+ Beilage

Europa Kultur Stadt V deutsch/englisch

Zeitung des Deutschen Kulturrates

Nr. 04/05 • Juli - August 2005 www.kulturrat.de 3,00 € • ISSN 1619-4217 • B 58 662

Staatsziel Kultur Bilanz Kulturpolitk Soziale Sicherung GATS/UNESCO Gestaltungsauftrag Kulturpolitk Ist die Verankerung des Staatsziels Was wurde kulturpolitisch in den Warum machen sich Künstlerinnen In welchem Verhältnis werden die Welche Aufgaben hat sich der Vor- Kultur im Grundgesetz ein überflüs- letzten Jahren bewegt? Welche Vorha- und Künstler selbstständig? Welche Konvention Kulturelle Vielfalt und das stand des Deutschen Kulturrates für siger Ballast oder wird dadurch das ben blieben auf der Strecke? Welche Unterstützung erfahren sie? Wie se- GATS-Abkommen künftig zueinander seine Amtszeit vorgenommen? In Bekenntnis zum Kulturstaat deut- Erwartungen bestehen? Eine Bilanz hen ihre Einkommenschancen aus? stehen? Wie können die Vielfalt in der seinem Positionspapier „Zum Ge- lich? Positionen dazu von Minister- der Bundeskulturpolitik ziehen Ver- Wie entwickeln sich ihre Honorare? Kultur und die Rechte der Urheber ge- staltungsauftrag der Kulturpolitik – präsidenten der Länder, Fraktions- treter der Sektionen des Deutschen Wie kann die soziale Sicherung der sichert werden? Antworten aus Sicht Perspektiven des Vorstandes 2005 bis vorsitzenden im Deutschen Bun- Kulturrates und die kulturpolitischen Künstler und Publizisten gestärkt der Wissenschaft, des Deutschen Kul- 2007“ gibt der Vorstand des Deut- destag und Verfassungsrechtlern. Sprecher der Bundestagsfraktionen. werden? turrates und des Auswärtigen Amtes. schen Kulturrates Auskunft. Seiten 2 bis 7 Seiten 12 bis 19 Seiten 20 bis 21 Seiten 22 bis 25 Seiten 26 bis 27

Editorial Europa am Scheidepunkt Expansion -ür die Gestaltung eines „Europa der Herzen“ ist es nicht zu spät • Von Karin Junker

m Jahr 1998 wurde als Staatssicherheitsdienstes der ehe- Es gab kein Entrinnen: Zahllose wie zuletzt in Nordrhein-Westfalen jekt, nämlich der Verfassung, so I Bundeskanzler abgelöst. Er wur- maligen Deutschen Demokratischen Beiträge standen (und stehen) in haben die verbreitete Absturzangst schwer reparaturbedürftig ausein- de stellvertretendes Mitglied des neu Republik in Berlin. diesem Jahr cross-medial unter einer verzagten Mittelschicht zum ander fällt, aber ganz unverständlich installierten Bundestagsausschusses Das sieht nach viel aus, ist in dem Thema „60 Jahre Kriegsende“ Ausdruck gebracht, die angesichts ist es nicht. Die Politik hat es ver- für Kultur und Medien. Der selbe Wirklichkeit aber eher wenig. Die – wahrlich ein Datum, das des Ge- der Globalisierungsfolgen das Ver- säumt, ein „Europa der Herzen“ zu Bundeskanzler hatte nur wenige Jah- Auswärtige Kulturpolitik gehört denkens Wert ist. Im Ergebnis trauen in die Zukunft verloren hat. vermitteln. re vorher die Order gegeben, dass nicht zum BKM, sondern wird vom bleibt jedoch ein Unbehagen: die Das verstärkt subjektiv die diffusen Der Kosovo-Krieg war wahrlich der letzte kleine Ort im Deutschen Auswärtigen Amt betreut. Die Künst- Medien überschlugen sich mit Vorbehalte gegen die Europäische kein Ruhmesblatt, aber es gibt vie- , in dem noch über Bun- lersozialkasse ist in der Verantwor- Rückschauen aller Art, so ver- Union an sich und verstellt den Blick les, womit sich die Europäische Uni- deskulturpolitik debattiert werden tung der Sozialministeriums, das Ur- dienstvoll „Speer und Er“ und Be- dafür, dass es zum europäischen Ei- on als Erfolg radikal veränderter durfte, der Unterausschuss Kultur heberrecht wird im Bundesjustizmi- richte von Kriegskindern aus Bom- nigungsprozess objektiv keine Alter- Außenbeziehungen seit dem Fall des des Innenausschusses, abgeschafft nisterium gestaltet und die Kulturel- bennächten auch sind, es fehlte native gibt. Eisernen Vorhanges schmücken wurde. Nicht dass Helmut Kohl, und le Bildung gehört zum Bundesbil- meist der Weitblick in den Neuan- Daran ist die Politik nicht un- kann: sie hat für Demokratiebewe- besonders sein Staatsminister Anton dungsministerium sowie zum Bun- fang eines anderen Deutschland schuldig. Sie verkeilt sich in un- gungen innerhalb und außerhalb Pfeifer, keine Kulturpolitik gemacht desjugendministerium. Die Baukul- und eines anderen Europa, der aus fruchtbare Auseinandersetzungen Europas neue Hoffnungen geschaf- hätten. Nur die Kulturpolitik unter tur schließlich ist im Bauministeri- den nicht nur physischen Ruinen um Gesetzgebungsmonster wie die fen, Menschenrechten zur Geltung Kohl war eine Art geheime Komman- um angesiedelt. Das BKM selbst hat unseres Kontinents erwachsen ist, Dienstleistungsrichtlinie (deren Be- verholfen und für mehr Gerechtig- dosache. durch Gründung der Kulturstiftung und den unsere – auch schon in die deutung ich nicht schmälern will, keit in der Welt gesorgt, die eben Bundeskanzler Gerhard Schrö- des Bundes einen erheblichen Teil Jahre gekommene – Jugend jeden- die aber kaum einer versteht), keift nicht nur aus Kriegen, Krisen und der hat der Geheimniskrämerei seiner Kulturförderungsmöglichkei- falls in den meisten Teilen Europas um Steuer- und Haushaltsfragen, Katastrophen besteht. Der Interna- glücklicherweise ein Ende gesetzt. ten ausgelagert. nur als einen Ort des Zusammen- was auch nicht sexy ist, und nimmt tionale Strafgerichtshof in Den Haag Der Bundestag durfte endlich einen Durch die Einrichtung des BKM lebens in -rieden kennen gelernt die Befindlichkeiten der Menschen etwa, dem die USA sich verweigert, selbstständigen Ausschuss für Kultur wurde der Kulturpolitik auf der Bun- hat. Was hoffentlich für immer so nicht wahr. Um noch eins oben wäre ohne die Haltung der Europäi- und Medien einrichten und im desebene ein sichtbarer Kopf gege- bleibt. drauf zu setzen, kommt dann – von schen Union nicht denkbar, um nur Kanzleramt wurde ein Staatsminis- ben. Doch jetzt braucht das Amt gewissen Medien dankbar aufge- ein Beispiel zu nennen. ter für Kultur und Medien offiziell auch Arme, Beine und einen Körper ald wird es keine Zeitzeugen der griffen – auch noch der Euro ins Der europäische Integrations- ernannt. damit es handeln kann. In der jetzi- B größten Katastrophe weltweiten Gerede. prozess hat die – jetzt gefährdete – Nach einer kosmetischen Na- gen körperlichen Verfassung ist das Ausmaßes mehr geben, und dann Das Beispiel der ausländischen interne Prosperität bewirkt, ohne die mensänderungen heißt die Staats- Amt zu schwach, um nachhaltig die wird die Erinnerung wohl endgültig Fleischarbeiter in Deutschland hat wir allesamt weitaus schutzloser den ministerin heute „Die Beauftragte Rahmenbedingungen für die Künst- verblassen, wenn es nicht gelingt, unabhängig von der Rechtslage tie- Risiken und Nebenwirkungen der der Bundesregierung für Kultur und ler, die Kulturwirtschaft und die Kul- die Sensibilität dafür zu erhalten, fe – durchaus auch rationale – Ängs- Globalisierung ausgesetzt wären, Medien (BKM)“ und leitet eine tureinrichtungen zu verbessern. Das dass die Bewahrung des Friedens te ausgelöst, mit welchen Auswir- und vor allem mit der so genannten oberste Bundesbehörde mit 190 Mit- BKM muss expandieren, um über nur durch einen Prozess der immer kungen wir es wohl noch bei zuneh- Osterweiterung politische Stabilität arbeitern in Bonn und Berlin. Zum kurz oder lang zu einem Kulturmi- wieder neu zu erringenden Verstän- mender Aufnahme neuer Mitglieds- geschaffen, die geeignet ist, den BKM gehören als so genannte nach- nisterium zu werden, das nicht mehr digung zu sichern ist. Umso bedau- länder zu tun bekommen werden. Frieden auf Dauer zu sichern. geordnete Behörden das Bundesar- auf Wohl und Wehe vom Kulturinte- ernswerter ist es, dass die Chance Noch ist der Beitritt der zehn Neuen Mit dieser Erweiterung sind aber chiv in Koblenz, das Bundesinstitut resse des jeweiligen Bundeskanzlers weitgehend vertan wurde, das Ge- aus Mittel- und Osteuropa bzw. dem auch traditionsreiche Kulturnatio- für Kultur und Geschichte der Deut- oder Bundeskanzlerin abhängig ist. denken an faschistischen Terror, Ver- Mittelmeerraum nicht verdaut, da nen mit unbezahlbaren Schätzen in schen im östlichen Europa in Olden- folgung und Vernichtung, an den stehen mit Rumänien und Bulgari- die europäische Mitte zurückge- burg und seit dem 01.Januar dieses Olaf Zimmermann, Horror der Bomben und Schlachtfel- en schon wieder neue Armutshäuser kehrt. Das ist eine kulturelle Berei- Jahres auch die Behörde der Bundes- Geschäftsführer des Deutschen der, an Zerstörung, Hunger und Ver- unmittelbar vor der Tür, und die cherung, von der wir über Jahrzehn- beauftragten für die Unterlagen des Kulturrates treibung mit den aufkeimenden Vi- Leute fragen sich, von der Türkei- te noch nicht einmal zu träumen ge- sionen von einem europäischen Weg Problematik mal ganz abgesehen, ob wagt hätten. Heute können alle dar- in eine demokratische und soziale demnächst auch noch Usbekistan an teilhaben. Mit diesen Pfunden zu Friedens-, Werte- und Kulturge- dran ist. Es gibt – wie die Autorin – wuchern, wäre Europa den Men- meinschaft zu verbinden. unerschütterliche Anhänger des eu- schen als kulturelle Leistung weitaus Kultur-Mensch Das bittere Nein aus Frankreich ropäischen Integrationsprozesses, näher zu bringen als mit den abs- und den Niederlanden zum Verfas- aber das darf nicht darüber hinweg trakten Kompetenzstreitigkeiten der sungsvertrag hatte viele Motive, aber täuschen, dass viele Menschen zur Institutionen. Daran hat auch die sicher kann man sagen, dass es auch Zeit überfordert sind, den keineswegs Debatte um den europäischen Ver- ür den nächsten Deutschen Bundes- heraus. Dieses Engagement wird sie dem Unmut einer eingeengten Ge- fehler- und widerspruchsfreien Weg fassungsvertrag gekrankt. tag wird Antje Vollmer nicht wieder kan- hoffentlich auch nach ihrer Zeit im genwartssicht entspricht. Wut und der Politik innerlich mit zu gehen. Europa ist nicht am Ende, aber an didieren. Der Deutsche Bundestag ver- Deutschen Bundestag fortführen. Verzweiflung von Arbeitslosen und Ich habe in den fünfzehn Jahren einem Scheidepunkt. Die politisch liert damit eine der profiliertesten Kul- sozial Deklassierten, innenpolitische meiner Mitgliedschaft im Europäi- Verantwortlichen müssen klar ma- turpolitikerinnen. Seit 1983 gehörte Enttäuschung, überzogene Wunsch- schen Parlament den Zerfall der chen, dass das Projekt Europa mehr Antje Vollmer dem Deutschen Bundes- vorstellungen auf der einen und Vor- Blöcke, die deutsche Einigung, die ist als eine Freihandelszone nach tag an und widmete sich im vergange- behalte, um nicht zu sagen Vorurtei- Gründung des Europäischen Wirt- den Gesetzen des Marktradikalis- nen Jahrzehnt besonders der Kulturpo- le wegen zu weit gehender Anma- schaftsraumes (EWR), die Erweite- mus, sondern eine Wertegemein- litik. Die Reform des Stiftungsrechts ßungen auf der anderen Seite haben rung um Finnland, Schweden und schaft, die den Frieden sichert, sozi- wurde maßgeblich von ihr angestoßen. nicht nur in Frankreich und den Nie- Österreich und später um die alen Schutz bietet und der kulturel- Antje Vollmer streitet für ihre Überzeu- derlanden für Verunsicherung ge- bereits genannten Zehn sowie die len Vielfalt Raum gibt. Dafür ist es gungen und setzt sich hierfür ein. In der sorgt. Und man muss sich eingeste- emotionsgeladenen Auseinander- nicht zu spät. jüngsten Zeit hat sie sich ganz hen, dass die Aussicht auf fortschrei- setzungen um die Verträge von besonders für eine stärkere Berücksich- tende Erweiterung der Europäischen Maastricht, Amsterdam und Nizza Die Verfasserin ist freie Journalistin. tigung deutscher Musik im Rundfunk Union nicht nur ungeteilte Freude erlebt. Ferner fiel in diese Zeit die Sie gehörte dem Europäischen und den Wandel der Theaterlandschaft auslöst. (vorläufige) Vollendung des Binnen- Parlament 15 Jahre lang an. eingesetzt. Ihre Meinungen entspre- Deutschland hätte im Gegensatz marktes und die Einführung des chen oftmals nicht dem Mainstream. zu der verantwortungslosen Stim- Euro. Das ist ziemlich viel für eine Sie setzt Impulse, regt Diskussionen an mungsmache der Zeitung mit den historisch so kurze Spanne. Deshalb und fordert die Auseinandersetzung -oto: Deutscher Bundestag großen Lettern möglicherweise zur ist es unendlich traurig, dass der europäischen Verfassung durchaus europäische Motor ausgerechnet 4:l;p Ja gesagt, aber die Wahlergebnisse bei dem wichtigsten Zukunftspro- STAATSZIEL KULTUR politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 2

Kommt das Staatsziel Kultur in das Grundgesetz?

In seiner Stellungnahme „Kultur als Kunstfreiheit hinaus die Bundesrepub- he hierzu: http://www.kulturrat.de/do- 4ür die CDU/CSU-Bundestagsfraktion rhein-Westfalen Jürgen Rüttgers, der Daseinsvorsorge“ (siehe auch politik lik Deutschland als Kulturstaat definie- kumente/Bundestagsdrucksachen/ hat die 4raktionsvorsitzende Angela Ministerpräsident des 4reistaats Thü- und kultur 6/2004) vom 29. Septem- ren. Nach Auffassung des Deutschen 1505560.pdf). Merkel geantwortet, für die SPD-Bun- ringen Dieter Althaus und der Minis- ber 2004 hat der Deutsche Kulturrat Kulturrates sollte im Grundgesetz for- destagsfraktion der kulturpolitische terpräsident des Saarlandes Peter die Aufnahme des Staatsziels Kultur muliert werden, dass der Staat die Kul- politik und kultur hat die Vorsitzen- Sprecher Eckhardt Barthel, für die 4DP- Müller positioniert. Die Verfassungs- in das Grundgesetz gefordert. Der tur schützt und fördert. Die Enquete- den der Bundestagsfraktionen und die Bundestagsfraktion der 4raktionsvorsit- rechtler Peter Badura, Max-Emanuel Deutsche Kulturrat hat damit die Kommission des Deutschen Bundes- Ministerpräsidenten der Länder ge- zende . Von den Mi- Geis, Ulrich Karpen und Bodo Pieroth bereits seit Jahrzehnten geführte De- tags „Kultur in Deutschland“ schlägt fragt, wie sie zu der Verankerung ei- nisterpräsidenten haben sich der Bür- setzen sich von Seiten der Wissen- batte um die kulturelle Staatszielbe- nun in ihrem Zwischenbericht vor, das nes Staatsziels Kultur im Grundgesetz germeister der Hansestadt Bremen schaft mit der 4rage des Staatsziels stimmung aufgenommen. Die Staats- Grundgesetz um den Artikel 20b mit stehen. Staatsrechtler wägen das 4ür Henning Scherf, der Erste Bürgermeis- Kultur auseinander. zielbestimmung Kultur im Grundge- der 4ormulierung „Der Staat schützt und Wider eines Staatsziels Kultur im ter der 4reien und Hansestadt Ole von setz würde über das Bekenntnis zur und fördert die Kultur“ zu ergänzen (sie- Grundgesetz ab. Beust, der Ministerpräsident von Nord- Die Redaktion

Föderalismus verkannt Kultur ist Lebensgrundlage Von Dieter Althaus Von

„Der Staat schützt und fördert die Unsere Verfassung konstituiert mit samtgesellschaftliches Vorankommen Kultur” – so lautet der Satz, der nach rechtlicher Bindungswirkung die wach gehalten. Nicht zuletzt präsen- dem einstimmigen Votum der En- Grundlagen von Staat und Gesell- tiert sich unser Land durch Kultur in quête-Kommission des Deutschen schaft. Als zentraler Bezugspunkt anderen Staaten und Regionen. Bundestages als neuer Art. 20b im politischer Identität macht sie In Deutschland waren Schutz und Grundgesetz aufgenommen werden zugleich deutlich, welche Werte, Nor- Pflege von Kultur nicht allein eine An- soll. Staatsziel Kultur? Ist eine zu- men und Ziele die Bürgerinnen und gelegenheit von Künstlern oder von sätzliche Verankerung in unserer Bürger zur Grundlage ihres Zusam- Mäzenen, sondern auch eine Aufgabe Verfassung überhaupt notwendig, menlebens machen wollen. Im des Staates auf allen Ebenen, vor al- wo doch die einzelnen Länderver- Grundgesetz sind Menschenwürde, lem der Länder. Inzwischen wächst fassungen bereits entsprechende Demokratie, Bundes-, Rechts- und nicht nur angesichts schrumpfender Schutz- und 3örderklauseln enthal- Sozialstaat als zentrale, nicht hin- Fördermittel, sondern vor allem mit ten? Mancher wird sich auch sagen, tergehbare Verfassungsgrundsätze der zunehmenden Europäisierung dass es im Kulturstaat Deutschland bestimmt. Darin besteht der verbin- und Globalisierung die Einsicht, dass wichtigere Probleme zu lösen gilt. dende und verbindliche Legitimitäts- sich damit auch die Sicherung und Gleichwohl verdient diese Debatte kern unserer Verfassung. Förderung von Kunst und Kultur in Aufmerksamkeit, weil sie die wichti- mancherlei Hinsicht verändert. ge 3rage der Kulturhoheit berührt – eit längerem wird das Pro und Die Enquete-Kommission des und damit auch das Verhältnis der Dieter Althaus S Contra einer neuen Staatszielbe- Deutschen Bundestages „Kultur in Angela Merkel Länder zum Gesamtstaat. Foto: Staatskanzlei Thüringen stimmung zum Bereich „Kultur“ dis- Deutschland“ hat diese Entwicklung Foto: Deutscher Bundestag tion mit dem Ganzen. Denn aus kutiert. Kultur gehört zu unseren Le- aufgenommen und ein einstimmiges können. Eine Verfassung ist umso stär- ie Länder haben laut Grundge- dem Wissen um die eigenen Ur- bensgrundlagen. Aus diesem Grund Votum für eine kulturelle Staatszielbe- ker, je mehr sie gelebte Wirklichkeit ist. D setz die Verantwortung für die sprünge erwachsen emotionale hat die CDU/CSU-Fraktion im Deut- stimmung gegeben. Vor- und Nachtei- Unabhängig von einer Verfassungsbe- Kultur. Die Kultur ist in Deutschland Bindungen, erwächst – kurz gesagt schen Bundestag schon immer das le eines solchen Staatsziels sind unvor- stimmung Kultur in unserem Grund- föderal geprägt. Alle Länder und Re- – Heimat. Ziel unterstützt, der Kultur auf allen eingenommen und sorgsam zu prü- gesetz sollte uns allen deshalb bewusst gionen haben ihren Anteil daran. Dies ist eine Erkenntnis, die wir staatlichen und nichtstaatlichen Ebe- fen. Ich halte es deshalb für sinnvoll, bleiben, dass die Lebendigkeit von Vielfalt und Breite des kulturellen in den 15 Jahren des Einigungspro- nen einen größeren Stellenwert einzu- dass die zuständige Enquete-Kom- Kunst und Kultur letztlich von dem Angebots machen die Gemeinsam- zesses gewinnen konnten: Nur eine räumen. Kunst und Kultur sind Aus- mission auch in der kommenden Le- konkreten Engagement im Alltag ab- keit und die Kraft unserer nationa- regional verwurzelte, kulturelle druck menschlicher Freiheit und Kre- gislaturperiode ihre Arbeit fortführt. hängt. Sicherung und Pflege von Kunst len Kultur aus. Nirgendwo sonst als Identität kann ein Wegweiser sein, ativität. Durch sie entstehen Brücken Dann können wir anhand konkreter und Kultur bleibt gemeinsame Ver- in Deutschland – und nirgendwo in wenn sich unsere Lebens- und Er- in einer pluralistischen Gesellschaft, Vorschläge sehen, welche Kompeten- pflichtung und gemeinsame Aufgabe. Deutschland mehr als in Thüringen fahrungswelten immer mehr erwei- bildet sich Zugehörigkeit und Identi- zen in welchen Bereichen gebündelt – kann man mit Fug und Recht von tern. Gerade in der heutigen Zeit gilt: tät aus, wird die Spannung von Tradi- und wie die Rahmenbedingungen für Die Verfasserin ist Vorsitzende der „Landschaften“ sprechen, wenn von Die Schaffung eines vereinten Euro- tion und Innovation produktiv für ge- Kunst und Kultur verbessert werden CDU/CSU-Bundestagsfraktion Theatern, Museen, Orchestern, Bi- pas oder die Tendenzen der Globali- bliotheken, Archiven, Schulen, sierung haben das Modell einer re- Hochschulen oder Denkmälern die gional verankerten Kultur und Kul- Rede ist. turpolitik nicht obsolet gemacht. Im Der Reichtum des kulturellen Le- Gegenteil: Es wird dadurch erst recht Der Kultur Beachtung verschaffen bens in Deutschland beruht auf sei- zukunftsfähig. Von Ole von Beust ner föderalen Prägung. Die Länder Eine Kulturpolitik, die den Her- stehen dafür ein, dass dieser Zu- ausforderungen angespannter Haus- Die Absicht, Kultur als Staatsziel im würde. Wenn der Kultur aber eine aus- etwa für den Umwelt- oder Tierschutz sammenhang von Kulturpolitik und haltsbudgets Rechnung zu tragen hat, Grundgesetz zu verankern, verrät vor drückliche Verankerung im Grundge- zu. Nur gilt das auch für Kultur? Föderalismus gewahrt bleibt. Aus muss das Gemeinsame in der Vielfalt allem eins: den großen Wunsch, der setz finanziell nicht nützt, wie kann ihr Meine Wahrnehmung von Kultur gutem Grund: Im Verhältnis der suchen. Dies gelingt, wenn die Auto- Kultur in Deutschland die Beachtung ein solcher Artikel überhaupt dienen? ist die von Bewegung. Kreativität, Länder zum Gesamtstaat hat die nomie der Regionen respektiert, aber und den Stellenwert zu verschaffen, Wir haben dann zwar ganz offiziell vor künstlerisches Schaffen sind Antrieb Kulturhoheit ein entscheidendes auch über Ländergrenzen hinweg Zu- die ihr gebühren. Die ihr vor allem Augen und staatsrechtlich konsoli- und Ausdruck unserer Gesellschaft. Gewicht. Sie ist, wie es das Bundes- sammenarbeit stattfindet. auch in einem Land gebühren, das diert, dass wir den Schutz und die För- Ich tue mich schwer mit der Vorstel- verfassungsgericht formuliert hat, August Everding hat gesagt: „Kul- sich als Kulturnation versteht und derung von Kultur als „lebensnotwen- lung, dieser Bewegung einen verfas- das „Kernstück der Eigenstaatlich- tur denkt man, fühlt man nicht nur, sich einer reichhaltigen Kulturland- dig“ erachten, was der Rolle, die Kul- sungsrechtlichen Rahmen zu setzen, keit der Länder“. Kultur muss man leben, besser, mit schaft erfreut. Diesen Wunsch kann tur in Deutschland spielt, zweifellos denn das könnte heißen, ihre Erstar- Darum geht es auch immer um Kultur muss man aufwachsen.“ Es ich gut verstehen. Weil er nämlich gerecht würde. Aber klingt das nicht rung zu riskieren. die Wahrung der föderalen Ordnung, gibt wohl kaum einen anderen Ort, Ausdruck unseres Selbstverständ- ein bisschen danach, als wollten wir Der Deutsche Kulturrat fordert die wenn die Länder auf ihrer Zustän- an dem man dieser Forderung bes- nisses ist. Er besagt, wir verstehen der Luft, die wir atmen, die Reverenz Aufnahme des Staatsziels Kultur in das digkeit in der Kulturpolitik bestehen. ser nachkommen kann als in Thürin- Kultur als hohes gesellschaftliches erweisen? Grundgesetz, weil er sich davon eine Damit keine Missverständnisse ent- gen. Die Aufgabe der Politik, aber Gut, das es zu schützen gilt. Soweit Dass man etwas, das man für über das Bekenntnis zur Kunstfreiheit stehen: Die Länder – auch Thüringen auch aller Bürgerinnen und Bürger, kann ich diesem Ziel zustimmen. Nur wichtig, ja, sogar für identitätsbestim- hinausgehende Definition der Bun- – wollen keinen Partikularismus, sie Vereine und Verbände ist es, der Kul- frage ich mich, ob der Weg über eine mend erachtet, in seiner Position fes- desrepublik als Kulturstaat erhofft. So wollen aber auch keinen Zentralis- tur auch weiterhin den nötigen Erweiterung des Grundgesetzes ge- tigen und für alle sichtbar stärken will, viel Verständnis ich persönlich für die- mus. Raum und die Unterstützung zu ge- eignet ist, dieses Ziel zu erreichen. ist ein nachvollziehbares Anliegen. ses Ansinnen habe, weil jede Fürspra- „Der Föderalismus erleichtert ben, den sie verdient. Oder konkreter: Was wäre mit einem Allerdings sehe ich auch die Gefahr, che zugunsten von Kultur in unserem Heimat, er erlaubt die Identifikation „Kunst ist eine Tochter der Frei- solchen Artikel 20 b des Grundge- dass durch eine solche Festschreibung Land wichtig, wünschenswert und un- mit einem übersichtlichen lands- heit“, heißt es bei Friedrich Schiller. setzes wirklich gewonnen? Verantwortung und Handeln delegiert terstützenswert ist, so skeptisch stehe mannschaftlich geprägten Land, mit Das Grundgesetz und die Länderver- werden könnten. Kultur hat plötzlich ich einer solchen Festschreibung ge- einer lokalen Geschichte“, sagte fassungen garantieren die Vorausset- s ist ja nicht so, dass sich mit der ihren festen Ort, nämlich Artikel 20 b genüber. Aus meiner Sicht macht die Richard Schröder bei seiner Rede zung für eine reiche Kunst- und Kul- EFormulierung Staatsziel Kultur GG. Jetzt werden Fragen zur Kultur, Stärke von Kultur aus, dass sie sich zum fünfzigjährigen Bestehen des turlandschaft, die nur in Freiheit plötzlich die finanzielle Lage in Forderungen nach ihrem Schutz und gerade nicht reglementieren oder fest- Bundesrates. Aus dieser Identifikati- wachsen und gedeihen kann. Wer Bund, Ländern oder Kommunen än- ihrer Förderung weiter verwiesen auf legen lässt. In dieser Qualität sollten on mit den Ländern erwächst eine die Freiheit schützt, schützt die Viel- dern würde. Die Abwägungen, die es diesen Artikel. Das mag im Einzelfall, wir sie stärken, indem wir Kultur Raum besondere Nähe der Bürgerinnen falt der Kultur in den einzelnen Län- in der Politik zu treffen gilt, nämlich etwa bei der Unterstützung eines Kul- verschaffen und ihren Ausdruck er- und Bürger zum gesamten Staatswe- dern und Regionen. Forderungen, die, wo schmerzhaft oder etwas weni- turprojektes hilfreich sein. Es kann möglichen, wo immer uns dies mög- sen – eine Identifikation, die wir er- ein Kulturstaatsziel im Grundgesetz ger schmerzhaft gekürzt wird, verän- aber auch dazu verleiten, sich eines lich ist. Übernehmen wir dafür die halten und fördern müssen, wenn aufzunehmen, verkennen das Wesen dert sich dadurch nicht. Es ist unwahr- Anliegens zu entledigen, indem die Verantwortung, lässt sich dauerhaft wir die innere Einheit Deutschlands, der Kultur im föderal strukturierten scheinlich, dass sich politisch Verant- Verantwortung dafür nicht übernom- mehr erreichen als über einen erwei- aber auch die der Europäischen Uni- Bundesstaat – und die Kompetenz wortliche für eine Kürzung im sozia- men, sondern delegiert wird. Eine fes- terten Artikel im Grundgesetz. on vorantreiben wollen. der Länder. len Bereich zugunsten einer Förde- te Verankerung als Staatsziel kann Kultur stiftet Identität und eine rung der Kultur aussprechen werden. dann sinnvoll sein, wenn Belangen zu Der Verfasser ist Erster Bürgermeis- Kultur, die regional und lokal ge- Der Verfasser ist Ministerpräsident Ich wage die Vorhersage, dass daran ihrem gebührenden Recht verholfen ter der Freien und Hansestadt prägt ist, dient auch der Identifika- des Freistaat Thüringen auch ein Paragraf 20 b nichts ändern werden soll. Aus meiner Sicht trifft das Hamburg STAATSZIEL KULTUR politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 3

Die Bundesrepublik als Kulturstaat Aktuelle Diskussion vor dem Hintergrund der deutschen Verfassungsgeschichte • Von Peter Müller Grundsätzliche menstrenge und dem Geist des Überlegungen Grundgesetzes unvereinbar sei. Ein Festhalten an den mit dieser Antino- Die Diskussion um die Rolle von mie verbundenen Vereinseitigungen Staatszielbestimmungen oder ver- erscheint indes nicht hilfreich. Ein fassungsrechtlichen Grundentschei- Blick in die Geschichte lehrt, dass in dungen begleitet die Deutsche Ver- jedem Einzelfall über die Perspekti- fassungsgeschichte schon seit den ven einer Einführung von Staatsziel- Beratungen um die Weimarer bestimmungen nachzudenken ist. Reichsverfassung. Eine Überfrachtung des Grundgeset- zes mit einer Vielzahl von Pro- abei lassen sich zwei idealtypi- grammsätzen, Optimierungsgebo- D sche Auffassungen unterschei- ten, Ziel- und Strukturbestimmun- den: Auf der einen Seite wird im Na- gen führt zu einer Entwertung ihres men einer ethisch-programmati- Gestaltungsanspruchs und einer schen Orientierungsfunktion einer ethischen Relativierung unserer Ver- Verfassung betont, dass auf allge- fassung. Zugleich lässt sich aber eine meine Regeln, die der Staatstätigkeit moderne Verfassung nicht gänzlich die fortdauernde Beachtung oder hermetisch und prinzipienfrei anle- Erfüllung bestimmter Aufgaben und gen, da unsere Gesellschaft von ih- sachlich unaufschiebbarer Ziele rer Verfassung eine Balance zwi- vorgeben, nicht verzichtet werden schen Solidität und Flexibilität er- kann. Eine Verfassung ist danach wartet. eine dynamische normative Ein- heit, die nicht nur als Verfassungs- Staatsziel Kultur – Grenzen gesetz auf die Wirklichkeit einwirkt, und Perspektiven sondern die über Prinzipien, allge- meine Regeln und Zielorientierun- Bei den Beratungen zur Weimarer gen auch der sich wandelnden Rea- Reichsverfassung, wurde das fragile lität gerecht zu werden vermag. Die Verhältnis zwischen seriöser Fixie- Vertreter der Gegenauffassung äu- rung von Grundsätzen einerseits Faust Quartett im Spiel versunken: Vier vernünftige Leute „unterhalten“ sich – Ein Beispiel für die Politik ßern Bedenken gegen die Einfüh- und plakativen Spruchweisheiten Foto: ARD-Wettbewerb rung von solchen allgemeinen prin- andererseits besonders deutlich. So zipiellen Regeln und einer dynami- wurden Verfassungsnormen vorge- Bewertung staatlichen Handelns auf einer allgemeinen Ebene verfas- Dies bedeutet allerdings nicht, dass schen, flexiblen Fortschreibung ei- schlagen, wie: „Das Vaterland steht und Unterlassens werden konnte sungspolitisch konsequent, die als damit jedes zentrale Thema im Wege ner Verfassung. Diese seien juris- über der Partei“ oder „Freie Bahn und soziale Verteilungsmechanis- Grundlagen erkannten und akzep- eines gesetzgeberischen Automatis- tisch nicht nachvollziehbar, er- dem Tüchtigen“. Andererseits zeigt men zum Gegenstand politischer tierten Voraussetzungen des Zusam- mus Eingang in die Prinzipienstruk- schöpften sich in wolkigen Pro- die Geschichte der bestehenden Beratung und Entscheidung und menlebens (oder wie im Falle des Art. tur unserer Verfassung finden sollte. grammen und erweckten dadurch Staatsziele in unserem Grundgesetz, schließlich auch rechtlicher Qualifi- 20a GG gar des Lebens überhaupt) in Die Verankerung von „Kultur“ im unerfüllbare und deshalb gefährli- dass verfassungsrechtliche Grund- kation avancierten. Gestalt von Staatszwecken, Staatszie- Grundgesetz wurde bereits im Rah- che politische Erwartungen. Mit entscheidungen durchaus ord- Deshalb wäre es grundsätzlich zu len oder elementaren Staatsaufgaben men der Sachverständigenkommis- den Worten des Verfassungsrecht- nungspolitische Konsequenzen ent- kurzschlüssig, sich generell gegen festzuhalten und sie zum Dokument sion „Staatszielbestimmungen/Ge- lers Josef Isensee sei mit der gehäuf- falten konnten. So hatte beispiels- die Einführung von Staatszielbe- des jeweils erreichten Standes setzgebungsaufträge“ in den Jahren ten Einrichtung von Staatszielen die weise die Einführung des Sozial- stimmungen oder Staatsstrukturbe- ethisch-politischer Selbstbestim- Errichtung eines „Volkskatechis- staatsprinzips zur Folge, dass die so- stimmungen im Grundgesetz aus- mung einer demokratischen Gesell- mus“ zu befürchten, der mit der For- ziale Wirklichkeit zur Grundlage der zusprechen. Vielmehr erscheint es schaft zu machen. Weiter auf Seite 4 STAATSZIEL KULTUR politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 4

Fortsetzung von Seite 3 Klares Bekenntnis des Staates zur Kultur Bundesrepublik Deutsch- Es ist wichtig, ein Signal zu setzen • Von Wolfgang Gerhardt land als Kulturstaat Der Staat schützt und fördert die Sieht man sich die Situation der gegen übermäßige und unbillige rechtler einstimmig für die Einfü- 1981-1983 erörtert. Dort wurde die Kultur. Dieser Satz beschreibt eine staatlichen Kulturfinanzierung in Einsparungen in den Kulturhaus- gung einer Staatszielbestimmung Aufnahme einer Staatszielbestim- Selbstverständlichkeit und ent- Deutschland an, ist festzustellen, halten. Ohne eine kulturfreundliche Kultur in das Grundgesetz ausge- mung „Kulturstaat“ vorgeschlagen. spricht dem, was seit Bestehen der dass die dramatische Situation der Umsetzung wäre die Staatszielbe- sprochen. Damit liegt die Entschei- Auch in den Jahren 1992 und 1993 Bundesrepublik gang und gäbe ist. öffentlichen Haushalte nicht ohne stimmung Kultur jedoch nur eine dung in der Hand des Parlamentes wurde im Rahmen der Beratungen Der Staat, vor allem die Kommunen Auswirkungen geblieben ist. In den leere Formel. Worauf es ankommt, und die Fraktionen des Deutschen der gemeinsamen Verfassungskom- und die Länder aber auch der Bund, vergangenen Jahren ist die Summe, ist nicht die ehrenwerte Absicht, Bundestages werden diese Frage in mission zur Reform des Grundgeset- schützt und fördert die Kultur in viel- die Bund, Länder und Kommunen sondern die gute Tat. der 16. Wahlperiode entscheiden zes im Gefolge der Deutschen Ein- fältiger Weise. Der Staat unterhält für die Kulturfinanzierung zur Verfü- Allerdings müssen wir uns ernst- müssen. heit über die Aufnahme eines Staats- eine Vielzahl an Theatern, Orches- gung gestellt haben, mit 8,0 Mrd. haft die Frage stellen, ob wir bei al- Worauf es bei diesem Thema vor zieles „Kultur“ verhandelt. Indes tern, Museen, Bibliotheken und Euro im Jahr 2004 im Vergleich zu 8,3 len guten Argumenten, die für eine allem ankommt, ist ein klares Be- wurde auf die Aufnahme von Kultur sonstigen Kulturinstitutionen. Durch Mrd. im Jahr 2002 zurückgegangen. Aufnahme der Kultur als Staatsziel kenntnis des Staates zu seiner Ver- ausdrücklich verzichtet, vielmehr die Bereitstellung der Infrastruktur Dies deutet – vor allem bei den Kom- ins Grundgesetz sprechen, nicht pflichtung, die Kultur zu schützen wurde der „Schutz der natürlichen und die 3inanzierung von Projekten munen – eine Tendenz dahingehend lediglich eine Selbstverständlich- und zu fördern. Wenn der Staat sich Lebensgrundlagen“ in Art. 20a GG und Institutionen ermöglicht und an, dass angesichts leerer Kassen keit hineinschreiben. Hinzu kommt, angesichts der schwierigen Haus- aufgenommen. fördert der Staat die Entfaltung Ausgaben für Kultur zu Unrecht ei- dass sich aus dem Grundgesetz be- haltslage nicht eindeutig zu seiner Vor diesem Hintergrund ist der künstlerischer Kreativität. Zugleich nem immer stärkeren Rechtferti- reits jetzt Verpflichtungen zum Verpflichtung gegenüber der Kultur Vorschlag der Enquête-Kommission bewahrt der Staat die kulturellen gungsdruck unterliegen. Schutz und zur Förderung der Kul- bekennt und demgemäß handelt, „Kultur in Deutschland“ des Deut- Schätze der Vergangenheit. Mit sei- Vor diesem Hintergrund er- tur ableiten lassen. Insofern er- wird es schwierig, ein solches klares schen Bundestages zu sehen. Der ner Gesetzgebung sorgt der Staat scheint es wichtig, ein Signal zu set- scheint es fraglich, ob es einer Be- Bekenntnis und die tatkräftige Un- von ihr vorgeschlagene neue Grund- für günstige Rahmenbedingungen zen. Ein solches Signal könnte die kräftigung des Kulturauftrags wirk- terstützung auch von den Privaten, gesetz-Passus lautet: „Der Staat künstlerischen Schaffens und dafür, Verankerung der Kultur als Staatsziel lich bedarf. Nach der Rechtspre- auf deren Engagement die Kultur schützt und fördert die Kultur“. Da- dass dessen Ergebnisse urheber- im Grundgesetz sein. Ein neuer Ar- chung des BVerfG ergibt sich bereits angewiesen ist, einzufordern und zu mit ist gewiss ein im Grundsätzlichen rechtlich geschützt sind. Der Staat tikel 20 b mit dem Wortlaut „Der aus Artikel 5 Abs. 3 GG eine Ver- gewinnen. Die Einfügung eines wichtiger Hinweis auf die „Kultur- gewährleistet darüber hinaus durch Staat schützt und fördert die Kul- pflichtung zum Schutz und zur För- Grundgesetzartikels 20 b mit dem staatlichkeit“ unserer verfassungs- Art. 5 des Grundgesetzes die 3rei- tur“, so wie er von der Enquete- derung der Kultur. Und auch unter Wortlaut „Der Staat schützt und för- mäßigen Ordnung formuliert. Auf heit der Kunst. Kommission „Kultur in Deutsch- Artikel 1 GG läßt sich die Verpflich- dert die Kultur“ wäre ein solches kla- der anderen Seite stellt sich die Fra- land“ vorgeschlagen wurde, hätte tung des Staates zur Förderung und res Bekenntnis des Staates zur Kul- ge, ob damit etwas über den derzei- arum also sollten wir das, was zwar keine rechtlich bindende Wir- zum Schutz der Kultur subsumie- tur. Wenn sich dadurch die tatsäch- tigen verfassungspolitischen Status W unumstritten und selbstver- kung. Aber auch wenn die Einfü- ren, da die Kultur zweifelsohne ele- liche Kulturförderung des Staates unseres Grundgesetzes hinaus für ständlich ist, in das Grundgesetz ein- gung einer Staatszielbestimmung mentarer Bestandteil der Würde des verstärken und befördern lässt, dann die Kultur grundsätzlich Wirkungs- fügen? Das Grundgesetz ist das Fun- Kultur im Grundgesetz keine unmit- Menschen ist. sollten wir uns der Ergänzung einer volles geschaffen würde. dament unserer Demokratie und telbaren Auswirkungen in Form Die Enquete-Kommission „Kul- Staatszielbestimmung Kultur nicht jede Änderung dieses bewährten sprunghaft steigender öffentlicher tur in Deutschland“ hat sich nach verschließen. Die Bundesrepublik Wertekanons und Regelwerks muss Kulturausgaben hätte, wäre sie doch sorgfältiger Prüfung aller Argumen- Deutschland als Kulturstaat wohlbedacht und darf nur aus zwin- – und nicht zuletzt auf kommuna- te und der Berücksichtigung der Stel- Der Verfasser ist Vorsitzender der genden Gründen erfolgen. ler Ebene - ein wichtiges Argument lungnahmen bedeutender Staats- FDP-Bundestagsfraktion Dies ist meines Erachtens nicht der Fall. Die Einführung einer Staatsziel- bestimmung „Kultur“ erscheint des- halb nicht weiterführend, weil un- serer Verfassung bereits der Gedan- Kultur als Investition ins Gemeinwesen ke der Kulturstaatlichkeit als wesent- Die Triebfeder ist das Bürgerschaftliche Engagement • Von Henning Scherf liche Ingredienz innewohnt. Zwar definiert unsere Verfassung nicht Konzerte oder Ausstellungen zu be- Auffassung uns gewiss nicht schlecht Ich glaube, dass hier ein wesentli- verstärkt zu motivieren, sich für die den Begriff der Kultur, sie hat aber suchen, ins Theater zu gehen, sich zu Gesicht stehen. Ich würde eine cher Schlüssel dazu liegt, die Förde- Belange von Kunst und Kultur einzu- für ein bestimmtes Kulturbild ein be- an Lesungen zu erfreuen, 3estspie- solche Ergänzung im Grundgesetz rung von Kunst und Kultur weiter zu bringen – mit ihren Ideen, mit ihrem stimmendes Netz von Grundrechts- le zu genießen die Bürgerinnen sehr begrüßen. In der Bremischen verankern. Eine aktive Bürgergesell- Engagement und - hier sind vor al- garantien und institutionellen Siche- und Bürger dieses Landes haben Verfassung findet sich seit 1997 ein schaft kann nach meiner festen lem die Unternehmer gefragt - na- rungen eingerichtet: Zu diesen kul- die vielfältigsten Möglichkeiten, entsprechender Artikel ( Art.11 Ab- Überzeugung auf vielen gesell- türlich auch mit ihrer finanziellen turellen Grundrechten gehören nicht nur in den Städten, sondern satz 3): „Der Staat schützt und för- schaftlichen Feldern eine Menge be- Kraft. insbesondere die auf den Kulturbe- auch selbst in wenig besiedelten dert das kulturelle Leben.“ Das ist wirken. reich der Bildung und Erziehung be- Gebieten ihren kulturellen Interes- gut so. Im übrigen bekennen sich ja Deshalb macht es ganz viel Sinn, Der Verfasser ist Bürgermeister zogenen Grundrechte ebenso wie sen und Neigungen nachzugehen. alle Bundesländer zu ihrer Verant- das ehrenamtliche Engagement zu und Präsident des Senats der Freien die in den gleichfalls zur Kultur zu Und sie nutzen diese Gelegenheit wortung, Kunst und Kultur zu för- stärken, Bürgerinnen und Bürger Hansestadt Bremen zählenden Bereichen des Glaubens in zunehmendem Maße – steigen- dern und zu pflegen. Wir alle unter- und des Bekenntnisses wirksamen de Besucherzahlen belegen das nehmen große Anstrengungen, den Garantien. Vor allem sind aber die für allenthalben. Kultur kann der Zugang zur Kultur auch jenen zu er- den Schutz und die Entwicklung von Stadtentwicklung entscheidende möglichen, deren finanzielle Mög- Kunst und Wissenschaft vorgesehe- und notwendige Impulse geben, lichkeiten eng begrenzt sind. Ziel der SPD nen Sicherungen konstitutiv für ei- kann produktive Kraft sein für Tatsache ist aber auch, dass ein Von Eckhardt Barthel nen Begriff des Kulturstaats. Das neues Denken. Wer Kultur fördert, in der Verfassung verankertes Staats- Bundesverfassungsgericht sah in der investiert zugleich in die Zukunft ziel Kultur uns nicht aus den finan- Kultur ist ein grundlegender Be- werden sie schwächer. Von „weißer Gewährleistung der Kunstfreiheit des Gemeinwesens. ziellen Zwängen befreien würde. Es standteil unseres Zusammenle- Salbe“ ist die Rede, Artikel 5 des nicht nur ein Abwehrrecht, sondern darf nicht verkannt werden, dass bens. Sie ist Teil der Vielfalt des Grundgesetzes sei ausreichend. Die zugleich eine objektive Wertent- eine Frage: Die Deutschen sind sich aus dem in der Verfassung for- Lebens, stiftet Identität, themati- ungeschriebene Staatszielbestim- scheidung für die Freiheit der Kunst, K eine Kulturnation. Es beein- mulierten Staatsziel Kultur eben kein siert die Bedeutung von Werten und mung nach Artikel 5: „Kunst und die „den modernen Staat, der sich im druckt mich immer wieder aufs Anspruch für jedwede Geldleistun- schärft den Blick für gesellschaftli- Wissenschaft, Forschung und Leh- Sinne einer Staatszielbestimmung Neue, wie die Bürgerinnen und Bür- gen ableiten lässt. ches Zusammenwirken. Kultur ist re sind frei...“, kann eine explizite auch als Kulturstaat versteht, ger die kulturellen Angebote bei uns Wir sollten uns in Zukunft stär- mit Michael Naumann „die schöns- Verfassungsnorm jedoch nicht er- zugleich die Aufgabe stellt, ein frei- in Bremen wahrnehmen. Wie sie sich ker darauf besinnen, dass das kultu- te 3orm der 3reiheit in einer demo- setzen. heitliches Kunstleben zu erhalten einmischen, wie sie vehement ein- relle Leben in unserem Land gar kratisch verfassten Gesellschaft.“ Zwar ist es richtig, dass Staats- und zu fördern“ (Bundesverfas- fordern, wenn sie kulturelle Projek- nicht denkbar wäre ohne ein bürger- Sie ist keine Ware oder Dienstleis- zielbestimmungen keine subjekti- sungsgericht Entscheidung Band 36, te, Veranstaltungen, liebgewordene schaftliches Engagement. In Bremen tung wie Bananen oder 3ensterput- ven Rechte Einzelner begründen, Seite 331). Festivals o.ä. bedroht sehen. Und es gehören Bürgerengagement und Ei- zen und bedarf deshalb des Schut- dass sie nicht einklagbar sind. Aber Hierin ist ein kulturstaatliches begeistert mich, wenn ich erlebe, geninitiative seit Jahrhunderten zur zes und der 3örderung des Staates. sie entfalten positive Wirkungen, Grundrechtsverständnis angelegt, wie sich die Menschen ganz unei- Tradition Wohlhabende Kaufleute, Wegen dieser Bedeutung ist es un- und zwar auf allen Ebenen, des Bun- das sich – wie Werner Maihofer be- gennützig, ehrenamtlich und mit verantwortungsbewusste Unterneh- verzichtbar, dass auch Deutschland des, der Länder und der Kommunen. tont – als eine „Ergänzung aber auch großem persönlichen Einsatz in und mer haben sich von jeher und immer als europäische Kulturnation die Kultur als Staatsziel bekräftigt den Berichtigung einer bloß als Rechts- für kulturelle Projekte engagieren. wieder als großzügige Mäzene ge- Kultur als Staatsziel in seiner Ver- Kulturauftrag des Staates und seine staat und Sozialstaat begriffenen Das zeigt, dass den Menschen zeigt, Ein beeindruckendes Beispiel fassung verankert. Verantwortung für das kulturelle freiheitlichen Demokratie“ darstellt. hierzulande die Kultur ganz und gar ist die renommierte Kunsthalle Bre- Erbe, das es zu bewahren und wei- Dies bedeutet Autonomie der Kultur nicht gleichgültig ist. men, die vor 150 Jahren von Bürger- achdem im Jahr 2002 neben ter zu entwickeln gilt. Kulturpoliti- vom Staat ebenso wie Autonomie Aber wir alle wissen, dass auch innen und Bürgern gegründet wur- Ndem Schutz der natürlichen Le- sche Ziele erhalten so einen höheren der Kultur im Staat; dies bedeutet Kunst und Kultur kein abgehobenes de und bis heute dem privaten bensgrundlagen auch – endlich – der Stellenwert, auch in der Relation zu aber auch eine Pflicht des Staates zu Eigenleben führen können. Aktuelle Kunstverein gehört. Die großartigen Tierschutz in Artikel 20a GG als anderen Politikzielen. Dies dürfte kultureller Förderung und positiver gesellschaftliche Entwicklungen Sammlungen sind ganz wesentlich Staatsziel aufgenommen wurde, wäre etwa bei Ermessens- und Abwä- Pflege. Damit wäre unserem Ver- treffen auch diesen Bereich. Wer durch Privatspenden zustande ge- es noch unverständlicher, der Kultur gungsentscheidungen – nicht zuletzt ständnis von Grundrechten, Rechts- den Haushalt sanieren, wer mit we- kommen. Und weiter: Eine nicht diese Aufwertung zu verweigern. Die bei Haushaltsfragen – nicht ohne und Sozialstaat sowie von Demokra- niger Geld als gewohnt auskommen unerhebliche Zahl von Menschen SPD will deshalb einen Artikel 20b in Bedeutung sein. tie bereits ein Kulturstaatsbegriff ei- und Etats beschneiden muss, wird engagieren sich mit Zeit und Geld in das Grundgesetz einfügen, der „Staatsziel Kultur“ wird früh auf gen. Oder mit den Worten des frühe- auch um Einschnitte bei Kunst und Fördervereinen und Stiftungen. Hin- schlicht lauten soll: „Der Staat schützt der Tagesordnung des neu zu wäh- ren Bundespräsidenten Theodor Kultur nicht herumkommen. Dabei zu kommen all jene, die in kulturel- und fördert die Kultur.“ Diese Verfas- lenden Bundestages stehen. Es ist zu Heuss: „Mit Politik kann man keine muss mit großer Sensibilität, mit len Vereinen aktiv sind, ihre Kreati- sungsergänzung deckt sich auch mit hoffen, ja zu erwarten, dass es dafür Kultur machen, vielleicht kann man ganz viel Weitsicht und Klugheit vität und freie Zeit einbringen und dem Vorschlag der (von der SPD- die nötige Mehrheit gibt. mit Kultur Politik machen.“ agiert werden. ganz wesentlich mit dazu beitragen, Fraktion initiierten) Enquete-Kom- „Der Staat schützt und fördert dass ein kulturelles Angebot in der mission „Kultur in Deutschland“. Der Verfasser ist Der Verfasser ist Ministerpräsident die Kultur“. Ein solcher Artikel im Breite möglich ist. Das ist gewiss Vorbehalte gegen ein Staatsziel Kulturpolitischer Sprecher des Saarlandes Grundgesetz würde nach meiner anderswo ebenso. Kultur gibt es weiterhin, allerdings der SPD-Bundestagsfraktion STAATSZIEL KULTUR politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 5

Versuchung für den Bund Kultur als selbstverständlicher Stellenwert in der Politik • Von Jürgen Rüttgers

Die Verfassung unseres Landes lebt sche Identität gibt es nicht ohne die- werden kann, bleibt meines Erachtens es nur wenige einige ausdrückliche stellungen vorzugeben und damit von Voraussetzungen, die sie nicht se Kultur. Ihre konstitutiven Elemen- fraglich. Im Grundgesetz wie in den Staatszielbestimmungen. Dazu ge- auf die Inhalte von Kultur Einfluss zu selbst schafft. Sie sind entweder in te in allen Bereichen zu pflegen, zu meisten Landesverfassungen exis- hören neben dem Selbstverständnis nehmen. Das ist nicht Aufgabe des unserer Kultur verankert, oder es erhalten und weiterzuentwickeln, tieren ohnehin bereits verschiede- als Rechtsstaat, Sozialstaat und Bun- Staates. Deshalb haben schon die gibt sie nicht mehr. Es gibt Werte, muss für die Politik Priorität haben. ne kulturbezogene Verfassungsnor- desstaat seit jüngerer Zeit auch der Mütter und Väter des Grundgesetzes die allgemeine Anerkennung verlan- Der Staat soll ein eindeutiges Be- men: Schutz der Umwelt und der Tiere. den Schutz der Freiheit der Kunst gen: die Menschenwürde, das Recht kenntnis zu dieser Kultur ablegen · Unser Grundgesetz schützt die Frei- der Sozialstaat, der Umweltschutzar- und Wissenschaft in unsere Verfas- auf Leben, die 3reiheit der Person, und Strukturen erhalten oder schaf- heit von Kunst und Wissenschaft tikel und das inzwischen erledigte sung aufgenommen. Dieses Grund- die Gleichheit der Menschen vor fen, die ihrem hohen Qualitätsan- (Art. 5 Abs. 3). Wiedervereinigungsgebot sowie Art. recht ist im Sinne einer Gefahrenab- dem Gesetz, um nur einige zu nen- spruch Rechnung tragen und ihrer · Verschiedene Landesverfassungen 109 Abs. 2 GG mit dem „magischen wehr formuliert. Es stellt dem mo- nen. Genau diese Ideale und Werte Pflege und Fortentwicklung dienen. formulieren Kultur als Staatsziel. In Viereck“ der Wirtschaftspolitik. Ein dernen Staat die Aufgabe, ein frei- schützt unsere Verfassung. Er soll den angemessenen Rahmen der Landesverfassung Nordrhein- Staatsziel ist daher immer auch Ge- heitliches Kunstleben zu erhalten setzen für eine erweiterte und ver- Westfalens heißt es: „Kultur, Kunst staltungsauftrag an den Gesetzgeber. und zu fördern und alles abzuweh- in zentraler Gedanke der abend- tiefende künstlerische und kulturel- und Wissenschaft sind durch Land Man sollte sich aber bewusst sein, ren, was die freie Ausübung von Eländischen Kultur, die sich ihrer le Bildung an den Schulen, Hoch- und Gemeinden zu pflegen und zu dass mit der Formulierung von Kunst und Wissenschaft beschnei- christlich-jüdischen Tradition, ihrer schulen und Akademien. Er soll den fördern“ (Art. 18 Abs. 1). Staatszielen Erwartungen formuliert den könnte. griechisch-römischen Quelle und Qualitätsmaßstäben bei der Gestal- · Im Einigungsvertrag wurde Kultur werden, hinter denen die Realität Demokratische Politik muss an- dem Befreiungsakt der Aufklärung tung von Landschaften, Stadträu- als Staatsziel formuliert und erhielt notwendigerweise zurückbleibt. Die erkennen, dass die Menschen auf verdankt, ist der Fortschritt der Geis- men und Gebäuden besondere Auf- damit Verfassungsrang: „In den Jah- Aufnahme der . Kultur als Staatsziel Kultur und Kunst angewiesen sind. tigkeit des Menschen als ein Fort- merksamkeit widmen. Er soll dafür ren der Teilung waren Kunst und in die Verfassung hätte rein deklama- Geschichte, Sprache, Tradition und schritt der Humanität Sorge tragen, dass Kulturdenkmäler, Kultur (...) eine Grundlage der fort- torischen oder appellativen Charak- Werte und die künstlerischen Aus- Die Frage, ob der Staat die Kul- Archive, Bibliotheken, Museen und bestehenden Einheit der deutschen ter. Das würde der Kultur nicht die- drucksformen begründen wesent- tur braucht, ist daher entschieden alle Orte der lebendigen Kunstaus- Nation. Sie leisten im Prozess der nen und würde auch der Zielsetzung lich unser Selbstverständnis und mit „Ja“ zu beantworten. Schließlich übung wie auch des geschichtlichen staatlichen Einheit der Deutschen unseres Grundgesetzes nicht ge- unsere Identität. Kultur muss einen sind wir alle darin einig, ein Kultur- und kulturgeschichtlichen Erinnerns auf dem Weg zur europäischen Eini- recht. selbstverständlichen Stellenwert in staat zu sein, wenn auch unscharf als wesentliche Fundamente einer gung einen eigenständigen und un- Möglicherweise käme der Bund der Politik haben, aber nicht als bleibt, was das heißt. lebenswerten Zukunft gepflegt wer- verzichtbaren Beitrag“ (Art. 35). in die Versuchung, das, was Aufgabe Staatsziel im Grundgesetz. Dieser Staat muss ein höchstes den. Eigentlich ist das Grundgesetz in der Länder ist, als zusätzliche Kom- Interesse an der Lebendigkeit der Ob dies durch die Verankerung seiner rechtsstaatlichen Form auf petenz an sich zu ziehen. Der Verfasser ist Kultur haben, in der er sein Funda- der Kultur als Staatsziel in unserem Kompetenzen, Organisation und Kultur als Staatsziel zu formulie- Ministerpräsident des Landes ment hat. Deutsche und europäi- Grundgesetz nachhaltiger gefördert Verfahren ausgerichtet. Zwar enthält ren hieße darüber hinaus, Zielvor- Nordrhein-Westfalen Kultur – weniger wichtig als Tierschutz? Einen rechtlichen Markierungspunkt setzen • Von Bodo Pieroth

Was lange wehrt, soll endlich gut relle Staatszielbestimmung nicht werden. Nachdem die Enquête- justiziabel, also vor Gericht nicht Kommission des Deutschen Bun- einklagbar, und daher wertlos. Aber destags „Kultur in Deutschland“ ein- das Grundgesetz kennt schon von stimmig beschlossen hat, dem Anfang an Staatszielbestimmungen, Deutschen Bundestag zu empfeh- wie zum Beispiel das Sozialstaats- len, Kultur als Staatsziel ins Grund- prinzip, deren Geltung und Bin- gesetz aufzunehmen, stehen die dungswirkung für die Judikative Chancen nicht schlecht, dass wir in nicht in Zweifel gezogen werden. absehbarer Zeit folgenden neuen 1994 ist auf Vorschlag der Gemein- Art. 20b in der Verfassung haben samen Verfassungskommission der werden: „Der Staat schützt und för- Art. 20a GG eingefügt worden, nach dert die Kultur.“ Die Aufnahme einer dem der Staat die natürlichen Le- Staatszielbestimmung zum Kultur- bensgrundlagen und die Tiere staat hatte schon die von der Bun- schützt. Derartige Staatszielbestim- desregierung eingesetzte „Sachver- mungen dienen also nicht nur je- ständigenkommission Staatszielbe- dem Gericht als Auslegungs- und stimmungen/Gesetzgebungsaufträ- Anwendungsmaßstab für das einfa- ge“ nach intensiven Beratungen in che Recht, sondern können auch den Jahren 1981 bis 1983 empfoh- vor dem Bundesverfassungsgericht len, ohne dass man sich damals gegenüber Gesetzen geltend ge- allerdings auf eine bestimmte 3or- macht werden; mit der Verfassungs- mulierung geeinigt hatte. beschwerde unter Berufung auf eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG, er Gemeinsamen Verfassungs- aber auch mit der konkreten und D kommission von Bundestag abstrakten Normenkontrolle. Dass und Bundesrat, die auf Grund des Ei- aus Staatszielbestimmungen keine nigungsvertrags gebildet worden Leistungsansprüche folgen, ist bei Erinnerungskultur, bereits ein Thema in der „Bonner Republik“. Exemplarisch steht dafür das Haus der Geschichte in war und zu prüfen hatte, ob den ge- ihnen nicht anders als bei den meis- Bonn, ein Ort der Selbstvergewisserung der Zeitgeschichte Foto: Stiftung Haus der Geschichte/Michael Jensch setzgebenden Körperschaften die ten Grundrechten des Grundgeset- Aufnahme weiterer Staatszielbestim- zes. Gemeinde nicht mehr unter Beru- bleibt das Positive? Wenn alle Argu- richt sind. Der noch einleuchtende- mungen in das Grundgesetz zu emp- Drittens sei der vorgeschlagene fung auf die Freiwilligkeit ihrer mente gegen den vorgeschlagenen re Vergleich ist mit dem geltenden fehlen sei, lag ein Antrag der SPD vor, Art. 20b GG überflüssig: Es gebe Selbstverwaltungsaufgaben die För- Art. 20b GG nicht stechen, folgt daraus Verfassungsrecht zu ziehen, in dem Art. 20 GG um folgenden Absatz 2 zu bereits kulturbezogene Verfassungs- derung von Kultur ablehnen. nicht zwingend, dass man diese Ver- die genannten Staatszielbestimmun- ergänzen: „Er (der Staat) schützt und normen, die kein Defizit erkennen Viertens greife eine kulturelle fassungsänderung vornehmen muss. gen die materiellen Bedingungen fördert das kulturelle Leben seiner ließen. In der Tat hat das Bundesver- Staatszielbestimmung in die Kultur- Ohne sie bleibt die Förderung und der menschlicher Existenz, sozusagen Bürger.“ Dieser Antrag fand nach aus- fassungsgericht den Kulturstaatscha- hoheit der Länder ein. Bei diesem Schutz von Kultur dem demokrati- den Unterbau, abdecken. Sollten führlichen Beratungen allerdings kei- rakter der Bundesrepublik Deutsch- Argument reibt sich der Verfassungs- schen Prozess und der politischen uns nicht die geistigen, ideellen Di- ne Mehrheit, geschweige denn die land aus der Wertentscheidung des rechtler verwundert die Augen. Entscheidung überlassen – ein Zu- mensionen menschlichen Daseins, geforderte Zweidrittel-Mehrheit. Was Art. 5 Abs. 3 GG abgeleitet: Der Staat, Bekanntlich ist die Hauptdomäne stand, den man aus demokratischen sozusagen der Überbau, genauso bewog die Mehrheit dieses Gremi- „der sich im Sinne einer Staatszielbe- der Kulturhoheit der Länder das Gründen in vielen Bereichen durchaus viel wert sein? Hier einen rechtlichen ums dazu, nein zu sagen zu einer Ver- stimmung auch als Kulturstaat ver- Schulwesen. Nun steht aber in Art. 7 begrüßen sollte. Für die Verankerung Markierungspunkt zu setzen, scheint fassungsnorm über die Förderung steht“, habe entsprechende Schutz- Abs. 1 GG: „Das gesamte Schulwesen einer Kulturstaatsklausel oder einer mir gerade in einer Zeit, in der alles und den Schutz der Kultur? und Förderpflichten. An dieser groß- steht unter der Aufsicht des Staates.“ kulturellen Staatszielbestimmung auf die ökonomische Dimension re- Erstens sei eine derartige Klausel zügigen und dogmatisch fragwürdi- Ist das auch ein Verstoß gegen die sprechen in meinen Augen zwei Ver- duziert zu werden droht, durchaus zu unbestimmt. Was heißt schon gen Herleitung einer Staatszielbe- Kulturhoheit der Länder? Nein, weil gleiche: Es existieren entsprechende angebracht zu sein. Sigmund Freud Kultur? Oder: nennt sich nicht alles stimmung aus dem Grundrecht auf mit „Staat“ bei dieser Organisations- Normen sowohl im Europäischen Ge- hat in seiner berühmten Abhand- mögliche Kultur? Doch ist aner- freie Kunst und Wissenschaft wird norm wie bei den „Staats“ziel- meinschaftsrecht als auch in den Ver- lung „Das Unbehagen in der Kultur“ kannt, dass Kultur als Rechtsbegriff allerdings verbreitet Kritik geübt. bestimmungen alle Ebenen der öf- fassungen der deutschen Länder. Es Kultur als „die ganze Summe der Tätigkeiten und Gegenstände geistig Folgt man dieser Kritik, hat die kul- fentlichen Gewalt der Bundesrepub- steht dem für unser Gemeinwesen Leistungen und Einrichtungen“ be- schöpferischer Arbeit umfasst. Si- turelle Staatszielbestimmung konsti- lik Deutschland angesprochen sind: weiterhin überragend wichtigen zeichnet, „in denen sich unser Leben cher dazu gehören Wissenschaft, tutive Wirkung, d.h. sie wäre vom Bund über die Länder bis zu Grundgesetz schlecht zu Gesicht, in- von dem unserer tierischen Ahnen (Aus-)Bildung und Kunst. Diese Be- keineswegs überflüssig. Aber auch den Gemeinden und sonstigen Kör- soweit hinter der höheren und der nie- entfernt“. Wollen wir verfassungs- griffe werfen ähnliche Bedenken be- auf der Grundlage der zitierten perschaften und Anstalten des öf- deren Herrschaftsebene zurückzuste- rechtlich wirklich nur die Ahnen züglich ihrer Bestimmtheit auf, die Rechtsprechung könnte ein Art. 20b fentlichen Rechts. Welche Kompe- hen. Kulturelle Staatszielbestimmun- schützen? sich aber dadurch erledigen, dass GG der Durchsetzungsschwäche von tenzen sie haben, ergibt sich aus gen in den Landesverfassungen sind wir diese Begriffe im geltenden Ver- kulturellen Zielsetzungen im politi- speziellen Normierungen. Art. 7 Abs. übrigens kein ausreichendes Surrogat Der Verfasser ist Professor fassungsrecht vorfinden und sie an- schen Prozess entgegenwirken, weil 1 GG und die Staatszielbestimmun- für eine Regelung in der Bundesverfas- am Institut für Öffentliches wenden müssen; Rechtsarbeit ist geschriebenes Verfassungsrecht ju- gen lassen also gerade die Gesetzge- sung, weil sie kein Maßstab für das das Recht und Politik an der immer Grenzziehung. Zweitens sei ristisch wirkungsvoller ist, als Rich- bungs- und Verwaltungskompetenz Verfassungsrecht in Deutschland do- Westfälischen-Wilhelms- eine Kulturstaatsklausel oder kultu- terrecht. Beispielsweise könnte eine der Länder ungeschoren. Aber wo minierende Bundesverfassungsge- Universität Münster STAATSZIEL KULTUR politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 6

