Plenarprotokoll 12/46

- Deutscher

Stenographischer Bericht

46. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3834 A Befragung der Bundesregierung (Stand Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/ der Verhandlungen zur Gemeinsamen CSU 3834 B Agrarpolitik [GAP]; weitere aktuelle The- men) Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3834 C Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3829 B Günther Bredehorn FDP 3834 C Jan Oostergetelo SPD 3830 A Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3834 C Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3830 B Rudolf Müller (Schweinfurt) SPD 3834 D Jan Oostergetelo SPD 3830 B Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3835 A Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3830 C Wolfgang Roth SPD 3835 B (Nordstrand) CDU/ Jürgen W. Möllemann, Bundesminister CSU 3830 C BMWi 3835 C Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3830 D Dr. Willfried Penner SPD 3836 A Peter Harry Carstensen (Nordstrand) CDU/ Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekre CSU 3831 B tär BMI 3836 A Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3831 B Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 3836 A Dr. FDP 3831 C Dr. Willfried Penner SPD 3836 B Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3831 C Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekre Dr. Uwe Jens SPD 3831 C tär BMI 3836 B Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3831 D Tagesordnungspunkt 2: Dr. Uwe Jens SPD 3832 A Fragestunde Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3832 B — Drucksachen 12/1238 vom 04. 10. 91 Meinolf Michels CDU/CSU 3832 C und 12/1260 vom 09. 10. 91 — Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3832 D Kurzfristige Maßnahmen zur Beendigung Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ der dramatischen Entwicklung in Kroatien; Linke Liste 3833 A diplomatische Anerkennung der Republiken Slowenien und Kroatien Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3833 A DringlAnfr 1, 2 08. 10. 91 Drs 12/1260 Ulrich Heinrich FDP 3833 B Claus Jäger CDU/CSU Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 3833 C Antw StMin Ursula Seiler-Albring AA 3836 C, SPD 3833 C 3837 D

II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

ZusFr Claus Jäger CDU/CSU 3836 D, 3837 D ZusFr Reinhard Weis (Stendal) SPD 3843 B ZusFr SPD 3837 A ZusFr Klaus Lennartz SPD 3843 C ZusFr Norbert Gansel SPD 3837 B, 3838 B ZusFr Dr. Ulrich Janzen SPD 3843 D ZusFr Dr. Klaus Kübler SPD 3837 C Beibehaltung eines Münzfernsprechers ne- ZusFr Ortwin Lowack fraktionslos 3838 C ben den Kartentelefonen auf Bahnhöfen Völkerrechtliche Anerkennung der Unab- MdlAnfr 6 hängigkeit Sloweniens Gudrun Weyel SPD DringlAnfr 3 08. 10. 91 12/1260 Antw PStSekr Wilhelm Rawe BMPT 3844 C Ortwin Lowack fraktionslos ZusFr Gudrun Weyel SPD 3844 D Antw StMin Ursula Seiler-Albring AA 3839 A Zusatztagesordnungspunkt: ZusFr Ortwin Lowack fraktionslos 3839 B Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- ZusFr Hans Koschnick SPD 3839 C desregierung zu den Abrüstungsvor- ZusFr Gerd Weisskirchen (Wiesloch) SPD 3839 D schlägen von Präsident Bush und Präsi-

ZusFr Norbert Gansel SPD 3840 A dent Gorbatschow ZusFr Claus Jäger CDU/CSU 3840 A Norbert Gansel SPD 3845 B ZusFr SPD 3840 B Peter Kurt Würzbach CDU/CSU 3846 A Dr. PDS/Linke Liste 3847 A Versorgung der Obst- und Gemüseanbauer, insbesondere der Hopfenanbauer, mit Pflan- Dr. FDP 3847 D zenschutzmitteln SPD 3848 D MdlAnfr 1, 2 Hans Raidel CDU/CSU 3849 D Ulrich Heinrich FDP Vera Wollenberger Bündnis 90/GRÜNE 3850 D Antw PStSekr Gottf ried Haschke BML 3840 C, 3851 D 3841 D Helmut Schäfer, Staatsminister AA ZusFr Ulrich Heinrich FDP 3840 D, 3842 A SPD 3852 D ZusFr Klaus Lennartz SPD 3841 B, 3842 C Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU 3854 A ZusFr Gudrun Weyel SPD 3841 C Dr. Siegrid Semper FDP 3855 A ZusFr Claus Jäger CDU/CSU 3841 C Dr. SPD . 3856 A ZusFr Otto Schily SPD 3842 D CDU/CSU 3857 A

Statistik über die radioaktiven Strahlenquel- CDU/CSU 3858 A len in den neuen Bundesländern Nächste Sitzung 3858 D MdlAnfr 4, 5 Reinhard Weis (Stendal) SPD Anlage Antw PStSekr BMU 3843 A, 3844 A Liste der entschuldigten Abgeordneten 3859* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3829

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46. Sitzung

Bonn, den 9. Oktober 1991

Beginn: 13.00 Uhr

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Liebe Kolleginnen Zukunft wieder eine positive Entwicklung der Markt- und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. preise möglich sein. Für die Beteiligung der Landwirte an den mengen Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: rückführenden Maßnahmen sind genügend Anreize Befragung der Bundesregierung zu schaffen, d. h. Ausgleichszahlungen erhalten nur Die Bundesregierung hat mitgeteilt, daß sich das Betriebe, die an mengenrückführenden Maßnahmen Kabinett u. a. mit dem Stand der Verhandlungen zur teilnehmen. gemeinsamen Agrarpolitik befaßt habe. Ich erinnere Der Einkommensausgleich muß dauerhaft und ver- daran, daß Sie im Anschluß Fragen auch zu anderen läßlich sein. Eine Festschreibung ist wichtig. Der Ein- Bereichen stellen können weil uns letztes Mal sehr kommensausgleich darf den Aufbau wettbewerbsfä- rasch der Atem ausgegangen war. higer Betriebsgrößen und damit die strukturelle Ent- Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Bun- wicklung der Landwirtschaft nicht behindern, d. h. desminister für Ernährung, Landwirtschaft und größere Betriebe dürfen beim Ausgleich nicht diskri- Forsten, Herr Ignaz Kiechle. miniert werden. (Peter Harry Carstensen [Nordstrand] [CDU/ Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, CSU]: Sehr gut!) Landwirtschaft und Forsten: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundeskabi- Der Einkommensausgleich darf im GATT nicht unter nett hat sich in seiner heutigen Sitzung schwerpunkt- die abbaupflichtigen Maßnahmen fallen. Ein ausrei- mäßig mit dem Stand der Verhandlungen zur Reform chender Außenschutz ist zu gewährleisten. der gemeinsamen Agrarpolitik befaßt. Außerdem Die Vorschläge für die flankierenden Maßnahmen wurde der Stand der Verhandlungen im Rahmen der bedürfen der genauen Prüfung hinsichtlich ihrer Eig- Uruguay-Runde erörtert. nung und Durchführbarkeit, aber auch im Hinblick Für die vor uns liegenden Verhandlungen zur Re- auf die Zuständigkeiten und die finanziellen Auswir- form der Agrarpolitik hat die Bundesregierung Leit- kungen auf die Haushalte der Gemeinschaft, des Bun- linien beschlossen, die ich Ihnen hier vortragen des und der Länder. Eine enge Abstimmung mit den möchte: Ländern ist erforderlich, insbesondere bei Maßnah- men, die ihre Mitfinanzierung erfordern. „Die Beseitigung der Überschüsse muß durch ein wirksames und ausgewogenes Bündel von Maßnah- Diese Leitlinien werden dazu beitragen, die vom men der Mengen- und Preissteuerung erreicht wer- Weltwirtschaftsgipfel in London bekräftigten Ziele zu den, daß die Leistungsfähigkeit der europäischen verwirklichen. " Landwirtschaft nachhaltig verbessert. Hierzu gehört Auf der Basis dieser Leitlinien hat das Kabinett an- auch eine Verbesserung der ökonomischen Rahmen- schließend folgenden Beschluß gefaßt: bedingungen für die nachwachsenden Rohstoffe. Die staatlichen Anreize zu einer extensiveren und um- Erstens. Die Bundesregierung wird die Verhand- weltverträglicheren Landwirtschaft sind zu verstär- lungen im EG-Ministerrat gemäß den niedergelegten ken. Die Flächenstillegung allein kann die Ober- Leitlinien für die Verhandlungen führen. Ich habe sie schüsse auf Dauer nicht auffangen. Der Finanzmittel- Ihnen eben verlesen. einsatz ist effizienter zu gestalten, so daß statt Über- Zweitens. Die Bundesregierung wird die EG-Kom- schüsse zu finanzieren die Produktionsmengen ge- mission mit Blick auf das beginnende entscheidende senkt und die Einkommen stabilisiert werden. Schlußstadium der Uruguay-Runde zu nachdrückli- Bei der Beratung der Vorschläge wird sich die Bun- chen, den erfolgreichen Abschluß der Runde bis Ende desregierung von folgenden Grundsätzen leiten las- dieses Jahres sichernden Verhandlungen ermutigen. sen: Sie geht davon aus, daß die EG auf der Basis des Stützpreissenkungen können nur gegen Einkom- neuen Ansatzes zur Reform der EG-Agrarpolitik spe- mensausgleich erfolgen. Für die Erzeuger muß aber in zifische bindende Verpflichtungen bei interner Stilt- 3830 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Bundesminister Ignaz Kiechle zung, Außenschutz und Exportsubventionen verbun- Vorteil für die Bet riebe mit 20 Hektar Getreide von den mit einer Verbesserung des effektiven Marktzu- Ihnen nicht mitgetragen werden soll? Wollen Sie uns gangs eingehen wird. Die Bundesregierung ist weiter auch sagen, in welcher Höhe eine Stützpreissenkung bereit, nach einem Zeitraum von fünf Jahren eine für Sie noch akzeptabel ist? Wir würden es gerne wis- Überprüfung der Umsetzung dieser GATT-Schlüsse sen und die Bauern im Lande auch. vorzunehmen. Bezüglich des erforderlichen Einkommensaus- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister. gleichs für die Landwirtschaft verweist die Bundesre- gierung auf ihre Haltung zu den Reformvorschlägen Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, der EG-Kommission. Ich habe sie vorhin auch zitiert. Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Oosterge- Die bisherigen Hilfen im Rahmen der 3 %igen Um- telo, Ihre erste Frage habe ich nicht verstanden. Viel- satzsteuerregelung und des soziostrukturellen Ein- leicht können Sie sie klarer formulieren. Dann werde kommensausgleichs müsse volumenmäßig fortge- ich sie Ihnen gerne beantworten. führt und so umgestaltet werden, daß sie EG- und Was die zweite Frage anbetrifft: Ich kann Ihnen hier GATT-konform sind. nicht sagen und ich werde es auch nicht tun — ich bitte die Kollegen um Verständnis — , was eventuell Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Vielen Dank, Herr äußerste Verhandlungslinie der Bundesregierung Minister. Als erster Fragesteller Herr Oostergetelo. sein könnte, denn sonst kann ich es gleich schriftlich nach Brüssel übermitteln und kann das Verhandeln Jan Oostergetelo (SPD): Herr Bundesminister, bleiben lassen. wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht es jetzt (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — nicht mehr um eine Ablehnung der EG-Vorschläge, Abg. Jan Oostergetelo [SPD] meldet sich zu sondern ich habe jetzt moderate Töne gehört. Habe einer weiteren Zwischenfrage) ich Sie richtig verstanden, daß Sie einer Stützpreissen- kung zustimmen würden, anders als der Bauernver- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Im Augenblick band und anders als Sie- es auf dem Bauerntag in Kas- nicht, aber Sie können sich gleich noch einmal wieder sel gesagt haben? Würden Sie in jedem Fall dafür sor- einreihen. gen, daß die Stützpreissenkung in voller Höhe durch Herr Carstensen. Einkommensübertragung wettgemacht wird? Zweite Frage: Herr Bundesminister, würden Sie die Peter Harry Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): von der EG-Kommission vorgesehene degressive Herr Bundesminister, sind Sie mit mir der Meinung, Staffelung befürworten, indem z. B. für die Klein- daß die von Ihnen angesprochene Reduzierung der erzeuger voller Ausgleich für die Preissenkungen Überschüsse primär über die Mengenregulierung ge- beim Getreide ohne zwingende Rückführung der Ge- löst werden muß, und daß die Preissteuerung, die Sie treideproduktion gewährt wird, oder wollen Sie alle angesprochen haben, in den letzten Jahren und si- Betriebsgrößen über einen Kamm scheren? cherlich auch in den nächsten Jahren ein untaugliches (Dr. Peter Struck [SPD]: Der will alle über Mittel ist? Sind Sie mit mir der Meinung — um auch einen Kamm scheren! Das ist doch klar!) auf das einzugehen, was gerade eben Gegenstand der Frage gewesen ist — , daß die Stützpreisgestaltung Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, dann, wenn der Markt reguliert ist, d. h. der Markt das Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Oosterge- aufnehmen kann, was produziert wird, letztendlich telo, die von mir verlesenen Leitlinien sagen aus: eine, so will ich es einmal ausdrücken, „sekundäre" Stützpreissenkungen können nur gegen Einkom- Rolle spielen kann, weil das Marktgleichgewicht an- mensausgleich erfolgen. Sie sagen auch aus, daß wir dere Preise als die sich im Stützpreissystem abzeich- auf der Basis der Vorschläge unsere Verhandlungen nenden bzw. festgelegten Preise entstehen läßt? führen werden, wobei andererseits gleichzeitig ge- Eine weitere Frage, die mich bei den Forderungen sagt wird, daß die Höhe dieser Vorschläge in manchen nach einem Einkommensausgleich — was von mehre- Bereichen der Preissenkungstheorie der Kommission ren Seiten erhoben wird — , interessiert: Wie bewer- weit über das hinausgehen, was wir uns noch als er- ten Sie die Forderungen insbesondere der Opposition träglich vorstellen. nach einem Einkommensausgleich angesichts dessen, Damit ist Ihre zweite Frage, ob eventuelle Senkun- daß der Vorsitzende der SPD, Herr Engholm, kürzlich gen der Preise voll ausgeglichen werden müssen, mit gefordert hat — wie in der „Welt" vom 3. September Ja zu beantworten. Was die degressive Staffelung an- zu lesen war —, gerade die Gasöl-Betriebsbeihilfe ab- betrifft, darüber muß verhandelt werden. Wir können zubauen? angesichts der Tatsache, daß wir in den fünf neuen Bundesländern völlig andere Betriebsgrößen haben, Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister als wir sie bisher im Westen gekannt haben, keines- Kiechle. wegs mit den Staffelungsvorschlägen einverstanden sein. Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Es geht aus den beschlos- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Zusatzfrage, Herr senen Leitlinien hervor, daß wir die Märkte primär Oostergetelo. über Mengensenkungen in Gang bringen wollen. Da- her haben wir auch stets den Teil der Vorschläge der Jan Oostergetelo (SPD): Herr Minister, wollen Sie Kommission, der da heißt, Ausgleichszahlungen sol- uns denn nicht konkret sagen, daß der relativ kleine len nur diejenigen erhalten, die auch an der Flächen- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. 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Bundesminister Ignaz Kiechle stillegung z. B. im Getreidebereich teilnehmen, ge- Dr. Werner Hoyer (FDP): Herr Minister, ich habe stützt. mich aus liberaler Sicht über die Formulierung „Ver- Die Preissenkung war von Anfang an zur Mengen- besserung des effektiven Marktzugangs" insbeson- kontrolle untauglich. Wer weniger pro Einheit be- dere unter Gesichtspunkten der Außenwirtschafts- kommt, produziert mehr aus dem Zwang der Verhält- politik und Entwicklungspolitik sehr gefreut, habe nisse heraus; es sei denn, es wäre eine Preissenkung, aber die Frage, ob darin nicht ein gewisser Wider- die einem Teil der Betriebe das wirtschaftliche Aus spruch zu der anderen Formulierung im ersten Teil bringt. Dies wollten wir immer vermeiden. Daher des Papiers zu sehen ist, wo davon gesprochen wird, möchte ich Ihnen zustimmen, daß es für diesen Zweck daß ein ausreichender Außenschutz zu gewährleisten ein untaugliches Instrument ist. Da die GAP-Reform sei. Frage: Besteht hier ein gewisser Widerspruch, und aber gleichzeitig auch Auswirkungen auf spätere oder wie wird er gegebenenfalls aufgelöst? gleichzeitig laufende Verhandlungen der Welthan- delskonferenz haben wird, halten wir es für nicht aus- Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, geschlossen, daß der Zwang der Verhältnisse Preis- Landwirtschaft und Forsten: Effektiver Marktzugang senkungen mit sich führen wird — dort dann nur ge- muß nicht bedeuten, daß wir bei allen Produkten gen vollen Ausgleich. Maßnahmen zu treffen hätten, die anderen erlauben, Die Stützpreise sind dann sekundär — so haben Sie auf unseren Märkten Zugang zu haben. Effektiver es formuliert; dem kann auch ich zustimmen — , wenn Marktzugang kann sich auch bei Produkten, die in der der Markt stimmt. Wenn Angebot und Nachfrage Eigenproduktion der Gemeinschaft weniger vorhan- stimmen, können sich die Marktpreise nämlich erho- den sind, dadurch auswirken, daß man z. B. auf dem len. Dies ist seit langem unser Credo; siehe daher auch Bananen-Markt, wo es nur in Deutschland eine libe- unsere Lösung bei der Milch. Allerdings setzt das vor- rale Regelung gibt, bei allen anderen aber nicht, bes- aus, Herr Kollege, daß der Außenschutz ebenso sere Regelungen in ganz Europa schafft. So kann man stimmt. Denn wenn das nicht stimmte, dann würden Produkt für Produkt vorgehen. Effektiver Marktzu- sich die Preise am Markt auch bei Gleichheit von gang heißt eben auch: nach Maßgabe dessen, was die Angebot und Nachfrage nicht mehr erholen. Europäische Gemeinschaft zu Lasten ihrer Bauern zu- lassen kann, ohne deren Existenz zu gefährden. Einkommensausgleich wird von vielen zu Recht ge- fordert. Wer aber gleichzeitig im Kostenbereich der Keine Zusatz- Landwirte, etwa bei der Dieselkraftstoffbeihilfe, Ab- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: frage. bau fordert, stützt natürlich nicht die Einkommen, sondern verringert sie. Herr Jens. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr wahr!) Dr. Uwe Jens (SPD): Ich gehe davon aus, daß ich zwei Fragen habe. Zusatzfrage. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Der Bundesminister für Landwirtschaft hat ja etwas verklausuliert deutlich gemacht, daß diese Regierung Peter Harry Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): nach langem Drängen der Sozialdemokraten endlich Herr Bundesminister, ich stimme Ihnen zu, daß es not- bereit ist, bei den GATT-Verhandlungen voranzuge- wendig ist, zu einer Abkopplung der Marktpreise von hen und Flagge zu zeigen. den Stützpreisen zu kommen. Ist dann nicht auch eine (Peter Harry Carstensen [Nordstrand] [CDU/ zeitliche Vorgabe gegeben, d. h. erst die Mengen zu CSU]: Das war die erste Frage!) reduzieren und sich dann über die Stützpreise Gedan- ken zu machen, und nicht erst die Stützpreise zu redu- — Das war noch nicht meine erste Frage. zieren und sich nachher Gedanken über die Mengen (Heiterkeit) zu machen? Das wurde in der Tat höchste Zeit. Ich stelle Ihnen die Frage: Warum sagen Sie bei Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister. diesen Ausführungen eigentlich nicht ehrlich, daß das natürlich zur Folge haben muß, daß Landwirte, die Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, über höhere Produktion verfügen, mit Einkommens- Landwirtschaft und Forsten: Das wäre vielleicht die einbußen rechnen müssen? Wir Sozialdemokraten idealere Form. Da wir aber auf der Basis der vorlie- drängen ja darauf, daß die Landwirte mit geringer genden Kommissionsvorschläge, die amtlich sind und Produktion möglichst keine Einkommenseinbußen offiziell auf dem Tisch liegen, verhandeln müssen, hinzunehmen haben. müssen wir eine Systematik finden, die beides gleich- Meine zweite Frage — — zeitig — ohne der Landwirtschaft Schaden zuzufügen — ermöglicht. Daher, bei Senkung der Stützpreise, die Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Einfacher ist es, bei Überschußlage gleichzeitig auch die Marktpreise wenn der Minister auf die erste Frage antwortet. — bilden: Ausgleich. Wenn im Rahmen des Ausgleichs Herr Minister. und bei genügendem Außenschutz dann der Markt wieder bessere Preise hergibt, kommt dies zwar erst Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, mit einem Zeitverzug zustande, aber dieser Zeitver- Landwirtschaft und Forsten: Wir haben nie einen zug ist durch die direkten Ausgleichsmaßnahmen ab- Zweifel daran gelassen, daß wir die GATT-Verhand- gestützt. lungen zu einem Erfolg führen möchten. In diesem Fall spricht die Europäische Gemeinschaft, weil sie Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Hoyer. — und nicht etwa ein Mitgliedstaat — Verhandlungs- 3832 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Bundesminister Ignaz Kiechle partner ist, die entscheidenden Worte. Wir haben wir hinsichtlich dessen, was die Kommission vorgelegt auch nie Zweifel daran gelassen, daß das natürlich hat, umformulieren, im wesentlichen an. nicht bedeuten kann: Koste es, was es wolle. Es muß Für die Ostländer wird sich im Laufe der nächsten für beide eine faire Möglichkeit geben. Jahre sicherlich eine Entwicklung anbahnen, die auch Sie haben versucht, das Wort ehrlich dergestalt in uns auf diesen Märkten tangieren wird. Wir sollten Ihre Frage zu kleiden, als ob ich mich hier unehrlich uns gegenseitig gar nichts vormachen. Wenn wir be- ausgedrückt hätte. Das habe ich nicht getan. Ich ant- jahen, daß es nicht nur ein westliches, sondern auch worte Ihnen aber ehrlich: Wir wollen die Einkom- ein östliches Europa gibt und daß dieses Europa wie- menseinbußen möglichst verhindern. der ein gemeinsames Europa werden soll, dann will (Dr. Uwe Jens [SPD]: Auch für große?) ich über den Zeithorizont, bei dem dies möglich sein wird, hier nicht reden. Da spielen viele Faktoren eine Die Kommission hat dazu einen durchaus praktischen Rolle. Aber irgendwann werden wir sie — zuerst über und brauchbaren Ansatz geliefert. Sie ist allerdings in Zwischenstufen und später ganz — in der Gemein- den Dimensionen viel zu weit gegangen. Der Aus- schaft haben, falls sie das wünschen. Dann erklärt sich gleich für größere Bet riebe kann nicht dergestalt her- von selbst, daß der Agrarmarkt davon betroffen untergesetzt werden, daß eine Reihe dieser Betriebe wäre. in dem neuen System diskriminiert würde. Aber das ist dann Ergebnis der Verhandlungen. Die Briten und die Dänen denken in diesem Punkt genauso wie Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich mache darauf wir. aufmerksam — ich habe noch zehn Wortmeldun- gen — , daß wir uns auf beiden Seiten kurz fassen müs- sen. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Nächste Frage. (Dr. Peter Struck [SPD]: Der Herr Minister muß einmal etwas kürzer antworten!) (SPD): Herr Minister, wenn die Dr. Uwe Jens Herr Michels. GATT-Verhandlungen zum Erfolg geführt werden sollen, gibt es zwei Essentials. Ich frage, ob Sie fol- gende Punkte genauso wie ich sehen: Meinolf Michels (CDU/CSU): Herr Minister, hier Erstens. Es geht nicht mehr an, daß die EG als wurde soeben von den größeren Bet rieben gespro- Agrarexporteur auf den Weltmärkten die Preise für chen. Sie werden mir bei der Feststellung, daß die Dritte-Welt-Länder kaputtmacht. Muß deshalb nicht Grenzen sehr fließend sind und sie überall anders der Agrarexport ganz und gar eingestellt werden? gesehen werden, recht geben. Sie werden mir auch zustimmen, daß die Marktfruchtbetriebe laut Agrar- Zweitens. Müssen wir nicht die Grenzen so weit bericht die schlechtesten Ergebnisse erzielt haben. öffnen, daß zumindest die Länder Osteuropas, also Polen, Ungarn, aber auch die Ukraine und Rußland, Meine Frage geht dahin: Macht sich die Regierung, eine Chance haben, mit ihren Agrarexporten auf den wenn der Stützpreis gesenkt werden soll und der europäischen Markt zu kommen? Außenschutz umstritten ist, Gedanken darüber oder hat sie schon Planungen erarbeitet, wie sich ein all- mählicher Abbau der Interventionsregelung insge- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister. samt auf einen dann stärker florierenden Markt posi- tiv auswirken könnte? Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Es gibt sicher eine Reihe Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister. von Essentials. Aber sie werden nicht nur von denen, die von den Europäern etwas fordern, formuliert, son- Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, dern auch von den Europäern, die ihrerseits eine Landwirtschaft und Forsten: Die Marktfruchtbetriebe, Menge Forderungen haben. Denn nicht alle am Welt- die direkt verkaufen und ohne eigene Veredelung markt sind sich — außer den Europäern — da einig. wirtschaften, haben es am schwierigsten, da die Ge- Aber ganz konkret zu Ihrer Frage: Die EG exportiert treidepreise bereits innerhalb von sechs Jahren von Lebensmittel im Wert von etwa 60 Milliarden DM und 44,50 DM netto auf 31 oder 32 DM netto zurückge- importiert Lebensmittel im Wert von etwa 100 Milliar- gangen sind, den DM. Wir sind Netto-Importeur. Aber in den Berei- (Meinolf Michels [CDU/CSU]: So sieht es chen, in denen wir besonders viel exportieren — das aus!) sind Getreide, Rindfleisch und zum Teil auch Milch- produkte —, können wir das nur mit hohen Subven- allerdings ohne jeden Ausgleich. tionen. Dieser Teil — da stimme ich Ihnen zu — muß (Meinolf Michels [CDU/CSU]: Eben!) abgebaut werden. Es wird in einem Kompromiß, den In dem neuen System würde hierfür ein Ausgleich Frankreich und andere Länder — Griechenland und gezahlt, und zwar unabhängig von der Größe der je- auch Spanien — bejahen könnten, sicher nicht mög- weiligen Betriebe. Daß der Ausgleich ausreichend lich sein, zu sagen: Export soll verboten werden. Auch sein muß, wird Gegenstand der Verhandlungen sein dies hätte mit Liberalität nichts zu tun. müssen. Nur so können wir im Zusammenhang mit Aber wir müssen erkennen, daß wir teuer produ- der Reform, bis Angebot und Nachfrage wieder bes- zierte Inlandsprodukte nicht mehr im selben Umfang sere Preise erlauben, den Bet rieben eine gewisse Si- wie bisher durch Exporterstattungen exportieren kön- cherheit geben. Der Außenschutz ist dafür unverzicht- nen, wenn wir in Frieden mit unseren Handelspart- bar. Sonst können wir ein solches System nicht durch- nern leben wollen. Hier setzt das Reformkonzept, das halten. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3833

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Schumann. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister.

Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) (PDS/Linke Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, Liste): Herr Bundesminister, Sie haben die Flächen- Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Heinrich, es stillegungen als eines der Mittel genannt, um die gibt diese Meinungsunterschiede. Sie beruhen auf ei- Mengenrückführung zu bewerkstelligen. Stimmen ner, ich glaube, 200jähriger fast Ideologie in Frank- Sie mit mir überein, daß die gegenwärtige Verteilung reich, daß Getreideexporte das grüne Gold Frank- der stillgelegten Fläche in der EG zumindest unge- reichs darstellen, das es auf den Weltmarkt zu schik- sund ist, wenn von 1,2 Millionen ha in der EG ken galt. 600 000 ha in den neuen Ländern stillgelegt werden. Aber Frankreich denkt um. Frankreich hat in sei- Ich denke da auch an soziale Folgen insbesondere in strukturschwachen Ländern wie Mecklenburg-Vor- nem Haushalt 1992 umgerechnet etwa 250 Millionen DM bereitgestellt, um die aus Brüssel zur Verfügung pommern und Brandenburg. Was gedenkt die Bun- desregierung in Zukunft zu tun, um dort steuernd ein- stehenden Flächenstillegungsbeihilfen national auf- zustocken, was bisher nie geschah. Das neue Konzept zugreifen? — wie immer es zum Tragen käme — würde das Sy- stem individualisieren. Der Landwirt in Frankreich, Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister. der nicht teilnimmt, würde einen Ausgleich für nied- rigere Preise — falls sie gesenkt werden, und ich Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Wir habem immer er- fürchte, daß ein bestimmter Prozentsatz nicht zu ver- klärt, daß die gesamte EG an der Flächenstillegung hindern sein wird — nicht bekommen. Insoweit wäre teilnehmen muß, wenn sie, bezogen auf die Angebots- der Ausgleich nicht mehr vom Wohlwollen der Regie- und Nachfrageproblematik innerhalb der EG, wirk- rung — zumal die Prämie aus Brüssel kommt und sam sein soll. Das ist bisher nicht genügend gelungen, nicht national zu bezahlen ist — , sondern von den obwohl sich im Laufe von drei Jahren immer mehr eigenen Entscheidungen der Bauern abhängig. andere Länder beteiligt haben. Darum bin ich ziemlich zuversichtlich. Das jetzt vorliegende System sieht folgendermaßen aus — ich rede jetzt nicht über die Höhe der festzule- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Frau Adler. genden Daten; darüber muß verhandelt werden — : Die Prämie, die gegeben wird, weil die Stützpreise Brigitte Adler (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. eventuell gesenkt werden, erhält nur derjenige, der — Auch ich habe eine Frage an den Herr Minister mindstens 15 % seiner marktordnungsproduktgebun- Kiechle. Sie haben eben die ganze Zeit über Flächen- denen Flächen stillegt. stillegung gesprochen. In Ihren Ausführungen vorhin Was das wiederum bedeutet, mache ich an einem wurde aber auch die Extensivierung genannt. Beispiel klar: Gesetzt den Fall, es würde eine 10 %ige Wie wir wissen, hat die Flächenstillegung in diesem Preissenkung erfolgen, ergäbe das eine Ausgleichs- Jahr und in den vergangenen Jahren überhaupt nichts prämie von 200 DM; bei 15 % wären es 300 DM usw. gebracht. Das gilt auch, wenn der Landwirt — wovon Diese Ausgleichsprämie erhält nur derjenige, der eine Sie jetzt ausgehen — nachweisen muß, daß er einen Flächenstillegung im Umfang von 15 % mitmacht. Das bestimmten Prozentsatz seiner Fläche mit Marktord- heißt im Klartext: Alle werden sie mitmachen; denn nungsprodukten stillgelegt hat. auf 200 oder 300 DM/ha kann keiner freiwillig ver- Meine Frage: Wie sieht es mit dem Ausgleich bei zichten, zumal er für die 15 %ige Flächenstillegung Extensivierungsmaßnahmen aus, von denen ich mir auch noch eine Prämie erhält. — Hier gibt es aller- sehr viel mehr verspreche, vor allem dann, wenn sie dings einen Streitpunkt im Zusammenhang mit größe- flächendeckend nicht nur in der Bundesrepublik, son- ren Betrieben; das will ich hier durchaus sagen. — dern in der ganzen EG durchgesetzt werden? Das Insofern würde die Verteilung wieder gleichmäßig hätte gleich einen zweiten Pluspunkt zur Folge, näm- erfolgen. lich daß dadurch unsere Umwelt und vor allem unser Trinkwasser geschützt wird. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Heinrich. Meine zweite Frage. Der Außenschutz ist angespro- chen worden. Inwieweit werden Sie bei den Verhand- Ulrich Heinrich (FDP): Herr Minister, erfreulicher- weise sind wir in der Bundesrepublik einvernehmlich lungen zusammen mit Ihrem Kollegen, der neben Ih- der Meinung, daß die Mengen gewaltig zurückgefah- nen sitzt, auch die Frage der Substitute ansprechen? ren werden müssen. Wir wissen aber, daß in Europa Denn die Veredelung hier bei uns in der Bundesrepu- diese Meinung nicht so uneingeschränkt besteht. Wir blik erfolgt ja in großem Maße über die Substitute der wissen, daß es erhebliche Meinungsunterschiede zwi- Drittländer, nicht nur der Länder der Dritten Welt. schen der Bundesrepublik Deutschland und Frank- Bei den Exportsubventionen wird es zu einem Ver- reich gibt. Wir wissen auch, daß Frankreich in der drängungswettbewerb kommen. Wir bekommen Vergangenheit nie bereit war, die Mengen in der Ware aus Osteuropa; wir bekommen vielleicht Ware Form zurückzuführen, wie es unserer Meinung nach aus den anderen Industriestaaten dieser Welt, die nötig wäre. dann nachher als Exportsubventionen auf den Markt Was gedenkt die Bundesregierung in der Zukunft der Entwicklungsländer drängen. im Rahmen der Verhandlungen schwerpunktmäßig zu tun, um Frankreich dazu zu bewegen, an der Men- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Frau Abgeordnete, genrückführung stärker teilzunehmen? Ich meine, der Sie haben jetzt eine sehr verschränkte Frage gestellt. Druck muß hier wesentlich erhöht werden. — Die erste Frage bezog sich auf die Extensivierung, 3834 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth und die zweite heißt: Was geschieht mit den Substitu- Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, ten? Landwirtschaft und Forsten: Die Antwort lautet ja, (Brigitte Adler [SPD]: Gut! — Peter Harry und zwar ganz uneingeschränkt. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: So - kurz kann man das machen, Frau Präsiden Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Bredehorn. tin!) Günther Bredehorn (FDP): Herr Minister, Sie haben ja erklärt, daß Sie die Einkommensrückgänge, die den Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, Betrieben durch Preissenkung, Extensivierung und Landwirtschaft und Forsten: Unabhängig davon, ob Mengenrückführung entstehen, voll ausgleichen wol- Sie von der Extensivierung mehr halten als von der len. Dankenswerterweise haben Sie ausgeführt, daß Flächenstillegung, Frau Kollegin, haben wir derzeit Sie eine Degression, d. h. die Ruinierung der wettbe- kein anderes exaktes und kontrollierbares Instrument. werbsfähigen Bet riebe, wie es vorhin von den Kolle- Gleichzeitig aber gibt es für die Extensivierung durch- gen der SPD anklang, verhindern wollen. Das kann aus Vorschläge der Kommission. Sie sind nur noch man ja durchaus begrüßen. Haben Sie aber Vorstel- etwas vage. Die Ausführungsbestimmungen, die die lungen, um wieviel teurer dann die gesamte EG- Kommission sich vorstellt, liegen noch nicht vor. Agrarpolitik werden wird? Wir selbst werden über ein großes Pilotprojekt, ähn- lich wie seinerzeit die Flächenstillegung in Nieder- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister. sachsen, in einem anderen Bundesland versuchen, Existensivierung durchführbar und kontrollierbar zu Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, machen oder zumindest zu testen, ob sie dort möglich Landwirtschaft und Forsten: Ich muß ich auf die ist, um die Dinge weiterzuentwickeln. Schätzungen, die die EG-Kommission selbst gemacht hat, zurückziehen. Denn wir verfügen nicht über das Ich halte eine ganze Menge von Extensivierung. internationale Datenmaterial, das die Kommission na- Nur, jetzt, wo es schnell gehen muß und wo wegen der türlich hat. GATT-Verhandlungen etwas Konkretes auf den Tisch gelegt werden muß, sind Flächenstillegungen das Die Antwort auf Ihre Frage lautet: Ich habe nicht einzige, was helfen kann. gesagt: überhaupt keine Degression. Ich habe nur gesagt: Die Degression, die die Kommission jetzt vor- Sie haben uns im übrigen im letzten Jahr eine ganze geschlagen hat, halten wir fur inakzeptabel. Wir selbst Menge gebracht. Denn wir hätten eine automatische haben durchaus bei der Flächenstillegung eine Preissenkung um 3 % gehabt, wenn wir die Produk- Degression im nationalen Bereich bisher ebenfalls tion von 170 Millionen Tonnen überschritten hätten. schon gehabt. Daran könnte ein Modell, das zum Das haben wir nicht, weil über eine Million Hektar Kompromiß führt, eventuell gemessen werden. nicht bebaut worden sind. Das gilt natürlich nicht für Einbußen aus Stützpreis- Auch dort ist Umweltrelevanz zu beachten. Denn senkungen. Es gilt nur für die dann daraus folgenden auf den Flächen — dabei geht es ja um Millionen Hek- gesetzlich oder durch Richtlinie vorgeschriebenen tar — wird weder gedüngt, noch werden Pflanzen- Flächenstillegungen. schutzmittel angewandt. Der zweite Teil Ihrer Frage bezog sich auf die Ko- Die Substitute sind angesprochen. Die EG-Kommis- sten. Darauf kann ich Ihnen nur generell antworten. sion hat den Auftrag, bei den GATT-Verhandlungen Die Kommission sagt: Für eine Übergangszeit von darüber zu verhandeln. etwa drei bis fünf Jahren werden die Kosten etwas höher sein als bisher; danach werden sie absinken. — Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich sage jetzt schon: Ich füge dem hinzu: Wenn die Kommission auf die Ich verlängere die Befragung der Bundesregierung vorgeschlagene Preissenkung von 40 %, die sie ja auf Grund der noch vorliegenden freien Fragen bis durch einen Direktausgleich an die jeweiligen Bauern 13.45 Uhr. Da ich die freien Fragen noch zulassen will, ausgleichen müßte, verzichten würde, dann wären die höre ich mit diesem Komplex um 13.35 Uhr auf. Ich Kosten von Anfang an niedriger, und sie könnte den- kann es nicht ändern. Bitte, auf beiden Seiten kurz selben Zweck erreichen, vielleicht ausgenommen die fassen. Komponente, wieviel mehr Getreide in den Futtertrog Nächster Fragesteller ist Herr Mayer (Siegerts- geht. brunn). Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Müller.

Dr. Ma rtin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Herr Rudolf Müller (Schweinfurt) (SPD): Herr Minister, Minister, teilen Sie meine Auffassung, daß der Außen- MacSharry will die Mengen über eine Preissenkung schutz für im Inland erzeugte landwirtschaftliche Pro- zurückführen. Sie haben sich auf Versammlungen dukte eine Schlüsselrolle für die Zukunft der europäi- und in allen Veröffentlichungen immer gegen eine schen Landwirtschaft spielt, daß ohne diesen Außen- Preissenkung ausgesprochen. Das Kabinett hat sich schutz alle übrigen Maßnahmen, z. B. Mengenredu- jetzt für Preissenkungen entschieden; gegen Ihre zierungen, praktisch wirkungslos bleiben und daß Meinung, nehme ich an. Das heißt also: Das Kabinett deshalb diesem Außenschutz im Rahmen der Ver- steht nicht mehr hinter Ihnen. Können Sie jetzt noch handlungen allerhöchste Priorität eingeräumt werden weiterhin Minister bleiben, oder werden Sie zurück- muß? treten? (Zurufe von der SPD: Sehr gut! — Lachen bei Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister. der CDU/CSU) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3835

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister. tion die GATT-Verhandlungen in diesem Jahr erfolg- reich beendet werden können. Ignaz Kiechle, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Lieber Herr Kollege Mül- - Ler, Sie sehen mich schmunzeln; ich kenne Sie persön- Herr Minister lich ja gut genug. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Möllemann. (Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist noch keine Antwort!) Das Kabinett hat heute Leitlinien verabschiedet, mit denen ich zufrieden bin. Ich habe nie gesagt, daß Jürgen W. Möllemann, Bundesminister für Wirtschaft: Preissenkungen einen Nutzen haben. Ich habe immer Frau Präsidentin! Herr Kollege Roth, ich gehe davon behauptet, sie schaden den europäischen Bauern. Sie aus, daß der heutige Kabinettsbeschluß, der sich zum schaden ihnen auch diesmal. Nur, diesmal ist der Un- einen mit der künftigen Agrapolitik der Gemeinschaft terschied, daß es nicht nur um Preissenkungen geht, und zum anderen mit den GATT-Verhandlungen be- sondern auch um einen Ausgleich. Darüber müßten schäftigt, den Weg frei macht für ein positives Ergeb- Sie ja eine gewisse Genugtuung empfinden, nachdem nis dieser Verhandlungen. Vielleicht ist bei der detail- Sie selbst durch den Mund von Herrn Oostergetelo lierten Erörterung des Agrarteils ein bißchen unterge- ja gesagt haben, wir sollten die Vorschläge von gangen, was in den beiden Punkten, die das GATT MacSharry in Gänze annehmen. Aber das halten wir betreffen, beschlossen wurde. Ich zitiere das noch ein- für nicht machbar und für nicht tragbar. mal — es ist ja von großer Bedeutung — : Die Bundes- Ich sage es jetzt noch einmal ganz langsam: Wenn regierung wird die EG-Kommission mit Blick auf das der Gang der Verhandlungen — die Vorschläge lie- beginnende und entscheidende Schlußstadium der gen nun auf dem Tisch — dazu führt, daß wir gewisse Uruguay-Runde zu nachdrücklichem, den erfolgrei- Preisrückgänge durch Stützpreissenkungen nicht ver- chen Abschluß der Runde bis Ende dieses Jahres si- chernden Verhandlungen ermutigen. Bisher haben hindern können, dann wird das nur geschehen, indem ein voller Ausgleich erfolgt. Ich bin keiner von den die ja nicht stattgefunden. Das war blockiert, seitdem Politikern, die dann sagen: Wenn es nicht nach mei- im vergangenen Jahr im November ein Stillstand ein- nem Willen geht, dann greife ich zu letzten Mitteln. getreten war. Das soll jetzt überwunden werden. Das müßte ich nur dann machen, wenn es — sagen wir Zweitens. Sie geht davon aus, daß die EG auf der einmal — um säkulare Entscheidungen gegen meine Basis des neuen Ansatzes zur Reform der EG-Agrar- Überzeugung ginge. Mir geht es um die Einkommen politik — nun kommt der entsprechende Satz — „spe- der Bauern, und diese sind diesmal wenigstens so in zifische, bindende Verpflichtungen" — das meint Ab- der Diskussion, daß sie nicht tangiert werden sollen bauverpflichtungen, nicht Aufbauverpflichtungen, oder zumindest ausgeglichen und gestützt werden bei interner Schützung, Außenschutz und Exportsub- sollen. ventionen, verbunden mit einer Verbesserung des ef- fektiven Marktzugangs eingehen wird. Das war bis- her der Knackpunkt. Das ist heute beschlossen wor- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Müller, es tut mir leid, aber ich muß hier abbrechen — wenngleich den, daß wir dazu die EG-Kommission ermuntern, noch zwei Minuten bleiben — , denn sonst kommen neben den Aspekten, die der Kollege Kiechle völlig die freien Fragen überhaupt nicht zum Zuge. zutreffend in Ergänzung dargestellt hat. Ich darf die Fragesteller Herrn Penner — obwohl es Ich glaube nicht, daß man behaupten kann, daß sich bei ihm allerdings ganz klar war — , Herrn Roth, Herrn dadurch die Chancen nicht erheblich verbessert hät- von Hammerstein, Herrn Dr. Kolb und Herrn Gansel ten. Denn bisher stagnierten die Verhandlungen im fragen, ob sich ihre Fragen noch auf das Thema Land- wesentlichen an drei Punkten: Erstens geistiges Ei- wirtschaft beziehen. gentum, da können wir uns einigen. (Wolfgang Roth [SPD]: Ich will den Bundes (Hans Koschnick [SPD]: Das glaube ich!) wirtschaftsminister fragen!) — Sie können sich daran vielleicht beteiligen, aber Sie — Ja, gut. — Erst Herr Penner oder erst Herr Roth? müssen das erst aufbauen. Zweitens Dienstleistun- (Wolfgang Roth [SPD]: Meine Frage ist sach gen. Auch dort ist eine Einigung denkbar. Drittens lich näher an dem Thema, das wir gerade Agrarpolitik. Hier ist in der Tat die Position der EG bei besprechen!) den letzten Verhandlungen im November einer der Gründe gewesen, warum wir nicht zu einem Ergebnis — Dann Herr Roth, bitte. kamen. Der Bundeskanzler hat heute im Kabinett noch ein- (SPD): Herr Bundeswirtschaftsmini- Wolfgang Roth mal unterstrichen, daß aus seiner Sicht ein Scheitern ster, Sie sind in dem heutigen Kabinettsbeschluß na- der GATT-Verhandlungen — ich zitiere wörtlich — türlich in erheblichem Maße einen Kompromiß einge- „eine Katastrophe" sei. Ich glaube, schärfer kann man gangen, was die anbetrifft. Da GATT-Verhandlungen nicht formulieren, daß jetzt zwingend engagiertes das, was heute beschlossen wurde, einerseits Verspre- Handeln erforderlich ist. Ich werde am Wochenende chungen an die deutsche Landwirtschaft beinhaltet, auf der EG-Handelsministerkonferenz diese poin- aber andererseits auch die Ausgangsposition für die tierte Position zur Geltung bringen. GATT-Verhandlungen berührt, die noch im Dezem- ber abgeschlossen werden sollen, will ich Sie fragen, (Dr. Wolfgang Roth [SPD] meldet sich zu ei ob Sie glauben, daß mit dieser agrarpolitischen Posi ner weiteren Frage) 3836 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Roth, wenn wir Vizepräsident : Meine Damen und Her- die Befragung um 13.45 Uhr schließen, hat Ihr Kollege ren Kollegen, ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung Penner keine Chance mehr. auf : (Dr. Peter Struck [SPD]: Penner ist wichtig!) - Fragestunde — Drucksache 12/1238 — Dr. Willfried Penner (SPD): Hat die Bundesregie- Wir kommen zunächst zu den dringlichen Fragen rung eine Meinung zur Änderung des Art. 16? aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung ist Frau Staatsmini- Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär beim ster Seiler-Albring gekommen. Ich rufe die erste Bundesminister des Innern: Der Bundeskanzler hat dringliche Frage des Abgeordneten Claus Jäger noch am letzten Wochenende nach den Verhandlun- auf: gen von CDU und CSU in ihren Führungsgremien klar Welche kurzfristigen Maßnahmen erwägt die Bundesregie- vor der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß er rung angesichts der dramatischen Entwicklung in Kroatien, um eine Ergänzung des Grundgesetzes in Art. 16 nach dazu beizutragen, den fortschreitenden Verwüstungen und dem wie vor für notwendig hält. Blutvergießen in Kroatien durch die jugoslawische Bundesar- (Dr. Peter Struck [SPD]: Was ist mit dem Ju mee ein Ende zu machen? stizminister? Der Wirtschaftsminister meldet Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort. sich auch noch! Er wird das richtigstellen!) Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin im Auswärti- Jürgen W. Möllemann, Bundesminister für Wirt- gen Amt: Herr Abgeordneter Jäger, ich beantworte schaft: Da der Kollege Waffenschmidt zu Recht auf Ihre Frage wie folgt. Gemeinsam mit ihren Partnern in den parteipolitischen Charakter dieser Veranstaltung der Europäischen Gemeinschaft hat die Bundesregie- hingewiesen hat, möchte ich hier deutlich sagen, daß rung die Konfliktparteien am 6. Oktober dazu aufge- die Bundesregierung, die die Bundesregierung tra- fordert, die am 4. Oktober in Den Haag eingegange- genden Parteien am morgigen Tag ein Gespräch füh- nen Verpflichtungen bis zum 7. Oktober, 24 Uhr zu ren werden, an dem auch die Sozialdemokraten betei- erfüllen. Das Politische Komitee der Gemeinschaft ligt sein werden, das sich mit dem jetzigen Thema wird heute, also am 9. Oktober, über restriktive Maß- beschäftigen wird. nahmen gegen diejenigen Konfliktparteien beraten, die diese Verpflichtungen nicht in vollem Umfang er- Ich glaube, es ist vernünftig, wenn dieses Gespräch füllen. jetzt nicht durch taktische Geplänkel vorbelastet wird. Es ist jedenfalls auch bekannt, daß jedenfalls eine der Im bilateralen Verhältnis wird eine Sperre der Lie- der Regierungskoalition angehörenden Parteien ferung von Öl und Ölprodukten geprüft, die ihre volle keine Absicht hat, eine Verfassungsänderung vorzu- Wirkung allerdings erst bei einer gemeinsamen Ak- nehmen. tion möglichst vieler Staaten entfalten würde.

