PETER CZOCH HANSA ROSTOCK IN DER F.C. (FAST) 100 LEGENDÄREN SPIELEN- - FCH!

Peter Czoch erzählt in diesem Buch von Europapokalduellen mit dem FC Barcelona, der letzten DDR-Meisterschaft, grandiosen partien gegen die Bayern und den BVB – aber natürlich auch von Be DEN gegnungen aus der 3. Liga sowie traumatischen Ab- und großartigen PETER CZOCH Aufstiegen. Ein Buch für echte Hansa-Fans! f ü r

für MIT VIELEN BISHER UNVERÖFFENTLICHTEN FOTOS. Alles den FCH! DIE LEGENDÄRSTEN HANSA-SPIELE

Alles

ISBN 978-3-7307-0536-0 VERLAG DIE WERKSTATT Inhalt 1. Februar 2003 46 1. FC Nürnberg – Hansa Rostock

8. Mai 1968 7 11. Februar 2017 48 Hansa Rostock – Carl Zeiss Jena Sonnenhof Großaspach – Hansa Rostock

16. April 2013 11 30. September 2000 50 Babelsberg 03 – Hansa Rostock Bayern München – Hansa Rostock

20. März 2017 14 18. September 1968 52 FSV Zwickau – Hansa Rostock Hansa Rostock – OGC Nizza

14. November 1954 16 23. September 1995 54 SC Empor Rostock – Ch. Karl-Marx-Stadt Hansa Rostock – FC St. Pauli

27. September 1989 18 25. September 2007 56 Banik Ostrava – Hansa Rostock Hertha BSC – Hansa Rostock

10. August 1991 22 19. Juni 1955 58 Bayern München – Hansa Rostock W. Karl-Marx-Stadt – Empor Rostock

20. November 2006 24 12. April 2013 60 Karlsruher SC – Hansa Rostock Alemannia Aachen – Hansa Rostock

19. September 2004 26 13. Juni 1987 62 Energie Cottbus II – Hansa Rostock II Lok Leipzig – Hansa Rostock

19. März 1979 28 3. März 2001 64 Hansa Rostock – Stahl Riesa Hansa Rostock – Bayern München

10. September 1999 30 23. Juni 2013 66 Hansa Rostock – SSV Ulm Hansa Rostock – VfL Wolfsburg

18. August 2018 32 2. September 1983 68 Hansa Rostock – VfB Stuttgart Hansa Rostock – Vorwärts Frankfurt

19. Oktober 2008 36 25. Mai 1993 70 Hansa Rostock – TuS Koblenz Hansa Rostock – SC Freiburg

18. Januar 1998 38 5. September 1990 71 Hansa Rostock – Schalke 04 FC Berlin – Hansa Rostock

5. März 2005 40 13. November 1968 74 Hannover 96 – Hansa Rostock Hansa Rostock – AC Florenz

4. August 2001 42 20. Dezember 2019 76 Hansa Rostock – Bayer Leverkusen Viktoria Köln – Hansa Rostock

29. Mai 2013 44 3. März 1979 78 TSG Neustrelitz – Hansa Rostock Lok Leipzig – Hansa Rostock 13. September 1969 79 21. August 2005 106 Chemie Leipzig – Hansa Rostock Hansa Rostock II - Mainz 05

14. Oktober 2005 80 16. Mai 1992 108 Hansa Rostock – Erzgebirge Aue Hansa Rostock – Eintracht Frankfurt

18. Dezember 2011 82 3. Dezember 2000 112 Hansa Rostock – Energie Cottbus – Hansa Rostock

7. Oktober 1960 84 12. Februar 1966 114 Motor Jena – Empor Rostock Hansa Rostock – Rot-Weiß Erfurt

25. August 1979 85 23. November 2013 116 Hansa Rostock – Kernkr. Greifswald RB Leipzig – Hansa Rostock

18. April 1998 86 25. April 1998 118 Hansa Rostock – 1. FC Kaiserslautern Hansa Rostock – VfB Stuttgart

1. Oktober 1969 88 22. Dezember 1957 119 Panionios Athen – Hansa Rostock Lok Leipzig – Empor Rostock

29. Mai 2010 89 20. Mai 2007 120 Hansa Rostock II – VfL Wolfsburg II Hansa Rostock – SpVgg. Unterhaching

11. Juni 1995 90 2. April 2011 122 Hansa Rostock – Hannover 96 Hansa Rostock – Carl Zeiss Jena

19. November 2011 92 28. Oktober 1995 124 Hansa Rostock – FC St. Pauli Hansa Rostock – Eintracht Frankfurt

13. August 1994 95 28. März 2010 126 Tennis Borussia Berlin – Hansa Rostock FC St. Pauli – Hansa Rostock

2. Juni 1991 96 2. August 2008 128 Hansa Rostock – Eisenhüttenst. FC Stahl Næstved BK – Hansa Rostock

13. Mai 2015 98 9. August 2003 130 TSG Neustrelitz – Hansa Rostock SC Freiburg – Hansa Rostock

8. März 1975 100 24. April 2011 132 Hansa Rostock – Carl Zeiss Jena Bayern München II – Hansa Rostock

16. Februar 2000 102 21. Juli 2004 134 Bayern München – Hansa Rostock Bayer 04 Leverkusen – Hansa Rostock

8. Juli 1989 104 17. Februar 1990 135 BK 1903 Kopenhagen – Hansa Rostock Hansa Rostock – Werder Bremen

20. August 2005 106 2. Oktober 1991 136 FC 08 Villingen – Hansa Rostock Hansa Rostock – FC Barcelona 30. Januar 2016 138 29. Mai 1999 168 Hansa Rostock – VfL Osnabrück VfL Bochum – Hansa Rostock

