4 Mitglieder Der Bundesregierung Und Ihr Weg in Die Politische

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4 Mitglieder Der Bundesregierung Und Ihr Weg in Die Politische Kapitel 4 Mitglieder der Bundesregierung und ihr Weg in die politische Verantwortung im histo- rischen Wandel Um Rückschlüsse auf die „Herkunft“ der Kanzler, Minister und Parlamentarischen Staatssek- retäre ziehen zu können, werden im folgenden ihre politischen und beruflichen Karrieren ana- lysiert. Der Werdegang der Beamteten Staatssekretäre soll gesondert in Kapitel 5 untersucht werden. Mit den methodischen Schwierigkeiten, die sich dadurch ergeben und der dann zu wählenden Vorgehensweise beschäftigt sich Kapitel 4.1.. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Tat- sache, dass bei der Analyse politischer Karrieren vor allem die zeitliche Abfolge von politi- schen und beruflichen Positionen zu beachten sein wird. Der Prozess der politischen Profes- sionalisierung kann anhand des Übergangs von nebenberuflicher zu hauptamtlicher Politik- ausübung analysiert werden. Herzog hat hierfür ein Phasenmodell entwickelt (vgl. Herzog 1975: 47). Dabei ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass „ein Bundestagsmandat die wich- tigste und am weitesten verbreitete Voraussetzung für die Ernennung zum Minister“ war und ist (Kempf 2001: 24). Herzogs Merkmale und Variablen sollen auch für die Vorgehensweise Anhaltspunkt sein: Ausgehend davon werden zunächst Alter, Geschlecht und Bildung beleuchtet (4.2.). Danach schließen sich Untersuchungen über die berufliche Laufbahn (4.3.), die innerparteiliche Kar- riere (4.4.) sowie die politisch-beruflichen Erfahrungen der Regierungsmitglieder an (4.5.). Nach diesen Einzelanalysen sind die einzelnen Karrieren zu typologisieren und nach dem Professionalisierungsgrad zu unterscheiden (4.6.). Der Entwicklung bei den Parlamentarischen Staatssekretären ist gesondert Beachtung zu schenken, weil bei der Einrichtung des Amtes 1967 Erwartungen an die betreffenden Politiker gestellt wurden: Es sollten die Verbindungen zwischen Parlament und Regierung gestärkt werden und nicht zuletzt war beabsichtigt, das Amt zur Heranbildung von geeignetem Minis- ternachwuchs (Ministerschule) nutzbar zu machen (vgl. Fromme 1970: 53). 103 4.1. Zur Problematik der zeitlichen Abgrenzung und der Vorgehensweise Die Methodik der Datenerhebung gliedert sich im Wesentlichen in drei grundlegende Metho- den: Dies sind die Dokumentenanalyse, die Befragung und die Beobachtung (vgl. Patzelt 2001: 147). Die Dokumenten- und Inhaltsanalyse wird für diese Arbeit der Weg des Vorgehens sein. Da- bei sind die heranzuziehenden Dokumente zu bewerten: „Das zentrale Arbeitsinstrument (‚Erhebungsinstrument’) der Inhaltsanalyse ist der ‚Analyseleitfaden’ bzw. das ‚inhaltsanaly- tische Kategorienschema’“ (Patzelt 2001: 150). Darunter ist ein Erfassungsbogen mit der je- weiligen Zuordnung von biographischen Daten zu verstehen. Diese Kategorisierung wird auch als ‚Codierung’ bezeichnet. Die geeignete Vorgehensweise ist es dann, das Kategorien- schema bei Probecodierungen auszutesten, bevor im nächsten Arbeitsschritt die Analyse des Datensatzes systematisch betrieben wird. Trotzdem bleibt die Schwierigkeit bestehen, bei einem relativ großen Datensatz alle Einzelheiten und Details erfassen zu können. Die soge- nannte biographisch-quantitative Methode (vgl. Albrecht 1975: 42) beinhaltet dabei für den Fortgang dieser Arbeit einige entscheidende Vorteile: Erstens ist das Material weitgehend sortiert; schon aus Gründen der realen Machbarkeit für den Forscher wird es daher folgerich- tig sein, diesen Weg zu gehen (siehe auch Kapitel 1.3.2.). Zweitens weist gerade der politisch- administrative Bereich eine ziemlich hohe Informationsdichte auf. Es geht im Forschungszu- sammenhang der Karrierewegverfolgung um Fakten, die als relativ objektivierbar bezeichnet werden können: Beispielsweise sind der Zeitpunkt des Parteibeitritts oder die erste hauptamt- liche Position in der Politik Informationsgehalte, die eindeutig belegbar sind. Trotz der Kritik an diesem Verfahren (vgl. Beyme 1971a: 20) wegen der angeblichen „Unzuverlässigkeit des Materials“ gibt es keine wirkliche Alternative dazu: Die biographische Methode hat „in den Sozialwissenschaften in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen, so vor allem im interdisziplinären Grenzbereich von Politologie, Soziologie und Historie“ (Benzner 1989: 133). Der nächste wichtige Punkt betrifft den großen Zeitraum, in dem sich die Untersuchung der Regierungsmitglieder abspielt (1949-2002). Dazu wird bemerkt: „Im Unterschied zur Unter- suchung situativer Strukturen [...] hat die verlaufssoziologische Analyse zeitliche Entwick- lungen zum Gegenstand. Sie unterscheidet sich von der historischen Betrachtungsweise inso- fern, als nicht Strukturen in ihrer zeitlichen Veränderung, sondern Personen oder Personen- gruppen im Laufe ihrer Lebensentwicklung