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Penner. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Jäger, ha- ben Sie eine Zusatzfrage? Dr. Willfried Penner (SPD): Hat Bundesinnenmini- ster Schäuble während seiner Amtszeit dem Kabinett Claus Jäger (CDU/CSU): Frau Staatsminister, ist jemals einen förmlichen Vorschlag zur Änderung des dafür Sorge getragen, daß Maßnahmen, die jetzt so- Art. 16 gemacht? wohl von der Europäischen Gemeinschaft als auch bilateral von der Bundesregierung erwogen werden, (Dr. Peter Struck [SPD]: Waffenschmidt, nun so angesetzt werden, daß sie nicht die Falschen tref- mal nicht kneifen!) fen, nämlich die um ihre Freiheit und die Durchset- zung ihres Selbstbestimmungsrechts kämpfenden Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär beim Kroaten und Slowenen? Bundesminister des Innern: Ich darf darauf hinwei- sen — — Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Herr Kol- (Wolfgang Roth [SPD]: Nicht hinweisen, sa lege Jäger, davon können Sie ausgehen. Ein Beispiel gen, was ist!) dafür ist die Wiedereinführung von Hermes-Krediten — Ich sage jetzt ja, was ist, Herr Kollege. Freuen Sie gezielt für Slowenien und Kroatien, um eine positive sich doch darauf, daß ich etwas Gutes sagen werde. Entscheidung für diejenigen zu fällen, die sich in die- Der Kollege Schäuble hat mehrfach im Kabinett, sem Konflikt in Richtung der Friedensbemühungen außerhalb des Kabinetts, vor allem hier im Parlament, der Europäischen Gemeinschaft bewegen. deutlich gemacht, daß ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden kann, wenn dafür die entspre- Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfrage, chenden Rahmenbedingungen und Voraussetzungen Herr Jäger. deutlich sind, Claus Jäger (CDU/CSU): Frau Staatsminister, wer- (Heiterkeit bei der SPD) den die Überlegungen der Bundesregierung, welche und dabei muß die sozialdemokratische Partei bei ei- Sanktionen oder sonstigen Maßnahmen gegebenen- ner Änderung des Grundgesetzes mitstimmen. falls ergriffen werden, auch dadurch beeinflußt, daß nach dem Staatsstreich der Serben innerhalb Jugosla- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Damit schließe ich wiens eine autorisierte und von der Völkergemein- die Regierungsbefragung. schaft zu akzeptierende jugoslawische Zentralgewalt (Vorsitz: Vizepräsident Hans Klein) praktisch nicht mehr besteht? Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3837

Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Herr Kol- werden wir die Aussage von Lord Carrington abzu- lege Jäger, Sie wissen, daß am 4. Oktober — darauf warten haben, der, wie Sie wissen, morgen mit dem habe ich vorhin schon abgehoben — in Den Haag eine Generalsekretär der Vereinten Nationen auch dar- Konferenz zwischen der Präsidentschaft und den am über sprechen wird — tatsächlich erweisen, daß die Konflikt Beteiligten stattgefunden hat. Am Ende von Friedensbemühungen scheitern — ich gehe heute da- Verhandlungen, die im guten Geiste zu erfolgen ha- von aus, daß sie nicht scheitern —, und dies von Lord ben, kann die Anerkennung dieser beiden Republi- Carrington so gesagt wird, wird sich die Bundesrepu- ken stehen. blik Deutschland im Rahmen der Europäischen Ge- Im Sinne dieser Vereinbarung von Den Haag sind meinschaft für die Anerkennung derjenigen Teilrepu- eine Reihe von Auflagen gemacht worden. Die bliken einsetzen, die dies wollen, und eine entspre- neuesten Entwicklungen, die sich in einem Memoran- chende Reduzierung ihrer anderen Aktivitäten vor- dum of agreement vom gestrigen Abend niederschla- nehmen. gen, lassen erwarten, daß seitens beider Konfliktpar- teien in die richtige Richtung gehandelt wird. Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage des Kollegen Dr. Klaus Kübler. Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage des Abge- ordneten Hans Koschnick. Dr. Klaus Kübler (SPD): Frau Staatsministerin, teilt die Bundesregierung die Auffassung von verschiede- Hans Koschnick (SPD) : Frau Staatsminister, Sie nen Kommentatoren und anderen, daß das Verhalten sprachen von Slowenien und Kroatien, an die man der serbischen Gruppe im Staatspräsidium die Quali- denken müsse, anders als Serbien. Mindestens so tät eines Staatsstreichs hat? schwierig ist nach meiner Meinung die Situation der Republik Bosnien-Herzegowina. Haben Sie im Zu- Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Die Bun- sammenhang mit möglichen Embargomaßnahmen desregierung hat das Vorgehen dieser Gruppe ein- bedacht, daß Sie damit diese Republik treffen können, deutig verurteilt. obwohl sie sich ausdrücklich gegen jede militärische Ich rufe die Frage 2 des Gewalt in diesem Konflikt gewandt hat? Vizepräsident Hans Klein: Abgeordneten Claus Jäger auf: Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Herr Kol- Wird die Bundesregierung nach zahlreichen Ankündigungen lege Koschnick, die Suspendierung und schließliche und In-Aussicht-Stellungen jetzt endlich zusammen mit ande- ren dazu bereiten europäischen Regierungen die diplomatische Kündigung z. B. des Kooperationsabkommens mit Ju- Anerkennung der Republiken Slowenien und Kroatien als so- goslawien würde die Möglichkeit eröffnen, gezielt uveräne Staaten vornehmen? Handelsembargos gegen eine Konfliktpartei einzu- Frau Staatsministerin, Sie haben wieder das Wort. leiten, die sich diesen Friedensbemühungen wider- setzt. Das heißt, es wäre dann möglich, diejenigen, die Ursula Seiler-Albring, Staatsminsterin: Vielen bereit sind, den Friedensprozeß aktiv zu unterstützen, Dank, Herr Präsident. — Herr Kollege Jäger, in der ob das Slowenien, ob das Kroatien oder die anderen Haager Vereinbarung vom 4. Oktober, auf die ich Teilrepubliken sind, positiv zu diskriminieren und die mich vorhin schon bezogen habe, ist zum ersten Mal anderen negativ zu diskriminieren. die Perspektive einer Anerkennung zum Abschluß des Verhandlungsprozesses festgeschrieben worden. Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage des Abge- Sollte Lord Carrington zum Ergebnis kommen, daß ordneten Norbert Gansel. eine Fortführung der Friedenskonferenz nicht mög- lich ist, wird sich die Bundesregierung im Rahmen der Norbert Gansel (SPD): Frau Staatsminister, wird die Europäischen Gemeinschaft für eine Anerkennung Bundesregierung nach der De-facto-Machtüber- Sloweniens und Kroatiens einsetzen. Ich betone noch nahme durch die Führung der jugoslawischen Bun- einmal, daß die Bundesregierung in dieser Frage Wert desarmee und die serbische Mehrheit im Staatspräsi- auf ein möglichst geschlossenes Vorgehen innerhalb dium sich gegenüber dem Zentralgerüst Jugosla- der Europäischen Gemeinschaft legt. wiens so verhalten, wie sie es vor einer Woche auf der KSZE-Konferenz in Moskau bei Staatsstreichen oder Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Jäger, eine Putschen in Mitgliedsstaaten der KSZE vorgeschla- Zusatzfrage. gen hat, und ihre politischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen auf ein Minimum redu- Claus Jäger (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, da zieren? Sie mir ja in einer der letzten Fragestunden zu dem- selben Fragenkomplex bereits signalisiert hatten, daß Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Herr Kol- die Bundesregierung mit einem solchen Schritt, wenn lege Gansel, nicht nur in Moskau, sondern schon auf sie ihn für erforderlich hält, keineswegs warten wird, dem Außenministertreffen in Berlin vom 19. Juni die- bis auch der letzte Mitgliedstaat der Europäischen ses Jahres wurde sehr deutlich gesagt, daß alle KSZE- Gemeinschaft mitmacht, frage ich Sie: Ist die Bundes- Außenminister der Ansicht sind, daß Jugoslawien zu- regierung schon in der Lage, zu sagen, beim Mittun nächst einmal die Gelegenheit haben soll, die Ange- welcher Staaten oder, sagen wir besser, wie vieler legenheiten der jugoslawischen Völker autonom zu Staaten der EG sie einen solchen Schritt in die Tat regeln. Die in der Konsequenz der Friedenskonferenz umsetzen wird? und der Vereinbarung vom 4. Oktober zu erwarten- den Verhaltensweisen lassen uns davon ausgehen, Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Herr Kol- daß in Richtung Friedensprozeß entsprechende lege Jäger, ich bleibe bei meiner Auskunft, die ich Schritte gemacht werden. Sollte sich hier — und da Ihnen in der entsprechenden Fragestunde erteilen 3838 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Staatsministerin Ursula Seiler-Albring durfte, daß sich die Bundesregierung um ein mög- lichen, ist das sehr wohl im Sinne der deutschen Bun- lichst geschlossenes und ein möglichst komplettes desregierung. Vorgehen der Europäischen Gemeinschaft bemühen (Norbert Gansel [SPD]: Da waren auch noch wird. - keine Panzer aufgefahren! Da wurde auch noch nicht geschossen!) Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Jäger. Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Herr Abge- ordneter Lowack.

Claus Jäger (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, be- deutet Ihre Antwort wenigstens soviel, daß die Bun- Ortwin Lowack (fraktionslos): Frau Staatsminister, desregierung für den Fall, daß es ihr gelingt, alle übri- teilt denn die Bundesregierung wenigstens die in den gen Staaten der Europäischen Gemeinschaft — mit Medien fast einhellige und unter denen, die sich be- Ausnahme der derzeitigen Präsidentschaft, die ja hier sonders mit der Materie beschäftigen, praktisch ein- offensichtlich besondere Probleme hat — zu gewin- hellige Auffassung, daß das Moratorium vom 7. Juli, nen, nicht warten wird, bis auch Den Haag mittut? mit dem ja erreicht werden sollte, daß die Unabhän- gigkeit Sloweniens und Kroatiens um drei Monate aufgeschoben würde, damit man diese Zeit für Frie- Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Herr Kol- densgespräche nutzen könnte, letztlich ein großer lege Jäger, ich würde es bedauern, wenn sich die Prä- Fehler war, weil dieses es seitdem ermöglicht hat, sidentschaft der Europäischen Gemeinschaft dem ver- unendliche Grausamkeiten — in Mißbrauch dieses schlösse. Ich glaube, man muß anerkennen, daß die Moratoriums — in Kroatien zu begehen? Präsidentschaft ihr Mögliches tut; nicht zuletzt z. B. durch die Konferenz vom 4. Oktober, um die Konflikt- Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Herr Kol- parteien zu einem vernünftigen, abgestimmten Vor- lege Lowack, als die Troika dieses Brioni-Abkommen gehen zu veranlassen. mit den entsprechenden beteiligten Republiken abge- Der gestern abend abgeschlossene Waffenstillstand schlossen hat, war davon auszugehen, daß es inner- mit den entsprechenden Vereinbarungen scheint mir halb dieser drei Monate möglich sein müßte, im Rah- einen Erfolg dieser Präsidentschaft sehr wohl möglich men dieses Moratoriums zu einer Regelung dieses sein zu lassen. Konfliktes zu kommen. Sonst hätte man dieses Mora- torium nicht abgeschlossen. Daß sich inzwischen die militärischen Aktivitäten in Herr Kollege Gansel. Vizepräsident Hans Klein: der Weise, wie Sie geschildert haben, entwickelt ha- ben, ist unbestreitbar. Die Bewertung dieser Aktivitä- Norbert Gansel (SPD): Frau Staatsminister, es ist ja ten durch die Bundesregierung ist ebenso eindeutig. schon ungewöhnlich, eine völkerrechtliche Anerken- nung von Bedingungen abhängig zu machen. Noch Vizepräsident Hans Klein: Kollege Gansel. ungewöhnlicher ist es, wenn Bedingungen eingetre- ten sind, erneut Bedingungen zu fordern. Das haben wir mehrfach erlebt. Deshalb frage ich Sie jetzt, ob Norbert Gansel (SPD): Wie beurteilt die Bundesre- unabhängig davon, ob ein Waffenstillstand gehalten gierung die Chance Sloweniens und Kroatiens, mit oder gebrochen wird, die Bundesregierung bereit ist, der jugoslawischen Bundesregierung über die Rege- den Prozeß der Unabhängigkeit der Republiken, die lung der Folgen der Unabhängigkeit zu verhandeln, mit den anderen nicht mehr zusammenleben wollen nachdem sich die jugoslawische Bundesregierung und zusammenleben können, dadurch zu flankieren, zum Teil in Zagreb aufhält und nicht zurückgehen daß sie auf dem Verhandlungswege innerhalb der will, bevor nicht der Verteidigungsminister, der auf Europäischen Gemeinschaft und zwischen den Repu- sie schießen läßt, zurückgetreten ist, und das Staats- bliken die völkerrechtliche Anerkennung möglich präsidium eine verfassungsmäßige Besetzung hat, so macht? daß kein legitimierter und entscheidungsfähiger Ver- handlungspartner vorhanden ist?

Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Herr Kol- Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Herr Kol- lege Gansel, ich wiederhole es gern noch einmal: Die lege Gansel, aus der Tatsache, daß an dem Abschluß Bundesregierung ist fest entschlossen, die Bewertung des Memorandums of agreement, das ich vorhin be- von Lord Carrington, ob der Friedensprozeß geschei- reits erwähnt habe, für Jugoslawien General Raseta, tert ist, abzuwarten und dann zu entscheiden, inwie- für Kroatien der Deputy Minister of Defense Adamic weit sie im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft teilgenommen hat, also zwei in diesem Konflikt sehr — ein Vorgehen, das ich vorhin versucht habe zu intensiv verwickelte Stellen, mit dem Ergebnis — das skizzieren — vorgehen will. ist eine Nachricht, die wir heute morgen durch unser Ich erinnere auch noch einmal daran, daß die KSZE- Generalkonsulat in Zagreb bekommen haben — sehr Außenministerkonferenz vom Juni einstimmig, da- weitgehender Bedingungen, an die sich offensichtlich mals waren es 35 Staaten, der Ansicht war, daß man beide Konfliktparteien bis zu dieser Stunde halten, nach Möglichkeit den jugoslawischen Völkern die Re- schließe ich, daß es sehr wohl möglich sein wird, sich gelung ihrer Zukunft überlassen soll. Wenn es im Rah- über die Zukunft der Republiken, wenn sie unabhän- men der Friedenskonferenz gelingt, dieses zu ermög gig werden wollen oder sich innerhalb eines losen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3839

Staatsministerin Ursula Seiler-Albring Verbandes zusammenfinden wollen, am Verhand- Ortwin Lowack (fraktionslos) : Ich darf die zweite lungstisch vernünftig auseinanderzusetzen. Zusatzfrage mit einem herzlichen Dankeschön begin- (Norbert Gansel [SPD]: Ihr Wort in Gottes nen. Ohr!) Hat die Bundesregierung entweder für sich oder innerhalb der Europäischen Gemeinschaft schon ein- mal erörtert, daß der unter völkerrechtlichen Aspek- Vizepräsident Hans Klein: Gibt es den Wunsch nach weiteren Zusatzfragen zur Dringlichkeitsfrage 2 des ten sicherste Weg wäre, die Anerkennung mit einem Kollegen Jäger? — Das ist nicht der Fall. gleichzeitigen Angebot über Verhandlungen zur Auf- nahme der genannten Teilrepubliken in die West- Dann rufe ich die Dringlichkeitsfrage 3 des Abge- europäische Union zu verbinden? ordneten Lowack auf: Ist die Bundesregierung im Hinblick auf die gegenwärtige Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Herr Kol- Entwicklung in Jugoslawien bereit, die am Wochenende er- klärte Unabhängigkeit Sloweniens sofort völkerrechtlich anzu- lege Lowack, ich glaube, wir sollten einen Schritt nach erkennen? dem anderen machen und die Anerkennung — sofern Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort. der Friedensprozeß nichts anderes mit sich bringt — zunächst einmal abwarten, bevor wir weitere Schritte in Betracht ziehen. Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Herr Kol- lege Lowack, in der Haager Vereinbarung vom 4. Ok- Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Herr Kol- tober ist zum erstenmal die Perspektive einer Aner- lege Koschnick. kennung zum Abschluß des Verhandlungsprozesses festgeschrieben worden. Sollte Lord Car rington zu (SPD): Frau Staatsminister, eine dem Ergebnis kommen, daß eine Fortführung der Hans Koschnick einzige Frage: Sind Sie immer noch — wie ich — der Friedenskonferenz nicht möglich ist, wird sich die Meinung, daß die Frage der völkerrechtlichen Aner- Bundesregierung im Rahmen der Europäischen Ge- kennung nicht differenziert nach verschiedenen Re- meinschaft für eine Anerkennung Sloweniens einset- publiken Jugoslawiens gesehen werden kann, son- zen. Die Bundesregierung legt großen Wert auf ein dern im Gesamtzusammenhang gesehen werden möglichst geschlossenes Vorgehen auch in dieser muß? Frage. Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Herr Kol- Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Herr Kol- lege Koschnick, ich kann Ihnen da nur zustimmen. Ich lege Lowack. habe vorhin versucht, klarzumachen, daß das der sinnvollere Weg ist. Ortwin Lowack (fraktionslos): Frau Staatsminister, was hat eigentlich die Bundesregierung in der Zeit Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage des Kollegen Februar/März davon abgehalten, bereits klarzustel- Weisskirchen. len, daß jeder bewaffnete Ang riff von serbischer Seite zu Konsequenzen führen würde, in einer Zeit, in der (Wiesloch) (SPD): Sie haben, die Bundesregierung von maßgeblicher Seite immer Frau Staatsminister, in Ihrer ersten Antwort angedeu- wieder darauf hingewiesen wurde, daß ein Massaker tet, daß es einen europäischen Gesamtkontext gibt, in erwartet werden müßte, und besteht aus dieser Nicht- dem die Frage der Anerkennung von Slowenien eine handlung oder dem Nichts-Unternehmen nicht ei- Rolle spielt. Würden Sie sagen, daß dieser europäi- gentlich die Verpflichtung, heute um so konsequenter sche Kontext auch beinhalten kann, daß man ver- für eine Anerkennung Sloweniens und Kroatiens ein- sucht, über Mehrheitsentscheidungen zur Anerken- zutreten? nung zu kommen, oder sagen Sie, das ist ein Gesamt- kontext, der nur in einer geschlossen vertretenen Mei- Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Ich glaube, nung Europas vollzogen werden kann? Herr Kollege Lowack, daß die Bundesregierung in ihren Äußerungen sehr deutlich gemacht hat, daß sie Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Herr Kol- für den Fall des Scheiterns der Friedensbemühungen lege, Sie wissen mit Sicherheit sehr gut, daß im Rah- Lord Carringtons die Anerkennung der von Ihnen ge- men der Europäischen Gemeinschaft zur Zeit das Ein- nannten beiden Teilrepubliken so schnell wie möglich stimmigkeitserfordernis herrscht, daß es aber — da- betreiben wird. Aber ich glaube, es ist völlig unbestrit- von abgesehen — natürlich möglich ist, daß sich ver- ten — diese Ansicht ist nicht nur im aktuellen Fall schiedene Mitgliedstaaten der Europäischen Gemein- geäußert worden, sondern ist auch vermittelte und schaft zu konkretem anderen Vorgehen entschließen. immer wieder geäußerte Ansicht des Auswärtigen Ich verweise nur auf das Schengener Abkommen. Amtes und der gesamten Bundesregierung —, daß in Sie wissen darüber hinaus, daß die deutsche Bun- diesem Jahrhundert die gewaltsame Änderung von desregierung bzw. die deutsche Delegation bei der Grenzen und ein Landgewinn, der auf kriegerischen Regierungskonferenz zur Politischen Union zur Zeit Auseinandersetzungen beruht, keine Chance auf An- sehr darauf drängt — und sie wird alles ihr Mögliche erkennung mehr haben. Insofern müssen die Konse- tun — , Mehrheitsentscheidungen auch im Bereich der quenzen all denjenigen, die das betreiben, klar und noch zu definierenden und zu entwickelnden gemein- offen vor Augen sein. samen Außen- und Sicherheitspolitik einzuführen.

Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Gansel. 3840 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Norbert Gansel (SPD) : Frau Staatsminister, können Dann, Frau Staatsministerin, bedanke ich mich Sie mir den Widerspruch erklären, der doch wohl herzlich für die Beantwortung der Fragen. darin besteht, daß die Europäische Gemeinschaft und Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- führende Vertreter der Gemeinschaft immer wieder nisters für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. erklären, sie würden die gewaltsame Veränderung- Zur Beantwortung der Fragen ist der Parlamentari- der Grenzen Sloweniens und Kroatiens nicht aner- sche Staatssekretär erschienen. kennen, aber gleichzeitig die Anerkennung der Staa- Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Ul rich Hein- ten, um deren Grenzen es dabei geht, von weiteren rich auf: Bedingungen abhängig machen? Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, falls die Staatsministerin: Herr Kol- Versorgung mit Pflanzenschutzmitteln, wie von der Biologi- Ursula Seiler-Albring, schen Bundesanstalt in einer gemeinsamen Befragung des Aus- lege Gansel, ich sehe darin keinen Widerspruch. Viel- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und des mehr ist es im Prinzip ein sehr konsequentes Vorge- Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hen, das darauf beruht, daß es in einer Zeit, in der z. B. berichtet wurde, in Zukunft nicht sichergestellt werden kann, im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft Grenzen um zu gewährleisten, daß der Export unseres qualitativ hoch- wertigen deutschen Hopfens in Zukunft nicht beeinträchtigt fallen, zu bedauern ist, wenn es in anderen Teilen wird? Europas Bewegungen gibt, die möglicherweise eine Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort. Zersplitterung der Kräfte mit sich bringen, die eigent- lich gebündelt werden und am Wohle des jeweiligen Volkes ausgerichtet sein sollten. Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Aber wenn das in Jugoslawien tatsächlich nicht der Forsten: Herr Kollege Hein rich, Ihre Frage beant- Fall sein sollte — ich verweise noch einmal auf den worte ich folgendermaßen: Pflanzenschutzmittel kön- 4. Oktober —, dann sind — dies ist mittlerweile in nen von der Biologischen Bundesanstalt für Land- einem Dokument festgelegt — die am Konflikt Betei- und Forstwirtschaft, BBA genannt, nur zugelassen ligten, u. a. dann auch der Präsident bzw. die Präsi- werden, wenn ein entsprechender Antrag vorliegt, dentschaft, bereit, am Ende dieser Verhandlungen, der den Anforderungen des § 12 des Pflanzenschutz- die, wie ich gesagt habe, in einem offenen und guten gesetzes entspricht, und die Prüfung ergibt, daß das Geist geführt werden müssen, die Anerkennung der Pflanzenschutzmittel den Zulassungsanforderungen betreffenden Teilrepubliken vorzunehmen. gemäß § 16 das Pflanzenschutzgesetzes genügt . Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Jäger. Für eine ausreichende Versorgung mit Pflanzen- schutzmitteln ist es daher von entscheidender Bedeu- Claus Jäger (CDU/CSU): Frau Staatsminister, teilen tung, daß die Hopfenwirtschaft in enger Kooperation Sie meine Auffassung, daß die völkerrechtliche Aner- mit der Industrie dafür sorgt, daß sowohl in der Bun- kennung Sloweniens, aber auch anderer jugoslawi- desrepublik Deutschland als auch in den USA die ent- scher Republiken durch die Bundesrepublik zusam- sprechenden Anträge gestellt werden. Hierauf wurde men mit anderen europäischen Staaten Nachahmung die Hopfenwirtschaft bereits mehrfach hingewiesen. in anderen Teilen der Welt finden und damit einen Gleichwohl ist davon auszugehen, daß in Zukunft Beitrag dazu leisten würde, daß die Stellung der be- nur eine eingeschränkte Palette an Pflanzenschutz- troffenen Republiken bei den Vereinten Nationen und mitteln zur Verfügung stehen wird. Für eine langfri- ihr Bemühen, dort Schutz zu finden, erheblich ge- stige Lösung der Pflanzenschutzprobleme ist es des- stärkt würden? halb unabdingbar, daß auch die Anbauformen und Produktionstechniken im Hopfenanbau sich dieser Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Ich kann Entwicklung anpassen. das nicht ausschließen, Herr Kollege Jäger. Die Bundesregierung unterstützt im Rahmen ihrer Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Schily. Möglichkeit die Bemühungen der Hopfenwirtschaft zur Sicherung des Exports von hochwertigem Aroma Otto Schily (SPD): Von welchen langfristigen Ziel- hopfen in die USA. So hat z. B. die Botschaft der Bun- setzungen der Konfliktparteien in Jugoslawien geht desrepublik Deutschland in Washington zahlreiche die Bundesregierung bei ihrer Jugoslawien-Politik Gespräche mit der amerikanischen Zulassungsbe- aus? hörde im Hinblick auf die Erteilung von Importtole- ranzen geführt. Auch haben mit Vertretern des Ver- Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin: Die Bun- bandes Deutscher Hopfenpflanzer e. V. intensive Ge- desregierung wird sich mit den Anerkennungsbemü- spräche stattgefunden, in deren Verlauf die BBA eine hungen der beiden hier in Rede stehenden Teilrepu- Unterstützung von Versuchen zum biologischen bliken auseinandersetzen und all das ihr Mögliche Pflanzenschutz im Hopfenanbaugebiet angeboten tun, um den Völkern in Jugoslawien nach Beendigung hat. dieser Konflikte eine Perspektive zu geben. Sie ist mit Sicherheit auch bereit, hier materielle Hilfen einzuset- Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Herr Kol- zen. lege Heinrich. (Otto Schily [SPD): Das war doch nicht der Inhalt der Frage!) Ulrich Heinrich (FDP): Herr Staatssekretär, Sie ha- — Doch, natürlich war das Ihre Frage. ben zitiert, wie die Gesetzeslage für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ist. Die Gesetze haben wir ge- Vizepräsident Hans Klein: Gibt es weitere Zusatz- macht. Wir nehmen damit in Kauf, daß entsprechende fragen dazu? — Das ist nicht der Fall. Wettbewerbsverzerrungen beim Export von Hopfen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3841

Ulrich Heinrich stattfinden; denn unsere Gesetze sind hier strenger lings, der Spinne, die dort den Schaden verursacht, angelegt als die in anderen Staaten. Herr Staatssekre- zur Zeit noch keinen Fortschritt in der biologischen tär, deshalb meine Frage: Sind Bestrebungen der Bekämpfung gibt. Diese Dinge befinden sich noch in Bundesregierung erkennbar, diese Wettbewerbsver- der Forschung und in der Entwicklung. zerrungen abzubauen? Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Frau Kolle- Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Ich möchte gin Weyel. Ihnen hier widersprechen. Die Qualitätsanforderun- gen und die Toleranzen sind gerade bei den Abneh- Gudrun Weyel (SPD): Herr Staatssekretär, meinen mern, besonders in den USA, härter als anderswo. Sie mit „daß die Bundesregierung alles unternimmt", Deshalb ist es dringend erforderlich, daß beim Pflan- daß die Bundesregierung eine Gesetzesnovelle plant zenschutz im Hopfenbereich äußerste Sorgfalt wal- oder daß sie Subventionen für solche Firmen plant, die tet. ganz spezielle Mittel aus Kostengründen nicht mehr Ich habe Ihnen auch gesagt, es ist unumgänglich, zur Zulassung anmelden? andere Anbaumethoden einzuführen, um mit weniger Pflanzenschutzmitteln auszukommen. Ich möchte hier Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Da kann nicht auf fachliche Fragen eingehen. Bloß, bei Gerü- ich Ihnen hier keine Zusage machen; denn wir müs- sten von sechs Metern muß mit einem entsprechenden sen bedenken, daß es nicht Aufgabe der Bundesregie- Druck gearbeitet werden, wo ein Mehrfaches von rung ist, für einzelne Produkte Pflanzenschutzmittel Pflanzenschutzmitteln erforderlich ist, als wenn diese entwickeln zu lassen. Dafür sind die Forschungsinsti- Gerüste nur halb so hoch sind. tute und die Industrie verantwortlich. Aber es muß darüber gewacht werden, daß ordentlich geprüft wird. Die Bundesregierung ist sehr bemüht, daß der Hop- Diese Prüfung und diese Entwicklung kosten große fenwirtschaft die Exportmärkte erhalten bleiben, und Summen. Die Bundesregierung ist, wenn es erforder- lenkt ihre größte Aufmerksamkeit darauf, daß die ent- lich ist, daß etwas Neues entwickelt wird, was der sprechenden Pflanzenschutzmittel, die zur Verfü- deutschen Landwirtschaft und dem Export dient, auf gung stehen, geprüft werden und daß es auch zur alle Fälle bereit, entsprechende Unterstützung zu ge- Testung von neu angemeldeten Pflanzenschutzmit- währen. teln kommt. Zusatzfrage des Kollegen Herr Kollege Heinrich, Vizepräsident Hans Klein: Vizepräsident Hans Klein: Jäger. eine zweite Zusatzfrage. (CDU/CSU): Herr Kollege Haschke, (FDP): Herr Staatssekretär, Sie ha- Claus Jäger Ulrich Heinrich teilen Sie die Auffassung, daß die beste Exportförde- ben gerade den biologischen Forschungsbereich an- rung für deutschen Hopfen wie auch übrigens für gesprochen. Was unternimmt die Bundesregierung, deutsches Bier in dem Ruf einer makellosen Qualität um hier schneller voranzukommen? liegt, den diese Produkte bei uns immer gehabt ha- ben, und daß deswegen die Bemühungen der Bundes- Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: In dieser Frage sind die entsprechenden Institute beauftragt. regierung besonders wichtig sind, daß diese Qualität Man ist dabei, mit Vertretern des Ministeriums und und ihr Ruf in keiner Weise leiden? der Forschungsinstitute eine Arbeitsgruppe zu bilden, Parl. Staatssekretär: Da stimme um auf diesem Gebiet weiterzukommen, da es ja bei Gottfried Haschke, ich Ihnen voll zu. anderen Insekten und Schädlingen bzw. bei anderen Kulturpflanzen schon möglich ist, den Pflanzenschutz Vizepräsident Hans Klein: Ich rufe die Frage 2 des auf biologische Weise durchzuführen. Abg. Heinrich auf: Eine Zusatzfrage des Kol- Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um den Vizepräsident Hans Klein: gesetzlich geforderten integrierten Pflanzenschutz mit einer legen Klaus Lennartz. breiten Palette von Pflanzenschutzmitteln für den Obst- und Gemüseanbau sicherzustellen und damit die heute schon beste- Klaus Lennartz (SPD): Herr Staatssekretär, bei der henden Engpässe auf diesem Gebiet zu beseitigen? letzten gemeinsamen Anhörung des Landwirtschafts- ausschusses und des Umweltausschusses ist sehr Herr Staatssekretär, Sie haben bereits wieder das deutlich geworden, daß — wie Sie es vorhin formuliert Wort. haben — von seiten der Amerikaner höhere Import- beschränkungen vorliegen. Konkret ist die Frage: Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: In allen Was unternehmen Sie tatsächlich, um den weiteren Mitgliedstaaten der EG hat sich gezeigt, daß sich die Export deutschen Hopfens nicht zu gefährden? Wel- pflanzenschutzmittelherstellende Industrie zuneh- che konkreten Maßnahmen werden oder sind ge- mend auf Anwendungsgebiete beschränkt, die wirt- plant, um den ökologischen Anbau überhaupt zu ge- schaftlichen Erfolg versprechen. Dadurch wird ein währleisten, damit es nicht zu derartigen Exportbe- sachgerechter Pflanzenschutz zum Teil erschwert, schränkungen kommt? zum Teil nicht mehr möglich, da Alternativen noch nicht entwickelt oder nur teilweise entwickelt sind Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Ich kann und sich auf absehbare Zeit gar nicht entwickeln las- Ihnen an dieser Stelle sagen, daß die Bundesregie- sen. rung alles unternimmt, damit auf diesem Gebiet ein Aus diesen Gründen hat sich die Bundesregierung Fortschritt erzielt wird, obwohl ich ehrlich sagen muß, bei der am 15. Juli 1991 verabschiedeten Richtlinie daß es auf dem Gebiet des Hopfens und des Schäd- des Rates 91/414 der EWG über das Inverkehrbringen 3842 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Parl. Staatssekretär Gottfried Haschke von Pflanzenschutzmitteln dafür eingesetzt, daß der Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Heinrich, Kreis der Antragsteller nicht mehr auf den Hersteller, ich darf Sie kurz unterbrechen. Wir schwimmen im- den Vertriebsunternehmer und den Einführer be- mer ein bißchen von den Usancen der Fragestunde schränkt, sondern allgemein gefaßt wird — somit ha- weg. In der Fragestunde werden an sich kurze Fragen ben auch andere Personen die Möglichkeit, einen Zu-- ohne Einleitung und ohne Nachklapp gestellt, und die lassungsantrag zu stellen — und daß eine Bestim- Regierung hat zu antworten. mung zum Schutz der Lückenindikation Art. 9 Abs. 1 eingeführt wird. Danach ist die Ausdehnung des An- Ulrich Heinrich (FDP): Jawohl, Herr Präsident, ich wendungsgebiets eines zugelassenen Pflanzen- werde mich kürzer fassen. schutzmittels unter bestimmten Voraussetzungen Herr Staatssekretär, wir haben in anderen als nur möglich. Es ist zu erwarten, daß durch die Möglichkeit dem Obst- und Gemüseanbaubereich, also Sonder- der Ausdehnung des Anwendungsbereichs eines zu- kulturen, die gleichen Entwicklungen, daß wir näm- gelassenen Pflanzenschutzmittels der sich in Kulturen lich mit unserem integrierten Pflanzenschutz nicht mit geringer Anbaufläche abzeichnende Engpaß bei mehr die selektiven Mittel zur Verfügung haben, die den Pflanzenschutzmitteln abgemildert werden wir eigentlich bräuchten, um dem Gesetz Rechnung kann. zu tragen. Was gedenkt die Regierung hier zu unter- nehmen? Herr Kollege Heinrich, Vizepräsident Hans Klein: Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Es muß auf Ihre erste Zusatzfrage. alle Fälle auf dieser Strecke weitergearbeitet werden. Aber wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir Ulrich Heinrich (FDP): Herr Staatssekretär, Sie ha- im Interesse des Umweltschutzes und der Ökologie ben gerade die wirtschaftliche Situation beleuchtet, teilweise auf Pflanzenschutzmittel verzichten müs- die die Firmen eben nicht dazu bringt, entsprechende sen. Mittel zu entwickeln, weil das Verfahren zu teuer wird. Heißt das im Klartext für die Bundesregierung, Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage des Kollegen daß das gesetzlich verankerte Ziel des integrierten Lennartz. Pflanzenschutzes in der jetzigen Situation nicht er- reicht werden kann? Klaus Lennartz (SPD): Herr Staatssekretär, in wel chem Umfang fördert die Bundesregierung die Erpro Wenn Sie das bestätigen: Welche entsprechenden bung des ökologischen Pflanzenanbaus und die Aktivitäten muß die Bundesregierung und müssen wir Markteinführung ökologisch angebauter Produkte, dann entfalten, um dem entgegenzusteuern? Denn um letztendlich zu verhindern, daß noch mehr Pflan- wir waren uns in diesem Hause immer einig, daß der zenschutzmittel zum Einsatz kommen, die damit un- integrierte Pflanzenschutz Anwendung finden sollte. ser Trinkwasser gefährden?

Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Es gibt Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Das ist na- keine Abstriche in der Auffassung, daß der integrierte türlich durchaus zu fördern. Aber es ist ja kein Ge- Pflanzenschutz Anwendung finden muß. Aber es ist heimnis, daß die entsprechenden Abnehmer und der eben leider Tatsache, daß es bei geringen Anbauflä- entsprechende Markt für diese ökologisch erzeugten chen, bei besonderem Feingemüse usw., für die Fir- Produkte da sein müssen. Wenn dieser Markt vorhan- men unwirtschaftlich ist, etwas in dieser Richtung zu den ist, gibt es durchaus genügend Interessenten, die entwickeln. Man muß natürlich darauf bedacht sein, sich daran beteiligen, entsprechende Produkte, frei daß etwas, was schon vorhanden ist, im internationa- von chemischen Mitteln — Mineraldünger und Pflan- len Rahmen geprüft und mit genutzt wird und daß zenschutzmittel — , anzubauen. weiter daran gearbeitet wird, daß bei der Lückenindi- kation langfristige Lösungen gefunden werden. Vizepräsident Hans Klein: Zusatzfrage, Herr Abge- ordneter Schily. Die Bundesregierung ist daran durchaus interes- siert, aber kann nun nicht allein dafür verantwortlich Otto Schily (SPD): Herr Staatssekretär, bezweifeln sein, daß für jedes Produkt, für jede Gemüse- oder Sie, daß es einen solchen Markt gibt? Obstart, hier in Deutschland ein spezielles Pflanzen- schutzmittel entwickelt wird. Die Hilfestellung ist Gottfried Haschke, Parl. Staatssekretär: Nein, es durchaus da, und es wird — wie ich das auf die vorige gibt durchaus einen Markt. Aber er entspricht noch Frage schon sagte — in der Forschung durchaus un- nicht den Wünschen und Vorstellungen der interes- terstützt. Trotzdem müssen wir, das sei auch auf diese sierten Bürger; das ist kein Geheimnis. Er kann und Frage wieder erwähnt, mehr und mehr auf den biolo- muß durchaus noch ausgeweitet werden, zumal noch gischen Pflanzenschutz achten. Hier müssen die Be- genügend Fläche vorhanden ist. Wir haben uns ge- mühungen auf seiten der Forschung in jedem Fall ver- rade heute im Hause über die Frage von Flächenstill- stärkt werden. legungen und von Extensivierung unterhalten. Es ist ja niemand mehr gezwungen, Höchsterträge von den Flächen herunterzuholen. Demzufolge muß diesem Zweite Zusatzfrage, Herr Vizepräsident Hans Klein: ökologischen Pflanzenanbau mehr Beachtung ge- Kollege Heinrich. schenkt werden.

Ulrich Heinrich (FDP): Herr Staatssekretär, ich Vizepräsident Hans Klein: Dazu keine weiteren Zu- möchte das noch etwas erweitern. Wir stellen fest, satzfragen. Dann bedanke ich mich sehr für die Beant- daß — — wortung, Herr Staatssekretär. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3843

Vizepräsident Hans Klein Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers Wir sind derzeit der Meinung, daß wir einen relativ für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. guten Überblick über diese Strahlenquellen in der Herr Parlamentarischer Staatssekretär Bernd Schmid- ehemaligen DDR besitzen. Wir gehen davon aus, daß bauer drängt und brennt schon auf die Beantwortung die Länderbehörden diese Strahlenquellen bei stillge- der Fragen, wenn ich die Gesten richtig verstanden legten Betrieben erfaßt haben und daß dafür Sorge habe. getragen wird, daß sie entsprechend untergebracht Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Reinhard Weis werden. auf: Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfrage, Kann die Bundesregierung einen aktuellen statistischen Überblick darüber geben, wie derzeit in den neuen Bundeslän- Herr Kollege Weis. dern die ca. 20 000 in der Industrie vorhandenen radioaktiven Strahlenquellen genutzt und gesichert werden? Reinhard Weis (Stendal) (SPD): Sie haben aber nicht die Sicherheit, daß die Länderbehörden diese Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben Defekte oder diese Fehlstellen tatsächlich ab- das Wort. decken?

Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär beim Bun- Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Wir ge- desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- hen davon aus, daß wir diese Sicherheit haben. Die cherheit: Herr Kollege Weis, nach den der Bundesre- Bundesaufsicht ist bemüht, zusammen mit den Län- gierung vorliegenden Angaben sind in den neuen dern, die die Verantwortung haben, dafür zu sorgen, Bundesländern ca. 18 000 Strahlenquellen vorhan- daß die Sicherheit gewährleistet ist. den. Der weitaus größte Teil — rund 15 000 Quel- len — wird nicht mehr genutzt. Diese Quellen werden Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Lennartz. überwiegend bereits zentral aufbewahrt oder sind — noch — unterirdisch in ehemaligen Trinkwasser- Klaus Lennartz (SPD): Herr Staatssekretär, ist das brunnen eingebaut. Der Ausbau der Brunnenquellen sichergestellt, oder ist das nicht sichergestellt? ist eingeleitet worden. Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Würden Auf die Industrie entfallen — darauf bezog sich Ihre Sie das präzisieren? Ich weiß nicht, was Sie meinen. Frage im Hinblick auf die 20 000 Strahlenquellen — die verbleibenden ca. 3 000 Strahlenquellen. Ca. Klaus Lennartz (SPD): Der Herr Präsident hat ge- 2 000 dieser Quellen sind in Geräte eingebaut, die sagt, wir sollen kurz und knapp formulieren. Meß- und Regelzwecken dienen, wie z. B. der Werk- stoffprüfung oder Füllstandsmessung. Die restlichen Vizepräsident Hans Klein: Sie müssen nur sagen, 1 000 Quellen sind in Anlagen zur Bestrahlung tech- was Sie wirklich meinen. nischer und medizinischer Produkte eingebaut. Mehr als 50 % dieser Quellen werden zur Zeit für die ge- Klaus Lennartz (SPD): Herr Staatssekretär, Sie ha- nannten Zwecke genutzt. Die gegenwärtig nicht ge- ben formuliert: „die Länder sollen" und „wir gehen nutzten Quellen werden vor Ort oder an von der zu- davon aus, daß". Meine Frage ist: Haben Sie sicher- ständigen Behörde bestimmten Stellen aufbewahrt. gestellt, daß die Daten vorliegen? Ja oder nein? Liegen Ihnen die Daten vor? Sowohl die Nutzung von Strahlenquellen als auch die Aufbewahrung nicht mehr benötigter Strahlen- Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Herr Kol- quellen unterliegt der atomrechtlichen Aufsicht der lege Lennartz, ich würde Ihnen sehr gerne eine sehr zuständigen Landesbehörden, insbesondere im Hin- präzise Antwort geben. Die Daten, die vorliegen, kön- blick auf die Gewährleistung des Strahlenschutzes nen wir zur Kenntnis nehmen. Dabei ist auch gewähr- und die erforderliche Sicherung. leistet, daß die entsprechende Aufsicht, Kontrolle und Sicherstellung gegeben ist. Zusatzfrage, Herr Kol- Vizepräsident Hans Klein: Ich sagte aber in einem Nebensatz dem Kollegen lege Weis. Weis, der sich mit diesen Themen schon intensiv be- schäftigt hat, daß nicht auszuschließen ist, daß es auch Reinhard Weis (Stendal) (SPD): Die Bundesregie- Quellen gibt — ich nenne hier NVA und Stasi —, die rung kann also versichern, daß Entlassungen von nicht bei der zuständigen Behörde registriert wurden, Strahlenschutzbeauftragten in Bet ri eben und auch weshalb wir sowie die zuständigen Landesbehörden Umprofilierungen von Betri eben nicht dazu führen, nicht sicherstellen können, daß wir nicht in dem einen daß mit solchen Strahlenquellen ein unsachgemäßer oder anderen Fall Strahlungsquellen neu auffinden. und gefährlicher Umgang in der Öffentlichkeit mög- Dann werden von uns natürlich die entsprechenden lich ist? Maßnahmen getroffen.

Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Hier gibt Vizepräsident Hans Klein: Bitte, Herr Kollege. es, wie Sie wissen, Herr Kollege Weis, mehrere Pro- blembereiche. Wir haben zum einen Strahlenquellen Dr. Ulrich Janzen (SPD): Herr Staatssekretär, zu den im industriellen Bereich, die erkannt sind und die Strahlenquellen in den Ländern der ehemaligen DDR letztendlich unter Kontrolle gebracht werden oder ge- zählen für mich die Uranabbaugebiete. Wie weit wird bracht worden sind. Es gibt zum anderen teilweise von Ihrer Seite gesichert, daß die Bevölkerung auf die Quellen, die in Statistiken der SAAS nicht aufgenom- Gefährdung, die dort teilweise noch immer vorhanden men wurden. Sie kennen den einen Fall von vor weni- ist, aufmerksam gemacht wird und dadurch weiß, daß gen Wochen. dort etwas passiert? 3844 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Auch Wilhelm Rawe, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- wenn ich darauf hinweisen darf, daß Ihre Frage mit nister für Post und Telekommunikation: Vielen Dank, den angesprochenen Strahlenquellen nicht in Zusam- Herr Präsident. menhang steht, möchte ich Ihnen eine Antwort geben: Frau Kollegin Weyel, die Deutsche Bundespost Sie wissen, daß wir uns gerade in diesen Gebieten- Telekom baut auf Grund der guten Nutzung durch die — ich nenne Wismut — intensiv bemühen, daß sicher- Bevölkerung verstärkt Kartentelefone auf. Davon gestellt wird, daß für die Bevölkerung dort keine Ge- sind auch Standorte mit öffentlichen Telefonstellen fährdung von den Halden und dem Uranbergbau aus- auf Bahnhöfen der Deutschen Bundesbahn betroffen. geht. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Auf Grund einer geringen Anzahl von Beschädigun- entsprechenden Konzept, hat aber in der Zwischen- gen durch Beraubung und durch Vandalismus bieten zeit auch dafür gesorgt, daß keine unmittelbare Ge- die Kartentelefone eine größere Verfügbarkeit für die fährdung der Bevölkerung zu befürchten ist. Kunden. In der Frage ging es um technische Strahlenquellen, Vorgabe für die Installation von Kartentelefonen ist, um Kobaltquellen und ähnliche Dinge, wie ich sie auf- daß in zumutbarer Entfernung eine Verkaufsstelle für geführt habe. Telefonkarten verfügbar sein soll. Auf Bahnhöfen, wo (Klaus Lennartz [SPD]: Es ist aber die gleiche zumeist eine größere Zahl öffentlicher Telefonstellen Strahlenschutzverordnung!) betrieben wird, ist zur Zeit der parallele Aufbau von Münz- und Kartentelefonen die Regel. In Einzelfällen kann es bei kleinen Bahnhöfen mit nur einer öffentli- Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Janzen, es chen Telefonstelle tatsächlich vorkommen, daß dort gibt nur eine Zusatzfrage, wenn man nicht selber der ausschließlich ein Kartentelefon vorhanden ist. In die- Fragesteller ist. sen Fällen befindet sich jedoch zumeist ein Münztele- Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Reinhard fon in zumutbarer Entfernung. Weis auf: Die Deutsche Bundespost Telekom prüft zur Zeit, ob Wie gewährleistet die Bundesregierung einen kontrollierten auch günstigere Telefonkarten mit einem Wert unter Umgang mit diesen Strahlenquellen? 12 DM vor allen Dingen für Schüler und Studenten Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben ausgegeben werden können, damit diese die Karten- das Wort. telefone besser nutzen können. Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin Weyel, Bernd Schmidbauer, Parl. Staatssekretär: Der Voll- eine Zusatzfrage? — Wir sind allerdings schon am zug des Atom- und Strahlenschutzrechts beim Um- Ende der Fragestunde. gang und bei der Aufbewahrung radioaktiver Stoffe (Gudrun Weyel [SPD]: Nein, nein, die Frage obliegt auch in den neuen Ländern den zuständigen stunde hat erst um 13.45 Uhr angefangen!) Landesbehörden. Die Bundesregierung hat im Rah- — Ja, nutzen Sie die Zeit. Ihre Frage wird noch zuge- über die Länder nach Art. 85 men der Bundesaufsicht lassen. des Grundgesetzes dafür Sorge getragen, daß zu- nächst die Gemeinsame Einrichtung der Länder und (Clemens Schwalbe [CDU/CSU]: Schon vor danach schrittweise bis zum 1. Juli 1991 die inzwi- 13.45 Uhr wurde die Zeit auf die Fragestunde schen eingerichteten Fachbehörden der neuen Län- angerechnet, Frau Kollegin Weyel!) der die gebotenen aufsichtlichen und genehmigungs- rechtlichen Schritte eingeleitet haben. Diese Maßnah- Gudrun Weyel (SPD): Herr Staatssekretär, was emp- men galten insbesondere auch der Weiterverwen- fehlen Sie Eltern mit zehnjährigen Kindern, die an dung bzw. der Aufbewahrung von Strahlenquellen. kleinen Bahnhöfen z. B. aus der Schule oder aus schu- Ich verweise in diesem Zusammenhang, Herr Kollege lischen Veranstaltungen ankommen und sich von ih- Weis, auf die Antwort auf Ihre schriftliche Anfrage ren Eltern abholen lassen müssen? Welche zumutbare vom 23. August 1991. Entfernung geben Sie für solche Kinder an?

Wilhelm Rawe, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, Vizepräsident Hans Klein: Keine Zusatzfrage. ich denke, es wird viel zweckmäßiger sein, wenn Sie Dann können wir, Herr Parlamentarischer Staatsse- mir solche Einzelfälle mitteilen. Ich prüfe sie sehr kretär Rawe, damit Sie nicht umsonst da waren, noch gerne nach. In der Regel sind die Abstände nicht grö- den Geschäftsbereich des Bundesministers für Post ßer als 100 oder 200 m, und die kann man auch als und Telekommunikation aufrufen. Die Beantwortung Schüler durchaus zurücklegen. Nur, ich denke, es ist der Fragen geschieht durch den Parlamentarischen viel besser, wenn Sie mir den Einzelfall schildern. Staatssekretär Wilhelm Rawe. Dann bin ich gerne bereit, auf die Generaldirektion Telekom mit dem Ziel einzuwirken, daß man dort ge- Ich rufe Frage 6 der Abgeordneten Gudrun Weyel gebenenfalls für Abhilfe sorgt. auf : Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Rahmen der Erneue- Gudrun Weyel (SPD): Ich glaube, die Einzelfallrege- rung der Telefonanlagen an manchen Bahnhöfen nur noch Kar- lung nützt nicht sehr viel; denn Tatsache ist, daß wir tentelefone vorhanden sind, so daß z. B, Kinder ihre Eltern nicht anrufen können, und ist sie der Meinung, daß zum jetzigen Zeit- gerade in ländlichen Bereichen einen immer stärke- punkt zumindest an Bahnhöfen noch ein Münzfernsprecher für ren Rückzug sowohl der öffentlichen Verkehrsträ- die Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollte? ger — Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben das Wort. Vizepräsident Hans Klein: Die Frage! Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3845

Gudrun Weyel (SPD): — ja, ich komme dazu — als USA übertroffen und auch die Abrüstung ihrer luftge- auch der Post haben. Meine Frage lautet: Gibt es stützten taktischen Atomwaffen angekündigt. Da- irgendwelche Vorstellungen in Ihrem Hause, wie man durch wären die USA in einem dynamischen Prozeß auch in den ländlichen Bereichen die Versorgung so weiterer einseitiger, aber wechselseitiger Abrü- sicherstellen kann, daß ganz allgemein sowohl min- - stungsmaßnahmen unter Zugzwang gesetzt worden. derjährige als auch ältere und behinderte Personen Immerhin hat Gorbatschow auch für diese Waffen ungehinderten Zugang zu einer öffentlichen Fern- ein Verhandlungsangebot gemacht. Wir wollen heute sprechzelle mit Münzbetrieb haben? von der Bundesregierung wissen, ob sie dieses Ange- bot gegenüber den USA und in der NATO unterstützt Wilhelm Rawe, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, und ob sie die Chance nutzen will, daß jetzt alle Atom- ich hatte ja deutlich gemacht, daß es die Regel ist, daß waffen aus Deutschland verschwinden können. man Münz- und Kartentelefone gleichzeitig aufbaut. Trotzdem muß man sich mit der Entwicklung vertraut Wir wollen auch wissen, ob die Bundesregierung machen, daß die Menschen immer mehr Kartentele- weiterhin Überlegungen der NATO unterstützt, nach fone wollen; das merken wir insbesondere in den 1995, also nach einer Bundestagswahl, in der Bundes- neuen Ländern. Deswegen kann ich sehr wohl mit der republik eine neue luftgestützte Atomrakete mit einer Generaldirektion Telekom erneut darüber verhan- Reichweite von 480 km zu stationieren. Trifft es zu, deln, daß man dort, wo es eben möglich ist, verträgli- daß für die Lagerung dieser Raketen schon jetzt Bun- che Lösungen findet. Aber ich kann nicht dauernd in ker in der Bundesrepublik gebaut werden, und wird das Geschäftsgebaren der Deutschen Bundespost der Bunkerbau nunmehr eingestellt werden? Telekom hineinreden. Wenn es nach dem Abzug eines Teils der taktischen Atomwaffen aus der Bundesrepublik neue Atomwaf Vizepräsident Hans Klein: Herr Parlamentarischer fen gäbe, dann würde aus der Bush-Initiative keine Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung Abrüstung werden, sondern eine Modernisierung. der Fragen. Wir werden sie entschieden bekämpfen; denn diese Der Kollege Dr. Brecht ist nicht da. Mit seiner Frage Atomwaffen sind ein Anachronismus. wird entsprechend der Geschäftsordnung verfahren. Ich schließe die Fragestunde. (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und dem Bündnis 90/GRÜNE) Ich rufe den Zusatzpunkt der Tagesordnung auf: Die große Chance einer neuen Qualität der Abrü- Aktuelle Stunde stung, die Bush mit seiner Initiative eröffnet hat, muß Haltung der Bundesregierung zu den Abrü- genutzt werden. Statt langwieriger Verhandlungen stungsvorschlägen von Präsident Bush und über Teilabrüstungen, die durch Modernisierungen überholt werden, müssen weitere einseitige, wechsel- Präsident Gorbatschow seitige Abrüstungsmaßnahmen getroffen werden. Die Fraktion der SPD hat zu diesem Thema eine Verhandelt werden muß dann nur noch über die Ve- Aktuelle Stunde verlangt. rifikation. Es liegt im existentiellen Interesse Deutsch- Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Abge- lands, daß dies auch und vor allem für unser eigenes ordneten Norbert Gansel das Wort. Territorium gilt. Der Oberbefehlshaber der Westgruppe der sowjeti- Norbert Gansel (SPD): Herr Präsident! Meine Da- schen Streitkräfte, Generaloberst Burlakow, hatte am men und Herren! Die SPD-Fraktion hat diese Aktuelle l erklärt, alle seien Stunde zu der Abrüstungsinitiative von Präsident 26. Apri sowjetischen Atomwaffen Ende 1990 aus der einstigen DDR abgezogen worden. Bush und der Antwort von Präsident Gorbatschow Das war schon ein Zeichen für die Bereitschaft zu ein- beantragt; das ist unsere parlamentarische Pflicht. Der seitigen Maßnahmen. Aber darauf muß auch Verlaß Bundestag muß debattieren, was die Menschen be- sein. wegt und wenn sich die Dinge bewegen. Die SPD-Fraktion begrüßt vor allem die Entschei- Aus Äußerungen sowjetischer Regierungsmitglie- dung beider Präsidenten, die Alarmstufen bei den der hat sich im Juni ergeben, daß sich doch noch strategischen Atombombern und einem Teil der stra- sowjetische Atomwaffen in den neuen Bundesländern tegischen Atomraketen aufzuheben sowie ihre Kon- befinden. Auf dem Hintergrund von Widersprüchen trolle zu straffen. Damit ist die Gefahr eines Atom- und Beobachtungen gab es Anlaß für Zweifel, ob krieges aus Versehen, jene schreckliche Gefahr, ver- Ende August alle Atomwaffen abgezogen waren, wie ringert worden; gebannt ist sie aber noch nicht. es die sowjetische Regierung dann später erklärte. Ich Präsident Bush will sämtliche bodengestützten ato- habe deshalb eine gemeinsame deutsch-sowjetische maren Kurzstreckenraketen und sämtliche nukleare Verifikation gefordert. Generaloberst Burlakow hat Artillerie aus Europa abziehen und zerstören. Das ist seine Bereitschaft dazu in einem Gespräch mit Björn gut. Besser wäre es gewesen, er hätte auch alle luft- Engholm erklärt. Diese Erklärung hat der sowjetische gestützten taktischen Atomwaffen einbezogen. Wir Verteidigungsminister Schaposchnikow mir gegen- werden uns nicht damit abfinden, daß weit über 1 000 über in Moskau in der vergangenen Woche bestä- amerikanische Atombomben weiter in Westdeutsch- tigt. land verbleiben sollen. Es ist gut, daß die Bundesregierung auf der Grund- Es ist gut, daß Präsident Gorbatschow bei den tak- lage unserer Initiative die sowjetische Bereitschaft ge- tischen Atomwaffen mit den USA gleichziehen will. nutzt hat. Sie hat inzwischen offenbar gezielt Inspek- Besser wäre es gewesen, die Sowjetunion hätte die tionen an den Standorten Torgau und Zeithain durch- 3846 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Norbert Gansel geführt und keine Atomwaffen festgestellt. Das ist — dies füge ich hinzu — an die Verifizierung bei de- gut. Denn bei der nuklearen Abrüstung ist nur die ren Durchführung heranzugehen. Hier fehlt von bei- Verifikation wirklich erfolgreich, die keine Waffen den Seiten übrigens noch Konkretes. mehr feststellt. Das nega tive Ergebnis ist positiv. Sol- che Inspektionen durch deutsch-amerikanische Korn- Der Verzicht auf taktische Atomwaffen und nu- missionen wollen wir, wenn in Westdeutschland die kleare Artillerie ist sehr zu begrüßen. Diese Waffen amerikanischen Atomwaffen abgezogen werden, sind seit längerer Zeit wegen der politischen Umbrü- ebenfalls haben. che militärisch sinnlos geworden. Ich stelle in diesem Zusammenhang mit Freude fest, daß auch andere Meine Damen und Herren, es sind auch bei der —ich meine die europäischen Atommächte — bereit konventionellen Abrüstung weitere Truppenredu- sind, nachzuziehen, oder zumindest ihre Bereitschaft zierungen angekündigt worden. Das belastet die so- erklärt haben, zum geeigneten Zeitpunkt zur Über- wjetische Seite zusammen mit dem Abzug ihrer Sol- prüfung bisheriger Strategien und vorhandener daten aus der einstigen DDR in außerordentlichem Potentiale zu kommen. Maße. Deshalb gehört in diese Debatte auch der Ap- pell an die Bundesregierung, daß das deutsch-sowje- Mit Genugtuung stelle ich fest, daß der sowje tische tische Wohnungsbauprogramm planmäßig realisie rt Präsident schnell auf die weitgehenden Vorschläge wird und möglichst vorzeitig erfolgt. Dabei zu helfen der Vereinigten Staaten von Amerika geantwortet und den heimkehrenden sowjetischen Soldaten Woh- hat. Es sollte sowohl im westlichen Interesse als auch nung und eine zivile Perspektive zu geben, wäre auch im Interesse der entstandenen oder möglicherweise ein deutscher Beitrag zur Abrüstung und dazu, den noch entstehenden souveränen Republiken und der Frieden in Europa sicherer zu machen. neuen Sowjetunion liegen, daß diese Waffen nun Danke sehr. wirklich schnell vernichtet werden, auch um eine mögliche mit all (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und Weitergabe an andere Republiken — den damit verbundenen unwägbaren Folgen — zu dem Bündnis 90/GRÜNE) verhindern und auch — dies ist ein wichtiger politi- scher Punkt — um die zentrale Handlungsfähigkeit Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Abge- der Sowjetunion in diesem Bereich der Sicherheits- ordnete Würzbach. politik gerade jetzt zu festigen. Aber ich will festhalten — hier unterscheiden wir uns, Kollege Gansel — : Selbst nach der erheblichen (CDU/CSU): Herr Präsident! Peter Kurt Würzbach auf beiden Seiten wird hier eine Vielzahl Meine Kolleginnen und Kollegen! Beide Vorschläge, Reduzierung von Atomwaffen für eine geraume Zeit vorhanden die bahnbrechende amerikanische Initiative und die sein und in den Strategien beider Seiten eine tragende darauf — das will ich zugeben — schnell erfolgte so- Rolle spielen. Ich füge nun hinzu: Manche Kriterien wjetische Reaktion, sind große und bisher beispiel- dieser Strategien sind nach den politischen Entwick- lose Schritte zu einem sichereren Frieden auf der lungen der letzten Jahre und dann realisierten Abrü- nördlichen Erdhalbkugel. Beide Schritte entsprechen stungserfolgen im Rahmen der neu unseren deutschen und den gesamteuropäischen In- Gesamtstrategie zu definieren. Dies möglicherweise auch gemeinsam teressen sowie der politischen Zielsetzung der Bun- zwischen Ost und West zu tun ist angeraten und erfor- desregierung seit Übernahme der Verantwortung. dert besonders viel Umdenken und Geduld. Zu bei- Beide Vorschläge zeigen, daß die Rüstungsspirale dem rate ich uns allen. als Folge der Militarisierung des Ost-West-Konflikts nun — nach dessen politischer Auflösung — wieder Nach meiner politischen Beurteilung haben die zurückzuschrauben nötig und erfreulicherweise end- jüngsten Vorschläge von Ost und West auch dazu bei- lich auch politisch möglich geworden ist. Wir sollten getragen, die bisherige Abrüstungspolitik von dem nun die gleiche Beharrlichkeit und — wo ange- Ost-West-Gegensatz abzukoppeln und Möglichkei- bracht — , wie gezeigt, auch die nötige Dynamik bei ten zu mehr Kooperation statt bisheriger Konfronta- Abrüstung und damit verbundener und zu verbinden- tion zu entwickeln. der überprüfbarer Vertrauensbildung aufbringen, wie wir es damals zur Herstellung einer glaubwürdi- (Zuruf von der FDP: Sehr richtig!) gen Abschreckung tun mußten. Das geschah damals Dies wird konkret besonders bei dem Angebot deut- ohne und zuweilen gegen die Opposition hier im lich, ein gemeinsames Raketenabwehrprogramm zu Hause. entwickeln. Hierbei spielen sicherlich Erfahrungen Beide Vorschläge werte ich als wich tige Schritte, mit Israel im Golfkrieg eine besondere Rolle. um die militärischen Altlasten des Kalten Krieges zu beseitigen. Beide sind im Vergleich zu allen vorange- Auch wenn diese Schritte wirk lich vollzogen sind, gangenen komplizierten und langwierigen Verhand- bleibt noch eine Menge zu tun. Ich will abschließend lungen ungleich weitreichender. Das Ziel jeder Abrü- nur ein Beispiel nennen: Die Gefahr, die von atoma- stung muß ganz konkret sein: mehr Sicherheit, siche- ren Schwellenländern — nicht nur, aber besonders in rerer Frieden, mehr Stabilität. Diese Ziele sind in die- der Dritten Welt — ausgehen kann, forde rt Ost und sen beiden Initiativen enthalten. Beides aber — das West zu verstärkten und besonders zu gemeinsamen sollten wir nicht vergessen — sind Vorschläge, und es Anstrengungen heraus. Ein solches koordiniertes Vor- ist klug, jetzt nicht in Hektik und in Ungeduld zu ver- gehen auf allen sicherheitspolitischen Feldern kann fallen, sondern gründlich an die Konkretisierung der dann langfristig den Übergang zu einer neuen Art der Vorschläge beider Seiten, an deren Realisierung und Sicherheitspolitik bewirken. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3847

Peter Kurt Würzbach Die CDU/CSU begrüßt die Vorschläge aus Ost und in der Mehrzahl auf deutschem Boden stationiert wer- West. Ich will hier abschließend rheto risch fragen: den sollen. Mit Zustimmung der Bundesregierung Wer von uns — egal, wo er hier sitzt — hätte vor einem wurde kürzlich im zuständigen NATO-Gremium der Jahr oder vor noch kürzerer Zeit an solche Erfolge Beschluß gefaßt, in Ramstein und an anderen Stand- geglaubt? - orten der alten Bundesländer dafür die entsprechen- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie den unterirdischen Bunkerkammern zu errichten. bei Abgeordneten der SPD) Diese Waffen waren und sind aber gerade für uns Deutsche und für alle Europäer Grund zu besonderer Besorgnis. Vizepräsident Hans Klein: Herr Abgeordneter Mo- Man kann nicht in Freude über sensationelle und drow, Sie haben das Wort. historische Abrüstungsschritte sprechen und moder- nere Waffensysteme einführen wollen. Wenn es um Dr. Hans Modrow (PDS/Linke Liste): Herr Präsi- eine größere Verantwortung deutscher Politik geht, dent! Meine Damen und Herren! Die Abrüstungs- dann müßte die Bundesregierung gerade in diesem initiativen der UdSSR und der USA bringen weitere Bereich andere Zeichen setzen: Sie müßte endlich alle Schritte auf dem Weg zu mehr Sicherheit und Stabili- Modernisierungs- und Umrüstungspläne der NATO tät. ablehnen, die Entwicklung des Jägers 90 einstellen (Heinrich Lummer [CDU/CSU]: So fängt es und die kostenaufwendige Umstrukturierung der schon wieder an! Die Reihenfolge stimmt Bundeswehr aufgeben. Sie müßte sich in der NATO doch nicht! Was soll denn das?) für die Beseitigung aller taktischen Kernwaffen in Europa, auch der luftgestützten, einsetzen sowie für —Die Reihenfolge stimmt nicht? Nun müssen Sie da- einen kernwaffenfreien Status der gesamten Bundes- von ausgehen, daß ich sozusagen meine Sicht zu einer republik, wie er für die neuen Bundesländer im Zuge bestimmten Reihenfolge habe. der deutschen Einheit festgeschrieben wurde, eintre- (Heinrich Lummer [CDU/CSU]: Das ist wahr! ten. Sie müßte endlich wirkungsvolle Schritte unter- Daran zweifle ich überhaupt nicht!) nehmen, damit deutsche Konzerne nicht mehr unge- —Warum soll ich die jetzt wegwerfen, Herr Lummer, hindert andere Länder aufrüsten können, darunter in wenn die Initiativen von Gorbatschow dieses Ausmaß, hochexplosiven Krisenregionen, als hätte es den Golf- diese Größe und diese Bedeutung besitzen? krieg nicht gegeben. Vor allem die bedeutsame Aufhebung des ständi- Mit neuem Denken und Handeln bleibt es völlig gen Alarmzustandes der strategischen Offensivwaf- unvereinbar — ich glaube, auch für das Demokratie- fen, mit denen permanent ein militärisches Tscherno- verständnis überhaupt —, wenn ohne Auftrag des byl und damit die Zerstörung der Welt drohte, kann Parlaments und im Widerspruch zur Verfassung vor nicht hoch genug bewertet werden. Lassen Sie uns den Vereinten Nationen bereits verkündet wird, aber dennoch präzise sein: Dieser Abbau von Waffen- Deutschland werde demnächst mit seinen Streitkräf- systemen, zumal von taktischen Kernwaffen, wurde ten auf internationaler Ebene auch aktiv werden. Es von beiden Seiten schon lange Zeit gefordert und von gilt also, nicht nur über Abrüstung zu reden, sondern diesen auch versprochen. Nach der inzwischen einge- für Abrüstung auch zu handeln. tretenen Entwicklung ist er längst überfällig; gewiß: (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Genau besser spät als überhaupt nicht. das haben wir getan!) Von einem historischen Durchbruch sollte man Das ist es, was jetzt gefordert wird. nach meiner Meinung noch nicht reden. Die amerika- (Beifall bei der PDS/Linke Liste) nische Seite droht sogar mit Rücknahme ihrer Maß- nahmen, während Gorbatschow die Vernichtung der atomaren Artilleriegranaten, der Minen und der Vizepräsident Hans Klein: Herr Abgeordneter Sprengkörper für atomare Kurzstreckenraketen und Dr. Olaf Feldman, ich erteile Ihnen das Wort. einen einjährigen Teststopp als endgültig ankündigt; aber bei den luftgestützten taktischen Atomwaffen ist auch er nicht sehr genau. Dr. Olaf Feldmann (FDP): Vielen Dank, Herr Präsi- Es soll die Bedeutung der Schritte beider Präsiden- dent! — Meine sehr verehrten Damen und Herren! ten keineswegs schmälern. Wenn ich dazu auffordere, Die FDP begrüßt die Abrüstungserklärung von Präsi- jetzt keine falsche Eupho rie zu verbreiten und die dent Bush und die von Präsident Gorbatschow, die Menschen über die Lage nicht im unklaren zu lassen. daraufhin erfolgte. Die Reihenfolge wollen wir doch Zunächst wird im wesentlichen nur das abgerüstet, hier noch einmal ganz klar feststellen. was veraltet ist und nicht mehr gebraucht wird. Es (Vera Wollenberger [Bündnis 90/GRÜNE]: bleibt seitens der USA und der NATO bei der soge- Aber Gorbatschow hat schon viel früher Ab nannten Modernisierung luftgestützter Raketenwaf- rüstungsvorschläge gemacht!) fen, bei der Entwicklung von Raketenabwehrpro- Wer, Herr Kollege Gansel, hätte vor einigen Jahren grammen, von ballistischen seegestützten Raketen, gedacht, daß die USA und die Sowjetunion nach dem und es bleibt bei der atomaren Abschreckung, auch Aufrüstungswettlauf jetzt gewissermaßen in einen wenn sie künftig den irritierenden Beinamen „mini- Abrüstungswettlauf eintreten würden? mal" tragen soll. Auch „minimal" reicht zur Vernich- tung aus! Es bleibt bei den bisherigen NATO-Planun- (Norbert Gansel [SPD]: Sie und ich!) gen, wonach spätestens ab 1995 neue atomare Ab- Viele hier in diesem Hause nicht. Nur einige von uns standsraketen und moderne Bomben eingeführt und — beileibe nicht alle hier im Deutschen Bundestag — 3848 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Dr. Olaf Feldmann haben damals deutliche Abrüstungsschritte gefordert. Kurzstreckenwaffen durch die Sowjetunion und die Jetzt endlich sind die Signale von Konfrontation auf USA zu begrüßen. Kooperation umgestellt. Meine Damen und Herren (Beifall bei der FDP) von der Opposition, darüber können und sollten wir Diese Waffen sind überflüssig und gefährden das, was uns freuen. - sie eigentlich schützen sollten. Das ist von der Statio- (Erwin Horn [SPD]: Tun wir doch auch!) nierungsform unabhängig. — Dann sollten Sie dieser Freude auch deutlich Aus- (Erwin Horn [SPD]: Sehr gut!) druck geben. Es darf keine Verlagerung vom Boden in die Luft ge- Als Mitglied der FDP-Fraktion kann ich mit beson- ben. derem Stolz feststellen: Es hat sich gelohnt, daß wir (Beifall bei der FDP und der SPD) hier im Bundestag für die doppelte Null -Lösung ge- Es darf auch nicht sein, daß diese Waffen jetzt zur kämpft haben, daß wir uns gegen eine Modernisie- Gefahr in anderen Regionen der Welt werden. rung der nuklearen Kurzstreckenraketen in Europa gewehrt haben (Norbert Gansel [SPD]: Auch richtig!) Die Politik der einseitigen wechselseitigen Abrü- (Beifall bei der FDP — Beifall des Abg. stungserklärungen der USA und der Sowjetunion ist Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]) eine Politik des guten Beispiels, und gute Beispiele und daß wir auch in schwierigen Zeiten gegen erheb- sollten Schule machen, lichen Widerstand an der Entspannungspolitik festge- (Norbert Gansel [SPD]: Auch in der Bundes halten haben und für eine Politik des Ausgleichs ein--r epublik!) getreten sind. Wir waren die ersten, die Gorbatschow auch bei anderen Nuklearmächten, auch bei unserem beim Wort genommen haben! französischen Bündnispartner. Die neue kooperative Politik zwischen den USA und (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der Sowjetunion muß sich noch einspielen und muß der SPD) noch ausgebaut werden. Kooperativ sein heißt auch, sich gegen die großen Gefahren und Herausforderun- (Vorsitz: Vizepräsident Helmuth Becker) gen zu verbün den und die Probleme der Zukunft ge- Hades-Raketen passen nicht in die europäische si- meinsam zu lösen. Zu diesen Problemen gehören cherheitspolitische Landschaft. neuer Nationalismus, neue regionale Krisen- und (Günther Friedri ch Nolting [FDP]: Das müs Konfliktfelder, Proliferation von Waffen und Waffen- sen die Genossen mal den Sozialisten in technologien und vor allem die Weiterverbreitung der Frankreich erzählen!) Nuklearwaffen. — Sehr richtig. Das ist eine Aufforderung an die Op- Es darf nicht sein, meine Damen und Herren, daß position, tätig zu werden. die Großen abrüsten und die Kleinen aufrüsten. Nicht Waffen und Strategien, sondern Vertrauen (Norbert Gansel [SPD]: Sehr richtig!) und gute Nachbarschaft sind das Fundament der europäischen Einigung. Der Traum von einer neuen Weltordnung darf nicht in einem Weltchaos enden. Stabilität und Sicherheit Vielen Dank. — da werden Sie von der Opposition mir sicher zu- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie stimmen — lassen sich weit besser durch eine Politik bei Abgeordneten der SPD) des Ausgleichs und durch Selbstbestimmung und De- mokratie als durch Waffen und militärische Strategien sichern. Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist unser Kollege Gernot (Zuruf von der SPD: Sehr gut!) Erler. Die einseitigen und weitreichenden mutigen Abrü- (Norbert Gansel [SPD]: Will die Regierung stungserklärungen von Präsident Bush und Präsident denn gar nichts sagen?) Gorbatschow sind ein qualitativer Sprung in der Ge- — Doch! schichte der Abrüstung. Ich würde sagen, Herr Kol- lege Modrow, sie sind historisch und gehen weit über die bisherigen Ergebnisse der Nuklearverhandlungen Gernot Erler (SPD): Herr Präsident! Meine Damen hinaus. und Herren! Am 27. September hat Präsident Bush Aber Verhandlungen werden durch einseitige Ab- seine Abrüstungsrede gehalten. Acht Tage später, am rüstungsmaßnahmen nicht überflüssig. Sie sind wei- 5. Oktober, hat Gorbatschow, ebenfalls über Fernse- terhin erforderlich, um die Schritte der wechselseiti- hen, geantwortet, und bereits an diesem Tag hat die gen Abrüstung verbindlich festzuschreiben, um Abrü- „Financial Times" von einer „long awaited response" stungsmaßnahmen verläßlich verifizieren zu können, geredet. um neue Grauzonen und neues Wettrüsten in anderen (Karl Lamers [CDU/CSU]: Bitte auf Bereichen zu verhindern. Deutsch!) Wir Deutschen haben allen Grund, die überfällige Das bedeutet: Acht Tage waren ihr schon zu lang für und von der FDP immer wieder geforderte Beseiti- die Antwort. Das heißt, eine Ungeduld ist aufgetreten. gung der nuklearen Artillerie und der nuklearen Wir Sozialdemokraten begrüßen diese Form von Un- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3849

