sie haben vorhin die folge in der Abrüstungspolitik dürfen wir aber nicht Hoffnung zum Ausdruck gebracht, daß das Haus die- übersehen, daß Ziel und Zustand, daß Absicht und sen Vertrag mit großer Mehrheit ratifizieren möge. Ich Wirklichkeit noch nicht übereinstimmen, daß Rü- habe mit großer Freude vernommen, daß SDP- und stungskontrolle mehr als nur numerisch weniger Waf- CDU/CSU-Fraktion das gleiche tun werden, was ich fen ist und daß wir nach dem Nachdenken endlich, jetzt für die FDP-Fraktion ankündige, daß wir diesen und zwar bevor konkrete Krisen wieder vor der Tür Vertrag ratifizieren werden, und zwar mit Lust und stehen, auch zu praktischen Ergebnissen kommen großer Freude. müssen und Instrumente für die Verhinderung und, wenn wir hier ohne Erfolg waren, für die Eindäm- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — mung von Konflikten aufbauen müssen. Anders aus- Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Das hätten wir gedrückt: Wir brauchen effiziente Sanktionsmecha- nicht gedacht! — Dr. Hermann Scheer [SPD]: nismen. Sie sind unverzichtbar, wie gerade an trauri- Auf dieses erlösende Wort haben wir gewar gen Beispielen vor unserer Haustür viel zu lang im tet!) Augenblick vorgeführt. Meine Damen und Herren, der Vertrag, seine Vor- geschichte und seine Ratifizierung jetzt lassen ganz (Hans Koschnick [SPD]: Was heißt das?) deutlich erkennen, welchen rasanten Wandel die Ent- Wir sollten jetzt eine Vielzahl von sich bietenden wicklung in Europa durchgemacht hat. Wer hätte sich Möglichkeiten zur Vertrauensbildung — es gibt eine vor zwei Jahren vorstellen können, daß dieser Ver- Menge — nutzen: Kontakte, Kooperation, Austausch trag, der dem neuen Denken entspricht, schon zu der von Offizieren und anderen, Abbau von Fehlvorstel- Zeit, wo er ratifiziert wird, gänzlich andere Vorausset- lungen über Kapazitäten und mögliche Absichten. Ich zungen vorfindet! rate in diesem Zusammenhang zu voller Konzen- Begonnen hat es mit zwei Blöcken, die miteinander tration unserer Außenpolitik auf KSE und zum Nut- verhandelten. Den einen Block, nämlich den War- zen der Chancen für Folgeverhandlungen im Perso- schauer Pakt, gibt es nicht mehr. Es war bei den Ver- nalbereich sowie Vorbereitung des Gipfels in Hel- handlungen ein Land beteiligt, das es auch nicht mehr sinki. gibt, nämlich die DDR. Eines der wichtigsten Länder, Es liegt im Interesse der regionalen wie der gesamt- das Vertragspartner ist, nämlich die Sowjetunion, exi- europäischen Stabilität, daß nicht nur die neue Union, stiert nicht mehr in der alten Form. Der Minister hat sondern auch die neuen Staaten, die aus der ehema- angesprochen, welche Schwierigkeiten sich hieraus ligen UdSSR entstanden sind oder noch entstehen für den Vertrag möglicherweise ergeben. Es ist rich- werden, in diesen Rüstungskontrollprozeß eingebun- tig, daß die Selbständigkeit, die die baltischen Staaten den sind und damit der Aufbau einer Sicherheitsord- errungen haben, natürlich hier in diesem Zusammen- nung in Europa auch wirklich gelingt. hang gewisse Probleme aufweist. Ich hoffe, daß diese Probleme in der von Herrn Minister Genscher ange- Eine Realisierung von KSE bedeutet, daß kein Staat - deuteten Weise gelöst werden können. mehr die Fähigkeit zur Offensive gegenüber einem anderen hat. Es bedeutet, daß Überraschungsangriffe Es ist eine gewisse Tragik, meine Damen und Her- unmöglich werden. Es bedeutet, daß es lange politi- ren, daß wir zwar jetzt den Vertrag ratifizieren kön- sche und militärische Vorwarnzeiten mit Möglichkei- nen, aber deutlich sehen, daß damit der Frieden selbst ten der Beilegung gibt. Es bedeutet, daß Abrüstung noch nicht gewährleistet ist. Zur Zeit der Hochrüstung und Sicherheit neue Berechenbarkeit schaffen. Für hatten wir keine kriegerischen Auseinandersetzun- Deutschland bedeutet dies, auch ganz konkret vor gen in Europa. Heute erleben wir in unserer Nachbar- dem Hintergrund einer stabilen Ordnung, daß wir von schaft einen blutigen Krieg der Serben gegen die der bisherigen Waffenkammer in der Mitte des Kroaten. Auch dieses zeigt, daß keineswegs alle Be- geteilten Europas auch durch zusätzliche einseitige, drohungen verschwunden sind. vorzeitige Reduzierung der Bundeswehr zum abrü- (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Woanders!) stungspolitischen Führungsstaat und vom Front- staat in der Mitte des geteilten Europas zum Ver- Verehrte Frau Kollegin Fuchs, ich glaube, Sie machen bindungsglied zwischen Ost und West werden kön- es sich zu leicht, wenn Sie sagen, es sei im Golfkrieg nen. künstlich eine Bedrohung herbeigeredet worden. Die war doch da. Die war doch ganz konkret da. Wir müs- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sen natürlich jetzt sowohl für unsere Bundeswehr als auch in der NATO neue Bedarfskonzepte erstellen. Wir müssen analysieren, wo die Bedrohungen der Zu- kunft liegen könnten. Aber man kann doch jetzt nicht Vizepräsident Helmuth Becker: Meine sehr verehr- sagen: Weil es einige Monate keine Gewitter gegeben ten Damen und Herren, als nächster Redner hat das hat, bauen wir die Blitzableiter ab. Man kann nicht Wort der Abgeordnete Ul rich Irmer. sagen: Weil es einige Monate auf einer Straßenkreu- 3328 Deutscher Bundestag — 12. Wahlpe riode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Ulrich Irmer zung nicht gekracht hat, schalten wir die Ampeln aus. — Das ist richtig. Wir sind ja dabei, Rüstungsexporte Das, was Sie gesagt haben — weg mit all der Rü- zu kontrollieren. Auch dies gehört zu dem Konzept stung — , ist so leider nicht zu verwirklichen. Trotzdem einer umfassenden Abrüstung. muß der Prozeß der Entspannung und der Abrüstung Abrüstung weltweit — Gott sei Dank hat sich das weitergeführt werden. neue Denken durchgesetzt. In diesem Sinne beglück- Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erin- wünsche ich die Bundesregierung und den Bundes- nern, daß der KSE-Vertrag das Produkt des KSZE- außenminister, daß wir jetzt den KSE-Vertrag ratifi- Prozesses ist, der auch in diesem Hause sehr umstrit- zieren können. ten war. Ich danke Ihnen. (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Stimmt!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich möchte ganz ausdrücklich dem Bundesaußenmi- Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und nister danken, daß er von Anfang an, beharrlich und Herren, nächster Redner ist der Abgeordnete Hans immer wieder den KSZE-Prozeß vorangetrieben hat Modrow. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) zu einer Zeit, als andere bei weitem noch nicht soweit Dr. Hans Modrow (PDS/Linke Liste): Herr Präsi- waren und in altem Denken verhaftet waren. dent! Meine Damen und Herren! Der heute zur Bera- tung vorliegende Vertrag wurde bereits im November (Hans Koschnick [SPD]: Ihr hattet früher des vergangenen Jahres unterzeichnet. Auch wenn er große Unterstützung gehabt!) hinter den tatsächlichen Möglichkeiten und Anforde- rungen zurückbleibt, hat ihn die PDS/Linke Liste be- — Ja, ich weiß, Herr Koschnick. Das richtete sich nicht grüßt, weil er dennoch erhebliche Reduzierungen gegen Sie. wichtiger konventioneller Waffensysteme vorsieht. Erinnert sich noch jemand daran, daß in diesem Die Reduzierung der Bundeswehr ist zugleich Be- Hause im Sommer 1987 über den Vertrag zur Beseiti- standteil der Regelung der äußeren Aspekte der deut- gung der atomaren Mittelstreckenraketen heftigst schen Einheit. gestritten wurde? Da gab es noch welche, die es noch Bedauerlich ist, daß sich die Bundesregierung erst nicht begriffen hatten, daß die Zeit auf Abrüstung jetzt um sein Inkrafttreten bemüht; dies um so mehr, stand. Wer sich daran erinnert, daß noch im Sommer als man in Paris übereinkam, in sehr schneller Ratifi- 1989 die Modernisierung der atomaren Kurzstrecken- zierung vorzugehen, damit die Verhandlungen in waffen von gewissen Kreisen verlangt wurde, dem Wien unverzüglich weitergeführt werden können, um kann ich nur sagen: Ich freue mich herzlich darüber, zum KSZE-Gipfeltreffen in Helsinki im Frühjahr daß sich das neue Denken jetzt auch dort überall nächsten Jahres bereits weitere Ergebnisse vorzule- durchgesetzt hat. gen. Meine Damen und Herren, der Prozeß der Abrü- Die PDS/Linke Liste spricht die Erwartung aus, daß stung ist ein dauerhafter Auftrag. Der Prozeß ist nicht die Bundesregierung die Verpflichtungen dieses Ver- abgeschlossen. Ich stimme all denen zu, die gesagt trages konsequent und zügig verwirklicht und alles haben, daß wir hier weitere Fortschritte erzielen müs- tun wird, damit die Verhandlungen in Wien im ge- sen. samteuropäischen Interesse zu weiteren konkreten Abrüstungsschritten geführt werden. Der nächste Schritt muß die komplette Beseitigung Es wird zum Teil sehr euphorisch bewertet, was die- aller nuklearen Kurzstreckenwaffen und der nukle- ser Vertrag bringt. Dem können wir nicht in vollem aren Artillerie sein. Wir müssen weitere Fortschritte Maße zustimmen; denn beim Lichte betrachtet, er- bei der Reduzierung strategischer Atomwaffen erzie- folgt im wesentlichen Rüstungssteuerung und weit len. Hier gibt es ja den hochinteressanten Gedanken, weniger wirkungsvolle Abrüstung. Gewiß kann auf daß man den START-Vertrag ergänzen könnte der Seite der Bundesregierung auf eine beträchtliche (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Gute Idee!) Reduzierungsquote verwiesen werden. Tatsache aber ist, daß diese zum großen Teil aus dem Abbau der um eine weitere Beseitigung und Rückführung und Nationalen Volksarmee bestritten wird. daß hiervon dann im Osten die Atomwaffen betroffen sein könnten, die nicht in der Republik Rußland, son- Fakt ist: Die europäischen Staaten sind in einer dern in den anderen Republiken stationiert sind. Dies neuen Situation. Der Warschauer Vertrag ist gewis- würde angesichts der Umwälzungen in der Sowjet- sermaßen zerfallen, während sich westliche Reduzie- union sicher hilfreich sein. rungsschritte dagegen äußerst bescheiden ausneh- men. Der einseitigen Teilabrüstung, vor allem der So- Auch die konventionelle Abrüstung muß weiter wjetunion, stehen keine adäquaten Schritte der fortgesetzt werden. NATO sichtbar gegenüber. Mehr noch: Die NATO hat mit ihrem zögerlichen, kleinlichen Vorgehen verhin- Meine Damen und Herren, wir sollten hier nicht nur an Europa denken. Wir sehen, daß in anderen Welt- dert, daß eine Spirale wirklicher Abrüstung in Europa in Gang gesetzt wurde. Bis auf den heutigen Tag wur- regionen nach wie vor gekämpft wird. Es gibt zuviele Waffen auf der Welt, es gibt gerade auch in Entwick- den nicht einmal in diesem Zusammenhang gegebene Versprechungen erfüllt, wie Verhandlungen über den lungsländern zuviele Waffen. Abbau der taktischen Kernwaffen oder die grundle- (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Wo kommen die gende Veränderung der Einsatzdoktrin. Selbst beim her?) INF-Vertrag droht heutzutage ein Unterlaufen durch Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3329

Dr. Hans Modrow die Einführung neuer, weitreichender luft- und seege- gütern verbieten und ein gesamtgesellschaftlich stützter Potentiale auf seiten der NATO. orientiertes Konversionsprogramm gestalten. (Peter Kurt Würzbach [CDU/CSU]: Das ist Die von Ihnen hier am Pult genannten hohen Kosten eine Rede, wie Sie sie 20 Jahre lang gehalten einer Abrüstung wird man eben um so besser bereit- haben!) stellen können, je konsequenter man selber die Abrü- stung durchsetzt. Die NATO lehnt nach wie vor Verhandlungen über Die Veränderungen in Europa bieten die Möglich- die Marinerüstung ab. keit, in allen Bereichen und gerade auf atomarem (Peter Kurt Würzbach [CDU/CSU]: Das ha Gebiet neue, weitgehene Schritte zur Abrüstung ein- ben Sie schon vor 20 Jahren immer wieder zuleiten und zu vollziehen. Der Vertrag muß rasch vorgelesen!) wirksam gemacht werden. Aber neue, größere Schritte zur Abrüstung und zur Vertrauensbildung — Vergleichen Sie Ihre Reden von damals! Entschul- sind notwendig. digen Sie mal, wir sind in einer Situation, von der Sie gerade gesagt haben, daß wir viel bessere Bedingun- (Beifall bei der PDS/Linke Liste) gen haben. Nun reden wir nicht von vor 20 Jahren, (Peter Kurt Würzbach [CDU/CSU]: Sie! Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Sie!) Herren, ich erteile jetzt der Frau Abgeordneten Vera Wollenberger das Wort. sondern von dem, wovon aus wir weitergehen wol- len. Vera Wollenberger (Bündnis 90/GRÜNE) : Herr Prä- Hier am Pult wurde gerade gesagt, daß auch die sident! Meine Damen und Herren! In den nächsten DDR bei den Verhandlungen in Wien dabei war. Nie- 40 Monaten sollen in Europa nur noch 20 000 Kampf- mand von Ihnen kann sagen, daß die DDR bei diesen panzer, 20 000 Artilleriegeschütze, 30 000 gepanzerte Verhandlungen ein Bremser gewesen sei. Gefechtsfahrzeuge, 6 800 Kampfflugzeuge und 2 000 Es ist keineswegs nur ein Verdacht, sondern bereits Kampfhubschrauber stationiert sein. Diese Obergren- eine Tatsache, daß die in Wien vereinbarten Reduzie- zen bedeuten, daß die Sowjetunion ungefähr 60 rungen zwar rein rechnerisch zu einem quantitativ ihrer Bestände aus Europa entfernen muß, während niedrigeren Stand führen, daß sie aber in ihrem Kern die NATO um etwa 13 % abrüstet. als gewaltige Umrüstung anzusehen sind. Weit ent- Von den fast 1,5 Millionen Soldaten in Deutschland fernt davon, die Schwächung der Gegenseite durch werden Ende 1995 nur noch knapp 500 000 übrigblei- den Zerfall des Warschauer Paktes und die großen ben. Gewiß, das sind wirklich eindrucksvolle Zahlen, innenpolitischen Probleme mit eigenem neuen Den- und wir begrüßen das KSE-Abkommen ausdrück- ken zu beantworten, nutzt die NATO den Sieg im Kal- lich. ten Krieg zum Ausbau ihrer Positionen unter Ausnut- Was uns aber neben der Zahl des abzurüstenden zung moderner Technologien. Kriegsmaterials mehr beeindruckt, ist die Zahl des- (Ulrich Irmer [FDP]: Das ist mir wesentlich sen, was man in Europa noch an Kriegsgerät behalten lieber, als wenn es umgekehrt gekommen möchte. Mit einer Besitzstandswahrung auf einem wäre!) derart hohen Niveau werden wir uns nicht abfin- den. — Das ist wieder die Frage, von der Sie ausgegangen (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Wir sind, nämlich wie es mit dem Blitzableiter ist.- Aus die- auch nicht!) ser Theorie läßt sich am Ende alles machen. — Sehr schön, da haben wir ja schon was gemein- Die gewünschte innere Ruhe in der Sowjetunion sam. wird auch durch neue Zeichen von seiten der NATO Wie Sie wissen, hatten wir von Anfang an über die gewiß beeinflußt. Diese Realitäten werden die Ent- Reichweite und den Umfang der KSE-Verhandlungen wicklungen Europas im letzten Jahrzehnt offensicht- andere Vorstellungen als die Bundesregierung. Ich lich viel stärker prägen als die bisherigen Ergebnisse erinnere in diesem Zusammenhang nur an den Aus- der Wiener Verhandlungen. schluß der Seestreitkräfte. Jedoch begrüßen wir die- Wir verlangen deshalb von der Bundesregierung, sen Vertrag als einen ersten Schritt in die richtige daß sie mit wesentlich größeren eigenen Aktivitäten Richtung, dem weitere folgen müssen. Jetzt gilt es, zur echten Abrüstung und Entmilitarisierung der in- diesen Vertrag mit Leben zu füllen und auf seine Ein- ternationalen Beziehungen vorangeht. Das könnte haltung zu achten. auch die Brückenfunktion sein, von der hier gespro- Allerdings beweist das KSE-Verhandlungsergeb- chen wurde. nis, daß Rüstungskontrollverhandlungen trotz der Da darf man für die nächsten zehn Jahre dann in- vielfältigen Friedensproklamationen nicht viel mehr tensiver weiterrechnen. Man darf nicht bei den als reine Rüstungssteuerung sind. Dies gilt uneinge- 370 000 stehenbleiben, sondern muß im Verlauf der schränkt für den KSE-Vertrag. Denn trotz einer Ver- nächsten zehn Jahre wohl auf 100 000 zurückgehen einbarung im Rahmen der Verhandlungen in Wien und die Militärausgaben auf ein Viertel des Jahres rüsten die Bundesrepublik und die NATO einseitig 1990 reduzieren, ein eindeutiges Verbot des Einsatzes qualitativ auf. deutscher Soldaten außerhalb des deutschen Territo- Wie ist diese qualitative Aufrüstung in einer Zeit riums festlegen, den Export und Import von Rüstungs- allgemeiner Abrüstungserwartungen und eines kon- 3330 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Vera Wollenberger kreten Abrüstungsvertrages zu erklären? Der NATO nige Kollegen aus dem Unterausschuß „Abrüstung Oberbefehlshaber, US-General Galvin, hat dazu ei- und Rüstungskontrolle" hier. Entgegen anderen Au- nige aufschlußreiche Informationen geliefert. Er er- ßerungen können wir auch begrüßen, daß der NATO- klärte das Konzept der sogenannten Kaskade auf Gipfel im Mai 1989 einige wichtige Impulse gegeben diese Weise: Wenn z. B. ein Land qualitativ bessere hat, daß in dieser relativ kurzen Zeit dieses Ergebnis Panzer hat, dann kann es davon welche an ein ande- zu erzielen war. res Land, das weniger gute hat, abgeben. Dieses kann Aber es bleiben doch einige Fragen an die Bundes- dann von seinen weniger guten Panzern welche an regierung zu formulieren, was sich bisher keiner so ein Land abgeben, das noch schlechtere hat. Am Ende recht getraut hat, auch wenn der Kollege Würzbach dieses Transfers werden die schlechtesten verschrot- ein paar Dinge angesprochen hat, die auch mir auf der tet. Wir erwarten nicht, daß die Sowjets ihre besten Seele brennen. Zum Beispiel: Wie konnte es eigent- Panzer zerstören; wir selber werden das ebensowenig lich die Konstruktion des KSE-Vertrages zulassen, daß tun. zwar die Vernichtung großer Mengen deutschen Ma- Mit anderen Worten heißt dies: Gerade durch den terials vereinbart wurde — man darf nicht vergessen: KSE-Vertrag wird die NATO legitimiert, ihre schrott- es sind 40 % bei den Kampfpanzern, über 50 % bei den reifen Waffen abzurüsten und dennoch weiterhin mo- Schützenpanzern, über 50 % der Artille rie, was man derne High-Tech-Waffen anzuschaffen. Mit dem ge- durchaus befürworten kann — , daß aber gleichzeitig sellschaftlichen Akzeptanzmantel eines Abrüstungs- der Sowjetunion die Möglichkeit eröffnet wurde, die vertrages werden die qualitativen Ausrüstungsunter- Vernichtung eigenen Mate rials, das einen unglaubli- schiede innerhalb der NATO weitgehend beseitigt. chen Bestand ausmacht, dadurch zu umgehen, daß sie Die Hauptempfänger von Abrüstungswaffen werden einen Großteil ihres Kriegsgeräts hinter dem Ural zu- die Türkei, Griechenland, Spanien und Portugal sein. rückverschafft hat. Wo blieb damals eigentlich der Die ausgehandelten Obergrenzen des KSE-Vertrages Protest der Bundesregierung? Herr Außenminister, sie erlauben den oben genannten Ländern sogar zusätz- hat das ja nicht nur von dem Vertragsabschluß zu- liche Beschaffungen. Ohne Zweifel hat die NATO mit rückgebracht, sondern tatsächlich bis zum 16. Fe- Hilfe des KSE-Abrüstungsvertrages ihre Möglichkei- bruar 1991. ten gegenüber den erklärten neuen Feinden im Süden verbessern können. Warum hat die Bundesregierung bei den Verhand- lungen über einen Truppenabzug aus Deutschland Deshalb ist das „Wunder von Wien", so der deut- eigentlich nicht auf die Vereinbarung von Ottawa sche Delegationsleiter, und die Beschaffung neuer zurückgegriffen, bei der bereits zwischen den Verei- Milliardenprojekte, z. B. Jäger 90, für diese Regie- nigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion die rungspolitik kein Widerspruch. Die Logik hinter die- Reduzierung von Truppen innerhalb der zentraleuro- sem Denken lautet: Wenn die Zahl der Waffen schon päischen Zone der KSE auf 190 000 vereinbart war, reduziert werden muß, dann soll dies wenigstens d. h. einschließlich Ungarns, der Tschechoslowakei durch qualitative Verbesserung ausgeglichen wer- und Polens hätte die Sowjetunion nur noch 190 000 den. Was diese Regierung deshalb unternimmt, ist Truppen in dieser Zone haben können. Warum ist das keine wirklich Abrüstung auf dem Weg zu einem si- bei den Abschlußverhandlungen mit der Sowjetunion cheren und friedlicheren Europa, sondern die propa- nicht zugrunde gelegt worden? Wir zahlen hier dop- gandistische Vermarktung ausgedienter Waffen als pelt für die gleiche Menge von Soldaten, obwohl sie Abrüstungspolitik. bereits einmal wegverhandelt war. Wie konsequent die Regierung dabei vorgeht, zeigt übrigens der diesjährige Haushaltsansatz für die Ver- Warum hat die Bundesregierung nicht protestiert, teidigung, über den wir aber noch zu einem späteren als die sowjetische Führung durch die Zuweisung von - Zeitpunkt beraten werden. Wir hoffen, daß es mög- Armee-Einheiten zum Küstenschutz oder zur Marine lichst bald KSE-II-Verhandlungen mit einem noch versucht hat, drei Divisionen aus diesen Vereinbarun- weitergehenden Ergebnis geben wird, auch wenn wir gen herauszustehlen, ausgerechnet Divisionen, die in wissen, daß durch Rüstungssteuerungsverträge Frie- einem sehr heiklen Bereich, nämlich dem Baltikum den und Sicherheit nicht zu erhalten sind. Dazu bedarf und dem Schwarzen Meer, disloziert sind? Wo war es einer konsequenten Entmilitarisierung von Staat hier der Protest der Bundesregierung? Ich frage: Kön- und Gesellschaft sowie einer umfassenden Zivilisie- nen wir es uns auf Dauer immer leisten, andere die rung der internationalen Beziehungen. Kohlen aus dem Feuer holen zu lassen? Auch hier ist es geschehen. Es war die Hartnäckigkeit der Ameri- Ich danke Ihnen. kaner und vor allen Dingen die Geschlossenheit der (Beifall bei der SPD) kleinen Länder des ehemaligen Warschauer Paktes, die entscheidend war, daß hier ein Durchbruch erzielt werden konnte. Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Herren, als letzter Redner zu diesem Tagesordnungs- Letztlich: Gibt es angesichts der Tatsache, daß hier punkt hat der Abgeordnete Ortwin Lowack das eine einseitige Verpflichtung auf Reduzierung auf Wort. 370 000 eingegangen ist, realistische und einigerma- ßen greifbare Zusagen über Reduzierung bei einer Armee, die heute noch etwa fünf Millionen Soldaten Ortwin Lowack (fraktionslos) : Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Natürlich umfaßt? ist der Abschluß des KSE-Vertrages zu begrüßen, und Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich konnte ich freue mich, daß auch das deutsche Parlament eine heute nur Fragen stellen. Ich würde mich freuen, wichtige Entscheidungshilfe gegeben hat. Es sind ei- wenn das Parlament bei den anstehenden Diskussio- Deutscher Bundestag — 12. Wahlpe riode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3331

