1 Musikstadt˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ Hamburg˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ Salons im Fanny-Hensel-Saal April – Juli 2012 Musikstadt Hamburg Salons im Fanny-Hensel-Saal April – Juli 2012

Eine Veranstaltungsreihe der Hochschule für Musik und Theater Hamburg unter Leitung von Prof. Dr. Beatrix Borchard in Kooperation mit Dr. Bettina Knauer und Prof. Marc Aisenbrey – gefördert durch die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und die Gerhard Trede-Stiftung. 5 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Inhalt

Vorwort 7

Salon I 8 Zwischenräume: Musik im Budge-Palais

Salon II 30 Von Schwänen und Hanseaten: Bürgerschaftsengagement in Hamburg

Salon III 48 Stars und Sterne: Hamburg als Auftrittsort

Salon IV 64 Zwischen Alster und Elbe (und Bille)

Tipps zum Lesen und Hören 76 Impressum 78 Bild- und Textnachweise 78 7 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Hamburg als neuentdeckte Stadt der Musik wird allerorten beschworen, aber was könnte „Musikstadt Hamburg“ jenseits von Hochglanzbroschüren bedeuten? … im Zusammenhang mit den diesjährigen Salons eine Öffnung von alten und neuen ­Räumen für Musik, das Aufzeigen von Orten kulturellen Handelns, die bei der Konzen- tration auf sog. „Leuchttürme“ und Stars mitunter in den Hintergrund geraten, die aber die Basis ­einer lebendigen Musikkultur bis heute bilden.

Für das selbstbewusste Hamburger Bürgertum, das sich eine Oper am Gänsemarkt baute, das in Privaträumen – wie im Fall des Senators und Dichters Barthold Hinrich Brockes eine Passion aufführte, das – wie Friedrich von Hagedorn, Johann Valentin Görner, Georg Philipp Telemann – das begleitete Sololied als Medium freundschaft- licher Geselligkeit entdeckte, das mit Louise Reichardt eine Musikvermittlerin, Kom­ ponistin und Veranstalterin in seinen Mauern besaß, die den Musikunterricht für ­höhere Töchter mit dem „Management“ geist­licher Musikfeste vor 5000 Besuchern zu verbinden wusste, war vom 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert die Durchlässigkeit zwischen privaten, halböffentlichen und öffentlichen Räumen konstitutiv. Und diese Durchlässigkeit war für die Etablierung einer lebendigen Musikkultur­ entscheidend.

Bis zum Kulturbruch durch die NS-Zeit waren jüdische und nichtjüdische Häuser Orte der kulturellen Selbstvergewisserung, oft auch des Experiments. So traten im Palais von Emma und Henry Budge nicht nur die berühmten Sänger ihrer Zeit wie Enrico ­Caruso und Ottilie Metzger-Lattermann auf, sondern auch ein Komponist wie der um- strittene Paul Hindemith wurde eingeladen mit seinem Quartett. Musik, so praktiziert und kommuniziert, ist Teil eines geselligen und gesellschaftlichen Beziehungsgefüges, bei dem sich die Wege der Ausführenden verschiedentlich kreuzen und zwischen pri- vatem Aufführungsort und öffentlichem ­Auftrittsort vielfältige Berührungen entstehen.

Durchlässigkeit, Korrespondenzen, gegenseitige Impulse, das gilt für die Beziehung zwischen den einzelnen Salons unserer Reihe untereinander und es gilt grundsätzlich für die Perspektiven, die vom quasi halböffentlichen Raum eines ehemaligen Privat- hauses über historische und aktuelle Institutionen sich auf Alster und Elbe erweitern. 9 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Salon I

Donnerstag, 26. April 2012 Zwischenräume: Musik im Budge-Palais 11 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Denn besonders, aber nicht nur jüdische Familien haben in allen europäischen Großstädten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts Räume für Musik jenseits des öffentli­chen Musiklebens geschaffen. Ihre Häuser waren Orte bürgerlicher Geselligkeit. Wir würden heute von Salon sprechen und meinen damit einen Aufführungsort in den eigenen vier Wänden vor geladenen Gästen, einen quasi ‚öffentlichen‘ Raum im Ge- gensatz zum nur der Familie vorbehaltenen Wohnzimmer bzw. den Privaträumen der einzelnen Familienmitglieder und eine besondere Kommunikationsform: verschie- dene Themen debattieren, gemeinsam musizieren, improvisieren, musikalische und literarische Gesellschaftsspiele, Tee und Butterbrote. Ein weiteres wichtiges Defini­ tionsmerkmal für „Salon“ im deutschen Kulturraum: eine Frau bildete das Zentrum der Geselligkeit, und der „Macht des Gespräches“ (Emilie Bilkski) wuchs an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert eine große politische Brisanz zu, und zwar sowohl im Hinblick auf die zumindest zeitweise Überwindung von Standesunterschieden als auch auf geschlechtsspezifische Rollenzuweisungen. Die Veranstaltung von Salons kann man historisch als ein vor allem von Frauen getragenes kommunikatives Experi- ment verstehen. Die Einrichtung eines Fanny-Hensel-Saals knüpft an diese Zwischen- und Experimentierräume an, die Musik als Beziehungskunst und den Dialog von ­Wissenschaft und Kunst, Musik und Literatur erlebbar machen. Fanny-Hensel-Saal Der entscheidende Aspekt für die Namensgebung ist jedoch: Fanny Hensel war eine der wichtigsten Musikerinnen des 19. Jahrhunderts. Mit ihrer Biographie, ihrem Fanny-Hensel-Denkmal und Fanny-Hensel-Platz in Hamburg, Fanny-Hensel-Weg in Wirken als Konzertveranstalterin in den eigenen vier Wänden und vor allem mit ihren Berlin, Fanny-Hensel-Grundschulen, Fanny-Hensel-Briefmarke – nun der Fanny-­ Kompositionen sind bis heute aktuelle Fragen verbunden. Denn wer sich heute mit Hensel-Saal in der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Man mag solche den Werken von Fanny Hensel beschäftigt, ist sofort mit Grundsatzfragen konfrontiert. Taufaktionen für oberflächlich erachten, aber sie dienen dazu, einen Namen in das Es beginnt schon mit dem Namen. Wie sie nennen: Fanny Zippora Mendelssohn? ­öffentliche Bewusstsein zu bringen. Aber wer war Fanny Hensel, warum wurde gerade ­Fanny Cäcilie Mendelssohn Bartholdy? Fanny Hensel? Fanny Hensel-Mendelssohn? ihr in unserer Hochschule ein Saal gewidmet? Fanny Hensel-Mendelssohn-Bartholdy? Oder auch nur Fanny? Für die ersten drei Zum einen weil sie Hamburgerin war, aber da war sie nicht die einzige. Dann war ­Versionen gibt es Argumente, der erste ist ihr Geburtsname, der zweite ihr Taufname, sie die „große“ Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy. Der Fanny-Hensel-Saal zu dem auch noch ein neuer Vorname, nämlich der Name der Schutzpatronin der bildet also künftig das Pendant zum Mendelssohnsaal. Die Geschwister stammten aus ­Musik, hinzukam. Den dritten schließlich führte sie ab ihrer Eheschließung, unter ihm einer jüdischen Familie. Da unsere Hochschule in einem Stadtpalais untergebracht ist, publizierte sie auch. Keine Argumente gibt es für den Doppelnamen. Gleich in welcher das bis zur NS-Zeit einer jüdischen Kaufmannsfamilie gehörte, die sehr viel für das Gestalt, ist er eine Konstruktion aus der Sicht von heute und verknüpft im Verkaufs­ Kulturleben in Hamburg getan hat, soll der Name des Raums auch an die Geschichte interesse von Schallplattenfirmen und Buchverlagen den unbekannten Komponisten- unseres Hauses erinnern. Viele Musiker der damaligen Zeit sind hier im Budge-Palais namen Hensel mit einem berühmten, dem Namen des Bruders, Felix Mendelssohn aufgetreten, darunter internationale Stars wie der Tenor Enrico Caruso oder die später Bartholdy. Die Anrede Fanny schließlich ist Ausdruck unangemessener Familiarität, in Auschwitz ermordete Altistin Ottilie Metzger-Lattermann. die leider im Umgang mit den Namen von Frauen weit verbreitet ist. Also haben wir Das Ehepaar Budge bot in seinem Haus allen ein Forum, selbst einem so umstrit- uns bei der Namensgebung für die ehemalige Alte Bibliothek auf den Namen Fanny tenen zeitgenössischen Komponisten wie Paul Hindemith. Damit stand es in einer Hensel geeinigt. großen Tradition, die mit einer Familie wie den Mendelssohns an der Wende vom Während die Namensfrage qua Vereinbarung relativ leicht zu lösen ist, stellt sich die 18. zum 19. Jahrhundert begann. Werkfrage sehr viel komplexer dar. Denn was ist das Werk von Fanny Hensel? Alles, was 12 13 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ sie jemals komponiert hat? Nur die wenigen Werke, die sie selber noch veröffentlichen konnte, also op. 1–7, einschließlich der Stücke, die sie bzw. ihr Bruder nach ihrem Zu Gast im Budge-Palais überraschenden Tode 1847 noch zum Druck vorbereitet hat, also einschließlich der Opusnummern 8–11? Der größte Teil dessen, was Fanny Hensel komponiert hat, ist uns nur in mit vielen Korrekturen übersäten Entwurfsfassungen überliefert, und selbst zu umfangreichen Stücken wie ihren drei Kantaten, die sie nachweislich zur Aufführung gebracht hat, fehlen Reinfassungen. Einer Handvoll autorisierter Opera in den Gattungen klavier­ begleitetes Sololied, Klavierlied, Chorlied, Klaviertrio stehen ca. 450 weitere Stücke auch anderer Gattungen gegenüber, von denen wir nicht wissen, ob Fanny Hensel mit ihrer Veröffentlichung einverstanden gewesen wäre, und wenn ja, in welcher ­Werkgestalt. Die Frage nach Fanny Hensels Werk löst eine Fülle von Überlegungen aus, die den Rahmen üblicher Editionsproblematik sprengen. Denn jede posthume Veröffent­ lichung ist mit der Konstruktion einer Werkgestalt verbunden, die durch die Kompo­ nistin selber nicht autorisiert ist. Das zwingt uns z. B., über unseren Werkbegriff, über Autorschaft, die Bedeutung von Entstehungs- und Aufführungsbedingungen für ihre Werke, der Adressierung ihrer Musik etc. neu nachzudenken. Henry Budge (1840–1928) Emma Ranette Budge, geborene Lazarus (1852–1937) Beatrix Borchard

Der klassizistische Villenbau des Architekten Martin Haller am Harvestehuder Weg 12 wurde 1884 als Wohnhaus errichtet und später mehrfach umgebaut. Ab 1903 war er der Wohnsitz von Henry und Emma Budge. In den Jahren 1909/1910 ließ Henry Budge als Geburtstagsgeschenk für seine vielseitig kunstinteressierte Frau auf der Rückseite einen im Stil des Historismus gehaltenen Saal anbauen, der, als Spiegelsaal eingerich- tet, privaten Theater- und Musikaufführungen diente. Der Gesamtumbau zum Budge- Palais dauerte bis 1913.

„Viele Hamburger nannten [das Palais] aber die ‚Badeanstalt‘, weil es so viele Bade­ zimmer hatte (20, so viel ich mich erinnere). Das kam daher, dass Budges von Amerika kamen, wo Badezimmer unbedingte Notwendigkeiten der Leute guten Tones gewor- den sind […]“ – erinnert sich Peter Kahn, der Großneffe Henry Budges, der in seiner Kindheit im Budge-Palais lebte.

Da sich das Leben der Budges – auch das gesellschaftliche – vorwiegend im privaten Rahmen abspielte, ist es heute schwierig, etwas Konkretes darüber zu sagen. Sicherlich ist der prächtige Spiegelsaal des Öfteren Zeuge von Festen, Empfängen, Privatkonzer­ Fanny Hensel, Portrait 1847. Stahlstich von Eduard Mandel ten und Theateraufführungen, Lesungen etc. gewesen. Paul Hindemith trat mit seinem nach einer Zeichnung von Wilhelm Hensel 14 15 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Quartett auf. Der große Enrico Caruso hat im Budge-Palais gesungen. Am Ottilie Metzger-Lattermann 9. März 1913 sang die Altistin Ottilie Metzger-Lattermann dort Franz Schu- Ottilie Metzger-Lattermann zählte An- berts Der Tod und das Mädchen. Sie war fang des 20. Jahrhunderts zu den heraus- von 1903 bis 1915 erste Altistin in Ham- ragenden Altistinnen Deutschlands und burg und trat bei Gastspielen von Enrico war insbesondere als Wagner-Interpretin Caruso in den weiblichen Titelrollen auf. Der Spiegelsaal im Budge-Palais – sehr gefragt. Von 1901 bis 1912 wirkte sie heute: Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg bei den Bayreuther Festspielen u. a. als Das Palais, das ganze Anwesen, muss Erda, Waltraute und 2. und 3. Norn mit. ­damals ein beeindruckendes Erschei- In ihrem Stammhaus, dem Hamburger nungsbild geboten haben. Die von Emma Budge liebevoll gepflegten Gärten (ca. Stadttheater, wurde sie 1910 neben 16.000 m²) reichten bis an das Alsterufer (auch ein Bootsstieg war dabei) und das Inne- ­Enrico Caruso als gefeiert. Sie re des Hauses barg eine schier unüberschaubare Fülle von Schätzen. Über die Jahre wirkte bei zahlreichen Ur- und Erstauf- hinweg hatte Emma Budge unter fachlicher Anleitung des damaligen Direktors des führungen mit, so in Hamburg 1905 bei Museums für Kunst und Gewerbe, Justus Brinkmann, systematisch eine Sammlung Siegfried Wagners Bruder Lustig, 1908 von wertvollen Kunstgegenständen aufgebaut. Hierzu gehörten neben Silber, Porzel- bei Leo Blechs Versiegelt und 1909 bei lan, Fayence und Kleinplastiken auch Möbel und Tapisserien – 1020 Teile zählte man Eugène d’Alberts Izëyl. Unter Gustav 1937 bei der Versteigerung des Nachlasses. Mahlers Leitung übernahm sie bei der Uraufführung der 8. Symphonie (Mün- chen, 12. 9. 1910) die 1. Altpartie des 1. Teils sowie die Partie der „Mulier Sama­ritana“ des 2. Teils. Bereits ab 1902 wurde sie wiederholt ans Covent Garden Opera House eingeladen, wo sie u. a. bei den englischen Erstaufführungen von Ottilie Metzger-Lattermann als Carmen Richard Strauss’ und Elektra mit- (Atelier Fr. Groth) wirkte. Neben Tourneen durch die USA, wo sie hauptsächlich Wagner-Rollen sang, aber auch die amerikanischen Erstauf­ führungen von Wilhelm Kienzls Der Evangelienmann und Eugène d’Alberts Die toten Augen mitgestaltete, brillierte sie schließlich während ihres letzten festen Engagements an der Dresdner Hofoper vor allem in Wagner-, Verdi- und Strauss-Rollen. Neben ihrer Bühnentätigkeit pflegte sie ein breit gefächertes Lied-Repertoire mit berühmten Be- gleitern wie Richard Strauss, Hans Pfitzner, Otto Klemperer und Karl Pembaur. Nach ihrem Bühnenabschied 1925 war sie ab 1927 als Gesangspädagogin in Berlin tätig, ab 1933 waren ihr als Jüdin nur noch Auftritte beim Jüdischen Kulturbund möglich. 1939 ging sie nach Belgien ins Exil, wo sie 1942 verhaftet und nach Auschwitz deportiert wurde. Paul Hindemith (rechts) 1933 beim Musizieren (mit Viola) – hier in Wien. v. l. n. r.: Bronisław Huberman (Violine), Pablo Casals (Cello), Artur Schnabel (Klavier) Gudrun Föttinger 16 17 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Rollenverzeichnis Ottilie Metzger-Lattermann Klytämnestra Elektra Richard Strauss Lucia Cavalleria rusticana Pietro Mascagni Rolle Stück Komponist Rollendebüt Maddalena Giuseppe Verdi Adriano Rienzi Richard Wagner Magdalena Der Evangelienmann Wilhelm Kienzl 1924 Altpartie Das Lied von der Gustav Mahler (US-amerikanische Erde Erstaufführung) Altsolo Parsifal Richard Wagner Maria von Magdala Die toten Augen Eugène d’Albert Amme Die Frau ohne Richard Strauss Mary Der fliegende Richard Wagner Schatten ­Holländer Amneris Aida Giuseppe Verdi Magdalene Die Meistersinger Richard Wagner Azucena Der Troubadour Giuseppe Verdi 1898 von Nürnberg Brangäne Tristan und Isolde Richard Wagner Orfeo Orpheus und Christoph Willibald Carmen Carmen George Bizet ­Euridike Gluck Czipra Der Zigeunerbaron Johann Strauss Ortrud Lohengrin Richard Wagner Dalila Samson und Dalila Camille Saint-Saëns Page Lohengrin Richard Wagner 1898 Dritte Norn Götterdämmerung Richard Wagner Schwertleite Walküre Richard Wagner Vermtl. 1902 (eigentlich Sopran- Ulrica Maskenball Giuseppe Verdi partie) Urme Bruder Lustig Siegfried Wagner 13. 10. 1905 Erda Rheingold (UA, Hamburg) Siegfried Richard Wagner Waltraute Götterdämmerung Richard Wagner Erste Altpartie im 8. Symphonie Gustav Mahler 12. 9. 1910 Zweite Norn Götterdämmerung Richard Wagner 1. Teil, sowie Mulier (UA, München) Samaritana im 2. Teil Erste Norn Götterdämmerung Richard Wagner Partien in Opern ohne genaue Rollenangabe Fidès Der Prophet Giacomo Meyerbeer Flosshilde Rheingold Richard Wagner Vermtl. 1901 Vermtl. Frau Gertrud Versiegelt Leo Blech 1908 (UA) Götterdämmerung (Mezzosopran) oder Fricka Rheingold Richard Wagner Vermtl. 1898 Frau Willmers (Alt) Gertrud Izëyl Eugène d’Albert 1909 (UA) Hänsel und Gretel Engelbert Humper- dinck Gräfin Der Wildschütz Albert Lortzing Grimgerde Die Walküre Richard Wagner Vermtl. 1901 Herodias Salome Richard Strauss 1910 (Londoner Erstaufführung) 19 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Steine des Anstoßes als späte Geste

