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DIPLOMARBEIT

Titel der Diplomarbeit „Die Arbeitsmarktverwaltung in der ‚

von 1938 bis 1945“

Verfasser Mag. Mathias Krempl

angestrebter akademischer Grad Magister der Philosophie (Mag. phil.)

Wien, 15. Dezember 2011

Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 312 Studienrichtung lt. Studienblatt: Diplomstudium Geschichte Betreuer: Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb

Gewidmet den unter nationalsozialistischer Herrschaft menschenverachtend ausgebeuteten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern

2 Danksagung

Mein besonderer Dank gilt vor allem Herrn Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb, der meine Diplomarbeit so hervorragend betreut hat. Mein Onkel Mag. Franz Krempl hat zwar seine Erwähnung abgelehnt, doch verdient er für das gewissenhafte Lektorat ein kurzes Dankeswort an dieser Stelle. Außerdem danke ich herzlichst dem Verein zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Zeitgeschichte sowie dem Bundesministerium für Soziales, Arbeit und Konsumentenschutz für ihre großzügige Unterstützung der Studie.

3 Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ...... 6 Einleitung ...... 9 1. „Arbeitsmarktverwaltung“ in der „Ostmark“? – Die Grundbegriffe ...... 11 2. Die Schaffung der Arbeitsmarktverwaltung und ihre Entwicklung bis zum „“ ...... 16 3. Die Arbeitseinsatzverwaltung zwischen März 1938 und August 1939 – Vollbeschäftigungspolitik, Rechtsvereinheitlichung, Zwangsarbeit ...... 22 a. Konjunktur nach dem „Anschluss“ Österreichs ...... 22 b. Landhilfe ...... 24 c. Zur Methode der Übernahme geltenden Rechtes des Altreiches und die Schaffung „interlokalen Rechts“ ...... 25 d. Die Übernahme geltenden Rechtes des Altreiches im Einzelnen ...... 28 i. Übernahme erster Vorschriften ...... 28 ii. Einführungsvorschriften zur Übernahme des Rechtes des Arbeitseinsatzes aus dem Altreich: Die österreichische Arbeitseinsatzverordnung ...... 29 iii. Übernommenes formelles Recht gemäß der ÖAEVO ...... 31 iv. Übernommenes materielles Recht gemäß der ÖAEVO ...... 33 v. Die Übernahme weiterer Vorschriften ...... 35 e. Gleichschaltung der Behörden ...... 37 f. Arbeitseinsatz nach rassischen Gesichtspunkten und Beginn der Zwangsarbeit ...... 38 i. Perioden der Zwangsarbeit ...... 38 ii. Der Einsatz jüdischer Arbeitskräfte ...... 40 iii. Der Einsatz von Roma und Sinti ...... 50 g. Zwangsbeschäftigung von „Ariern“ ...... 51 i. Dienstpflicht ...... 51 ii. Kündigungs- und Kontrahierungsverbot ...... 54 h. Organisatorische Veränderungen ...... 55 i. Zwischenbilanz ...... 57 4. Die Arbeitseinsatzverwaltung zwischen September 1939 und April 1945 – Ausbau der Zwangsarbeit ...... 58 a. Organisatorische Veränderungen ...... 60 b. Ausbau der Zwangsarbeit ...... 64 i. Von September 1939 bis zum Scheitern des Blitzkrieges im Winter 1941/1942 – Die Anfänge des Einsatzes ziviler Ausländer und Kriegsgefangener und die Fortsetzung des Einsatzes nach rassischen Gesichtspunkten ...... 64 (1) Der Ausländereinsatz ...... 64 (2) Der Einsatz jüdischer Arbeitskräfte ...... 69 (3) Der Einsatz von Roma und Sinti ...... 76 ii. Vom Winter 1941/1942 bis 1945 – Intensivierungsphase ...... 78 (1) Der Ausländereinsatz ...... 78 (2) Der Einsatz jüdischer Arbeitskräfte ...... 87 (3) Der Einsatz von Roma und Sinti ...... 90 (4) Der Einsatz von KZ-Häftlingen ...... 91 c. Der Einsatz von „Ariern“ in der zweiten Kriegshälfte ...... 92 d. Widerstand in der Arbeitseinsatzverwaltung ...... 94 Ausblick ...... 95

4 Zusammenschau ...... 97 Anhang ...... 100 Akteure ...... 100 Abstract ...... 105 Archive ...... 106 Bibliotheken ...... 106 Quellenverzeichnis ...... 106 Literaturverzeichnis ...... 107 Lebenslauf ...... 115

5 Abkürzungsverzeichnis Enthalten sind nur die weniger geläufigen Abkürzungen

AA/AÄ Arbeitsamt/Arbeitsämter Abs Absatz AdR Archiv der Republik AG/A.G. Aktiengesellschaft AK Arbeiterkammer AlK Arbeitslosenkataster AOG „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ (RGBl I 1934 S 45) AVAVG „Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ (RGBl I 1927 S 187) AVVO „Verordnung […] betreffend die Regelung der Arbeitsvermittlung für die Dauer der durch den Krieg verursachten außerordentlichen Verhältnisse“ (öRGBl 509/1917) Bd Band BGBl Bundesgesetzblatt BKA-I Bundeskanzleramt-Inneres ders derselbe dies dieselbe, dieselben Dior Direktor Dipl Diplomarbeit Diss Dissertation DÖW Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes ebd ebenda f folgende ff fortfolgende FN Fußnote frndl. freundlich GBA Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz GBlÖ Gesetzblatt für das Land Österreich gem gemäß GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GSVG „Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz“ (BGBl 107/1935)

6 GZ Grundzahl ha Hektar Hg Herausgeber HJbStL Historisches Jahrbuch der Stadt idFv in der Fassung vom IBK Industrielle Bezirkskommission IKG Israelitische Kultusgemeinde jur juristische Kap Kapitel KLDB Kriegslohndurchführungsbestimmung (RGBl I 1939 S 2370) KWEG „Kriegswirtschaftliches Ermächtigungsgesetz“ (öRGBl 307/1917) KZ Konzentrationslager LAA/LAÄ Landesarbeitsamt/Landesarbeitsämter leg cit legis citatae lit litera med medizinische MinR Ministerialrat Nr Nummer NS Nationalsozialismus NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSV Nationalsozialistische Volkswohlfahrt o.A. ohne Autor ÖAEVO „Verordnung über die Eingliederung der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter in die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und über die Regelung des Arbeitseinsatzes im Lande Österreich“ (RGBl I 1938 S 591) ObRegR Oberregierungsrat o.J. ohne Jahr OÖLA Oberösterreichisches Landesarchiv öRGBl (österreichisches) Reichsgesetzblatt ÖStA Österreichisches Staatsarchiv ÖZ Österreichische Zeitung PAF Produktive Arbeitslosenfürsorge Prof Professor

7 RABl V Reichsarbeitsblatt, Teil V, Soziales Deutschland RAD Reichsarbeitsdienst RADG „Reichsarbeitsdienstgesetz“ (RGBl I 1935 S 769) RAM Reichsarbeitsministerium RegR Regierungsrat RegDior Regierungsdirektor Reichsgesetzbl. Reichsgesetzblatt RGBl (reichsdeutsches) Reichsgesetzblatt RM Reichsmark RSHA Reichssicherheitshauptamt RWHG Reichswerke AG „Hermann Göring“ S Seite SS Schutzstaffel StGBl Staatsgesetzblatt (der Republik Deutschösterreich sowie der Frühzeit der Republik Österreich ab Mai 1945) WbR/TbA Wienbibliothek im Rathaus/Tagblatt-Archiv UK unabkömmlich VerwInsp Verwaltungsinspektor VerwObInsp Verwaltungsoberinspektor VfZ Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte WAF Wertschaffende Arbeitslosenfürsorge wirtschaftswiss wirtschaftswissenschaftliche Z Ziffer ZGS zeitgeschichtliche Sammlung zit zitiert

8 Einleitung

Die vorliegende Studie untersucht mit der hermeneutischen Methode – also vorwiegend auf der Grundlage von Sekundärliteratur – die Arbeitsmarktverwaltung1 auf dem Gebiet des ehemaligen und später wieder existierenden Staates Österreich, der unter nationalsozialistischer Herrschaft freilich nicht souverän war und dementsprechend anders bezeichnet wurde. Betrachtet man dieses Thema als einen Beitrag zur Geschichte einer Behörde und ihrer Zuständigkeiten, so kann man grob zwei Ebenen unterscheiden. Auf der formellen Ebene stehen die Arbeitsämter und nachgeordneten Instanzen im Brennpunkt. Demgegenüber behandelt die materielle Ebene deren Zuständigkeits- und damit Tätigkeitsbereich. Für den Aufbau dieser Studie wurde jedoch ein weitgehend chronologisches Konzept gewählt und dem dogmatiklastigen Zweiebenenmuster lediglich bei der Darstellung der Rechtsübernahme aus dem Altreich gefolgt. Unberücksichtigt bleibt der Einsatz der zur Wehrmacht einberufene Soldaten sowie der KZ-Häftlinge des Mauthausenkomplexes.

Eine Schwierigkeit der Titelfindung der Untersuchung lag in der durchwegs zeitlich gesteigerten Intensität der Arbeitsmarktpolitik im Nationalsozialismus. Die Entwicklung der Arbeitsmarktpolitik war dabei von einer sprichwörtlichen Wende um hundertachtzig Grad geprägt und reichte von den Eckpunkten des relativ freien Arbeitsmarktes nach dem „Anschluss“ über den verstärkten Dirigismus bis hin zur Zwangsarbeit. Dazu kommt die Begriffsproblematik, auf die im ersten Kapitel näher eingegangen wird. Dennoch musste ein Titel für die Untersuchung her; die Studie versteht sich als Beitrag zur Geschichte der österreichischen Arbeitsmarktverwaltung, weshalb die gewählte Formulierung „Arbeitsmarktverwaltung in der ‚Ostmark’ von 1938 bis 1945“ am treffendsten erschien.