10. Mai 1964 140 25. Juli 1998 172 Aufbau Magdeburg – Empor Rostock Hansa Rostock – Debreceni VSC

30. April 1967 141 30. Juli 1991 174 Motor Zwickau – Hansa Rostock Hansa Rostock – 1. FC Kaiserslautern

4. Mai 1991 142 29. Oktober 2016 176 Hansa Rostock – Dynamo Dresden Hansa Rostock – Mainz 05 II

29. April 2012 146 26. Februar 1977 178 Union Berlin – Hansa Rostock BFC Dynamo – Hansa Rostock

3. Dezember 1977 147 25. Mai 2005 180 Hansa Rostock – Motor Wolgast Greifswalder SV – Hansa Rostock II

27. Juni 2010 148 31. Juli 2004 182 Bayer Leverkusen – Hansa Rostock Hansa Rostock – FC Middlesbrough

5. Februar 2021 150 12. November 1969 184 Hansa Rostock – SC Verl Hansa Rostock – Inter Mailand

24. August 2002 152 22. Mai 1955 186 Energie Cottbus – Hansa Rostock Empor Rostock – Turbine Erfurt

27. April 1996 154 14. August 1991 188 Bayern München – Hansa Rostock Hansa Rostock – Borussia Dortmund

21. Mai 2005 156 Borussia Dortmund – Hansa Rostock

21. April 2019 158 1. FC Kaiserslautern – Hansa Rostock

1. März 2005 159 Arminia Bielefeld – Hansa Rostock

17. Mai 2008 160 VfL Bochum – Hansa Rostock

22. April 1988 162 Hansa Rostock – Vorwärts Frankfurt

14. September 1990 164 Hansa Rostock – Hallescher FC

6. Mai 2012 166 Hansa Rostock – Greuther Fürth 8. Mai 1968 Oberliga, 22. Spieltag Hansa Rostock – Carl Zeiss Jena 2:1 (0:1)

Bei voller Kulisse empfing Hansa den FC Carl Zeiss aus Jena. 35.000 Zuschauer bevölkerten das Ostseestadion und wollten das Top-Spiel der Saison sehen. Obwohl Hansa durch den 2:1-Sieg an der Tabellenspitze gleichziehen kann, geht den Rostockern im Schlussspurt der Saison die Luft aus. Mit dem zweiten Platz quali- fiziert sich der FCH aber erstmals für den Messepokal.

7 Mit einer beeindruckenden Choreografie feiern die Fans im ganzen Stadion den 50. Geburtstag des F.C. Hansa (siehe Seite 138).

8 9 VORWORT

Um unseren F.C. Hansa ranken sich zahlreiche Geschichten. Sie alle verkörpern freudige Sensationen und Emotionen, aber auch Tief- und Rückschläge, zusammen ergeben sie die Erzählung des Vereins. Und so habe ich mit diesem Buch versucht, die einzelnen Erinnerungen und Geschehnisse zu einem Gesamtbild zusam- menzusetzen. Herausgekommen ist die Geschichte des FCH und seines Vorgängers, des SC Empor. Sie wird nicht als gradlinige Chronik erzählt, sondern als buntes Sammelsurium, in dem wir Fans, die diesen Klub so lieben, uns (hoffentlich) wiederfinden können. Hierfür habe ich über viele Wochen die Archive durch- wühlt, alte Programmhefte und Fanzines, Bücher und Videoclips studiert. Herausgekommen ist eine große Sammlung an Hansa- Spielen, die mal mehr und mal weniger bekannt sind, die aber alle ein Stückchen zum Mythos unseres Klubs beitragen. Seien es die silbernen Anfangsjahre, die Zeit als Fahrstuhlmannschaft oder der Aufschwung zum Ende der DDR-Zeit, Hansa hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Aber auch die viel umjubelten Neun- ziger, die schwierigen Nullerjahre und der bittere Gang in die Drittklassigkeit sollen nicht vergessen sein. Immerhin hat die neue Zeit den FCH zum noch immer erfolgreichsten Fußballklub der ostdeutschen Bundesländer gemacht, unsere Kicker, Trainer, Funktionäre und Fans hinterließen allerhand Spuren. Wer erin- nert sich noch an die erste gelb-rote Karte des deutschen Fuß- balls oder die legendäre Schweden-Connection? Dieses Buch erzählt Geschichte und lädt alle ein zum Erzählen ihrer, seiner, unserer Geschichten über die Macht von der Ostsee und unser aller Herzensklub: F.C. Hansa Rostock.

Bedanken möchte ich mich für vielfältige Unterstützung bei den fleißigen Fotografen, ohne die dieses Buch so nicht möglich geworden wäre, bei Martin und Ole für ihre IT-Unterstützung, bei Ayse für viel Ansporn und Aufmunterung, bei der #Hansabande für etliche Ideen und Erinnerungen, bei allen Freunden, die mit Nachfragen, Kritik und Anregungen genauso ihren Anteil hatten wie meine Mutter, ohne die ich den für das Buch wohl notwen- digen Hansa-Fanatismus nie aufgebracht und ausgelebt hätte.

Peter Czoch, im Januar 2021 16. April 2013 3. Liga, 22. Spieltag Babelsberg 03 – Hansa Rostock 2:1 (2:1)

Nach zahlreichen witterungsbedingten Spielverlegungen treffen sich im April 2013 Babelsberg 03 und Hansa im Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion. Das Spiel geht 1:2 verloren. Der Gästeblock setzt allerdings akustisch und mit einer eindrucksvollen Pyroshow erneut Maßstäbe.

