„Vom `Ostmark`-Mädel im `` Steiermark“ -

Mädchen- und Jugendjahre im Nationalsozialismus in der Steiermark

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

einer Magistra der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Angelika NAGY

am Institut für Geschichte

Begutachterin: Ao. Univ.-Prof.in Dr.in phil. Karin-Maria Schmidlechner-Lienhart

Graz, 2017

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Personen, besonders bei Familienmitgliedern und Freunden, bedanken, welche mich während meines Studiums unterstützt haben. Hervorzuheben ist hierbei vor allem meine Mutter, die mir durch ihre finanzielle Unterstützung eine unbeschwerte Studienzeit ermöglicht hat und mir stets großes Vertrauen und absolute Zuversicht entgegenbrachte.

Bedanken möchte ich mich ebenso bei meinem Freund Christian, der es mit mir während Prüfungszeiten und des Verfassens der Diplomarbeit nicht immer leicht hatte und dennoch immer an mich geglaubt und mir Mut gemacht hat. Ein herzliches Dankeschön gilt auch meinen Freunden an der Karl-Franzens Universität, auf die ich mich während meiner gesamten Studienzeit immer verlassen konnte, da sie mich nicht nur während des Arbeitsprozesses an der Diplomarbeit, sondern während des gesamten Studiums stets unterstützt und angespornt haben: Tami (die beste Mitbewohnerin aller Zeiten), Fabi, Toni, Jules, Isabella, Kathi, Magda, Christoph, Jani, Lissy, Bianca, René – vielen Dank für die unvergessliche Zeit mit euch!

Für die professionelle Betreuung auf universitärer Ebene, für die Hilfe und die Zeit bei der Beantwortung meiner vielen Fragen während des gesamten Arbeitsprozesses, möchte ich mich herzlichst bei Prof.in Dr.in Schmidlechner-Lienhart bedanken, welche mir stets mit Rat und Tat zur Seite stand.

Ebenso bedanken möchte ich mich bei Herrn Ass.-Prof. Dr.phil. Eduard Staudinger, der mir bereits zu Beginn der Arbeit mit Ratschlägen und Kontakten weiterhalf und mir somit bei der Themeneingrenzung mit wertvollen Anregungen am Beginn der Arbeit zur Seite stand.

Daneben möchte ich mich aufrichtig bei meinen InterviewpartnerInnen bedanken, welche sich die Zeit nahmen, um meine Fragen zu beantworten und durch ihre Erinnerungen und Erzählungen einen großen Beitrag zu dieser Arbeit geleistet haben.

„All our dreams can come true, if we have the courage to pursue them.” (Walt Disney)

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Datum:

Unterschrift:

3 Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG ...... 6 1.1 ZIELE, MOTIVATION UND FORSCHUNGSLEITENDE FRAGESTELLUNGEN ...... 7 1.2 AUFBAU DER ARBEIT ...... 9 2. FRAUEN-UND GESCHLECHTERFORSCHUNG ZUM NATIONALSOZIALISMUS ...... 11 3. „DAS ZWEITE GESCHLECHT“ – FRAUEN- UND GESCHLECHTERVERSTÄNDNIS DES NATIONALSOZIALISMUS ...... 15 3.1 VOM MÄDCHEN ZUR FRAU: FRAUENBILD UND IDEOLOGIE IM NATIONALSOZIALISMUS ...... 15 3.2 DAS NS-KÖRPER-, VERHALTENS- UND SCHÖNHEITSIDEAL ...... 20 3.3 VON MÜTTERPOLITIK UND DER ROLLE DER FRAU ALS MUTTER UND HAUSFRAU ...... 21 3.4 SINN UND ZWECK DER EHE(FRAU) ...... 23 4. NATIONALSOZIALISMUS UND PÄDAGOGIK - EIN BLICK AUF DEN NS-STAAT ALS ERZIEHUNGSSTAAT ...... 25 4.1 GRUNDLEGENDES ZU ERZIEHUNG UNTER DER NS-HERRSCHAFT ...... 25 4.2 DIE IDEOLOGIE DES NATIONALSOZIALISMUS ALS FUNDAMENT DES ERZIEHUNGSGEDANKENS ...... 27 IM „DRITTEN REICH“ ...... 27 4.2.1 Sozialdarwinismus, Rassenlehre und Eliteprinzip ...... 29 4.2.2 Volksgemeinschaftsideologie ...... 30 4.2.3 Führerkult und Führer-Gefolgschaftsprinzip ...... 31 4.3 ERZIEHUNGSZIELE DES NATIONALSOZIALISMUS ...... 32 5. SOZIALISATION UND ERZIEHUNG DER JUGEND IM NATIONALSOZIALISMUS ...... 35 5.1 „VON KINDERN ZU KÜCHE UND KRIEGSARBEIT“ – MÄDCHENERZIEHUNG IM „DRITTEN REICH“ ...... 39 6. SCHULISCHE ERZIEHUNG IN DER NS-ZEIT ...... 42 6.1 DIE SCHULPOLITIK ZUR ZEIT DES NATIONALSOZIALISMUS ...... 42 6.2 SCHULORGANISATORISCHE MAßNAHMEN UND NEUORDNUNGEN DER NS-ZEIT ...... 45 6.3 ALLGEMEINES ZUR GESCHLECHTERSPEZIFISCHEN SCHULAUSBILDUNG VON MÄDCHEN ...... 48 6.4 VOLKSSCHULE ...... 51 6.4.1 Inhalte bestimmter Fächer der Volksschulzeit ...... 52 6.4.1.1 „Weibliche“ Inhalte in den Lehrplänen der Volksschule...... 54

6.5 MITTLERE SCHULE UND HAUPTSCHULE ...... 55 6.6 HÖHERE SCHULE ...... 56 7. FREIZEIT UND AUßERSCHULISCHE SOZIALISATION IN DER NS-ZEIT ...... 60 7.1 ORGANISIERTE FREIZEIT: ERZIEHUNG IN DER HITLER-JUGEND...... 60 7.1.1 Der Jungmädelbund...... 61 7.1.2 Der Bund Deutscher Mädel ...... 63 7.1.2.1 Erziehungsarbeit und Schulungsansprüche des BDM ...... 64 7.1.2.2 Aktivitäten und Aufgaben im BDM ...... 68

4 7.1.2.3 Das BDM-Werk „Glaube und Schönheit“ ...... 70 7.1.2.4 Die Rolle der BDM-Mädchen im Krieg ...... 71 8. FAMILIENLEBEN IM NATIONALSOZIALISMUS ...... 73 8.1 DER SOZIALISATIONSRAUM FAMILIE IN DER NS-ZEIT ...... 73 8.1.2 Die familiale Erziehung von Mädchen in der NS-Zeit ...... 75 9. NATIONALSOZIALISMUS IN DER STEIERMARK ...... 78 9.1 GRUNDLEGENDES ZUR FRAU IN DER NS-ZEIT IN DER STEIERMARK ...... 82 9.2 DAS SCHULWESEN IN DER NS-ZEIT IN DER STEIERMARK ...... 86 9.3 AUßERSCHULISCHE INDOKTRINATION IN DER STEIERMARK ...... 90 9.4 DIE SITUATION IN DEN FAMILIEN IN DER STEIERMARK ...... 95 10. ERINNERUNGEN VON ZEITZEUGINNEN AUS DER STEIERMARK ...... 98 10.1 THEORETISCHES ZUR QUALITATIVEN SOZIALFORSCHUNG ...... 98 10.2 ZUR METHODE DER „ORAL HISTORY“ ...... 100 10.2.1 Das narrative Interview ...... 102 10.2.2 Das Leitfadeninterview ...... 102 10.2.3 Die erste Phase der Auswertung: Die Transkription ...... 103 10.3 EINFÜHRENDE ANMERKUNGEN ZU DEN INTERVIEWS ...... 104 10.3.1 Kurzbiografien der ZeitzeugInnen ...... 106 10.3.1.1 Zeitzeugin Z...... 106 10.3.1.2 Zeitzeugin Y...... 107 10.3.1.3 Zeitzeugin X...... 107 10.3.1.4 Zeitzeugin W...... 107 10.3.1.5 Zeitzeuge V...... 108

10.4 QUERSCHNITTSAUSWERTUNGEN DER INTERVIEWS IN THEMENKREISEN ...... 108 10.4.1 Mädchenleben und Familienalltag während der NS-Zeit ...... 108 10.4.2 Die Schulzeit im Nationalsozialismus ...... 112 10.4.3 Erinnerungen an NS-Organisationen in der Freizeit ...... 116 10.4.4 Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg ...... 119 10.4.5 Erinnerungen an diskriminierte Gruppen ...... 120 10.4.6 Erinnerungen an das Kriegsende ...... 122 10.4.7 Wahrnehmung des nationalsozialistischen Frauenbildes und der Rolle der Frau heute ...... 124 11. ZUSAMMENFASSUNG...... 127 12. LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS ...... 134 12.1 LITERATURVERZEICHNIS ...... 134 12.2 QUELLENVERZEICHNIS ...... 144

5 1. Einleitung

Auch wenn der Österreichs an das „Dritte Reich“ nun schon mittlerweile 79 Jahre zurückliegt, nimmt die Bedeutung der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit nicht ab und lässt über Generationen noch immer Ursachen und Folgen sozial- und alltagsgeschichtlicher Aspekte aus der Zeit von 1938 bis 1945 erkennen. Unter dem Nationalsozialismus wurde schließlich versucht, die gesamte Bevölkerung im Sinn der nationalsozialistischen Ideologie in das Kollektiv der „Volksgemeinschaft“ einzugliedern und Gedanken dahingehend zu prägen und zu manipulieren. Dementsprechend sollten auch geschlechterspezifische Rollenzuschreibungen dazu beitragen, dass nicht länger Einzelpersonen, sondern vielmehr das „Volk“ als starke Einheit in den Vordergrund trat. Um dieses Vorhaben zu erreichen, stützte sich die nationalsozialistische Politik vor allem auf die Jugend, welche das System aufrechterhalten und in die Zukunft tragen sollte. Organisierte Vermittlungsinstanzen, wie Schule und Freizeitorganisationen für Kinder und Jugendliche, wurden zu besonders prägnanten Nachwuchsschmieden für die Vorstellungen des Nationalsozialismus, welche nach 1938 im gesamten österreichischen Staat und dabei ebenso auf regionaler Ebene im „Gau“ Steiermark Einzug hielten.1 Auch eine Ausgabe des „Oststeirerblattes“ aus dem Jahr 1938 beschreibt die Bestrebung, das „deutsche Mädel“ nach nationalsozialistischer Vorstellung zu formen:

„Dem deutschen Mädel bleibt es vorbehalten, ein Geschlecht zu erziehen, das seinen großen Aufgaben gewachsen ist. Eine Jugend, die nichts weiß von Aufopferung und Einsatzbereitschaft, die nur an ihr eigenes Ich denkt, ist nicht imstande, die großen Aufgaben zu meistern. So gilt es auch für uns Mädel, ein Zweifaches zu erfüllen: Streng sein gegen sich selbst und alle, die noch abseitsstehen, für den Führer gewinnen. Wir müssen um unsere letzte und höchste Bestimmung wissen: Frau und Mutter zu sein und damit Trägerin aller Werte unseres Volkes.“2

Erkennbar wird ebenso, dass in der NS-Zeit besonders die Mutterrolle als größtmögliche Erfüllung propagiert wurde und als „Idealvorgabe“ für eine Frau gesehen wurde. Die „deutsche Frau“ sollte dabei stets „fürein gemütliches Heim sorgen, ein Kind nach dem anderen gebären, die Werte des Gemeinschaftslebens hochhalten, Hitler verehren, freiwillig soziale Aufgaben

1 Vgl. BAILER-GALANDA Brigitte, Jugend im Nationalsozialismus. In: Bundesjugendvertretung (Hg.), Geraubte Kindheit. Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus. Wien 2010. S. 47-56; KOLLMEIER Kathrin, Erziehungsziel „Volksgemeinschaft“ – Kind und Jugendliche in der Hitler-Jugend. In: HORN Klaus-Peter / LINK Jörg-W. (Hgg.), Erziehungsverhältnisse im Nationalsozialismus. Totaler Anspruch und Erziehungswirklichkeit. Bad Heilbrunn 2011, S. 59-76; HALBRAINER Heimo / LAMPRECHT Gerald, Nationalsozialismus in der Steiermark. Opfer Täter Gegner. Wien-Innsbruck-Bozen 2015. S. 145-147. 2 Vgl. Das Deutsche Mädel. In: „Oststeirerblatt“ vom 3. September 1938, S. 7. 6 übernehmen, ihr Verbraucherverhalten an den nationalen Prioritäten ausrichten und freudig das reibungslose Funktionieren des Alltagslebens gewährleisten.“3

1.1 Ziele, Motivation und Forschungsleitende Fragestellungen Das Ziel meiner Diplomarbeit ist es nun, die politische Sozialisation und Erziehung von jungen Frauen auf dem Weg zur Adoleszenz in der Zeit des Nationalsozialismus zu analysieren und die damit verbundenen drei Ebenen Schule, Freizeitorganisationen und Familienleben näher zu untersuchen. Folglich soll in dieser Diplomarbeit vor allem auf Mädchen Bezug genommen werden, die sich in der Zeit des NS-Regimes dem jeweils vorherrschenden Frauenbild anpassen mussten, welches darauf abzielte, sie widerstandslos an die neuen Gegebenheiten anzupassen und sie zu Funktionären des NS-Systems heranerziehen versuchte.

Neben der resultierenden Motivation für die vorliegende Arbeit etwaige bestehende Lücken durch noch mögliche Interviews mit ZeitzeugInnen zu füllen, entstand außerdem der Entschluss zu einer regionalgeschichtlichen Analyse. Der Fokus der Arbeit richtet sich deshalb auf weibliche Kinder und Jugendliche in Steiermark in den Jahren 1938-1945, wobei insbesondere die Lebensrealitäten steirischer Frauen während der NS-Zeit beleuchtet werden sollen um festzustellen, ob und inwiefern auch Mädchen im „Gau“ Steiermark durch Schule, außerschulische Jugendorganisationen und Familie in das faschistische Herrschaftssystem eingebunden waren. Daher gilt es nicht nur zu klären, auf welche bevölkerungspolitischen Vorstellungen, Maßnahmen und Einflüsse die Nationalsozialisten zurückgriffen, um die Integration der Mädchen in das faschistische System zu gewähren, sondern auch wie Frauen in jenem Raum ihre Mädchen- und Jugendjahre während der Zeit von 1938 bis 1945 unter dem Nationalsozialismus erlebten und wie sie über diese reflektieren. Die Intention der Arbeit liegt infolgedessen darin, zu einer Ergänzung des Frauen- und Geschlechterbildes der Zeit des Nationalsozialismus im regionalen Kontext beizutragen. Dazu sollen als Primärquellen nicht nur Interviews mit ZeitzeugInnen herangezogen werden, sondern auch als schriftliche Quellen Artikel steirischer Zeitungen, wie dem „Steirerblatt“4, dem „Oststeirerblatt“ und dem „Voitsberger Köflacher Wochenblatt“, aus den Jahren 1938 bis 1945 untersucht werden.

3 Zit. nach: KOONZ Claudia, Mütter im Vaterland. Frauen im Dritten Reich. Freiburg 1991. S. 17. 4 Vgl. Steirerland: ANNO – Austrian Newspapers Online. In: http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=szs (am 16. 4. 2017). 7 Aufgrund meines Forschungsinteresses ergeben sich folgende Forschungsfragen, welche es zu beantworten gilt:  Wo finden sich konkrete Berührungspunkte der nationalsozialistischen Indoktrination in der Steiermark, anhand derer das ideologisierte Bild der Erziehung vom Mädchen zur Frau in der NS-Zeit gestaltet wurde?  Wie verhielten sich die transportierten nationalsozialistischen Ideale zur tatsächlich gelebten weiblichen Realität steirischer Mädchen und Jugendlicher und wie war es für steirische Mädchen in der NS-Zeit aufzuwachsen?  Was charakterisiert das Schulwesen des „Dritten Reiches“ im Bereich der Mädchenerziehung im Allgemeinen und welche Ausmaße von Veränderungen waren nach dem „Anschluss“ in der Steiermark nachvollziehbar?  Wie waren außerschulische nationalsozialistische Organisationen für Mädchen im Allgemeinen gestaltet und wie sah ihre Einflussnahme in der Steiermark aus? Wie haben Frauen, welche unter dem NS-Regime in der Steiermark aufwuchsen, diese außerschulische Beeinflussung durch nationalsozialistische Organisationen wahrgenommen und verarbeitet?  Wie prägend war die Rolle der Mutter und wie sind die Mädchen in ihrer familiären Umgebung wahrgenommen worden? War man im Kleinkindalter im behüteten Kreis der Familie noch unbelastet von nationalsozialistischen Erziehungsbemühungen oder bereits von der NS-Indoktrination umgeben?

Die These meiner Diplomarbeit besagt, dass die Indoktrination der Nationalsozialisten, welche eine Umformung zur „idealen“ nationalsozialistischen Frau vorsah, in den Mädchen- und Jugendjahren von steirischen Frauen in den Wirkungsbereichen Schule, Freizeit und Familie präsent war und es daher kaum Möglichkeiten gab, sich der ihnen zugedachten Rolle als Frau zu entziehen. Durch Verlockungen und Zwänge sollten die Mädchen manipuliert und an das NS-Regime gebunden werden und sich dessen Vorstellungen fügen. Der Druck durch Rollenzuschreibungen in der Zeit unter dem Nationalsozialismus, welchen die Mädchen aufrecht erhalten mussten, war dabei bereits in jungen Jahren auch im Alltagsleben im regionalen Kontext deutlich wahrzunehmen. Geprägt durch die Indoktrination und Gleichformung im Sinne der völkischen Ideologie und weltanschaulichen Schulung der Nationalsozialisten, zeichnet sich auch bis in die Gegenwart ein dementsprechendes Frauenbild in den Vorstellungen der befragten Personen ab.

8 1.2 Aufbau der Arbeit Um Antworten auf die thematisierten Problemfelder geben zu können, ist die vorliegende Diplomarbeit in mehrere Bereiche gegliedert. Insgesamt muss darauf hingewiesen werden, dass eine Untersuchung der Frauen- und Geschlechtergeschichte des Nationalsozialismus in einer so zu bezeichnenden „Region“ nicht als Geschichte eines „überschaubaren Raumes“ erklärt werden kann, da es genauso wenig möglich ist, einen räumlichen Zusammenhang von seinen unterschiedlichen Bezügen zu trennen, wie den Aspekt des „Geschlechts als von anderen Kategorien separiertes Instrument zur Analyse zu verwenden“. 5 Die in der vorliegenden Arbeit erfassten Informationen sollen deshalb ebenso als Beispiele für den gesamten nationalsozialistischen Herrschaftsbereich stehen. Aus diesem Grund soll am Beginn der Arbeit im zweiten Kapitel ein Überblick zur Frauen- und Geschlechterforschung erfolgen. Vor allem die Herausstellung der Bedeutung, welche der Kategorie Geschlecht im „Dritten Reich“ zukam, aber auch die Wichtigkeit dieser für die wissenschaftliche Analyse, der Entstehung und der Funktionsweisen des nationalsozialistischen Herrschaftssystems sind Anliegen des theoretischen Kontextes dieser Arbeit. In einem weiteren Schritt soll im nächsten Kapitel auch das angestrebte Frauenbild zur Zeit des Nationalsozialismus aufgezeigt werden, da dies ein entscheidender Faktor innerhalb des Lebensalltags der Mädchen war.

Weiterführend soll eine Einführung in die politische Erziehung und die Ideologien des Nationalsozialismus, wie sie vorrangig auch in der Heranerziehung der Jugend und damit auch in den Schulen und Jugendorganisationen angewandt wurde, stattfinden. Nicht nur grundlegende Aspekte der Weltanschauung der NS-Zeit, sondern ebenso die von den Nationalsozialisten verfolgten Ziele sollen genauer beleuchtet werden. Anschließend soll im Speziellen auf die Einbindung Jugendlicher in das NS-System eingegangen werden, da ihre gesellschaftliche Situation und die grundlegenden Ansprüche, welche an sie gestellt wurden, ebenso ausschlaggebend für ihr Leben und die weitere Indoktrination des NS-Regimes waren. Dabei wird besonders auf die politischen und gesellschaftlichen Erziehungsvorstellungen eingegangen, welche an Mädchen gestellt wurden.

Um schließlich eine Konkretisierung, Überprüfung und Erweiterung des Forschungsstandes zu der Problematik der Involvierung von Mädchen in dem System des NS-Regimes festzuhalten,

5 Vgl. GEHMACHER Johanna / HAUCH Gabriella, Einführung. In: Johanna GEHMACHER / Gabriella HAUCH (Hgg.), Frauen- und Geschlechtergeschichte des Nationalsozialismus. Fragestellungen, Perspektiven, neue Forschungen (= Querschnitte 23). Innsbruck-Wien-Bozen 2007. S. 7-19, hier: S. 10. 9 soll die Gestaltung der drei Bereiche Schule, Freizeit und außerschulische Aktivitäten, sowie Familie näher untersucht und aufgezeigt werden. Das sechste Kapitel soll daher die Institution Schule im Nationalsozialismus beleuchten, um zu zeigen, wie die Richtlinien der NS- Pädagogik hier verliefen. Danach soll im siebten Kapitel der Dimension Freizeit nähere Beachtung geschenkt werden, wobei hier vor allem auf den konstruierten Alltag der weiblichen Jugend in der außerschulischen Organisation des „Bund Deutscher Mädchen“ eingegangen wird. Eine weitere entscheidende Instanz für Sozialisation und Erziehung, welche im achten Kapitel untersucht werden soll, ist die Familie, in welchen auch Frauen und Mädchen bestimmte Rollen einnahmen.

Da in den vorhergehenden drei Kapiteln die Darstellung der einzelnen Sozialisations- und Erziehungsträger, wie sie unter der NS-Herrschaft im gesamten „Dritten Reich“ Gültigkeit besaß, erfolgte, soll nun anschließend besondere Rücksicht auf die steirische Situation genommen werden. Im neunten Kapitel soll daher nicht nur eine Betrachtung zu Anschluss und Ausbreitung der Politik des Nationalsozialismus in der Steiermark gegeben werden, um die bereits aufgegriffenen Aspekte in den folgenden Kapiteln der Diplomarbeit kombinieren zu können, sondern besonders auf die Situation steirischer Frauen, sowie die den Alltag rekonstruierenden Dimensionen Schule, Freizeit und Familie in der Steiermark eingegangen werden.

Bildet der erste Teil der Arbeit den notwendigen theoretischen Rahmen, so stellt sich nun im neunten Kapitel die Aufgabe, konkrete Schicksale und damit Details, Emotionen und Lebensereignisse geprägt von Erfahrungen steirischer Frauen, welche in der NS-Zeit aufwuchsen, festzuhalten. Nach einem Überblick über die angewandte Methode zur Interviewführung und die Bedeutung der qualitativen Sozialforschung, sowie der näheren Erklärung der „Oral History“, erfolgt im Laufe dieses Kapitels ebenso eine Zusammenführung der durchgeführten Interviews in Themenkreisen. Diese sollen schließlich die wissenschaftlichen Erkenntnisse ergänzen und für ein besseres Verständnis über Mädchen- und Jugendjahre in der Steiermark unter dem NS-Regime sorgen.

10 2. Frauen-und Geschlechterforschung zum Nationalsozialismus

Obwohl nichts stereotyper ist als das Bild von Frauen und Mädchen im Nationalsozialismus, müssen Pauschalurteile, wie beispielsweise das „Dritte Reich“ hätte dazu beigetragen, die Frauen gänzlich zu entrechten, versklaven und als Gebärmaschinen einzusetzen, durch differenzierte Betrachtungsweisen ausgebaut und eingehend untersucht werden, da kriegsbedingte Notwendigkeiten aufkommen ließen. Deshalb sind auch unterschiedliche Abstufungen der nationalsozialistischen Geschlechterhierachie zu erkennen.6 Weiters können typische Klischees zur Rolle des weiblichen Geschlechts im Nationalsozialismus widerlegt werden, da sich die Handlungsräume von Frauen in der NS-Zeit als durchaus komplex erwiesen. So wurden Frauen keineswegs ausschließlich auf die Mutterrolle eingrenzen, sondern fungierten auch als „Täterinnen, Opfer, Mitläuferinnen, Zuschauerinnen, Widerstandskämpferinnen und Helferinnen“.7 Ebenso wird der „Status der Frau“ in der Geschlechterforschung häufig als Widerspiegelung einer Gesellschaft und ihres kulturellen Fortschrittes gesehen. Für den Nationalsozialismus bedeutet dies, dass „Weiblichkeit“ zu einem Bild der „Degradierung der gesamten Kultur“ durch die Maßnahmen der Nationalsozialisten wird. Somit steht die unter Hitler „verführte und degradierte Frau“ auch im Zusammenhang mit der „verführten und degradierten deutschen Nation“.8

Die Bedeutung des Geschlechteraspektes für das Funktionieren der nationalsozialistischen Herrschaft ist vor allem durch die feministische Theorie sichtbar gemacht worden. Eine fundierte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Geschlechterverhältnissen des NS- Staates findet nunmehr bereits seit über 30 Jahren statt. Diese Auseinandersetzung brachte entscheidende Erkenntnisse, einerseits für die Frauen- und Geschlechterforschung allgemein, wie auch für die NS-Forschung im Speziellen. Dabei wurde auch den divergierenden Auffassungen nachgegangen. Dabei handelt es sich um eine Debatte die zunächst vor allem in Deutschland und damit früher als in Österreich geführt wurde,9 da in Österreich erst in den

6 Vgl. SCHNEIDER, Frauen unterm Hakenkreuz. 2001. S. 7. 7 Vgl. FRIETSCH Elke / HERKOMMER Christina, Nationalsozialismus und Geschlecht: eine Einführung. In: Elke FRIETSCH / Christina HERKOMMER (Hgg.) Nationalsozialismus und Geschlecht. Zur Politisierung und Ästhetisierung von Körper, Rasse und Sexualität im Dritten Reich und nach 1945. Bielefeld 2009. S. 9-48, S. 10. 8 Vgl. Ebd. S. 14. 9 Vgl. GEHMACHER Johanna / HAUCH Gabriella, Einführung. In: Johanna GEHMACHER / Gabriella HAUCH (Hgg.), Frauen- und Geschlechtergeschichte des Nationalsozialismus. Fragestellungen, Perspektiven, neue Forschungen. Innsbruck-Wien-Bozen 2007. S. 7-19, hier: S. 8f. 11 1980er Jahren Studien zur Thematik „Frauen in der NS-Zeit“ durchgeführt wurden.10 Seit jenem Zeitpunkt kann man das Potenzial der Frauen- und Geschlechtergeschichte des Nationalsozialismus in mehreren Forschungs- und Publikationswellen betrachten, welche sich bis heute in grundsätzlich drei Phasen einteilen lassen. So beschreibt die erste Phase seit Mitte der 1970er Jahre eine Perspektive, in der Frauen als „Opfer“ gesehen worden sind, während sich die zweite Phase der Frauenforschung Mitte der 1980er Jahre den Frauen als „Täterinnen“ widmet.11 Damit begann man schließlich das positive Frauenbild kritisch zu hinterfragen und dabei auch die bisher als unpolitisch bewertete Rolle der Hausfrau näher zu untersuchen.12

Die Annahme der Frau als (Mit-)Täterin führte so auch zu hitzigen Debatten in der feministischen Forschung; eine Kontroverse, welche von Gisela Bock auch als „Historikerinnenstreit“ bezeichnet wurde. Dabei ging es weniger um die Diskussion über die direkte Täterschaft von Frauen, sondern vor allem um die Annahme, Frauen wären als Mütter, Ehefrauen und Hausfrauen und durch ein Klammern an diese „weibliche Sphäre“ zu Täterinnen geworden, weswegen die „Täterinnenthese“ als Gegenstück zum zuvor herrschenden Opferstatus aufgefasst wurde.13 Daneben kann nach Betrachtung der ersten zwei Phasen bereits erkannt werden, dass die gesamte „holzschnittartige“ Opfer-Täter-Dichotomie in ihrer heute kaum mehr überprüfbaren Phaseneinteilung nicht unumstritten ist, da sie wie jede Form von Kategorisierung Ausschlüsse und Verallgemeinerungen schafft14 und dabei vor allem eine kritische Beurteilung der ersten Phase der Forschungen entstehen lässt.15 Auch die binär konstruierten Begriffe wie „Opfer/TäterIn“ eignen sich nicht als analytische Kategorien, da die Termini moralische Urteile und Konnotationen beinhalten und somit noch keine entscheidende Erklärung für die Handlungsweise historischer Frauen darlegen.16

Schließlich kam es in der wahrnehmbaren letzten und dritten Phase seit den 1990er Jahren zu einem Paradigma- und Perspektivwechsel in der Geschlechterforschung, welcher zu einer generellen Differenzierung von Frauen- und Geschlechteraspekten in Bezug auf

10 Vgl. SCHMIDLECHNER Karin M., Aspekte einer Geschlechtergeschichte von Krieg und NS-Zeit in der Steiermark. In: Heimo HALBRAINER / Gerald LAMPRECHT / Ursula MINDLER (Hgg.). NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse. Wien-Köln-Weimar 2012. S. 523-533, hier: S. 524. 11 Vgl. FRIETSCH / HERKOMMER, Nationalsozialismus und Geschlecht: eine Einführung, 2009, S. 28. 12 Vgl. KOMPISCH Kathrin, Täterinnen: Frauen im Nationalsozialismus. Köln-Weimar-Wien 2008. S. 9. 13 Vgl. FRIETSCH / HERKOMMER, Nationalsozialismus und Geschlecht: eine Einführung, 2009, S. 29. 14 Vgl. Ebd. S. 25. 15 Vgl. LANWERD Susanne / STOEHR Irene, Frauen- und Geschlechterforschung zum Nationalsozialismus seit den 1970er Jahren. Forschungsstand, Veränderungen, Perspektiven. In: Johanna GEHMACHER / Gabriella HAUCH (Hgg.), Frauen- und Geschlechtergeschichte des Nationalsozialismus. Fragestellungen, Perspektiven, neue Forschungen (= Querschnitte 23). Innsbruck-Wien-Bozen 2007. S. 22-69, hier: S. 22. 16 Vgl. FRIETSCH / HERKOMMER, Nationalsozialismus und Geschlecht: eine Einführung, 2009, S. 31. 12 Nationalsozialismus führte.17 Nun wurde man sich bewusst, dass es zwischen den unterschiedlichen Lebenssituationen zu differenzieren galt und dabei zu unterscheiden war, aus welcher Schicht eine Frau stammte, ob sie zur damaligen Zeit als „arisch“ oder „jüdisch“ zu definieren war, ob sie beruflich oder in der häuslichen Sphäre tätig war, bereits verheiratet oder noch ledig war oder welche politische Grundsätze sie hatte.18 Es wurde versucht, die geschlechtsspezifischen Rollenzuschreibungen nicht länger als soziales Konstrukt zu sehen und somit Körperlichkeit bzw. Zweigeschlechtlichkeit als naturbedingte Gegebenheit zu hinterfragen.19

Seit Mitte der 1990er Jahre wurden auch die verschiedenen Handlungsräume und Teilhabemöglichkeiten von Frauen im Nationalsozialismus durchleuchtet,20 wobei klar wurde, dass der Geschlechteraspekt den Frauen bestimmte Handlungsräume, wie beispielsweise den Aufstieg in die meisten höheren Positionen des NS-Regimes, versperrte. Gleichzeitig eröffnete er aber auch weitere geschlechtsspezifische Handlungsräume für sie, welche wiederum unterschiedlich wahrgenommen wurden. Dabei erschienen vor allem die Gewalttaten, die von Frauen, wie beispielsweise KZ-Aufseherinnen, begangen wurden, als besonders brutal, da sie nicht den traditionellen Weiblichkeitsbildern entsprachen.21 Häufige Klischees zur Rolle der weiblichen Bevölkerung im „Deutschen Reich“ konnten seither widerlegt werden, da die Mehrheit an Frauen weder ausschließlich in der Mutterrolle ihre Erfüllung fand, noch sich zu geringeren Maßen im Arbeitsleben wiederfand als es vor 1933 üblich war.22

Für Analysen war nun nicht ausschließend eine Kategorisierung im Rahmen des Konzeptes von „Opfer“ oder „TäterInnen“ ausschlaggebend, sondern neben den Handlungsspielräumen von Frauen auch der Aspekt nationalsozialistischer Geschlechterarrangements während der NS-Zeit und die vermittelten Geschlechterbilder in medialen Inszenierungen, welche nicht nur während des „Dritten Reiches“, sondern auch lange nach der Zeit des Nationalsozialismus noch immer in den Köpfen verankert blieben. Zusammenfassend lässt sich daher erkennen, dass die Kategorie Geschlecht ein wichtiger Aspekt ist, um nicht nur den Nationalsozialismus selbst, sondern auch die Funktionsweise und die gesellschaftlichen Auswirkungen zu analysieren.23

17 Vgl. LANWERD / STOEHR, Frauen- und Geschlechterforschung zum Nationalsozialismus seit den 1970er Jahren. Forschungsstand, Veränderungen, Perspektiven, 2007, S. 22. 18 Vgl. KOMPISCH, Täterinnen: Frauen im Nationalsozialismus, 2008, S. 10. 19 Vgl. FRIETSCH / HERKOMMER, „Nationalsozialismus und Geschlecht: eine Einführung“, 2009, S. 29. 20 Vgl. KOMPISCH, Täterinnen: Frauen im Nationalsozialismus, 2008, S. 10. 21 Vgl. FRIETSCH / HERKOMMER, Nationalsozialismus und Geschlecht: eine Einführung, 2009, S. 32. 22 Vgl. Ebd. S. 10. 23 Vgl. FRIETSCH / HERKOMMER, Nationalsozialismus und Geschlecht: eine Einführung, 2009, S. 31-33. 13

Grundsätzlich kann erkannt werden, dass die historische Geschlechterforschung zum Nationalsozialismus breit gefächert ist und in unzählige Bereiche der Forschung, wie beispielsweise zuletzt auch in die Auseinandersetzung zwischen Gedächtnis und Geschlecht, hineinreicht. Dabei wird nicht nur die Gewichtung des Geschlechteraspektes in der Bilderpolitik und den Darstellungen der NS-Ideologie offenbart, sondern auch die Rekonstruktion gesellschaftlicher Geschlechterverhältnisse, ausgelöst durch den Nationalsozialismus, durch unterschiedliche Ansichtspunkte in der Forschung aufgegriffen und untersucht. Auch die Diskussion über den Bezug und die Verbindung zwischen den Kategorien Geschlecht und „Rasse“ hat hierbei zu einem Bruch des eindimensional aufgefassten Geschlechteraspektes geführt.24 Im Zusammenhang mit der Rassen- und Expansionspolitik des Nationalsozialismus muss daher auch die Geschlechterdifferenz nicht länger als generalisierende Divergenz betont werden, sondern soll in unterschiedlichen Kontexten, wie beispielsweise NS-Politiken, Berufs- und Familienarbeit oder Beteiligung und Widerstand am NS-Regime, aufgegriffen werden.25

Als Idee und Ziel der zukünftigen Frauen- und Geschlechterforschung stehen neben der Bedeutung von Konstruktionen des weiblichen Geschlechts auch die sich steigernden Untersuchungen von Männlichkeitskonstruktionen im „Dritten Reich“, welche ebenso in eine Analyse einbezogen werden sollten und vor allem hinblickend auf die „neue Täterforschung“ sowie die Widerstandsforschung hilfreich für neue Ergebnisse sein könnten. Näher eingehende Betrachtung bräuchte es außerdem für den Zusammenhang zwischen Geschlecht und Religion im Nationalsozialismus, da diese Verbindung als noch nicht systematisch erforscht gilt.26 Daneben wäre eine Vertiefung der Vor- und Nachgeschichte für weitere Untersuchungen der „Kontinuitäten des Nationalsozialismus in beideRichtungen“ von zentraler Bedeutung.27

24 Vgl. GEHMACHER / HAUCH (Hgg.), Einführung, 2007, S. 8f. 25 Vgl. LANWERD / STOEHR, Frauen- und Geschlechterforschung zum Nationalsozialismus seit den 1970er Jahren. Forschungsstand, Veränderungen, Perspektiven. Innsbruck-Wien-Bozen 2007. S. 22-69, hier: S. 57. 26 Vgl. Ebd. S. 58. 27 Vgl. FRIETSCH / HERKOMMER, Nationalsozialismus und Geschlecht: eine Einführung, 2009, S. 11. 14 3. „Das Zweite Geschlecht“ – Frauen- und Geschlechterverständnis des Nationalsozialismus

Bereits im Laufe der Geschichte und damit noch vor der NS-Zeit wurde in bürgerlich- patriarchalen Gesellschaften „Mütterlichkeit“ als Verhaltensmuster des weiblichen Geschlechtes gesehen, was als soziales Konstrukt dazu verwendet wurde, Frauen aus den Lebens- und Erwerbssphären von Männern auszuschließen.28 Anknüpfend an dieses Erbe war auch innerhalb des nationalsozialistischen Regimes die Theorie der Ungleichheit der menschlichen Geschlechter vorherrschend.29 Während die Knaben zu handeln hatten, wurde von den Mädchen nur verlangt zu sein. Somit stand die Frau stets zwischen dem Gegensatz der Überheblichkeit der „Herrenrasse“ und der Unterwürfigkeit ihres eigenen Geschlechtes. Auch wenn das NS-Regime das weibliche Geschlecht zur Zweitrangigkeit im Vergleich zu „arischen“ Männern degradierte, so war die Frau in der NS-Zeit dennoch in ihrer Position erhoben über alle „rassisch minderwertigen“ Personen.30 Festgehalten werden kann daher, dass das Gesellschaftsbild innerhalb des NS-Staates durchaus basierend auf Rassen- und Geschlechterungleichheit strukturiert wurde.31 Daher wirkt sich die Kategorie Geschlecht auch erheblich auf Ideologie, Bilderpolitik und Lebensverhältnisse im „Dritten Reich“ aus.32

3.1 Vom Mädchen zur Frau: Frauenbild und Ideologie im Nationalsozialismus Unter dem Nationalsozialismus wurden Bereiche des kulturellen, wirtschaftlichen sowie sozialen Lebens den Vorstellungen des NS-Regimes angepasst, weswegen auch Männern und Frauen ungleiche Rollen in der Gemeinschaft zugedacht wurden.33 Jedoch gab es während der Herrschaft des Nationalsozialismus unterschiedliche Facetten nationalsozialistischer Weiblichkeitsvorstellungen, welche unmittelbar nach 1933 anders aussahen als gegen Ende des Krieges. Die Auffassungen zu nationalsozialistischen Frauenbildern differenzierten ebenso in den verschiedenen NS-Organisationen, wie beispielsweise dem Bund Deutscher Mädel oder der NS-Frauenschaft, weshalb von einem einheitlichen ideologischen Bildnis der Frau unter dem Nationalsozialismus nicht die Rede sein kann, sondern viel eher ging es um Vorurteile,

28 Vgl. WALDHERR-SCHMIDTH Hiltraud, Pervertierte Emanzipation der Frau und die Organisation von weiblicher Öffentlichkeit im Nationalsozialismus. In: Barbara SCHAEFFER-HEGEL (Hg.), Frauen und Macht. Der alltägliche Beitrag der Frauen zur Politik des Patriarchats (= Frauen in Geschichte und Gesellschaft 6). 2. Auflage. Pfaffenweiler 1988. S. 10-36, hier: S. 10. 29 Vgl. KOONZ, Mütter im Vaterland. Frauen im Dritten Reich, 1991, S. 26. 30 Vgl. Ebd. S. 235 31 Vgl. Ebd. S. 26. 32 Vgl. FRIETSCH / HERKOMMER, Nationalsozialismus und Geschlecht: eine Einführung, 2009, S. 9. 33 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 279. 15 Wünsche und Ansprüche der Nationalsozialisten.34 Während das männliche Idealbild des Kriegshelden stets dominanter Vorreiter im NS-Staat blieb, lässt sich kein einheitliches weibliches Leitbild der NS-Zeit erkennen. Eher lassen sich zwei nebeneinander existierende Ideale von Frauen erfassen: Zum einen das unmündige, mütterliche, häusliche, züchtige und erduldende Mädchen und zum anderen das mutige, eigenständige, sportliche und kameradschaftliche Mädel.35

Grundsätzlich wurden die vielfältigen Positionen und Handlungsräume von Frauen durch die idealtypische Frauensituation, die aufgrund von Propaganda, Gesetzgebung und Erwerbstätigkeit ermittelt werden kann, häufig allein auf die Gebärfunktion reduziert.36 Dabei wurde auch das weibliche Geschlecht auf den animalischen Bereich begrenzt, welcher an sie die biologische Hauptforderung, „reinrassige“ Kinder zu gebären stellte.37 Vor allem auch, da die erste Phase der NS-Herrschaft in Deutschland von Arbeitslosigkeit geprägt war, sollten Frauen wieder aus dem Arbeitsleben verdrängt werden und auf diese biologische Funktion und damit auf die als „alte Vorsehung“ betonte Tätigkeit zurückberufen werden.38 Die Glorifizierung des „Mutter-Seins“ diente dabei stets der Verhüllung der Degradierung und Reduktion der Frau auf ihre Funktion als Gebärerin. Die Frauen als Gruppe waren somit nicht nur ausgeschlossen aus dem politischen Leben, sondern auch waren betroffen von einer faschistischen Frauen- und Familienpolitik, die sich vorrangig auf die Vollziehung der Rassenideologie fokussierte.39 Frauenverbände sollten nach der NS-Machtergreifung entweder ausgeschaltet oder an das NS-Regime angepasst werden,40 wobei anderweitige aktive Beteiligungen im öffentlichen und politischen Raum für Frauen grundsätzlich nicht vorgesehen waren.41 Ab 1935 sollte hauptsächlich die „Nationalsozialistische Frauenschaft“ für Frauenfragen richtungsweisend sein, welche außerdem Beaufsichtigungs- und

34 Vgl. REESE Dagmar (Hg.), Die BDM Generation. Weibliche Jugendliche in Deutschland und Österreich im Nationalsozialismus. Potsdamer Studien Band 19. Berlin-Brandenburg 2007. S. 10. 35 Vgl. RADEMACHER Sabine, „Die opferbereite Kameradin“. Schule, Erziehung und Ausbildung der Mädchen im Dritten Reich. In: Kerstin MERKEL / Constance DITTRICH (Hgg.), Spiel mit dem Reich. Nationalsozialistische Ideologie in Spielzeug und Kinderbüchern. Wiesbaden 2011. S. 63-70, hier: S. 68. 36 Vgl. NYSSEN Elke, Frauen und Frauenopposition im Dritten Reich. In: Kurt-Ingo FLESSAU / Elke NYSSEN / Günter PÄTZOLD (Hgg.), Erziehung im Nationalsozialismus. „...und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben!“. Köln-Wien 1987. S. 23-43, hier: S. 26. 37 Vgl. TIDL Georg, Die Frau im Nationalsozialismus. Wien 1984. S. 11-13. 38 Vgl. BERGER Karin, Zwischen Eintopf und Fließband – Frauenarbeit und Frauenbild im Faschismus Österreich 1938-1945. Wien 1984. S. 12. 39 Vgl. NYSSEN, Frauen und Frauenopposition im Dritten Reich, 1987, 32. 40 Vgl. DAMMER Susanne, Kinder, Küche, Kriegsarbeit – Die Schulung der Frauen durch die NS-Frauenschaft. In: Frauengruppe Faschismusforschung (Hg.), Mutterkreuz und Arbeitsbuch. Zur Geschichte der Frauen in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1981. S. 215-245, hier: S. 215. 41 Vgl. SCHMIDLECHNER Karin M. / ZIEGERHOFER Anita et al., Geschichte der Frauen in der Steiermark. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Graz 2017. S. 36. 16 Schulungsaufgaben übernahm und damit Frauen ebenso organisatorisch an das Regime binden sollte.42

Während Politik, Öffentlichkeit und Krieg zur Welt des Mannes zählen sollten, geziemte es sich für Frauen, sich um Familie, Heim und Kinder zu sorgen.43 Hitler selbst stellte die Forderung nach zwei unterschiedlichen Welten eindeutig klar, da er betonte: „Wenn die Welt des Mannes der Staat sei, dann sei die Welt der Frau ihr Ehemann, ihre Familie, ihre Kinder und ihr Heim.“44 Die Existenz geschlechtlich segregierter Welten war ein zentrales Merkmal des Nationalsozialismus. So wurde die Trennung der Geschlechter nicht nur in Jugendorganisationen, sondern sogar bis in die Arbeits- und Konzentrationslager hinein aufrechterhalten, was als Herrschaftsmittel genutzt wurde, um Menschen besser integrieren bzw. kontrollieren zu können.45 Zusätzlich betonte Hitler aber auch die Treue und Opferbereitschaft des weiblichen Geschlechts, welches stets an der Seite des Mannes stehen sollte, am Parteitag 1935: „Wir sehen in der Frau die ewige Mutter unseres Volkes und die Lebens-, Arbeits- und auch Kampfgefährtin des Mannes.“46 Im nationalsozialistischen Denken stand somit eine starke patriarchalische Ideologie im Vordergrund, welche die Frau zur „Gefolgschaft des Mannes“ machte.47

Auf Grundlage der wesenseigenen sozial-biologischen Berufung der Frau,48 welche das Frauenbild mit „Natur, Erdhaftigkeit, Emotionalität, Irrationalität, Fruchtbarkeit, Selbstaufopferung, masochistischer Unterwürfigkeit und geistiger Minderwertigkeit“ verband,49 wurden somit amtlich drei weibliche Tätigkeitsbereiche festgelegt, welche die ideologische Eingrenzung bestätigten: Mutterschaft, Hausfrauendasein und frauliche Arbeit.50 Die Gesamtheit an „deutsch-arischen Frauen und Mädchen“ sollte nach Vorstellung der Nationalsozialisten naturgegeben ein Talent für alle „fraulichen Arbeiten und Berufe“ aufweisen. Im Hinblick auf ihre spätere Funktion sollte die Berufstätigkeit für Frauen, wenn sie denn notwendig wurde, eingeschränkt werden auf soziale, pflegerische und erzieherische

42 Vgl. BENZE Ute, Frauen im Nationalsozialismus. Dokumente und Zeugnisse. München 1993. S. 14f. 43 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 280. 44 Zit. nach: TIDL, Die Frau im Nationalsozialismus, 1984, S. 11. 45 Vgl. REESE, Die BDM Generation, 2007, S. 10. 46 Zit. nach: BERGER, Zwischen Eintopf und Fließband, 1984, S. 13. 47 Vgl. SCHNEIDER, Frauen unterm Hakenkreuz. Hamburg 2001. S. 7. 48 Vgl. KINZ Gabriele, Der Bund Deutscher Mädel. Ein Beitrag über die außerschulische Mädchenerziehung im Nationalsozialismus. (= Europäische Hochschulschriften Reihe XI Pädagogik 421). 2. unveränderte Auflage. Frankfurt am Main – Bern – New York – Paris 1991. S. 116. 49 Vgl. BERGER, Zwischen Eintopf und Fließband, 1984, S. 12. 50 Vgl. TIDL, Die Frau im Nationalsozialismus, 1984, S. 73. 17 Tätigkeiten, wie die der Erzieherin, Kindergärtnerin und Lehrerin, der Fürsorgerin, Krankenschwester, der Büglerin, Köchin, Näherin, Schneiderin, Wäscherin, aber auch jene der Bäuerin.51 Höhere Berufspositionen, welche ebenso Intellektualität beanspruchten, waren somit mit der Vorstellung des „Wesens der Frau“ unvereinbar.52 Auch Reichsinnenminister Frick hielt dabei fest:

„Als erreichbares Ziel muß jedoch abgesteckt werden: Die Mutter soll ganz ihren Kindern und der Familie, die Frau sich dem Manne widmen können und das unverheiratete Mädchen soll nur auf solche Berufe angewiesen sein, die der weiblichen Wesensart entsprechen. Im Übrigen soll jede Berufstätigkeit dem Manne überlassen werden.“53

Auf diese Weise wollte man in Deutschland bis etwa im Jahr 1936 das Frauenbild vor allem auch nach den Bedürfnissen der Wirtschaft anpassen. Besonders unverheiratete Mädchen und Frauen sollten sich an jenen idealtypischen Berufen orientieren, jedoch durch die Ergreifung dieser gleichzeitig ihre vermeintlich angeborene „Mütterlichkeit“ der gesamten „Volksgemeinschaft“ zur Verfügung stellen. Ähnlich wie die Nationalsozialisten in Deutschland, hatte zu jener Zeit in Österreich die „Vaterländische Front“ für bestimmte Frauenberufe nach „natürlichen Grenzen der weiblichen Leistungsfähigkeit“ geworben.54 In seiner Grundhaltung war der Austrofaschistische Ständestaat dabei vor allem auch von den Wertvorstellungen der katholischen Kirche geprägt, weswegen auch in Österreich eine gottgewollte Geschlechterdifferenz samt katholischer Ehen- und Familienpolitik verfolgt wurde.55 Neben dieser Einschränkung der Berufe und Tätigkeiten für Frauen wurde jede Art von Emanzipation abgewiesen. Frauen sollten stattdessen lieber geistig, wie auch seelisch als unmündig gelten, um stets in Abhängigkeit von anderen zu leben.56 Das eindimensional gehaltene Frauenbild der Nationalsozialisten negierte dabei die Existenz von einigen emanzipierten Frauen, welche stets gegen das restriktive Bildungssystem der Partei ankämpfen mussten.57

51 Vgl. Ebd. S. 82. 52 Vgl. HAMMER-LUZA Elke, Alltags- und Frauenleben in der NS-Zeit. In: Alfred ABLEITINGER (Hg.), Bundesland und . Demokratie, „Ständestaat“ und NS-Herrschaft in der Steiermark 1918 bis 1945. Wien- Köln-Weimar 2015. S. 467-478, hier: 467. 53 Zit. nach: EPPLER Christoph J., Erziehung im Nationalsozialismus. Bündische Jugend – Hitlerjugend – Reformpädagogik. Beltheim-Schnellbach 2012. S. 521. 54 Vgl. BERGER, Zwischen Eintopf und Fließband, 1984, S. 19f. 55 Vgl. SCHMIDLECHNER Karin M., Austrofaschistische Geschlechterpolitik und Frauenwiderstand. In: Werner ANZENBERGER / Heimo HALBRAINER (Hgg.), „Unrecht im Sinne des Rechtsstaates“. Die Steiermark im Austrofaschismus. Graz 2014. S. 197-216, hier: S. 198f. 56 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 116. 57 Vgl. RADEMACHER, „Die opferbereite Kameradin“, 2011, S. 68. 18 Auch wenn das Bestreben des Nationalsozialismus im Vordergrund stand, die Frau aus der Öffentlichkeit zu verdrängen, preiste man sie stets für Tätigkeiten, die sie unbeachtet verrichten konnte, an, und propagierte ihr Bild überhöht als Mutter und Bewahrerin der „rassisch wertvollen“ Nachkommen. Daher war auch eine Partnerschaft zwischen einer „deutsch- arischen Frau“ mit Juden, Roma und Sinti oder „Ostarbeitern“ als „Rassenschande“ bekannt.58 Akzeptanz fand Mutterschaft nun vor allem deswegen unter den Frauen, da damit ein modernes Frauenbild propagiert wurde, welches Gesunderhaltung und „Verbesserung“ des Volkskörpers bedeutete.59 Sollten die meisten Frauen in der NS-Zeit politisch auch keine Macht gehabt haben, so dürfen die Massen an jubelnden Frauen auf der Straße, sowie weitere Aussagen von Zeitzeuginnen nicht vergessen werden, welche bezeugen, dass Unterdrückung häufig nicht spürbar war, sondern viel eher die aktive Einbindung in eine „große Sache“, welche der „Volksgemeinschaft“ diente.60 Nun sollte vor allem auch die „aufopfernde Mutter“, welche bereit war, ihre Söhne für das „Vaterland“ zu opfern, in den Fokus der Vorstellung rücken.61

Spätestens mit Kriegsbeginn versuchte man deshalb geringfügige Anpassungen des Typs von Frau durchzuführen, weswegen jener der „opferbereiten Kameradin“ eingeführt wurde. Sie sollte eigentlich nur vorübergehend über ihren zugedachten Verantwortungsbereich hinauswachsen, um als Vertretung für die abwesenden Männer in den Bereichen von Landwirtschaft bis hin zur Rüstungsindustrie zu wirken.62 Somit wurden den bereits genannten und amtlich sanktionierten drei Schwerpunkten des nationalsozialistischen Frauenbildes die Bereitschaft „zu glauben“ und „zu dienen“ hinzugefügt. Zu „dienen“ in diesem Zusammenhang meinte arbeiten und opfern, wobei man darunter wiederum den vollen Einsatz bei der Arbeit von den Frauen erwartete, sowie die Bereitschaft zu gehorchen; Eigenschaften, welche bereits zuvor vorhanden gewesen sein sollten und laut nationalsozialistischer Ansicht nun ausgebaut wurden.63 Der Kriegseinsatz von Frauen brachte demnach lediglich geringfügige Änderungen der geschlechtsspezifischen Leitbilder mit sich. Wirklich gestattet war es Frauen nämlich nur in der Ausnahmesituation der Kriegszeiten, die ihnen eigentlich zugedachte Rolle als Mutter und Hausfrau zu verlassen.64

58 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 280f. 59 Vgl. VINKEN Barbara, Die deutsche Mutter. Der lange Schatten eines Mythos. 2. Auflage. Frankfurt am Main 2011. S. 217. 60 Vgl. EINÖDER Sylvia, Handlungsräume von Frauen während der NS-Zeit jenseits der „Opfer-Täterinnen- Dualität“. Ungedr.-Dipl. Arb. Graz 2010. S. 33. 61 Vgl. BERGER, Zwischen Eintopf und Fließband, 1984, S. 22. 62 Vgl. RADEMACHER, „Die opferbereite Kameradin“, 2011, S. 67. 63 Vgl. TIDL, Die Frau im Nationalsozialismus, 1984, S. 84f. 64 Vgl. PAPST Christina, Die staatliche Mädchenerziehung im Nationalsozialismus. Ungedr.-Dipl. Arb. Graz 2015. S. 30. 19 3.2 Das NS-Körper-, Verhaltens- und Schönheitsideal Die von der Propaganda getragene Rolle der Frau hat Reichspropagandaleiter Goebbels in nur wenigen Worten umschrieben: „Die Frau hat die Aufgabe schön zu sein und Kinder zur Welt zu bringen.“65 Damit stellt sich heraus, dass nach dem bereits erwähnten „Wesen“ der Frau sich ebenso eine bestimmte Auffassung ihres Erscheinungsbildes ergab. Eine Frau unter der Idealvorstellung des Nationalsozialismus sollte dabei vor allem Schlichtheit und Natürlichkeit aufweisen.66 Etwaige Luxussymbole, wie das Tragen von übermäßigem Schmuck, Pelz, Stöckelschuhen, Parfum und Make-up, Lippenstift und Puder waren tabu, da dies als „unanständig“ galt. Auch männliche Attribute, wie das Rauchen oder ein Kurzhaarschnitt, galten als „entartet“ und sollten vermieden werden. Eher entsprach eine ideale „deutsche Frau und Mutter“ dem Bild des biologischen Nutzens.67 Von der Sonne gebräunte Haut, ein gesundes Aussehen, sowie ein in Gretchenfrisur, Dutt oder Zöpfen getragenes Haar waren wünschenswert.