Zum Thema selbst gibt es weder selbständige noch unselbständige Publikationen. Lediglich in zwei Monografien2 wird jeweils in einem einschlägigen Kapitel dazu eingegangen. Eine umfangreiche Abhandlung zur Arbeitsmarktverwaltung im Altreich, aus der einiges für die

1 Zum Begriff der Arbeitsmarktverwaltung und seinem Wandel siehe Kapitel 1. 2 Franz Danimann, Die Arbeitsämter, unter dem Faschismus (Wien 1966) 35-54; Karl Schmidt, Geschichte der Arbeitsmarktverwaltung von ihren Anfängen an (Salzburg o.J.) 117-135. Die Untersuchung dürfte aus dem Jahr 1991 stammen, wie aus dem Suchergebnis im Onlinekatalog der Universitätsbibliothek der Universität Wien hervorgeht (online unter , abger am 15. Oktober 2011). 9 Ostmark gewonnen werden konnte, stammt von Schmuhl3. Die dortige Situation interessiert insofern, als dort wesentliche später in der Ostmark eingeführte Instrumente entwickelt wurden. Viel Literatur gibt es zur Zwangsarbeit, wobei in diesem Zusammenhang vor allem einige empirische Fallstudien zu einzelnen Branchen (Elektrizitätswirtschaft4, Reichsforste5) beziehungsweise Unternehmen (Reichswerke AG „Hermann Göring“6, Teerag Asdag AG7), zur jüdischen Sklavenarbeit8 sowie zu den ausländischen Zwangsarbeitern9 zu erwähnen sind. Die wichtigste Grundlage für die aus dem Altreich übergeleiteten Vorschriften zum Arbeitseinsatz bildet eine zeitgenössische Zusammenstellung10.

Zwei Forschungsfragen stehen im Zentrum der Untersuchung:

1. Welche Rolle spielten die Behörden der Arbeitsmarktverwaltung im ehemaligen Österreich nach dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich bei der Verwaltung der freien Arbeitskräfte auf der einen und jener der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter auf der anderen Seite?

2. Wie weit reichte der Handlungsspielraum dieser Behörden und inwieweit nutzten sie ihn zur Gestaltung der Arbeitsmarktverwaltung?

Nötig wird zunächst im ersten Kapitel eine Definition der wichtigsten Begriffe sein, die im Bereich der Arbeitsmarktverwaltung in der Ostmark eine Rolle spielten. Im zweiten Kapitel wird in gedrängter Form die Entstehung der Arbeitsmarktverwaltung und deren Entwicklung bis zum

3 Hans-Walter Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsverwaltung in Deutschland 1871-2002 (Nürnberg 2003) vor allem 110-340. 4 Oliver Rathkolb/Florian Freund (Hg), NS-Zwangsarbeit in der Elektrizitätswirtschaft der „Ostmark“ 1938 – 1945. Ennskraftwerke – Kaprun – Draukraftwerke – Ybbs-Persenbeug – Ernsthofen (Wien/Köln/Weimar 2002). 5 Oliver Rathkolb/Maria Wirth/Michael Wladika (Hg), Die „Reichsforste“ in Österreich 1938–1945 (Wien/Köln/Weimar 2010). 6 Oliver Rathkolb (Hg), NS-Zwangsarbeit. Der Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin, 1938– 1945 (Wien/Köln/Weimar 2001). Die Untersuchung enthält im Beitrag von Michaela C. Schober einen umfassenden Statistikbericht zu verschiedenen Aspekten wie Bestrafung oder Unterbringung. 7 Stefan Lütgenau/Alexander Schröck, Zwangsarbeit in der österreichischen Bauindustrie. Die Teerag-Asdag AG 1938-1945 (Innsbruck/Wien/München 2001). 8 Wolf Gruner, Zwangsarbeit und Verfolgung. Österreichische Juden im NS-Staat 1938-1945 (Nationalsozialismus und seine Folgen 1, Innsbruck/Wien/München 2000); Dieter Maier, Arbeitseinsatz und Deportation. Die Mitwirkung der Arbeitsverwaltung bei der nationalsozialistischen Judenverfolgung in den Jahren 1938 - 1945 (Publikationen der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz 4, Berlin 1994). 9 Florian Freund/Bertrand Perz/Mark Spoerer (Hg), Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen auf dem Gebiet der Republik Österreich 1939 - 1945 (Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission 26/1, Wien/München 2004 ). Die Studie enthält eine umfassende statistische Auswertung insbesondere der branchenmäßigen und regionalen Verteilung der Zwangsarbeiter. 10 Alexander Szilagi, Gesetzliche Vorschriften über den Arbeitseinsatz in der Ostmark. Wegweiser durch die bis Anfang August 1938 im Lande Österreich in Kraft getretenen Bestimmungen zur Lenkung des Arbeitseinsatzes (Graz/Wien/Leipzig 1938). 10 März 1938 dargestellt. Den Kern der Studie bilden das dritte und vierte Kapitel mit der Behandlung des Zeitraums zwischen dem „Anschluss“ Österreichs ans Deutsche Reich und dem Kriegsbeginn beziehungsweise der Arbeitsmarktverwaltung im Krieg. Im Ausblick wird kurz auf die Situation nach dem Krieg eingegangen.

1. „Arbeitsmarktverwaltung“ in der „Ostmark“? – Die Grundbegriffe

Vorweg ist ein Begriffsdiskurs aufzugreifen. Unter moderner Arbeitsmarktverwaltung ist der staatlich gesteuerte Ausgleich zwischen den Beschäftigung suchenden Arbeitnehmern auf der einen Seite und Personal nachfragenden Arbeitgebern auf der anderen Seite auf dem Arbeitsmarkt zu verstehen. Maßgebende Prinzipien dieses Ausgleichs sind „Freiwilligkeit, Unparteilichkeit, soziale Gerechtigkeit“11 und insbesondere die weitreichende Freiheit des Arbeitsmarktes, die sich als Ausfluss der Privatautonomie12 versteht. Diese moderne Arbeitsmarktverwaltung wurde in Österreich erstmals in der Ersten Republik ausgeformt.

Nach ersten Beschneidungen im Austrofaschismus kam es unter dem nationalsozialistischen Regime zur umfassenden Beseitigung wesentlicher Merkmale der Arbeitsmarktverwaltung. Infolge der zu einem Großteil kriegs-, aber auch rassenideologisch bedingten Politik des oft zwangsweisen Einsatzes von Arbeitskräften, war bald sehr wenig übrig von den Prinzipien der Arbeitsmarktverwaltung der Ersten Republik. Aus diesem Grund darf es nicht verwundern, wenn im Text bei weitem nicht immer die Rede ist vom Begriff der „Arbeitsmarktverwaltung“, als vielmehr vom hoheitlich geprägten „Arbeitseinsatz“, der von Seiten des Regimes (etwa im „Gesetz zur Regelung des Arbeitseinsatzes“13 vom 15. Mai 1934) oder im zeitgenössischen wissenschaftlichen Diskurs14 auch unverhohlen als solcher bezeichnet wurde. Wenngleich vor allem bei der frei beschäftigten deutschen Bevölkerung vor dem zweiten Weltkrieg keineswegs von Zwangsarbeit die Rede sein kann und gewisse Merkmale eines Arbeitsmarktes durchaus vorhanden waren, soll die zeitgenössische Formulierung „Arbeitseinsatz“ durchgehend beibehalten werden.

11 Danimann, Arbeitsämter, 44. 12 Andreas Kletečka, Grundriss des bürgerlichen Rechts, Bd 1, Allgemeiner Teil, Sachenrecht, Familienrecht. Auf Grundlage der von Helmut Koziol und Rudolf Welser gemeinsam herausgegebenen 1.-10. Auflage. 11. u. 12. Auflage bearbeitet von Helmut Koziol unter Mitarbeit von Raimund Bollenberger (Manzsche Kurzlehrbuch-Reihe 1, Wien 132006) 94-96. 13 RGBl I 1934 S 381. 14 Gertraude Schulz, Notwendigkeit und Grenzen der Arbeitseinsatzpolitik (wirtschaftswiss Dipl, Würzburg 1938) 1. 11

Unter Arbeitseinsatz ist also fortan die nationalsozialistische Form der Arbeitsmarktverwaltung zu verstehen. Dementsprechend werden die Arbeitsämter und die ihnen nachgeordneten Behörden als „Arbeitseinsatzbehörden“15 bezeichnet. In der übrigen Forschungsliteratur findet man auch häufig die Bezeichnung „Arbeitsverwaltung“16. Im Gesetz zur Regelung des Arbeitseinsatzes von 1934 wurde die Bezeichnung Arbeitseinsatz im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Arbeitsmarkt „zum erstenmal amtlich […] gebraucht“17. Die Bedeutung des Begriffs hat sich jedoch insofern gewandelt, als er in der Zeit der Unterbeschäftigung für die gezielte Besetzung von neu geschaffenen Arbeitsplätzen entstand. Hingegen stand er nach Eintritt der Vollbeschäftigung – also einer Arbeitslosenrate18 von unter 4 Prozent19 – in untrennbarem Zusammenhang mit dem notorischen Problem des Arbeitskräftedefizits und ist auch in dieser Studie damit zu verbinden.

Die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik trat im Nationalsozialismus recht offen zutage.20 In Abkehr von den Prinzipien der Arbeitsmarktverwaltung der Weimarer oder auch der Ersten Republik waren demnach die zentralen Merkmale des Arbeitseinsatzes erstens die Beseitigung der freien Entscheidung des Einzelnen über den Einsatz seiner Arbeitskraft; zweitens die planmäßige Lenkung, also nach einheitlichen Gesichtspunkten; drittens die Lenkung entsprechend staatspolitischer Notwendigkeiten und viertens schließlich die Erfassung aller Kräfte des Volkes, also über den Kreis der Arbeitnehmer hinaus.