Ortwin Lowack nen in den Ausschüssen seitens der Bundesregierung bezahlbar. Die Obdachlosigkeit nimmt stark zu. Be- hierauf eine Antwort erhielte. sonders preiswerter Wohnraum fehlt. Bald wird es, von vier Millionen reduziert auf zwei Millionen, nur noch 1 Million gebundene Wohnungen geben. Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Die Antwort der Bauministerin darauf sind Ankün- Interfraktionell wird die Überweisung der Gesetz- digungen. Am 22. März 1991 sagte Frau Adam- entwürfe auf den Drucksachen 12/1133 und 12/1135 Schwaetzer: Ziel von einer Million neuer Wohnungen an die in der Tagesordnung angeführten Ausschüsse in drei Jahren erreichbar. Sie knüpfte damit nahtlos vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vor- und völlig unkritisch an die Zahl ihrer Vorgängerin schläge? — Ich sehe, das ist nicht der Fall; damit ist die an. Die Realitäten sind anders: 257 000 Wohnungen in Überweisung so beschlossen. 1990. Für 1991 rechnet der Bundesverband Steine und Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Erden, also Leute, die sich auskennen, mit 280 000. Zusatzpunkt 1 auf: Die Zahl von insgesamt einer Million Fertigstellungen ist unerreichbar. Es ist verständlich, daß die Baumini- Aktuelle Stunde sterin nervös wird. Da nützt auch emsigste Pressear- Wohnungspolitisches Konzept der Bundesre- beit nichts mehr. Die von der Wohnungsnot betroffe- gierung und Wohnungsnot nen Menschen, die Bürgerinnen und Bürger, die Die Fraktion der SPD hat diese Aktuelle Stunde ver- bauen wollen, aber nicht können, und natürlich auch langt. Ich erteile als erstem Redner dem Abgeordne- die Fachwelt merken inzwischen, daß zwischen An- ten Achim Großmann das Wort. kündigungen und der Wirklichkeit große Lücken klaf- fen. (Beifall bei der SPD) Achim Großmann (SPD): Herr Präsident! Meine Da- men und Herren! Die Lage am Wohnungsmarkt über- Ihre politische Bilanz sieht trostlos aus. fordert die Koalition. Es droht eine soziale Katastrophe bei der Wohnraumversorgung. Wer jetzt wohnungs- (Zuruf des Abg. Dr.-Ing. Dietmar Kansy politische Maßnahmen hinauszögert, risikiert einen [CDU/CSU]) Sturzflug in der Wohnungsversorgung. — Das sind vernichtende Urteile über die Politik der Bundesregie- — Ja, es tut Ihnen weh. — Ihre erste Amtshandlung rung, aber keineswegs von der Opposition, sondern war die Zustimmung zur Kürzung der finanziellen von Politikern der Koalition; es sind zwei Zitate von Mittel im sozialen Wohnungsbau der alten Bundes- Herrn Kansy, Wohnungsexperte der CDU, eines von länder um eine halbe Milliarde D-Mark. Bei dem, wie Herrn Raidel, Wohnungsexperte der CSU. die Zeitungen schrieben, Möllemann-Subventions- (Zuruf von der SPD: Wenn er recht hat, hat er schwindel wurden diese Kürzungen für die nächsten recht!) Jahre festgeschrieben. Zusätzlich wurden Ihnen Die Bauministerin kann sich solche Offenheit natür- 400 Millionen DM bei der Förderung von selbstge- lich nicht leisten. nutztem Wohneigentum weggenommen. (Dr. Peter Struck [SPD]: Wo ist denn über (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Wer haupt die Ministerin? — Gegenruf von der sagt denn das?) CDU/CSU: Sie kommt!) — Sie ist auf dem Wege. Wir hoffen, daß sie noch ein- - Die Senkung der Kappungsgrenze bei den Mieterhö- trifft. hungen von 30 auf 20 % in drei Jahren und die Ver- (Dr. Peter Struck [SPD]: Es ist ja unglaublich, schärfung des Mietwucherparagraphen, von Ihnen im daß die Ministerin nicht da ist! — Gegenruf Februar öffentlich und im Bauausschuß angekündigt, von der CDU/CSU: Vergessen Sie nicht, daß läßt auf sich warten. Sie schweigen im Moment dazu. wir vor der Zeit sind! — Zuruf von der SPD: Die Spekulationssteuer für bebaubare Grundstücke Das ist eine Mißachtung des Parlaments!) — wie immer medienwirksam vorgestellt — wollten Man muß sich das mal wirklich überlegen, daß wir Sie im Kabinett beschließen lassen. Inzwischen haben über Wohnungsnot diskutieren und die Bauministerin Sie CDU und FDP zurückgepfiffen. Schließlich stän- ist nicht da. — Da kommt sie. dige Ankündigungen von neuen Wohnungsbaukon- zepten. Statt dessen jetzt nur „Elemente" als ein Sam- (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Peter Struck melsurium von nicht abgestimmten, unausgereiften [SPD]: Da kommt sie, aber zu spät!) und sozial völlig ungerechten Vorschlägen. Die Bauministerin kann sich solche Offenheit natür- lich nicht leisten; aber ihre Wortwahl spricht Bände. Das ist jedenfalls keine seriöse Wohnungsbaupoli- Sie sprachen zunächst von einem wohnungspoliti- tik. Das ist ein Zickzackkurs von Ankündigungen, schen Gesamtkonzept, dann von neuen Akzenten und Rückziehern, Schnellschüssen, zeitlichen Verzöge- zu guter Letzt gestern nur noch von Elementen für das rungen. Das schafft weitere Unruhe. Verunsicherte wohnungspolitische Konzept der nächsten Jahre. Bauherren warten ab. Die Schlangen vor den Woh- Ihnen fehlt offenbar die Kraft für ein wirksames Kon- nungsämtern werden länger und die Probleme nur zept gegen die Wohnungsnot. Der Mut hat Sie verlas- noch drängender. Die Not vieler Menschen in sen. Dabei wird die Wohnungsnot immer bedrohli- Deutschland wird zum Spielball einer zerstrittenen cher. Etwa 2,5 Millionen Wohnungen fehlen. Die Mie- und handlungsunfähigen Koalition. Sie lassen sich mit ten explodieren. Bauland wird knapp und teuer, un- dem Hinweis auf knappe Finanzen abspeisen, und 3332 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Achim Großmann gleichzeitig lassen Sie zu, daß die Zahl der Minister Pressekonferenz hetzt, um Ankündigungen zu ma- und Staatssekretäre erhöht wird, chen, die später nicht zu halten sind, dann fehlt für die (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Ach, von mir vorgeschlagene konstruktive Zusammenar- du meine Güte!) beit allerdings eine Grundlage. daß im Finanzplan die Verteidigungskosten erhöht (Beifall bei der SPD) werden und daß viel anderes Geld für unnötige Zwecke verausgabt wird. Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und (Beifall bei der SPD) Herren, jetzt hat das Wort der Abgeordnete In Ihrem eigenen Verantwortungsbereich setzen Dr. Kansy. Sie bei der Wohneigentumsförderung noch einen (Dr. Peter Struck [SPD]: Der verteidigt wie drauf : Sie werfen den Hochverdienenden noch mehr der Frau Schwaetzer! Das ist wieder ganz Geld hinterher als bisher. 115 000 DM — hören Sie verkehrt!) sich das gut an, und dann erzählen Sie das einmal in Ihrem Wahlkreis — wollen Sie einem Hochverdiener mit einem Jahreseinkommen von 220 000 DM aus öf- Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU/CSU): Herr Präsi- fentlichen Geldern für sein Haus geben, das er auch dent! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kolle- ohne diese Förderung bauen könnte. Wer als Arbeit- gen! Herr Kollege Großmann, am Ende der Sommer- nehmer 60 000 DM im Jahr verdient, soll nach Ihrem pause schien es fast so, als ob verantwortliche Woh- Willen die Hälfte weniger bekommen. Sozial unge- nungspolitiker aller Parteien, und zwar auf allen staat- rechter und uneffizienter kann Wohnungspolitik nicht lichen Ebenen, angesichts der Größe der Herausfor- sein. derung wenigstens auf ein Mindestmaß an Konsens in (Beifall bei der SPD) der Wohnungspolitik hinarbeiten würden. Über eines Unser Angebot steht — ich will es wiederholen — : sind wir uns wohl gemeinsam klar: Alle politischen Die SPD ist zu konstruktiver Zusammenarbeit bereit. Kräfte in diesem Land, wo auch immer sie Verantwor- Ich sehe eine große Möglichkeit des Konsenses in tung haben — vom Bürgermeister bis zur Wohnungs- wichtigen Fragen, nachdem in jüngster Zeit immer bauministerin des Bundes, in Regierung oder Opposi- häufiger Vorschläge der SPD von FDP, CDU und CSU tion, jeweils auch umgedreht — , werden ihrer Verant- aufgegriffen worden sind. wortung, die sie in einer schwierigen Situation haben, nur dann gerecht, wenn dieses alte Rollenspiel end- (Dr. Peter Struck [SPD]: Immer abschrei lich aufgegeben wird: Sie als Opposition stellen maß- ben!) lose Forderungen in Richtung Regierung und be- Wenn es aber so weitergeht, daß der Bauausschuß schimpfen die Regierung, aber dort, wo Sie selber von der Regierung nur mit Kleinkram, Lappalien — Verantwortung tragen, verweisen Sie auf den leeren Geldbeutel. Damit helfen wir den Menschen in die- sem Lande doch nicht. Vizepräsident Helmuth Becker: Herr Kollege Groß- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) mann, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich hoffe sehr, Herr Großmann, daß das, was Sie heute hier vorgetragen haben, nicht der Stil ist, mit dem wir Achim Großmann (SPD): Sie haben gemerkt, daß in diesem Herbst weiterarbeiten werden. ich schon ein beschleunigtes Tempo angeschlagen habe. Ich erinnere Sie an folgendes. In der letzten Sit- zungswoche stand an dieser Stelle Frau Matthäus Maier und hat sich gegen eine zu hohe Staatsver- Aber die- fünf Minu- Vizepräsident Helmuth Becker: schuldung gewehrt. Sie hat sich gegen Steuererhö- ten sind weit überschritten. hungen gewehrt. Herr Engholm hat in diesen Tagen (Peter Kurt Würzbach [CDU/CSU]: Wer in einem Interview gesagt — ich zitiere — : Wir kön- nichts zu sagen hat, muß schneller reden!) nen uns angesichts der Kassenlage nichts Neues mehr leisten; wir können das soziale Netz nicht weiter aus- Achim Großmann (SPD): Herr Präsident, bedenken dehnen und sozusagen soziale Wohltaten unters Volk Sie bitte, daß ich eine halbe Minute auf Frau Adam- bringen. Schwaetzer warten mußte. Wenn Sie mir diese halbe Meine Damen und Herren, dies ist sogar noch nicht Minute zusätzlich geben, bin ich mit meiner Rede zu einmal unsere Auffassung. Wir sind der Meinung, daß Ende. trotz großer internationaler und nationaler Herausfor- (Manfred Richter [Bremerhaven] [FDP] : Sie derungen und einer wirklich kritischen Haushaltslage mußten überhaupt nicht warten!) in Bund, Ländern und Gemeinden alle drei Ebenen ihre Anstrengungen zur Belebung des Wohnungs- Vizepräsident Helmuth Becker: Die Ministerin ist baus massiv verstärken müssen, um angesichts des unmittelbar nach Beginn der Aktuellen Stunde einge- bekannten Problems bei ganz bestimmten Bevölke- troffen. Ich bitte Sie, jetzt wirklich zum Schluß zu kom- rungsgruppen eine soziale Katastrophe zu vermei- men. den. Dies ist auch unsere Aussage. Die Bundesregierung Achim Großmann (SPD): Wenn es aber so weiter- und die Koalitionsfraktionen haben in der Vergangen- geht, daß wir uns im Bauausschuß nur mit Kleinkram, heit in erheblichem Maße so gehandelt. Kollegen aus Lappalien und schönen Berichten befassen müssen, dieser Arbeitsgruppe werden sich erlauben, noch ein- während die Bauministerin von Pressekonferenz zu mal auf das hinzuweisen, was wir sowohl in West- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3333 Dr.-Ing. Dietmar Kansy deutschland als auch in Ostdeutschland seitens des ein paar naßforsche Bemerkungen machen und genau Bundes in den letzten zwei Jahren zur Lösung dieser dort enden, wo wir vor der Sommerpause schon gewe- Probleme beigetragen haben. sen sind. Eines ist doch unbestritten, meine Damen und Her- ren, Frau Ministerin: Alle Anstrengungen, die bisher Vizepräsident Helmuth Becker: Herr Kollege unternommen worden sind — hier ist der Staat nicht Dr. Kansy, auch Ihre Redezeit ist bei weitem abgelau- allein gefragt; das wissen alle, die sich mit Finanzie- fen. rungsproblemen beschäftigen — , reichen nicht aus, um der Situation Herr zu werden. Das Problem hat im Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU/CSU): Das ist richtig, wesentlichen zwei Gründe. Ich möchte sie hier wie- Herr Präsident. derholen. Erstens haben wir seit der Volks- und Woh- nungsstättenzählung im Mai 1987 in den westlichen Vizepräsident Helmuth Becker: Ich bitte um einen Bundesländern fast 3 Millionen neue Bürger. Alle Schlußsatz. Rechnungen und Planungen von Wirtschaft, Wissen- schaft und Politik im Hinblick auf Bevölkerung und Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU/CSU): Jawohl, Herr benötigten Wohnraum in den westlichen Bundeslän- Präsident. — Ich bitte alle in diesem Raum, daran zu dern sind seitdem Makulatur. Das ist Fakt. Hier kann denken, bei der Beratung der möglichen Alternativen man keine Vorwürfe machen, sondern man muß sich eine Zustimmungssituation zu erreichen, so daß wir um Lösungen für die Zukunft bemühen. auch im Bundesrat eine Mehrheit dafür bekommen. Darum werden wir, die CDU/CSU, uns bemühen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Es gibt aber noch ein anderes Stück der Wahrheit. ordneten der FDP) Während bestimmte Gruppen immer größere Pro- bleme haben, etwa junge Familien in den Ballungs- Vizepräsident Helmuth Becker: Meine sehr verehr- räumen und in zunehmendem Maße auch alleinerzie- ten Damen und Herren, Sie machen es dem Präsidium hende Frauen — wir befinden uns gerade in einer Dis- sehr schwer. In Anlage 5 unserer Geschäftsordnung, kussion um den § 218; dazu gehört nach meiner Auf- die für Aktuelle Stunden zuständig ist, steht eindeu- fassung auch die Wohnungspolitik — , gibt es auf der tig: anderen Seite eine massive Ausweitung des Wohl- Der einzelne Redner darf nicht länger als fünf standes bei der Mehrheit der Bevölkerung. Ich möchte Minuten sprechen. das nicht erläutern. Es gibt verschiedene Gründe da- Sie wissen, daß man bei anderen Debatten großzügi- für. Die Kinder ziehen früher aus dem Haus, und man ger sein kann. Aber wenn das hier so steht, müssen bleibt allein zurück. Es handelt sich um einen Viertel- wir uns daran halten. Darum bitte ich alle nachfolgen- quadratmeter pro Person und Jahr. Das ist eine gewal- den Redner. tige Menge. 150 000 neugebaute Wohnungen im Jahr gehen allein in die Wohlstandsausweitung. Das ist Als nächster Redner hat unser Kollege Dr. Ilja Sei- mehr als die Hälfte von dem, was wir heute bauen. fert das Wort.