Auch wenn die Meinungen zu Kosmetik und Schönheitspflege in den oberen Parteikreisen divergierten, war man sich zu jeder Zeit darüber einig, ein „deutsches“ Erscheinungsbild der Frauen aufrechterhalten zu wollen.68 Nicht nur sollte sie von einer „ordentlichen Kinderschar“ umgeben sein, sondern sich auch „sauber und anständig“ präsentieren, womit nicht nur Körperhygiene und Mentalität, sondern ebenso „Rassenhygiene“ gemeint waren.69 Dem nordischen Schönheitsideal entsprechend, forcierte man dabei Frauen mit blonden Haaren, welche oftmals auch gebleicht wurden, um dem Idealbild näher zu sein.70 Dies wurde ebenso im nationalsozialistischen Liedergut vermittelt, in welchem „blonde Mägdelein“, „deutsche Mädel“ mit „gold´nen Locken“ und „blauem Mieder“ betont wurden.71 Auch die Erhaltung der Gesundheit und damit verbundene sportliche Leistungen sollten von jeder „deutsch-arischen“ Frau eingehalten werden.72 Sport als Ausdruck von disziplinierter und kontrollierter Aktivität

65 Zit. nach: TIDL, Die Frau im Nationalsozialismus, 1984, S. 9. 66 Vgl. HAMMER-LUZA, Alltags- und Frauenleben in der NS-Zeit, 2015, S. 473. 67 Vgl. CRIPS Liliane, Modeschöpfung und Frauenbild am Beispiel von zwei nationalsozialistischen Zeitschriften. Deutsche Mutter versus Dame von Welt. In: Leonore SIEGELE-WENKSCHKEWITZ / Gerda STUCHLIK (Hgg.), Frauen und Faschismus in Europa. Der faschistische Körper (= Frauen in Geschichte und Gesellschaft 6). Pfaffenweiler 1988. S. 228-235, hier: S. 230. 68 Vgl. TIDL, Die Frau im Nationalsozialismus, 1984, S. 82. 69 Vgl. CRIPS, Modeschöpfung und Frauenbild am Beispiel von zwei nationalsozialistischen Zeitschriften, 1988, S. 230. 70 Vgl. PAPST, Die staatliche Mädchenerziehung im Nationalsozialismus, 2015, S. 29. 71 Vgl. WIGGERSHAUS Renate, Frauen unterm Nationalsozialismus. Wuppertal 1984. S. 33. 72 Vgl. SCHNEIDER Felix. Alltag und Gleichschaltung im Dritten Reich. Aspekte und Begriffswelten am Beispiel der Stadt Graz. In: Stefan KARNER (Hg.), Graz in der NS-Zeit 1938-1945. Graz-Wien-Klagenfurt 1999. S. 301- 329, hier: S. 315. 20 war nun ein wichtiger Bestandteil des Alltaglebens, da die Gesundheit von Frauen zu einer öffentlichen Verwaltungsangelegenheit modifiziert wurde.73 Außerdem habe eine Frau nicht nur physische, sondern auch psychische Geschlechtsmerkmale vorzuweisen. Zugedacht wurden ihr Attribute wie keusch und sittsam, anständig und treu, ordentlich und sparsam, sauber und schlicht, sowie warmherzig und hilfsbereit.74 Aber auch ein starkes Gefühlsleben, Liebe zur Kunst und Beeinflussbarkeit,75 sowie die NS-Normen des „deutschen Arbeitscharakters“ samt Leistungsfähigkeit, Aufstiegswillen und Arbeitsfreude, wurden dem weiblichen Geschlecht nachgesagt und dementsprechend propagiert.76

3.3 Von Mütterpolitik und der Rolle der Frau als Mutter und Hausfrau Durch die Betonung der Familie und dem Aufbau des Mutterkultes gelang dem Nationalsozialismus schließlich die Durchsetzung des bürgerlichen „Hausfrauen- und Mütterlichkeitsideals“.77 Nicht nur die weibliche Persönlichkeit, sondern auch der Aufgabenkreis werden nunmehr auf eine Betrachtung der Frau als bloßes Geschlechtswesen reduziert, da das gefühlsmäßige Profil aufgrund der biologischen Denkweise im Nationalsozialismus verloren ging. Das Bild einer Frau, welche nicht Mutter wurde, war nach Ansicht des NS-Regimes von keinem Wert, da Mutterschaft der zentrale Punkt und die Berechtigung weiblichen Lebens waren.78 „Fortpflanzungsverweigerung“, wie auch Unfruchtbarkeit, konnten im „Dritten Reich“ sogar zu Schuldzuweisungen gegenüber Frauen führen,79 da jene nicht der Pflicht zur „Erhaltung der Rasse“ nachkamen und somit für das NS- Regime „bevölkerungspolitische Blindgänger“ darstellten.80 Für jene Frauen, welche sich dem Gebärzwang fügten, galt die Vorgabe von körperlich gesunden, „arischen“ und damit erbgesunden Kindern.81 Nachwuchs war demnach nur von jenen Paaren wünschenswert, welche selbst den rassistischen Bedingungen des Nationalsozialismus entsprachen und auch politische Überzeugung vorwiesen. Tatsächlich wurde Kinderbeihilfe nur nach diesen Kriterien

73 Vgl. CRIPS, Modeschöpfung und Frauenbild am Beispiel von zwei nationalsozialistischen Zeitschriften, 1988, S. 229. 74 Vgl. TIDL, Die Frau im Nationalsozialismus, 1984, S. 82f. 75 Vgl. NIESSEN Anne, „Die Lieder waren die eigentlichen Verführer!“. Mädchen und Musik im Nationalsozialismus. Mainz 1999. S. 94. 76 Vgl. WALDHERR-SCHMIDTH, Pervertierte Emanzipation der Frau und die Organisation von weiblicher Öffentlichkeit im Nationalsozialismus, 1988, S. 31. 77 Vgl. DAMMER, Kinder, Küche, Kriegsarbeit – Die Schulung der Frauen durch die NS-Frauenschaft, 1981, S. 233. 78 Vgl. SCHYMROCH Hildegard, Von der Mutterschule zur Familienbildungsstätte: Entstehung und Entwicklung in Deutschland. Freiburg im Breisgau 1989. S. 46. 79 Vgl. BENZ Wolfgang, Das Dritte Reich. Die 101 wichtigsten Fragen. 3. Auflage. Nördlingen 2012. S. 22. 80 Vgl. WIGGERSHAUS, Frauen unterm Nationalsozialismus, 1984, S. 21. 81 Vgl. TIDL, Die Frau im Nationalsozialismus, 1984, S. 74. 21 jenen gewährt, die dazu beitrugen, die deutsche „Volksgemeinschaft“ vor dem vermeintlichen „Volkstod“ zu schützen, 82 da sie „dem Führer ein Kind schenken“ konnten.83 Basierend auf Sozialdarwinismus und Eugenik, kam es auch zum Ausbau des nationalsozialistischen Sterilisationsprogrammes, welches Abbrüche von Schwangerschaften und Sterilisationen von Frauen aufgrund „eugenischer Gründe“ anstrebte. Ebenso sollte das von SS-Reichsführer Himmler im Jahr 1935 eingeführte Institut „Lebensborn“, Frauen nach nationalsozialistischem Idealbild auswählen und zur Züchtung einer „rassischen Elite“ führen.84

Geprägt durch die Vorstellung der Nationalsozialisten wurde ein Propagandabild nach außen getragen, welches von einer „deutschen Mutter“ eine Mindestanzahl von vier Kindern erwartete.85 Die Ideologie des weiblichen Geschlechts wurde dabei auf unterschiedliche Art vermittelt, wie beispielsweise durch offizielle Reden, Bilder glücklich erscheinender Mütter oder Gratulationskarten für die Geburt von „Stammerhaltern“.86 Es regnete deshalb auch Honorierungen für die „deutsch-arische Mutter. Für überdurchschnittliche Gebärleistungen, welche die Idealvorstellung übertrafen, wurde Frauen das „Ehrenkreuz der deutschen Mutter“ verliehen.87 Als Symbol der Hochachtung sollte es die inferiore Stellung der Frau heben. Das Mutterkreuz in Form eines Ordens wurde in Bronze an Mütter von vier bis sechs Kindern, in Silber für sechs bis sieben und in Gold für acht und mehr Kinder verliehen.88

Von allen mütterlichen Tätigkeiten war eine der wichtigsten die hausfrauliche Aktivität. An die Hausfrau stellten sich die nationalsozialistischen Erwartungen weiblicher Tugenden wie Ordentlichkeit, Sparsamkeit und Sauberkeit, wobei sie nicht nur kochen und aufräumen können sollten, sondern ebenso Fähigkeiten für Schneiderei, Handarbeit, Gartenarbeit und Gesundheitspflege aufweisen mussten. Ein Dasein als Mutter und Hausfrau war im Nationalsozialismus so entscheidend, dass es 1941 sogar zu einer staatlich anerkannten Berufsausbildung aufgewertet wurde.89 Jener Beruf konnte als Haushaltslehre, Mütterschulung, Säuglingspflege, Mütterdienst und Volksgesundheitsdienst erlernt werden.90 Im

82 Vgl. BAILER, Brigitte, Frauen und Nationalsozialismus. In: Bundesministerium für Inneres / Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hgg.), 1938 NS-Herrschaft in Österreich. Texte und Bilder aus der gleichnamigen Ausstellung. Wien 1998. S. 21-22. hier: S. 21. 83 Vgl. NYSSEN, Frauen und Frauenopposition im Dritten Reich, 1987, S. 28. 84 Vgl. KUHN Anette / ROTHE Valentina (Hgg.), Frauen im deutschen Faschismus. Band 1: Frauenpolitik im NS-Staat (= Geschichtsdidaktik: Studien, Materialien 9). 2. Auflage. Düsseldorf 1983. S. 131f. 85 Vgl. TIDL, Die Frau im Nationalsozialismus, 1984, S. 73. 86 Vgl. NYSSEN, Frauen und Frauenopposition im Dritten Reich, 1987, S. 28. 87 Vgl. TIDL, Die Frau im Nationalsozialismus, 1984, S. 73. 88 Vgl. BENZ, Das Dritte Reich, 2012, S. 24. 89 Vgl. TIDL, Die Frau im Nationalsozialismus, 1984, S. 76-77. 90 Vgl. VINKEN, Die deutsche Mutter, 2011, S. 229. 22 Nationalsozialismus erreichte man dadurch unzählige Mädchen und Frauen, welche hauswirtschaftliche Bildung bereits in der Schule, im Arbeitsdienst, an Abenden der NS- Frauenschaft oder in Mütterschulungen absolvieren mussten.91 Organisationen, wie die NS- Frauenschaft oder das Hilfswerk „Mutter und Kind“ der NS-Volkswohlfahrt, trugen ebenso einen großen Teil dazu bei, Frauen auf die Rolle der Hausfrau vorzubereiten. Auch in der Propaganda wurde dies immer stärker kundgetan, was auch im Kriegsverlauf zunahm.92

3.4 Sinn und Zweck der Ehe(frau) Nicht nur in der „Volksgemeinschaft“ hatte sich eine Frau im Nationalsozialismus unterzuordnen, sondern ebenso in der Familie. War das weibliche Geschlecht auch in erster Linie Mutter, kam danach die Bedeutung als Ehefrau auf die Frauen zu, mit dem Zuständigkeitsbereich für die tägliche Erholung des Mannes in Arbeits- und Tatkraft.93 Die Definition einer Frau erfolgte daher stets durch ihre Zugehörigkeit zu bzw. Abhängigkeit zu einem Mann. Diese Aufgabe übernahm in der Kindheit der Vater und später der Ehemann. Bereits von frühster Kindheit an hatte dabei jedes Mädchen auf das Eheleben vorbereitet zu werden. War eine Frau im heiratsfähigen Alter, jedoch nicht verheiratet, wurde sie häufig als „alte Jungfer“ abgestempelt und mit Eigenschaften wie Verschrobenheit, Hässlichkeit und Griesgrämigkeit gleichgesetzt.94 Gesehen wurde die Ehe nicht als „Selbstzweck“, sondern viel eher als politisches, ökonomisches und moralisches Erfordernis durch die patriarchalische Gesellschaft.95 Eine Eheschließung sollte der Vorgabe nach nicht unbedingt aus Liebe geschehen, sondern wiederum aus dem Dienst zur „Vermehrung und Erhaltung der Art und Rasse“. Um „rassisch wertvolle“ Ehen und den daraus resultierenden Kindersegen zu fördern, wurde in Deutschland schon bald nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten das Ehestandsdarlehen eingeführt.96

Auch in Österreich wurden Sozialleistungen mit der Verordnung zur „Förderung der Eheschließungen und der Gewährung von Kinderbeihilfen an kinderreiche Familien in der Ostmark“ vom 30. März 1938 wirksam, welche vor allem bedeutend für Arbeiterschaft und

91 Vgl. WALDHERR-SCHMIDTH, Pervertierte Emanzipation der Frau und die Organisation von weiblicher Öffentlichkeit im Nationalsozialismus, 1988, S. 31. 92 Vgl. HAMMER-LUZA, Alltags- und Frauenleben in der NS-Zeit, 2015, S. 467-469. 93 Vgl. LAUF-IMMERSBERGER Karin, Literatur, Schule und Nationalsozialismus. Zum Lektürekanon der höheren Schule im Dritten Reich (= Saarbrücker Beiträge zur Literaturwissenschaft 16). St. Ingbert 1987. S. 188. 94 Vgl. BURGHARDT Christina, Die deutsche Frau. Küchenmagd-Zuchtschau-Leibeigene im III. Reich. Geschichte oder Gegenwart? (= Frauen im Faschismus 2). Münster 1978. S. 76-77. 95 Vgl. Ebd. S. 44. 96 Vgl. GRUBE Frank / RICHTER Gerhard, Alltag im Dritten Reich. So lebten die Deutschen 1933-1945. Hamburg 1982. S. 105-106. 23 Landbevölkerung waren.97 Ein Ehestandsdarlehen wurde jenen Familien gewährt, bei denen die Frau ihre Erwerbstätigkeit aufgab. Da jedes gesund geborene Kind den Rückzahlungsbetrag um 25 Prozent reduzierte, war dies auch ein Anreiz, um Kinder zu gebären.98 Bevor es jedoch zu einer Bewilligung der Darlehen kam, hatte sich das Paar einer umfassenden Prüfung zu unterziehen, welche die wirtschaftliche, politische und eugenische Eignung betrachtete.99 Geregelt wurde nun auch die Familienbeihilfe, welche der Staat ab dem dritten Kind bezahlte.100 Waren Ehepaare jedoch länger als fünf Jahre verheiratet und dabei kinderlos, mussten sie ab Februar 1938 „Strafsteuersätze“ bezahlen.101

97 Vgl. KARNER Stefan, Die Steiermark im Dritten Reich 1938-1945. Aspekte ihrer politischen, wirtschaftlich- sozialen und kulturellen Entwicklung. 3. Auflage. Graz 1994. S. 330. 98 Vgl. SCHMIDLECHNER / ZIEGERHOFER et al., Geschichte der Frauen in der Steiermark, 2017, S. 98-99. 99 Vgl. GRUBE / RICHTER, Alltag im Dritten Reich, 1982, S. 106. 100 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 280f. 101 Vgl. TIDL Georg, Die Frau im Nationalsozialismus, 1984, S. 9. 24 4. Nationalsozialismus und Pädagogik - Ein Blick auf den NS-Staat als Erziehungsstaat

Mit der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten und dem Einsatz von Adolf Hitler als Reichskanzler veränderte sich das Leben der Menschen in Deutschland drastisch. Konnten deutsche Bürger vor Februar 1933 noch weitgehend selbst über ihre private und politische Existenz entscheiden, so mussten sie nach dem Wechsel von Demokratie zu nationalsozialistischer Diktatur vor allem eines sein: Nationalsozialist. Die Ideologie der Nationalsozialisten, vom „Führer“ auch als nationalsozialistische Weltanschauung bezeichnet, samt der Pläne Hitlers und Maßnahmen zu deren Ausführung, hatten für deutsche Staatsbürger von nun an heilig zu sein und akzeptiert zu werden, was schlussendlich auch den Erziehungssektor beeinflusste.102 Auch wenn der austrofaschistische Ständestaat die Politik des NS-Regimes von 1933 bis 1938 noch als illegal kennzeichnete, wird beispielsweise durch Untersuchungen zu deutschnationalen und nationalsozialistischen Frauenorganisationen durchgeführt von Johanna Gehmacher (1998), deutlich, dass im „Sonderfall“ Österreich ebenso die nationalsozialistisch geprägte Ideologie und Geschlechterpolitik seit 1938 verfolgt wurde.103

4.1 Grundlegendes zu Erziehung unter der NS-Herrschaft Unter dem Begriff Erziehung versteht man generell die „planmäßige Einwirkung der älteren Generation auf die Heranwachsenden“.104 Durch die Einwirkung der Erziehungsideologien der NS-Herrschaft auf die Bevölkerung kommt jedoch die Frage auf, ob man bei Betrachtung der pädagogischen Praxis und Theorie des „Dritten Reiches“ überhaupt von Erziehung sprechen kann. Erziehungsauffassungen der Nationalsozialisten durchbrachen lange bestehende Maßstäbe der Pädagogik wie etwa, dass Erziehung versuchen sollte, die Selbstständigkeit und Mündigkeit von Kindern und Jugendlichen zu fördern, oder dass das „Wohl“ des Kindes vorrangig sei.105 Erziehung im Nationalsozialismus fand ihre Funktion jedoch eher als Chiffre, die ihre pädagogische Eigenschaft verliert, da sie die „totale Erfassung des ganzen Menschen“

102 Vgl. MANN Erika, Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich. 7. Auflage. Hamburg 2017. S. 21. 103 Vgl. LANWERD / STOEHR, Frauen- und Geschlechterforschung zum Nationalsozialismus seit den 1970er Jahren, 2007, S. 34f. 104 Zit. nach: SCHOLTZ Harald, Erziehung und Unterricht unterm Hakenkreuz. Göttingen 1985. S. 11. 105 Vgl. LINGELBACH Karl Christoph, „Erziehung“ unter der NS-Herrschaft – methodische Probleme ihrer Erfassung und Reflexion. In: Wolfgang KEIM (Hg.), Pädagogen und Pädagogik im Nationalsozialismus – Ein unerledigtes Problem der Erziehungswissenschaft (= Studien zur Bildungsreform 16). 2. Auflage. Frankfurt am Main – Bern – New York – Paris 1990. S. 47-64, hier: S. 47. 25 betrifft.106 Während man pädagogische Bezüge nun aus dem Erziehungsfeld rückte, bestanden zentrale Forderungen an die Bevölkerung schließlich aus der Pflicht zur Treue gegenüber Gemeinschaft und Führer und daher in der politischen Sozialisation der Bevölkerung.107

Damit forderte man im NS-Regime nun viel eher die Umerziehung der Gesamtbevölkerung, ohne eine Unterscheidung zwischen älterer und jüngerer Generation zu treffen, üblicherweise ausgeführt durch Organisationen der Partei. Die Umformung umfasste Motive, Wertvorstellungen und Verhalten, weswegen diese Veränderung auch als Erziehung bzw. eventuell sogar als „Nazifizierung“ und damit Involvierung in das NS-System verstanden werden kann.108 Erziehung im Sinne des Nationalsozialismus bedeutete nun nicht länger Erziehung nur am Kind, da nun ein Erziehungsanspruch dargelegt wurde, der sich bis ins Alter zog. Mit dieser breiten Ausdehnung des Erziehungsbegriffes, welcher nun ebenso Erwachsene betraf, durchbrach man im Nationalsozialismus den traditionellen Erziehungsbegriff, wobei das Hauptaugenmerk nun nicht mehr auf Bildung und Erziehung im heutigen Sinn, sondern Einordnung und Manipulation der Masse verstanden werden kann.109 Nationalsozialistische Erziehung war ihrem Wesen nach nicht interessiert an der Ausprägung der Persönlichkeit, sondern verstand sich vor allem auch als Umformung zu einem neuen Menschenbild, welches sich in „Typenzucht“ bzw. „Typenprägung“ abzeichnete.110 Das Individuum wurde nun regelrecht zu einem Objekt politischer Erziehungsarbeit, worin Pädagogik auf Drill, Zucht und Disziplinierung aller psychischen, geistigen und körperlichen Fähigkeiten reduziert wurde.111 Bildung war nunmehr zugleich als parteipolitische, ideologische Erziehung, sowie berufsorientierte Ausbildung zu definieren.112

Aufgegriffen wurde die Umsetzung der Erziehung im Nationalsozialismus durch die Initiativen und Triebkräfte von vielen Erziehern, Jugendführungen und Jugendlichen selbst, da sie die Hoffnung auf eine geistige und sittengemäße Wiederbelebung der Nation hatten.113 Zwar wurde

106 Vgl. STAHLMANN Martin / SCHIEDECK Jürgen (Hgg.), „Erziehung zur Gemeinschaft – Auslese durch Gemeinschaft“. Zur Zurichtung des Menschen im Nationalsozialismus. Bielefeld 1991. S. IX. 107 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 100. 108 Vgl. SCHOLTZ, Erziehung und Unterricht unterm Hakenkreuz, 1985, S. 11. 109 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 86-97. 110 Vgl. BUDDRUS Michael, Totale Erziehung für den totalen Krieg. Hitlerjugend und nationalsozialistische Jugendpolitik. Band 13/1. München 2003. S. 60. 111 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 103. 112 Vgl. FLESSAU Kurt-Ingo, Schule der Diktatur. Lehrpläne und Schulbücher des Nationalsozialismus. München 1977. S. 23. 113 Vgl. LINGELBACH Karl Christoph, Erziehung und Erziehungstheorien im nationalsozialistischen Deutschland. Ursprünge und Wandlungen der 1933-1945 in Deutschland vorherrschenden erziehungstheoretischen Strömungen: ihre politische Funktionen und ihr Verhältnis zur außerschulischen Erziehungspraxis des „Dritten Reiches“. Frankfurt am Main 1987. S. 15. 26 im monolithischen „Führerstaat“ der totale Anspruch auf Erziehung geltend gemacht, jedoch war eine Vielzahl von Ansprüchen existente Realität.114 Alltägliche Wirkungsmechanismen, welche sich aus den objektiv ergebenden und subjektiv beabsichtigten ergaben, trugen sich im Zusammenspiel von schulischem Unterricht, außerschulischer Ausbildung und weiteren Sozialisationsfaktoren zu, und machten daher die eigentliche nationalsozialistische Erziehung aus.115

4.2 Die Ideologie des Nationalsozialismus als Fundament des Erziehungsgedankens im „Dritten Reich“ Befehlshaber des „Dritten Reiches“ beteuerten, dass es sich beim Nationalsozialismus um eine „Revolution der Erziehung, die sich auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung“ vollstrecke, handelte.116 Erziehungsprobleme mündeten deshalb von 1933 bis 1945 in dem Inhalt der Weltanschauung.117 Der dabei zu erreichende Totalitätsanspruch des nationalsozialistischen Regimes im Sinne eines Erziehungs- und Herrschaftsanspruches über alle Menschen wurde von einem der führenden Pädagogen der NS-Zeit, Ernst Krieck, näher erläutert: „Der Nationalsozialismus ist eine Weltanschauung, die einen totalen Anspruch auf Geltung erhebt und nicht Sache zufälliger Meinungsbildung sein will. Das Mittel, diesen Anspruch durchzusetzen, heißt Erziehung.“ Eine gesamte „völkische Erziehung“ wurde zum Bildungsideal ernannt, womit Erziehung und Umformung im nationalsozialistischen Sinne nicht nur am Kind ausgeübt wurde, sondern an der gesamten Bevölkerung.118 Erkennbar ist in dieser Aussage außerdem bereits eine Selbstauffassung des NS-Staates als Erziehungsstaat und seiner Bewegung als Erziehungsbewegung. Erziehung war nun nicht mehr Sache des Einzelnen oder der Eltern, sondern wurde Aufgabe des Staates.119 Das gesamterzieherische Handeln durchzog deshalb alle Staatstätigkeiten, weswegen abgegrenzte Institutionen für Bildung und Erziehung als überflüssig erachtet wurden.120

114 Vgl. HORN Klaus-Peter / LINK Jörg-W., Erziehungsverhältnisse im Nationalsozialismus. Totaler Anspruch und Erziehungswirklichkeit. Bad Heilbrunn 2011. S. 11. 115 Vgl. BUDDRUS, Totale Erziehung für den totalen Krieg, 2003, S. 61. 116 Zit. nach: LINGELBACH, Erziehung und Erziehungstheorien im nationalsozialistischen Deutschland, 1987, S. 25. 117 Vgl. Ebd. S. 25. 118 RADEMACHER, „Die opferbereite Kameradin“, 2011, S. 63. 119 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 103. 120 Vgl. DETJEN, Politische Bildung. Geschichte und Gegenwart in Deutschland. 2. Auflage. München 2013. S. 87. 27 Grundsätzlich wurde davon ausgegangen, dass sich Pädagogik im Rahmen der Praxis entwickeln würde, weshalb man auf Theorien in der NS-Zeit nur teilweise zurückgriff.121 Wirklich kompetente Fachkräfte, welche die nationalsozialistische Weltanschauung entsprechend vermittelten, standen den Nationalsozialisten nicht zur Verfügung. Bis 1933 konnte außerdem noch auf kein klar strukturiertes Erziehungs- und Bildungsprogramm zurückgegriffen werden, da dieses Problem von der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) noch nicht aufgegriffen worden war.122 Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die ideologische Konzeption des Nationalsozialismus nicht auf einer wissenschaftlichen und damit rational begründeten Lehre basierte, sondern eher als Ideenkonglomerat bestehend aus verschiedenen ideologischen Strömungen, Leitbildern sowie Hoffnungen und Interessen der deutschen Bevölkerung verstanden werden kann. In ihrer Ausprägung konnten Aufgabe und Inhalt der nationalsozialistischen Weltanschauung nach Bedarf modifiziert und funktional ausgerichtet werden. Diese Flexibilität ermöglichte es, keine eindeutige Systematik erkennen zu lassen und widersprüchliche Vorstellungen in das Weltbild der Nationalsozialisten zu integrieren, weshalb die nationalsozialistische Weltanschauung nach ihren Handlungen zentral auf ihren praktisch-politischen Effekt hin ausgerichtet werden konnte. So diente die Ideologie vor allem der Stabilisierung und Legitimation von nationalsozialistischen Handlungsweisen samt Ausprägung zu einem funktionierenden Staat unter den Vorstellungen der Nationalsozialisten. Nicht die geistige Ausprägung, sondern funktionale Wirksamkeit im Hinblick auf Massenwirksamkeit und -verführung waren entscheidend.123 Um ihre Ideen nun endgültig durchsetzen zu können, bediente sich die NSDAP der Massenpropaganda.124

Als prägend für den nationalsozialistischen Erziehungsgedanken galt die Idee einer Verbindung zwischen „Blut- und Bodenromantik“ und „völkischen“ Einflüssen.125 Ein komplexes Konstrukt zwischen Männlichkeitswahn, Paranoia und Gewalt kann als Grundlage jener Ideologie gesehen werden, welche darauf abzielte, Deutschland von den zerstörenden, „schmutzigen“ Elementen zu reinigen, von welchen man befürchtete, sie würden das „deutsche

121 Vgl. GUGLER Petra, „Du bist nichts, dein Volk ist alles“ Mädchen- und Frauenbildung im Faschismus. In: Ilse BREHMER / Gertrud SIMON (Hgg.), Geschichte der Frauenbildung und Mädchenerziehung in Österreich. Graz 1997. S. 264-288, S. 269. 122 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 86. 123 Vgl. Ebd. S. 88. 124 Vgl. GUGLER, „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, 1997, S. 270. 125 Vgl. RADEMACHER, „Die opferbereite Kameradin“, 2011, S. 63. 28 Volk“ zerstören.126 Politik und Erziehungsgedanken verschmolzen daher im NS-Staat zu einer Einheit.127 Vor allem die konkreten Begriffe Rasse, Gemeinschaft und Führer standen im Zentrum der nationalsozialistischen Weltanschauung.128

4.2.1 Sozialdarwinismus, Rassenlehre und Eliteprinzip Formend für den Nationalsozialismus war das Theorem des Sozialdarwinismus, aus dem auch die Lehre des „Rassegedanken“ abgeleitet wurde, welche schließlich im Mittelpunkt der nationalsozialistischen Ideologie stehen sollte und somit ebenso zum Beurteilungskriterium für politische Vorhaben wurde.129 Diese Ideologie basierte auf einer „irrationalen biologisch begründeten Denkweise“, welche die Auffassung des Deutschen Volkes als Urvolk der nordischen Rasse und ihre damit verbundene Überlegenheit unterstützte.130 Dem Gedanken des Ariertum der Deutschen als „Herrenrasse“ entsprechend war es diesem Volk infolgedessen auch vorherbestimmt, über andere Rassen zu herrschen, sie auszubeuten und dem Anspruch an einem erweiterten Lebensraum nachzugehen.131 Nach Hitlers Auslegung sollte somit allein der Arier als „Begründer höheren Menschentums“ gesehen werden, der bezeichnet als „der Prometheus der Menschheit“ im Besitz von hohen kulturellen Leistungsfähigkeiten zu sein vermochte.132 Auch nationalsozialistische Pädagogen übernahmen die Anschauung, der Arier sei die allein schöpferische Rasse und verbreiteten jenen Rassegedanken zunehmend.

Das „Rassedenken“ wurde nunmehr dazu verwendet, eine Legitimation für die Verherrlichung des eigenen Volkes, wie auch eine Bestimmung über Freund- und Feindbild festzulegen.133 Während die arische Rasse hervorgehoben wurde, behaftete man „den Juden“ mit negativen Eigenschaften und stellte ihn als politischen Kollektivfeind dar, der versuchen würde, die Rasse des Ariers auszuradieren.134 Da zwischen Volkstum und Rasse dennoch ein Unterschied bestand, hielt Hitler als Grundstein der völkisch-politischen Anthropologie eine Unterscheidung zwischen „Elite“ und „Masse“ innerhalb des Volkes für notwendig. Um einen „reinen nordischen Rassekern“ erhalten bzw. weiter reproduzieren zu können, galt es diesen

126 Vgl. MITSCHERLICH-NIELSEN Margarete, „Überlegungen einer Psychoanalytikerin zum Hitlerreich“. In: SIEGELE-WENSCHKEWITZ Leonore und STUCHLIK Gerda, Frauen und Faschismus in Europa. Der faschistische Körper (= Frauen in Geschichte und Gesellschaft 6). Pfaffenweiler 1988. S. 23-28, hier: S. 28. 127 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 87. 128 Vgl. Ebd. S. 86. 129 Vgl. NYSSEN, Schule im Nationalsozialismus, 1979, S. 20. 130 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 91. 131 Vgl. NYSSEN, Schule im Nationalsozialismus, 1979, S. 26. 132 Zit. nach: KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 91. 133 Vgl. Ebd. S. 92. 134 Vgl. NYSSEN, Schule im Nationalsozialismus, 1979, S. 21. 29 von der breiten „Masse“ zu differenzieren und auszulesen, da er zu einer emporgehobenen Stellung in Volk und Staat aufsteigen sollte.135 Wirklich erzogen werden sollten nur jene, welche der Vorstellung der „Volksgemeinschaft“ auch wirklich entsprachen. Die Auslese von Menschen aus der Bevölkerung basierte dabei auf Rassenhygiene wie auch Rassenanthropologie, wobei Unterschiede und selbst soziale Probleme als erblich bedingt präsentiert wurden.136 Gesundheit wurde in dem nationalsozialistischen Herrschaftssystem als „nationale Pflicht“ gefordert, weswegen auch Kranke, Schwache und Menschen mit Behinderung als „Menschen zweiter Klasse“ abgestempelt wurden. Auf Grundlage des von den Nationalsozialisten nicht erfundenen und dennoch übernommenen Konzeptes des Sozialdarwinismus wurde somit der Daseins-Kampf der Gesellschaft geschürt,137 indem allein der „Stärkere“, welcher die Anlage hatte, sich durchzusetzen, als höherwertig galt. Aus Darwins Theorie der Pflanzen und Tiere übertrug Hitler nun die Theorie von „der natürlichen Auslese im Kampf ums Dasein“ und verbreitete diese.138

4.2.2 Volksgemeinschaftsideologie Eng mit der Rassenlehre verbunden fand auch der Begriff der „Gemeinschaft“ einen zentralen Stellenwert im sozialanthropologischen Denken des Nationalsozialismus, welcher das Zusammengehörigkeitsbewusstsein des deutschen Volkes stärken sollte. Dies führte jedoch vom Individualismus, wie er in der Aufklärung dargelegt wurde, im Nationalsozialismus zurück zu einer mittelalterlichen Vorstellung der Welt, welche im rassisch bedingten „Wir“- Denken verankert war. Nach diesem Rückschritt des sich auflösenden Individuums sollte sich nun jeder Einzelne der Bevölkerung wieder als Teil des großen Ganzen – des Volkes – sehen und seine Dienste unter den Wert der Gemeinschaft stellen.139 Diese Idee von Gemeinschaft basierte nunmehr auf dem Kerngedanken der so genannten „Volksgemeinschaft“, indem stets betont wurde „Du bist nichts, dein Volk ist alles.“140

Neben dem Aspekt der Gemeinschaft und der Gleichheit aller Deutschen korrespondierte das Konzept der „Volksgemeinschaftsideologie“ mit dem zuvor erwähnten Glauben an die Überlegenheit der „Herrenrasse“ und die damit verbundene Unterdrückung anderer Rassen und Völker. Die Ideologie war nun der Auffassung, dass die in der Weimarer Republik greifbare

135 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 91. 136 Vgl. GUGLER, „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, 1997, S. 270. 137 Vgl. MALINA Peter, Kindsein im Nationalsozialismus. In: Bundesjugendvertretung (Hg.), Geraubte Kindheit. Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus. Wien 2010. S. 57-86, hier: S. 66. 138 Vgl. LINGELBACH, Erziehung und Erziehungstheorien im nationalsozialistischen Deutschland, 1987, S. 27. 139 Vgl. RADEMACHER, „Die opferbereite Kameradin“, 2011, S. 63. 140 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 94f. 30 Klassen- und Schichtengesellschaft nun in der NS-Zeit nicht mehr existent war, da der Nationalsozialismus jedem Deutschen das Gefühl einem bedeutenderen Volk anzugehören vermittelte.141 Jene Menschen, welche nach dem Ersten Weltkrieg nun ihre politische oder gesellschaftliche Orientierung verloren hatten, wurden durch die neue Identitäts- und Orientierungshilfe der Gemeinschaft des Nationalsozialismus wieder aufgefangen.142 Die Grenze zur „Volksgemeinschaft“ war zweifach behaftet und wurde einerseits durch rassistische Vorgaben der Nationalsozialisten und den mythenbesetzten Aspekt des „Blutes“ beschrieben, andererseits aber auch durch abweichendes Verhalten erklärt.143

4.2.3 Führerkult und Führer-Gefolgschaftsprinzip Bereits zuvor erwähnte Grundprinzipien der nationalsozialistischen Ideologie fanden schließlich eine politische Umsetzung, welche im Führerprinzip mündete. So wurde ein Gesetz geschaffen, welches nicht nur die nationalsozialistische Weltanschauung unterstützte, sondern auch als Grundlage für uneingeschränkte Handlungsfreiheit des NS-Regimes diente. Die Figur des „Führers“ war nun Mittelpunkt des Gemeinschaftslebens und diente als richtungsweisende Instanz. Innovativ an diesem rassistischen und sozialdarwinistischen Konzept war nun, dass prinzipiell jeder Führer werden konnte.144 Nach diesen Bestimmungen hielt Ernst Krieck fest, dass ein Führer auch bestimmte Charaktereigenschaften und Anlagen besitzen musste: „[...] mit der Führerautorität und ihrem Wertesystem entsteht Bindung, Form, feste Ordnung, Zucht, gemeinsame Ausrichtung und Haltung: Grundlage und Prinzip einer neuen Erziehung.“145

Zu Zeiten der nationalsozialistischen Erziehung vertraten daher auch die meisten Pädagogen die Idee des Führer-Gefolgschaftsprinzips. Dies brachte eine Ablehnung des demokratischen Gleichheitsgedankens mit sich, da es eine Glorifizierung des Führers schuf, welche beinahe mit einer Vergöttlichung gleichzusetzen war. Das Ziel der Führerideologie war es dabei, dem deutschen Volk eine absolute und damit nicht zu hinterfragende Unterordnung aufzuzwingen. Elke Nyssen führt das Kernstück dieser Idee weiter aus, in welcher Gefolgschaft „als Unterordnung unter den Willen des Vorgesetzten, als nicht zu hinterfragendes Ausführen von Befehlen und als kritiklose Einordnung in die Gemeinschaft“ hinzunehmen war.146 Eigene Interessen sollten nicht nur im Sinne der „Volksgemeinschaft“, sondern auch gegenüber dem

141 Vgl. NYSSEN, Schule im Nationalsozialismus, 1979, S. 26. 142 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 98. 143 Vgl. BAILER-GALANDA, Jugend im Nationalsozialismus, 2010, S. 51. 144 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 99f. 145 Zit. nach: KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 99. 146 Vgl. NYSSEN, Schule im Nationalsozialismus, 1979, S. 25. 31 Verfügungsanspruch des „Führers“ zurückgestellt werden. Durch die politisch aufgebaute Souveränität gegenüber dem Führer konnte das NS-Regime weite Teile der Bevölkerung zu kämpferischen, selbstvergessenen Taten überzeugen, welche absoluten Gehorsam voraussetzten. Das Vertrauen gegenüber Hitler und die Bedeutung des eigenen Auftrages sollte dabei bereits im Kindesalter reproduzierbar werden.147

4.3 Erziehungsziele des Nationalsozialismus Grundsätzlich lassen sich die allgemeinen Zielsetzungen des Nationalsozialismus nun auf Hitlers pädagogische Maximen dargelegt in seinem Buch „MeinKampf“ zurückführen, da sich darin formulierte Prämissen der Erziehungsarbeit innerhalb des völkischen Staates finden.148 Hauptziele der nationalsozialistischen Erziehung waren eine Schaffung der „Wehrtüchtigkeit“, sowie die „ideologische Schulung“.149 Wichtig war es nun nicht nur, eine rein ideologische Indoktrination, sondern eine ebenso tiefgreifendere Formung des Menschen zu schaffen. So zielte man besonders auf vorrationale und emotionale Schichten der menschlichen Psyche ab, wodurch Erziehung vor allem durch „Erlebnisse“, dabei besonders „Gemeinschaftserlebnisse“, angestrebt wurde.150

Da jede Art von Freiheit die Beständigkeit des inhumanen nationalsozialistischen Systems bedrohen konnte, wurden die Rechte des Individuums eliminiert und der einzelne Mensch auch mit Hilfe von Uniformierung zu einem bestimmten „Typus“ und damit Träger einer bestimmten Aufgabe nach Vorgabe der nationalsozialistischen Weltanschauung geschaffen.151 Von Hitler selbst wurde jener Menschentypus eigens definiert, da er einen „zwar wissenschaftlich wenig gebildeten, aber körperlich gesunden Menschen“ für bedeutsamer hielt, als einen „geistreichen Schwächling“.152 Die seit der Antike beinahe unangefochtene Rangskala der Erziehungswerte und -ziele wurde nun durch Hitler in wenigen Worten umgekehrt.153 Die Signifikanz des körperlich gesunden Mitgliedes der „Volksgemeinschaft“ war augenblicklich vorrangig gegenüber dem früheren Primat der geistigen Leistungen, weshalb es als erste Aufgabe des Staates galt, „im Dienste und zum Wohle seines Volkstums die Erhaltung, Pflege und Entwicklung der besten rassischen Elemente“ zu fördern und deshalb in der Ausbildung

147 Vgl. SCHOLTZ, Erziehung und Unterricht unterm Hakenkreuz, 1985, S. 11f. 148 Vgl. Ebd. S. 88. 149 Vgl. LINGELBACH, Erziehung und Erziehungstheorien im nationalsozialistischen Deutschland, 1987, S. 16. 150 Vgl. STAHLMANN / SCHIEDECK (Hgg.), Erziehung zur Gemeinschaft – Auslese durch Gemeinschaft, 1991, S. 7. 151 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel., 1991, S. 97. 152 Zit. nach: RADEMACHER, „Die opferbereite Kameradin“, 2011, S. 63. 153 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 24. 32 zunächst „körperliche Ertüchtigung“ zu präferieren. Somit war das höchste Ziel der gesunde Körper samt klarem Geist.154 Die „Heranzüchtung“ eines gesunden Körpers kann somit ausgehend von dem Streben nach der „rassischen“ Qualität der Bevölkerung als Weitergabe des so genannten wertvollen rassischen Erbgutes und auch auch Auslese zur Erhaltung der Reinheit der Rasse verstanden werden.155 Grundsätzlich festgehalten wurde von Hitler schließlich eine deutliche Rangordnung an Forderungen, in welcher der völkische Staat die Aufgabe habe:

„[...] seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie nicht auf das Einpumpen bloßen Wissens einzustellen, sondern auf das Heranzüchten kerngesunder Körper. Erst in zweiter Linie kommt dann die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten. Hier aber wieder an der Spitze die Entwicklung des Charakters, besonders die Förderung der Willens- und Entschlusskraft, verbunden mit der Erziehung zur Verantwortungsfreudigkeit, und erst als Letztes die wissenschaftliche Schulung“156

Die Idealvorstellung eines Menschen wurde einerseits in der „Verkörperung von männlicher Kraft“ und andererseits in „Weibern, die wieder Männer zur Welt bringen vermögen“ gesehen. Der Vorrang der körperlichen Ertüchtigung kann daher auch als pragmatische Forderung gesehen werden, da eine kerngesunde Jugend notwendig wurde, um bei den Jungen die spätere Wehr- und bei Mädchen die Gebärfähigkeit zu unterstützen. Daneben war die Bevorzugung von sportlicher Ertüchtigung ebenso von Bedeutung wie das Entsagen der Wissensvermittlung, da Sport als Weg zu steigendem Selbstvertrauen und zu wachsender Hoffnung auf Unbesiegbarkeit gesehen wurde.157

Als zweite Prämisse, neben der physischen Vitalität, lässt sich die psychische Qualität des „Volksgenossen“ und die damit verbundene Ausbildung geistig-seelischer Fähigkeiten, welche in der „Charaktererziehung“ Einzug finden, erkennen. Aufgefasst wurde diese als Betonung der „Willens- und Entschlusskraft“, welche in Verbindung mit der Schulung zur „Verantwortungsfähigkeit“ stand.158 Die Erziehung des Charakters war durch die neu beschworenen Willenshaltungen und -richtungen nämlich Fundament für die Rassenlehre, da sich das Volkstum zu einer Einheit verbinden sollte.159 Die Aufrechterhaltung des Ehrenkodexes, ausgestattet durch vorgestellte speziell germanische Tugenden wie „Ehrenbewusstsein, Mut, Ausdauer, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein“, erschienen innerhalb der „Volksgemeinschaft“ als notwendig und sollten daher unter der

154 Vgl. Ebd. S. 23f. 155 Vgl. LINGELBACH, Erziehung und Erziehungstheorien im nationalsozialistischen Deutschland, 1987, S. 29. 156 Zit. nach: FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 24. 157 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 21. 158 Vgl. LINGELBACH, Erziehung und Erziehungstheorien im nationalsozialistischen Deutschland, 1987, S. 29. 159 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 91. 33 Bevölkerung vertreten sein. Letztlich hatte auch die Charaktererziehung nun das ultimative Ziel der Wehrerziehung im Fokus.160 Zu Normen der nationalsozialistischen Erziehung wurden damit Fähigkeiten und Eigenschaften, welche einen „blind“ergebenen und lenksamen Soldaten ausmachten, da die Erziehung ihre Zuspitzung schließlich im Heer, der „letzten und höchsten Schule der Erziehung“, finden sollte.161 Der an den Schluss platzierten wissenschaftlichen Schulung wurde bewusst wenig Beachtung geschenkt, denn Hitler war der Auffassung, man sollte „das jugendliche Gehirn im Allgemeinen nicht mit Dingen belasten, die es zu 95% nicht braucht und daher auch wieder vergisst“.162

160 Vgl. DETJEN, Politische Bildung. Geschichte und Gegenwart in Deutschland, 2013, S. 88. 161 Vgl. LINGELBACH, Erziehung und Erziehungstheorien im nationalsozialistischen Deutschland, 1987, S. 31. 162 Zit. nach: LINGELBACH, Erziehung und Erziehungstheorien im nationalsozialistischen Deutschland, 1987, S. 29. 34 5. Sozialisation und Erziehung der Jugend im Nationalsozialismus

Als Abgrenzung zu einem veralteten, demokratischen Land, sah sich der NS-Staat schließlich als Sinnbild eines „jungen“ Deutschland und trug dieses Bildnis auch nach außen. Werte wie Jugendlichkeit wurden empor gehoben und verliehen jungen Menschen im „Dritten Reich“ als nationalsozialistische Zukunft und Hoffnungsträger neue Bedeutung.163 Über die Wichtigkeit der zukünftigen Generation an Nationalsozialisten war sich auch Hitler selbst bewusst, da er nicht nur seine Machtergreifung oftmals im Sinne der Jugend bekräftigte, sondern bereits auf dem Reichsparteitag der NSDAP 1933 den jugendlichen Fokuspunkt seiner Politik erkennen ließ und bemerkte:

„Ihr seid das kommende Deutschland [...] wie ihr es jetzt seid als deutsche Jugend, als unsere ganze Hoffnung, als unseres Volkes Zuversicht und unser Glaube [...] meine Jungen, ihr seid die lebenden Garanten Deutschlands, ihr seid das lebende Deutschland der Zukunft [...] ihr seid unseres Volkes Weiterleben.“164

Solche Äußerungen, welche es gekonnt vermochten, das Kind als „Träger der nationalen Zukunft“ darzustellen, schienen besonders den Wert der Jugend als „Menschenmaterial“ zu unterstreichen, die schlussendlich nicht um „ihretwillen“, „sondern im Dienst für das Wohl des Volkes“ erzogen werden sollten.165 Vorrangig fand der Zugriff auf die „deutsche Jugend“ somit nicht im pädagogischen Interesse, sondern zum Eigennutz des nationalsozialistischen Regimes und Stärkung ihres Herrschaftsanspruches statt.166 So wollte man aus dieser jungen Generation im NS-Regime, wie Kurt-Ingo Flessau treffend skizziert, den „kollektiv denkenden und handelnden, leicht führ- und lenkbaren, unkritischen und linientreuen, abgehärteten, blinden soldatischen Gehorsam beweisenden und nur nach vermeintlicher Germanenart verfahrende Volksgenossen“ kreieren, und ihn zu diesem Zweck einer radikalen Umformung vom Kleinkindalter an unterziehen.167 Diese Umerziehung war einschneidend für die weitere Entwicklung der Kinder, welche nun unter dem NS-Regime nicht zur Selbständigkeit und Selbstverantwortung, sondern zur Unmündigkeit als potentielles Objekt und Werkzeug des

163 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 145. 164 Zit. nach: STACHURA Peter D., Das Dritte Reich und Jugenderziehung: Die Rolle der Hitlerjugend 1933- 1939. In: Manfred HEINEMANN (Hg.), Erziehung und Schulung im Dritten Reich. Teil 1: Kindergarten, Schule, Jugend, Berufserziehung. (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft Band 4.1). 1. Auflage. Stuttgart 1980. S. 90-112, hier: S. 93f. 165 Vgl. HORN Klaus-Peter, „Immer bleibt deshalb eine Kindheit im Faschismus eine Kindheit“ – Erziehung in der frühen Kindheit. In: Klaus-Peter HORN / Jörg-W. LINK. Erziehungsverhältnisse im Nationalsozialismus. Totaler Anspruch und Erziehungswirklichkeit. Bad Heilbrunn 2011.S. 29-58, hier: S. 31f. 166 Vgl. MILLER-KIPP Gisela, „Totale Erziehung“ im nationalsozialistischen Deutschland: die Hitler-Jugend. In: Klaus-Peter HORN / Michio OGASAWARA / Heinz-Elmar TENORTH u.a. (Hgg.), Pädagogik im Militarismus und im Nationalsozialismus. Japan und Deutschland im Vergleich. Bad Heilbrunn 2006. S. 207-226, hier: S. 207. 167 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 9-11. 35 Systems erzogen wurden.168 In der späten Jugendphase wurde nun bereits die Übernahme persönlicher Verantwortung eingeübt und fixiert.169 Die Jugend sollte von nun an keine Privatinteressen mehr kennen, sich durch Prägung auf ihre regierte Umwelt dem Nationalsozialismus und seinen Machthabern fügen, nach dem Willen des „Führers“ leben und ihn als Vorbild verehren. Allein schon die verwendete Grußformel „Heil Hitler“ erinnerte sie tagein und tagaus an diese geforderte Lebensweise und umrahmte ihren Tagesablauf.170 Zum Erziehungsideal auserkoren wurden „Ordnung und Unterordnung, Pflicht und Gehorsam, sowie Stärke und Selbstverleugnung“.171

Diese Jugend sollte nun nicht nur körperlich bereit für den Krieg sein, sondern sich auch durch eine Ausbildung von zuvor bereits genannten geistigen Tugenden des Selbstvertrauens auszeichnen, um als beliebig manipulierbares Glied der „Volksgemeinschaft“ eingesetzt werden zu können. Dabei war die „körperliche Ertüchtigung“ ebenso wenig ein entscheidender Schritt des Entwicklungsprozesses für das zukünftige Leben der Jugendlichen, wie die Charaktererziehung auch zu keiner selbständigen Persönlichkeit verhalf.172 Schließlich formulierte Hitler auch den Gipfel der Erziehungs- und Bildungsarbeit für Kinder beider Geschlechter in nachdrücklicher Bestimmtheit:

„Die gesamte Bildungs- und Erziehungsarbeit des völkischen Staates muss ihre Krönung darin finden, dass sie den Rassesinn und das Rassegefühl instinkt- und verstandesmäßig in Herz und Gehirn der ihr anvertrauten Jugend hineinbrennt. Es soll kein Knabe und kein Mädchen die Schule verlassen, ohne zur letzten Erkenntnis über die Notwendigkeit und das Wesen der Blutreinheit geführt worden zu sein.“173

Dies unterstreicht Hitlers Standpunkt, dass nicht etwa Wohl oder Eigenrecht des Kindes vorrangig waren, sondern die Voraussetzungen für die Erhaltung der rassenmäßigen Grundlage des „deutschen Volkes“ geschaffen werden sollten.174 Im alltäglichen Leben waren deshalb selbst in der Kindheit rassistische Normen nicht zu umgehen.175 Die Prägung zu bestimmten vom Nationalsozialismus dargestellten „Typen“, sollte daher in der Phase beginnen, in der ein Mensch noch leicht beeinflussbar ist – in seiner frühesten Jugend.176 Kinder und Jugendliche

168 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 108. 169 Vgl. SCHOLTZ, Erziehung und Unterricht unterm Hakenkreuz, 1985, S. 12. 170 Vgl. MANN, Zehn Millionen Kinder, 2017, 21-23. 171 Vgl. MALINA Peter, Kindsein im Nationalsozialismus, 2010, S. 60. 172 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 108. 173 Zit. nach: LINGELBACH, Erziehung und Erziehungstheorien im nationalsozialistischen Deutschland, 1987, S. 29f. 174 Vgl. DETJEN, Politische Bildung. Geschichte und Gegenwart in Deutschland, 2013, S. 89. 175 Vgl. BAILER-GALANDA, Jugend im Nationalsozialismus, 2010, S. 52. 176 Vgl. BUDDRUS, Totale Erziehung für den totalen Krieg, 2003, S. 60f. 36 im Nationalsozialismus waren daher verschiedensten Formen von „stiller“, wie auch offener Gewalt ausgeliefert.177