Auf den Gehsteigen der Hamburger Straßen bieten sie inzwischen einen vertrauten Anblick, die kleinen quadratischen Messingplatten mit eingravierten Namen und ­Daten: „Stolpersteine“ – über 4000 sind seit 2002 allein in Hamburg verlegt worden, um die Erinnerung an ehemalige Hamburger Mitbürgerinnen und Mitbürger wach zu halten, die Opfer der NS-Verfolgung wurden. Die Idee, kleine Gedenksteine für einzel- ne namentlich bekannte Opfer des nationalsozialistischen Regimes an ihrer letzten Wohn- oder Wirkungsstätte zu setzen, geht zurück auf die Initiative des Künstlers ­Gunter Demnig, der die „Stolpersteine“ selbst fertigt und verlegt. Bereits an über 30.000 Menschen wird auf diese Weise in vielen Städten Deutschlands und europäi­ schen Nachbarländern erinnert.

Im Sommer 2007 auf zwei neue Stolper- steine vor dem Eingang der eigenen Hochschule zu stoßen, dürfte jedoch viele der hier Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden tatsächlich gedank- Ottilie Metzger-Lattermann lich zum Stolpern, zum Innehalten ge- (Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth) bracht haben. Unmissverständlich ge- ben sie zu verstehen, dass also auch das Budge-Palais eines dieser vielen tausend Hamburger Häuser ist, deren einstige Bewohner zu Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung wurden. Es war allgemein kaum bekannt, dass auch bisher nicht benannte Verwandte des Hamburger Ehepaares Budge in diesem Hause wohnten und persönlich die nationalsozialistische Verfolgung erleiden mussten. Zwar informiert seit 1993 eine Wandtafel neben dem Haupteingang In Ottilie Metzger-Lattermanns Fall ist bekannt, dass 1942 über hundert Hamburger der Hochschule für Musik und Theater über Daten zur Geschichte des Gebäudes, ihre und Altonaer mit einer Petitionsliste zu erreichen versuchten, dass die von ihnen allzu knappen Zeilen geben jedoch vom tatsächlich geschehenen Unrecht nichts zu verehrte Sängerin ihre Freiheit zurückerhielt; eine Aktion, die leider nicht nur ver- erkennen: Von der unrecht­mäßigen Entziehung des immensen Budge-Nachlasses geblich blieb, sondern den Petenten massive Drohungen eintrug. Einer der Petenten, durch die Nationalsozialisten und dem Pseudo-Wiedergutmachungsverfahren, das der Gewerbelehrer Jacob Gustav Holler, bekam vom Gauleiter Karl Kaufmann eine nach dem Krieg bewusst an den rechtmäßigen Erben vorbei arrangiert wurde, von bis scharfe Rüge. Im Jahr darauf wurde er aufgrund einer Denunziation verhaftet und heute fortdauernden Ungereimtheiten, geschweige denn von Todesopfern. Anlässlich im KZ Neuengamme am 3. Dezember 1944 ermordet. der offiziellen Rückbenennung des Altbaus als „Budge-Palais“ angebracht, wird sie der Funktion als Gedenktafel auch nicht ansatzweise gerecht – immerhin gewährleistet (Nachzulesen in: Berndt W. Wessling, Unser Friedhof – Stiller Weg Nr. 28, ihre Inschrift, dass der Name Budge in Hamburg im Gedächtnis bewahrt bleibt. ­Kirchengemeinde Groß Flottbek, Hamburg 1997, S. 71–84; für den Hinweis Die beiden „Stolpersteine“, die nun, wenige Schritte von der Wandtafel entfernt, danken wir Joist Grolle). den Eintretenden in den Weg gelegt wurden, wirken als notwendige Ergänzung. 20 21 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

­Allerdings dürften die eingravierten ihrer Lebensgeschichte. Lediglich einer ­Namen einige Leser irritieren: Während alten Meldekarte Siegfried und Ella die Namen Emma und Henry Budge der Budges, archiviert im Bestand des Ins­ einstigen jüdischen Eigentümer des titutes für Stadtgeschichte Frankfurt, Budge-Palais wohl allen, die heute in der ­lassen sich grobe Eckdaten entnehmen: Hochschule zu tun haben, vertraut sein Als Ella Henriette Mayer wurde sie am werden, hat wohl kaum jemand von 8. Mai 1875 in einer jüdischen Familie in Dr. Siegfried und Ella Budge, den letzten Frankfurt am Main geboren, ihre Eltern rechtmäßi­gen Bewohnern des Budge- waren Louis Mayer und Marie Mayer, ge- Palais, gehört. Die Steine geben Anstoß, borene Strauß. Am 16. 8. 1897 heirateten nach dem Schicksal dieser Personen zu Ella und Siegfried Budge in Frankfurt. fragen und sie so aus dem Dunkel des Die Meldekarte vermerkt eine Tochter: Vergessenseins zu holen. Nelly Budge, geboren am 30. 6. 1898 in Frankfurt. Ella Budge und ihr Ehemann Siegfried Budge, am 18. 6. 1869 in Frank- waren nach Emma Budges Tod 1937 die furt am Main geboren, war ein Neffe rechtmäßigen Bewohner des Budge-­ von Henry Budge, der Sohn von dessen Palais, bevor es noch im gleichen Jahr Bruder Max und seiner Frau Rosalie, von den Nationalsozialisten in Beschlag ­geborene Samson aus Hamburg. Nach Dr. Siegfried Budge (1869–1941) Ella Budge (1875–1943) genommen und vom Gauleiter Karl dem Studium der Rechtswissenschaften Kaufmann zur Reichsstatthalterei um- und der Heirat mit Ella Henriette Mayer funktioniert wurde. Nach dem Tode (1897) eröffnete Siegfried Budge eine Rechtsanwaltspraxis in Frankfurt. Er schloss ein ihres Mannes wurde Ella Budge am 11. 4. 1942 von der Hamburger Gestapo verhaftet Studium der Nationalökonomie an, habilitierte sich 1921 an der Universität Frankfurt und ins Konzentrationslager und Polizeigefängnis Fuhlsbüttel in Hamburg verschleppt, bei Franz Oppenheimer und lehrte von 1925 bis 1933 als Professor für Nationalöko­ wo sie – ohne ersichtlichen Grund – über drei Wochen festgehalten wurde. Es ist wahr- nomie an der Universität Frankfurt. Er wurde als Fachmann der Volkswirtschaft ins­ scheinlich, dass ihr ein sogenanntes Devisenvergehen angehängt wurde, ein von der besondere auf dem Gebiet der Geldtheorie bekannt. Der philanthropischen Familien- Gestapo häufig konstruierter Vorwand zur Ausschaltung der jüdischen Bevölkerung. tradition der Budges folgend, war er Vorstandsmitglied der „Max und Rosalie Budge- Dass Ella Budge 1942 ausgerechnet im KZ Fuhlsbüttel eingesperrt wurde, das von Stiftung“ für sozial Bedürftige; auch betätigte er sich als Kunstsammler. Bereits im demjenigen eingerichtet worden war, der nun die repräsentative Anlage ihres einstigen März 1933 wurde ihm als Jude die Lehrbefugnis entzogen – ausgerechnet von der Uni- Hauses für seine Machtausübung missbrauchte, zeigt den Zynismus der nationalsozia- versität, die sein Onkel Henry Budge als Gründungsmitglied mit großzügigen Spenden listischen Gewaltherrscher. Nur einige Wochen nach ihrer Entlassung aus der Gestapo- bedacht hatte. Nach erfolglosen Bemühungen Siegfried Budges um eine Anstellung im Haft erhielt sie den Deportationsbefehl. Am 19. 7. 1942 wurde Ella Budge zusammen Ausland zogen er und seine Frau 1934 auf Einladung Emma Budges nach Hamburg in mit 700 anderen Hamburger Bürgern nach Theresienstadt deportiert. Den dort herr- ihr Palais an der Alster. Nach dem Tode Emma Budges am 14. 2. 1937 mussten sie die schenden unmenschlichen Bedingungen erlag sie am 6. November 1943. Villa verlassen. Die folgenden vier Jahre in Hamburg sollten für sie eine demütigende Ihr Name ist einer von 8877 Namen, die im Gedenkbuch „Hamburger jüdische Suche nach Unterkunft bedeuten – viele Male mussten sie umziehen. Siegfried Budge ­Opfer des Nationalsozialismus“ erfasst sind. Es dokumentiert die große Zahl der jüdi­ starb am 1. September 1941 infolge schwerer Krankheit. schen Bürgerinnen und Bürger Hamburgs, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verfolgt wurden und zu Tode kamen. Das Wissen über Ella Budge ist verschwindend gering. Es scheint, dass sie durch die Livia Gleiß NS-Verbrechen nicht nur ihres Lebens beraubt wurde, sondern auch eines großen Teils 22 23 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Felix Mendelssohn Bartholdy Fanny Hensel Ein Brief von Ella Budge (1809–1847) (1805–1847)

Angesichts des heutigen geringen Wissens über Ella Budge kommt es einem Wunder Auf Flügeln des Gesanges Wenn ich in deine Augen sehe gleich, dass doch Worte dieser Frau bewahrt werden konnten, persönliche Worte als Auf Flügeln des Gesanges, Wenn ich in deine Augen sehe, Zeilen eines Briefes, den Ella Budge an ihre Enkel schrieb. Der Enkel Prof. Peter Kahn Herzliebchen trag’ ich dich fort, so schwindet all mein Leid und Wehe; (1921–1996) gibt beachtenswerte Gedanken dieses Briefes in seiner Denkschrift Fort nach den Fluren des Ganges, Doch wenn ich küsse deinen Mund, ­wieder: Dort weiß ich den schönsten Ort. so werd ich ganz und gar gesund.