11 Bevor alles begann

Schon vor der Gründung des F.C. Hansa gemeinschaften aus Schwerin, Wismar und wurde in Rostock Fußball gespielt. Wäh- Greifswald erneut ins Hintertreffen. rend in vielen Regionen Deutschlands ab Erst Mitte der 1950er Jahre, als sich Mitte des 19. Jahrhunderts peu à peu Fuß- abzeichnete, dass der Norden in der DDR ballteams und Klubs entstanden, dauerte fußballerisch dauerhaft deutlich unter- es in Mecklenburg vergleichsweise lange, repräsentiert bleiben würde, entschieden ehe mit einer Art organisiertem Spielbe- die Funktionsträger aus Staatspartei und trieb angefangen wurde. In Rostock selbst Gewerkschaftsbund, daran etwas zu ändern. wurde 1895 der Rostocker FC gegründet. Er Kurzerhand stifteten sie der Bezirkshaupt- sollte ideell auch den Grundstein für Hansa stadt Rostock im Jahr 1954 einen Erstli- legen, denn der Legende nach ist die eigen- gaverein. Weil die neuen Sportstrukturen tümliche Schreibweise „F.C.“ Hansa eine der DDR Teile der Betriebsorganisationen Hommage an den RFC von 1895. waren und es mit Empor Lauter einen Erst- Nach dem Zweiten Weltkrieg, der zwei ligisten ohne passende Infrastruktur gab, Jahre Spielpause zur Folge hatte, starteten fiel die Wahl auf das Team aus dem Erzge- die Fußballer aus Rostock schließlich gar birge, das nunmehr an die Ostsee delegiert nicht schlecht, und die Sportgruppe Ros- wurde und von da an als Empor Rostock tock-Süd, die auf dem Platz von Rostock 95 antreten sollte. antrat, konnte 1947 die erste ausgetragene Und so beginnt die Geschichte, denn Meisterschaft von Mecklenburg und Vor- durch die Ausgliederung der Fußballver- pommern feiern. In den zwei folgenden eine in selbstständige Klubs Mitte der Jahren bis zur Gründung der Oberliga aller- 1960er wurde schließlich am 28. Dezember dings verloren die Rostocker wieder an 1965 im Kultursaal der Deutschen Post der Boden und gerieten gegenüber den Sport- F.C. Hansa Rostock gegründet.

12 13 20. März 2017 3. Liga, 28. Spieltag FSV Zwickau – Hansa Rostock 2:2 (0:2)

14 Nach 22 Jahren darf Hansa wieder zum Klassiker nach Zwickau. Das Hinspiel wurde souverän 5:0 gewonnen; im Rückspiel klappt es mit dem Kantersieg trotz Pau- senführung nicht. Dafür sorgen die Fans mit einer militaristischen Choreografie für Aufsehen.

15 14. November 1954 Oberliga, 11. Spieltag SC Empor Rostock – Chemie Karl-Marx-Stadt 0:0

Wo de Ostseewellen trekken an den Strand

Und dann war es endlich so weit, Rostock Nationalspieler, Kurt Zapf, der ganze 13 bekam seine Oberliga-Mannschaft. Das Jahre für uns spielte, Arthur Bialas, der in Nationale Aufbauwerk hatte Anfang der acht Jahren immerhin 79 Tore schoss und 1950er Jahre zum Bau des Ostseestadions 1962 Torschützenkönig wurde. mobilisiert, und viele Tausende halfen mit. Viele von ihnen waren aus Lauter mit In über 230.000 freiwilligen Arbeitsstunden an die Ostsee gezogen. Zwar lockte man sie wurde der Hansestadt ein neues Rund zum Teil mit saftigen Gehältern, aber die errichtet – genau dort, wo Jahre zuvor die zurückgelassenen Familien im Erzgebirge, Nationalsozialisten aufmarschieren ließen. so heißt es, mussten sich als angebliche „Ver- Zwar fanden in Rostock zuvor erste räter“ einiges an Drangsal gefallen lassen. Spiele der Nationalmannschaften gegen Das umgezogene Rumpfteam wurde durch Polen (Männer) und die Tschechoslowakei Talente und Altgediente aus der Region, wie (Frauen) statt, und auch das Endspiel um Heinz Minuth und Herbert Holtfreter, ergänzt die Jugendfußballmeisterschaft zwischen und schlug sich in seinen ersten Monaten Einheit Schwerin und Chemie Zeitz wurde gar nicht so schlecht. Beendet wurde die am selben Ort ausgetragen, aber eine erste Spielzeit schließlich auf Platz neun. dauerhafte Fußballmannschaft fehlte der Außerdem konnte die Mannschaft ins Hansestadt. Nun aber, nach der Delegation FDGB-Pokalfinale einziehen. In den kom- aus Lauter, konnte es losgehen. menden Jahren sollte Empor eine relevante Vor 17.000 Zuschauern, eine Tribüne gab Größe im DDR-Fußball werden. Schon von es noch nicht, spielte eine wahre Elf aus diesem ersten Spiel weiß die Fußballwoche kommenden Hansa-Legenden 0:0 – dar- zu berichten, dass sich die Elf auf Anhieb in unter Gerhard Schaller, der erste Rostocker die Herzen der Rostocker gespielt hat.

16 Im Januar 1955 verliert Empor bei Loko- motive Leipzig. Hier faustet Rudi Leber den Ball aus der Gefahrenzone und wird vom Leipziger Schoppe angegangen. Rechts sieht Kurt Zapf der Szene zu.

17 27. September 1989 UEFA-Pokal, 1. Runde Banik Ostrava – Hansa Rostock 4:0 (2:0)

„Die Hansafans haben die DDR in der ČSSR würdig vertreten“

Es war nunmehr 20 Jahre her, dass Hansa die anstehende Begegnung stieg jedenfalls letztmals international spielen durfte. Als von Minute zu Minute. Vierter der Vorsaison hatte man sich end- In Ostrava angekommen erlebten die lich wieder qualifiziert. In der ersten Runde Mitgereisten eine böse Überraschung. Auf- des UEFA-Cups sollte es ins tschechoslo- grund der Massenfluchten der DDR-Bürger wakische Ostrava gehen, und eine ganze in die Prager Botschaft fürchtete man, dass Meute Hansafans würde sich auf den Weg die Fans das Spiel nutzen würden und sich machen. Das Hinspiel hatte Hansa zwar – kurzerhand ebenso absetzen wollten. Des- nach einer 2:0-Führung! – 2:3 verloren, aber halb war es streng verboten, den Zug zu das sollte niemanden an der Teilnahme an verlassen, die Fenster mussten geschlossen diesem Abenteuer hindern. Doch wer hätte bleiben. Angebliche Randale der Hansafans gedacht, dass dieses einfache Fußballspiel veranlasste Polizei und die Stadtoberen von zwischen sozialistischen Sportfreunden Ostrava, dass der Zug umzukehren habe. unter das Räderwerk der Zeitgeschichte Massen an Polizei samt Hunden, Knüppeln kommen sollte? Niemand. Und so orga- und Maschinenpistolen warteten auf jeden, nisierte das FDJ-Reisebüro Jugendtourist der es wagte, aus dem Zug zu steigen. Wo höchstselbst einen Sonderzug für 500 sich Fans wehrten, wurde Tränengas in den Hansafans, der bis zum Zielbahnhof stö- Zug geschossen. rungsfrei von Bruderland zu Bruderland Unbehagen und Ungewissheit machten fuhr – was natürlich nur die halbe Wahrheit sich breit – nicht nur bei den Fans. Auch ist: Schon nach Grenzübertritt sollten die die Vereinsführung erfuhr im Stadion, dass Hansafans die Knüppel der Miliz zu spüren man die Schlachtenbummler nicht zum bekommen. Die meiste Zeit aber wurde Spiel lassen werde. Obwohl einige Funk- getrunken und gelacht, die Vorfreude auf tionäre schließlich zum Bahnhof eilten,

18 Rainer Jarohs im Heimspiel gegen Banik.

Fuchs versucht es im Rückspiel mit einem Entlastungsangriff. Im Hinter- grund verfolgt Röhrich das Dribbling seines Mannschaftskameraden.