Somit wurde der Anschluss Österreichs an das „Dritte Reich“ im Jahr 1938 von Kindern einerseits vor allem als Zuseher, andererseits als aktive Teilnehmer, welche bereits eingebunden in eine staatliche Jugendorganisation der Partei waren, miterlebt.178 Die politischen Auswirkungen konnten in unterschiedlichster Weise von der gesamten jungen Generation beobachtet werden, da der Nationalsozialismus versuchte, für die Errichtung einer „inneren Gleichformung“ alle Lebensbereiche zu durchdringen und sich von nun an Menschen jeden Alters dem Regime zu unterwerfen hatten. Als Maßnahme zu einer Erziehung nach NS-Ideal sollte jeder Einzelne durch vom NS-Regime geleitete Organisationen und Erziehungseinrichtungen an die Partei gebunden werden, wozu unter dem Nationalsozialismus nicht nur Institutionen wie Schulen (mit Unterteilungen wie Kindergarten etc.) und Hochschulen, sondern auch das Landjahr, der Reichsarbeitsdienst (RAD), das Pflichtjahr und die Wehrmacht zählten, welche neben den verschiedenen Formationen der NSDAP, wie der Schutzstaffel (SS), Sturmabteilung (SA), Hitler-Jugend (HJ), Bund Deutscher Mädel (BDM), etc., aufgeführt werden können.179 Sie alle orientierten sich nach derselben Vorstellung der „Blut- und Bodenromantik“ und legten Wert auf die Erziehungsform eines straffen Gemeinschaftslebens.180 In einer Rede im Jahr 1935 formulierte Hitler jenes ausgeklügelte Parteiprogramm, zugeschnitten auf die junge Generation:

Da kommt eine neue deutsche Jugend, und die dressieren wir schon von ganz klein an für diesen neuen Staat [...] Und wenn nun dieser Knabe und dieses Mädchen mit ihren zehn Jahren in unsere Organisation hineinkommen [...] dann kommen sie vier Jahre später vom Jungvolk in die Hitlerjugend, und dort behalten wir sie wieder vier Jahre. Und dann geben wir sie erst recht nicht zurück in die Hände unserer alten Klassen- und Standeserzeuger [Heiterkeit und Beifall], sondern dann nehmen wir sie sofort in die Partei oder in die Arbeitsfront, [... ]. Und wenn sie dort zwei oder anderthalb Jahre sind und noch nicht ganz Nationalsozialisten geworden sein sollten, dann kommen sie in den Arbeitsdienst und werden wieder sechs und sieben Monate geschliffen [...] und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben!181

Damit geltend gemacht wurde ein totaler Anspruch auf Erziehung, welcher beim Kind begann und ein ganzes Leben lang andauerte. Lückenlos sollte sich damit die „Dressur“ und Kontrolle

177 Vgl. MALINA Peter, Kindsein im Nationalsozialismus, 2010, S. 60. 178 Vgl. MALINA Peter, Jugend im Nationalsozialismus. In: Bundesministerium für Inneres / Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hgg.), 1938 NS-Herrschaft in Österreich. Texte und Bilder aus der gleichnamigen Ausstellung. Wien 1998. S. 15-16, hier: S. 15. 179 Vgl. STAHLMANN / SCHIEDECK, Erziehung zur Gemeinschaft – Auslese durch Gemeinschaft, 1991, S. 6. 180 Vgl. KANZ Heinrich (Hg.), Der Nationalsozialismus als pädagogisches Problem. Deutsche Erziehungsgeschichte 1933-1945 (= Europäische Hochschulschriften Reihe XI Pädagogik 178). Frankfurt am Main – Bern – New York 1984. S. 155 181 Zit. nach: RADEMACHER, „Die opferbereite Kameradin“, 2011, S. 64. 37 durch das ganze Leben der Menschen ziehen. Durch dieses Herauslösen der Jugendlichen aus bisher bestehenden sozialen Beziehungen wurden jene für die NS-Doktrin einfacher verfügbar, indem ihnen Handlungsmuster und Situationsdarstellungen vorgelegt worden waren, welche keine Fragen zuließen. Ständiger Einsatz und die Bekräftigung sportlicher Aktivitäten zur Zielerreichung von Staat und Partei lenkten Kinder und Jugendliche außerdem von ihrer Umwelt und anderen gesellschaftlichen Problemen ab.182

Kinder und Jugendliche wurden somit mobilisiert, um das NS-Regime propagandistisch zu unterstützen. Sie waren somit einer der Hauptadressaten der NS-Propaganda, die es galt für sich zu gewinnen und das nationalsozialistische Weltbild in ihrem Leben zu implementieren.183 Erreicht werden konnte dies vor allem durch von der HJ kontrollierte Medien und den Zugriff auf Kultursparten des NS-Jugendverbandes. Im Mittelpunkt der Erziehung des „neuen Menschen“ standen dabei vor allem die Kategorien „Vorbild“ und „Erleben“; Aspekte, die bereits von geschulten Führern vorgelebt wurden.184 Auch materielle Anreize verstärkten die Bereitschaft, Kinder und Jugendliche für den Nationalsozialismus zu gewinnen. So sollten beispielsweise nach „erbbiologischen“, „rassischen“ und „charakterlichen“ Merkmalen ausgewählte Jugendliche, welche bereits ein neun Monate dauerndes „Landjahr“ absolviert hatten, die Versprechung einer bevorzugten Lehrstellenvermittlung erhalten.185

Auch wenn die Identifikation mit dem NS-System bei der Generation der Jugendlichen, welche um 1928 geboren worden war und damit die Jugend während des Krieges erlebte, meist durch Unvereinbarkeiten und Krisen des NS-Systems erkennbar und daher brüchig wurde, sollte es noch ein weiter Weg zu einem eindeutigen demokratischen Bewusstsein werden. Spuren der nationalsozialistischen Ideologie und in Denk- und Verhaltensweisen eingeprägte Muster, beispielsweise einer selbstverständlichen autoritären hierarchisch strukturierten Gesellschaftsordnung, sollten für diese Generation noch lange schwer zu überwinden sein.186 Zu lange waren sie eingebunden in das System, da Auswirkungen der „Schwarzen Pädagogik“ auf Kinder bereits vor der Machtausbreitung des Nationalsozialismus in Deutschland 1933 bzw. dem Anschluss Österreichs 1938 sichtbar waren.187

182 Vgl. MALINA, Kindsein im Nationalsozialismus, 2010, S. 60. 183 Vgl. MALINA, Jugend im Nationalsozialismus, 1998, S. 15. 184 Vgl. BUDDRUS, Totale Erziehung für den totalen Krieg, 2003, S. 60. 185 Vgl. WIGGERSHAUS, Frauen unterm Nationalsozialismus, 1984, S. 43. 186 Vgl. KRÜGER Heinz-Hermann, Jugend und Jugendopposition. In: Kurt-Ingo FLESSAU, Elke NYSSEN, Günter PÄTZOLD, Erziehung im Nationalsozialismus. „...und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben“. Köln- Wien-Böhlau 1987. S. 9.22, hier: S. 21f. 187 Vgl. MALINA, Kindsein im Nationalsozialismus, 2010, S. 60. 38

5.1 „Von Kindern zu Küche und Kriegsarbeit“ – Mädchenerziehung im „Dritten Reich“ Allgemeines Desinteresse, sowie später aufkommende Ratlosigkeit bei der konkreten Definition der Erziehung von Mädchen und Frauen im Nationalsozialismus, spiegelte sich vor allem am Umfang Hitlers Ausführung zur Mädchenerziehung in seinem Werk „Mein Kampf“ wieder, da er dieser nur drei Sätze widmet:

„Analog der Erziehung des Knaben kann der völkische Staat auch die Erziehung des Mädchens von den gleichen Gesichtspunkten aus leiten. Auch dort ist das Hauptgewicht vor allem auf die körperliche Ausbildung zu legen, erst dann auf die Förderung der seelischen und zuletzt der geistigen Werte. Das Ziel der weiblichen Erziehung hat unverrückbar die kommende Mutter zu sein.“188

Diese Aussage sollte schließlich die Grundlage für die gesamte Mädchenerziehung ab 1933 darstellen, sie diente beispielsweise auch als Basis für die Erziehungsaufgabe des BDM und wurde auch von „NS-Pädagogen“ immer wieder aufgegriffen, da sich die nationalsozialistische „Pädagogik“ in „Mein Kampf“ ansonsten nur auf die Jungenerziehung konzentrierte. War das nationalsozialistische Erziehungsprogramm für die männliche Jugend auch bald gut strukturiert, so sah jenes für die Mädchen vergleichsweise unpräzise aus, da ein einheitliches Ziel für die Erziehung der weiblichen Jugend während der Zeit des NS-Regimes nicht durchgehalten werden konnte.189 Jedoch zeigt dieser Ausschnitt, dass auch die Erziehung der weiblichen Jugend mit den bereits zuvor genannten pädagogischen Maximen nationalsozialistischer Erziehung übereinstimmte. Die Forderung nach „körperlicher Tüchtigkeit“ zur Erhaltung von „Gesundheit und Widerstandsfähigkeit“ wurde von der Reichsjugendführung ebenso als Hintergrund für die Erziehung der weiblichen Jugend in Anspruch genommen, wie die Ausbildung „musischer Fähigkeiten“, welche dazu beitragen würde „Freude und Frohsinn [...] in alle Lebensbereiche [zu bringen], die dessen bedürfen, in Lazarette, Betriebe und Familien“.190 Die zentrale zukünftige Zielsetzung für Mädchen sollte dennoch eine andere sein wie für die männliche Bevölkerung, weswegen die Degradierung der Frau zur rein biologischen Funktion der Mutterschaft stattfand.191 Die weltanschauliche Erziehung sollte daher zu einer „politischen Willensbildung“ der Mädchen als „Frau und Trägerin deutschen Lebens, deutscher Kultur und Gesittung“ führen.192 Auch BDM-

188 Zit. nach: SCHELLNEGGER Astrid, Der Bund Deutscher Mädel – Unter besonderer Berücksichtigung der Identitätsbildung der Mädchen in dieser Jugendorganisation. Dipl.-Arb. Graz 1989. S. 23. 189 Vgl. RADEMACHER, „Die opferbereite Kameradin“, 2011, S. 67. 190 Vgl. BUDDRUS, Totale Erziehung für den totalen Krieg, 2003, S. LIH. 191 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 112. 192 Vgl. BUDDRUS, Totale Erziehung für den totalen Krieg, 2003, S. LIH. 39 Reichsreferentin Trude Bürkner schlug dementsprechend vor, „das Mädel soll als Mädel erzogen werden“.193

Erkannt werden kann dabei, dass bereits in früher Jugend das kindliche und jugendliche Spiel Jungen und Mädchen auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereiten sollten, wobei männliche wie auch weibliche Mitglieder der Gesellschaft nicht nur durch Rollenerwartungen, sondern vor allem auch durch die sorgsame Abstimmung von Erziehungsformen und -zielen an ihre Aufgaben herangeführt werden sollten. Es wurde darauf Wert gelegt, sie in dem Sinne zu sozialisieren, dass sie Fähigkeiten und Qualifikationen erlernten, die nicht nur in friedlichen, sondern auch kriegerischen Zeiten dazu beitrugen, gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu übernehmen.194 Wirft man einen Blick auf die Vorgaben von HJ, Schule, Jugendbüchern und Spielzeug, ausgerichtet auf die männliche Jugend, so lässt sich schnell eine Ausbildung und eine Prägung zu Wehrertüchtigung und Kampfbereitschaft erkennen. An der bisher allgemeingültig zu erscheinenden Funktionstätigkeit der Frau wurde dem Mädchenspielzeug nach zu urteilen ebenso wenig verändert. So zierten generell Puppen, Puppenstuben und - wagen, als „Trainingsgerät“für die kommende Mutter, die Zimmer vieler Mädchen im „Dritten Reich“. Auch geläufige Jugendliteratur kannte weder Heldinnen noch Forscherinnen, sondern meist nur den „Prototypen des kameradschaftlichen Mädels“, welches letztendlich in der Ehe seine Erfüllung fand.195 Somit verdichten sich unterschiedliche ideologische Leitbilder der weiblichen Erziehung weiter, wobei sie, basierend auf der Einstellung des NS-Regimes, stets in der zukünftigen Stellung des Mädchens in der Rolle der Mutter und Hausfrau münden sollten.196

Aussagen zur mädchenspezifischen Erziehung im „Dritten Reich“ orientierten sich vor allem an der nationalsozialistischen Vorstellung der geschlechtsspezifischen Veranlagung. So sollte man nun darauf achten, „die Frauen in den völkischen Lebensordnungen einzusetzen“, schließlich war man der Meinung, dass Jungen und Mädchen „so verschiedene Bestimmungen wie Anlagen [haben], die Gemeinschaft aber muß sich ihnen gleichermaßen zuwenden, sie [...] darf auf keine Werte Verzicht leisten, gleichgültig von welcher Seite sie ihr zufließen“.197 Während dem Mann mehr Aktivität zuzuschreiben war, sollte die Frau das passive Glied der

193 Zit. nach: RADEMACHER, „Die opferbereite Kameradin“, 2011, S. 67. 194 Vgl. ROBERTS Ulla, Starke Mütter – ferne Väter. Über Kriegs- und Nachkriegskindheit einer Töchtergeneration. Frankfurt am Main 2005. S. 84f. 195 Vgl. RADEMACHER, „Die opferbereite Kameradin“, 2011, S. 67f. 196 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 116. 197 Zit. nach: KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 120. 40 Gesellschaft sein.198 Es bestand in der NS-Zeit nun darüber Übereinkunft, dass Mädchen bereit sein sollten, sowohl Selbstentfaltung, als auch Selbstverwirklichung aufzugeben, sich eher in Härte und Verschwiegenheit üben sollten, sowie Empfindungen von Furcht, Schmerz und Trauer zu unterdrücken hatten. Ferner sollten sie kein Streben nach Gleichberechtigung entwickeln, sondern ihr Leben in „schöner Gelassenheit“ Familie und Haushalt widmen.199

Auch wenn sich die aufgezeigten zentralen Punkte in unterschiedlichen Ausprägungsformen in allen Bereichen der Sozialisation und Mobilisierung von Mädchen des gesamten „Dritten Reiches“ wiederfinden, werden schlussendlich auch weibliche Jugendliche auf die Kriegsziele des NS-Regimes hinsichtlich ihrer geschlechterspezifischen Aufgaben vorbereitet. Geprägt durch die Zeit der Kriegswirtschaft wurden sie nicht nur ideologisch geschult, sondern ebenso praktisch in das Regime einbezogen und auf ihre Rollen vorbereitet. Die Institution des Reichsarbeitsdienstes (RAD) wie auch das Pflichtjahr involvierten Mädchen und Frauen in die Kriegswirtschaft und zielten zugleich auf die Erziehung in Haushaltsführung und Mutterschaft ab.200 Grundsätzlich wurde deshalb bei den Aufgaben von Männern und Frauen unterschieden, wobei man junge Frauen zunächst bei der Pflege von Verwundeten und als Erntehilfen201, im Kriegshilfsdienst, aber auch in Ämtern der Wehrmacht, Behörden, Krankenhäusern, sowie Verkehrs- und Rüstungsbetrieben gebrauchen konnte.202

Grundsätzlich lässt sich nun im Bereich der Mädchenerziehung feststellen, dass die Ziele divergent waren. Während einerseits auf körperliche Betätigungen, besonders im Hinblick auf den gesunden „Volkskörper“, großen Wert gelegt wurde, wurden andererseits sportliche Frauen als unweiblich angesehen. Auf der einen Seite sollten die Mädchen für ihre Aufgaben als Hausfrau und Mutter vorbereitet werden, jedoch mussten sie nach Kriegsbeginn auch Kriegshilfsdienst leisten bzw. in Fabriken mitarbeiten. Entscheidend dafür war somit auch der allgemeine Wandel des Frauenbildes im Nationalsozialismus.203 Ein enormer Zugriff auf die Lebenswelten dieser jungen Generation unter dem NS-Regime fand vor allem in Schule, Familie und Freizeit, dabei insbesondere in der HJ, statt.204

198 Vgl. Ebd. S. 124. 199 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 25. 200 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 165. 201 Vgl. WIGGERSHAUS Renate, Frauen unterm Nationalsozialismus, 1984, S. 43. 202 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 165f. 203 Vgl. RADEMACHER, „Die opferbereite Kameradin“, 2011, S. 67. 204 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 147 41 6. Schulische Erziehung in der NS-Zeit

6.1 Die Schulpolitik zur Zeit des Nationalsozialismus Auch wenn Hitler der Schule zunächst misstrauisch gegenüberstand, war sie dennoch als traditionelle Bildungseinrichtung ein entscheidender Sozialisationsfaktor im Leben junger Menschen. Da durch den staatlichen Pflichtbesuch der Schule Kinder ab dem sechsten Lebensjahr von der NS-Doktrin erfasst werden konnten, wurde besonderes Augenmerk auf die Gleichschaltung des Schulwesens gelegt.205 Dennoch sah die gesellschaftliche Institution Schule als vorrangige Aufgabe die Vermittlung von Wissen und war deshalb zu keiner Zeit beliebig politisch manipulierbar. Entsprechend den vorliegenden pädagogischen Traditionen an den jeweiligen Institutionen, traf die politische Sozialisation des NS-Regimes daher auf unterschiedliche Resonanz. Von den Propagandisten der NS-Zeit angestrebt wurde jedoch stets der Austausch von pädagogischen Prinzipien durch „Formationserziehung“, gestützt durch personale Bindungen und Ehrgefühl. Ebenso sollten „Drill und Gewöhnung“ zu einer Sicherstellung innerlicher Verwurzelung der nationalsozialistischen Anschauungen führen, die letztendlich in „reflexartigem Handeln“ zu münden hätte.206 Nach nur einem Jahr an Vorbereitungen wurde dabei bereits durch den neu ernannten „Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung“, Bernhard Rust, begonnen, das nationalsozialistische Erziehungsprogramm im Jahr 1934 an den Schulen umzusetzen.207 In der „Phase der Machtsicherung“ (bis 1936) stand dabei zunächst eine äußere Gleichschaltung und ideologische Schulung im Vordergrund, welche sich in der „Phase der Machtentfaltung“ (1936- 1940) zunehmend zur „Formationserziehung“ entwickelte und schließlich in der „Phase der Machtausweitung“ (ab 1941) auch gesellschaftliche Funktionen des Schulwesens miteinbezog.208 Die tief einschneidenden Veränderungen in Unterricht und Umfeld auf schulischer Ebene, durchgeführt durch das NS-Regime, vermochten somit nur kurze Zeit einen radikalen Wandel in der Umstrukturierung der Schulorganisation zu vollziehen.

Umgehend wurden als entscheidender Schritt die schulischen Erziehungsziele der nationalsozialistischen Weltanschauung angepasst, welche ebenso zum Fundament der von den

205 Vgl. LAUF-IMMERSBERGER, Literatur, Schule und Nationalsozialismus, 1987, S. 35-36. 206 Vgl. SCHOLTZ Harald, Die Schule als Erziehungsfaktor. In: Manfred HEINEMANN, Erziehung und Schulung im Dritten Reich. Teil 1: Kindergarten, Schule, Jugend, Berufserziehung (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschat 4,1). Stuttgart 1980. S. 31-48, hier: S. 31f. 207 Vgl. MANN, Zehn Millionen Kinder, 2017, S. 53-56. 208 Vgl. SCHOLTZ, Die Schule als Erziehungsfaktor, 1980, S. 32. 42 SchülerInnen geforderten Verhaltensmuster wurde.209 So wurde 1938 von Rust bereits festgehalten: „Die deutsche Schule ist ein Teil der nationalsozialistischen Erziehungsordnung. Sie hat die Aufgabe, im Verein mit den anderen Erziehungsmächten des Volkes, aber mit den ihr eigentümlichen Erziehungsmitteln, den nationalsozialistischen Menschen zu formen.“210 Für die zuvor entwickelten Unterrichtsformen, wie beispielsweise Gruppenunterricht oder Unterrichtsgespräche, hatte man deshalb nun im totalitären Staat keine Verwendung mehr. Stattdessen zogen Sozialformen der „alten Schule“, wie der Frontalunterricht, wieder in die Stunden ein.211 Schule und Erziehung im nationalsozialistischen Sinn sollte nun möglichst lebensnah, durch Initiativen und die Prämisse des „Erlebens“ stattfinden.212 Insgesamt können nun sechs schulpolitische Änderungen verzeichnet werden, welche zur Machtergreifung der Nationalsozialisten an den Schulen des „Dritten Reiches“ führten: Die Vereinheitlichung des Schulsystems durch die Reduktion der Typen- und Formenvielfalt, die „Umerziehung“ der Lehrer im nationalsozialistischen Sinne, die Einführung neuer Lehrpläne und Richtlinien, diverse Änderungen der Stundenpläne samt Einführung des Staatsjugendtages, eine Vereinheitlichung des Bildungsangebots sowie die Einkehr des Rassismus an den Schulen. 213

Entsprechend dem offen ausgeführten Antiintellektualismus des Nationalsozialismus sollte dabei vor allem die „wissenschaftliche Schulbildung“ in den Hintergrund treten. Da nationalsozialistische Erziehungsarbeit hauptsächlich auf „körperlicher Ertüchtigung“ und „Charakterbildung“ aufbaute, wurde der Schulung des Intellekts kaum Raum gewährt. Ausreichend sollte ein Rahmen an „Allgemeiner Bildung“ für SchülerInnen sein, worunter man eine auf das Minimum reduzierte Bildungsarbeit verstand, welche einerseits als Instrument für die politische Schulung und andererseits als Berufsvorbereitung für die Nationalsozialisten Bedeutung hatte.214 Zunächst änderte man am dreigliedrigen Schulsystem, samt Volksschulen, mittlerer Schulstufen und höherem Schulwesen, erst einmal nichts. Pflicht für alle SchülerInnen war dabei der Besuch der Volksschule als Grundschule. Angehängt an diese wurden entweder weitere vier Jahre auf der Volkschule oder aber an einer anderen weiterführenden Schule, wie der sechsklassigen Mittelschule oder einer achtklassigen höheren Schule. Zusätzlich gab es dann noch die Option der Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (NPEA) und der Adolf-

209 Vgl. Ebd. S. 32. 210 Zit. nach: KANZ, Der Nationalsozialismus als pädagogisches Problem, 1984, S. 207. 211 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 13-14. 212 Vgl. KANZ, Der Nationalsozialismus als pädagogisches Problem, 1984, S. 106. 213 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 13-14. 214 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 110. 43 Hitler-Schulen,215 welche zwei Typen der nun neu eingerichteten „Eliteschulen“ waren und dabei verschärft die Realisierung des ideologischen „Eliteprinzips“ ins Auge fassten.216

Nicht nur bei Einzelpersonen war Individualität im Nationalsozialismus nicht geduldet, sondern auch die Typenvielfalt in den deutschen Schulen widerstrebte der nationalsozialistischen Anschauung. Deshalb wurde ab 1933 zunächst eher vorsichtig und ab 1937 schließlich strikt durch Erlässe damit begonnen, das Schulsystem zu vereinheitlichen, was den Nationalsozialisten auch einen größeren Einflussbereich auf SchülerInnen und Eltern gewährte. Ein besonderer Fokus lag dabei auf der Vereinheitlichung der Oberschulformen, weswegen schließlich 70 differenzierte Oberschultypen auf drei Grundformen reduziert wurden.217 Von Kirchen geleitete Privatschulen und Schulen mit einem anderen weltanschaulichen Hintergrund wurden schließlich von den Nationalsozialisten untersagt, womit im Jahr 1941 die gesamte Verstaatlichung der Schulen erreicht wurde.218 Bestehen blieben nun die neusprachliche und die naturwissenschaftliche Oberschule für Jungen und die sprachliche und hauswirtschaftliche Form für Mädchen.219

Ein halbes Jahr nach der Umgestaltung der höheren Schule wurde auch das mittlere Schulwesen umgeformt und auf eine grundständige sechsklassige Mittelschule reduziert.220 Eine Hauptschule nach österreichischem Vorbild wurde nach Anliegen Hitlers erst in den 40er Jahren eingeführt, da sich in dieser Zeit die schulpolitischen Entscheidungen der NSDAP intensivierten.221 Jene Bestimmungen boten schließlich den Abschluss der Vereinheitlichung der Inhalte des Unterrichts und der Erziehung in der Schule.222 Vergleichbare grundlegende organisatorische Änderungen, wie sie an den Oberschulen durchgeführt wurden, fielen den Volksschulen nicht zu. Wie alle Schultypen im „Dritten Reich“ waren auch sie betroffen von Lehrerausbildungen durch die Nationalsozialisten und dem nationalsozialistischen Einfluss in Lehr-, Stundenplänen und Schulbüchern. Auch wenn bis zum Eintreffen der

215 Vgl. KLIEM Konstantin, Sport in der Zeit des Nationalsozialismus. Entwicklung und Zielsetzung im höheren Schulwesen und in der Hitlerjugend. Saarbrücken 2007. S. 21. 216 Vgl. NYSSEN, Schule im Nationalsozialismus, 1979, S. 24. 217 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 14. 218 Vgl. KLIEM, Sport in der Zeit des Nationalsozialismus, 2007, S. 22. 219 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 14. 220 Vgl. FRICKE-FINKELNBURG Renate, Nationalsozialismus und Schule. Amtliche Erlasse und Richtlinien 1933-1945. Opladen 1989. S. 54. 221 Vgl. KLIEM, Sport in der Zeit des Nationalsozialismus, 2007, S. 22. 222 Vgl. OTTWEILER Ottwilm, Die nationalsozialistische Schulpolitik im Bereich des Volksschulwesens. In: Manfred HEINEMANN (Hg.), Erziehung und Schulung im Dritten Reich. Teil 1: Kindergarten, Schule, Jugend, Berufserziehung (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschat 4,1). Stuttgart 1980. S. 193-215, hier: S. 195. 44 Volksschulrichtlinien 1940 vieles formal gleich blieb, so waren auch die Inhalte für die jüngsten SchülerInnen bereits bald nach der Machtergreifung politisch verändert worden.223

6.2 Schulorganisatorische Maßnahmen und Neuordnungen der NS-Zeit Auch wenn der nationalsozialistische Einfluss auf die Schulen bereits nach der „Machtübernahme“ zu erkennen war, so setzte die entscheidende Phase an schulischen Veränderungen von Strukturen und Lehrplänen an allgemeinbildenden Schulen erst später ein. Während die Neugestaltung der unteren Jahrgänge der Volksschule bereits 1937 und für die gesamte Volksschule 1939 stattfand, wurde das höhere Schulwesen erst 1938 an das nationalsozialistische System angepasst. Einheitliche Rituale, bei welchen man nicht unter den Geschlechtern differenzierte, fanden dennoch bereits relativ früh an den Schulen statt.224 Spezifische und eindeutig erkennbare Merkmale des Nationalsozialismus, wie militärische Formen oder der Hitlergruß, bestimmten deshalb den Schulalltag.225 Kinder mussten die Grußformel „Heil Hitler“ 50 bis 150 mal am Tag wiederholen; öfter als jede andere neutrale oder religiöse Grußformel, wie beispielsweise „Guten Tag“ oder „Grüß Gott“. Nicht nur die Kameraden auf dem Schulweg sollten damit angesprochen werden, sondern jede Unterrichtseinheit öffnete und schloss mit jener nationalsozialistischen Grußformel, bei der es bei offiziellen Anlässen galt, den rechten ausgestreckten Arm in die Höhe zu heben. Einprägsam sollten die Kinder den „deutschen Gruß“ von morgens bis abends praktizieren und lernen, den Namen Hitlers mit dem biblischen Wort „Heil“ zu verbinden.226 Daneben waren morgendliche Fahnenappelle, nationalsozialistische Feierstunden und Aufmärsche im „Dritten Reich“ präsent.227 Vor allem auch durch Lageraufenthalte kam es zu einer Öffnung der Schule, weswegen gerade Schullandheime für die Realisierung nationalsozialistischer Erziehungsziele entscheidend waren.228 Nahtlos an die Programmatik der Nationalsozialisten angepasst wurde auch die „Prügelpädagogik“ übernommen, welche es jedoch auch schon vor 1933 gab.229

223 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 17. 224 Vgl. KEMNITZ Heidemarie, Schulische Mädchenerziehung im nationalsozialistischen Deutschland. In: Klaus- Peter HORN / Michio OGASAWARA / Heinz-Elmar TENORTH u.a. (Hgg.), Pädagogik im Militarismus und im Nationalsozialismus. Japan und Deutschland im Vergleich. Bad Heilbrunn 2006. S. 179-192, S. 181. 225 Vgl. LINK Jörg-W., „Erziehungsstätte des deutschen Volkes“ – Die Volksschule im Nationalsozialismus. In: Klaus-Peter HORN, Jörg-W. LINK (Hgg.), Erziehungsverhältnisse im Nationalsozialismus. Totaler Anspruch und Erziehungswirklichkeit. Bad Heilbrunn 2011. S. 79-108, hier: S. 96. 226 Vgl. MANN, Zehn Millionen Kinder, 2017, S. 23-24. 227 Vgl. LINK, „Erziehungsstätte des deutschen Volkes“, 2011, S.96. 228 Vgl. NYSSEN, Schule im Nationalsozialismus, 1979, S. 122. 229 Vgl. LINK, „Erziehungsstätte des deutschen Volkes“, 2011, S.96. 45 Schulorganisatorische Richtlinien und Lehrplanrevisionen sollten zwar bereits seit 1933 durchgesetzt werden, konnten im Schulwesen jedoch erst ab 1938 bis 1942 wirkliche Wandlungen vollbringen. War man vor 1937 auf die Linientreue der Lehrer angewiesen und versuchte sie regelrecht im nationalsozialistischen Sinne „umzuerziehen“, so wurde nun, durch Lehrplanänderungen und dem Einfluss des NS-Regimes auf die Inhalte von Schulbüchern, die Macht der NSDAP in den Schulen entschieden durchgesetzt.230 Durch vielfältige Gesetzte, Verbote und Neuordnungen hielt somit die nationalsozialistische Weltanschauung an den deutschen Schulen Einzug, welche nun nicht mehr primär Ort der Wissensvermittlung, sondern Institutionen zur Verinnerlichung der politischen und ideologischen Grundprinzipien waren.231 Das schulische Geschehen wurde insofern beeinflusst, da sich Ziele und Organisation ebenso nach vier Punkten der nationalsozialistischen Ideologie orientierten: Erziehung zum nationalsozialistischen Menschen, zur „Volksgemeinschaft“ und Heimatverbundenheit, zum Rassenbewusstsein und zur nationalsozialistischen Persönlichkeit.232 In welcher Ausprägung nun die Gestaltung des Unterrichtsalltages nach der Vorstellung des NS-Regimes vorhanden war, sollte abhängig von der jeweiligen Schule und den einzelnen Lehrern sein.233

Auch wenn das Eindringen der nationalsozialistischen Weltanschauung keine Auswirkungen auf den Fächerkanon an sich hatte, veränderte sich dennoch die Bedeutung der einzelnen Gegenstände und führte deshalb zu einer Rangordnung. So wurden „körperlicher Ertüchtigung“, gefolgt von charakterlicher Erziehung und der Erziehung durch „Erkennen und Erleben“ mehr Platz eingeräumt und der Anteil an naturwissenschaftlichen Fächern gesenkt. Die Inhalte des Unterrichts wurden aus völkisch-nationaler Sicht vermittelt, womit auch die hausfrauliche Ausrichtung der Mädchenbildung erfolgte. Während der Religionsunterricht aus dem Stundenplan verdrängt wurde, hatten Sport und Leibeserziehungen in der Schule absolute Priorität vor anderen Fächern. Auch geisteswissenschaftliche Fächer, welche von der Indoktrination besonders betroffen waren, wurden betont, da „Rassenkunde“ und „Deutschkunde“ jene Fächer durchgesetzt werden sollten.234 Dies bezog sich vor allem auf die drei Lehrbereiche der historischen und naturwissenschaftlichen Fächer, sowie den Muttersprachunterricht.235 In den Unterrichtsgegenständen Deutsch, Geschichte, Biologie und

230 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 17-19. 231 Vgl. MANN, Zehn Millionen Kinder, 2017, S. 53. 232 Vgl. NYSSEN, Schule im Nationalsozialismus, 1979, S S. 83. 233 Vgl. HIRNER Christine, Erziehung im Nationalsozialismus. Unter besonderer Berücksichtigung der Zeitung des Nationalsozialistischen Lehrerbundes. Dipl.-Arb. Graz 2000. S. 52. 234 Vgl. Ebd. S. 61f. 235 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 19. 46 Erdkunde wurden Didaktik, Lehrpläne und Lehrwerke so modelliert, dass der Rassegedanke stets in den Vordergrund trat. Die Interpretation der Geschichte erfolgte nun als Rassengeschichte und wurde zur Grundlage des Unterrichts, wodurch auch die Erklärung der Vernichtung von Juden vorbereitet wurde.236 So sollte Geschichtsunterricht „Nationalstolz entflammen“ und „für eine bessere Erziehung zur Politik“ Sorge tragen.237 Deutschunterricht wurde ebenso dafür genutzt, den SchülerInnen ein partei-ideologisches Wertbewusstsein zu vermitteln und politische Indoktrination für die herrschende Gesellschaftsordnung zu betreiben.238 Selbst im Musikunterricht sollten sich die Kinder und Jugendlichen mit „arteigener Kunst“ beschäftigen, nämlich der volkstümlich-volksverbundenen Musik.239

Nicht nur auf curricularer Ebene, sondern auch durch die Umgestaltung der Schulbücher konnte ein Zugriff auf SchülerInnen erfolgen. So wurden die Schulbücher mit der „Richtlinie zur Schaffung neuer Lesebücher“ ab dem Jahr 1943 neugestaltet. Einheitlich richtet sich ihre Konzeption nun nach der Heranbildung des „kämpferischen, chauvinistisch-rassenbewussten Nationalsozialisten“.240 Literarische Texte mit humanistischen Idealen wurden schließlich ausgetauscht durch ideologische Erzählungen und Geschichten, sowie NS-spezifische Abbildungen, welche sich häufig auf die Vermittlung von Heimatverbundenheit und Stärke bezogen.241 Selbst Bücher aus dem Mathematikunterricht verbreiteten nunmehr die Botschaft des nationalsozialistischen Rollenverständnisses unter den SchülerInnen und ließen anhand mathematischer Operationen Rassenideologie oder auch Kriegsvorbereitung erkennen.242 So fand sich beispielsweise in einem Buch für das siebte und achte Schuljahr an Volksschulen unter der Überschrift „Die Erbkranken belasten und gefährden ein Volk“ folgende Aufgabe:

Auf Kosten der Bezirks- und Landesfürsorgeverbände waren 1936 untergebracht: in Anstalten für Geisteskranke usw.: 209032; in Blinden-, Taubstummen- und Krüppelanstalten: 37628. Die Zahl der Verpflegungstage 1936 für beide betrug 60530575. a) Berechne die Gesamtzahl der Geisteskranken, der Blinden, Taubstummen und Krüppel! b) Nimm die täglichen Lebenshaltungskosten mit 4,50 RM an! Wie hoch ist dann die Jahresausgabe der Bezirks- und Landesfürsorgeverbände? [...] Rechne die gewaltige Summe der Jahresausgabe für Bezirks- und Landesfürsorgeverbände (S. 52 Nr. 6b) in Tagelöhne und Tagewerke um: a) Wieviel Tagelöhne zu 3,20 RM (4,10 RM)? b) Wieviel Arbeiter mit 300 Tagewerken im Jahr und 3,50 RM Tagelohn könnte ein Unternehmer für diese Summe beschäftigen?243

236 Vgl. NYSSEN, Schule im Nationalsozialismus, 1979, S. 23. 237 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 110. 238 Vgl. BAUMGARTNER Susanne, Das Körperbild der Frau im Nationalsozialismus. Dipl.-Arb. Graz 1995. S. 25f. 239 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 13. 240 Vgl. Ebd. S. 97-98. 241 Vgl. BAUMGARTNER, Das Körperbild der Frau im Nationalsozialismus, 1995, S. 25f. 242 Vgl. NYSSEN, Schule im Nationalsozialismus, 1979 S. 109. 243 Zit. nach: LINK, „Erziehungsstätte des deutschen Volkes“, 2011, S. 97f. 47 Auch geschlechtsspezifische Bilder wurden bereits von frühester Kindheit an vermittelt. So lernten die Kinder in einer Fibel aus dem Jahr 1935, mit welcher der Buchstabe M eingeführt und geübt wurde, folgende Worte zu einer „gute(n)“ Mutter und Hausfrau, welche ganz der vom dem NS-Regime propagierten Vorstellung entsprach:

„Mutter arbeitet den ganzen Tag. Schon am frühen Morgen ist sie auf. Sie wärmt für Mariechen die Milch, auch Mittag kocht sie für uns. Am Abend macht sie Martins Anzug sauber. Sie hilft Minchen und Manfred bei den Schularbeiten. Nie ist sie müde, die gute Mutter.“244

6.3 Allgemeines zur geschlechterspezifischen Schulausbildung von Mädchen Ein entscheidender Aspekt im nationalsozialistischen Schulwesen war auch die geschlechtsspezifische Erziehung der Kinder und Jugendlichen. Die zukünftige Tätigkeit von Mädchen sollte im mütterlich-hauswirtschaftlich-werklichen Bereich liegen, weshalb auch Erziehung und Bildung, als Maßnahme der Indoktrination, darauf beschränkt wurde.245 Hinzu kam, dass durch diese Auffassung der Nationalsozialisten eine Förderung der geistigen Bildung, welche die Vermittlung theoretischen Wissens forcierte und bereits in der Jungenerziehung wenig Beachtung fand, nun in der Erziehung der Mädchen gänzlich ausgeschlossen wurde. Für die weibliche Jugend in der NS-Zeit bestand die Schwierigkeit in der Entwicklung eines Selbstverständnisses, da sie fortlaufend intellektuell unterbewertet wurde. Stattdessen wurde die naturgemäße Unterlegenheit der Frau gegenüber des Mannes betont. Aus dieser Überlegung heraus wurde auch Bildungsinhalte und Unterschiede in den Lehrplänen, ausgerichtet auf die Trennung der Geschlechter, beschlossen.246 Wiederum lässt sich nach der Rangordnung der „körperlichen, seelischen und geistigen Werte“, welche den jungen Frauen nun in der Schule vermittelt werden sollten, das oberste Erziehungsziel, der zukünftigen Funktion als Hausfrau und Mutter, ableiten.247 Das Erziehungs- und Bildungsverständnis zeichnete sich ebenso in den Leitbildern ab, welche der geschlechterspezifischen Erziehung zugrunde lagen und daher auf gemeinsame schulische Fächerinhalte übertragen wurden:248

Mädchen Knaben Anschauung und Gefühl Anschauung und Verstand Erlebtes in sich sammeln Erlebtes gestalten Sich hingeben Sich auswirken Dem Nächsten dienen Die Welt erobern und unterwerfen

244 Zit. nach: KEMNITZ, Schulische Mädchenerziehung im nationalsozialistischen Deutschland, 2006, S. 183. 245 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 124. 246 Vgl. RADEMACHER, „Die opferbereite Kameradin, 2011, S. 64. 247 Vgl. ARBEITSGRUPPE Pädagogisches Museum (Hg.), Heil Hitler, Herr Lehrer. Volksschule 1933-1945. Das Beispiel Berlin. Hamburg 1983. S. 115. 248 Zit. nach: KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 123. 48 In Frieden arbeiten Siege erringen Sich im Glück bescheiden Nach Glück jagen Leid ertragen Taten ausführen Im gegenseitigem Verstehen leben Mit dem Gegner sich messen Kultur bewahren und schützen Kultur aufbauen und zerstören Die Familie und Häuslichkeit pflegen Den Staat gründen Auf dem Boden der Wirklichkeit bleiben Die Ziele in die Sterne setzen Das Leben als Geschenk erblicken Das Leben als Kampf auffassen Mütterlichkeit Mannhaftigkeit

Durch das Gleichsetzen der Schule mit der nationalsozialistischen Ideologie, bezogen auf das weibliche Geschlecht, verloren vor allem die Schülerinnen nicht nur entscheidende menschliche, sondern ebenso schulische Grundrechte. Von geschlechtlicher Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung innerhalb der Schulmauern konnte nun nicht mehr die Rede sein.249 Auch im organisatorischen Bereich ließen sich nun erhebliche Konsequenzen bei Erziehung und schulischem Alltag der Mädchen erkennen. Dem nationalsozialistischen Frauenbild entsprechend war es festgelegt, dass Mädchen eigene Mädchenschulen besuchen sollten, um schließlich auch auf ihre zukünftig vorhergesehene Rolle vorbereitet zu werden. Für jene Schulen, an denen es sich aus organisatorischen Gründen nicht verwirklichen ließ, die Geschlechter so strikt voneinander zu trennen, wurde durch zwei Erlässe von 1938 und 1939 auch der Schulbesuch von „Mädchen an Jungenschulen“ geregelt.250 Vor allem die räumlichen Gegebenheiten sollten dabei angepasst werden und so sollten zumindest „Aborte“ und getrennte Waschmöglichkeiten für Mädchen vorhanden sein. Daneben hatte ein spezieller Handarbeitsunterricht für die Mädchen abgehalten zu werden. Diese Vorstellungen konnten jedoch in der Praxis nicht überall eingehalten werden, da vor allem in kleinen Dorfschulen die finanziellen Mittel für diese Anforderungen häufig nicht aufgebracht werden konnten.251

In ihrer neu zugedachten Funktionstätigkeit sollten vor allem auch die LehrerInnen als „Volkserzieher“ nicht nur männliche, sondern ebenso weibliche Schüler ab 1934 zu geistiger „Wehrerziehung“ anleiten. Dies bedeutete, wiederum Mädchen für die nationalsozialistische Ideologie zu begeistern und sie verstärkt zu ihrer zugedachten Rolle als spätere Mutter zuzuführen.252 Zusätzlich zur Vorbildfunktion, welche vor allem von den Lehrerinnen vermittelt werden sollte, wurden Lehrinhalte und Lehrmittel nun so ausgewählt, dass sie der

249 Vgl. FRIEDL Anton, Lehrer und Schüler im Spannungsfeld von Gesellschaft und Ideologie – ein historischer Abriss. Ungedr.-Diss. Graz 2008. S. 231. 250 Vgl. FRICKE-FINKELNBURG, Nationalsozialismus und Schule, 1989, S.192. 251 Vgl. LEYPOLD Tanja, Die Schule in der NS-Zeit am Beispiel der Volksschule „Noreia“. Ungedr.-Dipl. Arb. Graz 2013. S. 23f. 252 Vgl. FRIEDL, Lehrer und Schüler im Spannungsfeld von Gesellschaft und Ideologie – ein historischer Abriss. S. 192f. 49 NS-Doktrin entsprachen und ebenfalls eine bestimmte Wirkung auf die Jugendlichen hatten.253 Betrachtet man Übungstexte aus der Schulzeit unter dem Nationalsozialismus, so erkennt man, dass Jungen oftmals Grammatik und Rechtschreibung anhand von Texten lernten, welche beispielsweise dem Soldatenbuch von Fritz Fillies entsprangen. Mädchen hingegen sollten Texte zum Thema „Großreinemachen“ lesen.254 Darstellungen von Mädchen und Frauen waren in jenen Schulbüchern, verglichen mit männlichen Gestalten, relativ selten anzufinden. Von den Abbildungen, welche in den Büchern enthalten waren, zeigten die meisten das weibliche Geschlecht in der behüteten Umgebung der Familie oder auch im Einsatz für den Staat.255 Mehrfach anzufinden war schließlich das „Idealbild des deutschen Mädels“, welches dargestellt mit blonden Zöpfen nicht nur in Texten, sondern auch in Bildern vermittelt wurde. Prinzipiell wurden den Schülerinnen nun Vorbilder vorgeführt, wie jenes der Ehefrau und Mutter oder des BDM-Mädels, welche sich selbstlos und in Ausnahmefällen ebenso pflichtbewusst und tapfer zeigten. Diese sollten als Orientierungspunkte und Idealvorgaben dienen.256

Es ist auch erkennbar, dass „Charaktererziehung“ als Unterrichtsprinzip in allen Fächern Einzug hielt. Besonders aber in Geschichte und Deutsch wurden den Mädchen Vorbilder in Form von literarischen oder historischen Heldinnen vorgesetzt, welche häufig als „Gefährtin“ des Mannes eine Ergänzung darstellen, ihn unterstützten und ebenfalls eine Vorbildwirkung erzielen sollten.257 Schließlich gab es auch eigene Ausgaben an Lesebüchern für das weibliche Geschlecht, in welchen das ambivalente Frauenbild des Nationalsozialismus präsentiert wurde. Während den jüngeren Schülerinnen selbst während der Kriegszeit noch versucht wurde, eine Darstellung der heilen Welt samt Küche und Kinderstube vorzuführen, wurde in den oberen Klassen die bedingte Berufstätigkeit von Frauen in Männerberufen angesprochen.258 Stets ausgeklammert wurden in den Lesebüchern und Fibeln der nationalsozialistischen Schulzeit dennoch meist Themenbereichen wie Beruf, Studium, politische Partizipation oder Liebesverhältnisse, welche nützlich für das weitere Leben der Mädchen gewesen wären.259

Grundsätzlich konnte die „weibliche Erziehung“ in ihrer pädagogischen Umsetzung auch im schulischen Bereich nicht immer direkt realisiert werden. Besonders im Fachunterricht stieß man bei der Erziehung des weiblichen Geschlechts, an Grenzen. Dennoch versuchte man

253 Vgl. BAUMGARTNER, Das Körperbild der Frau im Nationalsozialismus, 1995, S. 24. 254 Vgl. RADEMACHER, „Die opferbereite Kameradin“, 2011, S. 63. 255 Vgl. BAUMGARTNER, Das Körperbild der Frau im Nationalsozialismus, 1995, S. 26. 256 Vgl. Ebd. S. 27f. 257 Vgl. KEMNITZ, Schulische Mädchenerziehung im nationalsozialistischen Deutschland, 2006, S. 190f. 258 Vgl. BAUMGARTNER, Das Körperbild der Frau im Nationalsozialismus, 1995, S. 26. 259 Vgl. Ebd. S. 27f. 50 hierbei ebenfalls stets unter den Schülerinnen eine gewisse „Haltung“ zu bewirken, wodurch ihr Rollenbewusstsein als Mutter und Hausfrau, aber auch Tugenden wie „Rassebewusstsein“, ausgeprägt wurden. Mit 1939 erfolgte jedoch ebenso im schulischen Bereich eine Ergänzung und Umdeutung des Mädchenunterrichts, da Mädchen und Frauen nun an der „Heimatfront“ benötigt wurden. Curriculare Eingriffe, welche die spezifischen Aufgaben für Mädchen betonten, finden sich beispielsweise im Chemieunterricht an höheren Schulen für Mädchen, welcher nun zu „Haushalts-“ und „Küchenchemie“ modelliert wurde, um „mädchengerechten“ Unterricht auch in anderen Fachgebieten zu fördern. In dem Gegenstand wurden dabei Wissen und Vorgänge vermittelt, welche auch im Haushalt unterstützen sollten und praktisch anwendbar waren.260

6.4 Volksschule Die Volksschule galt durch das Reichsschulpflichtgesetz aus dem Jahr 1938 als Pflichtschule und musste von allen Kindern ab dem sechsten Lebensjahr besucht werden.261 Nach den Richtlinien aus dem Jahr 1939 galt sie als „Erziehungsstätte des deutschen Volkes,262 wobei Elisabeth Lenz, die damalige Referentin in der Reichsfachschaft für Volksschulen, bereits im Jahr 1934 meinte: „Die Volksschule ist eine Schule des Volkes für das Volk.“263 Die Volksschulkinder sind nun einerseits ebenso zu „körperlich, seelisch und geistig gesunden und starken“ Mitgliedern der „Volksgemeinschaft“ zu erziehen,264 zugleich sollten sie jedoch auch in Heimat und Volkstum tief verwurzelt sein, weswegen vor allem „Heimatkunde“ im Mittelpunkt des Unterrichts stand.265 Der gesamten „deutschen Jugend“ sollten Fertigkeiten beigebracht werden, welche sie zur Teilnahme am Kulturleben innerhalb des Volkes gebrauchen könnten.266 Auch die Lehrpersonen nahmen in der Volksschule eine entscheidende Position ein, nämlich jene eines Führers. Alle SchülerInnen hatten daher bereits in ihrer Kindheit die Aufgabe, diesen autoritären Personen Gefolgschaft zu leisten und gehorsam zu sein.267 Die Volksschulen konnten, abgesehen von ihrer wesentlichen Struktur, welche sich aus den ersten vier Klassen der Grundschule und der Volksschuloberstufe von der 5. bis 8. Klasse erstreckte, durchaus unterschiedliche äußere Strukturen aufweisen. So gab es jene Vorstellung

260 Vgl. KEMNITZ, Schulische Mädchenerziehung im nationalsozialistischen Deutschland, 2006, S. 188-189. 261 Vgl. OTTWEILER, Die nationalsozialistische Schulpolitik im Bereich des Volksschulwesens, 1980, S. 200. 262 Vgl. LINK, „Erziehungsstätte des deutschen Volkes“, 2011, S. 79. 263 Zit. nach: GAMM, Führung und Verführung. Pädagogik des Nationalsozialismus. 3. Auflage. München 1990. S. 273. 264 Vgl. LINK, „Erziehungsstätte des deutschen Volkes“, 2011, S. 79. 265 Vgl. FRICKE-FINKELNBURG, Nationalsozialismus und Schule, 1989, S. 26. 266 Vgl. LINK, „Erziehungsstätte des deutschen Volkes“, 2011, S. 79f. 267 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 13. 51 der ausgebauten achtstufigen Volksschulen mit acht oder mehr Lehrern häufig nur in Städten und größeren Orten auf dem Land, dabei jedoch ebenso andere Paralleltypen.268 An Landschulen gab es somit durchaus auch Volksschulen mit geringen Schüleranzahlen, in denen auch koedukativ unterrichtet wurde.269 Mit Ausnahme des Sport-, Werk- und Hauswirtschaftsunterrichts, ließ sich der nach Geschlechtern getrennte Unterricht in solchen Fällen genauso schwierig umsetzen wie ein differenzierter Fachunterricht.270

6.4.1 Inhalte bestimmter Fächer der Volksschulzeit Durch die Veränderung des Unterrichts durch den Nationalsozialismus wurden neue Prioritäten gesetzt und dadurch neue, inhaltliche Schwerpunkte wie beispielsweise in den Fächern Deutsch, Geschichte, Heimatkunde, Mathematik und Leibeserziehung. Das ausschlaggebendste Fach für beide Geschlechter war dabei Deutsch, welches mit sieben Wochenstunden den größten Umfang in der Stundentafel einnahm. Im Gegensatz dazu wurde der Religionsunterricht von vier auf zwei Stunden zurückgedrängt; andere Fächer behielten jedoch weitgehend ihre Anzahl an Unterrichtseinheiten.271 Der Deutschunterricht wurde nunmehr dazu verwendet, um bereits bestehende nationalsozialistische Tendenzen zu verstärken.272 So wurde dabei nun „Sprache und Dichtung als lebendiger Ausdruck des Volkstums“ vermittelt, was bei den Kindern Respekt und Stolz auf ihre deutsche Herkunft hervorrufen sollte.273 Auch im Geschichtsunterricht wollte man die Kinder zur Ehrfurcht vor den „Heldentaten der deutschen Väter“ der Vergangenheit, sowie zur Zuversicht über die Zukunft des deutschen Volkes heranerziehen. Geschichte war daher ein wichtiges Fach für die politische Indoktrination, da vor allem auch die jüngste Vergangenheit und im fünften Schuljahr spezifische „Gegenwartskunde“ rund um den Aufbau des „Dritten Reiches“ und die Person des „Führers“ behandelt wurden.274

Auch dem Fach „Heimatkunde“ wurde ein politischer Auftrag zuteil, nämlich die Entfaltung von Stolz gegenüber Heimat, Volk und Führer zu schaffen. Dies wurde vor allem durch die Kreation der Vorstellung von Kriegshelden aus dem Ersten Weltkrieg und der Darstellung der

268 Vgl. OTTWEILER, Die nationalsozialistische Schulpolitik im Bereich des Volksschulwesens, 1980, S. 201. 269 Vgl. LINK, „Erziehungsstätte des deutschen Volkes“, 2011, S. 80. 270 Vgl. FRICKE-FINKELNBURG, Nationalsozialismus und Schule, 1989, S. 23. 271 Vgl. LINK, „Erziehungsstätte des deutschen Volkes“, 2011, S. 87. 272 Vgl. ARBEITSGRUPPE Pädagogisches Museum (Hg.), Heil Hitler, Herr Lehrer, 1983, S. 120. 273 Vgl. LINK, „Erziehungsstätte des deutschen Volkes“, 2011, S. 87. 274 Vgl. ARBEITSGRUPPE Pädagogisches Museum (Hg.), Heil Hitler, Herr Lehrer, 1983, S. 107-111. 52 nationalsozialistischen Bewegung erreicht.275 Im Mittelpunkt des Unterrichts für die ersten beiden Schuljahre stand der „heimatkundliche Anschauungsunterricht“, welcher sich der nahen Umwelt der Kinder widmete. Insgesamt sollte der gesamte Unterricht in der Volksschule im weitesten Sinne dem Heimatkundeunterricht dienen.276