Dort liegt ein rothblühender Garten Wenn ich mich lehn an deine Brust, „Bevor meine Großmutter aus Hamburg abtransportiert wurde, schrieb sie uns einen Im stillen Mondenschein; kommt’s über mich wie Himmelslust; Brief, den ein Freund, wohl unter großer Gefahr, für uns (die Enkelkinder) bis nach Die Lotosblumen erwarten Doch wenn du sprichst: „Ich liebe dich!“, dem Krieg aufbewahrte und der uns dann nach großen Schwierigkeiten erreichte. Ihr trautes Schwesterlein. so muss ich weinen bitterlich. In diesem Brief schrieb unsere Großmutter“: Heinrich Heine (1797–1856) Nun will es das unerbittliche Schicksal, dass alle Juden aus Hamburg evakuiert werden, Die Veilchen kichern und kosen, Und schau’n nach den Sternen empor; und zwar schon im Juli, so dass nunmehr keine Gewissheit für mich besteht, Euch – Aus meinen Tränen sprießen wenn überhaupt – in absehbarer Zeit umarmen zu dürfen […]. Beim Verlassen Deutsch- Heimlich erzählen die Rosen lands habe ich unterschreiben müssen, dass ich dem Deutschen Reich mein Vermögen Sich duftende Mährchen in’s Ohr. Aus meinen Tränen sprießen viel blühende Blumen hervor, freiwillig gebe […]. Ihr könnt diesen Gewaltakt als Amerikaner nach Kriegsende anfech- Es hüpfen herbei und lauschen Und meine Seufzer werden ten, sollte ich nicht mehr am Leben sein. (Peter Kahn 1986, S. 16) Die frommen, klugen Gazell’n; ein ­Nachtigallenchor. Und in der Ferne rauschen Es sind Zeilen, geschrieben in auswegloser Lage, in der Ella Budge alles genommen Des heiligen Stromes Well’n. Und wenn du mich lieb hast, Kindchen, worden war, was ihre Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben hätte erhalten schenk’ ich dir die Blumen all. Dort wollen wir niedersinken ­können. Sie hatte das Leid, unter nationalsozialistischer Gefängnisaufsicht Häftling zu Und vor deinem Fenster soll klingen Unter dem Palmenbaum, sein, im KZ Fuhlsbüttel schon erfahren müssen. Und dennoch sind diese Worte nicht das Lied der Nachtigall. Und Liebe und Ruhe trinken, nur Ausdruck von Resignation und Verzweiflung, sondern lassen neben der Liebe zu Heinrich Heine (1797–1856) Und träumen seligen Traum. ihrer Familie auch den starken Gerechtigkeitssinn einer Persönlichkeit erahnen, die Heinrich Heine (1797–1856) auch in dieser extremen Situation ihre Würde bewahrte. Im wunderschönen Monat Mai Leise zieht durch mein Gemüt Im wunderschönen Monat Mai, Als alle Knospen sprangen, Leise zieht durch mein Gemüt Da ist in meinem Herzen Liebliches Geläute. Die Liebe aufgegangen. Klinge, kleines Frühlingslied. Heinrich Heine (1797–1856) Kling hinaus ins Weite. Kling hinaus, bis an das Haus, Morgenständchen Wo die Blumen sprießen. Wenn du eine Rose schaust, In den Wipfeln frische Lüfte, Sag, ich laß sie grüßen. fern melod’scher Quellen Fall, Heinrich Heine (1797–1856) durch die Einsamkeit der Klüfte Waldeslaut und Vogelschall. 24 25 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Scheuer Träume Spielgenossen Über allen Gipfeln Warum bin ich selbst so krank und trüb? Ihr Vöglein singt munter hernieder, steigen all beim Morgenschein Mein liebes Liebchen sprich? wir singen lustig hinaus, Ist Ruh, auf des Weinlaubs schwanken Sprossen O sprich mein herzallerliebstes Lieb, wenn der Lenz kommt, In allen Wipfeln dir zum Fenster aus und ein. warum verließest du mich? kehren wir wieder, Spürest du Heinrich Heine (1797–1856) wieder in Nest und Haus, Und wir nahn noch halb in Träumen, Kaum einen Hauch; von Süden! Jetzt aber hinaus! und wir tun in Klängen kund, Die Vögelein schweigen im Walde. Wandrers Nachtlied Anonym was da draußen in den Bäumen Warte nur, balde singt der weite Frühlingsgrund. Ruhest du auch. Der du von dem Himmel bist, Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) Alles Leid und Schmerzen stillest, Regt der Tag erst laut die Schwingen, Richard Strauss Den, der doppelt elend ist, sind wir alle wieder weit, (1864–1949) Abendbild Doppelt mit Erquickung füllest, aber tief im Herzen klingen Ach ich bin des Treibens müde! lange nach noch Lust und Leid. Friedlicher Abend senkt sich aufs Gefilde, Mädchenblumen op.22 Was soll all der Schmerz und Lust? Joseph von Eichendorff (1788–1857) sanft entschlummert Natur, Gedichte von Felix Dahn (1834–1912), Süßer Friede, um ihre Züge schwebt der Dämmerung für eine Singstimme mit Pianoforte­ Komm, ach komm in meine Brust! Nachtwanderer zarte Verhüllung, begleitung Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) und sie lächelt, die holde, Er reitet nachts auf einem braunen Roß, 1. Kornblumen Er reitet vorüber an manchem Schloß: Lächelt, ein schlummernd Kind, Bergeslust Schlaf droben, mein Kind, bis der Tag in Vaters Armen, Kornblumen nenn ich die Gestalten, O Lust, vom Berg zu schauen erscheint, der voll Liebe zu ihr sich neigt, die milden mit den blauen Augen, weit über Wald und Strom, Die finstre Nacht ist des Menschen Feind! sein göttlich Auge weilt auf ihr, die, anspruchslos in stillem Walten, hoch über sich den blauen, und es weht sein Odem den Tau des Friedens, den sie saugen Er reitet vorüber an einem Teich, den tiefklaren Himmelsdom. über ihr Antlitz. aus ihren eigenen klaren Seelen, Da stehet ein schönes Mädchen bleich Nikolaus Lenau (1802–1850) Vom Berge Vögelein fliegen mitteilen allem, dem sie nahen, Und singt, ihr Hemdlein flattert im Wind: und Wolken so geschwind, bewußtlos der Gefühlsjuwelen, Vorüber, vorüber, mir graut vor dem Kind! Warum sind denn die Rosen so blaß? Gedanken überfliegen die sie von Himmelshand empfahn. Er reitet vorüber an einem Fluß, die Vögel und den Wind. Warum sind denn die Rosen so blaß? Dir wird so wohl in ihrer Nähe, Da ruft ihm der Wassermann seinen Gruß, o sprich mein Lieb warum? Die Wolken ziehn hernieder, als gingst du durch ein Saatgefilde, Taucht wieder unter dann mit Gesaus, Warum sind denn im grünen Gras das Vöglein senkt sich gleich, durch das der Hauch des Abends wehe, Und stille wird’s über dem kühlen Haus. die blauen Veilchen so stumm? Gedanken gehn und Lieder voll frommen Friedens und voll Milde. Wann Tag und Nacht im verworrnen Streit, Joseph von Eichendorff (1788–1857) Warum singt denn mit so kläglichem Laut, Schon Hähne krähen im Dorfe weit, 2. Mohnblumen die Lerche in der Luft? Da schauert sein Roß und wühlet hinab, Nach Süden Warum steigt denn aus dem Balsamkraut Mohnblumen sind die runden, Scharret ihm schnaubend sein eigenes verwelkter Blütenduft? Von allen Zweigen schwingen rotblutigen gesunden, Grab. sich wandernde Vögel empor, die sommersproßgebraunten, Joseph von Eichendorff (1788–1857) Warum scheint denn die Sonn’ auf die Au, weit durch die Lüfte klingen die immer froh gelaunten, so kalt und verdrießlich herab? hört man den Reisechor, kreuzbraven, kreuzfidelen, Warum ist denn die Erde so grau, nach Süden, nach Süden tanznimmermüden Seelen; und öde wie ein Grab? in den ewigen Blumenflor. die unter’m Lachen weinen und nur geboren scheinen, 26 27 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ die Kornblumen zu necken, 4. Wasserrose Hugo Wolf Die Nacht und dennoch oft verstecken (1860–1903) Kennst du die Blume, die märchenhafte, Nacht ist wie ein stilles Meer, die weichsten, besten Herzen, aus den Eichendorff-Vertonungen sagengefeierte Wasserrose? Lust und Leid und Liebesklagen im Schlinggewächs von Scherzen; Sie wiegt auf ätherischem, schlankem Kommen so verworren her die man, weiß Gott, mit Küssen Verschwiegene Liebe Schafte In dem linden Wellenschlagen. ersticken würde müssen, das durchsicht’ge Haupt, das farbenlose, Über Wipfel und Saaten wär’ man nicht immer bange, Wünsche wie die Wolken sind, sie blüht auf schilfigem Teich im Haine, In den Glanz hinein - umarmest du die Range, Schiffen durch die [stillen]1 Räume, gehütet vom Schwan, der umkreiset sie Wer mag sie erraten, sie springt ein voller Brander Wer erkennt im lauen Wind, einsam, Wer holte sie ein? aufflammend auseinander. Ob's Gedanken oder Träume? -- sie erschließt sich nur dem Mondenscheine, Gedanken sich wiegen, mit dem ihr der silberne Schimmer Die Nacht ist verschwiegen, Schließ' ich nun auch Herz und Mund, 3. Epheu gemeinsam: Gedanken sind frei. Die so gern den Sternen klagen, Aber Epheu nenn’ ich jene Mädchen so blüht sie, die zaub’rische Schwester Leise doch im Herzensgrund Errät’ es nur eine, mit den sanften Worten, der Sterne, Bleibt das linde Wellenschlagen. Wer an sie gedacht, mit dem Haar, dem schlichten, hellen umschwärmt von der träumerisch Beim Rauschen der Haine, um den leis’ gewölbten Brau’n, dunklen Phaläne, Wenn niemand mehr wacht, mit den braunen seelenvollen Rehenaugen, die am Rande des Teichs sich sehnet Hans Pfitzner Als die Wolken, die fliegen - die in Tränen steh’n so oft, von ferne, (1869–1949) Mein Lieb ist verschwiegen in ihren Tränen gerade sind und sie nimmer erreicht, wie sehr sie aus den Eichendorff-Vertonungen Und schön wie die Nacht. unwiderstehlich; sich sehne. ohne Kraft und Selbstgefühl, Wasserrose, so nenn’ ich die schlanke, Der Gärtner Der Musikant schmucklos mit verborg’ner Blüte, nachtlock’ge Maid, alabastern von Wangen, Wohin ich geh’ und schaue, doch mit unerschöpflich tiefer in dem Auge der ahnende tiefe Gedanke, Wandern lieb ich für mein Leben, In Feld und Wald und Tal, treuer inniger Empfindung als sei sie ein Geist und auf Erden gefangen. Lebe eben wie ich kann, Vom Berg hinab in die Aue; können sie mit eigner Triebkraft Wenn sie spricht, ist’s wie silbernes Wollt ich mir auch Mühe geben, Viel schöne, hohe Fraue, nie sich heben aus den Wurzeln, Wogenrauschen, Paßt es mir doch gar nicht an. Grüß ich dich tausendmal. sind geboren, sich zu ranken wenn sie schweigt, ist’s die ahnende Stille Schöne alte Lieder weiß ich, liebend um ein ander Leben: der Mondnacht; In meinem Garten find’ ich In der Kälte, ohne Schuh an der ersten Lieb’umrankung sie scheint mit den Sternen Blicke zu Viel’ Blumen schön und fein, Draußen in die Saiten reiß ich, hängt ihr ganzes Lebensschicksal, tauschen, Viel’ Kränze wohl draus wind’ ich Weiß nicht, wo ich abends ruh. denn sie zählen zu den seltnen Blumen, deren Sprache die gleiche Natur sie Und tausend Gedanken bind’ ich die nur einmal blühen. gewohnt macht; Manche Schöne macht wohl Augen, Und Grüße mit darein. du kannst nie ermüden, in’s Aug’ ihr zu Meinet, ich gefiel’ ihr sehr, Ihr darf ich keinen reichen, schau’n, Wenn ich nur was wollte taugen, Sie ist zu hoch und schön, das die seidne, lange Wimper umsäumt hat, So ein armer Lump nicht wär. – Die müssen alle verbleichen, und du glaubst, wie bezaubernd von Mag dir Gott ein’n Mann bescheren Die Liebe nur ohnegleichen seligem Grau’n, Wohl mit Haus und Hof versehn! Bleibt ewig im Herzen stehn. was je die Romantik von Elfen geträumt hat. Wenn wir zwei zusammen wären, Möcht mein Singen mir vergehn. 28 29 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Ich schein’ wohl froher Dinge Und schaffe auf und ab, Und, ob das Herz zerspringe, Ich grabe fort und singe, Und grab mir bald mein Grab.

Der Kühne

Und wo noch kein Wandrer gegangen, Hoch über Jäger und Roß Die Felsen im Abendrot hangen Als wie ein Wolkenschloß.

Dort zwischen den Zinnen und Spitzen Von wilden Nelken umblüht, Die schönen Waldfrauen sitzen Und singen im Wind ihr Lied.

Der Jäger schaut nach dem Schlosse: Die droben das ist mein Lieb! – Er sprang vom scheuenden Rosse, Weiß keiner, wo er blieb.

Abschied

Abendlich schon rauscht der Wald Aus den tiefsten Gründen, Droben wird der Herr nun bald An die Sternlein zünden. Wie so stille in den Schlünden, Abendlich nur rauscht der Wald.

Alles geht zu seiner Ruh. Wald und Welt versausen, Schauernd hört der Wandrer zu, Sehnt sich recht nach Hause. Hier in Waldes stiller Klause, Herz, geh endlich auch zur Ruh. 30 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Salon II

Donnerstag, 24. Mai 2012 Von Schwänen und Hanseaten: Bürgerschaftsengagement in Hamburg 32 33 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

wieder auf die Sparbremsen traten. Die Operndirektionen wechselten, einzig Die Hamburger ­Margaretha Susanna Kayser (geb. Vogel, geb. zwischen 1685 und 1690, gest. nach 1749), Gänsemarktoper eine berühmte Sängerin, behauptete sich über einen längeren Zeitraum. Fast 320 verschiedene Opern sind hier Zwischen Gänsemarkt und Binnen- aufgeführt worden und ermöglichen alster eröffnete 1678 die Gänsemarkt­ so einen Streifzug durch europäische oper, das „magnifique Operen-Hauß am Operngeschichte. Denn ein Großteil der Gansemarckt“. Das Opernhaus war kein Opern sind deutschsprachige Bearbei- Prunkbau, sondern ein unscheinbares tungen von italienischen oder französi­ Fachwerkhaus, in dem eine Bühne mit Hamburger Oper am Gänsemarkt. schen Vorlagen, einige sind Neuschöp- enormer Tiefe und ausgeklügelter Büh- Baubeginn 1677, Abriss 1757. fungen, gelegentlich mit Hamburger Zeichnung von Peter Heineken, 1726 (Staatsarchiv Hamburg) nenmaschinerie rund 2000 Zuschauer Lokalkolorit und plattdeutschen Einla- Gänsemarktoper Hamburg von der Lombardsbrücke, und Zuschauerinnen in biblische, antike gen. Rund 50 Opern, ein Sechstel, waren Ölgemälde um 1760/70 (Museum für Hamburgische Geschichte) und mythologische Welten – aber auch in das damals aktuelle Hamburg versetzen Festopern (Singballette, Prologe, Epiloge), konnte. Die Gänsemarktoper wird vielfach als „Bürgeroper“ bezeichnet, aber hier muss Auftragswerke für Krönungen, Geburts- differenziert werden: zwar waren Eigner und Pächter bürgerlich, jedoch blieb der Ein- tage von Fürstinnen und Fürsten oder fluss des Adels prägend. Siegesfeiern.

Zum Gründungskonsortium zählten: der Rechtsanwalt und spätere Ratsherr Gerhard Während fast alle Libretti erhalten sind, ist ein Großteil der Musik verloren gegangen, Schott, der Jurist Peter Lütkens, und der Organist der Hauptkirche St. Katharinen Jan da Partituren (in der Regel) nicht gedruckt wurden. Nur einige Opern sind komplett Adam Reinken – ideell und finanziell unterstützt wurde das Unternehmen durch Her- überliefert – und einzelne Arien, die in gedruckte oder handschriftliche Sammlungen zog Christian Albrecht von Holstein-Gottorf. Die Bühne wurde mit einem Opernstoff übernommen wurden. über Adam und Eva eröffnet: Der erschaffene, gefallene und auffgerichtete Mensch (Komposition: Johann Theile, Libretto: Christian Richter). Obwohl in den ersten Jahren Es gab eine weitere Sehenswürdigkeit, ausgestellt in einem Nebenraum der Oper: einige biblische Opernstoffe auf dem Spielplan standen, kämpfte der pietistisch aus­ das Modell des Salomonischen Tempels, zwischen 1680 und 1692 nach den Plänen gerichtete Teil der Geistlichkeit zunächst gegen die Gänsemarktoper als einen „Tempel des Rekonstruktionsversuches des Jerusalemer Tempels, den Nebukadnezar 586 v. Chr. der Wollust.“ zerstörte, gefertigt. Heute kann es im Museum für Hamburgische Geschichte bewun- dert werden. Die Oper war ein Wirtschafts- und Standortfaktor, wie auch der Hamburger Musiker, Musiktheoretiker und Sekretär der englischen Gesandtschaft Johann Mattheson 1728 Im April 1738 wird das Hamburger „Theatro“ als „selbständiges Unternehmen“ ge- betonte: „Wissenschafften, Künste und Handwercker fahren wol dabey, und der Ort schlossen. Das Haus wurde fortan genutzt von Operngesellschaften, wie denen von macht sich so ausnehmend mit guten Opern, als mit guten Banken: denn diese nützen Angelo und Pietro Mingotti, oder von Theatertruppen (die z. B. geleitet wurden von und jene ergetzen. Die letzten dienen zur Sicherheit, die ersten zur Lehre.“ (Johann den Schauspielerinnen Caroline Neuber oder Sophie Charlotte Schröder). Ab Oktober Mattheson: Der Musicalische Patriot, Hamburg 1728, S. 176) 1751 stand das Haus leer und wurde dann 1757 abgerissen. An die Hamburger Gänse- marktoper erinnert heute nur noch eine Gedenktafel am Hotel Vierjahreszeiten. Trotz künstlerischer Hochleistungen war die Oper ein Verlustgeschäft und blieb ange- Birgit Kiupel wiesen auf Zuschüsse aus Adels- und Diplomatenkreisen. Der Rat der Stadt unterstütz­ te die Oper nach dem Vorbild der Fürstenhöfe, auch wenn die Stadtkämmerer immer 34 35 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

mit geladenem und bloßem Gewehr und ohne […] Laterne sich auf den Gassen finden Mattheson gegen Händel: lasse“. 1720 bekräftigte der Rat für „die Stadt und dero Gebiete“ auch ein Edikt des Sie waren Helden (!?) ­Kaisers und alle bisher gedruckten und verkündeten Mandate und Verordnungen und untersagte: Duelle vor und auf der Opernbühne alle Schlägereyen, Ausforderungen, und deren Annehmungen, Duelle, verdäch- Hamburg im Dezember 1704, ein Markt in der Nähe der Gänsemarkt-Oper. Eben tige Recontres, Zuschickungen der Cartellen, Edikte, und sonsten alle eigen- ­drangen noch Klänge aus Johann Matthesons Oper Cleopatra zwischen Pferde­ mächtige und frevelmüthige Ueberfälle und gewaltthätige Angriffe, woraus getrappel und lauten Ausrufen, als zwei wütende junge Herren aus dem Opernhaus nicht allein gefährliche Leibes = Verwundung und Beschädigung, sondern auch heraus rannten. Mit gezogenen Degen setzten sie auf der Straße die Opernprobe fort, oftmahls vorsetzliche Todtschläge und Verluste zeitlicher und ewiger Wohlfahrt so wollte es zunächst scheinen. Doch es handelte sich um blutigen Ernst. Und schnell erfolgen, allen und ieden Ein = und Ausheimischen, wes Standes, Würden oder waren die beiden Hitzköpfe identifiziert und umringt, der 23-jährige Johann Matthe- Condition dieselben seyn mögen, ernstlich und, nach Befinden, bey Leib = und son und der 19-jährige Georg Friedrich Händel. Lebens = Strafe […].