19 konnten sie nichts machen und mussten Polizei auf den Plan, die wieder ordentlich der Willkür notgedrungen zusehen. Die zulangte. Aus Protest verließ schließlich Mannschaft überlegte zwar, nicht anzu- auch diese kleine Abordnung zur Halbzeit treten, aber dies hätte eine Sperre für wei- das Stadion. tere internationale Teilnahmen bedeutet. Als der Zug nach über drei Stunden So trat man an und ging sang- und klanglos wieder zur Rückfahrt ansetzte, quietschten mit 0:4 baden. Die Hansa-Spieler wirkten plötzlich die Bremsen. Jemand hatte die vielfach wie Statisten. Vielleicht steckte Notbremse gezogen. So einfach werdet auch ihnen ein wenig die Nachricht in den ihr uns nicht los, müssen einige Hansafans Knochen, dass man ihre treuen Begleiter gedacht haben. Das aber ließ sich die Miliz an jenem Tag nicht zum Stadion ließ. Doch natürlich nicht gefallen. Polizisten stürmten rund 150 Hanseaten hatten es trotz allem die Wagen und knüppelten auf jeden ein, in den Gästeblock geschafft. Über unab- der sich irgendwie auffällig regte. hängige Routen angereist, machten sie im Als die Fahrt dann doch fortgesetzt Stadion auf sich aufmerksam, skandierten wurde, durfte niemand mehr aus seinem „Sonderzug! Sonderzug!“ oder „Nicht Abteil. Beim Stopp in Prag wollte ein Bot- spielen!“, aber das rief nun auch hier die schaftsmitarbeiter den Reiseleiter sprechen.

Der von den Hansafans noch im Zug aufgesetzte Protestbrief

20 Doch die Polizei war schneller: Noch beim auf, der später natürlich in irgendwelchen Verlassen des Zugs wurde er geschnappt Schubladen verschwand. Darin betonten und ebenso wie die Fans malträtiert. Eine sie, die DDR im Bruderstaat würdig ver- surreale Situation in einem aufbrechenden treten zu haben. Erst ab Berlin, wo der Zug Ostblock zwischen staatlicher Härte, in nun in regelmäßigen Abständen das Aus- Bewegung geratenen Gesellschaften und steigen erlaubte, beruhigte sich die Situ- reisefreudigen Hansafans. ation für viele. Immerhin: Das Reisebüro Als der Reisetross wieder in der DDR erstattete 150 Mark, doch diesen Schre- angekommen war, verließen die Tsche- cken hätte sich an jenem Tag jeder sparen chen zwar den Zug, dafür stieg die Trans- können. Die Tour nach Ostrava sollte sich portpolizei, zuständig für Bahnanlagen, ein. danach als Legende in die Erinnerung Sie war zwar unbewaffnet, aber der Spuk unseres Vereins einbrennen, und auch das fand trotzdem noch kein Ende, denn nun Bröckeln der gesamten DDR ließ sich nicht wurde ein ganzer Wagen geräumt, und die mehr stoppen, wie wir heute wissen. Beamten begannen damit, die Fans zu ver- hören. Die blieben allerdings nicht untätig und setzten noch im Zug einen Protestbrief

Das Programmheft zum Hinspiel im Ostseestadion (2:3).

21 10. August 1991 1. Bundesliga, 2. Spieltag Bayern München – Hansa Rostock 1:2 (1:1)

Blitzsaubere Konter

Mit einem 4:0 hatte Hansa den 1. FC Nürn- überlegt und wusste dann, den Ball lupfst berg vom Platz geschickt und durfte als erster du über Aumann ins Tor“, berichtete der gesamtdeutscher Tabellenführer am zweiten gebürtige Rostocker anschließend ganz Spieltag der Saison 1991/92 bei den Bayern cool. Als wäre es keine große Sache, vor antreten. Mit dabei: über 2.000 Hansafans. 43.000 Zuschauern im Olympiastadion das Obwohl vor der Saison viele Fußballex- Siegtor gegen den FC Bayern zu schießen. perten von der „grauen Maus aus dem Osten“ Der Rekordmeister konnte sich am Ende sprachen, gehörten die ersten Wochen dieser sogar noch glücklich schätzen, so glimpf- Bundesliga-Spielzeit dem FCH. lich davongekommen zu sein, denn der Dieses Spiel allerdings fi ng gar nicht eingewechselte Schlünz scheiterte trotz so rosig an. Schon in der dritten Minute Großchance an Torwart Aumann und Baben- nämlich brachte Roland Wohlfarth die dererde gar am Gehäuse. Im Anschluss, Münchner mit seinem 100. Bundesligator in weiß ein ausgegrabener Fanzine-Artikel zu Führung. Aber Hansa gab sich nicht auf. Die berichten, glich die Innenstadt einem Ros- Abwehr blieb stabil, und die Offensive der tocker Volksfest, und viele Hundert feierten Blau-Weißen wusste durch Konter zu über- eine „Siegesfeier vom Allerfeinsten“, während zeugen. Während der tschechoslowakische die Bayern mit sich und der Welt haderten, Nationalspieler Roman Sedláček bereits denn eigentlich wollten sie „diese Saison in der 21. Minute den Ausgleich besorgte, ohne Heimniederlage überstehen“, wie Oliver sollte den Bayern um Brian Laudrup auf der Kreuzer einem Journalisten verriet. Da hatten anderen Seite nichts mehr gelingen. sie die Rechnung ohne den FCH gemacht. Zwar brachte abermals Wohlfarth zu Wermutstropfen für Hansa: Die Tabel- Beginn der zweiten Hälfte mit einem Fall- lenführung musste man trotz des Siegs an rückzieher die Herzen der Hansafans kurz die Frankfurter Eintracht abgeben – wegen zum Stillstand, doch den entscheidenden des schlechteren Torverhältnisses –, und Treffer erzielte Jens Wahl – und zwar mit besonders lange hielt dieser Höhenfl ug einem eiskalten Lupfer. „Ich habe kurz bekanntlich leider auch nicht an.