Staatsziel „Kultur“ im Grundgesetz Geringe normative Wirkung, fragliche appellative Wirkung • Von Peter Badura

Die Enquete-Kommission „Kultur in Kulturklausel haben würde, vor al- schlossen werden müsse. Die aus- trative Leistungsfähigkeit des Staa- den Lebensbedingungen des deut- Deutschland“ des Deutschen Bun- lem schon deswegen, weil das Wort drückliche Deklaration wird offen- tes im Hinblick auf die notwendige schen Bundesstaates, dass die „Kul- destages empfiehlt, Kultur als Staats- „Kultur“ einen weitläufigen und kei- bar eher wegen ihres appellativen oder wünschenswerte Erfüllung der tur“ und die Pflege und Förderung ziel in die Verfassung des Bundes nen rechtlich abgrenzbaren Sinn be- Charakters für wünschenswert ge- staatlichen Aufgaben einzuschätzen der kulturellen Angelegenheiten aufzunehmen und das Grundgesetz zeichnet. In gewisser Weise reicht die halten, entsprechend einer verbrei- und zur Geltung zu bringen. dem Grundsatz nach eine staatliche durch einen Art. 20 b zu ergänzen, möglicherweise als kulturell oder teten Vorstellung, die Verfassung als Der „Staat“, dem eine Kulturklau- Aufgabe der Länder ist(Art. 30, 70 der folgenden Wortlaut hätte: „Der kulturpolitisch benennbare Aktivität eine Art Grundbuch der nationalen sel des Grundgesetzes Schutz und GG), so dass „Chancen und Verände- Staat schützt und fördert die Kul- in nahezu alle gesellschaftlichen Le- Werte und Ziele aufzustellen. Pro- Förderung aufgeben würde, sind der rungen für die Kultur in Deutsch- tur“. Der staatlichen Kulturpolitik, bensbereiche und Handlungswei- grammatische Verheißungen, vor al- Bund und die Länder. „Kultur“ in land“, die mit neuen kulturellen zuerst dem Gesetzgeber im Bund sen. Immerhin lassen sich Bildung, lem in der Präambel, können nahezu allen wesentlichen Dimensi- Staatszielbestimmungen im Grund- und in den Ländern, soll dadurch Wissenschaft und Kunst als die durchaus sinnvoll sein. Es muss je- onen und Feldern, soweit sie gesetz verbunden wären, zuerst der eine explizite Stützung und ein Auf- Sphären angeben, in denen die Kul- doch bedacht werden, dass die Ver- überhaupt Gegenstand staatlicher Verantwortung der Länder zuzuord- trag zu Pflege und 3örderung von tur eines Volkes zum Ausdruck fassung ein mit Vorrang ausgestatte- Politik sein kann und sein sollte, ist nen sind. Es muss bezweifelt wer- Kultur gegeben werden. Rechtlich kommt und auf nationaler Ebene tes Gesetz ist, das mit seinen justizi- nach der Kompetenzordnung des den, dass eine Staatszielbestim- gesehen ist eine derartige Kultur- sich der „Kulturstaat“ verwirklicht. ablen Rechtsfolgen von den Gerich- Grundgesetzes Sache der Länder. mung der von der Enquete-Kommis- klausel in der Verfassung eine Schon in diesem Kernbereich treten ten ausgelegt, angewandt und Folgerichtig finden sich in den Län- sion vorgeschlagenen Art eine klare Staatszielbestimmung, die mit nor- – in der Perspektive des Verfassungs- durchgesetzt wird. Die Verfassungs- derverfassungen verbreitet allge- und das bundesstaatliche Gleichge- mativ bindender Wirkung ein Staats- rechts – ausgleichsbedürftige Über- normen müssen deshalb berechen- meine Kulturstaatsklauseln oder et- wicht beachtende Abgrenzung von ziel und eine fortdauernd zu erfül- schneidungen auf, so mit den bar sein und sich in einen wider- was spezifischer gefasste Staatszie- Aufgaben des Bundes gewährleistet. lende Aufgabe des Staates festlegt. Grundrechten der Freiheit von Kunst spruchsfreien Regelungszusammen- le, die den Schutz, die Pflege und die Auch obwohl die formelle Kompe- Als Bestandteil der Verfassung bil- und Wissenschaft, Forschung und hang einfügen. Programmsätze mit Förderung der Kultur, des kulturel- tenzordnung von Bund und Ländern det diese Norm zugleich eine die Lehre (Art. 5 Abs. 3 GG), mit der frei- diffuser Bedeutung und unklaren len Erbes oder des kulturellen unbeschränkt bleibt, müsste eine Erfüllung anderer Staatsaufgaben en Wahl der Ausbildungsstätte (Art. Rechtsfolgen, besonders bei nicht „Schaffens“ dem Land und auch den allgemeine Kulturklausel im Grund- beeinflussende Richtlinie und auch 12 Abs. 1 GG), mit dem Schulartikel oder nicht ohne weiteres einlösba- Kommunen auftragen. Einige Verfas- gesetz unitarische Wirkungen erzeu- eine Rechtfertigung für Bindungen (Art. 7 GG) und mit dem elterlichen ren Versprechungen, sind der Auto- sungen verbinden damit eine sozi- gen. und Einschränkung von Grundrech- Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 GG). rität und Legitimität der Verfassung alpolitische und partizipatorische Die geringe und eher missver- ten, z. B. der Berufs- und Unterneh- Es dürfte jedoch schwer sein, das abträglich. Zielsetzung, indem sie postulieren, stehbare normative Wirkung eines mensfreiheit und der Eigentumsga- weitere Umfeld von Presse, Rund- Deutlicher als die Weimarer dass die Teilnahme an den Kulturgü- Kulturartikels im Grundgesetz und rantie. Die kulturpolitische Staats- funk und Film (Art. 5 Abs. 1 GG) so- Reichsverfassung hat das Grundge- tern dem gesamten Volk oder allen die vorstellbare Ingerenz des Bundes zielbestimmung würde mit ver- wie, noch gravierender, von Religion setz davon abgesehen, wirtschafts-, Schichten des Volkes zu ermöglichen in die Kompetenz der Länder, etwas gleichbarer Wirkung neben den So- und Kirche (Art. 4, 140 GG) von der sozial-, kultur- oder gesellschaftspo- ist oder dass die kulturelle Betäti- in Schule und Hochschule, als mit- zialstaatssatz (Art. 20 Abs. 1 GG) Ausstrahlungswirkung des Kulturar- litische Programme und Verheißun- gung aller Bürger zu fördern ist. Die telbare Wirkung einer solchen Klau- und den Schutz der natürlichen Le- tikels auszunehmen. gen ohne rechtlich greifbaren oder bundesstaatliche Ordnung und die sel überwiegen die Gründe für eine bensgrundlagen (Art. 20 a GG) tre- Dass die Bundesrepublik sich berechenbaren Gebotsgehalt aufzu- Staatspraxis in Deutschland weisen etwa zu erwartende appellative Wir- ten. kraft ihrer Verfassung, auch ohne nehmen, die sich in appellativer Wir- somit die Aufnahme kulturpoliti- kung. Das dem kulturpolitischen ausdrückliche „Verankerung“, als kung erschöpfen. Es hat damit nicht scher Staatsziele den Verfassungen Staatsziel als Abwägungsklausel zu- s kann als eine anerkannte Ma- Kulturstaat versteht, dem die Aufga- nur einen das Rechtsleben prägen- der Länder zu. wachsende Gewicht gegenüber den E xime der Verfassungspolitik gel- be gestellt ist, ein freiheitliches den Stil begründet und sich eine er- Es wäre verfehlt, dem Bund un- wohlfahrts-, finanz- und sozialpoli- ten, das Verfassungsgesetz nur bei Kunstleben zu erhalten und zu för- folgreiche Autorität erworben, son- ter Berufung auf eine exklusiv defi- tischen Erfordernissen kann durch zwingender Notwendigkeit und nur dern und insgesamt dem freien kul- dern das Fundament für die maßge- nierte „Kulturhoheit“ der Länder eine ausdrückliche Verfassungs- insoweit zu ändern, als in einer turellen Leben Schutz und Pflege bende und zum Teil kodifikatorische eine kulturelle Staatsaufgabe abzu- norm nicht substantiell zunehmen. Grundfrage der Staats- und Rechts- zuzuwenden, ist durch die Recht- Rechtspraxis des Bundesverfas- sprechen. Eine deutsche National- Im übrigen ist ausschlaggebend, ordnung ein Mangel behoben oder sprechung des Bundesverfassungs- sungsgerichts gelegt, gerade im Be- kultur ist eine geschichtliche Wirk- dass die entscheidende Lebensbe- eine Verbesserung herbeigeführt gerichts mehrfach bekräftigt worden reich von Wissenschaft, Bildung und lichkeit und die Förderung von Wis- dingung von Kultur und Bildung, wird. Ist diese Bedingung gegeben, (Urteil vom 5. März 1974, u. a.). Medien. Hiervon abzugehen, um senschaft und Forschung, von Bil- Wissenschaft und Kunst ihre Frei- muss klar voraussehbar sein, welche Eine zusätzliche Kulturklausel Zeitströmungen Einlass in das Ver- dung und Universität, von Kunst und heit ist. Konsequenzen sich aus der Verfas- könnte dieser verfassungsrechtli- fassungsgesetz zu geben oder dem Literatur fällt – nicht nur in Rück- sungsänderung ergeben und welche chen Rechtslage nichts hinzufügen. Grundgesetz eine vermeintlich ge- sicht auf die europäische Integrati- Der Verfasser ist emeritierter Wirkungen im Gesamtgefüge der Demzufolge kann nicht gesagt wer- steigerte Popularität hinsichtlich be- on und die internationalen Bezie- Professor des Lehrstuhl verfassungsmäßigen Ordnung ein- den, die Verfassung Deutschlands stimmter politischer Ziele zuzufüh- hungen – auch in die „gesamtstaat- für Öffentliches Recht, Rechts- und treten können. weise in dieser Hinsicht eine Lücke ren, besteht kein Anlass oder Grund. liche Verantwortung des Bundes“ Staatsphilosophie Staatsrecht der Es ist schwer abschätzbar, wel- auf, die ein halbes Jahrhundert nach Es ist Sache des Gesetzgebers, die (vgl. Art. 23 Abs. 6 Satz 2 G). Es ge- Ludwig-Maximilians-Universität che Bedeutung die vorgeschlagene Inkrafttreten des Grundgesetzes ge- politische, finanzielle und adminis- hört aber auf der anderen Seite zu München Entbehrlich und nicht wünschenswert Eine Kulturstaatsklausel wäre allenfalls schöner Schein • Von Ulrich Karpen

Die Verankerung von „Kultur“ als Ausdruck der Kultur im weitesten sorge für die Bürger verpflichtet und Staatszielbestimmungen zu erwei- Kulturstaatsklausel, so besteht die Staatsziel im Grundgesetz ist ent- Sinne, nämliche einer bestimmten diese umfasst richtigerweise auch tern. Schon die Aufnahme des Um- Gefahr der Entparlamentarisierung behrlich und nicht wünschenswert. Lebensform, eine Vorstellung von kulturelle Leistungen. Noch einmal: weltschutzartikels 20a in das Grund- und Juridifizierung der Kulturpolitik, Eine solche Bestimmung regelte et- der “richtigen” Gestaltung der Ge- Der Mensch lebt nicht vom Brot al- gesetz (1994) wäre besser unterblie- eine Gefahr, die sich für das Sozial- was völlig Selbstverständliches – sellschaft, eben des freiheitlich de- lein! ben. Für eine Kulturstaatsklausel staatsprinzip in manchen Entschei- was die Verfassung nicht tun sollte mokratischen Rechtsstaates. Der Staat kann Kultur nicht selbst spricht im Grunde nur, dass eine dungen des Bundesverfassungsge- – und weckt Erwartungen, die sie Weil das alles selbstverständlich schaffen. Im freiheitlichen Rechts- zwar nicht direkt umsetzbare, aber richtes realisiert hat. Eine Kultur- nicht einlösen könnte. ist, enthält das Grundgesetz keine staat gibt es keine Staatskunst. Kul- in ihrer Rhetorik, ihrer Appellfunk- staatsklausel weckt Erwartungen, die ausdrückliche Staatszielbestim- tur ist Menschenwerk, autonom; sie tion dem Kunstverständnis, der sie nicht erfüllen kann. Sie ist ein klas- nter „Kultur“ versteht man Bil- mung. Gleichwohl gibt es in einigen lebt in Staatsdistanz. Der Staat kann Kunstförderung möglicherweise sisches „Schaufenstergesetz“. Der Udung, Wissenschaft, Kunst, Me- Verfassungsnormen wichtige Hin- Kultur nur schützen, hegen, pflegen, dienliche Vorschrift in die Verfassung Bürger erhält im Regelfalle keine ein- dien und Selbstdarstellung des Staa- weise, wie sich das Grundgesetz die fördern. Das geschieht im Bund, in hineinkäme. Letztlich wäre eine sol- klagbaren kulturellen Leistungsrech- tes in künstlerischen Formen (Fah- Erfüllung kultureller Staatsaufgaben den Ländern, den Gemeinden, ori- che Staatszielbestimmung ein Sym- te, allenfalls nach Maßgabe von kon- ne, Hymne, Wappen, Gebäude wie zur Erreichung des Kulturstaatszie- entiert an den Maßstäben der Neu- bol für Hoffnungen und Erwartun- kretisierenden Gesetzen. Teilhaber- der Reichstag usw.). Kultur ist unbe- les vorstelle. Hier ist zunächst an den tralität, Nichtidentifikation, Tole- gen in Bezug auf Wünschbares und echte (auf Schulbesuch, Zugang zu stritten Staatsaufgabe, die von Bund, Menschenwürde-Artikel 1 GG zu ranz, Pluralität. „Schönes“. Dieser rhetorische Glanz Theatern und Museen usw.). Ländern und Gemeinden wahrge- denken. Der Mensch lebt nicht vom Dieses dichte Regelungsgeflecht entspricht aber nicht dem Stil des Schließlich ist die Befürchtung nommen wird. Da auch andere Trä- Brot allein. Die Freiheits- und des Themas „Kultur als Staatsziel Grundgesetzes. Die Verfassung nicht gänzlich von der Hand zu wei- ger kulturelle Aufgaben erfüllen, soll- Gleichheitsgarantie (Artikel 2 und 3 und Staatsaufgabe“ beschreibt hin- kennzeichnen nicht Verheißungen sen, die Einfügung einer Kultur- te man besser von Kultur als öffent- GG), auch die Berufsfreiheit (Artikel reichend deutlich ein klares Kultur- und Appelle, sondern strikt anwend- staatsklausel ins Grundgesetz, unse- licher Aufgabe sprechen. 12 GG) verlangen dem Staat kultur- staatskonzept. Es ist schwer zu er- bare Rechtsgarantien. Eine Kultur- re Bundesverfassung, könnte einen Pflege und Förderung der Kultur staatliche Leistungen ab, wie an der kennen, warum es einer zusätzli- staatsklausel müsste Erwartungen Kompetenzzuwachs des Bundes im ist im Grunde eine jedem Staat, nicht Numerus-Clausus-Rechtsprechung chen Staatszielbestimmung bedür- wecken, die sie nicht erfüllen kann. Kulturbereich weiter befördern, der nur der Bundesrepublik Deutsch- des Bundesverfassungsgerichtes fen könnte. Das Grundgesetz ist auf Kultur ist materiell unbestritten und nach Auffassung mancher Beobach- land, vorgegebene Aufgabe. Sie ist deutlich wird. Die Religions- und Kompetenzen, Organisation, Verfah- von jedem anerkannt. Ob und wie ter bereits eingetreten ist. Das würde selbstverständlicher Bestandteil der Meinungsfreiheit (Artikel 4, 5 GG) ren ausgerichtet, im Grunde staats- viel und welche Kultur gefördert der Kompetenzordnung des Grund- staatlichen Sorge für die Wohlfahrt schützen geistige Kommunikations- zielbestimmungsprüde. Es gibt nur wird, kann eine Kulturstaatsklausel gesetzes entgegenwirken und ist im des Volkes, Teil der Verwirklichung räume. Der Republikbegriff enthält wenige explizite Staatszielbestim- nicht verordnen, und sie will es auch Zweifel auch nicht beabsichtigt. des Gemeinwohls, wie an Schule, kulturstaatliche Elemente und in der mungen. Dazu gehören der Sozial- nicht. Über diese Fragen entschei- Eine Kulturstaatsklausel wäre Theater, Museum leicht deutlich Demokratie ist (staatsbürgerliche) staat, der Umweltschutzartikel (20a den Parlamente und Regierungen, also allenfalls ein schöner Schein, wird. Deshalb bedarf dieses Staats- Bildung für die Ausübung von poli- GG) und das „magische Viereck“ der Gemeinderäte und Bürgermeister, führte aber zu manchen Missver- ziel im Grunde keiner ausdrückli- tischen und Bürgerrechten unent- Wirtschaftspolitik (Artikel 109 GG). und zwar „nach Kassenlage“. Wenn ständnissen und enthielte auch ver- chen Erwähnung in der Verfassung behrlich. Der Eckstein des Kultur- Das Wiedervereinigungsgebot der die Verteidigung verstärkt oder Stra- borgene Fußangeln. Man sollte die („Über die Zwecke des Königreiches staatszieles ist die Kunstfreiheitsga- Präambel ist ausgeführt und hat sich ßen gebaut werden müssen, muss Finger davon lassen. Preußen schweigt die Verfassung“). rantie des Artikels 5 GG. Diese Vor- damit erledigt. Das Kernziel jedes Kultur zurückstehen. Auch die um- Der freiheitliche Staat ist nunmehr schrift muss im Lichte des Sozial- Staates, den Frieden zu sichern, gekehrte Prioritätensetzung ist mög- Der Verfasser ist Professor im Kulturstaat. Er schützt die Kultur, staatsprinzips verstanden und inter- nach außen und innen, lässt sich aus lich. Diese Entscheidungsfreiheit Fachbereich für öffentliches Recht vorwiegend durch finanzielle Leis- pretiert werden. Der Sozialstaat ist vielen Artikeln erschließen. Es emp- unserer gewählten Vertreter sollte und Staatslehre an der Universität tungen. Letztlich ist der Staat selbst zur Gewährleistung der Daseinsvor- fiehlt sich nicht, diesen Katalog von man nicht beschneiden. Gibt es eine Hamburg STAATSZIEL KULTUR / DISKUSSION politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 7

„Staatsziel Kultur“ als aktiver Schutz- und Förderauftrag Kultur als zwingend zu beachtendes Ermessenskriterium • Von Max-Emanuel Geis

Am 01. Juni dieses Jahres hat die genommen hat. Es ist heute zu we- Enquete-Kommission des Deutschen nig bewusst, dass dieser auf Fichte Bundestages „Kultur in Deutsch- und Hegel zurück gehende, gleich- land“ einen Zwischenbericht vorge- wohl meist blindlings rezipierte Be- legt, in dem sie dem Bundestag griff mit etatistischen Konnotatio- empfiehlt, das Grundgesetz um ein nen verknüpft ist, die sich mit einem Staatsziel „Kultur“ in einem neuen freiheitlich-demokratischen Politik- Art. 20b („Der Staat schützt und för- verständnis nicht vereinbaren las- dert die Kultur“) zu ergänzen. Zwar sen. Vor allem darf dieser Begriff wird die Arbeit der Kommission we- nicht dazu missbraucht werden, um gen der vorgezogenen Neuwahlen dem Staat eine quasi inhärente, in- erst einmal der Diskontinuität zum haltlich unbegrenzte Kulturgestal- Opfer fallen; es ist jedoch zu hof- tungsmacht zukommen zu lassen, fen, dass der künftige Bundestag wie es eine von dem posthegeliani- diese Empfehlung aufgreifen wird. schen Juristen Ernst Rudolf Huber formulierte und weitverbreitete For- arum dieser neuerliche An- mulierung suggeriert. Auch vermag W lauf? Die Empfehlung der der Bund unter Berufung auf sein Kommission „Gesetzgebungsaufträ- „Wesen“ als Kulturstaat zu Kompe- ge und Staatszielbestimmungen“ tenzanmaßungen verleitet werden, (1983), die Kultur in der Verfassung die mit den Eckpunkten der Födera- zu etablieren, war ebenso folgenlos lismusdebatte kollidieren. Die Be- geblieben wie der weitere Anstoß in zeichnung als „Kulturstaat“ könnte der Gemeinsame Kommission von schließlich die Tendenz zu einer his- Bundestag und Bundesrat (1992), in torisch-retrospektiv bzw. national der von einer Empfehlung dann ausgerichteten Verortung der Kultur sogar Abstand genommen worden stärken. Indes muss auch der pro- war. Doch ist eine Verankerung der zesshafte, innovative Charakter der Kultur im Grundgesetz prinzipiell zu Kultur einbezogen sein. Es ist daher befürworten, da sie die Verantwor- besser, ein Staatsziel „Kultur“ als ak- tung des Staates unterstreicht, das tiven Schutz- oder Förderauftrag zu Ivan Liska bei der Probe zu „The Second Detail“ von William Forsythe. Foto: Bayerisches Staatsballett/Wilfried Hösl kulturelle Erbe zu bewahren, zu formulieren. Die Enquete-Kommis- schützen und weiter zu entwickeln sion hat diese Fährnisse zielsicher heit den Bereich der Kultur bilden: sondere schafft eine allgemeine Kul- ken. Des weiteren ist ein rechtlich und bestehenden Staatzielbestim- erkannt; dass sie sich insoweit dem Kultur ist ein Inbegriff von Kommu- turklausel keine ungeschriebenen verankerter Kulturauftrag des Staa- mungen wie dem Sozialstaatsprinzip Formulierungsvorschlag des Verfas- nikationsinhalten zwischen den In- Gesetzgebungs- und Verwaltungs- tes ein Punkt, der in verwaltungs- oder dem neueren Postulat des Um- sers angeschlossen hat (vgl. BT- dividuen, nicht etwa das, was ein kompetenzen des Bundes. Auch rechtliche Ermessens- und Abwä- weltschutzes (Art. 20a GG) prinzipi- Drucksache 15/ 5560, S. 12, 17 Fn. etatistisch-selbstzweckhafter Staat wäre es auf Grund des hohes Ab- gungsentscheidungen einfließen ell gleichstellt. Dies ist besonders 99), bestätigt nur dessen Einschät- zur seiner Verherrlichung oder zu straktionsgrades nicht opportun, der kann und muss; ein schlichtes Igno- wichtig, um ein Gegengewicht zur zung, verfassungslyrische Aufwal- sonstigem Machtkalkül schafft. Kulturklausel die Funktion einer ver- rieren dieses Staatsziels kann in Zu- derzeit dominierenden Ökonomisie- lungen möglichst zu vermeiden. Zum zweiten wird klar, dass der fassungsimmanenten Schranke von kunft zu Ermessensfehlern führen, rungs- (vulgo: Einsparungs-) welle Die Verankerung in einem eigenen Schutz der Kultur Pflichtaufgabe des Grundrechten zuzubilligen. Eine sol- und zwar auch in der Normgebung. zu schaffen. Eine positive Norm ist Art. 20 b ist vorzugswürdig, weil da- Staates ist. Sie gehört dann de lege lata che Kulturklausel könnte sonst zu So ist zum Beispiel etwa im Normge- hier jedenfalls ein verlässlicher Aus- durch einmal die Einbeziehung in – und namentlich aus haushaltsrecht- einer generellen Schrankenklausel bungsprozess sowohl im Steuer- wie gangspunkt für Diskussionen und den sprachlich und dogmatisch licher Sicht! – nicht zu den nachrangi- mutieren, die mit der klaren Syste- auch im Sozialrecht zu bedenken, Abwägungen. Skeptiker begründen verunglückten Art. 20a GG vermie- gen Politikziele. Eine weitergehende matik der Grundrechte nicht verein- welche Folgen allfällige Regelungen freilich die Unnötigkeit einer Kultur- den wird und systematisch klarge- rechtliche Verpflichtung zur Sicherung bar ist. Insofern besteht eine Paral- für die Kultur nach sich ziehen wer- klausel mit dem Hinweis darauf, dass stellt wird, dass diese Staatszielbe- einer kulturellen Grundversorgung lele zum Sozialstaatsprinzip, dem den. In der Positivierung der Kultur der Schutz der Kultur als ungeschrie- stimmung nicht unter die „Ewig- wäre dagegen aufgrund des hohen nach herrschender Meinung eben- als zwingend zu beachtenden Ermes- benes, ja „wesenhaftes“ Staatsziel keitsklausel“ des Art. 79 Abs. 3 GG Abstraktionsgrades des Begriffs „Kul- falls aufgrund der inhaltlichen Un- senskriterium dürfte der Hauptnut- ohnehin unbestritten sei. In Zeiten fällt. tur“ relativ sinnlos, da sie eher Quel- schärfe keine verfassungsimmanen- zen der neuen Regelung liegen, na- katastrophaler Finanzknappheiten, Die vorgeschlagene Formulie- le unendlicher Auslegungsstreitig- te Grundrechtsschranke entnom- mentlich, wenn ihr Einfluss durch und angesichts der Tatsache, dass rung macht mehrfaches deutlich: keiten wäre als eine fassbare Garan- men werden kann. vieltausendfache Realisation in prak- der Kulturbereich traditionell zu den Zum einen,, dass die Bereiche Staat tie. Positive rechtliche Wirkungen tischen Verwaltungsabläufen und ersten Opfern zählt, möchte man je- und Kultur zwei unterschiedliche Welche Wirkungen kann die vor- kann ein Staatsziel „Kultur“ dagegen -entscheidungen zum Normalfall ge- doch ihren Schutz eher in einer ver- Größen sind, die in Art. 20 b GG geschlagene Norm entfalten? Sicher- durch ihre Auswirkungen auf die an- worden sein wird. fassungsrechtlichen Norm als in ei- zueinander in Relation gesetzt wer- lich keine Kompetenzverschiebung deren Staatszielbestimmungen ent- ner nebulösen, quasi-ontologischen den. Dabei ist die Kultur untrennbar zwischen Bund und Ländern. Wie in falten. Der Grundsatz der Einheit der Der Verfasser ist Inhaber des Konstruktion gesichert wissen. mit der Menschenwürde verknüpft, Art. 20 wird die Frage, wer der ver- Verfassung verlangt es, bei Gesetzge- Lehrstuhls für Öffentliches Recht an Sehr zu begrüßen ist, dass die denn die Verwirklichung des Indivi- pflichtete „Staat“ ist, durch die Kom- bungsvorhaben auch die kulturelle der Juristischen Fakultät der Kommission von der Formulierung duums in der Gesellschaft bringt die petenzabgrenzungen in den Art. 30, Dimension und die Folgen für die Friedrich-Alexander-Universität einer Kulturstaatsklausel Abstand Inhalte hervor, die in ihrer Gesamt- 70 ff., 83 ff. GG beantwortet. Insbe- Kultur gleichgewichtig mit zu beden- Erlangen – Nürnberg Zur Bedeutung der Kultur für die globale Ordnung Gedanken zu der UNESCO-Konvention zum Schutz kultureller Vielfalt • Von Bernhard 3reiherr von Loeffelholz

Der international in Gang gekomme- europäischer Kultur. Mit dem Pietis- war von Anfang an die Bereitschaft turen sind aber für Länder und Re- Aktionäre und Konsumenten su- ne Diskussionsprozess zur Erarbei- mus haben sie in den Vereinigten zum Neubeginn bei den Ankömm- gionen in aller Welt seelische und chen, das Kulturdefizit ihres Men- tung einer UNESCO–Konvention, die Staaten von Amerika eine eigene lingen, die sich von den Gegebenhei- geistige Kraftquellen ihrer Identität schenbildes bewusst zu machen. die kulturelle Vielfalt in der Welt sehr starke Ausprägung gefunden, ten in ihren Herkunftsländern abge- und ihres Selbstbewusstseins und Der Mensch ist mehr als Humanka- schützen soll, ist außerordentlich die seit Ende des Zweiten Weltkrie- wandt hatten. Die pragmatische damit auch eigenständiger Kreativi- pital und Verbraucher. Lebensinhalt wichtig und notwendig. Er ist wich- ges mit mehr oder weniger Erfolg Grundhaltung und der große wirt- tät im globalen Wettbewerb. Diese und Freude gewinnt er auf der Suche tig, um den Stellenwert der Kultu- weltweite Gültigkeit beansprucht. schaftliche Erfolg der Amerikaner Kraftquellen sind öffentliche Güter nach Sinn und in der Verwirklichung ren für die Weiterentwicklung der Kultur und Wirtschaft stehen in haben bei aufstrebenden Eliten in der Völker und unveräußerlich wie von Werten als Gestalter eigener Menschheit bewusst zu machen und ständiger Wechselwirkung zueinan- vielen Teilen der Welt die Übernah- die Menschenrechte. Deshalb muss Ideen und auch in der Anerkennung er ist notwendig, um das Verhältnis der. Kultur ist die qualitative, Wirt- me amerikanischer Marktregeln ge- in die GATS-Verhandlungen der dessen, was er gestaltet. von WTO und UNESCO in ein dyna- schaft die quantitative Kategorie. fördert. Sie haben über die neolibe- WTO, der von der UNESCO-Konfe- Die herrschende Wirtschaftsthe- misches Gleichgewicht zu bringen. Kultur reicht von Sitten und Gebräu- rale Wirtschaftswissenschaft der renz aufgezeigte Doppelcharakter orie hat sich zu einer Scholastik ver- chen über die Gestaltung unserer Chicagoer Schule in alle internatio- kultureller Güter - einerseits als Be- festigt, welche mit mathematischer ultur ist im weitesten Sinne die Umwelt, unserer gesellschaftlichen nalen Wirtschaftsverträge und Welt- deutungsträger geistiger Werte und Logik gleichsam naturwissenschaft- K Art und Weise, wie wir mit- Einrichtungen, unserer Produkte bis organisationen, so auch in die Welt- Lebensweisen, andererseits als Han- liche Gültigkeit beansprucht. Damit einander umgehen. Geistesge- zur Kunst als dem kreativsten Be- handelsorganisation (WTO), und delsware - Eingang finden. Die Ide- hat sie die Anschlussfähigkeit an an- schichtlich religiösen Ursprungs, reich. Sie ist der Nährboden, auf dem sogar in die Kommission der Euro- ologen der totalen Liberalisierung dere Wissenschaften verloren, die das haben die Kulturen der Welt über die wirtschaftliche und politische Syste- päischen Union Eingang gefunden. übersehen, dass nicht das billigste in Wirklichkeit sehr viel komplexere Jahrhunderte kategorische Werte me wachsen. Sie ist aber ihrerseits Sie beanspruchen absolute Priorität Angebot, woher immer es komme, Fühlen, Denken und Handeln der hervorgebracht, aus denen politi- wiederum abhängig von wirtschaft- für die Weltordnung - nicht nur im sondern die kreativen und produk- Menschen untersuchen und erklären. sche und wirtschaftliche Systeme lichen und politischen Bedingun- Außenverhältnis der Staaten tiven Kräfte im Lande das Wohlerge- Der Klassiker der marktwirt- entstanden sind. Das System der gen, von wissenschaftlichen Er- zueinander - sondern, mit dem End- hen der Menschen nachhaltig si- schaftlichen Theorie, Adam Smith, Marktwirtschaft entsprang demsel- kenntnissen und technologischen ziel totaler Liberalisierung, auch im chern. Die neoklassische Wirt- erwartete von der „unsichtbaren ben Geist der Aufklärung wie unser Entwicklungen. Umgang der Menschen miteinander. schaftstheorie und Handelspolitik, Hand des Marktes“ die beste Alloka- politisches System der Demokratie: Wenn Kultur und Wirtschaft im Es liegt in der Logik dieses Prozes- die auf dem verkümmerten Men- tion der Produktionsfaktoren – Bo- Jedermann ist gleich vor dem Gesetz Gleichgewicht sind, blühen beide. ses, dass mehr und mehr demokra- schenbild des homo oeconomicus den, Arbeit, Kapital – zur Versorgung und besitzt das aktive ebenso wie Die USA haben dies als klassisches tische Macht durch wirtschaftliche aufbaut, lässt die kulturellen Grund- der Nachfrager. Bei ihm findet man das passive Wahlrecht. Jedermann Einwanderungsland durch Ein- Macht, Staatsbürger durch Markt- lagen des Wirtschaftens außer Acht. keinen „homo oeconomicus“. Smith soll als Anbieter ebenso wie als schmelzung der Kulturen aller Ein- teilnehmer, Wählerstimmen durch Daher ist den Protagonisten der Glo- Nachfrager freien Marktzugang ha- wanderer in einen American Way of Kaufkraft ersetzt werden. balisierung, die das Heil für die Men- Weiter auf Seite 8 ben Beide Systeme sind Subsysteme Life erreicht. Voraussetzung dafür Die historisch gewachsenen Kul- schen ausschließlich in Vorteilen für ZUR DISKUSSION GESTELLT politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 8

der als ineffizient erwiesen hat, ha- Fortsetzung von Seite 7 ben wir heute in den Großunterneh- Glossar men private Planung und Kontrolle Zur Bedeutung der Kultur durch Berater. Beiden gemeinsam ist für die globale Ordnung die Außensteuerung durch Perso- WTO im Dienstleistungssektor), ausgehandelt nen, die in der Regel nicht für die World Trade Organization; Welthandels- und unterzeichnet im Rahmen der Uruguay- Auswirkungen ihrer Einflussnahme war als Moralphilosoph von der Au- organisation, gegründet 1995 nach Runde, in Kraft getreten 1995. tonomie ethischer und ästhetischer einzustehen haben. Suboptimal Abschluss der Uruguay Round; umfasst Werte überzeugt, die er aus der in- bleibt vor allem Planung im Bereich gegenwärtig 147 Staaten. MAI nersten Natur des Menschen letztlich der Forschung. Wissenschaftliche Multilateral Agreement on Investions; Ergebnisse sind nicht planbar und von göttlichen Geboten ableitete. Multilaterales Investitionsabkommen, von 1996 Wenn das Wirtschaften sich von oft von Zufällen abhängig. Im Ver- UNESCO bis 1998 im Rahmen der OECD diskutiert. der Kultur trennt, kommt es zu Brü- gleich zu mittelständischen Unter- United Nation Educational, Scientific and chen. Wir können das seit Jahrzehn- nehmen sind denn auch die eigenen Cultural Organization; Organisation der ten in weiten Teilen Afrikas und an- Forschungsleistungen von Großun- Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft OECD deren Regionen der Dritten Welt be- ternehmen seit der Ausrichtung auf und Kultur, gegründet 1945; umfasst gegen- Organization für Economic Co-operation and obachten. Seit die Alternative kom- die kurzfristige Maximierung des wärtig 190 Staaten. Development; Organisation für wirtschaft- munistischer Weltherrschaft nicht Shareholder-Value immer beschei- liche Zusammenarbeit und Entwicklung; mehr droht, spüren wir in den alten dener geworden. GATT gegründet 1961, umfasst 30 Länder. Fredmund Malik, herausragen- Industrieländern immer mehr die General Agreement on Tariffs and Trade; Verdrängung kultureller Werte mit der Unternehmensberater, der an Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen; Uruguay Round wirtschaftlichen Argumenten. Die der Universität St. Gallen lehrt, Letzte der vom GATT zwischen 1948 und 1994 schrieb am 27.4.05 im Manager Ma- unterzeichnet 1947, gehört heute zu den von unsichtbare Hand des Marktes ist bei durchgeführten multilateralen Verhandlungen den Neoklassikern zur sichtbaren gazin: „Wir haben längst nicht mehr, der WTO verwalteten Abkommen. über den Welthandel. Zu den bekanntesten Faustregel für alles menschliche was in einer sinnvollen Weise als Ka- Streben erstarrt. Aus ursprünglich pitalismus bezeichnet werden kann. GATS Ergebnissen dieser Runde gehört die Menschen befreiendem liberalem Wir haben etwas schlimmeres, näm- General Agreement on Trade in Services Schaffung der Welthandelsorganisation WTO, Denken ist ein neuer Totalitarismus lich einen primitiv-vulgären Geld- (Allgemiens Abkommen über den Handel die das GATT 1995 ablöste. entstanden, der die Menschen bis in ökonomismus, d.h. ein Wirtschafts- die höchsten Entscheidungsebenen denken, das alles auf nur gerade eine von verantwortlichen Gestaltern ih- Größe reduziert, nämlich Geld. Geld, res Unternehmens zu Funktionären und nicht Kapital ist es, was Denken nigten Staaten, wo die Nettoinvesti- das Streben nach der Erwirtschaf- beralismus niemandem vorschreibt, der kurzfristigen Gewinnmaximie- und Handeln dominiert.“ tionsquoten seit Jahren die niedrigs- tung einer Eigenkapitalrendite von wonach er sich zu richten hat. Nie- rung degradiert. Damit kommt es nicht mehr im ten sind seit dem Zweiten Weltkrieg. 25 % zur Vernichtung oder Verhinde- mand habe deutlicher gesagt als der Um das für beide Seiten nötige Sinne von Adam Smith zu einer op- In der Tat ist es erstaunlich, dass rung all der Arbeitsplätze führen, die große Liberale .und Nobelpreisträ- Gleichgewicht zwischen Kultur und timalen Faktorallokation. Unter der- die herrschende Wirtschaftswissen- eine geringere Rendite erwarten las- ger Friedrich von Hayek, dass Wirtschaft herzustellen, plädiere ich zeitiger Steuerung der Weltwirt- schaft und die ihre Lehre verbreiten- sen. Das bedeutet auch, dass wir letztlich alle Ziele nicht ökonomi- dafür, dass nicht nur Kultureinrich- schaft durch den globalen Kapital- den Medien, gefolgt von Politikern weniger Wirtschaftswachstum ha- scher Natur seien. tungen wirtschaftlich evaluiert wer- markt gleichen die Neoklassiker aller Parteien, nicht zu unterschei- ben als bei niedrigerer Kapitalrendi- Die internationale Diskussion den, sondern dass auf der Grundla- Zauberlehrlingen, die immer mehr den vermögen zwischen gestal- te möglich wäre. um die UNESCO-Konvention, aber ge autonomer kultureller Wertesys- Finanzmittel in dieselbe Ecke keh- tungsfreudigen Unternehmern, die Als wir in Deutschland noch Voll- auch die politische Auseinanderset- teme mit gleichem Recht das Funk- ren, fort von dauerhafter Investition Arbeitsplätze und Werte schaffen beschäftigung hatten, waren Vor- zung um den Stellenwert der Kultur tionieren des Wirtschaftssystems in neue Unternehmen und Produk- und die dafür Kapital und offene stände und Aktionäre, aber auch in Deutschland und in Europa soll- evaluiert wird. te, in gemeinnützige, kulturelle, for- Märkte brauchen auf der einen Sei- Kunden, Mitarbeiter und Fiskus mit ten in diesem Sinne dem Verhältnis Unter kulturellen Gesichtspunk- schende und Bildungs-Einrichtun- te und Gewinnmaximierungsfunkti- einer Rendite von 8% bis 10% zufrie- von Kultur und Wirtschaft mehr Auf- ten gibt es reichlich Anlass zu Kritik gen, die Erkenntnis suchen und ver- onären auf der anderen Seite, deren den. Damals zahlten die Großunter- merksamkeit widmen. am realen Kapitalismus wie seiner- mitteln, hin zur Zusammenballung Denken und Trachten nur auf kurz- nehmen noch Steuern in Deutsch- Konkret erschiene mir sehr wün- zeit am realen Sozialismus – umso von immer mehr Geld für Mergers fristige Verwertung gerichtet ist und land und Mitarbeiter hatten noch schenswert, dass eine substantielle mehr, als der Kapitalismus in ähnli- und Acquisitions. die dafür immer gewaltigere Sum- Freiräume zur ideenreichen Gestal- Konvention zum Schutz kultureller cher Weise auf Abwege geraten ist, Dies hat auch Folgen für die Viel- men für Fusionen und Unterneh- tung und Freude an der Arbeit, die Vielfalt von möglichst vielen Mit- wie vordem der Sozialismus. falt der Unternehmenskulturen. menskäufe der dauerhaften Investi- ihnen heute durch Leitlinien, strikte gliedsstaaten der UNESCO bald un- Beiden gemeinsam sind der My- Mergers, Zerschlagungen und Teile- tion entziehen. Es sollte eigentlich Vorgaben umfangreiche Berichts- terzeichnet wird, und dass Vertreter thos des Eigentums und der Glaube verwertungen zerstören organisch Volkswirte nachdenklich machen, pflichten und ständige Kontrollen der UNESCO künftig beratend zu an die Planbarkeit der Wirtschaft. gewachsene Firmen, vernachlässi- dass z.B. die Deutsche Bank 2004 genommen werden. Verhandlungen der WTO und auch Die Kommunisten glaubten, dass gen unter standardisierter auswärti- ihre Forderungen aus dem Kreditge- Unser modernes Wirtschaftssys- anderer internationaler Wirtschafts- der Staat als Eigentümer der Produk- ger Beratung individuelle Produkt- schäft um 48 % reduziert hat und ih- tem ist vor allem technologisch mo- institutionen zugelassen werden. tionsmittel die besten Wirtschaftser- und Kundenerfahrung und hinter- ren Gewinn hauptsächlich mit dern. Geistesgeschichtlich tendiert gebnisse erreichen könne, die Neo- lassen häufig sterile Unternehmen. Transaktionen am internationalen es eher zu einem Rückfall in das 19. Der Verfasser ist Vorstandsmitglied liberalen glauben, dass der Share- Kapital wird von Unternehmern Kapitalmarkt verdient. Nicht der Jahrhundert, wenn es die Erfahrun- des Kulturkreises der deutschen holder als Eigentümer mit dem Stre- investiert, um Arbeitsplätze zu schaf- Kunde, der risikofreudige Unterneh- gen, die zu Kommunismus und Na- Wirtschaft im BDI, Präsident des ben nach Gewinnmaximierung die fen und zu produzieren. Was wir seit mer, ist König - ihm verweigert oder tionalsozialismus geführt haben, Sächsischen Kultursenats, Sachver- rationellste Nutzung der Ressourcen Jahren erleben, bezeichnet Malik als verteuert das System Kredite und missachtet. Es ist auch kein echter ständiges Mitglied der Enquete- erbringen könne. eine der größten Kapitalvernichtun- ermöglicht gar ihren Verkauf an an- Liberalismus, wenn alle Ziele der Kommission des Deutschen Nachdem sich die staatliche Pla- gen, vor allem in den wirtschaftspo- dere Gläubiger -, sondern der Share- Wirtschaft unterstellt werden sollen. Bundestages „Kultur in nung und Kontrolle durch Parteika- litisch als Vorbild gepriesenen Verei- holder. Unverkennbar muss auch Malik sagt mit Recht, dass echter Li- Deutschland“ Die Kultur und das gute Leben Warum man mit Kultur Staat macht und warum der Staat daher Kultur machen muss • Von Max 3uchs

Nun gibt es auch ein erstes Bundes- nen Gestaltung der gesellschaftli- eigenen Lebens und die Gestaltung Liberalismus, der die Freiheitsrech- um die Hauptbegriffe des neuzeitli- land, in dem es – ebenso wie bereits chen Verhältnisse zu tun hat und gesellschaftlicher Verhältnisse. Es te des Einzelnen in den Mittelpunkt chen Vernunftrechts ergänzt um die bei Kommunen oder kommunalen man daher eine Kulturpolitik geht also um eine praktische Philo- stellt und vom Einzelnen aus „Gesell- Erkenntnis des 19. Jahrhunderts, Spitzenverbänden – keine genuine braucht, die das „Kulturelle“ in die- sophie, um eine (Individual-) „Ethik schaft“, Politik und Staat entwickeln dass die Realisierung von Freiheit Verantwortlichkeit für Kulturpolitik in sem Sinne gestaltet. des guten Lebens“ und um eine po- will, und dem Kommunitarismus, auch Ressourcen erfordert, es geht der Regierungsmannschaft mehr litische und Sozialphilosophie der der von der Gemeinschaft und ihren also auch um die Entdeckung sozia- gibt. Kulturpolitik scheint offenbar Die zwei zentralen „wohlgeordneten Gesellschaft“. In Sitten und Gebräuchen ausgeht, die ler Rechte und des Sozialstaates. Ar- zunehmend ein Politikfeld zweiter Aufgaben der griechischen Philosophie gehör- dem Individuum und seiner Ent- tikel 1 des Grundgesetzes formuliert Wahl zu werden. ten beide Fragen noch zusammen: wicklung jeweils schon vorgelagert dies so: „Die Würde des Menschen ist „Alle Fortschritte in der Kultur, wo- Das Engagement in der Polis war we- sind. Man wird davon ausgehen kön- unantastbar. Sie zu achten und zu as Paradoxe an dieser Gering durch der Mensch seine Schule sentlicher Inhalt eines gelingenden nen, dass dieser Streit – wie es sich schützen ist Verpflichtung aller staat- D schätzung ist, dass bestimmte macht, haben das Ziel, diese erwor- guten Lebens und die Polis konnte für einen philosophischen Grundla- lichen Gewalt.“ Ein solches Verständ- Aufgaben, die „Kultur“ in der Gesell- benen Kenntnisse und Geschicklich- andererseits nicht gelingen, wenn genstreit gehört – niemals entschie- nis des Menschen, der nicht bloß als schaft zu erfüllen hat, immer größer keiten zum Gebrauch für die Welt die Polisbürger kein tugendhaftes den werden kann. Zwischenzeitlich Gattungswesen, sondern als konkre- und dringlicher werden. Das Pro- anzuwenden; aber der wichtigste Leben führten. Im Zuge der Entwick- bietet es sich daher an, beide Proble- tes einzelnes Individuum Grundlage, blem besteht jedoch darin, dass die Gegenstand in derselben, auf den er lung der Moderne ist mit der „Ent- me als „gleichursprünglich“ zu be- Ausgangspunkt und Ziel der politi- Rolle des öffentlich geförderten Kul- jene verwenden kann, ist der Mensch: deckung“, manche sprechen sogar trachten: Zum einen geht es um die schen Ordnung aller liberalen Demo- tursystems bei der Lösung dieser weil er sein eigener, letzter Zweck ist.“ von der „Erfindung des Individu- Begründung der Freiheitsrechte des kratien ist, ist die entscheidende kul- Aufgaben nicht nur von anderen Ak- – so beginnt Kant seine „Anthropolo- ums“ dieser Zusammenhang zwi- Einzelnen, seiner autonomen Wil- turelle Errungenschaft der europäi- teuren beansprucht wird, sondern gie in pragmatischer Absicht“. schen Individuellem und Sozialem lensfreiheit, seines Rechtes, Zweck schen Neuzeit, die aber inzwischen dass auch die Notwendigkeit, die ei- Am Anfang des Schlussabschnit- zerrissen, so dass wir heute mühsam und nicht Mittel für andere Zwecke als universeller Standard weltweit gene Relevanz zu begründen, im Kul- tes in der „Kritik der praktischen Ver- zusammenfügen müssen, was ei- zu sein. Es geht um die „Person“ als akzeptiert (wenngleich auch als er- turbereich eher unterentwickelt ist. nunft“ spricht er zudem von der Be- gentlich zusammengehört. Der Du- Trägerin genuiner Menschenrechte gänzungsbedürftig im Hinblick auf Legitimation ist also erneut not- wunderung und Ehrfurcht, die zwei alismus des Ich und des Wir findet auf ein selbst gestaltetes Leben in eine vermutete soziale Blindheit be- wendig. Sie hat mit der Akzeptanz Dinge auslösen: „der bestirnte Him- sich seither in allen Lebensberei- Freiheit. Zum andern geht es um die trachtet) wird. guter Gründe, mit Begründungsver- mel über mir und das moralische chen: individuelle Freiheit vs. gesell- Frage, wie die Gesellschaft beschaf- „Kultur“ bezieht sich daher auf pflichtung und mit (argumentativer) Gesetz in mir“. Es geht hierbei nicht schaftlicher Ordnung; individuelle fen sein muss, die solchen „Perso- die Welt- und Selbstgestaltung des Überzeugung zu tun, so dass man bloß um wissenschaftliche Natur- Würde des Menschen vs. kollektive nen“ ermöglicht, ihre Personalität Menschen: Der Mensch in der sich hiermit mitten im demokrati- oder Charakterstudien, sondern um Regelungen; Autonomie des Einzel- auszuleben. Es geht also um Freiheit grundsätzlichen Offenheit seiner schen Diskurs befindet. Es muss er- Weltweisheit, um Orientierung im nen vs. soziale Verantwortung. Er und Gleichheit, um die Idee des neut gezeigt werden, dass und wie Leben. Zwei Aufgaben stellen sich: zeigt sich heute in der wichtigen Rechtsstaates, der Demokratie und Weiter auf Seite 9 „das Kulturelle“ etwas mit der huma- die sinnerfüllende Gestaltung des Debatte zwischen philosophischem der Souveränität des Volkes. Es geht ZUR DISKUSSION GESTELLT politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 9

geboren.“ Doch wieso ist das der diese ihm allerdings auch aufgege- brachte Normsysteme fragwürdig Ethik, sondern speziell auch für eine Fortsetzung von Seite 8 Fall? Ein zweites Problem besteht in ben ist. Natürlich kann sich der wurden. So hat etwa die Säkularisie- Grundlegung des demokratischen der schlechten Realität, die zeigt, Mensch dieser Aufgabe entziehen, rung der Gesellschaft eine religiöse Rechtsstaates („Faktizität und Gel- Gestaltungsmöglichkeiten muss sich dass beide Artikel keine empirische was auch Kant wusste: „Habe ich ein Begründung der politischen Grund- tung“; 1992) aus. Der Grundgedan- Regeln zur Zivilisierung seiner Mög- Beschreibung der Realität, sondern Buch, das für mich Verstand hat, ei- werte inakzeptabel für die Allge- ke: Menschen in verständigungsori- lichkeiten geben. Das Wissen über bestenfalls Normen sind. Der zwei- nen Seelsorger, der für mich Gewis- meinheit gemacht, obwohl natürlich entierte Absicht akzeptieren quasi den „gestirnten Himmel über mir“ te Satz des ersten Grundgesetzarti- sen hat, einen Arzt, der für mich die beim einzelnen Menschen oder unausgesprochen in ihrer Diskurs- alleine genügt nicht, es muss zur kels verpflichtet deshalb den Staat zu Diät beurteilt, so brauche ich mich sogar bei Gruppen die Überzeu- praxis bestimmte, unhintergehbare (Welt-)Weisheit werden. In den zwei entsprechenden Handlungen: „Men- ja selbst nicht zu bemühen.“ In die- gungskraft der Religion beibehalten Regeln. Der demokratische und libe- oben genannten Aufgaben: der Ge- schenwürde“ ist ein politisches Ge- sem Fall spricht Kant von einer „selbst- wurde. Es ist daher richtig, zwischen rale Rechtsstaat liefert dann die not- staltung des eigenen Lebens und der staltungsziel. Es ist dies jedoch nicht verschuldeten Unmündigkeit“. Doch einer individuell akzeptierten und wendigen Rahmenbedingungen, da- Gestaltung der Gesellschaft, kann nur ein Ziel auf der Ebene der For- es bleibt die Frage: Wenn generell die einer universell benötigen Begrün- mit es in kommunikativer Freiheit zu das letztliche Ziel aller menschlichen derungen des Einzelnen an „den Religionen und Weltanschauungen dung von (Verhaltens-)Normen zu einem Austausch von Begründungen Aktivitäten gesehen werden. Doch: Staat“: Man kann offenbar durch zwar vielleicht für Einzelmenschen, unterscheiden. Das Kultursystem für Geltungsansprüche kommen „Zwei Erfindungen der Menschen „unwürdiges Verhalten“ sich selbst aber nicht universell Begründungen hat als eine wichtige gesellschaftli- kann. An dieser Stelle ergibt sich kann man wohl als die Schwersten diskreditieren. Würde ist daher auch für die normativen Grundlagen un- che Funktion die Aufgabe der (De-)Le- zwanglos eine Verbindung mit der ansehen: die der Regierungs- und ein Gestaltungsauftrag an sich seres Lebens für alle liefern, woher gitimation des Handelns der Wirt- früheren Arbeit von Habermas über die der Erziehungskunst nämlich.“, selbst, und die Erfüllung dieses Auf- kann ich sie dann beziehen? schaft und der Politik, aber auch der den „Strukturwandel der Öffentlich- so wiederum Kant in seiner Vorle- trages ist eine menschliche und kul- Bevor ich diese Frage weiter ver- Darstellung und Bewertung von Pro- keit“. Denn offenbar ist eine Grund- sung „Über Pädagogik“. Es ist daher turelle Leistung. Doch wie kann man folge, will ich noch einige Hinweise zur zessen und Entwicklungen im Sozi- lage für das Funktionieren des Dis- eine wichtige kulturelle Errungen- ein Leben in Würde ermöglichen Menschenwürde geben. Diese hat mit alen. Auch das eng mit dem Ver- kurses, der zur Legitimation führt, schaft, die Möglichkeit des Men- (materielle Ressourcen, Sicherheit, dem Erkennen von Unrecht zu tun, ständnis von Menschenwürde ver- eine entsprechende Öffentlichkeit, schen zur autonomen Lebens- und Freiheit, Diskriminierungsverbot, mit dem Erkennen meiner Möglich- bundene Menschenbild ist nicht ein in der neben den etablierten politi- Politikgestaltung entdeckt und be- Ermöglichung individueller Entfal- keiten, mit dem Aufspüren von Leid für allemal festgelegt, sondern muss schen Akteuren auch die Zivilgesell- schrieben zu haben, doch realisiert tungsmöglichkeiten, wechselseitige und Missachtung, mit der Bewertung seine Akzeptanz in einer ständigen schaft und ihre Organisationen eine ist diese damit noch lange nicht. Po- Achtung und Anerkennung)? Auch von Ereignissen und Erkenntnissen. Selbstverständigung erhalten. Dies Rolle spielen. Dieser Ansatz bietet litik insgesamt, speziell die Kultur- für Deutschland sollte man all dies Bei all dem ist meine Wahrnehmungs- gilt sogar für das Grundgesetz selbst. gute Möglichkeiten, die Relevanz und Bildungspolitik finden hierbei nicht als selbstverständlich anneh- fähigkeit, mein Denken, ist mein Ur- Denn auch eine Verfassung kann ihre des Kulturellen aufzuzeigen. So ihre genuine Aufgabe. Dabei geht es men. Man erinnere sich, dass die teilsvermögen gefordert. Und genau in Legitimität verlieren. Das Ringen um führt das Konzept der Öffentlichkeit nicht bloß um die Umsetzung eines erste Pisa-Studie unseren Schulen all diesen Dimensionen leisten Küns- das Menschenbild ist daher zu den Medien. Eine ambitionierte unstrittigen gültigen Wissens darü- „strukturelle Demütigung“ beschei- te Unverzichtbares: Sie können mir vielleicht die wichtigste Aufgabe des Geschichte der Medien (von W. ber, wie es sein müsste: die Begrün- nigt. Gerade für den Kulturbereich Dinge zeigen, die ich bislang überse- kulturellen Systems überhaupt, wo- Faulstich) stellt deren Entwicklung dung der Sinnhaftigkeit der vorge- ist zudem das Buch des israelischen hen haben, sie schulen meine Wahr- bei die grundsätzliche Offenheit und von den Anfängen der Menschheit schlagenen Orientierungen und Zie- Moral-Philosophen Avishai Margalit nehmung, und vor allem: sie zeigen Diskussionsmöglichkeit jedes Ant- dar und bezieht ausdrücklich die le des praktischen Handelns ist viel- (Politik und Würde; 1997) wichtig, Möglichkeiten des Handelns und wortversuches aufrecht zu erhalten künstlerischen Ausdrucksmedien mehr ein Prozess und muss ständig der von Bildungs- und Kultureinrich- Urteilens auf (siehe meinen Text ist. Nun sind in den Natur-, Geistes- von Anfang an mit ein. Künste sind erarbeitet werden. tungen Respekt vor dem anderen „Ethik und Kulturarbeit“, 2003, und Sozialwissenschaften alle Versu- Teil der Medien und der Öffentlich- Kunst- und Kulturpolitik können fordert, was durchaus in Konflikt mit www.akademieremscheid .de, Publi- che einer Letztbegründung geschei- keit und damit auch zentral für die dafür sorgen, dass ein solches Fragen der Kunstfreiheitsgarantie geraten kationen). Der Mensch lernt sich im tert. Erhaltung der Legitimität der poli- nach dem Grund erhalten wird, das könnte. Umgang mit Kunst selbst besser ken- Bevor man nunmehr zur schein- tischen Ordnung. „Kultur“ heißt eingefahrene Selbstgewissheiten er- Im Hinblick auf nähere Bestim- nen. Kunst schafft Laborsituationen bar unausweichlichen Alternative hier Kommunikation und Legitima- schüttert und vielleicht ganz neue mungen des Würdebegriffs ist Kant und Möglichkeitsräume für Erfah- völliger Beliebigkeit greift, kann man tion, heißt: diskursive Aushandlung Antwortversuche probiert. Dies gilt mit seiner „Grundlegung zur Meta- rungen und Bewertungen, schafft sich von Aristoteles über die Tugend einer gemeinsamen Position des- insbesondere für den Kernbegriff un- physik der Sitten“ eine wichtige Re- ein eigenartiges und eigengesetzli- der Klugheit und die Möglichkeiten sen, was „wohlgeordnete Gesell- serer Verfassung, die Menschenwürde. ferenz: „Handle so, dass du die ches Zwischenreich zwischen bloßer eines verständigungsorientierten schaft“ bedeutet. Menschheit sowohl in deiner Person, Fantasie und Realität. Diskurses informieren: Der Aus- Menschenwürde in der als in der Person eines jeden ande- tausch von Argumenten, das Ringen Der Mensch im Diskussion ren, jederzeit zugleich als Zweck, Die Suche nach dem um Überzeugungen in öffentlicher Mittelpunkt niemals bloß als Mittel ansiehst.“ Es Grunde Rede ist die Basis für eine wohlge- „Dass es so etwas wirklich gibt wie geht um die Menschheit in mir und ordnete Gesellschaft. Interessant ist, Der Mensch im Mittelpunkt – dies ist eine Würde des Menschen und was in jedem konkreten Anderen, und Kinder haben schon recht mit ihrem dass Kant und Aristoteles in diesem seit langem das Motto der UNESCO sie bedeutet, wird uns nirgendwo diese ist ausgezeichnet dadurch, ständigen Fragen nach dem Wozu Zusammenhang immer wieder auf und es sollte das Motto jeder frei- eindrücklicher erfahrbar als in letztlich der Zweck jeglichen und Warum. Denn oft genug zerbre- die Frage der Bildung und Erziehung heitlichen Demokratie sein. Ur- Grenzsituationen ihrer äußersten In- menschlichen Handelns zu sein. Der chen vermeintliche Gewissheiten. zurückkommen: Denn dass der sprünglich stand im Entwurf von fragestellung.“, so Werner Maihofer, Mensch ist in der Lage, nicht nur ver- Mit besonderer Vorliebe suchen da- Mensch erst werden muss, was er ist, Herrenchiemsee des Grundgesetzes, Rechtsphilosoph und zeitweilig Bun- nünftig zu handeln, sondern sich sel- her nicht nur Wissenschaftler und und dass er hierbei der Erziehung dass der Staat für den Menschen da des-Innenminister, in seiner Kom- ber für dieses Handeln Gesetze zu Philosophen nach einem stabilen bedarf, ist beiden Denkern klar. ist und nicht umgekehrt. Die Idee mentierung von Artikel 1 des Grund- geben. Dies macht seine Autonomie Fundament für ihre Theoriegebäu- Aristoteles war offenbar der ers- des Sozialstaates konkretisiert die- gesetzes („Rechtsstaat und mensch- (= Selbstgesetzgebung) aus. Helmut de, sondern auch die politische Pra- te Diskurstheoretiker. Bekanntlich sen Ansatz. liche Würde“, Frankfurt am Main Plessner formulierte dies 150 Jahre xis. Im Zuge der Moderne ist in dem arbeitete Jürgen Habermas diesen 1968, Seite 11). Doch wann ist ein später so, dass dem Menschen eine Maße diese Suche nach dem Grund Gedanken nicht bloß im Hinblick auf Weiter auf Seite 10 Vergehen bloß ein normales Verbre- bewusste Lebensführung möglich, intensiver geworden, wie altherge- generelle Begründungsfragen in der chen und wann ein Verstoß gegen die Menschenwürde? Maihofer prä- zisiert: Es sind Situationen, in denen ich ausgeliefert bin der Willkür eines anderen, in denen mein Selbst- und Weltvertrauen grundsätzlich gestört, vielleicht für immer zerstört wird, weil mir jede Möglichkeit zur Gegen- wehr genommen ist. Dabei muss es nicht nur der Staat sein, gegen des- sen Übergriffe meine Integrität, mei- ne körperliche, geistige und seeli- sche Unversehrtheit geschützt wer- den muss: Der Staat muss diese auch gegen Übergriffe anderer Menschen schützen. Es geht um die prinzipiel- le Unverfügbarkeit meiner Person. Es geht dabei nicht nur um Schutz- und Abwehrrechte, sondern auch um Anspruchsrechte: um den An- spruch auf menschenwürdige Ver- hältnisse. So entsteht ein Band zwi- schen dem Rechtsstaat, der die Per- son schützt, und dem Sozialstaat, der Rahmenbedingungen für eine menschenwürdige Existenz schafft. All dies ist heute akzeptiert. Doch wo findet man Begründungen für diesen Grundsatz? Einer Reihe von früher akzeptierten Gründen, so Franz-Josef Wetz (Die Würde des Menschen ist antastbar; 1998), sind (heute) nicht mehr akzeptabel: reli- giöse oder weltanschauliche Be- gründungen, der Bezug auf die Na- tur oder die Geschichte, der Bezug auf Glauben oder Offenbarung. Es bleibt Artikel 1 der Allgemeinen Er- klärung der Menschenrechte als Be- zugspunkt für Artikel 1 des Grund- gesetzes: „Alle Menschen sind frei und an Würde und Rechten gleich Martin Hufner: Hommage á Kapielski (2000) Foto: Hufner ZUR DISKUSSION GESTELLT politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 10