Gernot Erler geduld gegenüber tiefen Schnitten in die atomaren START hinausgehend, von 9 000 nicht auf 6 000, son- Arsenale beider Supermächte. dern auf 5 000 Atomsprengköpfe, und wir bieten an, unmittelbar nach START Verhandlungen über wei- (Beifall bei der SPD) tere Reduzierungen der strategischen Waffen vorzu- Gleichzeitig fragen wir uns natürlich: Woher kommt nehmen; erstes Zwischenziel: 50 %. diese Ungeduld? Sie kommt durch die Erkenntnis ei- (Karl Lamers [CDU/CSU]: Vernünftig!) ner ganz neuen Gefährdung, gegen die mit den tradi- tionellen Mitteln der atomaren Abschreckung kein Das kennen wir. Das ist nämlich die Idee von Reyk- Kraut gewachsen ist. Der Putsch vom August dieses javik vom Oktober 1986. Am 15. Januar 1986 hatte Jahres in Moskau sitzt auch den Verteidigern im Wei- Gorbatschow seine Vision von einer atomwaffen- ßen Haus als Schock im Nacken. Die Vorstellung, daß freien Welt der Weltöffentlichkeit erstmals vorgestellt. die gefährlichsten Waffen dieser Welt in die Hand von Wir wissen: Leider sind die Verhandlungen im Okto- fundamentalistisch denkenden, unzuverlässigen, ja ber 1986 an der SDI-Frage gescheitert. vielleicht alkoholabhängigen Personen geraten könn- (Karl Lamers [CDU/CSU]: Diese Vision hat er ten, war offenbar der Auslöser für diese Eile, nun aber gehabt!) wenigstens jene Waffen, die, wie Herr Würzbach ge- Der Geist von Reykjavik ist jetzt wieder auf der Ta- sagt hat, militärisch sinnlos sind, jetzt zu beseitigen. gesordnung. Daran knüpfen wir außerordentlich Wir begrüßen dies auch als eine Bestätigung große Hoffnungen, obwohl wir wissen, daß es Gegen- dessen, was wir immer gesagt haben: Atomare Ab- kräfte leider immer noch gibt. Das eine ist das große rüstung setzt immer einen rationalen Partner voraus. Interesse an der Fortführung amerikanischer Rü- Aber in dieser Welt der Saddams und auch der stungsprogramme. Ohne SDI-Zustimmung wäre das Gamsachurdias, ja, vielleicht auch einmal anderer gar nicht konsensfähig, was Bush in Amerika gesagt Nachfolger von Krawtschuk oder Gorbatschow kann hat. Und auch Gorbatschow — ich darf hier darauf man auf rational denkende Leute in der Verantwor- hinweisen — kann nicht mehr ganz frei handeln. Aus tung für Atomwaffen nicht mehr rechnen, jedenfalls Kiew kam bereits Kritik daran, daß er so großzügig nicht mehr sicher sein. Deswegen ist ein Gebot der 50%ige Einschnitte im strategischen Arsenal anbietet Stunde, aus dieser Strategie auszusteigen und sich und ankündigt, obwohl ein Teil davon auch auf ukrai- einer anderen zuzuwenden, und die kann nur heißen: nischem Boden stationiert ist; er hatte die ukrainische Beseitigung dieser Waffen. Wir begrüßen, daß dies Regierung gar nicht gefragt. jetzt tatsächlich der Einstieg dazu ist, sehen aber ge- Wir brauchen den Geist von Reykjavik, um den nauso kritisch, daß es noch kein Durchbruch ist. neuen Formen von Bedrohung tatsächlich zu begeg- Es gibt einen interessanten Unterschied in den Vor- nen. schlägen von Präsident Bush. Er beseitigt auf einen Vielen Dank. Schlag — worüber sonst zehn Jahre verhandelt (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ wurde — die atomaren Kurzstreckenwaffen. Aber GRÜNE) gleichzeitig hat er sich sozusagen noch eine Doppel- strategie offengehalten. Gleichzeitig sagt er: Wir wer- den B 2 und SDI voll finanzieren, ebenfalls mit Hin- Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und weis auf gefährliche Leute auf der Welt, die vielleicht Herren, jetzt hat das Wort unser Kollege Hans Rai- Amerika angreifen könnten. Das heißt, er hat immer del. noch die Illusion der technischen Herstellung von Unverwundbarkeit. Hans Raidel (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine (Karl Lamers [CDU/CSU]: Das ist nicht Damen und Herren! Wunder gibt es immer wieder. wahr!) Bush und Gorbatschow gehen neue, unkonventio- Wir können darauf nur antworten: Der Weg ist rich- nelle Wege. Sie verlassen ausgetretene Trampelpfade tig, aber der zweite Schritt ist noch nicht getan; und mit unerwarteten Schritten. der muß heißen, Herr Lamers: Man kann sich gegen In diesem Hohen Hause gab es selten ein Ereignis, irrational handelnde Leute auch technisch nicht das über alle Parteigrenzen hinweg so große Zustim- schützen; mung fand wie die Abrüstungsinitiativen des Präsi- (Karl Lamers [CDU/CSU]: Richtig! Das denten Bush und des Präsidenten Gorbatschow. End- glaubt der auch nicht!) lich ist die Welt so weit, daß sie bereit ist, sich von Waffen zu trennen, für die es keine politische Recht- sondern das einzige, was man tun kann, ist, weltweit fertigung mehr gibt. Endlich sieht man ein, daß es in tatsächlich nach dem Prinzip zu handeln: Nur besei- diesem Prozeß keine Gewinner und keine Verlierer tigte Atomwaffen sind wirklich sicher. gibt, sondern daß durch Abrüstung beide Seiten ge- (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE) winnen. Aus dem Rüstungswettlauf wird jetzt ein Wettlauf um die Abrüstung. Da ist es jetzt interessant, die Antwort von Gorba- tschow zu sehen. Meine Damen und Herren, diese Ereignisse sollten Anlaß sein, noch einmal zurückzuschauen und daran (Karl Lamers [CDU/CSU]: Ja!) zu erinnern, wo die Ursachen für diese überaus posi- Der hat reziprok, Herr Lamers, genau das gleiche vor- tiven Entwicklungen liegen. Sie sind uns ja nicht in geschlagen; aber in dem strategischen Bereich hat er den Schoß gefallen, sondern sind das Ergebnis konse- einen anderen Gedanken wieder aufgegriffen. Er hat quenter Politik, die auch in schwierigen Zeiten den ja von sich aus gesagt: Wir verringern jetzt, über Willen zur Selbstbehauptung und die Bereitschaft 3850 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Hans Raidel zum Dialog miteinander verbunden hat. Noch in den men von Rüstungskontrollverhandlungen vertraglich 80er Jahren war die Abrüstungspolitik eines der am vereinbart werden. Auch wenn es sich bei den Abrü- meisten umstrittenen Themen zwischen Regierung stungsmaßnahmen der Präsidenten Bush und Gorba- und Opposition. Die Kontroverse um den NATO-Dop- tschow um jeweils einseitige Schritte handelt, verlie- pelbeschluß und das historische Versagen der SPD -in ren die Rüstungskontrollverhandlungen deshalb nicht dieser Frage sind noch in frischer Erinnerung, Herr an Bedeutung. Kollege Horn. Die Genugtuung über die Erfolge in der Abrüstung (Lachen und Widerspruch bei der SPD — Er darf uns nicht zur Untätigkeit verleiten. Die Gefahren win Horn [SPD]: Das ist Ihre historische Per für unsere Sicherheit sind nicht kleiner geworden. Da spektive! — Norbert Gansel [SPD]: Hätte ist das ungewisse Schicksal der Sowjetunion und ihrer man auf uns gehört, brauchte man nicht ab Republiken. Da ist der schwierige Aufbauprozeß in zurüsten!) Mittel- und Osteuropa. Da sind der Bürgerkrieg in Jugoslawien, Grenzstreitigkeiten, Minderheitenpro- Gegen massiven Widerstand und gegen den Protest bleme, ethnische Konflikte und wiedererwachender der Straße hatte damals die von CDU und CSU und Nationalismus. FDP geführte Bundesregierung die Stationierung von Pershing II und Cruise-Missiles durchgesetzt und da- Es bedarf einer weitsichtigen und verantwortungs- mit, wie wir heute wissen, die Wende in der Ost-West bewußten Politik, um all diesen Risiken begegnen zu Auseinandersetzung herbeigeführt. können. Die Instrumente zur Krisenbewältigung im Rahmen der NATO und der Europäischen Gemein- (Widerspruch bei der SPD) schaft müssen weiter ausgebaut werden. Ich warne Wir haben uns damals nicht durch militärischen Druck dabei vor der Illusion, es koste weniger Geld. Die Frie- und nicht durch Drohungen einschüchtern lassen densdividende, die wir suchen, ist deshalb auch nicht in D-Mark oder Dollars zu bemessen, sondern in grö- (Widerspruch bei der SPD) ßerer Sicherheit. und haben damit die Sowjetunion zur Aufgabe ihrer Solange wir solidarisch mit unseren Verbündeten aggressiven Rüstungspolitik bewegt. handeln, sind wir sicher vor Krieg und Unterdrük- Von der Standfestigkeit bei der Durchsetzung des kung. Die Erfolge in der Abrüstungspolitik sind ein NATO-Doppelbeschlusses über die Tatsache, daß der wichtiger Baustein für eine stabile Friedensordnung. Reformer Gorbatschow zum Generalsekretär gewählt Wir sollten aber nie vergessen, daß es im wesentlichen werden konnte, führt ein direkter Weg hin zum INF- die Einigkeit und die Geschlossenheit des westlichen Abkommen und zum START-Vertrag und jetzt zu den Bündnisses waren, die diese Abrüstungserfolge erst sensationellen Abrüstungsschritten der USA und der ermöglicht haben und die auch in der Zukunft der Sowjetunion. Garant für Stabilität und Frieden sind. Es liegt an uns, die Zukunft zu beeinflussen, zu prägen und zu for- (Vera Wollenberger [Bündnis 90/GRÜNE]: men. Wir dürfen die vor uns liegenden historischen Die Geschichte lehrt, wie man sie fälscht!) Möglichkeiten nicht verpassen oder verspielen. Zu Recht darf die Bundesregierung für sich in An- Vielen Dank. spruch nehmen, daß diese Erfolge durch ihre Politik maßgeblich mitgestaltet wurden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Der Strauß würde sich im Das Ende des Kalten Krieges war kein Zufallsergeb- Grabe umdrehen!) nis, keine Laune der Geschichte, sondern die Konse- quenz einer ausdauernden Politik. Unsere Solidarität, symbolisiert durch das Atlantische Bündnis, verhin- Vizepräsident Helmuth Becker: Das Wort hat jetzt derte jeden Versuch der Sowjetunion, ihr gewaltiges Frau Kollegin Vera Wollenberger. Militärpotential politisch zu instrumentieren und eb- nete so den Weg zu Frieden und zur Überwindung der Teilung Europas. Vera Wollenberger (Bündnis 90/GRÜNE) : Herr Prä- Für uns Deutsche ist von besonderer Bedeutung, sident! Meine Damen und Herren! Seit den leidvollen daß die bodengestützten taktischen Atomwaffen ab- Erfahrungen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima gezogen und vernichtet werden. Diese Waffen haben und Nagasaki wurde und wird weltweit gegen diese für die Krisen- und Konfliktbewältigung in Europa Massenvernichtungswaffen gekämpft. Doch die sinn- schon lange keine Funktion mehr. Daraus darf aber vollen und logisch begründbaren Vorschläge für eine niemand den Schluß ziehen, daß alle Nuklearwaffen vollständige Beseitigung dieser Waffen waren bisher aus Deutschland abgezogen werden sollten und lediglich auf taube Ohren bei den verantwortlichen Deutschland zur atomwaffenfreien Zone werden Politikern — auch den bundesdeutschen — gestoßen. sollte. Das Vorhandensein von Nuklearwaffen auf Minister Stoltenberg hat erst kürzlich im Verteidi- deutschem Territorium hat in der Vergangenheit gungsausschuß erklärt — Herr Kollege Nolting, Sie maßgeblich zur Erhaltung des Friedens beigetragen waren dabei — , daß an der nuklearen Option unbe- und bedeutet auch für die Zukunft einen Beitrag zur dingt festgehalten werden müsse. Stabilität. Allerdings verging kaum ein Jahr, in dem uns füh- Nachgedacht werden sollte jedoch darüber, wie rende Politiker der Atommächte nicht mit neuen Vor- groß das Minimum sein sollte und welche Art von schlägen über eine Reduzierung dieser Potentiale in Waffen unseren Erfordernissen am besten entspre- Atem hielten, während in der Praxis weiter und immer chen. Das ganze sollte dann möglichst bald im Rah schneller aufgerüstet wurde. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3851