22 Trainer Reinders bleibt auch beim Sieg gegen den Rekordmeister ganz cool.

Bringt Hansa auf die Sieger- › straße: Roman Sedlácek.

23 20. November 2006 2. Bundesliga, 13. Spieltag Karlsruher SC – Hansa Rostock 4:4 (3:0)

Eine Mannschaft mit Moral

„Nehmt euch montags frei, denn da kommt gleich nach dem Wiederanpfiff ordentlich auf DSF die Bundesliga zwei.“ Wurden im los, doch unsere Mannschaft mit Trainer Oberhaus die Abstiegskandidaten mit Frank Pagelsdorf gab sich nicht auf. Und diesem Spottgesang bedacht, bescherte so passten sich unsere Jungs durch die genau dieser Umstand den beiden Topteams Abwehr des KSC, Enrico Kern zog ab und der Saison 2006/07 ein mehr als denkwür- aus dem Rückraum kam Amir Shapour- diges Spiel im Live-TV. Der Gästeblock im zadeh heran, der den Ball mit der Pike an Wildparkstadion war natürlich wieder gut Torwart Markus Miller vorbeikicken konnte. gefüllt, doch den Hansafans sollte bald Eins zu drei – hier könnte doch noch was schon die Stimmung ordentlich verhagelt gehen! Aller Hoffnung zum Trotz kamen werden. Bereits nach sechs Minuten fand die Badener aber wieder über rechts und eine Flanke den Kopf von Edmond Kapllani, stellten in der 63. Minute fast ohne Gegen- der sich durch die Abwehr geschoben hatte wehr den alten Abstand wieder her. und den Ball nur noch platzieren musste. Doch was dann passierte, bereitet allen Und es sollte desolat weitergehen, als Mas- Mitgereisten (und natürlich auch den- similian Porcello in der 16. Minute „den jenigen, die das Spiel im TV verfolgten) Hafer“ gab, wie es im TV-Kommentar hieß, noch heute Gänsehaut. Gerade einmal und aus gut 35 Metern den Freistoß direkt 13 Minuten waren noch zu spielen, da lan- in die Maschen hinter Mathias Schober dete die herausgespielte Ecke wieder bei drosch. Dem nicht genug durfte nur zwölf Shapourzadeh, und der zog aus 20 Metern Minuten später Bradley Carnell einen Ball einfach ab. Der Karlsruher Keeper wurde in abstauben, den unser Keeper nicht fest- seiner Sicht behindert, vom Ball überrascht halten konnte. und konnte den Einschlag nicht mehr ver- Das Debakel schien perfekt, wenn hindern. In diesem Moment hatten die Han- auch etwas skurril, da die Gäste aus dem seaten Blut geleckt und spielten von da an Norden eigentlich auf Augenhöhe mit dem groß auf. Es dauerte keine drei Minuten, da KSC waren. Zwar legten die Gastgeber lief Kern direkt auf die gegnerische Abwehr

24 zu, sah auf links Christian Rahn heraneilen, legte ab. Rahn zog direkt voll ab, und wie ein Strich in der Luft schlug die Kugel im oberen rechten Eck ein. Hansa war wieder dran und hatte noch lange nicht genug. Dem Gastgeber hingegen ging nun immer mehr die Puste aus. Das Glück perfekt machte schließlich Mit dem Ausgleich gibt es im die 87. Minute. Ein langer Pass fand auf Gästeblock kein Halten mehr. der linken Außenbahn abermals Rahn, der den Ball flach hereingab. Đorđije Ćetković war schneller als seine Gegenspieler und konnte entgegen der Laufrichtung Millers das Leder in den Kasten bugsieren. Völlig wahnsinnig stürmte er in die Kurve des Hansa-Anhangs, wo jetzt alle eskalierten. Hansa war hier schon abgeschrieben gewesen, hatte aber seinem Ruf, in dieser Saison in der Schlussphase besonders gefährlich zu sein, erneut alle Ehre bereitet.

25 19. September 2004 Oberliga Nordost-Nord, 6. Spieltag Energie Cottbus II – Hansa Rostock II 0:5 (0:2)

Auf die Gastfreundschaft

Um eine magere Schlappe gegen die Wölfe Staffel antreten. Sie sah gegen die von am Vortag zu verdauen, machten sich rund Timo Lange trainierte Hansa-Mannschaft 150 Fans am Sonntag auf den Weg in die an diesem Tag keinen Stich. Fünf Treffer Lausitz. Die Amateure durften bei der Zweit- schenkten die Ostseestädter den Lausit- vertretung von Energie Cottbus antreten. zern ein und stellten auch auf Ebene der Bei bestem Spätsommerwetter wurde der Zweitvertretungen klar, wer das Sagen im Gästeblock direkt mit der großen „Anti ostdeutschen Fußball hatte. Cottbus“-Fahne geschmückt. Dankens- Nach ein paar Scharmützeln auf dem werterweise wurden wir für unseren laut- Rückweg zum Bahnhof ließen wir das starken Support anständig belohnt. Wochenende schließlich siegestrunken Zwar hatte man uns im Stadion an der ausklingen, und die Niederlage gegen Lipezker Straße geradezu im Gästekäfig Wolfsburg war fast vergessen. Stattdessen eingesperrt, und leider war die Geträn- freuten wir uns auf weitere Spiele der keversorgung etwas dürftig, dafür aber Amas, die in dieser Saison auf dem direkten beschenkten uns die Hansa-Kicker reich- Weg zur Oberliga-Meisterschaft waren. Ein lich mit Toren. Die Heimelf um Torsten Mat- Sieg über den seinerzeit großen Rivalen tuschka, damals regelmäßig für Cottbus II schmeckte da natürlich doppelt und drei- im Einsatz, durfte einmalig in der Nord- fach gut.