druck kommt. Hegel arbeitete dann ethische Person, Rechtsperson, Exemplare dieser Gattung quasi als den Irak und insbesondere gegen die Fortsetzung von Seite 9 die doppelte Rolle des Menschen in Staatsbürger und moralische Per- Repräsentant fungieren kann: Es Loyalitätsbekundungen des damali- der Öffentlichkeit aus: Er ist Bour- son ist (so bei Forst; Walzer differen- wirkt durch mich der Mensch in mir. gen spanischen Ministerpräsidenten Die Kultur und das geois, der seinen privaten ökonomi- ziert es noch weiter aus). Aus jedem Diese dialektische Wendung, die den protestierten, eine Denkschrift ver- gute Leben schen Interessen nachgeht, und er dieser Personbegriffe ergeben sich Einzelnen quasi automatisch sozia- fasst, der sich wichtige Intellektuel- ist Citoyen als Gestalter politischer Handlungsmöglichkeiten und Kom- lisiert, versetzt ihn dann zwar in alle le (Derrida, Rorty, Eco u.a.) anschlos- So bleibt die Arbeit am Subjekt, Verhältnisse. Der Mensch muss also petenzerfordernisse, um eine Teil- Anspruchsrechte des „Menschen“, sen (Habermas: Der gespaltene Wes- die Arbeit an sich selbst, die Reali- verschiedene Rollen übernehmen. habe in den entsprechenden Gesell- allerdings fordert dies auch Respekt ten; 2004, S. 43 f.). Das zentrale Pro- sierung des individuellen „Projektes Er ist Mitglied unterschiedlichster, schaftsfeldern sicherzustellen. Um vor diesem „Menschen“ in ihm. Im blem dieser Denkschrift war die des guten Lebens“ zwar in der Ver- sich weiter ausdifferenzierenden diese geht es letztlich: um eine auch Zweifelsfall grenzt dies meine eige- Frage nach der Positionierung Eu- antwortung jedes Einzelnen, es gibt Gesellschaftsfeldern und er hat da- als Menschenrecht formulierte (sozi- ne Verfügungsgewalt über mich ropas. Habermas wünschte sich ein jedoch eine öffentliche Verantwor- her auch verschiedene Funktionser- ale, ökonomische, politische und kul- selbst ein. Denn das Kantsche Verfü- politisch selbstbewusst auftreten- tung. Dabei ist es eine Gratwande- wartungen zu erfüllen: als Repräsen- turelle) Teilhabe. Wichtig bei dem gungsverbot einer Degradierung des des Europa und analysierte die rung, die individuelle Autonomie zu tant einer privilegierten (weil mit weiteren Verfolgen dieses Gedankens Menschen zu einem Mittel gilt auch Schwierigkeiten, die einer besseren respektieren und andererseits eine Vernunft ausgestatteten) Gattung, sind dabei Untersuchungen, die auf für mich. Weder darf ich Hand an europäischen Integration entgegen- Hilfestellung zu geben, ohne den als Bürger eines politischen Gemein- die Ressourcenfrage eingehen: dass mich selber legen, noch darf ich – stehen (u. a. Bürgerferne, Demokra- Einzelnen zu entmündigen. Die wesens, als Wirtschaftssubjekt, als nämlich ökonomische, geografische, etwa im Rahmen der Gentechnolo- tiedefizit). Ein in unserem Kontext „Grenzen der Wirksamkeit des Staa- Teil einer Familie. Und es werden rechtliche und bildungsmäßige Vor- gie – mein Menschsein verändern, wichtiger Teil (S. 43 ff.) befasst sich tes“, so der liberale Vordenker Wil- immer mehr Felder, in denen das aussetzungen geschaffen werden weil es eben nicht nur mein eigenes mit der Notwendigkeit, aber auch helm von Humboldt, hören bei dem Subjekt Handlungsfähigkeit erwer- müssen, damit die Teilhabe auch rea- Menschsein ist, über das ich verfü- mit der Möglichkeit, eine bessere Individuum und seiner Verantwor- ben muss, um sein Recht auf Teilha- lisiert werden kann (so F. X. Kauf- gen würde. Gerade an dieser Stelle Integration herzustellen. Als Kern tung für sein Leben auf. Allerdings be umzusetzen. Dieser Gedanke ist mann zur sozialen Teilhabe). Immer entstehen ethisch-moralische eines solchen Prozesses sieht er die braucht der Mensch die richtige „Bil- in einem neuen Entwurf des Philo- wieder fällt es ins Auge, dass weder Grundprobleme, bei denen es viele Herstellung einer europäischen dung“, und für diese ist der Staat sophen Otfried Höffe sehr schön be- die individuelle noch die gesellschaft- Grenzfälle gibt: Klonen, Gentechno- Identität. Als Grundlage für eine sol- zumindest mitverantwortlich. Bil- schrieben: die „Demokratie im Zeit- liche Seite nicht ohne ihre jeweiligen logie, Ersatz von Körperteilen durch che zählt er sieben identitätsstiften- dung als individuelle Disposition, alter der Globalisierung“ (1999) kulturellen Dimensionen funktionie- Maschinen, Selbstmord, Sterbehilfe, de Merkmale auf, die Europa – und sein Leben in sozialer und politi- schafft von der lokalen bis zur Welt- ren kann. Euthanasie etc. Doch ab wann be- nur Europa – auszeichnen: Säkula- scher Verantwortung zu meistern, ebene neue Steuerungsanforderun- ginnt Menschsein überhaupt und risierung, die starke Rolle des Staa- war schon zu den Zeiten ein „Men- gen, für die man entsprechende In- Grenzen der Subjektivität wann endet es? Die Politik verbindet tes gegenüber dem Markt (Sozial- schenrecht“, als dieser Begriff noch stitutionen benötigt, denen auch diese Frage zudem mit dem Problem staatsprinzip), Solidarität vor Leis- gar nicht erfunden war. Es befasst der Mensch mit seinen individuel- Hinter dem Begriff des Subjekts des Forschungs- und Wirtschafts- tung, Technikskepsis, Bewusstsein sich etwa Aristoteles im 8. Buch sei- len Dispositionen gerecht werden steckt das Bild eines Oben und eines standortes Deutschland. Es melden über die Paradoxien des Fortschritts, ner „Politik“ im obigen Sinne mit muss. Der Mensch ist daher zu- Unten. Bis zur klassischen deut- sich neben den Fachwissenschaft- Abkehr vom Recht des Stärkeren, Bildung, Platon spricht von den Phi- gleich „Wirtschaftsbürger, Staats- schen Philosophie im späten 18. lern Juristen, Mediziner, Philoso- Friedensorientierung aufgrund ge- losophenkönigen als idealen Herr- bürger und Weltbürger“(2004), was Jahrhundert war das Untere das Un- phen, Theologen zu Wort, weil es um schichtlicher Verlusterfahrung. Er schern. Hobbes baut systematisch entsprechende Anforderungen an terworfene. Dieser Sprachgebrauch Fragen geht, die alle angehen und spricht von einer „reflexiven Dis- sein Lehrgebäude auf, das „vom seine Bildung stellt. Hier könnte die hat sich dann geradezu umgedreht: die daher nicht aus einer engen und tanz zu sich“, die europäischen Menschen“ über „den Bürger“ bis (Kultur-)„Philosophie der symboli- das Untere wurde zu dem Tragenden vielleicht zu interessierten Fach-Per- Mächte einnehmen können, um ein zur Regelung öffentlicher Angele- schen Formen“ von Ernst Cassirer für das Obere. Seither meint Subjek- spektive betrachtet werden dürfen adäquates kulturelles Gedächtnis genheiten durch einen starken Staat anschließen, die unterschiedliche tivität dasjenige, von dem die Hand- (vgl. V. Gerhard: Der Mensch wird zu entwickeln. („Leviathan“) reicht. Und dieser Weltzugangsweisen (ästhetische, lungsimpulse ausgehen, das Verfü- geboren. 2001): Ist menschliches Le- Wer sich diese sieben Punkte an- starke Staat ist durchaus nötig, weil technische, wirtschaftliche etc.) un- gungsgewalt hat. Doch wer verfügt? ben etwas Besonderes gegenüber schaut und insbesondere die (knap- nach jahrzehntelangen Bürgerkrie- terscheidet und somit ein „Curricu- Wer ist das „Subjekt“? In der Ge- der Lebendigkeit von Pflanzen oder pen) Erläuterungen von Habermas gen Sicherheit, die Integrität des lum“ der Lebensbewältigung be- schichte waren es oft genug kollek- Tieren? Welche Gründe findet man dazu liest, wird sie unschwer als Er- Lebens durch eine entsprechende gründet. Dies ist zudem kompatibel tive oder nicht greifbare Subjekte: für einen Anthropozentrismus? Die gebnisse „kultureller Selbstvergewis- öffentliche Ordnung herzustellen mit einer Ausdifferenzierung des Gott, der Stand, die Natur, später die Neurowissenschaften melden sich serungsprozesse“ identifizieren kön- sind. Personenbegriffs, so wie sie in M. Klasse, das Vaterland, die Partei oder auf der Basis eines naturwissenschaft- nen, also als Themen, wie sie Der Einzelne ist beides, er ist Walzers „Sphären der Gerechtig- eben auch die Gattung Mensch. Es lichen Verständnisses vom Menschen insbesondere die Kunstsysteme der Mensch und er ist Bürger, was in der keit“ (1993) und auch bei R. Forst ist daher durchaus eine Errungen- mit der These zu Wort, dass aus der europäischen Länder immer schon Ausformulierung bestimmter Men- („Kontexte der Gerechtigkeit“; 1994) schaft, wenn nicht das Abstraktum Sicht der Neurobiologie die Rede von beschäftigten. „Kultur“ ist auch hier schen- und Bürgerrechte zum Aus- erfolgt, dass jeder nämlich zugleich „Gattung“, sondern jedes einzelne der Willensfreiheit eine Schimäre ist: dasjenige Gesellschaftsfeld, in dem Der Mensch funktioniert gemäß ge- derartige Prozesse vorangetrieben netisch gegebener Regeln. Damit werden. Kultur wird so – als Ort oder wird jedoch das gesamte Rechtssys- auch Motor einer entstehenden eu- tem, wird die gesamte europäische ropäischen Identität – zu einem ent- westliche Kultur suspekt, die auf der scheidenden Moment in der politi- Idee der autonomen Person beruht. schen Gestaltung der Zukunft. Man mag man es bedauern, än- dern kann man es nicht: Es gibt kei- Schlussbemerkungen nen archimedischen Punkt, von dem aus in letzter Klarheit all diese Fra- Die Gesellschaft braucht Kultur, gen beantwortet werden können. aber sie tut nicht immer das Richti- Wer von einer religiösen Weltan- ge, um sie lebendig zu halten. Viele schauung überzeugt ist, hat es Kulturmächte übernehmen heute zumindest unter Gleichgesinnten die Aufgabe, Deutungsangebote, Lö- leichter. Doch auch Religionen müs- sungen für ethisch-moralische oder sen ihre Antworten in den Wettbe- politische Konflikte und Angebote JOURNALISTENPREIS 2005 werb mit anderen Vorschlägen ein- zur Sinnstiftung zu unterbreiten. bringen. Der Mensch, so schon H. Doch sind besondere Schutzmaß- Plessner, ist weniger durch eine vor- nahmen erforderlich, damit das freie gegebene feste „Natur“, sondern und freiheitlich-plurale Austauschen politik und kultur, die Zeitung des Deutschen on des Deutschen Bundestags „Kultur in vielmehr durch eine „natürliche von Positionen mittels der Künste Kulturrates schreibt den „politik und kultur Deutschland“; Ernst Elitz, Intendant Künstlichkeit“ bestimmt. Der funktionieren kann. Der Markt sorgt Journalistenpreis 2005“ aus. Damit wird DeutschlandRadio; Prof. Dr. Max 3uchs, Mensch ist ein kulturell verfasstes nicht nur im Selbstlauf nicht für sol- zum zweiten Mal die allgemeinverständli- Vorsitzender des Deutschen Kulturrates; Wesen und Kultur ist der Prozess, in che Voraussetzungen, er zehrt auch dem ständig Veränderungen, Bewe- selber davon, ohne sie schaffen zu che Vermittlung kulturpolitischer The- Theo Geißler, Herausgeber der neuen mu- gungen unterschiedlichster Strö- können. Eine lebendige Kultur men in den Medien ausgezeichnet werden. sikzeitung und von politik und kultur; Prof. mungen zusammengefasst werden. braucht daher eine Gesellschaft, die Dr. h.c. Klaus-Dieter Lehmann, Präsident „Kultur“ ist aber auch der selbstre- im Bewusstsein der Notwendigkeit flexive Prozess, in dem dies alles er- einer ständigen kritischen Selbst- Der Preis wird an einzelne Journalisten oder der Stiftung Preußischer Kulturbesitz; fasst, gedeutet und bewertet wird. überprüfung für sie, für vernünftige Redaktionen vergeben. Es werden einzelne Staatsminister a.D. Dr. h.c. Hans Zehet- Wo verbindliche Antworten feh- Rahmenbedingungen einer lebendi- deutschsprachige Beiträge oder auch The- mair; Olaf Zimmermann, Geschäftsführer len, muss man – so auch schon Aris- gen Kultur sorgt. Der Staat ist (immer menschwerpunkte ausgezeichnet. Eine Ei- des Deutschen Kulturrates, Herausgeber von toteles – zu einem diskursiven Aus- noch) diejenige gesellschaftliche tausch von Argumenten und Sicht- Kraft, die mit solchen Gestaltungs- genbewerbung ist möglich. Alle Medien, d.h. politik und kultur. weisen kommen, muss man sich mit aufgaben in öffentlichem Interesse sowohl Print- als auch Hörfunk-, 4ernseh- Lösungen auf Zeit zufrieden geben betraut ist. Das heißt natürlich nicht, und Internetbeiträge sind zugelassen. Das können. Dazu ist eine Diskursarena, dass der Staat alleine „Politik“ be- ist eine Diskursöffentlichkeit herzu- treibt. Diese Sichtweise ist zwar Erscheinungsdatum bzw. der Sendetermin stellen, und dies ist eine zivilisatori- immer noch verbreitet, obwohl jeder muss zwischen dem 01.10.2004 und dem Vorschläge für den politik und kultur sche Aufgabe ersten Ranges der Kul- über Überforderungssyndrome des 30.10.2005 liegen. Der undotierte Preis Journalistenpreis 2005 können bis zum turpolitik. Staates Bescheid wissen könnte. Be- wird am 23. November 2005 im Rahmen 04.11.2005 (Einsendeschluss) gesendet stimmte Aufgaben kann allerdings Der politische Rahmen nur er lösen. Die Sicherstellung von eines Konzertes von DeutschlandRadio Kul- werden an: Rahmenbedingungen für ein leben- tur in der Berliner Philharmonie verliehen. Für den zweiten Gestaltungsbereich diges kulturelles System gehört dazu, politik und kultur neben der Frage nach dem Subjekt, nicht allerdings die Vorgabe einer in- der Gestaltung des Sozialen, will ich haltlichen Füllung. Es scheint so zu Der Jury des politik und kultur Journalisten- Deutscher Kulturrat nur ein einziges Beispiel angeben. sein, dass gerade das Kultursystem preises 2005 gehören an: Gitta Conne- Chausseestraße 103 Jürgen Habermas hat als Reaktion dazu aufgerufen ist, den Staat an die- mann, Vorsitzende der Enquete-Kommissi- 10115 Berlin auf den 15.2.2003, als in Madrid und ser Verantwortung zu erinnern. in anderen europäischen Städten Hunderttausende gegen den völker- Der Verfasser ist Vorsitzender des rechtswidrigen Krieg der USA gegen Deutschen Kulturrates ZUR DISKUSSION GESTELLT politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 11

Denkmal für die ermordeten Juden Europas – eine gescheiterte Idee Text und 3otos von Olaf Zimmermann

Lärmen, lautes Rufen, das Benutzen verteilt. „Ausmaß und Maßstab des hung, die eigentlich erzeugt werden von Musikinstrumenten sowie der Holocaust machen jeden Versuch, soll. Der „Ort der Information“, un- Betrieb von Rundfunk- und Tonträ- ihn mit traditionellen Mitteln zu re- ter dem Stelenfeld begraben, ist der gergeräten, das Lagern im Stelen- präsentieren, unweigerlich zu einem Versuch einer Schadensbegrenzung, feld, auf Stelen zu klettern, von Stele aussichtslosen Unterfangen“, sagte der aber in seiner Halbherzigkeit zu Stele zu springen und sich in Ba- der Architekt Peter Eisenman 1998 scheitern musste. Die wirklichen debekleidung auf einer Stele zu son- und entwarf das Stelenfeld. Dieser Orte der Information sind nur weni- nen, – das Mitführen von Hunden, – Ort ist nicht nur das zentrale Denk- ge Schritte vom Mahnmal entfernt das Mitführen von Fahrrädern, Ska- mal der Bundesrepublik Deutsch- die „Topografie des Terrors“ und we- teboards, Roller-Blades, Rollschu- land zum Gedenken an die Opfer des nige Kilometer weiter das ausge- hen, Fahr- und Motorräder an den Holocausts, sondern auch der Ver- zeichnete Jüdische Museum. äußeren Stelen abzustellen, das Rau- such eine neue „Gedenkkultur“ zu Gescheitert ist das Denkmal, weil chen, der Genuss alkoholischer Ge- definieren. der Architekt Peter Eisenman die tränke und Grillen, das Stelenfeld zu Das Denkmal selbst strahlt eine künstlerische Aufgabe nicht bewäl- verunreinigen. Alles das ist verboten Gleichgültigkeit aus, die den Besu- tigt hat. Gescheitert ist das Denkmal am neu eröffneten Denkmal für die chern jedes Empfinden von Respekt aber besonders an dem Anspruch ermordeten Juden Europas in Berlin vor dem Ort verwehrt. Menschen, seiner Initiatoren „ihren“ Erinne- und keiner hält sich daran. die dieses Denkmal durchschreiten, rungsort zu schaffen, größer, pom- 2.700 Betonpfeiler sind auf einer Flä- haben nicht das Gefühl von Verein- pöser, eindrucksvoller als alle Mahn- che von 19.000 m² wohl geordnet samung, Bedrängnis und Bedro- male in Deutschland vorher. BILANZ KULTURPOLITK politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 12

Bilanz der Kulturpolitik in der 15. Wahlperiode

Im Herbst dieses Jahres wird voraus- zuvor der Bund wirkungsvoll Kulturpoli- destag wurde Kulturpolitik zu einem reich antworteten der Generalsekretär dung. lässt als Vor- sichtlich die Wahl zum nächsten Deut- tik gemacht hat und seit der Vereinigung wichtigen Thema der Bundespolitik. des Deutschen Musikrates Christian sitzende des Kulturausschusses des schen Bundestag stattfinden. Ein Jahr der beiden deutschen Staaten eine stär- Höppner und Hartmut Karmeier, Georg Deutschen Bundestags die Arbeit Re- vor der eigentlich geplanten Wahl ha- kere finanzielle und strukturelle Verant- Wie die Kulturpolitik der laufenden Le- Ruppelt spricht für den Literaturbereich, vue passieren, die kulturpolitischen ben die Wählerinnen und Wähler die wortung für das kulturelle Leben in gislaturperiode eingeschätzt wird, wel- Ingo Terrumanum stellt die Einschät- Sprecher Eckhardt Barthel (SPD), Gün- Entscheidung, welchen politischen Deutschland übernommen hat, wurde che Akzente für besonders wichtig er- zung bildender Künstlerinnen und ter Nooke (CDU/CSU), Antje Vollmer Kurs sie wollen. die Kulturpolitik der „Ära Kohl“ eher im achtet werden und welche Themen ver- Künstler dar, Claudia Schwalfenberg (Bündnis90 / Die Grünen) und Hans- Verborgenen gestaltet. Mit dem Antritt nachlässigt wurden, fragte politik und nimmt für die Baukultur Stellung, Hein- Joachim Otto(1DP) bewerten die Ergeb- Die Kulturpolitik ist seit dem Regie- der rot-grünen Regierung, der Schaffung kultur Vertreter von Bundeskulturver- rich Bleicher-Nagelsmann für den 1ilm- nisse der Kulturpolitik der laufenden Le- rungsantritt der rot-grünen Regierung des Amtes des Kulturstaatsministers bände und für Kulturpolitik Verantwort- und Medienbereich, Andreas Kämpf für gislaturperiode. aus dem Schatten getreten. Auch und der Einrichtung des Ausschusses für liche aus den 1raktionen des Deut- die soziokulturellen Zentren und Hilde- wenn unbestritten in den 16 Jahren Kultur und Medien im Deutschen Bun- schen Bundestags. 1ür den Musikbe- gard Bockhorst für die kulturelle Bil- Die Redaktion

Zwischenbilanz Kulturpolitik der Bundesregierung seit 1998 aus der Perspektive der Musik • Von Christian Höppner

„BKM – was ist das denn“ fragte tik. Die fortgesetzten Kürzungen mich kürzlich ein bekannter Diri- beim Goethe-Institut sind nur ein gent, der sich durchaus nicht nur in trauriger Mosaikstein in dieser Mi- der Welt der Partituren auskennt. nusbilanz. Unsere Gesellschaft spricht immer Im Bereich der musikalischen öfter in Kürzeln und hat sie häufig Bildung sind die Möglichkeiten eines schon verinnerlicht. Die Kürzel BKM Gemeinschaftspaktes zur Sicherung gehört nicht dazu. Der etwas sper- und zum Ausbau nicht hinreichend rige und hierarchisierende Titel Be- genutzt worden. Die Idee des dama- auftragte der Bundesregierung für ligen Bundespräsidenten Johannes Kultur und Medien ist auch nicht un- Rau, der gemeinsam mit dem Deut- bedingt dazu angetan, Kraftfelder schen Musikrat die Initiative Musik einer nationalen Kulturpolitik zu ver- bewegt ins Leben gerufen hatte und mitteln. die Bereitschaft von Bundespräsi- dent Horst Köhler, den Wert der Kre- abei haben die Einrichtung die ativität für die Zukunftssicherung D ses Amtes und die sehr unter- unserer Gesellschaft deutlich zu schiedlichen Politiken der bisheri- machen, sind Steilvorlagen für eine gen Amtsinhaber Michael Nau- engere Zusammenarbeit auf diesem mann und Julian Nida-Rümelin und Gebiet. der amtierenden Christina Weiss bei Die hohe Wahrscheinlichkeit ei- allem föderalen Gegenwind deut- ner vorgezogenen Bundestagswahl lich gemacht, wie sehr unser Land setzt aber nicht nur eine Zäsur im einer nationalen Kulturpolitik be- Sinne des Rückblicks, sondern stellt darf. Die Arbeit der BKM, des „Bun- vor allem die Frage nach der Zu- destagsausschusses für Kultur und kunft. Medien“, der Enquete-Kommission So richtig und wichtig die Ein- des Deutschen Bundestages „Kultur setzung der BKM war – so wichtig in Deutschland“ und der nationalen ist es, diesen Grundstein nationaler Dachverbände mit ihren Mitgliedern Kulturpolitik zu stärken und auszu- haben in ihren Wechselbeziehungen bauen. Deshalb muss dieses Politik- ein geschärftes Bewusstsein für die feld an den Kabinettstisch, um die Vielfalt der Themen und die Heraus- Rahmenbedingungen für die Kultur Ein künstlerisches Projekt von Lars Ramberg am ehemaligen Palast der Republik in Berlin Foto: Deutscher Kulturrat forderungen an eine gestaltende auf Augenhöhe mit den anderen Res- Kulturpolitik deutlich werden lassen. sorts zu vertreten. Gerade die zu- Schwert, wenn es regelhaft – und turellen Erbes und der kulturellen nach der nächsten Bundestagswahl Dem beispielhaften Engagement nehmenden Kompetenzzuwächse nicht nur im Ausnahmefall – ange- Infrastruktur, die Frühförderung im ein BMKM – ein Bundesministerium zur geplanten UNESCO-Konvention in wichtigen Steuerungsentschei- wandt wird. Sinne eines breiten und qualifizier- für Kultur und Medien. zur kulturellen Vielfalt und den deut- dungen auf europäischer bzw. inter- Neben den ordnungspolitischen ten Angebotes für Kinder in ihrer lichen Akzenten der BKM in der För- nationaler Ebene erfordern auf der Themen und der sozialen Sicherung entscheidenden Prägungsphase und Der Verfasser ist Stellvertretender derung kultureller Einrichtungen nationalen Ebene eine starke Kraft, der Künstlerinnen und Künstler blei- den Ausbau kultureller Vielfalt auf Vorsitzender des Deutschen Kultur- und Projekten von nationaler Bedeu- die in der ersten Liga politischer ben für den Musikbereich die Siche- der Tagesordnung gemeinsam zu lö- rates und Sprecher der Sektion tung, in der Hauptstadtförderung, in Entscheidungsräume mitspielt. rung und Weiterentwicklung des kul- sender Aufgaben. Vielleicht gibt es Musik im Deutschen Kulturrat Austauschprogrammen (u.a. Polen, Dafür muss die Kulturpolitik der Japan), stehen noch eine Reihe von Bundesregierung politischer wer- Baustellen gegenüber, die sich nur in den. Die alte - aber nicht immer ge- der Zusammenarbeit von Regierung, genwärtige - Erkenntnis, dass Kul- Parlament und den zivilgesellschaft- turpolitik Gesellschaftspolitik ist, Zur Krise der Kulturorchester lichen Potentialen bearbeiten las- markiert die Berufungsgrundlage Von Hartmut Karmeier sen. für eine politisch angelegte Amts- So wie Musikpolitik eine Teil- führung. Die deutschen Kulturorchester wer- gende Gemeindefinanzreform ist In jüngster Zeit sorgte die von der menge von Kulturpolitik ist, so ist Eine wichtige Daueraufgabe der den von den Ländern und Kommunen vonnöten. Durch diese Reform müs- EU vorgelegte Dienstleistungsricht- Kulturpolitik Teil der Politik. Kulturpolitik wird es sein, Bewusst- finanziert. Seit dem Rückzug aus der sen Städte auch weiterhin in die Lage linie für viel Aufregung. Für den Mu- Allerdings ist das notwendige Maß sein für den Wert der Kreativität zu 9inanzierung der Bamberger Sinfoni- versetzt werden, nicht nur vom Bund sikbereich hätte diese Richtlinie bei an Vernetzung mit den anderen Res- schaffen – denn Bewusstsein schafft ker und der Auflösung der Philharmo- und den Ländern vorgegebene ge- Inkrafttreten katastrophale Auswir- sorts der Regierung nicht immer Ressourcen. Ressourcen, die in dem nia Hungaria in Marl ist der Bund nur setzliche Pflichtaufgaben zu finanzie- kungen haben können. Wenngleich sichtbar geworden. faszinierenden Bürgerschaftlichem noch über seine Beteiligung an der ren, sondern auch eigenverantwort- dieses Gesetzesvorhaben zunächst Der erhoffte Standortvorteil Engagement sichtbar werden, ohne ROC GmbH in Berlin am Unterhalt von lich das kommunale Leben, und hier gestoppt werden konnte, wird uns durch die Ansiedlung beim Bundes- das beispielsweise ein lebendiges Klangkörpern beteiligt. Die Aufgabe vor allem das kulturelle, zu gestalten. diese EU-Initiative in veränderter kanzler, etwa durch das verstärken- und immer noch so vielfältiges Mu- des Bundes besteht vielmehr darin, Mit der Freiwilligkeit der Leistun- Form sicherlich sehr bald wieder de Engagement bei ausgewählten sikleben nicht vorstellbar wäre. Da durch gesetzgeberische Maßnahmen gen für Kultur ist bereits ein weite- beschäftigen. Wichtig ist, dass die kulturpolitischen Themen, hat sich schlummern Potentiale, die noch die Rahmenbedingungen für die res Problemfeld angesprochen wor- besondere Rolle der Kultur gewür- nicht erfüllt. Bildung und Kultur ha- eine ganz andere Wirkungskraft ent- Klangkörper zu schaffen. den. Seit Jahr und Tag wird von den digt wird und sie nicht auf dem Altar ben beim Bundeskanzler nicht den falten könnten, wenn die Behinde- Kulturverbänden gefordert, die Kul- der Wirtschaft geopfert wird. Stellenwert, den sie für die Zukunfts- rungen durch Deregulierung abge- esonders in der letzten Legisla- turförderung als Staatsziel im Positiv zu vermerken ist die Einset- sicherung unserer Gesellschaft ha- baut und die öffentliche Wahrneh- B turperiode sind die deutschen Grundgesetz verpflichtend vorzu- zung der oben erwähnten Enquete- ben. Die dramatischen Auswirkun- mung dieser Arbeit befördert wür- Kulturorchester unter starken Finan- schreiben. Noch im Herbst 2003 kommission „Kultur in Deutschland“. gen der geplanten EU-Dienstleis- den. Ressourcen, die in der Priorisie- zierungsdruck geraten. Durch die wurde diese Forderung während ei- Im Auftrage dieser Kommission wur- tungsrichtlinie lassen sich eben rung gesamtpolitischen Handelns durch die Steuerreform bedingten nes Kongresses des Bündnisses für de ein Strukturgutachten zur Situa- nicht nur auf den Wirtschaftsbereich dann genutzt werden können, wenn Mindereinnahmen vor allem bei der Theater lautstark erneuert. Die En- tion der Theater und Orchester in reduzieren. Kultur im Bewusstsein und prakti- Gewerbesteuer können viele Kom- quete-Kommission des deutschen Deutschland in Auftrag gegeben. Auf Der denkbare Vorteil zweier Ak- schen Handeln tatsächlich zu einer munen keinen genehmigungsfähigen Bundestages „Kultur in Deutsch- das Ergebnis dieser Untersuchung teure im Bereich der auswärtigen Gemeinschaftsaufgabe wird. Haushalt mehr vorlegen. Auch Städ- land“ hat jetzt erfreulicherweise eine darf man sehr gespannt sein. Es ist Kulturpolitik ist ins Gegenteil ver- Dazu bedarf es strukturell der te, die an ihren Orchestern und The- Empfehlung in dieser Richtung aus- dringend erforderlich, dass die En- kehrt worden, weil der Bundes- Bündelung der Kräfte - z.B. durch die atern festhalten wollen, werden von gesprochen. Wenngleich auch diese quete-Kommission auch über den außenminister dieses Themenfeld originäre Zuständigkeit für die Aus- den Aufsichtsbehörden aufgefordert, Maßnahme kein Allheilmittel zum vorgezogenen Wahltag hinaus beste- eher als Steinbruch zur vermeintli- wärtige Kulturpolitik – und eines ge- bei freiwilligen Leistungen zu sparen. Erhalt von Orchestern ist, wäre die hen bleibt, damit sie ihre Arbeit zu chen Sanierung seines Haushaltes eigneten Instrumentariums. Das Und das sind nun einmal auch und Finanzierung der Klangkörper zu- nutzt, denn als wichtiges Gestal- Korrektiv der Kulturverträglichkeits- zu einem großen Teil die Haushalts- mindest auf eine verbesserte rechtli- Weiter auf Seite 13 tungsinstrument seiner Außenpoli- prüfung ist nur dann ein scharfes posten für die Kultur. Eine grundle- che Grundlage gestellt. BILANZ KULTURPOLITIK politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 13

räumt werden konnten, hat diese nen und schätzen. Der Sport ist da feindlichkeit förderlich für eine Po- gerecht werden, wenn gefordert und Fortsetzung von Seite 12 überzogene Kritik letztlich denen in wesentlich besser aufgestellt. Gele- litikerkarriere sein könne. gefördert würde, dass jedes Schul- die Hände gespielt, die die Orches- gentliche Äußerungen von Politikern Wünschenswert wäre in der näch- kind die Möglichkeit erhält, ein Mu- einem vorläufigen Ende bringen terszene ohnehin argwöhnisch be- der jüngeren Generation lassen da sten Legislaturperiode eine Initiative sikinstrument zu erlernen? Die kann. äugen. allerdings Schlimmes befürchten. des Bildungsministeriums. Die For- inzwischen bundesweit entstehen- Rückblickend auf die letzte Le- Für die neue Legislaturperiode Hier scheinen die Auswirkungen der derung der Bildungsministerin nach den Ganztagsschulen könnten die gislaturperiode ist natürlich noch wünschen wir uns vor allem sehr vie- schlechten Situation des Musikun- einem Computerarbeitsplatz für je- Basis für ein solches Projekt sein. Ein die total überzogene pauschale Dif- le Abgeordnete, die einen Bezug zur terrichts in den allgemein bildenden den deutschen Schüler ist sicherlich Blick nach Finnland zeigt, dass die famierung der deutschen Kulturor- Musik haben. Gemeint ist damit Schulen spürbar zu werden.. Gera- noch in guter Erinnerung. Eine In- beiden Bereiche Hightech und Musik chester und Rundfunkklangkörper nicht ein lediglich auch nur konsu- de die jüngste Debatte um den Kul- dustrienation, die vor allem von Ent- durchaus zusammenhängen können. durch die Kultur-Staatsministerin in mierender Pop-Beauftragter einer turauftrag der öffentlich-rechtlichen wicklung und Innovation lebt, PISA lässt grüßen. Erinnerung, die diese in einer „welt- Partei, vielmehr wünschen wir uns Rundfunkanstalten ließ da tief bli- braucht selbstverständlich auch im fremden Verwöhnlandschaft“ wähn- Volksvertreter, die selbst ein Instru- cken. Es ist schon sehr bedenklich, IT-Bereich gut ausgebildeten Nach- Der Verfasser ist Sprecher des te. Wenngleich durch Gespräche die ment spielen und den Wert unserer wenn aus Politikerkreisen die Mei- wuchs. Würde es dem Anspruch ei- Deutschen Musikrates im Unstimmigkeiten inzwischen ausge- europäischen Musiktradition ken- nung geäußert wird, dass Kultur- ner Kulturnation aber nicht genauso Deutschen Kulturrat Zur Krise im Bibliothekswesen Über Bildungskrise, Bibliotheken, Leseförderung und Raubgutdiskussion • Von Georg Ruppelt

Betrachtet man die Ereignisse nach wähnt seien aber doch einige heraus- der Landtagswahl in Nordrhein-West- ragende Ereignisse. Im August 2003 falen einmal mit dem Blick eines Li- war die Situation des deutschen Bibli- teraturfreundes, so wird man sich des othekswesens eines von vielen 100 Eindrucks einer gewissen Dramatik Themen, die den Weltkongress der Bi- nicht entziehen können. Literaturwis- bliothekare in Berlin mit 4.600 Teil- senschaftliche 9achbegriffe fallen ei- nehmern aus über 120 Nationen be- nem ein, wie Spannungsbogen, retar- wegten. Gerade auf dieser Tagung ließ dierendes Moment, Katharsis und sich unschwer erkennen, dass das Bi- manch andere. Alles sehr passend im bliothekswesen in Deutschland dabei 200. Todesjahr 9riedrich Schillers, der ist, den internationalen Anschluss zu nicht nur unser bedeutendster Dra- verlieren. Dies war auch das eindeuti- matiker ist, sondern auch unser poli- ge Ergebnis einer internationalen tischster! So politisch, dass seine Best-practice-Studie, die der Dachver- 9reiheitsidee noch im 20. Jahrhundert band Bibliothek & Information unmittelbare Auswirkungen auf poli- Deutschland gemeinsam mit seinem tische Machthaber zeitigte. Es sei an Mitglied Bertelsmann Stiftung im Rah- das „Tell“-Verbot durch Adolf Hitler men des großen Innovationsprojekts 1941 erinnert. Vor 60 Jahren erschien Bibliothek 2007 in Auftrag gegeben überdies der beste aller politischen hatte. Im Vergleich etwa mit Singapur Romane, George Orwells „9arm der (dort ist der nationale Bildungsetat der Tiere“, in dem 9rancis Bacons Diktum zweitgrößte Einzelposten), den USA, Wissen ist Macht und die Bedeutung Großbritannien oder den skandinavi- des Lesens auf satirische und recht schen Ländern besteht für Deutsch- böse Weise unter Beweis gestellt land ein erheblicher Reformbedarf. werden. Aus diesen Erkenntnissen entwi- ckelte das Projekt Bibliothek 2007 ie Diskussion um die Leseförde- Forderungen und Pläne, die in we- Künstlerische Gestaltung mit dem Buchstaben „A“ am Eingang der Berliner Stadtbibliothek Foto: J. Cornelius D rung im Anschluss an die sentlichen Teilen von Vertretern des durch PISA etc. nicht ausgelöste, son- Bibliothekswesens im März 2005 Niedersächsischen Landtages bzw. ropäischen Kommission über Kul- Menschheit Würde ist in eure Hand dern aufgedeckte Bildungsmisere in anlässlich einer Anhörung der En- der Bundesbeauftragten für Kultur turdienstleistungen im Rahmen von gegeben, Bewahret sie! Sie sinkt mit Deutschland war sicher das zentra- quete-Kommission des Deutschen und Medien im November 2002 und GATS, sie beteiligten sich auch an euch! Mit euch wird sie sich heben!“ le Thema nicht nur in den Diskussi- Bundestages „Kultur in Deutschland“ im Mai 2005 unter dem Thema „Jüdi- der Diskussion um die Stellung der onen um Kultur- und Bildungspoli- vorgetragen wurden. Gefordert wur- scher Buchbesitz als Raubgut“ in Kultur in einer zukünftigen EU-Ver- Der Verfasser ist Direktor der tik. Die Arbeit der außerschulischen de, die Bibliotheksentwicklung zum Hannover plante und im Ergebnis er- fassung (auch so ein Drama im Schil- Gottfried Wilhelm Leibniz Biblio- Leseförderer, wie Bibliotheken oder Teil einer bildungspolitischen Initi- folgreich durchführte. Eine Folgever- ler-Jahr!), und sie nahmen, mit sehr thek, Hannover, Sprecher von Stiftung Lesen, wurde plötzlich nicht ative zu machen, die national koor- anstaltung ist mit Unterstützung von verschiedenen Standpunkten ver- „Bibliothek & Information Deutsch- mehr nur als nette Marginalie be- diniert werden muss, um positive Bibliothek & Information Deutsch- steht sich, Stellung zum zweiten land -– Bundesvereinigung deut- trachtet, sondern wurde von man- Entwicklungen zu fördern. Mit ande- land für 2007 geplant. Korb des Urheberrechtsgesetzes. scher Bibliotheks- und Informati- chem erkannt als unverzichtbarer ren Worten: das Rad muss nicht Die Literatur-, Bibliotheks- und Dem (wann auch immer) neuen onsverbände“, Berlin, Vorstandsvor- Baustein für die kulturelle Bildung in immer wieder 16 Mal neu erfunden Leseförderungsverbände engagier- Bundestag sei in Schillers 200. Todes- sitzender der „Stiftung Lesen“, Kindheit und Jugend. In vielen Bun- werden. Eine BibliotheksEntwick- ten sich zudem u.a. in den Diskussi- jahr von der Literaturseite her etwas Mainz, 2. Sprecher der „Deutschen desländern initiierte man Projekte lungsAgentur (BEA) wäre der geeig- onen um die Verhandlungen der Eu- aus seinen „Künstlern“ zitiert: „Der Literaturkonferenz“, Berlin. zur Leseförderung, die sich unter nete Innovationsmotor, der unter anderem mit Themen wie Koopera- Berücksichtigung der föderalen Ge- tion zwischen Schulen und Biblio- gebenheiten die Reform des Biblio- theken, zwischen Kindergärten und theks- und Informationswesens in Bibliotheken, Vorlesepatenschaften Fahrt brächte. Einig sind sich alle Aus, Aus, Aus, das Spiel ist aus! etc. beschäftigen. In diesem Zusam- Experten in der Forderung an einen Von Ingo Terrumanum menhang steht auch die Gründung neuen Bundestag und eine neue der bislang europaweit einzigen Bundesregierung, sich diese für die Ein Triumph hätte es werden können, rechtskorb 2, dann durch den denk- lern dabei gerade das zum Vorwurf Akademie für Leseförderung der Stif- Zukunft unseres Landes so wichti- nach über 30 Jahren 9orderung soll- würdigen Vortrag Gerhard Schröders gemacht, was andererseits als so ge- tung Lesen an der Gottfried Wilhelm gen Bildungsaufgaben rasch und in- te die Ausstellungsvergütung endlich mit der Ankündigung von Neuwahlen geben hingenommen und oft sogar als Leibniz Bibliothek in Hannover. tensiv zu Eigen zu machen. gesetzlich verankert werden. Außer noch in diesem Jahr. berufstypisch abgetan wird: die wirt- Obwohl die Bedeutung außer- Bundes- und Länderinitiativen ausufernden Verhandlungen und Dis- Aus, auch für die Künstlerinnen schaftliche Schwäche. schulischer Bildungsarbeit außer bemühten sich in den vergangenen kussionen ist nichts geblieben von und Künstler, die in den letzten Jah- Um so begrüßenswerter ist dann Zweifel steht, trat dennoch eine Ent- Jahren intensiv um die Regelung so der Euphorie, die noch zu Beginn der ren als erste in den Genuss ihrer Ren- auch die Ankündigung von Ministerin wicklung immer klarer zu Tage, die genannter Raub- und Beutegutfra- Legislaturperiode zu spüren war. te aus der Künstlersozialversicherung , dass die nunmehr ver- sich kontraproduktiv auf die Bemü- gen. Dabei wurde die Öffentlichkeit gekommen sind und dabei feststellen besserte personelle Ausstattung der hungen darum auswirkt, nämlich die auch über Kunstwerke aus jüdi- us sollte es sein mit der urheber- mussten, das diese noch unter dem Künstlersozialkasse auch zu einer wei- durch extreme Etat- und Personalkür- schem Besitz unterrichtet, die als A rechtlichen Ungleichbehand- Sozialhilfeniveau liegt...und das Aus teren Erfassung von abgabepflichtigen zungen ausgelöste Krise des Biblio- Folge der nationalsozialistischen lung Bildender Künstlerinnen und für die Enquete-Kommission des Verwertern genutzt werden soll. thekswesens. Den Gefährdungen des Verbrechen und Raubzüge in ganz Künstler. Aus ist es jetzt mit der Regie- Deutschen Bundestages „Kultur in Doch Aus sollte es endlich sein mit Öffentlichen wie wissenschaftlichen Europa in den Besitz deutscher Mu- rung und damit steht das Aus für die Deutschland“, die sich eben auch mit den halbherzigen Auseinandersetzun- Bibliothekswesens, die noch verstärkt seen gelangten. Weniger ins öffentli- Ausstellungsvergütung wohl erst der schwierigen sozialen Lage der gen um die Rechte und Rahmenbe- wurden durch extreme Preissteigerun- che Bewusstsein drang die Tatsache, einmal fest. Dabei galt diese Rot-Grü- Künstlerinnen und Künstler auseinan- dingungen der Bildenden Künstlerin- gen bei internationalen Verlagspro- dass auch in Bibliotheken viele Tau- ne Regierung als Hoffnungsträger, hat- der gesetzt hat. nen und Künstler. Aus, mit den isolier- dukten, versuchten sich viele im Deut- sende geraubter oder abgepresster te sie doch in ihren Koalitionsverein- Aus ist auch die Diskussion über ten Diskussionen zu den einzelnen As- schen Kulturrat engagierte Verbände Bücher magaziniert wurden – meist barungen die Ausstellungsvergütung den Bestand der Künstlersozialkas- pekten des Berufsbildes, wie z.B. Ur- und Organisationen durch Veranstal- keine Kostbarkeiten, aber von hoher festgeschrieben. se, dieser für die Künstlerinnen und heberrecht, Folgerecht.... tungen und Publikationen verschie- persönlicher Bedeutung für den in Endlich schien es möglich, die Ein- Künstler so wichtigen Institution. Eine Wer es ernst meint mit der Verbes- denster Art entgegenzustellen. So ver- der Regel ermordeten Vorbesitzer, schränkung des Ausstellungsrechtes Frage, die zu großer Verunsicherung serung der Rahmenbedingungen für anstaltete etwa die Deutsche Litera- zumal, wenn man die Bedeutung des auf unveröffentlichte Werke tatsäch- unter den dort Versicherten geführt Bildende Kunst sowie Künstlerinnen turkonferenz ein Symposium in Leip- Buches in der jüdischen Kultur kennt. lich aufzuheben und darüber hinaus hat. Zwar wird die Fortführung der und Künstler kommt nicht umhin, die zig zum Thema „Bibliotheken: Ant- Diesen Fragen mit den daraus resul- sogar ein eigenes Gesetz zur Regelung Künstlersozialversicherung nicht verschiedenen Aspekte auf ihre Wech- worten auf die Bildungskrise“ und leg- tierenden Forderungen, nämlich Re- einer Ausstellungsvergütung einzu- mehr in Zweifel gezogen, doch scheint selwirkung zu untersuchen und das in te der Bundesregierung zur selben cherche und Restitution, wo immer führen. Eine Hoffnung, die noch durch die Diskussion über die gestiegene etwaigen gesetzlichen Regelungen zu Thematik „Sieben Göttinger Thesen“ dies möglich ist, widmeten sich zwei die Künstlerverbände genährt wurde, Verwerterabgabe und damit verbun- berücksichtigen. Nach dem Spiel ist vor. Die vielfältigen Aktivitäten der Bi- Symposien der Gottfried Wilhelm die zu einer pragmatischen gemein- den die Forderung nach einer weiter- eben immer auch vor dem Spiel. bliotheksverbände zur Thematik auf- Leibniz Bibliothek, die diese gemein- samen Position gefunden hatten. gehenden Kontrolle der Versicherten zuzählen ist unmöglich, die Hälfte die- sam mit der Stiftung Preußischer Kul- Doch das Aus kam, erst schleppend, nicht abzureißen. Interessanterweise Der Verfasser ist Sprecher des ser Zeitung ließe sich damit füllen. Er- turbesitz und mit Unterstützung des über den Rauswurf aus dem Urheber- wird den Künstlerinnen und Künst- Kunstrates BILANZ KULTURPOLITK politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 14

Am Ende gefloppt? Baukultur in der 15. Legislaturperiode • Von Claudia Schwalfenberg

Als Tiger gesprungen, als Bettvor- fentlichen Räumen das Gesicht un- Baukultur in den letzten drei Jahren leger gelandet, wird so einst das Ur- serer Städte und unser Zusammen- aber auch, Baukultur verstärkt in teil über Baukultur in der 15. Legis- leben beeinflussen“. übergreifenden kulturpolitischen laturperiode des Deutschen Bun- Ein halbes Jahr nach dem ersten Diskussionen zu verankern. Der Rat destages lauten? Begonnen jeden- Konvent der Baukultur verabschie- für Baukultur im Deutschen Kultur- falls hat die 15. Legislaturperiode dete der Bundestag den von SPD und rat setzte sich frühzeitig und konti- für die Baukultur äußerst viel ver- BÜNDNIS 90/Die Grünen einge- nuierlich dafür ein, dass die En- sprechend. Ob sich am Ende auch brachten Antrag „Die Qualitätsoffen- quete-Kommission des Deutschen sagen lässt, in dieser Periode leg- sive für gutes Planen und Bauen vor- Bundestags „Kultur in Deutschland“ ten Regierung und Parlament das anbringen“ mit den Stimmen aller in den Themenbereichen, den ihr 9undament für eine neue Blüte der Fraktionen. Mit dem Antrag forder- Einsetzungsbeschluss definiert, Baukultur in Deutschland, ist mehr te der Bundestag die Bundesregie- Baukultur berücksichtigt. Der Rat für als fraglich, seit der Bundesrat am rung auf, die Beratung eines Stif- Baukultur machte sich insbesondere 17. Juni die Bundesstiftung Baukul- tungsgesetzes vorzubereiten und ein dafür stark, dass die Enquete-Kom- tur, das zentrale Projekt der Bau- inhaltliches Konzept für den Aufbau mission Baukultur im Kontext mu- kulturpolitik in den letzten drei Jah- der Stiftung vorzulegen. Die Bundes- sisch-kultureller Bildung verhandelt. ren, hat scheitern lassen. regierung kam dieser Forderung im Zur Unterstützung dieses Anliegens Dezember 2004 nach, indem sie den führte der Rat für Baukultur zusam- er Entscheidung des Bundesra- Gesetzentwurf zur Errichtung einer men mit der Bundesarchitekten- Dtes war ein regelrechter Polit- Bundesstiftung Baukultur vorlegte. kammer am 22. April 2003 die Ver- Krimi vorangegangen. Während der Niemand bezweifelt die Notwen- anstaltung „Baukultur macht Schu- Gesetzentwurf zur Errichtung einer digkeit, Baukultur in Deutschland zu le“ durch, bei der unter anderem Git- Bundesstiftung Baukultur im Bun- fördern. Deshalb ist zu hoffen, dass ta Connemann, die Vorsitzende der destag zunächst umstritten war, die nächste Bundesregierung erneut Kultur-Enquete, auftrat. nahm das Parlament den Entwurf einen Vorstoß unternimmt, um die Aus Sicht der Baukultur ist es äu- am 12. Mai aber in zweiter und drit- Bundesstiftung Baukultur auf den ßerst bedauerlich, dass die Enquete- ter Lesung einstimmig an. Der Bun- Weg zu bringen. Kommission ihre Arbeit aufgrund desrat lehnte den Gesetzentwurf Das einstweilige Aus der Stiftung der voraussichtlich vorgezogenen zwar bereits in seiner Sitzung am 18. ist auch eine Chance, denn bei der Neuwahlen nicht zu Ende führen Februar ab. Der Ausschuss für Städ- angedachten Konstruktion der Stif- kann. Deshalb ist nicht nur zu hof- tebau, Wohnungswesen und Raum- tung besteht aus Sicht des Deutschen fen, dass die nächste Bundesregie- ordnung des Bundesrates empfahl Kulturrates noch großer Nachbesse- rung erneut einen Vorstoß unter- dem Plenum jedoch am 2. Juni, den rungsbedarf. Der gestoppte Gesetz- nimmt, um die Bundesstiftung Bau- Gesetzentwurf anzunehmen. entwurf sah ein Stiftungskapital in kultur auf den Weg zu bringen, son- Selbst wenn die Bundesstiftung Höhe von 250.000 Euro und – „soweit der auch, dass der deutsche Bundes- Baukultur erst einmal auf Eis gelegt erforderlich“ – einen Zuschuss „nach tag in der 16. Legislaturperiode er- ist, ist in den letzten drei Jahren ein Maßgabe des Bundeshaushaltes“ zur neut eine Kultur-Enquete einsetzt. neues Bewusstsein für Baukultur Verfügung. Die finanzielle Ausstat- gewachsen, hinter das auch nach ei- tung der Stiftung hätte bei einem ge- Die Verfasserin ist Sprecherin des Die Glocke der Vorsitzenden der Enquete-Kommission des Deutschen Bundes- ner neuen Bundestagswahl nie- schätzten jährlichen Finanzbedarf Rates für Baukultur tages „Kultur in Deutschland“ Foto: Deutscher Kulturrat mand mehr zurückfallen können von 2,5 Millionen eine deutliche Lü- sollte. cke klaffen lassen und auf äußerst Als zentrales Ereignis, das wackligen Füßen gestanden. Dage- zugleich Ausdruck und weiterer Ka- gen wäre es sinnvoll, eine zukünftige talysator neuen Selbstbewusstseins Stiftung mit einem ausreichenden Ein Blick auf die Vorvergangenheit war, wirkte der erste Konvent der Kapital auszustatten, damit sie ihre Von Andreas Kämpf Baukultur, der Anfang April 2003 im Aufgaben aus dessen Erträgen unab- ehemaligen Bonner Plenarsaal des hängig von den jährlichen Haushalts- Eine für viele Mitglieder des Rates Es wäre höchst bedauerlich, wenn all licher Leistungen auf den Dritten Bundestages stattfand. Rund 800 entscheidungen des Deutschen Bun- für Soziokultur und Kulturelle Bil- diese Überlegungen und konstrukti- Sektor zu hören, von der Einbezie- Teilnehmer versammelten sich destages erfüllen könnte. Neben der dung bis in die alltägliche Arbeit ven Vorschläge im Orkus verschwin- hung der Bürgergesellschaft, oder dort, um das Gespräch über Baukul- finanziellen Ausstattung der Stiftung spürbare Initiative der vergange- den würden. davon, dass Aufgaben auf Freie Trä- tur zu vertiefen und wieder in die war auch ein weiterer wesentlicher nen Jahre war die Einführung einer Ein erfreuliches Ereignis am ver- ger übertragen werden sollen. Wenn Mitte der Gesellschaft zu tragen. Punkt bisher ungeklärt: der Stiftungs- Stufenregelung bei der so genann- muteten Ende dieser Legislaturperi- noch etwas outgesourced wird, dann Den Höhepunkt des Konvents mar- sitz, der nach Meinung des Deut- ten Ausländersteuer. Hierdurch wur- ode ist zweifellos die Meldung, dass per Umwandlung in eine GmbH, wo kierte eine Rede des damaligen schen Kulturrates in Berlin angesie- den die von dieser Barriere für den die Künstlersozialkasse im nächsten letztlich die gleichen Personen wie Bundespräsidenten Johannes Rau. delt werden müsste. In Berlin sind Kulturaustausch hervorgerufenen Jahr ihre Beiträge von 5,8 auf 5,5 vorher wieder zusammen treffen Unter der Überschrift „bau Kultur!“ nicht nur Politik, Verwaltung, Medi- Probleme zwar nicht wirklich besei- Prozent reduzieren will. Auch wenn und der Bürger draußen bleibt. formulierte Rau zwei Aufgaben: en und die Organisationen der Zivil- tigt, wohl aber abgemildert. Es sind es nicht viel ist, so stimmt im Ge- Das Beispiel Niedersachsen eine inhaltliche, nämlich „eine neue gesellschaft konzentriert. Von Berlin mehrere Verfahren beim Europäi- gensatz zu den vergangenen Jahren spricht hier eine deutliche Sprache. gesellschaftliche Selbstverständi- aus dürfte die internationale Auf- schen Gerichtshof anhängig, die die jetzt zumindest die Richtung – nach Über das Modell des Beliehenen gung darüber zu bewirken, was gu- merksamkeit auch leichter zu errin- derzeitige deutsche Praxis bei der unten. Es wird weiter darauf an- Unternehmers war die gesamte Lan- tes Bauen zu Beginn des 21. Jahr- gen sein, als von einem anderen deut- Besteuerung ausländischer Künst- kommen, bisher noch nicht erfass- desförderung in die Regie der Lan- hunderts bedeuten kann und be- schen Standort. ler als unvereinbar mit EU-Recht te Abgabepflichtige zu ermitteln. desarbeitsgemeinschaft Soziokultu- deuten sollte“, und eine kommuni- Neben der Errichtung einer ei- ansehen. Je nach Ausgang der Ver- Allerdings dürfte eine wirkliche Lö- reller Zentren gegeben worden, und kative, nämlich „mehr Bewusstsein genständigen Bundesstiftung Bau- fahren könnte sich dann tatsächlich sung der Probleme letztlich nur in zwar von der Mittelvergabe bis zum dafür schaffen, wie sehr Gebäude kultur war ein wichtiges Ziel politi- eine Lösung des Problems ergeben. einer Erhöhung des Bundesanteils Verwendungsnachweis. Die Nähe und wie sehr die Gestaltung von öf- scher Aktivitäten im Bereich der Die genannte Initiative war aller- auf das frühere Niveau zu finden zur Praxis und der direktere Kontakt dings eine 9rucht der vorhergehen- sein. zu den Mittelempfängern machten den Legislaturperiode, nicht jener, Wirft man einen Blick auf die Si- einen effizienteren Mitteleinsatz die sich im Augenblick im Stadium tuation in den einzelnen Bundeslän- möglich. Nun liegt letztlich das gan- Zeitschriften bei ConBrio der Vorvergangenheit befindet. dern, so begegnet man einem recht ze Verfahren wieder auf den Minis- heterogenen Bild. Da gibt es die teriumsschreibtischen, mit der ver- benfalls in die vorhergehende keineswegs perfekte, aber doch recht wegenen Begründung dies sei kos- E Legislaturperiode fiel die En- stabile Landesförderung im CDU- tengünstiger. Im Rahmen der letzten quete-Kommission zum bürger- dauerregierten Baden-Württemberg Sparrunde im damals noch rot-grü- & schaftlichen Engagement. Die Hoff- neben unlängst erfolgten schmerz- nen NRW war auf einmal der Satz zu Oper Tanz nung, dass in den Folgejahren aus lichen Kürzungen im zu diesem vernehmen, der Staat müsse beim Zeitschrift der VdO für den Erkenntnissen der Enquete be- Zeitpunkt noch rot-grün regierten Sparen vor allem die „eigenen“ Ein- Opernchor und Bühnentanz herzte gesetzgeberische Maßnah- Nordrhein-Westfalen. Da führt in richtungen schützen. Es klingt auch men zur Förderung des Ehrenamtes Sachsen eine Große Koalition aus in anderen Zusammenhängen öfter und allgemein des Dritten Sektors CDU und SPD das immer noch in an, dass zuerst einmal die kommu- folgen würden, fand leider keinen einsamer Modellhaftigkeit glänzen- nalen oder staatlichen Einrichtun- Widerhall in der Berliner Realität. de Kulturraum-Gesetz fort und ohne gen zu versorgen sind, die Freien Was zu tun wäre, ist bekannt und Zögern auch die darüber stattfin- Träger werden dann eher schon mal wird von der Bundesvereinigung So- dende Förderung der Soziokultur. von Kürzungen getroffen. Dazu ziokultureller Zentren oder auch Verlässliche Größe in diesem Auf passt, dass als drohende Gefahr von ZEITUNG vom Bundesnetzwerk Bürgerschaft- und Ab der Landeskulturpolitik Ferne die GATS-Verhandlungen ih- liches Engagement immer wieder bleibt die bayrische CSU, die die So- ren Schatten werfen. Auch hier zur Sprache gebracht. Wie sich das ziokultur als eine rasch vorüberge- könnte es darauf hinaus laufen, dass Schicksal der derzeitigen Kultur-En- hende Zeitgeist-Mode betrachtet der im engen Sinne staatlich betrie- ConBrio Verlagsgesellschaft quete im Strudel der politischen Er- und das nun schon seit über 30 Jah- bene Kulturbereich von der Deregu- Brunnstraße 23 eignisse gestalten wird, ist derzeit ren. lierung verschont bleibt, die Freie kaum absehbar. Viele Anliegen der Will man einen Trend aufspüren Kulturszene hingegen den internati- 93053 Regensburg Soziokulturellen Zentren und gene- in dieser unübersichtlichen Land- onalen Marktgesetzen zum Fraße Tel. 0941/945 93-0 rell der Freien Kulturszene wurden in schaft, dann könnte der in einer vorgeworfen wird. Fax 0941/945 93-50 diesem Gremium behandelt, so zum schleichenden Rückverstaatlichung E-Mail: [email protected] Beispiel dringende Reformen beim der Kulturpolitik liegen. Kaum noch Der Verfasser ist Sprecher des Rates www.conbrio.de Vereinsrecht, bei der Vereinsbesteu- etwas ist von der dem Subsidiaritäts- für Soziokultur und kulturelle erung und beim Zuwendungsrecht. prinzip folgenden Übertragung staat- Bildung BILANZ KULTURPOLITIK politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 15

Klassenziel nicht erreicht Magere Bilanz der bundesdeutschen Kulturpolitik • Von Heinrich Bleicher-Nagelsmann

Wer immer den frühzeitigen „Rück- Nachbesserungsbedarf bei weiterer wahlen als gescheitert betrachten. eine deutlich verbesserte gesetzliche Die verbesserte Aufbereitung vor- schritt“ Schröders und seines Ka- Blockadehaltung der Verwerter aus- Was als Erbe der Regierung Schröder Grundlage für den deutschen Aus- handener statistischer Daten auf al- binetts bedauert, viele Künstlerin- gemacht. bleiben wird, sind die verheerenden landsrundfunk zu schaffen. len Ebenen ist zwar hilfreich, aber nen und Künstler dürften es nicht Die Nachfolgerin im Amt, Justiz- Folgen für Künstlerinnen und Künst- Die Aufgabenzuweisung ist zur Bestimmung konkreter kulturpo- sein. Gemessen an dem was die Re- ministerin Brigitte Zypries, kann ler, die mit den kaum als Reformen allerdings nicht mit einer langfristig litisch notwendiger Maßnahmen gierungskoalition bei ihrem ersten man aus Sicht der Künstlerinnen zu bezeichnenden Regelungen von gesicherten Aufstockung der Mittel nicht ausreichend. Grundlegendes Amtsantritt und der noch glücklich und Publizisten als beratungsresis- Hartz I-IV verbunden sind. Erste einhergegangen. Entsprechender Problem jenseits aller föderalen erreichten zweiten Runde für die tent, wenn nicht gar einäugig be- Nachfragen zu den Regelungswer- Handlungsbedarf besteht somit auf Strukturen und den Aufgaben einer Kultur versprochen hat, sieht die Bi- zeichnen. Von der im Koalitionspa- ken und Erfahrungen mit der Umset- diesem kultur- und medienpoliti- Bundeskulturpolitik bleibt die Fi- lanz eher mager aus. pier selbstgestellten Aufgabe der Re- zung geben nachhaltig Anlass zur schem Sektor in der nächsten Legis- nanznot der Kommunen. Hier zur gierung die Realisierung einer Aus- Sorge. Hier macht sich negativ gel- laturperiode. gesetzlichen Sicherung einer kultu- trukturell wurde mit der Einrich- stellungsvergütung und eines Künst- tend, dass das Instrument der Kul- Dringend erforderlich ist, dass die rellen Grundversorgung beizutra- S tung eines Staatsministeriums lergemeinschaftsrechtes anzupa- turverträglichkeitsprüfung noch Enquetekommission des Deutschen gen, ist eine Verpflichtung der neu- für Kultur und Medien sowie dem cken, hat sie sich nachdrücklich dis- nicht wirklich erprobt ist und keine Bundestages „Kultur in Deutschland“ en Regierung, wenn das Staatsziel Bundestagsausschuss für Kultur und tanziert. Beim Gesetzentwurf zum Anwendung findet. Eine Anfrage der in der nächsten Legislaturperiode Kultur ernst genommen wird. Medien ein wichtiger Fortschritt er- zweiten Korb Urheberrecht agierte ver.di-Zeitschrift Kunst &Kultur bei ihre Arbeit fortsetzten kann. Auch Über den nationalen Rahmen hi- zielt. Dahinter darf auch nach dem sie als des industriefreundlichen der Kulturstaatsministerin zu kon- hier sind die Hausaufgaben noch naus müssen Kultur und Medien in als wahrscheinlich geltenden Wahl- Kanzlers getreue Erfüllungsgehilfin, kreten Auswirkungen der Hartz-Ge- nicht gemacht. Der jüngst vorgeleg- ihrer Vielfalt gesichert und gefördert sieg der Konservativen eine neue die mit einer völlig unzureichenden setzgebung auf Künstlerinnen und te Zwischenbericht bezieht sich nur werden. Stichworte in diesem Zu- Regierung nicht zurückfallen. Regelung zur Geräteabgabe schon Künstler wurde zunächst an den Ver- auf einen Punkt, den des Staatsziels sammenhang sind die längst nicht Was an hoffnungsvollem Auf- lange ausstehende Neuregelungen ursacher, das Ministerium für Wirt- Kultur. Gemessen an den ehrgeizi- ad acta gelegte Richtlinie für Dienst- bruch mit dem Kulturstaatsminister im Interesse der Geräteindustrie und schaft und Arbeit verwiesen. Drin- gen und weitgespannten Zielen der leistungen im Binnenmarkt und der Naumann begonnen hat, ist unter gegen die Urheberinnen und Urhe- gend erforderlich ist, dass zukünftig Enquetekommission muss dies als GATS-Prozess. Auf massives Betrei- seinen Nachfolgern in den Mühen ber festschrieb. Die im Gesetzent- das Amt des Staatsministers für Kul- dürftig bezeichnet werden. In vielen ben der Zivilgesellschaft gemeinsam der Ebenen weitgehend steckenge- wurf ebenfalls vorgesehene Abtre- tur und Medien so ausgestattet wird, Anhörungen ist deutlich geworden, mit Parlamentariern hat sich der blieben. Positiv zu verbuchen ist die tung unbekannter Nutzungsarten dass ausreichende Kompetenz zu ei- wie groß der Handlungsbedarf ist, Bundestag zu diesen Fragen eindeu- Verabschiedung des Urheberver- kann man schlicht als rechtswidrige ner wirklichen Kulturverträglich- um der hehren Staatszielbestim- tig positioniert. Hierauf muss auch tragsrechtes, das wesentlich dem Enteignung der Künstlerinnen und keitsüberprüfung aller einschlägigen mung über die verstärkende und ap- eine neue Regierung verpflichtet vehementen Einsatz der Urheber- Publizisten bezeichnen. Gesetzesvorhaben gesichert ist. pellative Wirkung hinaus auch in- werden; nicht nur gegenüber dem innen und Urheber für ihre Interes- Hoffnungen die bildende Künst- Damit sind wir auch bei dem Pro- haltliche Bedeutung zu verleihen. Parlament sondern auch gegenüber sen sowie maßgeblich auch der da- lerinnen und Künstler in einen vom blem einer ausreichenden Finanz- Eine umfassende Erhebung zur so- den Bürgerinnen und Bürgern, die maligen Justizministerin Herta Abgeordneten Eckhard Barthel be- ausstattung für den Zuständigkeits- zialen und wirtschaftlichen Lage von sie wählen. Däubler-Gmelin zu verdanken ist. triebenen Gruppenantrag zur Aus- bereich der Kulturstaatsministerin. Künstlerinnen und Publizisten in der Den Pferdefuß der fehlenden ver- stellungsvergütung gesetzt hatten, In der noch laufenden Legislaturpe- Bundesrepublik, wie sie zuletzt vor Der Verfasser ist Bereichsleiter Kunst bindlichen Schlichtung hat sie muss man mit Kanzler Schröders riode ist es gelungen, mit weitgehen- mehr als 30 Jahren erfolgt ist, steht und Kultur bei ver.di und Sprecher durchaus richtig benannt und darin coup d´etat zu vorgezogener Neu- der Unterstützung aller Fraktionen, noch immer auf der Tagesordnung. der Sektion Film und Medien Politik für die kulturelle Kinder- und Jugendbildung Zu den bundespolitischen Weichenstellungen der vergangenen Jahre • Von Hildegard Bockhorst