Deswegen hat die Bundesbauministerin gestern, Dr. Ilja Seife rt (PDS/Linke Liste): Herr Präsident! wie vor der Sommerpause vereinbart, ein Konzept für Meine Damen und Herren! Wir reden hier nicht zum weitere Anstrengungen des Bundes vorgelegt. erstenmal über Wohnungs- und Mietenfragen. Die (Achim Großmann [SPD]: Mehrere Milliar Probleme sind auch so gewaltig, daß das immer wie- den!) - der sein muß. Ich bedaure, daß in diesem Hause und in diesem Sie wird es gleich erläutern. Es geht auch in Richtung Lande die Wohnung als eine x-beliebige Ware ange- Länder und Gemeinden. Die Schwerpunkte sind, die sehen und auch entsprechend Politik gemacht wird. Wohnungseigentumsförderung etwas stärker auf Nach meinem Verständnis und nach dem Verständnis mittlere und kleine Einkommen zu verlagern und den der PDS/Linke Liste ist das Wohnen, die Be-Hausung, sozialen Wohnungsbau zu verstetigen. Die CDU/ ein grundlegendes Menschenrecht und insofern nicht CSU-Fraktion steht zu diesem Konzept, wenn wir als x-beliebige Ware anzusehen. auch zu der einen oder anderen Alternative noch un- sere Meinung darlegen werden. In 42jähriger BRD-Geschichte ist ja auch bewiesen, Herr Kansy, daß die Marktwirtschaft allein, auch Abschließend möchte ich noch folgendes sagen wenn sie sich sozial nennt, nicht in der Lage ist, Woh- — Herr Großmann, Ihnen habe ich das heute morgen nungsnot zu verhindern. Eine Million fehlender Woh- im Ausschuß schon gesagt — : Ein erheblicher Teil nungen reicht ja wohl aus. dieses Pakets bedarf der Zustimmung des Bundesra- (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Be tes. Wir sind im Grunde in einer Art übergroßen Koali- schäftigen Sie sich doch eher einmal mit Ih tion gefordert, wenn aus der Sache wirklich etwas rem Schrotthaufen, den Sie uns hinterlassen werden soll. haben!) (Otto Reschke [SPD]: Kein Wunder, Ihnen — Das kommt ja gleich. Ich habe sie ja nicht gebaut. fällt nichts mehr ein!) Ich habe ja in der DDR leider keine Verantwortung gehabt. — Herr Reschke, mit diesem Geist werden wir die Probleme nicht lösen: Diese fehlenden Wohnungen in der alten BRD sind in meinen Augen massenhafte Menschenrechtsver- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) letzungen. Auf dem DDR-Gebiet, wo auch sehr viele 3334 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Dr. Ilja Seifert Wohnungen fehlen, kommt hinzu, daß der Ausstat- dem Ergebnis — und das werden die Schwerpunkte tungsgrad der Wohnungen viel niedriger ist; d. h. es unsers Konzeptes sein — , daß die Wohneigentumsbil- ist eine bedeutend niedrigere Wohnqualität vorhan- dung — der Mietwohnungsbau läuft ganz gut — der den. Der Wohnungsbedarf in der gesamten Bundesre- besonderen Förderung bedarf, und zwar sowohl in publik Deutschland ist also gewaltig. Hier wäre tat- den alten als auch in den neuen Bundesländern. Ziel sächlich eine Konzeption nötig, die ein prinzipiell an- ist es, sowohl durch zusätzliche Elemente als auch deres Herangehen erfordert. Insofern ist das, was jetzt durch eine Verbesserung bereits vorhandener Ele- neue Konzeption der Ministerin genannt wird, im mente — hier meinen wir insbesondere die Lastenbei- Grunde nicht mehr als ein Klacks, wenn es sich um hilfe — die bei den Einkommensgruppen mit zu ver- 400 000 Wohnungen pro Jahr handelt. Der Bedarf, der steuernden Einkommen zwischen 40 000 und 90 000 Mangel ist viel größer. DM aufgetretene erhebliche Finanzierungslücke zu Im Gegenteil: Die Preise steigen ja ins immer Uner- schließen. Die eklatanten Steigerungen der Bauland- schwinglichere, d. h. es ist eigentlich vorprogram- preise, an denen Ihre Genossen in den Kommunen, miert, daß die Beschneidung des menschlichen die sich in der Vergangenheit mit größerer Intensität Grundrechts auf Wohnraum zu- statt abnimmt. Mei- der Krötenwanderung denn der Erstellung von Be- nes Erachtens wäre es also erforderlich, unverzüglich bauungsplänen angenommen haben, nicht ganz un- von diesem Marktfetischismus wegzukommen, der zu schuldig sind, und die auf Grund exzessiver Tarifan- einer grenzenlosen Verteuerung des Grundes und Bo- hebungen gestiegenen Baukosten und insbesondere dens, damit zu unbezahlbaren Wohnungen und somit die auf Grund der starken Inanspruchnahme des Ka- zu weiteren Menschenrechtsverletzungen führt. pitalmarkts gestiegenen Zinsen haben zwangsläufig zu diesen für den Eigenheimbau verschlechterten Frau Minister, ich würde Sie bitten: Bauen Sie Woh- Rahmenbedingungen geführt. nungen und nicht so viele Luftschlösser! Danke schön. Die Wohnungspolitik ist Teil der gesamten Wirt- schaftspolitik. Sie kann sich nicht aus der allgemei- (Beifall bei der PDS/Linke Liste) nen Entwicklung der makro-ökonomischen Daten ausklinken. Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Die wohnungspolitischen Instrumente müssen des- Herren, nächster Redner ist unser Kollege Dr. Walter halb der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ange- Hitschler. paßt und in ihrer Kombination geeignet sein, zielge- nau zu wirken und dabei ein Höchstmaß an Effektivi- Dr. Walter Hitschler (FDP) : Herr Präsident! Meine tät zu erreichen. sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Dem dient eine neue Kombination verschiedener Seifert, ich meine, Sie hatten jetzt in der Tat 40 Jahre Instrumente, mit deren Hille die Fertigstellungszah- lang Gelegenheit, zu beweisen, wie man eine Wohn- len im Eigenheimbau nachhaltig erhöht werden sol- raumversorgung ohne „Marktfetischismus" praktizie- len. Wir gehen davon aus, daß die Förderungsmaß- ren kann. Sie haben Ihre Chance vertan. Sie sollten nahmen auch rückwirkend beschlossen werden, um eigentlich die nächsten Jahre einmal Gelegenheit zu durch die jetzige Diskussion keinen Attentismus zu äußerster Zurückhaltung haben. fördern. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Der private Mietwohnungsbau wird seine Chancen Die Bundesregierung, meine sehr verehrten Damen trotz ungünstiger Marktbedingungen haben, wenn und Herren, hat sich verpflichtet, im Herbst dieses die Investitionen von der Rendite her für den Anleger Jahres ein wohnungspolitisches Gesamtkonzept- vor- eine sinnvolle Anlagemöglichkeit bieten. zulegen. Dies ist erforderlich geworden, weil die in der Koalitionsvereinbarung festgelegten wohnungs- Eine starke Übernachfrage an den Wohnungsmärk- politischen Zielsetzungen mit denen im Programm ten führt zu einem Verdrängungswettbewerb, unter Aufschwung Ost beschlossenen Fördermaßnahmen dem die sozial Schwächsten am Ende am meisten zu für die neuen Bundesländer zusammengefaßt und auf leiden haben. Grund veränderter Marktdaten aktualisiert werden (Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Am An mußten. Die Bundesregierung liegt daher genau im fang auch schon!) Zeitplan. Die von der Opposition beantragte Aktuelle Stunde Es ist daher erforderlich, die Zahl von Sozialwohnun- gibt uns Gelegenheit, die Eckpunkte unserer die be- gen durch besondere Fördermaßnahmen zu erhöhen. stehende Konzeption ergänzenden wohnungspoliti- Wir halten den dritten Förderweg dabei für den geeig- schen Vorstellungen wie sie gegenwärtig in den zu- netsten, meinen aber, daß die Länder ihre Landesför- ständigen Gremien unserer Fraktion und der Koalition derrichtlinien den unterschiedlichen Gegebenheiten diskutiert und abgestimmt werden zu umreißen, anpassen und so ausgestalten sollten, daß aus dem nachdem die Bauministerin, Frau Dr. Adam-Schwaet- dritten Förderweg tatsächlich eine vereinbarte För- zer, ihre Vorstellungen und auch Präferenzen darge- dermöglichkeit wird. legt hat. Der Truppenabbau wird uns in die Lage versetzen, Einer konzeptionellen Erneuerung und Ergänzung freiwerdende Kasernenanlagen für die Einrichtung muß eine klare Analyse der Gegebenheiten und Rah- von Sozialwohnungen zu nutzen. Dies wird in nicht menbedingungen vorausgehen. Zu erwartende Ent- unerheblichem Maße eine Entlastung gerade für wicklungen auf den Wohnungsmärkten sind zu anti- Wohnungssuchende mit Dringlichkeitsschein bewir- zipieren. Auf Grund unserer Analyse kommen wir zu ken können. Deutscher Bundestag — 12. Wahlpe riode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3335

Dr. Walter Hitschler Weitere Schwerpunkte, werden die Förderung des Ein wichtiges DDR-typisches Phänomen findet in Werkswohnungsbaus sowie eine strukturelle Verbes- diesem Faltblatt übrigens keine Erwähnung. Deshalb serung des Wohngeldes sein. möchte ich es Ihnen erklären. Es war bei uns früher Nach wie vor können freilich die Kommunen, insbe- durchaus üblich, daß Mieter ihre Wohnung in Eigen- sondere was die Baulandbereitstellung angeht, und arbeit modernisiert haben, etwa durch den Einbau die Länder als die eigentlichen Träger der Wohnungs- eines Bades. Zum Dank für ihre Mühe steigt heute die politik nicht aus ihrer Hauptverantwortung entlassen Miete zusätzlich. Das verstehen die Mieter nicht, ich werden. Die SPD, Herr Großmann, wird deshalb bei auch nicht. der Umsetzung der wohnungspolitschen Vorschläge (Widerspruch bei der CDU/CSU) Farbe bekennen müssen, ob sie in Bund, Ländern und Gemeinden ihre bisher doppelzüngige Politik fortset- — Natürlich stimmt es! zen möchte oder ob sie sich statt bisheriger Beschrän- (Zuruf von der CDU/CSU: Natürlich stimmt kungen auf Kassandra-Rufe bei gleichzeitigem kräfti- es nicht!) gem Tritt auf die Bremse in der Baulandnachfrage zu einer Haltung durchringen wird, die Mitverantwor- —Natürlich, es gibt 15 % Zulage für den Einbau eines tungsbereitschaft signalisiert. Bades, egal, ob das selber finanziert ist oder nicht. (Beifall bei der FDP und CDU/CSU — Achim (Bundesministerin Dr. Irmgard Adam Großmann [SPD]: Polemik ist keine Poli Schwaetzer: Nein, das ist nicht wahr!) tik!) Es gibt überhaupt vieles, was ich an der Wohnungs- politik der Bundesregierung nicht verstehen kann. Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Vielleicht kann mir jemand erklären, warum z. B. bei Herren, als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete der Erhöhung des Wohngeldes in den neuen Ländern Iris Gleicke das Wort. den dort wohnenden Behinderten der Freibetrag ge- strichen wird, der im Westen gewährt wird. Der Präsi- Iris Gleicke (SPD): Herr Präsident! Meine Damen dent des VdK, Walter Hirlinger, hat dem Bundeskanz- und Herren! Zunächst möchte ich mich bei unserer ler geschrieben, die Betroffenen hätten dies mit größ- Bundesbauministerin recht herzlich für das Faltblatt ter Erbitterung und Empörung zur Kenntnis genom- bedanken, das ich heute morgen auf den Schreibtisch men. Diese Erbitterung und Empörung kann ich gut bekommen habe. Das Faltblatt heißt „So hilft der Staat verstehen. beim Bauen" und gibt einen Überblick über die För- Meine Damen und Herren von der Regierungs- derungen in den neuen Bundesländern. koalition, machen Sie sich doch einmal einige Gedan- (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Nicht ken über die desolate Situation der Wohnungsbauge- nur in den neuen Bundesländern, Frau Kolle sellschaften; aber beeilen Sie sich bitte. Wenn das gin!) Problem der Altschulden nicht rasch gelöst wird, droht vielen Wohnungsunternehmen der Bankrott, und Dank seiner guten Übersichtlichkeit wird jedem auf zwar mit schlimmsten Folgen für Vermieter und den ersten Blick klar, daß die Bundesregierung auch öffentliche Hand. in dieser Frage über kein realistisches Konzept zur Lösung der drängenden Probleme verfügt. Fazit: Diese Wohnungspolitik — sofern man dieses Greifen wir einmal den Punkt Kauf von Mietwoh- Chaos noch mit gutem Gewissen als Politik bezeich- nungen heraus. Auch angesichts der in diesem hüb- nen kann — ist planlos, kopflos und konzeptionslos. schen Faltblatt erläuterten staatlichen Förderungen, Da sorgt sich die verantwortliche Ministerin öffentlich auch unter der Voraussetzung, daß die Wohnung- dem um Obdachlose und darum, daß einkommensschwä- Käufer frei von Hypotheken, Grundschulden und ver- chere Bevölkerungskreise — namentlich alleinerzie- gleichbaren Lasten übereignet werden muß, selbst hende Mütter mit Kindern — keine bezahlbaren Woh- wenn die wichtigsten Instandsetzungsarbeiten durch- nungen mehr finden, geführt sind: Erwartet die Bundesregierung ernsthaft, (Dr. Walter Hitschler [FDP]: Die Maßlosig daß die Mieter begeistert zugreifen? keit Ihrer Sprache ist entlarvend!) Ich darf hier einmal an die derzeitige Einkommens- und schon kommen aus den Reihen ihrer eigenen situation in den neuen Bundesländern erinnern. Dort Fraktion bereits Vorschläge, wann die Mieten das liegt bei 35 % der Bevölkerung das Familieneinkom- nächste Mal zu steigen haben. men zwischen 1 500 und 2 200 DM. Grenzgänger, die im Westen arbeiten und im Osten leben, können wohl (Dr. Walter Hitschler [FDP]: Je drastischer, nicht repräsentativ sein. Auch von Finanzierbarkeit desto unglaubwürdiger!) kann man in diesem Zusammenhang nicht reden. Es gibt scheinbar immer noch Leute, die glauben, daß Was den Mietern bliebe, wäre die Vollfinanzierung Wohnungspolitik aus der Erhöhung von Mieten be- von Wohneigentum, wie sie mittlerweile von Bauspar- steht. Das hat wohl etwas mit einem Mangel an Lern- kassen allerorten angepriesen wird. Vor einem sol- fähigkeit zu tun, oder das ist schon Realitätsverlust. chen Abenteuer mit seinen möglichen katastrophalen Folgen für ganze Familien hat auch Frau Adam (Zuruf von der CDU/CSU: So ein Blödsinn!) Schwaetzer eindringlich gewarnt, wofür ich ihr an Eines ist gewiß: Mit der Wohnungspolitik protzt die dieser Stelle herzlich danken möchte. Nein, wer in Bundesregierung herum wie der Kaiser mit seinen den neuen Ländern den Erwerb von Wohneigentum neuen Kleidern. Da kann man in Abwandlung jenes als Patentrezept anpreist, lügt sich und anderen etwas berühmten Spruches nur rufen: Da ist ja gar nichts in die Tasche; so geht es nicht. dran! 3336 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Iris Gleicke Schönen Dank. SPD, die zumindest die zwingende Notwendigkeit (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste von Mieterhöhungen anerkannt haben. Ich gehe da- — Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das von aus, daß sich jetzt niemand aus der Verantwor- denken wir bei Ihrer Rede auch!) tung stiehlt. Wir haben großen Wert darauf gelegt, daß die Vizepräsident Helmuth Becker: Ich erteile jetzt der Wohngeldregelungen funktionieren. Ich habe die Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Hoffnung, daß das auch tatsächlich der Fall sein wird. Städtebau, Frau Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer, das Noch einmal die Bitte und Aufforderung an alle, ihren Wort. Wohngeldantrag möglichst rasch zu stellen! Probleme mit den Betriebskostenabrechnungen Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer, Bundesministerin werden von uns ganz sicherlich nicht geringgeschätzt. für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Herr Wir gehen berechtigten Einwendungen dort, wo wir Präsident! Meine Damen und Herren! Einiges von auf sie treffen, nach. Ich bin auch sicher, daß die Mie- dem, was ich hier gehört habe, macht mich schon ter ihre Einwendungen gegenüber den Wohnungsun- betroffen, und ich bin eigentlich ganz froh, daß in den ternehmen geltend machen und daß die Wohnungs- vielen Diskussionen mit Mietern, die ich im Moment unternehmen hierauf verantwortungsbewußt reagie- in den neuen Bundesländern führe, die Reaktionen ren. ganz anders sind, als ich sie heute von Ihnen gehört Privatisierung ist mit vielen Unwägbarkeiten ver- habe. bunden. Aber ich weiß aus den Anfragen, die ich be- (Zuruf von der FDP: Die sind ja auch kompe komme, daß sich viele Menschen dafür interessieren, tenter!) Privateigentum in den fünf neuen Bundesländern zu Natürlich spreche ich auch mit aufgebrachten Leu- bilden. Eine Eigentumsquote von 20 % ist in einer ten, aber ich treffe sehr, sehr viele Menschen, die nicht Industrienation völlig unbefriedigend. Wir wollen den nur Verständnis dafür haben, daß am 1. Oktober die Menschen helfen, diese Erwartung, die auch in unse- Mieten steigen werden, sondern die dies ausdrücklich rem Grundgesetz verankert ist, zu erfüllen. für notwendig erachten, damit sich an ihren Wohnun- Die Privatisierung kommunalen Wohnraums prüfen gen endlich etwas tut. wir in Modellen, über die wir unsere Informationen Ich möchte gleich einige Mißverständnisse aus dem kontinuierlich sammeln und sie weite rverbreiten, da- Weg räumen: Wer den Einbau seines Bades selbst mit beim Wohnungskauf in der Tat niemand überfor- finanziert hat, bekommt jetzt nicht die 15 Pfennige dert wird. Aber eines weiß ich ganz sicher: Die Men- Zuschlag pro Quadratmeter; das wäre ungesetzlich. schen in den fünf neuen Bundesländern wollen nun Herr Großmann, ich hetze nicht von Pressekonfe- nicht mehr bevormundet werden. Sie wollen selbst renz zu Pressekonferenz; das brauche ich gar nicht. entscheiden. Sie brauchen unsere Hilfe, damit sie ihre Die vielen Diskussionen, die ich in der Öffentlichkeit Entscheidungen verantwortbar treffen können, damit zu Fragen der Wohnungsversorgung und der Mieten sie alle Informationen haben, die sie brauchen. Aber führe, sind verständlicherweise für die Presse auch sie wissen, daß sie jetzt selbst entscheiden müssen, ohne Konferenz interessant. und das wollen sie auch tun. (Achim Großmann [SPD]: Kommen Sie mal Im Westen werden wir mit unseren Anstrengungen wieder in den Bauausschuß!) nicht nachlassen. Im Gegenteil: Wir werden sie ver- — Gern, nächste Woche. — Deswegen trifft das nicht stärken. Deswegen hat das Kabinett den Auftrag er- teilt, im Herbst ein wohnungspolitisches Gesamtkon- zu. - zept vorzulegen. Wir werden diesen Auftrag erfüllen, Wir stehen vor riesigen Aufgaben; wir machen uns und zwar mit vernünftigen und intelligenten Maßnah- da überhaupt nichts vor, meine Damen und Herren. men, die den finanziellen Möglichkeiten des Staates Die Gründe dafür sind klar: In den fünf neuen Bun- Rechnung tragen und gleichzeitig dort Entlastung desländern sind es die 40 Jahre sozialistischer Miß schaffen, wo es nötig ist. Es wird weder eine Gieß- wirtschaft, die uns 7 Millionen marode Wohnungen kanne noch eine ideologisch orientierte Umverteilung hinterlassen haben; in den westlichen Bundesländern ohne Zielgenauigkeit geben. sind es allein von 1988 bis 1990 2,5 Millionen Men- schen, die aus Mittel- und Osteuropa zugewandert Zu den Problemfeldern: Lassen Sie mich etwas her- sind und eine Wohnung brauchen. Es sind 5,5 Millio- vorheben, was gut läuft, nämlich der freifinanzierte nen Ein-Personen-Haushalte in den vergangenen Mietwohnungsbau. Hier hat das Sofortprogramm der Jahren zusätzlich entstanden, die Wohnraum haben Bundesregierung von 1989, das meine Vorgängerin möchten, und es sind wohlstandsbedingte Ansprüche vorgelegt hat, hervorragende Ergebnisse bewirkt. in den westlichen Bundesländern, die sich ebenfalls in Aber wir brauchen zusätzliche Anreize bei der Bil- Nachfrage umsetzen. dung des Wohneigentums, aber auch zusätzliche Mit- tel für den sozialen Wohnungsbau. In den östlichen Bundesländern ist mit der Miet- erhöhung zum 1. Oktober in der Tat der Grundstein Das Wohneigentum wird der zentrale Ansatzpunkt für die Verbesserung gelegt. Wir wissen, daß das viele der Fortentwicklung des wohnungspolitischen Kon- Mieter vor schwierige Aufgaben stellt. Deswegen ha- zeptes sein, das wir vorlegen werden. Wir wollen, daß ben wir auch großen Wert darauf gelegt, daß die der Eigenheimbau seine große gesellschaftliche und Regelungen die Zustimmung aller Ministerpräsiden- wohnungsmarktstabilisierende Rolle in Ost und West ten der neuen Länder gefunden haben, aber auch die ausfüllen kann. Dabei soll die Förderung auf diejeni- Zustimmung des Deutschen Mieterbundes und der gen Haushalte konzentriert werden, die an der Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3337