26 27 19. März 1979 Oberliga, 17. Spieltag Hansa Rostock – Stahl Riesa 3:2 (1:0)

Wie gegen Riesa ist Jarohs auch im Schneespiel gegen Zwickau am 24. Feb- ruar 1979 einer der Leistungsträger.

Schneeschlacht im Jahrhundertwinter

Als noch niemand wusste, was eine Rasen- In der Nacht hatte es erneut geschneit, heizung ist, und Fußball bei jedem Wind und mit zehn Zentimetern Neuschnee galt und Wetter gespielt wurde, traf Hansa auf es, die Töppen etwas fester zu schnüren. Stahl Riesa, mit denen man sich zu jener Für Spannung war in dieser Partie aber die Zeit das Image der Fahrstuhlmannschaft ganze Zeit gesorgt, und das war wesent- teilte. Und dieser Winter sollte sich tief ins lich Hansa zu verdanken. Mit ihrer gera- Gedächtnis der Norddeutschen einprägen. dezu draufgängerischen Spielart boten die Mit gigantischen Schneefällen waren im Blau-Weißen ein wahres Offensivfeuerwerk. Dezember das öffentliche Leben und mit- Stahl reagierte vor allem mit langen spiel- unter die sensibelsten Infrastrukturen der öffnenden Pässen und wurde gleichermaßen DDR zum Erliegen gekommen. Nur dank gefährlich. Dreimal ging Hansa schließ- NVA-Einsatz konnten Menschen, ganze lich in Führung, aber nur zweimal mussten Dörfer und Gemeinden gerettet werden. die 12.000 Wind und Wetter trotzenden Noch bis Mitte März wurde der Norden Zuschauer den Ausgleich durch die Rie- immer wieder von Schnee und Ostsee- saer ansehen. Rainer Jarohs besorgte sechs sturm getroffen, sodass auch an diesem Minuten vor Schluss den Siegtreffer, als er Samstag die Spielbedingungen eher mit einer blitzschnellen Drehung die geg- bescheiden waren. nerische Hintermannschaft überlistete und Trainer Heinsch zum Jubel aufspringen ließ.

28 Im August 1978 gewinnt Hansa vor 25.000 Zuschauern mit 4:2 gegen Union Berlin. Jarohs erzielt das 4:0 nach 50 Minuten. Beim ersten Saisonspiel zeigt sich der Aufsteiger aus Rostock ideenreicher, variabler und tempostärker als die Gäste aus Berlin-Köpenick. Anfangs ohne Respekt spielend, fallen mit den Toren auch die restlichen Hemmungen, sodass die Berliner förmlich überrollt werden. Zur Ehrenrettung aber gelingen den Rot-Weißen noch zwei Treffer.

Lange war ungewiss, ob das Spiel überhaupt stattfindet, aber auch das Rück- spiel auf schneebedecktem Feld gewinnt Hansa im Februar 1979 mit 1:0 gegen Union Berlin. Aufgrund von Schneeverwehungen kam die Mannschaft erst eine Stunde vor Anpfiff in der Wuhlheide an. Dafür knacken die Hanseaten mit klugen Kontern die Berliner Hintermannschaft und durchbrechen so deren Nimbus der Unbesiegbarkeit im eigenen Stadion. Hier behält Kische im Kopf- ballduell gegen Wroblewski die Oberhand. Seering (rechts) kommt ihm zu Hilfe.

29 10. September 1999 Bundesliga, 4. Spieltag Hansa Rostock – SSV Ulm 2:1 (1:0)

„You must play football!“

Von diesem Spätsommerabend sollte And- zu spät kamen und die Hausherren derart reas Zachhuber, seinerzeit Hansa-Trainer, in häufig umsensten, dass sie die Begeg- der Spielanalyse sagen, dass er maßlos ent- nung schließlich mit sieben Spielern täuscht sei. Grund dafür war, dass es sein zu Ende bringen mussten. Sogar Trainer Team trotz drei bzw. vier Mann Überzahl Martin Andermatt und Manager Erich Steer nur mit einigem Glück schaffte, die Ulmer wurden auf die Tribüne geschickt – und Spatzen als Verlierer vom Platz gehen zu damit waren die Ulmer noch gut bedient. lassen. Auch der Kicker schrieb damals, dass Denn sowohl einen Joachim Stadler, der im die Rostocker nur knapp an der „Super-Bla- Zweikampf gegen Agali den Ellenbogen mage“ vorbeischrammten. auspackte, als auch Sascha Rösler, der beim Das Spiel, das mit den meisten Platz- Vortragen seines Ärgers reichlich Respekt verweisen für ein Team in die Bundesliga- vermissen ließ, hätte der Schiedsrichter aus Geschichte eingehen sollte, bezeichnete der Eiffel vorzeitig in die Dusche schicken der Unparteiische Herbert Fandel wohl müssen. noch etwas euphemistisch als „von beson- Seiʼs drum, mit dem Siegtreffer in der derer Härte gekennzeichnet“. Stürmerle- Schlussminute blieben die Punkte an der gende Victor Agali kommentierte anschlie- Ostsee, und Janusz Góra wurde dank Stefan ßend simpel: „You must play football. If you Raab mit seinem „Skandal!“-Schrei sogar wanna play rugby, we play rugby.“ Diese zur Fernsehlegende. Auch wenn eigentlich Härte ging allerdings in erster Linie von niemand wusste, wo der Skandal eigentlich den Gästen aus, die ein ums andere Mal gewesen sein sollte …

30 „Skandal!“ TV-Legende Janusz Góra.

Wieder können die Ulmer Spieler Victor Agali nur hinterherrennen.