Ob auf der Bühne der Gänsemarkt-Oper oder in den Straßen Hamburgs: adlige oder Doch gegenüber solchen Ermahnungen erwiesen sich auch sonst so sensible Operis­ bürgerliche Männer markierten gern die wehrhaften Helden und lieferten sich blutige ten, Komponisten und Musiker als taub. Johann Mattheson erinnert sich an seinen „Raufhändel“ oder fast tödliche Duelle, natürlich im Namen der Ehre. Dabei hatte die Zweikampf mit (oder gegen) Händel in der Nähe der Gänsemarkt-Oper, Dieser endete Obrigkeit immer wieder solche Gewaltakte verboten und mit strengen Strafen bedroht. glimpflich, Dank eines stabilen Rockknopfes auf Händels Rock. Aus diesem farbigen Bereits in einem Mandat vom 16. Februar 1664 heißt es, dass „auch keiner des Nachts Dokument „männlicher“ Selbstdarstellung soll ausführlicher zitiert werden: Händel saß am Cembalo, Mattheson dirigierte und sang zugleich den Antonius, der sich vor dem Ende des Schauspieles mit seinem Schwert umbringt. Da:

entstund ein Misverständniß: wie solches bey jungen Leuten, die, mit aller Macht und wenigem Bedacht, nach Ehren streben, nichts neues ist. Ich dirigirte, als Componist, und stellte zugleich den Antonius vor, der sich, wohl eine halbe Stunde vor dem Beschluß des Schauspiels, entleibet, war ich bisher gewohnt, nach dieser Action, ins Orchester zu gehen, und das übrige selbst zu accompag­ niren: welches doch unstreitig ein jeder Verfasser besser, als ein andrer, thun kann; es wurde mir aber diesesmahl verweigert.

Der junge Händel verweigerte die Selbsteinwechselung von Mattheson, wollte ihm nicht den Platz am Cembalo überlassen:

Darüber geriethen wir, durch einige Anhetzer, im Ausgange aus der Oper, auf öffentlichem Marckte, bey einer Menge Zuschauer, in einen Zweikampf, welcher für uns beide sehr unglücklich hätte ablauffen können; wenn es Gottes Füh- rung nicht so gnädig gefüget, daß mir die Klinge, im Stossen auf einem breiten metallenen Rockknopf des Gegners zersprungen wäre. 36 37 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Zum Glück waren besonnene Hamburger Ratsherren zugegen und auch der damalige Georg Philipp Telemann Opernpächter, die dafür sorgten, dass die beiden Duellanten sich wieder vertrugen (1681–1767) und nicht weiter strafrechtlich belangt wurden. Kurz vor Jahreswechsel dann, am aus den Singe-, Spiel- und Generalbaß-Übungen (1733) 30. Dezember 1704 hatte Mattheson die Ehre: Falschheit Händeln bey mir zu bewirthen, wonächst wir beide, auf den Abend, der Probe Es herrschet in der Welt die Falschheit von seiner Almira beiwohnten, und bessere Freunde wurden, als vorhin. Syrachs aller Orten; Worte cap. 22 traffen also hier ein: Wenn du gleich ein Schwerdt zückest über Die Wahrheit ist verbannt, die Redlichkeit deinen Freund, so machst du es nicht so böse, (als mit schmähen.) Denn ihr verjagt; könnet wohl wieder Freunde werden, wenn du ihn nicht meidest, und redest Die Freunde dieser Zeit sind Freunde mit ihm. bloß in Worten: Der allerehrlichste tut anders, als er sagt. Also alles nur ein „Missverständnis“, noch dazu von anderen angestachelt? Jedenfalls Glück für die Opernwelt – nicht nur am Gänsemarkt. Sind aus Händels Hamburger Zeit Der, so dich herzt und küsst, wird dich unfehlbar fällen, nur die Oper Almira und das „Laudate pueri“ erhalten und Teile seiner Cembalowerke, So bald er glaubt, dein Fall könn’ ihm so gelangten später viele seiner Erfolge aus Italien und London auch in Hamburg zur ersprießlich sein. Aufführung – wie z. B. Aggrippina, Rodelinda, Richardus, manche von seinem Freund Kein Mensch ist, was er scheint: man weiß und Hamburger Musikdirektor Georg Philipp Telemann mit deutschen Rezitativen ver- sich zu verstellen, sehen und bearbeitet. Nie stimmt mit dem Gemüt das Anseh’n Die Musikgeschichte ist reich an männlichen Hitzköpfen, behütet von Zufällen und überein. beherzten Mitmenschen. So wird auch vom 20-jährigen Johann Sebastian Bach berich- Georg Philipp Telemann, tet, dass er als Organist in der Neuen Kirche von Arnstadt in einen Rauf- und Ehren- Kupferstich von Georg Lichtensteger (um 1745) Doch dieses alles muss man nicht von händel mit einem Schüler verwickelt war, in dessen Verlauf er den Degen zog. Hier Weibern meinen, ­verhinderte seine Base Schlimmeres. Weil ihrer keine fast uns je betrogen hat, Der Spiegel Auf der Opernbühne lieferten sich singende Cavalliere Gefechte, oft von Trompeten Indem sie insgeheim von außen boshaft oder Barockoboen begleitet, die ebenfalls in der Regel schnell unterbunden wurden. Ein Schäfer pflegt in reinen Quellen scheinen, Und wenn man’s untersucht, so sind sie’s Endete so ein Kampf tödlich, folgten endlose blutige Verwicklungen. Ihm seine Bildung vorzustellen; Dem Thoren, der dem Wucher hold, in der Tat. Birgit Kiupel Zeigt sein Gesicht das blanke Gold; Barthold Hinrich Brockes (1680–1747)

Ein schmeichelnd Glas muß Doris lehren, Sommerluft Sich selbst, als Engel, zu verehren. Auf Freunde! Lasst uns klüger sein: Auf den bunt beblümten Feldern, Bespiegelt euch in klarem Wein! in den schattenreichen Wäldern herrscht, in stiller Einsamkeit, Friedrich von Hagedorn (1708–1754) Unschuld und Zufriedenheit.

Fern vom städtischen Getümmel, als in einem ird’schen Himmel, find ich hier die güld’ne Zeit. Barthold Hinrich Brockes (1680–1747) 38 39 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Wechsel Glück

Die Nacht muss in die Fremde wandern, Das Glücke kömmt selten per Posta zu „Die Alster lehrt gesellig sein“ – Sobald der Tag nach Hause kömmt. Pferde, Hagedorn und das Hamburger Lied Bei Lust und Last folgt eins dem andern; Es geht zu Fuße, Schritt vor Schritt; Die Freude wird zwar oft gehemmt Sein Eigensinn ist nicht zu zwingen, der Aufklärung Und von Betrübnis unterdrückt, Man mag auch noch so sehr nach seiner Doch aber niemals ganz erstickt. Ankunft ringen; Es ändert darum nicht den langsam Dringt dich die Not mit vollen Haufen, fortgesetzten Tritt. „Den Ort, der Hamburgs Flur zum neuen Eden macht, So merke diesen Trost mein Geist! Daniel Stoppe (1697–1747) Um den der Scherze Heer mit muntrer Sorgfalt wacht, Das Wasser kann sich leicht verlaufen, In dem, wohin man sieht, auch Liebesgötter schweben, Das alle Ufer niederreißt; Ohnesorge Der Alster kühlen Fluß soll mein Gesang erheben.“ Je größer Kummer, Angst und Pein, Geht schlafen, geht, macht Feierabend, Je näher wird ihr Ende sein. Nicht weniger als 19 Strophen lang ist eine Ode mit dem Titel Das Lob der Alster, die Ihr Sorgen! Hört ihr’s? Legt euch doch! Daniel Stoppe (1697–1747) Schweigt und schreit mir nicht den Kopf 1747 – nach gängiger Praxis der Epoche anonym – in der Hamburgischen Wochen- noch weiter voll! schrift Poetische Gedancken über die neuesten und merckwürdigsten Begebenheiten Ihr habt wahrhaftig hohe Zeit abgedruckt­ wurde. Ausführlich finden sich dort die Naturschönheit wie die geselligen Hier seht ihr die Zufriedenheit, Freuden geschildert, die der Aufenthalt an oder auf der Alster bereithielt. Die euch zu Bette leuchten soll. Dieses bevorzugte Sommervergnügen der Hamburgerinnen und Hamburger wurde Mein! Sagt mir: was verzieht ihr noch? vielfach geschildert, u. a. in dem 1760 erschienenen Tractat Die Stadt Hamburg in S. [sic] ­Ihrem politischen, öconomischen und sittlichen Zustande des Kameralisten Christian Ludewig von Griesheim: „Vorwärts ist die Alster in ein Baßin eingefaßt, darauf schwim- men Gondeln, wovon man öfters um ein Spottgeld, zuweilen aber vor vier Reichsthaler etliche Stunden Gebrauch machen kann. Es fladdern eine Menge zahmer Schwäne he- rum, und erwarten, ob man ihnen was Brod zuwerfen wolle. Musik und Erfrischungen vergnügen alle Sinnen.“ Schon 1724 findet sich in der Wochenschrift Der Patriot die Beschreibung einer solchen Lustfahrt auf der Alster mit „gar angenehmer Was- ser = ­Music“: „Wir stiegen daselbst […] in eine so genannte Schüte, und die Hoffnung einer sattsamen Ergetzlichkeit ward desto grösser, da wir sahen, daß sich neben uns zu gleicher Zeit eine Gesellschaft der besten Hamburgischen Virtuosen, mit ihren Instru- menten, in ein anderes Fahr = Zeug begab.“ Georg Philipp Telemanns Alster-Ouvertüre zählt unter anderem zu dem Repertoire, das bei solchen Gelegenheiten zu Gehör ­gebracht werden konnte. Auch die oben bereits zitierte Ode Lob der Alster beschreibt diese Form der Instrumentalmusik:

„Itzt zieht ein ganzes Heer von Schüten durch den Baum Und die Lustflotte faßt der Alster innrer Raum. Bey heller Paucken Schall, bey sanfter Saiten Thönen Folgt ihr ein froher Zug, von Neugiers = vollen Schwänen.“ 40 41 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Die letzten beiden Strophen dieser Ode schließen mit einer Reverenz an den promi- ten zu den interessantesten Orte der geistlichen wie der weltlichen Liedproduktion. nentesten Dichter der Hamburger Aufklärung, an Friedrich von Hagedorn: Dies verband sich zunächst vor allem mit den Dichtern Johann Rist und Philipp von Zesen, die in ihren Sprachgesellschaften auch Lieddichter und -komponisten um sich „Die stille Dämmerung, der Abend bricht herein, scharten. Doch dann setzte ab 1670 der Druck weltlicher Liederbücher über ein halbes Die lustge Flott erhellt, der Lichter Pracht und Schein; Jahrhundert aus. In Hamburg fällt das mit der Zeit der Gänsemarktoper in eins, aller- Da sieht man die Apolls, der Gluterfüllten Dichter, dings ist die sogenannte „liederlose Zeit“ deutschlandweit zu beobachten und ein Die Ehrfurchts würdigsten, die reitzendsten Gesichter. noch unverstandenes Phänomen der Gattungsgeschichte. Nach 1740 ist wieder eine große Produktivität zu verzeichnen, initiiert maßgeblich durch den Dichter Friedrich Doch für so grosse Pracht ist mein Witz viel zu klein, von Hagedorn und die Komponisten Georg Philipp Telemann und Johann Valentin Sie kann von Hagedorn nur groß besungen seyn; Görner. Drum Musen, fliehet nur, ich will viel lieber schweigen, 1708 in Hamburg geboren, ging Hagedorn nach seiner Schulzeit am akademischen Als bey zu schwacher Glut, mich unvollkommen zeigen.“ Gymnasium zum Jurastudium nach Jena, lebte zwei Jahre in London und kam 1731 in die Hansestadt zurück. Er selbst war offenbar eher unmusikalisch, sein Bruder schrieb Wieso der Autor auf Hagedorn verweist, ist klar: Hagedorn hatte in seiner Lyrik wieder- ihm einmal: „Es ist besonders, daß ein Mensch, der weder singen noch Ton halten holt die Alster als poetischen Idealort entworfen, an dem sich freundschaftliche Gesel- kann, Chansons schreibt. Liskow meldet, daß, um die Andacht der Gemeine nicht zu ligkeit mit künstlerischer Inspiration verband. stören, die englische Gemeine in Hamburg bloß deinetwegen eine Orgel habe bauen müssen, damit man deine Stimme nicht hören dürfe.“ Aber Hagedorn war in ganz 1744 erschien in einem Liederbuch Hagedorns Die Alster mit einer Vertonung von Deutschland in den Jahren zwischen 1740 und 1760 einer der am häufigsten vertonten ­Johann Valentin Görner, wobei die Besetzung mit Waldhörnern eine Aufführung im Lyriker, und in Hamburg erschien in diesem Zeitraum kein Liederheft ohne Hagedorn- Freien prädisponiert. Unentwirrbar durchflechten sich Imagination und Praxis, Text. Er war Pionier eines neuen Tons der Lyrik, der die als schwülstig empfundene ­poetischer Entwurf und Wirklichkeitswahrnehmung. „Das Ufer ziert ein Gang von ­Barockdichtung ablöste: mit unprätentiöser Bildlichkeit, einem natürlichen Fluss der ­Linden, / In dem wir holde Schönen sehn, / Die dort, wann Tag und Hitze schwinden, / Verse und stilistischer Eleganz. Und das gab Impulse für die Liedkomposition. Als Entzückend auf- und niedergehn.“ Hagedorn hatte, so beschreiben es mehrere zeit­ ­erster Komponist überhaupt hat 1733 Telemann in seinen Singe-, Spiel- und General- genössische Quellen, einen Lieblingsplatz, an den er sich mit Freunden traf oder auch bassübungen einen Hagedorn-Text vertont. 1741 veröffentlichte Telemann dann seinen zum Schreiben zurückzog. So erinnert der Hamburgische Jurist Johann Friedrich Lo- wichtigsten Lieddruck, die Vier und zwanzig, theils ernsthaften, theils scherzenden renz Meyer in seinen um 1800 erschienenen Skizzen zu einem Gemälde aus Hamburg Oden, die fünf Hagedorn-Texte enthalten. Kurz darauf brachte Hagedorn selbst drei anlässlich seiner Beschreibung des englischen Gartens in Harvestehude: „Hier stand Bände Sammlungen neuer Oden und Lieder mit Vertonungen von Johann Valentin einst Hagedorn’s Linde […]. Der Sitz unter dieser Linde war sein täglicher Lieblings- ­Görner heraus. Görner stammte ursprünglich aus dem Erzgebirge und war nach dem platz; hier saß er oft mit seinen Freunden, Klopstock und Karpser, in fröhlichem Ge- Studium in Leipzig nach Hamburg gekommen, wo er zur Zeit der Liedkomposition als spräch, noch öfter einsam, Lieder der Freude und der Liebe dichtend. Die Linde war Klavierlehrer arbeitete, später wurde er Musikdirektor am Hamburger Dom. so ganz sein, und er an dem Ort so allbekannt, dass, wenn andere Gäste dort sassen Hagedorn gehörte „nicht zu den Dichtern, die Wein und Liebe besingen und beide und Hagedorn nur in der Ferne erschien, sie aufstanden, um ihm diese Stelle unter nicht kennen“, wie sein früher Biograph Johann Henrich Herold bekundet. Auch ande- der Linde zu räumen.“ re zeitgenössische Quellen belegen, dass Hagedorn ein sehr geselliger Mensch gewe- sen sein muss. Konkret spielte sich dies etwa in Dressers Kaffeehaus als Treffpunkt der Dass viele Lieder des mittleren 18. Jahrhunderts die freie Natur feiern oder den locus „besten Kaufleute und Gelehrten“ ab, doch für seine Lieder lässt sich ein noch wichti­ amoenus als Szenerie tändelnder Liebeslyrik nutzen, steht komplementär zu der Tat­ gerer sozialer Kontext konkretisieren, nämlich der Kreis um Peter Carpser. Carpser war sache, dass das Lied eine stadtbürgerliche Gattung war: Sie fand ihren sozialen Ort in ein hochanerkannter Chirurg, und darüber hinaus ein ungewöhnlich gebildeter und den Geselligkeiten der Familien von Bildungsbürgern und Kaufleuten. Hamburg zählte kunstinteressierter Mann, bei dessen berühmten Freitagsgesellschaften zahlreiche ein- schon im 17. Jahrhundert neben Königsberg, Nürnberg und den mitteldeutschen Städ- heimische und auswärtige Künstler und Intellektuelle verkehrten – er spielte auch in 42 43 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