Bundesministerin Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer Schwelle zum Wohneigentum stehen. Deswegen wer- — Wir rechnen in der Tat genau. den wir die steuerliche Förderung selbstgenutzten (Otto Reschke [SPD]: Nicht rechnen! Genau Wohneigentums im bestehenden System deutlich ver- nachrechnen!) bessern. Das Baukindergeld soll künftig unabhängig von der Steuerschuld ausgezahlt werden, so daß alle Die letzte Bemerkung gilt einem ganz wichtigen Einkommensbereiche in den Genuß dieser familien- Bereich, nämlich dem sozialen Wohnungsbau. Wir politisch erwünschten Zusatzförderung kommen. Au- brauchen vor allem in den Ballungsgebieten zusätzli- ßerdem denken wir daran, einen bef risteten Schuld- che Mittel für die Förderung des sozialen Wohnungs- zinsenabzug für eigengenutzte neue Wohnungen ein- baus. Damit möglichst viele Wohnungen gefördert zuführen, um gerade in einer Zeit hoher Zinsen die werden, müssen die Länder hier ihrer Verantwortung Maßnahmen möglich zu machen, die die Menschen nachkommen, den günstigsten Förderungsweg und brauchen, um sich ihren Wunsch nach Wohneigentum sozial verantwortbare Bewilligungsmieten einzuräu- zu erfüllen. men, damit Problemfamilien — das sind Fami lien mit mehreren Kindern — und Alleinerziehern besonders Mit diesen kombinierten Maßnahmen erfahren ge- geholfen werden kann. rade die Haushalte mit mittlerem Einkommen eine Die Abstimmung über das wohnungspolitische deutlich verbesserte Förderung, Konzept innerhalb der Bundesregierung läuft auf (Achim Großmann [SPD]: Das müssen Sie Hochtouren. Wir stellen uns unserer Verantwortung. aber noch einmal nachrechnen!) Wir hoffen, daß Länder und Gemeinden dies ebenfalls tun. Wir werden Lösungen vorschlagen, die problem- und zwar eine bessere Förderung als mit allen Alter- orientiert, umfassend und effizient sind. nativmodellen, die auf dem Markt diskutiert werden, Ich danke Ihnen. z. B. mit dem Antrag des Landes Nordrhein-Westfa- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) len, der im Bundesrat eingebracht worden ist. (Achim Großmann [SPD]: Das müssen sie Vizepräsident Helmuth Becker: Das Wort hat der noch einmal nachrechnen! Das stimmt Abgeordnete Werner Dörflinger. nicht!) Mit einer zusätzlichen Entlastung um etwa 400 DM (CDU/CSU): Herr Präsident! monatlich in dem für die Werner Dörflinger Eigentumsbildung so zentra- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der woh- len Bereich der Einkommen um etwa 65 000 DM wür- nungsbaupolitische Sprecher der SPD-Bundestags- den die gestiegenen Zinslasten und Baukosten der fraktion hat heute morgen im Zusammenhang mit der vergangenen zwei Jahre wettgemacht. So können wir Behandlung des Einzelplans 25 von einer gewissen zu Recht eine verstärkte Eigentumsbildung auf dem Lustlosigkeit gesprochen, mit der er die Diskussion hohen Niveau der beiden letzten Jahre erwarten. führe. Ich stelle fest, daß die Lustlosigkeit der SPD Hinzu kämen deutliche Entlastungseffekte durch eine gewisse Fortsetzung in dieser Aktuellen Stunde die vorgeschlagene Ausdehnung der steuerlichen findet. Förderung auf Aus- oder Umbaumaßnahmen von bis- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) her als Einfamilienhäuser genutzten Gebäuden, wenn Das ist auch nicht ganz verwunderlich, dadurch eine Wohnung freigemacht wird. (Achim Großmann [SPD]: Sie sind ja gerade Für die Bezieher von Einkommen von 40 000 DM erst hereingekommen!) - und darunter gilt aber nach wie vor, daß der Wunsch weil ein merkwürdiger Gegensatz, lieber Kollege nach einem Eigenheim nur bei massiver Direktförde- Großmann, zwischen der Vernunft, die unsere Arbeit rung erfüllt werden kann. Diese massive Direktförde- im Ausschuß bestimmt, und dem klafft, was man hier rung ist zum einen im Wohngeldbereich durch den in gewisser Pflichtübung vorträgt. Lastenzuschuß und zum anderen im Bereich des so- zialen Wohnungsbaus angesiedelt, wo wir durch die Denn klar ist wohl: Wir sind uns darin einig, daß die Anhebung der Einkommensgrenzen die Vorausset- Situation auf dem Wohnungsmarkt uns alle mit einer zungen dafür schaffen wollen, daß auch in diesem großen Herausforderung konfrontiert und daß in einer von uns gesellschaftspolitisch gewünschten Bereich solchen Situation Ehrlichkeit genauso wie Verantwor- Eigentumsförderung besser möglich wird. tung gefordert ist. Das heißt für mich: Wir sollten von keiner politischen Fakultät aus die Erwartung wek- So addiert sich z. B. bei einem Haushalt mit zwei ken, als könne es uns gelingen, die Probleme, die es Kindern mit einem zu versteuernden Einkommen von auf dem Wohnungsmarkt gibt und die verschiedene 40 000 DM die Direktförderung durch Lastenzuschuß Ursachen haben, kurzfristig zu lösen. und sozialen Wohnungsbau auf 1 100 DM monatlich. (Achim Großmann [SPD]): Weil Sie jahrelang Zusammen mit der steuerlichen Entlastung ist das ein unsere Vorschläge abgelehnt haben!) Betrag von 1 500 DM im Monat und damit höher als alles, was man durch steuerliche Entlastung allein Wir sollten gleichzeitig sagen, daß alle politischen ohne Direktförderung überhaupt erzielen kann. Des- Ebenen gefordert sind, auch um eine op timale soziale wegen warne ich davor, die Direktförderung gering- Treffsicherheit dessen herzustellen, was wir in Bonn zuschätzen. bewirken. Um so bedauerlicher ist die Strategie der SPD, die (Otto Reschke [SPD]: Sie sollten einmal ge mit verschiedenen Abteilungen operiert. Da gibt es nau nachrechnen!) die Abteilung „Seriöse Fassade", die die hohe Ver- 3338 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Werner Dörflinger schuldung und die hohen Zinsen beklagt und Zurück- die Initiativen im sozialen Wohnungsbau, sagen aller- haltung bei neuen sozialen Verpflichtungen fordert. dings: Wir haben uns wirklich darauf zu konzentrie- ren, daß wir uns vor allem den unterversorgten Grup- (Otto Reschke [SPD]: Mit Recht!) pen zuwenden, damit wir Fehlbelegungen vermei- Da gibt es die Abteilung „Unse riöse Polemik", die den, und daß wir sicherstellen, daß mit dem knappen dauernd milliardenschwere Forderungen erhebt. Und öffentlichen Geld für diejenigen am meisten getan da gibt es noch die Abteilung „Ideologie", die z. B. wird, die sich auf dem Markt schwertun. Das halten hier gegen das Ausweisen zusätzlicher Bauflächen wir für praktizierte soziale Verantwortung, und ich — auch bei der Behandlung des Wohnungsbau- lade Sie trotz Lustlosigkeit dazu ein, über diese erleichterungsgesetzes — polemisiert Punkte mit uns im Ausschuß vertieft zu diskutieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge und eine solche Strategie draußen in den Gemeinden ordneten der FDP) und Städten wacker durchhält; erkundigen Sie sich mal nach der Situation beispielsweise in München. Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Han Herren, ich erteile jetzt dem Kollegen Dieter Maaß das nover! — Achim Großmann [SPD]: Weil das Wort. Wohnungsbauerleichterungsgesetz nichts gebracht hat!) Dieter Maaß (Herne) (SPD) : Herr Präsident! Meine Wir alle erkennen, daß die Zahlen bei der Geneh- Damen und Herren! Wenn wir heute das Thema im frei- migung und Fertigstellung von Wohnungen „Wohnungspolitisches Konzept der Bundesregierung finanzierten Wohnungsbau und im Mietwohnungs- und Wohnungsnot" behandeln, dann geht dies nicht, edigend sind, auch wenn wir bau einigermaßen bef ri ohne daß wir auf die Verhältnisse und Probleme in uns noch mehr wünschen könnten. Deswegen ist der den Ballungszentren hinweisen. Die Bundesregie- pauschale Vorwurf, unser Programm zöge nicht oder rung findet keine Konzepte, den enormen Mietpreis- wir hätte gar keines, Unsinn. steigerungen zu begegnen. Allein der Hinweis, der Wir haben einen besorgniserregenden Rückgang Markt werde dies regeln, reicht nicht. Es rächt sich bei der Förderung von Wohnungseigentum bzw. bei jetzt, daß Sie ab Mitte der 80er Jahre den sozialen der Bildung von Wohnungseigentum. Deswegen se- Wohnungsbau sträflich vernachlässigt haben. hen auch wir als Unionsfraktion auf diesem Feld drin- (Zuruf von der CDU/CSU: Die Neue Heimat genden Handlungsbedarf, wobei wir darauf hinwei- hat das gemacht!) sen müssen, daß z. B. die Schwierigkeiten beim § 10 e eine unmittelbare Folge auch unserer Steuerreform Damit hat die Regierung das Angebot bezahlbaren sind, durch die Bezieher kleiner und mittlerer Ein- Wohnraums in unzulässiger Weise verringert. kommen nicht mehr die Steuerschuld haben, die sie Die Schwächsten in unserer Gesellschaft werden in ehedem gehabt haben. immer stärkerem Maße aus preiswertem Wohnraum steigt in er- (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Sehr verdrängt. Die Zahl der Obdachlosen wahr!) schreckendem Maße. Die Städte müssen bereits Wohnraum beschlagnahmen, weil sie für die obdach- Meine Damen und Herren, deswegen begrüßen wir losen Familien nicht einmal mehr Notunterkünfte ha- die Schwerpunktbildung in dem Programm, das die ben. Dies sind sicher die extremsten Fälle, aber auch Bauministerin eben vorgestellt hat. Wir begrüßen alte Menschen, alleinerziehende Elternteile und auch die generelle Zielrichtung. Über -Details wird junge Paare mit geringem Einkommen werden aus man noch reden müssen. preiswertem Wohnraum verdrängt, oder er steht ih- (Achim Großmann [SPD]: Herr Waigel hat nen nicht zur Verfügung. andere Vorschläge!) Mietpreissteigerungen von 60 bis 100 % in weniger — Ja, das ist die Pluralität einer Volkspartei. Hindern als zehn Jahren sind die Regel. Gemeinnütziger Woh- Sie uns nicht daran, zu diskutieren. nungsbau, der noch ein wenig als Regulativ auf Miet- preissteigerungen hätte wirken können, wurde durch Wir sagen, über Details wird man noch reden müs- Ihre Politik zunichte gemacht. Eine Facharbeiterfami sen, und zwar deswegen, weil aus der Sicht der lie mit zwei Kindern, in der die Frau nicht berufstätig Unionsfraktion der eindeutige Schwerpunkt bei der ist und nicht hinzuverdient, kann eine Miete von über Förderung der Bezieher kleiner und mittlerer Einkom- 15 DM pro Quadratmeter nicht aufbringen. men liegen muß. (Zuruf von der SPD: Sehr richtig!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dies hat zur Folge, daß dieser Personenkreis sich au- Insofern erkläre ich hier als Baden-Württemberger: ßerhalb des Ballungsraumes Wohnungen zu er- Ich beziehe bewußt auch den Vorschlag in die Diskus- schwinglichen Preisen sucht. Dadurch steigt die Zahl sion ein, den Baden-Württemberg gemacht hat, weil der Pendler mit allen negativen verkehrspolitischen er für mich etwas Herausragendes enthält, nämlich und umweltbelastenden Auswirkungen. auch eine familienpolitische Komponente. Darüber Seit Monaten verspricht die Wohnungsbauministe- werden wir uns in den Fraktionen und in der Koalition rin ein Gesetz zur Kappung der Mietpreissteigerun- unterhalten. gen, sobald sie über 20 % in drei Jahren hinausgehen. Meine Damen und Herren, wir begrüßen auch die Ich verweise dabei auf Presseerklärungen des Mini- anderen flankierenden Maßnahmen. Wir begrüßen steriums vom 6. und 20. Februar 1991. Warum, so fra- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. 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Dieter Maaß (Herne) gen wir, haben Sie diesem Parlament bisher keinen genruf des Abg. Dr.-Ing. Dietmar Kansy entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt? [CDU/CSU]: Wo bleiben die denn?) Ein weiterer Bereich, dem die Bundesregierung Wir sollten diese wohnungspolitische Debatte deshalb hilflos gegenübersteht, sind die explosionsartig an- auch nutzen, um über Ursachenbekämpfung zu re- steigenden Baulandpreise. Die Berliner Bevölkerung den. Wir sollten — damit meine ich alle politisch Ver- kann Ihnen, den politisch Verantwortlichen in den antwortlichen — zur Vermeidung weiterer Spannun- Koalitionsparteien, dazu einiges sagen. gen am Wohnungsmarkt diesen massenhaften Miß- Nicht alle Ballungsräume trifft ein geringes Ange- brauch unseres Asylrechts rasch beenden. bot an preiswertem Wohnraum gleich. Mein Wahl- (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Uwe Küster kreis, die Stadt Herne mit ihren 180 000 Einwohnern [SPD]: Sie lenken nur von Ihren Problemen und einer Bevölkerungsdichte von ca. 3 300 Men- ab! — Weitere Zurufe von der SPD: Was hat schen auf einem Quadratkilometer, ist sicher ein klas- das mit der Wohnungspolitik zutun? — In sischer Ballungsraum. Der Mietspiegel ist zwar deut- welcher Stadt leben Sie eigentlich, in der lich niedriger als der in München; aber bedingt durch Asylsuchende in Wohnungen wohnen? — eine Arbeitslosigkeit von zur Zeit 12,9 % und einen Gegenrufe von der CDU/CSU) hohen Anteil von Sozialhilfeempfängern ist die Nach- frage nach bezahlbarem Wohnraum immens. Ich fordere daher die SPD, aber auch die FDP auf, sich der dringend gebotenen Ergänzung des Art. 16 unse- Welch hohe Erwartungen an die Politik gestellt wer- res Grundgesetzes auch aus wohnungspolitischen den, weiß ich aus Gesprächen mit hilfesuchenden Gründen nicht länger zu verschließen. Menschen in meinen Sprechstunden. Ich fordere Sie deshalb auf: Schaffen Sie mehr Wohnraum zu er- (Achim Großmann [SPD]: Spielen Sie doch schwinglichen Preisen! Erhöhen Sie die Finanzmittel die Bevölkerungsgruppen, die Wohnraum für den sozialen Wohnungsbau! brauchen, nicht gegeneinander aus! — [CDU/CSU]: Das ist die Ihrer Erklärung, Frau Ministe rin, „Liberale Woh- Ursache! Das darf man doch wohl noch sa nungspolitik wird aber immer zugleich auch in beson- gen!) derem Maße dem sozialen Ausgleich und dem Gebot einer wirksamen sozialen Absicherung des Wohnens Meine Damen und Herren von der Opposition, verpflichtet sein", stimme ich zu. wenn Sie über Wohnungsnot reden, sollten Sie nicht nur Milliarden für den Haushalt fordern, (Dr. Walter Hitschler [FDP]: Sehr richtig!) (Achim Großmann [SPD]: Frau Adam Dies sollten Sie nicht nur erklären, sondern auch durchsetzen. Schwaetzer fordert doch auch Milliarden an neuem Geld!) (Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der sondern auch dort mithelfen, wo Sie mit in der Ver- CDU/CSU) antwortung stehen. — Sie haben doch die wohnungs- politische Debatte beantragt. Auf Ihren Zuruf werde Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und ich noch später zu sprechen kommen. Herren, nächster Redner ist unser Kollege Peter Wir brauchen — das ist unbest ritten — eine Aktu- Götz. alisierung der bestehenden wohnungspolitischen Konzeption. Hierzu ist vieles gesagt worden. Ich will das nicht im einzelnen wiederholen. Das ist in den fünf (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr Peter Götz Minuten nicht möglich. Nur eine Anregung — auch geehrten Damen und Herren! Wir haben Engpässe - der Kollege Dörflinger hat es vorhin angesprochen — : auf dem Wohnungsmarkt. Das ist unstreitig richtig. Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat in Wenn Sie, Herr Großmann, oder auch Sie, Herr Maaß, dankenswerter Weise einige sehr gute Gedanken zur über die Wohnungsnot klagen, dann sollten wir uns steuerlichen Förderung des selbstgenutzten Woh- auch über die Gründe unterhalten, die zu diesen Eng- nungseigentums zu Papier gebracht. Wir sollten diese pässen am Wohnungsmarkt in den Städten und Ge- Vorschläge in unsere Überlegungen einbeziehen. meinden führen. Wir wissen — auch Herr Dr. Kansy hat es eben er- Ein drittes Thema möchte ich ansprechen, das bei wähnt — , daß in den letzten Jahren nahezu 3 Millio- der Schaffung von Wohnraum neben den förderpoliti- nen Menschen in den alten Bundesländern aufzuneh- schen Überlegungen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt: die men waren. Daß dies zusätzlich Wohnraum erfordert, Baulandsituation. Wir können noch so kann, glaube ich, jeder nachvollziehen. Allein in die- tolle Förderprogramme entwickeln; wenn es uns nicht gelingt, baureifes Gelände für den Wohnungsbau zu sem Jahr werden mehr als 200 000 Asylbewerber nach Deutschland kommen, die u. a. auch nach aktivieren, dann werden wir uns auch in den nächsten Jahren schwertun, bessere Fertigstellungszahlen zu Wohnraum fragen. erzielen. Wenn wir ferner wissen, daß nur 5 oder 6 % der Asylbewerber berechtigte Aussicht auf Anerkennung (Beifall bei der CDU/CSU — Achim Groß als politisch Verfolgte haben, heißt das, daß mehr als mann [SPD]: Aber bezahlbar!) 90 % der Bewerber unser Asylrecht mißbrauchen und — Richtig. unseren engen Wohnraum zusätzlich strapazieren. Baulandmangel ist nicht nur ein Problem der großen (Otto Reschke [SPD]: Dummes Zeug! — Städte. Zwischenzeitlich wissen wir, daß auch klei- Achim Großmann [SPD]: Die wohnen bei uns nere Gemeinden über zunehmende Baulandengpässe in Turnhallen, nicht in Wohnungen! — Ge klagen. Hier sind die Gemeinden gefordert, die vieler- 3340 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Peter Götz orts auch erfolgreich bet riebene aktive Bodenvorrats Am April/Mai hatten wir solche Anträge, die 40 Sei- politik und die kommunale Baulandpolitik verstärkt ten lang waren, aus Nordrhein-Westfalen über die fortzusetzen, da nur mit ihrer Hilfe die Verfügbarkeit Amtshilfe bekommen, gerade um im Wohnungsbau von Grund und Boden für Zwecke des Wohnungsbaus relativ rasch voranzukommen. Ich wurde belehrt, daß wirkungsvoll verbessert werden kann. diese 40 Seiten nicht wirklich 40 Seiten sind, sondern Es gibt aber auch viele positive Perspektiven. Auch nur 14 Seiten, wovon 5 Seiten aus Erläuterungen be- diese sollten wir zur Kenntnis nehmen. Durch das stehen, wie man diesen Antrag ausfüllt. Die Situation Freiwerden bisher militärisch genutzter Grundstücke ist die, daß wir im Land praktisch noch keine Anträge haben viele Regionen große Chancen, unter Mitwir- haben. Brandenburg ist tatsächlich eines der Länder, kung des Bundes qualitative Stadterneuerungs- und die es „geschafft" haben, daß vor lauter Kontrolle, Wohnungsbaupolitik zu gestalten. damit niemand, der nicht in den Genuß solcher Mittel kommen soll, sie bekommt, nichts mehr geht. Wir sind deshalb der Bundesregierung sehr dank- bar, daß sie im Sommer dieses Jahres erklärt hat, bei Lassen Sie mich aber durchaus würdigen, was die der Veräußerung bundeseigener bebauter und unbe- Bundesregierung hier für die neuen Bundesländer ge- bauter Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau tan hat. mit entsprechender Belegungsbindung einen Nach- (Dr. Uwe Küster [SPD]: Da sind Sie aber nicht laß von 50% zu gewähren. Meine Damen und Herren, auf dem laufenden!) das ist ein Wort; damit kann man etwas anfangen. Jetzt können die Städte und Gemeinden nicht nur —Sie dürfen glauben, daß ich auf dem laufenden bin, Pläne entwerfen, sondern diese auch zu vertretbaren weil ich mit dieser Landesregierung nicht so ... — Konditionen realisieren. okay. Abschließend eine Bitte an die Opposition: Das (Heiterkeit — Dr. Uwe Küster [SPD]: Das war Thema „Wohnen" gehört zu den sensibelsten The- ein gutes Argument!) men, die die Menschen bewegen. Sie sollten endlich —Nein. Ich habe ein Planungsbüro; dieses Planungs- aufhören, alles, aber auch wirklich alles, was hier büro hat eine ganze Reihe von Gemeinden — — kommt, negativ zu kommentieren. Wenn der Bundes- finanzminister beim Verkauf von Grundstücken einen (Otto Reschke [SPD]: Dafür, daß Sie Planer Nachlaß von 50 % anbietet, fordern Sie 80 %. sind, bringen Sie aber viel durcheinander! — (Achim Großmann [SPD]: Das ist eine Bun Gegenruf der Abg. Ing rid Roitzsch [Quick desratsforderung! — Gegenruf des Abg. born] [CDU/CSU] : Nicht ablenken lassen!) Georg Brunnhuber [CDU/CSU]: Wo kommt — Passen Sie auf. Eins ist mal sicher: Wir haben eine die her?) ganze Reihe von Fördermitteln — eine Milliarde DM Wird ein neues Wohnungsbauförderungskonzept vor- für den sozialen Wohnungsbau, insgesamt 4,8 Milli- gelegt, setzen Sie auch noch eins drauf, sagen aber arden DM — , die für die neuen Bundesländer ohne nicht, woher das Geld kommt, und lassen andere in die Städtebauförderung bereitstehen, um Wohnun- Ihrer Fraktion gleichzeitig Steueranpassung und gen zu bauen. Staatsverschuldung kritisieren. Das paßt einfach nicht Tatsache ist, daß wir jetzt tatsächlich über Um- zusammen. schichtungen reden und daß es nicht geschafft wor- Meine Damen und Herren, der Wohnungsbau den ist — ich kann jetzt ganz dezidiert von Branden- braucht Vertrauen, er braucht auch Kontinuität. Das burg berichten —, diese Mittel auch auszugeben. gilt vor allem für die Bauwirtschaft, vor allem gilt es Die Privatisierung sollte gerade ein vorrangiges An- aber auch für die Menschen — und darum- bitte ich liegen sein. Ich meine, in Ihren Augen ist sie nicht ein Sie. so vorrangiges Anliegen. Vielen Dank. (Otto Reschke [SPD]: Aber sicher doch! — (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Achim Großmann [SPD]: Sie waren doch ordneten der FDP) heute morgen im Ausschuß!) — Schauen Sie doch her: Brandenburg ist das erste Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Land, das diese Mittel umschichtet. Herren, nächster Redner ist unser Kollege Thomas (Achim Großmann [SPD]: Seien Sie reali Molnar. stisch! Weil Sie nicht abgerufen werden! Das haben wir doch heute morgen gehört!)