Nachdem das nationalsozialistische Regime auch auf dem Gebiet des ehemaligen Österreich den freien Arbeitsmarkt schrittweise demontiert hatte, wurde Zwang zu einem immer dominanteren Merkmal. Hier stellt sich die Frage, inwieweit nicht etwa Maßnahmen wie der „Reichsarbeitsdienst“21 unter den Begriff der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus fallen. Im Altreich wurden Männer seit 1935 im Rahmen des Reichsarbeitsdienstes zu Arbeit behördlich verhalten; in der Ostmark wurde der RAD als erste Maßnahme im Bereich des Arbeitseinsatzes nach dem „Anschluss“ eingeführt. Seit 1939 galt er auch für Frauen. Im Rahmen des RAD wurde

15 Horst Kahrs, Die ordnende Hand der Arbeitsämter. Zur deutschen Arbeitsverwaltung 1933 - 1939. In: Götz Aly/Mathias Hamann/Susanne Heim/Ahlrich Meyer (Hg), Arbeitsmarkt und Sondererlaß. Menschenverwertung, Rassenpolitik und Arbeitsamt (Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik 8, Berlin 1990) 9- 61, hier 17. 16 Gruner, Zwangsarbeit, 12. 17 Szilagi, Arbeitseinsatz, 20. 18 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 39. 19 Ebd; Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 14. 20 Maier, Arbeitseinsatz, 11. 21 RGBl I 1935 S 769; Kap 3.d.i. 12 behördlich zu Arbeitsleistungen verpflichtet. Der RAD hatte insofern Zwangscharakter. Ist also beim RAD von Zwangsarbeit auszugehen? Auch für die Zwangsbeschäftigung22, unter welche die Instrumente der Dienstpflicht und des Kündigungs- und Kontrahierungszwangs fallen, sowie für andere Maßnahmen wie die Meldepflicht23 kann man diese Frage stellen.

In der Literatur24 wird die Subsumtion dieser Art von Zwang unter den Tatbestand der Zwangsarbeit zu Recht einhellig abgelehnt. Dies mit dem treffenden Argument, dass die Gesamtwürdigung der Lebensumstände eine entsprechend differenzierende Begrifflichkeit verlangt. Die Umstände der etwa im Reichsarbeitsdienst zur Arbeit verhaltenen deutschen Jugend und der unfreiwillig aufgrund der Dienstpflicht Beschäftigten hatte nur wenig mit denen der ausländischen zivilen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, der Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge gemeinsam, sowohl was die unmittelbaren Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit und Entlohnung, als auch deren Lebensumstände betraf. Nicht zuletzt waren Verfahrensvorschriften und materiellrechtliche Beschränkungen vorgesehen, die das behördliche Vorgehen in gewisse Schranken wies.

Beim nationalsozialistischen Arbeitseinsatz ist demnach zu unterscheiden zwischen Zwangsarbeit und sonstiger unfreiwilliger Arbeit. Letztere wird in der Forschungsliteratur bisweilen als „Zwangsbeschäftigung“25 bezeichnet. Diese Terminologie soll im Folgenden beibehalten werden. Zentrales Merkmal der Zwangsbeschäftigung war, dass trotz dem grundsätzlichen Vorhandensein von Zwang „wesentliche Elemente der freien Beschäftigung noch galten“26, namentlich tarifliche Entlohnung, geregelte Arbeitszeit, Sozialversicherung und private Unterbringung. Demgegenüber war Zwangsarbeit gekennzeichnet durch Unterbringung

22 Kap 3.g. 23 RGBl I 1943 I S 67; Kap 4.c. 24 Florian Freund, NS-Arbeitskräftepolitik in der „Ostmark“. In: Oliver Rathkolb/Florian Freund (Hg), NS- Zwangsarbeit in der Elektrizitätswirtschaft der „Ostmark“ 1938 – 1945. Ennskraftwerke – Kaprunn – Draukraftwerke – Ybbs-Persenbeug – Ernsthofen (Wien/Köln/Weimar 2002) 8-26, hier 9; Michael John, Zwangsarbeit und NS-Industriepolitik am Standort Linz. In: Oliver Rathkolb (Hg), NS-Zwangsarbeit. Der Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin, 1938 – 1945, Bd 1, Zwangsarbeit – Sklavenarbeit: Politik-, sozial- und wirtschaftshistorische Studien (Wien/Köln/Weimar 2001) 23-146, hier 46; Maier, Arbeitseinsatz, 11f; Florian Freund/Bertrand Perz, Die Zahlenentwicklung der ausländischen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen auf dem Gebiet der Republik Österreich 1939–1945. In: Florian Freund/Bertrand Perz/Mark Spoerer (Hg), Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen auf dem Gebiet der Republik Österreich 1939 - 1945 (Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission 26/1, Wien/München 2004 ) 7-274, hier 14; Florian Freund/Bertrand Perz, Zwangsarbeit von zivilen AusländerInnen, Kriegsgefangenen, KZ-Häftlingen und ungarischen Juden in Österreich. In: Emmerich Tálos (Hg), NS-Herrschaft in Österreich. Ein Handbuch (Wien 2001) 644-695, hier 646; Lütgenau/Schröck, Teerag-Askag AG, 22. 25 Maier, Arbeitseinsatz, 11. Obwohl Maier den Ausdruck Zwangsbeschäftigung nur auf die unfreiwillige Beschäftigung von Juden vor deren überwiegender Heranziehung zur Zwangsarbeit nach dem Novemberpogrom 1938 bezieht, soll dieser im Folgenden übernommen werden. 26 Ebd. 13 in Lagern, Überwachung, tatsächliche oder zumindest angedrohte Gewaltanwendung, keine oder unzulängliche Entlohnung, mangelhaften rechtlichen Schutz und ungeregelte und von den Zwangsarbeitern nicht bestimmbare Arbeitszeit; der Bergriff der Zwangsbeschäftigung ist also weiter zu fassen als jener der Zwangsarbeit.

Ungeachtet der notwendigen Unterscheidung zwischen Zwangsarbeit und Zwangsbeschäftigung ist aber die Zuordnung der einzelnen Beschäftigungsverhältnisse zur jeweils einen oder anderen Ausprägung im konkreten Einzelfall problematisch und muss demnach oftmals unterbleiben. So ist bei den KZ-Häftlingen und den ab 1944 in der Ostmark beschäftigten ungarischen Juden der Zwangsarbeitscharakter unumstritten.27 Hingegen ist bei den zivilen ausländischen Arbeitskräften infolge der rassischen Hierarchisierung28 oder vor allem in der Anfangszeit vor dem Pogrom vom 9. und 10. November 1938 auch bei den inländischen Juden nicht immer unbedingt von Zwangsarbeit im hier verstandenen technischen Sinn auszugehen.

Die Bezeichnung des Gebietes der früheren und heutigen Republik Österreich – sie büßte während der nationalsozialistischen Herrschaft ihre Souveränität ein29 – hat im Nationalsozialismus auf Geheiß Hitlers30 schon bald nach dem „Anschluss“ Österreichs im außergesetzlichen Sprachgebrauch einen Wandel zu „Ostmark“ erfahren. Diese Bezeichnung wurde mit dem „Gesetz über den Aufbau der Verwaltung in der Ostmark (Ostmarkgesetz)“31 vom 14. April 1939 gesetzlich festgelegt. 1942 ordnete Hitler im Zusammenhang mit der Umwandlung der vormaligen Bundesländer in Reichsgaue und zur noch deutlicheren Abgrenzung vom ehemaligen „Österreich“-Bergiff32 die Verwendung der Bezeichnung „Alpen- und Donaureichsgaue“33 für das Gesamtgebiet an. Bemerkenswert ist, dass selbst das NS-Regime keine eindeutige Diktion im Hinblick auf die Landesbezeichnung einhielt, wie vor allem das Ostmarkgesetz zeigt, das durchwegs am alten „Österreich“-Begriff festhielt. Auch in vielen Verordnungen, die sich auf Angelegenheiten des ehemaligen Österreich bezogen, wurde die Bezeichnung Österreich aufrecht erhalten. Im Text dieser Studie wird für eine bessere Lesbarkeit

27 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 16. 28 Ebd . 29 Wilhelm Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte (Wien 82001) 248; Karl Vocelka, Geschichte Österreichs. Kultur – Gesellschaft – Politik (Graz/Wien/Köln 52002) 297. Dazu kritisch Hanspeter Neuhold/Waldemar Hummer/Christoph Schreuer (Hg), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Bd 1 (Textteil) (Wien 42004) 167. 30 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 19. 31 RGBl I 1939 S 777. 32 Ernst Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs (München 22001) 421. 33 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 19. 14 und in Anlehnung an die Gepflogenheiten in der Forschungsliteratur34 auf die Doppelbezeichnung „Ostmark/Alpen- und Donaureichsgaue“ zugunsten von „Ostmark“ verzichtet. Die mit dem Ostmarkgesetz im April 1939 in „Reichsgaue“ umbenannten Bundesländer werden hier durchgängig nach der Diktion des Ostmarkgesetzes genannt, die Bundesländer „Ober-“ und „Niederösterreich“ werden „Ober-“ und „Niederdonau“ bezeichnet.

Nicht nur die Bezeichnung des Gebietes, sondern auch dessen politische Innen- und Außengrenzen haben im Laufe des Nationalsozialismus Änderungen erfahren.35 Die Ostmark wurde durch Ausdehnung ihrer Außengrenzen mehrmals erweitert; im Oktober 1938 ging dies auf Kosten deutschsprachiger Randgebiete der Tschechoslowakei, im April 1941 waren slowenische Gebiete Jugoslawiens betroffen. Auf der anderen Seite wurden die Gebiete Mittelberg (das Kleine Walsertal) von Vorarlberg und Jungholz von Tirol zugunsten von Bayern losgelöst (§ 1 Z 5 des „Gesetzes über die Gebietsveränderungen im Lande Österreich“36 vom 1. Oktober 1938). Im Inneren des Landes wurde ebenfalls im Oktober 1938 Wien durch die Eingemeindung von 97 ehemaligen Gemeinden Niederösterreichs erweitert und das auf die Länder Niederösterreich und die Steiermark aufgeteilt. Vorarlberg wurde mit Tirol zusammengelegt und Osttirol fiel an Kärnten.37 Auch in anderen Bundesländern wurden Grenzänderungen vorgenommen. Im Krieg wurde das Gebiet der Ostmark über die Grenzen der Reichsgaue hinaus in die Wehrkreise XVII (Wien, Ober- und Niederdonau) und XVIII (Kärnten, Salzburg, Steiermark und Tirol samt Verwaltungsbezirk Vorarlberg) eingeteilt. All die Änderungen der politischen Grenzen betrafen insofern auch unmittelbar die Statistiken des Arbeitseinsatzes, als sich damit auch die maßgebenden Arbeitseinsatzbezirke und die zuordenbaren Arbeitskräftekontingente änderten. Interessanterweise wurde diese Tatsache nicht in den Statistiken für die Reichsgaue Steiermark und Kärnten berücksichtigt; insofern fließt die Gebietserweiterung auf Kosten Jugoslawiens auch nicht in diese Studie ein.38

34 Ebd. 35 Ebd 19f. 36 GBlÖ 443/1938. 37 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 19f. 38 Ebd 20. 15 2. Die Schaffung der Arbeitsmarktverwaltung und ihre Entwicklung bis zum „Anschluss“

Das „Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz“39 vom 24. Juli 1917 nimmt in der österreichischen Verfassungsgeschichte vermittels seiner missbräuchlichen Anwendung im Austrofaschismus einen großen Stellenwert ein.40 Weniger bekannt ist die einigermaßen wichtige Rolle, die das KWEG im Zusammenhang mit der Schaffung der Arbeitsmarktverwaltung spielte. Die Bedeutung des Gesetzes ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht zu übersehen. Auf seiner Grundlage erließ der Minister des Inneren, Friedrich von Toggenburg, die Kriegswirtschaftsverordnung41 vom 24. Dezember 1917 („Verordnung […] betreffend die Regelung der Arbeitsvermittlung für die Dauer der durch den Krieg verursachten außerordentlichen Verhältnisse“42, fortan Arbeitsvermittlungsverordnung). Sie wird als „die eigentliche Geburtsstunde der österreichischen Arbeitsmarktverwaltung“43 betrachtet. Den Verfassungsumbruch von der Monarchie in die Republik überstand die AVVO insofern, als die Gesetze aus der Monarchie grundsätzlich fortbestanden (§ 16 des „Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich über die grundlegenden Einrichtungen der Staatsgewalt“44 vom 30. Oktober 1918).