der Geschichte der Hamburger Freimaurerei eine wichtige Rolle. Bemerkenswert war Carpser dichtete selbst, und Hagedorn war sein guter Freund. Des weiteren trafen sich offenbar Carpsers Geschick, im besten aufklärerischen Sinne ständische Hierarchien in dem Zirkel u. a. der Dichter Barthold Hinrich Brockes, der Jurist Matthäus Arnold vergessen zu machen im gemeinsamen Enthusiasmus für die Künste und Wissen- Wilckens, die Journalisten Joachim Friedrich Liscow und Barthold Joachim Zinck, Ha- schaften. Eine Quelle berichtet: „Ohne Rangordnung, ohne Zeremoniell sitzt man bei gedorns Verleger Johann Carl Bohn, der Prediger Joachim Johann Daniel Zimmermann, höchstens sechs Gerichten beisammen. Es wird gesagt, seine Gastlichkeit koste ihn im der Kaufmann Georg Behrmann und der Dichter Johann Matthias Dreyer, der in Tele- Jahr mehr als 2000 Reichstaler.“ Der mit Lessing verschwägerte Schriftsteller Christlob manns Vierundzwanzig Oden mehrfach vertreten ist. Während Telemanns Verkehr im Mylius schilderte seinen Besuch bei dem berühmten Arzt: „Den 26sten May speisete Hause Carpser nur als wahrscheinlich anzunehmen ist, machte Görner hier sogar „die ich in großer und artiger Gesellschaft bey dem berühmten und überaus geschickten Honneurs“, wenn der Arzt „zu einem Kranken gerufen“ ward, vertrat also Gastgeber- Chirurgus Herrn Carpser. Er ist über dieses ein gelehrter, belesener, witziger und auf- stelle. In diesem Kreis trafen demnach wichtige Akteure der Liedkultur zusammen: geräumter ehrlicher Mann; ein großer Liebhaber und Kenner der Wissenschaften und Nicht nur Dichter und Komponist, sondern auch Verleger und Kritiker: Zincks Hage- Künste und wahrer Menschenfreund.“ Eine humoristische Charakteristik lieferte noch dorn-Rezensionen wurden z. B. in Zürich nachgedruckt und unterstützten damit auch 1804 Jean Paul in seinen Flegeljahren. Auf die Frage, wer Carpser sei, wird geantwortet: überregional die positive Aufnahme von Hagedorns Liedern. Obgleich die Quellenlite- „Balbieramtsmeister in Hamburg […]; ein Mann […] von so feinen Sitten, so voll be- ratur über Peter Carpsers Gesellschaften nur (bekannte) Männer als Gäste erwähnt, lebter Reden, so zauberisch, daß Fürsten und Grafen, die nach Hamburg kamen, ihr waren wohl Frauen gerade als Singende wesentlich beteiligt. So berichtet Herold über erstes und größtes Vergnügen nicht im Pestilenzhaus oder auf dem Dreckwall oder im Görners Oden: „Diese Melodien wurden bei ihrer Herauskunft und einige Zeit nachher, Scheelengang und in den Alster-Alleen suchten und fanden, sondern lediglich darin, wo man noch nicht, wie nur zu oft itzt, sich die unbillige Forderung erlaubte, in den daß unser Balbier zu Hause war und sie vorlassen wollte.“ deutschen Mädchen und Frauen lauter Virtuosinnen im Singen zu verlangen, sondern wo man, wie mich dünkt, mit Recht, zufrieden war, wenn jede durch ihren Gesang et- was zum gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Vergnügen beitrug, häufig bei Tische und oft in dem Zirkel, wo Hagedorn selbst gegenwärtig war, gesungen.“ Das „Publikum“ – die versammelten Gastgeber und Gäste – hörte nicht nur zu, son- dern konnte sich auch am Gesang beteiligen. Denn Geselligkeit war nun nicht nur der soziale Rahmen der Liedkultur, sondern der Modus der Geselligkeit ist buchstäblich in die musikalische Struktur eingeschrieben. Typisch für das Lied in Hamburg war nämlich der Chorrefrain, den Goerner in mehreren seiner Lieder explizit vorschreibt und der auch in Telemanns Liedern teilweise naheliegt oder zumindest ohne Probleme möglich ist. So auch in dem ersten Stück von Telemanns 24 Oden, der Hagedorn-Vertonung ­Indoctum sed dulce bibenti, deren Titel einen Vers aus Horaz Epistulae zitiert: „quin etiam canet, indoctum, sed dulce bibenti.“ (Selbst auch singet er, zwar kunstlos, doch lieblich dem Zecher, Ü. Johann Heinrich Voss)

„Ihr Freunde! Zecht bei freudevollen Chören! Auf! stimmt ein freies Scherzlied an. Trink ich zu viel, so trink ich euch zu Ehren, und daß ich heller singen kann. Der Rundtrunk muß der Stimmen Rund beleben, so schmeckt der Wein uns doppelt schön Uns soll der Durst des Heuchelns überheben, Titelvignette von Richey, Michael: Deutsche Gedichte. Mit einer Vorrede Gottfried Schützens, Bd. I, das Glas so lange voll zu sehen.“ Hamburg: bey Johann Georg Fritsch 1764 44 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Freundschaft – Freude – Wein – Gesang. Mit dieser Konstellation von Begriffen formu- liert Hagedorn quasi die Poetik des geselligen Liedes der Aufklärung. Das Singen ist in einem sozialen Kontext freundschaftlicher Geselligkeit situiert, als Ausdruck und zu- gleich Anlass von Freude, und es wird steigernd parallelgeführt mit dem Weingenuss: Das Trinken ermuntert zum Singen, und das Singen regt wiederum zum weiteren Trin- ken an. Der Wein ist ein Kernmotiv der Anakreontik, zu deren Protagonisten Hagedorn zählt, und er wird bei ihm auch zur „poetologischen Kategorie“, denn der Wein fördert die Produktion und die Rezeption von Dichtung, indem er den Dichter inspiriert und zugleich dessen Publikum aufnahmefähig macht. Gleichermaßen aber steht der Wein auch in einem Zusammenhang mit der Liebe, dem zweiten zentralen Thema der Ana- kreontik, denn der Wein erhitzt die Sinne und macht die Küsse kräftig. Ausgelassene Geselligkeit und sinnenfreudige Liebe seien das Gebot der Gegenwart. Auch in Die Alster erscheinen alle diese Signalbegriffe einer aufgeklärten Lebens- freudigkeit wieder. Die „singenden Chöre“ huldigen der Schönheit der Natur, die Freu- de resultiert aus freundschaftlicher Geselligkeit: „In schwimmenden Nachen / Schifft Giebichenstein, Blick vom Garten auf das Reichardtsche Gehöft Eintracht und Lust, / Und Freiheit und Lachen / Erleichtern die Brust“. Der Weingenuss und die gemütsaufhellende Wirkung der Musik vereinigen sich zur Erfahrung „froher Freiheit“: „O glückliche Stunden! / O liebliche Fahrt!“ Und die Musik baut durch den Taktwechsel – die erste Strophenhälfte steht im 3/4-Takt, die zweite im 3/8-Takt – eine Beschleunigung des Pulses ein, die den Affekt der Fröhlichkeit in jeder Strophe wieder Louise Reichardt frisch erfahrbar macht. (1779–1826) Katharina Hottmann

Louise Reichardt war eine Liedkomponistin und -interpretin, die von dem auf dem elterlichen Gut Giebichenstein weilenden romantischen Dichterkreis (Ludwig Tieck, Achim von Arnim, Clemens Brentano, die Brüder Schlegel und Grimm, Friedrich Schleiermacher u. a.) hoch geschätzt wurde. 1809 ging sie nach Hamburg, um sich als Gesangs- und Klavierlehrerin sowie als Komponistin eine berufliche Existenz auf- zubauen. Zusammen mit Johann Heinrich Clasing gründete sie den „Musikalischen Verein für geistliche Musick“ und veranstaltete vielbeachtete Aufführungen orato- rischer Werke, vor allem Georg Friedrich Händels, Mozarts und italienischer Kompo- nisten. Das Musikfest von 1818 gilt als Vorläufer der 1819 gegründeten Hamburger Sing-Akademie. Als Chorleiterin, Organisatorin von Konzerten und Beraterin leistete sie einen wichtigen Beitrag zur Etablierung eines bürgerlichen Musiklebens in der Hansestadt.

Ellen Freyberg 46 47 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Wer die großen Schwierigkeiten kennt, welche im nördlichen Deutschland der Aus­ führung bedeutender Kirchenmusiken im Wege stehen, wird sich, selbst mit Berücksich- tigung der grossen Kunstmittel, welche Hamburg darbietet, wundern, wie es möglich ­gewesen, eine Versammlung von 360 bis 400, theils Tonkünstler vom Fache, theils Dilet- tanten zu versammeln, welche die Meisterwerke Händels und Mozarts, den Messias und das Requiem, auf eine Vollendung sich nähernde Weise auszuführen vermochten. Der in neuen Zeiten gänzlich erstorbene, ja man dürfte sagen, unterdrückteste Sinn für geist­ liche Musik, die Beschwerlichkeit und Kostbarkeit der Reisen, vielleicht auch das grössere Phlegma der Norddeutschen, sind Hindernisse, welche nur durch den höchsten Enthusi- asmus und unermüdete Thätigkeit ganz uneigennütziger, selbst zu bedeutenden Opfern fähiger Freunde der Musik besiegt werden können. Vor wenigen Jahren noch würde die Ausführung einer solchen Musik in Hamburg ein frommer Wunsch gewesen seyn. Zuerst verdient hier also genannt zu werden, die sinnige Künstlerin, Dem. Louise Reichardt, würdige Tochter des unvergessenen Kapellmeisters Reichardt. Ihre unermüdete Thätigkeit, ihr sorgfältiger Unterricht, und ihre Uneigen­ nützigkeit bey der Bildung und Pflege der weiblichen Stimmen, hat es möglich gemacht, einen Chor zu bilden, und Sängerinnen an die Spitze der Ausführung zu stellen, die, ­obgleich sie nur für Dilettanten gelten wollen, wahren Virtuosen gleich zu achten sind. In Verbindung mit Herrn Clasing, dessen ich weiter unten erwähnen werde, haben meh- rere Jahre auf ihre Veranlassung regelmässige Uebungen stattgefunden, an welchen bald die gebildeten Liebhaber der Musik Antheil nahmen, und welche hauptsächlich würdige Kirchenmusik zum Gegenstande haben. Im November vor. Jahres unternahmen diese beyden Künstler es zuerst, mit diesem engern Verein zur Feyer des Reformationsfestes in der Waisenhauskirche aufzutreten. Der 100ste Psalm und einige Stücke aus dem Judas Maccabäus, beyde von Händel, wurden vor und nach der Predigt ausgeführt, und lohnten die Unternehmer mit ungetheiltem Beyfall. […] Ein zahlreiches Publikum (es waren in jeder Aufführung wenigstens 5000 Zuhörer) lohnte die Unternehmer durch seinen Besuch und durch eine stille Aufmerksamkeit, welche bey einer so eng zusammen gedrängten Menschenmasse wol nur durch die himmlische Kraft der Musik zu bewirken seyn möchte, zugleich aber auch ein schönes Zeugnis für den Kunstsinn der Hamburger abgiebt. (Allgemeine Musikalische Zeitung, 20, 1818, Sp. 713ff.) 48 49 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Salon III