31 18. August 2018 DFB-Pokal, 1. Runde Hansa Rostock – VfB Stuttgart 2:0 (1:0)

Unvergesslicher Pokal-Fight

Vor diesem Spiel: Anspannung pur. Denn stadions waren dem Aufruf von Ultraszene eigentlich hast du keine Chance, träumst und Verein gefolgt. insgeheim aber von der Sensation. Der Pokal Also Fahnen hoch und Fackeln an. Auf hat schließlich seine eigenen Gesetze. der gesamten Hintertortribüne leuchteten Auf den Rängen: zwei der besten Fans- die bengalischen Lichter, machten allen zenen Deutschlands. Den Gästeblock Anwesenden und nicht zuletzt dem Team sollten heute gut 2.700 Schwaben füllen. das Feuer, das an diesem Abend gebraucht Daneben die Süd war nicht weniger moti- wurde. Auch im Gästeblock brannte es lich- viert, wie auch das ganze Stadion zu einem terloh. Beide Kurven legten furios los und wahren Sturm blasen sollte. Einen ersten sorgten für einen stimmgewaltigen Orkan. Vorgeschmack darauf gab es eine Viertel- In der Anfangsphase ging es gleich zur stunde vor Anpfiff, als das gesamte Stadion Sache, kein Team nahm sich zurück, Chancen zum gemeinsamen Schlachtruf „Unsere auf beiden Seiten. Doch schon in der achten Farben Blau-Weiß-Rot!“ ansetzte. Die Süd- Minute patzten die Cannstatter. Holger tribüne erschien komplett im weißen Look, Badstuber schien völlig verträumt, als Vla- und auch weite Teile des restlichen Ostsee- dimir Rankovic einen langen Ball auf Cebio

Cebio Soukou nach seinem Führungstreffer.

32 Soukou spielte. Der agierte clever, nahm den welle, aber das Tor trafen sie einfach nicht. Ball mit, lief Richtung Tor und zwirbelte die 72 Prozent Ballbesitz und unglaubliche Kugel kaltschnäuzig mit dem linken Außen- 4:26 Torschüsse zeigten am Ende des Spiels rist ins Netz – 1:0 für den Underdog. eindrücklich, wer hier nicht nur das Spiel Der Wahnsinn brach los auf den Tri- gemacht, sondern absolut dominiert hatte. bünen. Männer, Frauen, Kinder sprangen, Aber die Hansa-Abwehr sollte halten. jubelten, schrien, lagen sich in den Armen Hatte ich vor dem Spiel noch Bedenken und konnten ihr Glück nicht fassen. Das gehabt, dass die Schwaben uns in vier war der Ansporn und der Kick, den hier alle Spielen ausreichend hätten analysieren brauchten. Die Minuten bis zum Pausenpfiff und das Spielsystem knacken können, wurden danach unendlich lang und nerven- vermengte sich meine Stimmung nun zu aufreibend. Denn die Stuttgarter setzten zu einem Brei aus Anspannung, Optimismus einem Angriff nach dem anderen an. Unsere und Wahnsinn. Und da war ich wohl nicht Jungs kämpften, hielten dagegen, liefen der Einzige, denn während die Südtribüne wie verrückt. Die Stuttgarter machten das Gesang um Gesang ins Ostseestadion Spiel und drückten wie eine Sturmflut das schrie, saß selbst auf der Ost- und Nordtri- Wasser in die Hälfte des F.C. Hansa. Was büne bald niemand mehr. Die Fans wollten ihnen dabei jedoch nicht gelang: der Tor- es jetzt wissen. Die Gesänge wurden auf- abschluss. Sei es, weil sie hier das erste gegriffen oder sogar selbst angestimmt, Pflichtspiel der Saison hatten oder sie sich und alle drei Seiten peitschten das Team auf die Cannstatter Wasen vorbereiteten, nach vorne. ihre Schüsse landeten überall, nur nicht in Und es sollte tatsächlich Wirkung zeigen. den Maschen. Jeder abgewehrte Schuss, jede Parade von Pausenstand: 1:0. Die Männer mit dem Ioannis Gelios wurde gefeiert wie ein Tor. Brustring müssten sich schon mehr ein- Noch 40 Minuten. Noch 35 Minuten. Die fallen lassen, um hier an diesem Tag was Zeit lief für uns. Und irgendwann ließ der zu reißen. Druck einfach nach, plötzlich wirkten die Zweite Halbzeit: Während die Fanblöcke Stuttgarter uninspiriert und auf eine merk- den Teams wieder richtig Dampf machten, würdige Weise ratlos. Als wäre dem nicht gingen die Schwaben erneut in die Offen- genug, wurde es auch im Gästeblock merk- sive. Es folgte Angriffswelle auf Angriffs- lich stiller. Hatte unser Team etwa ihre

Cebio Soukou, Merveille Bian- kadi, Marco Königs und Mirnes Pepic´ bejubeln ihren Erfolg.

33 Moral gebrochen? Während die Uhr weiter Wahnsinn! 2:0! Das Stadion tobte. Men- runterzählte, gingen die Schwaben noch schen flogen über Sitze, Arme im Jubel kreuz mehr nach vorn und machten hinten die und quer. Völlig Fremde packten sich. Alles Räume auf. Nun waren unsere Jungs nicht schrie, jubelte, war völlig aus dem Häuschen. mehr nur darauf aus, die Bälle rauszuhauen, Noch waren sechs Minuten zu spielen, sie erspielten sich Möglichkeiten. aber vom Rasen bis zur letzten Reihe auf den Und dann passierte das Unglaubliche: Rängen befanden sich nun alle im Rausch. Stuttgart ließ sich auskontern, Willi Evseev, Noch während das Spiel lief, setzten alle der gerade erst ins Spiel gekommen war, Tribünen zum berühmt-berüchtigten „Ahu!“ ging Richtung rechte Ecke, brachte die an. Das Ostseestadion wollte den Sieg. Die Flanke rein und fand Soukou. Der hatte Gäste liefen zwar noch ein paarmal an, sahen keine freie Schussposition, behielt dafür sich nun aber einer übermächtigen Einheit aber den Überblick: Auf der linken Seite aus Fans und Mannschaft gegenüber. Als der war Mirnes Pepić frei, Soukou verlängerte Abpfiff ertönte, stürmten die Funktionäre den mit dem Rücken zum Tor stehend auf Pepić. Platz und bejubelten das Team. Die Menschen Der nahm den Ball direkt und platzierte ihn blieben in den Blöcken und feierten ihre in die lange Ecke, Stuttgarts Zieler hatte Helden. Bengalische Fackeln untermalten die keine Chance. Jubelstimmung einer nun magischen Nacht.