Vera Wollenberger Das scheint sich mit den Vorschlägen von Bush und Es ist deshalb unseres Erachtens notwendig, daß so- Gorbatschow jetzt zu ändern. fort mit dem Abzug aller luftgestützter Atomwaffen begonnen wird, US-Präsident Bush eröffnete den „Run auf die Mini- malabschreckung", und der Präsident eines Staates, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) den es so eigentlich gar nicht mehr gibt, versucht an daß auf die Modernisierung luftgestützter Atomwaf- Boden gutzumachen. Erwartungsgemäß enthält Gor- fen unmißverständlich verzichtet wird und — vor al- batschows Vorschlag einige Komponenten, die Bush lem — daß es 1994 keine Atomwaffenstationierung in nicht genannt hat oder nicht nennen wollte. Aber hat Deutschland gibt. die Reaktion von Michail Gorbatschow, so müssen wir Unser Vorschlag für eine weltweite Vernichtung uns fragen, überhaupt noch eine Relevanz für die der nuklearen Potentiale lautet, daß alle Atomwaffen praktische Politik? Welchen Einfluß hat Gorbatschow — in Anlehnung an den Baruch-Plan von 1946 — den noch auf den Abbau der fast 30 000 atomaren Systeme Vereinten Nationen unterstellt werden, die deren in der Sowjetunion? Lassen die Sezessionsbestrebun- Verschrottung in einer noch zu schaffenden interna- gen der Atomwaffenstationierungsrepubliken nicht tionalen Behörde durchführen. viel eher einen Mißbrauch im innersowjetischen Machtkampf befürchten? In diesem Zusammenhang möchte ich an eine inter- essante Variante des Vorschlags des ehemaligen Welche Substanz enthüllt eine sorgfältige Analyse amerikanischen Präsidenten Eisenhower erinnern. des Vorschlags von Präsident Bush? Wird wirklich viel Am 16. April 1953 hielt US-Präsident Eisenhower auf und dauerhaft abgerüstet? Leider nicht. Er will etwas einem Bankett amerikanischer Zeitungsverleger eine von dem beseitigen, was verdammt viel kostet und außenpolitisch sehr interessante Rede. Kurz nach dem wovon sowieso zuviel da ist. Das ist ein wichtiger Tode Stalins nannte er fünf Prinzipien einer Abrü- Anfang und, auch wenn er viel zu spät kommt, ver- stung, die als Friedensangebot an die Sowjetunion in nünftig. die Geschichte eingingen. Der verborgene Pferdefuß aber ist, daß Bush beim Neben der Forderung nach einer Beschränkung des verbleibenden Rest die Qualität steigern will; also Umfangs der militärischen Potentiale nannte er die Abbau quantitativen Überflusses bei gleichzeitiger Verpflichtung, die Gesamtproduktion zu beschrän- qualitativer Kompensation der Einbußen. Es handelt ken. Eisenhower wollte ein universelles Verbot der sich also um eine klassische Rationalisierungsmaß- atomaren Kampfmittel sowie die Beschränkung an- nahme. Das heißt, die angekündigten Abrüstungsvor- derer Massenvernichtungsmittel. Diese Maßnahmen schläge sind in der Substanz eben nichts anderes als sollten durch ein funktionsfähiges Überwachungssy- eine Rationalisierung des atomaren Potentials. Auf stem der Vereinten Nationen kontrolliert werden. Grund der sicherheitspolitischen Entwicklung in Eu- Das war ein geplantes Lebewohl an die nukleare ropa sollen militärisch obsolet gewordene Atomwaf- Abschreckung. Um wieviel besser stünden wir heute fen verschrottet, das Restpotential allerdings durch da, wenn dieser Vorschlag nicht an der Ablehnung Modernisierung in seiner Abdeckungswirksamkeit der Sowjetunion gescheitert wäre?! gesteigert werden. Zudem sind nukleare Projekte Be- standteil des Bush-Vorschlages, die mit großer Wahr- Wenn aber Eisenhower in Zeiten des tiefsten Kalten scheinlichkeit keine Unterstützung im Kongreß ge- Krieges so weitgehende Angebote an eine damals funden hätten. noch starke Sowjetunion machen konnte, dann fragen wir uns, warum Präsident Bush nicht in der Lage ist, Zweifelsohne reduziert sich die Gefahr eines verse- ein nur ansatzweise vergleichbares Friedensangebot hentlichen Atomkrieges. Zweifellos ist der Abzug der an ein zerfallendes Imperium zu machen. unsinnigen Kurzstreckenwaffen eine längst überfäl- Vielen Dank. lige Maßnahme. Das Versprechen von Bush und Gor- batschow ist deshalb eine bemerkenswerte Nachricht (Beifall bei der SPD — Karl Lamers [CDU/ für Europa und insbesondere für Deutschland. Aber CSU]: Weil sich die Welt geändert hat, Frau bringen uns diese Ankündigungen, wie etwa Bundes- Kollegin!) kanzler Kohl behauptet, wirklich mehr Sicherheit und Stabilität in Europa? Oder gilt nicht vielmehr immer noch der Satz von Karl Jaspers, daß die „Atom- Vizepräsident Helmuth Becker: Ich erteile das Wort bombe ... heute für die Zukunft der Menschheit dro- jetzt dem Staatsminister im Auswärtigen Amt, Helmut hender als alles sonst" ist? Schäfer. (Heinrich Lummer [CDU/CSU]: Den Jaspers müssen Sie zu Ende lesen!) Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen In Anbetracht dessen, daß niemand mehr so genau Amt: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sagen kann, wie lange die Atomwaffen in der ehema- von Präsident Bush am 27. September 1991 verkün- ligen Sowjetunion unter verläßlicher Kontrolle blei- dete umfassende Initiative zur nuklearen Abrüstung ben, zeigt sich, daß die Friedensbewegung recht ist ein großer Fortschritt, auch dann, wenn Frau Kol- hatte, als sie sagte, daß die Existenz dieser Waffen an legin Wollenweber sich schon eine Bedrohung ist. (Vera Wollenberger [Bündnis 90/GRÜNE]: Wir fordern, daß ein Prozeß totaler atomarer Abrü- Wollenberger!) stung endlich ernsthaft eingeleitet wird, daß nicht Ra- — Entschuldigung, Wollenberger — das nun schon tionalisierung und Modernisierung von Massenver- wieder als Rationalisierungsmaßnahme abzutun ver- nichtungsmitteln das politische Denken beherrschen. sucht. 3852 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Staatsminister Helmut Schäfer Der amerikanische Präsident hat darin weitrei- folgte Absicht, schnelle Abrüstungsschritte, Herr Kol- chende Entscheidungen und Vorschläge zu allen Be- lege Lamers, ohne langwierige Verhandlungen zu er- reichen des nuklearen Kräfteverhältnisses zwischen reichen, entspricht den politischen Rahmenbedingun- den Großmächten unterbreitet. Das Maßnahmenpa- gen nach der Überwindung des West-Ost-Gegensat- ket umfaßt drastische einseitige Maßnahmen wie die- zes. Eliminierung und Reduzierung von amerikanischen (Karl Lamers [CDU/CSU]: Ich höre Ihnen zu, Nuklearpotentialen und die Einstellung nuklearer Rü- Herr Kollege Schäfer!) stungsprogramme. Hinzu kommen Vorschläge zur Stabilisierung, Vertrauensbildung und Zusammenar- — Ich weiß gar nicht, warum Sie jetzt meinen, ich beit mit der Sowjetunion bei der Kontrolle von Nukle- hätte angenommen, Sie würden mir nicht zuhören. Ich arwaffen. Präsident Bush besiegelt damit auch in der gehe davon aus, aber ich wollte Sie als alten Abrü- Militärstrategie das Ende des Kalten Krieges und mar- stungsstrategen nennen und wollte mir eigentlich ein kiert den Beginn einer neuen Ära kooperativer Sicher- freundliches Lächeln von Ihnen verdienen. Sie haben heit. diesen Eindruck dann auch hervorgerufen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die amerikanische Initiative wird den tiefgreifen- den Veränderungen in der Sowjetunion gerecht. Die Wichtig ist, daß einseitige Schritte durch flankie- positive Antwort Präsident Gorbatschows bestätigt, rende Maßnahmen der Vertrauensbildung und daß die amerikanische Initiative richtig und zeitge- Transparenz nachvollziehbar bleiben. mäß war. Sie entspricht voll der Politik der Bundesre- Die Bundesregierung dankt den Präsidenten Bush gierung, die auf die Sicherung eines dauerhaften und und Gorbatschow für ihre mutigen Abrüstungsinitiati- stabilen Friedens mit weniger Waffen gerichtet ist. ven. Sie erwartet, daß sie im Prozeß der nuklearen Von besonderer Bedeutung für Deutschland und Abrüstung über die beiden Großmächte hinaus eine Europa ist die Entscheidung des amerikanischen Prä- neue Dynamik bewirken. — Herr Kollege Feldmann sidenten, alle amerikanischen Nuklearwaffen für Ar- hatte hier vorhin schon einige sehr konkrete Vorstel- tillerie und Kurzstreckenraketen abzuziehen und in lungen entwickelt. — Dabei muß die Abstützung der den USA zu vernichten. Nukleare Kurzstreckenwaf- Sicherheit auf nukleare Waffen weiter verringert wer- fen sind in der neuen europäischen Sicherheitsstruk- den. Nuklearwaffen dürfen nur Mittel des letzten tur ein Anachronismus. Ihre Beseitigung ist ein drin- Rückgriffs zum Zweck der Kriegsverhütung sein, Frau gendes deutsches Anliegen, für das sich die Bundes- Kollegin Wollenberger, wie dies die Regierungschefs regierung stets mit Nachdruck eingesetzt hat. des Atlantischen Bündnisses in ihrer Londoner Erklä- rung festgestellt haben. In diesem Sinne wird sich die (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Bundesregierung auch weiterhin für eine konse- Erwin Horn [SPD]: Der Außenminister!) quente Fortsetzung der nuklearen Abrüstung und für — Kommt noch. die Stärkung des Vertrages zur Verhinderung der Verbreitung von Nuklearwaffen einsetzen. Die Bundesregierung begrüßt daher, daß Präsident Vielen Dank. Gorbatschow in einem gleichermaßen kühnen Schritt die Bereitschaft der Sowjetunion erklärt hat, auch alle (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie sowjetischen nuklearen Gefechtsköpfe für landge- bei Abgeordneten der SPD) stützte Kurzstreckenwaffen weltweit zu beseitigen. Damit wird nach dem INF-Vertrag erneut eine ge- Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und samte Waffenkategorie weltweit vernichtet. Zugleich Herren, nächste Rednerin ist Frau Kollegin Uta wird eine Lücke in der nuklearen Abrüstung geschlos- Zapf. sen. Es wird verhindert, daß unterhalb des durch den INF-Vertrag eliminierten Waffenspektrums eine neue Grauzone nuklearer Rüstung bestehenbleibt. Uta Zapf (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Die weltweite Eliminierung nuklearer Kurz- Herren! Natürlich sind wir alle voll Freude über die- streckenwaffen ist ein bedeutender Abrüstungs- sen Abrüstungsvorschlag, der sehr weitgehend ist. schritt. Sie ist darüber hinaus ein wirksamer Beitrag Herr Kollege Feldmann, ich denke, es haben auch alle zur Verhinderung der Verbreitung von Nuklearwaf- — wo sitzt er denn? — fen. Herr Kollege Horn, wir freuen uns, daß sich Bun- (Ulrich Irmer [FDP]: Ich sage es ihm!) desaußenminister Genscher entschieden für eine — ihre Freude ausgedrückt. Aber gestatten Sie mir, weltweite Beseitigung dieser Waffenkategorie einge- darauf hinzuweisen, daß es auch verwundert, wenn setzt hat. Bundeskanzler Kohl die einseitige Abrüstungsinitia- (Erwin Horn [SPD]: Kein Dissens!) tive von Präsident Bush als eine Politik begrüßt, die — ich zitiere — „die von mir" — nicht von mir, son- Die von den USA und der Sowjetunion beschlosse- dern von Herrn Kohl — nen Abrüstungsmaßnahmen im nuklear-strategi- schen Bereich bewirken über den START-Vertrag (Zuruf von der FDP: Das hätten wir nicht ver hinausgehende drastische Reduzierungen. Auch das mutet!) liegt im Sicherheitsinteresse der Deutschen und der „geführte Bundesregierung seit Amtsantritt verfolgt Europäer. hat". Neu an den Initiativen der USA und der Sowjet- (Norbert Gansel [SPD]: Allerdings!) union ist, daß sie Abrüstung nach der Methode des Wer nicht gerade unter Erinnerungslücken leidet, gegenseitigen Vorbilds anstreben. Die damit ver weiß noch gut, wie diese Regierung reagierte, als sei- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3853

Uta Zapf nerzeit die SPD sowohl eine Veränderung der Strate- Wir fordern auch, daß die NATO endlich auf den Erst- gie der Abschreckung als auch mögliche einseitige einsatz atomarer Waffen verzichtet. Abrüstungsschritte forderte. Damals nannte die die (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ CDU ein Sicherheitsrisiko, was sie heute feiert, GRÜNE) - (Heinrich Lummer [CDU/CSU]: Jedes Ding Ein atomwaffenfreies Europa braucht nicht länger hat seine Zeit!) Vision zu bleiben. Auch Großbritannien und Frank- reich bleiben aufgefordert, ihre Atomwaffenarsenale nämlich den Vorschlag, statt gegeneinander zu rü- endlich in den Abrüstungsprozeß einzubringen. sten, gemeinsame Sicherheit zu organisieren. Herr Genscher hat das Wort von den kooperativen Sicher- Dann möchte ich darauf hinweisen, daß die SPD heitsstrukturen adoptiert, als sei es sein eigen Kind; bereits vor der Bush-Initiative ihre Aufforderung an aber wir kennen das auch von anderen politischen Frankreich formuliert hat, auf die Stationierung der Projekten der SPD. Hadès-Raketen zu verzichten und diese Raketen zu zerstören. Wo bleibt, meine Damen und Herren, in Herr Lamers, es ist nicht ungeschichtlich, zu be- diesem Zusammenhang eine entsprechende Initiative haupten, daß, was heute richtig ist, auch damals rich- der Bundesregierung? tig gewesen sein kann. (Zuruf von der FDP: Wo bleibt der Sozialist (Karl Lamers [CDU/CSU]: Umgekehrt!) Mitterrand?) Ich beziehe das auf Ihre Bemerkung zu Frau Wollen- Man muß deutlich sagen, daß die Angst, das sowje- berger. Aber darüber müßte man vielleicht noch ein tische Nuklearpotential von 14 000 kleinkalibrigen bißchen länger diskutieren. Atomsprengköpfen könne im Zuge der Aufsplitterung der Sowjetunion in Einzelrepubliken unkontrollierbar Zu gut ist uns auch noch in Erinnerung, welche werden oder in die Hände nationalistischer Kräfte ge- erbitterten Diskussionen es um die Null-, die Doppel langen, das Moyens dieser beiden Initiativen war. Die Null- und die dritte Nullösung gab und wie um die Angst vor den kleinen und Möchtegern-Atommäch- Modernisierung der Kurzstreckenraketen gestritten ten diktiert die Strategie der Bush-Initiative. Diese worden ist. Heute will niemand mehr für die Beibehal- Staaten aber, meine Damen und Herren, haben ihre tung der Modernisierung dieser Waffen gewesen sein. Potentiale mit kräftiger Beihilfe der Industrieländer, Heute besteht Konsens darüber, daß die Initiativen auch der Bundesrepublik, aufbauen können. Legale von Präsident Bush und Präsident Gorbatschow ein und illegale Lieferungen deutscher Firmen, z. B. in großer Schritt nach vorne sind. Ich denke, das ist gut den Irak, haben den Irak erst in die Lage versetzt, das so. Beide Vorschläge können und müssen Anstoß für Atombombenprogramm zu entwickeln. weitergehende Abrüstungsschritte sein. Die gesamte (Zuruf von der FDP: Wo sind die legalen Lie Strategie der atomaren Abschreckung muß endlich in ferungen in diesem Zusammenhang?) Frage gestellt werden. Wer meint, der Gefahr einer möglichen atomaren Während Michail Gorbatschow schon in seiner An- Bedrohung aus solchen Staaten mit nuklearen Waffen sprache vom Januar 1986 die Vision einer atomwaf- begegnen zu können, wer immer noch Atomwaffen fenfreien Welt ansprach, verbleibt Präsident Bush mit als „last resort'' betrachtet, hat immer noch nicht be- seiner jüngsten Rede im Denken der nuklearen Ab- griffen, daß ihr Einsatz das Ende jeglicher Zivilisation schreckung verhaftet. Seine Initiative beharrt auf der bedeutet. Es gibt keine politischen nuklearen Waffen. Beibehaltung moderner Atomstreitkräfte, und sie be- Die Verhinderung der Proliferation, meine Damen deutet keineswegs den Verzicht auf die Einführung und Herren, ist deshalb die wichtigste Voraussetzung moderner luftgestützter Abstandswaffen. zur Friedenssicherung. Schärfste Exportkontrollen für Leider hat es auch Präsident Gorbatschow ver- Waffen, Maschinen und Know-how sind von der Bun- säumt, hinsichtlich dieser Waffensysteme einen ein- desregierung einzufordern, auch im Rahmen Europas, seitigen Verzicht anzukündigen. Zumindest hat er je- auch und gerade mit Blick auf den gemeinsamen eu- doch im Gegensatz zu Präsident Bush Verhandlungen ropäischen Markt. in diesem sicherheitspolitisch wichtigen Bereich an- Ein Atomteststopp, die Vernichtung der eigenen geboten. Zwar ist die Entwicklung der amerikani- nuklearen Potentiale, ein Verzicht auf die Produktion schen SRAM-T und SRAM-2 aufgegeben worden, dieser Waffen und auf spaltbares waffenfähiges Mate- doch erfolgte dieser Schritt letztlich deswegen, weil rial wären die wirksamsten Schritte, um die Mensch- für die Bush-Administration keine Chance bestand, heit von der Geißel der atomaren Bedrohung zu be- dieses Projekt im amerikanischen Kongreß durchzu- freien. Die Bundesregierung bleibt deshalb aufgefor- bekommen. Die NATO ihrerseits hält gleichwohl an dert, auch hier eigene Initiativen zu ergreifen. der Option für den Bau von luftgestützten atomaren (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und Abstandswaffen fest, und Präsident Bush betont die dem Bündnis 90/GRÜNE) Notwendigkeit, in Europa ein wirksames atomares Potential für den Einsatz in der Luft beizubehalten. Vizepräsident Helmuth Becker: Meine sehr verehr- Meine Damen und Herren, wir fordern ein deutli- ten Damen und Herren, ich will noch einmal daran solcher ches Wort der Ablehnung der Stationierung erinnern: In unserer Geschäftsordnung steht, Beiträge modernen Abstandswaffen von der Bundesregie- in der Aktuellen Stunde sollen bis zu fünf Minuten, rung. nicht über fünf Minuten dauern. Ich habe jetzt dreimal (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ nicht unterbrochen. Ich bitte aber doch wirklich daran GRÜNE) zu denken. 3854 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Vizepräsident Helmuth Becker Als nächster hat unser Kollege Dr. Friedbert Pflüger deshalb leider nicht auszuschließen, daß die Kriege das Wort. am Golf und in Jugoslawien vielleicht erst den Beginn einer Kette von Gewalt im Zeitalter nach Ende des Kalten Krieges darstellen. Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß die Initiativen von Zweitens. Der Putsch in der Sowjetunion hat sich Bush und Gorbatschow möglich geworden sind, hat durch die von ihm hervorgerufene Gegenwirkung als auch mit der Politik der Bundesregierung zu tun. Auf Teil jener Kraft erwiesen, die stets das Böse will und dem Boden des Harmel-Berichts der NATO aus dem stets das Gute schafft. Aber war es schon die Schlacht Jahr 1967 baute die Bundesregierung ihre Sicher- oder nur ein Gefecht, das gegen die Putschisten ge- heitspolitik auf zwei Säulen: Verteidigungsfähigkeit wonnen wurde? Niemand sollte vergessen, daß der und Entspannung. Es gehörte viel politisches Gespür Ausgang der Ereignisse in Moskau an einem seidenen und sehr viel Mut dazu, die Nachrüstungsentschei- Faden hing. dung der NATO 1983 gegen massive Proteste durch- Heute hat jemand im Verteidigungsausschuß ge- zusetzen. Herr Gansel, die Welt sähe heute anders sagt, die Niederschlagung des Putsches müsse nun aus, wenn Bonn sich damals zu einseitigen Abrü- das Ende aller konservativen Bedrohungsszenarien stungsmaßnahmen hätte verleiten lassen und aus dem sein. Atlantischen Bündnis ausgeschert wäre. (Ulrich Irmer [FDP]: Wer war das?) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP — Norbert Gansel [SPD]: Das hat Ich finde, das ist völlig falsch. Denn es ist eine große auch niemand gefordert!) Illusion zu glauben, in der Sowjetunion sei die Demo- kratie so tief verankert, daß sie nunmehr unumstößlich Es ist ein Fehler gewesen, damals den Versuch zu ist. Die katastrophale wirtschaftliche Situation, wach- unternehmen, die NATO-Nachrüstungsentscheidung sendes Chaos und Kriminalität, die Konflikte zwi- zu boykottieren. Das hätte schlimme Auswirkungen schen den Nationalitäten oder die Angst mancher Re- auf das Bündnis gehabt, und es hätte im Osten den publiken vor russischer Dominanz — kann uns das Eindruck verstärkt, daß der Westen auf eine Weise alles ruhig schlafen lassen? Oder besteht nicht die eben doch erpreßbar ist. Die Härte und die Entschlos- Gefahr, daß die Bevölkerung eines Tages gerade die senheit des Westens damals haben erst den Weg für Demokratie für Unordnung und schlechte Versor- Entspannungspolitik und Abrüstungspolitik hinterher gungslage verantwortlich macht? Im Rahmen ihrer geebnet. Möglichkeiten trägt die Bundesregierung dazu bei, ( [SPD]: Aber die Ostpolitik eine solche Situation zu verhindern. Ausschließen hat auch damit zu tun!) aber dürfen wir solche Entwicklungen nicht. — Natürlich hat auch die Ostpolitik damit zu tun, Herr Der dritte Gedanke. Die Sowjetunion war für den Kollege. Ich habe von zwei Komponenten gespro- Westen ein Gegner aber eben auch ein Partner. Jeder chen: von der Entspannung und von der Verteidi- freut sich über die Auflösung des östlichen Militär- gungsfähigkeit. bündnisses und die verstärkte Unabhängigkeit für die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Republiken. Aber trotz der Versicherungen Gorba- Norbert Gansel [SPD]: Wer wollte denn aus tschows aus der vergangenen Woche bleibt doch frag- der NATO austreten?) lich, wie sich das Verhältnis der Repub liken zueinan- Der Weg, auf dem wir uns durch diese Abrüstungs- der langfristig entwickeln wird. Werden die Teilrepu- entscheidungen befinden, ist in der Tat richtig. Aber bliken nukleare Mitspracherechte geltend machen? es ist ein steiler Pfad, der vor uns liegt, mit vielen Hin- Gelingt es wirklich, die zentrale Verfügung über dernissen und Absturzgefahr. Wenn man das Ziel er- Atomwaffen zu sichern? Wie stark werden die Natio- reichen will, muß man sich diesen Gefahren nüchtern nalgarden der einzelnen Republiken? Wir dürfen stellen. Ich erlaube mir, Ihnen dazu fünf Gedanken nicht davon ausgehen, daß es, sozusagen naturgege- vorzutragen. ben, nur einen nuklearen Partner im Osten gibt. Was aber heißt das für die Rüstungskontrollpolitik oder für Erstens. Außen- und Sicherheitspolitik ist nach dem die Gefahren der Verbreitung von Nuklearwaffen? Ende des Kalten Krieges schwieriger geworden. Zur Zeit des Ost-West-Konfliktes waren Freund und Feind Viertens. Schließlich wissen wir von zahlreichen klar bestimmt und die Spielräume für blockunabhän- ethnischen, religiösen und nationalen Konflikten in gige Initiativen begrenzt. Die klare Definition des Mittel- und Osteuropa. Ökonomische und soziale Gegners schaffte Geschlossenheit im eigenen Lager. Verwerfungen, Völkerwanderungen, unsichere poli- Werden wir sie wahren können angesichts der Tatsa- tische Systeme — Konfliktstoff ist genug vorhanden. che, daß sich der Gegner mehr oder weniger aufgelöst Wir müssen in der Lage sein, die berechtigte Forde- hat? Gestern ging es um das Management des Status rung der Völker nach Selbstbestimmung in Einklang quo; heute geht es um die Beherrschung des Wandels. zu bringen mit den Erfordernissen von Stabilität und Wir wollen diesen Wandel. Aber er hat eben auch europäischer Politik. seine Risiken und Schwierigkeiten. Der fünfte und letzte Gedanke. Angesichts des dra- Das Gleichgewicht des Schreckens zwischen den matischen Wandels und der Unsicherheiten in Europa Supermächten hatte nationale, ethnische und reli- erscheinen die Eckpunkte der Außenpolitik Konrad giöse Konflikte unterdrückt. Jeder regionale Streit rief Adenauers von entscheidender Aktualität: Keine Son- sofort die Supermächte auf den Plan. Das Risiko, mit derwege, keine nationalen Alleingänge als Anwort einem begrenzten Streit einen unbegrenzten Atom- auf internationale Krisen. EG und NATO sollen sich krieg hervorzurufen, ist nun gering geworden. Es ist nicht den Anfragen aus Mittel- und Osteuropa entzie- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3855