Donnerstag, 21. Juni 2012 Stars und Sterne: Hamburg als Auftrittsort 50 51 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Erinnerungen an ein Konzert heute, nach beinahe sechzig Jahren, klar Franz Liszts im Hotel „Alte Stadt London“ vor der Seele stehen, ­waren das Septett von Hummel, die chromatische G-dur- Mein erstes Begegnen mit Franz Liszt Etüde von Moscheles, das Schubertsche war kein persönliches: Liszt, im Zenith Ständchen und die schon erwähnten seines Ruhmes als Virtuose stehend, beiden Sätze aus der Beethovenschen gab in Hamburg ein Concert, und ich, sogenannten Mondscheinsonate. Sehr als obscurer clavierspielender Knabe, imponirte es mir, daß Liszt zwischen hatte selbstverständlich keinen heißeren den einzelnen Vor­tägen sich nicht zu- Wunsch als ihn, den größten Clavier- rückzog, sondern vom Podium herab- spieler seiner Zeit, zu hören, einen stieg und als vollendeter Cavalier mit der Wunsch, den der gütige Vater erfüllte. schönen Damenwelt plauderte. So wanderte ich denn klopfenden Her- zens von der Nachbarstadt Altona nach (aus: Carl Reinecke, … und manche liebe dem Hotel Alte Stadt London auf dem Schatten steigen auf: Gedenkblätter an Hamburger Jungfernstieg. Es war noch berühmte Musiker, Leipzig 1900, S. 11–13) zur Zeit vor dem schrecklichen Hambur- ger Brande und zur Zeit der kleinen in- timen Concertsäle. Der fashionabelste Saal Hamburgs war der im genannten Hotel, er faßte nur vier- bis fünfhundert Auftritte von Clara Wieck/Clara Schumann Clara Schumann, Fotografie 1854 Hörer. Liszt war meines Wissens der ers­ in Hamburg te Claviervirtuose, welcher seine Con- certe ganz allein, ohne jegliche Mitwir- 14. März 1835 im 29. Philharmonischen Privat-Concert kung anderer Künstler bestritt. Das that 20. März 1835 ein „Großes Concert“ er auch in diesem Concerte, abgesehen 4. April 1835 im Abschiedskonzert von Georg Albert davon, daß er das berühmte Septett in 1. April 1837 im 37. Philharmonischen Privat-Concert Franz Liszt, 1858 (Fotografie Franz Hanfstaengl) D-moll von Hummel mit Begleitung ei- 8. April 1837 eine Musikalische Soiree niger Hamburger Künstler vortrug. ­Liszt, 8. Februar 1840 im 47. Philharmonischen Privat-Concert eine überaus schlanke, elegante Gestalt, 5. März 1842 im 56. Philharmonischen Privat-Concert begann mit der Sonate quasi una fanta- 16. März 1850 im 78. Philharmonischem Privat-Concert sia in Cis-moll von Beethoven, und ich 19. März 1850 eine Musikalische Soiree erinnere mich genau, daß ich ebenso 23. März 1850 eine Musikalische Soiree entzückt war von dem unvergleichlichen 13. November 1854 im 99. Philharmonischen Privat-Concert Vortrage der ersten beiden Sätze wie er- 16. November 1854 eine Musikalische Soiree staunt über die rhythmi­schen Gewalt­ 12. Dezember 1855 im Großen Extra-Concert thätigkeiten, welche er im letzten Satze 21. November 1863 im 1. Abonnent-Concert verübte. […] Unvergleichliche, durch 23. November 1867 im 3. Großen Abonnement-Concert nichts getrübte Leistungen, die mir noch 24. November 1867 in der 4. Kammermusik-Soiree: Schumann-Abend 52 53 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Am 13. Juli 1861 bezog Brahms in dem Hamburger Vorort Hamm (Schwarze Straße 5) eine Wohnung im Hause von Elisabeth Rösing, der Witwe eines ­Privatgelehrten; Frau Dr. Rösings Nichten, Betty und Marie Völckers, die im Nachbarhaus wohnten, waren Stützen des von Brahms zwischen Juni 1859 und Mai 1861 geleiteten Hambur- ger Frauenchores gewesen. Zusammen mit ihren Freundinnen Laura Garbe und Marie Reuter bildeten sie noch immer jenes Vokalensemble, das Brahms zärtlich „mein Mädchenquar- tett“ nannte. Bis zu Brahms’ Abreise nach Wien (September 1862) sollte Hamm seine Künstlerresidenz bleiben. Brahms Mädchenquartett des Hamburger Frauenchores: Der damals noch ganz ländliche Ort v. l. Laura Garbe, Marie und Betty Völckers, Marie Reuter, Foto von 1862 am linken Alsterufer war von der Stadt (Brahms-Institut an der Musikhochschule Lübeck) aus bequem zu erreichen, und Brahms konnte den ihn besuchenden Freun- den sein verwaistes Zimmer im Elternhaus anbieten. Zu den Gästen, die Brahms hier schon in den ersten Monaten seines Aufenthaltes besuchen sollten, gehörten – allen voran – Clara Schumann aus Berlin und Joseph Joachim aus Hannover.

[…] Die schwarze Straße ist doch eine der lichtesten und freundlichsten Erinne­ rungen für mich, wie gern denke ich an ihre gemütlichen Häuser, die gemüthvollen Menschen darin u[nd] ihre Herzlichkeit für mich […]. (an Marie Völckers, Sept. 1872)

Ihre freundlichen Plaudereien aber machen, daß ich noch eins so gern zurückdenke […]. Von wie Vielem könnte ich dann weiter plaudern, das Ihnen deutlich zeigte, wie die Erinnerung an Ihr Vaterhaus u das nachbarliche mir eine der theuersten u wohlthuendsten meines Lebens ist. (25. August 1896)

Johannes Brahms Geburtshaus, Nr. 24 Specksgang, später: Nr. 60 Speckstraße (Museum für Hamburgische Geschichte) 54 55 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Anneliese Rothenberger

Glück im Pech Hamburger Abendblatt, 2. November 1950

Für New Yorker Konzerte verpflichtet. Das Pech bestand darin, daß man Anne- liese Rothenberger, die junge Sopranis­ tin der Hamburger Oper, angesichts der Freiheitsstatue auf dem heute vielge- nannten Ellis Island festhielt. Ihr Glück war, daß sie die Adresse eines ihr von südamerikanischen Freunden empfoh- lenen New Yorker Gentlemans wußte, der die gesetzlich vorgesehene Kaution von 500 Dollar hinterlegte. Anneliese kam nicht nur nach New York herein, sie hatte zugleich die mär- chenhafte Gelegenheit, vor einer illus- tren Gesellschaft der Silvermine Gild of Hamburger Abendblatt, 22/23. September 1967 Artists und an der Seite zweier Stars der Metropolitan Oper in einem Konzert zu gastieren! Daß sie dann stürmischen Beifall erntete, dankt sie zwar ihrem Triumphaler Erfolg der Hamburger „“ Können. Aber daß sie gleich für zwei Hamburger Abendblatt, 19. Juni 1967 weitere Konzerte im Januar und Februar kommenden Jahres abschließen durfte, war wieder Glück … Die erste Aufführung von Alban Bergs „Lulu“ ist in Montreal nach dem konzertant auf- Anneliese Rothenberger ist im Herbst 1945 nach Hamburg gekommen und sang geführten „Freischütz“ und „Mathis der Maler“ zu dem bisher größten Erfolg der Ham- schon im Winter in nicht weniger als 146 Konzerten. Direktor Ruch bat sie zum Vor­ burgischen Staatsoper auf ihrer Amerika-Tournee geworden. Nicht nur die Kritik zeigte singen, und der eben aus München eingetroffene Dr. Rennert verpflichtete die junge sich begeistert, auch das Publikum wurde mitgerissen und sparte nicht mit Beifall. Mannheimerin ans Haus in der Dammtorstraße. Dort hat man ihr inzwischen eine Entscheidenden Anteil an dem Erfolg hatte Anneliese Rothenberger. Sie wurde von hübsche Reihe begehrter Partien wie die Lucy in Brittens „Beggars Opera“, die Uhr­ der Kritik als die ideale Verkörperung der „Lulu“ angesehen. Aber auch dem Dirigenten machersgattin in Ravels „L’heure espagnol“ und das Blondchen in Mozarts „Ent­ Leopold Ludwig und dem Regisseur Günther Rennert galt die einhellige Bewunderung führung“ anvertraut. Die junge Sängerin empfahl sich gleichzeitig auch als hochveran- der Kritik. lagte Darstellerin. Ihre Grazie, ihr rheinisches Temperament waren an ihren Erfolgen Die Montrealer „Gazette“ schrieb über die „Lulu“-Aufführung: „War die Rothenber- in Curaqao, Baranquilla, Bogota und Caracas zweifellos nicht unbeteiligt. Annelieses ger hervorragend, so konnte doch jedes Mitglied des Ensembles mit ihrer Stimme und Wunschtraum: einmal die Traviata singen und spielen zu dürfen […]. (Werner Knoth) Leidenschaft mithalten. Kein Zweifel, jeder Sänger in dieser Operngesellschaft muß zu den am besten erzogenen und am höchsten gebildeten Musikern in der Welt gehören.“ 56 57 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Um Mitternacht: Die Callas in Hamburg Hamburger Abendblatt, 15. Mai 1959

Trotz der mitternächtlichen Stunde ­hatten sich Hunderte vor dem Atlantic- Hotel in Hamburg eingefunden, um ­Maria Meneghini-Callas stürmisch zu begrüßen. Um 23.30 Uhr war die be- rühmte Sängerin auf dem Fuhlsbüttler Flughafen gelandet. Mit ihrem Lieblings- Hamburg, 1959 Hamburg, 1962 pudel Toy schritt die Callas durch das Spalier der Hamburger. Heute abend wird sie in der Musikhalle ihr erstes brachte, erkannte man den geborenen Operndirigenten. Als scharf gewürzte Tempera- Deutschland-Konzert geben. mentsleistungen servierte er auch das Carmen-Vorspiel und die Ouvertüren von Rossi- ni und Verdi. Die Lichter im Saal verdunkelten sich, Maria Callas erscheint. Die Ausstrahlung Triumph des Gefühls ­ihrer Persönlichkeit ist so faszinierend, daß man sich mit der Stimme „an sich“ erst Jubel um die neue Callas ­beschäftigt, wenn ein Ton, eine Phrase nicht ganz „sitzt“. Verlangt man doch gerade Hamburger Abendblatt, 17. März 1962 von ihr stets das Außerordentliche. Die Stimme ist dunkler, weicher geworden, jeden- falls wirkt sie in der Mittellage, im Mezzo- und Altklang, am natürlichsten. Wo sie das Sie zauberte den Glanz einer Galavor- große Espressivo der Leidenschaft trägt, hört man über gelegentliche Höhenschärten stellung in die blumengeschmückte und kleine Brüche hinweg. Aber da, wo es um perfekte Virtuosität geht (in der Arie der ­Musikhalle: Maria Callas, eine strahlend Elvira aus „Ernani“ von Verdi und der Angelina-Partie von Rossini) stockt einem der junge Königin auf dem Podium! Sie trägt Atem. Wer raffinierte Stimmartistik erwartet, ist enttäuscht (…) Hamburger Abendblatt, 17./18. März 1962 eine Extravaganz zur Schau, die ihre her- Das Unverwechselbare ihrer Kunst aber ist die Hingabe an das große Gefühl, die be Anmut noch unterstreicht. Sie scheint Gespanntheit des dramatischen Ausdrucks, der sich auch in Haltung und Bewegung nicht nur äußerlich verwandelt, ihre Stim- widerspiegelt. Ihre Carmen ist im Stimmtyp gewiß nicht konkurrenzlos. Aber wie sie me klingt lyrischer denn je. Die Hambur- die Habanera und die Seguidilla „erlebt“? Dieses schwingende sinnliche Vibrato, dieses ger jubelten der neuen Callas zu. Das nuancierte Parlando haben wir von ihr noch nie gehört. Im exaltierten Schmerz, im Konzert begann mit der Ouvertüre zum faszinierenden Wechsel von Resignation zum ausbrechenden Affekt, auf dieser Skala „Römischen Carneval“ von Berlioz. Der der großen Gefühle spielt sie seit jeher meisterhaft. Auf solche Steigerung hin war auch französische Dirigent Georges Prêtre das Programm angelegt, in dem die große Szene der Eboli aus Verdis „“ zum führte das NDR-Sinfonieorchester mit glanzvollen Höhepunkt wurde. (Sabine Tomzig) einer zackigen Eleganz, die fast etwas Militärisches hatte. Aber an der bravou- rösen Genauigkeit, mit der er virtuose Pointen als Überraschungseffekte setzte und rasante Strettawirkungen heraus- 58 59 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Placido Domingo

Der 28. September 1975 war eines der wichtigsten Daten in meiner Karriere. An diesem Abend gestaltete ich in Hamburg zum ersten Mal die Rolle des Othello.

Die Herausfor­derung war so unglaublich groß, weil in „Othello“ zwei Elemente gleich wichtig sind: der Gesang und die Schauspielkunst. „Othello“ ist das Nonplusultra, eine starke ­Belastung für die Stimme, eine technisch äußerst anspruchsvolle Arbeit.

(aus: Helena Matheopoulos, Placido Domingo, meine Rollen – mein Leben, Berlin 2001)

Placido Domingo: Meine heimliche Romanze mit Hamburg Hamburger Abendblatt, 27. Februar 2006

Abendblatt-Reporterin Nataly Bombeck traf den Sänger in New York. Im Sommer ist Konzert am Rothenbaum. Open-Air- Gala am 2. Juli mit Hamburger Sym­ phonikern und Sopranistin Ana Maria Martinez – einziger Solo-Auftritt in Deutschland. „Aber jetzt freue ich mich erst mal sehr auf Hamburg, wo ich zuletzt vor fünf Jahren war. Hamburg war meine erste deutsche Stadt zu Beginn meiner Karrie- re als junger Tenor. Daher ist Hamburg ein ganz wichtiger Teil meiner persönli­ Placido Domingo als Othello chen Geschichte“, sagt Placido Domingo. 1967 bis 1970 hatte er einen Vertrag an der Staatsoper, brillierte als Cavaradossi in „Tosca“. Später dirigierte er in Ham- burg den „Troubadour“, feierte hier 1992 sein 25. Bühnenjubiläum als Othello. Hamburger Abendblatt, 27. Dezember 1967 60 61 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