untersucht werden“ (Herzog 1975: 53). Dafür ist der Prozess der politischen Professionalisierung ein gutes Beispiel. Es geht darum, das 104 „Wechselverhältnis zwischen Person und sozialem Kontext als dynamischem Prozeß zu the- matisieren“ (Herzog 1975: 53). Aufgenommen in den Datensatz wurden N = 553 Personen, die zwischen 1949 und 2002 (Stichtag 1.3.2002) entweder Kanzler, Minister, Beamteter oder Parlamentarischer Staatssek- retär waren. Zu bedenken ist, dass es zahlreiche Dopplungen gab und gibt. Dieser Tatsache – der Möglichkeit des Innehabens von zwei oder mehreren der aufgeführten Ämtern – wurde bei der Erstellung des Datensatzes berücksichtigt. Außerdem sind alle Politiker, die aus der ehemaligen DDR kommen und nach 1990 in das Bundeskabinett eintraten, aufgeführt. Die letzte Regierung der Volkskammer, das Kabinett de Maiziere, ist nicht mit aufgenommen worden, weil es den Rahmen der Arbeit sprengen wür- de. Trotzdem sind Fragen des Übergangs von Politikerkarrieren bei Systemwechseln von gro- ßem Interesse (vgl. Hausmann 2001: 776ff.; Lohse 1999: 117ff.). Der Beobachtungszeitraum auf Bundesebene ab der 1. Wahlperiode bietet sich an, weil damit zum einen ein „geschlossener Komplex“ angegangen werden kann und zum anderen die Ver- gleichbarkeit der Daten besser gewährleistet ist als bei einer Untersuchung der Länderregie- rungen, wo sich gerade die Situation in der Nachkriegszeit äußerst heterogen präsentiert. Die ersten zwei Jahrzehnte der Bundesrepublik sind durch eine Kontinuität von bürgerlichen Poli- tikerkarrieren in der Regierung gekennzeichnet; ähnliche Rekrutierungsmuster in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg können als bestimmendes Merkmal ausgemacht werden. Meistens heißt dies ein „Überwintern“ im Nationalsozialismus, seltener eine aktive Rolle im Wider- stand. Mit dem Eintritt der Sozialdemokraten in die Große Koalition (1966) ändern sich die Vorzeichen: Emigration, der Verlust der beruflichen Existenz, gehen oft einher mit einer Heimkehr in den Schoß der SPD, nachdem sich vorübergehend anderweitig orientiert wurde (meistens zur KPD oder einer sozialistischen Splitterorganisation). Als Beispiele hierfür kön- nen Willy Brandt und Herbert Wehner gelten. Die Zeit nach dem Ende der sozialliberalen Koalition (1982) offenbart gerade auf Seiten der Union politische Karrieren, die stark von der ‚Ochsentour’ über die eigene Jugendorganisati- on geprägt sind und damit im Gegensatz zu denen der 1950iger und 1960iger Jahren stehen, als dies noch nicht der Fall war. Mit dem Ende der DDR und dem Eintritt ostdeutscher Politi- ker in die Regierung (1990) schließt sich der letzte Abschnitt an; dort ist der Karriereweg meist komplett anders als bei Politikern aus den alten Bundesländern, was auch bei der Auf- stellung des Variablenkatalogs berücksichtigt wird. Insgesamt sind im vorliegenden Fall fünf Variablenkomplexe mit insgesamt 47 Grundvariab- len erstellt worden: Die ersten vier Komplexe umfassen Elementardaten bezüglich des sozia- 105 len Hintergrunds, Berufstätigkeit, innerparteilicher Laufbahn sowie der hauptamtlichen Posi- tionen in der Politik. Der fünfte Komplex beinhaltet dann Typenbildungen, um die Einzelun- tersuchungen zusammenzuführen. Im Einzelnen wird darauf in Kapitel 4.2.-4.6. eingegangen. Die Vollständigkeit der Daten ist in der Regel gegeben; allerdings stellt sich die Frage nach der Vergleichbarkeit der Generationen. Golsch macht in diesem Zusammenhang darauf auf- merksam, dass die „Zäsur des Dritten Reiches [...] in den individuellen Biographien auch des- halb von eklatanter Bedeutung [war], weil sie den Betroffenen für einen Zeitraum von drei- zehn Jahren jegliche Möglichkeit nahm, politisch zu arbeiten, ausgenommen im Untergrund oder im Exil“ (Golsch 1998: 195). Zwar wird dann davon gesprochen, „mittels eines in drei Phasen aufgegliederten Schemas für die Datenerhebung – Weimarer Republik, Drittes Reich und Bundesrepublik – [...] diesen Besonderheiten Rechnung zu tragen“, doch wie dies ‚kon- kret’ geschieht, ist nicht ersichtlich (Golsch 1998: 195). Lange wählt in seiner Arbeit eine Generationentypologie: „Neben dieser, auf das jeweilige Geburtsjahr bezogenen Generationsgliederung der Untersuchungspersonen wurden zusätzlich zur Erhärtung der erzielten Ergebnisse zwei weitere Generationsklassifizierungen anhand an- derer spezifischer Kriterien gebildet: 1. Generationsbildung nach historischen Phasen, in denen die Ausbildung vollzogen wurde. 2. Generationsbildung unter dem Aspekt des frühestmöglichen Beginns politischer Akti- vität“ (Lange 1976: 161). Jedoch bezieht sich der Ansatz vor allem auf die Systembrüche (Kaiserreich, Weimarer Re- publik, NS-Zeit, Bundesrepublik) und die Auswirkungen auf die Karrieren der Minister in der Nachkriegszeit (vgl. dazu auch Derlien 1990b; Pfetsch 1986). Darauffolgend sind aber fast 30 Jahre vergangen, so dass es nicht zweckmäßig
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