Dr. Friedbert Pflüger hen. Assoziation und Liaison sind notwendig. Aber in unseren Zeitungen immer seltener wieder. Es ist er- der Frage der Vollmitgliedschaft sollten keine Illusio- freulich, daß wir wohl alle der Meinung sind, daß es nen genährt werden. Vertiefung muß Vorrang vor Er- sich bei den gemachten Vorschlägen um eine wirk- weiterung haben. Es ist gerade auch im Interesse der same Antwort auf die veränderte Lage in der Welt mittel- und osteuropäischen Staaten, daß die Sicher-- handelt. heitsanker EG und NATO funktionstüchtig bleiben. Die Zukunft des Ostens liegt in einem stabilen We- Daß die Freude der Deutschen in Ost und West über sten. die Abrüstungsvorschläge am größten ist, ist dabei nur allzu verständlich; denn eine Gemeinsamkeit hat- Die Bedrohung durch einen nuklearen Weltkrieg ten wir Deutschen in Ost und West auch schon in den hat abgenommen. Die Risiken konventioneller Regio- vergangenen 40 Jahren, daß nämlich unser Staat der nalkriege haben zugenommen. Auch die Bush-Gor- mutmaßliche Kriegsschauplatz sein würde. Gerade batschow-Initiative bringt nicht peace for our time. vor den jetzt in Rede stehenden atomaren Kurzstrek- Deshalb müssen wir bei aller Freude über die Ereig- kenwaffen hatten wir Ost- wie Westdeutschen die nisse der letzten Wochen aufmerksam und eben auch größte Angst; denn diese taktischen Waffen hätten in verteidigungsfähig bleiben. Deshalb brauchen wir erster Linie unser Vaterland, Zentraleuropa, und nicht auch in Zukunft unsere Bundeswehr. das Territorium der Großmächte vernichtet. Aus die- Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. sen Gründen ist wohl kein Volk erleichterter als wir (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Deutschen, daß die Großmächte diese Antwort auf die bei Abgeordneten der SPD) veränderte Lage unserer Welt gefunden haben. Darum sollten es aber auch wir sein, die darauf ach- ten, daß die Großmächte weiterhin den Mut finden, Vizepräsident Helmuth Becker: Das Wort hat Frau sich gegenseitig im positiven Sinne in Zugzwang zu Kollegin Dr. Sigrid Semper. setzen. Noch schöner wäre es allerdings, wenn sich die Bri- Dr. Sigrid Semper (FDP): Sehr geehrter Herr Präsi- ten und Franzosen von den Abrüstungsvorschlägen dent! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang der Großmächte ebenfalls angesprochen fühlten. mit den Abrüstungsplänen der Großmächte ist wieder Vielleicht gelingt es ja uns Deutschen auf europäi- einmal der Beg riff der historischen Entscheidung ge- scher Ebene, unsere Bündnispartner Großbritannien fallen. Ich weiß nicht, die wievielte historische Ent- und Frankreich zu ermuntern, abrüstungspolitische scheidung der vergangenen zwei Jahre diese nun Zeichen zu setzen. Das heißt, unser Nachbarland und war. Aber fest steht, ob es nun eine war oder nicht: Sie Partner Frankreich sollte nicht nur auf die Aufstellung hat unseren großen Beifall verdient. der Hadès-Raketen, sondern auch auf die Produktion (Beifall bei der CDU/CSU und des Abg. Nor und anschließende Einlagerung verzichten. bert Gansel [SPD]) Es ist darüber hinaus wichtig, daß sich im Zusam- Nachdem die Doktrin der atomaren Abschreckung menhang mit dem 1995 auslaufenden Nichtweiterver- in der Vergangenheit eine wirksame Abrüstung er- breitungsvertrag über die Atomwaffen die Nuklear- schwert hat, sind nun erfreulicherweise direkt zwei mächte gemeinsam über die zukünftig abnehmende einseitige Abrüstungsversicherungen ergangen. Ich Rolle und Funktion von Nuklearwaffen verständigen spreche absichtlich von zwei einseitigen Angeboten, und durch eigene Beschränkung das Begehren von da es sich bei dem Angebot Gorbatschows nicht nur Ländern der Dritten Welt auf Entwicklung von um eine sogenannte adäquate Reaktion der Sowjets A-Waffen vermindern bzw. ausschließen. Es darf auf das Angebot Bushs handelte. nicht sein, daß die nuklearen Supermächte ihre Poten- Sie alle wissen, daß Präsident Gorbatschow das An- tiale abbauen, Staaten der Dritten Welt an ihre Stelle gebot der USA aufgegriffen hat und darüber hinaus treten und die Instabilität erhöhen würden. neben einer Zusage, Gleiches zu tun, sogar noch wei- Ich mahne deshalb bei allem Lob für die begrüßens- tergeht: Nicht nur, daß er vermeiden will, neue Rake- werte Initiative der USA und der UdSSR auch beson- ten zu bauen, sondern er will auch die Marineeinhei- ders deutlich ihre Gesamtverantwortung für die Ver- ten einbeziehen; die Sprengköpfe sollen zentral und hinderung der weiteren Ausbreitung der A-Waffen geschützt vor dem Zugriff der Einzelstaaten gelagert ebenso an wie ihr Verständnis für die, die freiwillig für werden. immer auf die Verfügungsgewalt über diese Waffen Nicht zuletzt zeigt der einseitige einjährige Stopp verzichtet haben. der Atomtests, wie sehr viel weiter das Angebot des sowjetischen Präsidenten als dasjenige der USA Grund, in Euphorie zu verfallen, haben wir zum jet- geht. zigen Zeitpunkt noch nicht. Freuen dürfen wir uns Um eventuelle Einwände aber gleich zu entkräften, aber schon jetzt und außerdem den Wunsch ausspre- möchte ich anmerken, daß ich hier nicht angetreten chen, daß aus dem ewigen Wettrüsten der vergange- bin, um den beiden Präsidenten Noten zu erteilen; nen Jahre nun ein Wettkampf um die nukleare Abrü- denn glücklicherweise sind diese Reden und Anmer- stung beginnt. kungen aus der Zeit der Konfrontation nunmehr Ge- Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich be- schichte geworden. danke mich. Es geht nun gerade nicht mehr darum, Atomspreng- köpfe wie Erbsen zu zählen. Die Mengenangaben der (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD zu vernichtenden Atomraketen finden sich selbst in und dem Bündnis 90/GRÜNE) 3856 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und vorgenommen worden ist, indem die instabilsten Sy- Herren, jetzt hat unser Kollege Dr. Hermann Scheer steme, die Systeme, die auch für die Betreiber oder das Wort. Benutzer mehr Gefahr hervorgerufen als Sicherheit erzeugt haben, beseitigt werden. Das gilt für die - Mehrfachsprengköpfe, das gilt für die gesamte mari- Dr. Hermann Scheer (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alles, was in diesen Monaten und time Atomrüstung, und das gilt für die atomaren Kurz- in der vor uns liegenden Zeit passiert, ist eine Folge streckenwaffen, von denen wir immer sagten, sie tra- eines welthistorischen Umbruchs durch den Zerfall gen mindestens soviel Selbstgefährdung in sich wie der zweiten Welt, eingeleitet durch den Reformkurs Gefährdung für den potentiellen Gegner. Gorbatschows mit auch für ihn ungeahnten Konse- Der Wermutstropfen ist: Es wird nach wie vor an quenzen, und das auf der Basis eines zukunftslosen neuen atomaren Kurzstreckenwaffen gerüstet, die aus politischen und ökonomischen Systems, das den Zu- der Luft abgeschossen würden. Die Antwort auf die sammenbruch bis hin zu dem des Warschauer Paktes entsprechende Frage des Kollegen Gansel, wie denn bewirkt hat. die Bundesregierung dazu steht, ist ausgeblieben. Das Angesichts dessen zu insinuieren, Herr Kollege ist bedauerlich für diese Debatte. Pflüger, daß alles, was jetzt passiert, quasi eine Folge (Heinrich Lummer [CDU/CSU]: Er hat doch des NATO-Doppelbeschlusses wäre, keine Frage gestellt!) (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: „Beige — Doch, die Frage ist sehr deutlich gestellt worden. tragen" habe ich gesagt!) Bedauerlich ist — auch das gehört zu den Wermuts- ist, mit Verlaub gesagt — egal, wie man zu diesem tropfen — , daß von den Vereinigten Staaten von Ame- Beschluß stand — , unter Ihrem Niveau. rika, bedingt auch von der Sowjetunion — da haben Sie recht mit Ihrem Zwischenruf, Herr Lamers; sie ist (Dr. Karl Lamers [CDU/CSU]: Er ist eine nicht mehr auf dem Stand, den ich mir wünschen Conditio sine qua non!) würde, des Gorbatschow-Vorschlages von 1986 Man muß sich auf der einen Seite über jeden ein- zelnen atomaren Abrüstungsschritt freuen, wenn man (Karl Lamers [CDU/CSU]: Sie ist realistischer die unglaublichen Kapazitäten, die aufgebaut worden geworden!) sind, bedenkt. Auf der anderen Seite sind wir welt- —das ist wieder eine Frage des Maßstabs —, und von politisch so sehr in einer Sackgasse des Wettrüstens den beiden anderen westlichen Atommächten, von und der damit verbundenen Vernachlässigung ande- der NATO insgesamt am Prinzip der Abschreckung rer menschheitlicher Überlebensaufgaben, daß der festgehalten wird; und das ist kurzsichtig. Es stellt sich kritische Blick gewahrt bleiben muß. immer mehr die Frage: Abschreckung gegen wen ei- Wir sind uns im klaren, daß ein großer Schritt getan gentlich? Das Ost-West-Verhältnis ist nicht mehr der worden ist. Aber die Bewertung eines Schrittes ist eine Maßstab. Die künftigen Begründungen der Aufrecht- Frage des Maßstabes. Gemessen an einer klebrigen erhaltung des atomaren Abschreckungssystems sind Geschichte von Abrüstungsverhandlungen der letz- problematischer als die vorherigen. Die Begründung ten Jahrzehnte — noch beim START-Vertrag konnten hat sich dahin gehend gewandelt, daß man sagt: Man wir nur feststellen, daß nach zehn Jahren Verhandlun- braucht die atomaren Systeme als Abschreckungsmit- gen nicht mehr an Reduzierung herauskam, als daß tel gegenüber Ländern oder Regionen, in denen es der Zustand von vor zehn Jahren, also vom Beginn der selber keine Atomwaffen gibt. Das heißt, aus einer Verhandlungen, wiederhergestellt wurde — , ist das, Paritätsabschreckung wird eine Überlegenheitsab- was geschehen ist, ein großer Schritt — ohne jeden schreckung. Zweifel. Gemessen an den Problemen, die gegeben (Ulrich Irmer [FDP]: Wer sagt denn so etwas? sind, ist das alles noch keineswegs bef riedigend. So — Das habe ich noch nie gehört!) sehe ich die Sache, und so sieht es auch meine Frak- —Herr Kollege Irmer, ich bewerte etwas politisch mit tion. meinen Worten. Die politische Bewertung ist, wie Sie Der größte Fortschritt, den ich politisch sehe, weil wissen, immer etwas anders als die offizielle Beschö- wir uns bei diesen Dingen nicht mit Raketenzählerei nigung eines Zustandes. begnügen dürfen, sondern eine politische Bewertung anstellen müssen, ist, daß endlich einmal versucht Herr Kollege! wird, nicht erst auf der Basis langwieriger, umständli- Vizepräsident Helmuth Becker: cher, hochkomplexer Verhandlungen einen Schritt weg von den atomaren Overkillkapazitäten zu tun, Dr. Hermann Scheer (SPD): Ich bin sofort fertig. sondern in einer Abrüstungsdynamik sich wechsel- Die politische Bewertung sieht so aus, daß wir in der seitig befruchtender und anregender einseitiger großen Problematik stehen, auf diesem Wege die Ge- Schritte. Dies muß auch Konsequenzen für die Zu- fahr der Weiterverbreitung von Atomwaffen nicht kunft der konventionellen Abrüstungsverhandlungen einzudämmen, sondern unter Umständen sogar zu in Europa haben. schüren. (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ (Günther Friedrich Nolting [FDP]: GRÜNE) Quatsch!) Das ist für mich der größte Fortschritt. Der große Unterschied zwischen den beiden Vor- Eine sachliche Bewertung der Ergebnisse führt da- schlägen von Bush und Gorbatschow besteht in fol- hin, daß zunächst einmal eine durchaus umfassende gendem: Gorbatschow hat sich wie schon einmal 1987 Bereinigung des atomaren Abschreckungssystems für einen umfassenden Teststopp ausgesprochen und Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3857

Dr. Hermann Scheer hat ein Moratorium dazu eingeleitet. Es ist unver- ist etwas Wesentliches, was wir sehen müssen und ständlich, warum hierzu die amerikanische Seite was wir auch in der Zukunft werden pflegen müs- schweigt, warum hierzu die NATO schweigt. Von un- sen. serer Seite aus ist zu fordern, auf dieses Angebot, auf diese ausgestreckte Hand zu einem vollständigen ato- (Gernot Erler [SPD]: Neues Denken!) maren Teststopp endlich einzugehen. Darüber wer- den wir hier im Bundestag noch reden. — Ja, sicher ist das ein Stück neuen Denkens; das ist (Beifall bei der FDP, der PDS/Linke Liste und doch gar keine Frage. Deswegen lege ich Wert auf dem Bündnis 90/GRÜNE) diese Feststellung und will noch einmal jenen ins Ge- wissen reden, die immer wieder sagen: Die Waffen als Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und solche sind es. Nein, die Menschen sind es, wenn sie Herren, ich erteile jetzt das Wort unserem Kollegen falsch denken und wenn sie böse sind und mit den Heinrich Lummer. Dingen schlecht umgehen, und nicht die Waffen als solche.

Heinrich Lummer (CDU/CSU): Herr Präsident! Wir haben ja vor den französischen Atomwaffen nie Meine Damen und Herren! Die einen nennen es ein Angst gehabt. Aber natürlich werden wir auch den großes Ereignis, die anderen reden von einer bedeu- Franzosen sagen müssen, daß diese Waffen, die sie tenden historischen Stunde, Kollege Scheer sprach vielleicht noch für sinnvoll halten, für uns keinerlei von einem großen Fortschritt — zumindest von einem Sinn mehr machen. Ich denke, wir werden auch da großen Schritt. Wie auch immer, es gibt Grund zur Erfolg haben. Freude. Wenn es solche Fortschritte gibt, dann gibt es immer auch die vielen Väter oder Mütter — wie Sie Aber, meine Damen und Herren, es gibt auch jetzt wollen — , die sie bewirkt haben wollen. schon wieder die Träume von einer atomwaffenfreien Ich finde, darüber sollten wir wirklich nicht streiten, Welt. Karl Jaspers ist von Ihnen zitiert worden. Ich sondern wir sollten einfach sagen: Freuen wir uns dar- glaube nicht, daß Sie ihn richtig verstanden haben. über; wir haben alle unseren Beitrag dazu geleistet. Karl Jaspers hat in den fünfziger Jahren sehr wohl Die Regierung hat ihn geleistet durch kluges, bedäch- gesehen, daß die Existenz atomarer Waffen wegen tiges Handeln, die Opposition durch hartnäckiges, ihrer unglaublichen Absurdität eher friedensstiftend ungeduldiges Drängen. Einen muß ich in dieser als kriegsstiftend ist, daß durch die bloße Existenz, das Stunde besonders nennen, weil er besonders zufrie- reine Dasein und Sosein dieser Waffen, weil der Sieg den sein wird, nämlich unseren Fraktionsvorsitzen- unmöglich wird, auch der Krieg wahrscheinlich un- den; denn keiner war so penetrant gegenüber den möglich wird. Das ist eine Seite seines Denkens, die atomaren Geschossen und Kurzstreckenraketen wie man nicht übersehen darf und die auch wichtig ist. . So hat auch er neben den vielen ande- ren sein Verdienst. Aber eines bleibt ja doch wohl vorhanden: das Wis- (Beifall bei der CDU/CSU) sen des Menschen, wie man es macht. Wenn der Teu- Aber, wie gesagt, wir sollen uns über die Stunde und fel einmal aus der Flasche entbunden ist, kriegt ihn über das Ereignis freuen; das ist das Wichtigste. niemand wieder zurück. Mit diesem Wissen müssen Meine Damen und Herren, ich will im Grunde nur wir leben. Die Antwort lautet nicht einfach atomwaf- fenfreie Zonen und atomwaffenfreie Welt, sondern die einen oder zwei Gedanken äußern, die ich für wichtig halte, weil ich glaube, sie sind ein bißchen zu kurz Antwort ist die ethische Bewältigung dieser Kräfte und dieser Mächte. Das ist die Aufgabe, die wir ha- gekommen. Es tauchte immer wieder die Auffassung auf, die Waffen als solche sind unglaublich schreck- ben. Denn irgendwo lauern in einem Winkel der Welt lich und bedrohlich. immer wieder die Leute, die daran basteln und etwas machen. Sie werden sich die Möglichkeiten dazu (Vera Wollenberger [Bündnis 90 /GRÜNE]: schaffen. Ob wir dazu etwas liefern oder nicht, ist ganz Sind sie es nicht?) egal. Damit müssen wir fertigwerden. Deswegen Das gilt eigentlich für jede Waffe, wenn man so meine ich, es sollten in diesem Moment nicht zu große will. Träume über die Folgen, was die Existenz atomarer Aber was ist denn die Voraussetzung dafür, daß Waffen überhaupt betrifft, erwachsen. diese einseitigen Schritte erfolgen konnten und daß sie gegangen worden sind? Inzwischen ist Vertrauen Die Friedensdividende wird ein bißchen auf sich gewachsen, zum Teil durch vertrauensbildende Maß- warten lassen. Denn auch Abrüsten kostet eine nahmen, zum Teil durch den Fortfall und das Kaputt- Menge Geld, wie wir gegenwärtig sehen. Die einen gehen bestimmter Ideologien. Das Denken war das klagen darüber, daß die Soldaten ein Gebiet verlas- Schlimme in der Vergangenheit. Dieses hat sich geän- sen, daß Konsumenten weg sind. Die anderen klagen dert. Das ist der wahre Fortschritt und die wahre über die Kosten der Konversion. Es gibt eine Fülle von Grundlage für diesen Schritt und auch für die künfti- Problemen, die daraus erwachsen. Aber insgesamt ist gen Schritte. Das muß man bewahren, und das, finde es doch ein vorzüglicher Weg, den man mit dem Motto ich, muß man pflegen. begleiten sollte: Tue Gutes, und rede davon. Wissen Sie, diese Waffen hatten ja alle schon einen Teil ihres Schreckens dadurch verloren, daß es diese (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie vertrauensbildende Entwicklung gab. Das, meine ich, bei Abgeordneten der SPD) 3858 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991

Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und gungsgewalt über atomare Waffen verzichtet hat, eine Herren, ich erteile als letztem Redner in der Aktuellen besondere Verantwortung dafür haben, daß ein ver- Stunde unserem Kollegen Karl Lamers das Wort. antwortungsvoller Umgang mit den nuklearen Waf- (Dr. Hermann Scheer [SPD]: Laßt den fen gepflogen wird. Ich bin für die Überwindung der NATO-Doppelbeschluß weg, dann wird es - nuklearen Abschreckung, weil ich für ein System der niveauvoller!) nuklearen Abratung bin. Ich bitte Sie, wirklich einmal zu überlegen — Herr Kollege Gansel, ich habe Ihnen immer Ihr europäi- Karl Lamers (CDU/CSU) : Herr Präsident! Verehrte sches Engagement abgenommen — , wie es sich denn Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, daß einseitge verträgt, wenn wir mit zwei europäischen Nuklear- Abrüstungsmaßnahmen möglich geworden sind, ist mächten eine gemeinsame Verteidigung begründen für uns alle ein Grund zur Freude. Aber ich hoffe, wir wollen, stimmen auch darin überein, daß einseitige Ab- rüstung Abrüstungsvereinbarungen nicht ersetzen (Vera Wollenberger [Bündnis 90/GRÜNE]: kann Gegen wen?) (Dr. Hermann Scheer [SPD]: Allein nicht er aber gleichzeitig gegen jedwede Form von nuklearen setzen kann!) Waffen — letztlich ja nicht nur auf unserem Territo- rium, sondern überhaupt — eintreten sollten, wie Sie — allein nicht ersetzen kann —, es wollen. Das geht nicht. (Zuruf von der SPD: Das haben wir auch nie gesagt!) (Gernot Erler [SPD]: Wollen Sie Hades?) erstens weil, wer einseitig abrüstet, auch einseitig auf- — Es geht nicht um die Hades. Im übrigen, wenn mich rüsten kann, zweitens weil die berühmten nationalen alles so wenig berührte wie das Problem der Hades, technischen Überwachungsmittel eine vereinbarte Herr Kollege Erler, dann wäre ich noch beruhigter, als wechselseitige Ve rifikation nicht ersetzen können, ich es im Augenblick ohnehin schon bin. und drittens vor allen Dingen deswegen, weil Abrü- Es geht ja gar nicht um diese spezielle Frage, son- stungs- und Rüstungskontrollvereinbarungen eben dern es geht um die Frage, wie eine gemeinsame ein Element kooperativer Sicherheit sind, das wir europäische Verteidigung denn funktionieren soll, doch gemeinsam erstreben. wenn dort zwei Mächte sind, die über Nuklearwaffen (Beifall des Abg. [SPD]) verfügen, und ein drittes Land — nicht das unwichtig- ste in diesem Konzert, nämlich Deutschland — sich Auch ich will — wie der Kollege Lummer — doch prinzipiell dagegen wendet. Ich sage Ihnen: Das geht einige Bemerkugen zu dem machen, was, Herr Kol- nicht. Deswegen ist auch Ihr Streit, den Sie sich mit lege Gansel, ja ganz offensichtlich der Hintergrund Ihren französischen Parteikollegen in dieser Frage Ihrer ganzen Aktion ist. Sie wollen die atomwaffen- auch noch aufladen, völlig unnötig. freie Bundesrepublik Deutschland vorbereiten. (Gernot Erler [SPD]: Kein Streit! Dissu (Zustimmung bei der SPD und der Abg. Vera asion!) Wollenberger [Bündnis 90/GRÜNE]) Sie kritisieren Präsident Gorbatschow deswegen, weil Er bringt Ihnen nicht nur parteipolitisch nichts, son- er Ihnen nicht die richtige Vorlage dazu geliefert hat. dern er bringt Ihnen auch in der Sache nichts. Nun ist das Thema nicht aktuell, und wir werden (Dr. Hermann Scheer [SPD]: Was sagen Sie Ihnen auch nicht den Gefallen tun, jetzt darauf her- zu Herrn Dregger?) einzufallen. Deswegen, meine ich, sollten Sie wirklich noch einmal (Norbert Gansel [SPD]: Dabei sind Sie schon darüber nachdenken, ob die Aktion, die Sie jetzt ge- in der Abseitsfalle d rin!) startet haben, Ihnen überhaupt etwas zu bringen ver- Ich meine jedoch, wir sollten in der Tat einmal über- mag. Ich sage Ihnen: Mit Sicherheit bringt sie Ihnen legen, was der Kollege Lummer gesagt hat. Herr Kol- nur Minuspunkte ein und sonst gar nichts. lege Gansel, es ist doch in der Tat so, daß noch nie (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — etwas aus der Welt herausgekommen ist, was durch Norbert Gansel [SPD]: Den Beifall Ihres Menschen in sie hineingekommen ist. Waffen sind Fraktionsvorsitzenden! — Weiterer Zuruf immer besser geworden, aber sie sind nicht ver- von der SPD: Den Beifall von Herrn Dreg schwunden, und die atomaren Waffen werden auch ger!) nicht verschwinden. Es wird leider — das ist viel wahrscheinlicher — noch mehr Atomwaffenbesitzer geben als bislang. Deswegen werden diese Waffen in der künftigen Politik eine Rolle spielen, nicht nur in Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Europa, sondern auch darüber hinaus. Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet. Die entscheidende Frage ist doch, welche Rolle sie Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tages- spielen und ob und inwieweit wir — Deutschland, ordnung. meine ich — auf die Gestaltung der Beziehungen zwi- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- schen Nuklearmächten und zwischen Nuklearmäch- destages auf morgen, Donnerstag, den 10. Oktober ten und Nichtnuklearmächten Einfluß nehmen wollen 1991, 9 Uhr ein. oder ob wir darauf verzichten wollen. Ich meine ganz Die Sitzung ist geschlossen. entschieden, daß wir, ein Land, das ganz bewußt und dauerhaft, für immer auf den Besitz und die Verfü (Schluß der Sitzung: 15.59 Uhr) Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode - 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Oktober 1991 3859*

Anlage zum Stenographischen Bericht

Anlage entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Liste der entschuldigten Abgeordneten Marx, Dorle SPD 09. 10. 91 entschuldigt bis Abgeordnete(r) Dr. Müller, Günther CDU/CSU 09. 10. 91 ** einschließlich Nolte, Claudia CDU/CSU 09. 10. 91 Adam, Ulrich CDU/CSU 09. 10. 91 Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 09. 10. 91 Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 09. 10. 91 Pfuhl, Albert SPD 09. 10. 91 Brandt, Willy SPD 09. 10. 91 Rempe, Walter SPD 09. 10. 91 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 09. 10. 91 * Rühe, Volker CDU/CSU 09. 10. 91 Bulmahn, Edelgard SPD 09. 10. 91 Schartz (Trier), Günther CDU/CSU 09. 10. 91 Duve, Freimut SPD 09. 10. 91 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 09. 10. 91 Ehrbar, Udo CDU/CSU 09. 10. 91 ** Dr. Scholz, Rupert CDU/CSU 09. 10. 91 Eymer, Anke CDU/CSU 09. 10. 91 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 09. 10. 91 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 09. 10. 91 ** Christian Ganseforth, Monika SPD 09. 10. 91 ** Dr. Soell, Hartmut SPD 09. 10. 91 Genscher, Hans-Dietrich FDP 09. 10. 91 Dr. von Teichman, FDP 09. 10. 91 ** Cornelia Dr. Hartenstein, Liesel SPD 09. 10. 91 Tietjen, Günther SPD 09. 10. 91 Dr. Holtz, Uwe SPD 09. 10. 91 ** Voigt (Frankfurt), SPD 09. 10. 91 Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 09. 10. 91 Karsten D. Jeltsch, Karin CDU/CSU 09. 10. 91 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 09. 10. 91 Dr. Kappes, CDU/CSU 09. 10. 91 Wallow, Hans SPD 09. 10. 91 ** Franz-Hermann Yzer, Cornelia CDU/CSU 09. 10. 91 Kohn, Roland FDP 09. 10. 91 Koltzsch, Rolf SPD 09. 10. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- Lintner, Eduard CDU/CSU 09. 10. 91 lung des Europarates ** für die Teilnahme an der 86. Jahreskonferenz der Interparlamen- Lohmann (Witten), Klaus SPD 09. 10. 91 tarischen Union