Daten zur Geschichte Güter und Rechte des ehemaligen Cluniazenser-Priorates Pärke sind die ursprünglichsten Natur- und Kultur- Das Priorat Rüeggisberg verfügte über beträchtlichen Grund- landschaften der Schweiz. Sie sind weitgehend besitz. Wir können davon ausgehen, dass zur Gründungszeit intakte, vielfältige, dynamische und natürliche oder um 1075 vom Menschen naturnah gestaltete Lebensräume. um das Jahr 1075 zahlreiche der Güter, Höfe und Dörfer Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) ist für die Verlei- Lütold von Rümligen stiftet Güter und Rechte zur Ausstat- ­bereits bestanden, das heisst bereits viel Land gerodet war. hung des Labels, «Park von nationaler Bedeutung» tung eines Klosters an Cluny. Rüeggisberg ist die erste Wahlern und die Dörfer im Gürbetal sind frühmittelalterlich zuständig. Heute gibt es neben den drei National­ pärken und einem Naturerlebnispark vierzehn Regio- Nieder­lassung des Ordens im deutschsprachigen Gebiet. oder älter. Das Verdienst der Cluniazenser liegt in der Organi- nale Naturpärke. Der Regionale Naturpark Gantrisch sation der Herrschaften und der Vereinheitlichung der land- ist seit 2012 in Betrieb. Die Bevölkerung der 26 Park- 3. Viertel des 11. Jahrhunderts gemeinden ist stolz auf ihr ausserordentliches natür- wirtschaftlichen Grundsätze in zentral verwalteten Bauern­ liches und kulturelles Erbe. Sie verpflichtet sich, Errichtung der Kirche unter Ulrich von Regensburg und sei- höfen (Grangien, von lateinisch grangia = Scheune). Die dieses zu erhalten und respektvoll zu nutzen. nem Gefährten Cuno. Bald nach 1075 dürften aufgrund von Mönche dürfen wir uns weniger als waldrodende Pioniere Informationen: www.paerke.ch, www.gantrisch.ch C14-Daten als erste Klosterbauteile jene des Ostflügels vorstellen, sondern eher als die erfahrenen Gutsverwalter. ­entstanden sein. Die Anzahl der Mönche überstieg auch zur Ihr Wirken hat die Landschaft geprägt und eine Kulturland- anfänglichen Blütezeit kaum je ein halbes Dutzend. schaft ­geschaffen. Die Behauptung, der Naturpark Gantrisch sei letztlich eine Cluniazenserlandschaft hat vieles für sich. vor 1300 Schwere Krise. Man liest, das Kloster bestehe aus wenigen

Gebäuden. Nur in einem Teil noch wohnten die Mönche, im 28 Erziehungsdirektion des Kantons 29 andern aber die Bauern Peters von Düdingen (Kastvogt) mit Direction de l’instruction publique du canton de Berne ihren Frauen, Kindern und Tieren; in der Kirche habe dieser Amt für Kultur | Office de la culture seine Scheune (grangia) eingerichtet. Die Mauern des Refek- Archäologischer Dienst des Kantons Bern Service archéologique du canton de Berne toriums und der Küche seien eingestürzt, der Klosterhof (claustrum) und das Dormitorium verbrannt. Postfach 5233, 3001 Bern Telefon 031 633 98 22

