Unser Eichsfeld in Geschichte Und Gegenwart
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64. Jahrgang Heft 3/4 2020 H 11859 Unser Eichsfeld in Geschichte und Gegenwart • Ostern im Eichsfeld in früheren Jahren • Handschriftenfragmente von • Die Lenteröder Warte Johann Wolf • Ende des Zweiten Weltkriegs in • Zwangsarbeiter in Kalteneber Birkenfelde (1939–1945) • 75 Jahre Kriegsende in Struth • Dramatischer Vogelzug März 2013 • Zur Dicken Eiche auf dem Zehnsberg • Eichsfelder Militärseelsorger • Das Werratal auf Stammbuchblättern 1848 bis 1945 Burg Hanstein 5,40 EUR incl. 7 % MWSt Das Eichsfeld sehen, fühlen und schmecken – das entspannte Dorfhotel DER KRONPRINZ lädt ein. Der Kronprinz | Fuhrbacher Str. 31-33 | 37115 Duderstadt / Fuhrbach [email protected] | www.der-kronprinz.de JETZT ONLINE Infos, Kultur, Historisches und Termine rund um Duderstadt https://clanys-eichsfeld.blog Eichsfelder Heimatzeitschrift – Unser Eichsfeld in Geschichte und Gegenwart 61 Heimatkunde Ostern im Eichsfeld in früheren Jahren Von Mathias Degenhardt Osterbräuche sind im Brauch- tum des Eichsfeldes tief ver- wurzelt und lassen die zentrale Bedeutung des Osterfestes für die Christenheit in besonderer Weise nach außen sichtbar werden.1 Allerdings sind auch sie im Wandel und nehmen in unserer Wahrnehmung stetig ab. Diesen Schwund an Brauchtum und Tradition hatte man bereits in der ers- ten Hälfte des 20. Jahrhun- derts bemerkt, da Medien, wie das Radio, Einzug hiel- ten, als auch die anhaltende Abb. 1: Das Schmücken der Dorfbrunnen zu Ostern, wie hier Verstädterung, Industrialisie- in Breitenholz 2019, ist auf dem Eichsfeld noch heute weit rung, Popkultur, Saisonarbeit, verbreitet. Foto: Mathias Degenhardt. Auswanderung und auch Ideologien ihre und der auflodernde Brand vom Priester Einflüsse das Eichsfeld deutlich spüren lie- gesegnet. Nach der Feuerweihe trägt jeder ßen. Welche Osterbräuche man um 1930 Knabe, der Holz zum Osterfeuer brachte, noch kannte, wie man sie zelebrierte und sein angekohltes Scheitholz, ,Osterbrand‘ wahrnahm, zeigen Pressemitteilungen. genannt, nach Hause, wo es aufbewahrt „Karsamstag und Ostern auf dem Eichs- wird. Steht im Laufe des Jahres ein Ge - felde witter drohend am Himmel, so wird der Die ,Vorfeier der Auferstehung‘ beginnt geweihte Osterbrand teilweise auf dem in der Frühe des Karsamstags mit der Herde verbrannt, um dadurch Haus und Feuerweihe. Zu diesem Zwecke wird auf Hof zu schützen. Früher machte man auf einem freien Platze neben der Kirche ein dem Eichsfelde mit der Kohle vom Oster- Haufen Holzscheite errichtet. Das Feuer brand drei Kreuze oberhalb der Stalltür, um wird aus einem Kieselstein geschlagen das Vieh vor bösen Einflüßen zu schützen. Titelbild: Die Burg Hanstein erfuhr im Jahr 1070, also vor exakt 950 Jahren, ihre erste urkundliche Erwähnung anlässlich ihrer Zerstörung durch König Heinrich IV., worüber der Benediktiner Lam- pert von Hersfeld in seinen „Annalen“ zuverlässig berichtete. Während von der ursprünglichen Burg und deren Nachfolgerin nichts mehr vorhanden ist, thront die heutige Anlage als drittes Bauwerk noch immer beeindruckend über dem Werratal. Die Familie von Hanstein ließ sie im Auftrag des mainzischen Landesherrn ab 1308 erbauen, bewohnte und verteidigte sie bis in die Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg. Die imposante spätgotische Ruine übt seit dem Ende des 18. Jahrhunderts eine magische Anziehungskraft auf Geschichtsinteressierte und Wanderer aus und gilt heute als eine der schönsten Burganlagen Mitteldeutschlands. Foto: Josef Keppler. 