Bildung ist Zukunft! Kunst und Kul- einbarung mit den Bundesländern – die Voraussetzungen für eine Koope- gungen / Beteiligung von Kindern tiges Feld bürgerschaftlichen Enga- tur sind unverzichtbar! Wir müssen „soll die Schaffung einer modernen ration „auf Augenhöhe“ schafft und und Jugendlichen / Entwicklung ei- gements, welches – bei entsprechen- in die Kreativität der Kinder inves- Infrastruktur im Ganztagsschulbe- die notwendigen Rahmenbedingun- nes angemessenen Lebensstandards der Anerkennung und Förderung - tieren! Kulturelle Bildung ist ein reich unterstützt und der Anstoß für gen sichert, unter denen sich die für alle Kinder / Internationale Ver- seine Leistungsfähigkeit zur Stär- entscheidendes 9undament, die Le- ein bedarfsorientiertes Angebot in Stärken und Wirkungen kultureller pflichtungen sind Themenfelder, zu kung von Zivilgesellschaft zukunfts- bensperspektiven des Einzelnen allen Regionen gegeben werden. ... Bildung in der Zusammenarbeit mit denen die kulturelle Bildung mit ih- weisend einbringen kann. und die gesellschaftliche Zukunft Ziel des Programms ist es, zusätzli- Schule entfalten können. ren spezifischen Inhalten und Me- Deutschlands zu sichern! che Ganztagsschulen zu schaffen thoden einen wichtigen Beitrag leis- · Die Einsetzung der Enquete-Kom- und bestehende Ganztagsschulen · Der Beschluss eines Nationalen Ak- tet. Entscheidend wird aber auch mission des Deutschen Bundestages ildungs-, Kultur- und Jugendpo- qualitativ auszubauen.“ Insgesamt 4 tionsplans „Für ein kindergerechtes hier sein, dass die Infrastrukturen im „Kultur in Deutschland“. Zu ihrem B litikerInnen werden nicht mü- Mrd. Euro, verteilt auf die Jahre 2003 Deutschland“, kurz NAP genannt. Im Feld der Kinder- und Jugendkultur- umfassenden Arbeitsauftrag gehör- de, den Wert kultureller Bildung in – 2007, wurden hierfür vom Bund zur Januar 2005 hat die Bundesregierung arbeit durch die Bundespolitik Un- te auch eine Bestandsaufnahme der ihren Reden herauszustellen. Insbe- Verfügung gestellt. Ergänzend zu den Nationalen Aktionsplan vorge- terstützung erfahren und die Rah- „kulturellen Bildung“ und der „kul- sondere die PISA-Studie hat sie in diesem Investitionsprogramm wur- legt. Er knüpft an an das auch von menbedingungen ihrer Arbeit gesi- turellen Grundversorgung“. Die an- dieser Legislaturperiode herausge- de von der Bundesregierung ein in- der Bundesrepublik Deutschland chert sind. gestrebte Auflösung des Deutschen fordert, auf die Bedeutung früher haltliches Begleitprogramm „Ideen unterzeichnete Abschlussdokument Bundestages gefährdet einen fun- Förderung, ganzheitlicher Bildung für Mehr! Ganztägig lernen“ auf den des Weltkindergipfels 2002 der Ver- · Die Novellierung des FSJ Gesetzes dierten Abschluss der Kommissions- und die Probleme sozialer Unge- Weg gebracht. Kernbereiche des Pro- einten Nation. Die Bundesregierung 2002 und die Empfehlungen der arbeit und entsprechende Hand- rechtigkeit in den Zugangschancen jektes sind ein Internetportal und so nimmt sich damit in die politische Kommission „Impulse für die Zivilge- lungsempfehlungen. Die Träger kul- zu Bildung und Kultur einzugehen. genannte regionale Serviceagentu- Verantwortung: „Kinder sind unser sellschaft“ 2004: Die Gesetzesände- tureller Bildung in der BKJ waren Aber Politik wird sich an Taten ren in den Bundesländern, die Bera- eigentliches gesellschaftliches Ver- rung im Freiwilligen Sozialen Jahr davon ausgegangen, dass die Kom- messen lassen müssen. Entschei- tung und Fortbildung sowie fachliche mögen. Sie sollen deshalb so auf- öffnete dieses besondere Feld bür- mission aus ihren Zuarbeiten und dend für die Nutzer, also die junge Informationen bereit halten und Ver- wachsen, dass sie die gesellschaftli- gerschaftlichen Engagements für nach den ExpertInnen-Anhörungen Generation und die Macher, die netzungsarbeit leisten wollen. Die chen und wirtschaftlichen Verände- junge Menschen und Träger in der zur kulturellen Bildung auch politi- KünstlerInnen, KulturpädagogInnen Dynamik seit dem Start des IZBB im rungen ihrer Zeit aktiv annehmen Kultur. Mit dem FSJ Kultur kann sche Konsequenzen für mehr Kunst und Infrastrukturen kultureller Kin- Mai 2003 ist unverkennbar. Bis zum und den Wandel produktiv mitge- derzeit über 400 jungen Menschen und Kultur für Kinder und Jugendli- der- und Jugendbildung ist: Welche Ende der Sommerferien 2005 werden stalten können. ... Die Bundesregie- ein freiwilliges Jahr zwischen Schu- che ziehen wird. Gerade die Bundes- politischen Entscheidungen, geän- rund 3.000 neue Ganztagsschulen in rung will daher die Lebens- und Ent- le und Beruf in Kunst- und Kulturein- kulturpolitik müsste im Hinblick auf derten Gesetze, Förderprogramme ganz Deutschland starten. Für das wicklungschancen für alle Kinder richtungen geboten werden. Die die Förderung von Kunst für, mit und und Rahmenbedingungen haben die kommende Schuljahr sei laut Vorha- und Jugendlichen in Deutschland, Kommission „Impulse für die Zivil- von Kindern und Jugendlichen mehr kulturelle Kinder- und Jugendbil- bensplanung der Länder mit weite- unabhängig von ihrer sozialen Her- gesellschaft“ hat mit ihren Empfeh- Verantwortung übernehmen. Die BKJ dung gestärkt? Fragen nach Quali- ren 2000 Schulen zu rechnen. kunft, verbessern.“ (Präambel) Sechs lungen den Weg für den Aufbau ge- Mitgliederversammlung forderte tätskonzepten kultureller Bildungs- Für die Bildungspolitik impliziert Handlungsfelder werden für diese nerationsübergreifender und gene- kürzlich, mindestens 10% der öffent- förderung von Anfang an, auch die Einführung von Ganztagsange- Aufgabe benannt: an erster Stelle der rationsoffener Freiwilligendienste lichen Mittel für Kunst und Kultur für bereits für die unter 6jährigen, nach boten die Verbesserung der Betreu- Punkt „Chancengerechtigkeit durch gewiesen. Das mit dem Bundeshaus- die Förderung der kulturellen Bildung Angebotsvielfalt und Zugangschan- ung, eine notwendige Qualitätsver- Bildung“. Die Zusammenarbeit aller halt 2005 in Kraft getretene neue und die Unterstützung von Kinder- cen für alle Kinder, nach rezeptiven besserung der schulischen Bildung Erziehungs- und Bildungspartner, Modellprogramm stellt einen Etat und Jugendprojekten vorzusehen. ebenso wie auch partizipativen und den Abbau von Benachteiligun- die frühe Förderung aller Kinder und von 10 Millionen Euro in 2005 zur Es gibt viele gute Gründe, die kul- Möglichkeiten der Teilhabe an Kunst gen. Die Fachorganisationen der kul- eine umfassende Bildung zu den Verfügung, um „die Zivilgesellschaft turelle Kinder und Jugendbildung und Kultur, nach bundespolitischen turellen Bildung erhoffen sich von Schlüsselfragen von mehr Kinder- zu stärken und eine Kultur selbstver- weit oben auf der Agenda von Ju- Innovationen für die kulturelle Brei- einer veränderten Organisation von freundlichkeit in Deutschland zu ständlicher Freiwilligkeit in unserem gend-, Bildungs- und Kulturpolitik tenförderung ebenso wie die Förde- Schule und einem erweiterten Ver- machen, schafft für die Träger kultu- Land zu entwickeln“. Mit einem zu verorten. Analysen gesellschaftli- rung des künstlerischen Nachwuch- ständnis von Bildung die Stärkung reller Bildung einen Rahmen, in wel- Modellvorhaben „kek – Kultur, Enga- cher Realität, fachwissenschaftliche ses u. v. m. brauchen mehr als aner- aller Künste und kultureller Lernin- chen sie sich mit ihrer gesellschafts- gement, Kompetenz. Generationsof- Studien, kultur- und bildungspoliti- kennende Worte. halte und –formen in der Schule. In politischen Verantwortung sinnvoll fene Freiwilligendienste in der Kul- sche Expertisen unterstreichen die Bundespolitische Weichenstel- die Ausgestaltung des Ganztags und einbringen können. Gerade im Be- tur“ ist der Dachverband der kultu- Bedeutung kultureller Bildung für lungen – mit Folgen für die Förde- in die Entwicklung einer neuen reich der frühen Förderung, der Un- rellen Kinder- und Jugendbildung, gesellschaftliche Integration und so- rung von Kunst und kultureller Bil- Lernkultur und veränderten Schule terstützung interkultureller Kompe- die BKJ, in das Modellvorhaben ein- ziale Kompetenz: Verschiedene Ar- dung für Kinder und Jugendliche – können sich die BKJ Mitglieder, d.h. tenz und Förderung eine neuen gebunden. Weitere Projektförderun- beiten zur Evaluation von Bildungs- waren in dieser Legislaturperiode: die Bundesfachorganisationen der Lehr- und Lernkultur leistet die kul- gen sollen je nach Haushaltslage- so wirkungen beispielsweise konnten Musik- und Kunstschulen, der Mu- turelle Bildung viel für ein gelingen- die Pressemitteilung des federfüh- Lernchancen mittels der Künste · Die Initiative der Bundesregierung seums- und Medienpädagogik und des Aufwachsen junger Menschen. renden BMFSFJ - in den nächsten sichtbar machen. Gerade im Hin- für ein Ganztagsschul-Ausbaupro- kulturellen Bildungsförderung mit Und auch die anderen Handlungs- Jahren folgen. Nach der Stellungnah- blick auf die Vermittlung von Schlüs- gramm mit dem Titel „Zukunft Bil- Theater, Tanz, Literatur und Kunst felder des NAP: Aufwachsen ohne me des Deutschen Kulturrates zum dung und Betreuung“, kurz IZBB. Mit selbstbewusst einbringen. Von der Gewalt / Förderung eines gesunden „Bürgerschaftlichen Engagement in Weiter auf Seite 16 dem IZBB – so die Verwaltungsver- Bildungspolitik erwarten sie, dass sie Lebens und gesunder Umweltbedin- Deutschland“ ist die Kultur ein wich- BILANZ KULTURPOLITK politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 16

schiedenen Politikfelder Kultur, · In der Bundeskulturpolitik die In- men. Die Überlegungen der vom fie, Literatur, elektronische Medien, Fortsetzung von Seite 15 Schule und Jugendhilfe und des wei- teressen der jungen Menschen stär- Deutschen Bundestag und Bundesrat Rhythmik, Spiel, Tanz, Theater, Video teren die partnerschaftliche Koopera- ker in den Mittelpunkt zu stellen und Ende 2003 eingesetzten Kommission u.a. fördern. Kulturelle Bildung soll die Politik für die kulturelle tion mit den Trägern der kulturellen Ausgrenzung zu vermeiden. Mehr zur Modernisierung der bundesstaat- Wahrnehmungsfähigkeit für komple- Kinder- und Jugendbildung Kinder- und Jugendbildung, wie sie Kunst für Kinder! lichen Ordnung, kurz Föderalismus- xe soziale Zusammenhänge entwi- sich insbesondere in dem Dachver- · In der Bundesbildungspolitik den kommission genannt, versetzten die ckeln, das Urteilsvermögen stärken selkompetenzen zeigt die kulturelle band BKJ und dem Deutschen Kultur- Zusammenhang von sozialer Her- bundeszentralen Träger kultureller und Kinder und Jugendliche zur ak- Bildung ihre besondere Leistungsfä- rat zusammengeschlossen haben. Sie kunft, Lebenslage und Bildungserfolg Kinder- und Jugendbildung daher in tiven und verantwortlichen Mitge- higkeit, wie mit dem neuen Bildungs- sind als bundesweite Fachstrukturen aufzubrechen, das Recht auf umfas- hohe Alarmbereitschaft. Vor allem die staltung der Gesellschaft ermutigen.“ pass „Kompetenznachweis Kultur“ für die Entwicklung umfassender Bil- sende Bildung für alle und ein Leben Bestrebung, die Kinder- und Jugend- Dieses Bundesprogramm für die dokumentiert. Sozial- und kulturwis- dung und innovativer Konzepte zur lang zu sichern und in den anstehen- hilfe in die Zuständigkeit der Länder kulturelle Bildung in der Kinder- und senschaftliche Forschungen wie der Kunst und Kultur unverzichtbar. den Bildungsreformprozessen der zu geben, stellte eine große Gefahr Jugendhilfe gewährleistet durch die 2. Freiwilligensurvey und die Ergeb- Durch ihre kontinuierliche Förde- kulturellen Bildung mehr Gewicht zu dar, denn ein Verlust der Bundeszu- Förderung bundeszentraler Infra- nisse des Jugend-Kulturbarometers rung und den inhaltlichen Diskurs geben. Schlüsselkompetenzen durch ständigkeit im Gesetzesbereich der strukturen eine strukturelle Qualität, 2004 haben die kulturellen Interessen mit ihnen, sind zukunftsfähige Lö- kulturelle Bildung - Bilden mit Kunst! Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) die weit über faszinierende Einzel- in der Bevölkerung herausgestellt. Sie sungen vorstellbar. Das Zusammen- · In der Bundesjugendpolitik Lern- hätte unmittelbar auch die Förder- projekte hinaus reicht. Für die Zu- begründen ebenso wie die vom Deut- wirken aller politisch und fachlich ver- und Lebensräume von Kindern und kompetenz des Bundes in Frage ge- kunft von Bildung und Kultur in schen Jugendinstitut für das BMBF antwortlichen Akteure wird Synergien Jugendlichen so auszugestalten, dass stellt und ein für die Infrastrukturen Deutschland ist dieses Programm 2004 erarbeiteten konzeptionellen schaffen: um die Vielfalt kultureller eine „Kultur des Aufwachsens“ unab- kultureller Bildung entscheidendes unverzichtbar. Es muss in der Bun- Grundlagen für einen nationalen Bil- Bildungsorte und -formen zu stärken, hängig von sozialer Herkunft und Er- Förderprogramm, den Kinder- und deszuständigkeit erhalten, im Mit- dungsbericht und die vom BMFSFJ in um die Zugänge zu Kunst und Kultur ziehung, Betreuung und Bildung von Jugendplan des Bundes mit einem telumfang für die Förderung auch Auftrag gegebenen Jugendberichte zu erleichtern, die Qualität zu verbes- Anfang an gesichert sind. Mit kultu- eigenen Fördertitel für die „Kulturel- neuer bundeszentraler Infrastruktu- die Relevanz non-formeller Bildung sern und das Angebot auszuweiten, reller Bildung Kinder und Jugendliche le Bildung“, ins Wanken gebracht. ren ausgebaut und entsprechend und Kultur. um die öffentliche Aufmerksamkeit stärken! Dieses jugendpolitische Programm der gewachsenen Bedeutung kultu- Ein neues inhaltliches Verständ- auf die kulturellen Interessen von Kin- Die Förderung von Bildung und gewährleistet mit einem Fördervolu- reller Bildung politisch gestärkt wer- nis dessen, was die Künste und die dern und Jugendlichen zu lenken, um Kultur ist eine öffentliche Aufgabe. men von knapp 7,5 Millionen Euro, den. kulturelle Bildung für die Gesell- Kultur als Lebenskunst erfahrbar zu Dies gilt auch für den Bund. In einem dass Kinder- und Jugendliche befä- schaft bedeuten, verlangt von den machen und die Politik für die Förde- kooperativen Föderalismus muss die higt werden, „sich mit Kunst, Kultur Die Verfasserin ist Geschäftsführerin Jugend-, Bildungs- und Kulturpoliti- rung kulturelle Kinder- und Jugendbil- Bundespolitik - im Zusammenwir- und Alltag phantasievoll ausein- der Bundesvereinigung Kulturelle kerInnen Vieles: Vor allem eine an dung einzunehmen. Zukunftsfähig- ken mit den Ländern - Verantwor- ander zu setzen. Es soll das gestalte- Jugendbildung und Geschäftsführe- der Sache orientierte, ressortüber- keit der Politik hieße für die kulturelle tung für die kulturelle Kinder- und risch-ästhetische Handeln in den Be- rin des Rates für Sioziokultur und greifende Zusammenarbeit der ver- Kinder- und Jugendbildung: Jugendbildung haben und überneh- reichen Bildende Kunst, Film, Fotogra- kulturelle Bildung Kultur muss weiter gestärkt werden Eine Bilanz der Arbeit im Kulturausschuss des Deutschen Bundestages • Von Monika Griefahn

Der Bundestagsausschuss für Kul- verfolgten Homosexuellen“. Zentral tur und Medien hat in den sieben waren außerdem das neue Filmför- Jahren seines Bestehens seine derungsgesetz und die Umgrün- Notwendigkeit mehr als einmal be- dung der Export-Union in German wiesen. Nachdem Bundeskanzler Films Services and Marketing Gerhard Schröder das Amt des Be- GmbH, das Informationsfreiheits- auftragen für Kultur und Medien in gesetz, die Novellierung des Tele- der Bundespolitik eingeführt hat- kommunikationsgesetzes oder das te, war es nur konsequent im Par- Signaturgesetz. lament einen dementsprechenden Ausschuss einzurichten, der Geset- Weiter entwicklung des ze initiiert und die Arbeit der Re- gierung begleitet und kontrolliert. Gedenkstättenkonzepts Schon nach kurzer Zeit wurde klar, Der Bundestag begleitete aktiv die dass es durch die neue Aufgaben- Entscheidung für den Bau des Denk- verteilung weitaus besser möglich mals für die ermordeten Juden Eu- ist, Kunst, Kultur und die Kultur- ropas mit dem Ort der Information. schaffenden in Deutschland sowie Die Eröffnung am 10. Mai 2005 wur- das Bild von Deutschland als Euro- de vorgenommen, nachdem der Bau päische Kulturnation in der Welt zu innerhalb des vorgegebenen Zeit- stärken und zu unterstützen. Zu und Kostenrahmens abgeschlossen diesem Zeitpunkt kann der Kultur- wurde. Noch in Arbeit ist eine Wei- ausschuss bereits eine Bilanz vor- terentwicklung des Gedenkstätten- legen, die deutlich die Erfolge in konzepts unter stärkerer Einbindung der deutschen Kulturpolitik doku- der SED-Gedenkstätten. Für den Bau mentiert. des Sinti- und Roma-Denkmals steht das Geld bereit, lediglich die Eini- u den zentralen Ergebnissen der gung über die Inschrift ist noch nicht Z letzten Jahre gehören die Haupt- zustande gekommen. Die im Juli stadtkulturfinanzierung und mit den 2001 novellierte Künstlersozialversi- beiden Hauptstadtkulturverträgen, cherung bedarf der weiteren finan- das Programm „Kultur in den neuen ziellen Stärkung sowie struktureller Ländern“, die neue Gedenkstätten- Anpassungen, die in einem Antrag konzeption, die neue Ausrichtung in der Koalitionsfraktionen themati- der Auswärtigen Kultur- und Bil- siert werden. Dieses wichtige Projekt dungspolitik, die Reform des Stif- kann bis Herbst 2005 leider nicht tungsrechtes, sowohl im steuer- mehr abgeschlossen werden. Eine rechtlichen als auch im privatrecht- Maßnahme von großer Tragweite lichen Teil, und der Filmförderung, war die Novellierung des Deutsche- sowohl in der Struktur als auch im Welle-Gesetzes, die die Neufassung neuen Filmfördergesetz, das Jugend- der Ziele für die Deutsche Welle, die Wegweiser im Paul-Löbe-Haus zu den Sitzungssälen der Ausschüsse des Deutschen Bundestages schutzgesetz, die Novellierung des Konkretisierung des Programmauf- Foto: Deutscher Kulturrat Bundesdatenschutzgesetzes, die trags und Effektivierung der Rund- Änderung in der Besteuerung aus- funkautonomie durch Verfahren der Grundgesetz ausgesprochen haben. digen gilt. Im Lichte des GATS und Kultur findet auf nationaler und in- ländischer Künstlerinnen und Selbstregulierung und Evaluation, Dies umzusetzen, muss im Herbst der EU-Dienstleistungsrichtlinie ternationaler Ebene statt, sie be- Künstler, die Novelle des Künstlerso- die gesetzliche Grundlage für das eine der ersten Aufgaben des neu braucht es einen möglichst starken deutet Hochkultur wie auch Sozio- zialversicherungsgesetzes und des Online-Angebot der Deutschen Wel- gewählten Bundestages sein. Verteidiger von Kultur auf Bundese- kultur. Der Ausschuss für Kultur und Urhebervertragsrechts sowie das le und intensivere Kooperation von Medien in einem pluralistischen bene. Schon allein deswegen ist es Medien stellt auch in Zukunft eine Gesetz zum Erhalt der Buchpreisbin- ARD, ZDF anstrebt System und der kompetente Um- eine nötige Überlegung, ob es nicht wichtige Institution dar, die effek- dung. gang mit ihnen sind ein unverzicht- das Amt einer Bundeskulturministe- tiv für die Stärkung von Kultur und Daneben initiierte der Ausschuss Reform der Medienordnung barer Bestandteil unserer freiheitli- rin bzw. eines Bundeskulturminis- Kulturschaffenden eintreten kann. für Kultur und Medien zahlreiche chen und demokratischen Gesell- ters geben sollte. Erst dadurch bekä- Denn es steht außer Frage, dass die Bundestagsbeschlüsse: So wurde Zu den dringenden Projekten, die schaft. Auch für die Zukunft halte me Deutschland eine tatsächlich Kultur in Deutschland auch weiter- beispielsweise die Enquete-Kom- leider nicht mehr zum Abschluss ich es für notwendig, dass sich der handlungsfähige Repräsentanz auf hin der staatlichen Unterstützung mission „Kultur in Deutschland“ kommen werden, zählen unter an- Kulturausschuss für die Vielfalt ih- Bundesebene, die in Europa und bedarf. Und auch das ist ein Erfolg eingesetzt, für deren Weiterführung derem die Reform der Medien- und rer Inhalte und Entwicklungspers- besonders für den Bereich der Aus- der rot-grünen Politik: Sowohl einen auch nach dem Herbst 2005 sich Kommunikationsordnung. Es ist pektiven in allen Verbreitungswe- wärtigen Kulturpolitik Engagement Kulturstaatsminister oder eine Kul- alle Fraktionen ausgesprochen ha- wichtig in der kommenden Legisla- gen einsetzt. Insbesondere die Zu- zeigen muss. Zu den Aufgabenfel- turstaatsministerin, als auch einen ben. Weiterhin forderten wir eine turperiode diese und andere wichti- kunftsfähigkeit des öffentlich-recht- dern sollte dann auch die Auswärti- Kulturausschuss auf Bundesebene Selbstverpflichtung öffentlich- ge Maßnahmen in Angriff zu neh- lichen Rundfunks muss sicherge- ge Kultur- und Bildungspolitik und stellt heute niemand mehr in Fra- rechtlicher und privater Rundfunk- men, damit Kunst und Kultur weiter stellt werden. die Medienpolitik arrondiert wer- ge. sender zur Förderung von Vielfalt gestärkt werden. Ich begrüße es da- Kulturelle und mediale Vielfalt ist den. So würde Deutschland seiner im Bereich von Rock- und Popmu- her, dass sich bereits Abgeordnete ein wertvolles und eigenständiges Verpflichtung als europäisch ver- Die Verfasserin ist Vorsitzende des sik in Deutschland sowie das „Denk- parteiübergreifend für die Veranke- Gut, das es auch auf europäischer wurzelte Kulturnation auch in Zu- Ausschusses für Kultur und Medien mal für die im Nationalsozialismus rung von Kultur als Staatsziel im und internationaler Ebene zu vertei- kunft gerecht. des Deutschen Bundestags BILANZ KULTURPOLITIK politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 17

Die bündnisgrüne Kulturpolitik der laufenden Legislaturperiode Die Arbeit der Jahre nach der „Kulturrevolution“ • Von Antje Vollmer

entscheidung. Es zeigt sich hier die Kulturpolitische Themen und Ak- doppelte Zuständigkeit des Bundes: zente, die uns in dieser Legisla- 1) seine besondere Verantwortung turperiode besonders wichtig für die kulturelle Entwicklung der waren Bundeshauptstadt, 2) seine Zustän- digkeit für Institutionen, die in be- sonderer Weise der Repräsentation m es gleich vorweg zu sagen: des Gesamtstaats dienen. Uwir rot-grünen Kulturpolitiker Und: Ende des Jahres wird nach hätten uns wirklich gewünscht, das einigen Fehlleistungen der Berliner letzte Jahr vor der eigentlich 2006 ge- Verwaltung endlich der vom Deut- planten Wahl noch voll ausschöpfen schen Bundestag mehrfach bestätig- zu können. Pläne dafür haben wir te Beschluss für den Abriss des Pa- genug. Aber auch so konnten wir ei- lastes der Republik umgesetzt. nige wichtige Debatten und Geset- Die Novelle des Filmförderungs- zesvorhaben voranbringen und ab- gesetzes (FFG) war ein weiteres gro- schließen: ßes Projekt der letzten drei Jahre. Das Für mich persönlich war die ge- FFG ist das wichtigste Filmförderin- meinsame öffentliche Anhörung der strument in Deutschland. Der deut- Enquetekommission des Deutschen sche Film hat in den letzten Jahren Bundestages„Kultur in Deutsch- mit einigen Publikums- und Preiser- land“ und des Kulturausschusses folgen bewiesen, dass sich die Mühe zum Thema „Eine Quote für Musik und die Kosten lohnen, diese Bran- aus Deutschland?“ im September che besonders zu fördern. Sie ist 2004 einer der Höhepunkte. Die nicht zuletzt auch eine Branche, in Bundeskulturpolitik reagierte damit der viele Menschen beschäftigt sind. frühzeitig auf die von der Initiative Die FFG-Novelle hatte vor allem drei „Musiker in eigener Sache“ angesto- wichtige Ziele: die Stärkung der Re- ßene Debatte über eine Medien- ferenzmittelförderung, die Stärkung chance für Musik aus Deutschland. der Eigenkapitalbasis der Produzen- Die vom großen Interesse der Medi- ten und schließlich die Verbesserung en und der Musikszene begleitete der Außendarstellung des deutschen Anhörung führte zu dem im Dezem- Films. Nicht zu vergessen ist die ber 2004 vom Deutschen Bundestag Gründung der Filmakademie, die ihr Leere Stühle – das Ende der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“? Foto: Deutscher Kulturrat verabschiedeten Antrag „Für eine Profil jedoch erst noch entwickeln Selbstverpflichtung öffentlich-recht- muss. Schließlich wird uns auch die Bewah- ministerium erhielten kulturpoliti- Urhebervertragsrecht, die Errichtung licher und privater Rundfunksender rung des kulturellen Erbes weiter be- sche Themen auf Bundesebene der Bundeskulturstiftung, die Buch- zur Förderung von Vielfalt im Be- schäftigen. Die Welterbestätten ha- erstmals zwei gewichtige Foren auf preisbindung, das erste Gedenkstät- reich von Pop- und Rockmusik in Aufgrund der vorgezogenen Wah- ben immer noch keine sichere Finan- Bundesebene: den Ausschuss für Kul- tenkonzept und die diversen Debat- Deutschland“. Dessen Empfehlun- len sind aber auch einige wichti- zierung. Und auch der Denkmal- tur und Medien im Bundestag und ten über den Schlosswiederaufbau, gen sollen Ende 2005 überprüft wer- ge Vorhaben noch unvollendet schutz ist uns weiterhin sehr wichtig. die Beauftragten für Kultur und Me- den Denkmalschutz oder die Kunst den – vor allem die Forderung, einen geblieben dien im Bundeskanzleramt. Die kul- im Reichstag haben der Kultur in Anteil von 35 % deutschsprachiger turpolitischen Erfolge in der Zeit nach Deutschland eine große Plattform auf bzw. in Deutschland produzierter Vergleich mit der letzten Legis- der Wahl 1998 sind unumstritten ei- politischer Ebene verliehen. Pop- und Rockmusik zu senden, wo- Ganz besonders am Herzen liegt laturperiode nes der deutlichsten Zeichen dafür, Dafür steht die bündnisgrüne bei zur Hälfte Neuerscheinungen uns Grünen die Ratifizierung des wie groß der Wandel in der Politik Kulturpolitik auch in Zukunft. von Nachwuchsmusikern zu berück- UNESCO-Abkommens über „Maß- unter Rot-Grün insgesamt war. Die sichtigen sind. nahmen zum Verbot und zur Verhü- Die erste Regierungsperiode der Stiftungsrechtsreform, die Wiederbe- Die Verfasserin ist kulturpolitische Als die Ministerpräsidenten Koch tung der unzulässigen Einfuhr, Aus- rot-grünen Regierung kam einer Re- lebung des kulturellen Künstleraus- Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/ und Steinbrück die Mittel für aus- fuhr und Übereignung von Kultur- volution in der bundesdeutschen tauschs durch eine Neuregelung im Die Grünen im Deutschen Bundes- wärtige Kulturpolitik als „Subventi- gut“ von 1970. Die Vorarbeit für das Kulturpolitik gleich. Herausgerissen Einkommenssteuergesetz, die erste tag und Vizepräsidentin des Deut- onen“ kategorisierten und diese Ausführungsgesetz im Hause der aus ihrem Schattendasein im Innen- Reform der Künstlersozialkasse, das schen Bundestags dann streichen wollten, galt es, die Kulturstaatsministerin ist in großen Kulturpolitik zu verteidigen. Wir Teilen geleistet. Mit diesem längst setzten erfolgreich durch, dass Kul- überfälligen Schritt, den heute tur nicht als überflüssige Subventi- bereits 107 Länder inklusive die gro- on betrachtet werden kann. In der ßen Kunsthandelsmärkte Großbri- Anfänge und Aufbrüche auswärtigen Kulturpolitik hat auch tannien und die Schweiz vorge- Von Eckhardt Barthel das Goethe-Institut in der auslaufen- macht haben, wollen wir eine inter- den Wahlperiode eine ganz erhebli- national gültige rechtliche Grundla- Die Kulturpolitik der rot-grünen Bun- der Bundeskulturpolitik. Daher ist es beenden. Da dieses Ziel verfehlt che positive und sinnvolle Umstruk- ge für die Rückführung von illegal desregierung ist eine Geschichte sinnvoll und erstrebenswert, das wurde, halte ich eine Neueinsetzung turierung und Konkretisierung sei- verbrachten Kulturgütern und eine der Anfänge und Aufbrüche. Rot- Amt der Kulturstaatsministerin zu der Enquete durch den nächsten ner Ziele vorgenommen, zu denen einheitliche rechtliche Grundlage Grün hat in den letzten sieben Jah- dem einer Bundeskulturministerin Bundestag für notwendig und selbst- auch das Parlament wichtige Anstö- für die Rückgabe von gestohlenen ren die Bundeskulturpolitik aus ih- auszubauen, um vor allem eine stär- verständlich – dies vor allem deswe- ße gegeben hat. Mit der Novelle des Kulturgütern schaffen. Gerade der rem Dornröschenschlaf befreit. Die kere Handlungsfähigkeit auf europä- gen, weil der Schlussbericht mit zahl- Deutsche-Welle-Gesetzes ist uns Irak-Krieg und die Grabraubungen Kulturpolitik, die unter der Kohl-Re- ischer Ebene zu erlangen. reichen Handlungsempfehlungen schließlich ein politisch wirkungs- in seiner Folge haben gezeigt, wie gierung ein eher stiefmütterliches Was das bislang Erreichte betrifft, für die Kulturpolitik ein wertvolles volles Instrument der auswärtigen wichtig die internationale Zusam- Dasein fristete, hat heute einen hö- seien hier nur schlaglichtartig eini- Vademecum für alle Kulturschaffen- Kulturpolitik gelungen: nun gibt es menarbeit zur Bekämpfung des ille- heren Stellenwert und eine größe- ge zentrale Punkte rot-grüner Kultur- den sein wird. einen klar geregelten Konsultations- galen Handels von Kulturgütern ist. re Bedeutung im Gesamtkonzert der politik genannt. Das neue Filmför- Zu den Weichenstellungen der prozess zwischen der Deutschen Jeder weitere Aufschub würde den Politik. Die Einführung des Amtes dergesetz konnte zum 1. Januar 2004 ersten rot-grüner Kulturpolitik ge- Welle auf der einen Seite und dem Ruf der Bundesrepublik im Kunst- einer Staatsministerin für Kultur in Kraft treten. Mit ihm sind die Pro- hört auch die Hauptstadtkulturför- Parlament auf der anderen über die und Antiquitätenhandel schädigen. und Medien hat sich ebenso be- duktionsbedingungen für den deut- derung. Hier herrscht heute endlich Aufgabenplanung des deutschen Wir sind auch an den Vorbereitungen währt wie die Etablierung eines ei- schen Film verbessert, seine künst- Klarheit. Alle Fraktionen im Bundes- Auslandsenders. Der mit diesem der UNESCO-Konvention zum genständigen parlamentarischen lerisch-kreative Dimension gestärkt tag haben sich mittlerweile zur Ver- Gesetz modernisierte Senderauftrag Schutz der kulturellen Vielfalt betei- Ausschusses für Kultur und Medi- und damit seine wirtschaftlichen antwortung des Bundes für die Kul- entspricht nun exakt den Aufgaben, ligt. Hier werden wir auch in der en. Außerdem und ganz wesentlich Erfolge vergrößert worden. tur in seiner Hauptstadt bekannt. den interkulturellen Dialog zu för- nächsten Wahlperiode weiter aktiv gilt Kulturförderung, auch das ein Seit Anfang 2005 gilt das neue Folgerichtig ist die zeitliche Begren- dern und einen Beitrag zur Krisen- bleiben, um zu verhindern, dass kul- Resultat rot-grüner Politik, heute Deutsche-Welle-Gesetz. Hier ist vor zung des ersten Hauptstadtkultur- prävention zu leisten. turelle Dienstleistungen im Zuge der nicht mehr als Subventionstatbe- allem der kulturpolitische Bezug be- vertrags im Nachfolgevertrag aufge- Was die Kulturpolitik des Bundes wirtschaftlichen Globalisierung der stand, sondern als notwendige und deutsam, denn mit der neuen ge- hoben worden. in der Stadt Berlin angeht, so können Liberalisierung zum Opfer fallen und politische gewollte Unterstützung setzlichen Grundlage wird die Deut- Sechzig Jahre nach Kriegsende wir auch hier Erfolge aufweisen: staatliche Förderung der eigenen kulturellen und künstlerischen Schaf- sche Welle als Medium einer weltof- wurde nun endlich in der Mitte der Die durch den neuen Hauptstadt- Kultur unmöglich wird. fens in der Gesellschaft. Es ist er- fenen, demokratischen und europä- Republik das lange diskutierte Denk- kulturvertrag und die darin festgehal- Auch die am Widerstand Bayerns freulich, dass die rot-grüne Kultur- ischen Kulturnation Deutschland mal für die ermordeten Juden in Eur- tene Entlastung des Berliner Kultur- gescheiterte Fusion der Kulturstif- politik, bei aller Kritik an Details, definiert. Zudem ist mit dem neuen opa realisiert, auch dies ein Meilen- haushalts ermöglichte Umsetzung tung des Bundes mit der Kulturstif- große Anerkennung gerade auch in Instrument einer mehrjährigen Auf- stein rot-grüner Kulturpolitik und der Berliner Opernreform war ein tung der Länder wird ein Thema der Kulturszene gefunden hat. gabenplanung die Kommunikation Ausdruck eines in der Vergangenheit wichtiges kulturpolitisches Signal. bleiben – schließlich spricht alles für zwischen der Deutschen Welle und mühsam errungenen Konsenses Nach allerlei Querelen in der Berliner eine solche Bündelung in der Kultur- ie damit verbundenen Perspek- dem Bundestag intensiviert worden. über den Umgang mit der deutschen Kulturpolitik muss nun dort bewiesen förderung. D tiven wollen wir künftig weiter- Ein Höhepunkt der Kulturpolitik Geschichte und die historische Ver- werden, dass dieses Modell für lokale Die Diskussion um die Abschaf- entwickeln. Vor allem die europäi- der letzen Jahre ist die Arbeit der auf antwortung, die daraus erwächst. Kulturvielfalt nun auch wirklich seine fung der Medienfonds und die Zu- sche Diskussion um den Erhalt und SPD-Initiative eingesetzten Enquete- Auch das Denkmal für die von den Reformwirkung entfalten darf. Auch kunft einer alternativen Filmfinan- die Förderung kultureller Vielfalt ver- Kommission des Deutschen Bundes- Nazis verfolgten und ermordeten die ebenfalls im neuen Hauptstadtkul- zierung – sei es durch andere Fonds, langt angesichts der zunehmenden tages „Kultur in Deutschland“. Die En- Homosexuellen ist auf einem guten turvertrag festgeschriebene und ge- das Sale-and-lease-back-Finanzie- Transnationalisierung und damit zu- quete, die den Stand der Kulturpoli- Weg, während beim Mahnmal für setzlich geregelte Übernahme der rungsmodell oder andere Förde- sammenhängenden Kompetenzer- tik auf Bund-, Länder- und kommu- Akademie der Künste durch den Bund rungsmöglichkeiten – werden wir in- weiterungen für die europäischen naler Ebene untersucht, sollte ei- Weiter auf Seite 18 war eine kulturpolitische Grundsatz- tensiv weiter betreiben. Institutionen eine weitere Stärkung gentlich im Herbst 2005 ihre Arbeit BILANZ KULTURPOLITK politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 18

rung einer Ausstellungsvergütung fraktion Fortsetzung von Seite 17 zur Besserstellung bildender Künst- lerinnen und Künstler. Anfänge und Aufbrüche Wir werden alles daran setzen, den Aufbruch und die vielen Anfän- die ermordeten Sinti und Roma der ge in der Kulturpolitik der vergange- traurige Streit um die geeignete In- nen sieben Jahre fortzusetzen. schrift eine Realisierung bislang ver- Schließlich geht es um die große Fra- hindert hat. ge, welchen Stellenwert man der Kul- Es bleiben aber auch offene Fra- tur in einer modernen Gesellschaft gen. Das längst überfällige UNESCO- einräumt. Ist sie bloß Ornament und Abkommen zum Kulturgüterschutz Schmiermittel in einer sich immer konnte leider nicht erreicht werden. stärker ökonomisierenden Gesell- Ebenso bleiben die Fusion der Kul- schaft, oder bleibt sie ein unverfüg- turstiftung des Bundes mit der Kul- barer Bereich der Entfaltung künst- turstiftung der Länder sowie die lerischer Kreativität, der den beste- Verankerung der Kultur als Staats- henden Verhältnissen stets ein Stück ziel im Grundgesetz offene Fragen. vorauseilt? Wir haben uns eindeutig Die monatelangen Diskussionen zu Letzterem bekannt und wollen über eine Novelle des Urheber- diese Position auch weiterhin ver- rechts zur Stärkung der Stellung der fechten. Urheber gegenüber Industrie, Ver- Die Verantwortung für den Abschluss der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ liegt bei ihnen: v.l.n.r. Nicole wertern und Nutzern bleiben Der Verfasser ist Kulturpolitischer Hück, Erste Kommissionssekretärin; Ferdinand Bitz, Leiter des Sekretariats, Astrid Mahler-Neumann, Stellvertretende vorerst ebenso offen wie die Einfüh- Sprecher der SPD-Bundestags- Leiterin des Sekretariats Foto. Deutscher Kulturrat Enttäuscht und betroffen Kulturpolitik auf Bundesebene lässt viele 9ragen offen • Von Günter Nooke

Nicht nur die Enquête-Kommission „BKM“ reichte hier zum Gruß an die auf die Bedeutung der Auswärtigen des Deutschen Bundestags „Kultur Klientel, zum Regierungshandeln Kultur- und Bildungspolitik auf- in Deutschland“ sieht sich mitten im reichte es nicht. Nicht anders war es merksam gemacht und betont, dass laufenden Geschäft unterbrochen, bei der groß angekündigten „Kultur- die immer größer werdende Schief- sondern auch und vor allem die Kul- verträglichkeitsprüfung“, die sich als lage zwischen den wachsenden An- turpolitik auf Bundesebene. Aber routinemäßige Verwaltungsabstim- sprüchen und den weiteren Kürzun- selbst bei einem regulären Ende der mung entpuppte. Ernüchternd auch gen die Glaubwürdigkeit der deut- Legislaturperiode wären viele 9ra- das Ende der Ausstellungsvergütung schen Bemühungen im Ausland ver- gen offen geblieben. durch das strikte Nein der Justizmi- ringert. Der weit hinter das Erreich- nisterin. So richtig diese Entschei- te zurückgehende Antrag der Koali- er amtierenden Staatsministe- dung in der Sache ist, die Künstler tion konnte keine Signalwirkung ge- D rin gebührt Lob für ihre inte- werden registrieren, was ein rot-grü- ben, die Auswärtige Kultur- und Bil- grative Kraft in der kulturpolitischen nes Versprechen wert ist, das es gar dungspolitik blieb trauriges Stief- Arbeit, bei der nicht künstliche Kon- bis in die Koalitionsvereinbarung kind von Rot-Grün. Es ist in diesem fliktlinien beschworen wurden, son- geschafft hatte. Zusammenhang bezeichnend, dass dern die Suche nach Gemeinsamkei- Was fehlte, waren Anstöße zur die Bundesregierung die Verantwor- ten. So konnten im Ausschuss für kulturpolitischen Debatte. Selbst der tung für die Eröffnungsfeier und das Kultur und Medien des Deutschen Geschäftsführer des Deutschen Kul- Kulturprogramm der Fußball-WM Bundestages dauerhaft tragfähige turrates konstatiert in der Juniausga- aus der Hand gegeben hat. Die Beschlüsse gefasst werden. Es ist be der „neuen musikzeitung“: „(…) Chance für die Vermittlung eines zum Beispiel keine wortklauberische die SPD ist in dieser Legislaturperi- positiven Deutschlandbildes wird Kleinigkeit, dass – erstmals in einem ode nicht gerade durch kulturpoliti- unzureichend genutzt. Bundesgesetz – für die Deutsche sche Akzente hervorgetreten. (…) Wie wichtig künftig die Siche- Welle der Begriff der Kulturnation Von einem kulturpolitischen Auf- rung des nationalen kulturellen Er- festgeschrieben wurde. schwung war nichts zu spüren.“ Die bes sein wird, hat der Brand in der Hervorzuheben ist auch das Ein- Union hat u.v.a. mit der Frage nach Anna Amalia-Bibliothek in Weimar treten der Staatsministerin bei der der deutschen Sprache in der EU ei- gezeigt. Die Unionsfraktion hat sich Frage nach der Restitution von nen Vorschlag zur Diskussion ge- deshalb dafür ausgesprochen, das kriegsbedingt verlagertem Kulturgut bracht, die vielleicht allzu schnell kulturelle Erbe vorsorglich, verläss- im Frühjahr 2005 in Russland. Ihre durch die Verständigung über einen lich und langfristig zu sichern, um späten aber deutlichen Worte und parteiübergreifenden Antrag been- die Einrichtungen aus der Abhängig- zugleich der Wille, an der Verbesse- det wurde. keit von unzureichenden Maßnah- rung der bilateralen Beziehungen Vielleicht ist die Hauptstadt die men wie Soforthilfen von Seiten des kontinuierlich weiter zu arbeiten, einzige Gewinnerin der Kultur-För- Bundes zu lösen. Aus dem Brand ha- zeigen den richtigen Weg. der-Politik der Bundesregierung. ben alle Beteiligten viel gelernt, doch Und doch ließ die Bundesregie- Fast die Hälfte seines Etats für die ist für die Zukunft nicht ausreichend rung die Staatsministerin mehrfach Kultur gibt der Bund nun in Berlin Vorsorge getroffen. im Regen stehen, am spektakulärs- aus. Dass er dies mit willkürlichen Der Sicherung der kulturellen ten wohl in der Frage nach der Ver- Begründungen (Hauptstadtkultur- Vielfalt in Europa war eine wichtige ankerung des Staatszieles Kultur im vertrag) oder Wegen (Übernahme Debatte im Deutschen Bundestag Grundgesetz, für die sich Frau Weiss der Akademie der Künste, Gründung 46 Sitzungen der Enquete-Kommission dürfen nicht umsonst gewesen sein gewidmet, bei der die Union an ihre ausgesprochen hatte. Unwirsch hat der Opernstiftung) getan hat, ist Ge- Foto: Deutsche Kulturrat frühe Forderung nach Schaffung ei- die Bundesregierung darauf mit den schichte; konzeptionell wartet hier nes völkerrechtlichen Instruments Worten reagiert, Frau Weiss habe eine Menge Arbeit. Abriss bestimmten „Palastes der Re- Deutschland“, der die offenen Fra- zum Schutz der kulturellen Vielfalt „aus ihrer Sicht als Kulturstaatsmi- Veranlasst durch die Tatsache, publik“ zur Verfügung gestellt wer- gen vor allem nach der künftigen anknüpfen konnte. Als erste Frakti- nisterin“ gesprochen – und nicht dass entgegen geltender Beschlüsse den, hat die Unionsfraktion das The- Rolle der Gedenkstätten der SED- on hatte die Union diese Forderung etwa als Angehörige der Bundesre- des Deutschen Bundestages öffent- ma zum Gegenstand einer parla- Diktatur thematisiert. Mit der Vorla- vor dem Hintergrund der GATS-Ver- gierung. Das hoch gelobte Amt liche Gelder für die Nutzung des zum mentarischen Debatte gemacht und ge des Antrages wurde eine vor fünf handlungen und den Beratungen der sich für die Bereitstellung eines Are- Jahren versäumte Diskussion nach- UNESCO gestellt. Die Diskussionen als eingesetzt, an dem die Einwer- geholt, die mit der Einbringung der über mögliche Folgen der EU- bung von privaten Mitteln zur „Konzeption der künftigen Gedenk- Dienstleistungsrichtlinie für die Kul- Herausforderung Kinderoper Wiedererrichtung des Berliner Stadt- stättenförderung des Bundes“ von tur müssen sorgfältig beobachtet schlosses verwirklicht werden kann. 1999 hätte einhergehen müssen. In werden. Wie Einsparungen im Haushalt einer Anhörung zum Antrag wurde „Kultur in diesem Land ist in erster geräuschlos abgewickelt werden klar, dass Handlungsbedarf besteht, Linie auf Sicherung und Versorgung können, konnte man in den vergan- um das Gedenkstättenkonzept des aus. Daran haben die rot-grünen Isolde Schmid-Reiter genen Jahren im BKM lernen: So Bundes an die neue Situation anzu- Jahre nichts geändert, im Gegenteil.“ wurde der Etat für die Projektförde- passen und dauerhaft tragfähig zu (Rüdiger Schaper im „Tagesspiegel“, Kinderoper rung von Gedenkstätten nicht aus- machen. 24. Mai 2005). Die inzwischen vorge- Ästhetische Herausforderung und geschöpft, übrig gebliebene Mittel in Die Novellierung des Deutsche- legte Empfehlung der Enquête-Kom- pädagogische Verpflichtung Millionenhöhe wanderten zurück Welle-Gesetzes war das wichtigste mission „Kultur in Deutschland“ ins Finanzministerium; die Überga- Gesetzgebungsverfahren des Jahres zum Staatsziel Kultur sollte dagegen Schriftenreihe der Europäischen be der finanziellen Verantwortung 2003. Leider blieb eine große Chan- ein Anknüpfungspunkt der Kultur- Musiktheater-Akademie, Band 6 für die vier Fonds an die Kulturstif- ce der Novellierung ungenutzt, da politik des Bundes sein; ihr Ziel muss tung des Bundes ging zulasten des die Koalition die von ihr ursprüng- es sein, ein Bewusstsein für den Wert 324 Seiten, Paperback Stiftungsetats, womit rund 3,5 Milli- lich selbst mit eingebrachten Ände- der Kultur zu erzeugen jenseits von ISBN 3-932581-64-4 onen Euro Künstlerförderung im rungsanträge zur mittelfristigen Fi- Fördertopfpolitik und Versorgungs- CB 1164 BKM verschwanden. nanzplanung und zur Selbstbewirt- denken. € 25,– Im Mittelpunkt des medialen In- schaftung im letzten Moment nicht teresses hingegen stand seit Herbst mitzutragen bereit war. Der Verfasser ist ConBrio Verlagsgesellschaft, Brunnstr. 23, 93053 Regensburg, 2003 der von der Union eingebrach- Die Unionsfraktion hat mit ihrem kultur- und medienpolitischer Tel. 0941/945 93-0, Fax 0941/945 93-50, te Antrag „Förderung von Gedenk- Antrag „Auswärtige Kultur- und Bil- Sprecher der CDU/CSU- E-Mail: [email protected], www.conbrio.de stätten zur Diktaturgeschichte in dungspolitik stärken“ im März 2004 Bundestagsfraktion BILANZ KULTURPOLITIK politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 19

Es bleibt noch viel zu tun Bilanz der Kulturpolitik in der 15. Wahlperiode und Ausblick auf die 16. WP • Von Hans-Joachim Otto

Die Bilanz der Kulturpolitik in der sei die Stiftung Preußischer Kultur- beschränken sich zwar bei weitem form der Hauptstadtkulturförderung Denkmal für die ermordeten Juden 15. Legislaturperiode des Bundes- besitz genannt. Ambivalent fällt nicht auf die Amtszeit von Frau Weiss des Bundes. Diese ist ein wichtiger Europas der Öffentlichkeit überge- tages fällt ambivalent aus. Auf der auch die Bilanz der Tätigkeit von und liegen überwiegend im Verant- Beitrag zur Repräsentation des Ge- ben werden Habenseite stehen sicherlich die Kulturstaatsministerin Christina wortungsbereich der Länder. Aber samtstaates und macht zu Recht ei- In der Kulturpolitik hat die rot- (Zwischen)ergebnisse der von allen Weiss aus. Immerhin gelang es der allein in den vergangenen zwölf Mo- nen großen Teil des Kulturetats des grüne Koalition eine Vielzahl weite- 9raktionen eingesetzten Enquete- „Beauftragten der Bundesregierung naten wurden von ihr mehrere Bundes aus. Allerdings darf das En- rer Fragen offengelassen, die die Kommission „Kultur in Deutsch- für Kultur und Medien“, den Kultur- Chancen verspielt, zu einer Korrek- gagement nicht so aussehen, dass FDP in der 16. Wahlperiode mit land“. Wegen der überraschenden etat des Bundes leicht zu vergrößern tur der verunglückten Reform bei- die Übernahme von Berliner Kultur- Nachdruck verfolgen wird. Neben Neuwahl kann die Kultur-Enquete und mehr Geld vor allem für das kul- zutragen. Ich habe die Hoffnung institutionen durch Frau Weiss ohne den bereits genannten Versäumnis- ihre Arbeit bedauerlicherweise nicht turelle Engagement des Bundes in aber noch nicht aufgegeben, dass – grundlegendes Konzept und vor al- sen von Frau Dr. Weiss ist eine wei- beenden und keinen Schlussbericht Berlin am Kabinettstisch zu erstrei- wenn schon eine vollständige Rück- lem von den Berliner Haushaltsnö- tere Modernisierung des Urheber- vorlegen. Daher befürwortet die ten. Dass dies keine Selbstverständ- nahme der Reform kaum durchsetz- ten getrieben erfolgt. Die Vorlage ei- rechts dringend erforderlich. Der 9DP-Bundestagsfraktion, dass die lichkeit ist, zeigt die Tatsache, daß bar ist – die Verantwortlichen noch nes grundlegenden Gesamtkonzep- aufgrund koalitionsinterner Konflik- Enquete-Kommission in der 16. Außenminister Fischer im Laufe sei- zur Vernunft kommen und zu- tes für die Kulturfinanzierung des te auf der Strecke gebliebene Refe- Wahlperiode erneut eingesetzt wird, ner Amtszeit nicht nur einer absolu- mindest dem Rat für deutsche Bundes in Berlin ist daher überfäl- rentenentwurf des so genannten damit der umfangreiche Themenka- ten Absenkung des Etats für die Aus- Rechtschreibung ausreichend Zeit lig. Die Verlängerung des Haupt- zweiten Korbs zur Regelung des Ur- talog, zu dem in vielen Bereichen wärtige Kultur- und Bildungspolitik geben, um seine erfolgversprechen- stadtkulturvertrags, die Frau Weiss heberrechtes in der Informationsge- Zwischenergebnisse vorliegen, ab- zugestimmt hat, sondern zudem den de Arbeit des Rückbaus der Reform als einen großen Erfolg anpreist, sellschaft, der viele gute Ansätze hat- geschlossen werden kann. relativen Anteil der Kulturausgaben fortzusetzen. Das Chaos, welches wurde in bedenklicher Weise an den te, muss in der 16. Wahlperiode drin- am Gesamthaushalt des Auswärti- durch die fatalen Beschlüsse der Parlamenten vorbei lediglich als Ver- gend erneut in Angriff genommen ie Kultur-Enquete hat aber gen Amtes drastisch heruntergefah- Kulturministerkonferenz entstan- waltungsvereinbarung geschlossen werden. Die digitale Welt braucht ein D bereits jetzt wichtige Akzente ren hat. den ist, belegt auf nachdrückliche und ist bis heute nicht veröffentlicht starkes Urheberrecht, welches der gesetzt. Ein Schwerpunkt lag bei- Andererseits gelang es Christina Weise, dass Staat und Politik sich - ein weiteres Beispiel für Intranspa- technischen Entwicklung Rechnung spielsweise auf dem Thema Kultur- Weiss nur unzureichend, die Kultur- künftig jeglicher „Sprachlenkung“ renz bei der Hauptstadtkulturförde- trägt. wirtschaft, mit dem sich die Kultur- politik in der Breite der Gesellschaft enthalten sollten. rung. In der Künstlersozialkasse wollen Enquete intensiv auseinanderge- zu verankern oder größere Debatten Ein wichtiges Thema, bei dem in Hinsichtlich des Gedenkens an wir einen fairen Ausgleich der Inter- setzt hat. Weitere wichtige Themen, anzustoßen. Mit ihr verbinden sich der 15. WP viel Zeit verloren wurde, die Opfer der beiden deutschen Dik- essen zwischen den Versicherten die in der Kultur-Enquete behandelt eine Unzahl von Pressemitteilungen, ist die Restitution von kriegsbedingt taturen des 20. Jahrhunderts konnte und den derzeit über Gebühr belas- wurden, waren die Kulturelle Bil- eine Vielzahl kleinerer Initiativen, verschleppten oder einbehaltenen im weitgehenden parteiübergreifen- teten Verwertern finden. Dazu hat dung, die Entwicklung einer bundes- wie zum Beispiel die Initiierung des Kulturgütern. Offenbar spielte das den Konsens einiges auf den Weg die FDP-Fraktion einen Antrag mit und europaweit einheitlichen Kul- Schillerjahrs sowie die Gesetzge- Thema für Bundeskanzler Gerhard gebracht werden. Insbesondere der konkreten Reformvorschlägen vor- turstatistik und die Untersuchung bungsverfahren zur Novellierung Schröder so gut wie keine Rolle – was Nachholbedarf beim Gedenken an gelegt. Das Stiftungsrecht muss wei- des privaten Spendenverhaltens. von Filmförderungsgesetz und Deut- ein großes Versäumnis ist angesichts die Opfer der SED-Diktatur wurde 15 ter vereinfacht werden, wie auch in Darüber hinaus konnte die Enquete- sche-Welle-Gesetz, deren Erfolg sich des bedrohlichen Zustandes vieler Jahre nach der Wiedervereinigung allen anderen Bereichen die rechtli- Kommission einige wichtige Debat- noch nicht abschließend beurteilen der im Zweiten Weltkrieg und unmit- von allen Seiten erkannt. Es geht chen und steuerlichen Bedingungen ten anstoßen, die von aktueller poli- lässt. Deutlich zeigen sich die Ver- telbar danach verschleppten Kultur- hierbei zum einen um die Sicherung für das private Engagement in der tischer Bedeutung sind, wie die Re- säumnisse der Staatsministerin güter. Noch immer sind wertvolle zahlreicher, bisher nur unzurei- Kultur weiter verbessert werden form der Künstlersozialkasse oder beispielsweise bei der Rechtschreib- Kunstgegenstände, Bücher, Archiva- chend geförderter authentischer müssen. Zur Reform des Stiftungs- die von allen getragene Forderung reform. Zu diesem Thema von über- lien und archäologische Fundstücke Gedenkstätten, zum anderen um die rechtes hat die FDP-Bundestagsfrak- nach einer Ergänzung des Grundge- ragender kulturpolitischer Bedeu- nicht restituiert worden, obwohl die Fortsetzung der Aufarbeitung des tion bereits einen Gesetzentwurf er- setzes um die Kultur als Staatsziel. tung ist mir kaum eine Stellungnah- Grundsätze des Völkerrechts und bi- SED-Unrechts. Hier sind auf allen arbeitet. Der überwiegend positiven Bi- me oder gar größere Initiative von ihr laterale Abkommen dazu verpflich- Ebenen Projekte angelaufen, die in Mit Blick auf die europäische lanz der Enquete-Kommission steht in Erinnerung. ten. der 16. Wahlperiode fortgeführt wer- Ebene steht die Umsetzung der Fol- gegenüber das schmerzliche Schei- Die Mängel und Widersprüch- Ein weiteres Versäumnis von den. Nach langer Planungszeit konn- gerechtsrichtlinie an, bei der es obers- tern der Fusion der Kulturstiftung lichkeiten der Rechtschreibreform Frau Weiss ist die unterlassene Re- te immerhin in diesem Jahr das tes Ziel sein muss, die in Europa ge- der Länder mit der Kulturstiftung fundene Kompromisslösung so umzu- des Bundes – und die damit aufge- setzen, dass die Wettbewerbsnachtei- schobene Klärung föderaler Zustän- le des Kunsthandels in Deutschland digkeiten im Bereich der Kulturpoli- abgebaut werden. tik. Eine (durchaus sinnvolle) Ab- Über das Beantworten all dieser grenzung der gesetzgeberischen Zu- aktuellen kulturpolitischen Fragen ständigkeiten zwischen Bund und hinaus verstehen wir es als eine Ländern in Form von zwei „Körben“, wichtige Aufgabe der Politik, kultur- wie in den „Eckpunkten für die Sys- politische Debatten stärker als tematisierung der Kulturförderung bisher in die Gesellschaft hineinzu- von Bund und Ländern“ vom Juni tragen und Diskussionen über die 2003 vorgeschlagen, scheiterte buch- Grundlagen unseres kulturellen stäblich in letzter Sekunde an einem Selbstverständnisses anzustoßen. Veto aus Bayern. Es bleibt vordringli- Kulturpolitik erschöpft sich für uns ches Ziel, diese Einigung zwischen Liberale nicht in der Verwaltung von Bund und Ländern schnellstens Kultur, der Verteilung öffentlicher nachzuholen. Angesichts des prog- Gelder oder der Schaffung günstiger nostizierten künftigen Einklangs Rahmenbedingungen allein, sondern der Mehrheitsverhältnisse in Bun- besteht darüber hinaus im Anfachen destag und Bundesrat besteht inso- von mehr Verantwortung der Zivilge- weit Anlass zu Optimismus – zumal sellschaft für Kunst und Kultur. Für nach parteiübergreifender Überzeu- dieses zentrale Anliegen werden wir gung im Kulturbereich der Grund- Liberale uns auch in der kommenden satz der „Entflechtung“, also der Legislaturperiode mit großem Nach- strikten Trennung von Zuständigkei- druck engagieren. Um das Ziel zu er- ten, nicht mit der beispielsweise im reichen, brauchen wir nicht nur den Finanzbereich angestrebten Konse- Ausschuss für Kultur und Medien des quenz verfolgt werden sollte. Bei der Bundestages, sondern auch eine Stär- Kulturförderung hat sich der kung der Position des Staatsministers Grundsatz des kooperativen Föde- für Kultur und Medien innerhalb des ralismus, also der gemeinsamen Bundeskabinetts. Verantwortung unterschiedlicher politischer Ebenen, vielerorts als Der Verfasser ist kultur- und sinnvoll erwiesen. Als Beispiel einer medienpolitischer Sprecher der erfolgreichen föderalen Kooperation Warten auf die Mitglieder der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ Foto: Deutscher Kulturrat FDP- Bundestagsfraktion

Capriccio für Siegfried Palm Henriette Zehme: Ein Gesprächsporträt von Michael Zeitgenössische Musik und ihr Publikum CONBRIO Schmidt Eine soziologische Untersuchung im Unter Mitwirkung von Theo Geißler, Rahmen der Dresdner Tage der Juan Martin Koch, Brigitte Palm und zeitgenössischen Musik Ludwig Harig ConBrio Verlagsgesellschaft ZeitMusikSchriften Band 1(Hellerauer Brunnstraße 23 NEUHEITEN Paperback, ca. 192 Seiten Beiträge zur zeitgenössischen Musik) 93053 Regensburg € 14,80 Tel. 0941/945 93-0 2005 CB 1171, ISBN 3-932581-71-7 Paperback, 228 Seiten Fax 0941/945 93-50 € 14,80, www.conbrio.de CB 1151, ISBN 3-932581-51-2 [email protected] SOZIALE SICHERUNG politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 20

Existenzgründung und Selbstständigkeit von Künstlern Ergebnisse einer Befragung von Selbstständigen • Von Caroline Dangel und Michael-Burkhard Piorkowsky