Vor der AVVO wurde Arbeitsvermittlung als eine der Kernaufgaben der Arbeitsmarktverwaltung von verschiedenen Einrichtungen betrieben. Die wichtigsten waren erstens Gewerbegenossenschaften45, bei denen nach § 116 der „Gewerbeordnung“46 vom 26. Dezember 1859 idFv47 vom 15. März 1883 Listen zur Einsicht auflagen, die einerseits Arbeit Suchende und andererseits Gewerbeinhaber mit offenen Stellen anführten. Zweitens gab es gewerbliche Stellenvermittler, die allerdings im Ruf standen, zu überhöhten Tarifen zu vermitteln.48 Drittens bestanden vereinsmäßige Arbeitsvermittlungseinrichtungen. Der Verein für Arbeitsvermittlung etwa wurde von einer Reihe von Gewerbegenossenschaften gemeinsam mit Arbeitnehmern gegründet.49 Außerdem gründeten die 1867 erstarkenden Gewerkschaften

39 öRGBl 307/1917. 40 Robert Walter/Heinz Mayer/Gabiele Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts (Manzsche Kurzlehrbuchreihe, Wien 102007) 31; Brauneder, Verfassungsgeschichte, 232. 41 öRGBl 509/1917. 42 Ebd. 43 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 65. 44 StGBl 1/1918. 45 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 17, 28ff. 46 öRGBl 227/1859. 47 öRGBl 39/1883. 48 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 25. 49 Ebd 23. 16 Vereine zur Stellenvermittlung.50 Schließlich wurde viertens in der Sitzung des Wiener Gemeinderates vom 17. Juni 1898 das erste kommunale Arbeitsvermittlungsamt Cisleithaniens – und damit die erste staatliche und insofern öffentliche Einrichtung zur Arbeitsvermittlung – ins Leben gerufen.51 Im Laufe des folgenden Jahrzehnts wurden dann in allen Landeshauptstädten Cisleithaniens sowie in Dornbirn, Feldkirch, Bruck an der Mur, Neunkirchen, Stockerau, Korneuburg und kommunale Arbeitsvermittlungsämter durch die jeweiligen Gemeinderäte errichtet.52 Eine gewisse Bedeutung für den Arbeitsmarkt im Krieg erlangte das Kriegsleistungsgesetz53 aus dem Jahr 1912, welches die Militärbehörden ermächtigte, sowohl arbeitslosen als auch aktiven Arbeitskräften (§ 4 leg cit) kriegswirtschaftlich bedeutsame Stellen zuzuweisen. Die Bedeutung dieses Gesetzes war auf die Zeit des Krieges beschränkt; es soll hier lediglich der Vollständigkeit halber Erwähnung finden.

Die AVVO stand in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg. Das Kriegsende erfolgte zwar erst im Herbst des Folgejahres und der tatsächliche Ausgang des Krieges war noch nicht absehbar. Man machte sich aber bereits, und das zeigt die AVVO recht deutlich, Gedanken über die Nachkriegszeit.54 Die Fragen der Demobilisierung und des damit verbundenen Andrangs auf den Arbeitsmarkt waren dabei von großer Relevanz. Zwar bestanden schon die erwähnten Einrichtungen zur Arbeitsvermittlung, doch erschien die bestehende dezentrale Struktur zur Bewältigung des anstehenden Ausmaßes an Arbeitslosigkeit als unzureichend.

Das eminent Neue an der AVVO war die Eingliederung der Arbeitsmarktverwaltung in den gesamtstaatlichen Verwaltungsapparat und damit deren Zentralisierung. Zu diesem Zweck wurde gem § 6 AVVO beim Ministerium für Inneres als oberster Instanz die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung eingerichtet.55 Unter innenpolitischem Druck ordnete im Oktober 1917 Kaiser Karl I. die Errichtung des Ministeriums für Soziale Fürsorge durch Ausgliederung etlicher Agenden aus dem Ministerium des Inneren an.56 Darunter fiel auch der Kompetenztatbestand der Arbeitsmarktverwaltung. Als Unterinstanzen sollten schon bestehende kommunale Arbeitsvermittlungsämter sowie geeignete vereinsrechtlich organisierte

50 Ebd 19, 29. 51 Ebd 31. 52 Ebd 42ff. 53 öRGBl 236/1912; Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 59. Er spricht fälschlicherweise – und ohne die Gesetzblattnummer anzugeben – von einem „Kriegsdienstleistungsgesetz“, das es in diesem Zusammen nicht gegeben hat. 54 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 65. 55 Ebd. 56 öRGBl 504/1917; Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 66. 17 Vermittlungseinrichtungen „für öffentlich erklärt“57 werden. Sie waren also in die neue zentrale Arbeitsmarktverwaltung zu integrieren. Wichtiges Kriterium für die Eignung der Vereine sollte vor allem deren satzungsmäßige Unparteilichkeit sein.

In der Republik Deutschösterreich war es dann eine der ersten zentralen Aufgaben des Staatsrates für soziale Fürsorge – dem Vorgängerorgan des späteren Ministers für soziale Fürsorge der Republik Österreich –, Ferdinand Hanusch, den von der AVVO vorskizzierten Apparat der Arbeitsmarktverwaltung aufzuziehen. Zu diesem Zweck besorgte er schon im November 191858 die Errichtung von „Industriellen Bezirkskommissionen“59 in den noch acht Bundesländern (ohne Wien). Auf Bezirksebene wurden von den IBK in den politischen Bezirken sukzessive sogenannte „Arbeitsnachweise“60 als erste Instanz errichtet. 1920 wurden die erstinstanzlichen Behörden in „Arbeitslosenämter“61 umbenannt. Der gesamte Behördenapparat war in allen Instanzen vom Paritätsprinzip geleitet, die Organe wurden also sowohl mit Organwaltern von Arbeitgeber- als auch von Arbeitnehmerseite besetzt.62

Die in der AVVO angelegte Behördenstruktur und -zuständigkeit blieb – abgesehen von den Einschnitten in der Zeit der Diktaturen zwischen 1933 und 1945 – bis zum Ende des 20. Jahrhunderts bestehen. Schon in der Frühphase der Arbeitsmarktverwaltung der Ersten Republik hatte dabei die Agenda der Arbeitslosenunterstützung eine große Bedeutung. Während bislang die zuständigen Stellen vor allem Arbeitsvermittlung zu betreiben hatten, waren nun tausende heimkehrende Soldaten zu betreuen. Für den Erhalt der Arbeitslosenunterstützung war ein Arbeitsbuch vorzulegen.63 Ein solches wurde bald in den meisten europäischen Staaten zur effizienten, zentralistisch gesteuerten Arbeitsmarktverwaltung eingeführt und erst nach jahrzehntelangem Kampf der Gewerkschaften allmählich wieder abgeschafft.64

57 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 65. 58 Ebd. 59 Herbert Hofmeister, Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversorgung in Österreich, insbesondere 1918 bis 1938. In: Hans-Peter Benöhr (Hg), Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversorgung in der neueren deutschen Rechtsgeschichte (Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Tübingen 1991) 217-236, hier 224. 60 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 65. 61 Ebd 74. 62 Hofmeister, Arbeitsvermittlung, 224; Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 73. 63 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 74f. 64 Theo Mayer-Maly, Nationalsozialismus und Arbeitsrecht. In: U. Davy/H. Fuchs/H. Hofmeister/J. Marte/I. Reiter (Hg), Nationalsozialismus und Recht. Rechtssetzung und Rechtswissenschaft in Österreich unter der Herrschaft des Nationalsozialismus (Wien 1990) 173-191, hier 180. 18 Das Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 24. März 192065 führte die Arbeitslosenversicherungspflicht ein und knüpfte hinsichtlich des versicherungspflichtigen Kreises an die Krankenversicherung an (§ 1 Abs 1 lit a leg cit).66 Eine wichtige Neuerung war die Einführung der Mitfinanzierung durch die Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Während in den letzten beiden Jahren davor das Beitragsaufkommen zur Gänze vom Staat bestritten wurde, wurde es von nun an zusätzlich zum Staatsanteil zu je einem Drittel von diesen beiden Seiten gespeist.67 Die „V. Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz“68 vom 1. August 1922 führte die „Wertschaffende Arbeitslosenfürsorge“ (§ 29 leg cit) ein. Dieses Institut sah vor, dass die IBK beantragen konnten, Darlehen an die Gebietskörperschaften mit der Vorgabe zu vergeben, für volkswirtschaftlich nützliche Arbeiten zusätzlich Arbeitslose zu beschäftigen.69 Bis zum 6. November 193470 wurde das Arbeitslosenversicherungsgesetz 31 Mal novelliert.