Thomas Molnar (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine — Na, na, das ist jetzt Ihre Meinung. sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich Die 4,8 Milliarden DM muß man einfach zugeben. als Abgeordneter des Landes Brandenburg, der ja Als Brandenburger muß ich schon sagen: Es ist wirk- eine SPD-Landesführung hat, sagen, daß ich das, was lich eine faire Geschichte und auch eine faire Mittel- Sie anmahnen, nicht im geringsten in Brandenburg zuteilung gewesen, indem in die neuen Bundesländer wiederfinde. Ich höre immer wieder die Schimpferei: Geld geflossen ist. Der Bund ist schuld. Man kann als SPD natürlich schreien: Ich will noch (Otto Reschke [SPD]: Sie sind scheinbar sel mehr, und ich will noch mehr. Aber man muß es auch ten zu Hause!) ausgeben können. Brandenburg sollte uns hier viel- — Nein, bin ich nicht. leicht doch ein warnendes Beispiel dafür sein, daß Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3341

Thomas Molnar man nicht immer nur schreien sollte, sondern daß man Um Ihnen zu beweisen, lieber Herr Kollege, wie Mittel auch ausgeben muß. lächerlich die Bundesförderung ist, sage ich Ihnen: Vielen Dank. Vorgesehen sind 150 Millionen DM für Sozialwoh- nungen, erster Förderweg. 320 Millionen DM macht (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) allein die Fehlbelegungsabgabe aus, mit der wir die Mieter in diesen Sozialwohnungen der fünfziger und sechziger Jahre einfach schröpfen.

Vizepräsident Hans Klein: Meine Damen und Her- (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Wer ren, nächster Redner ist unser Kollege Otto hat denn die Fehlbelegungsabgabe in Nord Reschke. rhein-Westfalen eingeführt? Mieterschröp (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Jetzt fung, Junge, Junge!) kommt die Erleuchtung!) Frau Ministerin, der Bundestag hat im Mai seine Auffassung kundgetan, daß sich die steuerrechtliche Förderung des Wohnungsbaus, insbesondere des Otto Reschke (SPD): Herr Kansy, Sie kennen ja das selbstgenutzten Wohneigentums, in zunehmendem alte Ruhrgebietssprichwort: Leute wie Sie nennen wir Maße als wenig wirksam erweist. Er hat sich daher im Ruhrgebiet „Tell", aber nicht wie Wilhelm, son- dafür ausgesprochen, schnell ein neues Förderkon- dern wie Tro... zept zu entwickeln. ( [Quickborn] [CDU/CSU]: Sagen Sie das mal auf deutsch!) Im Protokoll des Finanzausschusses vom Ap ril ist zu lesen, daß dieses Förderkonzept im September vorge- — Wie Trottel. legt werden soll. Was Sie aber gestern vor der Presse Es ist erstaunlich: In zwei Jahren haben wir nun die abgeliefert haben und heute mit wenigen Sätzen und fünfte Aktuelle Stunde zur Wohnungsnot mit immer unnachprüfbar angesprochen haben, ist für mich neuen Versprechungen der Bauminister. Vor drei Mo- wirklich ein Ding aus dem Tollhaus. Das gilt auch für naten, Frau Ministerin, war es die gestiegene Zahl der das, was in der CDU/CSU und teilweise, mit Verlaub, Baugenehmigungen, die Sie hoffen ließ. Aber wir ste- manchmal mit besserer Qualität versehen, in der FDP hen ja heute bei 14 % Einbruch allein im Bereich der geschieht. Einfamilienhäuser und bei fast 3 % bei den Zweifami- lienhäusern. Heute sind es nun die 100 000 Eigenhei- Was Sie abgeliefert haben, sind Mitnahmeeffekte, mer, die auf Ihre Vorschläge warten. die vergrößert werden sollen. Ausdrücklich gegen die Aber Ihre Vorschläge machen noch nicht einmal Erkenntnisse des Finanzausschusses gehen Sie wei- — das haben Sie gestern der Presse vorgelegt — die terhin andere Wege. gestiegenen Zinsen, Boden- und Baukosten wett. Sie reden vom Traum für viele Eigenheimer und machen Ich will der Öffentlichkeit einfach einmal sagen, wie ihn durch Ihre Vorschläge für viele zu einem Alp- verwirrend der Diskussionsstand in der Koalition ist. traum. Der Kollege Raidel — er ist eben weggelaufen; er ist jetzt nicht da — schlug in der „Süddeutschen Zei- Also, mit den 1 Million Wohneinheiten in drei Jah- tung" vom 16. September geradezu vor, einen Sturz- ren wird es wohl nichts werden. Diese Erkenntnis flug im Wohnungsbau, den er erkannt haben wi ll, haben Sie uns ja eben vermittelt. - abzuschaffen. Er regt an, die Baulandkosten steuer- Dafür haben Sie gestern herausposaunt, jetzt sollen lich zu berücksichtigen, die übrigens noch nicht be- 100 000 Wohnungen, und zwar echte Sozialwohnun- schlossenen Einkommensgrenzen bei der Eigentums- gen, in drei Jahren mit besonderer Marktnähe gebaut förderung wieder abzuschaffen, einen bef risteten werden. Das heißt doch wohl auf gut deutsch: Es sind Zeitraum für die Befreiung von der Mehrwertsteuer Sozialwohnungen mit besonders hoher Miete. Oder einzuführen und kommunales Wohngeld zu zahlen. wie soll ich das in vielen Punkten verstehen? Dies Mit der Einführung eines neuen Steuertatbestandes, geschieht vor dem Hintergrund, daß der Bestand an nämlich dem des entgangenen Gewinns, für nicht er- Sozialwohnungen von 30 % im Jahre 1978 auf heute haltene und selbst eingeschätzte Miete will er im 18 % abgenommen hat und die Mietpreisschraube Grunde genommen den Wohnungsbau in vielen Be- mittlerweile ein Steilgewinde bekommen hat. reichen anreizen.