Über die wirtschaftliche und sozia- (48 %) sowie Bildende Künstlerinnen eingeholt. Wichtige Ratgeber sind le Lage selbstständiger Künstlerin- und Künstler (47 %) mit Kindern. Die außerdem Freunde und Bekannte, Erwerbstätigkeit vor der künstlerischen Selbstständigkeit nen und Künstler ist wenig bekannt. Befragten haben insgesamt sehr hohe die Gewerkschaft und der Berufsver- Gleichwohl ist deren Lebenslage Bildungsabschlüsse, insbesondere band sowie Fortbildungsveranstal- Musik Literatur Bildende Darstellende Kunst Kunst eines der wichtigen kulturpoliti- Hochschulabschlüsse. tungen. Frauen informieren sich schen Themen. Gegenwärtig steht Übergänge in die Selbstständig- häufiger bei der Gewerkschaft und Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % die Künstlersozialversicherung im keit werden ganz überwiegend nach bei ihrem Berufsverband. Sie gehen Mittelpunkt der Diskussion. Selbst- dem Studium oder aus einer abhän- auch häufiger auf Fortbildungsver- Nein 62 62,6 47 33,8 59 49,2 19 33,9 ständige Künstlerinnen und Künst- gigen Beschäftigung vollzogen. Hin- anstaltungen. Frauenspezifische Ja 37 37,4 92 66,2 61 50,8 37 66,1 ler werden teils als Nachzügler, teils sichtlich der Tätigkeiten vor der Angebote spielen eine untergeord- Insgesamt 99 100,0 139 100,0 120 100,0 56 100,0 als Vorreiter im wirtschaftlichen und Selbstständigkeit zeigen sich deutli- nete Rolle. gesellschaftlichen Strukturwandel che Unterschiede zwischen den In der aktuellen Situation der betrachtet. Es erstaunt daher umso Fachgruppen: Aus einer Erwerbstä- Ausübung der selbstständigen mehr, wie wenig bisher über Exis- tigkeit heraus selbstständig wurden künstlerischen Tätigkeit werden tenzgründung und Selbstständigkeit zwei Drittel der Darstellenden unterschiedliche Prioritäten gesetzt. von Künstlerinnen und Künstlern Künstlerinnen und Künstler sowie Die höchste Priorität hat die schöp- Prioritäten bei der selbstständigen Tätigkeit - Wirklichkeit geforscht worden ist. Eine empiri- Frauen 75,8 24,1 der Schriftstellerinnen und Schrift- ferische Freiheit. Dies ist bei den Bil- Freie Männer 88,0 12,0 sche Untersuchung der Professur steller bzw. Literarischen Überset- denden Künstlerinnen und Künstlern Zeiteinteilung Zus ammen 81,5 18,5 für Haushalts- und Konsumökono- zerinnen und Übersetzer. Von den am stärksten ausgeprägt. An zweiter mik an der Bonner Universität lie- Bildenden Künstlerinnen und Stelle steht in der Fachgruppe Litera- Frauen 90,0 10,0 Schöpferische Männer fert aktuelle Ergebnisse. Künstlern war etwa die Hälfte bereits tur die freie Zeiteinteilung und in den Freiheit 92,3 7,7 vor der Selbstständigkeit erwerbstä- anderen Fachgruppen der Wunsch, Zus ammen 91,1 9,0

usgewertet wurden 417 Fragebö- tig, bei den Musikerinnen und Mu- von der Kunst leben zu können. In Frauen 56,7 43,3 gen von selbstständigen Künst- sikern war es etwa ein Drittel. Rund allen Fachgruppen wird die persön- Männer Gefühl der 76,0 24,0 A Unabhängigkeit lerinnen und Künstlern der Fach- 35 % (Musik und Literatur) bzw. 50 liche Anerkennung als nachrangig Zus ammen 65,5 34,6 gruppen Musik, Literatur, Bildende % (Bildende Kunst und Darstellende genannt. Mit Blick auf die Realisie- Frauen 44,8 55,1 Davon leben Kunst und Darstellende Kunst, die Kunst) übten ihre frühere Tätigkei- rung der Prioritäten wird die schöp- Männer können 46,1 53,9 durch eine geschichtete Zufallsaus- ten noch eine Zeit lang neben der ferische Freiheit am ehesten als er- Zus ammen 45,5 54,5 wahl aus der Mitgliederkartei der Selbstständigkeit aus. Im Bereich Li- füllt betrachtet. Die größte Diskre- Künstler und Künstlerinnen Darstellende Frauen 79,3 20,7 Vereinten Dienstleistungsgewerk- teratur war dies auch noch zum Be- panz zwischen Wunsch und Wirklich- Persönliche Männer Anerkennung 84,7 15,3 schaft ver.di gewonnen werden fragungszeitpunkt in erheblichem keit besteht hinsichtlich der Hoff- Zus ammen 81,8 18,2 konnten. Die Analyse liefert sparten- Umfang der Fall (22 %). nung, von der selbstständigen künst- 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% und genderspezifische Erkenntnisse Für etliche künstlerische Tätig- lerischen Tätigkeit leben zu können. Erfüllt / eher erfüllt als nicht erfüllt Nicht erfüllt / eher nicht erfüllt als erfüllt über die Motive und den Weg in die keiten, z.B. in der Bildenden Kunst, Dies trifft am häufigsten auf die Be- Selbstständigkeit, die aktuelle Er- gibt es keine abhängigen Beschäfti- fragten der Fachgruppe Literatur und werbssituation und die Zukunftsper- gungsverhältnisse und somit keine auf die befragten Frauen zu. spektiven sowie die Lebens- und Alternative zur Selbstständigkeit. Die Unterstützung durch das mikro-

Einkommensverhältnisse. Im Fol- daneben am häufigsten genannten soziale Umfeld ist nicht nur während Prioritäten bei der selbstständigen Tätigkeit - Wirklichkeit genden werden ausgewählte Ergeb- Gründungsmotive sind der Wunsch der Gründung, sondern auch im wei- nisse dargestellt. nach Unabhängigkeit und die Ver- teren Verlauf der Selbstständigkeit Frauen 68,0 32,0 Freie Soziodemografische Charakte- wirklichung einer künstlerischen wichtig. Die Partnerinnen und Part- Männer Zeiteinteilung 75,0 25,0 Zus ammen 71,4 28,6 ristika: In allen vier Fachgruppen Idee. Häufig sind auch die Ermuti- ner sowie die Eltern unterstützen sind Frauen und Männer in der gung aus dem persönlichen Umfeld sowohl mit Rat und Tat als auch mit Frauen 84,0 16,0 Schöpferische Männer Stichprobe annähernd gleich ver- und ein erstes Engagement bzw. ein Geld. Freunde und Bekannte sowie Freiheit 83,4 16,7 teilt. Das Alter liegt bei durchschnitt- erster Auftrag der Anstoß für den Kolleginnen und Kollegen sind oft Zus ammen 83,7 16,3 lich 48 Jahren. Das Durchschnittsal- Schritt in die berufliche Selbststän- ständige Ratgeber. Frauen 76,0 24,0 Gefühl der ter der Befragten in den Bereichen digkeit. Erfolgsziele zu Beginn der Vorstellungen über die zukünfti- Männer Unabhängigkeit 74,5 25,6 Literatur (52 Jahre) und Bildende Selbstständigkeit sind künstlerische ge Erwerbstätigkeit: Auch wenn die fi- Zus ammen 75,3 24,8 Kunst (51 Jahre) ist höherer als in den Selbstverwirklichung, finanzielles nanziellen Erwartungen häufig nicht Frauen 52,0 48,0 Bereichen Musik (43 Jahre) und Dar- Einkommen, persönliche Anerken- erfüllt werden, möchte die überwie- Davon leben Männer können 59,2 40,8 undMusiker Musikerinnen stellende Kunst (44 Jahre). Die häu- nung und kulturelle Nachhaltigkeit. gende Mehrheit der Künstlerinnen Zus ammen 55,6 44,4 figste Lebensform ist eine Lebensge- Gründungsinformationen und und Künstler weiterhin selbstständig Frauen 86,0 14,0 meinschaft. Lebensgemeinschaften -beratung werden hauptsächlich bei sein. Etwa die Hälfte möchte ihre Persönliche Männer Anerkennung 80,9 19,2 mit Kindern dominieren in der Fach- selbstständigen Kolleginnen und Selbstständigkeit sogar noch ausbau- Zus ammen 83,5 16,5 gruppe Literatur (66 %). Weniger häu- Kollegen und anhand von Büchern en. In den Fachgruppen Musik und 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% fig leben Musikerinnen und Musiker und Zeitschriften sowie im Internet Darstellende Kunst wollen die Frauen Erfüllt / eher erfüllt als nicht erfüllt Nicht erfüllt / eher nicht erfüllt als erfüllt seltener als die Männer ihre Selbst- ständigkeit ausweiten, dafür wün- Prioritäten bei der selbstständigen Tätigkeit - Wirklichkeit schen sie sich häufiger eine Festan- kombinationen sind weit verbreitet. Caroline Dangel hat ihre

Frauen 77,3 22,7 stellung in ihrem Tätigkeitsbereich. Zum Haushaltseinkommen tragen Diplomarbeit zum Thema Freie Männer 89,1 Zeiteinteilung 10,9 Erwerbskombinationen: Weitere häufig auch die Partnerinnen bzw. Haushaltsunternehmenskomplexe Zusammen 82,7 17,4 r Erwerbstätigkeiten der Befragten Partner mit einem Erwerbseinkom- bei Künstlern am Lehrstuhl für

Frauen 92,3 7,7 finden wir bei 35 % in der Fachgrup- men bei. Arbeits- und Lebenswelten Haushalts- und Konsumökonomik Schöpferische Männer 88,9 Freiheit 11,2 pe Musik, bei 39 % in der Fachgrup- sind eng miteinander verwoben. verfasst und die genannte Zusammen 90,8 9,2 pe Bildende Kunst, bei 45 % in der Selbstständige Künstlerinnen und Befragung durchgeführt. Fachgruppe Literatur und bei 48 % Künstler verstehen sich nicht als Un- Frauen 67,2 32,8 Gefühl der Männer in der Fachgruppe Darstellende ternehmer/innen, sonders als das, Michael-Burkhard Piorkowsky 69,8 Unabhängigkeit 30,2 Zusammen 68,4 31,7 Kunst. Zum Haushaltseinkommen was sie sind: Freischaffende. Aber in ist Professor für Haushalts- tragen außerdem oft die Erwerbsein- gewisser Weise sind sie es doch: Un- und Konsumökonomik Frauen 25,0 75,0 Davon leben kommen der Partnerinnen und Part- ternehmer/innen ihrer künstleri- an der Rheinischen Friedrich- Männer 29,1 können 70,9 Zusammen ner bei. Erwerbstätig sind 90 % der schen Tätigkeit und Daseinssiche- Wilhelms-Universität 26,9 73,2 und Künstle Künstlerinnen Bildene Partnerinnen und Partner der Be- rung – kurz Artpreneurs. Bonn Frauen 70,3 29,7 Persönliche fragten in der Fachgruppe Musik, 82 Männer Anerkennung 16,7 83,4 % in der Fachgruppe Bildende Kunst, Gründungsinformation und Beratung (in %) Zusammen 76,3 23,7

(Mehrfachantworten möglich; N = 417)  79 % in der Fachgruppe Darstellen- 

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%  

de Kunst und 73 % in der Fachgrup- 

Andere selbständige 57,8 

Erfüllt / eher erfüllt als nicht erfüllt Nicht erfüllt / eher nicht erfüllt als erfüllt 54,4

pe Literatur. Mit Ausnahme der Künstler/innen  56,2

 Fachgruppe Bildende Kunst sind es 40,6 Bücher/Zeitschriften/Internet 43,1

eher die Künstlerinnen, die erwerbs- 41,8



tätige Partner haben als umgekehrt. 40,6 

Fortbildungsveranstaltungen 32,5



Prioritäten bei der selbstständigen Tätigkeit - Wirklichkeit Zusammenfassend lässt sich Fol- 36,9



gendes feststellen: Gewerkschaft/ 36,9 

Frauen 95,6 4,4 20,6

Freie Berufsverband 

Männer 1. Der Aufbau selbstständiger künst- 29,4

91,6 Zeiteinteilung 8,4 r



Zusammen 93,6 6,4 lerischer Existenzen verläuft häufig 27,8

 Freunde/Bekannte 25,6

sukzessive und oft in Teilzeittätig- 26,8

Frauen 86,1 13,8 19,3  keit. Beratende Hilfe kommt nicht Steuerberater/ 

Männer 82,0 Schöpferische 18,1 16,9

Freiheit Unternehmensberater 

Zusammen nur in der Gründungsphase, sondern 18,2  83,9 16,0 

20,9

 auch im Verlauf der Selbstständigkeit 

Partner/in 11,3



Frauen 64,2 35,9 16,4

Gefühl der häufiger aus dem näheren sozialen

 Männer 

73,2 Unabhängigkeit 26,8 Umfeld und weniger von Institutio- 13,9  Zusammen 68,9 31,2 Woanders 16,3

15,0 nen. Finanziell unterstützen vor al- 



11,8

Frauen 27,3 72,7 lem die Partnerinnen bzw. Partner Spezialisierter 9,4 Davon leben 

Männer Gründungsberater 10,7

39,4 können 60,5  und die Eltern. 

Zusammen 33,6 66,4 8,6 

2. Das wichtigste Anliegen selbst- 

Schriftststellerinnen und Schriftsteller Frauenspezifische Angebote 1,3  5,2

Frauen 74,2 ständiger künstlerischer Tätigkeit ist  25,7  2,1

Persönliche und Übersetze Übersetzerinnen bzw.Literarische

Männer  

64,8 Anerkennung 35,3 die schöpferische Freiheit. Banken  3,8

  

Zusammen 69,3 

30,6 3. Die Mehrheit der Befragten sieht 2,9 Frauen

 

Sonstige 17,1 Männer

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% auch in Zukunft eine Perspektive in 16,3   Vorbereitungsmaßnahmen  Zusammen Erfüllt / eher erfüllt als nicht erfüllt Nicht erfüllt / eher nicht erfüllt als erfüllt der Selbstständigkeit. (4) Erwerbs- 16,7 SOZIALE SICHERUNG politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 21

Honorare der Künstler stabilisieren sich Erste Anzeichen für eine Entspannung bei der Künstlersozialversicherung • Von Olaf Zimmermann

Die Künstlersozialversicherung war im letzten dreiviertel Jahr vor allem als Sorgenkind im Gespräch. Als im vergangenen Herbst der Abgabesatz für das Jahr 2005 – wie üblich - auf dem Verordnungsweg festgelegt wurde und sich herausstellte, dass er von 4,3 % im Jahr 2004 auf 5,8 % im Jahr 2005 steigen wird, ent- stand bei den abgabepflichtigen Unternehmen (Verwerter) eine er- hebliche Unruhe. Die Befürchtung wuchs, dass der Abgabesatz aus dem Ruder läuft. Verstärkt wurde diese Einschätzung noch durch die Nachricht, dass die Zahl der Versi- cherten weiter wächst und ein Ende dieses Wachstums nicht abzusehen ist.

ls dann noch die Enquete-Kom- A mission des Deutschen Bundes- tags „Kultur in Deutschland“ in ih- rer Einladung zur öffentlichen Anhö- rung zur Künstlersozialversicherung die Frage aufwarf, ob die Künstler- sozialversicherung überhaupt eine Zukunft habe, entstanden auch auf Seiten der Versicherten Ängste. Bundessozialministerin Ulla Schmidt versuchte die Gemüter im Rahmen der gemeinsamen Veran- staltung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Siche- rung und des Deutschen Kulturrates im Dezember 2004 zur „Riester-Ren- Gemeinsames Pressegespräch des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung und des Deutschen Kulturrates am 9.6.2005 in Berlin. V.l.n.r.: Olaf te“ für Künstler mit ihrer Zusiche- Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung Foto: Redaktion KulturZeit 3sat rung, dass sich die Bundesregierung für die Künstlersozialversicherung damit ein Abgabesatz von 4,6% er- ben. Auch bei den Abgabepflichtigen le Bereichen werden in den eben ge- sind die Schwankungen in der Ho- verbürgt, zu beruhigen. Zusammen reicht werden. selbst besteht daher der dringende nannten Abgabebereichen die ge- norarentwicklung hier besonders mit dem Deutschen Kulturrat hat das Eine wesentliche Maßnahme zur Wunsch, dass alle abgabepflichtigen ringsten Honorare gezahlt. gravierend. Sie wirken sich auf das Bundesministerium für Gesundheit Stärkung der Künstlersozialversiche- Unternehmen erfasst werden, damit Die nächste größere Gruppe an Aufkommen aus der Künstlersozial- und Soziale Sicherung nach dieser rung ist, alle abgabepflichtigen Un- unsolidarisches Vorgehen nicht Honorarzahlern bilden die Theater-, abgabe direkt aus. Veranstaltung einen runden Tisch ternehmen tatsächlich zur Abgabe noch ökonomisch belohnt wird. Konzert- und Gastspieldirektionen Von der klassischen Kulturwirt- eingerichtet, der dazu dienen soll, heranzuziehen. Laut Künstlersozial- Die zweite gute Nachricht, die (2004: 81,5 Mio. Euro) sowie die Ton- schaft also z.B. den Galerien werden mittelfristige Perspektiven zur Stär- versicherungsgesetz sind alle Unter- Bundessozialministerin Schmidt am trägerhersteller (2004: 132,5 Mio. nur geringe Honorare erwirtschaftet. kung und Weiterentwicklung der nehmen oder Vereine zur Künstler- 9. Juni 2005 auf der Pressekonferenz Euro). Relativ stabil sind die Hono- Dieses korrespondiert mit einem re- Künstlersozialversicherung zu ent- sozialabgabe verpflichtet, die mehr des Sozialministeriums und des rarzahlungen der Theater-, Konzert- lativ geringen Einkommen der gro- wickeln. Am runden Tisch wirken als drei Mal im Jahr Leistungen Deutschen Kulturrates bekannt gab, und Gastspieldirektionen. Bei den ßen Zahl an bildenden Künstlerin- Vertreter der Abgabepflichtigen und selbstständiger Künstler und Publi- war, dass im Jahr 2004 die an Künst- Tonträgerherstellern stiegen von nen und Künstlern. der Versicherten mit. Ziel ist es, im zisten in Anspruch nehmen. Bei der ler und Publizisten gezahlten Hono- 1990 bis 1996 die Honorare an, um Genauer muss in der nächsten Konsens einen Beitrag zur Stärkung Künstlersozialabgabe handelt es sich rarsummen nach dem Einbruch des seither auf diesem Niveau zu stag- Zeit die Honorarentwicklung bei den der Künstlersozialversicherung zu wie bei anderen Sozialversicherun- Jahres 2002 erstmals wieder leicht nieren. Die Honorarmeldungen der Theatern und Orchestern beobach- leisten. gen um eine Pflichtversicherung und gestiegen sind. Die Honorare stabi- Theater bewegten sich bis zum Jahr tet werden. Hier muss hinterfragt Am 9. Juni 2005 kündigte Bun- keine freiwillige Leistung. Ausge- lisieren sich also langsam. Grundla- 1997 auf das Niveau der Theater-, werden, ob sich Veränderungen in dessozialministerin Schmidt auf der nommen von der Künstlersozialver- ge für diese Einschätzung sind die Konzert- und Gastspieldirektionen der Rechtsform, im Ensemblebe- Pressekonferenz des Sozialministe- sicherung sind Vereine, die an frei- Angaben der abgabepflichtigen Un- zu, um seither deutlich auf 135 Mio. trieb sowie weitere Veränderungen riums und des Deutschen Kulturra- berufliche Dirigenten oder Chorlei- ternehmen. Sie müssen jeweils im Euro im Jahr 2004 anzusteigen. Bei auf die Beschäftigung und die Zah- tes nun an, dass der Abgabesatz für ter lediglich eine Aufwandsentschä- März der Künstlersozialkasse mel- den Orchestern (2004: 226,5 Mio. lung von Honoraren auswirken. das Jahr 2006 zum ersten Mal seit digung im Rahmen der so genann- den, wie hoch die Honorarsumme Euro) liegen seit 1991 die durch- Insgesamt darf bei der Betrach- mehreren Jahren wieder sinken wird ten Übungsleiterpauschale zahlen. ist, die sie im Vorjahr an freiberufli- schnittlichen Honorarmeldungen tung der Honorarentwicklung nicht und zwar von 5,8 % auf 5,5 %. Diese Diese Regelung wurde im Rahmen che Künstler und Publizisten gezahlt über denen der Theater-, Konzert- außer Acht gelassen werden, dass die Absenkung entspricht einem Entlas- der Reform des Künstlersozialversi- haben. und Gastspieldirektionen. Sie stie- Werte nicht inflationsbereinigt sind. tungsvolumen von 10 Mio. Euro für cherungsgesetzes im Jahr 2000 ein- Nach dem drastischen Einbruch gen in diesem Bereich bis 1996 deut- D.h. steigende Honorarsummen be- die abgabepflichtigen Unterneh- geführt mit dem Ziel, den bürokrati- an Honorarzahlungen im Jahr 2002 lich an, stagnierten bis 1999, stiegen deuten nicht, dass die Honorarent- men. Sie ist ein erstes Zeichen für schen Aufwand für Vereine scheint sich auch hier die Situation wiederum bis 2001 und fielen seit wicklung mit der Kaufkraft stand- eine Entspannung hinsichtlich der möglichst gering zu halten und so zumindest stabilisiert zu haben. dem Jahr 2002. Die steigende Hono- hält. In diesem Lichte gewinnt der Künstlersozialabgabe. Der Abgabe- das Bürgerschaftliche Engagement Nach aktuellen Auswertungen der rarentwicklung bei den Theatern Einbruch an Honorarzahlungen im satz wurde zumindest stabilisiert zu stärken. Künstlersozialkasse zur durch- und Orchestern kann u.a. damit zu- Jahr 2002 und die nur langsame Er- und wächst nicht weiter. Es besteht Als Problem besteht für die schnittlichen Honorarentwicklung sammenhängen, dass Ensembles, in holung noch mehr an Bedeutung. die Erwartung, dass, wenn die ergrif- Künstlersozialkasse, alle abgabe- sind von 1990 bis zum Jahr 2001 die denen nach Tarifvertrag bezahlt Mit Blick auf die Stärkung der fenen Maßnahmen zur Stärkung der pflichtigen Unternehmen zur Künst- Honorare kontinuierlich gestiegen. wird, aufgelöst wurden und die Künstlersozialversicherung wird es Künstlersozialversicherung in der lersozialabgabe heranzuziehen, da Der Einbruch in der durchschnittli- Künstlerinnen und Künstlern darauf ankommen, ob sich die Ho- zweiten Jahreshälfte 2005 und im längst noch nicht alle Abgabepflich- chen Honorarentwicklung erfolgte nunmehr freiberuflich arbeiten. norarentwicklung zumindest dauer- Jahr 2006 noch besser greifen, der tigen sich eigeninitiativ bei der im Jahr 2002. Die gezahlten Honora- Die höchsten Honorarmeldun- haft stabilisiert oder besser noch, die Abgabesatz weiter sinken könnte. Künstlersozialkasse melden. Um re fielen unter den Wert des Jahres gen verzeichnen die Rundfunkan- Honorare wieder steigen werden. Würde, wie vom Deutschen Kul- diesem Problem zu begegnen, wur- 1999 und stabilisieren sich jetzt stalten (2004: 693 Mio. Euro) und die Dieses ist nicht nur mit Blick auf ei- turrat gefordert, der Bundeszu- de das Personal der Künstlersozial- mühselig auf diesem Niveau. Presseverlage (2004: 397 Mio. Euro). nen möglichst geringen Abgabesatz schuss wieder auf 25% angehoben, kasse gezielt aufgestockt, um die Betrachtet man die verschiede- Bei den Presseverlagen stiegen von für die Verwerter wichtig, sondern könnte der Abgabesatz nochmals Abgabepflichtigen besser zu erfas- nen Bereiche im Zeitraum von 1990 1990 bis 1998 die Honorare stetig an, v.a. auch hinsichtlich der Einkom- abgesenkt werden. Nach Berech- sen. Dies führte allein im letzten Jahr bis 2004 etwas genauer, so ergibt sich sanken dann leicht, um zu stagnie- men der Künstler und Publizisten. nungen des Deutschen Kulturrates dazu, dass bei einer Prüfung von folgendes Bild: relativ geringe Hono- ren und sanken dann deutlich im Für Künstler und Publizisten sind würde diese Maßnahme gemeinsam 9.600 Unternehmen, die noch nicht rarzahlungen sind bei den Chören Jahr 2002. Bei den Rundfunkanstal- steigende Honorare lebensnotwen- mit den bereits von Bundessozialmi- von der Künstlersozialkasse erfasst (2004: 11,5 Mio. Euro) festzustellen. ten stiegen die Honorare erheblich dig, denn sie versuchen schließlich nisterin Schmidt ergriffenen Schrit- waren, festgestellt wurde, dass 4.257 Ebenfalls am unteren Rand der Ho- bis zum Jahr 1998, sanken dann von ihrer künstlerischen Tätigkeit ten zu einem Abgabesatz für die ab- abgabepflichtig sind und nun zur norarzahlungen bewegen sich die deutlich zum Jahr 2002 hin und hal- ihren Lebensunterhalt zu bestrei- gabepflichtigen Unternehmen im Künstlersozialabgabe herangezogen Museen (2004: 23 Mio. Euro). Bemer- ten sich seither auf dem Niveau des ten. nächsten Jahr von 4,6% führen. Der werden. Dieses deutet darauf hin, kenswert ist hier, dass im Jahr 2002, Jahres 1995. Die Stärkung und Sicherung der CDU-Kulturpolitiker Norbert Lam- dass bei einer noch umfassenderen d.h. dem Jahr, in dem in den meis- Insgesamt bilden die Rundfunk- Künstlersozialversicherung als kul- mert hat unlängst angekündigt, dass und intensivierten Suche weitere ten Bereichen ein deutliches Ansin- anstalten und die Presseverlage das tur- und sozialpolitischem Instru- eine CDU-geführte Bundesregie- Abgabepflichtige gefunden werden ken der Honorarzahlungen festzu- Rückgrat der gemeldeten Honorare. ment muss auch in der nächsten Le- rung die Absenkung des Bundeszu- können, die bislang ihrer Verpflich- stellen war, die durchschnittlichen Sie tragen am meisten zur Finanzie- gislaturperiode ganz oben auf der schusses rückgängig machen würde. tung nicht nachkommen. Wenn Honorarzahlungen der Museen stie- rung der Künstlersozialversicherung Agenda der Kulturpolitik stehen. D.h. konkret der Bundeszuschuss mehr Unternehmen in den Topf ein- gen. In etwa auf diesem Niveau und bei. Die höheren Honorarmeldun- würde wieder auf 25% angehoben zahlen, wird dies schließlich für alle relativ stabil mit nur geringen gen in diesen beiden Bereichen kor- Der Verfasser ist Geschäftsführer des und der Anteil der abgabepflichtigen zu geringeren Kosten führen. Bislang Schwankungen bewegen sich die respondieren mit den höheren Ho- Deutschen Kulturrates und Sachver- Unternehmen zur Finanzierung der haben diejenigen, die sich der Abga- durchschnittlichen Honorarzahlun- noraren der Versicherten in der Spar- ständiges Mitglied der Enquete- Künstlersozialversicherung würde be entziehen, einen wirtschaftlichen gen der Galerien (2004: 18,5 Mio. te Wort. Gerade auf Grund der hohen Kommission des Deutschen Bundes- von jetzt 30% auf 25% sinken und Vorteil, da sie geringere Kosten ha- Euro). Betrachtet man alle kulturel- Bedeutung dieser beiden Bereiche tags „Kultur in Deutschland“ GATS/UNESCO politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 22

Kulturelle Vielfalt und internationales Urheberrecht Zur Definition von kulturellen Gütern und Dienstleistungen • Von Adolf Dietz

Die rage der Bewahrung und künf- ränen Rechte der Staaten zur Auf- Gerade der in dem geplanten neuen Geschmacksmuster etc.) etwa im zugt bestimmte inländische Werke tigen Sicherung der kulturellen Viel- rechterhaltung, Ergreifung und Um- Kulturübereinkommen mehrfach TRIPS-Übereinkommen geregelt ist. und Leistungen genutzt werden sol- falt beschäftigt die UNESCO kraft setzung von Maßnahmen zu diesen auftauchende, freilich umstrittene Dies geschieht übrigens nur zum len, bedeutet dies keinen Verstoß ge- ihres Kulturauftrags seit geraumer Zwecken bekräftigt, der Dialog zwi- Schlüsselbegriff der kulturellen Gü- kleineren Teil durch unmittelbare gen das internationale Urheberrecht. Zeit, in verstärktem Maße jedoch schen den Kulturen ermutigt, die in- ter und Dienstleistungen, die aus inhaltliche Ausgestaltung dieses Der Kampf gegen bereits beste- seit die UNESCO-Generalversamm- ternationale Kooperation und Soli- handelsrechtlicher Sicht eben auch Rechts, zum bedeutenderen Teil viel- hende Regelungen wie etwa die im lung am 2. Nov. 2001 die „Allgemei- darität gestärkt und die Verbindung als Güter und Dienstleistungen ange- mehr durch Inkorporierung oder Rundfunkstaatsvertrag – auf der ne Erklärung über die kulturelle Viel- von Kultur und Entwicklung, sehen werden können, weist dabei doch Bezugnahme großer und wich- Grundlage von Art. 4 und 5 der eu- falt“ (Universal Declaration on Cul- insbesondere von Entwicklungslän- ganz allgemein auf mögliche Über- tiger Teile des bestehenden Konven- ropäischen Fernsehrichtlinie – vor- tural Diversity) einstimmig ange- dern bekräftigt werden. schneidungen und Konflikte mit an- tionsrechts (insbesondere der Revi- gesehene Privilegierung europäi- nommen hat. Diese Erklärung hat Die - vorläufige – Definition von deren internationalen Regelungen dierten Berner Übereinkunft zum scher Werke und Produktionen wird freilich – wie schon ihr großes Vor- „kulturellen Gütern und Dienstleis- insbesondere aus der Sphäre des Schutz von Werken der Literatur und von interessierter Seite demgemäß bild, die Allgemeine Erklärung der tungen“ erwähnt ausdrücklich den Welthandels und der dort angesie- Kunst – RBÜ sowie des Internatio- auch nicht auf der Ebene des inter- Menschenrechte von 1948 – nicht möglichen Zusammenhang mit geis- delten völkerrechtlichen Verträge nalen Abkommens über den Schutz nationalen Urheberrechts, sondern den Charakter eines bindenden völ- tigem Eigentum (also hier hin. Deshalb wird von interessierter der ausübenden Künstler, der Her- des allgemeinen Handelsrechts kerrechtlichen Vertrages; sie pro- insbesondere mit dem Urheber- Seite im Rahmen der Verhandlungen steller von Tonträgern und der Sen- (GATT und GATS) geführt. Es geht klamiert vielmehr in feierlicher orm recht), so dass insoweit bereits eine über dieses neue Kulturübereinkom- deunternehmen, des sog. Rom-Ab- dabei eben um die bereits angespro- bestimmte Prinzipien und Werte, die ausdrückliche Verbindung zwischen men so sehr Wert darauf gelegt, dass kommens). Wie verhalten sich diese chene Frage, ob und wieweit im Be- beim staatlichen und gesellschaft- den beiden Regelungsgebieten her- Verpflichtungen aus bestehenden Regelungen des internationalen Ur- reich eines diskriminierungsfrei und lichen Umgang mit Kultur und kul- gestellt ist. Dies wird im Abschnitt internationalen Verträgen unberührt heberrechts, zu dem im weiteren unbehindert postulierten Handels tureller Vielfalt beachtet werden über die Rechte und Pflichten der bleiben. Hier sind in erster Linie na- Verlauf die beiden sog. WIPO-Verträ- mit Gütern und Dienstleistungen sollten. Vertragsparteien – stets unter dem türlich die Welthandelsorganisation ge von 1996 über Urheberrecht bzw. der Grundsatz der „exception cultu- Vorbehalt endgültiger Annahme - und die bei ihr angesiedelten völker- über künstlerische Darbietungen relle“ gilt oder in Zukunft gelten soll. chon die Allgemeine Erklärung dahin präzisiert, dass die Vertrags- rechtlichen Instrumente, insbeson- und Tonträger hinzukamen, zu dem Soll die unterschiedliche Natur der S der Menschenrechte von 1948 parteien bei ihren Maßnahmen ne- dere das allgemeine Zoll- und Han- Konzept des Schutzes der kulturel- kulturellen Güter und Dienstleistun- hatte aber in den beiden Menschen- ben den Vorschriften des neuen delsabkommen (GATT 1994), das len Vielfalt und zu dem geplanten gen völkerrechtlich anerkannt wer- rechtspakten von 1966 (dem Inter- Übereinkommens auch andere in- Allgemeine Übereinkommen über UNESCO-Übereinkommen? Hier den oder nicht, das ist die Frage. Hier nationalen Pakt über bürgerliche ternationale Verpflichtungen einzu- den Handel mit Dienstleistungen soll – um das Ergebnis vorwegzuneh- wird die Dringlichkeit einer eindeu- und politische Rechte und dem In- halten haben. Diese können wegen (GATS) und das Übereinkommen men – die These aufgestellt werden, tigen Klärung dieser Streitfrage sei es ternationalen Pakt über wirtschaft- des erwähnten Zusammenhangs über handelsbezogene Aspekte der dass beide keinesfalls in Widerspruch im Rahmen der laufenden sog. liche, soziale und kulturelle Rechte) durchaus auch dem internationalen Rechte des geistigen Eigentums geraten können, ja dass aus rechtspo- Doha-Runde um die Weiterentwick- gewissermaßen ihre Erfüllung und Urheberrecht entspringen. Bei der (TRIPS) von 1994 gemeint. litischer Sicht eine ausgesprochene lung des Welthandelsrechts insbe- rechtlich verbindliche Umsetzung in Definition der angesprochenen Bekanntlich werden hier – ganz Nähe zwischen beiden Regelungs- sondere im Dienstleistungsbereich Form völkerrechtlicher Verträge er- Maßnahmen werden u. a. die Reser- unabhängig von den neuen Bestre- komplexen zu konstatieren ist. (GATS), sei es im Rahmen des ge- fahren, wobei der zweite der beiden vierung „eines gewissen Raums“ (a bungen der UNESCO – unter dem Zunächst ist hervorzuheben, planten UNESCO-Kulturüberein- Pakte in Art. 15 auch die menschen- certain space; also wohl auch Quo- Stichwort „exception culturelle“ seit dass das Urheberrecht trotz aller in kommens noch einmal deutlich. Das rechtliche Verbürgung des Schutzes ten) für inländische kulturelle Güter Jahren heftige Diskussionen geführt, internationalen Verträgen veranker- (nationale wie internationale) Urhe- der „moralischen und materiellen In- und Dienstleistungen, erleichterter ob die Eigenständigkeit und Eigen- ten Angleichungsbestrebungen nach berrecht ist hier aber gewisser- teressen“ der Urheber übernommen Marktzugang für inländische Kultur- wertigkeit der Kultur und der mit ihr wie vor ein territorial gebundenes maßen neutral und bleibt von die- hat. In gleicher Weise versucht nun industrien, öffentliche Finanzhilfen verbundenen kulturellen Güter und Recht ist; dies gilt übrigens auch für ser Streitfrage unberührt. die UNESCO seit einiger Zeit, der All- und die Unterstützung von Schöp- Dienstleistungen Einschränkungen die Mitgliedstaaten der Europäi- Man kann aber noch einen gemeinen Erklärung über die kultu- fern (creators) kultureller Ausdrucks- des Marktzugangs und des Freihan- schen Union, selbst wenn dort durch Schritt weitergehen und diese Frage relle Vielfalt ein bindendes völker- formen genannt, freilich auch hier dels erlauben bzw. in Zukunft erlau- sog. Harmonisierungsrichtlinien ein auf der Ebene der dem Urheberrecht rechtliches Instrument folgen zu las- möglicherweise wieder unter dem ben sollen, eine Streitfrage, die durch erhöhtes Maß an Angleichung der – zugrunde liegenden rechtspoliti- sen. Nach den auf der Website der Generalvorbehalt der Vereinbarkeit die UNESCO-Bestrebungen noch nach wie vor nationalen - Urheber- schen Postulate beleuchten, um UNESCO im Internet zugänglichen mit internationalen Verpflichtungen. einmal akzentuiert und zugespitzt rechtsregelungen erreicht ist. Die darüber hinaus eine besondere Informationen trägt dieses geplante Auf weitere Einzelheiten dieses wird. Es verwundert daher nicht, Brücke zwischen den einzelnen Län- Nähe zu den Bestrebungen zum Instrument zur Zeit den Titel „Über- ebenso ehrgeizigen wie bedeuten- dass das Verhältnis des zu schaffen- dern bilden die Grundsätze der in- Schutz der kulturellen Vielfalt fest- einkommen über den Schutz der den Vorhabens der UNESCO soll an den neuen UNESCO-Übereinkom- ternationalen Konventionen, insbe- zustellen. Einen wichtigen Finger- Vielfalt kultureller Inhalte und künst- dieser Stelle nicht weiter eingegan- mens zu den bestehenden Verträgen sondere Inländerbehandlung (in der zeig hat angesichts des Fehlens ex- lerischer Ausdrucksformen“ (Con- gen werden, zumal in dieser Zeitung des Welthandelsrechts einen der EU überlagert durch den Grundsatz pliziter verfassungsrechtlicher Ver- vention on the Protection of the Diver- bereits mehrfach darüber berichtet schwierigsten Diskussionspunkte der Nichtdiskriminierung von EU- bürgungen des Urheberrechts in vie- sity of Cultural Contents and Artistic wurde. Hier soll vielmehr die Frage überhaupt darstellt; das Problem ist Angehörigen) und Mindestschutz. len Ländern hier der Europäische Expressions); den augenblicklichen aufgeworfen werden, ob die Zielset- in Art. 19 des geplanten Überein- Konventionsgeschützte Urheber ha- Richtliniengesetzgeber gegeben; so Stand der Dinge kann man zungen des neuen Kulturüberein- kommens angesprochen, aber ange- ben also für den Fall der Nutzung ih- heißt es etwa in der sog. Informati- insbesondere dem am 3. März 2005 kommens mit den bestehenden Re- sichts der Interessengegensätze rer Werke oder der Verletzung ihrer onsgesellschaftsrichtlinie (Richtlinie vom Generaldirektor der UNESCO gelungen des internationalen Urhe- noch keineswegs einer einvernehm- Rechte Anspruch auf den konventi- 2001/29/EG v. 22. Mai 2001, Erwä- Koïchiro Matsuura vorgelegten Be- berrechts in Widerspruch geraten lichen Lösung zugeführt. Sollen Ver- onsrechtlich definierten Mindest- gungsgründe 9 - 12) u.a., dass der richt über zwei „vorläufige Entwürfe“ können. Abgesehen von dem er- pflichtungen aus den bestehenden schutz sowie auf Gleichbehandlung Schutz des Urheberrechts und der (Preliminary Drafts) eines solchen wähnten Hinweis auf den Zusam- Verträgen des Welthandelsrechts in mit inländischen Urhebern. verwandten Schutzrechtrechte dazu Übereinkommens entnehmen. menhang mit dem geistigen Eigen- der Tat unangetastet bleiben, wie es Entscheidend dabei ist aber, dass beiträgt, die Erhaltung und Entwick- Das Hauptinteresse des geplan- tum ist die inhaltlich bestimmte bestimmte Länder fordern (und wie weder das nationale noch das in- lung kreativer Tätigkeit sicherzustel- ten Kulturübereinkommens gilt ent- Nähe zum Regelungsgegenstand des es mehrere der diskutierten Varian- ternationale Urheberrecht eine Rege- len; dass eine rigorose und wirksa- sprechend den - durchwegs noch Urheberrechts, nämlich den Werken ten des Art. 19 vorsehen), dann wür- lung darüber treffen noch auch tref- me Regelung zum Schutz der Urhe- nicht endgültig angenommenen - der Literatur, Wissenschaft und Kunst de der Sicherung der „exception cul- fen können, welche Werke (bzw. Leis- berrechte und verwandten Schutz- Formulierungen der Entwürfe dem (einschließlich bildender, Tonkunst turelle“ durch das neue Kulturüber- tungen) in dem betreffenden Land rechte eines der wirksamsten Mittel Schutz und der Förderung der Viel- und Filmkunst) ja ganz unverkenn- einkommen kaum die erhoffte Stüt- konkret genutzt werden sollen; es gibt ist, um die notwendigen Mittel für falt kultureller Inhalte, wobei die bar, sind diese Gegenstände doch ze zuteil. Aus der Sicht des Welthan- mit anderen Worten weder für Inlän- das kulturelle Schaffen in Europa zu unterschiedliche Natur der kulturel- ganz überwiegend und jedenfalls in delsrechts bliebe das Problem der noch für Ausländer einen An- garantieren; dass ein angemessener len Güter und Dienstleistungen (the ihren bedeutenderen Ausprägungen weiterhin ungelöst. spruch darauf, dass bestimmte Werke Schutz auch kulturell gesehen von distinctive nature of cultural goods der Kultursphäre zuzurechnen. Teil dieses Welthandelsrechts ist oder Leistungen überhaupt genutzt großer Bedeutung ist, und and services) als Vehikel von Identi- Schließlich wird das Urheberrecht, auch das Urheberrecht, das neben werden. Dies ist vielmehr die freie und schließlich dass nach Artikel 151 des tät, Wert und Bedeutung anerkannt modern verstanden, auch als das anderen Rechten des geistigen Ei- verantwortliche Entscheidung der EG-Vertrags die Gemeinschaft bei werden soll. Dabei sollen die souve- Recht der Kulturwirtschaft definiert. gentums (wie etwa Patente, Marken, „Programmmacher“ auf allen Ebenen ihrer Tätigkeit den kulturellen Aspek- der Kulturindustrie und der Kulturver- ten Rechnung zu tragen hat. anstalter, wie dies das Bundesverfas- Ein Gesetzgeber, der sich um die sungsgericht vor kurzem in einem Förderung der kulturellen Vielfalt be- Konflikt zwischen einer Musikerin und müht, findet hier keinen Widerspruch, einer Rundfunkanstalt bekräftigt hat sondern starken Zuspruch. Bei der seit (Nichtannahmebeschluss vom geraumer Zeit anhaltenden Diskussi- 15.12.2003 – 1 BvR 2378/03). on zur „digitalen Agenda“ des Urhe- Das Urheberrecht selbst nimmt berrechts, insbesondere zu den Gren- also keinen Einfluss auf Programm- zen der erlaubten Privatkopie im di- entscheidungen, es sorgt nur dafür, gitalen Zeitalter, geraten die kulturpo- dass – aus der Sicht ausländischer litisch so bedeutsamen Postulate und Rechtsinhaber – Gleichbehandlung Grundannahmen des Urheberrechts im Sinne gleichen Schutzes gewährt freilich oft aus dem Blickfeld. Deshalb wird, wenn ein Werk oder eine Leis- können sie nicht oft genug in Erinne- tung effektiv genutzt werden. Daran rung gerufen werden. Das Urheber- ändert auch der in Art. 4 TRIPS ver- recht jedenfalls steht einer Lösung der ankerte Grundsatz der Meistbegüns- Streitfragen um die „kulturelle Diffe- tigung nichts, weil dieser sich aus- renz“ und um die „exception culturel- drücklich nur auf den Schutz des le“ nicht im Wege! geistigen Eigentums, nicht aber auf Programm- und Nutzungsentschei- Der Verfasser ist Forschungsgrup- Was ist Kreativität heute wert? Podiumsdiskussion im März 2004 auf der Musikmesse Frankfurt (v.li.): Theo Geißler, Her- dungen bezieht. Wenn deshalb penleiter i.R. am Max-Planck- ausgeber politik und kultur, Michael Karbaum, geschäftsführender Direktor der GEMA und der GEMA-Stiftung, Olaf Zim- beispielsweise aus kulturpolitischen Institut für Geistiges Eigentum, mermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Adolf Dietz, ehemals Max-Planck-Institut, heute im Ruhestand. Gründen im Sinne des geplanten Wettbewerbs- und Steuerrecht, Foto: Andreas Kolb UNESCO-Übereinkommens bevor- München GATS/UNESCO politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 23

Globaler Bildungshandel Deutsche Hochschulen und das General Agreement on Trade in Services (GATS) • Von Sebastian ohrbeck

Im Rahmen des „Allgemeinen Über- hier ist höchste Vorsicht geboten, sens zu machen, da sie Bildung als OECD propagierte und für den Weg 2. Das Bundesministerium für Bil- einkommens für den Handel mit damit Bildung nicht aus dieser Lis- ein soziales Recht ansehen. Auch zur wissensbasierten Gesellschaft dung und Wissenschaft fördert in Dienstleistungen“ (General Agree- te der öffentlich erbrachen Dienst- Südafrika steht einer Öffnung sei- wichtige deutliche Steigerung der einem DAAD-Programm „Deutsche ment on Trade in Services – GATS) leistungen gestrichen wird. Zweiter nes Bildungssystems für ausländi- Zahl der Hochschulabsolventen mit Studienangebote im Ausland“ in- wurden von der EU im Jahre 1994 Vorbehalt: „Inländerbehandlung“ sche Anbieter sehr skeptisch gegen- seinem staatlichen Hochschulsys- zwischen 27 Angebote deutscher für die seinerzeit zwölf EU-Länder bezieht sich nicht darauf, dass den über. tem zu erreichen, sollten wir uns Hochschulen in aller Welt, die bis zu weitgehende Zugeständnisse zur Anbietern aus Nicht-EU-Ländern Was bedeutet dieser Diskussi- doch vielleicht freuen, wenn aus- ganzen deutschen Hochschulen in Handelsliberalisierung im Bildungs- die gleichen Subventionen gewährt onsstand momentan für die deut- ländische Anbieter bereit seien, hier Ägypten oder Jordanien reichen, in bereich gemacht, die damals von werden müssen wie denen aus EU- schen Hochschulen? Solange die dringend benötigte Ausbildungska- der Mehrzahl aber einzelne Fächer der Öffentlichkeit kaum wahrge- Ländern. Eine ausländische Privat- beiden bisherigen „Verteidigungs- pazitäten zu schaffen und nebenbei oder Fachbereiche umfassen. Schon nommen wurden – selbst das Bun- hochschule, die sich in Deutschland ringe“ der EU-Zugeständnisse hal- den deutschen Hochschulmarkt 2008 wird es in diesen Studiengän- desbildungsministerium wurde nicht installiert, kann also momentan ten (nämlich die Ausnahme für öf- durch Konkurrenz ein wenig zu be- gen voraussichtlich mehr als 10.000 beteiligt; allein das auf Bundesebe- nicht auf Mittel aus der Hochschul- fentlich erbrachte Dienstleistungen leben... Studierende geben. Diese Projekte, ne federführende Wirtschaftsminis- bauförderung klagen, weil be- und der Subventionsvorbehalt), Ein weiterer Aspekt, der gegen mit denen die deutschen Hoch- terium war informiert. Die Zuge- stimmten Privathochschulen wie nicht viel: eine 2003 erschienene allzu großen Protektionismus im schulen mittelfristig sogar Geld ver- ständnisse bestanden darin, dass die Universität Witten-Herdecke Studie der Hans-Böckler-Stiftung Hochschulbereich spricht, ist die dienen wollen, sind in ihren Ziellän- für die Primar-, Sekundar-, Hoch- eine solche erhalten. „Internationale Bildungsanbieter Tatsache, dass Deutschland als dern genauso auf Zulassung und schul- und Erwachsenenbildung Interessant ist, dass die EU 1994 auf dem deutschen Markt“ zeigt, weltgrößter Warenexporteur ein faire Behandlung durch nationale Marktöffnung und Inländerbehand- mit ihren Zugeständnissen sehr viel dass de facto die Freizügigkeit für deutliches Interesse am Freihandel Stellen angewiesen wie ausländi- lung zugesagt wurden (das heißt weiter gegangen ist als die anderen Kapital und Arbeit innerhalb der hat. Es gibt keine separate Handels- sche Bildungsanbieter in Deutsch- z.B., dass ein US-amerikanischer Hauptexporteure von Bildung: Die EU, wie sie sich auch in der jüngst organisation für Dienstleistungen, land. Anbieter privat finanzierter Bil- USA hatten sich seinerzeit nur für diskutierten „EU-Dienstleistungs- sondern nur eine World Trade Orga- Bei den weiteren Diskussionen dungsdienstleistungen zu den glei- die Erwachsenenbildung und die richtlinie“ widerspiegeln, im prak- nisation WTO, die sowohl für den um GATS und Bildung, die chen Bedingungen zuzulassen ist „anderen Bildungsdienstleistun- tischen Leben eine viel größere Rol- Handel mit Waren als auch für den inzwischen in der Öffentlichkeit wie ein EU-Anbieter); allein der gen“ verpflichtet, nicht aber für den le spielen als amerikanische oder Handel mit Dienstleistungen und und auch beim Deutschen Bundes- Sektor „andere Bildungsdienstleis- Primar-, Sekundar- und Hochschul- australische Anbieter, die sich auf mit intellektuellem Eigentum zu- tag viel größere Aufmerksamkeit ge- tungen“ (der z.B. Tests, Akkreditie- bereich; Australien hat die Primar- GATS-Vereinbarungen berufen ständig ist. Hier werden dann oft nießen als 1994, sollte darauf geach- rung von Studiengängen und Mar- schulen und die Erwachsenenbil- könnten. Da tummeln sich britische Tauschgeschäfte betrieben, und aus tet werden, dass Subventionsvorbe- keting von Bildungsangeboten um- dung von der Marktöffnung ausge- Anbieter von MBA-Graden neben dem federführenden Wirtschafts- halt und die Definition von Bildung fasst) wurde von der Liberalisie- nommen. In der momentan laufen- niederländischen Hochschulen, die ministerium waren Andeutungen als öffentlich erbrachte Dienstleis- rung ausgenommen. den Runde von GATS plant die EU Bachelor z.B. für Logopädie oder Er- zu hören, dass das relativ große Ent- tung bleiben. Auch spricht einiges keine weiteren Liberalisierungsan- gotherapie anbieten, die es so in gegenkommen der EU im Bildungs- dafür, die „anderen Bildungsdienst- abei wurden in weiser Voraus- gebote im Bereich Bildung und Deutschland nicht gibt, französi- bereich durchaus mit der Tatsache leistungen“ wie Akkreditierungsa- D sicht von der EU zwei wichti- Hochschule, während z.B. die USA sche Modeschulen und die Ecole des von den Entwicklungsländern genturen, Testverfahren und das ge Vorbehalte zu Protokoll gegeben: auf weitere Liberalisierung z.B. des Affaires de Paris. Die EU-Kon- stark kritisierten europäischen Ag- Hochschulmarketing nicht dem Erstens: Marktzugang muss nicht beim Angebot „anderer Bildungs- kurrenz genießt außerdem den Vor- rarprotektionismus zu tun haben Wettbewerb mit Übersee zu öffnen, für solche Dienste gewährt werden, dienstleistungen“ wie Tests drin- teil, dass jeder nach Recht eines EU- könne. da hier wichtige Instrumente der die als öffentliche Einrichtungen gen. Einige ärmere Länder wie Ma- Landes verliehene Grad in Deutsch- Deutschland ist aber nicht nur Qualitätskontrolle involviert sind. betrachtet werden. Als Beispiel wer- laysia und Indonesien sehen keine land ebenfalls gilt und hier auch weltweit größter Warenexporteur, Es wird schon schwierig genug wer- den hierzu Forschung und Entwick- Chance, ihr Bildungssystem dem geführt werden darf, was z.B. für sondern inzwischen auch einer der den, hier innerhalb der EU im Rah- lung angeführt, von Bildung und Bedarf rasch wachsender Bevölke- australische Grade nicht umstands- Hauptanbieter auf dem internatio- men des sich bildenden gemeinsa- Wissenschaft ist in dem Katalog rungen anzupassen und wollen von los der Fall ist. nalen Bildungsmarkt: Beim Auslän- men „Europäischen Hochschul- nicht die Rede, sie könnten aber daher ihr System im Rahmen von Die erwähnte Studie der Böck- derstudium, das nach den Definiti- raums“ zu gemeinsamen Qualitäts- darunter subsumiert werden. Des- GATS für ausländische Anbieter öff- ler-Stiftung stellt aber auch die in- onen von GATS eine Art des Bil- standards zu kommen. wegen verlangen andere Länder von nen. Die Bildungsminister von Ar- teressante Frage, ob für Deutsch- dungsexports ist, steht Deutschland der EU jetzt in den jüngsten Ver- gentinien und Brasilien haben hin- land nicht die gleiche Argumenta- nach starken Marketingbemühun- Der Verfasser ist Leiter der Gruppe handlungsrunden um eine Weiter- gegen eine gemeinsame Erklärung tion zutreffe wie die oben für einige gen der deutschen Hochschulen „Programme zur Internationalisie- entwicklung der GATS-Vereinba- unterzeichnet, in der sie sich ver- Entwicklungsländer wie Indonesien und des DAAD inzwischen als Ziel- rung der Hochschulen“ beim rungen, die Liste solcher „public pflichten, keine Angebote in GATS zitierte: da dieses Land offensicht- land nach den USA (und gemein- Deutschen Akademischen Aus- services“ genauer zu spezifizieren; für die Öffnung ihres Bildungswe- lich nicht in der Lage sei, die von der sam mit Großbritannien) auf Platz tauschdienst Auf dem Weg zur globalen Förderung der kulturellen Vielfalt Die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur örderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen • Von Andrea . G. Raschèr

Der kulturelle Reichtum eines Lan- len Industrie und den übrigen Län- (Produktionsbeihilfen, Subventio- zweites und im Mai/Juni 2005 ein zugrunde. Die Verhandlungen ver- des spiegelt sich in der Vielfalt dern. Die Konsequenzen zeichnen nen, Quotenregelung, Unterstüt- drittes Treffen von Regierungsex- liefen jetzt sehr spannend, denn alle ebenso wie in der Universalität sei- sich ab: Verflachung und Uniformi- zung bei der Verbreitung und Ver- perten zu dieser Konvention statt – Teilnehmenden wussten, was es ner Ausdrucksformen und Inhalte sierung der Kultur, Verlust kulturel- mittlung etc.) unterworfen sein. Die 550 Personen, fast 130 Staaten und gilt: entweder würden sich die Be- wieder. Bewahrung von Tradition len Ausdrucks, der nicht unmittel- meisten europäischen Länder be- über 30 NGO’s haben an den Arbei- teiligten auf einen Text einigen kön- und Austausch mit anderen Kultu- bar rentabel ist oder für den der schreiten diesen Weg (Stichworte: ten teilgenommen. Der weiche Teig, nen oder das Anliegen der Kultur ren stehen in einem spannungsvol- Markt zu klein ist – auch wenn er Förderung der kulturellen Vielfalt in den unabhängige Experten in den erlitte international einen herben len Gegensatz: Kultur entwickelt bestens auf die Gesellschaft abge- der Schweiz bis hin zur „exception Jahren 2003 und 2004 vorbereitet Rückschlag. sich in einer immerwährenden Dia- stimmt ist, für die er geschaffen culturelle“ in Frankreich). hatten, wurde nun geknetet und Eine detaillierte Darstellung der lektik von Wiedergeburt (Renais- wurde. Gefahr droht also von zwei Ist es möglich, aus dieser Sack- gebacken. Wie wurde geknetet und Konvention würde an dieser Stelle sance) und gegenseitiger Befruch- Seiten: zum einen die Bedrohung gasse herauszukommen? Ich denke wie schmeckt das Ergebnis? zu weit führen. Deshalb hier nur tung. Es ist deshalb von herausra- der regionalen Kulturen, zum ande- ja. Die UNESCO weist mit der Kon- Die verschiedenen Treffen ver- kurz einige Kernpunkte: Das souve- gender Bedeutung, diese Bewegung ren der unzureichende Zugang zu vention zum Schutz und zur Förde- liefen in einer konstruktiven Atmos- räne Recht der Staaten, Maßnah- am Leben zu erhalten. einem Großteil der fremden Kultu- rung der Vielfalt kultureller Aus- phäre – auch wenn der Prozess men zur Förderung der Vielfalt in ren. drucksformen einen Weg. Zweck der teilweise von einigen wenigen Staa- ihrem Gebiet zu ergreifen, wird be- ultur lebt von kleinräumigen Im internationalen Zusammen- derzeit verhandelten Konvention ten durch taktische Manöver unge- stätigt – dieser Grundsatz ist des- Ksprachlichen und regionalen hang finden sich grob gesagt zwei soll es sein, die Rolle der kulturel- bührlich verzögert wurde. Präsident halb bedeutsam, weil kulturpoliti- Besonderheiten. Umso größer ist Haltungen zur Frage der kulturellen len Vielfalt als Ziel nationalstaatli- der Konferenz war der Südafrikaner sche Maßnahmen als handelspoli- daher die Gefahr, dass im Zuge der Vielfalt: Für einige Staaten sind kul- cher Politik auf internationaler Ebe- Kader Asmal, ein erfahrener und tisch unerwünschte Hemmnisse Globalisierung und Liberalisierung turelle Produkte und Dienstleistun- ne zu stärken, indem die diesbezüg- souverän agierender Vorsitzender – und Diskriminierungen im Rahmen der Märkte gewisse Kulturen be- gen ganz normale Handelswaren lichen Rechte und Pflichten der Ein- mit der Zeit erhielt er den Ehrenti- der WTO eingestuft werden könn- drängt werden oder mit der Zeit und sollen deshalb den Gesetzen zelstaaten in einem völkerrechtlich tel „the magician“. In der ersten ten. Weiter wurde (dank eines ge- sogar absterben. Als die WTO eine des internationalen Marktes unter- verbindlichen Instrument festgelegt Phase im September 2004 brachten meinsamen Antrags der Schweiz rigorose Öffnung des Handels ein- worfen sein. Die USA vertreten die- werden, dies insbesondere im Ver- die Staaten Änderungsanträge vor. und der EU) das Prinzip des Medi- leitete, gingen die Anliegen der Kul- se Auffassung (Stichwort: Holly- hältnis zum Recht der Welthandels- Diese wurden im Hinblick auf die enpluralismus und des öffentlich- tur vergessen. In der Theorie bringt wood). Sie verlangen, dass der Han- organisation WTO. So soll dem zweite Sitzung im Februar 2005 the- rechtlichen Rundfunks angenom- die Öffnung dem Kulturmarkt ver- del mit solchen Gütern gemäß den Schutz der kulturellen Vielfalt in der matisch geordnet und dort zwei Wo- men. Schließlich wurde die zentra- schiedene Vorteile: Wirtschafts- WTO-Prinzipien ohne Schranken li- Grundordnung der internationalen chen lang diskutiert. Das Ergebnis le Rolle der Zivilgesellschaft (NGO’s, schwache Staaten können ihre Kul- beralisiert wird – sie befürchten, Staatengemeinschaft derselbe Rang war allerdings ernüchternd: Von Medien etc.) im Rahmen von Schutz turprodukte in den Markt geben dass mit neuen rechtlichen Instru- zukommen wie dem Schutz ökono- den rund 1000 Anträgen blieben am und Förderung der kulturellen Viel- und sie damit außerhalb ihrer Gren- menten die regulatorische Funkti- mischer Interessen. Ziel der Kon- Schluss immer noch einige Hundert falt ausdrücklich anerkannt. zen bekannt machen, Ländern mit on des Staates in Kulturfragen ver- vention ist also nicht nur der Schutz übrig – meist Minderheitenanträge. Der unterschiedliche Ansatz einer starken kulturellen Industrie stärkt wird. Nach Ansicht anderer und die Förderung kultureller Viel- Die Mehrheit der Regierungsexper- verschiedener Staaten, bei Kultur- eröffnen sich neue Märkte. Die Ver- Länder haben kulturelle Produkte falt, sondern die Anerkennung des ten schlug deshalb ein pragmati- gütern eher kommerzielle oder kul- mischung und das gegenseitige „auf und Dienstleistungen eine beson- Rechtes aller Staaten, diesbezügli- sches Vorgehen vor: Sie beauftragte turelle Aspekte in den Vordergrund sich zugehen“ bringen für beide dere Wesensart. Sie sind insofern che Maßnahmen zu treffen. Es geht den Präsidenten, nach bestem Wis- stellen, kam deutlich bei der Frage Seiten viele Vorteile. In der Praxis nicht mit materiellen Gütern im insbesondere um die Reglementie- sen und Gewissen einen konsoli- zutage, welchen Stellenwert diese sind die Gesetze des Marktes klassischen Sinn gleichzusetzen, als rung von Fragen im Zusammen- dierten Text auszuarbeiten, der den beabsichtigte UNESCO-Konvention allerdings kein Garant für Qualität. sie sich nur beschränkt ersetzen las- hang mit Förderung und Verbrei- Willen der Konferenzteilnehmen- gegenüber andern bestehenden Auch beobachtet man einen sehr sen. Deshalb sollen sie nicht dem tung der Kultur. den bestmöglich wiedergeben soll- einseitigen „Austausch“ zwischen freien Markt ausgesetzt werden, Im September 2004 fanden in te. Dieser konsolidierte Text lag der Weiter auf Seite 24 Ländern mit einer starken kulturel- sondern einem besonderen Regime Paris ein erstes, im Februar ein dritten Sitzung vom Mai/Juni 2005 GATS/UNESCO politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 24