Neben der Stellenvermittlung und Arbeitslosenunterstützung war eine weitere wichtige, öffentlichrechtlich institutionalisiert Agenda der Arbeitsmarktverwaltung die Berufsberatung, welche von den IBK wahrgenommen wurden.71 1921 gründete die Gemeinde Wien gemeinsam mit der Arbeiterkammer das Amt für Berufsberatung, 1925 folgten die Städte Klagenfurt und Salzburg und 1927 die Umgebungsgemeinden von Wien.72

Zu Beginn der Dreißiger Jahre wurde die junge Arbeitsmarktverwaltung von den politischen und wirtschaftlichen Umständen bereits massiv auf die Probe gestellt. Zum Einen wurde die triste Wirtschaftslage zum Prüfstein. Stand es nach dem Friedensvertrag von St Germain mit der Wirtschafts- und damit notwendigerweise auch mit der Beschäftigungslage nicht zum Besten, bedeutete die Weltwirtschaftskrise ab 1929 einen Prüfstein noch weit größeren Ausmaßes. Während die Arbeitslosenrate ab dem ersten Nachkriegsjahr meist doch deutlich unter der Zehn- Prozent-Marke dahingrundelte, erreichte sie 1933 schnell ihren Höchstwert in der Zwischenkriegszeit von 25,9 Prozent.73 In diesem Spitzenjahr – in Bezug auf die Arbeitslosigkeit – betrug der Budgetabgang bundesweit 106,2 Millionen Schilling von 268,6 Millionen, die die

65 StGBl 153/1920. 66 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 83ff. 67 Hofmeister, Arbeitsvermittlung, 225. 68 BGBl 534/1922. 69 Hofmeister, Arbeitsvermittlung, 232. 70 BGBl 414/1934. 71 Hofmeister, Arbeitsvermittlung, 232. 72 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 86. 73 Ebd 96. 19 Arbeitsmarktbehörden auszugeben hatten; das bedeutet, dass 39,5 Prozent der Ausgaben nicht durch Beitragsleistungen gedeckt waren und damit den Steuertopf belasteten.74

Einen Einschnitt anderer Art brachte zum anderen der Austrofaschismus. Was die Bewertung der Arbeitsmarktbehörden gemessen am Standard der Rechtsstaatlichkeit anbelangt, so wurden doch recht klare Schritte in Richtung Beseitigung demokratischer Elemente in den Arbeitsmarktverwaltungsbehörden in dieser Zeit unternommen.75 Per Verordnung76 wurden leitende Bedienstete der IBK ihrer Ämter enthoben und die Befugnis des Ministers für soziale Fürsorge normiert, diese Stellen nachzubesetzen. Nach der Entlassung politisch nicht konformer Mitarbeiter stellte sich die personelle Besetzung der Arbeitsmarktverwaltungsbehörden in einem massiv anderen – christlichsozial geprägten – politischen Vorzeichen dar. Auch weist eine Prioritätenliste mit der behördeninternen Anweisung, bevorzugt Mitglieder der Vaterländischen Front zu vermitteln77, deutlich in eine antidemokratische Richtung. Es darf aber nicht übersehen werden, dass an der Behördenstruktur selbst kaum gerüttelt wurde. Auch vor der Diktatur der Regierung Engelbert Dollfuß wurden die leitenden Beamten nicht etwa gewählt, sondern vom Staatssekretär für soziale Fürsorge berufen, also zentral von Regierungsseite her.78 Auch die Kollegialorgane wurden als solche in allen Instanzen beibehalten und nicht etwa durch monokratische ersetzt. Solche antidemokratische Maßnahmen, die den Behördenaufbau selbst betrafen, hat das Regime zum Beispiel im Bereich der Universitätsbehörden durchaus ergriffen79; sie wurden im Bereich des Arbeitseinsatzes aber nicht umgesetzt, wenngleich sie auf kurz oder lange möglicherweise geplant80 waren. Dass es dazu im Austrofaschismus nicht gekommen ist, liegt möglicherweise daran, dass der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich schlichtweg zuvor gekommen ist.

Im Deutschen Reich hat die bald nach dem Regierungsantritt Adolf Hitlers Ende Jänner 1933 einsetzende Aufrüstung eine damals weltweit beachtete Entlastung des Arbeitsmarktes bewirkt. Die Arbeitslosigkeit ist dort von etwa 31 Prozent im Jahr 1932 auf zirka 8 Prozent im Jahr 1936

74 Ebd 90. 75 Danimann, Arbeitsämter, 9f. 76 BGBl 96/1934. 77 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 108. 78 Ebd 73. 79 Mathias Krempl, Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Universitäten im Austrofaschismus. In: Friedrich Stadler/Herbert Posch/Katharina Kniefacz, Forschungspraktikum 070185 – Universitätsjubiläen im internationalen Vergleich. Wissenschaftsgeschichtliche Grundlagen, Methoden, Theorien und Narrative (Universität Wien, Sommersemester 2010) 17ff. 80 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 107. 20 gesunken.81 Militarisierung und damit militärische Rüstung wurde auch in Österreich seit dem Bürgerkrieg im Februar 1934 zu einem Faktor82, allerdings in einem vergleichsweise weit kleineren Ausmaß.

Die Regierung unter Kurt Schuschnigg und dessen Sozialminister Josef Resch unternahmen mit dem „Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz“83 von 1935 den wenig erfolgreichen Versuch, sich im Sozialwesen zu profilieren. Insgesamt brachte das Gesetz für die Arbeitslosen (§§ 275 bis 325 leg cit) durchwegs erschwerte Tatbestände – etwa im Bereich der Arbeitslosenunterstützung84 – und trug eher zur finanziellen Sanierung bei als zur Belebung des Arbeitsmarktes. Das GSVG führte die lange nach dem Zweiten Weltkrieg noch geläufige Terminologie mit der Bezeichnung „(Landes)arbeitsamt“ ein.

Eine wichtige arbeitsmarktpolitische Maßregelung war das Arbeitsförderungsgesetz85. Es sicherte jenen Industriegruppen eine Vergütung zu, die ihren durchschnittlichen Stand der Beschäftigten um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr erhöhten. Diese Vergütung sollte der Höhe nach der Hälfte jenes Betrags entsprechen, den sich der Staat dadurch an Arbeitslosengeld ersparte.86 Durch Maßnahmen, wie sie mit diesem Gesetz gezielt ergriffen wurden, die verstärkte Rüstung und Großprojekte87 wie die Großglockner-Hochalpenstraße, die Packer Straße oder die Wiener Höhenstraße konnte die Arbeitslosenrate auf 21,7 Prozent im Jahr 1937 reduziert werden. Die drei letztgenannten Großprojekte dienten vor allem der Arbeitsplatzbeschaffung; bei anderen Baustellen wie jenen der „Nibelungen Straße“88 (sie ist auch unter der Bezeichnung „Donaustraße“89 bekannt) wurden auch Häftlinge zwangsweise eingesetzt. Auf einem etwa 1,25 km langen Teilstück (zwischen der Brücke in Schlögen und dem ehemaligen Gasthof Eisgrabenwirt) arbeiteten vom 9. September 1935 an Insassen des Bettlerlagers in Schlögen.90 Im Jahr 1936 betrug die Arbeitslosenrate etwa der USA 23,9 Prozent, die von Großbritannien 13,1 und von Frankreich 10,4 Prozent.91 Die Situation in Österreich lag damit durchaus im

81 Ebd 118. Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 218 führt für das Jahr 1936 7,4 Prozent an. 82 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 106; Danimann, Arbeitsämter, 14. 83 BGBl 107/1935. 84 Danimann, Arbeitsämter, 18. 85 BGBl 181/1935. 86 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 114. 87 Ebd 100. 88 Jürgen Tröbinger, „Armenpflege mit eiserner Faust“. Öffentliche Fürsorge und die Verfolgung „Asozialer“ im Oberdonau. In: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchives 21 (2008) 617-692, hier 618f. 89 Ebd. 90 Siegwald Ganglmair, „Die hohe Schule von Schlögen.“ Zur Geschichte und Rezeption eines Bettlerlagers im Ständestaat. In: Medien & Zeit 2 (1990) 19-29, hier 22. 91 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 218. 21 internationalen Trend. Von einer wirklichen Erholung des Arbeitsmarktes war man aber im Ständestaat weit entfernt.

3. Die Arbeitseinsatzverwaltung zwischen März 1938 und August 1939 – Vollbeschäftigungspolitik, Rechtsvereinheitlichung, Zwangsarbeit

a. Konjunktur nach dem „Anschluss“ Österreichs

An der Belebung der deutschen Konjunktur, die schon ganz im Zeichen der Aufrüstung92 stand, und der Beschäftigungspolitik – etwa mit der Einführung von „Arbeitsbeschaffungswechseln“93 – hatte zunächst Hjalmar Schacht wesentlichen Anteil94. 1937 hatte man im Deutschen Reich Vollbeschäftigung erreicht.95 Schacht war ab August 1934 Reichswirtschaftsminister, bis ihn im November 1937 Hermann Göring ablöste. Seit 1936 trieb dieser als „Beauftragter für den Vierjahresplan“ („Verordnung zur Durchführung des Vierjahresplanes“96 vom 18. Oktober 1936) die Kriegsrüstung weiter voran, ein Unterfangen, welches das nun schon ausgeschöpfte Arbeitskräftepotential bald stark strapazierte.97 Hand in Hand mit der Aufrüstung ging dabei die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und damit eine weitere Entleerung des Arbeitsmarktes.98 Hjalmar Schacht blieb bis 1939 Reichsbankpräsident.