41 22 23 24 [email protected] 1341/42 40 39 18 19 www.be.ch/archaeologie 11 20 38 Überfall und Plünderung durch die Freiburger. 35 10 9 8 25 2 7 6 13 16 1 31 34 5 4 12 17 nach 1342: Erneuerung unter Prior Simon von Nyon. 3 32 30 21 1484: Inkorporation von Kloster und Besitz ins St. Vinzenzen- 36 37 14 stift am Berner Münster. 15 33 26 Nützliche Hinweise: Das Klostermuseum ist ganzjährig geöffnet. 1541 Die Informationstafeln der Ausstellung im Lapidarium stehen zum Download bereit: www.erz.be.ch/archaeologie. RÜEGGISBERG Abtragung der leerstehenden Klostergebäude. Landwirt- http://www.rueggisberg.ch/de/kultur/klosterruine.php. schaftliche Nutzung des Restbestandes der Kirche. Im Süd- Ehemaliges 27 Von Pfingsten bis Herbst findet in der Klosterruine der Klostersommer flügel seit der Reformation Wohnung des Ortspfarrers. Rüeggisberg statt: http://www.klostersommer.ch/index.htm Cluniazenserpriorat Literatur: Hans R. Hahnloser, Cluniazenserpriorat Rüeggisberg BE. In: 1938–1947 1 Rüeggisberg 16 Hasli 29 Weinberge in Schweizerischer Kunstführer, hrsg. von der Gesellschaft für Schweizeri- 2 Elisried 17 Le Landeron sche Kunstgeschichte 1/7, Basel 1950; Georges Descoeudres, Rüeggis- 18 Blachen 30 Alterswil Erste Erforschung und Freilegungen mit Internierten durch 3 Rohrbach berg, Kirche des ehemaligen Cluniazenserpriorates. Bauuntersuchungen 4 Oberschwanden 19 Falebach 31 Maggenberg Prof. Hans R. Hahnloser. 5 Niederschwanden 20 Toffen 32 Galteren 1988–1990. In: Archäologie im Kanton Bern 3, 1994, 243–244; Daniel Gut- 6 Oberbrügglen 21 Lohnstorf 33 Plaffeien scher, Rüeggisberg, Klosterruine. Rettungsgrabungen im ehemaligen 7 Niederbrügglen 22 Ursellen 34 Obermonten Cluniazenserpriorat. In: Archäologie im Kanton Bern 4, 1999, 252–253. 1988–1991 8 Oberbütschel 23 35 Wiler vor Holz Planaufnahmen, archäologische Bauanalyse und Konser­ 9 Niederbütschel 24 Hünigen 36 Mediwil Titelbild: Das Nordquerhaus der romanischen Prioratskirche von 10 Fultigen 25 37 Umbertsschweni Nordwesten. vierung durch den Archäologischen Dienst (Daniel Gutscher / 11 Bangerte 26 Weiden im Gurnigel 38 Röthenbach 27 Allmend in Boltigen 39 Fambach Georges Descoeudres) und das Hochbauamt des Kantons 12 Tromwil Bildnachweis: Aufnahmen 1940–1947: Archiv Kantonale Denkmalpflege 13 Mättiwil 28 Weinberge in 40 Rüegsegg Bern; Alle übrigen: Archäologischer Dienst des Kantons Bern. Bern (Felix Holzer). 14 La Neuveville 41 15 Laubbach ©: 2013 ADB / Daniel Gutscher (Text), Badri Redha (Bilder), Eliane Schranz, Anna Simonin-Schmocker (Grafik). Archäologischer Dienst des Kantons Bern 3/2013 Service archéologique du canton de Berne Kämpfer im Lapidarium Das Priorat Rüeggisberg Grundriss und isome- und Bogen über dem trische Rekonstruktion gehört zur Gruppe der Nordportal des Quer- der Anlage des Priorates. schiffs zeugen vom burgundischen Nieder- ­Motivreichtum des roma- lassungen des Ordens nischen Baudekors. von Cluny. Die romani- sche Klosteranlage zeigt jedoch sehr viele Züge oberitalienischer, lom- bardischer Romanik, sei es in der hervorragenden 0210 0m Bauskulptur, in der Ver-

wendung von Ziegeln N oder in den als stehende Platten eingesetzten Sandsteinen an Pfeilern und Bogen.