„In Hamburg habe ich eine meiner besten Zeiten verbracht. Hier ist mein Sohn ­Alvaro in Blankenese aufgewachsen, und ich schätze das enthusiastische Hamburger Renate Behle Publikum sehr. Das Wetter ist zwar oft kalt, das Publikum aber umso wärmer. Mit Hamburg habe ich eine heimliche Romanze“, sagt Placido Domingo. […] „Eine Wagnersängerin von Jubelformat“ (Die Welt) „Ich werde meine Familie mit nach Hamburg bringen, schließlich haben wir dort viele Bekannte und Freunde an der Staatsoper“, sagt Placido. „She can produce every Wagnerian effect from dulcet velvety tones Und dann: „Ich suche dringend noch ein paar Tickets für die WM-Spiele und will to clarion outbursts of passion“ (Daily News) mir unbedingt das Viertelfinale in der AOL-Arena anschauen. Für das Endspiel hoffe ich auf Spanien oder Mexiko als Teilnehmer. Aber auch für die Deutschen und Italiener Renate Behle hat viele Jahre als eine der führenden dramatischen Sopranistinnen stehen die Chancen gut, Weltmeister zu werden“, meint der Fußballfan. Er ist Mitglied das Wagner- und Strauss-Repertoire auf den Opernbühnen der Welt geprägt. Seit 2007 bei Real Madrid, war früher ein erstklassiger Mittelstürmer. „Heute spiele ich lieber in ist sie – der „Sonderfall einer Wagner-Heroine mit Herz und Intellekt“ (Kölner Stadt­ der Verteidigung, aber das leidenschaftlich“, erzählt Placido Domingo. anzeiger) – als dramatischer Mezzosopran international tätig. Und dann erinnert er sich an das Jahr 1974. Auch damals war Fußball-WM in Deutschland. Die Bundesrepublik spielte gegen die DDR im Volksparkstadion. „Für Über anderthalb Jahrzehnte zählte Renate Behle weltweit zu den bedeutendsten mich war extra die Vorstellung von „Aida“ nach vorne verlegt worden. Als ich fertig ge- ­Interpretinnen im dramatischen Fach. Mit ihrer „warmen, üppigen, großzügigen sungen hatte, bin ich ins Stadion gerast. Da hörte ich schon die lauten „Netzer, Netzer“- ­Stimme“, deren „Klang sich ins Gedächtnis einbrennt“ (Financial Times), begeisterte und „Uwe, Uwe“-Rufe. Die Stimmung war unglaublich – besonders, als dann die BRD sie Publikum und Presse auf nahezu allen bedeutenden Opernbühnen dieser Welt. gegen die DDR 1:0 verlor. Das werde ich nie vergessen“, erzählt Placido Domingo und Im Laufe ihrer mittlerweile über vier Jahrzehnte währenden Karriere hat Renate schmunzelt. Behle eine außergewöhnliche stimmliche Vielseitigkeit bewiesen. Angefangen hat sie Und der Tenor hofft auf ein Wiedersehen mit Staatsoper-Intendantin Simone Young, ihre Gesangslaufbahn als lyrischer Mezzosopran. Nach ihrem Studium in Graz und sagt: „Sie ist eine bewundernswerte Kämpferin, eine tolle Dirigentin, mutige Frau und Rom war Renate Behle zwei Jahre am Badischen Staatstheater Karlsruhe beschäftigt. wirkliche Freundin. Es gibt Pläne, daß ich im Februar 2007 an der Staatsoper gastiere.“ Um nach der Geburt ihres Sohnes mehr Zeit für ihre Familie zu haben, wechselte sie „Ich habe mein ganzes Leben an der Oper verbracht. Schon als kleiner Junge habe 1974 als 1. Alt in den Chor des Norddeutschen Rundfunks. Fünf Jahre später folgte eine ich meine Eltern, zwei populäre Zarzuela-Sänger in Spanien, auf ihren Reisen begleitet. Verpflichtung als Lyrischer Mezzosopran ans Musiktheater im Revier Gelsenkirchen. Seitdem ist die Oper ein Teil von mir, sie ist mein Leben“, sagt Placido Domingo. In 1982 wurde sie an die Niedersächsische Staatsoper Hannover engagiert, wo sie ­seinem Terminkalender stehen Auftritte in London, Tokio, Madrid und eine Operngala trotz ständig wachsender internationaler Bekanntheit 15 Jahre lang Ensemblemitglied in New York. Außerdem gibt er jetzt vier neue Opernaufnahmen heraus. Ein rastloser blieb – eine wichtige Zeit der Entwicklung, in der sie sich ein weitgespanntes Reper- Placido Domingo? „Nein, ich arbeite nur sehr gerne. Aber vier Stunden vor jedem Auf- toire aus Partien von Hänsel bis Eboli erarbeiten konnte. 1987 wurde sie zur Kammer- tritt verordne ich mir strikte Ruhe. Ich lese, schlafe oder mache einfach nichts. Und be- sängerin ernannt. vor ich auf die Bühne gehe, bete ich. Für die heilige Cäcilia, die Patronin der Musiker Im selben Jahr leitete sie – nachdem sie zuletzt Partien wie Adalgisa (Norma) und und Künstler, und für den heiligen Blasius, Schutzheiliger für Halsleiden und Musiker“, Adriano (Rienzi) gesungen hatte – einen Fachwechsel ein. Zunächst übernahm sie sagt er. ­Aufgaben des jugendlichen Sopranfachs wie Sieglinde, Ariadne und Marschallin Und dann, zum Abschluß, sagt Placido Domingo noch etwas über die junge, nach- („Da schwebt die Behle auf einem Klangpolster und die Zuhörer halten den Atem an, folgende Operngeneration, für die er 1993 den jährlichen und größten Gesangswett­ um nichts zu versäumen von den Zwischentönen“, Hannoversche Allgemeine), wenig bewerb, die Operalia, gründete. „Es macht mich sehr glücklich, diese jungen Talente später kamen die großen dramatischen bis hochdramatischen Partien wie Leonore zu fördern. Wenn ich mit ihnen arbeite, möchte ich ihnen Impulse geben.“ Er meint, (Fidelio), Isolde und Brünnhilde hinzu. wer auf der Bühne stehe, singe für das Publikum, das dann für eine kurze Zeit seine Der Durchbruch für ihre internationale Karriere ereignete sich 1991, als Renate Sorgen vergessen möge. Placido Domingo: „Ich möchte das Publikum weinen oder Behle in der Titelpartie von Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk an der Ham- ­lachen sehen.“ burgischen Staatsoper einsprang. Seitdem führten sie Auftritte an die bekanntesten 62 63 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Neben ihrem umfangreichen klassischen Repertoire widmete sich Renate Behle von jeher mit großer Leidenschaft der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Die ersten wesentlichen Aufgaben in diesem Bereich waren die Partie der Regine in der deut- schen Erstaufführung von Rolf Liebermanns La Forêt (Der Wald) bei den Schwetzinger Festspielen (1988; 1989 an der ) und die Kassandra in Aribert Reimanns Troades. Eine besonders enge Zusammenarbeit verbindet sie mit Wolfgang Rihm, von dem sie bislang drei bedeutende Werke zur Uraufführung brachte: Die Eroberung von Mexico (Hamburgische Staatsoper, 1991, unter ), Das Gehege ­(Bayerische Staatsoper, 2009, unter Kent Nagano) und Monolog für drama- tischen Sopran und Orchester (Theater Basel, 2009/10). Außerdem sang sie die Haupt- partie in Dukas’ Ariane et Barbe-Bleue in Hamburg und New York und die Agaue in Henzes Die Bassariden in Hamburg und München. Eine Reihe von Einspielungen dokumentiert Renate Behles Gesangskunst. Auf CD sind Zemlinskys Der Kreidekreis (musikalische Leitung: ), Spohrs ­Jessonda (Gerd Albrecht), Schumanns Genoveva (Gerd Albrecht), Schoecks Penthesilea (Mario Venzago) und Rihms Die Eroberung von Mexico (Ingo Metzmacher) erschienen, außerdem Beethovens Neunte Sinfonie (). Auf DVD wurden zwei ­Stuttgarter Inszenierungen mit Renate Behle in Hauptpartien veröffentlicht: Fidelio (musikalische Leitung: Michael Gielen, Regie: Martin Kušej) und Die Walküre (Lothar Zagrosek, ). Renate Behle in der Uraufführung von Wolfgang Rihms „Eroberung von Mexiko“ Die gebürtige Österreicherin lebt seit 1971 in ihrer Wahlheimatstadt Hamburg, (Staatsoper Hamburg, 1991) wo sie von 2000 bis 2010 an der Hochschule für Musik und Theater eine Professur für Gesang innehatte. Opernhäuser und Festivals der Welt: Sie sang die Leonore an der in New York, an der Wiener Staatsoper, an der Hamburgischen Staatsoper, an der Dresdner Semperoper und bei den Salzburger Festspielen. Sie interpretierte die Isolde in Los Angeles, Houston (hier unter der Leitung von Christoph Eschenbach), Dresden und Savonlinna. Als Salome trat sie an der Mailänder Scala, in Dresden und Buenos Aires auf. Viele weitere deutsche und italienische Partien gehörten und gehören zu ­ihrem Repertoire, beispielsweise Senta, Sieglinde, Brünnhilde, Ariadne, Marschallin (u. a. in Hamburg unter Christian Thielemann), Chrysothemis (u. a. unter Peter Schnei- der in München) und Färberin ebenso wie Fanciulla, Tosca und Verdis Lady Macbeth. Über ihre Interpretation der letztgenannten Partie schrieb die Kölner Rundschau: „Ihre Stimme wird perfekt geführt, besitzt das dunkle Timbre des ehemaligen Mezzos, die feste Durchschlagskraft in der Höhe, die Beweglichkeit in den Koloraturen, wo der Sopran quirlt und perlt wie Sekt.“ 2007 nahm Renate Behle von diesem Repertoire Abschied und singt mittlerweile vorwiegend Partien für dramatischen Mezzosopran wie beispielsweise Herodias und Klytämnestra. 64 65 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Salon IV

Donnerstag, 5. Juli 2012 Zwischen Alster und Elbe (und Bille) 66 67 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Die Alster (1757) Das Ufer ziert ein Gang von Linden, Ertönt, ihr scherzenden Gesänge, Hier lärmt, in Nächten voll Vergnügen, In dem wir holde Schönen sehn, Aus unserm Lustschiff um den Strand! Der Pauken Schlag, des Waldhorns Schall; Befördrer vieler Lustbarkeiten, Die dort, wann Tag und Hitze schwinden, Den steifen Ernst, das Wortgepränge Hier wirkt, bei Wein und süssen Zügen, Du angenehmer Alsterfluß! Entzückend auf- und niedergehn. Verweist die Alster auf das Land. Die rege Freyheit überall. Du mehrest Hamburgs Seltenheiten Kaum haben vorzeiten Du leeres Gewäsche, Nichts lebet gebunden, Und ihren fröhlichen Genuß. Die Nymphen der Jagd, Dem Menschenwitz fehlt, Was Freundschaft hier paart. Dir schallen zur Ehre, Dianen zur Seiten, O fahr in die Frösche; O glückliche Stunden! Du spielende Fluth! So reizend gelacht. Nur uns nicht gequält! O liebliche Fahrt! Die singenden Chöre, Friedrich von Hagedorn (1708–1754) Der jauchzende Muth. O siehst du jemals ohn Ergetzen, Hammonia! des Walles Pracht, Der Elbe Schifffahrt macht uns reicher; Wann ihn die blauen Wellen netzen Die Alster lehrt gesellig seyn! Und jeder Frühling schöner macht? Durch jene füllen sich die Speicher; Wann jenes Gestade, Man siehet jetzt fast über all mit Haufen / Viel bunte Käferchen, gefärbte kleine Fliegen / Auf dieser schmeckt der fremde Wein. Das Flora geschmückt, Zu unsrer Augenlust ein Leben kriegen / Und in dem Gras, auf Kraut und Blumen laufen. […] In treibenden Nachen So manche Najade Wie manche Art von Wespen und von Bienen / Erblicket man in dem beblümten Grünen! / Schifft Eintracht und Lust, Gefällig erblickt? Die Hummel fliegt mit Brummen hin und her; / Ihr Körper scheinet in sich schwer, / Und Freyheit und Lachen Als wenn er in der Luft ein kleiner Bär / Mit Flügeln wär. Erleichtern die Brust. Barthold Hinrich Brockes, Irdisches Vergnügen in Gott

Kirsch-Blühte bey der Nacht Indem ich nun bald hin und her Im Schatten dieses Baumes gehe; Ich sahe mit betrachtendem Gemüthe Sah’ ich von ungefähr Jüngst einen Kirsch-Baum, welcher blühte, Durch alle Blumen in die Höhe, In kühler Nacht beym Mondenschein; Und ward noch einen weissern Schein, Ich glaubt’, es könne nichts von größrer Der tausend mal so weiß, der tausend mal Weisse seyn. so klar, Es schien, ob wär’ ein Schnee gefallen. Fast halb darob erstaunt, gewahr. Ein jeder, auch der klein’ste, Ast Der Blühte Schnee schien schwarz zu seyn Trug gleichsam eine schwere Last Bey diesem weissen Glanz. Es fiel mir ins Von zierlich weissen runden Ballen. Gesicht Es ist kein Schwan so weiß, da nemlich Von einem hellen Stern ein weisses Licht, jedes Blatt, Das mir recht in die Seele strahlte. Indem daselbst des Mondes sanftes Licht Wie sehr ich mich am Irdischen ergetze, Selbst durch die zarten Blätter bricht, Dacht’ ich, hat Gott dennoch weit größre So gar den Schatten weiß und sonder Schätze. Schwärze hat. Die größte Schönheit dieser Erden Unmöglich, dacht ich, kann auf Erden Kann mit der himmlischen doch nicht Was weissers ausgefunden werden. verglichen werden. Barthold Hinrich Brockes (1680–1747) 68 69 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Felicitas Kukuck

Felicitas Kukuck, geb. Cohnheim, wurde am 2. November 1914 in Hamburg gebo- ren. Ihr Vater, Prof. Dr. med. Otto Cohn- heim, und ihre Mutter Eva Cohnheim förderten die künstlerische Entwicklung von Felicitas von Kindheit an. 1916 än- derte ihr Vater auf Wunsch seiner Mutter seinen jüdischen Namen in Kestner um. Felicitas besuchte die Lichtwarck- schule, die bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten Wert auf eine welt­ offene Kulturkunde und Erziehung zu selbständigem Denken und Urteilen ge- legt hatte, bis zum Jahre 1933. Ihr Abitur machte sie 1935 im Landschulheim der Odenwaldschule. An der Berliner Musikhochschule ­studierte Felicitas zunächst Klavier und Querflöte. 1937 bestand sie die Privat- musiklehrerprüfung für Klavier, bekam jedoch sogleich Unterrichtsverbot ­wegen ihrer teiljüdischen Abstammung. Felicitas Kukuck, ca. 1950 Bei Paul Hindemith studierte sie bis zu dessen Emigration nach Amerika Komposition. 1939 schloss sie ihr Musik- studium mit der künstlerischen Reife- prüfung für Klavier ab. Dass sie nicht von den Nazis ermordet wurde, verdankt sie Dietrich Kukuck, der ­Felicitas 1939 heiratete. Er fand einen vernünftigen Standesbeamten, dem er mutig und entschlossen eine „astreine“ Geburtsurkunde mit dem Namen Kestner vorlegte. 1940 wurde ihr erster Sohn Jan geboren. Felicitas Kukuck hat sich in der Nazizeit, vor allem als Komponistin, nie entmutigen lassen. In Berlin war ihre teiljüdische Herkunft unbekannt. Sie nahm eine Jüdin bei sich auf. Die rettende Bleibe brannte 1945 am 3. Mai, dem letzten Kriegstag in Berlin, nieder. Während ihr Sohn Jan mit der „Aktion Storch“, die die Engländer für die hun- Illustration zu Brockes Irdisches Vergnügen in Gott (erste Hälfte 18. Jh.) gernden Kinder organisierten, im Oldenburger Land war, siedelte Felicitas Kukuck 70 71 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

1945 mit einem Flüchtlingstransport nach Hamburg um. 1946 wurden dort ihre Komponistin war die freundschaftliche Zusammenarbeit mit dem Lektor des Möseler Zwillin­ge Margret und Irene geboren. 1948 zog sie mit ihrer Familie nach Hamburg- Verlages und Leiter des Norddeutschen Singkreises, Gottfried Wolters . Aus ihrem um- Blankenese, wo ihr jüngster Sohn Thomas geboren wurde. fangreichen Werkverzeichnis seien zwei Oratorien und zwei Kirchenopern erwähnt: Ihr Kompositionslehrer Paul Hindemith hat Felicitas Kukuck nachhaltig beeinflusst. Das kommende Reich, Uraufführung 1953 in Hamburg, Der Gottesknecht, Urauffüh- Sein Bekenntnis zur ethischen Verpflichtung des Komponisten ist für sie richtungwei- rung 1959 in Hamburg und Berlin, Der Mann Mose, Uraufführung 1986 in Hamburg send geworden. Die konkreten Bedingungen einer Aufführung, d. h. den Anlass, das und 1989 beim Evangelischen Kirchentag in Berlin wiederaufgeführt, und Ecce Homo, Können der Ausführenden, das Publikum, den Ort bereits bei der Komposition selbst Uraufführung 1991 in Hamburg. Mit ihrem eigenen „Kammerchor Blankenese“ hob zu berücksichtigen, ist für sie nie eine Einengung, sondern eine musikalische Heraus- Felicitas Kukuck beide Stücke in der Blankeneser Kirche aus der Taufe. forderung gewesen. Wie für Hindemith bestimmen Techniken wie die übergeordnete In ihren neuesten Werken setzt sich Felicitas Kukuck mit existenziellen Fragen un- Zweistimmigkeit und harmonisches Gefälle sowie Sekundbrücken ihren Komposi­ serer Zeit – mit Krieg und Frieden, mit Auschwitz, Hiroshima und Tschernobyl – aus­ tionsprozess. einander. Im Gedenken an die atomare Vernichtung von Hiroshima und Nagasaki wur- In über sechs Jahrzehnten hat Felicitas Kukuck neben Instrumentalwerken eine de am 11. August 1995 im Rahmen einer Weltfriedenswoche in Hamburg ihre Kantate ­reiches Werk geistlicher und weltlicher Vokalmusik geschaffen und dabei einen sehr Und es ward: Hiroshima. Eine Collage über Anfang und Ende der Schöpfung in der eigenen, unverwechselbaren Stil entwickelt. Von herausragender Bedeutung für die Turmruine St. Nikolai, die heute ein Mahnmal ist, uraufgeführt. Anlässlich der 800-Jahrfeier der Hamburger Hauptkirche St. Nikolai 1995 entstand die szenische Kantate Wer war Nikolaus von Myra? Wie ein Bischof seine Stadt aus einer Hungersnot rettete und vor Krieg bewahrte. Aus den Schlussworten der Kantate spricht die Überzeugung der Komponistin, für die der Frieden in der Welt und zu Hause ein höchstes Gut ist: „Möge Nikolaus behüten / unsere Freunde in der Fremde / und die Fremden in der Stadt.“ Die Kantate wurde am 3. Dezember 1995 von drei Chören in der Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern uraufgeführt. 1996 entstanden unter dem Titel Und kein Soldat mehr sein zehn Lieder gegen den Krieg, die anläßlich des Anti-Kriegstages am 1. September im Monsun-Theater ­uraufgeführt wurden. Ich bin in Sehnsucht eingehüllt ist der Titel ihrer jüngsten Veröf- fentlichung (1999) von sieben Klavierliedern auf Gedichte eines jüdischen Mädchens an ihren Freund. Es sind Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger, die achtzehnjährig in einem Konzentrationslager starb. Die Freie und Hansestadt Hamburg ehrte Felicitas Kukuck 1989 für ihre Verdienste um Kunst und Kultur in Hamburg mit der Biermann-Ratjen-Medaille und verlieh ihr 1994 für ihre Verdienste um das Hamburgische Musikleben und als Auszeichnung für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Musik die Johannes Brahms-Medaille . Auch im Alter von 86 Jahren komponierte Felicitas Kukuck noch täglich. Ständig war sie auf der Suche nach guten Texten, denn es waren, wie sie selbst einmal sagte, „die Worte“, die sie „entzünden“. Sie starb am 4. Juni 2001.