Da die nationalsozialistische Weltanschauung sich ebenso auf biologische Aspekte berief, nahm auch der Unterricht in „Naturlehre“ eine entscheidende Position im Schulalltag ein. SchülerInnen sollten sich nunmehr Wissen in den Bereichen Vererbungslehre, Rassenlehre und biologischen Grundtatsachen aneignen, weswegen in diesen Bereichen auch neue Unterrichtsinhalte eingeführt wurden.277 So wurden beispielsweise schon in der Volksschule die Schädel der Kinder vermessen und Vererbungslehre wie auch Bevölkerungspolitik anhand von lebendigen Subjekten unterrichtet.278 Wie in nahezu allen Fächern wurde auch im Fach „Naturlehre“ die „Wesensverschiedenheit“ von Mann und Frau betont, womit der Mädchenunterricht beispielweise Säuglings- und Krankenpflege aufwies, oder in Rassenkunde und Vererbungslehre für Mädchen die Forderung, eine „fleißige und artgemäße Nachwuchssicherung“ zu betreiben, betont wurde.279 Daneben fand man nun auch im Mathematikunterricht, einem Fach das eigentlich weitgehend unpolitisch war, Aufgabenstellungen, welche ideologisch ausgerichtet waren und dazu beitrugen, antisemitische und chauvinistisch-militaristische Auffassungen zu verbreiten.280

Um bereits früh den jungen Körper für das spätere Leben vorzubereiten, wirkte der Staat auf erzieherischer Ebene in wichtigen Phasen der kindlichen Entwicklung ein. Sport und Turnen, dabei besonders das Boxen, wurden als begünstigend für die körperliche Ertüchtigung gesehen und nahm innerhalb des Lehrplanes einen großen Stellenwert ein.281 Der Unterricht in Leibeserziehungen wurde dabei nicht nur in seiner Bedeutung aufgewertet, sondern ebenso zeitlich ausgeweitet. Auch in der Volksschule nahm der Sportunterricht deshalb zu und wurde auf drei bzw. fünf Stunden in der Woche erhöht. Sportplätze wurden ausgebaut und Sportfeste erwiesen sich als Unterhaltung in der Routine des Schulalltages. Daneben galt sportliche Leistung ebenso als Auslesekriterium für den Wechsel zu einer höheren Schule und wurde mit

275 Vgl. KLIEM, Sport in der Zeit des Nationalsozialismus, 2007, S. 29. 276 Vgl. FRICKE-FINKELNBURG, Nationalsozialismus und Schule, 1989, S. 27. 277 Vgl. LEYPOLD, Die Schule in der NS-Zeit am Beispiel der Volksschule „Noreia“, 2013, S. 38. 278 Vgl. KEMNITZ, Schulische Mädchenerziehung im nationalsozialistischen Deutschland, 2006, S. 181. 279 Vgl. ARBEITSGRUPPE Pädagogisches Museum (Hg.), Heil Hitler, Herr Lehrer, 1983, S. 117f. 280 Vgl. Ebd. S. 114. 281 Vgl. LINGELBACH, Erziehung und Erziehungstheorien im nationalsozialistischen Deutschland, 1987, S. 29. 53 vormilitärischen Ordnungs- und Befehlsstrukturen verbunden.282 Auch für die Mädchen galt es dabei, den „Mädchenkörper“ dementsprechend zu formen, damit er „den Anforderungen der Mutterschaft und denen der Frauenberufe“ entsprechen konnte.283

6.4.1.1 „Weibliche“ Inhalte in den Lehrplänen der Volksschule Betrachtet man die Stundentafeln für die Volksschuloberstufe, lassen sich deutliche geschlechtsspezifische Differenzen erkennen. Gab es bei den Jungen das Fach „Zeichnen und Werken“ als typisches Fach, war für die Mädchen im Laufe ihrer Volksschulzeit die Ausprägung der hauswirtschaftlichen Fächer wie „Handarbeit“, in der achten Klasse ergänzt durch vier Stunden „Hauswerk“, vorgesehen.284 Zugunsten jener unter „Haus-wirtschaftlicher Erziehung“ zusammengefassten Fächer wurde nun die Anzahl der anderen Fächer eingeschränkt, um eine „Ausrichtung“ der Mädchen zu gewährleisten.285 Dabei sollte den Mädchen schon früh die Bedeutung der Pflege von Familie und Haushalt näher gebracht werden. Besonders die letzten Schuljahre hatten dabei die „Erziehung zur deutschen Frau und Mutter“ zu forcieren. Die Mädchen hatten nun durch selbst praktizierte hauswirtschaftliche Tätigkeit ordentlich, sparsam, umsichtig und selbstständig in ihrem Denken und Tun zu werden und die für das hausfrauliche Wirken benötigten technischen Fertigkeiten zu erlernen. Durch die Arbeit in Gruppen sollten sie außerdem gewohnt werden, sich in Arbeitskameradschaften einzugliedern und ein Bewusstsein dafür entwickeln, als Hausfrau ebenso Verantwortung für die Volkswirtschaft zu tragen.286 Von Bedeutung für den Unterricht in Hauswirtschaft war außerdem der Bezug zu Heimat und Volk.287

Der „Handarbeitsunterricht“ begann im zweiten Schuljahr und sollte nun „Gestaltungsfreude“ und „Schaffungskraft“ der Mädchen erwecken. Haben die Kinder im ersten Jahr gelernt, Papier und Stoffe zu falten und zu schneiden, so wurde ihnen nun Hand- und Maschinennähen, Sticken, Häkeln und Stricken, aber auch Weben, Flechten und Knüpfen beigebracht. Zunehmend sollten sie dabei selbstständiger werden und ihre Arbeitsweise präzisieren. Auch das Wissen über Flicken und Stopfen, sowie das Reinigen und Waschen von Bekleidungs- und Haushaltungsstücken wurden nun erworben. Dabei sollten sie auch selbst in der Praxis des

282 Vgl. ARBEITSGRUPPE Pädagogisches Museum (Hg.), Heil Hitler, Herr Lehrer, 1983, S. 114. 283 Zit. nach: GAMM Hans-Jochen, Führung und Verführung. Pädagogik des Nationalsozialismus. 3. Auflage. München 1990. S. 276. 284 Vgl. FRICKE-FINKELNBURG, Nationalsozialismus und Schule, 1989, S. 51-52. 285 Vgl. ARBEITSGRUPPE Pädagogisches Museum (Hg.), Heil Hitler, Herr Lehrer, 1983, S. 117. 286 Vgl. FRICKE-FINKELNBURG, Nationalsozialismus und Schule, 1989, S. 47. 287 Vgl. HARTER-MEYER Renate, Der Kochlöffel ist unsere Waffe. Hausfrauen und hauswirtschaftliche Bildung im Nationalsozialismus. Hohengehren 1999. S. 161. 54 elterlichen Haushaltes ihre Arbeitstechniken üben können. Einfache und zweckgebundene Schmuckformen, sowie das Erkennen deutscher Werkstoffe, standen ebenso am Stundenplan im Unterricht der „Handarbeit“.288 Daneben gab es das Fach „Hauswerk“, welches nun dem Erlernen von häuslicher Arbeit diente, womit beispielsweise Kochen und Gartenarbeit gemeint waren. Darüber hinaus wurde die Erziehung zu hauswirtschaftlichem Denken und sparsamer Haushaltsführung intensiviert; dabei ging es beispielsweise um die Auswahl der Speisen nach Markt und Jahreszeit, oder aber um die Pflege von Dingen, die den Alltag verschönern. Der Unterricht in diesem Fach war schließlich für alle Mädchen des letzten Schuljahres verpflichtend.289

6.5 Mittlere Schule und Hauptschule Die Form des mittleren Schulwesens, welches sechs Klassen umfasste, die bei ausreichenden Schülerzahlen ebenso nach Geschlecht getrennt sein sollten, zielte darauf ab, SchülerInnen einsatzbereit für das künftige Berufsleben zu erziehen. Im Unterricht wurde daher stets die Verbindung zum praktischen Leben gesucht. Die Mittelschule sollte nun eine Bildungsgrundlage auf Basis einer Ausbildung für alle mittleren und gehobenen Berufe in Landwirtschaft, Handwerk, Handel, Technik, Industrie, sowie allen mittleren Positionen in der Verwaltung und im Heer sein und außerdem pflegerische und hauswirtschaftliche Frauenberufe vermitteln, welche kein Hochschulstudium verlangten.290 Daher wies das mittlere Schulwesen auch Unterschiede im Lehrplan zu höheren Schulen auf, da beispielsweise Lateinunterricht nur an höheren Schulen vorgesehen war.291 Es stellte sich auch in dieser Schulform die Aufgabe den SchülerInnen politische, kulturelle und wirtschaftliche Grundlagen des deutschen Volkes beizubringen. Örtliche Lehrpläne erhielten die Aufgabe, Heimatverbundenheit in allen Klassen, besonders aber in den beiden Oberklassen, zu vertiefen.292 Erzieherische Einwirkungsmöglichkeiten hatte nun das mittlere Schulwesen im Gegensatz zur Volksschule, da Schulwanderungen, Schullandheimaufenthalte und Gemeinschaftsveranstaltungen intensiv praktiziert wurden.293 Wurden SchülerInnen den Leistungsanforderungen jedoch nicht gerecht, so galt es, diese möglichst bald von der Schule zu entfernen.294

288 Vgl. FRICKE-FINKELNBURG, Nationalsozialismus und Schule, 1989, S. 47f. 289 Vgl. Ebd. S. 48. 290 Vgl. Ebd. 54, 61. 291 Vgl. KLIEM, Sport in der Zeit des Nationalsozialismus, 2007, S. 22. 292 Vgl. FRICKE-FINKELNBURG, Nationalsozialismus und Schule, 1989, S. 61-63. 293 Vgl. OTTWEILER, Die nationalsozialistische Schulpolitik im Bereich des Volksschulwesens, 1980, S. 203. 294 Vgl. FRICKE-FINKELNBURG, Nationalsozialismus und Schule, 1989, S. 65. 55 Ähnlich zu den Fächern in der Volksschule, bot auch die Mittelschule speziell für Mädchen das Fach „Hauswerk“, welches die „naturgegebene hausfrauliche Veranlagung“ entwickeln und ebenso „Verständnis für die Aufgabe der Hausfrau und Mutter“ wecken sollte. Dabei hatten die Schülerinnen im Unterricht Erfahrung mit den praktischen Arbeiten des Haushalts zu sammeln und die Kenntnisse zur Selbstständigkeit in der Haushaltsführung zu erlernen.295 Das Besondere an der Mittelschule war, dass die Mädchen diese in ihrer „Reifezeit“ besuchten. Dadurch sollten diverse Möglichkeiten offenstehen, ihnen durch den aufkommenden „Drang zum Schaffen und Dienen“, die Hauswirtschaftslehre, samt Gartenbau und Handarbeit, näher zu bringen. Auch Gesundheits-, Säuglings- und Kleinkinderpflege, sowie nach Gegebenheit ausübende praktische Arbeiten in Kindergärten oder Krippen, sollten sie zu „rassebewussten deutschen Mädchen“ erziehen.296

Schließlich sollte die in Österreich bereits übliche Hauptschule auch im alten Reichsgebiet eingesetzt werden und die kaum veränderte Mitteschule in Deutschland ersetzen.297 Die Hauptschule war nun schulgeldfrei, umfasste vier Klassen und war eine Pflichtausleseschule.298 In der Hauptschule ließ sich nun eine Zwischenform von Mittel- und Volksschule erkennen, welche ähnliche Leistungsforderungen wie Mittelschulen anstellte, jedoch in einer um zwei Jahre verkürzten Schulzeit eine Berufsausbildung forcierte.299 Auch bei der Mädchenbildung wurde analog das Ziel „arbeitsbewusste deutsche Mädchen zu erziehen“, welche später als Hausfrauen und Mütter oder in weiblichen Berufen eingesetzt werden konnten, verfolgt.300

6.6 Höhere Schule Das höhere Schulwesen im Nationalsozialismus bestand aus den Klassenstufen fünf bis zwölf und dabei vor allem aus den sogenannten Oberschulen. Die Schulen dienten vor allem zur „völkischen Auslese“, da wiederum zunächst die körperliche Eignung im Vordergrund stand und erst im Folgenden charakterliche und geistige Beschaffenheit der SchülerInnen begutachtet wurden. Dabei wurden jüdische Kinder und Lehrer immer häufiger von den Schulen abgewiesen.301 Auch Jugendliche mit Behinderungen, Scheu vor Körperpflege, oder jene welche gegen „Kameradschaftlichkeit“, „Gemeinschaftssinn“ oder „Zucht und Ordnung“

295 Vgl. HARTER-MEYER, Der Kochlöffel ist unsere Waffe, 1999, S. 164. 296 Vgl. FRICKE-FINKELNBURG, Nationalsozialismus und Schule, 1989, S. 64f. 297 Vgl. Ebd. S. 54. 298 Vgl. OTTWEILER, Die nationalsozialistische Schulpolitik im Bereich des Volksschulwesens, 1980, S. 202- 203. 299 Vgl. FRICKE-FINKELNBURG, Nationalsozialismus und Schule, 1989, S. 54. 300 Vgl. Ebd. S. 81. 301 Vgl. KLIEM, Sport in der Zeit des Nationalsozialismus, 2007, S. 23. 56 verstoßen würden, sollten von der Auslese betroffen sein.302 Die Erhöhung politischer Ansprüche an LehrerInnen wie auch SchülerInnen im Hinblick auf die nationalsozialistische Indoktrination waren nun verstärkt spürbar, da gegen kritische Einwände an den höheren Schulen vorgebeugt werden musste.303

Um nun den Bildungsweg für das weibliche Geschlecht so zu beeinflussen, dass die nationalsozialistische Idealvorstellung umgesetzt werden konnte und der Zugang zu Hochschulen für Frauen erschwert wurde, wurde das höhere Schulwesen dahingehend reformiert, dass nur ein Schultyp für Mädchen erhalten blieb, welcher zum Abitur führte. 304 Während für Mädchen der Zweig sich in eine sprachliche und eine hauswirtschaftliche Form aufteilte, orientierte man sich für das männliche Geschlecht an der naturwissenschaftlich- mathematischen Schulsparte, sowie dem sprachlichen Zweig samt Latein.305 Bis 1941 war jedoch das Abitur für Mädchen in der sprachlichen Form nicht gleichwertig mit dem des hauswirtschaftlichen Zweiges, da letzterer zunächst nur zu Studiengängen weiterführte, welche keinen vollen akademischen Status innehatten. Um zu einer „weiblichen Erziehung“ im Nationalsozialismus hinzuführen, sollte es bereits ab 1937 Prüfungen über hauswirtschaftliche Kenntnisse geben, welche die Mädchen vor dem Eintritt in eine höhere Schule zu absolvieren hatten. Vorbereitet von ihren Müttern, hatten die jungen Frauen in Bereichen wie Kochen, Waschen, Einkaufen, Blumenpflege oder Saubermachen zu beweisen, dass sie in der Lage waren, „eine Familienmutter für kurze Zeit im Haushalt zu vertreten“.306

Der hauswirtschaftliche Zweig wurde somit vom NS-System deutlich gefördert. Daneben sorgten weitere Maßnahmen der Nationalsozialisten für die Trennung der Geschlechter im höheren Schulwesen, sowie die Ablehnung der Ausbildung von Mädchen an Gymnasien.307 Ähnlich wie die Koedukation der Geschlechter nicht vollständig eingehalten werden konnte, sollte auch das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“, welches sicherstellen sollte, dass die Anzahl von Studienanfängerinnen sowie Abiturientinnen 10% nicht überschritt, in der Realität vor allem nach Beginn des Krieges nicht eingehalten werden

302 Vgl. FRICKE-FINKELNBURG, Nationalsozialismus und Schule, 1989, S. 93. 303 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 66. 304 Vgl. LAUF-IMMERSBERGER, Literatur, Schule und Nationalsozialismus, 1987, S. 189. 305 Vgl. KEMNITZ, Schulische Mädchenerziehung im nationalsozialistischen Deutschland, 2006, S. 184. 306 Vgl. Ebd. S. 186-187. 307 Vgl. LAUF-IMMERSBERGER, Literatur, Schule und Nationalsozialismus, 1987, S. 189. 57 können.308 Erkennbar wird dennoch das Ziel, das Bildungsniveau von Frauen und Mädchen auf Dauer zu senken.309

In der höheren Mädchenbildung hatte die Erziehung entsprechend der weiblichen Eigenart zu gestaltet zu sein. Niemals sollte ein Mädchen der höheren Schule dabei „dem Manne den Rang ablaufen wollen“.310 Daneben wurde in Bezug auf die Differenz der Geschlechter festgehalten, dass „aus den Forderungen eines lebensnahen Unterrichts“ ebenso beansprucht wird, dass die Mädchenerziehung „nie zu einem Abklatsch der Erziehung der männlichen Jugend werden darf“. Gestützt auf die Begründung der „naturgegebenen Verschiedenheiten der Geschlechter“ hatte „der Unterricht in allen Fächern der Mädchenschulen“ sich an dem Ziel der kommenden Mutter zu orientieren.311 Insgesamt galt es nun, dass die jungen Frauen in den „Fächern des Frauenschaffens“, welche in den höheren Schulen eingeführt wurden, ihren Anlagen entsprechend ihre „fraulichen Kräfte“ entfalten sollten, um sich an „eigenem Schaffen und Gestalten“ zu erfreuen und bei Bedarf im Dienst des Volkes beistehend eingreifen zu können.312 Ihnen wurde viel Raum gegeben, da sie auf den Stundentafeln jene Fächergruppe mit dem größten Stundenvolumen war, weswegen beispielsweise der Unterricht im Kochen und in Haus- und Gartenarbeit 18 Stunden einnahm, je sechs in den oberen drei Klassen, und auch der Handarbeit wurde 19 Stunden zugeschrieben. Mit je einer Stunde wurden Gesundheitslehre und –pflege, sowie Beschäftigungslehre in den drei letzten Schuljahren abgehalten. Zusätzlich sollte ein vierwöchiges Praktikum in Säuglingsheimen oder bei Familien und Kindergärten stattfinden.313

In den „Fächern des Frauenschaffens“ sollten die Mädchen jedoch nicht nur hausfrauliche Fähigkeiten für ihr späteres Leben sammeln, sondern ebenso lernen, wie sich die Praxis mit der Theorie verknüpft. Daher wurden Haushaltsführung, Kindererziehung oder Heimgestaltung auch in praktischem Zusammenhang mit wirtschaftlichen, politischen und völkischen Zielsetzungen des NS-Staates gebracht. Dabei sollten die Mädchen lernen und erkennen, dass es Zusammenhänge zwischen Haus- und Volkswirtschaft gäbe und dass ihr Tun im Heim und der Familie eine Bedeutung für das gesamtwirtschaftliche Wohlergehen des Volkes hätte. Aus diesem Grund wurde von den Schülerinnen verlangt, konjunkturgerechtes Verhalten und

308 Vgl. KEMNITZ, Schulische Mädchenerziehung im nationalsozialistischen Deutschland, 2006, S. 184. 309 Vgl. RADEMACHER, „Die opferbereite Kameradin“, 2011, S. 63. 310 Vgl. KEMNITZ, Schulische Mädchenerziehung im nationalsozialistischen Deutschland, 2006, S. 183. 311 Vgl. FRICKE-FINKELNBURG, Nationalsozialismus und Schule, 1989, S. 111. 312 Vgl. HARTER-MEYER, Der Kochlöffel ist unsere Waffe, 1999, S. 164. 313 Vgl. KEMNITZ, Schulische Mädchenerziehung im nationalsozialistischen Deutschland, 2006, S. 186. 58 Konsumverzicht zu erlernen und dementsprechend die staatliche Verbrauchslenkung zu beachten.314 Ferngehalten von humanistisch, sozialistisch oder christlich orientierten Bildungsinhalten, wurden die heranwachsenden Frauen schließlich in die „völkisch“ denkende Generation eingeführt.315

314 Vgl. FLESSAU, Schule der Diktatur, 1977, S. 91-92. 315 Vgl. FRIEDL, Lehrer und Schüler im Spannungsfeld von Gesellschaft und Ideologie, 2008, S. 234. 59 7. Freizeit und außerschulische Sozialisation in der NS-Zeit

Da es sich der Nationalsozialismus zum Ziel gesetzt hatte, alle Lebensbereiche des „deutschen Volkes“ zu erreichen, war die Freizeit davon nicht ausgenommen. Ganz im Gegenteil, denn besonders die politische Prägung der Jugend fand abseits der Schule statt, wo es keine pädagogischen Traditionen gab. So wurde das Hauptaugenmerk des nationalsozialistischen Indoktrinationsapparates neben Elternhaus und Schule bereits 1933 im Besonderen auf die dritte Erziehungsinstanz im „Dritten Reich“ geworfen: Den Organisationen der nationalsozialistischen Parteijugend.316

7.1 Organisierte Freizeit: Erziehung in der Hitler-Jugend Eine institutionalisierte Erziehung der Jugendlichen konnte schließlich durch die Hitler-Jugend (HJ) erreicht werden, welche sich zum Ziel gesetzt hatte, die gesamte deutsche Jugend zu erfassen, im nationalsozialistischen Sinn zu erziehen und auch eine Vorbereitung für ihr späteres, vom NS-Staat vorgesehene, Leben zu bieten.317 Bereits im Jahr 1936 wurde dieser Bildungsauftrag im Gesetz über die HJ festgehalten:

„Die gesamte deutsche Jugend ist außer in Elternhaus und Schule in der Hitler-Jugend körperlich, geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen.“318

Um diese Zielsetzung endgültig zu erreichen, wurden andere Jugendorganisationen aufgelöst und verboten.319 Die HJ wurde bereits in den 1920er Jahren gegründet und entwickelte sich in Deutschland bis 1933 immer mehr zu einer Einheitsjugendorganisation, welche schließlich 1936 per Gesetz als offizielle staatliche Instanz und Erziehungsgewalt auftrat. Jene gesetzliche Grundlage wurde später ausgebaut und zwangsverpflichtete die Jugendlichen ab 1939 zur Mitgliedschaft. 320 Durch die HJ sollten die Jugendlichen somit als Einheit politisch sozialisiert werden, was vor allem durch Gemeinschaftsbildung und Identifikation erreicht werden konnte. Aus der heranwachsenden „arischen Generation“ wurde in der HJ eine „rassistische Gemeinschaft“, da den Jugendlichen nun Werte und Dienstinhalte der „Volksgemeinschaft“ vermittelt wurden, wozu ebenso die Abgrenzung von „anderen“, wie beispielsweise jüdischen Kindern und Jugendlichen, gehörte. Ein Gemenge aus Prämien, Anpassungsdruck und

316 Vgl. KEMNITZ, Schulische Mädchenerziehung im nationalsozialistischen Deutschland, 2006, S. 180f. 317 Vgl. BAUMGARTNER, Das Körperbild der Frau im Nationalsozialismus, 1995, S. 28. 318 Zit. nach: MATZER Lisbeth, Manipulation durch Gemeinschaft und Führung. Das Wirken der Hitlerjugend als ideologische Vermittlungsinstanz im Gebiet Steiermark, 1938–1945. In: Tagungsband „Kindheit im Zweiten Weltkrieg“. Eine vergleichende Perspektive. (In Vorbereitung). S. 1-17, hier: S. 1. 319 Vgl. GUGLER, „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, 1997, S. 270. 320 Vgl. KOLLMEIER, Erziehungsziel „Volksgemeinschaft“, 2011, S. 60-61. 60 Selbststilisierung komplettierte die Verführung der „gesamten, erbbiologisch wertvollen, deutschen Jugend“. Jene konnte außerdem nur durch die deutsche Staatsangehörigkeit und einen Hinweis auf arische Abstammung in die Organisation aufgenommen werden.321 Die allgemeine Gleichschaltung der HJ führte schließlich auch zu einer Ausdifferenzierung regionaler und kultureller Unterschiede.322 Der Ertrag der Manipulationsarbeit drückte sich zu Beginn des Krieges sowohl in Deutschland als auch in Österreich durch die hohe Anzahl an freiwilligen Meldungen von HJ-Führern zur Wehrmacht aus.323

In einer Trennung nach Alter und Geschlecht entsprechend der zukünftigen zugedachten Rollen im System wurden Jungen und Mädchen in die Organisation eingegliedert, in welcher es galt, in acht Jahren die oben genannte Zielsetzung zu erreichen. Der Aufbau der Organisation der Parteijugend war dabei eindeutig festgelegt: Während die 10- bis 14-jährigen Jungen im „Deutschen Jungvolk“ und die 14- bis 18-jährigen in der HJ organisiert waren, kamen die Mädchen analog entsprechend des Alters in den so genannten Jungmädelbund oder Bund Deutscher Mädel (BDM).324 Daneben erfolgte noch eine Unterteilung beider Organisationen in regionale Gruppen. An der Spitze beider Bereiche stand schließlich wieder ein männlicher Führer in Form des Reichsjugendführers, dem auch die Reichsreferentin des BDM direkt unterstellt war.325

7.1.1 Der Jungmädelbund Ab ihrem 10. Lebensjahr wurden die jüngsten Mädchen jahrgangsweise in die HJ eingeführt und dabei im Jungmädelbund aufgenommen. Jeweils am 20. April, dem Geburtstag Hitlers, fand eine zeremonielle Vereidigung statt, womit sich die deutsche Jugend „ihrem Führer zum Geschenk“ erbrachte und ihm gegenüber Treue schwor.326 Dadurch legten sie ihr reines Dasein als Kinder ab und sollten als „Jungmädel“ nun verstehen, dass auch sie entsprechend ihres Alters Verantwortung für ihren Aufgabenbereich zu tragen hatten, womit auch die Eingliederung in die größere Gemeinschaft und die Abkehr von egoistischen Wünschen verbunden waren.327 Sie waren nun Teil einer Gliederung, welche in Einheiten von Reichsjugendführung, Obergau, (Jungmädel-)Untergau, Jungmädelring, Jungmädelgruppe,

321 Vgl. Ebd. S. 59-61. 322 Vgl. REESE, Die BDM-Generation, 2007, S. 11. 323 Vgl. MATZER, Manipulation durch Gemeinschaft und Führung. (In Vorbereitung). S 1. 324 Vgl. Ebd. S. 1 325 Vgl. BAUMGARTNER, Das Körperbild der Frau im Nationalsozialismus, 1995, S. 28. 326 Vgl. GUGLER, „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, 1997, S. 271. 327 Vgl. RÜDIGER Jutta, Die Hitler-Jugend und ihr Selbstverständnis im Spiegel ihrer Aufgabengebiete. Lindhorst 1983. S. 21. 61 Jungmädelschar bis zur kleinsten örtlichen Gruppierung, der Jungmädelschaft, reichte.328 Unterstellt waren die jungen Mädchen dabei Führerinnen, welche kaum älter waren als sie selbst, denn man verfolgte das Prinzip „Jugend unter Jugend, von Jugend geführt“. Elternhaus und Schule sollten lediglich eine „Unterbrechung des eigentlichen Lebens“, und damit der nationalsozialistischen Prägung unter der Obhut der Jugend-Organisation, darstellen.329

Die Aufnahme der Mädchen erfolgte jedoch erst nach dem Nachweis der „Erbgesundheit“, sowie nach Absolvierung der „Jungmädelprobe“.330 Diese wurde nach einer Probezeit von einem halben Jahr als Aufnahmeritual durchgeführt und sollte vor allem feststellen, ob die Mädchen körperlich entwickelt und belastbar waren.331 Anschließend an die bestandene Probe wurden ihnen Halstuch und Lederknoten verliehen, welche Bestandteil der Bundestracht waren, welche es bei offiziellen Anlässen zu tragen galt. Ferner bestand sie aus einer weißen Kurzarmbluse, einem blauschwarz gefärbten Rock, einer braunen Jacke oder einer Trachtenjacke, weißen Socken und braunen, halbhohen Bundschuhen an den Füßen.332

Nach der „Jungmädelprobe“ galt es sich für das Leistungsabzeichen der Jungmädel vorzubereiten, welches vom 13. bis 14. Lebensjahr und damit vor Übertritt in den BDM verliehen wurde. Die Vorbereitung für jenes Können und Wissen, das dafür verlangt wurde, erlernten die Mädchen in Heimabenden, beim Sport und der „Fahrt“. Ausschlaggebend war auch hierbei vor allem die Gemeinschaftsleistung aller „Jungmädel“, 333 aber auch Wissen über den Führer und die Heimat waren gefragt.334 Da das Alter der „Jungmädel“ als prägend und entscheidend für zukünftige Persönlichkeitsentwicklungen galt, führte das NS-Regime Aktivitäten im „Jungmädelbund“ ein, welche vor allem den Charakter schulen sollten. Nicht etwa durch Belehrungen oder Vorträge sollten sie im nationalsozialistischen Sinne erzogen werden, sondern unbewusst und durch Erlebnisse wie Heimabend, Sport, Spiel, Fahrt und Lager. Während körperliche Betätigung zur Erlernung von Selbstdisziplin und Einordnung in die Gemeinschaft als wichtig erachtet wurde, sollte auf Fahrt und Lager den Mädchen ihre

328 Vgl. REESE, Die BDM-Generation, 2007, S. 34f. 329 Vgl. STERNHEIM-PETERS Eva, Die Zeit der großen Täuschungen. Eine Jugend im Nationalsozialismus. Bielefeld 1992. S. 180f. 330 Vgl. KOLLMEIER, Erziehungsziel „Volksgemeinschaft“, 2011, S. 61. 331 Vgl. WILLMOT Louise, Zur Geschichte des Bundes Deutscher Mädel. In: Dagmar REESE (Hg.), Die BDM- Generation. Weibliche Jugendliche in Deutschland und Österreich im Nationalsozialismus. Berlin 2007. S. 89- 158, hier: S. 119. 332 Vgl. GUGLER, „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, 1997, S. 271. 333 Vgl. RÜDIGER, Die Hitler-Jugend und ihr Selbstverständnis im Spiegel ihrer Aufgabengebiete, 1983, S. 21f. 334 Vgl. GAMM, Führung und Verführung, 1990, S. 339. 62 Umgebung, Natur und Heimat aufgezeigt werden.335 Indem Volkslieder und -märchen, Kasperltheater oder Reigentänze vor allem auch unterhielten, sah die Erziehung in ihrer Essenz zunächst „unpolitisch“ aus.336 An den Leitworten der „Jungmädel“ lässt sich jedoch der Hintergedanke nationalsozialistischer Indoktrination erkennen: „Jungmädel, sei Kameradin, sei tapfer, treu, gehorsam und verschwiegen. Jungmädel wahre deine Ehre!“337

7.1.2 Der Bund Deutscher Mädel Schlussendlich wurde das „Jungmädel“ mit 14 Jahren in die Hände des BDM übergeben.338 Jener wurde bereits 1931 gegründet und schließlich im Juli 1932 zur einzigen offiziellen Mädchenorganisation erklärt, blieb jedoch der HJ als weiblicher Teil der Jugendorganisation unterstellt.339 Bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr sollte nun, ähnlich der Charakterschulung im „Jungmädelbund“, im BDM jedoch auf höherer Ebene, eine Hinführung der weiblichen Parteijugend zur Leistung erfolgen, welche die Mädchen im „Wettkampf auf allen Gebieten“ als Vergleich zu ihrem Lebenserfolg zum Vorschein bringen sollten.340 Da sich die Mädchen nun in einem Alter befanden, in der sich die Forderung nach Tatkraft und größerer Verantwortung verstärkte, hatte sich aus der „Jungmädelschulung“ eine weltanschauliche und politische Erziehung zu entwickeln. Wurde die nationalsozialistische Anschauung zuvor noch „spielend“ vermittelt und in ihren Grundzügen etabliert, wurden die Anlagen des Mädchens im BDM schließlich zur vollen Entfaltung gebracht und eine umfassende Sozialarbeit samt aufopferndem, sozialpolitischem Einsatz in der Organisation verlangt.341 Dazu gehörte auch eine Heranbildung der Gemeinschaft und der spezifischen „Mädelhaltung“. Jedes Mädchen sollte nun zu einer „Trägerin der nationalsozialistischen Weltanschauung“ werden und hatte diese Einstellung auch an zukünftige Generationen weiterzugeben. In der Erziehungsvorstellung des BDM wurden die Mädchen dementsprechend als Objekte aufgefasst, deren Existenz es zum Dienst in der Gemeinschaft und dem „Volksganzen“ auszurichten und zu formen galt. Der Manipulationsprozess vollzog sich nun, da ihnen kein Wert als Individuum oder Subjektäußerung geboten wurde, sondern ihnen Vorbilder in Form

335 Vgl. RÜDIGER, Die Hitler-Jugend und ihr Selbstverständnis im Spiegel ihrer Aufgabengebiete, 1983, S. 22. 336 Vgl. GUGLER, „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, 1997, S. 267. 337 Zit. nach: RÜDIGER, Die Hitler-Jugend und ihr Selbstverständnis im Spiegel ihrer Aufgabengebiete, 1983, S. 22. 338 Vgl. REESE, Die BDM-Generation, 2007, S. 35. 339 Vgl. GUGLER, „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, 1997, S. 267. 340 Vgl. RÜDIGER, Die Hitler-Jugend und ihr Selbstverständnis im Spiegel ihrer Aufgabengebiete, 1983, S. 22. 341 Vgl. GAMM, Führung und Verführung, 1990, S. 342. 63 von Führerinnen vorgesetzt wurden. Aus der entsprechenden „mädchengemäßen Erziehung zum völkischen Einsatz“ sollte sich die Tendenz zur Mutterschaft von selbst entwickeln.342

Auch wenn das Leitbild der Mädchenerziehung im BDM nicht so ausgeprägt dargestellt wurde wie jenes der Jungen, kann doch erkannt werden, dass es sich dabei um das Gegenbild der emanzipierten Geschlechterrollen der Weimarer Republik handelt, wie es in der „Dame“ oder dem „Sport-Girl“ zum Ausdruck kam. Dennoch steht das BDM-Mädel für ein modernes Mädchenbild: Es widerlegte das konservative Frauenbild, da es junge Frauen aus allen sozialen Schichten des Volkes in der Öffentlichkeit sichtbar machte, indem sich alle aktiv beteiligten und Körperlichkeit und sportlichen Geist betonten. In der Regimezeit ab 1933 kann der erwünschte „Mädeltyp“ als hauswirtschaftlich geschickt, kulturell bewandert, musisch gebildet, sowie zur Mutterschaft entschlossen beschrieben werden.343 Ferner entsprach es der Intention des BDM, dass das „deutsche Mädel“ einsatz- und opferbereit für die „Volksgemeinschaft“ eintrat, die nationalsozialistischen Werte und Normen nicht hinterfragte und anerkannte, sowie Disziplin in der Gemeinschaft vorwies. Jedes Mitglied sollte sportlich sein, dabei auf seinen Körper und seine Gesundheit achten, anständig gekleidet sein und äußerlich sauber auftreten. Dieser „Typ“ des Mädchens war fleißig und selbstständig nicht nur bei der Arbeit, sondern vor allem im Haushalt.344 Der Karriereplan sah für die Mädchen daher ebenfalls die private Sphäre als weibliche Versorgerinnen und Erzieherinnen in der Familie vor.345 Dieses Plädoyer des BDM wurde ergänzt durch Förderung der Ausbildung von Frauenberufen in Hauswirtschaft, Pflege und Landwirtschaft; dabei vor allem auch durch die spezifische Instrumentalisierung von Landdienst der HJ, Arbeiten für das Hilfswerk „Mutter und Kind“ und der zum Teil vom BDM getragenen Einrichtung des „hauswirtschaftlichen Jahres“.346

7.1.2.1 Erziehungsarbeit und Schulungsansprüche des BDM Neben der Erziehung zur Gemeinschaft und dem Aufgehen des Individuums im „Wir-Gefühl“ des Bundes und damit schlussendlich ebenso in der gesamten „Volksgemeinschaft“, wurde ebenfalls die Formung des „ganzen Menschen“ und die damit verbundene richtige

342 Vgl. KLAUS Martin, Mädchen im Dritten Reich. Der Bund Deutscher Mädel (BDM). Köln 1983. S. 41-43. 343 Vgl. KOLLMEIER, Erziehungsziel „Volksgemeinschaft“, 2011, S. 62. 344 Vgl. KLAUS Martin, Mädchenerziehung zur Zeit der Faschistischen Herrschaft in Deutschland. Der Bund Deutscher Mädel. In: Walter FABIAN / Karl-Christoph LINGELBACH (Hgg.). Sozialhistorische Untersuchungen zur Reformpädagogik und Erwachsenenbildung. Band 3. Frankfurt am Main 1983. S. 142. 345 Vgl. KOLLMEIER, Erziehungsziel „Volksgemeinschaft“, 2011, S. 61-62. 346 Vgl. BENZ, Das Dritte Reich, 2012, S. 69f. 64 „Mädelhaltung“ angestrebt. Dabei lag die NS-Anschauung darin, dass den „ganzen Mensch“ Körper, Geist und Charakter ausmachten, welche in „eine harmonische Beziehung zueinander gesetzt werden“ sollten, um schließlich die Grundsteine der „mädchengemäßen Haltung“ zu bilden. Aus diesem Grund sollte es auch im BDM notwendig sein, die Heranerziehung des „ganzen Mädchens“ durch „sportliche Ertüchtigung“, „weltanschauliche Schulung“ und das Wecken der „sozialen Einsatzbereitschaft“ zu forcieren.347 Ziel der Erziehung im BDM war daher einerseits die Mädchen zu „starken und tapferen Frauen“, sowie andererseits, zu „Trägerinnen der nationalsozialistischen Weltanschauung“ zu machen. Um jene Erziehungsmaxime zu erfüllen, sollten zwei Drittel der Aktivitäten der BDM-Mädel für Sport und ein weiteres Drittel für weltanschauliche Erziehung bzw. für praktische Arbeit verwendet werden.348

Obwohl es nun scheint, als wäre der weltanschaulichen Schulung weniger Platz eingeräumt worden als der körperlichen Erziehung, war es doch erstere, die alle Erziehungs- und Sozialisationsmaßnahmen der Jugendorganisation erfasste und die gänzliche Identifikation der Jugendlichen mit dem NS-Systems anstrebte.349 Der BDM versuchte eine Generation an Mädchen nach nationalsozialistischer Vorstellung „politisch, aber fraulich“ auszurichten, womit jedoch nicht die aktive Teilnahme von Frauen am politischen Geschehen gemeint war, sondern wiederum die Auffassung der Frau in ihrer zugedachten Rolle als Mutter und Dienerin der „Volksgemeinschaft“, welcher politische Bedeutung zukam.350 So sollten die Mädchen erkennen lernen, dass nicht nur ihre eigene Existenz vom Wohlergehen des Volkes bestimmt wurde, sondern ebenso das Individuum für das Volk einzustehen hatte, um es zu erhalten. Damit verbunden war ebenso die biologische Erziehung, basierend auf rassischer Grundlage, welche forderte: „Deutsches Mädel, deine Ehre ist die Treue zum Blut Deines Volkes“. Dies betraf zum einen die Gesunderhaltung des Körpers und zum anderen die Erhaltung der „Rasse“ durch sorgfältige Wahl des Lebensgefährten aus dem „deutschen Volk“.351

BDM-Mitglieder sollten daher die Normen und Werte verinnerlichen, welche ihnen von der Organisation vermittelt wurden. Spezifische Erwartungen an zukünftige Frauen und Mütter des „Dritten Reiches“ wurden den Mädchen nun nähergebracht, wobei sich den Rollenzuschreibungen entsprechend der „Dienst“ für Führer, Volk und Familie häufig auch auf

347 Vgl. KLAUS, Mädchen im Dritten Reich, 1983, S. 42-44. 348 Vgl. WILLMOT, Zur Geschichte des Bundes Deutscher Mädel, 2007, S. 119f. 349 Vgl. BUDDRUS, Totale Erziehung für den totalen Krieg, 2003, S. 60. 350 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 144-146. 351 Vgl. RÜDIGER, Die Hitler-Jugend und ihr Selbstverständnis im Spiegel ihrer Aufgabengebiete, 1983, S. 23. 65 die zu leistende Kulturarbeit auswirkte.352 Da die Nationalsozialisten die Vorstellung hatten, dass das weibliche Geschlecht ein stärkerer „Kulturträger“ sei als der Mann, wurde durch die richtige „Mädelhaltung“ auch eine kulturelle Einstellung zu vermitteln versucht, welcheebenso die Lebensgestaltung miteinbezog. Diese „kulturelle Lebensgestaltung“ beinhaltete Kleiderwahl, die Gestaltung des Wohnraumes, wie auch die Werkarbeit, und stellte eine Verbindung zu hauswirtschaftlichen Aufgabenbereichen dar. Nebenbei wurde der „Mut zum eigenen Schaffen“ besonders betont und „richtige Lebenshaltung“ von einer „Selbermach- Haltung“ durchdrungen, bei der die Mädchen im BDM lernen sollten, Dinge selbstständig zu vollbringen, was sich wiederum beim Basteln und Werken, der Erstellung von Kleidung, der Pflege von Säuglingen und Kranken und musikalischen Darbietungen zum Ausdruck brachte.353 Die „mädchengemäße Ausrichtung“ der BDM-Arbeit konnte dabei ebenso als Basis „für eine gute Ehe“ verstanden werden.354

Neben der Schulungsarbeit zur Ausbildung des Charakters, Willensbildung und der kulturellen Heranerziehung, sollte schließlich die körperliche Erziehung verstärkt an die geistige und seelische Entwicklung der jungen Generation angepasst werden.355 Auch in den Sportarten praktizierte man hierbei meist das Gruppenspiel oder legte Wert auf rhythmische Gymnastik entsprechend der weiblichen Anatomie und der Vorbereitung auf das zukünftige Dasein als Mutter.356 Führerinnen im BDM betonten dabei immer wieder, dass Gesunderhaltung wichtig sei für Mütter der nachfolgenden Generation und wiesen dabei ausdrücklich auf die Verbindung zwischen „körperlicher Ertüchtigung“ und der Erhaltung einer „hochwertigen Rasse“ hin.357 Zusätzlich sollten spezielle BDM-Ärzte die Gesundheit der Mädchen überwachen, um vor etwaiger körperlicher Überanstrengung vorzubeugen, damit die Gebärfähigkeit gewährleistet blieb.358 Dennoch konnten auch die Mädchen im BDM Leistungsabzeichen in Silber und Bronze in Disziplinen wie Leichtathletik, Schwimmen, Erste Hilfe oder Kartenlesen gewinnen, welche die Bemühung um Leistung und das Gemeinschaftsgefühl der Mädchen stärken sollten und körperliche Ertüchtigung mit ideologischem Wissen verband.359 Neben der körperlichen

352 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 140f. 353 Vgl. KLAUS, Mädchen im Dritten Reich, 1983S. 44-46. 354 Vgl. BUDDRUS, Totale Erziehung für den totalen Krieg, 2003, S. 157. 355 Vgl. RÜDIGER, Die Hitler-Jugend und ihr Selbstverständnis im Spiegel ihrer Aufgabengebiete, 1983, S. 21. 356 Vgl. KATER Michael H., Hitler-Jugend. Darmstadt 2005. S. 74. 357 Vgl. WILLMOT, Zur Geschichte des Bundes Deutscher Mädel, 2007, S. 119f. 358 Vgl. KATER, Hitler-Jugend, 2005, S. 75. 359 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 35. 66 Kraft formte das auch das Bewusstsein anderen überlegen sein zu wollen und damit die Willens- und Entschlusskraft der Mädchen.360

Ähnlich den Führerinnen in anderen NS-Organisationen, wie beispielsweise der NS- Frauenschaft, trugen auch jene im BDM entscheidend dazu bei, die Mädchen zu manipulieren und für die Ziele des NS-Regimes zu instrumentalisieren.361 Eine Führerin war dabei lediglich ein Instrument der Institution und ein maßgebender Faktor des Sozialisationsprozesses, welcher die Erziehung der jungen Mädchen ergänzte.362 Außerdem passierte ein Großteil der pädagogischen Arbeit durch Arbeiten innerhalb von Gruppen Gleichaltriger, weshalb ein wichtiger Aspekt des BDM die Identifikation mit anderen Gliedern der Gemeinschaft war. Dabei sollte das Individuum in die Masse eingewöhnt werden, wobei die Vorbereitung auf die Zusammenarbeit sich auf erster Ebene durch die Uniformierung vollzog. Der idente Anblick der Jugend bei Versammlungen, im Dienst oder bei Propagandaaufmärschen sollte nicht nur das Gemeinschaftsgefühl in der Gruppe stärken, sondern ebenso eine Abgrenzung von jenen, welche kein Mitglied der Jugendorganisation waren, erlauben. Jener Unterscheidungsaspekt wurde ebenso durch Auskünfte der Medien verstärkt.363

Wurden die Aktivitäten für einige wenige der Mädchen auch als unangenehmer militärischer Drill, aufgezwungene Unterordnung und Gefolgschaftsleistung empfunden, so bestand für andere durch Aktivitäten im BDM die Möglichkeit, aus Zwängen von Schule und Familie auszubrechen, da sie sich einige erstmals in einer Position wiederfinden konnten, in der sie Macht über andere Personen erhalten konnten.364 Das Pflichtjahr und das Landjahr waren dabei die erste wirkliche Möglichkeit, gänzlich dem Alltag zu entfliehen und neue Orte und Personen kennenzulernen.365 Beim Blick zurück unterscheiden sich die Erinnerungen an die Zeit im BDM, da der politische Charakter entweder ausgeblendet wird und attraktive Erlebnisse in den Vordergrund rücken oder etwa da die HJ-Zeit im Nachhinein als Missbrauch von jugendlichem Idealismus empfunden wird. Einen Unterscheidungsgrund bezüglich der Einflussmöglichkeit und Wirkung der NS-Jugendorganisationen auf die nationalsozialistische Sozialisation Jugendlicher stellte unter anderem das Alter dar. Nie gänzlich umgesetzt werden konnte daher

360 Vgl. GUGLER, „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, 1997, S. 270. 361 Vgl. EINÖDER, Handlungsräume von Frauen während der NS-Zeit jenseits der „Opfer-Täterinnen-Dualität“, 2010, S. 39. 362 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 142. 363 Vgl. MATZER, Manipulation durch Gemeinschaft und Führung. (In Vorbereitung). S. 5. 364 Vgl. BAILER-GALANDA, Jugend im Nationalsozialismus, 2010, S. 48. 365 Vgl. GRUBE / RICHTER, Alltag im Dritten Reich, 1982, S. 111. 67 die vom NS-Regime beabsichtigte weltanschauliche Vereinheitlichung aller Kinder und Jugendlichen, weder in der HJ noch im BDM.366

7.1.2.2 Aktivitäten und Aufgaben im BDM In seiner praktischen Ausprägung ergaben sich die Aufgaben eines BDM-Mädchens in der geregelten Beipflichtung am Gruppenleben, bei dem unter anderem auch das Horst-Wessel- und das Deutschland-Lied auswendig gekonnt und die Regelungen des Versailler Vertrages aufgezählt werden sollten. Auch Wissen über „Auslandsdeutsche“ und die Fertigkeit eine Skizze des Deutschen Reiches anzufertigen, sollten die Mädchen beherrschen.367 Daneben waren die Aktivitäten und Aufgabengebiete des BDM entsprechend der vom NS-Regime dargestellten Frauenrolle zu gestalten. So gab es ebenso die Idealvorstellung von Heimabenden, an denen sich die Mädchen, bestenfalls dabei auch mit blondem, geflochtenem Haar, zusammensetzten und der Einübung ihrer zugedachten Rolle als Frau und Mutter widmeten, nebenbei handwerkliche Fähigkeiten erlernten, oder etwa auch als „Gesundheitsdienstmädel“ durch BDM-Ärztinnen Schulungen und Unterweisungen in Sozial- und Fürsorgetätigkeiten erhielten.368 An letzterer Ausbildung konnten vor allem ältere Mädchen freiwillig teilnehmen, oder sich auch im Luftschutz einschulen lassen.369 Da der Rassen- und Gesundheitsgedanke in Verbindung mit Sport- und Hygieneerziehung stand, wurden selbst 10-jährige Mädchen in Hygieneschulung an Heimnachmittagen unterwiesen. Von ihnen wurde verlangt sich sauber zu waschen und zu kämmen, sowie sich ordentlich Zähne und Fingernägel zu putzen, andernfalls würden sie von der Gruppe verhöhnt werden.370

Diese Heimabende stellten daher nicht nur eine praktische Vorbereitung auf das zukünftige Leben als Hausfrau und Mutter dar,371 sondern die wöchentlich vorgesehenen Versammlungen in Kleingruppen vermittelten ebenso die nationalsozialistischen Ideologien durch Vorträge, Berichte, Lieder und Gedichte. Bei den Schulungen berücksichtigt wurden sowohl Alter als auch Geschlecht.372 Dementsprechend wurden die ideologischen Inhalte durch Rassenkunde, Geschichte und Volkskunde beigebracht.373 Auch wenn „gemütliche“ Heimabende mit

366 Vgl. BAILER-GALANDA, Jugend im Nationalsozialismus, 2010, S. 45-50. 367 Vgl. GRUBE / RICHTER, Alltag im Dritten Reich, 1982, S. 111. 368 Vgl. Ebd. S. 88. 369 Vgl. WILLMOT, Zur Geschichte des Bundes Deutscher Mädel, 2007, S. 119. 370 Vgl. GUGLER Petra, Bund Deutscher Mädchen in Österreich – Erziehung zwischen Tradition und Modernisierung? Dipl.-Arb. Graz 1997. S. 82. 371 Vgl. KATER, Hitler-Jugend, 2005, S. 75. 372 Vgl. BUDDRUS, Totale Erziehung für den totalen Krieg, 2003, S. 63. 373 Vgl. BENZ, Das Dritte Reich, 2012, S. 69f. 68 Schulungen abwechseln sollten,374 so wurde die nationalsozialistische Weltanschauung doch immer unterschwellig vermittelt, da beispielsweise auch Tätigkeiten wie Basteln und Werken, welche scheinbar unberührt von der nationalsozialistischen Anschauung waren, auf das Frauenideal vorbereiteten, da jene Fähigkeit der Geschmacksbildung dienen sollte.375

Um stetigen Einfluss auf die Mitglieder des BDM zu gewähren und den Dienst in der Jugendorganisation möglichst umfangreich zu gestalten, sorgten die Führerinnen dafür, dass die Heimabende erweitert wurden und es stets Aktivitäten gab. Damit bestand der Anspruch an die Mitglieder nicht nur in der Teilnahme der wöchentlichen Versammlungen, sondern ebenfalls an einer monatlichen „Fahrt“, bei der gewandert und in anderen Gegenden übernachtet wurde.376 Auf den geselligen „Lagern“ und „Fahrten“ wurden den Mädchen überaus positive Erlebnisse geboten, welche der „Gemeinschaftserziehung“ dienten.377 Auch wenn sich Lagerfeuer, gemeinsamer Gesang und Nachtwanderungen wiederum als attraktive Aktivitäten ergaben,378 entpuppte sich vor allem die Wanderfahrt im BDM als „Probe auf den Willen zur Kameradschaft“, welche von den Mädchen verlangte, dass sie sich den Bedürfnissen der Gruppe unterordneten.379 Auch weltanschauliche Schulung und Vormittage mit Sport, sowie das Marschieren in Kolonnen, um die Heimat kennenzulernen, umrahmten häufig den Alltag einer „Fahrt“.380 Stets streng geachtet wurde dabei vor allem bei Mädchen auf ihr Verhalten während der Ausflüge, um das Ansehen „der deutschen Frau“ zu bewahren.381

Daneben wies der Terminkalender der BDM-Mitglieder verschiedenste sportliche Veranstaltungen, politische Ereignisse und Musikdarbietungen auf, welche auf örtlicher, regionaler und nationaler Ebene stattfinden konnten. Als Höhepunkte jener erschienen vor allem der Reichssportwettkampf, der Reichsberufswettkampf, sowie die Reichsmusik- und Reichstheatertage.382 Seit 1934 gab es dazu auch verpflichtend für jedes BDM-Mitglied einen Sport-Abend, dessen Teilnahme ebenso wie jene des Heimabends im „Dienstplan“ der Mädel festgelegt war.383

374 Vgl. GUGLER, „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, 1997, S. 267. 375 Vgl. BENZ, Das Dritte Reich, 2012, S. 69f. 376 Vgl. REESE, Die BDM-Generation, 2007, S. 119. 377 Vgl. KOLLMEIER, Erziehungsziel „Volksgemeinschaft“, 2011, S. 68. 378 Vgl. GUGLER, Bund Deutscher Mädchen in Österreich, 1997, S. 81. 379 Vgl. KOLLMEIER, Erziehungsziel „Volksgemeinschaft“, 2011, S. 68. 380 Vgl. GUGLER, Bund Deutscher Mädchen in Österreich, 1997, S. 81. 381 Vgl. Ebd. S. 48. 382 Vgl. REESE, Die BDM-Generation, 2007, S. 119. 383 Vgl. RÜDIGER, Die Hitler-Jugend und ihr Selbstverständnis im Spiegel ihrer Aufgabengebiete, 1983, S. 94. 69 7.1.2.3 Das BDM-Werk „Glaube und Schönheit“ Im Jahr 1938 wurde schließlich das BDM-Werk „Glaube und Schönheit“ geschaffen, welches eine der NSDAP zughörige zusätzliche Untergliederung speziell für unverheiratete junge Frauen darstellte.384 BDM-Mitglieder im Alter von siebzehn bis einundzwanzig konnten dieser Organisation beitreten und dabei in konkreten Schulungen auf ihr Dasein als Frauen im Nationalsozialismus vorbereitet werden. Sie wurden in thematischen Arbeitsgemeinschaften zusammengefasst, der nationalsozialistischen Auffassung entsprechend, typisch weibliche Anlagen im Bereich der Hauswirtschaft, Raumgestaltung, Pflege des Körpers und der Gesundheit, Musik, sowie Leibesübungen auszuüben.385 Im BDM-Werk sollte den Mitgliedern schließlich die Freiheit gegeben werden, ihre persönlichen Anlagen entfalten zu können, da sie bereits in den Jugendorganisationen zuvor gezeigt hatten, dass sie sich in die Gemeinschaft eingliedern konnten. Entsprechend ihren politischen, sportlichen, hauswirtschaftlichen oder kulturellen Interessen konnten die Mädchen die Art der Arbeitsgemeinschaften und die Form des Dienstes selbst wählen. Auferlegtes Ziel des BDM-Werkes war dabei jedoch stets die Ausbildung zur „gemeinschaftsgebundenen Persönlichkeit“.386 Die Untergliederung des BDM sollte den Mädchen dabei helfen, einen Haushalt geschmackvoll einzurichten und sich selbst elegant zu kleiden. Den Vorwurf, der BDM würde durch Märsche und Exerzierübungen Mädchen „vermännlichen“, sollte das Werk nun wettmachen, da Stil und Charme neben Sport als wichtige Kriterien für junge Frauen propagiert wurden. Dabei sollte es vor allem auch für die älteren Jugendlichen attraktiv werden.387