34 35 Darf es etwas mehr sein?

Um eine magere Schlappe gegen die Wölfe starken Support anständig belohnt. am Vortag zu verdauen, machten sich rund Zwar hatte man uns im Stadion an der 150 Fans am Sonntag auf den Weg in die Lipezker Straße geradezu im Gästekäfig Lausitz. Die Amateure durften bei der Zweit- eingesperrt, und leider war die Geträn- vertretung von Energie Cottbus antreten. keversorgung etwas dürftig, dafür aber Bei bestem Spätsommerwetter wurde der beschenkten uns die Hansa-Kicker reich- Gästeblock direkt mit der großen „Anti lich mit Toren. Die Heimelf um Torsten Mat- Cottbus“-Fahne geschmückt. Dankens- tuschka, damals regelmäßig für Cottbus II werterweise wurden wir für unseren laut- im Einsatz, durfte einmalig in der Nord-

19. Oktober 2008 2. Bundesliga, 8. Spieltag Hansa Rostock – TuS Koblenz 9:0 (3:0)

36 Staffel antreten. Sie sah gegen die von Wochenende schließlich siegestrunken Timo Lange trainierte Hansa-Mannschaft ausklingen, und die Niederlage gegen an diesem Tag keinen Stich. Fünf Treffer Wolfsburg war fast vergessen. Stattdessen schenkten die Ostseestädter den Lausit- freuten wir uns auf weitere Spiele der zern ein und stellten auch auf Ebene der Amas, die in dieser Saison auf dem direkten Zweitvertretungen klar, wer das Sagen im Weg zur Oberliga-Meisterschaft waren. Ein ostdeutschen Fußball hatte. Sieg über den seinerzeit großen Rivalen Nach ein paar Scharmützeln auf dem schmeckte da natürlich doppelt und drei- Rückweg zum Bahnhof ließen wir das fach gut.

37 14. August 1991 Die Nummer 1 Bundesliga, im Pott 3. Spieltag sind wir! Hansa Rostock – Borussia Dortmund Nach den Auftaktsiegen gegen Nürnberg und die Bayern stand Hansa auf dem 5:1 (2:0) zweiten Platz der Bundesliga-Tabelle und wollte seine Serie fortsetzen. Da kam der Vorjahres-Zehnte aus Dortmund gerade recht. Die Borussen waren vor der Saison von Trainer Ottmar Hitzfeld übernommen Stefan Persigehl und worden, hatten große Ambitionen und › Roman Sedlácek jubeln sollten die beste Saison seit ihrer Bundes- gegen den BVB.

188 liga-Zugehörigkeit spielen. Zunächst aber gingen die Rostocker nach einer halben begannen sie wie bisher und manövrierten Stunde durch Stefan Böger in Führung. Ein sich durchs Niemandsland der Liga. Schuld fantastisch aufspielender Roman Sedláček daran war auch Hansa, denn im ausver- machte kurz vor der Pause das 2:0, und spä- kauften Ostseestadion gingen die West- testens da stand fest, dass die Hanseaten falen gehörig baden. sich diese Partie nicht mehr aus der Hand Für die Westdeutschen war das Gast- nehmen lassen würden. Als Michael Spies spiel an der Ostseeküste zunächst ein kurz nach dem Seitenwechsel per Strafstoß Kulturschock. Andere Standards, anderes zum dritten Tor einschenkte, war Hitzfeld Ambiente, eine steife Brise und natür- restlos bedient, lich eine durch und durch euphorisierte der FCH hatte nun aber richtig gute Anhängerschaft an einem Mittwochabend. Laune. Zwar kamen die Borussen in der Mit vier Punkten aus zwei Spielen auf dem 66. Minute durch Stéphane Chapuisat zu Konto hatten die Hansa-Kicker ordentlich ihrem Ehrentreffer, doch nur zwei Minuten Selbstbewusstsein getankt und liefen umso später stellte Sedláček den alten Vorsprung motivierter auf. Entsprechend beflügelt wieder her, ehe Spies in der Schlussphase per Elfmeter traf. Der BVB hatte keine Chance und wurde bravourös wieder nach Hause geschickt. Auf ganz wunderbare Weise segelte die Kogge an der Tabellen- spitze und eilte siegreich voran. Die Bun- desliga wurde kräftig aufgewirbelt. Damit hatte keiner gerechnet. Das Ostseestadion, die Hansestadt und die gesamte Region standen kopf. Der ost- deutsche Meister hatte vor der Saison den Klassenerhalt als Ziel ausgegeben, wurde nun aber zum Meisterschaftsaspiranten hochgejubelt. Doch der Höhenflug sollte ab Mitte der Hinrunde wieder vergessen sein. Nach einigen Niederlagen rutschte Hansa immer weiter ab, ein Zweikampf zwischen Klubvorsitzendem Gerd Kische und Meis- tertrainer Uwe Reinders belastete Verein und Mannschaft. Am Ende folgte „dank“ der Unruhe nicht nur der knallharte Abstiegs- kampf, sondern im März auch noch die Ent- lassung des Trainers, der durch Erich Rute- möller ersetzt wurde. Den Abstieg sollte er nicht verhindern können. Das allerdings waren Sorgen, die Hansa in den Wochen des Bundesliga-Starts noch völlig fremd waren.

189

Freude bei Hansa, die Dortmunder können es dagegen nicht fassen, dass sie hier mit 1:5 untergehen. PETER CZOCH HANSA ROSTOCK IN DER F.C. (FAST) 100 LEGENDÄREN SPIELEN- - FCH!

Peter Czoch erzählt in diesem Buch von Europapokalduellen mit dem FC Barcelona, der letzten DDR-Meisterschaft, grandiosen Bundesliga partien gegen die Bayern und den BVB – aber natürlich auch von Be DEN gegnungen aus der 3. Liga sowie traumatischen Ab- und großartigen PETER CZOCH Aufstiegen. Ein Buch für echte Hansa-Fans! f ü r

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