Margret Johannsen

Felicitas Kukuck mit ihrem Lehrer Paul Hindemith in Berlin, 1937 72 73 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Hamburg im Fahrtwind In Hamburg heißen alle Möwen Emma

Man macht sich auf dich 1. so leicht keinen Reim, In Hamburg hängt der Himmel nicht voll man tanzt an der Elbe auch nicht Geigen, in den Himmel hinein. doch manchmal ist er sogar am Sonntag Du hältst dich bedeckt blau. und bist doch so frei: Wenn dann vom Elbstrand Drachen steigen, Was kostet die Welt? Mit ‚nem Scheck fliegt Emma ihre Sonntagssonderschau. bist du immer dabei. In Hamburg heißen alle Möwen Emma. Hamburg im Fahrtwind So heißen Möwenfrau und Möwenmann. geht die Puste nie aus. In Hamburg ist sowas kein Dilemma: Hamburg im Fahrtwind, Hier kommt es auf die wahren Werte an. hier bin ich zu Haus. 2. Hamburg im Fahrtwind, Hier kämmt man sich in himmelgrauen Hamburg im Fahrtwind, Pfützen sturmerprobt und wetterfest, und föhnt sich frau das Haar im Gegenwind, Start und Ziel für Ost und West. und Rentner zieh’n in Schippermützen Du hältst deinen Kurs für Emma aus der Alster Butt und Stint. bei Ebbe und Flut. In Hamburg heißen alle Möwen Emma. Egal ob ‚ne Baisse oder Hausse So heißen Möwenfrau und Möwenmann. Hamburg, mach’ s gut. In Hamburg ist sowas kein Dilemma: Hamburg im Fahrtwind Hier kommt es auf die wahren Werte an. geht die Puste nie aus. Hamburg im Fahrtwind, 3. hier bin ich zu Haus. In Hamburg bläst der Wind zumeist aus Westen, Hamburg im Fahrtwind, bei Ostwind trifft man sich mit frau am Hamburg im Fahrtwind, Strand, Kaufmannsvolk und Schipperslüd, und was sie übrig lassen von den Festen, Start und Ziel für Nord und Süd. pickt sich die Möwe Emma aus dem Sand. Hamburg im Fahrtwind In Hamburg heißen alle Möwen Emma. geht die Puste nie aus. So heißen Möwenfrau und Möwenmann. Hamburg im Fahrtwind, In Hamburg ist sowas kein Dilemma: hier bin ich zu Haus. Hier kommt es auf die wahren Werte an. Margret Johannsen Margret Johannsen

Gutachten von Paul Hindemith für seine Schülerin Felicitas Kestner, vom 28. Dezember 1938 74 75 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Fünfzig Jahre In Hamburg sagt man Prost Refrain: Junge, roll ein Faß an Bord! Bei 53° N (gesprochen: dreiundfünfzig Ich halte still auf meiner Fahrt 1. Nord) Und schaud’re, dass ich fünfzig ward. An einem blauen Sonntag in Hamburg an und 10° O (gesprochen: zehn Grad Ost) Ich dachte, dass auf Erden der Elbe, In Hamburg sagt man Prost. Bloß andere fünfzig werden. da fuhren Hein und Fiete mit ‚m Kutter auf Die Welt vertost, die Ahnung spricht: dieselbe. 3. So stirbt man einst und glaubt es nicht. Geladen hatten Hein und Fiete nur vom Sie trieben weiter Richtung West, der Wind Alfred Kerr (1867–1948) Besten, war eingeschlafen, der Wind kam aus Südosten und sie fuhren und landeten zu guter Letzt doch Sterbelied nach Nordwesten. schließlich in Cuxhaven. Fiete hielt das Steuer und Hein, der hielt die Da luden sie zwei Ladies an Bord von ihrem Lass wenn ich tot bin, Liebste Buddel. Kutter, Lass du von Klagen ab. Sie nahmen Kurs auf Stade, doch da gab’s die hatten eines nur im Sinn, und das war – Statt Rosen und Zypressen ein Kuddelmuddel: was wohl? – Butter! wächst Gras auf meinem Grab. Aus der grauen Suppe kam ein Dann fuhr’n sie los nach Helgoland, doch Ich schlafe still im Zwielichtschein, ausgeflaggter Tanker, sind nie angekommen, in schwerer Dämmernis. Fiete hielt drauf zu, und bei Tonne 100 sank sie haben dort auf hoher See ‚n neuen Kurs Und wenn du willst gedenke mein, er. genommen. und wenn du willst vergiss. Ja, das ist die Geschichte von zwei Männern Meeresstrand Refrain: Junge, roll ein Faß an Bord! aus dem Norden, Ich fühle nicht den Regen, Bei 53° N (gesprochen: dreiundfünfzig Ans Haff nun fliegt die Möwe, zuletzt sind sie im Hafen von Shanghai ich seh’ nicht ob es tagt. Nord) Und Dämmerung bricht herein; gesichtet worden. Ich höre nicht die Nachtigall, und 10° O (gesprochen: zehn Grad Ost) Über die feuchten Watten die in den Büschen klagt. In Hamburg sagt man Prost. Refrain: Junge, roll ein Faß an Bord! Spiegelt der Abendschein. Bei 53° N (gesprochen: dreiundfünfzig Vom Traum erweckt mich keiner, 2. Graues Geflügel huschet Nord) die Erdenwelt verblich. Bei Glückstadt war die Buddel leer, die Neben dem Wasser her; und 10° O (gesprochen: zehn Grad Ost) Vielleicht gedenk ich deiner, Kehlen waren trocken, Wie Träume liegen die Inseln In Hamburg sagt man Prost. vielleicht vergaß ich dich. da muß ‚ne neue Ladung her, rief Fiete Im Nebel auf dem Meer. Margret Johannsen Alfred Kerr (1867–1948) unerschrocken. Ich höre des gärenden Schlammes In ihrem Elend enterten sie einen Italiener In der Frühe Geheimnisvollen Ton, und löschten ihren Brand mit Vino Rosso Einsames Vogelrufen – im Container. Goldstrahlen schießen übers Dach, So war es immer schon. So schafften sie Brunsbüttel und wollten Die Hähne krähn den Morgen wach; durch die Schleuse, Nun einer hier, nun einer dort, Noch einmal schauert leise doch da entdeckte Hein in seiner Koje So kräht es nun von Ort zu Ort. Und schweiget dann der Wind; weiße Mäuse. Und in der Ferne stirbt der Klang - Vernehmlich werden die Stimmen, Ins Deck und in die Planken schlugen sie Ich höre nichts, ich horche lang. Die über der Tiefe sind. die spitzen Zähne, Ihr wackern Hähne, krähet doch! Theodor Storm (1817–1888) da stellte Fiete Schiff und Mannschaft unter Sie schlafen immer, immer noch. Quarantäne. Theodor Storm (1817–1888) 76 77 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Tipps zum Lesen

Marie-Agnes Dittrich, Musikstädte Hermann Rauhe, Musikstadt Hamburg. der Welt: Hamburg. Hamburg 1990. Eine klingende Chronik. (Buch mit 7 CDs). 2. Aufl. Hamburg 2010. Rüdiger Thomsen-Fürst, Hamburg ­musikalisch: Spurensuche in der Neu- Birgit Kiupel, Kirsten Reese, Cornelia stadt. Hamburg 2000. Geissler, Dienstmädchen auf der ­Opernbühne des 18. Jahrhunderts, Birgit Kiupel, Zwischen Krieg, Liebe MUGI (Musikvermittlung und Gender- und Ehe. Studien zur Konstruktion von forschung), Hochschule für Musik und Geschlecht und Liebe in den Libretti Theater. Hamburg 2005. der Hamburger Oper am Gänsemarkt http://mugi.hfmt-hamburg.de/dienstmaedchen/ (1678–1738). Freiburg/Breisgau 2010.

Cordula Sprenger, Felicitas Kukuck als Komponistin von Solo- und Chorliedern. Tectum Verlag 2008. MUSICA SACRA HAMBURGENSIS

Die elfteilige klingende Denkmäler-Reihe Musica sacra Hamburgensis 1600–1800 möchte ein nachhaltiges Interesse für diese Glanzzeit der Hamburger Kirchenmusik wecken. Anhand exemplarisch ausgewählter, oftmals unbekannter Kompositionen, dargeboten von renommierten Ensembles aus dem Bereich der Alten Musik, sollen die Vielfalt wie auch manche Besonderheiten der in Hamburg entstandenen Kirchenmu- sik von der frühen Neuzeit an bis zur beginnenden Romantik vermittelt werden. Die Reihe wurde von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius initiiert. Beratende Un- terstützung erfuhr sie von Seiten der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, wei- Tipps zum Hören tere Kooperationspartner waren Deutschlandradio Kultur sowie das Klassiklabel cpo.

Musica Sacra Hamburgensis 1600–1800 Felicitas Kukuck: Von den Anfängen Wiederentdeckungen Hamburger Kirchen­ bis zum Spätwerk. Doppel-CD. musik 1600–1800. Hrsg. von der ZEIT- Gespräche mit Felicitas Kukuck über Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius. CPO. die Musik. Von ihren musikalischen Anfängen in der Kindheit bis zu ihrem 80. Lebensjahr.

Bezug beider CDs über [email protected]

Übersicht der erschienenen CDs unter: www.zeit-stiftung.de 78 79 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜

Impressum Textnachweise

Texte (wenn nicht anders angegeben) und Redaktion: Salon I Prof. Dr. Beatrix Borchard, Dr. Bettina Knauer Zu Gast im Budge Palais. S. auch: Hanns-Werner Heister (Hrsg.), Gestaltung: Veronika Grigkar (grigkar.de) Kunsträume Studium Innenansichten. 50 Jahre Hochschule für Druck: diedruckerei.de Musik und Theater Hamburg. Hamburg 2000 (www.hfmt-hamburg.de/hochschule/historie/das-budge-palais). Gudrun Föttinger, Ottilie Metzger-Lattermann, MUGI (Musik­ Bildnachweise vermittlung und Genderforschung), Hochschule für Musik und sofern nicht im Text angegeben: Theater (http://mugi.hfmt-hamburg.de/A_lexartikel/lexartikel. php?id=metz1878). Salon I Rollenverzeichnis Ottilie Metzger-Lattermann erstellt von S. 10 Budge-Palais, Fanny-Hensel-Saal (Torsten Kollmer) Raika Simone Maier S. 13 Portraits Emma und Henry Budge (Hochschule für Musik und Peter Kahn, Das Budgehaus am Harvestehuder Weg. In: Theater Hamburg) Charlotte Ueckert-Hilbert (Hrsg.), Fremd in der eigenen Stadt. S. 14 Paul Hindemith und sein Quartett (www.wikipedia.de) Erinnerungen jüdischer Emigranten aus Hamburg. Hamburg S. 15 Ottilie Metzger-Lattermann als Carmen – MUGI (Musik- 1989. vermittlung und Genderforschung), Hochschule für Musik und Theater (http://mugi.hfmt-hamburg.de/A_lexartikel/lexartikel. Salon II php?id=metz1878) Birgit Kiupel, Die Hamburger Gänsemarktoper. S. auch Birgit S. 18 Ottilie Metzger-Lattermann Kiupel, Dienstmädchen auf der Opernbühne. Multimediale (Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth) Präsentation. MUGI (Musikvermittlung und Genderforschung), S. 19 Stolpersteine (Torsten Kollmer) Hochschule für Musik und Theater (http://mugi.hfmt-hamburg. S. 20 Siegfried Budge (Universitätsarchiv Frankfurt a. M.) de/dienstmaedchen/). S. 21 Ella Budge (Privatarchiv Wolf Kahn) Birgit Kiupel, Mattheson gegen Händel: Sie waren Helden (!?). Zuerst erschienen in: Journal, das Magazin der Hamburgischen Salon II Staatsoper 2011/12 September, Oktober. S. 31 Zeichnung von Birgit Kiupel, Die Opernchefin Madame Ellen Freyberg, Louise Reichardt. MUGI (Musikvermittlung und Kayserin privat Genderforschung), Hochschule für Musik und Theater (http:// S. 37 Georg Philipp Telemann, Kupferstich von Georg Lichtensteger mugi.hfmt-hamburg.de/A_lexartikel/lexartikel.php?id=reic1779). (www.wikipedia.de) S.45 Giebichenstein (www.wikipedia.de) Salon III S.46 Furore-Verlag, Von Goethe inspiriert. Lieder von Archiv Hamburger Abendblatt Komponistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts Salon IV Salon III Margret Johannsen über Felicitas Kukuck (www.felicitaskukuck.de) S. 49 Anneliese Rothenberger als Lulu (www.annelieserothenberger.ch) S. 50 Franz Liszt 1858 (Fotografie Franz Hanfstaengl, www.wikipedia.de) S. 55 Archiv des Hamburger Abendblatts S. 58 Placido Domingo, Autogrammkarte (www.cs.princeton.edu/~san/domingo28.jpg) S. 62 Renate Behle/Hamburgische Staatsoper

Salon IV S. 65 Hans Albers (dradio.de) S. 68 Illustration zu B. H. Brockes Irdisches Vergnügen in Gott (www.wikipedia.de) S. 69/70 Felicitas Kukuck (www.felicitaskukuck.de) Eine Veranstaltungsreihe der Hochschule für Musik und Theater Hamburg unter Leitung von Prof. Dr. Beatrix Borchard in Kooperation mit Dr. Bettina Knauer und Prof. Marc Aisenbrey

Fanny-Hensel-Saal der Hochschule für Musik und Theater Hamburg

Harvestehuder Weg 12 (Eingang Milchstraße) 20148 Hamburg www.hfmt-hamburg.de

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