Fortsetzung von Seite 23 Weißer Rauch in Paris Auf dem Weg der Entwurf der Konvention Kulturelle Vielfalt • Von Max uchs globalen örderung Ein Papst wurde zwar nicht in Paris den rasch Entwürfe einer solchen türlich in erster Linie das GATS-Ab- nationale Motivation bei Regierung oder künftigen internationalen Ab- gewählt, aber eine Entscheidung Konvention und es wurde im Okto- kommen der Welthandelsorganisa- und Parlament für eine solche Kon- kommen haben soll. Die UNESCO von historischer Tragweite könnte ber 2003 auf der Generalversamm- tion WTO. Man hat hier eine diplo- vention zu entwickeln und aufrecht arbeitete deshalb anfänglich mit es auch gewesen sein: Am 2. Juni lung der Unesco – bereits damals matische Version der EU übernom- zu erhalten. Aufmerksam wird man zwei Optionen, um beide Seiten zu- um 16.30h lag der Entwurf für eine gegen den Widerstand der gerade men, die eine Gleichwertigkeit zwi- die Rolle der EU-Kommission beo- frieden zu stellen. Im Laufe der Ver- Konvention zur kulturellen Vielfalt wieder in die Unesco eingetretenen schen den relevanten völkerrechtli- bachten müssen. Es gab sofort Be- handlungen zeigte sich indes, dass vor, dem – mit Ausnahme der Ver- USA – die Entwicklung einer sol- chen Instrumenten formuliert. Der gehrlichkeiten für ein umfassendes eine dritte Option benötigt wurde. treter der USA und Israels – alle 550 chen Konvention beschlossen. Un- weitestgehende Wunsch nach Vor- Verhandlungsmandat zulasten der Die Schweiz und die EU brachten Regierungsvertreter aus 130 Mit- glaublich schnell legte eine Exper- rangigkeit der Konvention wurde nationalen Mitwirkungsrechte. Die dazu Vorschläge ein, aus diesen gliedsländern zustimmten. Damit ist tenkommission einen Entwurf vor nicht aufgenommen. Die jetzt ge- EU wird der Konvention beitreten wurde der jetzige Artikel 20 gegos- die Chance groß, dass bei der (Juli 2004). Ein klug vorgehendes fundene Formulierung ist jedoch können – auch dies ermöglicht der sen. Dieser besagt, dass einerseits nächsten Generalkonferenz der Management in der Unesco verar- auch nicht nur defensiv. Hier wird jetzige Entwurf. Als kulturpolitischer vertragliche Verpflichtungen einzu- Unesco im Oktober 2005 die Kon- beitete alle eingehenden Ände- die Praxis zeigen müssen, ob dieser Akteur dürfte die EU allerdings nicht halten sind und andererseits dass vention mit der notwendigen Zwei- rungsvorschläge zu einer Vorlage, Artikel stark genug ist. Insbesondere das vollständige Vertrauen insbeson- sich internationale Instrumente ge- drittelmehrheit verabschiedet wird. die jetzt mit einigen Veränderungen wird sich das – für die Unesco neue dere der Zivilgesellschaft haben, zu genseitig zu stützen haben und Wenn sie dann noch mindestens 30 verabschiedet wurde. Alleine diese – Streitschlichtungsverfahren be- groß ist die Nähe zur Denkweise der zueinander komplementär sein sol- Staaten ratifizieren, kann sie in Verabschiedung ist ein großer poli- währen müssen. Insgesamt kann WTO. Aber auch diese könnte eine len. Diese Lösung wurde von der Kraft treten. tischer Erfolg. Auch ist der Inhalt bei man daher – wie bemerkt: als juris- interessante Entwicklung nehmen, überwältigenden Mehrheit der Mit- einer ersten Lektüre akzeptabel. tischer Laie – bei einem Studium da sie sich zum einen spätestens seit gliedländer angenommen. arum ist dies ein Grund zur Allerdings wird man ein solch kom- des Konventionstextes zu einem Cancun an die Präsenz zivilgesell- Der „Magier“ war erfolgreich: W Freude für die Kulturschaffen- pliziertes völkerrechtliches Papier positiven Urteil gelangen. Über den schaftlicher Organisationen (neben Nach zähen Verhandlungen, in de- den? Zur Erinnerung: Eine wichtige nicht bloß als juristischer Laie lesen Text hinaus sind einige Rahmenbe- den immer schon beteiligten Wirt- nen noch einmal alle zentralen Rolle bei der Entwicklung einer sol- und beurteilen können. Zudem dingungen bemerkenswert: Die schaftsverbänden) gewöhnt hat und Punkte diskutiert wurden, konnte chen Konvention spielte in Kanada muss die Praxis zeigen, wie es um- Unesco begibt sich mit dieser Kon- jetzt mit Pascal Lamy einen Franzo- am letzten Verhandlungstag ein von ein Kreis von (insbesondere franzö- gesetzt werden kann. vention sehr weit vor in bislang für sen und ehemaligen EU-Kommissar der überwiegenden Mehrheit der sisch-sprachigen) kulturwirtschaft- Einige positive Aspekte: Auf der sie unbekanntes Land, sie mischt an der Spitze hat, der durchaus ein Staaten (mit Ausnahme insbeson- lichen Organisationen. Auf der Su- Basis vorhandener völkerrechtli- sich nämlich ein in die internatio- offenes Ohr für kulturelle Fragen dere der USA) verabschiedeter Kon- che nach einem Schutz des eigenen cher Instrumente, vor allem den nale Handels- und Wirtschaftpoli- hat. ventionstext an die Generalkonfe- Wirtschaftssegments stieß man auf Menschenrechtserklärungen und tik. Sie weitet ihr Kulturpolitikver- Der Deutsche Kulturrat begleitet renz weitergeleitet werden: Diese den Begriff der kulturellen Vielfalt, -pakten, wird ein interessanter Ver- ständnis – ganz im Sinne der Kultur- die Entwicklungen bei EU und WTO hat es nun in den Händen, das die man durch übermächtige inter- such gemacht, die relevanten Be- verträglichkeitsklausel der EU – er- aufmerksam. Er hat die Genese der Kunststück Realität werden zu las- nationale und insbesondere us- griffe aus Kultur und Politik zu klä- heblich aus. Sie legt in einem wich- Konvention – fast seit der ersten sen. Die Arbeiten im Rahmen der amerikanische Film-, Musik-, Lite- ren. Insbesondere wird ein weiter tigen Dokument den Doppelcha- Idee zu einem solchen Instrument, UNESCO haben gezeigt, dass eine ratur- oder Kunsthandelskonzerne Begriff von Kulturpolitik zugrunde rakter von Kunst, nämlich kulturell so wie sie bei der Kulturrats-Tagung Lösung nur durch die Weiterent- bedroht sah. Die Idee war daher, die gelegt, der auch die kulturpolitische und ökonomisch bestimmt zu sein, „Culture unlimited – Grenzenlos wicklung der unterschiedlichen Po- schon vorhandene und inhaltlich Relevanz aller anderen Politikfelder fest. Sie findet eine gute Synthese Kultur“ vorgetragen wurde, unter- sitionen möglich wurde, indem ein gut begründete „Universelle Erklä- unterstreicht. Medien werden – auch zwischen universellen Regelungen stützt. Er wird weiter daran mitar- Konsens entwickelt werden konnte, rung zur kulturellen Vielfalt“ vom im Hinblick auf neue digitale Ent- und nationalen Bedürfnissen. Da- beiten, dass – nach einer hoffentlich die kulturelle Vielfalt besser fördern November 2001 zu dem mächtige- wicklungen – einbezogen („Techno- mit ist diese Konvention ein Mark- stattfindenden Verabschiedung im und schützen zu wollen. Grundlage ren völkerrrechtlichen Instrument logieneutralität“). Die nationale stein in der Geschichte der Unesco. Oktober in Paris – Deutschland die- dazu war die Bereitschaft, die dop- einer Konvention auszubauen, das kulturpolitische Souveränität wird Die Deutsche Unesco-Kommis- se Konvention ratifiziert. Dann pelte Natur kultureller Güter und im wesentlichen einen Schutzme- festgeschrieben (Art. 2.). Insbeson- sion hat sich durch ein ausgespro- allerdings wird auf nationaler Ebe- Dienstleistungen anzuerkennen: chanismus gegen eine zu starke Öff- dere wird der Zivilgesellschaft – und chen kluges und effektives Agieren ne die Arbeit erst beginnen, denn einerseits als Handelswaren, ander- nung der Kulturmärkte und für ei- dies ist neu gegenüber den früheren als Mittler zwischen einer nationa- dann muss der anspruchsvolle Ziel- seits als Ausdruck gesellschaftlicher nen Schutz der nationalen Kultur- Entwürfen – eine „fundamentale len und internationalen Kulturpoli- katalog der Konvention ernst ge- Kommunikation. wirtschaft und insgesamt einer na- Rolle“ zugebilligt (Art. 11). Der wich- tik profiliert und eindeutig an Be- nommen und realisiert werden. Die Arbeiten sollten mit der Ver- tionalen kulturpolitischen Souverä- tigste (und umstrittenste) Artikel ist deutung gewonnen. Die „Bundes- abschiedung der Konvention durch nität bilden sollte. Es gründeten Art. 20, der die Beziehung zwischen weite Koalition zur kulturellen Viel- Der Verfasser ist die Generalkonferenz der UNESCO sich internationale Netzwerke zur dieser Konvention und anderen Ver- falt“ ist zu einem wichtigen Instru- Vorsitzender des im Oktober dieses Jahres gekrönt Verbreitung dieser Idee, es entstan- tragswerken regelt. Gemeint ist na- ment geworden, die notwendige Deutschen Kulturrates werden. Sie gibt den völkerrechtli- chen Rahmen vor, in welchem in Zukunft gedacht und gehandelt werden muss: Während es im Be- reich des Umweltschutzes (Konven- Verhandlungen auf der Zielgeraden tion zur Biodiversität) bereits inter- UNESCO-Übereinkommen zur kulturellen Vielfalt • Von Wilfried Grolig national verbindliche Normen gibt, fehlen solche im Bereich der Kultur- Vor einigen Tagen ging die dritte siger staatlicher Gängelung anhaftet. In einer Phase verstärkter Diskussi- kert. Das Europa der 25 hat in die- politik auf internationaler Ebene Runde der zwischenstaatlichen Ex- Dort, wo Kulturförderung vor allem onen über das Projekt Europa ist die sen komplexen und schwierigen Ver- noch – darin besteht der politische pertengesprächen in Paris mit ei- auf privatem Mäzenatentum und Frage berechtigt, warum sich gera- handlungen eine Bewährungsprobe Nachholbedarf, der mit der Kon- nem Gefühl der Erleichterung zu bürgerschaftlichem Engagement de die europäischen Staaten so in- bestanden. vention gedeckt würde. Mit der Ende: Über 500 Regierungsexperten beruht, das freilich durch eine staat- tensiv für das UNESCO-Überein- Auch der Abstimmungsprozess Konvention tritt die Kultur aus ei- aus 130 UNESCO-Mitgliedstaaten liche Steuerpolitik begünstigt wird, kommen zur kulturellen Vielfalt ein- in Deutschland verdient wegen sei- nem juristischen Vakuum und fin- haben den Text eines „UNESCO- ist man staatlicher Kulturpolitik ge- setzen. Zusammen mit Frankreich ner ungewöhnlich breiten Basis Er- det endlich Eingang in das interna- Übereinkommens zum Schutz und genüber skeptisch. Manche Kritiker gehört auch die Bundesrepublik wähnung: Unter Federführung des tionale Recht, im Rahmen eines Ver- zur örderung der Vielfalt kulturel- fürchten sogar, dass das Überein- Deutschland zu den ersten Befür- Auswärtigen Amts einigten sich tragswerks, das die offenkundige ler Ausdrucksformen“ erarbeitet, kommen für protektionistische wortern des Übereinkommens. Ich Bundes- und Länderressorts in re- Besonderheit von kulturellen Gü- der die Verabschiedung dieses völ- Maßnahmen missbraucht werden meine: Grund für die breite Unter- gelmäßigen Ressortbesprechungen tern und Dienstleistungen als Trä- kerrechtlichen Instruments in greif- könnte. Diese Befürchtung ist aus stützung ist die Erkenntnis, dass ne- auf Eckpunkte, die unsere Verhand- ger von Sinn, Wertvorstellungen bare Nähe gerückt hat. unserer Sicht unbegründet: Das ben gemeinsamen Werten gerade lungslinie bestimmten. Die Zivilge- und Identitäten anerkennt. Indem Übereinkommen hat einen freiheit- die Vielfalt der Ideen und Lebens- sellschaft – Vertreter aus Wirt- das Prinzip der kulturellen Vielfalt us Sicht einer großen Mehrheit lichen, auf Austausch und Dialog weisen Europas Reichtum ausma- schaft, Politik und der Medien – auf die gleiche Ebene wie das Prin- A der UNESCO-Mitgliedstaaten bedachten Charakter und wird chen. Wir leben heute in einem Eu- wirkte über die von der Deutschen zip des Freihandels gehoben wird, besteht dringender Handlungsbe- keinesfalls eine „Wirtschaftsbremse“ ropa, das tolerant und friedlich mit UNESCO-Kommission koordinier- kann ein Dialog zwischen Kultur darf. Die Liberalisierung des Dienst- sein. seinen nationalen, ethnischen und te Bundesweite Koalition zur kultu- und Wirtschaft entstehen. leistungshandels im Rahmen von Aus meiner Sicht können wir mit religiösen Unterschieden umgeht. rellen Vielfalt intensiv an den Be- Es ist an uns, diese Bewegung WTO/GATS wird Auswirkungen dem nun vorliegenden Text zufrie- Kulturelle Vielfalt ist auch ein ratungen des Textes mit. Hinweise am Leben zu erhalten. Der Mensch auch auf den Kultur- und Bildungs- den sein: Er bestätigt das Recht der Schlüssel zur europäischen Identi- aus der Zivilgesellschaft – etwa zur ist zutiefst geprägt von der eigenen bereich haben. Notwendige kultur- UNESCO-Vertragsstaaten, Maßnah- tät. Technologieneutralität oder zur Kultur und der Auseinandersetzung politische Steuerungsinstrumente, men zum Schutz und zur Förderung Wer ein Beispiel für gute, effek- Rolle der Medien – wurden aufge- mit fremden Kulturen. Deshalb ist wie Investitionen in Kultureinrich- kultureller Ausdrucksformen zu er- tive Zusammenarbeit in einem er- griffen und von deutscher Seite er- kulturelle Vielfalt nicht nur ein The- tungen oder Filmförderung, könnten greifen, ohne ihnen unnötige Pflich- weiterten Europa sucht, kann bei folgreich in die Verhandlungen ein- ma der Kulturpolitik. Sie ist einer als wettbewerbsverzerrend einge- ten und Kosten aufzubürden. Auch den Verhandlungen in Paris fündig gebracht. der Grundpfeiler der Zivilisation – stuft und damit eingeschränkt wer- hinsichtlich weiterer zentraler Punk- werden: Die 25 Mitgliedstaaten Die Vorarbeiten sind getan: Nun und in diesem Sinne das, was unse- den müssen. Mit dem Übereinkom- te, wie der Kollisionsklausel oder sprechen unter Vorsitz der luxem- ist es an den 191 UNESCO Mitglied- re Humanität ausmacht. men wollen sich die UNESCO-Mit- dem Streitbeilegungsmechanismus, burgischen Ratspräsidentschaft staaten, bei der 33. UNESCO-Gene- gliedstaaten ihren kulturpolitischen wurden verträgliche Lösungen ge- und in enger Abstimmung mit Ex- ralkonferenz im Oktober 2005 zu Der Verfasser ist Leiter Recht und Gestaltungsspielraum zum Schutz funden. Nicht alle Staaten tragen perten der Europäischen Kommis- entscheiden, ob sie den Globalisie- Internationales im Bundesamt für und zur Förderung der kulturellen diese Punkte mit. Erst die kommen- sion mit einer Stimme. Dank inten- rungsprozess aktiv gestalten wollen. Kultur (Bern), Leiter der Schweizer Vielfalt erhalten. den Monate bis zur 33. UNESCO- siver Abstimmung gemeinsamer Mit dem „UNESCO-Übereinkom- Delegation bei den UNESCO- Die Verhandlungen in Paris las- Generalkonferenz im Oktober 2005 Positionen haben wir wichtige men zum Schutz und zur Förderung Verhandlungen in Paris sen die gesamte Bandbreite unter- werden daher zeigen, ob es gelingt, Punkte – wie die deutlichen Bezüge der Vielfalt kultureller Ausdrucksfor- schiedlicher Traditionen und Menta- einen Konsens zu erzielen, oder – auf Menschenrechte, Medienvielfalt men“ liegt ein geeignetes Instru- litäten erkennen. Länder, in denen mit den Worten des UNESCO-Gene- und Zivilgesellschaft, sowie schlan- ment zur Annahme vor. dem Staat traditionell eine wichtige raldirektors Koïchiro Matsuura - „to ke Verwaltungsstrukturen im Rah- kulturpolitische Rolle zukommt, ta- bridge the gap“. Für die Annahme men des künftigen Übereinkom- Der Verfasser ist Leiter ten sich bei Erarbeitung des Textes des Übereinkommens ist eine Zwei- mens – mit mehr Gewicht in die Ver- der Kultur- und Bildungs- leichter als solche, in denen öffent- drittelmehrheit aller UNESCO-Mit- handlungen eingebracht und abteilung des licher Förderung der Ruch unzuläs- gliedsstaaten erforderlich. schließlich im Vertragstext veran- Auswärtigen Amts GATS/UNESCO / EUROPA politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 25

Kultur und Medien bislang noch außen vor GATS-Verhandlungen gewinnen an Dynamik • Von Gabriele Schulz

Die GATS-Verhandlungen (Allgemei- tralen Feldern der derzeitigen GATS- rungen an die Europäische Kommis- der Musikwirtschaft und hier die Dynamik dieser Verhandlungs- nes Übereinkommen über den Han- Verhandlungsrunde gehört. Es sion zur Liberalisierung des Medien- besonders den internationalen Mu- runden verkennen. del mit Dienstleistungen) der Welt- zeichnet sich zur Zeit eine Bewegung sektors. Diese Forderungen werden sikrechtehandel aber auch den Der Zeitplan sieht vor, dass im handelsorganisation haben nach in den noch in Cancún im Jahr 2003 von den USA, Mexiko, Japan und Marktzugang voranzutreiben. Dieser Juli Klarheit über die Angebote und längerem Stillstand wieder an Dy- festgefahrenen Verhandlungen zum Brasilien an die Europäische Kom- Vorschlag stieß auf Zustimmung Forderungen besteht. Die AG namik gewonnen. Ende April legte Agrarsektor ab, so dass die Verhand- mission gestellt. Es steht zu erwar- Großbritanniens wurde bislang von Dienstleistungen der WTO soll im die EU-Kommission den Vorschlag lungen insgesamt an Dynamik ge- ten, dass diese Länder im Verlauf der der Europäischen Kommission aber September/Oktober dieses Jahres für ihr Dienstleistungsangebot für winnen. Im Juni 2005 sollten die Verhandlungen ihren Duck verstär- nicht in das Verhandlungsangebot eine Evaluation der Angebote und die GATS-Verhandlungen den Mit- nächsten Verhandlungen speziell ken werden, da die Europäische Uni- aufgenommen. Forderungen vorlegen. Im Dezem- gliedsstaaten zur Diskussion vor. zum Dienstleistungsbereich stattfin- on einen interessanten Markt bietet. Das Bundesministerium für Wirt- ber 2005 soll in Hongkong die nächs- Zeitnah führte hierzu das Bundes- den. Zuvor muss eine Einigung in- Sehr interessant war der Hinweis schaft und Arbeit machte zwar deut- te Ministerkonferenz stattfinden. ministerium für Wirtschaft und Ar- nerhalb der Europäischen Union er- des Bundesministeriums für Wirt- lich, dass die Europäische Kommis- Ende 2007 soll die zur Zeit laufende beit am 29.04.2005 ein Informati- zielt werden, da die EU-Kommissi- schaft und Arbeit auf die so genann- sion voraussichtlich keine Angebo- Liberalisierungsrunde abgeschlos- onsgespräch durch. Das Angebot on das Verhandlungsmandat für die ten Ergänzenden Regeln zum Dienst- te im Kultur- und Medienbereiche sen sein. der EU-Kommission hat in erster Mitgliedsstaaten hat. leistungssektor. Hier geht es neben macht und auch keine Forderungen Für den Kultur- und Medienbe- Linie das Ziel, das Dienstleistungs- Zum Zeitpunkt des Informati- dem öffentlichen Auftragswesen stellt. Mit ebensolcher Deutlichkeit reich gilt es, die weiteren Verhand- angebot an das Europa der 25 Mit- onsgespräches lagen die Angebote auch um Subventionen, explizit in stellte das Wirtschaftsministerium lungsschritte mit großer Aufmerk- gliedsstaaten anzupassen und die und die Forderungen noch nicht auf den Bereichen Kultur und Medien, aber auch klar, dass in den „Nächten samkeit zu begleiten. Es wird sich spezifischen Verpflichtungen der dem Tisch. Es zeichnete sich aber ab, sowie um die Daseinsvorsorge und der langen Messer“, d.h. dann, wenn zeigen, wie sich die von Kommissi- zehn neuen Mitgliedsstaaten an das dass von den so genannten Entwick- öffentliche Dienstleistungen. Zwar es darum geht, mühsame Kompro- onspräsident Baroso geführte Kom- Angebot der Europäische Kommis- lungsländern zurückhaltende bis verharren die Verhandlungen in die- misse auszuhandeln, Kultur und mission, die stärker als die vorheri- sion anzupassen. keine Angebote gemacht würden. sem Sektor bereits seit 1995 ohne Er- Medien in die Waagschale geworfen ge auf die Liberalisierung der Märk- Aber auch von Industrienationen gebnis, mit Blick auf das gesamte Ver- werden könnten, damit in anderen te setzt, die Verhandlungen führen as Bundesministerium für Wirt fehlten noch Angebote. handlungspaket darf dieser Bereich Feldern Liberalisierungserfolge er- wird. Ebenso darf mit Spannung er- D schaft und Arbeit stellte in dem Die EU-Kommission sieht im aber nicht vernachlässigt werden. zielt werden. Ein Zurücklehnen auf wartet werden, welche Linie der Informationsgespräch nochmals Kultur- und Medienbereich keine Erinnert wurde bei der Informa- die Position, dass der Kultur- und neue Chef der Welthandelsorganisa- klar, dass der Dienstleistungsbereich Angebote vor. Es gibt aber von ande- tionsveranstaltung an den Vorstoß Medienbereich nicht zur Debatte tion, der frühere EU-Handelskom- neben dem Agrarsektor zu den zen- ren WTO-Mitgliedsländern Forde- Dänemarks die Liberalisierung in steht, wäre kurzsichtig und würde missar Pascal Lamy verfolgt. Europa und die Kultur Kulturpolitische ortschritte mitten in der Krise • Von Barbara Gessler

Trotz den stürmischen Winden, de- suellen Bereich nicht aufgenommen. de Mitgliedstaat teilt dann vier Jah- nen die Europäischen Institutionen Ende Mai hat die Europäische Kom- re vorher mit, wer nominiert wer- aufgrund der Voten zur Europäischen mission außerdem ihren Vorschlag den soll. Das Europäische Parla- Verfassung derzeit ausgesetzt sind, für die Neugestaltung zur Findung ment kann dazu Stellung nehmen. können gerade die Kulturschaffen- der Europäischen Kulturhauptstadt Wie bisher werden die Minister im den auf einige Aspekte realer euro- gemacht. Dieser war notwendig ge- Rat die endgültige Entscheidung auf päischer Kulturpolitik durchaus mit worden, weil in mancher Hinsicht Grundlage der Empfehlung der wohlwollendem Interesse blicken. So eine Verbesserung nötig schien, etwa Kommission treffen. Auf ihrer letz- hat die UNESCO einen Kompromiss was die Rolle der Jury anbelangt oder ten Tagung der Kulturminister wur- gefunden, mit der der erfolgreiche die Organisation des Wettbewerbs den übrigens die für den Rat be- Abschluss der Verhandlungen um zwischen Städten. Auch mit Blick auf nannten Persönlichkeiten für die eine Konvention zum Schutz der kul- die europäische Dimension der Ak- Jury 2010 ernannt, es handelt sich turellen Vielfalt in erreichbarere tion gab es immer wieder Zweifel. dabei um Claude Frisoni für Luxem- Nähe rückt. Dabei hat sich das ge- Die Kommission hat sich gegen ei- burg und Jeremy Isaacs für die bri- meinsame Auftreten der Mitglied- nen völlig offenen Wettbewerb zwi- tische Präsidentschaft. staaten der Europäischen Union als schen Städten ausgesprochen, da sie Gerade im Kontext des allgemein Vorteil erwiesen; sie konnten mit ei- jährlich unabsehbare Bemühungen geführten Diskurses über die Rolle ner gemeinsamen Stimme konkrete für die interessierten Kandidaten zur der Kultur im zusammenwachsen- Verbesserungen am Text erreichen, Folge hätten, die finanziell schwer zu den Europa ist es folgerichtig, wenn der sicherstellen soll, dass kultur- tragen wären. Außerdem würde so die Kommission einer Stärkung der politische Belange nicht in Verhand- den Mitgliedstaaten eine Mitent- Beachtung der europäischen Di- lungen über andere, nicht kulturelle scheidung im Entscheidungspro- mension des Kulturhauptstadttitels Güter und Dienstleistungen, hinein- zess de facto unmöglich gemacht. besondere Bedeutung zumisst. Die gezogen wird. Daher wird vorgeschlagen, die bis- Aktivitäten der Stadt sollen dazu her geltende Reihenfolge des Vor- beitragen, den Reichtum und die uch im neuen Aktionsplan Staat- schlagsrechts beizubehalten und kulturelle Vielfalt Europas wieder- A liche Beihilfen, den die Europä- zwei Europäische Kulturhauptstäd- zuspiegeln. Die Zusammenarbeit ische Kommission am 7. Juni vorge- te im Jahr zu ernennen. Explizit wird mit Kulturakteuren, Künstlern und legt hat, wird gemäß Artikel 151 IV die positive Konkurrenz innerhalb Städten aus anderen Städten soll besondere Rücksicht auf die Natur Deutschlands für 2010 als ein nach- gestärkt werden. Die Bürgerinnen von Kultur genommen. Explizit wird ahmenswerter Prozess dargestellt. und Bürger der betroffenen Stadt dort festgestellt, dass staatliche Bei- Eine erhebliche Veränderung hinge- und ihrer Umgebung sollen besser hilfen wirksame Instrumente zur Er- gen schlägt die Kommission für die einbezogen werden, aber auch Be- reichung von Zielen von gemeinsa- Jury vor. Ihre Zusammensetzung sucher aus anderen Mitgliedstaaten men Interessen wie etwa dem Schutz sollte einerseits weiterhin die Insti- angezogen werden. Mit Blick auf die und der Förderung der kulturellen tutionen berücksichtigen (7 Mitglie- Notwendigkeit der Nachhaltigkeit Vielfalt darstellen können. In ihrem der, die die Organe für drei Jahre be- fordert die Kommission, dass der Konsultationspapier, zu dem unter nennen), andererseits sollen sechs Kulturhauptstadttitel einen integra- [email protected] bis unabhängige Experten dazu kom- len Bestandteil der langfristigen Stillstand auf der Baustelle Europa? Foto: Deutscher Kulturrat zum 15. September Stellungnahmen men, die der betroffene Mitglied- kulturellen Entwicklung für die erbeten werden, würdigt die Europä- staat selbst benennt. Im Grunde Stadt darstellt. Gleichzeitig sieht die Ebenso wie die kürzlich erfolgte mi- Zugehört und kontrovers diskutiert ische Kommission auch die Bedeu- handelt es sich also um eine ähnli- Kommission es als notwendig an, nisterielle Einigung über die grund- haben die Kulturminister außerdem tung und das Potenzial der Medien- che Konstruktion, wie sie für 2010 dass bereits in der Vorbereitungs- sätzlichen Prinzipien des zukünftigen bei den Erläuterungen von Museums- und kreativen Wirtschaft. Sie kündigt bereits in Deutschland gefunden phase eine Unterstützung stattfin- MEDIA-Programms stehen natürlich experten, die der Frage nachgegangen an, dass sie ihre Mitteilungen mit wurde. Im Unterschied zu heute soll det, gerade um den oben angespro- alle finanziellen Zusagen unter dem waren, welche Hindernisse aus dem Blick auf den öffentlich-rechtlichen jedoch dieses Panel bereits bei der chenen europäischen Mehrwert Vorbehalt eines Kompromisses über Weg geräumt werden müssen, um Rundfunk auf der Grundlage des Vorauswahl eine Rolle spielen, auch auch sicherzustellen. Dafür soll es die Finanzielle Vorausschau 2017 bis eine größere grenzüberschreitende Amsterdamer Protokolls überarbei- wenn der Mitgliedstaat nach wie vor eine Art Überprüfungsausschuss 2013. Dieser ist nun besonders wich- Mobilität von Sammlungen zu errei- ten wird, um dem besonderen öf- das Vorschlagsrecht behält, und aus den sieben oben genannten Ex- tig, denn von ihm kann ein Signal chen. Dabei wurde deutlich, dass ge- fentlichen Interesse dieser Tätigkei- zwar dann für eine Stadt. Sechs Jah- perten geben, der in festgelegten ausgehen, was den Staaten Europa rade die Frage nach Versicherungsme- ten Rechnung zu tragen. Möglicher- re vor dem Zieljahr sollen die Staa- Zeiträumen und gemeinsam mit wert ist und für welche identitätsstif- thoden und ob und wie man diese ge- weise wird sie auch eine Überarbei- ten eine Aufforderung zur Einrei- den Behörden der benannten Städ- tenden und bürgernahen Aktivitäten setzlich regeln kann, unterschiedlich tung der entsprechenden Mitteilung chung von Bewerbungen organisie- te Berichte zur Beurteilung der Fort- man ihm auch Geld zur Verfügung bewertet wird. Eventuelle Unterstüt- für Kinofilme und andere audiovisu- ren und einen Informationstag or- schritte erstellt. Dieses Verfahren stellen möchte. Weiterhin auf der Ta- zungsmassnahmen sollten nicht un- elle Produkte anstreben und würde ganisieren. Die Jury soll fünf Jahre soll bereits für die deutsche und gesordnung sowohl im Europäischen bedingt obligatorischen Charakter an- die Mitgliedstaaten ersuchen, für vorher eine Auswahlliste der Bewer- ungarische Stadt 2010 angewandt Parlament als auch bei den Ministern nehmen und könnten eher in Rich- diesen Bereich eine Gruppenfreistel- ber festlegen, einen Bericht über die werden. Für die Jahre 2011 und 2012 ist die geplante Revision der Richtli- tung eines Austauschs von Best lung zu erwägen. vorgeschlagenen Programme er- gilt eine Übergangsregelung. Kom- nie Fernsehen ohne Grenzen, die zu- Practices gehen. Man wünschte sich Auch in ihrem Angebot für die Li- stellen und Empfehlungen an die missar Figel’ fordert nicht nur ein kunftsfest gemacht werden soll. Ge- im Ministerkreis auf keinen Fall beralisierung von Dienstleistungen Städte abgeben. In einer zweiten erheblich höheres Finanzvolumen rade im Zusammenhang mit der Dis- schwerfällige Strukturen zur Umset- im Rahmen der Verhandlungen der Sitzung soll dann die Jury einen wei- für die Aktion, sondern schlägt auch kussion um die geplante Dienstleis- zung dieser Bemühungen. Welthandelsorganisation hat die Eu- teren Bericht erstellen und eine einen Preis für erfolgreiche Städte tungsrichtlinie ist die Neufassung ropäische Union, wie versprochen, Stadt vorschlagen, an die sie auch vor, die die europäische Dimension der Fernsehrichtlinie besonders Die Verfasserin ist Leiterin der EU- explizit den kulturellen und audiovi- Empfehlungen gibt. Der betreffen- besonders erfolgreich hervorheben. wichtig. Vertretung in Bonn GESTALTUNG KULTURPOLITIK politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 26

Zum Gestaltungsauftrag der Kulturpolitik Perspektiven des Vorstandes 2005 bis 2007

Das hiermit vorgelegte Arbeitspro- kultureller Güter und Dienstleistun- gramm des Vorstandes steht in der gen, nämlich sowohl Waren als auch Kontinuität und Tradition entspre- Träger von Werten, Bedeutungen chender Programme der letzten Vor- und Identitäten zu sein, findet keine standsperioden. Es knüpft zudem an einheitliche Zustimmung. Zwar ist den Jahresbericht 2004 (PuK 3/05) es unstrittig, dass alle gesellschaftli- an. chen Entwicklungen und Problem- felder (Migration, Ausgrenzung, de- Der Wert von Kunst mographischer Wandel, Bewertung und Kultur neuer Technologien etc.) eine starke kulturelle Dimension haben. Doch Ein eigenständiges Gestaltungsfeld tut man sich – zurecht – schwer da- Kulturpolitik wird sich auf Dauer nur mit, die ökonomische Seite kulturel- dann aufrechterhalten lassen, wenn ler Prozesse und damit die Selbstver- zumindest zwei Voraussetzungen er- ständlichkeit zu akzeptieren, mit der füllt sind: ihr Gestaltungsbereich, also insbesondere internationale Han- ein spezifischer Umgang mit Kunst delsorganisationen, aber auch die und Kultur, hat eine anerkannte ge- EU und die nationale Wirtschaftspo- sellschaftliche Relevanz und als wei- litik Kunst und Kultur in ihren Zu- tere Voraussetzung, es gibt überhaupt ständigkeitsbereich aufnehmen. noch Gestaltungsmöglichkeiten für Auf der Grundlage der Überzeu- eine eigenständige Kulturpolitik. gung von der individuellen und so- Dabei genügt es nicht, dass nur we- zialen Wirksamkeit von Kunst und nige Menschen von einer solchen Re- Kultur und auf der Basis der Resoluti- levanz überzeugt sind, zumal es sich onen und Positionspapiere der letz- bei diesen Wenigen auch noch um ten Jahre stellt sich daher der Vor- mögliche Nutznießer kulturpoliti- stand die Aufgabe, ein konsensfähi- scher Interventionen handelt. Beide ges kulturpolitisches Grundsatzpa- Voraussetzungen können heute nicht pier zu entwickeln und einen inner- mehr als selbstverständlich angese- verbandlichen Diskurs hierzu anzu- hen werden. Im Hinblick auf genui- regen, in dem das Politikfeld in sei- ne kulturpolitische Gestaltungsmög- ner inhaltlichen Dimension und mit lichkeiten muss man zur Kenntnis seinen Gestaltungsmöglichkeiten nehmen, dass in der Rechts-, Han- und -zielen beschrieben wird. An- Der Vorstand des Deutschen Kulturrats (v.l.): Max Fuchs (Vorsitzender), Christian Höppner (Stellvertretender Vorsitzen- dels- oder Wirtschaftspolitik sehr vie- satzpunkte für ein tragfähiges Ver- der) und Claudia Schwalfenberg (Stellvertretende Vorsitzende) Foto: Deutscher Kulturrat le kulturpolitische Entscheidungen ständnis von Kunst und Kultur bie- getroffen werden. Und im Hinblick tet neben dem in dieser Hinsicht seinen 25. Geburtstag, was Anlass engagierte Mitarbeit bei der Ent- Zu intensivieren sind die Kontakte zur auf die gesellschaftliche Wertschät- besonders reichhaltigen deutschen genug ist, die geleistete Arbeit Revue wicklung der UNESCO-Konvention Kommission der EU, dem Europa-Par- zung von Kunst und Kultur sollte man Diskurs über Kunst und Kultur auf- passieren zu lassen und Perspekti- zur kulturellen Vielfalt und – im Fal- lament, aber auch zum Wirtschaftsmi- sich vor übertriebenen Erwartungen grund der Verwobenheit nationaler ven zu entwickeln. le einer Verabschiedung – bei der nisterium. hüten. So muss man inzwischen fest- und internationaler Debatten auch nationalen Umsetzung. Hierzu ge- stellen, dass zunehmend mehr Kom- und gerade die kulturpolitische Die Gefahr einer weiteren hört jedoch auch der nationale Dis- Herausforderung munen, kommunale Spitzenverbän- Selbstverständigung im Rahmen Ökonomisierung von kurs, in dem deutlicher als bisher kulturelle Bildung de und inzwischen auch Landesre- der UNESCO. Hier sind es neben diese internationalen Entwicklun- gierungen auf eine eigenständige kul- den Weltkulturberichten mit ihren Kunst und Kultur gen in ihrer Relevanz für die deut- Im Hinblick auf kulturelle Bildungs- turpolitische Verantwortung in den theoretisch anspruchsvollen und sche Medien- und Kulturlandschaft arbeit haben wir es mit einer para- jeweiligen politischen Leitungsgre- empirisch gesättigten Darstellun- Vor dem Hintergrund der Debatte dargestellt werden müssen. doxen Situation zu tun: Einerseits mien verzichten. Im Zuge der Globa- gen vor allem die Überlegungen über das EU-Grünbuch zu Dienst- Neben der bundesweiten Koaliti- liefern die Neurowissenschaften, lisierung spielt zudem die Auseinan- und Formulierungen im Kontext der leistungen von allgemeinem Interes- on zur kulturellen Vielfalt (Federfüh- aber auch inzwischen vorliegende dersetzung mit solchen Ländern UNESCO-Konvention zur kulturel- se, über die EU-Dienstleistungs- rung: Deutsche UNESCO-Kommissi- belastbare Evaluationsstudien gute eine größere Rolle, bei denen es len Vielfalt. Stichworte sind hierbei richtlinie, über die Ausdehnung des on) spielt insbesondere die stabile Argumente für einen rezeptiven oder ohnehin noch nie eine eigenständi- kulturelle Vielfalt als Charakteristi- Dienstleistungsabkommens GATS Partnerschaft mit dem öffentlich- produktiven Umgang mit den Küns- ge gestaltende Kulturpolitik gegeben kum des Menschen, der Zusam- der Welthandelsorganisation WTO rechtlichen Rundfunk (z. Zt. vertreten ten. Von der ästhetischen Früherzie- hat. Kulturpolitik insgesamt wird menhang von Kultur, Menschen- auf Kultur und Medien muss die durch den WDR-Intendanten Fritz hung über schulische und außer- daher auch in Deutschland in wach- rechten und Demokratie, von Kul- Rede von einer Gefahr einer weite- Pleitgen) eine wichtige Rolle. Das Mot- schulische Pädagogik bis hin zur sendem Maße begründungspflich- tur, sozialem Zusammenhang und ren Ökonomisierung nicht weiter to bzw. die Erkenntnis der vergange- Weiterbildung von Erwachsenen tig. Man muss sehen, dass Kulturpo- nachhaltiger Entwicklung. begründet werden. Allerdings ist der nen Jahre bleibt dabei auch weiterhin und Seniorenkulturarbeit spielen litik nicht ihren Wert in sich trägt. Zwei Ereignisse bieten sich für eine Zusammenhang zwischen Überle- aktuell: Nationale und internationale kulturelle Aktivitäten eine unver- Dieser hängt vielmehr von den Wir- solche grundlegende Aufgabenbe- gungen zur Daseinsvorsorge, so wie Kulturpolitik sind nicht voneinander zichtbare Rolle als Bildungs- und kungen ab, die das von dieser Politik schreibung und Positionsbestim- sie im entsprechenden Positionspa- zu trennen. Ein wichtiges Instrument, auch als anspruchsvolle Unterhal- Gestaltete in der Gesellschaft, also mung an. Als erstes werden noch in pier des Deutschen Kulturrates for- dessen Möglichkeiten weder auf der tungsmöglichkeiten. Andererseits Kultur und Kunst, entfaltet. diesem Jahr die Wahlprüfsteine, die muliert wurden, und dieser interna- EU-Ebene noch auf der nationalen standen Angebote der kulturellen Eine Schwierigkeit besteht zu der voraussichtlich im Herbst tionalen Tendenz nicht überall ver- Ebene noch lange nicht ausgelotet Bildung noch nie so unter Druck wie hierbei darin, die Pluralität verschie- 2005 anstehenden Bundestagswahl standen worden. Der Vorstand wird sind, ist die Kulturverträglichkeitsprü- heute: Die PISA-Diskussion führt dener Sichtweisen von Kunst und erarbeitet werden, eine Gelegenheit sich daher darum bemühen, sorgfäl- fung. Wichtige Gesprächspartner sind nach wie vor dazu, sich zu stark auf Kultur zu respektieren. Selbst das bieten, das eigene Profil und eigene tig und zeitnah die – vor allem inter- die unterschiedlichen Ressorts der die drei PISA-Fächer zu Lasten an- international eingeführte und der begründete Zielvorstellungen mit nationalen – Ökonomisierungsten- Bundesregierung, neben der Beauf- derer Schulfächer zu konzentrieren. UNESCO-Konvention zur kulturel- den Zielen der Parteien zu verglei- denzen zu beobachten und geeigne- tragten der Bundesregierung für Kul- len Vielfalt zugrunde gelegte Ver- chen. Zum zweiten feiert der Deut- te Gegenmaßnahmen anregen. tur und Medien vor allem das Auswär- Weiter auf Seite 27 ständnis über den Doppelcharakter sche Kulturrat im kommenden Jahr Hierzu gehört vor allem die weitere tige Amt und das Sozialministerium.

Neuerscheinung August 2005 Neuerscheinung Juli 2005

Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion – Im Labyrinth der Kulturzuständigkeiten: Konzeption Kulturelle Bildung Ein Handbuch Hg. v. Deutschen Kulturrat, Berlin 2005, ca. 450 Seiten, 22,80 Euro Die Kulturverwaltung der Länder, des Bundes Welche Rolle spielt die kulturelle Bildung in der Bildungs- einen Überblick über die Strukturen kultureller Bildung, und der Europäischen Union reformdiskussion? Wer sind die Akteure kultureller Bildung? Anforderungen an die Politik zur Verbesserung der Rah- Wer gestaltet wie die Rahmenbedingungen für kulturelle menbedingungen werden formuliert und an praktischen Hg. v. Olaf Zimmermann, Gabriele Schulz, Berlin 2005, ca. 130 Seiten, Bildung? Wie kann die Zusammenarbeit der verschiede- Beispielen deutlich gemacht, welche Potenziale die kul- 14,80 Euro nen Akteure kultureller Bildung verbessert werden? turelle Bildung für die gesamte Bildungsreform bietet.

In dem Buch „Kulturelle Bildung in der Bildungsreform- Autoren sind: Doris Ahnen, Hildegard Bockhorst, Edel- Wer ist für Kultur in den Kommunalen Spitzenverbänden, in den Ländern, diskussion - Konzeption Kulturelle Bildung“ wird der Bo- gard Bulmahn, Max 8uchs, Dieter B. Herrmann, Werner beim Bund und in der Europäischen Union zuständig? In dem Buch „Im gen von den Einflüssen internationaler Handelsabkom- Lindner, Eske Nannen, Georg Ruppelt, Gabriele Schulz, Labyrinth der Kulturzuständigkeiten: Ein Handbuch“ sind die Namen men auf die kulturelle Bildung vor Ort bis hin zu den Bil- Claudia Schwalfenberg, Richard Stang, Andreas Joh. Wie- und Anschriften der für Kultur Verantwortlichen zusammengestellt. Das dungsplänen für die frühkindliche Erziehung, die Schul- sand, Dieter Wunder, Olaf Zimmermann Buch stellt Transparenz in den komplizierten Strukturen der Kulturpolitik reform der Länder, die Europäisierung der Hochschulbil- und Kulturförderung in Deutschland her. dung bis zur Weiterbildung gespannt. Das Buch verschafft Redaktion: Gabriele Schulz und Olaf Zimmermann Bestelladresse: Deutscher Kulturrat, Chausseestraße 103, Bestelladresse: Deutscher Kulturrat, Chausseestraße 103, 10115 Berlin, ax: 030/24 72 12 45, 10115 Berlin, ax: 030/24 72 12 45, Email: [email protected] Email: [email protected] KULTURELLES LEBEN politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 27

reich, vernünftige Arbeitskonditio- zudem, dass immer wieder Span- Fortsetzung von Seite 26 nen für Kulturschaffende und ihre nungen zwischen Exekutive und Le- soziale Absicherung sind vier zusam- gislative entstehen. Man spricht in- Bei den Ganztagsschulen, die ver- mengehörende Dimensionen der- zwischen von einer wachsenden mehrt eingeführt werden, ist es selben Problematik. Steuerfragen, Macht der Exekutive und hier spezi- immer noch nicht sicher, dass sie Fragen des Gemeinnützigkeits- ell der Verwaltung gegenüber der vernünftige Kooperationen mit Kul- rechts, Stiftungsrecht gehören dazu. politischen Steuerung und dem Par- tur- und kulturpädagogischen Ein- Es ist zu überlegen, inwieweit der lament. Strukturfragen sind Macht- richtungen eingehen. Im Weiterbil- Deutsche Kulturrat gerade in Verbin- fragen und entscheiden wesentlich dungsbereich konzentriert man sich dung mit der Bundestagswahl nicht über die Inhalte. Sie müssen daher in den entsprechenden Fördergeset- bloß für einen finanzpolitischen Sta- auch weiterhin das Interesse des zen auf unmittelbar beruflich zu nut- tus quo kämpft, sondern offensiv Deutschen Kulturrates finden. Ins- zende Qualifikationen. Der Vorstand eine Verbesserung der Rahmenbe- besondere muss – im Interesse der wird auch weiterhin offensiv die dingungen – durchaus unter Bezug demokratischen Kultur – immer Möglichkeiten kultureller Bildungsar- auf schon gefasste Beschlüsse – for- wieder die Mitverantwortung der beit propagieren. Eine gute Gelegen- dert. organisierten Zivilgesellschaft einge- heit wird die Diskussion um die Kon- bracht werden. zeption kulturelle Bildung sein, die im Politische Sommer 2005 vorgelegt wird. Die bis- Strukturen Schlussbemerkung herigen engen Kontakte sowohl zu den kommunalen Spitzenverbänden, Gerade in der Kulturpolitik ist es Der Deutsche Kulturrat wird für sei- zu den zuständigen Bundesministe- nicht gleichgültig, wie die Kompe- ne Beratungsleistungen der Politik rien und vor allem zu der Kultusmi- tenzen geordnet sind. Dies betrifft und der Regierung finanziell geför- nisterkonferenz werden weiter ge- die nach wie vor aktuelle Föderalis- dert. Dies schließt ein, dass nicht pflegt. Es ist anzustreben, erneut den musreform, es betrifft aber auch die bloß zu anstehenden gesetzlichen Bundespräsidenten für das Anliegen Medien- und Kulturzuständigkeiten Regelungen ein Konsens unter den von Kunst und Kultur im allgemeinen innerhalb der Europäischen Kom- Mitgliedsverbänden gefunden wird. und von kultureller Bildung im be- mission und zwischen Kommission, Neben der permanenten Aufgabe, sonderen zu gewinnen. Europäischem Parlament und Mi- auf diese Weise Rahmenbedingun- nisterrat. Die Erfahrung der letzten gen für das kulturelle Leben in Kunst ist schön, macht Jahre zeigt, dass schon jetzt viele Deutschland mitgestalten zu helfen, aber viel Arbeit: Der Ar- wichtige kulturpolitische Entschei- ist es für die Kulturpolitik auf Bun- dungen federführend von anderen desebene angemessen, Anregungen beitsmarkt Kultur und die Ressorts vorangetrieben werden und Impulse zu geben, Konzepte zu soziale Sicherung (Handelsrecht, Urheberrecht, sozi- entwickeln, Netzwerke auf- bzw. ale Sicherung, siehe Abschnitt 1). ausbauen und über vielleicht eher Der Arbeitsmarkt Kultur wächst. Er Dieses gilt in gleichem Maße für die unzugängliche Vorgänge – etwa in wächst allerdings in einer durchaus nationale Ebene. Hier werfen die der WTO – aufzuklären. Der Vorstand problematischen Weise: Die Zahl so- Rahmenbedingungen für Kunst und sieht es als seine Aufgabe an, mit zialversicherungspflichtiger Beschäf- Kultur vom Wirtschaftsministerium, Hilfe der Gremien und anderen Or- tigungsverhältnisse nimmt ab, die dem Finanzministerium, dem Justiz- ganen des Verbandes all diese ge- Zahl von Freiberuflern, Selbstständi- ministerium, dem Sozialministeri- nannten Punkte im Sinne einer de- gen und (Klein-)Unternehmen Das UNESCO-Gebäude in Paris Foto: Archiv um nachhaltig gestaltet. Es wird dar- mokratischen Kulturpolitik im Rah- nimmt zu, wobei oft genug die Selbst- auf ankommen, nach einer mögli- men seines politischen Mandats zu ständigkeit nicht freiwillig gewählt reich könnte zudem zu den Verlierern Dabei ist zu beachten, dass diese cherweise im Herbst 2005 statt- verfolgen. wurde. Man kann durchaus von einer der beschlossenen Arbeitmarktrefor- Problematik nicht diskutiert werden findenden Bundestagswahl diese schleichenden Statusverschlechte- men gehören. Es ist daher beabsich- kann, ohne die Finanzausstattung Verknüpfungen und die Quer- Prof. Dr. Max Fuchs, rung von Kulturberuflern sprechen, tigt, verstärkte Aufmerksamkeit dem der Kultureinrichtungen und die Er- schnittfunktion eines Kulturressorts Vorsitzender wobei hiervon nicht bloß die Lebens- Arbeitsmarkt und der sozialen Sicher- tragslage der Medien- und Kulturbe- auf Bundesebene stärker berück- Christian Höppner, haltung während der Berufstätigkeit, heit zu schenken und insbesondere triebe zu berücksichtigen. Kulturfi- sichtigen und die so genannte Kul- Stellvertretender Vorsitzender sondern auch die soziale Sicherung die Hartz-Reformen aus kulturpoliti- nanzierung, ein funktionierender turverträglichkeitsprüfung von Ge- Dr. Claudia Schwalfenberg, im Alter betroffen ist. Der Kulturbe- scher Sicht zu evaluieren. Medien- und Kulturwirtschaftsbe- setzen zu verbessern. Es zeigt sich Stellvertretende Vorsitzende

Inter-, Trans-, Multikulturell Abonnieren oder empfehlen Sie puk Von Carolina Böhm und Sie erhalten ein ganz

Homogen (grch)(...) an jeder Stelle die Davon ausgehend, dass der Begriff schließt. Dies ist die entscheidende besonderes Dankeschön! gleichen(...) Eigenschaften aufwei- „Kampf der Kulturen“, dort auf Verantwortung der Kulturpolitik im send besonders fruchtbaren Boden fällt, 21. Jahrhundert. Sie muss in der Lage DEUTSCHE ORCHESTER wo Menschen sich ihrer eigenen kul- sein, Räume zu öffnen, die kulturel- Es existiert keine gesellschaftliche turellen Identität nicht sicher fühlen, le Differenz zulassen, nicht die kul- Zwischen Bilanz und Einheit, die dieser Definition ent- ist dies möglicherweise mit einer turelle Vielfalt des Nebeneinander, Perspektive spricht, noch nicht einmal innerhalb gewissen Tabuisierung des Identi- auch nicht das multikulturelle Um- Herausgegeben von der Jungen einer amilie, vielleicht gerade dort tätsbegriffs in Deutschland verbun- armen aller vermeintlich Anderen in Deutschen Phiharmonie, mit Beiträgen nicht. Kulturpolitik im 21. Jahrhun- den. Das von einer Form des Identi- unserer Gesellschaft. von Wolfram Goertz, Heiner Gembris, dert muss daher von einem Be- tätsverlustes nicht nur die Kinder Berlin bietet derzeit ein aktuelles Monika Griefahn, Gerald Mertens u.a. kenntnis zu einer Gesellschaft aus- und Kindeskinder der 68’er Studen- Beispiel für den Umgang und die ConBrio Verlagsgesellschaft gehen, in der ständig kulturelle Pro- tenrevolte betroffen sind, zeigt fol- Verarbeitung eines Topos, der kultu- Anlässlich ihres 30. Geburtstages zieht zesse statt finden. Kulturpolitik be- gendes Zitat: relle Differenzen zwangsläufig die Junge Deutsche Philharmonie Bilanz deutet in diesem Sinne identitäts- Dorothea Kolland und Andreas wiederspiegeln muss: Ein Konzept und zeigt Perspektiven für die stiftende Momente in einer sich Freudenberg schrieben in den Kul- für das Mauergedenken in der Stadt Orchesterlandschaft in Deutschland auf. ständig weiter und neu differenzie- turpolitischen Mitteilungen vom Ja- ist eine interkulturelle Herausforde- 160 Seiten, Paperback, renden Gesellschaft zueinander in nuar 2003 zu „ethnischen Kolonien“ rung. Dieses Konzept muss die Kon- CB 1166 Beziehung zu setzen. Oder: Es geht in Großstädten: „Diese ‚ethnischen flikte der Mauerperspektiven in all ISBN 3-932581-66-0 darum ein Seil zu spannen zwischen Kolonien‘ sind durchaus nicht zu re- ihren Facetten aufgreifen, von der den Polen nationaler Identität und duzieren auf Zwangszusammenbal- deutsch-deutschen Geschichte bis ...... Hybridität, um sogleich darauf her- lungen als Ergebnis von Ausgren- hin zur, bislang vernachlässigten, # Ich möchte politik und kultur (puk) abonnieren umzutanzen. zung, denn nur in Ausnahmefällen Geschichte der türkischen Einwan- (€ 18,00/6 Ausgaben im Jahr, inkl. Porto) und erhalte als könnten sie als ‚Ghetto‘ bezeichnet derer im Schatten der Mauer im Süd- Geschenk das Buch: llenthalben erleben wir die werden. Sie sind vielmehr Rückzugs- osten Kreuzbergs. Deutsche Orchester – zwischen Bilanz und Perspektive A Angst vor Kulturverlusten (unter- gebiete sozialer, kultureller und Um Brüche aufzugreifen, Diffe- gründig gleichgesetzt mit Identitäts- manchmal auch stadtregionaler Art, renzen produktiv einzusetzen, Meine Adresse (=Rechnungsanschrift) verlust) sei es in der Debatte um den in denen Menschen Zuflucht su- braucht Kulturpolitik eines nicht: „clash of civilisation“ (Kampf der Kul- chen, die in ihrer Identität verunsi- Besitzstandsdenken. Den Mut, Brü- Ich abonniere puk turen/Huntington) seit September chert und entwurzelt sind.“ che aufzugreifen, hatte im letzten 2001 zum Synonym für den christ- Diese Rückzugsgebiete existieren Jahr die Kleist-Gesellschaft mit der lich-muslimischen Werteunterschied auf Seiten der Mehrheitsgesellschaft Verleihung des Kleist-Preises an Name avanciert. Ebenso spannend sind genauso, vielleicht ist dies die inter- Emine Sevgi Özdamar, einer Autorin, neuere Diskurse über die so genann- essanteste Entwicklung zu Beginn die pointiert das Wandern zwischen te Unterschichtenkultur, die wieder- des 21. Jahrhunderts. Welten (und auch das Herauspicken Straße um als Erklärung für Verhaltensmus- Interkulturelle Kulturpolitik, von Rosinen) zum Thema ihres Wer- ter ökonomisch abgekoppelter Bevöl- Mark Terkessidis spricht lieber von kes macht. kerungsschichten gebraucht werden. „Kulturpolitik in der Einwande- Zurück zum Ausgangspunkt: In- PLZ Ort Die anglo-amerikanischen Aus- rungsgesellschaft“, muss Ansätze terkulturelle Kulturpolitik fungiert als einandersetzungen mit dem Begriff entwickeln, diese Verunsicherungen Seismograph für den ständigen Wan- Unterschrift/Datum der Identität in kulturell differenzier- zu thematisieren, Suchbewegungen del der gesellschaftlichen Identität- ten Gesellschaft, ein Stichwort darin zu unterstützen und Dialoge einzu- nicht mehr, aber auch nicht weniger. Hybridität, wurden hierzulande leiten. Wir brauchen in der Tat ein Coupon einsenden/faxen an: ConBrio Verlagsgesellschaft mbH, kaum aufgegriffen und in der öffent- Kulturkonzept, welches alle inter- Die Verfasserin ist Wissenschaftliche Brunnstraße 23, 93053 Regensburg, ax: 0941/945 93 50 lichen Diskussion so gut wie gar nen, konfliktuösen und gleichzeitig Mitarbeiterin der SPD-Fraktion im nicht reflektiert. sinnstiftenden Identitätsmuster ein- Berliner Abgeordnetenhaus KULTURELLES LEBEN politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 28

John Lennon Talent Award Was bringt einen „Landwirtschaftlichen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit“ dazu, Rock- und Popmusiker zu fördern? • Von Rainer Lemke

Die Itzehoer Versicherungen wurden ins Leben rufen. Im April 1990 wur- Anfang des letzten Jahrhunderts ge- de deshalb damit begonnen, ein gründet. Kunden sind gleichzeitig zeitgemäßes Konzept für die Kultur- Mitglieder einer Gemeinschaft, die förderung der Itzehoer Versicherun- sich zum Ziel gesetzt hat, jedem Ein- gen zu erarbeiten, das glaubwürdig zelnen optimalen Versicherungs- und langfristig umsetzbar ist. schutz zu bieten. In den Leitlinien Eine der beliebtesten Freizeitbe- ist festgeschrieben, das Potential schäftigungen von jungen Leuten ist und die inanzkraft zu nutzen, um die Rock- und Popmusik und ein ide- in der Region Arbeitsplätze zu er- ales Betätigungsfeld für kreative För- halten sowie Wirtschaftskraft und deraktivitäten, denn zwischen den kulturelle Entwicklung der Region zu Versäumnissen der Bildungs- und fördern. Kulturpolitik einerseits und der feh- lenden Entdeckungslust der Musik- m Laufe der Zeit hat sich die Itze- industrie andererseits klafft eine gro- I hoer vom führenden Landwirt- ße Lücke. Außerdem fehlt es talen- schaftsversicherer in Schleswig- tierten Musikern und Musikerinnen Holstein zu einem modernen Versi- hierzulande an Ausbildungs- und cherer für Privatkunden in ganz Auftrittsmöglichkeiten sowie an Deutschland entwickelt. Bekann- Übungsräumen. Damit die Kommu- heitsgrad und Marktanteile waren nikationsziele erreicht werden konn- 1990 im ländlichen Bereich in ten, war es erforderlich, Ereignisse Schleswig-Holstein sehr hoch, in zu schaffen und die Nachwuchsför- den Städten war die Itzehoer weni- derung für die Öffentlichkeit und ger bekannt und vertreten. Marktun- somit auch für die Medien interes- tersuchungen hatten aufgezeigt, sant zu machen. dass das Image durch Begriffe wie „Als im April 1990 die Itzehoer „vertrauenswürdig“, „solide“, „bo- Versicherungen an mich herantra- denständig“ aber auch „der Vergan- ten, um die Idee eines Talentwettbe- genheit behaftet“ oder „ländlich“ werbes in ein durchführbares Kon- gekennzeichnet war. Einige dieser zept umzusetzen, sagte ich spontan Attribute sind für einen Versicherer zu. Endlich, so dachte ich, findet je- von großem Vorteil, bei der jüngeren mand den Mut, langfristig in diese Generation, den potentiellen Neu- vernachlässigte Szene zu investie- Pressekonferenz zum Start des JLTA 2005/2006 - Der Vorstandsvorsitzende der Itzehoer Versicherungen Wolfgang Bitter kunden, sind fehlende Assoziatio- ren. Ich begrüße es von ganzem Her- (2.v.r) mit den Preisträgern aus dem Wettbewerb 2003/2004 Ilja Schierbaum (1.v.l.) und Rainer Schreiber (1.v.r.) und nen von Zeitbezug und Dynamik je- zen, daß die Itzehoer Versicherungen dem JLTA-Juror Henning Rümenapp (Guano Apes, 2.v.l.) Foto: John Lennon Talent Award doch ein Nachteil. Hier galt es den Bekanntheitsgrad zu erhöhen, ein Ursprungsidee war es, eine „Showa- werden. Wir haben deshalb keine Schirmherrschaft beim John Len- positives Image auf- und auszubau- kademie“ zu gründen. Da dies unse- externe Sponsoringagentur beauf- non Talent Award 2003 hatte z.B. en und die Kundenbindung zu ver- re Möglichkeiten überfordert hätte, tragt, sondern 1991 Jens Klopp (lei- Staatsministerin Dr. Christina Weiss stärken. Dies kann durch klassische haben wir uns für einen Nachwuchs- tet seit September 2004 eröffnete übernommen. Auf Initiative des Werbung erreicht werden, wir woll- wettbewerb entschieden, der alle 2 McNally Smith College of Music in John Lennon Talent Award der Itze- ten jedoch neue und eigenständige Jahre ausgeschrieben wird. Zwi- Lübeck) eingestellt, der Erfahrungen hoer trafen sich im Jahre 2000 Wege in der Unternehmenskommu- schen den Wettbewerben werden die beim Kontaktstudiengang Popular- erstmals Musikbranche und Politi- nikation gehen. ausgewählten Bands im Rahmen ei- musik an der Hochschule für Musik ker im Haus. „pop Sponsoring beruht auch auf dem ner „mobilen Showakademie“ inten- und Theater gesammelt hatte und meets politics“ wurde am 28. Mai Prinzip des Geschäftes auf Gegensei- siv gefördert. Klaus Voormann, stell- mit Chiefcoach Prof. Udo Dahmen 2005 mit einer Diskussionsrunde tigkeit und bot sich optimal für die te das Projekt Yoko Ono vor. Mit den (heute Direktor der Popakademie zum Thema „Musikkultur im Fern- Neuausrichtung an. Die Grenzen zu Worten „I give my blessing to this Mannheim) für die Förderung der sehen – Quote oder Qualität“ fort- Werbung, Verkaufsförderung, Event- project by donating this guitar“ er- Siegerbands verantwortlich war. gesetzt. marketing sind jedoch fließend. laubt uns die Lennon Witwe seit 1990 Immer dabei: Profis aus der Musik- Medienpartner beim John Lennon Ta- „Bandenwerbung“ und „Trikotwer- mit diesem Wettbewerb kein aufge- den Wettbewerb mit dem Namen branche und den Medien, die eine lent Award 2005: MTV, Radio Schles- bung“ läuft heute unter dem Begriff blasenes Spektakel veranstalten, um von John Lennon zu verbinden. Sie hohe Qualität in der Umsetzung ga- wig-Holstein, delta radio, ANTENNE Sportsponsoring. Aus „Schleichwer- sich selbst zu produzieren, wie so vie- stiftete außerdem die Trophäe für rantieren. MECKLENBURG-VORPOMMERN, bung“ oder „Product-Placement“ le Veranstalter ähnlicher Vorhaben, die Siegerband: eine zwölfsaitige „Das ausgerechnet eine Versiche- antenne BAYERN/ROCK ANTENNE, wurde Mediensponsoring. Die Ver- sondern ehrliche und langfristige John Lennon Guitar von Rickenba- rung Unruhestifter fördert, spricht Radio Fritz und der Schleswig-Holst- bindung von Großevents im kultu- Förderung planen und durchführen. cker. So entstand der „John Lennon für eine sympathische Auffassung einische Zeitungsverlag. Unterstützt rellen Bereich mit dem Firmen- oder Dieser Schritt verdient von allen Sei- Talent Award“ der 1991 erstmals in von Kultur im Hause. Die Art, wie die wird der Wettbewerb vom Minister- Produktnamen und Werbung vor Ort ten volle Unterstützung“ so Klaus Schleswig-Holstein und Mecklen- Itzehoer Versicherungen fördern, ist präsidenten des Landes Schleswig- heißt heute Kultursponsoring. Wir Voormann, Ex-Bassist von John Len- burg-Vorpommern ausgeschrieben einzigartig in Deutschland – das ge- Holstein, von der Senatsverwaltung wollten uns jedoch nicht an den ex- nos Plastic Ono Band, der u.a. auch wurde. samte Coachingprogramm ist vor- für Wissenschaft, Forschung und Kul- ternen Sponsoringangeboten betei- als Grafiker das Cover des Beatles Die Itzehoer sollte Ansprechpart- bildlich!“ so Frank Dostal (Produzent tur, der Deutschen Phono-Akademie, ligen, sondern ein eigenes Projekt „Revolver“Albums gestaltet hat. ner für Musiker und Musikszene und Texter, GEMA-Aufsichtsrat). dem Deutschen Kulturrat und dem Seit 1999 wird der John Lennon Deutschen Musikrat. Talent Award - dank Gerd Gebhardt Weitere Partner: Studio Ham- und finanzieller Unterstützung burg, St. Pauli Theater, Musikmesse durch die Deutsche Phono-Akade- Frankfurt, A.S.S. Concert & Promo- mie – bundesweit ausgeschrieben. tion, Steinberg Media Technologies, Im Laufe der Zeit hat sich der Wett- No. 1 Music Park, Theaterkunst und bewerb immer wieder gewandelt Clarksdale, die unsere Website und intensiv mit den jeweils aktuel- www.jlta.de gestaltet haben. Die Sie- len Trends auseinandergesetzt. Ta- gertrophäe, eine von Fred Gretsch lent allein reicht nicht aus, um sich signierte „Gretsch Silver Falcon Gi- in der Musikbranche langfristig er- tarre, wurde von Fender Deutsch- folgreich zu behaupten. Das Team land gestiftet. des John Lennon Talent Award 2005 Kulturförderung bedeutet für uns: wird gemeinsam mit den Musikern Kooperationspartner zusammenzu- individuelle Konzepte erarbeiten. führen und Aktive der Musikszene in Mehr als bisher soll das Know How aus besonderen Vorhaben zu unterstüt- benachbarten künstlerischen Genres zen. Dadurch ist es möglich, innova- in die Arbeit einbezogen werden. Die tive Projekte zu verwirklichen, die Umsetzung erfolgt mit kreativen Part- alleine nicht zu realisieren sind. Wir nern aus den Bereichen Musikproduk- können auf eine erfolgreiche Förder- tion, Veranstaltungen, TV und Medi- arbeit zurückblicken und sind stolz, en sowie künstlerischen Institutionen dass Nachwuchstalente sich mit un- und Design. Dazu gehören verschie- serer Unterstützung zu ernsthaften dene Live-Präsentationen in außerge- und professionell arbeitenden Künst- wöhnlichen Locations und am Ende lerpersönlichkeiten entwickelt ha- dieses kreativen Weges werden die ben. Die Erfahrungen der letzten 15 besten Bands im Herbst 2006 in einer Jahre haben gezeigt, dass man gleich- Roadshow live präsentiert. zeitig Kultur fördern und seine Unter- Der John Lennon Talent Award nehmensziele erreichen kann. Inves- genießt in der Musikbranche, der titionen im Kulturbereich sind des- Öffentlichkeit, bei staatlichen und halb aus unserer Sicht gut angelegt. privaten Kulturinstitutionen und – vor allem! – bei Musikern höchste Der Verfasser ist Leiter des Anerkennung. Zahlreiche promi- Marketing und der Unternehmens- nente Persönlichkeiten engagieren kommunikation der Itzehoer Seit 1999 wird der John Lennon Talent Award bundesweit ausgeschrieben. Foto: John Lennon Talent Award sich als Juroren oder Coaches. Die Versicherungen KULTURELLES LEBEN politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 29

Schulen des Sehens Die Kommunalen Kinos setzen Akzente für eine Neupositionierung • Von Esther Baron