An sich war der Eintritt in das BDM-Werk freiwillig. Verpflichtend war nachdem Beitritt jedoch die Ausübung der Leibeserziehung, wobei vor allem der Gymnastik im Hinblick auf das nationalsozialistische Frauenideal besondere Bedeutung zugemessen wurde.388 Für die Aufnahme galt es außerdem, bestimmte Proben zu leisten: So mussten beispielsweise parteigeschichtliche Kenntnisse und Wissen über die NS-Ideologie vorhanden sein, Texte bekannter NS-Lieder aufgesagt und die Eignung im sportlichen Bereich gezeigt werden können.389

384 Vgl. KOLLMEIER, Erziehungsziel „Volksgemeinschaft“, 2011, S. 65. 385 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT. Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 155. 386 Vgl. RÜDIGER, Die Hitler-Jugend und ihr Selbstverständnis im Spiegel ihrer Aufgabengebiete, 1983, S. 24. 387 Vgl. WILLMOT, Zur Geschichte des Bundes Deutscher Mädel, 2007, S. 129-132. 388 Vgl. RÜDIGER, Die Hitler-Jugend und ihr Selbstverständnis im Spiegel ihrer Aufgabengebiete, 1983, S. 24f. 389 Vgl. KOONZ, Mütter im Vaterland. Frauen im Dritten Reich, 1991, S. 234f. 70 7.1.2.4 Die Rolle der BDM-Mädchen im Krieg Die Forderungen an die BDM-Mädchen nach Leistung und einer angemessenen Lebensführung kann bereits als eine Maßnahme zur Vorbereitung auf den Krieg gesehen werden, wodurch ebenso das weibliche Geschlecht auf den Zweiten Weltkrieg eingestimmt wurde.390 So lassen sich ab September 1939 auch andere Zielsetzungen in der HJ erkennen. Ein Wandel, welcher die Mädchen häufig mehr berührte als die Jungen, da die radikale Umstellung von Volkstänzen und Wanderungen auf politische Tätigkeiten und eine militärische Einstellung erfolgte. Durch die kriegsbedingte Entgegensetzung der nationalsozialistischen Anschauung vom Mädchensein und der eigentlichen Situation im Krieg war es deshalb besonders für die Mädchen schwierig mit den widersprechenden Vorstellungen umzugehen.391

Nach Ausbruch des Krieges wurden durch den BDM unzählige Mädchen zum „Kriegseinsatz der Hitler-Jugend“ berufen, wobei ihr Dienst beispielsweise als soziale Hilfeleistung anstelle von Pflegepersonal in Lazaretten an der Front oder in Krankenhäusern und Heimatlazaretten benötigt wurde.392 Die Pflicht zum Kriegseinsatz traf ab dem Jahr 1939 bereits alle Kinder, welche das zehnte Lebensjahr vollendet hatten und Mitglieder der HJ waren. Gerade jüngere Mädchen konnte man dabei auch für Straßensammlungen von Geld, Kleidern und Lebensmitteln gebrauchen.393 Andere Aufgaben der Mädchen bestanden in der Verteilung von Lebensmittelkarten, der Verpflegung von Flüchtlingstransporten, der Verrichtung von Bahnhofsdiensten, der Ausgabe von Nahrungsmitteln und Waren an Angehörige der Wehrmacht oder an die Bevölkerung, der Durchführung von Altmaterialsammlungen, sowie dem Sammeln von Heilpflanzen und Kräutern. Auch halfen sie bei der Arbeit in Haus und Garten in ländlichen Betrieben und kümmerten sich um die dort ansässigen Kinder, um die Bäuerinnen zu entlasten, oder übernahmen hauswirtschaftliche Tätigkeiten, wie Küchendienste und Dienste in Näh- und Flickstuben.394 Hinzu kam, dass die Mädchen als Unterstützung in der Kriegswirtschaft in der Heimat häufig für Erntedienste und zur Betreuung bei der „Kinderlandverschickung“ (KLV), bei der Kinder aus Kriegsgebieten in ländliche Umgebungen übersiedelt wurden, verwendet wurden. Über die Integration weiblicher Jugendlicher in die Kriegsökonomie hinaus ging jedoch ebenso die Berufung von BDM- Mädchen zum „Osteinsatz“ in besetzten Gebieten Osteuropas.395 Um den Mädchen die Einsätze

390 Vgl. GUGLER, Bund Deutscher Mädchen in Österreich, 1997, S. 82. 391 Vgl. KATER, Hitler-Jugend, 2005, S. 66. 392 Vgl. BENZ, Das Dritte Reich, 2012, S. 69f. 393 Vgl. GUGLER, „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, 1997, S. 281. 394 Vgl. WIGGERSHAUS, Frauen unterm Nationalsozialismus, 1984, S. 45. 395 Vgl. BENZ, Das Dritte Reich, 2012, S. 69f. 71 möglichst attraktiv zu präsentieren, damit sie sich willig zeigten diese zu verrichten, wurde Pressearbeit, beispielsweise durch Zeitschriften wie „Das Deutsche Mädel“ oder das Führerinnenblatt des BDM mit Titel „Mädel voran“ betrieben, in Film und Rundfunk dafür geworben und ausgeklügelte Indoktrination auf Heimabenden und anderen großen Veranstaltungen ausgeübt.396 Neben praktischem und ökonomischem Nutzen hatten viele Einsätze der BDM-Mädchen im Krieg nebenbei auch die Absicht, die Moral an der „Heimatfront“ aufrechtzuerhalten.397

396 Vgl. WIGGERSHAUS, Frauen unterm Nationalsozialismus, 1984, S. 45. 397 Vgl. WILLMOT, Zur Geschichte des Bundes Deutscher Mädel, 2007, S. 138-139. 72 8. Familienleben im Nationalsozialismus

8.1 Der Sozialisationsraum Familie in der NS-Zeit Das häusliche Umfeld und die Familie galten im nationalsozialistischen Staat ebenso als primäre Sozialisationsinstanzen, wobei „Religion“ und „Familie“ in Deutschland als traditionelle Begriffe angesehen wurden, denen innerhalb der Bevölkerung wichtige Bedeutung beigemessen wurden. Der Nationalsozialismus verwendete diese Tradition zu seinen Gunsten, da in der NS-Propaganda behauptet wurde, der Bolschewismus würde die Familie zerstören und Individuen ihre Rechte entziehen.398 Die NS-Rhetorik nutzte diese Mythen, um sich als „Beschützer der Familie“ darzustellen und eine günstige Familienpolitik zu gestalten, welche neue Mitglieder „heranzüchten“ sollte.399 Was das Volk im großen Rahmen war, das sollte die Familie nun im Kleinen darstellen, weswegen auch allgemein gültige völkische Strukturen, zwischenmenschliche Beziehungen und Hierarchien im familiären Leben übernommen wurden. Während der Vater traditionell die Rolle des Familienoberhauptes, Beschützers und Ernährers einnahm, sollte die Frau innerhalb der Familie Arbeit und Selbstaufopferung darbringen und die „Seele“ des Hauses sein.400 Beide sollten sich ab 1933 ebenso der zentralen Bedeutung der Familie im Nationalsozialismus widmen und diese verfolgen, welche sich in der Form als „Produktionsstätte erbbiologisch reinen Nachwuchses“ und als „Versorgungseinrichtung für die Volksgemeinschaft“ wiederfindet.401 Damit einhergeht nun die Verpflichtung des Elternhauses, Kinder für den Staat zu zeugen.402 Mit dem Erziehungsrecht und der Erziehungspflicht der Eltern zu argumentieren, nutzten die Nationalsozialisten jedoch ebenso für sich, da der Familie eine entscheidende Rolle in der „Prägung“ der Kinder zukam. Es galt, die Kinder im „nationalsozialistischen Sinn“ zu erziehen, da alle weiteren Maßnahmen langfristig nur erfolgreich sein konnten, „wenn in der Familie [...] bereits der Keim dazu gelegt worden ist“.403

Auch wenn die Bedeutung und das primäre Recht auf Erziehung in der Familie immer wieder betont wurde, forcierte das nationalsozialistische Familienmodell nunmehr die Inanspruchnahme des Elternrechtes im Namen der Staatsmacht.404 Eltern wie auch Kinder

398 Vgl. MANN, Zehn Millionen Kinder, 2017, S. 28-29. 399 Vgl. KOONZ, Mütter im Vaterland. Frauen im Dritten Reich, 1991, S. 424-425. 400 Vgl. BURGHARDT Christina, Die deutsche Frau, 1978, S. 49f. 401 Vgl. KANZ, Der Nationalsozialismus als pädagogisches Problem, 1984, S. 389. 402 Vgl. SCHYMROCH, Von der Mutterschule zur Familienbildungsstätte, 1989, S. 46. 403 Vgl. HORN / LINK, Erziehungsverhältnisse im Nationalsozialismus, 2011, S. 35. 404 Vgl. KANZ, Der Nationalsozialismus als pädagogisches Problem, 1984, S. 389. 73 sollten zusätzlich zu Haushalt, Beruf und Schule zunehmend in staatlich gelenkten Freizeitaktivitäten, Berufsorganisationen, Schulungsprogrammen und karitative Tätigkeiten eingebunden werden,405 wodurch viele Familienmitglieder kaum noch Zeit miteinander verbrachten und der Zusammenhalt in der Familie häufig geschwächt wurde. Dadurch sollte es auch möglich sein, uneingeschränkte Macht auf die einzelnen Staatsbürger auszuüben und einen immer stärker werdenden staatlichen Zugriff auf die einzelnen Familienmitglieder zu gewähren.406 Jene Entprivatisierung der Familie wurde schließlich auch von der Frauenpolitik des Nationalsozialismus gefördert.407 Daneben brachten vor allem auch die Denunziationen drastische Auswirkungen für das Familienleben. Bei Verdacht auf Untreue gegenüber dem Führer oder des Nationalsozialismus bestand unter der Bevölkerung Meldepflicht, welche ebenso bei Familienmitgliedern eingehalten werden musste. Aus dem privaten Raum der Familie wurde daher ebenso eine öffentliche Angelegenheit, da sie der ständigen Kontrolle von Staat und Partei ausgesetzt war. Da die Treue und Liebe gegenüber dem Führer an erster Stelle stand, fanden sich vor allem Kinder zwischen der Familie und den Ansichten von Instanzen und Organisationen, welchen sie ebenso anvertraut wurden, hin- und hergerissen.408

Es wurde dennoch nicht nur von Schulen und Freizeitorganisationen verlangt, die Kinder im nationalsozialistischen Sinne und für das deutsche Volk zu erziehen, sondern dieser Anspruch wurde auf Seite der nationalsozialistischen Propaganda besonders auch an die Mütter gestellt, was insofern notwendig war, da viele Frauen vor allem zu Kriegsbeginn durch die Aufwertung der Mutterrolle es häufig vorzogen, sich ihrer Familie zu widmen.409 Vorschulische Einrichtungen wie Betriebskindergärten sollten dabei jedoch ebenso garantieren, dass die Erziehung bereits früh von nationalsozialistischen Verbänden übernommen wurde.410 Außerdem wurde die elterliche Jugenderziehung besonders während der Kriegszeit 1939-1945 endgültig geschwächt, da Väter und ältere Brüder meist eingerückt waren und viele Kinder insbesondere aus der Großstadt in KLV-Lager evakuiert worden waren, womit die Sozialisationsinstanz Familie häufig ganz ausfiel und von diversen Lagern, militärischen Einheiten oder Gruppen Gleichaltriger ersetzt wurde.411 Partei und Staat mischten sich vor allem dann in die Erziehung in der Familie ein, wenn „die Eltern durch grobe Verstöße gegen

405 Vgl. KOONZ, Mütter im Vaterland. Frauen im Dritten Reich, 1991, S. 242-425. 406 Vgl. HIRNER, Erziehung im Nationalsozialismus, 2000, S. 44. 407 Vgl. KOONZ, Mütter im Vaterland. Frauen im Dritten Reich, 1991, S. 425. 408 Vgl. HIRNER, Erziehung im Nationalsozialismus, 2000, S. 44. 409 Vgl. ROBERTS, Starke Mütter – ferne Väter, 2005, S. 35f. 410 Vgl. NYSSEN, Frauen und Frauenopposition im Dritten Reich, 1987, S. 37. 411 Vgl. SCHRECKENBERG Heinz, Erziehung, Lebenswelt und Kriegseinsatz der deutschen Jugend unter Hitler. Anmerkungen zur Literatur. Münster 2001. S. 43. 74 ihre Pflichten als Erzieher und Volksgenossen die Kinder gesundheitlich, politisch oder sozial gefährdeten“ oder durch „abwegiges Verhalten“ von Seiten des Elternhauses zu durchbrechen versucht wurde, was die nationalsozialistische Jugendbewegung aufbauen wollte.412 So gibt es ein Beispiel von Eltern eines 11-jährigen Schulmädchens aus dem Jahr 1941, deren Eltern das Sorgerecht für beide Kinder gerichtlich entzogen wurde, nachdem das Mädchen den Hitlergruß verweigert hatte. 413

Bestimmend für die Ausrichtung des Elternhauses war häufig auch die Stellung in der Bevölkerung. Bürgerliche und großbürgerliche Familien, welche oft nationalkonservativ ausgerichtet waren, achteten beispielsweise meist darauf, offene Konfrontationen mit Partei und Obrigkeiten zu umgehen. Stattdessen versuchten sie sich zum Wohl der Kinder und der gesamten Familie mit der Regierungspolitik zu arrangieren oder probierten zumindest bis zum Jahr 1942 noch über einiges hinwegzusehen, wie es auch in Arbeiterfamilien vorkam. Daneben trugen die Lesekultur und Eltern-Kind-Gespräche in mittleren und höheren sozialen Schichten häufig dazu bei, die Beeinflussung der NS-Propaganda einzudämmen. Auch katholische und kirchenfromme Eltern zeigten häufig beharrliche Versuche, ihre Kinder aus den Jugendorganisationen fernzuhalten.414 Grundsätzlich kann deshalb festgehalten werden, dass die Indoktrination durch die Erziehung im Elternhaus davon abhing, ob eine Familie „systemkonform neutralisiert“ war, oder für die Kinder in den Kriegsjahren Festigkeit und Geborgenheit darzustellen vermochte. Schließlich würden stets „soviel Arten der Familienerziehung bleiben, wie Familien vorhanden sind“. Die Möglichkeit der Familie, sich dem politischen Zugriff auf die Kinder zu entziehen, blieb dennoch stets bestehen, da es ihr offen lag, bei Interaktionen im Alltag eine soziale Identität aufzubauen und zu festigen, welche vom Nationalsozialismus nicht mit negativen Sanktionierungen belegt werden konnte, ohne die Institution „Familie“ selbst erkennbar zu vernichten.415

8.1.2 Die familiale Erziehung von Mädchen in der NS-Zeit Da das Interesse an der Erziehung der weiblichen Jugend in direkter Verbindung zu deren ideologischer Funktion in der „Volksgemeinschaft“ und ihren Partialbereichen stand, war besonders auch die frühe Belehrung von Mädchen im Sinn des Nationalsozialismus

412 Vgl. SCHRECKENBERG, Erziehung, Lebenswelt und Kriegseinsatz der deutschen Jugend unter Hitler, 2001, S. 42. 413 Vgl. Ebd. S. 42. 414 Vgl. Ebd. S. 42. 415 Vgl. HORN, „Immer bleibt deshalb eine Kindheit im Faschismus eine Kindheit“, 2011, S. 55. 75 entscheidend.416 Der Wert der Erziehung von Mädchen entsprechend der nationalsozialistischen Anschauungen im familiären Kontext wurde deshalb auch von der parteiamtlichen Zeitschrift „Das Junge Deutschland“ aufgegriffen, da festgehalten wurde:

„Erst die Umwandlung der privaten Sphäre durch den Nationalsozialismus, die Unterstellung der Familie und des häuslichen Lebens hat das Interesse an der Mädelerziehung ganz erheblich gesteigert. Es kann für die Volksgemeinschaft nicht unwesentlich sein, in welcher Verfassung sich die einzelne Familie befindet und danach welchen Prinzipien das heranwachsende Geschlecht in den ersten Lebensjahren erzogen wird. Die Erziehung im Elternhaus aber liegt weitgehend bei der Frau. Daraus ergeben sich die Ansprüche an die heutige Mädelerziehung.“417

Je nachdem, ob es sich nun um einen Sohn oder eine Tochter handelte, verwendete die „deutsche Frau“ im Idealfall unterschiedliche Methoden und legte andere Verhaltensweisen an den Tag. Bei der Mädchenerziehung reproduzierte sich die Frau üblicherweise selbst, womit sie ebenso die Rolle des abhängigen und unterdrückten Frauendaseins weitergab.418 Generell sollte die Mädchenerziehung parallel zur Jungenerziehung stattfinden. Die „Maiden“ genossen jedoch eine archaische Erziehung, welche stets in der späteren Mutter- und Ehefrauenrolle münden sollte. Bis sie in die ihnen zugedachte Rolle schlüpften, sollten sie stets daran erinnert werden, dass ihr Intellekt nicht genüge, um bestimmte Angelegenheiten und Zusammenhänge zu verstehen. Sollte das Mädchen aus dieser ihr zugedachten Rolle auszubrechen versuchen, musste sie ermahnt werden, denn schon früh hatte eine Tochter die ihr zugedachten Pflichten zu erfüllen. So mussten die „Maiden“ beispielsweise im Haushalt helfen und kleinere Geschwister betreuen. Meist handelte es sich um eine Arbeit innerhalb des Hauses, manchmal hatten die Töchter dennoch auch im Betrieb oder im Geschäft der Familie zu helfen. Dort sollte der Kontakt nach außen jedoch beaufsichtigt werden, bis die Tochter in andere „feste Hände“, ihres Ehegatten, kam. Da die Mädchen bis dahin der Aufsicht der Eltern unterstellt waren, erfolgte erneut eine Entmündigung, sowie eine Erziehung zu Unselbstständigkeit und Hilflosigkeit der Mädchen.419 Die Mädchen waren demnach traditionell mehr in Haushalt und Familie eingebunden als ihre Brüder, weshalb vor allem auch die „Dienstpflicht“ in Jugendorganisationen auf Konflikte mit den Eltern traf, welche im BDM zusätzlich häufig sexuelle Zügellosigkeit und unzureichende Betreuung durch die Führerinnen zu erkennen gedachten.420

416 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 120. 417 Vgl. Ebd. S. 120. 418 Vgl. BURGHARDT Christina, Die deutsche Frau, 1978, S. 66. 419 Vgl. Ebd. S. 69-70. 420 Vgl. WILLMOT, Zur Geschichte des Bundes Deutscher Mädel, 2007, S. 146f. 76 Obwohl sich die Sozialisation der Töchter in bürgerlichen Familien in erster Linie auf die Ehevorbereitung bezog, wurde eine spätere Heirat ebenso empfohlen, da man besonders bei Mädchen versuchte durch eine Sexualmoral und die damit verbundene Entwicklung des Schamgefühls, durch Unterdrückung des Sexualtriebes und Energieableitung sie zu dem Ideal der „geschlechtlichen Reinheit“ heran zu erziehen.421 Auch wenn die Ehe nicht ausschloss, eine Berufstätigkeit auszuüben, sollte jene möglichst mit dem „Pflichtenkreis der Ehe“ zu tun haben, weshalb Berufe in der Haus- und Landwirtschaft, Erziehung, Pflege oder im sozialen Bereich auch eher vom Elternhaus erwünscht waren. Diese Vorstellung von Erziehung wurde in der offiziellen Familienpropaganda und -pädagogik des Nationalsozialismus im kleinbürgerlich- traditionalistischen Milieu verstärkt ideologisiert und verbreitet, wobei besonders die Leitbilder für Frauen verschärft wurden. So sollte bis zu Kriegsbeginn auch in der bürgerlichen Familie ein dementsprechendes Maß an Kontinuität im Bereich der familiären Erziehung möglich sein. Wirkliches Bewusstsein über den Eintritt der Widersprüchlichkeit zwischen den in der Gesellschaft vorherrschenden Leitbildern der NS-Zeit und der gelebten Realität trat erst nach 1945 ein.422

Schließlich sollten sich sollten die gegebenen Rahmenbedingungen während der Kriegszeit wesentlich wandeln und die Rollenverteilungen in vielen Familien ändern. Dabei wurde häufig die Mutter zu einer entscheidenden Vermittlerin zwischen den Sozialisationswelten des privaten inneren Raums der Familie und der Stellung in der äußeren Welt. Infolge der Auswirkungen des Krieges konnte deshalb im familiären Alltag die Separation von Intimität und Privatheit zu Hause, wie auch im öffentlichen Leben, kaum aufrechterhalten werden, was schließlich ebenso die erzieherischen Zuständigkeitsbereiche von Vater und Mutter beeinflusste.423 Für viele Kinder war die Situation der Kriegs- und Nachkriegsjahre dahingehend außergewöhnlich, da sie beinahe in einem Matriarchat groß geworden waren und Mütter wie Großmütter wichtige Betreuungsfunktionen übernahmen. So wurde auch vielen Töchtern besonders in der Kriegszeit ein Frauenbild vermittelt, welches Fähigkeiten und Tugenden erforderte, die über die bis dahin geltenden Normen der Frauenrolle hinausreichen mussten. Nun waren selbstständige, für die erzieherischen, beruflichen und ökonomischen

421 Vgl. CASTELL RÜDENHAUSEN Adelheid Gräfin zu, Familie, Kindheit, Jugend. In: Dieter LANGEWIESCHE / Heinz-Elmar TENORTH (Hgg.), Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Band V. 1918-1945: Die Weimarer Republik und die nationalsozialistische Diktatur. München 1989. S. 65-86, hier: S. 83. 422 Vgl. Ebd. S. 84. 423 Vgl. ROBERTS, Starke Mütter – ferne Väter, 2005, S. 46. 77 Aufgaben und damit die Existenz verantwortliche Frauen wichtig, da die Männer sich meist an der Front befanden.424

9. Nationalsozialismus in der Steiermark

Der ursprüngliche Beginn der NS-Bewegung ging auch in der Steiermark bereits auf die Zeit vor 1938 zurück, da sich bereits zusammen mit den ersten österreichweiten Auftreten der Deutschen Arbeiterpartei (DAP) bzw. der Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (DNSAP) die Grundzüge eines „spezifisch österreichischen vorfaschistischen Nationalsozialismus“ erkennen ließen.425 Die österreichische NSDAP wurde somit bereits im Herbst 1931 als straff gelenkte Kaderorganisation neu ausgerichtet. Durch die Wirtschaftskrise, sowie die „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten in Deutschland, begann sich die NSDAP auch in der Steiermark zunehmend zu einer Massenbewegung zu entwickeln. Einem Mitteilungsblatt der steirischen NSDAP zufolge soll sich die Anzahl der Mitglieder der Partei von September 1932 bis Mai 1933 in der südöstlichsten österreichischen Ecke mehr als verdoppelt haben.426 So gab es zu diesem Zeitpunkt bereits etwa 5.453 Anhänger der NSDAP in der Steiermark. Parteigänger und Sympathisanten kamen dabei ähnlich wie in ganz Österreich vor allem aus dem Mittelstand und fanden sich daher eher weniger unter landbündischen Bauern oder Arbeitern aus den obersteirischen Industrieregionen. Auch wenn die Partei am 19. Juni 1933 in Österreich in die Illegalität verbannt wurde, gelang es nationalsozialistischen Organisationen und Verbänden bereits vor dem Anschluss auch in der Steiermark aus einer breiten Masse der Bevölkerung Anhänger zu finden, weswegen der Übergang Österreichs zum Nationalsozialismus 1938 auch nicht plötzlich eintrat, sondern ein längerer Prozess war.427 Vor allem auch das im austrofaschistischen Ständestaat gestattete deutschnationale Spektrum an Verbänden, welches als Vorwand für tatsächlich illegale NS- Aktivitäten diente, konnte in der Steiermark dazu beitragen nationalsozialistische Politiken schon vor dem Anschluss zu verbreiten.428

Nicht nur die momentan zu erfassende Arbeitslosigkeit und die wirtschaftliche Not, welche in der Steiermark Ende der 1930er Jahre immer größer wurden, sondern auch die zuvor erlebte Demütigung des Friedensdiktates von Saint-Germain und der damit verbundene

424 Vgl. Ebd. S. 42f. 425 Vgl. KARNER, Die Steiermark im Dritten Reich 1938-1945, 1994, 27f. 426 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 29f. 427 Vgl. KARNER Stefan, Die Steiermark im Dritten Reich 1938-1945, 1994, S. 37. 428 Vgl. SCHMIDLECHNER / ZIEGERHOFER et al., Geschichte der Frauen in der Steiermark, 2017, S. 36. 78 wiederkehrende Wunsch, die Untersteiermark wieder an die Steiermark anzuschließen und zu germanisieren, rückten den nationalen Gedanken abermals in das Zentrum steirischer Denkweise.429 Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde deshalb 1938 von der Mehrheit der steirischen Bevölkerung durchaus willkommen geheißen.430 Bereits zwischen Februar und März des Jahres wurde der Drang der NSDAP in der Steiermark und in Graz immer größer, den politischen Machtwechsel zu vollziehen. Ausschlaggebende nationalsozialistische Demonstrationen, Hakenkreuzfahnen und Flugzettel bestimmten das Straßenbild. Auch der Ruf der steirischen Landeshauptstadt als „Nazi-Hochburg“ wurde weltweit verbreitet, weswegen Hitler der Stadt Graz später auch den Beinamen „Stadt der Volkserhebung“, zur Ehrung und Anerkennung der Verdienste der Steiermark und Graz um den Nationalsozialismus, verlieh.431 Ab März 1938 überschlugen sich die politischen Ereignisse und nach einer Vereitelung der Volksbefragung, geplant von Österreichs Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, und dem anschließenden Rücktritt der Regierung, kam es am 10. April 1938 zur Legitimation der „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“, durch eine von den Nationalsozialisten durchgeführte „Volksabstimmung“.432 Bis ins kleinste Detail war die vorbereitende Propagandainszenierung geplant, wobei auch steirische Dichter und ehemalige steirische Politiker für die NSDAP warben. Unangefochtener Höhepunkt war jedoch Adolf Hitlers Fahrt mit dem Zug durch die Steiermark, bei der zahlreiche Menschen auch aus der steirischen Provinz in die Hauptstadt strömten. So kam es auch, dass das steirische Ergebnis der „Volksabstimmung“ von 99,87 Prozent an Stimmen, welche für den Anschluss stimmten, über dem österreichischen Durchschnitt lag, wobei jedoch viele nicht mitstimmen durften, da Juden, Roma oder politische Gegner zu diesem Zeitpunkt bereits in großen Teilen inhaftiert worden waren.433 Schlussendlich sollte es bis zu Beginn der Kriegsaktionen dauern, bis sich viele Steirer wieder von der Bewegung des Nationalsozialismus abzuwenden begannen.434

Während der Zeit des Nationalsozialismus kann sich die Steiermark nicht nur als eigenständiger „Gau“ der sieben bestehenden „Gaue“ in Österreich behaupten, sondern wurde sogar noch vergrößert.435 Bei der Aufteilung der „Gaue“ im Osten wurde jene Grenze der Steiermark dabei am 31. Mai 1938 neu beschlossen, wobei nun die südburgenländischen Bezirke Oberwart,

429 Vgl. JONTES Günther / SCHILHAN Günther, Vom Anschluss bis zum Staatsvertrag. Die Steiermark 1938- 1955. Graz 2007. S. 9-12. 430 Vgl. KARNER, Die Steiermark im Dritten Reich 1938-1945, 1994, S. 25. 431 Vgl. JONTES / SCHILHAN, Vom Anschluss bis zum Staatsvertrag, 2007, S. 12-14. 432 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 86f. 433 Vgl. Ebd. S. 86-89. 434 Vgl. KARNER, Die Steiermark im Dritten Reich 1938-1945, 1994, S. 25. 435 Vgl. Ebd. S. 76ff. 79 Güssing und Jennersdorf dem „Reichsgau“ Steiermark hinzugefügt wurden. Die Gemeinden der beiden zuletzt genannten Bezirke wurden dabei wiederum auf die Bezirke Feldbach und Fürstenfeld aufgeteilt, wobei Bezirke nun in Kreise umbenannt wurden. Nachdem beschlossen wurde, dass die Steiermark als eigener „Gau“ bestehen bleiben sollte, wurde der SA- Gruppenführer Dr. Sigfried Uiberreither am 23. Mai 1938 von Hitler zum und Landeshauptmann ernannt.436 Er nahm die oberste Position innerhalb dieses „Reichsgaues“ ein, welcher nach der Volkszählung vom 17. Mai 1939 und damit bereits mit Anschluss des südlichen Burgenlandes jedoch ohne das Ausseerland, das schließlich zu Oberösterreich gelangte, eine Wohnbevölkerung von 1,116.407 Einwohnern, mit einem Frauenanteil von 563.433 hatte. Von Bedeutung für die politischen Bewegungen waren vor allem auch Dörfer und kleine Märkte, da zwei Drittel aller Steirer in Ortschaften mit weniger als 1000 Einwohnern lebten.437

Als Österreich an das „Deutsche Reich“ angegliedert wurde hörte es auf als eigenständiger Staat zu existieren, womit es auch keine Verfassung, keine Grund- und Freiheitsrechte und auch keinen Gleichheitsgrundsatz mehr gab.438 Während der Zeit des Nationalsozialismus in der Steiermark bestätigte der steiermärkische Gauschulungsleiter Dr. Heinrich Hoffer, welcher außerdem ein persönlicher Freund des steirischen Uiberreithers gewesen war, daher ebenso das zuvor beschriebene und im regionalen Kontext gleichermaßen zu verfolgende Erziehungsziel des „rassenbewussten, volksverbundenen politischen Deutschen“, welcher die Aufgabe hätte, „dem Volke zu dienen, damit es erhalten bleibt“.439 Somit sollte auch das Bekenntnis zur „Volksgemeinschaft“ nach dem Anschluss in ganz Österreich umgesetzt werden und in verschiedenste Lebensbereiche der Bevölkerung einfließen, was einerseits durch die Integration in Organisationen und Einrichtungen verwirklicht werden sollte und andererseits durch die Definition und Ausgrenzung von inneren und äußeren „Feinden“ erfolgen sollte. Auch in der Steiermark wurde diese Absicht in der Öffentlichkeit kundgetan, da der steirische Gauleiter Sigfried Uiberreither in einer Rede Anfang Juli 1938, veröffentlicht durch die Tageszeitung „Tagespost“, verlauten ließ:

„Mit derselben eisernen Konsequenz, mit der wir nach und nach alle Volksgenossen unabhängig davon, ob sie ehemals Gegner waren oder nicht, in Arbeit und Brot bringen werden, mit derselben Konsequenz werden wir zu erreichen wissen, dass Beamte, die nicht die Gewähr für ihren restlosen Einsatz für den neuen Staat bieten, aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden. Mit derselben Energie, mit der wir die

436 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 90. 437 Vgl. KARNER, Die Steiermark im Dritten Reich 1938-1945, 1994, S. 207. 438 Vgl. SCHMIDLECHNER / ZIEGERHOFER et al., Geschichte der Frauen in der Steiermark, 2017, S. 36. 439 Zit. nach: KARNER Stefan, Die Steiermark im Dritten Reich 1938-1945. Aspekte ihrer politischen, wirtschaftlich-sozialen und kulturellen Entwicklung. 3. Auflage. Graz 1994. S. 115. 80 Volksgenossen an uns heranziehen und zu einer Einheit verschmelzen werden, werden wir aber anderseits das Volksfremde so lange abstoßen, bis es einfach nicht mehr da ist.“ 440

Durch die Aussage Uiberreithers wurde klar, dass politische Gegner, welche den Nationalsozialismus nicht unterstützten, sowie andere Gruppen, unter die auch Juden, „Zigeuner“, Behinderte und Homosexuelle fielen, nicht zur „Volksgemeinschaft“ gehören könnten, da jene als „Volksfeinde“ galten und daher ausgegrenzt, vertrieben und zuletzt vernichtet werden sollten. Dies wurde auf Grundlage von Gesetzen, Verordnungen und Erlässen, wie beispielsweise den „Nürnberger Rassegesetzen“, möglich.441

Diesen exemplarischen Ausführungen kann bereits die Bedeutung entnommen werden, dass nun auch im neu definierten „Gau“ Steiermark, welcher durch die Angliederung Österreichs an Hitler-Deutschland ab 1938 ebenso Teil des „Dritten Reiches“ war, weitgehend versucht wurde, die nationalsozialistische Weltanschauung zu verwirklichen. Dabei erhielt die Steiermark ein auf „neu hervorgekehrte historische Wurzeln“ basierendes und durch die NS- Rassen- und „Blut- und Boden“-Ideologie erweitertes „Grenzland-Bewusstsein“. Dieses samt der Entprovinzialisierung begünstigte es schließlich, dass sich die Bevölkerung in großem Ausmaß - zumindest anfänglich - mit dem System zu identifizieren vermochte.442 Durch eine geplante Aufnahme an historischen Traditionen der Steiermark konnte somit eine breite Masse innerhalb der steirischen Bevölkerung erreicht werden.443 Besonders auch durch die Grenzlage war man bestrebt, aus dem „Gau“ Steiermark einen regelrechten „Mustergau“ des „Dritten Reiches“ zu formen, in welchem der Führerstaat besonders hervorstechend zu erkennen war und alles genauestens, einheitlich und somit nahe am NS-Ideal vorangehen sollte. Dabei hatten sich die Herrschaftsträger in hohem Maße den Vorhaben und Normen des Gauleiters unterzuordnen.444 Auch mögliche andere Einflüsse auf die Bevölkerung, wie Kirchen oder bürgerliches Vereinswesen, wurden abgewiesen bzw. häufig sogar verboten. Andere alte Traditionen, welche das Jahr und das Leben der Bevölkerung zuvor strukturierten, sollten schließlich durch neue nationalsozialistisch geprägte Feste und Gebräuche ersetzt werden.445 Schlussendlich sollte der im „Deutschen Reich“ eingeführte totale Anspruch auf Erziehung, auch in der Steiermark übernommen werden. So hielt man dazu beispielsweise einen Kommentar Hitlers in der Zeitung „Steirerland“ vom 31. Januar 1941 fest: „Der Nationalsozialsums gestaltet eine

440 Zit. nach: HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 171. 441 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 172. 442 Vgl. KARNER, Die Steiermark im Dritten Reich 1938-1945, 1994, S. 22. 443 Vgl. Ebd. S. 25. 444 Vgl. Ebd. S. 23. 445 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 279. 81 Volksgemeinschaft, die vom Kinde an beginnt und beim Greis endet. Niemand kann diese gewaltige Symphonie des Lebens zum Schweigen bringen.“446

9.1 Grundlegendes zur Frau in der NS-Zeit in der Steiermark Da das von den Nationalsozialisten aufgegriffene biologistische Frauenbild bereits im Austrofaschismus verbreitet wurde, fiel es dem NS-Regime leicht, Frauen auch in Österreich für ihre Idealvorstellung zu begeistern. Die „Mutterideologie“ musste dabei lediglich aufgegriffen, intensiviert und auf den bevorstehenden Krieg angepasst werden.447 Aus diesem Grund wurde ein Dasein als Mutter auch unter dem NS-Regime in der Steiermark gefördert und schließlich honoriert. Im Oktober 1939 wurde daher zum ersten Mal in Graz eine Auszeichnung durchgeführt, wobei rund 2.000 Steirerinnen das Mutterkreuz erhielten.448 Selbst während der Kriegszeit, am Muttertag 1943, überreichte der steirische Gauleiter Uiberreither noch Mutterkreuze.449 Auch der Muttertag wurde schließlich jedes Jahr im Mai feierlich zelebriert. Bereits 1938 ist im „Oststeirerblatt“ zu lesen, dass der BDM der Ortsgruppe Gleisdorf zu einer „innigen Feier“ und „Ehrung“ einlud. Auch von SchülerInnen in Sinabelkirchen ist die Rede, welche den „Tag der deutschen Mütter“ mit Gedichten und Liedern feierten.450 Die Aufnahme dieses Tages in das nationalsozialistische Feierjahr zeigen auch Lobgesänge aus Zeitungen. So schreibt das „Steirerland“ im Jahr 1941 über die Besonderheit der Mütter, da festgehalten wird: „Kostbar und schön ist jedes Menschenleben. Einzigartig in seiner Größe und seinem Reichtum ist aber das Leben der Mutter.“451 Entsprechende Beispiele lassen sich auch mehrfach in Lesebüchern oder BDM- und HJ-Schulungsheften des gesamten „Dritten Reiches“ finden.452

Auch die eingeführten Sozialleistungen, wie Ehestandsdarlehen und Kinderbeihilfe, sollten schließlich auf die steirische Bevölkerung wirken. Dies zeigt sich beispielsweise im Geburtenzuwachs, der bereits 1939 zu verzeichnen war und welcher vor allem am Land stark ausgeprägt war, da Kleinbauern und Keuschler durch die Unterstützungen eine zusätzliche Einnahmequelle hatten.453 Dabei wurde in der Steiermark ebenso auf die Partnerwahl geachtet,

446 Vgl. Kreis Leibnitz. In: „Steirerland“ vom 18. Mai 1941, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19410518&seite=10&zoom=33 (am 13.03. 2017), S. 10. 447 Vgl. BERGER, Zwischen Eintopf und Fließband, 1984, S. 22. 448 Vgl. HAMMER-LUZA, Alltags- und Frauenleben in der NS-Zeit, 2015, S. 467. 449 Vgl. BERGER, Zwischen Eintopf und Fließband, 1984, S. 28. 450 Gleisdorf - Muttertag und Sinabelkirchen - Der Tag der deutschen Mütter. In: „Oststeirerblatt“ vom 21. Mai 1938, S. 6. 451 Die Mutter. In: „Steirerland“ vom 18. Mai 1941, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19410518&seite=2&zoom=33 (am 13.03. 2017), S. 2. 452 Vgl. NYSSEN, Frauen und Frauenopposition im Dritten Reich, 1987, S. 28. 453 Vgl. KARNER Stefan, Die Steiermark im Dritten Reich 1938-1945, 1994, S. 211 82 da im regionalen Kontext systematische Ausgrenzung und Diskriminierung seit dem Anschluss im März 1938 betrieben wurden und selbst „Mischehen“ davon betroffen waren.454 Entsprechend den erwähnten Förderungen und Ehrungen wurde auch der Beruf der Hausfrau in Zeitungen, wie dem „Voitsberger Köflacher Wochenblatt“, bereits 1939 als „der schönste und natürlichste Beruf für ein Mädel“ propagiert. Es wurde der Bevölkerung nun mitgeteilt, dass „Jedes Mädel Freude spüren [muß], wenn sie einen ordentlich geführten Haushalt sieht“. Betont wurde in diesem Zusammenhang ebenso die Möglichkeiten zur hauswirtschaftlichen Ausbildung, welche in der Steiermark in dem „hauswirtschaftlichen Jahr“, der „hauswirtschaftlichen Lehre“, oder in „BDM-Haushaltsschulen“ gesehen wurde.455 Im Kriegsalltag sollte sich schließlich herausstellen, dass Frauen oft vor Herausforderungen hinsichtlich der Haushaltsführung gestellt wurden.456 Die Hausfrau hatte sich nun an den Notwendigkeiten der nationalen Wirtschaft zu orientieren und Maßnahmen für Einkäufe und Organisation des Haushaltes zu treffen.457 Zu Kriegsende 1944 bedeutete dies auch Einsparungsmaßnahmen, zum Beispiel bei Gas und Strom im Raum Graz, vorzunehmen.458

Generell konnte man nie gänzlich auf die Arbeitskraft der weiblichen Bevölkerung verzichten.459 Der Widerspruch zwischen realem Einsatz von Frauen im Berufsleben und ideologischen Vorstellungen des NS-Regimes wurde jedoch besonders mit Kriegseinsatz immer stärker.460 Auch steirische Zeitungen präsentierten nun plötzlich Berichte, welche Frauen in Berufen zeigten die einstmals als unweiblich galten, und präsentierten stolz Rauchfangkehrerinnen, Schaffnerinnen und „Werkfrauen“.461 Dennoch klammerten sich die Nationalsozialisten hartnäckig an das für sie idealtypische Frauenbild bis zum Ende des „Dritten Reiches“ und versuchten dieses, selbst als der kriegsbedingte Massenarbeitseinsatz von Frauen und Mädchen in der Kriegszeit zu erfolgen hatte, weiter aufrecht zu erhalten.462 In Österreich wurde noch lange nach dem Anschluss 1938 die „Mutterideologie“ formbeständig propagiert, obwohl durch die eintretende Phase des Arbeitskräftebedarfes zu jeder Zeit gleichermaßen zukünftige Soldaten und Arbeitskräfte benötigt wurden.463 Berichte oststeirischer Landarbeiterinnen bezeugen hierbei, dass es in ihren Kreisen jedoch kaum mehr

454 Vgl. SCHMIDLECHNER / ZIEGERHOFER et al., Geschichte der Frauen in der Steiermark, 2017, S. 39f. 455 Vgl. Mädel vor der Berufswahl. In: „Voitsberger Köflacher Wochenblatt“ vom 18. Februar 1939, S. 2. 456 Vgl. HAMMER-LUZA, Alltags- und Frauenleben in der NS-Zeit, 2015, S. 467-469. 457 Vgl. LAUF-IMMERSBERGER Karin, Literatur, Schule und Nationalsozialismus, 1987, S. 188. 458 Vgl. HAMMER-LUZA, Alltags- und Frauenleben in der NS-Zeit, 2015, S. 470. 459 Vgl. Ebd. S. 467. 460 Vgl. KINZ, Der Bund Deutscher Mädel, 1991, S. 117. 461 Vgl. HAMMER-LUZA, Alltags- und Frauenleben in der NS-Zeit, 2015, S. 467. 462 Vgl. TIDL, Die Frau im Nationalsozialismus, 1984, S. 84. 463 Vgl. BERGER, Zwischen Eintopf und Fließband, 1984, S. 21f. 83 möglich war, die früheren Ansprüche der NS-Ideologie im Hinblick auf Mutterschaft und Kindeswohl aufrecht zu erhalten.464 Die zwischen Theorie und Praxis immer größer werdende Kluft der Konstruktion des weiblichen Geschlechtes, in Kontrast mit der tatsächlich gelebten Rolle der Frau während der Kriegszeit, lässt sich vor allem auch an der Berichterstattung der Grazer „Tagespost“ erschließen, die immer dringlicher Schlagzeilen wie „Frauen aller Berufe in der Anlernwerkstatt“ publizierte und damit die industriell produktive Frau zur Aufrechterhaltung der Kriegsmaschinerie widerspiegelt.465 Die Vorstellung der „sich aufopfernden Mutter“ blieb jedoch auch in Österreich bis 1943 anhaltend und wurde selbst in den letzten beiden Kriegsjahren noch propagiert.466

Obwohl der steirische Gauleiter Werte des nationalsozialistischen Schönheitsideals vertrat und sich damit in die Privatsphäre der Frauen einmischte, da er das Tragen einer Dauerwelle untersagen wollte,467 konnte das Konstrukt einer beworbenen und vom Nationalsozialismus angeordneten Biederkeit hinsichtlich des Schönheitsideals und den zugedachten Eigenschaften von Frauen nie gänzlich seine Wirkung entfalten. So stimmte diese Vorstellung beispielsweise nicht mit den eleganten Bildern von Frauen überein, welche in steirischen Kinos gezeigt worden waren. In der Realität ging man daher nur teilweise auf die Forderungen des NS-Regimes ein, was sich auch im Kleidungsstil steirischer Frauen zeigte: Zwar stimmte man der Förderung der Volkstracht aufgrund von Traditionsverbundenheit zu, hielt sich jedoch nicht immer an die Ablehnung gegenüber anliegender Röcke und Stöckelschuhen und hatte Vorbehalte gegenüber verstärkter Uniformierung.468

Da mit dem Anschluss an Hitler-Deutschland auch österreichischen Frauen eine aktive Beteiligung im öffentlichen und politischen Leben verwehrt blieb, sollten Organisationen wie die NS-Frauenschaft im regionalen Kontext zu einer entscheidenden Instanz werden, welcher sich steirische Frauen in der NS-Zeit zuwenden sollten. Ihr Aufbau wurde in der Steiermark unmittelbar nach dem Anschluss verstärkt verfolgt. So bestand die Organisation im Jahr 1940 allein im Kreis Graz Land aus 35 Ortsgruppen.469 Das Spektrum an Tätigkeiten der NS- Frauenschaft im „Gau“ Steiermark wies dabei beispielsweise „Kultur, Erziehung, Schulung“,

464 Vgl. HAMMER-LUZA, Alltags- und Frauenleben in der NS-Zeit, 2015, S. 468. 465 Vgl. Ebd. S. 468. 466 Vgl. BERGER, Zwischen Eintopf und Fließband, 1984, S. 28-31. 467 Vgl. HAMMER-LUZA, Alltags- und Frauenleben in der NS-Zeit, 2015, S. 473. 468 Vgl. Ebd. S. 473. 469 Vgl. SCHMIDLECHNER / ZIEGERHOFER et al., Geschichte der Frauen in der Steiermark, 2017, S. 37f. 84 „Mütterdienst“ und „Hauswirtschaft“ auf.470 So wurden Kriegskochkurse oder Mütterdienstkurse abgehalten und Nähstuben eingerichtet, welche die Frauen zur Produktion von Kleidung und Verarbeitung von Wolle nutzen konnten. Jene Aktivitäten intensivierten somit ebenso das unter NS-Herrschaft propagierte Frauenbild. Speziell eingerichtete Gauschulen der NS-Frauenschaft, wie jene im Schloss St. Johann in Kroisbach/Graz, sollten die Frauen zusätzlich gezielt im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie ausbilden.471

Neben der Beteiligung an Aktivitäten von Organisationen, wie der NS-Frauenschaft oder dem BDM, hatten junge Mädchen in ganz Österreich ein unentgeltliches Pflichtjahr in der Landwirtschaft, bei kinderreichen Familien oder etwa in Haushalten von hochrangigen Nationalsozialisten zu erfüllen.472 Das Pflichtjahr sollte schließlich für alle weiblichen Schulabgänger Voraussetzung für eine weitere Lehre und Ausbildung sein.473 Bedingt durch den Krieg wurde die Propaganda zum „Kriegseinsatz an der Heimatfront“ emporgehoben, da gerade die Hilfe junger Frauen bei der Haushaltsführung sowie bei Ernteeinsätzen durch das Fehlen männlicher Arbeitskräfte verstärkt benötigt wurde. So wurde auch das Pflichtjahr schließlich auf den Arbeitsdienst angerechnet und erweitert,474 welcher im gesamten „Dritten Reich“ bereits seit 1935 für weibliche wie männliche Jugendliche zwischen 18 und 25 Jahren verpflichtend wurde.475 Der RAD betraf Jugendliche im Alter von 17 bis 25 Jahren, welche in Lagern untergebracht waren. Die Mädchen, die sogenannten „Arbeitsmaiden“, hatten sich dabei einer ideologischen Schulung zu unterziehen und ebenso am Land oder bei NS- Funktionären weibliche Hilfsdienste zu leisten.476 In der Steiermark gab es ab Sommer 1938 Lager des RAD, welche häufig abseits der Städte in entlegenen Gegenden abgehalten wurden und in denen das Gemeinschaftserlebnis verstärkt spürbar sein sollte.477 Somit war der RAD ebenso ein Teil der umfassenden Indoktrination des Nationalsozialismus, welcher entsprechend des Geschlechts ebenfalls eine Auswirkung auf das Leben der Jugendlichen haben sollte.478

470 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 283f. 471 Vgl. SCHMIDLECHNER / ZIEGERHOFER et al., Geschichte der Frauen in der Steiermark, 2017, S. 217. 472 Vgl. BAILER Brigitte, Frauen und Nationalsozialismus, 1998, S. 21f. 473 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 281f. 474 Vgl. BAILER Brigitte, Frauen und Nationalsozialismus, 1998, S. 21f. 475 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 165. 476 Vgl. BAILER-GALANDA, Jugend im Nationalsozialismus, 2010, S. 50. 477 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 166f. 478 Vgl. Ebd. S. 167. 85 9.2 Das Schulwesen in der NS-Zeit in der Steiermark Mit dem Einbruch des Nationalsozialismus in Österreich wurde auch die Schule von den politischen Veränderungen 1938 erfasst und zu einem entscheidenden Ort der Indoktrination des NS-Regimes. Diese begann jedoch nicht erst mit dem Anschluss an das „Dritte Reich“, sondern im Verdeckten bereits während der Zeit des Austrofaschismus. So nahm beispielsweise in der Steiermark die Radikalität unter den SchülerInnen und der Lehrerschaft ab 1933 zu, was vor allem an höheren Schulen in Bruck, Graz und Leoben spürbar war. Wollte man die Schülerschaft auch zu einem einheitlichen Österreichbewusstsein erziehen, so konnte diese Zielsetzung nicht erreicht werden, da sich weite Teile der steirischen Schülerschaft allmählich dem Nationalsozialismus zuwandten.479 Selbst die Lehrerschaft war an der Formierung und Expansion der NSDAP in der Steiermark beteiligt, was sich beispielhaft an der Region der Südweststeiermark bestätigen lässt.480 So kam es auch, dass bereits Anfang des Jahres 1938 das Oeverseegymnasium in Graz durch Bestimmung des Landesschulrates zwei Wochen vor dem Anschluss geschlossen wurde, da „Hitlergruß“ und Hakenkreuzbinden für LehrerInnen und SchülerInnen ohne staatlichen Zwang eingeführt worden waren.481

Weil der Nationalsozialismus bereits in seiner Illegalität starke Verbreitung fand, entfalteten nationalsozialistisch geprägte Veränderungen an steirischen Schulen in nur wenigen Wochen und Monaten nach dem Anschluss 1938 ihre Wirkung drastisch. Während man steirische PflichtschullehrerInnen aus rassischen Gründen entfernte und PädagogInnen sowie DirektorInnen aus politischen Gründen beurlaubte oder zwangsweise pensionierte,482 wurden folgsame nationalsozialistische Parteimitglieder auf führende schulische Positionen gesetzt. Neben jüdischen Lehrpersonen wurden ebenso jüdische SchülerInnen aus den Schulen ausgeschlossen und man begann Literatur aus Schulbibliotheken, welche nicht mit dem Gedankengut des Nationalsozialismus übereinstimmte, zu entfernen.483 Um dem Anspruch auf Erziehung der Jugend im Sinne des NS-Systems zu entsprechen, wurde das konfessionelle Schulwesen verstaatlicht und den Privatschulen wurde das Öffentlichkeitsrecht entzogen.