Vor dem Hintergrund der deutschen Rüstungs- und Wehrpolitik verwundert es nicht, dass eine der ersten politischen Maßnahmen des NS-Regimes in der Ostmark99 dem Arbeitsmarkt zu gelten hatte, wo ein großes ungenutztes Potential gut ausgebildeter Arbeitskräfte100 schlummerte. Per „Kundmachung des in Österreich“101 vom 19. März 1938 wurde der Vierjahresplan in der Ostmark in Kraft gesetzt. Durch günstige Kredite und andere Maßnahmen wurde die dortige Wirtschaft gepuscht. So wurden etwa Investitionen zur Anschaffung von Maschinen in allen Wirtschaftssektoren steuerlich begünstigt. Die Wehrwirtschaftsbehörden

92 Ebd 196. 93 Ebd. 94 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 118. 95 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 218. 96 RGBl I 1936 S 887. 97 Rolf Walter, Wirtschaftsgeschichte. Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart (Köln/Weimar/Wien 52011) 211f. 98 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 118. 99 Ebd 220. 100 Reinhard Engel/Joana Radzyner, Sklavenarbeit unterm Hakenkreuz. Die verdrängte Geschichte der österreichischen Industrie (Wien/München 1999) 93. 101 GBlÖ 30/1938. 22 vergaben Heeresaufträge im Gesamtwert von 25 Millionen Reichsmark an österreichische Betriebe. Die wirtschaftlichen Aktivitäten von Seiten des Altreiches wirkten sich erwartungsgemäß rapide auf den in der Ostmark noch gravierend angeschlagenen Arbeitsmarkt aus. In Wien entwickelten sich demzufolge die Arbeitslosenzahlen etwa folgendermaßen: Im Jahresdurchschnitt betrug die Zahl 1938 absolut 131.996, 1939 42.895 und 1940 nur mehr 13.593.102 Ostmarkweit wurden im April und Mai 1938 114.000 Arbeitslosen eine Beschäftigung verschafft, im Sommer weiteren 130.000.103

Nach der großen Beschäftigungswelle im Frühling und Sommer 1938 stagnierte saisonbedingt der Aufschwung bei den Neueinstellungen.104 Der Großteil der Arbeitslosen kam außerdem aus der Konsumgüterindustrie; diese freien Arbeitskräfte konnten aufgrund der härteren Arbeitsbedingungen im Baugewerbe nicht untergebracht werden. Im Jänner 1939 schwand die Restarbeitslosigkeit rapide. Anfang des Monats waren 84.000 Arbeitslose105 gemeldet, Ende April 77.134106. Wichtige Faktoren waren zum Teil die Einberufungen zur Wehrmacht107 und zum Teil Abwanderung beziehungsweise Abberufung von Facharbeitern ins Altreich108. So entstand ein Abgang, der bis zum Kriegsende nicht mehr wettzumachen109 war. Zum Frühjahr 1939 ist am Arbeitsmarkt in Oberdonau110, zu Kriegsbeginn Anfang September desselben Jahres in der gesamten Ostmark111 von Vollbeschäftigung auszugehen; etwa von da an waren dort die Arbeitskräfte Mangelware. Dennoch waren zu dieser Zeit noch 32.650 Arbeitslose gemeldet.112

102 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 125. 103 Ebd 122. Zur Entlassung jüdischer Beamter siehe Kap 3.d.v. 104 Ebd 123. 105 Ebd. 106 ÖStA/AdR, BKA-I ZGS Mappe 36 Arbeitseinsatz, 1939-1941, o.A, Die Arbeitslosen und die Hauptunterstützungsempfänger in der Ostmark. In: Der Arbeitseinsatz in der Ostmark 8 (1940) 1. 107 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 125. 108 Ebd 123. 109 Gruner, Zwangsarbeit, 167. 110 Josef Moser, Aus ökonomischer Sicht: Die Bedeutung des Einsatzes ausländischer Arbeitskräfte, ZwangsarbeiterInnen, Kriegsgefangener und KZ-Häftlinge in den Linzer Eisen- und Stahlwerken. In: Oliver Rathkolb (Hg), NS-Zwangsarbeit. Der Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin, 1938 – 1945, Bd 1, Zwangsarbeit – Sklavenarbeit: Politik-, sozial- und wirtschaftshistorische Studien (Wien/Köln/Weimar 2001) 323- 354, hier 332. 111 Norbert Schausberger, Deutsche Wirtschaftsinteressen in Österreich vor und nach dem März 1938. In: Gerald Stourzh/Brigitta Zaar (Hg), Österreich, Deutschland und die Mächte. Internationale und österreichische Aspekte des „Anschlusses“ vom März 1938 (Veröffentlichungen der Kommission für die Geschichte Österreichs 16, Wien 1990) 177-212, hier 207; Norbert Schausberger, Sieben Jahre deutsche Kriegswirtschaft in Österreich (1938–1945) In: Jahrbuch (1986) 10-60, hier 19. 112 ÖStA/AdR, BKA-I ZGS Mappe 36 Arbeitseinsatz, 1939-1941, o.A, Die Arbeitslosen und die Hauptunterstützungsempfänger in der Ostmark. In: Der Arbeitseinsatz in der Ostmark 1 (1939) 1. Zum Begriff der Vollbeschäftigung vergleiche Kap 1. 23 Die Maßnahmen in der „österreichischen Arbeitsschlacht“ 113 betrafen weiters den Bau von Autobahnen und Stauanlagen, den Ausbau des Bergwerkswesens und die Bodenverbesserung für die Landwirtschaft, alles Maßnahmen, die mehr oder weniger mit den Kriegsvorbereitungen in Zusammenhang standen. Ein Kapitel für sich im Hinblick auf die Kriegswichtigkeit als Waffenschmiede des Deutschen Reichs und die Priorität114 in Sachen Arbeitskräftezuteilung waren die Unternehmen der Reichswerke AG „Hermann Göring“.

b. Landhilfe

Die „Landhilfe“115 war ein Instrument des Altreiches, um der Landflucht entgegen zu treten und damit die Ernährungssituation flächendeckend und systematisch zu verbessern. Aufgrund von Förderungsmaßnahmen wurden im Altreich 19.000 landwirtschaftliche Arbeitsplätze geschaffen, wobei alleine 35 Prozent auf Landarbeiterinnen und Landarbeiter entfielen.116 Neben der Förderung von Arbeitsplätzen selbst wurde die Schaffung von annehmbaren Unterkünften forciert, um einem Kernproblem des Landarbeiterberufes entgegenzusteuern.

Ein zentraler Punkt bei der Landhilfe war die nachhaltige Kompensation der Lücken, die durch die abwandernde eingesessene Bauernschaft entstand. Es war dabei keineswegs so, dass lediglich auf die mangelnde Arbeitskraft abgestellt wurde. Vielmehr kamen auch rassische Überlegungen zum Tragen. So wurde ausnahmslos nur die Einstellung solcher lediger Landhelferinnen und Landhelfer gefördert, welche die deutsche Staatsbürgerschaft hatten.117 In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, dass der besondere erzieherische Zweck der Landhilfe betont wurde. Zur „Schaffung eines zufriedenen und stolzen Landarbeiterstandes“ wurden „die Hoheitsträger der Partei, der Gemeindeleiter, der Lehrer und sonstigen öffentlichen Bediensteten“ angehalten, „durch dauernde persönliche Einflussnahme auf die Volksgenossen auf dem Lande erzieherisch einzuwirken“118. Generell galt nach Ansicht des Präsidenten der Wiener Zweigstelle der Reichsanstalt, dass der Einsatz jüdischer Arbeitskräfte in der Landwirtschaft bei den Anbau- und Erntearbeiten auch deshalb nicht in Frage komme, weil der

113 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 122. 114 John, Zwangsarbeit, 50. 115 Szilagi, Arbeitseinsatz, 103ff; Heribert Rottenecker, 1939–1945. Vom freien Arbeitsmarkt zum Arbeiseinsatz – Ende der Reichsanstalt. In: Heribert Rottenecker/Jürgen Schneider (Hg), Geschichte der Arbeitsverwaltung in Deutschland (Stuttgart/Berlin/Köln 1996) 113-124, hier 116. 116 Szilagi, Arbeitseinsatz, 105. 117 Ebd 110. 118 Ebd 106f. 24 bäuerlichen Bevölkerung die Aufnahme jüdischer Arbeiter in die Hausgemeinschaft nicht zugemutete werden könne.119

Im Altreich ist die Landhilfe bereits 1936 erfolgreich ausgelaufen. Die Erfolge ließen es nahe legen, diese nun auch in der Ostmark einzuführen, was Anfang Juni 1938 über die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung auch geschah.120 Gefördert wurden land- und forstwirtschaftliche Betriebe bis zu 50 ha, die gegenüber dem Vorjahr zumindest eine Person im Alter zwischen 14 und 25 Jahren mehr einstellten. Die einzustellende Person musste über die rassischen Voraussetzungen hinaus für den Erziehungserfolg die Bedingung erfüllen, nicht mit landwirtschaftlicher Tätigkeit vertraut zu sein. Das Arbeitsamt gewährte bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Beihilfe im Ausmaß von bis zu 80 Prozent des Lohnes. Bei Erntehelferinnen durfte die Förderung monatlich 10 RM, bei Erntehelfern 15 RM nicht überschreiten. Die Landhelfer waren „in die Haus- und Familiengemeinschaft aufzunehmen“121.

Zuständige Behörde war das Arbeitsamt. Es prüfte die Voraussetzungen, wie insbesondere die Eignung des einzustellenden Personals im Hinblick auf dessen Gesundheit und „andere Gründe für eine Arbeit in der Landwirtschaft“ 122 sowie des Betriebes. Das Arbeitsamt entschied mit Bescheid.

c. Zur Methode der Übernahme geltenden Rechtes des Altreiches und die Schaffung „interlokalen Rechts“

Skurrilerweise bildete die Rechtsordnung, obgleich sich das NS-Regime weitgehend der Rechtsstaatlichkeit entledigt hatte123, ein wichtiges Herrschaftselement. Beim Zusammenschluss der vormals souveränen Staaten Deutsches Reich und Österreich stellte sich dabei die Frage nach dem Schicksal der Rechtsordnungen der beiden Staaten. Es ist mit Blick auf die großen Kodifikationsabsichten, die sowohl Rechtsgebiete wie das Strafrecht124 als auch das Zivilrecht125 betreffend gehegt wurden, davon auszugehen, dass die Nationalsozialisten langfristig an eine

119 Gruner, Zwangsarbeit, 77f. 120 Szilagi, Arbeitseinsatz, 108ff. 121 Ebd 111. 122 Ebd 112. 123 Uwe Dietrich Adam, Judenpolitik im Dritten Reich (Düsseldorf 2003) 169. 124 Herbert Loebenstein, Strafrecht und Strafenpraxis im nationalsozialistischen Staat. In: U. Davy/H. Fuchs/H. Hofmeister/J. Marte/I. Reiter (Hg), Nationalsozialismus und Recht. Rechtssetzung und Rechtswissenschaft in Österreich unter der Herrschaft des Nationalsozialismus (Wien 1990) 201 -208, hier 201. 125 Mayer-Maly, Arbeitsrecht, 184; Brauneder, Verfassungsgeschichte, 249. 25 möglichst homogene Rechtsordnung gedacht haben. Bestrebungen um eine „Rechtsangleichung“126 vor dem „Anschluss“ – vor allem auch im Arbeitsrecht127 – haben von österreichischer, aber auch von deutscher Seite her bestanden und die – wenn auch unvollständige128 – „Rechtsvereinheitlichung“129 danach vereinfacht. Die Idee von einem dauerhaft heterogenen Rechtsraum war also keineswegs festgeschrieben; dieser Zustand war aber vor allem für das Jahr 1938 sowohl im Arbeitsrecht als auch bis zu einem gewissen Grad im Recht der Arbeitseinsatzverwaltung charakteristisch. Letzteres130 wurde allerdings weitgehend aus dem Altreich übernommen131.