66 Eichsfelder Heimatzeitschrift – Unser Eichsfeld in Geschichte und Gegenwart oberen Turmgeschoss erforderlichenfalls nen. Nach Rauchzeichen-Weitergabe an ein stark qualmendes Feuer zu entfachen den Türmer der Altstädter Kirche „St. Ma- und mit dessen Hilfe die Wachhabenden rien“ in Heiligenstadt konnte dieser nach des Heiligenstädter Wartensystems in der Vorschrift reagieren, die Schließung der Rengelröder und der Fegebankswarte Stadttore veranlassen oder ggf. notwen- auf Problemsituationen aufmerksam zu dige Gegenmaßnahmen einleiten. machen resp. vor Eindringlingen zu war- Foto und erläuternder Text: Josef Keppler. Erinnerungen an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren in Birkenfelde Von Werner Grieß Als der Zweite Weltkrieg im September jedoch noch in guter Erinnerung. Aus der 1939 mit dem Überfall auf den Sender Nachbarfamilie Rehbein war der Sohn Gleiwitz begann, war ich im dritten Le - Martin auf Heimaturlaub. Er war Gefreiter bensjahr. Ich lebte wohlbehütet als Einzel- in einem Panzerregiment und trug eine kind meiner Eltern in meinem Heimatort schwarze Uniform. Es sollte sein letzter Birkenfelde. Heimaturlaub sein, denn er fiel am 27. Mein Vater war wegen einer Sehschwäche September 1942 im Kampf um Stalingrad vom Wehrdienst zurückgestellt und im Ver- als 21-Jähriger. wandtenkreis der einzige Mann, der noch Nachbar Karl Rittmüller war ein sehr sport- nicht eingezogen worden war. Während die licher Typ. Auf einem jungen Pferd seines Frauen die Pflege der Hackfrüchte allein Vaters ritt er ohne Sattel, sich nur an der bewältigen mussten, war er in der Getrei- Mähne des Pferdes festhaltend, im gro- de- und Hackfruchternte immer sehr ge- ßen Tempo an unserem Haus vorbei. Auch fragt. Seine Erfahrungen als Landarbeiter für ihn war es der letzte Aufenthalt in der auf dem Rittergut Steinerhof kamen ihm Heimat. dabei zugute. Ich habe schon recht früh gelernt, wie man aus Getreidehalmen „Sei- Mein Großvater war Poststellenverwalter le“ zum Einbinden des Getreides dreht. In in Birkenfelde. Bevor gegen 9.30 Uhr das der Kartoffelernte bestand die Aufgabe der Postauto kam, nahm er die abgehende Kinder im sogenannten „Abstöpeln“ der am Post an. Briefe, Karten, Päckchen und Pa- Kraut verbliebenen Kartoffeln. kete mussten mit einem Stempel versehen werden, der den Aufgabeort enthielt. Die Die größeren Bauern besaßen da schon Aufgabe fiel mir oft zu, sodass ich, als ich Mähbinder bzw. Kartoffelroder. Der „kleine am 23. August 1943 eingeschult wurde, Mann“, der für die Selbstversorgung der schon recht gut lesen und auch leidlich Familie ein bis zwei Morgen Ackerland be- schreiben konnte. Die ankommende Post saß, musste noch viel Handarbeit verrich- wurde straßenweise sortiert, ehe sie dann ten und war froh, wenn der Bauer das Feld in die einzelnen Haushalte ausgetragen für den Anbau vorbereitete. Die Gegenleis- wurde. Beim Sortieren durfte ich dem tung