479 Vgl. GROSSHAUPT Walter, „Unser Vaterland heißt Österreich. Wir haben es lieb.“ Steirische Mittelschulen im Schuljahr 1933/34. In: Werner ANZENBERGER / Heimo HALBRAINER (Hgg.), Unrecht im Sinne des Rechtsstaates. Die Steiermark im Austrofaschismus. Graz 2014. S. 145-172, hier: S. 161- 166. 480 Siehe dazu: ROSCHITZ Markus, Die Lehrerschaft in der Provinz. Wegbereiter, Systemträger, Opfer und Täter des Nationalsozialismus am Beispiel der Südweststeiermark. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark 106, Graz 2015, 141–185. 481 Vgl. TSCHERNE Werner, Das Schulwesen in der Steiermark von 1918 bis 1945. In: Alfred ABLEITINGER (Hg.), Bundesland und Reichsgau. Demokratie, „Ständestaat“ und NS-Herrschaft in der Steiermark 1918 bis 1945. Teilband 2. Wien-Köln-Weimar 2015. S. 267-292, hier: S. 282. 482 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT. Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 155f. 483 Vgl. TSCHERNE, Das Schulwesen in der Steiermark von 1918 bis 1945, 2015, S. 282. 86 Davon betroffen waren allein in Graz neun Volksschulen, fünf Hauptschulen, das Mädchenlyzeum, die evangelische Frauenoberschule, sowie sieben geistliche Mittelschulen und Anstalten für Lehrerbildung.484 Nicht nur in der steirischen Landeshauptstadt, sondern auch in ländlichen Bezirken, wie beispielsweise Feldbach, wo SchülerInnen der Privatvolksschule 1938 in die öffentliche Volksschule eingegliedert wurden, vollzog sich diese Veränderung.485 Auf diese Weise sollte vor allem auch der Einfluss der Kirche auf die Erziehung der Jugendlichen reduziert werden.486

Auch das nationalsozialistische Erziehungsziel nach deutschem Vorbild wurde für das Schulwesen in Österreich und damit auch im regionalen Kontext der Steiermark übernommen. So hatten sich die Volksschulen beispielsweise den „Richtlinien des deutschen Volksschulunterrichtes“ zu fügen und wie alle Erziehungseinrichtungen die Jugendlichen zu „rassebewussten, volksverbundenen, politischen Deutschen“ und „gehorsamen Volksgenossen“ zu erziehen. Im Fokusbereich dieser Umsetzungen lagen einklassige Schulen und Grenzlandschulen sowie die Lehrerschaft, welche im gesamten „Dritten Reich“ als „Bewahrer des Deutschtums und Träger der Partei“ unterstützt wurde. Während die Hauptschule in ihrer Form bestehen blieb, wurden Änderungen an Mittelschulen und Oberschulen durchgeführt.487 Die sechsklassige Mittelschule in der „Ostmark“ war kaum gefragt, weshalb nur wenigen Hauptschulen zwei Klassen hinzugefügt wurden und ansonsten die „Umwandlung der österreichischen Mittelschulen in höhere Schulen“ 1938/39 in Kraft trat. Nachdrückliche Veränderungen waren daher vor allem im höheren Schulwesen erkennbar, welche in die Hauptformen der Oberschule für Jungen, humanistisches Gymnasium, welches Mädchen nur in Ausnahmen besuchen durften, und in Oberschule für Mädchen gegliedert waren. Die Schulorganisation des „Altreiches“ wurde in Österreich nie gänzlich übernommen, da österreichische Nationalsozialisten meinten, es würde viel eher auf den Geist ankommen der zur Führung der Schulen beitrüge. Auch die berufsbildenden höheren Schultypen blieben in Österreich daher bestehen.488

484 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT. Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 155f. 485 Vgl. Feldbach Schuljahr-Eröffnungsfeier. In: „Oststeirerblatt“ vom 8. Oktober 1938, S. 7. 486 Vgl. TSCHERNE, Das Schulwesen in der Steiermark von 1918 bis 1945, 2015, S. 283. 487 Vgl. Ebd. S. 283-284. 488 Vgl. ENGELBRECHT Helmut, Die Eingriffe des Dritten Reiches in das Österreichische Schulwesen. In: Manfred HEINEMANN (Hg.), Erziehung und Schulung im Dritten Reich. Teil 1: Kindergarten, Schule, Jugend, Berufserziehung (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaften 4,1). Stuttgart 1980. S. 113-159, hier: S. 126-129. 87 Zur Sicherstellung der „Erziehung der deutschen Jugend im Geiste des Nationalsozialismus“ wurden die Lehrinhalte in der gesamten „Ostmark“ durch den nationalsozialistischen Landesschulrat geändert. Die Rassenlehre war nun fester Bestandteil aller Fächer,489 wobei besonders ideologisch gekennzeichnete Merksätze und Phrasen in den leicht beeinflussbaren Fächern Deutsch, Geschichte, Erdkunde oder Heimat- und Naturkunde verbreitet wurden.490 Während nun in Geschichte vor allem auf den Hintergrund des deutschen Volkes Bezug genommen wurde, schwand die Rolle Österreichs und die der damit verbundenen österreichischen Persönlichkeiten wie Friedrich II. oder Maria Theresia in den Geschichtsbüchern der Oberstufe zusehends. Durch das Erlernen von Hitlers Lebenslauf wurde der Führer so verehrt wie zu Zeiten der Monarchie der Kaiser.491 Daneben änderte sich auch an steirischen Schulen die Rangordnung des Fächerkanons. Auf Turnen wurde nun großen Wert gelegt, da sich nicht nur die Wochenstunden erhöhten, sondern das Fach auch in die Reifeprüfung integriert wurde. Religionsunterricht wurde stattdessen zurückgedrängt.492

Auch auf andere Maßnahmen, wie die Einführung des deutschen Grußes, die Abschaffung des Schulgebetes am Beginn der ersten Stunde, sowie das Einüben nationalsozialistischer Lieder, hatten sich die SchülerInnen rasch einzustellen.493 Daneben wurden Feierlichkeiten in nationalsozialistischer Tradition zelebriert, wie beispielsweise die Schuljahr-Eröffnungsfeier in Feldbach im Jahr 1938, welche von einer marschierenden Schuljugend durch die Stadt eröffnet wurde. Umrahmt von Reden, in denen der Jugend „Sinn und Ziel ihrer künftigen Arbeit in der Schule“ erklärt wurde, schloss auch diese Feierlichkeit mit einem „Sieg Heil auf den Führer“ und „Liedern der Nation“.494 Aufgrund vieler NS-Feiern und Anlässe gingen viele Schultage verloren, so beispielsweise im April 1938 durch den Besuch Hitlers in Graz.495

Grundsätzlich wurde in der schulischen Erziehung unter dem Nationalsozialismus auch in der Steiermark bei den Mädchen die Bewahrung der weiblichen Eigenart zu deutschen Hausfrauen und Müttern forciert, was sich ebenso in der Trennung der Geschlechter im Unterricht abzeichnete.496 Auch für Mädchen wurden in der „Ostmark“ daher eigene Oberschulen

489 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT. Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 155-156. 490 Vgl. KARNER, Die Steiermark im Dritten Reich 1938-1945, 1994, S. 115. 491 Vgl. TSCHERNE, Das Schulwesen in der Steiermark von 1918 bis 1945, 2015, S. 284. 492 Vgl. Ebd. S. 284-285. 493 Vgl. BLATNIK Herbert, Zeitzeugen erinnern sich an die Jahre 1938 – 1945 in der Südweststeiermark. Eibiswald 1997. S. 128. 494 Vgl. Feldbach Schuljahr-Eröffnungsfeier. In: „Oststeirerblatt“ vom 8. Oktober 1938. S. 7. 495 Vgl. BLATNIK, Zeitzeugen erinnern sich an die Jahre 1938 – 1945 in der Südweststeiermark, 1997, S. 130. 496 Vgl. TSCHERNE, Das Schulwesen in der Steiermark von 1918 bis 1945, 2015, S. 284. 88 eingerichtet, welche ab der sechsten Klasse einen sprachlichen und einen hauswirtschaftlichen Zweig verfolgten.497 So wurden in Graz die bestehenden fünf Mittelschulen für Mädchen zu drei Oberschulen für Mädchen zusammengelegt, von denen beispielsweise die Maria- Theresienschule in der Petersgasse eine hauswirtschaftliche Sparte samt vierwöchigem Praktikum besaß.498 Daneben blieb der bewährte Schultyp der Lehranstalt für gewerbliche und wirtschaftliche Frauenberufe, wie es ihn auch in Graz gegeben hatte, erhalten, und wurde in der NS-Zeit sogar als dreijährige Hauswirtschaftsschule in das „frauenberufliche deutsche Schulwesen“ übernommen.499 Selbst während der Kriegszeit wurde noch am 10. Februar 1940 eine Hausfrauenschule in Bärnbach eröffnet, welche „als Volksbildungsstätte im besten Sinne“ 14- bis 18jährige Mädchen zu „tüchtigen Wirtschaftlerinnen“ erziehen sollte. Im Fächerkanon der Mädchen zeigten sich Vorträge über die Grundlagen des hauswirtschaftlichen Rechnens samt einfacher Buchführung sowie Staatskunde, Haushaltungskunde, Nahrungsmittellehre, Gesundheitslehre, Kinder- und Krankenpflege. Aber auch praktische Inhalte wie Aufräumen, Reinigung, Kleiderbehandlung, Servieren, Tischdecken, Kochen und die Anlage und Pflege des Hausgartens gehörten dazu. Man war sich auch in der steirischen Region darüber einig, dass „die Heranbildung von tüchtigen Hausfrauen [...] seit jeher von großer sozialer Bedeutung“ war, weshalb jene Erziehung der Mädchen eine „Grundbedingung für die soziale Lage“ sei.500

Bei der Anpassung des österreichischen Schulwesens an das „Altreich“ setzten dennoch einige Schwierigkeiten ein. Für die curricular aufgewerteten Fächer Leibeserziehung und Musikerziehung waren nicht ausreichend räumliche Gegebenheiten sowie vorgebildete Lehrkräfte vorhanden.501 Daneben trat die Schule häufig mit der HJ in Konflikt, da SchülerInnen vermehrt die Pflichten der außerschulischen Erziehung zu erfüllen hatten.502 Auch die steirische Jungmädelführerin richtete sich an Eltern, Lehrpersonen und Jungmädel und erklärte, dass es vorkommen konnte, dass Mädchen Schulstunden versäumten, da sie zum Jungmädel-Dienst herangezogen wurden.503 Von dem näher rückenden Kriegsbeginn und Einberufungen in die Wehrmacht geprägt, war die Bedeutung der Schule schließlich in den Hintergrund gerückt. So hatten auch steirische SchülerInnen und LehrerInnen erstmals im

497 Vgl. ENGELBRECHT, Die Eingriffe des Dritten Reiches in das Österreichische Schulwesen, 1980, S. 127. 498 Vgl. TSCHERNE, Das Schulwesen in der Steiermark von 1918 bis 1945, 2015, S. 284. 499 Vgl. Ebd. S. 288f. 500 Vgl. Eröffnung einer Hausfrauenschule in Bärnbach. In: „G.K.B. – Graz-Köflacher-Bergbaugesellschaft“ vom 1. April 1940, http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=gkb&datum=19400401&seite=5&zoom=33 (am 20.03. 2017), S. 45-46. 501 Vgl. ENGELBRECHT, Die Eingriffe des Dritten Reiches in das Österreichische Schulwesen, 1980, S. 135. 502 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT. Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 157. 503 Vgl. An die Eltern, Lehrpersonen und Jungmädel. In: „Oststeirerblatt“ vom 11. Juni 1938, S. 5. 89 Sommer 1939 „Ernteeinsatz“ am Land zu leisten und die bevorstehenden Reifeprüfungstermine wurden nun mit Einberufungsterminen der Wehrmacht übereingestimmt. Sammlungen von Lumpen, Papier oder Heilkräutern, wie jene der Volksschule Hönigtal, sowie Abkommandierungen von SchülerInnen zum Bau des Südostwalles, wie es beispielsweise auch in Graz oder Admont der Fall war, waren in der Steiermark in der Kriegszeit keine Seltenheit. Schulen, wie eine der Grazer Oberschulen für Mädchen, wurden vom Militär verwendet oder durch die Bedrohung von Bombenangriffen verlegt.504

9.3 Außerschulische Indoktrination in der Steiermark Da die HJ mit der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten 1938 auch in Österreich zur Staatsjugendorganisation wurde und andere Jugendorganisationen in der Freizeit verboten wurden, versuchte man nun ebenso in der „Ostmark“, die Jugend abseits der Schule an das nationalsozialistische System zu binden.505 Die Steiermark, das Gebiet 30 der Hitler-Jugend,506 hatte ihre Gebietsleitung zu jener Zeit in Graz, wo sich auch die Leitung des Obergaues des steirischen BDM befand. Regional wurde weiter in 16 HJ-Banne und BDM-Untergaue unterteilt. Die obersten Positionen der HJ Steiermark nahmen der Oberbannführer und Gebietsführer der HJ, Karl Robert Cink, sowie Fritzi Jernay-Klug als Gauführerin im BDM ein, welche 1939 schließlich durch Vera Terzaghi abgelöst wurde.507

Übereinstimmend mit dem Indoktrinationsgedanken, der in Deutschland verfolgt wurde, sollte auch in Österreich für jeden Jungen und jedes Mädchen vom 10. bis zum 18. Lebensjahr ab 17. April 1939 die HJ-Mitgliedschaft zwangsverpflichtend sein.508 Die sogenannte „Jugenddienstpflicht“ wurde formal jedoch erst 1941 auf die Gebiete in Österreich übertragen.509 Der Anspruch an die Pflichtmitgliedschaft für HJ und BDM konnte in der Steiermark besonders auf dem Land nicht immer aufrechterhalten werden und wurde daher im steirischen Kontext auch sehr unterschiedlich ausgeführt. Während in vielen Ortschaften Kontrollen über die Mitgliedschaft durchgeführt wurden und sich oft auch die Lehrer dieser Aufgabe annahmen, sollte es in abgelegenen Gemeinden am Land weniger streng zugehen. So konnten sich beispielsweise Mädchen nach Ende des ersten Kriegsjahres aufgrund von

504 Vgl. TSCHERNE, Das Schulwesen in der Steiermark von 1918 bis 1945, 2015, S. 285. 505 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT. Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 147f. 506 Vgl. MATZER, Manipulation durch Gemeinschaft und Führung. (In Vorbereitung). S. 1. 507 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT. Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 148-149. 508 Vgl. BLATNIK, Zeitzeugen erinnern sich an die Jahre 1938 – 1945 in der Südweststeiermark, 1997, S. 55-56. 509 Vgl. MATZER, Manipulation durch Gemeinschaft und Führung. (In Vorbereitung). S. 3. 90 Erntearbeiten vom BDM-Dienst befreien lassen.510 Auch andere Handlungsspielräume zur Verweigerung oder Abwesenheit von HJ-Diensten blieben bis zum Ende der NS-Zeit bestehen. Wie in vielen ländlichen Regionen des „Dritten Reiches“ zeigte sich schließlich auch in der Steiermark, dass Aktivitäten von BDM und HJ häufig in Konflikt mit der Arbeit auf dem Hof der Eltern und mit zu verrichtenden Tätigkeiten in der Landwirtschaft traten und aus diesem Grund die Einsätze in der HJ gemieden wurden. Daneben war in der katholisch geprägten Steiermark die Durchführung von Appellen der Jugendorganisationen während der Sonntagsmessen unter weiten Teilen der steirischen Bevölkerung nicht erfreulich aufgefasst worden.511 Nichtsdestotrotz wird durch retrospektive Erzählungen erkennbar, dass, bestimmt durch die Einstellung in einigen steirischen Ortschaften, großer Druck auf die Jugendlichen ausgeübt wurde, sich der NS-Jugendorganisation anzuschließen.512 Eine Verweigerung des BDM-Dienstes, oppositionelles Verhalten oder Ausschluss aus der Organisation konnte im schlimmsten Fall sogar zur Einweisung in das Jugendkonzentrationslager für Mädchen in Uckermark bei Fürstenberg führen.513

Das erklärte Erziehungsziel des BDM auf regionaler Ebene wurde ebenso bereits 1938 vom „Oststeirerblatt“ öffentlich kundgetan. Während der „Junge nach Kraft streben“ sollte, hatte das „Mädel nach Schönheit, aber nicht im falschen Sinne“ zu langen. Ziel der Mädchenerziehung in der HJ sei aus diesem Grund „die deutsche Frau, im Gegensatz zum Ideal der Dame“.514 Auch in Österreich fand man nun das BDM-Werk „Glaube und Schönheit“ an, von dem man sich erhoffte, es würde mit „seiner Arbeit die gesamte Erziehung der nationalsozialistischen Bewegung bei den Mädeln in ihrem Alltag verwirklichen“. Den Mädchen bot sich neben sportlicher und gymnastischer Betätigung die Schulung in unterschiedlichen Themen, wie beispielsweise der „Beschäftigung mit allen künstlerischen Fragen“, „hauswirtschaftliche Arbeit“, „geschichtliche und gegenwärtige völkisch-politische Unterrichtung“, „Pflege“, sowie „Tanz- und Liedgut“.515 Für die Arbeitsgemeinschaftsführerinnen des BDM-Werks gab es in der Steiermark 1940 ein Schulungslager auf Schloss Münichhofen, welches den Führerinnen ebenso Vorträge zu „deutschem Bauerntum“, „Erbhofgesetz“, „praktischen Einrichtungen der Landfrau“ und vor

510 Vgl. BLATNIK, Zeitzeugen erinnern sich an die Jahre 1938 – 1945 in der Südweststeiermark, 1997, S. 55-56. 511 Vgl. MATZER, Manipulation durch Gemeinschaft und Führung. (In Vorbereitung). S. 6. 512 Vgl. BLATNIK, Zeitzeugen erinnern sich an die Jahre 1938 – 1945 in der Südweststeiermark, 1997, S. 68. 513 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT. Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 161. 514 Vgl. BDM. In: „Oststeirerblatt“ vom 9. Juli 1938, S. 4. 515 Vgl. Heute Abend hab ich Arbeitsgemeinschaft. In: „Kleine Volks-Zeitung“ vom 5. November 1938, http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=kvz&datum=19381105&seite=4&zoom=33 (am 22.04. 2017), S. 4. 91 allem über die „Hauswirtschaft“ bot.516 Eine Forcierung des hauswirtschaftlichen Bereiches fand auch in einigen steirischen Arbeitsgemeinschaften statt, da zum Beispiel noch im Jahr 1942 ein Kochlehrgang des BDM-Werkes in Rottenmann abgehalten wurde.517

Vorgesehen war stets, dass auch steirische Kinder und Jugendliche zur Erreichung dieser Zielsetzung die Teilnahme an Heimabenden und Sportnachmittagen einhielten und sich auf Lagerfahrten begaben. Ziel war es dabei ebenso, dass die Mädchen der HJ am Ende ihrer „Dienstzeit“ nahtlos in die NS-Organisationen für Erwachsene, dabei vor allem in die NS- Frauenschaft bzw. das Deutsche Frauenwerk, eintraten und so der nationalsozialistische Einfluss auf sie weiterhin erhalten bleiben konnte.518 So konnten bereits ab Mitte März 1938 Märsche und Versammlungen der HJ in verschiedensten Städten und Ortschaften der Steiermark verzeichnet werden, welche Gemeinschaft und zahlenmäßige Überlegenheit repräsentieren sollten. In unterschiedlichen Ausprägungsformen wurden dabei Kundgebungen und Appelle in den Bannen oder auch steirischen Orten bis zum Jahr 1945 abgehalten, welche stets einem vergleichbaren Schema folgten: Umrahmt von gemeinsamem Gesang, Fanfaren- oder Spielmannszüge, fanden meist Reden von Mitgliedern der Partei aus den Ortsgruppen, der Kreis- und Gauleitung oder auch Personen aus dem Gebietsstab der HJ mit weltanschaulichen oder politischen Inhalten statt.519 Nicht nur bei diesen feierlichen Tätigkeiten, sondern auch bei anderen Paraden, Propagandamärschen und „Fahrten“ trugen die Mädchen im BDM auch in der Steiermark Uniformen.520 Jene ließen die Mitglieder der Jugendorganisation als „geschlossenes Ganzes“ wirken, welche durch die Uniformierung „ein Bekenntnis zu Disziplin und Ordnung“ widerspiegelten und bei Aufmärschen daher selbst Mädchen und Jungen aus abgelegenen Dörfern den Gedanken „die große Gemeinschaft der Hitler-Jugend“ erkennen lassen sollten.521 Dieses Zugehörigkeitsgefühl prägte auch die Erinnerungen von ZeitzeugInnen, was beispielsweise in der Erzählung einer steirischen BDM-Führerin erkennbar wird:

516 Vgl. Schulungslager auf Schloß Münichhofen. In: „Steirerland“ vom 1. November 1940, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19401101&seite=11&zoom=33&query=%22steirerland%22&ref=anno-search (am 22.04. 2017), S. 11. 517 Vgl. Kochlehrgang des BDM-Werkes „Glaube und Schönheit“. In: „Steirerland“ vom 1. Mai 1942, http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=szs&datum=19420501&seite=11&zoom=33 (am 22.04. 2017), S. 11. 518 Vgl. HAMMER-LUZA, Alltags- und Frauenleben in der NS-Zeit, 2015, S. 474. 519 Vgl. MATZER, Manipulation durch Gemeinschaft und Führung. (In Vorbereitung). S. 8. 520 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT. Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 149. 521 Vgl. Kreis Fürstenfeld: 3700 Jungen und Mädel bei Sternmarsch in Fürstenfeld. In: „Steirerland“ vom 1. Juli 1942, http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=szs&datum=19420701&seite=8&zoom=33 (am 20.03. 2017), S. 8. 92 „Für mich war die Gemeinschaft, als ich zum BDM kam, ein ebenso großes Erlebnis. Ob man jetzt studiert hat oder nicht, wir haben alle die gleiche Tracht gehabt, ganz uniform. Und wie gesagt, für mich als Einzelkind, das ja ziemlich behütet war und vorher bei keiner Gruppe war, war das überhaupt schön. Und ich wollte auch nicht hervorgehoben werden, weil ich gut studiert hab oder weil mein Vater Bahnhofsvorstand war. Und jetzt waren auf einmal alle gleich, und ich hab dazugehört. Ja, das hat schon eine große Rolle bei mir gespielt. Darüber hab ich viel nachgedacht, aber das war sicher so. Und es war natürlich auch damals dieses Alter: Ein bisserl heimlich tun (...) das hat auch dazugehört, nicht? (...) Und vor allem die Lieder haben mich beeindruckt und gewisse Rituale, zum Beispiel Sonnwendfeiern usw. Ja, wir waren damals schon verführbar.“522

Besondere Bedeutung in der nationalsozialistischen Indoktrination im Bereich der Freizeit nahmen dabei die „Lager“ ein, welche die Mitglieder zur „Wehrertüchtigung“ erziehen sollten. So gab es im April 1942 beispielsweise ein fünftägiges Lager für alle Bannmädl- und Hauptringführerinnen sowie Beauftragte des BDM-Werkes des Gebietes Steiermark und der Untersteiermark, welches von Hauptmädlführerin Vera Terzaghi organisiert wurde. Dabei wurden Vorträge zu weltanschaulichen Themen wie „Rassegedanken in unserer Weltanschauung“ und politische Schulungen, beispielsweise in „die Politik des Führers“, abgehalten.523 Im selben Jahr gab es auch für einige steirische Jungmädelführerinnen in Schladming ein Lager, welches Schulungen in Heimatkunde, Ernteeinsätze in der Umgebung, sowie einen Heimabend samt Erzählungen von dem Besuch Hitlers in Graz beinhaltete.524 Beide Lager wiesen exemplarisch ebenso Sport und gemeinsames Singen zur Stärkung des Gemeinschaftsgedankens auf.525 Auch andere vielfältige Gemeinschaftserlebnisse wie Reisen, Ausflüge und Ferienlager wurden nun durch die HJ möglich und boten vielen steirischen Mädchen neue Möglichkeiten in Gegenden zu kommen, welche sie andernfalls niemals kennengelernt hätten.526 Einige steirische Mitglieder des BDM kamen beispielsweise durch die Jugendorganisation sogar zu einem Lager nach Norwegen.527

Nicht nur gemeinschaftliche Aktivitäten, wie sie in der Lagererziehung oder den Heimabenden zum Ausdruck kamen, sondern auch die Manipulation im Zuge von Wettbewerben sollten den Jugendlichen das nationalsozialistische Ideal näherbringen. Da das NS-Erziehungsziel vor allem körperliche Ausbildung forcierte,528 erklärten nicht nur Sportvereine wie der Weizer

522 Zit. nach: HALBRAINER / LAMPRECHT. Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 153. 523 Vgl. Ebd. S. 151. 524 Vgl. Mädel aus aller Welt in der Steiermark. „Steirerland“ vom 1. August 1942, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19420801&seite=17&zoom=33 (am 21.03. 2017), S. 17. 525 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT. Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 151; Vgl. Mädel aus aller Welt in der Steiermark. In: „Steirerland“ vom 1. August 1942, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19420801&seite=17&zoom=33 (am 21.03. 2017), S. 17. 526 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT. Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 153. 527 Vgl. Steirische Mädel in Norwegen. In: „Steirerland“ vom 1. September 1941, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19410901&seite=8&zoom=33 (am 21.03. 2017), S. 8. 528 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT. Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 151. 93 Sportclub, dass „jeder deutsche Volksgenosse“ Sport betreiben sollte, da dies für den Körper und die Festigung des Charakters wichtig sei und somit auch zur „Erziehung der deutschen Jugend“ gehöre,529 sondern auch Zeitungsberichte aus den Tätigkeitsfeldern der HJ wiesen immer wieder darauf hin. So wurde verkündet, dass auch in den Wettbewerbserfolgen der steirischen HJ bereits 1941 ein Aufschwung zu verzeichnen war530 und auch 1942, als am 13. und 14. Juni Sportwettkämpfe im Bann Leibnitz ausgetragen wurden, denen sich etwa 200 Mädel stellten, konnte den Leistungen entsprechend festgestellt werden, „daß die Forderungen des Führers, den Körper durch Sport und Spiel widerstandsfähig zu machen und gesund zu erhalten“, auch in der Steiermark eingehalten wurden.531 Selbst nach Ausbruch des Krieges gab es anfänglich noch Zeit für Sportveranstaltungen, welche Publikum anzogen, da sie ebenso als Ablenkung galten.532 Neben der sportlichen Ertüchtigung wurde in den zahlreichen Heimabend jedoch vor allem politische Schulung betrieben, in denen den Mädchen die Treue zu Führer und Partei von den Führerinnen vorgelebt wurde. Von BDM-Mädchen zusammengestellte Feldpostpakete für Soldaten oder verfasste Treuebriefe an Hitler aus der Steiermark zeigen, dass diese Einstellung übernommen und verinnerlicht wurde.533

Außer den Heimabenden waren in den monatlich vorgesehenen „Musterdienstplänen“ der BDM-Mädchen auch andere Hilfstätigkeiten wie Sammlungen vorgesehen. Mit Kriegsbeginn wurden die Tätigkeitsfelder der Mitglieder jedoch mehr und mehr durch unmittelbare Kriegseinsätze bestimmt. Fehlten Arbeitskräfte, so sollten Gruppen der HJ aushelfen,534 weshalb 1941 beispielsweise auch steirische BDM-Mädchen in mehreren Betrieben, wie der Voitsberger Glasfabrik, eingesetzt wurden.535 Auch in der Landwirtschaft sollten Mitglieder der Jugendorganisationen zur Erntehilfe erscheinen, weshalb im Sommer der reguläre HJ- Dienst von Landeinheiten auch entfallen konnte.536 Insgesamt versuchte man die Einsatzbereitschaft der steirischen Jugend zu bekräftigen, indem auch Hauptbannführer Cink den Kriegseinsatz würdigte und meinte, „jedes Mädel und jeder Junge kann stolz darauf sein, ebenfalls für den Endsieg seinen Teil beigetragen zu haben“.537 Gemäß der „weiblichen

529 Vgl. Vom Weizer Sportclub. In: „Oststeirerblatt“ vom 11. Juni 1938, S. 5. 530 Vgl. Gesunder Körper – gesunder Geist. In: „Steirerland“ vom 31. Januar 1941, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19410131&seite=5&zoom=33 (am 21.03. 2017), S. 5. 531 Vgl. Bann Leibnitz. In: „Steirerland“ vom 1. Juli 1942, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19420701&seite=10&zoom=33 (am 22.03. 2017) S. 10. 532 Vgl. HAMMER-LUZA, Alltags- und Frauenleben in der NS-Zeit, 2015, S. 474. 533 Vgl. BLATNIK, Zeitzeugen erinnern sich an die Jahre 1938 – 1945 in der Südweststeiermark, 1997, S. 64. 534 Vgl. MATZER, Manipulation durch Gemeinschaft und Führung. (In Vorbereitung). S. 10. 535 Vgl. Urlaub für Arbeiterfrauen durch BDM-Mädel. In: „Steirerland“ vom 1. September 1941, http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=szs&datum=19410901&seite=8&zoom=33 (am 11.04. 2017), S. 8. 536 Vgl. MATZER, Manipulation durch Gemeinschaft und Führung. (In Vorbereitung). S. 10. 537 Zit. nach: MATZER, Manipulation durch Gemeinschaft und Führung. (In Vorbereitung). S. 8. 94 Eigenart“, nach nationalsozialistischer Vorstellung, sollten „Mädel ihrem Wesen entsprechend helfen“, indem sie beispielsweise Feldpostpakete verschickten.538 Außerdem wurden steirische BDM-Mädchen zum Dienst in der Kriegswirtschaft vor allem auch in sozialen Bereichen, wie dem Gesundheitsdienst, ausgebildet. So sollten beispielsweise in Weiz einhundert 16jährige BDM-Mädel diese Ausbildung durchlaufen und damit in der Lage sein, „Ärzte und Schwestern zu entlasten“.539 Auch in Familien, Kindergärten und Umsiedlungslagern waren unter anderem Mädchen des BDM-Werkes „Glaube und Schönheit“ beteiligt, idem sie an „kulturellen Einsätzen“ samt „offenem Singen, Dorfabenden, Kindernachmittagen, usw.“ betätigt waren.540

Grundsätzlich wurde die zur Verfügung stehende Freizeit in der Kriegszeit auch im Gebiet der Steiermark immer weniger, da die täglichen Arbeitszeiten ausgeweitet, die Aufgaben in Haus und Familie immer mehr wurden und immer neue „Dienste“ die Freiheiten der Menschen begrenzten. Hatte man zunächst noch versucht, in Städten und größeren Orten der täglichen Routine im Kino zu entfliehen, welches jedoch ebenso als NS-Propagandamaßnahme benutzt wurde, so blieb im „totalen Kriegseinsatz“ häufig nur noch das Radio erhalten.541

9.4 Die Situation in den Familien in der Steiermark Auch in der Steiermark war man sich darüber bewusst, dass der Erziehung und Sozialisation innerhalb der Familie große Bedeutung zukam. So erläuterte ein steirischer Schuldirektor im Jahr 1938 im Rahmen eines Zeitungsartikels: „Es ist außer jedem Zweifel, dass in der Familie der Angelpunkt der Kindererziehung liegt.“ In der Folge nannte er auch prägende Einflüsse der Erziehung, welche die „Kinderstube“ innerhalb des Elternhauses den Kindern mitgeben kann. Hervorgehoben wurde vor allem auch die „Großtat des Nationalsozialismus“, welcher „bestrebt ist, kinderreichen Familien helfend beizuspringen, diesen Vätern bessere Verdienstmöglichkeiten bietet und sie in jeder Form unterstützt“.542 Dieser Aussage entnommen werden kann daher ebenfalls die Propagierung des Nationalsozialismus als „Schützer der Familie“. Die Unterstützungen, welche an kinderreiche Familien gingen, führten

538 Vgl. Die Jugend packt zu. In: „Steirerland“ vom 15. November 1940, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19401115&seite=5&zoom=33&query=%22packt%22%2B%22zu%22&ref=anno -search (am 11.04. 2017), S. 5. 539 Vgl. BDM-Mädel im Gesundheitsdienst. In: „Steirerland“ vom 1. April 1943, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19430401&seite=14&zoom=33 (am 11.04. 2017), S. 14. 540 Vgl. BDM-Werk „Glaube und Schönheit“ – ein Glied der inneren Front. In: „Steirerland“ vom 15. Juni 1941, http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=szs&datum=19410615&seite=7&zoom=33 (am 22.04. 2017), S. 7. 541 Vgl. HAMMER-LUZA, Alltags- und Frauenleben in der NS-Zeit, 2015, S. 474. 542 Vgl. Jugenderziehung – Über die Einflüsse der Familie. In: „G.K.B.-Zeitung (Graz-Köflacher- Bergbaugesellschafts-Zeitung)“ vom 1. September 1938, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=gkb&datum=19380901&seite=15&zoom=33 (am 22.04. 2017), S. 15-16. 95 ebenso dazu, dass auch in der Steiermark die Anzahl der Großfamilien überwog. So lebte 1939 beinahe die Hälfte der Bevölkerung in Haushalten mit fünf oder mehr Personen.543

Dabei wurde im steirischen Kontext den Müttern ebenfalls die Aufgabe der „Trägerin und Gestalterin des Familienlebens“ zugeschrieben. Sie sollte „den Alltag des häuslichen Daseins“, sowie „Wohnkultur und Lebensform der Familie“ durch ihr Wesen prägen.544 Besonders als sich die wehrfähigen Männer dem Kriegsdienst stellen mussten, hatten steirische Frauen die Verantwortung des Hauswesens und damit auch die Erziehung der Kinder zu verantworten.545 Dass die allgemeinen Sozialisationsbedingungen der Kriegskinder, im Hinblick auf die Abwesenheit der Väter in der Region Steiermark, entscheidend für die weitere Identitätsbildung der Söhne und Töchter waren, belegen ebenfalls Interviews von Personen aus dem Raum Graz, wie sie von Sophie Kleinberger durchgeführt wurden.546

Hatte der nationalsozialistische Staat auch den Versuch unternommen, den gesamten Lebensalltag der Bevölkerung nicht nur im öffentlichen Bereich, sondern ebenso in der Privatsphäre und damit in den Familien und Partnerschaften zu bestimmen, so lässt sich generell erkennen, dass nicht jede Familie das NS-Regime in ihren Alltag eindringen ließ, was ebenso durch zahlreiche Widersetzungen von Seiten der Bevölkerung in der Steiermark festgehalten werden kann.547 Dennoch versuchte man auch Eltern für die Politik und Anschauung des NS-Regimes zu begeistern und miteinzubeziehen, was sich darin zeigt, dass ein Anteil der Elternschaft beispielsweise bei Aufnahmefeierlichkeiten der Mädchen und Jungen zur HJ teilnahm.548 Auch Elternnachmittage, wie jener einer Jungmädelgruppe aus dem Kreis Mürzzuschlag, bei welchem neben Volksliedern und Musikvorträgen die Verleihung von 90 Ehrenkreuzen an „deutsche Mütter“ durchgeführt wurde, sollten nicht nur von den Jugendlichen selbst, sondern vor allem auch von den steirischen Eltern besucht werden.549 Auch wenn ein Teil der Eltern diesen Veranstaltungen beiwohnte und möglicherweise ebenso guthieß, muss dennoch darauf hingewiesen werden, dass die Schwierigkeit darin besteht, einen

543 Vgl. HAMMER-LUZA, Alltags- und Frauenleben in der NS-Zeit, 2015, S. 469. 544 Vgl. Die Mutter. In: „Steirerland“ vom 18. Mai 1941, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19410518&seite=2&zoom=33 (am 13.03. 2017), S. 2. 545 Vgl. HAMMER-LUZA, Alltags- und Frauenleben in der NS-Zeit, 2015, S. 469. 546 Siehe dazu: KLEINBERGER Sophie, „...aber gefehlt hat immer was.“ Auswirkungen der kriegsbedingten Vaterlosigkeit nach 1945 mit besonderem Fokus auf den Raum Graz. Ungedr.-Dipl. Arb. Graz 2010. 547 Vgl. HALBRAINER / LAMPRECHT, Nationalsozialismus in der Steiermark, 2015, S. 280. 548 Vgl. Straßgang. In: „Steirerland“ vom 1. Mai 1942, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19420501&seite=6&zoom=33 (am 25.04. 2017), S. 6. 549 Vgl. Kreis Mürzzuschlag. In: „Steirerland“ vom 28. Februar 1941, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19410228&seite=14&zoom=33 (am 25.04. 2017), S. 14. 96 wirklichen Überblick über die Anschauungen von Familien samt Bestimmung des Grades ihrer Involvierung in das NS-Regime zu geben, da auch in der Steiermark nicht jede Familie die gleiche Einstellung vertrat. Deshalb soll vor allem auch im regionalen Kontext durch die Anwendung der empirischen Forschungsmethode der „Oral History“ ein besserer Einblick in die familiäre Erziehung und Sozialisation von steirischen Mädchen gewonnen werden.

97 10. Erinnerungen von ZeitzeugInnen aus der Steiermark

In diesem Kapitel soll nun zunächst eine theoretische Einführung in die verschiedenen Aspekte der qualitativen Sozialforschung und damit auch angewandten Forschungsmethode der „Oral History“ erfolgen, welche stützend für die weitere Gestaltung der Interviews wirken soll. Im direkten Anschluss werden Teile der aufgezeichneten Interviews in der Transkription wiedergegeben und in einer Querschnittsanalyse dargelegt. Wenn nun auch nicht weiter auf die unzähligen Theorien zu den Aspekten von Gedächtnis und Erinnerung eingegangen wird, so soll dennoch darauf hingewiesen werden, dass sich die Erlebnisse von SteirerInnen bezüglich ihres Erinnerungsverhaltens und Erinnerungsstrategien nicht von jenen aus anderen Gegenden unterscheiden, weshalb die dementsprechenden Theorien auch für die untersuchte Region entsprechend sind.550

10.1 Theoretisches zur qualitativen Sozialforschung Die empirische Sozialforschung ist eine auf Erfahrungen gestützte Forschungsmöglichkeit der gesellschaftlichen Selbstbeobachtung, welche Regeln und Methoden zur systematischen Gewinnung von Wissen über soziale Phänomene ermöglicht. Die empirisch erworbenen Erkenntnisse über den sozialgesellschaftlichen Kontext können daraufhin in Analysen, Reflexionen und Kritiken zu Entwicklungsvorgängen von Gesellschaften auf einer Mikro- wie auch Makroebene beitragen.551 Bereits seit den 1940er Jahren hat man deshalb in der dominierenden Sparte der quantifizierenden empirischen Forschung auch dem qualitativen Interview hohe Bedeutung beigemessen und neue Ansätze und Methoden, wie das Konzept des fokussierten Interviews, entwickelt. Auch in der deutschen Sozialforschung der 1950er Jahre wurden nicht-standardisierte Formen des Interviews verwendet.552 Jedoch konnten erst ab den 1970er und 1980er Jahren neue Richtungen an qualitativen Formen der Befragung entwickelt werden.553

Eine genaue Definition von qualitativer Sozialforschung ist insofern schwierig, da eine Vielfalt von Methoden, Methodologien, Theorien und Disziplinen existieren, welche sich als „qualitativ“ bezeichnen lassen. Dabei kann als Grundlage für den qualitativen

550 Vgl. SCHMIDLECHNER Karin M., Aspekte einer Geschlechtergeschichte von Krieg und NS-Zeit in der Steiermark. In: Heimo HALBRAINER / Gerald LAMPRECHT / Ursula MINDLER (Hgg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse. Wien-Köln-Weimar 2012. S. 523-534, hier: S. 530. 551 Vgl. WEISCHER Christoph, Sozialforschung. Konstanz 2007. S. 9. 552 Vgl. Ebd. S. 257-258. 553 Vgl. LAMNEK Siegfried, Qualitative Sozialforschung. 5. Auflage. Weinheim-Basel 2010. S. 1. 98 Forschungsbereich stets die Gewinnung qualitativer Daten gesehen werden, womit all jenes gemeint ist, was Menschen sagen, schreiben oder wie sie sich verhalten. Tagebücher, Aufsätze, aber auch Erzähltes festgehalten in Transkriptionen von Interviews, erlauben eine Zugangsweise, welche Lebenswelten „von innen heraus“ aus der Perspektive der handelnden Personen zu beschreiben vermögen. Die verbalen oder visuellen Darstellungen werden durch die wissenschaftliche Methode erfasst und können schließlich in ihrer „inhaltlichen Ganzheit“ erhalten bleiben.554 Es handelt sich dabei nicht um Statistiken und Tabellen, sondern um nonmetrische Eigenschaften, welche bei der qualitativen Sozialforschung entscheidend sind.555 Voraussetzungen der qualitativen Sozialforschung sind neben Angemessenheit des Gegenstandes bei der Auswahl von Methoden und Theorien, die Rücksichtnahme und Analyse verschiedener Perspektiven und die Reflexion des Forschers über die Untersuchung.556 Zur Aufarbeitung der sozialen Interessen können daher verschiedene Verfahrensweisen und Methoden der qualitativen Sozialforschung verwendet werden. Daher ist qualitative Forschung nicht allein qualitative Interviewforschung, da Interviews nur einer von zahlreichen optionalen Zugängen zu Informationen darstellen. So stellt sich neben Dokumenten- und Kulturgüteranalysen, der teilnehmenden Beobachtung und der Textanalyse, die Methode der Befragung als bestimmende Forschungsmöglichkeit dar.557 Entscheidet man sich für letztere Möglichkeit, so muss noch der Entschluss zwischen einem Interview mit Einzelpersonen oder aber einer Gruppe mit mehreren Teilnehmern zu einem Thema getroffen werden.558

Üblicherweise orientiert sich der qualitative Forschungsansatz an den fünf qualitativen Grundsätzen: Subjektbezogenheit, Deskription und Interpretation der Forschungssubjekte, der Untersuchung der Subjekte in ihrer alltäglichen Umgebung und schließlich die Generalisierung der Ergebnisse als Verallgemeinerungsprozess. Jene fünf „Postulate“ sind die Grundlagen des qualitativen Denkens.559 Aus diesen ergeben sich nunmehr die „13 Säulen des qualitativen Denkens“, welche aus der Theorieebene konkrete Handlungsanweisungen formen.560

554 Vgl. REINDERS Heinz, Qualitative Interviews mit Jugendlichen führen. Ein Leitfaden München-Wien 2005. S. 19. 555 Vgl. LAMNEK, Qualitative Sozialforschung, 2010, S. 3. 556 Vgl. FLICK Uwe, Qualitative Forschung. Theorie, Methoden, Anwendung in Psychologie und Sozialwissenschaften. 5. Auflage. Reinbek bei Hamburg 2000. S. 13. 557 Vgl. REINDERS, Qualitative Interviews mit Jugendlichen führen, 2005, S. 96. 558 Vgl. LAMNEK, Qualitative Sozialforschung, 2010, S. 372. 559 Vgl. MAYRING Philipp, Einführung in die qualitative Sozialforschung. Eine Anleitung zu qualitativem Denken. 5. Auflage. (= Beltz Studium: Erziehung und Bildung). Weinheim [u.a.] 2002, S. 19. 560 Vgl. Ebd. S. 24f. 99 10.2 Zur Methode der „Oral History“ Übersetzt versteht man unter dem Begriff „Oral History“ soviel wie „mündliche Geschichtserzählung“. Im Detail betrachtet sieht man die „Oral History“ als einen Forschungsansatz der Geschichtswissenschaften, welcher zur Gewinnung von ZeitzeugInnenaussagen verwendet wird. So können neue historische Quellen erschaffen werden, wodurch sich die Geschichte nicht nur rekonstruiert und reproduziert, sondern Erzählungen ebenfalls dazu beitragen, ein besseres Verständnis für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu gewähren. Die Methode nützt auch vor allem deshalb Interviews für die Forschungsarbeit, um historische Fragestellungen beantworten zu können und ebenfalls zur historischen Erkenntnisgewinnung beizutragen.561 Dabei macht sich die „Oral-History- Methode“ die Methodenvielfalt der qualitativen Sozialforschung zu Nutzen und orientiert sich an ihren Grundprinzipien, wie etwa jenen der Offenheit und der Deskription.562 Somit werden im Kontext von Forschungen zur „Oral History“ auch Interviews eingesetzt, um die Untersuchung von historischen Begebenheiten aus einem lebensgeschichtlichen Blickwinkel zu ermöglichen.563

Ursprünglich kommt die Methode der „Oral History“, worauf ebenso der Name hindeutet, aus dem angelsächsischen Raum. In den späten 1970er Jahren wurde sie jedoch auch im deutschsprachigen Raum praktiziert.564 Seit ihrer Entstehung kam es zu unterschiedlich disziplinären Einwirkungen auf die Forschungsmethode, weshalb die „Oral History“ heutzutage nicht nur als ein geschichtswissenschaftlicher Zweig anerkannt ist, sondern ebenso zu einem vielfältigen interdisziplinären Forschungsfeld wurde, welches in historiographischen, sozialwissenschaftlichen oder auch journalistischen Projekten eingesetzt wird.565 Eine stetige Intention der „Oral History“ war es dabei, zu einer Demokratisierung der Geschichtsschreibung beizutragen und ebenso Sozialstrukturen und Lebenswelten von „herrschaftsfernen Gesellschaftsgruppen“ und Minderheiten der Geschichte zu Wort kommen zu lassen.566 Ziel und Aufgabe der „Oral-History-Forschung“ war es aus diesem Grund auch, sich mit jenen sozialen Schichten zu befassen, welche in anderen historischen Darstellungen überhaupt nicht oder nur am Rande berücksichtig wurden, weshalb die „Oral History“ häufig auch als

561 Vgl. EGGER Michael, Der kleine Oral History Ratgeber. Graz 2013. S. 17-19. 562 Vgl. Ebd. S. 26. 563 Vgl. WEISCHER, Sozialforschung, 2007, S. 262. 564 Vgl. Ebd. S. 272f. 565 Vgl. OBERTREIS Julia, Oral History – Geschichte und Konzeption. In: Julia OBERTREIS (Hg.), Oral History. (= Basistexte Geschichte 8). S. 7-30, hier: S. 7. 566 Vgl. Ebd. S. 9. 100 „Geschichte von unten“ aufgefasst wurde.567 Ausgangspunkt für das Interesse an diesen Schichten war ein Paradigmenwechsel der Geschichtswissenschaft, welcher nun nicht länger die Wissbegierde nach den Lebensalltagen großer Persönlichkeiten verfolgte.568 Dabei folgte schließlich in den späten 1960er Jahren ebenso eine Verbindung der Frauengeschichtsschreibung und der „Oral History“, indem Frauen aus ihrem alltäglichen Leben berichteten und Einblicke in eine Welt gaben, von der zuvor in der Geschichtsschreibung kaum berichtet wurde, oder welche lediglich auf Basis von männlichen Lebensgeschichten festgehalten wurden.569 Die Forschungsmethode der „Oral History“ ist für Erkenntnisse aus der Vergangenheit von Frauen außerdem besonders geeignet, da weibliche Teile der Bevölkerung meist weniger mit schriftlichen Äußerungsformen vertraut waren.570

Einerseits eröffnet die „Oral-History-Methode“ eine weite Reihe an Vorteilen. So können durch die persönlichen Erinnerungen von ZeitzeugInnen gänzlich neue Datenmaterialien für die historische Analyse gewonnen werden, oder bereits bekannte Erlebnisse neu aufgefasst werden.571 Dabei erfährt man aus erster Hand Ereignisse und damit subjektive Bedeutungszuschreibungen, wie Gefühle, Meinungen, Werte und Einstellungen. Andererseits muss man bei der mündlichen Forschungsmethode auch bedenken, dass eine quellenkritische Betrachtung der Ergebnisse unbedingt notwendig ist, da durch die forschende Person der Entstehungsprozess durch die bloße Anwesenheit des Interviewleiters bewusst oder unbewusst beeinflusst werden kann.572 Weiters ist zu berücksichtigen, dass die Erinnerungen oft schon Jahrzehnte zurückliegen, weshalb der Inhalt des Erzählten auch von den ZeitzeugInnen inhaltlich „gefärbt“ bzw. adaptiert werden können oder die zeitliche Distanz zu den Ereignissen das Vergessen einzelner Aspekte und die Hervorhebung oder Beschwichtigung Sachverhalte begünstigen.573 Außerdem können durch qualitative Interviews keine objektivierenden und generalisierenden Aussagen getroffen werden.574

567 Vgl. WEISCHER, Sozialforschung, 2007, S. 273. 568 Vgl. SCHMIDLECHNER Karin Maria, Oral History als Methode der Historischen Frauenforschung. In: Karin M. SCHMIDLECHNER. Signale. Veröffentlichungen zur historischen und interdisziplinären Frauenforschung. Band 1. Graz 1994. S. 9-23, hier: S. 11. 569 Vgl. EINÖDER, Handlungsräume von Frauen während der NS-Zeit jenseits der „Opfer-Täterinnen-Dualität“, 2010, S. 106. 570 Vgl. SCHMIDLECHNER, Oral History als Methode der Historischen Frauenforschung, 1994, S. 12. 571 Vgl. WEISCHER, Sozialforschung, 2007, S. 273. 572 Vgl. SCHMIDLECHNER, Oral History als Methode der Historischen Frauenforschung, 1994, S. 9. 573 Vgl. MATZER, Manipulation durch Gemeinschaft und Führung. (In Vorbereitung). S S. 7. 574 Vgl. REINDERS, Qualitative Interviews mit Jugendlichen führen, 2005, S. 97. 101 10.2.1 Das narrative Interview In ihrer ursprünglichen Form ist die Methode der „Oral History“ als „mündlich erfragte Geschichte“ ein narrativ biographisches Interview und deshalb innerhalb der qualitativen Sozialforschung als eine Spezialform des qualitativen Interviews anzusehen und auch vergleichbar mit der Analyse „biographischer Gesamtformung“. Begründer des Konzeptes des narrativen Interviews war Fritz Schütze in den 1970er Jahren.575 Der Grundgedanke liegt darin, die Fähigkeit des Erzählens zu nutzen und Ereignisse somit in Zusammenhängen darzustellen, um schließlich sozialwissenschaftliche Daten zu gewinnen. Der Unterschied zu einer standardisierten Befragung oder einem Leitfadeninterview besteht darin, dass durch die Forschenden nur ein kurzer Input gegeben werden soll, welcher Personen dazu anregt, aus ihrem Leben zu erzählen.576 Die Intention des narrativen Interviews soll dabei stets sein, „die tatsächlichen Handlungsausführungen und die jeweiligen zugrunde liegenden Situationsinterpretationen der Individuen im alltäglichen Lebenszusammenhang“ wiederherzustellen, weshalb das narrative Interview auch ein „maximal-offenes Verfahren“ sein soll.577 Während die Rolle der befragten Personen dementsprechend dominant ausfallen soll, hält sich der Interviewer im Hintergrund, da er den Erzählungen kaum Strukturen vorgibt.578 Wichtig dabei ist es, dass der Gesprächsverlauf und alle Anordnungen der Erzählungen durch die Befragten entschieden werden. Allein die ZeitzeugInnen sollen ihre Entscheidungen über die Relevanz der Erzählgegenstände treffen. Die Dauer jedes narrativen Interviews kann dabei natürlich variieren, da qualitative Interviews in der Regel auch wesentlich länger dauern als standardisierte Befragungen.579

10.2.2 Das Leitfadeninterview Eine weitere Art der qualitativen Befragung ist das Leitfadeninterview.580 So werden grundsätzlich all jene Interviewformen bezeichnet, welche für den Interviewer eine unterstützende Maßnahme vorsehen.581 Dabei liegen üblicherweise vorab formulierte Fragestellungen und Unterfragen als Hilfestellung vor, welche jedoch im Laufe des Interviews selektiv gehandhabt und der Situation entsprechend variiert werden können. Selbst Fragen, welche erst während des Gespräches entstehen, können spontan hinzugefügt werden.582 Um

575 Vgl. EGGER, Der kleine Oral History Ratgeber, 2013. S. 76. 576 Vgl. WEISCHER, Sozialforschung, 2007, S. 263-264. 577 Vgl. REINDERS, Qualitative Interviews mit Jugendlichen führen, 2005, S. 103f. 578 Vgl. Ebd. S. 104. 579 Vgl. WEISCHER, Sozialforschung, 2007, S. 261-264. 580 Vgl. Ebd. S. 261. 581 Vgl. LAMNEK, Qualitative Sozialforschung, 2010, S. 326. 582 Vgl. WEISCHER, Sozialforschung, 2007, S. 261. 102 einen Interviewleitfaden zu erstellen, wird bereits zuvor strukturiertes und themenspezifisches Wissen über das Forschungsfeld benötigt.583 Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich Leitfadeninterviews in unterschiedlichen Formen ergeben können. Sie können sowohl ähnlich einer standardisierten Befragung mit offenen Antworten formuliert werden, oder aber lediglich als grobe Orientierung für den Interviewführer zur Verfügung stehen und damit narrative Elemente in den Vordergrund treten lassen. Im Vergleich zu den Fragen eines standardisierten Interviews ergibt sich dennoch die klare Differenz, dass Leitfrageninterviews weitaus offenere Fragestellungen beinhalten und deshalb von Erzählaufforderungen bis zu spezifischen Einzelaspekten reichen können.584

10.2.3 Die erste Phase der Auswertung: Die Transkription Auch wenn die „Oral History“ schriftliche Dokumente zum Inhalt hat, sind jene meist aus Tonaufnahmen heraus entstanden.585 Direkt im Anschluss an den Erhebungsprozess der durchgeführten ZeitzeugInnengespräche, welche nun häufig als Tonbandaufzeichnungen oder auf Videoband vorliegen, erfolgt deshalb die Aufbereitung des Materials zu einem Text, indem die Aufnahmen transkribiert werden. So kann das zumeist äußerst umfangreiche Material durch Abtippen in eine lesbare Form gebracht werden und steht als Voraussetzung für weitere Analyseschritte bereit. Die Schwierigkeit dabei liegt darin, dass es sich nicht um ein monotones Diktat handelt, sondern um Alltagsgespräche, die situations- und inhaltsgetreu verschriftlicht werden sollen.586 Besonders für die Methode der „Oral History“ eignet sich deshalb auch die Verschriftlichung in Standardorthographie. Dies bedeutet, dass das gesprochene Wort nach den Richtlinien der deutschen Rechtschreibung aufgeschrieben wird, da Dialekte und umgangssprachliche Laute und Formulierungen während der Anfertigung des Transkripts nun aus zeitlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden müssen und sich gleichzeitig die Lesbarkeit der Erzählungen erhöht.587 Dennoch soll bei der Transkription auf nonverbale Aspekte des Gespräches Bezug genommen werden, weshalb sich die vorliegende Arbeit nach folgenden Empfehlungen der Gesprächstranskription orientiert:

583 Vgl. Ebd. S. 275. 584 Vgl. Ebd. S. 273. 585 Vgl. EGGER, Der kleine Oral History Ratgeber, 2013. S. 20. 586 Vgl. LAMNEK, Qualitative Sozialforschung, 2010, S. 367-369. 587 Vgl. REINDERS, Qualitative Interviews mit Jugendlichen führen, 2005, S. 254. 103  Kodierung der GesprächsteilnehmerInnen (InterviewerInnen etwa mit I1, I2 etc.; die befragten Personen etwa mit B1, B2 etc.)  Pausen (pro Sekunde ein Punkt) = . . . . (bzw. Zeitangabe)  Nichtverbale Äußerungen wie Lachen oder Husten in runder Klammer angeben = (B1 lacht)  Auffällige Betonung unterstreichen = etwa so  Unverständliches als Punkte in Klammer, wobei jeder Punkt eine Sekunde markiert = (. . . .)  Sehr gedehnte Sprechweise mit Leerzeichen zwischen den Buchstaben = e t w a s o.588

10.3 Einführende Anmerkungen zu den Interviews In den vorangegangenen Kapiteln der Diplomarbeit wurden die Mädchen- und Jugendjahre in der Steiermark durch Primär- wie auch Sekundärliteraturquellen untersucht. Da nicht jedes Frauenleben während der Zeit des Nationalsozialismus gleich verlief, konzentriert sich die Arbeit nun jedoch auf eine individuelle, biografische Ebene und zeichnet jenen Abschnitt des Lebens von vier Steirerinnen und eines Steirers in ihrer Kindheit und Jugend nach, der etwaige Spuren eines nationalsozialistischen Frauenbildes hinterließ. Die Befragten wurden einerseits nach Geschlecht ausgewählt, da sich der Schwerpunkt der Arbeit auf die Untersuchung der frauenspezifischen Lage im steirischen Kontext bezieht, weshalb vier der fünf Interviews mit Zeitzeuginnen stattfanden. Um jedoch ebenso eine männliche Perspektive zu berücksichtigen und dabei eine differenzierte Anschauung der Thematik zu ermöglichen, sollte ebenso die Aussage eines Zeitzeugen in die Auswertung miteinbezogen werden. Andererseits war ebenso die Herkunft entscheidend, weshalb Personen interviewt wurden, welche in der Steiermark geboren wurden, dort gelebt haben oder dort aufgewachsen sind und somit einen großen Teil ihrer Kindheit und Jugend dort verbracht haben. Im Speziellen fokussierten sich die Interviews auf den Raum der Oststeiermark. Dieser Fokuspunkt auf die östliche Steiermark ist entscheidend, da sich durchaus Differenzen durch den Bezug auf individuelle Milieus im steirischen Kontext, wie beispielsweise des Grazer Bürgertums oder der obersteirischen IndustriearbeiterInnen ergeben würden, da unterschiedliche steirische Gebiete an bestimmte Ereignisse gebunden waren. Beispiele dafür wären die Erzählungen von Hitlers Besuch in der Landeshauptstadt Graz nach dem Anschluss im Jahr 1938, oder aber die Auseinandersetzungen mit russischen Besatzungssoldaten zu Kriegsende 1945.589

588 Vgl. FORSCHAUER Ulrike / LUEGER Manfred, Das qualitative Interview. Zur Praxis interpretativer Analyse sozialer Systeme (=UTB Soziologie 2418). Wien 2003, S. 223-224. 589 Vgl. SCHMIDLECHNER, Aspekte einer Geschlechtergeschichte von Krieg und NS-Zeit in der Steiermark, 2012, S. 530. 104 Geeignete ZeitzeugInnen zu finden, welche ihre Kindheit und Jugendjahre im Nationalsozialismus erlebten, gestaltete sich, bedingt durch das heutige hohe Alter der Personen als Herausforderung. Durch Kontakte zur Leitung und zu PflegerInnen der Altenwohnheime in Fürstenfeld und Hartberg konnten jedoch Personen gefunden werden, welche sich für ein Interview bereit erklärten. Auch durch Hinweise und Mithilfe von Freunden und Bekannten im Raum Fürstenfeld konnten ZeitzeugInnen gefunden werden die einwilligten über ihr Leben zu berichten. Berücksichtigt werden muss außerdem, dass eine Dame aus meiner Verwandtschaft zu ihrer Kindheit unter dem NS-Regime befragt wurde. Grundsätzlich wurden im Vorhinein Termine für die Gespräche vereinbart, wobei ich mich bei einigen befragten Personen im Voraus vorstellte. Da es einer Zeitzeugin aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich war, mir beim ersten Interview viel zu berichten, verabredeten wir einen erneuten Termin, weshalb nun zwei Gespräche mit ihr aufgezeichnet wurden.