Nordquerhaus, Vierung und südliche Nebenchöre im Aufgehenden erhalten von Westen in einer Auf- Fundamente ergraben nahme nach den Konser- Aufgehendes ergänzt vierungsarbeiten 1947. im Aufgehenden erhalten Lapidarium

Archäologie in Rüeggisberg Die Prioratskirche Die romanische Bauskulptur Der Grundriss der Kirche mit ihrem Staffelchor weist auf den Rüeggisberg ist wie kein anderer Bau beispielhaft für die ­sich Das Cluniazenser-Priorat Rüeggisberg ist die erste Nieder- Scheune (Haberhaus) der Land- Einfluss der burgundischen Mutterabtei Cluny hin. Dagegen im 11. Jahrhundert anbahnende Entwicklung der romani- lassung des Ordens im deutschsprachigen Gebiet. Die im wirtschaft weiter diente. Die An- belegen der Verzicht auf die Einwölbung des Langhauses, die schen Bauplastik. Die Steinmetzen standen hier vor einer letzten Viertel des 11. Jahrhunderts entstandene Kloster­­an­ lage ist im Besitz des Kantons Plattenverkleidung des Mauerwerks der Pfeiler sowie zumin- neuen Aufgabe, welche im 12. Jahrhundert in den figurenrei- lage wurde nach der Reformationszeit aufgegeben und verfiel Bern und wurde 1938–1947 dest Teile der Bauskulptur norditalienische Einflüsse. Es ist chen Kapitellzyklen gipfelt. Die Bauskulpturen sind ein Son- allmählich. Trotzdem gehört die Ruine der romanischen Klos- durch Hans R. Hahnloser und deshalb wahrscheinlich, dass die Kirche von lombardischen derfall, weil hier erstmals der Wille der Steinmetzen spürbar terkirche zu den eindrücklichsten Denkmälern der Clunia­ 1988–1991 durch den Archäolo- Bauleuten auf einem von Cluny vorgegebenen Grundriss er- wird, Mauerflächen mittels bauplastischer Elemente zu bele- zenserarchitektur in der Schweiz. Erhalten haben sich die gischen Dienst des Kantons Bern richtet worden ist. ben. Sie schlagen eine Brücke zwischen dem Frühmittelalter Grundmauern der dreischiffigen Basilika mit auskragendem untersucht und konserviert. Sie Rüeggisberg ist zudem eines der ältesten nachrömischen und der Romanik. Die Motive verraten verschiedene Einflüs- Querschiff, ausgeschiedener Vierung und einem Staffelchor steht unter dem Schutz des Bun- Bauwerke unseres Landes, bei welchem Backsteine verwen- se. Antikisierende Elemente sind von römischen Bauten ab- mit fünf Apsiden. Im Westflügel des einstigen Claustrums des und des Kantons. Im kleinen det wurden. Diese treten zwar nur spärlich, zum Beispiel als zuleiten. Das Flechtbanddekor erinnert an die frühmittelalter- ­befinden sich heute ein Bauernhof und das frei zugängliche Museum sind Teile der romani- farbige Zierelemente, auf. Es gibt jedoch Hinweise darauf, lichen Steinmetzarbeiten am Ambo (Kanzel) von Romain‑ Museum, an der Stelle des Südflügels das Pfarrhaus, vom schen Bauskulptur, ein Baumo- dass diese zusammen mit den zu vermutenden Dachziegeln môtier. Verblüffend ist die Ähnlichkeit der Tierdarstellungen Ostflügel mit dem Kapitelsaal haben sich bloss einzelne dell und Informationstafeln zu von Wanderzieglern, die möglicherweise ebenfalls aus dem von Rüeggisberg zu den Fabelwesen von S. Abbondio in Die freigelegten Apsiden. Mauern erhalten. Das Nordquerhaus ist in voller Höhe ein- Baugeschichte und Bedeutung Blick nach Nordosten. oberitalienischen Raum stammten, an Ort und Stelle herge- Como. Die Übereinstimmungen lassen den Zuzug von Stein- schliesslich Tonnengewölbe erhalten, weil es bis 1942 als der Klosteranlage ausgestellt. Arbeitsaufnahme von 1940. stellt wurden. metzen aus der Lombardei vermuten.