Wie auch immer die Verwirklichung etwaiger endgültiger Zukunftspläne ausgesehen haben mochten, sei dahingestellt. Hier soll vielmehr die rechtliche Konstruktion interessieren, mit der das Aufeinandertreffen der deutschen und der österreichischen Rechtsordnung im Bereich der Arbeitsmarktverwaltung bewältigt wurde.

Nach der Okkupation Österreichs132 legte das „Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“133 (in der Forschungsliteratur auch „Anschlussgesetz“134 genannt) vom 13. März 1938 fest, dass das bislang in Österreich geltende Recht weiterhin in Kraft bleiben sollte.135 Artikel 2 Satz 2 leg cit behielt die Einführung des Reichsrechtes – also insbesondere der Gesetze und Verordnungen des Altreiches – der Verordnungsmacht Hitlers vor. Auf dieser Grundlage erging zwei Tage später ein entsprechender Führererlass, dessen § 1 Abs 1 den

126 Bielefeldt, Rechtsvereinheitlichung im Privatrecht, 11. 127 Wolfgang Festl-Wietek, Einzelne Rechtsgebiete. In: Wilhelm Brauneder (Hg), Österreichisch-deutsche Rechtsbeziehungen I. Rechtsangleichung 1850-1938 (Frankfurt am Main/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1996) 199-266, hier 232-247. 128 Mayer-Maly, Nationalsozialismus und Arbeitsrecht, 184. 129 Ebd. 130 Wolfgang Siebert, Das Recht der Arbeit. Systematische Zusammenstellung der wichtigsten arbeitsrechtlichen Vorschriften (Berlin/Leibzig/Wien 51944) 62-84. 131 Kap 3.d. 132 Theo Öhlinger, Verfassungsrecht (Wien 82009) 46; Neuhold/Hummer/Schreuer, Völkerrecht, 568. Okkupation ist der korrekte terminus technicus für die weit verbreitete Bezeichnung des „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich. Dieses Kapitel ist ab hier bis zur FN 148 (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht, 225 ff) weitgehend meiner Seminararbeit (Mathias Krempl, Das Strafrecht an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien im Nationalsozialismus. Eine Annäherung. In: Univ.-Prof. Dr. Mitchell Ash, Seminar 070527 – Die Wissenschaft im Nationalsozialismus am Beispiel der Universität Wien (Universität Wien, Sommersemester 2010) 6-8) entnommen. 133 RGBl I 1938 S 237f; Philipp Millauer, Strafrecht in Österreich in der Zeit des Nationalsozialismus, (jur Diss, Salzburg 2001) 43; Michael Lojowsky, Zuständigkeit des Volksgerichtshofes in Österreich. In: Wolfgang Form/Wolfgang Neugebauer/Theo Schiller (Hg), NS-Justiz und politische Verfolgung in Österreich 1938 – 1945. Analysen zu den Verfahren vor dem Volksgerichtshof und dem Oberlandesgericht Wien (München 2006) 15- 27, hier 15. 134 Neuhold/Hummer/Schreuer, Völkerrecht, 567. 135 Brauneder, Verfassungsgeschichte, 249. 26 Geltungsbereich der Reichsgesetzblätter auf die Ostmark ausdehnte.136 Abs 2 leg cit bestimmte schließlich, „Reichsgesetze, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Wiedervereinigung […] verkündet werden, gelten für das Land Österreich, sofern ihre Inkraftsetzung für das Land Österreich nicht ausdrücklich vorbehalten ist“.

Im Klartext heißt das, dass innerhalb des Deutschen Reiches österreichisches Recht neben dem Recht des Altreiches parallel fortbestand. Es gab also zwei weitgehend selbständige Rechtsgebiete. Das Recht des Altreiches sowie das österreichische Recht wurden dabei jeweils im Hinblick auf die jeweiligen materiellen Rechtsbereiche in der zeitgenössischen Begrifflichkeit als „interlokales Recht“137 bezeichnet. Nicht anders war die Situation über weite Strecken im Recht des Arbeitseinsatzes. Merkmal des interlokalen Rechtes war also die sachliche Kompetenz der Behörden der Ostmark für das dortige Recht. Behörden der Ostmark durften also nach überwiegender Ansicht nicht ohne weiteres das Recht des Altreiches anwenden und umgekehrt.138 Damit war etwa bis zur Übernahme des reichsdeutschen Sozialversicherungsrechts im Dezember 1938 jenes der Ostmark weiterhin anzuwenden.139 Auch im Behördenaufbau wurden der Ostmark Zugeständnisse eingeräumt. So war etwa gemäß § 1 Abs 2 der österreichischen Arbeitseinsatzverordnung140 nach der umfassenden Übernahme des Arbeitseinsatzrechts141 das bisherige österreichische Dienstrecht für das Personal der Behörden der Arbeitseinsatzverwaltung weiterhin anzuwenden. Demgegenüber hat aber Hans Spanner vertreten, dass altreichsdeutsches Recht in der Ostmark sehr wohl Geltung besaß, wenn es die politische Grundordnung betraf.142

Das Bestehen verschiedner Rechtsordnungen nebeneinander in einem Hoheitsgebiet war etwa im System der Rechtskreise im mittelalterlichen Europa politische Selbstverständlichkeit. Diese Situation ergab sich aus der Struktur der vorparlamentarischen Gesellschaft und fand Ausdruck in den verschiedenen Landrechten, Hofrechten oder dem kanonischen Recht.143 Auch jeglicher modernen Rechtsordnung eines historisch gewachsenen Bundesstaates144 ist das Nebeneinander verschiedener Rechtsräume durchaus nicht fremd. Im NS-Staat lag nach dem Präsidenten des

136 RGBl I 1938 S 247. 137 Lojowsky, Volksgerichtshof, 15. 138 Ebd 22. 139 Kap 3.d.v. 140 RGBl I 1938 S 591. 141 Kap 3.d. 142 Millauer, Strafrecht, 44. 143 Wilhelm Brauneder, Neuere Europäische Privatrechtsgeschichte (Wien 112005) 5 f. 144 Robert Walter/Heinz Mayer/Gabriele Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungs- rechts (Wien 102007) 85 ff. 27 Volksgerichtshofes, Dr. Roland Freisler, dem interlokalen Recht die Überlegung zugrunde, dass die Gründung des „Großdeutschen Reiches“ Zeichen eines „Einander-Die-Hand-Reichens“145 sein sollte. Der Zusammentritt des deutschen Volkes sei also durchaus keine Okkupation oder gar Annexion gewesen. Nach außen hin manifestiere sich dieser innere Vorgang im Zugeständnis des eigenen Rechts der Ostmark, wie auch hier im Recht des Arbeitseinsatzes.

Dieses Zugeständnis der Gesetzgebung bezog sich aber lediglich auf die bestehende Rechtsordnung. Die Novellierungen auch des Arbeitseinsatzrechtes der Ostmark erfolgten durch staatliche Stellen des Reiches und nicht durch Organe der Ostmark. Seit dem Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich (kurz „Ermächtigungsgesetz“146) vom 24. März 1933147 wurden Gesetze im materiellen Sinn148 in der Regel in Verordnungsform erlassen, wie auch im Fall des Rechtes des Arbeitseinsatzes.

d. Die Übernahme geltenden Rechtes des Altreiches im Einzelnen

i. Übernahme erster Vorschriften

Als erste legislatorische Maßnahme im Bereich der staatlich organisierten Arbeitskräfteverwendung wurde der „Reichsarbeitsdienst“149 aus dem Altreich übernommen. Die systematische und umfassende Übernahme von Rechtsvorschriften sollte erst einen Monat später mit der österreichischen Arbeitseinsatzverordnung150 erfolgen. Der RAD ist zwar – nicht zuletzt aufgrund seiner von den Arbeitseinsatzbehörden unabhängigen Organisationsstruktur – nicht zur Arbeitseinsatzverwaltung im engeren Sinn zu zählen; doch soll er aufgrund seiner weitrechenden Bedeutung für den Einsatz von Arbeitskräften für zivile Aufgaben im Inland skizziert werden.

Die „Verordnung über die Einführung des Reichsarbeitsdienstes im Lande Österreich“151 vom 19. April 1938 setzte das „Reichsarbeitsdienstgesetz“152 vom 26. Juni 1935 samt seiner Novellen und Durchführungsbestimmungen in Kraft. Mit der Einführung des RAD waren männliche

145 Zit nach Millauer, Strafrecht 43. 146 Ilse Staff, Justiz im Dritten Reich. Eine Dokumentation (Frankfurt am Main 1979) 41. 147 RGBl I 1933 S 141. 148 Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht, 225 ff. 149 RGBl I 1935 S 769. 150 RGBl I 1938 S 591. 151 RGBl I 1938 S 400. 152 RGBl I 1935 S 769. 28 Angehörige der Ostmark vor dem Wehrdienst ein halbes Jahr lang zur zivilen Arbeit einzuberufen.153 Die Verordnung sollte allerdings erst mit 1. Oktober 1938 in Kraft treten. Diese Zeit war wohl vonnöten, um den Apparat des RAD in der Ostmark zu organisieren.

Das RADG verpflichtete die männlichen Deutschen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren vor dem Wehrdienst zur Ableistung eines halbjährigen nicht militärischen Arbeitsdienstes. Juden war der Eintritt in den Reichsarbeitsdienst verboten (§ 7 Abs 1 RADG idFv 19. März 1937154).