Nach der Entscheidung, meine Fragestellung durch die adäquate Methode der „Oral History“ zu beantworten, entschied ich mich bei den Gesprächen mit ZeitzeugInnen für die Verwendung des offenen Leitfrageninterviews. So gliederte sich die Durchführung der Interviews grundsätzlich in zwei Teile: Zuerst sollten alle InterviewpartnerInnen zum Einstieg die Möglichkeit erhalten, ihre Lebensgeschichte und ihre Erlebnisse zum Thema „Zweiter Weltkrieg und Nationalsozialismus“ frei zu erzählen. Dies erschien insofern als wichtig, da nunmehr erkennbar werden sollte, was die Personen in ihrer Lebenssituation vor 1945 durch die Reihenfolge und den Umfang der Erzählungen für relevant erachteten. Erst danach fand im zweiten Teil die mündliche Beantwortung eines von mir erstellten Fragengerüstes statt, welches primär Fragen zu den Themenkomplexen Schule, Freizeit und Familie in der Steiermark zum Inhalt hatte. Dabei war es jedoch unvermeidbar, auch einige Aspekte des allgemeinen Lebensalltages in der Steiermark zu klären, um eine bessere Einsicht in den zeitlichen und politischen Gesamtkontext zu erlangen.

In Bezug auf die Dauer verliefen die Interviews unterschiedlich lange und konnten zwischen einer halben Stunde und bis zu einer Stunde dauern. Vor allem auch durch aufkommende Emotionalität der Befragten während den Interviews traten häufig Pausen und Wiederholungen ein. Im Anschluss erfolgte schlussendlich die wortwörtliche Transkription der auf Tonband aufgenommenen Gespräche, entsprechend den wesentlichen Richtlinien der Gesprächstranskription nach Forschauer und Lueger.590 Lediglich bei sprachlichen

590 Siehe dazu: FORSCHAUER / LUEGER, Das qualitative Interview, 2003, S. 223-224. 105 Versprechungen, Wiederholungen und Füllwörtern wie „ähm“, welche für die Interpretation nicht erforderlich waren, wurden die Interviews geglättet. Aufgrund des besseren Verständnisses zu Gunsten des Lesers erfolgte die Transkription schließlich in Hochdeutsch, da die Erzählungen im steirischen Dialekt eventuelle Schwierigkeiten verursachen hätten können. Auffällige Betonungen und Pausen wurden jedoch übernommen und in der Transkription berücksichtigt.

Zum besseren Vergleich der einzelnen Beiträge aus den Interviews wurde eine Querschnittsauswertung in Themenkreisen vorgenommen. Dazu wurden im Lauf der Transkription die prägnanten Themenkreise: Mädchenleben und Familienalltag während der NS-Zeit, die Schulzeit im Nationalsozialismus, Mitgliedschaft und Erinnerungen an NS- Organisationen in der Freizeit, Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, Erinnerungen an diskriminierte Gruppen, Erinnerungen an das Kriegsende und die Wahrnehmung des nationalsozialistischen Frauenbildes und der Rolle der Frau heute entwickelt. In jenen wurden jeweils Textsequenzen aus den verschiedenen Interviews verwendet. Die vollständigen Audiodateien und Interviewtranskriptionen sind aus diesem Grund nicht zur Gänze in der Diplomarbeit vorhanden, sondern bei mir einsehbar. Um die Anonymität der Personen zu gewährleisten, wurden die persönlichen Daten und Namen der ZeitzeugInnen anonymisiert, sofern sie für die Interpretation der individuellen Lebensgeschichte keine Bedeutung hatten. Lediglich einige Eckdaten der befragten Personen sollen genannt werden, um bessere Einsicht in ihren Lebensalltag und ihre Situation während des NS-Regimes und des Zweiten Weltkrieges zu bekommen.

10.3.1 Kurzbiografien der ZeitzeugInnen 10.3.1.1 Zeitzeugin Z. Frau Z. wurde am 1. Mai 1928 in Großwilfersdorf bei Fürstenfeld geboren, wo sie auch noch heute in ihrem Heimathaus lebt. Während der Zeit des Nationalsozialismus besuchte sie die achtjährige Volksschule in Großwilfersdorf. Danach musste sie das Pflichtjahr absolvieren, bevor sie in Fürstenfeld eine Lehre als Schneiderin verfolgen konnte. Die Familie von Frau Z. bestand aus Mutter, Vater und insgesamt fünf Geschwistern, davon drei Mädchen und zwei Jungen. Ihre Brüder mussten jedoch bereits früh zum Militär einrücken. In der Nachkriegszeit lernte sie ihren Mann in einem örtlichen Gasthaus kennen, zusammen hatten sie drei Töchter und einen Sohn. Im Jahr 2016 verstarb ihr Mann, weshalb sie nun mit ihrem Sohn und einer Pflegerin zusammenlebt.

106

10.3.1.2 Zeitzeugin Y. Frau Y. wurde im Jahr 1930 geboren und ist in der ländlichen Umgebung von Fürstenfeld in einem Bauernhaus aufgewachsen. Ihr Vater ist bereits mit 39 Jahren verstorben. Damals war Frau Y. gerade einmal zweieinhalb Jahre und ihre Mutter 37 Jahre alt. Zur Familie gehörten ebenso fünf Geschwister, davon vier Mädchen und ein Junge, welche nun bereits alle verstorben sind. Die Familie hatte eine Landwirtschaft betrieben, in der auch die Kinder mithelfen mussten. Frau Y. blieb ihr Leben lang in Fürstenfeld, wo sie während der Zeit des NS-Regimes vier Jahre lang die Volksschule und danach die Hauptschule besuchte. Danach begann sie eine Lehre als Verkäuferin und verblieb auch in diesem Beruf. Der Lebensmittelpunkt von Frau Y. ist heute ein Haus im Zentrum von Fürstenfeld, wo sie ihre zwei Töchter und die zahlreichen Enkelkinder häufig besuchen kommen.

10.3.1.3 Zeitzeugin X. Frau X. wurde am 9. Februar 1928 in Fürstenfeld geboren. Ihre Eltern hatten eine Fleischhauerei und eine Gastwirtschaft in Fürstenfeld, in der auch Frau X. als junges Mädchen immer wieder mithelfen musste. Unter dem NS-Regime besuchte Frau X. die Hauptschule in Fürstenfeld. Danach hat sie selbst den Beruf des Fleischhauerin gelernt und konnte in diesem, damals eindeutig männlichen, Beruf als einzige Frau sogar die Meisterprüfung abgelegen, um schließlich den Betrieb ihres Vaters übernehmen zu können. Frau X. war ein Einzelkind in ihrer Familie, jedoch hatte sie eine Halbschwester, welche aus erster Ehe des Vaters stammte und bei den Großeltern wohnte. Sie selbst bekam später drei Kinder, davon zwei Mädchen und einen Jungen. In ihrer Pension zeigte sie großes Engagement für den Seniorenbund und den Kriegsopferverband im Raum Fürstenfeld. Heute lebt Frau X. in einem Altenwohnheim in Fürstenfeld, wo sie von ihren Kindern regelmäßig besucht wird.

10.3.1.4 Zeitzeugin W. Frau W. ist im Jahr 1930 geboren und wuchs in Kaindorf bei Hartberg in einer Bauernfamilie auf. Da ihr Vater schon früh bei einem Unfall in der Landwirtschaft ums Leben kam, übernahm ihre Mutter den familiären Betrieb. Frau W. selbst musste deshalb schon als Kind mit ihren Geschwistern, davon zwei Brüder und eine Schwester, im landwirtschaftlichen Bereich mithelfen, obwohl sie lieber Lehrerin geworden wäre. Während der Zeit des Nationalsozialismus besuchte Frau W. die achtjährige Volksschule in Kaindorf. Heute lebt sie im Altenwohnheim in Fürstenfeld. 107

10.3.1.5 Zeitzeuge V. Herr V. wurde 1920 in Übersbach bei Fürstenfeld geboren und ist dort aufgewachsen. Er hatte noch einen sieben Jahre jüngeren Bruder. Herr V. ging zuerst vier Jahre lang in die Volksschule in Übersbach. Als Österreich 1938 jedoch an das „Deutsche Reich“ angegliedert wurde, besuchte Herr V. in Fürstenfeld das Gymnasium, wobei er im selben Jahr nur wenige Monate nach dem Anschluss die Matura erfolgreich absolvierte. Herr V. musste nach seiner Schulzeit in den Krieg ziehen und war unter anderem auch in Rumänien, Belgien und westlich von Stalingrad eingesetzt, weshalb er nur wenig von den Kriegs- und Nachkriegserlebnissen in der Steiermark erzählen konnte, da er lediglich ein paar Wochen zum Fronturlaub in Fürstenfeld verbrachte. Heute ist der Lebensmittelpunkt von Herrn V. eine Wohnung in Fürstenfeld, wo er alleine lebt. Seine Leidenschaft ist jedoch bis heute die Geschichte, weshalb er mit 97 Jahren noch zweimal die Woche freiwillig Vorlesungen an der Karl-Franzens-Universität in Graz besucht.

10.4 Querschnittsauswertungen der Interviews in Themenkreisen 10.4.1 Mädchenleben und Familienalltag während der NS-Zeit So schildert Frau Z. ihre Erlebnisse nach dem Anschluss 1938: 1938 da sind sie auf die Straßen gefahren mit den großen Lastautos, da war die BDM oben und die HJ und alle die nicht mitgefahren sind haben eine Strafe bekommen, weil die waren nicht für den Hitler. Und bei denen „Heil Hitler, Heil Hitler“ ist es immer gegangen. Das war eine schreckliche Zeit. Und genau wo Familien waren mit vielen Kindern und die nicht mit dem Hitler getan haben, die sind raus nach Dachau gekommen ... und dort haben sie müssen arbeiten [...] Ich weiß mein Vater war kein Nazi und dort hat auch von uns der Ortsgruppenleiter gesagt, wenn du nicht dazu gehst zum Verein dann kommst du mit deiner Familie raus angesiedelt. [...] Ja jeder war nicht für den Hitler.591

Das war schon eine große Feier zum Hitler seinem (Geburtstag) aber so in kleineren Mengen weißt schon .. und es war halt alles .. programmiert. Weißt schon dies und das .. hat müssen sein [...] Ich habe mich nur immer geärgert, weil sie so dumm sind. [...] Weil du hast es gesehen wie manche Dinge abgeschafft werden die was aber gut gewesen wären, aber nein da Hitler wollte das anders wieder. Bei Lehrstellen, oder ist egal, oder das Grüßen, oder mit dem Hitler in der Schule aufhängen und die Kreuze weg das hat mich sehr gestört immer .. schon in der Volksschule ... habe ich mir gedacht das ist so schön, wenn du reingehst und da so ein Holzkreuz hängt. Deswegen muss ich nicht jeden Tag in die Kirche gehen, aber es ist ein Symbol ... aber nicht den Hitler da rauf. [...] (Fahnen) haben wir immer müssen raus hängen, wenn so Staatsfeiertage waren

591 Interview mit Zeitzeugin Z. vom 1.4. 2017. 108 und beim Hitler seinem Geburtstag war alles geschmückt. [...] und gejubelt und gefeiert .. überhaupt was die Nazis waren.592

Ernteeinsatz war auch. Da hast auch zu den Bauern gehen müssen arbeiten. [...] Ich bin nicht mehr gegangen, aber meine ältere Schwester war bei einem großen Bauern da oben (Anm.: im Dorf). Die haben müssen ein Jahr dort arbeiten. Und dann hast entweder eine Lehre bekommen oder die Tante G. ist dann Fabrik gegangen. Und sie wäre so gerne Schneiderin geworden und hat aber keinen Platz bekommen. Und wie ich angefangen habe, habe ich dann schon einen Platz bekommen als Lehrmädchen.593

Über ihre Familie und ihre Ausbildung berichtet Frau Z. Folgendes: Wir haben eh nicht viel gehabt .. nur das Haus. (Anm.: Im Haushalt) Hat alles die Mutter gemacht. Ja und ich habe dann in Fürstenfeld bei der Frau Keimel gelernt zu nähen und da im Ort habe ich Pflichtjahr gemacht und dann hast dürfen in die Lehre gehen. [...] So haben wir auch eine schöne Kindheit gehabt. Sehr schön. Wir haben zuhause Geborgenheit gehabt und wir haben uns ja wohl gefühlt zu Hause .. das war super.594

Frau Z. berichtet in diesem Zusammenhang auch über ihre Eindrücke und Tätigkeiten im Pflichtjahr: Da habe ich müssen kochen, putzen, bügeln, alles .. waschen. Da waren drei Kinder und die Eltern und für die habe ich müssen bügeln, kochen, waschen und da haben wir alles noch mit der Hand rumpeln müssen. [...] Das haben wir müssen machen vorher hat man keine Lehrstelle bekommen. [...] Dort haben wir es schön gehabt. Der Vater war so gut, wir haben jeden Samstag Würsteln bekommen, das hätten wir ja daheim nicht gehabt. Frankfurter mit Kren. Aber das war gut. War eine schöne Zeit auch. [...] Weißt eh und das war, aha du bist jetzt bei einer anderen Familie, wie ist es da. So daheim haben wir das ja auch nicht gehabt ... an Wurst oder so Sachen, weil ja das Geld nicht da war .. Und dort haben wir Samstag und Sonntag immer so gute Sachen bekommen.595

Vor allem auch Mädchen, die im landwirtschaftlichen Betrieb aufwuchsen mussten zu Hause in jungen Jahren fleißig mithelfen, so berichtet Frau Y.: Ist ja alles händisch gearbeitet worden damals, wir haben müssen Heu überkehren, wir haben müssen am Acker (helfen).... zuerst Aufgabe machen, da war unsere Mutter streng und dann haben wir die (Hacken) müssen mitnehmen und auf den Acker raus nachgehen. [...] Mein Bruder hat müssen mit ... dreizehn Jahren, weil die zwei Knechte waren eingerückt, hat der müssen mit den Ochsen und dem Pflug umbauen. Ein dreizehnjähriger Bub. Na wir sind schön eingeteilt gewesen. Ich kenne j e d e Bauernarbeit. Das kann ich auch gleich sagen. Wir haben müssen Kühe melken, wir haben müssen für die Schweine Gras abmähen, wir haben alles gelernt. Ja probieren haben wir halt müssen. Ob es gut war kann ich heute nicht mehr sagen aber es ist gegangen, nicht? Ja so ist es. [...] Und stellen Sie sich vor, meine älteste Schwester ... haben sie wollen zum Landdienst verpflichten. Da hätte sie müssen auf einen anderen Bauernhof arbeiten. Jetzt ist meine Mutter in die Dienststelle gegangen ... und hat gesagt „Seid ihr verrückt?“ Wir haben ja selber eine Wirtschaft daheim, die Knechte sind

592 Interview mit Zeitzeugin Z. vom 1.4. 2017. 593 Ebd. 594 Interview mit Zeitzeugin Z. vom 26.2. 2017. 595 Interview mit Zeitzeugin Z. vom 1.4. 2017. 109 eingerückt, wir haben nur mehr die Magd mehr da, die Kinder müssen mithelfen. Dann hat sie nicht brauchen.596

Auch Frau Y. berichtet über ihre Eindrücke und die Stimmung der Bevölkerung gleich nach dem Anschluss 1938: Da war am Abend, da sind wir da in die Knabenvolksschule in die ehemalige, und da sind sie durch die Stadt marschiert. Aber wissen Sie wie viele Leute? Und alles war begeistert. Und warum? Weil vorher die große Arbeitslose war. Und warum hat der Hitler .. die Arbeitslose, weil er für die Rüstung schon Leute gebraucht hat, so war es. Na wir auch wir waren acht Jahre und wir waren begeistert wie die marschiert sind trommelt und da war halt was los für die Jugend, ja. Aber dass es dann so schief geht. [...] Im Radio (hat man gehört) schon Graz war ja „Graz die Stadt der Volkserhebung“. [...] In Graz haben sie ja große Kundgebungen gehabt, nicht? Da sind sie ja von der ganzen Steiermark zusammengefahren.597

„Heil Hitler“ sagen, das wohl. Ja wenn Bekannte daherkommen. Grüß Gott hat man nicht sagen dürfen. Grüß Gott hat man auf keinem Fall sagen dürfen. Ja das stimmt. In jeder Schulklasse war ein Hitler-Bild. [...] Naja die Aufmärsche und das da habe ich heute noch das Bild im Kopf. Die Hitler-Aufmärsche. Die Jungmädchen sind bei Tag durch die Stadt marschiert. Da war denk ich die Hauptstraße noch nicht asphaltiert, da war noch eine Schotterstraße und gewalzt. Vielleicht einmal im Monat, oder zweimal wenn irgendein Gedenktag oder irgendetwas war dann sind die Buben marschiert und die Mädchen.598

Frau X. hat die Stimmung im Zentrum von Fürstenfeld nach dem Anschluss 1938 in ihren Erzählungen eingefangen: Naja das war sehr turbulent. Da war die ganze Stadt auf der Straße und ich war so ein Mädchen mit zehn Jahren und meine Eltern haben ja nicht Zeit gehabt die waren immer im Geschäft, aber eine Nachbarin haben wir gehabt, die hat mich immer mitgenommen also halt... schauen, nicht? Am Grazer Platz hat sich ja ziemlich viel abgespielt. Das war damals im Hause Depisch und beim ...... Pferschy, da hat sich viel abgespielt. [...] Da waren ja auch die Kundgebungen immer, das habe ich ja nicht verstanden was da immer alles geregelt worden ist, aber ich war halt dort mit, weil mich die Frau mitgenommen hat. [...] Ja natürlich, weil es den Leuten vorher nicht gut gegangen ist, weil sonst hätte der Hitler da nicht so Fuß fassen können, nicht? Es sind ja auch Akademiker arbeitslos gewesen. Und der Hitler hat ja den Leuten versprochen ihr werdet alle eine Arbeit haben, nicht? Wie der Anschluss war, nicht? Ja klar, weil sie haben dann eh in die Kriegsfabriken gesteckt die Leute. Und er hat auch versprochen jeder wird ein Auto bekommen, kann es sich kaufen, weil er so viel verdient, nicht? Und das hat halt die Leute irgendwie blind gemacht. Der Mensch hat, das weiß ich noch, der hat eine Gabe gehabt, wenn er gesprochen hat haben ihm alle Leute zugehört. Wir haben ein Gasthaus gehabt und da war oben auf der Kredenz, da war ein Radio und wenn die Leute dort gesessen sind und der Hitler hat geredet da hätten Sie eine Stecknadel fallen gehört, weil alle waren nur was sagt der, nicht? So war das. Aber dann ist natürlich das 39er Jahr

596 Interview mit Zeitzeugin Y. vom 26.3. 2017. 597 Ebd. 598 Ebd. 110 gekommen, dann war es wieder anders. Der Krieg ist gekommen, die Leute haben einrücken müssen, nicht?599

Über ihre Familie, dabei vor allem über ihre Mutter, berichtet Frau X. Folgendes: Meine Eltern haben eine Fleischhauerei gehabt und eine Gastwirtschaft und so bin ich aufgewachsen. Schon mit Jugendarbeit auch ... und dann ist der Krieg gekommen, nicht? Dann waren keine Leute, dann habe ich als junges Mädchen schon müssen und fest mitarbeiten .. In die Schule gehen und aber auch noch mitarbeiten, nicht? [...] Meine Mutter war von der Früh bis in der Nacht in der Küche, oder im Geschäft, nicht? Also ich habe da nicht so eine Kindheit gehabt, dass ich mit meiner Mutter hätte wo hin können, oder mit meinen Eltern. Einen Ruhetag hat es damals auch noch nicht gegeben, das ist auch erst später gekommen, dass man dann einen Tag Ruhetag gehabt hat im Gasthaus.600

Frau W. schildert ihre Wahrnehmungen über die Hervorhebung kinderreicher Familien: Reden hast du auch nichts dürfen. Wenn wer etwas Falsches geredet hat sind sie schon nach Dachau gekommen, nicht? Viele. Mein Onkel, ich weiß nicht was er gesagt hat gar nichts schlimmes, und den haben sie verraten und dann hätte er nach Dachau müssen und dann hat ihm der Bürgermeister, weil er vier Kinder gehabt hat, geholfen, weil die kinderreichen Familien sind beim Hitler groß rausgekommen, nicht? Er hat ja nur Jugend haben wollen. Und der hat ihm dann geholfen, dann hat er dürfen dortbleiben. Aber genug, wie viele waren es die illegal Radio gehört haben, die sind alle eingesperrt worden. Dachau manche, nicht? Viele sind nicht zurückgekommen. Na das ist schon gewesen. Reden hat einer nicht dürfen. Und gezwungen sind sie worden die bei irgendeiner Partei waren sie müssen mit der Partei Uniform gehen. Ich kann mich so gut erinnern auf diese braune Uniform, so eine Knickerbockerhose.601

Da auch Frau W. keine Vaterfigur in ihrer Familie hatte, berichtet auch sie von den Aufgaben ihrer Mutter und den Tätigkeitsfeldern von Frauen und Kindern im landwirtschaftlichen Betrieb: Die (Mutter) hat uns erzogen, dass man alles lernt was die Bauern brauchen. Ich bin ja aus dem Bauernstand, und es ist gerechnet geworden wie es mit dem Bäurischen weitergeht. Das haben wir alles lernen müssen. Brot backen, Hausarbeit sowieso und die Feldarbeit. Traktor hat es ja keinen gegeben, da haben wir mit den Ochsen und den Pferden fahren müssen. Pferde hat es auch ganz wenig geben, weil sie ja alle eingezogen haben. Die meisten haben ja Pferde gehabt, oder Ochsen. Naja und mit Kühen. Was haben sie sonst machen wollen? Weil einen Traktor hat es nicht gegeben. Da ist weit weg einer gewesen und der hat nicht alles machen können. Die Leute haben sich schon geschunden, und trotzdem sind sie noch zufrieden gewesen. Die Frauen sind da schon hergenommen geworden, die haben viel arbeiten müssen, die Männer sind ja alle fort gewesen, die waren ja nicht da. Die Frauen haben müssen mähen, Mähmaschine hat es ja noch nicht gegeben. [...] Die Mutter hat uns immer wieder belehrt ... dass man es halt so machen soll wie sie es gemacht hat, nicht? (Frau W. lacht)602

599 Interview mit Zeitzeugin X. vom 16.3. 2017. 600 Ebd. 601 Interview mit Zeitzeugin W. vom 16.3. 2017. 602 Ebd. 111 Den Alltag der männlichen Jugendlichen verdeutlicht vor allem die Erzählung von Herrn V., welcher davon berichtet, dass der Eintritt in die Wehrmacht eine Voraussetzung für das spätere Leben war: Wir sind bevor wir zur Matura gegangen sind ... im April oder Mai sämtliche Männer zur Musterung gegangen, zur Wehrmacht, da haben wir uns freiwillig gemeldet. Da hat es geheißen, wenn wir Studium oder einen Beruf anfangen wollen, dann ist es besser die Wehrpflicht ist schon abgeleistet. Da waren ja zwei Jahre Wehrpflicht da sind wir alle freiwillig zur Musterung gegangen. Wir waren achtzehn Männer und sechs davon sind gefallen. [...] Das darf man nicht vergessen, zwei Jahre Wehrpflicht und ein halbes Jahr Arbeitsdienst die waren vom Arbeitsamt weg. Ja, da war es leicht keine Arbeitslosen zu haben. [...] Und die anderen haben sie alle in die Rüstungsindustrie getan. [...] Weil viele das so anhimmeln. Die Frauen sind genauso ein halbes Jahr RAD. Frauenarbeitsdienst.603

Wir haben uns ja alle freiwillig gemeldet gehabt der eine ist schon zur Wehrmacht einberufen geworden und ich bin im August 1938 zum Arbeitsdienst einberufen geworden, zum Reichsarbeitsdienst ins Ennstal zum Lageraufbau und bin dann Ende Dezember entlassen worden wieder und bin dann zum Wehrbezirkskommando und habe gefragt wann ich einrücken muss. Da haben sie gesagt es wird länger dauern ich soll zum Arbeitsamt gehen. Das Arbeitsamt Gleisdorf war für Fürstenfeld zuständig. [...] Zur Deutschen Arbeitsfront habe ich sowieso müssen da hat keiner mehr etwas gesagt von der Partei, weil die haben gewusst ich muss bald einrücken.604

10.4.2 Die Schulzeit im Nationalsozialismus Frau Y. besuchte während der NS-Zeit die Volksschule Parkstraße in Fürstenfeld und erzählte Folgendes: In der Parkstraße waren rechts die Mädchen und links die Burschen. So wenig Schüler waren wir damals, nicht? Das in einem Haus alle Platz gehabt haben, nicht? Der Trakt und der Trakt; Rechts die Mädchen, links die Burschen. Uns haben sie die Sonnseite gegeben, den Dirndln. Naja Mathematik, Geschichte [...] dann ja singen, zeichnen, turnen ... Leibesübungen hat es ja geheißen im Deutschen Reich. L e i b e s ü b u n g. Ja, ist mehr Wert gelegt worden drauf. Ja und dann haben wir zu den Jungmädel müssen gehen mit zehn Jahren .. waren wir Jungmädel .. wehe dem wir sind nicht gegangen und dann jeden M o n t a g .. haben wir müssen Fahnenparade vor der Schule machen. Da die Buben, da die Dirndln, aber eine Fahnenparade. Fahne aufgezogen und dann am Samstag wieder abgezogen. (Frau Y. lacht) Ja, so war es halt früher. [...] Und wehe dem .. die M e r l i n i, Baumeister Merlini, [...] (Frau Y. lacht) da hat die jede angeschaut ob die Bluse gewaschen ist. Ja montags Flaggenparade, da haben wir müssen mit Uniform in die Schule gehen. [...] Es war schon auf Deutschland ausgerichtet. Der Führer hat auf Deutschland ausgerichtet. Ist eh klar. Und dann .. sagen wir .. im Radio hat man ja auch fast nichts gehört, nicht? Stillschweigen, nicht? Und nachher haben sie wieder gesagt, „Na schau, der ist auch nicht da, der ist verschwunden“, und wo war er? Im KZ. Da sind viele nicht heimgekommen, sehr viele nicht.605

603 Interview mit Zeitzeuge V. vom 14.3. 2017. 604 Ebd. 605 Interview mit Zeitzeugin Y. vom 26.3. 2017. 112 Frau Z. berichtete vor allem davon, dass ein Bild des „Führers“ aufgehängt wurde: Das Kreuz war weg. Und da war unser Oberlehrer der Chef war von den anderen der war ganz entsetzt auch ... aber das Hitler-Bild hat müssen hängen. Es ist halt alles nach Druck gegangen, oder wie man da sagt, weißt? [...] Das hat gestört, weil wir waren das gewohnt, dass ein Kreuz hängt. ... Ja die haben nicht viel geglaubt die Nazis. Und dann waren sie so roh ... so brutal, weißt?606

Auch Frau X. kann noch von ihrer Schulzeit während des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges berichten: Da bin ich noch in die Hauptschule gegangen. Die Schulzeit .. Naja wir sind sehr oft im Luftschutzkeller gesessen .. bei der Hauptschule unten. Handarbeiten hat es keine gegeben, nur Strümpfe stopfen, weil man hat ja nichts bekommen zum Handarbeiten. Also haben wir unsere Strümpfe gestopft und dem Vater seine Socken. [...] Wenn wir am Montag hingekommen sind, haben wir uns alle müssen vor der heutigen, das war die Hauptschule heute die Volksschule, haben wir uns müssen aufstellen und da ist die Fahne gehisst worden und da haben wir Lieder gesungen, „Die Fahne hoch“ und so weiter, und am Samstag ist die Fahne wieder eingeholt worden. Da sind wir auch vor der Schule gestanden. Auf der einen Seite die Buben, weil das war die Hauptschule für Mädchen und Buben damals. Auf der einen Seite die Buben auf der anderen Seite wir. Naja Religion haben wir nicht gehabt, nicht? Und naja der eine Lehrer war halt mehr für das eingestellt der andere weniger, aber im Großen und Ganzen haben wir einen guten Schulbetrieb gehabt.607

Selbst bei der konkreten Frage, ob Lehrer auch abgesetzt worden sind, konnte sich Frau X. daran erinnern, dass es so einen Fall auch in Fürstenfeld gab: Oh ja. Mein erster Klassenvorstand war die Frau Fachlehrer .... Hindler und die ist abgesetzt worden. Dann nach 1945 hat man sie wieder getroffen in der Schule. Ob noch jemand abgesetzt worden ist, das wüsste ich gar nicht. Aber von der Hindler das weiß ich.608

Frau W. erinnert sich ebenso an ihre Schulzeit unter dem NS-Regime: In Kaindorf bin ich Schule gegangen, Volksschule. Wir haben viel gelernt früher. Ich bin auch nicht dumm geblieben. Wir haben in der Volksschule damals ... es sind ja ganz wenige Hauptschule gegangen, nur von den Bürgern kann man sagen. Die anderen haben sich es ja gar nicht leisten können. Und überhaupt ich bin eine Stunde vom Dorf weggewesen. Wer wäre da mitgegangen? In der Früh hast dich ja nicht getraut, so früh. Um sechs (Uhr) hätten wir schon müssen fortgehen. Um sieben ist schon der Autobus weggefahren von Hartberg. Hätten wir nicht können. [...] Englisch haben wir damals nicht gelernt, wie sie es heute haben die Kinder. [...] Was man halt so gehabt hat in der Schule ... Geschichte, Erdkunde, Naturkunde. Das von den .. Königen und von den Königreichen und so, das ist dann weggefallen. Dann ist das vom Hitler gekommen. Sicher gewisse Sachen haben sie schon gebracht, aber die Schwarzen nicht, also Volkspartei nicht. Priester haben müssen raus aus der Schule, die Kreuze sind abmontiert geworden, die haben raus müssen von den Schulklassen. Und die Eltern

606 Interview mit Zeitzeugin Z. vom 26.2. 2017. 607 Interview mit Zeitzeugin X. vom 16.3. 2017. 608 Ebd. 113 haben müssen unterschreiben ob du darfst in den Religionsunterricht gehen. Der Religionsunterricht hat oben auf der Empore in der Kirche stattgefunden, da haben wir Religionsunterricht gehabt. Und meistens wenn eine Messe gewesen ist sind die „Pimpf“, jene die Führer gewesen sind von der Hitler-Jugend, reingekommen in die Kirche und haben uns rausgeholt. Wir haben müssen mitgehen und marschieren. Auf der Straße marschieren während die Kirche war. Und die Kirchenleute sind nachher raus und haben uns gesehen. Und wenn du nicht gegangen bist dann haben die Eltern nachher wieder einen Verweis bekommen. Ist nicht so einfach gewesen. Diejenigen die halt Kirche gegangen sind, sind halt sehr ... schlecht behandelt worden, sagen wir so ... nachgeschaut worden ist.609

Auch Frau W. berichtet von den Zwängen im Klassenzimmer, welche durch den Nationalsozialismus spürbar wurden: Es hat schon „Hitler“ (Anm.: Gemeint sind Nationalsozialisten) gegeben. Die bei denen halt die Eltern „Hitler“ waren, die sind halt aufgeklärt geworden so und die sind auf uns losgegangen. Die haben uns ein wenig zurückdrängen wollen, diejenigen die halt nicht so „Hitler“ waren. Aber die Lehrpersonen waren ja auch alle so. Es waren ja viele „schwarze“ Lehrpersonen, also das ist die schwarze Partei, die was keinen Hitler haben wollten. Die haben ja auch müssen, die sind ja auch gezwungen worden. So wie die Kinder, die sind ja auch gezwungen worden zum Mitmarschieren, wenn du auch nicht wollen hast.610

Auf die konkrete Frage, wer denn nun ihrer Meinung nach im Nationalsozialismus die Erziehung der jungen Generation übernommen hat, betont Frau W. wiederum die Rolle der Lehrpersonen in ihrer Antwort: Daheim die Eltern, also wir haben nur eine Mutter gehabt. In der Schule wie es halt ist die Lehrer, ist eh klar. Na und die „Pimpf-Leiter“, oder wie sie geheißen haben, die haben sich da auch wichtigmachen wollen. (Frau W. lacht) Die Buben haben ja selber noch nichts verstanden sie sind ja auch so 17, 18 Jahre alt gewesen. Die Lehrpersonen auf jeden Fall. Ich habe wirklich gute Lehrpersonen gehabt. [...] Da hat es sicher die halben gegeben die dagegen (Anm.: gegen den Nationalsozialismus) gewesen wären, aber sie haben es nicht zeigen dürfen. Es sind schon ein paar abgesetzt worden auch, jene die was sich nicht umändern lassen haben. Diejenigen die auf ihrem Standpunkt geblieben sind, die haben sie schon ... Mein Gott wie viel haben sie da abgesetzt und fortgetan.611

Da Herr V. sein letztes Schuljahr unter dem Nationalsozialismus verbrachte, konnte er besonders gut die Veränderungen durch das NS-Regime skizzieren: Ich sage eh wie wir in die Schule gekommen sind, wissen Sie was? Im März 1938 hat es die meisten Märzveilchen gegeben in Österreich, wissen Sie wieso? Die meisten Märzveilchen sagen wir immer. Auf einmal .. hat es so viele „Illegale“ gegeben. Das habe ich mir gar nicht gedacht, dass die „illegal“ waren. Auf einmal sind sie mit Uniform gekommen. BDM-Uniform, HJ-Uniform, NSKK, NSFK, sind sie in die Schule gekommen. Da habe ich mir gedacht „Das gibt es nicht.“ Das habe ich mir nie gedacht,

609 Interview mit Zeitzeugin W. vom 16.3. 2017. 610 Ebd. 611 Ebd. 114 dass die illegal sind. Aber bei den Professoren da hat es überhaupt nichts gegeben. Die haben es dann ausgenützt, wenn sie nicht in die Schule kommen wollten dann haben sie gesagt sie haben Heimstunden bei der Partei. Da hat sich niemand etwas sagen getraut, kein Professor wenn sie dort waren. (Herr V. lacht) Aber ich sage etwas, die Professoren dann .. erstens einmal ist der Direktor entlassen worden (...) und viele Professoren sind entlassen worden, die hierhergekommen sind, weil sie dort Nazi waren sind sie von dort her versetzt worden sind. [...] Das ist hin und her gegangen. Aber wir haben bei dem besten Geschichte-Professor gelernt (...) der ist von Oberösterreich zur Strafe versetzt worden nach Fürstenfeld. Und einen Direktor haben wir gehabt der ist von Niederösterreich gekommen. Der hat so gut Latein (unterrichtet). Der hat so geschwollen geredet immer da muss ich immer denken, wenn wir übersetzt haben in Latein. (Herr V. lacht) [...] Der ist dann wieder nach Niederösterreich gekommen und so weiter.612

Wir haben nur schriftliche Matura gehabt es war keine mündliche Matura 1938, weil so viele ... Schultage ausgefallen sind zum Beispiel der Montag nach Graz, dann „Hitler- Geburtstag“ 20. April ist ausgefallen, dann wie die Deutschen Truppen nach Fürstenfeld gekommen sind haben wir müssen aufmarschieren, dann Julifeiern und so weiter. Und so viele wenn sie nicht wollen haben, haben sie gesagt sie haben Heimstunden und dann sind sie nicht gekommen. Und wir haben nur schriftliche Matura gehabt und keine mündliche. Und ich sage etwas, die Professoren waren ganz neutral, nie radikal, nie parteifanatisch, überhaupt nicht. Also bei unserem Jahrgang nicht. Der Professor Reithofer war „illegal“ der hat genau gewusst ich war ein „Schwarzer“ (...) und wer sonst ein „Schwarzer“ war. Aber bei den Noten hat es keinen Unterschied gegeben. Die haben nie jemanden benachteiligt parteipolitisch oder so. Überhaupt nicht. Das sage ich immer. [...] Das ist ja interessant der Jahresbericht 1938 die Matura im Februar die Deutschthemen und dann die Deutschthemen bei der Matura im Juni bei der Schriftlichen, wie der Reithofer sich ausgelassen hat mit dem Nationalsozialismus da war ein Unterschied. (Herr V. lacht) [...] Wir haben auch im Maturazeugnis noch Religion drinnen. Dann war auch Staatsbürgerkunde und so weiter wie es früher war oder Vaterlandkunde wie das heißt. Bei unserem Maturazeugnis ist das noch drinnen. [...] Was dann später gekommen ist weiß ich nicht. Bei uns war das noch normal.613

An das Ereignis des schulfreien Tages, zum Einzug Hitlers in Graz 1938, kann sich Herr V. besonders gut erinnern: Im April 1938 war der Hitler in Graz, da war der Sonntag und am 7.4.1938 war der Hitler in Graz und da habe ich von der Schule frei gehabt. Da war ich in der achten Klasse schon, ich bin ja vor der Matura gewesen. Und da war Sonntag und wir haben dann Montag schulfrei bekommen, weil wir in der Nacht heimgefahren sind, also das war herrlich das erste Mal nach Graz gratis fahren mit der Bahn rauffahren und schulfrei gehabt. Da sind wir gestanden da .. beim Geidorfplatz dort hinten und da waren so viele Leute der ganze Gürtel war voll. Mit der Leiter sind sie gestanden und dann ist er reingefahren mit dem Wagen. Und wir haben ja auch so blöd geredet, wir waren ja auch so. Aber wie wir ihn gesehen haben den Hitler, wie er da gegangen ist. Das war unglaublich. Ich glaube da sind nicht viele Fürstenfelder die ihn persönlich gesehen haben den Hitler. Ja, wir haben dann schulfrei gehabt, weil wir erst in der Früh heimgekommen sind. Die Züge waren ja überfüllt. Da sind ja Sonderzüge gewesen

612 Interview mit Zeitzeuge V. vom 14.3. 2017. 613 Ebd. 115 überall, da waren ja alle. War ja eine Hetz für uns. Wir haben das ausgenützt. Da war das so. Du warst begeistert. Da ist was los und so weiter.614

10.4.3 Erinnerungen an NS-Organisationen in der Freizeit Frau Z. erinnert sich, dass der BDM auch in kleinen ländlich gelegenen Dörfern in der Steiermark präsent war und schildert: Das mit dem BDM das war ja ganz lustig. Da haben sie so viele Spiele gemacht, wenn ich denk. Da sind wir da drüben, bei dem Stockhaus, bei der Frau Fasching zusammengekommen alle und da war eine Jugendführerin und die hat das geleitet und das war toll. Und da sind der Jugend gar nicht so schlechte Ideen gekommen, kommt mir vor, wie es jetzt ist immer. Diese Brutalität ... ist auch was vorgekommen, aber nicht so wie jetzt. Da waren 20, 30 Mädels oft. Da haben wir Spiele gemacht, oder samstags sind wir mit den Rädern wohin gefahren, weißt eh so eine ganze Gemeinschaft .. war lustig. Und das war ja auch wenn wir Versammlungen gehabt haben, das war so wie bei den Pfadfindern, so ein Tücherl mit einem Knoten da.615

Von diesem Zusammengehörigkeitsgefühl berichtet Frau Z. auch bei unserem ersten Treffen: Und wir haben auch beim BDM sehr viele Spiele gemacht. Das war schön. Wir haben eigentlich fest zusammengehalten. Wir waren untereinander verbunden, weißt?616

Frau Y. aus Fürstenfeld erinnert sich an Aktivitäten mit dem Jungmädelbund: Ja und dann haben wir müssen sammeln gehen, WHW, Winterhilfswerk oder so ähnlich hat es geheißen. [...] Ja durch die Stadt haben wir marschieren müssen. Und ... (Frau Y. lacht) das war ja erst noch was die ... „Pimpf“ waren ja die Buben .. die haben ja Trommeln geschlagen, nicht? Und natürlich die Mädchen haben ja nicht können gut marschieren im Gleichschritt (Frau Y. lacht) ... sind die (Frau Y. lacht) Lauser hinter uns nach und haben immer getrommelt wie wir gehen sollen. Jetzt ist die alte Frau Chromecki, ich glaub sie lebt noch, das war unsre Führerin, sie war ein 1925er Jahrgang, ist sie stehen geblieben und hat gesagt: „Wenn ihr das noch einmal macht, ich habe eine Hand.“ Da haben sie sofort aufgehört. Ja, die ist auch Gymnasium gegangen, das waren alles Führerinnen nachher.617

Auf die Frage, ob es verpflichtend war bei der HJ zu sein, antwortet Frau Y.: Es hat gar nichts anderes gegeben. Wehe dem der nicht gegangen ist. Da waren sie schon scharf drauf. Ja, Heimstunden haben wir gehabt und ja was haben wir gehört nur vom Hitler zu der Zeit. Wohl Spiele haben wir gemacht und dann haben wir ... Sport haben wir betrieben, nicht? Schlagballwerfen, Weitspringen, Hochspringen, das war einmal im Jahr und da sind die Oberwarter so böse geworden (Frau Y. lacht), weil ich Kleine, Schmächtige habe weiter geschossen als die Oberwarter mit dem Schlagball. Oh, die waren böse. Ja, Sportwettbewerb .. deutsches Mädchen .. ja die Jungmädel. Deutsches Mädchen, oder wie haben sie denn noch gesagt ... Ab 14 Jahre war BDM. Die Älteren, aber die haben auch das gleiche gemacht. [...] Es war 60-Meter Lauf, [...]

614 Interview mit Zeitzeuge V. vom 14.3. 2017. 615 Interview mit Zeitzeugin Z. vom 1.4. 2017. 616 Interview mit Zeitzeugin Z. vom 26.2. 2017. 617 Interview mit Zeitzeugin Y. vom 26.3. 2017. 116 Schlagballwerfen, Weitsprung und Hochsprung. Ja, die Oberwarter waren damals zornig, weil keine so weit geworfen hat wie ich. Dann haben sie gesagt „Na fix die hat eine Kraft!“ Na von der Landwirtschaft. [...] Ich bin ja oft zu den Heimstunden nicht gegangen, weil ich daheim arbeiten habe müssen.618

Obwohl Frau X. häufig in dem elterlichen Betrieb in Fürstenfeld helfen musste, machte auch sie Erfahrungen mit nationalsozialistischen Jugendorganisationen: Ich war natürlich auch bei der Jungschar und beim BDM. Und da sind wir halt auf der Straße marschiert oder auf den Dreikreuzberg rauf und haben gesungen und sind oben am 21. Juni über das Feuer gesprungen, solche Sachen hat es halt gegeben, nicht? [...] Da haben wir ein dunkelblaues Kitterl angehabt und ein weißes Bluserl und ein Tücherl, ich glaub das war ... blau, und da war so ein Knoten mit dem hat man das Tücherl gehalten. Und dann hat es in Braun so ein Jackerl dazu gegeben. Das hat ausgeschaut wie ein Sämischleder, war aber kein Leder, aber das war so ein helles Braun, oder ein dunkles Gelb, sagen wir so in der Art. [...] Spiele habe ich nicht sehr viele gespielt, weil ich eben wie gesagt nicht so oft fortgekonnt habe. Ich habe müssen im Geschäft schon helfen, nicht? Alles war eingerückt und ... Aber Spiele haben wir gehabt ja, einmal am Stocker-Sportplatz da haben wir getanzt, da haben wir so schöne weiße Kleider angehabt. Die eine hat einen roten Bolero angehabt, die andere hat einen blauen gehabt, da haben wir so einen Tanz aufgeführt. [...] Also wo heute das Dr. Höllerl Haus ist und daneben, wo das Kaffeehaus von der Zechmeister ist, dort war das Lokal wo man sich getroffen hat. Die Großen, die Kleinen, und von dort weg ist das halt alles gegangen. [...] Ja natürlich hat es Vorträge gegeben, aber da war ich sicher nicht sehr oft dabei, weil da sind wir halt hin getrimmt worden, dass nur alles das richtig ist was die jetzige Zeit und alles andere nicht. [...] Ich weiß nur das wir grüßen haben müssen nur mit dem „Heil Hitler Gruß“.619

Auch Frau W. und ihre Schwester waren Mitglieder bei den Jungmädeln. Über ihre Erfahrungen mit den Jugendorganisationen berichtet sie Folgendes: Kaindorf war ein kleines Dorf damals, nicht? Aber „Hitler“ (Anm.: Gemeint sind Nationalsozialisten) sind dort genug gewesen. Da haben sie alle Woche so einen Nachmittag gehabt. Wie man halt oft so eine Versammlung hat. Und da sind sie halt aufgeklärt worden über den Hitler und dass sie halt alle sollen für den Hitler arbeiten und stimmen. [...] Lager hätten wir sollen mitfahren, aber wir haben uns immer etwas auf die Seite getan, weil wir eine Wirtschaft gehabt haben und meine Mutter ist alleine gewesen und dann haben wir angesucht, da sind wir befreit geworden damit wir arbeiten helfen konnten daheim. Die sind ja alle Lager gefahren immer. [...] Aber es sind halt immer welche gewesen die nicht so mitgetan haben. Aber wir haben ja müssen, auch wenn wir nicht wollen hätten (Frau W. lacht), sonst hätten sie uns halt fortgeliefert. [...] Wir sind vormittags zusammengekommen, so Stunden halt, und da haben sie halt unterrichtet mit so Vorträgen was es wieder gibt und wie es halt sein wird in der Zukunft. [...] Beim Marschieren haben wir müssen singen. Die Fahne mitnehmen, vorne haben sie die Fahne getragen. Was halt die Deutschen gesungen haben, die Soldaten. Das Westerwald-Lied ist abgedroschen worden, auf jenes kann ich mich noch so gut erinnern, „Westerwald ... pfeift der Wind so kalt“ ... naja es gibt ja mehrere Lieder, nicht? [...] Wir (Anm.: die Mädchen) waren extra. Voraus sind die Buben marschiert

618 Interview mit Zeitzeugin Y. vom 26.3. 2017. 619 Interview mit Zeitzeugin X. vom 16.3. 2017. 117 und wir sind hinterher marschiert. Und dann haben sie öfter so Nachmittage gehabt und da ist halt auch von den „Hitler Familien“ eine gewesen die da vorgetragen hat und sie hat ein wenig Spiele eingebaut, dass es halt ein wenig interessanter wäre und wir haben immer hart gewartet bis wir heimgehen können haben. Zuerst in die Schule und nachher das und gegen Abend sind wir erst heim. Aber das war höchstens einmal in der Woche so ein Tag. Den haben sie halt erst eingeführt.620

Auch wenn Herr V. selbst nicht mehr Mitglied bei der HJ war, so berichtet er doch von der Pflicht, Mitglied eines Vereins der Partei zu sein. Auf die Frage, wer die Erziehung der Jugendlichen übernommen habe, hält er deshalb fest: Die Hitler-Jugend und BDM, das war da hat jeder müssen zuerst zu den „Pimpf“ und dann zu der HJ. Und auch bei den Mädchen. Privat hat da niemand etwas sagen können. Die haben Heimstunden gehabt und so weiter und die haben da müssen gehen. Wehe sie sind nicht gegangen, das wäre gefährlich gewesen. Aber ich sage ja zu mir ist niemand gekommen. Ich war bei der Deutschen Arbeitsfront, DAF war ich, und da haben sie gesagt du musst nachher irgendwo dazu gehen .. wie ich im Krankenhaus war. Das hat mir gefallen da hat es auch gegeben den Reichskolonialbund, dass man die Kolonien wiederbekommt. Ja, da gehe ich dazu, weil das ist interessant da kann auch nichts passieren beim Reichskolonialbund. [...] Das war so pro forma, dass man bei einer anderen Organisation dabei war, bei zwei, weil DAF ist sowieso Pflicht gewesen. Dann haben sie mich geholt SA-Wehrmannschaft einmal. Da sind wir sonntags marschiert und da haben wir müssen (Herr V. lacht) da waren so die älteren Herren die haben sich auch müssen betätigen bei der SA. Herummarschieren, Orientierung und so weiter. Für mich war das ja günstig, weil ich schon beim Arbeitsdienst war für mich war das ja nichts Neues ich habe da ja leicht mitmachen können. (Herr V. lacht) Da sind wir marschiert da beim Riegler und beim Stocker rauf. (Herr V. lacht) Das war sonntags, Sonntags-Dienst, ja.621

Frau Y. berichtet in diesem Zusammenhang auch von den Problemen aus der Nachkriegszeit, mit welchen sich ihr Mann auseinandersetzen musste, weil er unter dem NS-Regime HJ-Führer war: Und jetzt sag ich Ihnen noch was und mein Mann war HJ-Führer, Stammführer. Weil sie ins Gymnasium gegangen sind, sind die Führer geworden, nicht? Und im .. wann ist er denn heimgekommen ... 1946 im Februar, da war gerade der Pfadfinderball, war er ein paar Tage zu spät, da ist er aus der Gefangenschaft gekommen. Danach hat er Mathematik und Physik studiert, aber nur eineinhalb Jahre denn er ist nicht entnazifiziert worden, weil er als Jugendlicher eine Führerposition gehabt hat. Dann hat er in Graz die Abendschule (besucht) ... Zeitungen ausgetragen, da hat es ja keine Lifte noch gegeben bis in den dritten, vierten Stock hinauf (Frau Y. lacht). Und dann am Abend hat er Handelsschule in Graz gemacht, da hat es ja nur Abendkurse gegeben und dann hat er beim Sutter angefangen im 1949er Jahr. Aber so streng waren sie, ich mein was kann denn so ein junger Bub mit achtzehn oder sechzehn schon gemacht haben?622

620 Interview mit Zeitzeugin W. vom 16.3. 2017. 621 Interview mit Zeitzeuge V. vom 14.3. 2017. 622 Interview mit Zeitzeugin Y. vom 26.3. 2017. 118 10.4.4 Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg Frau Z. berichtet von folgenden Erlebnissen während des Zweiten Weltkrieges: Es war ganz anders. Viel offener ist es jetzt wie früher, du hast dich nicht so reden getraut, oder ein Fenster ohne dunklen Vorhang oder Jalousien oder was hast dich nicht trauen lassen, weil wenn die Flieger gekreist sind haben sie ein Licht gesehen und dann hast eine Zuschrift bekommen, das darf nicht mehr vorkommen.623

Frau Y. kann sich ebenfalls an ein Beispiel erinnern, das die Diktatur des NS-Systems während der Kriegszeit zu beschreiben vermag: Und dann am Abend, wir haben einen Knecht gehabt, der war Invalide, nicht? Jetzt hat er können daheim sein und der hat immer den Auslandssender eingeschalten in der Küche, eine Decke drüber da ist er reingeschlüpft und einmal hat er etwas draußen gehört, da haben sie spekuliert draußen ... dann hat die Mutter gesagt „Du ich bitte dich, schalte nicht mehr ein wir kommen alle nach Dachau“. Wir haben damals ja nur Dachau gewusst, nicht?624

Obwohl Herr V. die meiste Zeit über den Kampfhandlungen ausgesetzt war und sich häufig an an der Front befand, berichtet auch er von den Zwängen unter dem NS-Regime: Man hat schon gewusst man hat aufpassen müssen, weil .. man hat nicht gewusst wem man vertrauen kann. Man hat nicht sagen dürfen „Der Krieg ist verloren“ da war man schon .. man hat nicht gewusst wem man etwas sagen dürfte. [...] Wenn einer etwas gesagt hat (...) der ist dann vorgeladen worden bei der Gestapo sofort. Und das war schon schlimm. Und wissen Sie was? Beim Realgymnasium ein Professorenehepaar der Prof. Klingler und seine Frau [...] die haben im Frühling 1945 oder 1944 Selbstmord begangen, weil die haben zuhause den Feind (...) den hat man nicht hören dürfen und die haben dann den gehört und die Hausfrau war Nazi und die hat die verraten und die sind bei der Gestapo vorgeladen worden und der hat gesagt „Nein, bevor er sich da schlagen lasst“ hat er Selbstmord begangen. Das sage ich auch immer. Das darf man nicht vergessen. Ja so war die Zeit damals, man hat nicht gewusst wem man vertrauen kann. Wenn einer was gesagt hat „Nein, dem werde ich es zeigen.“ Da war man dran. Das war eine schlimme Zeit.625

Frau Z. erzählt, wie man mit den Opfern, welche der Krieg forderte, umging: Und dann haben die ja, wenn irgendwas war, Massen verbrannt. Nicht nur einen bestattet .. 10, 15 in die Löcher rein so groß haben sie die Erdhügel gemacht.626

Frau X. berichtet von der Flucht ihrer Familie vor den Kampfhandlungen gegen Kriegsende: Am 31. März 1945 sind wir mit einem Wagen und mit zwei Pferden, meine Mutter und unsere Köchin und ich geflüchtet und zwar nach Riegersburg. Mein Vater hat müssen dableiben, weil der war ja da eingesetzt. Und wir sind da nach Riegersburg gefahren in der Hoffnung, dass da die Russen vorbeiziehen und wir da nichts wahrnehmen davon.