Im sozialen Wohnungsbau sieht es katastrophal Ich will Ihnen sagen, was in dieser Koalition eigent- aus. Im Etatentwurf 1992 sind, wenn ich es richtig lich los ist. Ihnen fehlt es tatsächlich am Willen zur gelesen habe, 150 Millionen DM für den klassischen Lösung der Wohnungsprobleme in diesem Staat. Die sozialen Wohnungsbau, erster Förderweg vorgese- Baugenehmigungen blieben und bleiben in den hen. Zur Verwirklichung Ihrer Forderung nach Schubladen vieler potentieller Bauherren. Ursache 100 000 neuen Sozialwohnungen in drei Jahren sind die sich immer weiter verschlechternden Rah- müßte das 30fache im Haushalt stehen. Ich frage menbedingungen, zu denen auch die Bundesregie- mich: Wie wollen Sie diese zusammenbekommen? rung wesentlich beigetragen hat. Mit ihrer verwirren- Woher wollen Sie im Herbst das Geld vom Finanzmi- den Förderung, mit ständig neuen Ankündigungen nister bekommen? und Versprechungen auf der einen Seite und mit Kür- (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Ver zungsdrohungen, wie ihr Wirtschaftsminister auf der einbarte Förderung, Herr Kollege!) anderen Seite das tut, bewegen Sie keinen Bauwilli- 3342 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Otto Reschke gen: Abwarten heißt verständlicherweise in vielen Landeshauptstadt München 50 % der Haushalte mitt- Punkten die Devise. lerweile Ein-Personen-Haushalte. Im übrigen — das müßten Sie eigentlich wissen — (Zurufe von der SPD) finden Zweidrittel der Förderung des Wohnungsbaus durch den Staat von über 60 Milliarden DM im Be- — Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie verstehen stand statt. Wer den Wohungsbestand und nicht den können, daß ich auch die Asylanten erwähnt hatte. Neubau fördert, der kann die Erfolge bei den Neubau- raten in vielen Punkten nicht bekommen. (Achim Großmann [SPD]: Genauso ver kehrt!) Die Bodenfrage ist nicht gelöst, die Zins- und Kre- ditbasis für den Wohnungsbau muß neu geregelt wer- Trotz dieser Faktoren, die die gestiegene Nachfrage den, das Fördersystem muß den Neubau stärker för- nach Wohnraum verursachen, hat die Bundesregie- dern als den Bestand, die Eigentumsförderung muß rung in den vergangenen Jahren mit ihren wohnungs- die Haushalte mit geringen Einkommen am meisten baupolitischen Programmen Erfolg gehabt. fördern und nicht umgekehrt. Ihre Rechnung stimmt ja gar nicht, Frau Ministe rin, (Zurufe von der SPD) wenn ich dpa gestern richtig gelesen habe: Bei Ich darf Sie daran erinnern, daß mittlerweile — wir 140 000 DM Einkommen kommt Ihr Vorschlag jetzt werden das in diesem Jahr erreichen — 300 000 neue 1991 nach der alten Förderung auf 8 000 DM und 1992 Wohnungen gebaut werden. Ich sage nicht, daß das bei Ihnen auf 15 000 DM. Bei einem Einkommen von genügt; aber ich sage, daß das ein politischer Erfolg 40 000 DM — 5 500 DM — steigt das auf 7 800 DM. ist, Das ist eine lächerliche Erhöhung; da kriegen Sie kei- (Beifall bei der CDU/CSU) nen Bauwilligen in der Eigentumsförderung hinter dem Tisch vor. Tun Sie was in den Bereichen Boden, daß wir 300 000 Wohnungen in diesem Jahr dank der Zinsen, Fördersystem und in der Eigentumsfrage, da- Programme der Bundesregierung bauen. mit am Wohnungsmarkt etwas geschieht. Steigen Sie aus aus der überstarken Bestandsförderung! (Zurufe von der SPD) Schönen Dank. Der Bund hat die Mittel für den sozialen Woh- (Beifall bei der SPD) nungsbau in den Altländern im Jahre 1991 auf 1,76 Milliarden DM erhöht. Er hat für die neuen Bun- desländer 1 Milliarde Mark bereitgestellt. Er hat zwei- tens für die neuen Bundesländer im Rahmen des Vizepräsident Helmuth Becker: Letzter Redner in der Aktuellen Stunde ist unser Kollege Josef Holle- Gemeinschaftswerks „Aufschwung Ost" Abschrei- bungsmöglichkeiten und Zuschüsse im Rahmen des rith. Kreditprogramms für Wiederaufbau bereitgestellt, die es ermöglichen, drei Millionen Wohnungen der sozia- listischen Plattenbauweise zu sanieren und men- Josef Hollerith (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine schenwürdige Bedingungen für die Bundesbürger in Damen und Herren! Auch die Polemik der SPD ändert den neuen Bundesländern zu schaffen. nichts daran, daß 95 To der bundesdeutschen Haus- halte hervorragend mit Wohnraum versorgt sind. In (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) der Bundesrepublik Deutschland, in den Altbundes- ländern, ist in den letzten Jahren die Versorgung mit Wir erreichten mit diesem Programm, daß mit der Wohnraum kontinuierlich gestiegen. Heute- verfügt Sanierung Energieeinsparung finanziert wird, sich die im Durchschnitt jede bundesdeutsche Person in den Wohnqualität verbessert und zugleich Umweltschutz Altländern über 36 Quadratmeter Wohnfläche. Im geleistet wird. Ich erwähne nur das CO2-Problem, das Vergleich dazu verfügt in der Sowjetunion jeder Ein- hier mit den Leistungen des Bundes auch über die wohner nur über 9 Quadratmeter. Diese Versorgung Sanierung der sozialistischen Plattenbauten gelöst ist dank der Politik der Bundesregierung, dank der wird. Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingun- Drittens. Der Bund hat die Abschreibungen für die gen, dank der Verbesserung der Einkommen der Be- eigengenutzten Wohnungen in § 10e verbessert. völkerung in den letzten neun Jahren kontinuierlich gestiegen. Viertens. Der Bund hat das Baukindergeld erhöht. Aber auch wir geben uns nicht damit zufrieden, daß 5 % nicht optimal mit Wohnraum versorgt sind. Aller- Fünftens. Er hat die Abschreibungen für den ver- dings, Kollegen von der SPD, verkennen Sie die Wirk- mieteten Wohnraum wesentlich verbessert, so daß lichkeit. Wenn wir die Probleme der 5 % der Haus- auch vermehrt p rivates Kapital wieder in den Woh- halte lösen wollen, müssen wir über die Ursachen re- nungsbau fließen kann. den. Die Ursachen der Knappheit an Wohnraum sind (Zurufe von der SPD) erstens der Zustrom — Herr Kansy hat das bereits aus- geführt — von Aussiedlern, Übersiedlern und Asylan- Meine Damen und Herren, es genügt nicht, wie es ten, zweitens die gestiegene Nachfrage nach Wohn- die SPD hier vorträgt, zu polemisieren oder Pro- raum auf Grund der verbesserten Einkommens- gramme zu fordern, die niemand finanzieren kann. Es situation und drittens die hohe Zahl von Scheidungen sind notwendig, wie das auch von Herrn Kansy und und von jungen Leuten, die als Einzelhaushalte der Frau Bundeswohnungsbauministerin Adam Wohnraum nachfragen. Beispielsweise sind in der Schwaetzer dargestellt worden ist, zielgerichtete Pro- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3343

Otto Reschke gramme, die die Eigeninitiative fördern, die soziale Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Ausgewogenheit der Maßnahmen sicherstellen und Herren, damit ist die Aktuelle Stunde beendet. die Möglichkeiten der Mietwohnungsbaumaßnah- Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tages- men erhöhen. Ich meine, die Bundesregierung hat ordnung. gehandelt. Ich meine, die Maßnahmen, die vorgetra- gen worden sind, werden helfen, die Probleme zu Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- lösen. Zu Panikmache und Polemik, wie sie die SPD destages auf morgen, Donnerstag, den 19. September betreibt, besteht kein Anlaß. 1991, 9 Uhr ein. Herzlichen Dank. Die Sitzung ist geschlossen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Schluß der Sitzung: 16.47 Uhr)

Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode - 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3345*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Liste der entschuldigten Abgeordneten Dr. Sperling, Dietrich SPD 18. 09. 91 entschuldigt bis Dr. von Teichman und FDP 18. 09. 91* Abgeordnete(r) einschließlich Logischen, Cornelie Terborg, Margitta SPD 18. 09. 91* Antretter, Robert SPD 18. 09. 91* Vogel (Ennepetal), CDU/CSU 18. 09. 91* Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 18. 09. 91 Friedrich Bindig, Rudolf SPD 18. 09. 91* Blunck, Lieselott SPD 18. 09. 91* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates Böhm (Melsungen), CDU/CSU 18. 09. 91* ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versamm- Wilfried lung Dr. Brecht, Eberhard SPD 18. 09. 91* Büchler (Hof), Hans SPD 18. 09. 91* Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 18. 09. 91* Anlage 2 Bulmahn, Edelgard SPD 18. 09. 91 Antwort Ehlers, Wolfgang CDU/CSU 18. 09. 91 des Parl. Staatssekretärs Wilhelm Rawe auf die Frage Dr. Ehmke (Bonn), Horst SPD 18. 09. 91 des Abgeordneten Eckart Kuhlwein (SPD) (Drucksa- Dr. Feige, Klaus-Dieter Bündnis 18. 09. 91 che 12/1141 Frage 7): 90/GRÜNE Welche Aufgaben soll der von der Deutschen Bundespost Dr. Feldmann, Olaf FDP 18. 09. 91* TELEKOM auf dem Albsfelder Berg im Kreis Herzogtum Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 18. 09. 91* Lauenburg geplante Fernmeldeturm im einzelnen übernehmen und trifft es zu, daß alle diese Aufgaben auch ohne diesen Turm Gansel, Norbert SPD 18. 09. 91 wahrgenommen werden können? Dr. Gysi, Gregor PDS 18. 09. 91 Dr. Holtz, Uwe SPD 18. 09. 91* Der auf dem Albsfelder Berg im Kreis Herzogtum Irmer, Ulrich FDP 18. 09. 91 Lauenburg geplante Fernmeldeturm für die Funk- Kittelmann, Peter CDU/CSU 18. 09. 91* übertragungsstelle Ratzeburg dient vorwiegend als Koschyk, Hartmut CDU/CSU 18. 09. 91 Empfangsstation für Ton- und Fernsehrundfunk zur Einspeisung in das Breitbandverteilnetz Ratzeburg/ Lenzer, Christian CDU/CSU 18. 09. 91 Mölln sowie als Sende- und Empfangsstation für Mo- Dr. Leonhard-Schmid, SPD 18. 09. 91 bilfunkdienste mit einem Zuwachs von derzeit über Elke 20 000 neue Kunden je Monat und für innovative Mo- Lummer, Heinrich CDU/CSU 18. 09. 91* bilfunkdienste der Zukunft wie den Funkrufdienst Dr. Luther, Michael CDU/CSU 18. 09. 91 ERMES, das Bündelfunknetz CHEKKER, den Daten- Marten, Günter CDU/CSU 18. 09. 91* funkdienst MODACOM und nicht zuletzt für neue Mascher, Ulrike SPD 18. 09. 91* Ton- und Fernsehsender. Dr. Meyer zu Bentrup, CDU/CSU 18. 09. 91* Die aufgeführten Kommunikationsdienste zeigen, Reinhard daß es hierzu eines Fernmeldeturms bedarf. Eine an- Dr. Müller, Günther CDU/CSU 18. 09.- 91* dere technische Realisierung bietet sich nicht an. Nolte, Claudia CDU/CSU 18. 09. 91 Der Standort ergibt sich, weil der Albsfelder Berg Opel, Manfred SPD 18. 09. 91** die höchste Erhebung im Umfeld ist, d. h. hier erfolgt Pfuhl, Albert SPD 18. 09. 91* eine Beeinflussung der Landschaft mit der geringst Poppe, Gerd Bündnis 18. 09. 91 möglichen Turmhöhe. So besteht dort seit Jahren 90/GRÜNE auch bereits ein 44 m hoher Stahlgittermast, der aller- dings statisch und belegungsmäßig voll ausgelastet Dr. Probst, Albert CDU/CSU 18. 09. 91* und als Bauwerk nicht mehr erweiterungsfähig ist. Reddemann, Gerhard CDU/CSU 18. 09. 91* Die vorgesehenen technischen Detaillösungen un- Reimann, Manfred SPD 18. 09. 91 terliegen allerdings einer kritischen Überprüfung. Rempe, Walter SPD 18. 09. 91 Das Ergebnis der Prüfung liegt z. Z. von der Deut- von Renesse, Margot SPD 18. 09. 91 schen Bundespost TELEKOM noch nicht vor. Rennebach, Renate SPD 18. 09. 91 Dr. Riege, Gerhard PDS 18. 09. 91 Sauer (Salzgitter), Helmut CDU/CSU 18. 09. 91 Anlage 3 Schaich-Walch, Gudrun SPD 18. 09. 91 Antwort Dr. Scheer, Hermann SPD 18. 09. 91* von Schmude, Michael CDU/CSU 18. 09. 91* des Parl. Staatssekretärs Bernd Neumann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Klaus Kübler (SPD) Dr. Schulte (Schwäbisch CDU/CSU 18. 09. 91 (Drucksache 12/1141 Frage 8): Gmünd), Dieter Sieht die Bundesregierung zwischen den verstärkten Vulkan- Skowron, Werner H. CDU/CSU 18. 09. 91 ausbrüchen auf der Welt Zusammenhänge und liegen ihr Infor- Dr. Soell, Hartmut SPD 18. 09. 91* mationen über die Ursachen vor? 3346* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Die Ursachen für Vulkanausbrüche liegen in den ben wurde zunächst vom 1. Januar 1984 bis globalen Prozessen der Kontinentalverschiebung. Da- 31. Dezember 1986 die Entwicklung eines Kom- bei werden im Bereich der Kollisionszonen von Litho pakt-Autos mit etwa 1,9 Millionen DM gefördert. sphärenplatten ständig große Gesteinsmengen ver- In einer weiteren Phase, deren Laufzeit vom schoben oder in den tiefen Untergrund verfrachtet 1. September 1986 bis zum 31. März 1992 vorgese- und umgewandelt. Jede vulkanische Tätigkeit auf der hen ist, wird dieses besonders verbrauchsgünstige, Erde steht im Zusammenhang mit diesen Vorgängen. schadstoff- und geräuscharme Antriebskonzept in Zwangsläufige Begleiterscheinungen der Plattenbe- einem Praxistest erprobt. Ca. 50 dieser Fahrzeuge wegungen, die je nach Region unterschiedlich sind befinden sich derzeit vorwiegend im Stadtgebiet und voneinander unabhängig auftreten, sind Erdbe- von Berlin in der Erprobung unter normalen Ver- ben und Vulkaneruptionen, wie z. B. der Ausbruch kehrsbedingungen. Der Bundesminister für For- des Penatubo auf den Philippinen oder der Ausbruch schung und Technologie hat für diese Erprobung des Mount St. Helens in den USA. weitere ca. 2 Millionen DM bereitgestellt. Das Vor- Der Antrieb für die Wanderung der Kontinente bzw. haben wird auch vom Berliner Senat finanziell un- die Ursache für Vulkanausbrüche liegt in Konvek- terstützt. Hauptziel dieses Vorhabens ist es, den tionsströmungen im plastischen Erdmantel unterhalb Kraftstoffverbrauch des Öko-Polos im Stadtbetrieb des ozeanischen bzw. der kontinentalen Kruste. Sie auf ca. 3 1/100 km zu reduzieren. Obwohl die Un- werden hervorgerufen durch Wärmeströmungen im tersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, kann tiefen Untergrund. festgestellt werden, daß dieses Ziel zumindest nä- herungsweise erreicht wird. Vermeidbar sind Vulkanausbrüche nicht, da die geodynamischen Prozesse in Tiefen ablaufen, die sich jedem menschlichen Zugriff entziehen. Die Wissen- — Förderung der Methanoltechnologie (Ethanol be- schaft versucht deshalb, durch die Entwicklung ver- gleitend untersucht) : läßlicher Methoden die Randbedingungen zu erfas- Fördermittel des BMFT 1974 bis 1989: ca. 92 Mil- sen, die für das Auftreten einer Vulkaneruption von lionen DM Bedeutung sind, um Vorhersagen zu ermöglichen. Den größten Erfolg in dieser Hinsicht verzeichneten — Rapsöl als Kraftstoff für Dieselmotoren: amerikanische Wissenschaftler 1959, als es gelang, Fördermittel des BMFT 1988 bis 1991: ca. 5 Millio- 6 Monate im voraus den Ausbruch des Vulkans nen DM Kilauea auf Hawaii vorherzusagen. Ein weiteres Projekt zur Entwicklung eines direkt- einspritzenden Rapsölmotors wird ab 1991 mit ca. 1,9 Millionen DM gefördert. Weitere Förderungs- Anlage 4 maßnahmen zum Thema Rapsöl werden innerhalb des BMFT-Programms „Nachwachsende Roh- Antwort stoffe" durchgeführt. U. a. wird eine Studie zur des Parl. Staatssekretärs Bernd Neumann auf die Definition eines Standards für den Kraftstoff Frage des Abgeordneten Albrecht Müller (Pleiswei- „Rapsölmethylester" mit 0,9 Millionen DM finan- ler) (SPD) (Drucksache 12/1141 Frage 9): ziert. Mit wieviel D-Mark hat die Bundesregierung bisher die Ent- wicklung von sogenannten Öko-Autos gefördert? — Förderung der Wasserstofftechnologie: Fördermittel des BMFT 1974 bis 1989: ca. 41 Mil- Eine abschließende und allgemeingültige- Defini- lionen DM tion für ein „Öko-Auto" gibt es bisher nicht. Vielmehr lassen sich unter diesem Beg riff unterschiedliche Kon- Ein Nutzfahrzeugprojekt mit Hochdruckspeiche- zepte unter Anwendung unterschiedlicher techni- rung wird vom BMFT-Bereich „Erneuerbare Ener- scher Wege und Kombinationen davon verstehen, die gien" ab 1990 mit ca. 5,5 Millionen DM geför- dem Ziel dienen, das Auto umweltverträglicher zu dert. machen. Die Ansatzpunkte reichen dabei von opti- mierten bzw. alternativen Antrieben über längere — Förderung der Entwicklung von Elektrofahrzeu- Haltbarkeit, Gewichtsreduzierung und Recycling- gen (Transporter und Busse) : fähigkeit des Aufbaus bis hin zu einer höheren Ver- Fördermittel des BMFT 1974 bis 1989: ca. 45 Mil- kehrssicherheit. Die Weiterentwicklung dieser Kon- lionen DM zepte vollzieht sich im wesentlichen im Rahmen eines zunehmend intensiveren Innovationswettbewerbs der Der Förderbereich „Erneuerbare Energien" hat für Automobilindustrie, der durch staatliche Auflagen die Entwicklung neuer Batterien, insbesondere der wie durch das zunehmende Umweltbewußtsein der Natrium/Schwefel-Batterie, bisher mehr als 100 Käufer ständigen Antrieb erhält. Dennoch fördert der Millionen DM bereitgestellt. In diesem Bereich BMFT ausgewählte Technologien mit der Zielsetzung werden auch weitere Vorhaben zur Entwicklung eines umweltverträglichen Autos, um die Entwick- von Batterien und Brennstoffzellen gefördert. lung durch gezielte Anstöße zu unterstützen. Zu nen- nen sind insbesondere: Nicht zuletzt mit Blick auf den drohenden Treib- — Die Förderung der Entwicklung und Erprobung hauseffekt hat der BMFT auch die Möglichkeiten der eines Öko-Autos in einem serienmäßigen Klein- Nutzung von Solarstrom für den Betrieb von Elektro- fahrzeug (Öko-Polo). In diesem Forschungsvorha fahrzeugen in einer Studie untersuchen lassen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3347*