Im Leitartikel der letzten Ausgabe der Präsentation weisen die „Galeri- von politik und kultur schrieb An- en der Filmkunst“ als Kinos mit Pro- gela Merkel, Vorsitzende der CDU fil aus. Ihre sorgfältig kuratierten his- Deutschland und der CDU/CSU-Bun- torischen und aktuellen Programme destagsfraktion: „Gäbe es einen sprechen bewusst heterogene Zu- PISA-Test für Kultur, dann gehörte schauerkreise an und leisten einen die Bundesrepublik Deutschland wichtigen (film)kulturellen Beitrag zweifellos zur Spitzengruppe. Kaum für die Städte und Regionen. Im Kon- ein Land auf der Welt hat in solch text jüngster Initiativen und Debat- hohem Maß Opernhäuser, Theater, ten auf nationaler und europäischer Orchester, Chöre und Plattformen Ebene hinsichtlich der Stärkung der für die literarischen und bildenden kulturellen Vielfalt kommt ihnen Künste auf engstem Raum versam- große Bedeutung zu. melt (...) Kunst und Kultur leben von Die engagierten Kinomacher- der Bildung (...). Dazu gehört die innen und Kinomacher können auf Vermittlung von Geschichte, Wissen- ein filmtheoretisch, filmpraktisch schaft und Sprachen und ebenso von und filmpädagogisch fundiertes Wis- Literatur, Musik und Kunst. Es gibt sen zurückgreifen. Sie zeigen, erhal- keine ‚Randfächer”.“ ten und archivieren historisches und aktuelles Filmmaterial. Dass etliche ielleicht mag es den Lesern nicht von ihnen nicht angestellt, sondern V aufgefallen sein, aber hier frei oder sogar ehrenamtlich tätig bleibt – und dies ist symptomatisch sind, ist selten bekannt. Diese pre- für Aufzählungen von Kulturerrun- käre Arbeitssituation wäre einen ei- genschaften in Deutschland - eine genen Artikel wert. Kunst unerwähnt am Rande: Es ist Die Leidenschaft für die Film- der Film. Kunst zeigt sich auch in den beiden Genau da setzt das Engagement Preisen, die der Bundesverband all- der rund 140 Kommunalen Kinos jährlich während der Internationa- und Initiativen in Deutschland an. len Filmfestspiele Berlin vergibt: Der Impressionen vom Bundeskongress „Die Zukunft kultureller Kinoarbeit“ Foto: Bundesverband kommunale Filmarbeit Ihr Dachverband, der Bundesver- Caligari-Filmpreis ist für einen stilis- band kommunale Filmarbeit, feiert tisch und thematisch innovativen chen die Kommunalen Kinos land das Fernsehen. Jedes dritte nationale Filme, die sonst nicht in diesem Jahr sein dreißigjähriges Film aus dem Programm des Inter- bereits bei den jüngsten Zuschau- Kind im Alter von acht, neun Jah- den Weg in die Kinos fänden, ge- Bestehen. Anlass genug, einen Blick nationalen Forums des Jungen Films ern Interesse und Begeisterung für ren sitzt alleine vor dem Apparat. zeigt. Oft kann das junge Publikum zurück nach vorn zu werfen. bestimmt. Der Liliput-Preis für ge- den Film im Kino zu wecken. Kino Filmpädagogische Aktivitäten hautnah eingeladene Filmregisseu- Ende April setzten deshalb rund lungene oder missglückte Synchro- ist ein Gemeinschaftserlebnis, mit kompetenter Betreuung stehen re erleben. 70 VertreterInnen Kommunaler Ki- nisation und Untertitelung wird an besonders für Kinder und Jugend- deshalb seit Beginn auf dem Pro- Die Kinos beraten auch und sind nos auf ihrem Bundeskongress „Die Filme vergeben, die im Jahr zuvor in liche. Wer einmal eine Kindervor- gramm der Kommunalen Kinos. Lehrern bei der Materialzusammen- Zukunft kultureller Kinoarbeit“ Ak- deutschen Kinos zu sehen waren. stellung besucht hat, weiß das. Die- Eine jüngere Umfrage des Bundes- stellung behilflich. Der 10. Bundes- zente für eine Neupositionierung. Mit Ulrich Gregor, Hilmar Hoff- ser soziale Faktor gewinnt ange- verbandes unter seinen Mitglie- weite Aktionstag am 31. Oktober Hierbei wurde deutlich, dass die mann, Peter W. Jansen und Wim sichts neuerer Studien wieder an dern ergab, dass rund 60% (82 Ki- 2004 machte deshalb unter dem Film-Kunst und Kino-Kultur in all Wenders besteht auch das Kuratori- Bedeutung. Das DJI-Kinderpanel, nos) regelmäßig gezielte Program- Motto „Kinder im Kino“ auf diese ihren Facetten hauptsächlich durch um des Bundesverbandes aus Perso- die große repräsentative Untersu- me für Kinder und Schulen anbie- filmpädagogischen Stärken auf- die Kommunalen Kinos präsentiert nen, die sich um die Filmkultur ver- chung des Deutschen Jugendinsti- ten - einige schon seit ihrer Grün- wird. Qualität und Vielfalt im Pro- dient gemacht haben. tuts, belegt als häufigste Freizeitak- dung in den 1970er Jahren. Neben Weiter auf Seite 30 gramm, in der Vorführtechnik und Als „Schulen des Sehens“ versu- tivität (95%) der Kinder in Deutsch- Klassikern werden aktuelle inter- KULTURELLES LEBEN politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 30

Fortsetzung von Seite 29

Schulen des Sehens merksam. Allerdings muss bei aller Euphorie bemerkt werden, dass die- ses große Engagement in den letzten Jahren durch Etatkürzungen gefähr- det ist. Aus der Vielfalt der Filmbildungs- projekte Kommunaler Kinos seien drei exemplarisch genannt: Zum La- tücht Film und Medien e.V. in Neu- brandenburg gehören eine Medien- werkstatt und das Kommunale Kino. Hier findet das Neubrandenburger Jugendmedienfest statt. Es bietet Filme, eine Multimediamesse zu Freizeit und Ausbildung sowie Mul- timedia- und Jugendvideowettbe- werbe. Weitere innovative Projekte sind der monatliche „Schulbrief“ mit Empfehlungen und „Raus aus der Haut – Filme gegen Gewalt“. Einen anderen Ansatz der Nach- wuchsförderung verfolgt das Kom- munale Kino Zebra in der Universi- Impressionen vom Bundeskongress „Die Zukunft kultureller Kinoarbeit“ Foto: Bundesverband kommunale Filmarbeit tätsstadt Konstanz mit seiner hoch- aktuellen Reihe „Junger deutscher satz zu anderen europäischen Län- mangelt es nach wie vor an der dies- zusammen mit den anderen Kino- Auf der Agenda des Verbandes für ein Film“ in Kooperation mit dem Weit- dern dieses Medium (noch) nicht bezüglichen Ausbildung. verbänden AG Kino, HDF, Cineropa Kino der Zukunft stehen darüber hi- winkel-Kino in Singen. Junge Regis- als eigenständiges Schulfach imple- Die Projekte zeigen, wie span- und dem Deutschen Verleiherver- naus eine größere Vernetzung und seure präsentieren hier Filme, die mentiert hat. Und dies, obwohl das nend Film sein kann. Deutschland band die „Kino macht Schule GbR“. die Außenvertretung durch „Bot- bereits Aufsehen erregt haben. bewegte Bild das Leitmedium des sollte sich also endlich bildungs- Die „Kino macht Schule GbR“ ist ei- schafter der Film-Kunst“. Ein Label Das vhs\\kino.plus in Dortmund 20. Jahrhunderts war und zu Beginn und kulturpolitisch als Filmnation ner der drei Gesellschafter der neu- wird diese neue Positionierung un- bietet zusammen mit dem Medien- des 21. Jahrhunderts ist. Oft ist die verstehen. Dafür macht sich der en Filmkompetenzagentur „Vision terstützen. zentrum seit Jahren als qualifizier- - außerschulisch erworbene - Medi- Bundesverband kommunale Film- Kino GmbH“. Diese wurde von den Die Zukunft hat also bereits be- te Lehrerfortbildung einen „Crash- enkompetenz der Schüler größer als arbeit stark. Kinoverbänden seit langem gefor- gonnen! Der Dialog ist eröffnet. kurs Filmdramaturgie“ an. Dieser die ihrer Lehrer. Auch wenn einzel- Um der Bedeutung der „Schulen dert und von Kulturstaatsministerin schließt eine Lücke im deutschen ne Bundesländer inzwischen in die des Sehens“ bundesweit Ausdruck Christina Weiss zur Stärkung von Die Verfasserin ist Pressereferentin Bildungssystem, das auch im 110. Lehrpläne der Sekundarstufe II die zu verleihen, gründete der Bundes- Filmbildung und Filmbewusstsein des Bundesverband kommunale Jahr der Filmgeschichte im Gegen- Filmanalyse aufgenommen haben, verband kommunale Filmarbeit initiiert. Filmarbeit Stadtkultur statt Feuilleton Servus TVA: Vom Kulturauftrag eines oberpfälzer Privatsenders • Von Andreas Kolb

Die Ausgestaltung des Kulturauftra- gibt es nur in Bayern. In 15 bayeri- len Freizeit-Themen. Aktuell berich- ges bei ARD und ZD ist nicht erst schen Städten existiert ein derartiges ten wir über die neugegründete Kin- seit der Debatte um die Erhöhung lokales Fernsehen, vergleichbar etwa derzeitung des ‚Projekts der sozialen der Rundfunkgebühren ein Thema. mit Hamburg 1 oder TV Berlin, oder Stadt’“. Dass auch ein regionaler privater auf Länderebene Rhein-Main-TV Seit einem knappen Jahr belebt TV-Kanal einen Kulturauftrag haben und TV-NRW. die öffentliche Diskussionsrunde kann, und wie er ihm gerecht wird, TVA hat 40 Mitarbeiter: 12 in der „Stadtgespräch“ in Kooperation mit davon handelt ein puk-Porträt über Redaktion, die Übrigen arbeiten in der Volkshochschule Regensburg die den Regensburger Privatsender den Bereichen Technik (=Kamera, kulturellen Debatten der Hauptstadt TVA. Sendeabwicklung und Schnitt), Ver- der Oberpfalz. In kurzer Zeit ist das waltung, Marketing und Verkauf. Der „Stadtgespräch“ nicht nur ein fester VA ist der lokale Fernsehsender Sender wurde von fünf Gesellschaf- Programmteil geworden, sondern T für die Region Regensburg, tern ins Leben gerufen: dem Verlag auch gern genutzte Plattform fürs Straubing, Kelheim und Cham – ge- Tagesanzeiger, der zur Mittelbayer- kommunale Networking geworden. sendet wird grenzübergreifend in ischen Zeitung in Regensburg zählt Erfunden hat das „Stadtgespräch“ Teilbereichen der Oberpfalz und (etwa 30 Prozent), dann die Neue Thomas Neuhoff: „Wir verfolgten Niederbayerns. TVA versteht sich in Welle Bayern, dahinter steckt der wie die Stadtspitze mit dem Thema erster Linie als Nachrichtensender. Telefonbuchverlag Müller bzw. die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Die Kernzielgruppe sind zwischen 30 Familie Oschmann (etwa 30 Pro- 2010 umging. Es wurde wie so oft am und 49, davon 54 Prozent Frauen zent), mit etwa 26 Prozent und mit Grünen Tisch geplant und die Inter- und 46 Prozent Männer. Wie alle an- zwei Unternehmen beteiligt ist das essierten waren relativ wenig einge- deren klassischen Medien tut sich Straubinger Tagblatt, bzw. die Verle- bunden. Wir dachten, es müsse ein auch TVA schwer mit den Jüngeren. gerfamilie Dr. Balle, sowie mit 11 Forum geben, wo man regelmäßig „Die kriegt man nur mit Eishockey Prozent ein Privatmann aus Strau- die Leute, die an diesem Thema in- Stadtgespräche 2010 im Januar 2005 zum Thema Wirtschaftsfaktor Kultur – und Fußball vor den Bildschirm“, so bing. Hintergrund dieser Zusam- teressiert sind, über den Stand der Kulturfaktor Wirtschaft Foto: TVA TVA-Geschäftsführer Thomas Neu- mensetzung ist die medienrechtli- Dinge informiert.“ Nach Vorgesprä- hoff. che Vorgabe durch die Bayerische chen mit Regensburgs Kulturrefe- gestrahlt wird, immer nur ein be- rentheaterspielerin aus Regensburg, Ein Fernsehsender für eine klei- Landeszentrale für Neue Medien renten Klemens Unger und nach- stimmtes Klientel aus der TVA- Zu- die Künstlergruppe um Günter Klou- ne Region, technisch erreichbar von (BLM) in München. „Verlegerfernse- dem in der VHS ein Partner gefun- schauerschaft an. Dafür entstand ein buk zum Thema Landart und Ob- 300.000 Haushalten, täglich von hen ist in Bayern durchaus gewollt“, den worden war, konnten die Mode- anderer wichtiger Effekt: Die ande- jektkunst sowie den Maler und Bild- zirka 100.000 Zuschauer gesehen: meint Neuhoff. „Für Regensburg ge- ratoren Ilka Meuffels und Martin ren Medien nehmen TVA wahr und hauer Horst Fochler. Im Juni gestal- Lokales Fernsehen in dieser Struktur sprochen ist das nicht nachteilig. Wir Lindner im Oktober 2004 zum 1. “kommen nicht um uns rum”. tet Katharina Liebl ein Porträt über können sehr frei agieren, es gibt kei- Stadtgespräch in das neue Kultur- Nochmals Neuhoff: “Uns geht es da- Moodoram, ein elektronisches Mu- ne redaktionelle Einmischung.“ haus Andreasstadel einladen. Pre- rum, als das zweite Medium neben sikprojekt aus Sinzing. TVA ist ein Privatsender, mit öf- mieren-Talkgäste waren die Schrift- der Tageszeitung wahrgenommen zu Unter dem Titel „Servus TVA“ un- fentlich-rechtlichem Auftrag. Dies stellerin Barbara Krohn, Michaela werden: ein Medium, das in der Re- ternimmt Stephanie Birnthaler ist durch die Lizenzvorgaben durch Aumüller von den Regensburger gion lebt, etwas bewegen möchte spannende und unterhaltsame Aus- die BLM vorgegeben. Dazu gehört Wirtschaftsjunioren, Reinhard Kell- und sich engagiert” flüge in Brauchtum und Kultur der auch ein Kulturauftrag: „Wir sind ner, Geschäftsführer der sozialen In- Das Thema des nächsten „Stadt- Oberpfalz und Niederbayerns. rein medienrechtlich verpflichtet“, itiativen in Regensburg, Kulturrefe- gesprächs“ sind Bürgerbegehren, Für TVA „Unterwegs“ ist Hannes so Neuhoff, „über Kommunalpolitik, rent Klemens Unger und der dama- die in Regensburg sehr beliebt ge- Ringlstetter: Er trifft Menschen, die Soziales und Kultur zu berichten. Für lige Leiter des Kulturhauptstadtbü- worden sind, um politische Ziele eine interessante Geschichte haben. diese Themen bekommen wir das ros, Wolf Peter Schnetz. durchzusetzen. Ende Juni wird es Er führt seine Gespräche etwa mit Teilnehmerentgeld, eine Förderung „Wo stehen wir, wo wollen wir darum gehen: “Alle Macht den Bür- einem Dorfschmied, oder einem durch die BLM.“ hin“ hieß dieses erste Stadtgespräch, gerinitiativen? – Was geht noch in Angler am Naabufer. Auf individuel- Kultur bei TVA, das heißt jedoch dem inzwischen vier weitere folgten, Regensburg?” le und vergnügliche Weise zeichnet nicht klassisches Feuilleton. Theater, u.a. zu den Themen Jugendkultur, Einige weitere Kultursendungen er die kulturelle Identität der Men- Oper und Konzert kommen eher sel- Wirtschaft und - nachdem Regens- auf TVA seien hier noch erwähnt: Die schen in und um Regensburg herum ten vor. „Sieht man Kultur aber als burg Anfang 2005 aus dem Bewerb Serie “Künstlerporträt” zeigt das nach. Die Künstlerporträts sind ge- Stadtkultur, dann sind wir schon bei ausgeschieden war – Ende April un- Schaffen von Künstlerinnen und fördert durch BLM, „Hannes den meisten Themen präsent“, sagt ter dem Thema „Was geschieht jetzt Künstlern der Region. Redakteurin unterwegs“ und „Servus Bayern“ Neuhoff. TVA Redakteur Martin mit den Koffern voller Ideen“. Claudia Knoblach porträtierte bis sind versponsert und beim „Stadt- Thomas Neuhoff, der Geschäftsfüh- Lindner ergänzt: „Wir sind vor Ort Zwar spricht das „Stadtgespräch“, jetzt Regina Hellwig-Schmid, Male- gespräch“ beteiligt sich die Volks- rer des Regensburger Senders. beim Bürgerfest, beim Jazzweekend, das immer einige Tage nach der Live- rin und Friedensbotschafterin aus hochschule an den Produktionskos- Foto: TVA bei Bürgerversammlungen, bei vie- Veranstaltung in ganzer Länge aus- Regensburg, Gudula Zientik, Figu- ten. BUNDESTAGSDRUCKSACHEN politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 31

Bundestagsdrucksachen

Deutscher Bundestag im Reichstagsgebäude Fotonachweis: Deutscher Bundestag

Im Folgenden wird auf Bundestags- land gewährleisten – Länderkompe- Rates über das Programm „Jugend des Rates vom 27. Juni 2002 zu dem c) Beschlussempfehlung und Bericht drucksachen mit kulturpolitischer tenzen beachten in Aktion“ (Zeitraum 2007-2013) Rahmen für die jugendpolitische Zu- des Ausschusses für die Angelegen- Relevanz hingewiesen. Berücksich- KOM (2004) 471 endg.; Ratsdok. sammenarbeit in Europa heiten der Europäischen Union tigt werden Kleine und Große Anfra- Drucksache 15/5427 (29.04.2005) 11586/04 KOM (2004) 336 endg.; Ratsdok. - zu dem Antrag der Fraktionen der gen, Anträge, Entschließungsanträ- Unterrichtung durch die Bundesre- 4. zu der Unterrichtung durch die 9183/04 SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE ge, Beschlussvorlagen, Schriftliche gierung Bundesregierung (Drucksache 15/ 8. zu der Unterrichtung durch die GRÜNEN: Stärkung der Rolle des Fragen, Mündliche Fragen sowie Stellungnahme der Bundesregierung 1153 Nr. 2.12) Bundesregierung (Drucksache 15/ Deutschen Bundestages bei der Be- Bundestagsprotokolle. Alle Drucksa- zum Bericht der unabhängigen Ex- Mitteilung der Kommission an den 4458 Nr. 2.2) gleitung, Mitgestaltung und Kon- chen können unter folgender Adres- pertenkommission „Finanzierung Rat Mitteilung der Kommission an den trolle europäischer Gesetzgebung se aus dem Internet heruntergeladen lebenslanges Lernens – Der Weg in Folgemaßnahmen zum Weißbuch Rat - zu dem Antrag der Fraktion der werden: http://dip/bundestag.de/ die Zukunft“ „Neuer Schwung für die Jugend Eu- Folgemaßnahmen zum Weißbuch FDP: Für mehr Mitsprache des parfors/parfors.htm. (Drucksache 15/3635) ropas“ – Vorschlag für gemeinsame „Neuer Schwung für die Jugend Eu- Deutschen Bundestages bei der Zielsetzungen im Bereich der Parti- ropas“: Bilanz der Maßnahmen im Rechtsetzung der Europäischen Berücksichtigt werden Drucksachen Drucksache 15/5503 (10.05.2005) zipation und Information der Ju- Rahmen der jugendpolitischen Zu- Union nach In-Kraft-Treten des Ver- zu folgenden Themen: Kleine Anfrage der Fraktion der gendlichen gemäß der Entschlie- sammenarbeit in Europa fassungsvertrags (Drucksachen 15/ CDU/CSU ßung des Rates vom 27. Juni 2002 zu KOM (2004) 694 endg.; Ratsdok. 4936, 15/4937, 15/5492) (16384 A) · Auswärtige Kulturpolitik, Ergebnisse der Pisa-Studie (2003) dem Rahmen für die jugendpoliti- 13856/04 Redner: Gerhard Schröder, Bundes- · Bildung, sche Zusammenarbeit in Europa kanzler, Dr. Angela Merkel (CDU/ · Bürgerschaftliches Engagement, Bürgerschaftliches KOM (2003) 184 endg.; Ratsdok. Künstlersozialversicherung CSU), Franz Müntefering (SPD), Dr. · Daseinsvorsorge, Engagement 8489/03 Wolfgang Gerhardt(FDP); Joseph Fi- · Erinnern und Gedenken, 5. zu der Unterrichtung durch die Drucksache 15/5476 (11.05.2005) scher, Bundesminister AA, Dr. Ed- · Europa, Drucksache 15/5416 (29.04.2005) Bundesregierung (Drucksache 15/ Antrag der Fraktion der FDP mund Stoiber, Ministerpräsident · Informationsgesellschaft, Antwort der Bundesregierung auf die 2895 Nr. 1.9) Finanzierung der Künstlersozialver- (Bayern), Hans-Christian Ströbele · Internationale Abkommen mit kleine Anfrage der Fraktion der Partizipation und Information der sicherung BÜNDINS 90/DIE GRÜNEN); Dr. kultureller Relevanz, CDU/CSU Jugendlichen Edmund Stoiber, Ministerpräsident · Kulturelle Bildung, Förderung eines freiwilligen Inter- Entschließung des Europäischen Steuerrecht (Bayern), Michael Roth (Heringen) · Kulturfinanzierung, nationalen Dienstes Parlaments zu der Mitteilung der (SPD), Dr. Gerd Müller (CDU/CSU), · Kulturförderung nach § 96 Bun- Kommission an den Rat: Drucksache 15/5406 (25.04.2005) Sabine Leutheusser-Schnarrenber- desvertriebenengesetz, Kulturelle Bildung Folgemaßnahmen zum Weißbuch Kleine Anfrage der Fraktion der FDP ger (FDP), Rainer Steenblock · Kulturpolitik allgemein, „Neuer Schwung für die Jugend Eu- Pläne zur Erhebung der Mehrwert- (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Dr. · Kulturwirtschaft, Drucksache 15/5301 (15.04.2005) ropas“ – Vorschlag für gemeinsame steuer auf Vereinsbeiträge Gesine Lötzsch (fraktionslos), Diet- · Künstlersozialversicherungs- Beschlussempfehlung und Bericht des Zielsetzungen im Bereich der Parti- mar Nietan (SPD), gesetz, Ausschusses für Familie, Senioren, zipation und Information der Ju- Bundestagsdebatten (CDU/CSU), (frak- · Medien, Frauen und Jugend (12. Ausschuss) gendlichen gemäß der Entschlie- tionslos), Axel Schäfer (Bochum) · Soziale Sicherung 1. zu der Unterrichtung durch die ßung des Rates vom 27. Juni 2002 zu Plenarprotokoll 15/175 (12.05.2005) (SPD), Dr. (CDU/ · Steuerrecht mit kultureller Rele- Bundesregierung (Drucksache 15/ dem Rahmen für die jugendpoliti- Tagesordnungspunkt 4, Europa CSU) (Erklärung nach § 31 GO), vanz, 2636 Nr. 2.13) sche Zusammenarbeit in Europa a) Abgabe einer Regierungserklä- Manfred Carstens (Emstek) (CDU/ · Stiftungsrecht, Mitteilung der Kommission an das (KOM (2003) 184 – C5-0404/2003 – rung des Bundeskanzlers zur Ratifi- CSU) (Erklärung nach § 31 GO) · Urheberrecht. Europäische Parlament gemäß Arti- 2003/2127 (INI)) zierung der europäischen Verfas- Tagesordnungspunkt 12 kel 251 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG- (EuB-EP 1083) sung: Für ein starkes und soziales a) Antrag der Fraktion der SPD und Kulturpolitik allgemein Vertrag betreffend den vom Rat an- 6. zu der Unterrichtung durch die Europa (16347 C) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: genommenen gemeinsamen Stand- Bundesregierung (Drucksache 15/ b) - Zweite Beratung und Schlussab- Kooperation von Bund und Län- Drucksache 15/5278 (14.04.2005) punkt im Hinblick auf den Erlass ei- 3403 Nr. 2.63) stimmung des von der Bundesregie- dern in der Hochschulpolitik ver- Antwort der Bundesregierung auf die ner Entscheidung des Europäischen Mitteilung der Kommission an den Rat rung eingebrachten Entwurfs eines stärken – Umsetzung des Bologna- Große Anfrage der Fraktion der FDP Parlaments und des Rates, die ein Folgemaßnahmen zum Weißbuch Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Prozesses in Deutschland be- (Drucksache 15/4208) Aktionsprogramm der Gemeinschaft „Neuer Schwung für die Jugend Eu- Oktober 2004 über eine Verfassung schleunigen (Drucksache 15/5465) Kulturfinanzierung des Bundes in festlegt, Einrichtungen zu fördern, ropas“ – Vorschlag für gemeinsame für Europa (Drucksachen 15/4900, (16484 B) Berlin die auf europäischer Ebene im Be- Zielsetzungen im Bereich der frei- 15/4939, 15/5491) (16347 D) b) Unterrichtung durch die Bundes- reich der Jugend aktiv sind (2004- willigen Aktivitäten Jugendlicher -Zweite und dritte Beratung des von regierung : Bericht zur Realisierung Drucksache 15/5495 (11.05.2005) 2006) gemäß der Entscheidung des Rates der Fraktion der SPD sowie der Frak- der Ziele des Bologna-Prozesses Entschließungsantrag der Fraktion KOM (2004) 5 endg.; Ratsdok. 5279/04 vom 27. Juni 2002 zu dem Rahmen tion des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 15/5286) (16484) der FDP 2. zu der Unterrichtung durch die für die jugendpolitische Zusammen- eingebrachten Entwurfs eines Geset- in Verbindung mit Zu der dritten Beratung des Geset- Bundesregierung (Drucksache 15/ arbeit in Europa zes über die Ausweitung und Stär- Zusatztagesordnungspunkt 7: zesentwurfs der Bundesregierung 3023 Nr. 2.24) KOM (2004) 337 endg.; Ratsdok. kung de Rechte des Bundestages und Antrag der Fraktion der CDU/CSU: (Drucksachen 15/4998 (neu), 15/ Bericht der Kommission 9182/04 des Bundesrates in Angelegenheiten Reibungslose Umsetzung der Ziele 5485) Zwischenevaluierung des Aktions- 7. zu der Unterrichtung durch die der Europäischen Union (Drucksa- des Bologna-Prozesses in Deutsch- Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung programms Jugend 2000-2006 Bundesregierung (Drucksache 15/ chen 15/4925, 15/5492) (16347 D) land gewährleisten – Länderkompe- einer „Bundesstiftung Baukultur“ (Berichtszeitraum 2000-2003) 3403 Nr. 2.64) - Zweite und dritte Beratung des von tenzen beachten (Drucksache 15/ KOM (2004) 158 endg.; Ratsdok. Mitteilung der Kommission an den Rat der Fraktion der CDU/CSU einge- 5449) (16484 C) Bildung 7213/04 Folgemaßnahmen zum Weißbuch brachten Entwurf eines Gesetzes zur Redner: Ulrich Kasparick, Parl. Staats- 3. zu der Unterrichtung durch die „Neuer Schwung für die Jugend Eu- Ausweitung der Mitwirkungsrechte sekretär BMBF, Drucksache 15/5449 (10.05.2005) Bundesregierung (Drucksache 15/ ropas“ – Vorschlag für gemeinsame des Deutschen Bundestages in An- (CDU/CSU), (BÜND- Antrag der CDU/CSU-Fraktion 3779 Nr. 1.36) Zielsetzungen im Bereich „Die Jugend gelegenheiten der Europäischen NIS 90/DIE GRÜNEN), Cornelia Pie- Reibungslose Umsetzung der Ziele Vorschlag für einen Beschluss des besser verstehen und mehr über sie Union (Drucksachen 15/4716, 15/ per (FDP), Dr. des Bologna-Prozesses in Deutsch- Europäischen Parlaments und des erfahren“ gemäß der Entschließung 5492) (16348 A) (SPD), Marion Seib (CDU/CSU) DAS LETZTE politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite 32

Zeichnung: Thomas Plaßmann

Kurz-Schluss Impressum Die auf dem Ochsen reitet

Huch: Europa geht den Bach run- Europa‘ abgedankt hat. Der deutsch- theks-Pauschale, am französischen Zeitung des Deutschen Kulturrats ter. Erst das Scheitern der Verfas- französische Motor stottert nicht Non zum verpflichtenden Englisch- sungs-Referenden in rankreich und mehr nur, er ist abgestorben“ unkt Unterricht für Grundschüler und am den Niederlanden, dann platzt auch der Zürcher Tagesanzeiger. Die Wie- deutschen Nein zur Ölfarben- und Deutscher Kulturrat noch der EU-Gipfel jämmerlich. Und ner „Presse“ nennt Namen: „Es sind Bronze-Steuer, wie sie von Italien Bundesgeschäftsstelle selbst der ehemalige Schwerge- Chausseestraße 103 die nationalen politischen Eliten, die ultimativ eingefordert wurde. Den 10115 Berlin wichts-Weltmeister im Schönreden, versagen. Jacques Chirac, Gerhard Gnadenstoß versetzte Österreich der Tel: 030/24 72 80 14, 8ax: 030/24 72 12 45 Bundeskanzler Gerhard Schröder, Schröder, : Sie sind die Gemeinschaft durch den Leitantrag, Internet: www.kulturrat.de, E-Mail: [email protected] diagnostiziert einen „herben Rück- Totengräber Europas, nicht irgend- Salzburg als Geburtsort der Kompo- schlag“ für die europäische Völker- Herausgeber welche anonymen Brüsseler Büro- nisten Beethoven, Boulez, Britten, Olaf Zimmermann und Theo Geißler Gemeinschaft. kraten.“ Haydn und Richard Wagner defini- Das „alte“ Europa hat abgedankt. tiv anzuerkennen… Redaktion Olaf Zimmermann (verantwortlich), Gabriele Schulz, Andreas Kolb inter den sieben Bergen röhrt Was ist damit bloß gemeint? Das Schön wärs, fast schon ein wenig Hdas Presse-Echo schrill den Na- kriegsunlustige Dekadenz-Zentrum edel und romantisch, im Geiste ei- Anzeigenredaktion men des Schuldigen: „Nüchtern be- im Sinne eines Donald Rumsfeld? ner Jahrhunderte lang gewachsenen Martina Wagner, Tel: 0941/945 93 35, 8ax: 0941/945 93 50 E-Mail: [email protected] trachtet, muss man wohl feststellen, Eine supranationale Wertegemein- alten europäischen Tradition. Die dass an diesem EU-Gipfel das ‚alte schaft, von der unsere Leit-Artikle- Realität hingegen ist so trivial wie ein Verlag rin, die langjährige Europaabgeord- Konto-Auszug. Die Mehrwerte-Ge- ConBrio Verlagsgesellschaft mbH Brunnstraße 23, 93053 Regensburg nete Karin Junker träumt? Von den meinschaft Europa scheitert offiziell E-Mail: [email protected] Orkneys über den Kosovo bis an den an der Finanzierung, halboffiziell an Bosporus, vom Ural bis Gibraltar? den Finanzen ihrer Bürger. Deren Herstellung Oder ist mit „alt“ die historisch-geo- Horizont endet mittlerweile, gut ge- Petra Pfaffenheuser, ConBrio Verlagsgesellschaft graphische Dimension angedacht: schult gemäß dem EU-Leitspruch Druck Vielleicht das Reich Alexanders des „Eigennutz geht vor Gemeinnutz“, Der Neue Tag Druck- und Verlagshaus GmbH, Weiden Großen, das Römische Reich, die an der Außenkante ihrer Kreditkar- Erscheinungsweise Grenzen-Losigkeiten Ludwig des te. Gefühlte Not löst Angst aus. Kon- 6 Ausgaben im Jahr XIV, Napoleons, Hitlers? sumverzicht droht. Immaterielles, Preis/Abonnement Auf jeden Fall – Wertegemein- eben Kultur und Bildung, spielen nur 3,00 Euro, im Abonnement 18,00 Euro, incl. Porto im Jahr schaft: Religion, Kultur und Bildung noch dann eine Rolle, wenn sie im Aboverwaltung/Bestellmöglichkeit: – spannte diese Dreifaltigkeit nicht Regelkreis der Profitmaximierung PressUP GmbH, Postfach 70 13 11, 22013 Hamburg seit jeher den riesengroßen existen- rechnerisch Sinn machen. So ist es Tel. 040/414 48-466 ziellen Bindebogen vom Nordpol bis nur konsequent, dass kulturelle As- [email protected] zum Mittelmeer – über alle vernach- pekte im europäischen Vereinigungs- puk ist in Bahnhofsbuchhandlungen sowie an lughäfen lässigbaren ideologischen Klüfte prozess de facto nicht berücksichtigt erhältlich. hinweg, verrückte Grenzsteine ver- wurden. Als Quittung bekommen gessen machend, die Sprachbarrie- wir jetzt das Ende des europäischen Alle Ausgaben von politik und kultur können von der Homepage des Deut- schen Kulturrates (http://www.kulturrat.de) heruntergeladen werden. ren überwindend? Wirtschaftswunder-Traumes prä- Der überwältigende europäische sentiert. Es trötet die fünfte Posau- Ebenso kann der kostenlose Newsletter des Deutschen Kulturrates Geist – jetzt ist er zerschellt. Zerbro- ne. Längst haben die Wanderheu- (2-3mal die Woche) unter http://www.kulturrat.de abonniert werden. Theo Geißler, Herausgeber der „neuen chen an der Diskussion über die Sub- schrecken den Atlantik überquert. 8ür unaufgefordert eingesandte Manuskripte und 8otos übernehmen wir musikzeitung“ und „Jazzzeitung“ ventionen für portugiesische Sinfo- Und wir üben wieder den Kanniba- keine Haftung. Alle veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich ge- sowie Mitherausgeber der puk, nieorchester, den Dauerstreit in Sa- lismus. Sicherheitshalber. Guten Ap- schützt. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Moderator der Radiomagazine Meinung des Deutschen Kulturrates e.V. wieder. „taktlos“ (BR/nmz) und „contra- chen Trickfilm-Förderung nach petit. punkt“ (BR) tschechischem Vorbild. Er ist zer- Gefördert aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur Foto: Barbara Haack borsten an der polnischen Biblio- Theo Geißler und Medien Europa Kultur Stadt

Juli – August 2005 Beilage des Deutschen Kulturrates und der Kulturstiftung des Bundes in politik und kultur Ausgabe V

Inhalt Die Diskussion um die Nachhaltigkeit von Kulturpoli- tik aus der letzten Ausgabe der Beilage Europa Kultur Stadt wird in dieser Ausgabe weitergeführt. Ging es in der letzten Ausgabe darum, in die Nachhaltigkeits- diskussion allgemein einzuführen, wird nun die Frage gestellt, wie nachhaltig können Events sein. Der Stadtplaner Klaus Selle, Universität Aachen, setzt sich mit der Frage „Stadtentwicklung durch Events“ auseinander und stellt in den Mittelpunkt seiner Be- trachtungen die EXPO in Hannover. Die Arbeit, die Wirkungen und die Nachhaltigkeit der EXPO werden auch in dem Interview mit Martin Roth, ehemals bei der EXPO Verantwortlicher für den The- menpark, heute Generaldirektor der Staatlichen Kunst- sammlungen Dresden, thematisiert. Welche Auswirkungen die Förderpolitiken der Länder, des Bundes und der Europäischen Union auf Festivals haben, problematisiert Lars Henrik Gass, Geschäftsfüh- rer der Internationalen Oberhausener Kurzfilmtage. Er geht auf den Verlust an eigenem Profil und eigenstän- diger Entwicklung durch Fördervorgaben ein. Alexander Farenholtz und Fokke Peters setzen sich mit der „Festivalitis“ auseinander und fragen nach, war- um Projektförderungen einen neuen Stellenwert in der Kulturförderung erhalten. Aus ihrer Sicht muss das Verhältnis zwischen Grundförderung und Projektför- derung neu justiert werden.

Zukunft oder No Future: Plakat zur Expo 2000 in Hannover Foto: Klaus Selle Future or No Future: Poster for the Expo-world fair 2000 in Hannover Photo: Klaus Selle Content The last „Europe Culture City“ supplement looked at the issue of sustainability in cultural policy. This edi- Stadtentwicklung durch Events? tion builds on the general concerns of the sustainabi- lity debate to consider specifically how sustainable events can be. Von Klaus Selle Urban planner Klaus Selle, Technical University of Aachen, asks how far events can actually fuel urban Weltausstellungen, Europameisterschaften, Garten- bauern, aber auch mancher Stadtpolitikern nicht Fixpunkt bieten? Lassen sich langfristige Absichten development, taking the example of Hanover’s schauen und dergleichen sind nicht mehr nur Welt- fremd. Dass dahinter vielfach die Vorstellung steht, nicht auch aus eigener Kraft formulieren und verfol- EXPO2000 as the focus for his reflections. ausstellungen, Meisterschaften, Gartenschauen… Sie diese großen Pläne und Projekte möchten, wie Burn- gen? Viele werden diese Frage mit dem Hinweis be- The EXPO’s work, effects and sustainability are also sollen mehr sein. Mehr als ein „Einmal-Ereignis“ ham anmerkt, ihre Urheber überleben, ihnen wohl auch antworten, dass es mit der „eigenen Kraft“ nicht mehr discussed in the interview with Martin Roth, formerly sportlicher oder kultureller Art, das (möglichst be- ein Denkmal setzen, wird niemand bestreiten wollen. weit her sei: Fast alle Kommunen in Deutschland, selbst EXPO theme park director and today Director General geisterte) Menschenmassen für einige Zeit an einen Auch, dass der Drang zur Größe Ursache für manche jene, die noch den Ruf wirtschaftlicher Prosperität of the Dresden State Art Collection. Veranstaltungsort lockt. Mehr auch als ein einmali- Monstrositäten und städtebaulichen Fehlentwicklun- haben, stecken tief in der Schuldenfalle. Da bleiben Lars Henrik Gass, Festival Director of the Oberhausen ger Umsatzschub für die lokale Gastronomie und gen ist, dürfte unstrittig sein. kaum Spielräume. Zugleich ergeben sich aus der wirt- International Short Film Festival, considers how the Hotellerie. Sie sollen vielmehr der Stadtentwicklung Aber es wäre verfehlt, damit schon jede Orientierung schaftlichen Entwicklung nur noch selten positive European Union, federal and Länder level funding po- dienen, Impulse geben und nachhaltig Wirkung ent- an weit gesteckten Zielen als kritikwürdig anzusehen. Impulse, die man aufgreifen könnte. licy impacts festivals, pointing particularly to the way falten – auf dass nach dem Ereignis mehr bleibe als Vielmehr dürfte zutreffen, was jüngst der Planungs- Es fehlt also unter Alltagsbedingungen an öffentli- funding requirements erode independent development Aufräumarbeit und Müllbeseitigung. dezernent einer Stadt bemerkte, die zu dem Zeitpunkt chen wie privaten Mitteln, um größere Vorhaben an- and individual festival profile. noch Hoffnungen auf Olympia hatte: „Wenn Sie sich zugehen. Zugleich aber geraten die Kommunen und Alexander Farenholtz and Fokke Peters look at con- Als in den 80er Jahren Berlin nach olympischen Ehren kommunal keine großen Ziele setzen, kommt es auch Regionen in immer stärkere Konkurrenzen unterein- cerns around „Festivalitis“, asking why project pro- strebte und in Hannover die Planung einer Weltaus- in den kleinen Dingen nicht richtig voran“. ander: Wer im Kampf um Restwachstumspotenziale motion has been ascribed a new status within cultu- stellung in Fahrt kam, wurde die Stadtforschung auf Aber, so bleibt zu fragen, warum muss Olympia, müs- nicht mithalten kann, fällt – so die Angst –zurück und ral funding. They present the case for re-aligning the dieses Phänomen aufmerksam. Es entstand der Be- sen Kulturhauptstadt, Meisterschaft oder Weltausstel- in die Bedeutungslosigkeit. relationship between project subsidies and a basic griff „Festivalisierung“ als Kennzeichnung für eine lung für die großen Ziele der herhalten, ihnen einen Weiter auf Seite II provision of funding. Stadtpolitik, die auf besondere Ereignisse ausgerich- tet wird. Heute ist eine solche Ausrichtung vielerorts zu beob- achten: Getragen von Hoffnungen auf den großen Urban Development Fuelled by Big Events? Sprung nach vorn dienen sich Städte und Regionen by Klaus Selle als Veranstaltungsorte für „big events“ an, konkurrie- ren Kommunen um den Ehrentitel einer „Kulturhaupt- World’s Fairs, European Soccer Championships, Gar- This is not the place to provide detailed answers to stadt“, werden für die nächsten Jahre von der Lausitz den Shows and similar occasions are no longer me- these questions. But it is possible to outline certain bis an die Elbe Internationale Bauausstellungen vor- rely World’s Fairs, European Soccer Championships, aspects of the experience gained over recent years, and and Garden Shows … They are supposed to be more. this may offer an impulse in further debate on an ur- bereitet. More than a sporting or cultural„once-only event“ ban development fuelled by big events. Wie ist dieser Drang zu den großen Ereignissen zu er- drawing (preferably enthusiastic) crowds of people klären? Sind die an sie geknüpften Hoffnungen be- to an event location for a period of time. And more Why? rechtigt? Und wie steht es mit den Risiken, die unbe- than just a one-off financial shot in the arm for Major plans and projects are not a new topic in urban zweifelbar der Festivalisierung und den großen Pro- local cafés, restaurants and hotels. Instead, they are planning. On the contrary, they recur throughout the jekten innewohnen? supposed to promote urban development, generate entire history of modern urban planning: „ Make no Umfassende Antworten auf diese Fragen können impulses and produce a sustainable impact – so that little plans; they have no magic to stir men’s blood and the event leaves more behind than just clean up and probably will themselves not be realized. Make big hier nicht gegeben werden. Aber einige Erfahrun- rubbish disposal operations. plans; aim high in hope and work…“. This dream of gen der letzten Jahre lassen sich doch benennen, playing for high stakes and winning dates from 1900, die als Anregung für die weitere Diskussion um Urban research first began to notice this phenomenon a quote from US architect Daniel Burnham – and it Stadtentwicklung durch Große Ereignisse dienen when, in the 1980s, Berlin was striving to secure the was, and is, a familiar dream, not only to architects können: Olympic city nomination and planning got underway and urban planners but many urban policy makers too. for a World’s Fair in Hanover. The term „festivalisation“ And no-one would want to argue that the underlying was coined to describe an urban policy structured drive to grandiose plans and projects is frequently, as Warum? around special events. Burnham noted, nothing more than a desire to create Nowadays, this trend can be found in many places: ci- a kind of memorial, a work outlasting the lifetime of Große Pläne und Projekte sind keine neuen Themen ties and regions, hoping to kick-start a major leap for- its creator. And no-one would deny this urge for big- der Stadtplanung. Sie durchziehen vielmehr die gan- wards, act as „big event“ locations - and as local au- scale planning has led to a number of monstrosities ze moderne Stadtbaugeschichte: „Man soll keine klei- thorities compete to gain the coveted title of „Capital and urban aberrations. nen Pläne machen. Sie holen niemanden hinter dem of Culture “, International Building Exhibitions are plan- Yet, nonetheless, it would be a mistake to conclude Zu den Bildern: About the photographs: Ofen hervor. Man muss große Pläne machen, sich hohe ned from the Lausitz to the River Elbe. that taking distant goals as an object of one’s efforts Die Fotos zur Expo 2000 The pictures of the Expo Ziele stecken und hoffnungsvoll ans Werk gehen…“. But how can this drive to major events be explained? always has to be censured. Perhaps the recent com- auf den Seiten I, II, IV, VII 2000 on the pages I, II, IV, Dieser Traum vom großen Wurf, hier um 1900 in Worte Are the hopes linked to them justified? And what about ments made by a planning department, then still ho- und VII uns III sind von VII and VIII are by Klaus gefasst von dem amerikanischen Architekten Daniel the risks, undoubtedly an inherent part of festivalisa- peful of winning the Olympic nomination, are more Klaus Selle. Selle. tion and major projects? Continued on page II Burnham, war und ist den Architekten und Städte- Europa Kultur Stadt politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite II

Fortsetzung von Seite I

Stadtentwicklung

Also gilt es auf die eigene Bedeutung hinzuweisen: Me- dienpräsenz, Bekanntheit und Imagewirkung könnten – so die Hoffnung – Anleger, Investoren, Kunden aufmerk- sam machen und Kapital in die Stadt lenken. Helfen soll dabei das „Große Ereignis“. Und je größer es ist, umso weiter reicht möglicherweise seine Strahlkraft. Bedeutung gewinnen kann man möglicherweise auch beim Wettbewerb um öffentliche Fördergelder: Ist ein Ereignis von (inter-)nationaler Bedeutung einmal ein- geworben, werden Bund und Länder Interesse daran haben, dass ihnen dies auch zur Ehre gereicht. Wenn dazu Straßen und U-Bahnen gebaut, Stadien moder- nisiert oder Messegelände erweitert werden müssen, so das nicht immer unberechtigte Kalkül, wird die Hilfe nicht ausbleiben. Und es gibt noch ein drittes Feld, in dem Aufmerksam- keit erzeugt werden soll: In Stadt und Region selbst gilt es, Signale zu setzen, Aufbruchstimmung zu erzeugen und Kräfte auf einen Punkt hin zu mobilisieren. Gelingt es, diesen „Kick“ auszulösen, dann werden möglicherweise Sonderbedingungen geschaffen, dann werden private und öffentliche Ressourcen in Gang gesetzt, mit deren Hilfe Projekte in Angriff genom- men werden können, die unter Alltagsbedingungen kaum eine Chance gehabt hätten. Im besten Fall werden auf diese Weise nicht nur Bau- ten entstehen, sondern auch Impulse für die weitere Stadtentwicklung ausgelöst. So könnte aus einem großen Ereignis eine Modernisierungsstrategie wer- den, von der sich Städte und Regionen den großen Sprung nach vorn erhoffen: „Vorwärts nach weit“, hieß es dazu in Hannover. Und: „Die Expo bringt Zukunft“. Expo macht müde: rastende Besucher auf der Freitreppe Foto:Klaus Selle Exhausting Expo: resting visitors on the Stepps. Photo: Klaus Selle Nimmt man diesen Fall als Beispiel wird aber deut- lich, dass nicht alle Hoffnungen und Wünsche, die an schätzungen, auf denen die Beschlüsse über die Expo gibt und deren Gegner zu schwach sind, um Berech- einbart – die Kommunen und Regionen sind nur Ver- die „Festivalisierung“ der Stadtpolitik geknüpft wer- fußten: Stets war, gestützt durch überzeugende Gut- nungen und Begründungen bereits im Entscheidungs- anstaltungsorte, deren Einfluss kaum über die Bewer- den, in Erfüllung gehen: Dass der Standort an Bekannt- achten, von einer „schwarzen Null“ die Rede. vorfeld wirkungsvoll in Zweifel ziehen zu können. Eben bungsphase hinaus reicht. Im Falle Hannovers fand heit gewonnen hätte, ist nicht zu erkennen. Und dass Das zeigt: Eine Politik der „Festivalisierung“ birgt Ri- dieses Kräfteverhältnis ist im Falle von Großereignis- dies unter anderem darin seinen Ausdruck, dass alle nachhaltige wirtschaftliche Impulse für die Region siken und Nebenwirkungen, auf die kein Beipackzet- sen oft vorzufinden: Das „big event“ wird als alterna- kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften erzielt wurden, lässt sich ebenfalls nicht nachweisen. tel hinweist. Finanzielle Unwägbarkeiten gehören dazu. tivlose Chance gesehen. Alle meinungsbildenden ge- zusammen nur über 10% der Stimmen in den Ent- Selbst die wirtschaftliche Nachnutzung eines Teils des Dabei geht es nicht nur um Löcher in öffentlichen sellschaftlichen Kräfte – Parteien, Unternehmen, Me- scheidungsgremien der Expo verfügten. Bei Olympia- Expo-Geländes lässt, fünf Jahre nach dem Ende des Kassen, die eher gerissen denn gestopft werden. An- dien –unterstützen das Vorhaben. Kritik wird in ei- den, Welt- und Europameisterschaften etc. ist das Events, noch immer zu wünschen übrig. Immerhin aber gesprochen ist vielmehr auch der politische Umgang nem solchen Klima als Beschädigung der Zukunft von nicht gänzlich unähnlich. gelang es, öffentliche und private Mittel – von Bund, mit diesen Risiken. In unseren Befragungen nach der Stadt und Region angesehen. Damit fallen zugleich Aber selbst wenn die formalen Rahmenbedingungen Land, Unternehmen und Sponsoren – zu mobilisieren Weltausstellung hieß es zum Beispiel: „Alle Insider viele der „checks and balances“, die für das Funktio- nicht ganz so ungünstig sind, birgt jedes große Pro- und so einige städtebauliche Projekte in Gang zu set- wussten, dass das Unsinn war mit der Schwarzen Null“. nieren einer Demokratie wesentlich sind, aus – was jekt das Problem der Sach- und Zeitzwänge in sich. zen: Plätze wurden umgestaltet, Parks entstanden und Solche Aussagen wird man bei vielen großen Projek- Fehlentwicklungen jeglicher Art Tür und Tor öffnet. Einmal begonnen ist sehr schnell der Punkt erreicht, ein neuer Stadtteil entstand. Als ganz wesentlicher ten im Nachhinein hören können. Es ist fast immer Eine Politik der Großen Ereignisse kann also insbeson- wo eine Umkehr nicht mehr möglich ist. Solche Zwänge Erfolg wird von allen Beteiligten unisono die Moder- der gleiche Vorgang: Die Anfangszahlen werden so dere für die politische Kultur erhebliche Risiken ber- kosten Geld, weil das Projekt zu diesem Zeitpunkt im nisierung des Messegeländes und der ihr zugeordne- „geschönt“, dass ein Konsens zum In-Gang-Setzen des gen. Ein zweites Beispiel: „Festivalisierungen“ führen Wortsinn „um jeden Preis“ fertig werden muss. Sie ten Infrastruktur bezeichnet. Ob alles dies den Auf- Projektes möglich wird. Ist dann der „point of no re- nicht selten zu einer Selbstentmachtung der Kommu- erzeugen inhaltliche Mängel, weil Ideen nicht reifen, wand einer Weltausstellung rechtfertigt, bleibt turn“ erreicht, steigen die Kosten oder Defizite. In einer nen und ihrer politischen Gremien. Das mag zunächst Korrekturen und Lernprozesse nicht möglich sind. Und allerdings eine offene Frage. dänischen Untersuchung, die dieses Grundmuster an- irritieren, denn der Pakt mit dem großen Ereignis soll sie führen zu Kontroll-, Legitimations- und Partizipa- hand vieler Projekte bestätigte, wurde die Frage ge- doch, wie eingangs erwähnt, zur Rückgewinnung von tionsdefizite, weil die Prozeduren lokaler Demokratie Warum nicht? stellt, ob es sich hier um „Fehler oder Lügen“ handele. Gestaltungsmacht beitragen. Tatsächlich vermögen sie mit der Eigendynamik solcher Projektentwicklungen Die Antwort lautete: Die systematische Fehleinschät- Bewegung zu erzeugen und Veränderungen in Gang nicht Schritt halten können. Verweilen wir noch kurz bei der Expo: Als sie im Herbst zung der Kosten und wirtschaftlichen Risiken müsse zu setzen. Diese entziehen sich aber vielfach der lo- Dieses problematischen Wirkungen der „big events“ 2000 die Tore schloss, blieb ein operativer Verlust von wohl als „strategische Verfälschung“ gedeutet werden. kalen Einflussnahme und Kontrolle. Eine Weltausstel- sind vielfach beschrieben worden: Im Zusammenhang mehr als 1 Milliarde Euro (genau 2,321 Mrd. DM) zu- Politisch möglich wird ein solcher Umgang mit den lung ist da ein extremes Beispiel: Sie wird auf Grund mit der Weltausstellungsplanung wurde etwa vom rück. Das widersprach sehr eindrücklich den Kosten- Zahlen, wenn es starke Interessen an den Vorhaben völkerrechtlicher Regelungen zwischen Staaten ver- Weiter auf Seite III

Continued from page I Urban Development Fuelled by Big Events

appropriate: “If you don’t set yourself big goals on the hibition grounds extended, the belief is – not entirely wi- bn). The figure stands in crass contrast to the basis are disabled – opening the door to all manner of mis- local authority level, you’ll never really make progress thout foundation – the requisite help will be forthcoming. used for EXPO decision-making - cost estimates con- guided developments. in little things either “. And there is still a third attention generating area: Ci- stantly talking of a “zero in the black“ and citing con- Hence, a „big event“ policy can harbour significant risks, But the question remains, why does a nomination as ties and regions are called on to send out clear signals, vincing expert reports in support. especially for the culture of politics. To take a second the Olympic city or Cultural Capital, or as a Soccer create a general feeling of an exciting new departure, Which only goes to show how a “festivalisation“ policy example: „festivalisation“ often leads to the self-disem- Championship or World’s Fair location have to stand and mobilise and effectively focus available energies. harbours risks and side-effects not mentioned in any powerment of local authorities and their policy bodies. proxy for a city’s grand aims and provide some kind of If they succeed in triggering this „spark“, it may well of the small print. And financial imponderables are a This may sound rather strange since instigating a big orientation? Can’t a city evolve its own long-term as- result in preferential conditions, leading to private and part of the package. The financial problems are not li- event is surely supposed to play a role in regenerating pirations and pursue them under its own steam? public sector resources being set free to initiate projects mited to draining the public coffers, first siphoning scope for formative action, as mentioned above. It may The most common reply is that a city will not get too that, under normal circumstances, would hardly have funds off and then replacing them again. Instead, here, indeed be capable of initiating movement and stimu- far today by relying on „its own steam“: almost all lo- stood a chance of being realised. we are addressing an issue that is also more related to lating changes – but these lie, more often than not, cal authorities in Germany, even those reputedly still In the best case scenario, such a development will not the political approach adopted to cope with these risks. outside the sphere of local authority influence and con- enjoying economic prosperity, are deeply entangled in only create buildings but also release impulses furthe- For example, during our interviews after the EXPO, we trol. Here, a World’s Fair offers an extreme example – a debt trap – and that hardly leaves them any room for ring urban development. In this way, a big event could were told: “All the insiders knew the whole thing with international law provides for such events to be agreed manoeuvre. Simultaneously, economic development result in a modernisation strategy that cities and regi- a „zero in the black“ was just a load of nonsense“. After between states, with the local authorities and regions rarely generates positive impulses able to offer a basis ons could use as a springboard to the future. As the the event, such kinds of statements are commonly made reduced to locations whose influence hardly extends for the future. EXPO2000 put it: „The future is coming“. about many big projects. The procedure is almost al- beyond the application phase. This can be seen in Consequently, under normal conditions, the public and But if we take Hanover’s EXPO2000 as an example, it be- ways the same. The initial figures are “adjusted“ so as Hanover’s case, not least in the fact that all local au- private sector funds needed to finance large schemes comes obvious that not all the hopes and aspirations linked to facilitate consensus on kick-starting the project. thority and regional bodies together only constituted are lacking. At the same time, though, local authori- to „festivalising“ urban policy are fulfilled. There is no evi- Once the “point of no return“ has been reached, the 10% of the total votes in the EXPO2000 decision-ma- ties and regions are steadily finding themselves com- dence the location has actually become better known and costs or the losses increase. A Danish study, which king committees. The story is not entirely different when peting ever more fiercely against each other. Anyone no findings to confirm the event produced sustainable confirms this basic pattern from its research into a we turn to the Olympics, the World Cup or European unable to keep up in the struggle to secure residual economic impulses for the region. Five years after the EXPO, range of projects, asked whether this was a case of Championships, etc. potential for growth falls back – at least, that’s the even the subsequent industrial use of some of the site has “mistakes or lies“. The answer was that such syste- But even if the formal framework itself is not quite so fear – into insignificance. not yet met expectations. However, on the other hand, it matic miscalculations on costing and economic risks unfavourable, every big project inherently harbours the And so it’s crucial to highlight one’s own importance: did prove possible to mobilise public and private sector have to be seen as “strategic falsification “. problem of material and time constraints. And once media presence, profiling and image building can – at funds – from the federal and Land sources, from sponsors Trimming the figures in this way may be politically fea- the project is started, the point of no return is soon least, that’s the hope – attract the attention of inves- and companies –and, in this way, initiate some urban de- sible where there are strong interests involved in the reached. Such pressures cost money because, at that tors, clients and customers, and channel capital into velopment projects: squares were redesigned, parks crea- project and their opponents are already too weak, in point in time, the project literally has to be completed the city. The „big event“ is reputedly a help in this pro- ted and a new city district built. All those involved were the run-up to the decision-making process itself, to „at any price “. These pressures produce deficits in the cess. And the bigger it is, the brighter its radiance, and unanimous in calling the modernisation of the fairs and effectively cast doubt on either the calculations or the project content because ideas cannot mature and lear- the further away it can be seen. exhibitions grounds and its related infrastructure a no- logic of the case. And this describes precisely the ba- ning and readjustment processes are impossible. And Competing for public sector funds may also enable a table success. Yet whether this all justified the outlay re- lance of power often found in the run-up to big events because local democratic procedures cannot keep pace city or region to hike itself up the significance scale: if quired to host the EXPO remains an open question. – it is seen as a chance with no alternative. The social with the inner dynamic driving such developments, the it manages to obtain an (inter-)nationally significant forces shaping opinion – parties, industry, and media – pressures and constraints lead to a lack of control, le- event, both the federal and Land level would be inte- Why not? all support the project. In this kind of climate, criticism gitimation and participation. rested in ensuring sufficient funds are available to stage Let’s stay with the EXPO for a moment. When the gates is viewed as damaging to the city and region’s future. The nature of the problems arising from „big events“ the event with honour. If streets and subways need to closed in autumn 2000, they shut on an operative loss of Hence, at the same time, many of the “checks and ba- have often been described. During the World’s Fair plan- be constructed, stadiums modernised or fairs and ex- more than 1 billion Euros (or, to be precise, DM 2.321 lances“ essential to ensure a functioning democracy Continued on page III Europa Kultur Stadt politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite III

Fortsetzung von Seite II Beitrag zur Zukunftsgestaltung nutzen will, muss sehr Elefanten gesprochen, der – einmal in Gang gesetzt – genau wissen, wohin der Weg führt, in der Lage sein, Continued from page II durch nichts mehr aufzuhalten ist. Andere sprechen eigene Ziele einzubringen – und die Grenzen der „big ning phase, the image commonly used was of an ele- put in shaping the future has to know exactly which vom Problem, Tiger zu reiten oder auf feurigen Mus- events“ kennen. phant that once moving can no longer be stopped, alt- road they are taking and be in a position to integrate tangs im Sattel zu bleiben. Wer sich auf Festivalisie- Großereignisse zum Mittel von Politik zu machen heißt hough people also spoke of riding tigers or staying in their own goals into it – and recognise the limits „big the saddle on wild, bucking mustangs. In other words, events“ have. rungen einlässt, hat also mit Eigensinn und Wider- aber auch, sie kontrollierbar zu halten, Transparenz her- anyone prepared to travel down the road of festivali- But making big events a policy tool also means kee- borstigkeit zu rechnen. Oft wird nur schwer entscheid- zustellen und klare Verantwortlichkeiten zu schaffen. sation must be prepared to cope with obstinacy and ping them controllable, creating transparency and es- bar sein, wer da wen vorwärts zerrt. Und ohne blaue Das alles klingt selbstverständlich und stellt doch eine recalcitrance. It will often be hard to decide who is tablishing clear lines of responsibility. Flecken und wo möglich schlimmere Blessuren geht große Herausforderung dar. dragging who forwards. And it is an impossible route It all sounds so self-evident – and yet it represents a es wohl auch nicht. to travel without receiving bruises and, quite probably, major challenge. Der Verfasser ist Inhaber des Lehrstuhls für Pla- more serious wounds. nungstheorie und Stadtplanung an der Architek- The author holds the Chair of Planning Theory and Und wenn doch? And if they do? Urban Planning at the Department of Architecture turfakultät der RWTH Aachen. Die Überlegungen Cities and regions will not let themselves be put off a of the Technical University of Aachen. These consi- Die unbezweifelbaren Probleme einer Politik, die sich zu den Großen Ereignissen in der Stadtpolitik sind big events policy by the indubitable problems it crea- derations on big projects in urban planning are ta- an große Ereignisse bindet, werden Städte und Regio- seinem neuesten Buch (Planen, Steuern, Entwickeln tes. What advice, then, can they be given if they are ken from his latest book (Planen, Steuern, Entwi- nen nicht davon abhalten. Was also ist denen zu ra- – über den Beitrag öffentlicher Akteure zur Ent- determined to seek salvation in a big event? To con- ckeln - über den Beitrag öffentlicher Akteure zur ten, die aufs Neue in einem großen Ereignis ihr Heil wicklung von Stadt und Land) entnommen, das clude, I would like to make two points: Big events do Entwicklung von Stadt und Land) available from the suchen? Zwei Folgerungen zum Schluss: über den Dortmunder Vertrieb für Bau- und Pla- not „automatically “ lead to desirable results for a city Dortmunder Vertrieb für Bau- und Planungsliteratur Großereignisse bewirken nicht „aus sich heraus“ das nungsliteratur (www. dortmunder-vertrieb.de) zu and region. Anyone intending to utilise them as an in- (www.dortmunder-vertrieb.de). für Stadt und Region Wünschenswerte. Wer sie als beziehen ist. Nachhaltigkeit in der Kultur Interview mit Martin Roth, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden

Mit der Beilage StadtKulturEuropa in der Ausgabe „Nachhaltigkeit“ bedeutet von den Zinsen leben, nicht Mai/Juni 2005 mischte sich die puk ein in die Dis- das Grundkapital anfassen. Im realen wie im übertra- kussion um die Nachhaltigkeit in der Kultur. Es ist genen Sinne. Aber zurück zu Ihrer Frage: Ich hatte kein Zufall, dass Kulturpolitiker in Zeiten, wo die bisher das Glück, auch bei relativ schwierigen Aufga- Mittel knapp werden, auch dieses Prinzip der Nach- ben nicht versagt zu haben. Mein EXPO-Team hat für haltigkeit für die Kultur fordern. Für politik und den Themenpark und die Weltweiten Projekte nicht kultur unterhielt sich Andreas Kolb mit Martin Roth, nur viel Lob dafür bekommen, dass wir für seriöse In- dem Generaldirektor der Staatlichen Kunstsamm- halte und eine qualitätsvolle Umsetzung gekämpft lungen Dresden und ehemaligen Leiter der EXPO- haben, sondern auch noch über 75 Millionen Euro ein- Weltausstellung in Hannover. geworben haben. Das war großer Erfolg, der nie an die große Glocke gehängt wurde. Meine Aufgabe war politik und kultur: Ist das Schlagwort Nachhaltigkeit die Konzeption und Organisation der Gesamtstruktur. nicht eine schöne Umschreibung für das Wort Spar- Als Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlun- maßnahme? gen habe ich die ehrenvolle Aufgabe, eine bestehende Martin Roth: Das Thema Nachhaltigkeit ist zu kom- Organisation zu stabilisieren und sie behutsam zu- plex, um es schlichtweg mit Sparmaßnahmen zu über- kunftsfähig zu gestalten, notwendige Reformierungs- setzen. Heute passiert es sehr oft, dass man, wenn prozesse in einer Institution, die 2010 450 Jahre alt man nicht mehr weiter weiß, sagt, es sei ein nachhal- wird. tiges Konzept und deshalb planen wir mal vornherein puk: Meistens beziehen Museen ihre Attraktivität längerfristig oder wir teilen uns das mit anderen oder durch ihre Dauerausstellungen und nicht durch das Ähnliches. Das ist aber nicht Nachhaltigkeit. Nach- einmalige Event oder durch punktuelle Themenaus- haltigkeit bedeutet unter Umständen sogar höhere stellungen. Wie ist das in Dresden? Investitionen unter dem Aspekt, dass man dann län- Roth: Wenn Sie Museumsstatistiken anschauen, dann gerfristig mit dem Ertrag arbeiten kann, den man erreicht man mit Sonderausstellungen die Besucher- dadurch gewinnt. Das hat mit radikalen Sparmaß- massen, aber dies gelingt besonders dort gut, wo ein nahmen überhaupt gar nichts zu tun. erfolgreiches Museum dahinter steht. Dies gilt auch puk: Nimmt man zum Beispiel Barcelona und die für Dresden. Mit dem Neuen Grünen Gewölbe haben Olympiade, so kann man feststellen, dass zehn Mal so wir in 9 Monaten die unbeschreibliche Zahl von einer viel Touristen als vorher in diese Region strömen. Sol- halben Millionen Besucher im Residenzschloss begrü- che Effekte gehören auch zur Nachhaltigkeit. Gibt es ßen dürfen. Erfolgreicher geht es nicht. Gleichzeitig im Bezug auf die EXPO dahingehend entsprechende haben wir im Albertinum durch die Leihgaben von Zahlen? Gerhard Richter und neuerdings durch „18.Oktober Roth: Sie reden von langfristigen Wirkungen und von 1977“ aus dem MoMA eine erfolgreiche Sonderaus- sinnvoller Nachnutzung, Nachhaltigkeit ist aber et- stellung, die aber ein ganz anderes Publikum anzieht. was ganz anderes. Wenn Sie mich auf das Nachnut- Die Vielseitigkeit der Dresdner Sammlungen ist Be- zungszenario von Hannover in Bezug auf die EXPO standteil des Erfolgsrezeptes. ansprechen, dann ist dies sicherlich nicht besonders puk: Regelkreise aufbauen, wirtschaftliches Denken bahnbrechend: Eine Vergrößerung der Messe, ICE und stärken. Ist das Nachhaltigkeit? dreispurige Autobahn und eine Uhr in der Innenstadt, Roth: Einen gewissen Nachholbedarf im Kulturbereich die die Tage nach der EXPO aufzeigt...aber das haben in Sachen Wirtschaftlichkeit haben wir allemal. Aber Sie sicherlich nicht mit Ihrer Frage gemeint. diese Wirtschaftlichkeitsdebatte sollte nicht ohne puk: Die EXPO in Hannover und die Staatliche Kunst- gleichzeitigen Qualitätsanspruch geführt werden: Ef- sammlung in Dresden, das sind das zwei Gegenpole in fizienter und qualitätsvoller arbeiten, dies wäre eine der Kulturarbeit. In Hannover ging es um die Welt- Devise die Politik, Wirtschaft und Kultur verbinden ausstellung, in Dresden um Kunst. Was ist das Nach- sollte. Hier kann nun in der Tat die Nachhaltigkeit eine haltige Ihrer Tätigkeit in Dresden? Rolle spielen, wobei es sicherlich einer traditionsrei- Roth: Nochmal: Sie besetzen den Begriff „Nachhal- chen Institution, wie den Museen in Sachsen, leichter tigkeit“ falsch. Sie meinen „effiziente (Nach-)Nutzung“. fällt von den „Zinsen“ zu leben, als den vielen politi- schen Museumsgründungen der letzten Jahrzehnte. Aber die Hausaufgaben müssen durchaus auch von Blick in die Gemäldegalerie Alte Meister der Staatlichen View of the picture gallery Old Masters from the State Art den Museumskollegen gemacht werden, denn lange Kunstssammlungen Dresden Foto: Hans-Peter Klut Collection Dresden Photo: Hans-Peter Klut Zeit bestand nicht die Not darüber nachzudenken, was Wirtschaftlichkeit wirklich bedeutet. Bis heute gibt es West-Unterschied? Verwaltungsmodelle, sofern sie staatsgelenkt sind, Vorbehalte gegen strategische Allianzen zwischen Roth: Aufgrund der Tatsache, dass die Bevölkerung kaum in der Lage die Elemente der Nachhaltigkeit in verschiedenen Museumspartnern, gegen gemeinsame im östlichen Teil Deutschlands in den letzten 15 Jah- den Arbeitskanon aufzunehmen. Nachhaltigkeit be- Ankäufe, gemeinsamen Restaurierungswerkstätten, ren unendlich viel an neuer Lebenspraxis lernen muss- nötigt einen großen Anteil von Eigenverantwortung, Vermarktung etc. Was in der Wirtschaft längst Gang ten, ob sie wollten oder nicht, besteht generell eine nur wer selbstverantwortlich handeln kann, kann auch und Gäbe ist, ist bei der Kultur noch Neuland. Wenn viel größere Offenheit für neue Modelle und für Ex- langfristig und nachhaltig planen. Als Beispiel möch- es um unsere Bedeutung geht, vergleichen wir uns perimente. te ich gerne die bereits erwähnten joint ventures an- gerne mit den Multis, wenn es um unsere Organisati- Dies ist aber nicht gleichbedeutend für die Politik, führen, die basieren auf entscheidungsfreudiger All- on und Wirtschaftlichkeit geht ziehen wir uns doch denn in Sachsen legt die Regierung immer noch sehr tagsarbeit und nicht auf komplizierten ministeriellen lieber auf die Bedeutung einer Volkshochschule zu- viel Wert darauf, dass die Kultur vom Finanzminis- Abstimmungsprozessen. rück. So habe ich beispielsweise die Aufregung um terium aus reguliert wird. Die Kultur in Sachsen könn- puk: Eigentlich sagen Sie ja, quantitatives Wachstum Max Hollein nicht verstanden. Warum soll nicht ein te deutlich noch mehr an Reputation gewinnen und muss in qualitatives umgewandelt werden, auch im fähiger Museumsdirektor 3 Museen leiten können? Von auch wirtschaftlich verdienen, wenn mehr unterneh- kulturellen Bereich. einem CEO eines global agierenden Unternehmens merisch gedacht würde, der Staat nicht hineinregie- Roth: Exakt formuliert! erwartet man, dass er Zehntausenden vorstehen kann, ren würde. puk: Dresden besitzt gewachsene traditionelle Kultur weshalb nicht einige Hundert in einem Museumskom- puk: Ist die Nachhaltigkeitsdebatte für Sie, der für und setzt auf neuartige Projekte wie das Europäische plex? Ich finde das Generaldirektoren-Modell in Zei- die Kunst steht, ein neues Mittel, mit dem man der Zentrum der Künste Hellerau. Sie sagen aber, da wird ten geringer Subvention durchaus sinnvoll, weil ein Politik gegenüber argumentieren kann, oder ist es et- gebremst von Seiten des Staates, also des Geldgebers. Generaldirektor das Synergie-Prinzip verantworten was, was Ihnen aufgezwängt wird, zum Beispiel als Roth: Unsere Sammlungen haben den Status eines und gleichzeitig auf die Qualität der Institutionen Spardruck oder als ‚Dreinreden‘. Landesmuseum, auch wenn die Sammlungen sicherlich achten muss. Das mag dann tatsächlich mit Nachhal- Roth: Weder das eine, noch das andere. A) spielt die von europäischem Rang sind. Mir fällt es schwer, un- Prof. Dr. Martin Roth, Gene- Prof. Dr. Martin Roth, Gene- tigkeit in des Wortes ursprünglichster Bedeutung zu Nachhaltigkeitsdebatte in der Kultur kaum eine Rolle, sere Museen nur auf Dresden zu beziehen. Aber selbst- raldirektor der Staatlichen ral Director of the Staatliche tun haben. außerdem kennt sich kaum jemand mit dem Prinzip verständlich haben die sächsischen Städte ein einzig- Kunstsammlungen Dresden Kunstsammlungen Dresden puk: Gibt es bei nachhaltigen Konzepten einen Ost- des nachhaltigen Wirtschaftens aus. Und B) sind die Fortsetzung auf Seite IV Europa Kultur Stadt politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite IV

Fortsetzung von Seite III

Nachhaltigkeit in der Kultur artiges Potential. Egal ob wir über Musik, Kirchenge- schichte, die Moderne oder die Gegenwartskunst re- den. Dieses Spannungsfeld zwischen Gegenwart und Geschichte ist konkurrenzlos, wir reden über Have- kost und Scheybitz, wir reden über die Leipziger Schule, aber wir bereiten auch das 450 jährige Jubiläum der Dresdner Sammlungen vor und zählen somit weltweit zu den ältesten und bedeutendsten Museen. Wenn Sie polit-geografisch auf Dresden schauen, dann sind Sie schneller in Prag als in Berlin und demnächst ist auch Breslau nur noch ein Katzensprung und auch Krakau keine Entfernung mehr. Wenn die Politik an- fangen würde, noch mehr auf die Bedeutung der Kul- tur zu setzen, zu investieren – durchaus unter den nachhaltigen Gesichtspunkten, dann wäre, dan wird Dresden unschlagbar. puk: Wenn Sie sagen: 450 Jahre Bestehen der staat- lichen Sammlungen, des Museums, dann ist das ja der Beweis, dass es nachhaltige Kultur in Dresden gibt. Roth: Allerdings! Kultur ist sicherlich das beständige Element in der wechselvollen und auch tragischen Geschichte Dresdens. Aber Dresden hat stets von der Nachhaltigkeit der kulturellen Entwicklung gelebt. Durs Grünbein erwähnte kürzlich in einem persönli- chen Gespräch, dass derzeit Dresden fast zu klein für den bedeutenden Museumskomplex geworden ist. Wiederum ein Zeichen dafür, dass sich Dresden mit Hilfe der Kultur immer wieder selbst aufgerichtet hat -auch in schwierigen Zeiten. Und anders formuliert: Was wäre Deutschland, was wäre Nationalkultur ohne Dresden, Potsdam, Weimar auch und gerade 15 Jahre nach der Wiedervereinigung? puk: Welche Aufgaben kommen heute neu auf die Museen zu, auch nachhaltige. Spielen denn Galeris- Ruhe vor dem Besucheransturm Fotos. Klaus Selle Calm before the onslaught of the visitors. Photos: Klaus Selle ten heute noch eine Rolle, laufen ihnen die Museen nicht den Rang ab? Verhältnis zwischen Sammlern, Galeristen und Kura- Angst vor den Rahmenbedingungen.“ Sehen Sie das so um die Freiheiten, Museen zumindest so führen zu Roth: Aber nein! Schauen Sie doch nur nach Leipzig toren half im Deutschland der 1920er Jahre den Stel- ähnlich? dürfen, wie jedes mittelständische Unternehmen. in das neu eröffnete Galerienkombinat in der ehema- lenwert der Kunst bis heute unvergesslich zu machen. Roth: Wenn Sie auf das Verhältnis der Kuratoren und puk: Ein abschließendes Wort zum Nachhaltigkeits- ligen Baumwollspinnerei. Galeristen sind Meinungs- Weshalb soll dies nicht auch heute gelingen. Museumsleiter zur Betriebswirtschaft anspielen, dann gedanken im Kulturbereich? bilder und der eine oder andere verteilt auch die Li- puk: In der puk Mai/Juni 2005 sagt Martin Heller, ehe- kann ich nur mit Martin Heller reden: Die Bedingungen Roth: Nachhaltiges Planen, langfristige Strategien sind zenz zum Gelddrucken, kennt die „wie-werde-ich-be- maliger Chef der Schweizer EXPO: „Der Megatrend sind gesetzt und somit liegt es an uns, neue Wege und die Voraussetzung für eine qualitätsorientierte Kul- rühmt-Formel“. Der große Fehler besteht darin, dass Ökonomisierung ist gegeben, da wird keiner gefragt. Lösungen jenseits von Panikmache und Absturzstimmung tur(-Politik). Nachhaltigkeit braucht aber eine Offen- Museen und seriöse Galerien immer noch zu wenig Die schwindenden Budgets sind gegeben und es ist ge- zu finden. Die Arbeitsbedingungen sind nicht mehr die heit für investive Maßnahmen, wie gesagt: Die Erträ- miteinander gemeinsam planen. Wir wollen dies in geben, dass wir uns ein kulturelles System aufgebaut der 1970 und 80er Jahre, als manch ein Museumsdirek- ge müssen reinvestiert werden, auch im übertrage- Dresden verändern, wobei wir das Glück haben, mit haben, dass nicht mehr so einfach finanzierbar ist. tor sich nicht in die Niederungen der Verwaltung bege- nen Sinne. Wer Nachhaltigkeit nur mit Nachnutzung den Gebrüdern Lehmann sicherlich eine der besten Bei der Ökonomisierung der Kunst muss man sehr ge- ben wollte. Nur wer heute anpackt und sich vor nichts verwechselt, investiert nicht in die Kultur, sondern Galerien Deutschlands in der Stadt zu haben. Das enge nau, sehr kritisch hinschauen, aber ich habe keine scheut, bringt sein Haus weiter. Deshalb kämpfe ich auch setzt auf die schnellen Effekte.

Sustainability in culture Interview with Martin Roth, Director of the State Art Collection („Staatliche Kunstsammlungen“), Dresden.

With the supplement StadtKulturEuropa (CityCultureE- well. For “politik und kultur” Andreas Kolb spoke with Martin Roth: The subject of sustainability is too com- circumstances sustainability can even entail higher in- urope) in the issue May/June 2005 the puk first entered Martin Roth, the general director of the State Art Coll- plex to simply be translated into saving measures. No- vestments in the sense that you can then work with into the discussion about sustainability in the cultural ection Dresden and the former manager of the EXPO- wadays, if you are at a loss, you often say that this is a the revenues you have obtained on a long-term basis. realm. It is no coincidence that in times of scarce funds, world fair in Hannover. sustainable concept, for which reason we planned it fairly That has nothing to do with radical saving measures. politicians in the area of cultural policy demand the ap- politik und kultur: Is the buzzword sustainability not long-term from the beginning or are sharing it with puk: If you take the example of Barcelona and the Olym- plication of the principal of sustainability to culture as just a nice circumscription for the word saving measure? others, etc. But that is not sustainability. Under certain pics, you can observe an influx of tourists to this regi- on which is ten times higher than before. Such effects are also part of sustainability. Are there comparable numbers in relation to the EXPO? Roth: You speak of long-term effects and of sensible reuse, but sustainability is something very different. If you ask me about the reuse-scenario of Hannover in relation to the EXPO, it is not exactly groundbreaking: An enlargement of the fair, ICE, a three-lane highway and a clock in the city centre, that counts the days since the EXPO…but surely you were not aiming at that with your question. puk: The EXPO in Hannover und and the State Art Collection in Dresden, those are two antipoles in cul- tural work. In Hannover you dealt with a world fair, in Dresden it’s about art. Where does sustainability come in to your work in Dresden? Roth: Again: You interpret the term “sustainability” wrongly. You mean “efficient (re-)use”. “Sustainability” means to live off the interests, not to touch the origi- nal capital. But back to your question: Up until now I have been lucky enough not to have failed even in the face of very difficult assignments. My EXPO-team not only received praise for the theme park and the World- wide Projects because it fought for respectable con- tent and a high-quality execution, but also because it earned over 75 million euros. That was a great success, which was never shouted from the rooftops. My task was the conception and the organization of the gene- ral structure. As general director of the State Art Coll- ection I have the honourable task of stabilizing an exis- ting organisation and to gently make it sustainable for the future; necessary renewal processes in an institu- tion that will be 450 years old in 2010. puk: Mostly museums attain their attractiveness th- rough their permanent exhibitions and not through the singular event or selective theme-oriented exhibitions. How is it in Dresden? Roth: When you look at museum statistics, you reach the mass of visitors with special exhibitions, but this is especially the case, when there is a successful museum behind it. This also applies to Dresden. With the “Neues Grünes Gewölbe” (the “New Green Halls”) we have been able to welcome the incredible number of half a milli- on visitors in nine months in the “Residenzschloss” (the Residential Palace”). You can’t be more successful. At Erdgärten auf dem Expogelände Earthgardens (Erdgärten) on the Expo grounds Continued on page V Europa Kultur Stadt politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite V

Continued from page IV to sustainability in the original meaning of the word. Roth: Our collections have the status of a State muse- kers and some of them can give you the license to print the same time we have a successful special exhibition puk: Are there differences between east and west re- um, even though the collections certainly are of a Eu- money, so to speak, and know the “how to become fa- in the Albertinum with paintings on loan from Gerhard garding sustainable concepts? ropean rank. It is difficult for me to limit our museums mous” formula. The greatest mistake is that museums Richter and currently “18. October 1977” from the Roth: Owing to the fact, that the population in eastern solely to Dresden. But of course the cities of Saxony and serious galleries still cooperate too little on the MoMA, that attracts a completely different crowd. The Germany, if it liked it or not, has had to acquire a tre- have a unique potential. Regardless if we are speaking planning level. We want to change this in Dresden, versatility of the Dresden collection is part of the for- mendous amount of new practical knowledge in the of music, church history, modernity or contemporary where we are lucky to have one of the best galleries in mula for success. past 15 years, there is, generally speaking, a greater art. This contrasting relation between the present and Germany in town, the Gebrüder Lehmann. The close puk: To build feedback cycles, to strengthen economic openness towards new models and experiments. Ho- history is peerless, we are speaking of Havekost and relationship between collectors, gallery owners and thinking. Is that sustainability? wever this does not apply directly to politics, as the Scheybitz, we are also talking of the Leipziger Schule, curators in Germany of the 1920s helped to give art a Roth: There is definitely a certain backlog in the cultu- government of Saxony attaches great importance to but at the same time we are preparing the 450 year status that is unforgotten to this day. Why shouldn’t ral realm when it comes to economic efficiency. But the fact that solely the treasury regulates culture. Cul- anniversary of the Dresden collections and by that can we be able to do that now? this debate should not be led without a concurrent com- ture in Saxony could establish a greater reputation counts ourselves among the oldest and most important puk: In the May/June 2005 issue of puk Martin Heller, mitment to quality: to work more efficiently and with und gain in an economic sense, if there was more eco- museums. If you look at Dresden politically and geo- the former director of the Swiss Expo said: “The mega- a stronger orientation towards quality should be an aim nomic thinking and the State would not interfere so graphically, you are closer to Prague than to Berlin and trend of economisation surely exists, nobody is asked connecting politics, economy and culture. In this con- much. soon Breslau will be a stone’s throw away and Krakau for permission. We have dwindling budgets and we also text sustainability can clearly be of importance, whe- puk: Is the debate about sustainability for you, who no great distance. If politics would begin to lay an even have to face that we have built a cultural system that reas it is surely easier for a traditional Institution like represents culture, a new way to be able to bring for- greater emphasis on culture and to invest – by all means is no longer that easy to fund. We have to take a very the museums of Saxony to live off the “interests” than ward new arguments in discussing with politicians, or under sustainability considerations – Dresden would be close and critical look at the economisation of the arts, for the many museums founded in the past decades for is it something, that has been pressed upon you, as a unbeatable. but I am not afraid of the general framework.” Do you political reasons. form of pressure to economize or “meddling”? puk: When you say: 450 year existence of the State take a similar view? But the colleagues at the museums have to do their Roth: Neither one nor the other. A) the debate about collections and museums, that is the proof that there Roth: If you are alluding to the relationship between homework as well, as for a long time there was no sustainability hardly plays a role in the cultural realm, is sustainable culture in Dresden. curators and museum directors and business, then I can need to think about what economic efficiency really especially since hardly anyone is familiar with the prin- Roth: Certainly! Culture is surely the consistent ele- only cite Martin Heller: The framework has been laid means. To this day there are reservations against stra- ciple of sustainable economics. And B) the administra- ment in the changeful and also tragic history of Dres- and so it is up to us to find new ways and solutions tegic alliances between different museum-partners, tive models, insofar as they are government-controlled, den. But Dresden has always lived from the sustaina- way beyond alarmism and fear of a crash. The work en- against joint purchases, joint restoration workshops, are hardly fit to incorporate elements of sustainability bility of the cultural development. In a personal con- vironment is no longer that of the 70s and 80s, when marketing, etc. What is common practice in business into the “work-canon”. Sustainability requires a great versation not long ago Durs Grünbein mentioned that the museum director often refused to stoop to the “low- is still virgin soil in the area of culture. When spea- amount of personal responsibility, because only who is Dresden has almost become too small for a signifi- lands” of administrative work. Nowadays only who tack- king of our significance, we like to compare ourselves able to act on one’s own responsibility, is able to plan cant museum complex. But this is another sign for les the problems and spares no effort will be able to with multinational companies. But regarding our on a long-term, sustainable basis. As an example I would how Dresden time and again has managed to resur- help on his house. That is the reason I fight for the structure and economic efficiency we backtrack to the like to cite the already mentioned joint ventures, which rect itself with the help of culture – even in difficult freedom to be able to manage museums at least as you importance of an adult education centre. That’s why I are based on decisive every-day work and not on com- times. Worded differently: What would Germany, what would do it with any medium-sized enterprise. couldn’t understand all the stir about Max Hollein. plicated ministerial coordination processes. would national culture be without Dresden, Potsdam, puk: A final word regarding the idea of sustainability Why should a capable museum director not be able to puk: You are actually saying that quantitative growth Weimar, especially only 15 years after the reunificati- in the cultural realm? manage three museums? We expect from the CEO of should be transformed into qualitative growth, also in on? Roth: Sustainable planning, long-term strategies are a globally operating company to understand tens of the cultural realm. puk: What new tasks are the museums confronted with the requirements for a quality-oriented culture (-poli- thousand of people – then why not a few hundred in Roth: Precisely worded! at present, also in the area of sustainability. Do gallery cy). a museum complex? In times of slender subsidies I puk: Dresden possesses a grown traditional culture and owners still play a role nowadays or are the museums Sustainability needs openness for measures requiring deem the model of a general director sensible, since a focuses on novel projects such as the Europäisches Zen- taking their places? investments. As I said: The earnings have to be reinves- general director is responsible for the synergy-prin- trum der Künste Hellerau (European Centre for the Arts Roth: Not at all! Just take a look at Leipzig and the ted, also in the figurative sense. Those who confuse sus- ciple and simultaneously has to guard the quality of Hellerau). You however say that the State, in other newly opened gallery-combine in the former cotton mill tainability with simple reuse, do not invest in culture, the institutions. This could actually stand in relation words the financial backer, is slowing things down. (Buamwollspinnerei). Gallery owners are opinion-ma- but are rather focussing on quick effects. Wer fördert was aus welchem Grund Rede zur Eröffnung der Internationalen Oberhausener Kurzfilmtage · Von Lars Henrik Gass

Ich muss mich vorab entschuldigen, vor allem bei unseren Gästen aus dem Ausland, wenn ich nun auf Fragen zu sprechen komme, die eher kulturpoliti- scher Art sind. Doch es gibt triftige Gründe dafür, denn das, was zurzeit hierzulande als Sparzwänge in der Kultur diskutiert wird, ist meiner Ansicht nach ein Wandel im Förderleitbild öffentlicher Kultur- förderung. Um mögliche Missverständnisse zu ver- meiden, schicke ich vorweg, dass die nachfolgen- den Überlegungen selbstverständlich nicht und ge- nerell auf alle Kulturförderer zutreffen, sondern auf einzelne. Ich bin mir dennoch vollkommen bewusst, dass ich mich hiermit auf das Glatteis einer Materie begebe, das zu betreten mir in meiner Funktion wahrscheinlich gar nicht zusteht. Als Förderemp- fänger mag es auch etwas leichtfertig erscheinen.

Mir erscheint es aber wichtig, über diese Fragen hier, im Rahmen eines Filmfestivals, eine Meinungsbildung in Gang zu bringen. Ich möchte Ihnen drei neue Typen der Kulturförderung vorstellen: · Zunächst den Europaförderer. · Neben dem Europaförderer den Leuchtturmförderer. · Und neben Europaförderer und Leuchtturmförderer schließlich den Förderintendanten.

Der Europaförderer

Der Europaförderer verteidigt Europa gegen die Vor- machtstellung der USA und gegen den Fundamentalis- mus der arabischen Welt. Seine Förderrichtlinien sind in erster Linie ein Normenwerk, ein Werk der Normie- rung. Sie sollen Europa eine europäische Kultur und Identität verleihen. Sie sorgen dafür, dass die Europäer europäische Kultur sehen, von Europäern gemacht. Die jüngst publizierte Studie „Braucht Europa eine Außen- kulturpolitik?“ spricht es unverblümt aus: Es gehe um eine „europaspezifische Wertegemeinschaft“. Die Europäische Union verlangt zur Stärkung des eu- ropäischen Films von Filmfestivals, dass mindestens 70% europäische Beiträge im Programm vertreten sein müssen, überdies solle man sich in europäischen Netz- Vor dem Festivalkino Filmpalast Lichtburg Foto: Daniel Gasenzer In front of the festival movie theatre Filmpalast Lichtburg Photo: Daniel Gasenzer werken zusammenschließen und Programme austau- schen. Wenn die Quoten nicht erfüllt sind, heißt es: machen, europäische Bedeutung steige proportional die Richtlinien, nach denen sie entstanden sind. Der Leuchtturmförderer Geld zurück. Mit 70% europäischen Beiträgen im Pro- zur Anzahl europäischer Beiträge? Kann dies ein För- Man investiert immense Zeit in Lektüre und Bearbei- gramm jedoch kann man das Prädikat „international“ dermaßstab für erfolgreiche Festivalarbeit sein die tung immenser Vertragswerke. Wahrscheinlich werden Der Leuchtturmförderer ist ebenfalls ein relativ neuer kaum mehr glaubwürdig einlösen. Je größer, je mehr doch gerade das Unverwechselbare und die Möglich- zwischen 20 und 30% einer Projektförderung mittler- Typus des Förderers. Er möchte dem ewigen „Klein Fachpublikum, je mehr Beiträge aus entlegenen Win- keit, das Andere zu sehen, zum Ziel hat? weile für genau jene Administration aufgewandt, die Klein“ in seinem Lande ein Ende bereiten und dafür keln der Welt, desto weniger kann ein Festival dies Unter den Festivals werden solche politischen Direkti- eigentlich gar nicht gefördert werden soll. Das Provin- sorgen, dass einzelne kulturelle Projekte weit über die wollen. So kommt es zu der geradezu paradoxen Situ- ven kaum mehr hinterfragt. Bedingungslos kooperativ zielle an diesem Europaverständnis, dieses Verschwin- Landesgrenzen hinweg ausstrahlen. Kultur soll attrak- ation, dass gerade die wichtigsten internationalen fügt man sich in die kaum mehr einzulösenden Vorga- den der Individualität, ist auch Ergebnis eines uneinge- tiv sein, das heißt Menschen anziehen und Aufmerk- Festivals mit den höchsten Ansprüchen solche Vorga- ben und beantragt frist- und formgemäß mit abneh- standenen Antiamerikanismus, der Europa zum kultu- samkeit erregen, Medienecho und Reputation eintra- ben kaum oder gar nicht einlösen können. Es sind Fes- mendem Erfolg schwindende Projektmittel. Je europä- rellen Bollwerk ausbaut, ein Europa, das sich haupt- gen. Soweit so schön. Gleichwohl hat sich der Leucht- tivals, die sich allenfalls an ein lokales Publikum rich- ischer aber ein Projekt ausgerichtet ist, je mehr Netz- sächlich nach innen definiert. Doch ich frage Sie: Ist turmförderer nicht gefragt, ob die bestehende kultu- ten und Titel tragen wie „Mittelmeer-Festival“ oder werke es durchlaufen hat, je mehr Geld für ein Film das Europa, das wir gewollt haben, wirklich derart ein- relle Substanz, also all die Projekte, denen gegenüber „Festival des europäischen Films“, die höchste Förde- oder ein Festival aus Europa kommt, desto weniger er- dimensional? ein Leuchtturm erforderlich sein soll, jemals die Mit- rung und Anerkennung aus Europa erhalten. kennbar ist darin irgendeine Individualität. Es entste- Es ist daher höchste Zeit für einen neuen Extremis- tel zur Verfügung hatten, in dem gewünschten Maße Doch ich frage Sie: Wollen wir uns ernsthaft weis hen Förderfilme und Förderprojekte, die aussehen wie mus der Kultur, eine Kultur der Eigensinnigen. Fortsetzung auf Seite VI Europa Kultur Stadt politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite VI

dern der Verlust eines konsistenten Förderleitbildes: Obwohl die Fördermittel des Förderintendanten zum Aus Kulturförderung wurde Imagepolitik. größten Teil aus Steuern oder Gebührenaufkommen Christian Thomas hat dies in der Frankfurter Rund- stammen, sind sie einer direkten parlamentarischen schau „Branding als Leitkultur“ genannt (Zitat): „Mö- Kontrolle fast völlig entzogen. Während Kulturför- gen im städtischen Schwimmbad die Bademeister feh- derung sich bislang deutlich von privatem Sponso- len, mag im Kommunalen Kino die Leinwand schwarz ring unterschied und auf Branding ganz verzichtete, bleiben (...): Die Kompensationsstrategie denkt in drohen die Förderintendanten nun allzu mächtig zu derart europäischem Großmaßstab, dass die Begrün- werden, so dass die Frage gestattet sein sollte, ob dies dung nahe liegt, dass kein Tourist aus Athen oder Bar- noch demokratischer Meinungsvielfalt und ihrem Auf- celona, London oder Warschau wegen der Badean- trag selbst entspricht. Das, was Kultur sein soll, wel- stalt nach Essen oder des Programmkinos Camillo nach che Schwerpunkte sie erhält, entscheidet jetzt der Görlitz reist.“ (Zitat Ende) Dass man dies in Oberhau- Förderintendant, nicht mehr die Politik, also das Volk. sen zum Glück sehr anders sieht, ist freilich ein gro- Kulturförderung wird zum Repräsentationszweck. ßes Verdienst der lokalen Politik. Ich möchte schließen und all denjenigen danken, die trotz großer eigener Zwänge an der Förderung der Kurz- Der Förderintendant filmtage über viele Jahre hinweg festgehalten haben: allen voran, mit Respekt und von Herzen, der Stadt Der strenge Verzicht auf „Branding“, der öffentliche Oberhausen, der Stadt Oberhausen, die ihren Zuschuss Förderung traditionell einmal von Sponsoring unter- auch dann konstant hielt, als andere gespart haben, schied, schwindet beträchtlich. Und genau dies hat insbesondere den Mitgliedern des Aufsichtsrats der beim dritten Typus des Förderers, dem Förderinten- Kurzfilmtage, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Da- danten, ein bislang unbekanntes Ausmaß erreicht. Es niel Schranz, dem Beigeordneten Reinhard Frind sowie handelt sich um eine Intendanz ganz neuer Art: nicht dem Fachbereich Beteiligungen; dem Ministerium für der Kunst verpflichtet, sondern der Alimentierung. Hier Städtebau, Wohnen, Kultur und Sport des Landes, das werden schwindelerregende Summen verwaltet. Doch immer noch einen Unterschied zwischen Filmkultur und die Sorge gilt vor allem der Frage, wie man selbst groß Filmwirtschaft zu erkennen vermag. Es folgen die Kul- rauskommt. Förderintendanten schrecken nicht davor turstiftung der Länder, das Auswärtige Amt sowie das zurück an Jurys teilzunehmen, die sie bezahlen. Sie Bundespresseamt. Ich danke unseren Premiumsponso- stiften konkurrenzlose Preisgelder. Und das kann man ren BMW, NRW.Bank und Tiscali, unserem Hauptspon- sich auch leisten: Alle wollen vom Reichtum dieser sor Nokia, unseren Sponsoren BERO Zentrum, EVO und Förderung profitieren, alle hängen von dieser Förde- Stadtsparkasse Oberhausen, die sich besonders für das rung ab. Man kann es sich sogar leisten, den Leiter Kinder- und Jugendkino der Kurzfilmtage engagiere, so- einer Institution zu stellen, die man selbst fördert. Wer wie der Firma RoWo. Ich danke unseren Medienpart- zahlt, bestellt. Einfluss ist alles. nern ARTE, 3sat, KiKa und INTRO, die für die Verbrei- Doch solcher Zentralismus in der Kultur hat dieser tung unserer Inhalte sorgen. Mein persönlicher Dank niemals gut getan. Die Mehrstimmigkeit der Kultur - gilt dem Team der Kurzfilmtage. dass also nicht einer diktiert, was Kultur für alle ist - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche war immer ein besonderes historisches Kapital des Fö- Ihnen allen fruchtbare Tage in Oberhausen. deralismus in Deutschland, sein Reichtum. In Zeiten der Sparzwänge gerät das als „Gießkannen-Prinzip“ in Ver- Der Verfasser ist Geschäftsführer der Internationa- ruf, und der Zentralismus erscheint als effiziente Lö- len Kurzfilmtage Oberhausen sung aller Probleme. Aber er hat nur die Abhängigkeit der Antragsteller erhöht und droht ein Klima der Angst Eine überarbeitete Fassung der Rede erschien am und der kulturellen Uniformität zu befördern. 24.05.2005 in „die tageszeitung“.

Who supports what, and why? Speech for the opening of the Internationale Oberhausener Kurzfilmtage • By Lars Henrik Gass Festivalplakat 2005 Quelle: Kurzfilmtage Oberhausen Festivalposter 2005 Source: Kurzfilmtage Oberhausen I would like to apologise beforehand, above all to ticipants? Can this be a standard of support for successful Fortsetzung von Seite V Zielgerade scheitern zu lassen, war eine Aufrechter- our guests from abroad, for addressing questions festival work, the goal of which is to produce something haltung des Förderetats für kommunale Projekte (...) related more to cultural policies and policymaking. unique and provide the chance to see beyond the limits Yet there are valid reasons for this; what is now being of one’s own horizon? nicht möglich.“ (Zitat Ende) Natürlich ist ein interna- Wer fördert was discussed in Germany as the need to economise in Among the festivals, such political directives are seldom tionales Festival kein kommunales Projekt, aber es wird an era of tight budgets constitutes, in my opinion, a discussed. One is forced to be unconditionally cooperati- auszustrahlen. Lassen Sie mich das an der aktuellen dazu erklärt. Im Klartext: Die Länder und Regionen change in the model of public cultural patronage. In ve and follow guidelines that are impossible to fulfil, ap- Bewerbung deutscher Städte um die Kulturhauptstadt bringen ihre eigenen Kulturprojekte gegenüber den order to avoid possible misunderstandings, let me plying within strict timeframes for waning project funds aufzeigen: Während zurzeit Mittel im Millionenbe- Kommunen in Stellung: neuer, schöner, größer, - und say right away that the following ruminations obviously and with ever decreasing success. Yet the more ”Euro- reich für die Bewerbungen aufgebracht werden, wur- alles auf Kosten der Substanz. do not apply to all cultural benefactors in general, but pean“ a project is, and the more networks it has become a de in den letzten Jahren gerade auf Länderebene bei Die Verantwortung für die Institutionen, für Kontinu- rather to individual ones. I am fully aware that I am member of, and the more money it receives from Euro- der Kultur massiv eingespart. Das Land Nordrhein- ität und soziale Sicherheit der Mitarbeiter, die Sub- treading on treacherous ground, for it is a matter upon pean donors, the less it demonstrates any individuality. which I, in my capacity, am probably not entitled to The result is films and projects that look more like the Westfalen etwa stellt für die Kurzfilmtage im Jahr stanz einer kulturellen Veranstaltung, die lastet allein comment. As a recipient of cultural funding myself, it guidelines according to which they were produced. 2005 rund 50.000 Euro weniger Mittel zur Verfügung auf den Kommunen. Lieber legt man so genannte „In- may even appear foolhardy. One invests an immense amount of time in reading and als noch vor zehn Jahren. Der Regionalverband Ruhr- itiativ“- oder „Pilotprojekte“ mit schicken Namen auf. drafting immense contracts. It is likely that between 20 gebiet, eifrigster Werber um die Kulturhauptstadt Es- Ich zitiere sinngemäß aus x-beliebigen Statuten: Eine And yet it seems important to me, within the framework and 30 per cent of financial support is eaten up by admi- sen für das Ruhrgebiet, hat die Mittel für die Kurz- „institutionelle“ Förderung kommt nicht in Betracht; of a film festival, to encourage debate on this important nistrative tasks that that were undoubtedly not the tar- filmtage im gleichen Zeitraum stetig gekürzt und in das Projekt, das international ausgerichtet und rich- matter of cultural patronage. get of patronage. diesem Jahr sogar auf null gestellt. Natürlich waren tungsweisend sein muss, kann im Regelfall lediglich I would like to present to you three new types of cultural The provincial aspect of this odd notion of what is ”Euro- nicht nur die Kurzfilmtage von den Einsparungen be- auf die Dauer von maximal drei Jahren gefördert wer- benefactors: pean“—this disappearance of individuality—is also the re- · Benefactors of a specific ”European“ culture sult of an unsubstantiated anti-Americanism that strives troffen, und natürlich werden diese Mittel nicht di- den. - Die Förderer kommen damit besser raus als frü- · ”Lighthouse“ patrons to make Europe a bulwark, a Europe that defines itself rekt für Leuchtturmprojekte umgeleitet. her, doch keiner fragt, wie das Personal, das den Be- · Arts administrators primarily from within. And thus I ask you, is the Europe Bitte aber verzeihen Sie, wenn mir der Jubel um die trieb aufrecht erhält, bezahlt wird. we have been striving for really so one-dimensional? Nominierung des Ruhrgebiets als Kulturhauptstadt Es ist bereits Realität, dass der überwiegende Teil der The Benefactors of a Specific ”European“ Culture For this reason it is high time for a new cultural extre- schwer fällt angesichts der vielen kulturellen Veran- Filmfestivals in Deutschland nicht durch Kulturförde- The benefactors of a specific European culture defend mism: a culture of obstinacy. staltungen, die hier in den letzten Jahren unter die rung, sondern durch Eigeninitiative und die Bundes- Europe against the position of supremacy held by the Armutsgrenze gefördert wurden. Ein Schreiben des agentur für Arbeit aufrecht erhalten wird. Festivals United States and against the fundamentalism of the Arab ”Lighthouse“ Patrons world. Their funding guidelines are based, first and fore- ”Lighthouse“ patrons are also a relatively new type of Regionalverbands Ruhrgebiet macht deutlich, wie hier sind nur noch mit Hilfe einer kulturindustriellen Res- most, on creating norms—they are a work of standardisa- cultural benefactor. They strive to put an end to what Prestigeobjekte zu Lasten der kulturellen Substanz erverarmee zu machen. Das Problem der aktuellen tion meant to endow Europe with a distinct European they see as trivial little projects in their own countries, ermöglicht werden (Zitat): „Um die Bewerbungsbemü- Kulturförderung aber ist nicht so sehr der Mangel an culture and identity. They ensure that Europeans are ex- focusing instead on larger endeavours that can be show- hungen zur Kulturhauptstadt Europas nicht auf der Geld oder irgendeine obskure Kulturfeindlichkeit, son- posed to European culture made by Europeans. The re- cased on the international stage. In their eyes, culture is cently published study ”Does Europe need Foreign Cultu- little more than an advertisement—it should attract peo- ral Policies?“ (”Braucht Europa eine Außenkulturpolitik?“) ple from around the world, draw attention to itself, and puts it bluntly: the issue at hand is a ”Community of va- create a distinct reputation. So far so good. But upon clo- lues specific to Europe“. ser inspection, we see that lighthouse patrons have never In an effort to bolster European films, the European Uni- bothered to ascertain whether these projects ever had on requires of film festivals that at least 70% of the pro- the means to make such an endeavour tenable. Allow me gramme be European in origin. Moreover, festivals are to demonstrate this with a current example. Recently, encouraged to join together in European networks and certain cities in Germany have applied to be European exchange programmes. When the quotas are not met, it cultural capitals. While funds in excess of millions of eu- means that money is rescinded. But one can hardly speak ros have been mobilised for the applications, the states in of an ”international“ event when 70% of the films are Germany have made massive cuts in cultural spending from Europe. Indeed, the larger and the more specialised over the last few years. For example, in the year 2005 the the audience, and the more films that come from remote state of North Rhine-Westphalia contributed approxima- corners of the word, the less desirable these guidelines tely 50,000 euros less to the Kurzfilmtage than it did ten become. In this way, the downright paradoxical situation years ago. The Ruhrgebiet Regional Association, arguably arises, wherein precisely the most important internatio- the most eager supporter of the city of Essen’s applicati- nal festivals with the highest standards can barely meet on for cultural capital status, steadily cut funding for the these guidelines, if even at all. It is festivals that are, at Kurzfilmtage over the same time period, and this year best, geared towards a local audience and bear titles like even eliminated it altogether. We must bear in mind, of ”Mediterranean Festival“ or ”Festival of European Film“, course, that not only the Kurzfilmtage were affected by that receive the highest level of support and recognition the cuts, and that these funds have not been funnelled from Europe. directly into ”lighthouse projects“. Yet I ask you: do we seriously want to believe that the But please forgive me if I find it a bit difficult to partake importance of Europe on the international stage will rise in rejoicing over the nomination of the Ruhrgebiet as a proportionally to the number of European films and par- Continued on page VII Voller Saal im Festivalkino Foto: Daniel Gasenzer Soldout theatre Photo: Daniel Gasenzer Europa Kultur Stadt politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite VII

Continued from page VI virtue of cultural support, but rather through the initiatives are at stake. Yet it seems that the chief concern is how to object of representation. I would like to come to a close cultural capital in light of the many cultural events that of individuals and the Federal Employment Agency. Indeed, milk the most out of the system for oneself. Arts administ- here and thank all those who, despite personal constraints, have been pushed under the poverty line. A letter from it appears that festivals are only possible nowadays thanks rators have no qualms about participating on juries that have over the years continued to support the Kurzfilmta- the Ruhrgebiet Regional Association makes it clear that to the help of an army of people employed through fe- are on their payroll. They award prize money in competiti- ge: first and foremost, I would like to express a most heart- it is objects of prestige that are to be funded—and this at derally financed job-creation measures. However, the pro- ons with no competitors. And they can afford to do it, for felt thank you to the city of Oberhausen, which kept its the expense of the entire region’s cultural fabric: ”In or- blem with the current system of cultural support is not so everyone wants a piece of the pie—indeed they are depen- financial support steady even as others reduced theirs; in der to ensure that the application for European cultural much a lack of money or some obscure hostility towards dent on it. Some administrators can even afford to appoint particular the members of the supervisory board of the capital does not fail as it turns into the finishing straight, culture, but rather the loss of a consistent model for provi- the director of institutions to which they provide funding. Kurzfilmtage; Daniel Schranz, Chairman of the Board; the it was not possible to maintain funding of municipal pro- ding support: the funding of culture has become the poli- The person who pays calls the shots; influence is everything. Town Council official Reinhard Frind, as well as the In- jects at previous levels.“ Of course, an international festi- tics of image. Christian Thomas referred to this phenome- Yet such centralism has never been good for culture. The vestments Office; the Ministry of Urban Development, val is not a ”municipal project“, but it is nevertheless de- non in the Frankfurter Rundschau as ”Branding as Defining polyphony of culture, which refuses to dictate what culture Housing, Culture and Sports, which still recognises the clared as such here. In short, the states and regions posi- Culture“ (Branding als Leitkultur): ”Even if there aren’t any for everyone is, was always a special chapter in the history differences between film culture and the film business; tion their own cultural projects against those of the mu- lifeguards at the public swimming pool or the screens of of German Federalism. Indeed it constituted its richness. In the Cultural Foundation of Federal States; the Federal Fo- nicipalities: newer, bigger, better—and all at the cost of the municipal cinema remain dark (…), local politicians have times of economic constraints, the principle of ”equal shares reign Office as well as the Press and Information Office of Germany’s cultural fabric as a whole. embarked upon a compensation strategy that is European for all“ has fallen into disrepute, and centralism is portray- the Federal Government. I would like to thank our premi- The responsibility for maintaining institutions, for conti- in scope: for, as they argue, no tourist from Athens or Bar- ed as a panacea. However, in actuality, it has merely incre- um sponsors BMW, NRW.Bank and Tiscali, our main spon- nuity and job security, for the actual substance of a cul- celona, London or Warsaw ever travels to Essen because of ased the dependence of applicants and heralded a climate sor Nokia, our sponsors BERO Zentrum, EVO and Stadt- tural event is borne by the municipalities alone. Never- the public pool, or to Görlitz for its art house cinema.“ It is of fear and cultural uniformity. sparkasse Oberhausen, which demonstrated a special de- theless, it seems more popular nowadays to produce so- indeed a great achievement of local politics in the city of Although the funds managed by arts administrators stem dication to the children’s and young people’s section of called initiative or pilot projects with trendy new names. Oberhausen that people here see things differently. in large part from taxes or revenues from fees, they have the Kurzfilmtage, as well as the firm RoWo. I would also A random sampling from various funding statutes high- been almost fully removed from parliamentary supervision. like to thank our media partners ARTE, 3sat, KiKa and IN- lights the problem at hand: the funding of ”institutions“ Arts Administrators Whereas cultural funding hitherto clearly distinguished it- TRO, who have showcased our efforts in their respective is out of the question; projects must be international in The strict renunciation of branding, which has traditionally self from private sponsorship and fully renounced branding, programmes. And of course a personal thank you to the nature and trend-setting, but can generally only be fun- marked the difference between public funding and private art administrators now threaten to become far too power- Kurzfilmtage team. ded for a maximum of three years, etc. Those who fund sponsoring, is waning considerably. This development has ful. This leads to the question of whether such a develop- public culture can thus absolve themselves even more assumed hitherto unimaginable dimensions with regard to ment reflects a democratic diversity of opinion and the ori- Thank you for your attention, and I wish you all rewarding easily than before. Yet no one asks how the staff that the third type of patron: the arts administrator. What we ginal mission of cultural patronage. Arts administrators now and exciting days in Oberhausen. keep these projects going are to be paid. are dealing with here is an entirely new direction and ma- decide what culture should be and what its main focus is, It is already the case that an overwhelming majority of nagement style: one that is not beholden to art, but rather thus stripping politics—or, in other words, the people—of The author is manager of the Internationale Kurzfilm- the film festivals in Germany are able to survive not by to divvying out funds. Here, sums of dizzying proportions the power to do so. Cultural funding has thus become an tage Oberhausen Festivalitis, das Unglück der Eventkultur ...und das Korsett der Projektförderung – lauter Irrtümer? · Von Alexander Farenholtz und Fokke Peters

Die Satzung der Kulturstiftung des Bundes legt sich auf Projektförderung fest – grundsätzlich. Juristen wissen, was das heißt: Grundsätze haben Ausnah- men. Auch die Kulturstiftung kann sich also nicht schematisch der Reflexion über Nachhaltigkeit oder Strohfeuer, Flexibilisierung oder Erstarrung der Kul- turförderung entziehen.

Eventkultur und Festivalisierung werden als Ausdruck von Kurzatmigkeit, Quotenfixierung und Populismus, die der Substanzsicherung der langfristig arbeitenden kulturellen Institutionen das Wasser abgraben, nicht nur in den Feuilletons angeprangert. Als prominen- testes Beispiel gilt vielen die Expo 2000 in Hannover. Selbst dieses Großereignis allerdings hat zwar viel Geld gekostet. Zu Lasten der Kultur in der Region oder im Rest des Landes ging dies aber nachweislich nicht. Wenn der EXPO Fehler vorwerfbar sind, liegen sie si- cher nicht hier – eher vielleicht darin, sich nicht kon- sequent genug innerhalb der beachtlichen 150 jähri- gen Tradition der Weltausstellung als deren zeitge- mäße kulturelle Manifestation zu positionieren. Demgegenüber fällt es erstaunlich leicht, Beispiele aus der Förderung der Kulturstiftung des Bundes für Fes- tivals zu finden, denen vergleichbare Profilierung in einem Maße gelingt, wie das bei „festen” Institutio- nen nicht immer der Fall ist: Es sind sowohl große Ereignisse wie die documenta, die Musiktage in Do- naueschingen, als auch so kleine und junge Festivals wie die Werkleitzbiennale oder das „garage”-Festival in Stralsund, die niemand des Populismus´ bezichtigt, denen aber auch kaum – in ihrem jeweiligen Feld – die Nachhaltigkeit bestritten werden kann. Also: an Festivals ist grundsätzlich nichts Verdächti- ges, gerade weil es ebenso viele gelungene und ver- zichtbare Festivals, wie gelungene und verzichtbare Museen gibt. Etwas anderes ist es mit den „Events“, einmaligen Er- eignissen aus bestimmten Anlässen, wie Firmen- und Stadtjubiläen, Vertragsabschlüssen im Rahmen von Das Ostgelände der EXPO2000 mit einer Warteschlange vor dem finnischen Pavillon The east area of the Expo 2000 with long lines in front of the Finnish Pavillon Städtepartnerschaften, der Präsentation neuer Auto- Foto: Klaus Selle Photo: Klaus Selle modelle und Börsengängen von Wirtschaftsunterneh- men. Unbestritten binden solche „Events“ – und wohl Berechtigung haben. Ich möchte hier aber ein ande- ten schrumpfen, wächst die Zahl politisch initiierter Den Ländern und Kommunen „gehören“ (untechnisch in zunehmendem Maße – Geldmittel, die der Kultur res Plädoyer halten, ein Plädoyer für das Dogma der Förderstiftungen. Diese sind in der Mehrzahl durch gesprochen) zwar Theater, Museen, Orchester und an anderer Stelle gut bekämen. Dabei ist nur zu be- Projektförderung durch Förderstiftungen. Gesetz oder Statuten verpflichtet, sich auf reine Festivals, aber was dort und ob etwas geboten wird, denken: der Anlass solcher „Events“ ist in aller Regel Kulturförderung ist in Deutschland öffentliche Ange- Projektförderung zu beschränken. steht damit in der Disposition von anderen. So, wie nicht in kulturellen Umständen zu suchen. Kultur wird legenheit. Das ist keine Selbstverständlichkeit und, wie Man könnte infolge dessen die Befürchtung haben, die den Städten zwar die Schulen gehören, über Bildung also bei diesen Gelegenheiten „nur“ in Anspruch ge- man aus der Betrachtung der Verhältnisse andernorts Gesellschaft habe sich auf eine dramatische Abkehr von aber nicht im Gemeinderat gestritten wird. Und die- nommen, meinetwegen: instrumentalisiert. So gese- weiß, im Weltmaßstab gesehen auch gar keine Not- der Unterhaltung gewachsener Strukturen des kulturel- ser Vergleich hinkt natürlich, denn über Bildung wird hen müsste zunächst darüber gestritten werden, ob wendigkeit. Aber dieser Umstand ist ein „Allein- len Lebens verständigt. Wer aber die Veranstaltungska- immerhin noch – nämlich in den Landtagen – poli- „in Anspruch genommene“ (instrumentalisierte) Kul- stellungsmerkmal“ Deutschlands, es ist einer von we- lender, Spielpläne, Festival- und Ausstellungsprogram- tisch gestritten. Die Hervorbringungen des kulturel- tur besser ist als gar keine, bevor man sich Gedanken nigen vorerst uneinholbaren Konkurrenzvorteilen eines me liest, kann einen solchen Effekt nicht feststellen. len Lebens aber werden der politischen Debatte im macht, wo das Geld noch besser – besser im Sinne der Gesellschaftsmodells, das im internationalen Wettbe- Passiert ist etwas anderes: während sich institutio- Zuge der beschriebenen Entwicklung komplett entzo- Kultur und nicht im Sinne des Anlasses – hätte wir- werb einige andere Spitzenpositionen eingebüßt hat. nelle staatliche und kommunale Förderung schon gen, und die paar Mandatsträger in den Aufsichts- ken mögen. Natürlich gibt es viele überflüssige, ja läs- Wenn man daran festhalten will, spielt es gar keine bisher – streng genommen rechtswidrig, aber mit still- gremien der Förderstiftungen können diese Entwick- tige „Events“, aber es gibt auch schöne: in Halle etwa Rolle, ob man über Theater, Museen oder Festivals re- schweigender Duldung nicht nur der Parlamente, son- lung auch nicht aufhalten. Das ist aus der Sicht der freut man sich auf die 1200-Jahrfeier in 2006. Mit det. Die Gesamtheit dieses Angebots, dieser Struktur dern selbst der Rechnungshöfe – als Projektförderung Politik durchaus komfortabel, denn gerade wenn mit anderen Worten: das Lamento gegen Festival- und muss Sache der „res publica“, der Kommunen, der Län- getarnt hat (und zugleich lautstark über die Zumu- weiteren finanziellen Einschränkungen zu rechnen ist, Eventkultur führt nicht weiter. Widersetzen können der und des Bundes bleiben. Hier müssen auch die tung der Behandlung von Kulturförderung als „Sub- ist es durchaus reizvoll, verzichtbare politische Konf- wird man sich dieser Erscheinungsform von Gegen- Schwerpunkte des politischen Interesses gesetzt wer- vention“ klagt), beschränkt sie sich zunehmend auf liktfelder möglichst lautlos zu räumen. wartskultur jedenfalls nicht plausibel. den, und sei es mit dem Ergebnis, dass einzelne Muse- die schiere physische Erhaltung der Akteure kulturel- Nur, im Sinne der Sicherung des oben angesproche- Das Festivalwesen ist nur ein Ausschnitt einer allge- en, Theater oder Festivals auf der Strecke bleiben. len Lebens. „Leben“ ist schon zuviel gesagt, denn es nen Konkurrenzvorteils im globalen Wettbewerb der meinen Entwicklung, durch die sich in der jüngsten Vor diesem Hintergrund verdient eine Entwicklung ist eigentlich ein Gespensterstück: lauter Museen, die Gesellschaftsmodelle ist dieses Konfliktfeld politisch Zeit die per definitionem kurzlebige Konzentration auf Aufmerksamkeit, die hier nicht belegt werden kann, nichts mehr zeigen können, Orchester, die nichts spie- eben gerade nicht verzichtbar. Ganz im Sinne von Hans „Projekte“ (was auch immer das im konkreten Fall sein deren verbreitete Beschreibung aber bislang unwider- len, Festivals, die nur im Kalender stehen, der auch Eichel, der in Erinnerung an seine Zeit als Oberbür- mag) gegenüber einer langfristigen Alimentierung von sprochen geblieben ist: während die staatlichen und nicht mehr gedruckt werden kann, gäbe es nicht….die germeister von Kassel als einer Stadt schwärmt, in der Museen und Theatern in den Vordergrund drängt. Die kommunalen Kulturhaushalte mehr oder weniger pro- Projektförderung der Förderstiftungen und anderer Kommunalwahlkämpfe auch schon mal über Fragen oft geäußerte Kritik an dieser Entwicklung mag ihre portional zu den allgemeinen öffentlichen Haushal- Zuwender. Weiter auf Seite VIII Europa Kultur Stadt politik und kultur • Juli – August 2005 • Seite VIII

Fortsetzung von Seite VII

Festivals, das Unglück der... von Kunst und Kultur entschieden werden. Damit ver- bindet sich der Appell an staatlich oder kommunal in- itiierte Förderstiftungen, das Dogma der Projektförde- rung wieder ernst zu nehmen und so die demokratisch legitimierte Kulturpolitik zu veranlassen, die politische Definitionsmacht über die kulturelle Substanz dieser Gesellschaft aktiv auszuüben (was nebenbei nichts mit dem Verzicht auf die Inanspruchnahme externer Ex- pertise zu tun hat). Sie können die längerfristige För- derung mangels Kapazität nur selten übernehmen – aber wichtiger ist: Sie sollten dies auch nicht. Das ist für Förderstiftungen wie die Kulturstiftung des Bundes alles andere als bequem, denn es kostet Sym- pathien: Sympathien der (dauerhaft) Geförderten, die meist zu den prominenteren Protagonisten des kultu- rellen Lebens gehören; Sympathien der Kulturpoliti- ker (und das sind ja oft die eigenen Zuwendungsge- ber), die von dauerhaften finanziellen Belastungen und vom Streit über Kürzungen oder ausbleibende Steige- rungen befreit werden; Sympathien der Medien, die mangels ordnungspolitischer Prinzipientreue der Si- cherung (oder besser noch: Rettung!) arrivierter Ein- richtungen gegenüber zeitlich begrenzten Interventi- onen den Vorzug geben; und schließlich Sympathien des eigenen Apparates, denn Dauerförderung erlaubt Routinen, und das heißt: weniger Arbeit. Ein solcher Appell birgt natürlich außerdem das Risi- ko, dass sich die Politik auch finanzielle Ressourcen zu Lasten der Förderstiftungen zurückholt. Dem kön- nen sich diese zu Recht nur in dem Maße erfolgreich erwehren, in dem sie durch die Qualität ihrer Inter- ventionen den eigenen Relevanznachweis führen und sich nicht in den Nischen dekorativen Beiwerks oder skurriler Avantgarden marginalisieren lassen. Aber das ist ein anderes Thema.

Alexander Farenholtz ist Vorstand / Verwaltungsdi- rektor der Kulturstiftung des Bundes. Fokke Peters Abendstimmung auf der Expo 2000 Foto Klaus Selle Evening atmosphere at the Expo 2000. Photo: Klaus Selle ist Justitiar der Kulturstiftung des Bundes

Festivalitis, the Misfortune of Event Culture By Alexander Farenholtz and Fokke Peters

The statutes of the German Federal Cultural Founda- anywhere, and opposing this manifestation of present- cipalities, but what and if something is offered lies at tion (Kulturstiftung des Bundes) lay out the day culture is not a plausible solution. the disposal of others—just as the schools belong to the Foundation’s commitment to the support of projects The phenomenon of the festival is merely part of a more cities, yet education is not discussed in local councils. as a founding principle. Lawyers, though, know what general development whereby the funding of individual This comparison falters of course, because education is this means: principles have exceptions. Thus, even the projects (which is by definition short-lived) has in re- nonetheless politically debated, especially in the state Impressum Cultural Foundation is not schematically exempt from cent years moved to the forefront at the expense of long- parliaments. Yet in the course of the development de- the reflection on issues surrounding cultural patrona- term financial support for museums and theatres. scribed above, the products of cultural life are comple- Europa Kultur Stadt ge: sustainability versus flash-in-the-pan support, The wide-spread critique of this development may be tely dispelled from the political debate, and the few making the system more flexible versus allowing the justified. But I would like here to put forth a different mandate bearers in the supervisory boards of foundati- Eine Beilage des Deutschen current model to ossify and become ineffective. argument, a plea for the dogma of foundation-suppor- ons are also at a loss to keep this development at bay. Kulturrates und der ted project patronage. From a political perspective, this is anything but incon- Kulturstiftung des Bundes Event culture and the impulse to realise culture in the Support for culture in Germany is a public matter. This is venient, for when further financial restrictions are in in politik und kultur form of festivals are denounced, and not only in the feuil- not to be taken for granted and, as we can see by looking sight, it is enticing to tiptoe around such political mine- letons, as an expression of short-windedness, populism at circumstances elsewhere, is by no means a necessity fields as quietly as possible. and a fixation on quotas—as phenomena that subtract by world standards. But this situation is a characteristic Yet in order to preserve the above-mentioned competi- that sets Germany apart. For the time being, it is one of from the cultural, human and financial capital which tive advantage in a global playing field of societal mo- Herausgeber established cultural institutions have managed to secu- a few unsurpassable competitive advantages of a socie- dels, this is a conflict that, from a political standpoint, Deutscher Kulturrat e.V. re over the years. For many, the World’s Fair 2000 in tal model that has forfeited its leading position in other cannot be avoided. This is very much in the spirit of Kulturstiftung des Bundes Hanover serves as the most prominent example of this realms of international competition. If we want to hold German’s current Federal Minister of Finance, Hans Ei- phenomenon. To be sure, this large event alone cost a onto this societal model, it does not matter whether we chel, who so fondly speaks of his time as mayor of Kas- great deal of money, but culture in the region and the are discussing theatres, museums or festivals. The enti- sel, describing a city in which campaigns for municipal Deutscher Kulturrat rest of the country did not demonstrably suffer as a re- rety of what culture in Germany has to offer—this struc- office have on occasion been decided on questions of sult. If the World’s Fair 2000 can indeed be accused of ture, in other words—must remain in the hands of the art and culture. Chausseestraße 103, 10115 Berlin mistakes, these errors lie elsewhere, perhaps more in the res publica—of the municipalities, the states and the fe- Thus, an integral part of this is the appeal to federally or Tel.: 030/ 24 72 80 14 fact that it did not position itself rigorously enough deral government. It is at these levels that the main fo- municipally initiated foundations to take the dogma of $ax: 030/ 24 72 12 45 within the notable 150 year tradition of the World’s Fair cus of political interests must be laid out, be it with the project support seriously again and therewith to induce Internet: www.kulturrat.de as its contemporary cultural manifestation. In contrast, result that certain museums, theatres or festivals fall by democratically legitimised cultural politics to actively E-Mail: [email protected] it is amazingly easy to find examples of festivals suppor- the wayside. wield its political power-to-define over society’s cultu- ted by the Federal Cultural Foundation that manage to Against this backdrop, it would behove us to focus on a ral resources (a course of action which, as a sideline, has make a name for themselves—and this sometimes even certain development which, although it cannot be sub- nothing to do with renouncing the engagement of ex- Kulturstiftung des Bundes more successfully than „established“ institutions. Examp- stantiated here, has been widely reported as of late and ternal expertise). Due to a lack of capacity, these foun- $ranckeplatz 1 les include large events such as documenta or the Mu- remained undisputed: while the state and municipal cul- dations seldom are able to provide long-term support— 06110 Halle an der Saale siktage festival in Donaueschingen, but also smaller and tural budgets are more or less shrinking in proportion to but more importantly, they should not do so. Tel.: 030/ 24 72 80 14 newer festivals like the Werkleitz Biennial or garage in the general public budget, the number of politically ini- Understandably, foundations such as the Federal Cultu- $ax: 030/ 24 72 12 45 Stralsund, which no one would accuse of populism and tiated foundations is growing. For the most part, they ral Foundation may be a bit uneasy with such a develop- Internet: www.kulturstiftung-bund.de whose long-term success in their respective fields can are obliged by law or internal statutes to limit their ac- ment because it will cost them sympathies: the sympa- E-Mail: [email protected] hardly be disputed. tivities solely to project support. thies of long-term grant recipients, who often number There is thus nothing fundamentally suspect when it At first glance, the fear that, as a result of this develop- among the more prominent protagonists of cultural life comes to festivals, precisely because there are just as ment, society has dramatically departed from the main- in Germany; the sympathies of politicians involved in Redaktion many successful and forgettable festivals as there are tenance of established structures and institutions seems decisions on cultural life (let us not forget that they are Olaf Zimmermann (verantwortlich) successful and forgettable museums. an understandable reaction. Yet whoever reads the ca- often the financial contributors), whom the current sys- $riederike Tappe-Hornbostel, Events are a different story, however. These are one-time lendars of events, or the festival, exhibition and perfor- tem frees from long-term financial burdens and the fight Theo Geißler, Gabriele Schulz, occurrences designed for a particular occasion, such as mance programmes would be hard pressed to prove such over stagnating budgets and cuts in funding; the sym- Andreas Kolb company and city anniversaries, sealing a contract in the an effect. pathies of the media, who, due to a lack of ordnungspo- framework of city partnerships, the presentation of new Something else has happened: while institutional federal litischer Prinzipientreue, prefer to report on the stability automobile models or initial public offerings. and municipal support—strictly speaking against the law, (or better: salvation!) of established institutions rather Produktion und Layout: It is undisputed that such events increasingly tie up funds but with silent tolerance not only on the part of the than on short-term interventions; and finally the sym- ConBrio Verlagsgesellschaft that could be more beneficial to other realms of cultural state and federal parliaments, but also of the various pathies of their own organisations, since permanent sup- Brunnstraße 23, 93053 Regensburg life. Here, we need only keep in mind that we should audit offices themselves—until now has disguised itself port allows for routines, and routines mean less work. Tel: 0941/ 945 93 0 not, as a rule, look for the impetus for such events in as project support (and at the same time voiced loud Such an appeal harbours the risk, of course, that politi- $ax: 0941/ 945 93 50 cultural circumstances. For culture is „only“ taken ad- complaints about the unreasonable way in which cultu- cians will rescind public funding, forcing foundations to Internet: www.conbrio.de vantage of, or (if you please) instrumentalised, as part of ral support is treated as a mere „subsidy“), it is now in- bear the burden of patronage. These foundations can only E-Mail: [email protected] these events. Seen in this way, we need to ask if „taking creasingly limiting itself to the sheer physical preserva- justifiably fend off this course of events to the extent advantage of“, or instrumentalising, culture is better than tion of the key players in German cultural life. Using the that they prove their own relevance through the quality having no culture at all before we think about how the word „life“ is actually going too far, for in reality we are of their work, and not allow themselves to be margina- Übersetzungen: funds could have been used more effectively („effecti- dealing with a ghost story: a bunch of museums without lised into the niches of a decorative accessory or outré ve“ in the sense that the outcome is better for culture, exhibits, orchestras that no longer play, festivals that avant-garde. But this is another subject. Andrew Boreham, Elizabeth Boshold, not the occasion). Of course there are many superfluous, only appear in programmes, which themselves cannot Mathew Gaskins even irksome events, but there are also delightful ones: be printed anymore… were it not for the support of pro- Alexander Farenholtz is the Administrative Director of in Halle, for instance, many are looking forward to the jects by foundations and other contributors. the Federal Cultural Foundation city’s 1200-year anniversary in 2006. In other words, the Theatres, museums, orchestras and festivals may belong Fokke Peters is General Counsel to the Federal Cultu- fuss about festival and event culture seems does not lead (to use a non-technical term) to the states and muni- ral Foundation