623 Interview mit Zeitzeugin Z. vom 1.4. 2017. 624 Interview mit Zeitzeugin Y. vom 26.3. 2017. 625 Interview mit Zeitzeuge V. vom 14.3. 2017. 626 Interview mit Zeitzeugin Z. vom 1.4. 2017. 119 Aber so war es nicht. Die Russen sind in Riegersburg früher gekommen und dort haben wir sie erlebt. Und wie ganz Riegersburg gebrannt hat waren wir in Riegersburg. Und wir sind in der Kirche drinnen gelegen wie die Granate eingeschlagen hat in dieser Kirche. Und das Haus meiner Tante hat gebrannt. Und dann ... haben wir gesagt „Nein, da können wir nicht bleiben“ und haben den Fuhrwagen wieder zusammengepackt mit allem was wir darauf gehabt haben: Schmalz, Fleisch, Mehl, Eier, was man halt mitnimmt wenn man flüchtet, das Essen ist das Wichtigste. Eine ganze (Dose) Schmalz. Und dann sind wir von dort weg in Richtung Obersteiermark gefahren. Ich als junges Mädchen bin gefahren mit den Pferden. [...] Und in Frohnleiten haben wir ganz zufällig dann meinen Vater getroffen, bei dem Tross der zurückgegangen ist, dann war es schon besser. Dann war schon er mit am Wagen, dann sind wir bis Timmersdorf, Traboch gefahren und dort oben waren wir dann und haben in einem Heustadel gewohnt bei einem großen Bauern. [...] Dann sind die Russen natürlich dorthin gekommen, dann haben sie uns die Pferde gestohlen, nicht? [...] Und dann waren wir da oben bis Kriegsende. Und dann ist mein Vater herunter gefahren nach Graz mit einem Zug und ist von Graz nach Fürstenfeld schauen gegangen ob überhaupt da noch etwas steht, ob wir heim können. Da hat er müssen zu Fuß gehen, nicht? Weil es ist ja sonst nichts gegangen nach Fürstenfeld. Und am nächsten Tag wie er gesehen hat das Haus steht noch und wir könnten heim hat er müssen nach Fehring zu Fuß gehen und dort hat es dann schon einen Zug gegeben nach Graz und weiter hinauf und dann hat er uns geholt und dann sind wir mit Ross und Wagen wieder nach Fürstenfeld zurück. Das war auch nicht einfach .. damals .. w e i l da war ein Bürgermeister der sich selber hinaufgesetzt hat und der keinen mögen hat der irgendwas einmal mit der Partei zu tun gehabt hat. Und es war aber so, dass die Leute wenn sie ein Geschäft gehabt haben auch alle bei der Partei waren, weil sonst hätten sie auch kein Geschäft gemacht, nicht?627

Auch wenn Frau W. in einem abgeschiedenen Dorf bei Hartberg lebte, berichtet sie von Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges: Im Hinterland ist ja auch keine Ruhe gewesen mit den Bomben. Wie sie über Österreich schon geflogen sind die Flieger ist das Hinterland auch belastet gewesen, also bedroht kann man sagen, nicht? Mein Gott, wenn die Tiefflieger gekommen sind dann hat man sich schon so viel gefürchtet ... Angst gehabt. Wie viele Dörfer sie dort total zerstört haben. Aber bei uns in Kaindorf, bei Hartberg ist das, dort war der Krieg nicht. Also die Russen waren vor Waldbach glaube ich, ich kann es nicht genau sagen, im Kriegsgebiet, aber Hartberg war dann kein Kriegsgebiet. Also sie sind schon eingedrungen, aber geschossen haben sie bei uns nicht mehr.628

10.4.5 Erinnerungen an diskriminierte Gruppen Auf die Frage ob sich ein Mädchen oder eine Frau mit einem Juden oder einem Zigeuner einlassen hätte dürfen, antwortete Frau Z.: Oh was glaubst du denn, das wäre die Höchststrafe gewesen. Meine zwei Tanten waren bei Juden in Wien Köchinnen, bei Spezialisten und bei ganz Reichen. Meine Tanten sind verachtet geworden, weil die Juden haben sie gehasst. Und Zigeuner .. schon gar nicht! Nein, hättest nicht dürfen. Du hättest schon dürfen, aber du wärst halt ausgewiesen worden. Aber [...] die haben was aufgeführt mit den Juden, wenn ich denk

627 Interview mit Zeitzeugin X. vom 16.3. 2017. 628 Interview mit Zeitzeugin W. vom 16.3. 2017. 120 der Hitler. [...] In Fürstenfeld war ein großes Geschäft „Jude“, aber in Graz(waren) sehr viele, und das waren die reichsten Leute damals die Juden. Ja, die waren arm die Juden damals, die hat niemand wollen. [...] Weil sie schon vorgetragen haben die Juden die gehören weg, die müssen ausgerottet werden damit keine Kinder nachkommen, weißt schon ... das kein Zuwachs kommt. Und die Zigeuner sind eh verbannt geworden. Da haben sie so Dörfer gehabt im Burgendland auch .. so am Waldrand, da sind nur Zigeunerhäuser gewesen. Da in Deutsch-Kaltenbrunn, wo Herr Z. her war, die haben beim Wald ganze Siedlungen gehabt nur mit Zigeunern.629

Frau Z. berichtet auch, wie es diskriminierten Gruppen im Schulalltag erging und welches Bild man im Alltag von ihnen hatte: Die haben sie schon schön weggesetzt. Also hat niemand mit ihnen reden dürfen, oder was. Sie waren schon anders gekleidet. Die Juden sowieso mit ihren Kappen und die Zigeuner halt auch .. schon an der Kleidung .. ja sie waren halt wie Zigeuner. Und gestohlen was nur gegangen ist. Die Juden haben eh nichts gestohlen, weil die haben eh genug Geld gehabt. [...] Meine Tanten waren 20 oder 25 Jahre dort Köchinnen was glaubst du was die verdient haben [...] weil ihre Frauen (Anm.: die Frauen der Juden) haben ja nicht kochen brauchen, die haben ja nur präsentieren müssen.630

Frau Y. erinnert sich vor allem an den Umgang mit Zigeunern: Die Zigeuner die haben sie beim Übergang dort zum Scheibelhofer oben am Bahnhof, da sind sie mit den Lastwagen mit den Zigeunern zum Viehwaggon gefahren. Die haben wir schreien gehört bis zu uns runter: „Muida helfens ma!“, wie halt die Zigeuner geredet haben.631

Als Frau X. gefragt wird, ob sie denn etwas von ausgegrenzten Gruppen, wie beispielsweise Juden, mitbekommen hat, antwortet sie: Da waren ja keine Juden, deshalb haben wir das ja nicht so mitbekommen. [...] Dass es Juden gibt hat man schon gelernt. [...] Wir haben einen Juden da gehabt und zwar am Kirchenplatz hinten und der hat Freiberger geheißen und das war ein Kaufhaus, aber der ist dann gleich sofort verschwunden. Ist er selber gegangen oder ist er fort, das weiß ich gar nicht.632

Übereinstimmend mit dem Kommentar von Frau X., berichtet auch Herr V. davon, dass er in Fürstenfeld von Deportationen nicht viel wahrnahm: Fürstenfeld war ja Gott sei Dank nichts, da waren keine Juden. Dadurch habe ich das erst nachher erfahren was da los war mit Auschwitz und so. Ja wo hätten wir das auch erfahren sollen? Die Zeitungen haben nichts geschrieben und im Radio ist auch nichts gekommen.633

629 Interview mit Zeitzeugin Z. vom 1.4. 2017. 630 Ebd. 631 Interview mit Zeitzeugin Y. vom 26.3. 2017. 632 Interview mit Zeitzeugin X. vom 16.3. 2017. 633 Interview mit Zeitzeuge V. vom 14.3. 2017. 121 Frau W. erinnert sich neben der häufig genannten Randgruppe der Juden, welche in Hartberg durchaus wahrzunehmen waren, besonders auch an die Diskriminierung von Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen: Die Juden waren arm. Die haben sie durchgetrieben da durch ... da haben wir gesehen wie die Juden geflüchtet sind, nicht? Na die haben sie ja sowieso dann erwischt. Aber wie sie eine Kuh angespannt haben mit einem Wagen, Wäsche haben sie oben gehabt, Kinder. An das kann ich mich noch gut erinnert. [...] Und jene die behindert gewesen sind, weil ich kann dir das sicher sagen, meine Schwiegermutter hat einen Ziehsohn gehabt, seine Mutter haben sie vergast. Die ist vergast worden, weil sie behindert war und so etwas hat der Hitler nicht brauchen können, weil der hat nur starke Leute haben wollen. Bei ihm hat es geheißen „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ .. immer so. Und kranke Leute hat er nicht mögen und Behinderte schon gar nicht. Die hat viel geweint die Mutter wie sie erfragt hat, dass sie die vergast haben.634

10.4.6 Erinnerungen an das Kriegsende Als Frau X. mit ihrer Familie wieder in Fürstenfeld war, berichtet sie von jenem Ereignis unter russischer Besatzung: Und .... ja ... und dann... ist einmal der Herr Bürgermeister der damalige gekommen mit einem Russen und hat geklopft beim Tor, aufmachen, und mein Vater hat sich gemeldet und hat er gesagt Herr (...) Sie müssen mit den Pferden einspannen und müssen für die Russen Fuhrwerk machen und du kannst ja nicht zurück, kannst ja nichts sagen und der Russe ist daneben gestanden mit der Maschinenpistole, nicht? Na und am nächsten Tag hat er wieder fahren müssen. Und am dritten Tag hätte er fahren sollen und da hat sich mein Vater gewehrt, und hat gesagt „Nein, ich habe jetzt nicht mehr Zeit, weil ich muss meine Erdäpfel anbauen damit wir etwas zu essen bekommen.“ Und das hat der Bürgermeister nicht verstanden und die zwei sind dann ordentlich ins Streiten gekommen, mein Vater und der Bürgermeister. Und mein Vater hat dann in seiner Wut, den Bürgermeister in die Höhe gehoben, dass er einen halben Meter keinen Boden gehabt hat (Frau X. lacht) und ich bin auch daneben gestanden als junges Mädchen, meine Mutter auch und der Russe der hat nicht gewusst soll er uns jetzt erschießen oder nicht. Also er hat uns nichts getan, sonst wären wir nicht mehr hier, aber es war eine schreckliche Zeit, nicht? Aber nachdem sich mein Vater so gewehrt hat, hat er dann eine Ruhe gehabt und hat dann wieder können schauen, dass er sein Geschäft eröffnen hat können und auch anbauen, dass wir wieder etwas zu essen gehabt haben. So war es. [...] Dann sind ja die Russen wieder abgezogen, aber während der Russenzeit war es natürlich für uns alle schon schlecht, nicht? Sind wir schon versteckt worden, (haben) nicht rausgehen dürfen. [...] Was die Russen nicht gestohlen haben, haben die anderen gestohlen ... leider Gottes. Nicht alle, aber viele waren solche dabei. Die Menschen haben dann wie der Krieg aus war das Mein und Dein nicht gekannt. Und ein jeder hat gesagt: „Das war ein Nazi, jetzt nehme ich mir das“. 635

Auch an die russischen Besatzungsmächte konnte sich Frau Z. erinnern: Oje, das war schlimm ... Da ist dort drüben (Frau Z. zeigt auf die Einfahrt gegenüber ihres Hauses) ein Panzer acht Tage gestanden und der ist Tag und Nacht gesessen und

634 Interview mit Zeitzeugin W. vom 16.3. 2017. 635 Interview mit Zeitzeugin X. vom 16.3. 2017. 122 hat das Rohr, haben ja ein langes Rohr gehabt die Panzer, immer so gerichtet. Und dann war rechts und links ein Straßengraben .. da sind die mit den Pferden galoppiert hinaus. [...] Und da haben wir Angst gehabt, das war nicht schön. Und dann sind auf der Straße die Kutschen von den Russen .. die sind mit acht Paar Pferden .. sind auf einem Wagen gezogen worden. Aber wir haben keine Angst gehabt meine Mutter war so stark. Und dann hat die Mutter geraucht, das haben die Russen nicht mögen, wenn wer geraucht hat. [...]Und es ist auch niemand von der ganzen Straße da vergewaltigt worden. Und da oben und unten (Anm.: im Dorf) aus jedem Haus haben sie die heraus geholt und vergewaltigt .. und das Unmöglichste gemacht mit den Frauen .. oder mit jungen, mit Kindern .. so mit Kindern mit zwölf Jahren .. g e s c h r i e n haben die und du hast nicht helfen können. Das war keine schöne Zeit. [...] Aber Leute die geraucht haben, haben die Russen nicht mögen. Die (Anm.: Mutter) war so stark. Mein Vater nicht .. weil der war in Russland im Krieg gefangen und der hat gewusst was die machen mit den Leuten ... Und da vorne bei der Frau Fasching dort ist so ein Wachthaus gestanden, da haben immer zwei Frauen Dienst gemacht, zwei Russen. Und für die hat meine Mutter gekocht. Und die haben immer gesagt, „Wenn was ist schnell läuten, rufen, sofort kommen und machen kaputt .. die Russen“.636

Frau Z. erinnert sich auch noch an die Engländer und deren Lockversuche: Ich weiß wie wir da drüben die Engländer gehabt haben, da sind sie damals spazieren gegangen, die Hände so am Rücken gehalten mit Schokoladen drinnen, Orangen. Weißt eh, dass sie Anschlüsse finden .. Wir haben nie etwas genommen.637

Frau Y. hat folgende Erinnerungen an das Kriegsende: Ja und dann im 1945er Jahr ist die Schule ja gesperrt gewesen. Und dann sind die Russen bei Familie Rauscher drüben gewesen und bei Familie Rath (Anm.: Die Nachbarsfamilien). Wir waren „russisch“ bis August ... ist die Fahne gehängt. [...] Familie Rauscher waren „englisch“ wir waren „russisch“. Ja, das (Anm.: die Russen) waren die schlimmsten und zwar nicht die Kampftruppe, weil die haben gesagt: „Mama wir sind gut. Wir möchten nur schlafen und essen, weil wir sind hungrig. Aber passen sie auf hinter uns kommt die andere Truppe.“ Die sind dann nach Übersbach dort haben sie so „gearbeitet“. Dort haben sie die Frauen in Schweinetroge hineingeworfen und dann haben sie sie weiter vergewaltigt.638

Frau W. erzählt ebenso von dem Kriegsende unter russischer Besatzung: Auf einmal hat es geheißen der Krieg ist aus dort draußen bei Hartberg haben sie aufgegeben. Gefreut haben wir uns genug, aber dann sind ja da die Russen gekommen. Die haben die Frauen gejagt und gestohlen und eingebrochen überall und die Schweine gleich herausgefangen vom Stall abgestochen und gleich abgehäutet und so haben sie gleich den Speck gegessen den rohen .. kann ich dir sagen, das habe ich selber gesehen. Und gestohlen und Wäsche .. wir haben ja auch eine Russin gehabt von 1942 bis 1945, drei Jahre haben wir eine Russin gehabt, eine Gefangene. Mit 16 Jahren ist sie gekommen zu uns. Aber die hat fleißig gearbeitet. Aber wie sie dann weggegangen ist dann hat sie sich nicht verabschiedet von uns. Sie ist in der Nacht mit ihren Männern die sie gekannt hat weggegangen. Und dann hat sie auch, weil sie gewusst hat wo wir

636 Interview mit Zeitzeugin Z. vom 26.2. 2017. 637 Interview mit Zeitzeugin Z. vom 1.4. 2017. 638 Interview mit Zeitzeugin Y. vom 26.3. 2017. 123 Kleidung versteckt hatten, da hat sie Kleider mitgenommen die ihr schön vorgekommen sind und einen Fleischschinken der hat gefehlt und einen Laib Brot. Meine Mama hat eh gesagt „Da kann man ja nichts machen.“ Wir haben es ihr vergönnt sie hat ja wirklich fleißig gearbeitet. Das ist nicht so einfach gewesen die hast du nicht beim Tisch mitessen lassen dürfen, sie hätte müssen hinten sitzen. Dort ist einmal einer gekommen von der Gemeinde ein so ein besserer, so ein Deutscher, auch so ein „Hitler“ gewesen, „Sie dürfen die Gefangene nicht bei Tisch mitessen lassen.“ „Mach ich eh nicht“, hat die Mama gesagt. Überall haben sie sonst mitgegessen, nur bei so ganz großen „Hitler Häusern“ nicht. Aber sonst haben sie überall mitgegessen, das waren ja doch fleißige Arbeiter und sonst hätten sie sollen hinten sitzen und warten bis etwas hinunterfällt. (Frau W. lacht)639

Aber gefürchtet haben wir uns genug. Wenn sie gekommen sind die Russen haben wir uns verstecken müssen die Mädchen und die Frauen. Viele haben sie halt erwischt. Und gestohlen haben sie auch genug. Wie halt überall. Unsere Soldaten werden auch den anderen Ländern (Frau W. lacht) etwas genommen haben. Das kann man sich nicht vorstellen. [...] Es ist viel zusammengehaut worden und viel ... hat nicht gemacht werden können, weil sie die Mittel nicht gehabt haben dazu. Aber nach dem Krieg haben sie wieder alles aufgebaut. Mit Hilfe, mit Fleiß und Arbeit ist alles aufgebaut worden. Wie schön ist Österreich, nicht?640

10.4.7 Wahrnehmung des nationalsozialistischen Frauenbildes und der Rolle der Frau heute Frau Z. schildert in diesem Zusammenhang ebenso ihre retrospektive Wahrnehmung zum Muttersein damals und heute: Der Vater ist arbeiten gegangen und die Mutter hat daheim alles geschaukelt, wenn wir umgebaut haben, oder am Feld .. das hat alles sie gemacht. [...] Weil die Männer haben müssen arbeiten weg, die haben ja gependelt, war ja auch keine Arbeit da. So Arbeit hat ja der Hitler viel geschaffen. Aber nur sein Tun und Wesen [...]

Stell dir vor heut ist das ja ideal. Die meisten haben eine Omi. Wenn die Schule länger dauert kommt man zu der Omi, wenn die Mutter arbeitet. Wollen sie mal am Abend ausgehen kommt die Omi oder wer schauen. Ich bin nie wohin gekommen, weil die Kinder hätte ich allein nicht gelassen. Und heut .. ich sage eh die wissen gar nicht die Mütter [...] du warst halt immer bei deinen Kindern. So wie eine Gluckhenne. Das man so dumm ist .. oder ist das das Innere? Es hat ja auch keinen Kindergarten gegeben [...] Und dann hätten meine Eltern ja gar kein Geld gehabt. Du hast müssen den Bus zahlen, die Schulhefte hast du müssen zahlen.641

Als Frau Y. über die Rolle der Frau im Nationalsozialismus und zum vermittelten Frauenbild gefragt wird, berichtet sie: Eigentlich war die Frau damals noch untergeordnet, nicht? Muss ich auch sagen .. da haben die Männer das Hauptwort geführt, aber bei uns daheim hat es die Mutter geführt die hat uns schärfer hergenommen wie unser Vater der hätte öfter nachgegeben. Na weil sie Angst gehabt hat, nicht? [...] Nackte so wie man sie heute überall sieht sowas nicht.

639 Interview mit Zeitzeugin W. vom 16.3. 2017. 640 Ebd. 641 Interview mit Zeitzeugin Z. vom 1.4. 2017. 124 Also da waren sie schon sehr sehr streng. [...] Sportlich waren wir, das waren wir wirklich. Ja, wir haben auch Kraft gehabt durch die Landwirtschaft. [...] Eigentlich sind nur die Männer und die Buben mehr gefördert worden als die Frauen, muss ich auch sagen .... Ja der Hitler war nicht so ein Frauenfreund, wenn er auch ein paar „Weibsbilder“ gehabt hat. [...] Die Frau die mehr Kinder gehabt hat ist auch besser behandelt worden, muss ich auch sagen, das stimmt glaub ich sicher.642

Ähnlich berichtet auch Frau Y., im Vergleich zu der Lebensweise damals, über die heutige Zeit: Das kann man mit heute überhaupt nicht mehr vergleichen. Na viel einfacher .. Es waren ja alle Leute einfacher, nicht? Geld war ja wenig. [...] Ich muss ehrlich sagen, wir haben ein schönes Zuhause gehabt, wenn wir auch manchmal geschimpft haben, nicht? Aber so ein schönes Zuhause hat die heutige Jugend gar nicht .. kann man ja gar nicht vergleichen ... überhaupt nicht, wenn ich denke was für uns selbstverständlich ist ... ich mein Gott sei Dank habe ich eine anständige Pension und kann dort und dort helfen. Aber ... das können sie heute gar nicht verstehen. Und ehrlich gesagt mir tun meine Enkelkinder schon leid.643

Auf die Frage, wie das nationalsozialistische Frauenbild aufgefasst wurde, antwortete Frau X.: Mit blauen Augen, mit blonden Haaren .. und so. Nicht ganz dürr. (Frau X. lacht) [...] Die Mütter sind ja sehr geehrt worden in der Zeit, nicht? Und man hat auch nach dem Gesetz leben müssen, weil sonst ist man gleich irgendwo gewesen, nicht? Und wie die Verdunklung war ja aufpassen, nicht? Die ganze Stadt war stockfinster. Aber da haben Sie ruhig gehen können auf der Straße als junges Mädel, da hat ihnen niemand etwas getan. Heute würde ich mich nicht trauen. Aber wir haben uns als junges Mädchen auf der Straße bewegen getraut, weil es hat uns niemand etwas getan, weil der hat genau gewusst, wenn er so ein Ding macht, dann ist er in Dachau oder irgendwo. Da haben sich die Leute schon gefürchtet. [...] Die Mütter sind mehr daheim geblieben bei den Kindern und die anderen sind natürlich arbeiten gegangen, weil wir haben ja hier die Fabrik in Fürstenfeld (Anm.: Tabakfabrik) gehabt und das war ja immer mehr ein Frauenbetrieb als ein Männerbetrieb, nicht?644

Auch in den Erinnerungen von Frau W. ist das nationalsozialistische Frauenbild präsent: Du bist ein deutsches Mädel, haben sie immer gesagt, du musst eine deutsche Frau sein. (Frau W. lacht) Die haben die Leute halt so züchten wollen. Keine Kirche, alles nur halt für Arbeit und für sie halt, was sie halt alles veranstaltet haben und so halt. Kirche haben sie gar keine wollen. [...] Diejenigen die mehrere Kinder gehabt haben sind die beliebtesten gewesen, nicht? Die haben viel Geld bekommen. Ich kann mich gut erinnern, ich bin einmal mitgewesen mit unseren Nachbarn, bei uns waren vier Kinder, ein Junge ist nachher gestorben, und die haben sieben Kinder gehabt und da sind wir mitgewesen, da hat es so Ausgaben gegeben für Hemden, Kleider und so leichte Hosen für die Buben. Und die haben gleich so viel bekommen. Wir haben ja nicht viel bekommen. Wir haben uns ja fast ein bisschen geärgert, weil wir haben fast nichts bekommen und die haben so viel bekommen. Unsere Mutter hat schnell gesagt die haben viele Kinder dafür bekommen sie so viel. Die sind weit vorne gewesen. Die sind gut gefördert worden [...] Die Frauen haben ja eine Auszeichnung bekommen. Da hat

642 Interview mit Zeitzeugin Y. vom 26.3. 2017. 643 Ebd. 644 Interview mit Zeitzeugin X. vom 16.3. 2017. 125 es das goldene gegeben, das silberne Kreuz und das bronzene Kreuz. Meine Mutter hat das bronzene bekommen, weil sie vier Kinder gehabt hat. Ich glaube diejenigen, die mehr gehabt haben wie sechs Kinder, die haben schon das silberne bekommen. Und das goldene ist halt mit mehreren gewesen, nicht? Die sind sicher überall gefördert geworden, wenn sie wohin sind und sie haben ... die Beihilfen und so bekommen. Na ist ja klar, dass ihnen so geholfen worden ist und durch das haben sie den Hitler so hochgeschätzt. [...] Den Leuten ist es ja gut gegangen wie er gekommen ist, aber dann halt der Krieg, da haben sie halt alles zusammengehaut und dann haben wir ihn halt gehabt den Hitler. (Frau W. lacht)645

Frau W. schildert im Vergleich dazu ebenso ihre Ansicht zu Veränderungen in der Frauenrolle: Jene Frauen, die viele Kinder gehabt haben, haben etwas gegolten. Die Bauern sind sowieso daheim gewesen. Die meisten sind daheim gewesen. Das war ja früher nicht so, dass die Frauen gearbeitet haben. Er hat verdient und sie hat daheim den Haushalt geschaukelt und auf die Kinder geschaut. Damals war es halt so, aber heute ginge das nicht mehr. Heute müssen ja bald immer zwei verdienen gehen, oder einer muss gut verdienen, dann geht es auch.646

Auch Herr V. beschreibt aus männlicher Perspektive seine Wahrnehmung von Frauen und ihren Tätigkeiten während der Zeit des Nationalsozialismus, wobei er ebenso darauf eingeht, dass Frauen während des Krieges auch in Funktionen eingesetzt wurden, welche zuvor Männer innehatten: Die Frauen naja die haben eh müssen zum BDM. Meine Frau war auch da die haben müssen auch Schanzengräben graben sogar. „Ostwall“ im 44er Jahr. Ja, da hat es nichts gegeben da hat sich niemand etwas sagen getraut die sind zu Heimstunden gegangen und BDM-Stunden und so weiter die haben da müssen fest mittun. Und die haben den Soldaten, wenn sie gekommen sind Mehlspeise gegeben und geschrieben, das war da irgendwie so. (Herr V. lacht) [...] Wir sind wie wir da Fronturlaub waren immer mit den Frauen und den Mädchen gut ausgekommen. Die haben dich verwöhnt und eingeladen. Ja klar, weil die haben nicht gewusst wann du wiederkommst und ob du wiederkommst. Das war ja nicht normal. [...]647

Na das ist schon gefördert worden mit dem Mutterkreuz und so weiter. Die Männer waren ja die meisten eingerückt und so weiter. Die haben ja viel arbeiten müssen die Frauen. Die ganzen Rüstungsbetriebe und die Straßenbahnen. „Liebe kleine Schaffnerin, sag wo fährt dein Wagen hin“, naja das ist dann gekommen, nicht?648

645 Interview mit Zeitzeugin W. vom 16.3. 2017. 646 Ebd. 647 Interview mit Zeitzeuge V. vom 14.3. 2017. 648 Ebd. 126 11. Zusammenfassung

In meiner Diplomarbeit wurde das Ziel verfolgt, die politische Sozialisation und Erziehung steirischer Mädchen unter dem NS-Regime anhand der drei Erlebniswelten Schule, Freizeit und Familie zu untersuchen. Grundsätzlich konnte festgehalten werden, dass der NS-Staat eine rigide Gesellschaftsordnung auf der Basis biologischer Konzepte von Geschlecht und Rasse institutionalisiert hatte, welches im gesamten „Dritten Reich“ und damit nach dem Anschluss auch in Österreich umgesetzt werden sollte. In dieses System hatte das Handeln der Individuen in den „Dienst“ des gesamten „Volkes“ eingebettet zu werden. Die Bevölkerung hatte dabei stets dem Führer Gefolgschaft zu leisten und deshalb ebenso dem Konzept der von ihm emporgehobenen „Volksgemeinschaft“ zu entsprechen. Dies betraf auch Frauen und weibliche Kinder und Jugendliche, welche gemäß ihrem Geschlecht einer bestimmte Vorstellung zu entsprechen hatten. Basierend auf der nationalsozialistischen Ideologie wurde von ihnen ein dementsprechendes Maß an Selbstaufopferung, Untergebenheit und Treue gegenüber ihrem „Volk“, Ehemann und dem „Führer“ verlangt. Die weibliche Bevölkerung sollte Schlichtheit und Natürlichkeit aufweisen und sich von etwaigen Luxussymbolen distanzieren. Dabei war zu jeder Zeit auch ein sauberes und ordentliches Erscheinungsbild der „deutschen Frau“ aufrechtzuerhalten. Dies sollte bereits von jungen Mädchen eingehalten werden, wie Zeitzeugin Y. berichtet. Beispielsweise in ihrer Schulzeit in der Steiermark wurde auf jenen äußerlichen Aspekt großer Wert gelegt.649

Stets konstant blieb vor allem die Bemühung des NS-Regimes um die Aufrechterhaltung des Bildnisses der „deutschen Frau“ als Mutter und Hausfrau, welche zum Wohl des „Volkes“ ihrer biologischen Bestimmung und Hauptforderung, „arische“ Kinder zu gebären, nachkommen sollte und ebenso die Aufgabe der Kindererziehung zu übernehmen hatte. Die Rolle und der Status einer Frau als Mutter wurden vor allem deshalb emporgehoben, da der Staat neue Soldaten für den Kampf als wünschenswert erachtete. Staatliche Ehrenabzeichen für Mütter, große Feste am Muttertag, finanzielle Zuschüsse an kinderreiche Familien und eine zielgerichtete Propaganda sollten dazu beitragen, die Funktion der Frau als Mutter der Bevölkerung unter dem NS-System darzulegen. Auch wenn die Frau damit zunächst auf die private Sphäre reduziert wurde, sollte im Lauf der Zeit unter dem NS-Regime die Wertung der weiblichen Berufstätigkeit entsprechend den wirtschaftlichen Bedürfnissen geändert werden, weshalb dies zu einer Variable des Frauenbildes wurde. Jene „Idealvorstellung“ der Frau unter

649 Interview mit Zeitzeugin Y. vom 26.3. 2017. 127 dem NS-Regime, welche allein zu Kriegszeiten die Übernahme männlicher Tätigkeiten vorsah und sich ansonsten Heim, Kindern und „fraulichen Berufen“ zu widmen hatte, galt es schließlich auch in der Steiermark umzusetzen. Berührungspunkte der Vermittlung des ideologisierten nationalsozialistischen Frauenbildes fanden sich im steirischen Kontext vor allem auch in Kursen und Schulungen der NS-Frauenschaften, sowie in der Einführung von Pflichtjahr und RAD. All jene Instanzen trugen ebenfalls einen entscheidenden Teil dazu bei, dass Mädchen und Frauen sich mit dem für sie vorgesehenem Schicksal als Mütter und Hausfrauen auseinandersetzen mussten und dementsprechende vorbereitende Tätigkeiten ausführten. Da diese Aktivitäten teilweise verpflichtend eingeführt wurden und das Alltagsbild der Steiermark prägten, lässt sich die Hypothese bestätigen, dass auch steirische Mädchen und Frauen sich ebenso wenig den politischen und gesellschaftlichen Manipulationen und Rollenzuschreibungen entziehen konnten wie Männer. In der Verteilung der Geschlechterrollen wurden Frauen daher in die politische Arbeit des NS-Systems miteinbezogen, weshalb es dem NS-Regime auch gelang, in der Steiermark Frauen zu finden, welche den Nationalsozialismus sowohl passiv unterstützten als auch aktiv mitgestalteten.

Ausschlaggebend für die steirische Jugend unter dem Nationalsozialismus war, dass unter dem NS-Regime nun nicht länger pädagogische Bezüge im Zentrum des Erziehungsfeldes standen, sondern vor allem „Erziehung“ in Form von politsicher Sozialisation stattfand. Besonderes Augenmerk wurde infolgedessen besonders auf die junge Generation gelegt, welche durch die Prämissen von „Vorbild“ und „Erleben“ einer Gehirnwäsche unterzogen werden und auf die nationalsozialistische Weltanschauung samt „Volksgemeinschaftsideologie“, „Rassenlehre“ und „Führer-Gefolgschaftsprinzip“ hin getrimmt werden sollte. Gefordert wurden deshalb von früher Kindheit an ein absoluter Gehorsam gegenüber dem Führer, die Einordnung in die Gemeinschaft, „Rassebewusstsein“ und bedingungslose Selbstaufopferung. Die gesamte Jugend sollte damit politisch wie auch wirtschaftlich in den Staat integriert werden und zu „Garanten der Zukunft“ unter dem Nationalsozialismus werden. Um dieses Ziel zu erreichen galt es, die Jugendlichen einer körperlichen Ertüchtigung, gefolgt von der Charakterbildung und schließlich der geistigen Erziehung zu unterziehen. Diese Erziehungsprämissen sollten vor allem auch durch das staatliche Erziehungswesen samt schulischen und außerschulischen Instanzen erreicht werden, welche auch in der Steiermark nach dem Anschluss 1938 an das nationalsozialistische System angepasst wurden. Deshalb finden sich hier ebenso Übereinstimmungen in der Vermittlung der zugedachten Frauenrolle an junge Mädchen in einer

128 entsprechenden geschlechtsspezifischen Mädchenerziehung wieder, welche aufbauend auf den Grundanforderungen der Erziehung zu erfolgen hatte.

Auch wenn der schulischen Erziehung unter dem NS-Regime geringere Bedeutung zugemessen wurde, so sollte der Anschluss an das „Dritte Reich“ auch im österreichischen Schulwesen entscheidende Veränderungen mit sich bringen. Umstrukturierungen des gesamten Schulwesens samt der Umgestaltung der Lehrpläne hatten zur Folge, dass sich die Inhalte der Fächer der nationalsozialistischen Ideologie anpassten. Entsprechend der politischen und ideologischen Grundprinzipien des Nationalsozialismus fokussierte man sich auf körperliche Ertüchtigung, Rassen- und Vererbungslehre, wie auch auf die Vermittlung eines konservativen Frauen- und Familienbildes. Um diese Pläne umzusetzen, sollte sich auch an steirischen Schulen die Lehrerschaft nach den nationalsozialistischen Vorstellungen orientieren. Weiters waren die geschlechtertrennende Erziehung, restriktive Maßnahmen gegen das Frauenstudium und gegen gymnasiale Mädchenerziehung dementsprechend eine entscheidende Grundlage dafür, dass sich Mädchen in der Steiermark ebenso dem nationalsozialistischen Frauenbild zu beugen hatten. Daneben fand auch in vielen steirischen Regionen eine Fokussierung auf ein spezielles Frauenschulwesen statt. Besondere schulische Ausbildungswege und praktisch- hausfrauliche Bildungsinhalte für Mädchen sollten deshalb als Mittel und Maßnahme dazu dienen, dass sich auch steirische Mädchen mit ihrer zukünftigen zugedachten Rolle als Ehefrau, Hausfrau und Mutter abfinden sollten. Dennoch hatte die Schule bei der Mädchenerziehung im Nationalsozialismus, aufgrund der ihr traditionell zugewiesenen Aufgabe des in Fächern strukturierten Unterrichts, stets einen begrenzten Handlungsspielraum im Vergleich zu außerschulischen Jugendorganisationen. In den Erzählungen der ZeitzeugInnen aus der Oststeiermark wurden jedoch meist nicht die Inhalte der Fächer thematisiert, sondern es wurde vor allem auf symbolische und erkennbare Veränderungen eingegangen, wie beispielsweise das Austauschen der Kreuze durch Bilder des „Führers“, die Einhaltung des „Hitler Grußes“, oder morgendliche Fahnenappelle. Bei Berichten von Letzterem wurde ebenfalls die Koedukation und Separation von Mädchen und Jungen bestätigt. „Weibliche“ Erziehung im Unterrichtswesen unter dem NS-Regime in der Steiermark fand sich deshalb nicht nur auf der curricularen, sondern ebenso auf der didaktischen Ebene wieder.

Erkannt werden kann nunmehr, dass besonders durch Kinder- und Jugendorganisationen die Kooperation und Kollaboration mit dem nationalsozialistischen Regime gefördert wurde und auch steirische Mädchen verpflichtend in NS-Jugendorganisationen erfasst wurden. Während

129 die Mitgliedschaften im Jungmädelbund und BDM seit 1939 im gesamten „Dritten Reich“ einer Zwangsverpflichtung unterlagen, konnte man die Arbeitsgemeinschaften des BDM-Werks „Glaube und Schönheit“ freiwillig besuchen. Entsprechend dem Alter der Mädchen wurde dabei die geschlechtsspezifische Erziehung verstärkt und passte sich auch der nationalsozialistischen Vorstellung des Mutter- und Hausfrauen-Daseins an. Aus den Gesprächen mit ZeitzeugInnen ging dabei hervor, dass die Frauen nicht nur detaillierte Beschreibungen der Uniformen der Jugendorganisationen geben konnten, welche ein bestimmtes äußerliches Erscheinungsbild aufrechterhalten sollten, sondern ebenso ein verstärktes Zugehörigkeits- und Gemeinschaftsgefühl in nationalsozialistischen Jugendorganisationen bemerkt wurde. Die Aktivität im BDM und bei den Jungmädeln forcierten dementsprechend auch im steirischen Kontext körperliche Ertüchtigung, nationalsozialistische Schulung und Gemeinschaftsaktivitäten. Selbst das Prinzip der jungen Führerinnenschaft wurde in den Interviews bestätigt. Die Indoktrination erfolgte auch in der Steiermark durch gemeinsame Aktivitäten wie den Heimnachmittagen, den Gruppenappellen oder in den Lagern. Jene ZeitzeugInnen, welche Mitglied in nationalsozialistischen Jugendorganisationen waren, berichteten, dass sie diese Aktivitäten als lustige Freizeitgestaltung empfanden. Der wirkliche Hintergrund der Aktivitäten und die Bedeutung, welcher ihnen im nationalsozialistischen System beigemessen wurde, wurde dabei kaum hinterfragt. Trotz alldem muss betont werden, dass die außerschulischen Aktivitäten in den NS- Jugendorganisationen in der Steiermark vor allem in ländlichen Gegenden nie gänzlich zu einer vollständigen Durchdringung des Lebensalltages führen konnten, weil Kinder und Jugendliche häufig zu Hause mithelfen mussten und nicht an allen Aktionen der HJ teilnehmen konnten. Einige Zeitzeuginnen berichteten deshalb, dass sie aufgrund anderweitiger Tätigkeiten oft verhindert waren, als junges Mädchen an außerschulischen Veranstaltungen der nationalsozialistischen Organisationen teilzunehmen. Da sie als helfende Arbeitskräfte innerhalb der Familie benötigt wurden, was sich vor allem in der Kriegszeit intensivierte, stellten die Zeitzeuginnen klar, dass sie aufgrund der Arbeit von einigen Aktivitäten befreit werden konnten und es ihnen aus diesem Grund auch zum Teil möglich war, sich dem nationalsozialistischen Einflussbereich in der Freizeit zu entziehen.

Seit der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten kam im gesamten „Dritten Reich“ nicht länger den Eltern die Hauptfunktion der Erziehung ihrer Töchter zu, sondern dem nationalsozialistischen Staat. Dennoch betonte besonders Zeitzeugin W., dass es häufig auch darauf ankam, welche Einstellung die Eltern gegenüber dem NS-Regime vertraten, da auch die

130 Erziehung und Sozialisation innerhalb der privaten Sphäre ein entscheidender Faktor für die spätere Einstellung der Kinder und Jugendlichen sein konnte.650 Da die Väter häufig ihren Dienst an der Front leisten mussten oder sich durch ihre Rolle als „Ernährer der Familie“ in der Arbeit befanden, kam dabei besonders den Müttern eine entscheidende Rolle in der Sozialisation und Erziehung der Kinder zu. In Kriegszeiten mussten allerdings nicht nur die Mütter, sondern ebenso die Kinder die Männer vertreten, weshalb auch die Mädchen aus ländlichen Gebieten der Steiermark früh an harte Arbeit gewöhnt wurden. Aus den Gesprächen mit ZeitzeugInnen geht hervor, dass die junge Generation nicht nur in Geschäften, sondern ebenso in den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt wurde und daher nicht nur im häuslichen Raum mithelfen musste. Den konkreten Grad der nationalsozialistischen Indoktrination in steirischen Familien festzustellen, erwies sich insgesamt als schwierig. Zwar wurde davon berichtet, dass die Eltern der befragten Personen keine Nationalsozialisten waren, wohl auch aus dem Grund, da viele Familien in der Oststeiermark auch politisch zu den „Schwarzen“ gehörten und damit Anhänger der austrofaschistischen Vaterländischen Front waren, jedoch hatten auch Kinder aus diesen Elternhäusern stets den gegebenen nationalsozialistischen Ansprüchen, wie beispielsweise Mitgliedschaften in nationalsozialistischen Jugendorganisationen, Folge zu leisten und wurden damit ebenso zu passiven Trägerinnen des NS-Systems. Auch durch allgegenwärtige Zwänge, Drohungen und die Gefährdung, als etwaiger Widersacher des Nationalsozialismus enttarnt zu werden, war aus diesem Grund zumindest ein Ansatz an Anpassung an das nationalsozialistische System in der Privatsphäre und damit in vielen steirischen Familien vorhanden. Der Druck, sich anzupassen, begleitete die Kinder und Jugendlichen daher schon früh in ihrem alltäglichen Leben, da in den Erinnerungen der steirischen ZeitzeugInnen stets die Bedrohung durch Verrat und als Strafe darauf in Konzentrationslager, wie beispielsweise Dachau, geschickt zu werden präsent war.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die aufgestellte Hypothese durchaus bestätigt werden kann, da das Alltagsleben steirischer Kinder und Jugendlicher von der Konstruktion der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ beeinflusst wurde und dass sie durchaus - jedoch in unterschiedlichen Ausprägungen - aktiv oder passiv in das NS-System involviert wurden. Die den Alltag konstruierenden Wirkungsbereiche Schule, Freizeit und Familie waren auch im steirischen Kontext von der Indoktrination der Nationalsozialisten durchzogen und strebten eine Umformung gemäß der nationalsozialistischen Weltanschauung an. So führten einige ZeitzeugInnen auch an, dass man der NS-Ideologie zunächst kaum

650 Interview mit Zeitzeugin W. vom 16.3. 2017. 131 ausweichen konnte, sie durchaus auch überzeugend sein konnte und man ebenso gezwungen war, ihr zu einem gewissen Maß „hörig“ zu sein. Alltägliche unterschwellige Manipulation durch nationalsozialistische Feierlichkeiten, Propaganda in Radio und Kino, sowie Märsche und andere Gemeinschaftsveranstaltungen brachten die steirischen Jugendlichen dazu, sich dem nationalsozialistischen System unterzuordnen und hatten ebenso eine beeindruckende Wirkung auf sie. Häufig berichten die befragten Personen daher auch von den aufbauenden Maßnahmen, welche sich die steirische Bevölkerung durch den Anschluss an das „Dritte Reich“ erhoffte. Erst der Zweite Weltkrieg ließ schlussendlich eine Ernüchterung der positiv geprägten nationalsozialistischen Weltbilder eintreten und ermöglichte es den jungen Mädchen, vermehrt aus den nationalsozialistischen Beeinflussungsbereichen und Vorstellungen, welche an sie gestellt wurden, auszubrechen.

Die Standhaftigkeit des im Nationalsozialismus ausgeprägten patriarchalischen Systems und der stereotypen Vorstellung von „fraulichen Tätigkeiten und Fähigkeiten“ führte dazu, dass dieses System selbst nach seiner Auflösung bis in die Gegenwart in den Vorstellungen der älteren Generation seine Gültigkeit behalten hat, weshalb die InterviewpartnerInnen häufig betonten, dass ihre Kindheit in einem behüteten Zuhause stattfand, welches kaum mehr mit dem heutigen vergleichbar sei. So stellten die Berichte der ZeitzeugInnen außerdem stets das Frauenbild damals mit dem heutigen gegenüber. In ihren Schilderungen wiesen sie jedoch ebenso in einer reflektierten Zugangsweise darauf hin, dass es heute nicht mehr möglich wäre, dass eine Mutter zuhause bei den Kindern bleibt, sondern dass nun Großmütter benötigt werden, damit der Lebensalltag gemeistert werden kann. Vor allem auch der Aussage von Frau W. ist zu entnehmen, dass die Berufstätigkeit beider Elternteile nun eine Notwendigkeit sei.651 Dabei wurde jedoch zu keiner Zeit die Möglichkeit der Entfaltung und Selbstverwirklichung einer Frau angesprochen. Frau Z. berichtete zwar davon, dass sie sich bezüglich der Betreuung der Kinder eine Entlastung gewünscht hätte und beschreibt dabei zugleich, dass es in ihrer eigenen Kindheit, wie auch in ihrer Zeit als Mutter, keine weitere Option für eine Frau gegeben hätte als einer „Gluckhenne“ gleichkommend für Kind und Heim da zu sein.652 Kamen die ZeitzeugInnen auf das damalige Frauenbild unter dem Nationalsozialismus zu sprechen, so wurde weiters explizit von Förderungen für das weibliche Geschlecht berichtet, welche kinderreiche Frauen und Familien erhielten. Ansonsten wurde von den ZeitzeugInnen die Situation der Unterordnung von Frauen gegenüber Männern beschrieben, welche von keiner

651 Interview mit Zeitzeugin W. vom 16.3. 2017. 652 Interview mit Zeitzeugin Z. vom 1.4. 2017. 132 der interviewten Personen hinterfragt wurde und daher für selbstverständlich erachtet wurde. Gerade diese fest verankerten stereotypen Vorstellungen tragen auch heute noch dazu bei, dass das weibliche Geschlecht noch immer einen geringeren Lohn für dieselben Tätigkeiten bekommt und auch in Führungspositionen in Unternehmen und Institutionen heutzutage noch häufig unterrepräsentiert bleibt.653

Festgehalten soll schlussendlich auch werden, dass Kindheit und Jugend unter dem Nationalsozialismus auch viele weitere Facetten hatte. Auf andere Blickwinkel über Kinder und Jugendliche als Opfer oder als Widerstandsleistende wurde in dieser Arbeit jedoch nicht eingegangen. Die Aufarbeitung stellt somit nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, da ebenso wichtige Aspekte und fortlaufende Themen, wie beispielsweise die Situation steirischer Frauen im Widerstand oder die Problematik behinderter Frauen, nicht berücksichtigt werden konnten. Diese Thematiken wären eine interessante Herausforderung für eine weitere wissenschaftliche Arbeiten und könnten noch diskutiert werden.

653 Vgl. SCHMIDLECHNER / ZIEGERHOFER et al., Geschichte der Frauen in der Steiermark, 2017, S. 11. 133 12. Literatur- und Quellenverzeichnis

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12.2 Quellenverzeichnis  Steirerland: ANNO – Austrian Newspapers Online. In: http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs (am 16. 4. 2017).  An die Eltern, Lehrpersonen und Jungmädel. In: „Oststeirerblatt“ vom 11. Juni 1938, S. 5.  BDM. In: „Oststeirerblatt“ vom 9. Juli 1938, S. 4.  BDM-Mädel im Gesundheitsdienst. In: „Steirerland“ vom 1. April 1943, http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=szs&datum=19430401&seite=14&zoom=33 (am 11.04. 2017), S. 14.  BDM-Werk „Glaube und Schönheit“ – ein Glied der inneren Front. In: „Steirerland“ vom 15. Juni 1941, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19410615&seite=7&zoom=33 (am 22.04. 2017), S. 7.  Das Deutsche Mädel. In: „Oststeirerblatt“ vom 3. September 1938, S. 7.  Die Mutter. In: „Steirerland“ vom 18. Mai 1941, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19410518&seite=2&zoom=33 (am 13.03. 2017), S. 2. 144  Die Jugend packt zu. In: „Steirerland“ vom 15. November 1940, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19401115&seite=5&zoom=33&query=%22packt%22%2B %22zu%22&ref=anno-search (am 11.04. 2017), S. 5.  Eröffnung einer Hausfrauenschule in Bärnbach. In: „G.K.B. – Graz-Köflacher- Bergbaugesellschaft“ vom 1. April 1940, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=gkb&datum=19400401&seite=5&zoom=33 (am 20.03. 2017), S. 45-46.  Feldbach Schuljahr-Eröffnungsfeier. In: „Oststeirerblatt“ vom 8. Oktober 1938., S. 7.  Gesunder Körper – gesunder Geist. In: „Steirerland“ vom 31. Januar 1941, http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=szs&datum=19410131&seite=5&zoom=33 (am 21.03. 2017), S. 5.  Gleisdorf - Muttertag und Sinabelkirchen - Der Tag der deutschen Mütter. In: „Oststeirerblatt“ vom 21. Mai 1938, S. 6.  Heute Abend hab ich Arbeitsgemeinschaft. In: „Kleine Volks-Zeitung“ vom 5. November 1938, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=kvz&datum=19381105&seite=4&zoom=33 (am 22.04. 2017), S. 4.  Jugenderziehung – Über die Einflüsse der Familie. In: „G.K.B.-Zeitung (Graz-Köflacher- Bergbaugesellschafts-Zeitung)“ vom 1. September 1938, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=gkb&datum=19380901&seite=15&zoom=33 (am 22.04. 2017), S. 15- 16.  Kreis Fürstenfeld: 3700 Jungen und Mädel bei Sternmarsch in Fürstenfeld. In: „Steirerland“ vom 1. Juli 1942, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19420701&seite=8&zoom=33 (am 20.03. 2017), S. 8.  Kreis Leibnitz. In: „Steirerland“ vom 1. Juli 1942, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19420701&seite=10&zoom=33 (am 22.03. 2017) S. 10.  Kreis Mürzzuschlag. In: „Steirerland“ vom 28. Februar 1941, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19410228&seite=14&zoom=33 (am 25.04. 2017), S. 14.  Kochlehrgang des BDM-Werkes „Glaube und Schönheit“. In: „Steirerland“ vom 1. Mai 1942, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19420501&seite=11&zoom=33 (am 22.04. 2017), S. 11.  Mädel aus aller Welt in der Steiermark. In: „Steirerland“ vom 1. August 1942, http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=szs&datum=19420801&seite=17&zoom=33 (am 21.03. 2017), S. 17.  Mädel vor der Berufswahl. In: „Voitsberger Köflacher Wochenblatt“ vom 18. Februar 1939, S. 2. 145  Schulungslager auf Schloß Münichhofen. In: „Steirerland“ vom 1. November 1940, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19401101&seite=11&zoom=33&query=%22steirerland%2 2&ref=anno-search (am 22.04. 2017), S. 11.  Steirische Mädel in Norwegen. In: „Steirerland“ vom 1. September 1941, http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=szs&datum=19410901&seite=8&zoom=33 (am 21.03. 2017), S. 8.  Straßgang. In: „Steirerland“ vom 1. Mai 1942, http://anno.onb.ac.at/cgi- content/anno?aid=szs&datum=19420501&seite=6&zoom=33 (am 25.04. 2017), S. 6.  Urlaub für Arbeiterfrauen durch BDM-Mädel. In: „Steirerland“ vom 1. September 1941, http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=szs&datum=19410901&seite=8&zoom=33 (am 11.04. 2017), S. 8.  Vom Weizer Sportclub. In: „Oststeirerblatt“ vom 11. Juni 1938, S. 5.

Von Angelika Nagy geführte Interviews:  Interview mit Zeitzeugin Z. vom 1.4. 2017.  Interview mit Zeitzeugin Z. vom 26.2. 2017.  Interview mit Zeitzeugin Y. vom 26.3. 2017.  Interview mit Zeitzeugin X. vom 16.3. 2017.  Interview mit Zeitzeugin W. vom 16.3. 2017.  Interview mit Zeitzeuge V. vom 14.3. 2017.

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