Anlage 5 Wahldurchführung, insbesondere zur Vermeidung von Nachwahlen nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG (Tod von Antwort Wahlkreisbewerbern vor der Wahl) weder angemes- des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die Fra- sen noch vertretbar. gen des Abgeordneten Erwin Marschewski (CDU/ CSU) (Drucksache 12/1141 Fragen 22 und 23): Zu Frage 23: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den im Ausland lebenden Deutschen eine Beteiligung an Wahlen zu erleichtern, Die Vorbereitung und Durchführung von Wahlen zu was trotz beschlossener Änderungen betreffender Wahlgesetze parlamentarischen Körperschaften und sonstigen immer noch Probleme z. B. im Fristenbereich mit sich bringt? nach der Verfassung oder den Gesetzen vorgesehe- Hält es die Bundesregierung z. B. in diesem Zusammenhang nen Wahlen eines ausländischen Staates außerhalb für tatsächlich und rechtlich möglich — wie in anderen Staaten seines eigenen Hoheitsgebietes ist hoheitliche Tätig- nicht unüblich — z. B. in Botschaften Wahlurnen aufzustellen? keit, die den Rahmen der üblichen diplomatischen oder konsularischen Tätigkeiten nach den beiden Zu Frage 22: Wiener Übereinkommen über diplomatische und kon- Bei der Beantwortung der Frage wird davon ausge- sularische Beziehungen überschreitet. Derartige Tä- gangen, daß sich diese nur auf die Durchführung von tigkeiten sind nur mit Zustimmung des Empfangsstaa- Bundestagswahlen und nicht auf die Wahlberechti- tes zulässig. gung der im Ausland lebenden Deutschen bezieht. Nachdem die Bundesrepublik Deutschland auslän- Das Wahlrecht für die im Ausland lebenden Deut- dischen Staaten die Abhaltung von Wahlen in ihren schen ist durch das 7. Gesetz zur Änderung des Bun- diplomatischen und konsularischen Vertretungen in deswahlgesetzes vom 8. März 1985 (BGBl. I S. 521) Deutschland erlaubt, könnte sie im Wege der Gegen- eingeführt worden. Das Gesetz sah gleichzeitig eine seitigkeit die entsprechende Erlaubnis für die Ab- Verlängerung der bis dahin für die verschiedenen wicklung deutscher Wahlen in deutschen Auslands- Schritte der Wahlvorbereitung geltenden Fristen vor, vertretungen im Ausland verlangen. Dies erscheint um eine Wahlteilnahme der im Ausland lebenden jedoch nicht zweckmäßig, da Deutschen zu ermöglichen. Bei der ersten Praktizie- — im Amtsbezirk einiger deutscher Auslandsvertre- rung des Wahlrechts für „Auslandsdeutsche" anläß- tungen so viele wahlberechtigte Deutsche leben, lich der Bundestagswahl 1987 hatte sich insbesondere daß diese technisch überfordert wären (z. B. Sao im Hinblick auf in außereuropäischen Staaten le- Paolo, ...), bende Wahlberechtigte gezeigt, daß die durch das — in zahlreichen Ländern wahlberechtigten Deut- 7. Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vor- schen eine Fahrt zum Sitz der Auslandsvertretun- genommenen Verlängerungen bzw. Vorverlegung gen schon aus Entfernungsgründen nicht zumut- von Fristen und Terminen in vielen Fällen nicht aus- bar wäre. reichend waren, um die rechtzeitige Zu- und Rück- sendung der Wahlunterlagen weitestmöglich sicher- Mit Rücksicht darauf ist das Wahlrecht für die au- zustellen. ßerhalb des Geltungsbereichs des Bundeswahlgeset- zes lebenden Deutschen so gestaltet worden, daß es in Die entsprechenden Fristen und Termine wurden Form der Briefwahl ausgeübt werden kann. deshalb durch das 8. Gesetz zur Änderung des Bun- deswahlgesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I Für eine Beibehaltung der geltenden Regelung S. 2422) um 14 Tage verlängert bzw. vorverlegt, um spricht darüberhinaus, daß die Wahlergebnisse rasch ausreichend Zeit für die Zu- und Rücksendung von ermittelt werden können; bei einer Stimmabgabe in Wahlunterlagen zu gewährleisten. den Auslandsvertretungen wären dagegen Verzöge- rungen bei der Übermittlung der Wahlergebnisse Allerdings mußten diese Fristen im Zuge der Vorbe- nicht auszuschließen. reitung der Wahl zum 12. Deutschen Bundestag und im Nachgang zum Wahlstaatsvertrag vom 3. August 1990, letztmalig durch die Änderung der Bekanntma- chung des Bundeswahlgesetzes in der für die Wahl zum 12. Deutschen Bundestag geltenden Fassung Anlage 6 vom 19. Oktober 1990 (BGBl. I S. 2218), erheblich ver- Antwort kürzt werden. Denn die erste gesamtdeutsche Wahl hatte langandauernde Vorbereitungsverhandlungen des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die Fra- zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der gen des Abgeordneten Dr. Jürgen Schmieder (FDP) DDR erfordert, die erst im August 1990 abgeschlossen (Drucksache 12/1141 Fragen 26 und 27): werden konnten. Nur durch eine Verkürzung der Fri- Gibt es Richtlinien der Bundesregierung für die Vergabe von sten für die Wahlorganisation konnten die verfas- Projektförderungsmitteln der politischen Bildung, die auch die Höhe der in diesen Projekten zu zahlenden Honorare für freie sungsrechtlich zwingenden zeitlichen Vorgaben für Mitarbeiter (Referenten und Dozenten) regelt, und was sehen die Wahl eingehalten werden. diese Richtlinien vor? Für die Wahl zum 13. Deutschen Bundestag gelten jedoch wieder die mit dem 8. Gesetz zur Änderung Ist es denkbar und wenn ja mit welcher Begründung, daß der Bund Projekte fördert oder gefördert hat, in denen 250 DM für des Bundeswahlgesetzes eingeführten — ausreichen- die Doppelstunde (90 Minuten) gezahlt werden, zuzüglich Er- den — Fristen für die Wahlorganisation. stattung von Reisekosten und anderen Spesen, und ist der Bun- Eine darüber hinausgehende noch umfangreichere desregierung bekannt, daß dies der doppelte Satz dessen wäre, der ansonsten in der staatlich geförderten politischen Bildung Verlängerung von Fristen oder Vorverlegung von Ter- üblich ist, nämlich 100 DM bis 150 DM (durchschnittlich minen erscheint im Interesse einer ordnungsgemäßen 125 DM) für die Doppelstunde? 3348* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Grundlage für die Vergabe von Tagungsförde- Der ursprüngliche Zweck des Gesetzes zur Rege- rungsmitteln der politischen Bildung sind die unter lung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Beteiligung des Bundesrechnungshofes mit dem Bun- Grundgesetzes fallenden Personen, eine rechtsglei- desminister der Finanzen abgestimmten „Richtlinien che Wiederverwendung im öffentlichen Dienst zu er- des Bundesministers des Innern zur Förderung von möglichen, kann wegen des fortgeschrittenen Le- Veranstaltungen der politischen Erwachsenenbil- bensalters dieser Personen von vornherein nicht mehr dung durch die Bundeszentrale für politische Bil- verwirklicht werden. Die Gewährung einer beamten dung" sowie die „Nebenbestimmungen für Zuwen- rechtsbezogenen Versorgung nach dem G 131 ist u. a. dungen zur Förderung der politischen Erwachsenen- von der Erfüllung bestimmter, Jahrzehnte zurücklie- bildung durch die Bundeszentrale für politische Bil- gender Wohnsitzstichtage abhängig, die ebenfalls dung". von den früheren Angehörigen des öffentlichen Die Richtlinien sind im Gemeinsamen Ministe rial- Dienstes im Beitrittsgebiet nicht mehr erfüllt werden blatt veröffentlicht. Ich leite Ihnen gerne ein Exemplar können. zu. Die Deutsche Demokratische Republik hatte im üb- rigen die Rechtsverhältnisse der früheren Angehöri- In den Nebenbestimmungen wird zwischen freien gen des öffentlichen Dienstes nach ihrem Arbeits- und und hauptamtlichen Mitarbeitern unterschieden. Bei Sozialversicherungsrecht bereits abschließend gere- freien Mitarbeitern richtet sich die Erstattung von Ho- gelt. Das Renten-Überleitungsgesetz vom 25. Juli noraren und Reisekosten nach den tatsächlichen Auf- 1991, durch das das Rentenrecht des Beitrittsgebietes wendungen. Hierbei sind Honorarsätze in der von an das übrige Rentenrecht angeglichen wird, hält Ihnen angesprochenen Höhe, d. h. von 250, — bis daran für die Bestandsrenten fest. Soweit eine Neube- 300, — DM für eine Lehreinheit von 90 Minuten wertung der Versicherungszeiten für die zu diesem durchaus üblich. Zeitpunkt vorhandenen oder zukünftigen Rentenfälle Für hauptamtliche Referenten und Tagungsleiter ist im Beitrittsgebiet vorgesehen ist, werden auch die vor hingegen eine Höchstgrenze vorgesehen und zwar dem 9. Mai 1945 zurückgelegten versicherungsfreien ein Honorar von bis zu 100, — DM je Lehreinheit pro Dienstzeiten im früheren öffentlichen Dienst erfaßt. Lehrperson und Programmtag, insgesamt jedoch nicht Die erloschenen Rechtsverhältnisse der früheren An- mehr als 400, — DM. gehörigen des öffentlichen Dienstes werden somit Bei Projektförderung außerhalb der Tagungsförde- auch im Beitrittsgebiet rentenrechtlich abschließend rung finden die Richtlinien und Nebenbestimmungen geregelt; es besteht keine Regelungslücke. keine Anwendung. In den Zuwendungsbescheiden Es war und ist daher sachgerecht, dieses auslau- werden Honorarsätze in den genannten Größenord- fende Bundesrecht im Beitrittsgebiet nicht in Kraft zu nungen anerkannt. setzen.

Zu Frage 29: Im Hinblick auf die Antwort zur Frage 1 ist eine Anlage 7 beamtenrechtsbezogene Neuordnung dieser renten- rechtlich abschließend geregelten Rechtsverhältnisse Antwort nicht vorgesehen. Auch ein „Wiederaufleben" der des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die Fra- seinerzeit erloschenen Beamtenverhältnisse kommt gen des Abgeordneten Dr. Reinhard Meyer zu Ben- nicht in Betracht. trup (CDU/CSU) (Drucksache 12/1141 Fragen- 28 und 29): Wie begründet die Bundesregierung die Regelung im Eini- gungsvertrag, nach der älteren Menschen in den neuen Bundes- Anlage 8 ländern ihre vor dem 8. Mai 1945 erworbenen beamtenrechtli- chen Ansprüche auf Versorgung (Pensionen) gänzlich genom- Antwort men wurden? des Parl. Staatssekretärs Rainer Funke auf die Fragen Gibt es Überlegungen zu einer beamtenrechtlichen Neuord- des Abgeordneten nung für diesen betroffenen Personenkreis? Horst Eylmann (CDU/CSU) (Drucksache 12/1141 Fragen 31 und 32): Hält es die Bundesregierung für angemessen, den Sitz eines Zu Frage 28: oberen Bundesgerichts in eines der neuen Bundesländer zu ver- Die Bundesregierung hat dem Gesetzgeber aus fol- legen? genden Gründen vorgeschlagen, Artikel 131 des Wie steht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang zu Grundgesetzes sowie das dazu ergangene Gesetz Überlegungen, den Sitz des Bundesgerichtshofs nach Leipzig, „G 131" nicht auf die neuen Bundesländer zu erstrek- dem früheren Sitz des Reichsgerichts, zu verlegen? ken: Seit der Beendigung der Rechtsverhältnisse der frü- Der Sitz der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist heren Angehörigen des öffentlichen Dienstes infolge jeweils gesetzlich festgelegt, und zwar für den Bun- des Staatszusammenbruchs am 8. Mai 1945 sind mehr desgerichtshof in § 123 des Gerichtsverfassungs- als 45 Jahre vergangen. Der berufliche Werdegang gesetzes, für das Bundesverwaltungsgericht in § 2 der dieser Personen hat sich in der Folgezeit anders ent- Verwaltungsgerichtsordnung, für den Bundesfinanz- wickelt, zumal das Berufsbeamtentum völlig abge- hof in § 1 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof, für schafft und auch nicht wieder eingeführt wurde. das Bundesarbeitsgericht in § 40 Abs. 1 des Arbeits- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3349* gerichtsgesetzes und für das Bundessozialgericht in Die Möglichkeit, eine einmal abgegebene Erklärung § 38 des Sozialgerichtsgesetzes. Eine Sitzverlegung jederzeit nach Artikel 41 Abs. 2 des Zivilpakts zurück- ist daher ebenfalls nur auf Grund eines Gesetzes mög- zunehmen, kann darum kein vollwertiger Ersatz für lich. die Befristung der Unterwerfungserklärung sein. Eine solche Rücknahme ließe überdies die Prüfung einer Der Beschluß des Deutschen Bundestages vom bereits anhängig gemachten Beschwerde unberührt. 20. Juni 1991 zur Vollendung der Einheit Deutsch- lands sieht unter Nummer 6 die Einrichtung einer „Föderalismuskommission" vor, die Vorschläge zur Verteilung nationaler und internationaler Institutio- nen erarbeiten soll, die der Stärkung des Föderalis- mus in Deutschland auch dadurch dienen sollen, daß in jedem der neuen Länder Institutionen des Bundes Anlage 10 — einschließlich vorhandener Bundesinstitutionen in Antwort Berlin — ihren Standort finden. Der Bundesrat nimmt in seinem Beschluß vom 5. Juli 1991 zum Sitz von Par- des Parl. Staatssekretärs Rainer Funke auf die Frage lament und Regierung unter Nummer 4 ebenfalls auf des Abgeordneten Ludwig Stiegler (SPD) (Drucksa- die „Föderalismuskommission" Bezug. Diese Kom- che 12/1141 Frage 34): mission ist noch nicht einberufen worden. Wie viele Staatsanwälte und Wirtschaftsreferenten haben die Die Bundesregierung hat mit Kabinettbeschluß vom Bundesländer zugesagt, zur Arbeitsgruppe Regierungskrimina- 26. Juni 1991 zur Umsetzung des Bundestagsbe- lität zu entsenden und was ist bisher aus den Zusagen von Bund und Ländern geworden? schlusses vom 20. Juni 1991 einen „Arbeitsstab Ber- lin/Bonn" auf Staatssekretärsebene eingerichtet, der zum 30. September 1991 einen Zwischenbericht vor- In Berlin ist bei dem Generalstaatsanwalt beim legen wird. Die Meinungsbildung innerhalb der Bun- Kammergericht eine Arbeitsgruppe Regierungskrimi- desregierung ist noch nicht abgeschlossen. nalität eingerichtet worden, deren Aufgabe die Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen füh- rende Repräsentanten der ehemaligen Staats- und Parteiführung der DDR ist. Der Bundeskanzler hat in einer Besprechung mit den Ministerpräsidenten der Länder am 17. Mai 1991 Anlage 9 vereinbart, daß die Länder diese Arbeitsgruppe durch Antwort die Entsendung von 50 Staatsanwälten nach Berlin unterstützen. Der Bund wird der Arbeitsgruppe 10 Be- des Parl. Staatssekretärs Rainer Funke auf die Frage amte zur Verfügung stellen. des Abgeordneten Rudolf Bindig (SPD) (Drucksache 12/1141 Frage 33): Die Entsendung von Wirtschaftsreferenten, also von betriebswirtschaftlich bzw. volkswirtschaftlich ausge- Hat die Bundesregierung ihre Erklärung, wonach sie die Kom- bildeten Mitarbeitern der Staatsanwaltschaften, ist petenz des Menschenrechtsausschusses für Beschwerdeverfah- ren nach Artikel 41 (Staatenbeschwerde) des Paktes über bür- nicht ausdrücklich vereinbart worden. Sie wird jedoch gerliche und politische Rechte (IPBPR) anerkennt im Frühjahr im Einzelfall im Rahmen der genannten Vereinbarung 1991 diesmal ohne zeitliche Befristung erneuert und wenn nein, erfolgen können. warum gibt die Bundesregierung diese Erklärung bef ristet, also mit einem „automatischen Ende" ab, obwohl der A rtikel 41 des Nach der Bewilligung entsprechender Stellen im IPBPR doch in Absatz 2 vorsieht, daß eine Anerkennungserklä- Bundeshaushalt 1991 betreibt der Generalbundesan- rung jederzeit durch eine an den Generalsekretär gerichtete Notifikation zurückgenommen werden kann? walt beim Bundesgerichtshof derzeit die Einstellung der 10 vom Bund zu gewinnenden Kräfte.