bestand dann im sog. „Tagelohn“, ei- Opa behilflich sein. Nicht selten warteten ner Tätigkeit auf den Feldern des Bauern. Angehörige auf die Feldpostbriefe schon Bis zu meinem fünften Lebensjahr habe auf unserem Flur. Mein Großvater geriet ich von den Kriegsereignissen wenig be- da mitunter in eine sehr unangenehme Si- wusst erfahren. Zwei Ereignisse sind mir tuation, wenn die Todesnachricht, die ein Eichsfelder Heimatzeitschrift – Unser Eichsfeld in Geschichte und Gegenwart 71 „Müsst alle sterben!“ 75 Jahre Kriegsende in Struth Ein Augenzeugenbericht von Elfriede Kieler (1926–2005) Mitgeteilt von Bertram Kieler Am 4. April 1945 vormittags besetzten re für nachfolgende Truppen gebraucht. Es amerikanische Truppen unser Dorf Struth. sei aber nur für eine Nacht, und am nächs- Hier, bei uns im Unterdorf1 verlief zunächst ten Tag würden sie weiterziehen. So wurde alles ruhig. Erst am Nachmittag mussten uns erzählt. Onkel August fragte, ob wir die unsere Häuser geräumt werden, um Quar- Nacht im Stall bleiben könnten, womit sie tiere für die Besetzer bereitzustellen. Auch einverstanden waren. So nahm jeder von wir2 wurden aufgefordert, unser Haus in 15 uns das Nötigste unter den Arm, und wir Minuten zu räumen. Schnell haben wir das zogen in den Stall. Nach einer Weile kam Nötigste auf den Handwagen geladen und der Ami wieder zurück und sagte: „Drüben unser Haus verlassen. das Nachbarhaus ist frei, alles rüber, hier viel Madam auf dem Hof, nicht gut.“ Es wa- Unsere Nachbarin Hedwig Fritsch war ren Tante Rosina, die Töchter Gertrud, Ida schon mit ihren drei Kindern und dem und Magdalena, Mutter und ich. Es wur- Handwagen vor ihrem Haus. Da wir nicht de wieder der Handwagen beladen – und wussten, wo wir hin sollten, sagte sie: ab ins Nachbarhaus zur Familie Venanz „Kommt mit zu meiner Schwester, wir hal- Richardt. ten uns in der Nacht im Sägewerk auf.“ Als wir den Kalten Berg3 hochkamen, stand Am Abend erschien ein amerikanischer Onkel August, Mutters Schwager, auf der Soldat, er war sehr unruhig und sprach gut Straße und holte uns ins Haus. Er hatte Deutsch. Er sagte, er sei deutscher Ab - uns schon gesucht und war froh, uns end- stammung. Die Großeltern von ihm seien lich zu finden. Berliner und nach Amerika ausgewandert. Nach einer kurzen Unterhaltung mit Ven- Die ersten Tage sind ruhig verlaufen, wir anz Richardt und Onkel August verließ er konnten jeden Morgen und jeden Abend wieder das Haus. Man hörte schon bald, zu Hause ohne Zwischenfälle unser Vieh dass geschossen wurde. Nach Mitternacht füttern. Auch hielten die Besatzer Ord - wurden die Schüsse immer heftiger. nung im Haus. Am 2. Tag hatte einer der amerikanischen Soldaten das Buch Es kann so gegen 2 Uhr in der Nacht ge- „Deutsch-Englische Grammatik“ in der wesen sein, da sah man im Rainsweg und Wohnung entdeckt, er fragte höflich, ob auf der Langen Straße deutsche Soldaten. er es behalten dürfte. Natürlich sagten Nun ahnten wir nichts Gutes und sind in wir ja, denn ein wenig Angst hatten wir den Keller gegangen. Die deutschen Sol- doch. Am nächsten Tag hatten sie drei daten sind von Küllstedt gekommen und Hühner geschlachtet und gebraten, aber haben die Amerikaner überrascht. Es kam sonst war alles in Ordnung. Kinder waren zu schweren