Die Bundesregierung hat ihre Erklärung nach Arti- Nach Anzeigen in der Presse haben inzwischen kel 41 des Internationalen Paktes über bürgerliche Auswahlgespräche stattgefunden. Die ersten Einstel- und politische Rechte kürzlich wiederum, wie dies der lungen sind zum 1. November 1991 vorgesehen. Die seit 1976 bestehenden ständigen Praxis aller Bundes- Mitarbeiter werden nach der Einstellung sofort in der regierungen entspricht, mit einer Fünfjahresfrist ab- Arbeitsgruppe Regierungskriminalität in Berlin ein- gegeben. Gründe, von der ständigen Praxis abzuge- gesetzt. hen, sind nicht hervorgetreten. Die Bef ristung der Un- Die Länder haben von den zugesagten 50 Staatsan- terwerfungserklärung bietet den Vorteil, daß sie der wälten bisher 9 Staatsanwälte an die Arbeitsgruppe Bundesregierung in regelmäßigen Zeitabständen Ge- abgeordnet. Weitere 7 Staatsanwälte sind zugesagt legenheit gibt, ihre mit der Abgabe der Unterwer- und werden in den nächsten Tagen und Wochen ihre fungserklärung verbundenen Verpflichtungen einer Arbeit in Berlin aufnehmen. Mit weiteren Abordnun- Überprüfung zu unterziehen. Insbesondere kann sie gen ist nach Klärung von Finanzierungsfragen in den unter Berücksichtigung etwaiger Erfahrungen oder Ländern zu rechnen. neuerer Entwicklungen überlegen, ob Veranlassung gegeben ist, die Unterwerfungserklärung zu modifi- Abschließend darf ich darauf hinweisen, daß der zieren. Bei einer unbef ristet abgegebenen Erklärung Bund dem Land Berlin das Gebäude des ehemaligen fiele dieses positiv gestaltende Moment, das in der Generalstaatsanwalts der DDR zur Nutzung durch die Erneuerung der Unterwerfungserklärung liegt, weg. Arbeitsgruppe zur Verfügung gestellt hat. 3350* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Anlage 11 nuar 1993 alle Kontrollen an den Binnengrenzen ein- Antwort gestellt werden. des Parl. Staatssekretärs Manfred Carstens auf die Zu Frage 38: Fragen des Abgeordneten Dr. Klaus Rose (CDU/CSU) (Drucksache 12/1141 Fragen 35 und 36): Im Bundesfinanzministerium erarbeitet die Arbeits- Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß allein für den gruppe „Binnenmarkt" ein Gesamtkonzept zur Lö- Umzug nach Berlin eine Mehrwertsteuererhöhung um einen sung der organisatorischen und personalwirtschaftli- Punkt notwendig ist? chen Fragen. Tragfähige Lösungsvorschläge werden Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß wegen der Unter- angesichts der komplexen Problematik nicht vor Ende stützung der Sowjetunion sicher eine Mehrwertsteuererhöhung von 17 auf 18 Prozent kommen wird? dieses Jahres vorliegen. In jedem Fall werden die be- troffenen Beamtinnen und Beamten rechtzeitig über Das Bundeskabinett hat bekanntlich beschlossen, ihre weiteren beruflichen Perspektiven unterrichtet. den Normalsatz der Umsatzsteuer zum 1. Januar 1993 um einen Punkt auf 15 Prozent anzuheben und den ermäßigten Umsatzsteuersatz unverändert zu halten. Diese Steuererhöhung ist unverzichtbar, um die er- Anlage 13 heblichen Verbesserungen des Familienlastenaus- gleichs auf Dauer zu finanzieren, aber auch aus EG- Antwort Harmonisierungsgründen. Mit dem Umzug nach Ber- des Parl. Staatssekretärs Manfred Carstens auf die lin hat diese Mehrwertsteuererhöhung nichts zu tun. Fragen der Abgeordneten Edelgard Bulmahn (SPD) In der „Mittelfristigen Finanzplanung" des Bundes, (Drucksache 12/1141 Fragen 39 und 40): die bis 1995 reicht, ist eine weitere Mehrwertsteuerer- Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlaßt, mit höhung nicht vorgesehen. Die Bundesregierung geht dem Kabinettsbeschluß vom 2. September 1991 das Strukturhil- davon aus, daß nach den besonderen Anstrengungen fegesetz einseitig aufzukündigen, statt die Gespräche mit den anläßlich der deutschen Vereinigung wieder strenge Bundesländern über eine Revision des Strukturhilfegesetzes verabredungsgemäß fortzuführen, und wie wertet die Bundes- Ausgabendisziplin, wie zwischen 1982 und 1990, ge- regierung den Vorschlag der SPD-geführten Länder für eine übt wird und Steuererhöhungen vermieden werden Übergangslösung? können. Welche aus Mitteln des Strukturhilfegesetzes geförderten Ein zusätzlicher Prozentpunkt Mehrwertsteuer-An- Vorhaben sind (einschließlich der bereits in Angriff genomme- hebung kann angesichts der erheblichen Nachteile nen und in 1991 noch nicht abgeschlossenen) Vorhaben in der Landeshauptstadt Hannover von der Bundesregierung für die für die Preisstabilität nur als eiserne Reserve angese- Jahre ab 1992 genehmigt worden und wie hoch ist das jeweilige hen werden, wenn tatsächlich unvorhersehbare große Gesamtinvestitionsvolumen dieser Vorhaben? Zusatzaufgaben anfallen, die auch bei äußerster An- strengung nicht durch zusätzliche Ausgabeneinspa- Zu Frage 39: rungen aufzufangen sind. Die Kosten der Berlin/ Bonn-Problematik sowie die Unterstützung des Re- Der Bund hat sich in der Bund/Länder-Arbeits- formprozesses in der Sowjetunion stellen zwar be- gruppe der Finanzminister um eine Konsenslösung achtliche Risiken für die künftigen Bundeshaushalte zur Strukturhilfeproblematik bemüht. Bei den Ge- dar, sie sind aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sprächen auf Ministerebene am 9. Juli 1991 zeigten quantifizierbar und hängen vor allem am Willen der sich jedoch erhebliche Meinungsunterschiede zwi- politischen Entscheidungsträger. Eine Erhöhung der schen den Beteiligten, die die Hoffnung auf ein allsei- Mehrwertsteuer auf gar 18 Prozent gehört daher ins tiges Einvernehmen als wenig realistisch erscheinen Reich der Schauermärchen beziehungsweise der rei- ließen. nen politischen Agitation. Da eine Weitergewährung der Strukturhilfe an die alten Bundesländer über 1991 hinaus angesichts des Strukturgefälles zu den neuen Bundesländern nach Anlage 12 Auffassung der Bundesregierung mit dem Grundge- setz nicht in Einklang stände, war die umgehende Antwort Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens geboten. des Parl. Staatssekretärs Manfred Carstens auf die Hierfür sprach auch, daß die zugunsten der bisheri- Fragen der Abgeordneten Antje-Marie Steen (SPD) gen Empfängerländer der Strukturhilfe noch für 1991 (Drucksache 12/1141 Fragen 37 und 38): vorgesehene Überbrückungshilfe von 600 Millionen Welche Auswirkungen hat der Aufgabenwandel beim Zoll auf DM eine noch vor Ende dieses Jahres in Kraft tretende die jetzt bestehenden Außengrenzstellen bzw. Dienststätten? parlamentarische Ermächtigung voraussetzt. Welche Vorkehrungen hat der Bundesminster der Finanzen getroffen, daß Beamtinnen und Beamten bei ihrer Versetzung Der Vorschlag der SPD-geführten Länder für die rechtzeitig die neue Dienstposition mitgeteilt wird? Lösung der Strukturhilfeproblematik sieht u. a. vor, daß die alten Bundesländer in der Zeit bis 1994 wei- Zu Frage 37: terhin Strukturhilfeleistungen in erheblichem Umfang Die politischen Vorgaben zur konkreten Ausgestal- erhalten. Die Bundesregierung lehnt diesen Vor- tung des Binnenmarktes und die damit verbundenen schlag ab, weil er angesichts des Strukturgefälles zwi- für die Zollverwaltung zeichnen sich noch nicht hin- schen den alten und den neuen Bundesländern ver- reichend sicher ab, um hier bereits definitive Aussa- fassungsrechtlich bedenklich ist. Die bisherigen Emp- gen treffen zu können. Dem politischen Ziel der EG- fängerländer der Strukturhilfe mußten sich bereits seit Mitgliedstaaten entsprechend sollen bis zum 1. Ja- längerer Zeit auf die Umlenkung der Strukturhilfe in Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3351* die neuen Länder einstellen. Eine Weitergewährung Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um dieser Mittel an die alten Länder wäre angesichts der diese Ungleichbehandlung zwischen Wehr- und Zivildienstlei- stenden baldmöglichst abzubauen, damit ebenso wie bei der angespannten Haushaltslage des Bundes und der Zivildienstzeit auch eine volle Anrechnung der Wehrdienstzeit Notwendigkeit einer Konzentration der öffentlichen auf die ärztliche Weiterbildung zugelassen wird? Mittel auf die dringendsten Staatsaufgaben auch fi- nanz- und wirtschaftspolitisch nicht zu vertreten. Zu Frage 48:

Zu Frage 40: Grundwehrdienstpflichtige Ärzte im Praktikum und approbierte Ärzte haben die Möglichkeit, den Wehr- Für die Jahre ab 1992 sind im Rahmen der Struktur dienst im Sanitätsdienst der Bundeswehr abzuleisten. hilfeverfahren für das Land Niedersachsen bislang Sie können daher — ebenso wie zivildienstpflichtige keine Vorhaben genehmigt worden, da sowohl die Ärzte im Praktikum und approbierte Ärzte — im Rah- Prüfung der Förderfähigkeit von Vorhaben wie auch men ihrer Dienstverpflichtung Einsatz im Bereich der die Zuweisung der Finanzhilfen gemäß § 5 Struktur- ärztlichen Versorgung finden. hilfegesetz jahresbezogen erfolgt und die Anmeldun- gen des Landes für das Jahr 1992 erst zum vorgesehe- Von den 275 Ärzten im Praktikum, die im Ap ril 1991 nen Anmeldetermin 1. Oktober 1991 zu erwarten im Bereich der Bundeswehr die Praxisphase ab- sind. leisteten, waren 161 Sanitätsoffizieranwärter und 114 Grundwehrdienstleistende. Zum gleichen Zeit- Unter den für das Jahr 1991 vom Bund als förderfä- punkt leisteten 257 approbierte Ärzte den Grund- hig anerkannten Projekten befinden sich derzeit die wehrdienst im Sanitätsdienst der Bundeswehr ab. folgenden neun Vorhaben in der Stadt Hannover, bei denen das Land eine über das Jahr 1991 hinausge- hende Laufzeit avisiert hat (jeweils mit Gesamtinvesti- Zu Frage 49: tionsvolumen) : Grundwehrdienstpflichtige Ärzte im Praktikum und — Errichtung eines Zentralgebäudes Medical Park approbierte Ärzte können grundsätzlich nur in trup- Hannover (1989 bis 1991: 30,0 Millionen DM) penärztlichen Einrichtungen eingesetzt werden. Die entsprechenden Kapazitäten in den Bundeswehr- — Ausbau des Laboratoriums für IT-Technologie an krankenhäusern reichen nicht aus, um dort neben der Uni Hannover im Rahmen eines JESSI-Projek- Sanitätsoffizieranwärtern auch grundwehrdienstlei- tes (1989 bis 1994: 150,0 Millionen DM) stende Ärzte im Praktikum und approbierte Ärzte auf- — Ausbau des Instituts für Toxikologie und Aerosol zunehmen. Damit sind für Grundwehrdienstleistende forschung (1990 bis 1992: 13,45 Millionen DM) im Gegensatz zu Zivildienstleistenden, die ihre Zivil- dienststelle im Krankenhaus in der Regel frei wählen — Ausbau der Medienakademie Hannover (1991 bis können, Schwierigkeiten bei der Anrechnung von Tä- 1993: 4,2 Millionen DM) tigkeitszeiten auf eine ärztliche Weiterbildung ver- — Techn. apparativer Ausbau der FH Hannover bunden. Die truppenärztlichen Einrichtungen und (1989 bis 1991: 2,884 Millionen DM) auch die Sanitätszentren der Bundeswehr erfüllen nur — Ausbau des Medienzentrums Hannover (Neubau in Teilen die Bedingungen, die das Weiterbildungs- eines Forschungsinstituts) (1991 bis 1992: 3,33 Mil- recht an eine ärztliche Weiterbildung stellt. Vor allem lionen DM) aber sind nicht alle Landesärztekammern auch bei besser ausgestatteten Einrichtungen bereit, die in der — Errichtung eines Transplantationszentrums an der Bundeswehr gegebenen Rahmenbedingungen der Medizinischen Hochschule Hannover (1990 bis - ärztlichen Tätigkeit von Ärzten im Praktikum und ap- 1994: 140,0 Millionen DM) probierten Ärzten im Sinne der Anforderungen des — Errichtung eines Instituts für experimentelle und Weiterbildungsrechts anzuerkennen. Es gibt daher klinische Pepdidforschung im Rahmen des Medi- keine einheitliche Anerkennungspraxis. Während ein cal Park Hannover (1989 bis 1992: 20,0 Millionen Teil der Landesärztekammern die Tätigkeit in derar- DM) tigen Einrichtungen des truppenärztlichen Dienstes auf die Weiterbildung anrechnet, lehnen die übrigen — Dekontaminierung des „Varta-Geländes" zur dies ab. Die Bundesregierung bemüht sich seit länge- Wiedernutzung u. a. für den geplanten Wissen- rem, eine einheitliche Anerkennungspraxis zu errei- schaftspark (1990 bis 1991: 10,0 Millionen DM). chen. Sie steht deswegen mit der Bundesärztekammer in Kontakt. Die Verhandlungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung ist nach Kräften bemüht, alsbald zu einem positiven Abschluß zu kom- men. Anlage 14 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Cornelie von Teichman (FDP) (Drucksache 12/1141 Fragen 48 Anlage 15 und 49) : Antwort Wie erklärt es sich die Bundesregierung, daß sowohl Ärzte im der Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl Praktikum als auch vollapprobierte Ärzte nicht die Möglichkeit haben, in diesem Rahmen ihren Wehrdienst zu leisten, diese auf die Fragen des Abgeordneten Wolfgang Weier Möglichkeit für Zivildienstleistende jedoch gegeben wird? mann (SPD)(Drucksache 12/1141 Fragen 50 und 51): 3352* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991

Wann — erbeten wird die Angabe des Monats und des Jahres auf ökologische, geologische, regionalwirtschaftliche — soll die im Bundesministerium für Gesundheit geplante „Ver- und strukturpolitische Gesichtspunkte präzisieren. ordnung über Schwimm- und Badebeckenwasser" erlassen werden und in ihren wesentlichen Teilen in Kraft treten? Die Vorstellungen des Landes Baden-Württemberg Welche Übergangsfristen für die Nachrüstung von Wasserauf- werden der Deutschen Bundesbahn dann für den wei- bereitungsanlagen sollen vorgesehen werden? teren Planungsprozeß übermittelt. Auf der Basis dieser umfassenden Informationen Zu Frage 50: wird dann eine gesamtwirtschaftliche Bewertung die- ses Projektes durchgeführt. Nach erneuter Beteiligung der Ressorts und Anhö- rung der Lander soll der Referentenentwurf dem Bun- desrat so bald wie möglich zugeleitet werden. Es ist zu Zu Frage 56: erwarten, daß die Verordnung wie geplant am 1. Mai Ja, die Strecke hat nach Auffassung der Bundesre- 1992 in Kraft treten kann. gierung für die Schaffung eines europäischen Hoch- geschwindigkeitsnetzes eine sehr große Bedeutung, Zu Frage 51: und zwar für die Relation Paris—Stuttgart—München- Wien—Osteuropa. Für die Nachrüstung von Wasseraufbereitungsanla- gen ist eine ausreichende Übergangsfrist vorgesehen. Sie beträgt etwa viereinhalb Jahre. Für das in Arti- kel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet sieht der Verordnungsentwurf gesonderte Regelungen vor, um den dortigen Verhältnissen gerecht zu werden. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wolfgang Gröbl auf die Frage des Abgeordneten Dr. Klaus Kübler (SPD) (Drucksache 12/1141 Frage 57): Anlage 16 Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung in der Frage des Tempolimits auf Autobahnen, nachdem sich Bundesminister Antwort für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Klaus Töp- fer, nach Pressemitteilungen für ein Tempolimit und Bundesmi- des Parl. Staatssekretärs Wolfgang Gröbl auf die Fra- nister für Verkehr, Dr. Günther Krause, erneut für die bisherige gen des Abgeordneten Robert Antretter (SPD) Regelung ausgesprochen haben? (Drucksache 12/1141 Fragen 55 und 56): Sind Informationen zutreffend, wie sie der Tagespresse zu- Die Bundesregierung vertritt einvernehmlich die folge der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bundesbahn, Auffassung, daß ein generelles Tempolimit auf Auto- Heinz Dürr, der baden-württembergischen Landesregierung vermittelt hat, und denen zufolge ein von der Bahn im Auftrag bahnen weder aus Gründen der Verkehrssicherheit des Bundesministeriums für Verkehr erstelltes Gutachten die noch aus Gründen des Umweltschutzes notwendig geplante Neubaustrecke der Bundesbahn zwischen Stuttgart ist. und München als unwirtschaftlich ausweist, und welche Konse- quenzen zieht die Bundesregierung gegebenenfalls aus den Er- Es ist allgemein anerkannt, daß die nicht der Ver- kenntnissen aus diesem Gutachten hinsichtlich der Realisierung kehrssituation angepaßte Geschwindigkeit Ursache dieser im Bedarfsplan ausgewiesenen Neubaustrecke, deren für Unfälle auf den Autobahnen ist. Zudem gilt als sich seit vielen Jahren erstreckenden Untersuchungs- und Pla- nungsarbeiten offenkundig ohne Rücksicht auf die Wirtschaft- gesichert, daß sich die weit überwiegende Zahl der lichkeit betrieben wurden? Unfälle deutlich unterhalb der Richtgeschwindigkeit ereignet. Unter Sicherheitsgesichtspunkten ist daher Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, daß gerade auch im Hinblick auf die Schaffung eines europäischen Hochge- nicht ein generelles, starres Tempolimit, sondern viel- schwindigkeitsnetzes der Gleisausbau zwischen Stuttgart und mehr eine situationsangepaßte, gegebenenfalls sogar München unverzichtbar ist? technisch gesteuerte flexible Verkehrsregelung im Einzelfall erfolgsversprechender, z. B. an Unfall- schwerpunkten, Verkehrsengpässen und auf witte- Zu Frage 55: rungsbedingt gefährdeten Streckenabschnitten. Für Für die beiden Alternativkonzepte der Schnell- rechnergestützte Verkehrsbeeinflussungsanlagen bahnverbindung Stuttgart—Ulm—Augsburg (—Mün- wird die Bundesregierung bis 1994 450 Millionen DM chen) — auf der Basis des gegenwärtigen Planungs- ausgeben. standes — kann mit der von der Deutschen Bundes- Auch aus Umweltschutzgründen ist ein allgemeines bahn in Auftrag gegebenen betriebswirtschaftlichen Tempolimit wenig sinnvoll. Das hat auch das Ergebnis Untersuchung der Nachweis der Wirtschaftlichkeit des Abgas-Großversuchs gezeigt. Durch ein umwelt- nicht geführt werden. Es handelt sich hierbei um schonendes Fahrverhalten (möglichst gleichmäßige erste, vorläufige Ergebnisse unter betriebswirtschaft- Fahrweise, Vermeidung starker Beschleunigungen, lichen Aspekten. Fahren im günstigen Drehzahlbereich) und durch den Die Deutsche Bundesbahn wird noch im Oktober Einsatz schadstoffreduzierter Kraftfahrzeuge werden dieses Jahres dem Land Baden-Württemberg die für erheblich größere Einsparungen erzielt als durch ein eine Anhörung notwendigen Planungsunterlagen zur generelles Tempolimit. Die Bundesregierung wird die Verfügung stellen. Das Land Baden-Württemberg Öffentlichkeit über den umweltschonenden Bet rieb wird seine Vorstellungen insbesondere im Hinblick von Kraftfahrzeugen informieren. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. September 1991 3353*

Anlage 18 Bei der Bewertung dieser Einnahmen ist zu berück- Antwort sichtigen, daß diese die Kosten auf dem gesamten Transportweg decken sollen. Parl. Staatssekretär Wolfgang Gröbl auf die Fragen des Abgeordneten Günter Graf (SPD) (Drucksache 12/1141 Frage 58 und 59) Wie hoch belaufen sich — vor dem Hintergrund der Stillegung Anlage 19 der Bahnstrecke Cloppenburg—Friesoythe — die finanziellen Aufwendungen (Unterhaltungsmaßnahmen an der Strecke), ge- Antwort staffelt für die Jahre 1985 bis 1990? des Parl. Staatssekretärs Wolfgang Gröbl auf die Auf welche Höhe beläuft sich (in D-Mark) das Frachtgutauf- Frage des Abgeordneten Eckart Kuhlwein (SPD) kommen der die Gleisstrecke Cloppenburg—Friesoythe in An- spruch nehmenden Firmen, gestaffelt für die Jahre 1985 bis (Drucksache 12/1141 Frage 60): 1990? Ist die Bundesregierung bereit, gegen die erheblichen Belästi- gungen durch Motor-Rennboote auf der Elbe bei Lauenburg vorzugehen, und welche Schritte wird sie gegebenenfalls dage- Zu Frage 58: gen einleiten? Die Deutsche Bundesbahn hat kein Verfahren nach Bundesbahngesetz zur dauernden Einstellung des Eine höhere Lärmbelästigung durch motorisierte Güterzugverkehrs für die Strecke Cloppenburg—Frie- Wassersportfahrzeuge ist in letzter Zeit nicht nur in soythe eingeleitet. Im Jahre 1986 wurden Lauenburg festzustellen. 973 000 DM, im Jahre 1989 wurden 348 000 DM für Lärmgrenzwerte für die Freizeitschiffahrt sind je- Erneuerungsinvestitionen aufgewendet. Für 1992 ste- doch noch nicht festgelegt. hen erneut Investitionen von 1,7 Millionen DM an. Die Bundesregierung will daher entsprechend einer Bundesratsinitiative von Berlin auf die Einführung Zu Frage 59: von Lärmgrenzwerten für Wassersportfahrzeuge hin- Die Einnahmen im Güterverkehr betrugen jeweils wirken. Da aufgrund des internationalen Einsatzes 1985 1,73 Millionen DM der Sportfahrzeuge eine nationale Regelung ungeeig- 1986 1,58 Millionen DM net ist, wird eine EG-Regelung angestrebt. Die Bun- 1987 1,64 Millionen DM desregierung wird sich im Interesse der betroffenen 1988 1,57 Millionen DM Menschen für eine baldige Einführung einer solchen 1989 1,40 Millionen DM Regelung einsetzen und erwartet davon eine be- 1990 1,33 Millionen DM trächtliche Verminderung der Lärmimmissionen.