EXKURS: Erst nach Kriegsbeginn wurde am 4. September 1939 per Verordnung155 der verpflichtende Arbeitsdienst für Frauen im gesamten Deutschen Reich und damit auch in der Ostmark eingeführt. Davor hat es den „Arbeitsdienst der weiblichen Jugend“ (§ 9 des Reichsarbeitsdienstgesetzes) nur auf freiwilliger Basis und in sehr kleinem Ausmaß gegeben.

ii. Einführungsvorschriften zur Übernahme des Rechtes des Arbeitseinsatzes aus dem Altreich: Die österreichische Arbeitseinsatzverordnung

Nachdem der RAD zunächst in einem einzelnen Rechtsakt pro futuro errichtet wurde, haben zwei weitere Rechtsakte eine Reihe von Vorschriften des Altreiches in der Ostmark übernommen: die „Verordnung über die Eingliederung der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter in die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und über die Regelung des Arbeitseinsatzes im Lande Österreich“156 des Beauftragten über den Vierjahresplan, Göring, vom 20. Mai 1938 (fortan Österreichische Arbeitseinsatzverordnung) sowie die „Anordnung“157 des Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Syrup, vom 30. Mai desselben Jahres. Die Verordnung führte einige Gesetze und Verordnungen ein. Mit dem identischen Wortlaut der Verordnung erging die „Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verordnung über die Eingliederung der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter in die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und über die Regelung des Arbeitseinsatzes im Lande Österreich vom 20. Mai 1938 bekanntgemacht wird“158.

153 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 122. 154 RGBl I 1937 S 325. 155 RGBl I 1939 S 1693; Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 129. 156 RGBl I 1938 S 591. 157 Deutscher Reichsanzeiger, zit nach Szilagi, Arbeitseinsatz, 36. 158 GBlÖ 181/1938. 29

Die Anordnung führte ausschließlich Anordnungen ein, bei denen es sich durchwegs um Durchführungsvorschriften handelte, welche die vorangehenden Verordnungen konkretisierten.159 Sie waren detailliert und enthielten einen Großteil des eigentlichen normativen Inhalts des jeweiligen Rechtsbestandes. So enthielt die „Verordnung über die Verteilung von Arbeitskräften“160, die aufgrund des „Gesetzes über wirtschaftliche Maßnahmen“161 ergangen ist, lediglich vier kurze Paragrafen. Von den zahlreichen Anordnungen, die wiederum zur Präzisierung dieser Verordnung erlassen wurden, regelt der Abschnitt II in den §§ 9 bis 15 der Anordnung162 vom 28. August 1934 detailliert die Einstellung von Dienstnehmern unter 25 Jahren. Diese Verschachtelung entsprach der allgemein gängigen Rechtsetzungspraxis.163

Nicht sämtliche Anordnungen wurden im Reichsgesetzblatt, sondern teilweise ausschließlich im „Deutschen Reichsanzeiger“, einem besonderen Kundmachungsorgan verlautbart. Die mit der ÖAEVO übernommenen Gesetze und Verordnungen wurden im RGBl kundgemacht. Gleichzeitig erfolgte zu den Gesetzen beziehungsweise zu Verordnungen meist eine Verlautbarung des Reichsstatthalters in Österreich im „Gesetzblatt für das Land Österreich“.

§ 1 Abs 2 ÖAEVO bestimmte, dass das bisher geltende Recht der Bediensteten der Behörden weiterhin in Kraft bleibt. Es war also insofern nicht das Dienstrecht des Altreiches anzuwenden. § 2 Abs 2 und 3 leg cit legten außerdem fest, dass die in der Ostmark bestehenden außerbehördlichen Stellen ohne Genehmigung der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung weiterhin tätig sein durften. Diese Bestimmungen sind als leges speciales gegenüber § 1 Abs 2 letzter Satz des in der ÖAEVO enthaltenen „Gesetzes über Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung“164 zu verstehen, wonach ein solches Tätigwerden nur mehr nach ausdrücklicher Genehmigung seitens der Reichsanstalt zulässig war. Beide Bestimmungen, sowohl § 1 Abs 2 als auch § 2 Abs 2 und 3 sind Ausdruck des interlokalen Rechts.

Näher dargestellt werden in den folgenden beiden Unterkapiteln nur die mit der ÖAEVO übernommenen Gesetze und Verordnungen, da in ihnen wichtige Instrumente wie das

159 Szilagi, Arbeitseinsatz, 49. 160 RGBl I 1934 S 786. 161 RGBl I 1934 S 565. 162 Deutscher Reichsanzeiger 202/1934, zit nach Szilagi, Arbeitseinsatz, 54ff. 163 Adam, Judenpolitik, 170. 164 RGBl I 1935 S 1281. 30 Arbeitsbuch sowie der Behördenaufbau gut zum Ausdruck kommen. Für die weiter ausführenden Anordnungen sei auf die Zusammenstellung bei Szilagi165 verwiesen.

iii. Übernommenes formelles Recht gemäß der ÖAEVO

Schon bald nach dem Regierungsantritt Hitlers wurden die Nationalsozialisten im Deutschen Reich auf die „Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“166 (fortan Reichsanstalt) aufmerksam. Die Reichsanstalt wurde im Jahr 1927 gegründet, sie war seither für Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und Arbeitslosenversicherung zuständig. Sie wurde unter den Nationalsozialisten zu einer zentralen Einrichtung der Beschäftigungspolitik im Altreich, wie auch in der Ostmark. Die Reichsanstalt war bis zu den organisatorischen Veränderungen Ende 1938 als Körperschaft öffentlichen Rechtes formal eine unabhängige Institution.167 Friedrich Syrup wurde 1927 zum Präsidenten der Reichsanstalt ernannt, der er bis zu seinem Ausscheiden aus Gesundheitsgründen 1941 vorstand, als mit dem von Fritz Sauckel bekleideten Amt des Generalbevollmächtigten eine neue Einrichtung geschaffen wurde.168

Die Einrichtung der „Zweigstelle Österreich“169 der Reichsanstalt in Wien (fortan Zweigstelle, in der Forschungsliteratur ist oft auch die Bezeichnung „Außenstelle“170 zu finden) ist nach Maier171 und Schmuhl172 auf den 7. April anzusetzen. Dieser frühe Zeitpunkt macht die Bedeutung deutlich, welche das Regime dem ostmärkischen Arbeitskräftepotential beimaß. Zweck der Zweigstelle war es, eine „fachliche Erleichterung der Aufgaben in der Lenkung des Arbeitseinsatzes […] in der Ostmark“173 zu erreichen.

Am 13. April 1938 – also einen Monat nach dem „Anschluss“ – beorderte Friedrich Syrup „zur einheitlichen Lenkung der Arbeitsschlacht“174 Friedrich Gärtner nach Wien. Der bisherige

165 Szilagi, Arbeitseinsatz, 51-71. 166 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 118. Er spricht fälschlicherweise von der „Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und Arbeitslosenversicherung“. 167 Maier, Arbeitseinsatz, 13. 168 Engel/Radzyner, Sklavenarbeit, 43. 169 Maier, Arbeitseinsatz, 40; Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 228, FN 583. 170 Etwa Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 121. 171 Maier, Arbeitseinsatz, 40. 172 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 228, FN 583. 173 Szilagi, Arbeitseinsatz, 130. 174 Danimann, Arbeitsämter, 36; Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 121, 124. Er bezieht sich unter einer falschen Seitenangabe ausschließlich auf Danimann und macht wohl falsche Angaben zum Datum des Eintreffens von Gärnter (er gibt den 12. April an). 31 Präsident des Landesarbeitsamtes Westfahlen175 kam damit vor allem deshalb nach Wien, um der in weiterer Folge aufzubauenden Zweigstelle Österreich der Reichsanstalt vorzustehen.176 Die ÖAEVO beziehungsweise die Kundmachung des Reichsstatthalters177 vom 20. Mai 1938 waren dabei keine unmittelbaren Rechtsgrundlagen für die Errichtung der Zweigstelle178; sie ordneten lediglich den gesamten Behördenapparat in der Ostmark der Oberbehörde des Altreiches unter. Es bestand für die Ostmark also die Besonderheit, dass eine allein für die nachgeordneten Arbeitsmarktbehörden der Ostmark zuständige Instanz bestand, eben die Zweigstelle der Reichsanstalt. Wenngleich kein Gesetz die Errichtung der Zweigstelle ausdrücklich vorsah, wurde deren Bestehen von der Rechtsordnung doch stillschweigend vorausgesetzt. Dies geht etwa aus der Tatsache hervor, dass die Vorschriften bislang dezidiert (wie etwa § 16 der Durchführungsanordnung179 vom 29. Juni 1938) auf sie verwiesen.

Die beiden Vorschriften – die ÖAEVO und die Kundmachung vom 20. Mai 1938 – dehnten jeweils in § 2 Abs 1 Z 2 den räumlichen Geltungsbereich des „Gesetzes über Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung“180 vom 5. November 1935 auf die Ostmark aus. Damit wurden auch hier diese Agenden zugunsten der Reichsanstalt und dem nachgeordneten Behördenapparat zentralisiert.

Das Gesetz über Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung hatte eine weitgehende Monopolstellung der Reichsanstalt auf diesen Gebieten begründet.181 Dies ermöglichte eine gezielte Arbeitsvermittlungspolitik im Sinne des Regimes. „Das ganze Volk“ traf eine besondere, nicht durch herkömmliche Rechtsvorschriften wie Gesetze, Verordnungen oder Anordnungen determinierte „Ehrenpflicht […], verdiente Kämpfer der Bewegung […] bevorzugt wieder in Brot und Arbeit zu bringen […]“182. Unter den verdienten Kämpfern waren solche „Partei- und Volksgenossen“ zu verstehen, die „durch ihren persönlichen Einsatz und ihre Opfer die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, dass Österreich vor dem restlosen Zusammenbruch bewahrt und ins Reich heimgeführt werden konnte“183.

175 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 40. 176 Danimann, Arbeitsämter, 36; Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 121, 124. 177 GBlÖ 181/1938. 178 Szilagi, Arbeitseinsatz, 30, 130; Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 228, FN 583; Danimann, Arbeitsämter, 36, 39. Er setzt die rechtliche Errichtung auf den 30. Mai 1938 an, ohne dies zu belegen. Wahrscheinlich bezieht er sich fehlerhafterweise auf die oben erwähnte Einführungs-Anordnung im Deutschen Reichsanzeiger zit nach Szilagi, Arbeitseinsatz, 36. 179 Zit nach Szilagi, Arbeitseinsatz, 81ff. Im RGBl nicht zit [!]. 180 RGBl I 1935 S 1281. 181 Danimann, Arbeitsämter, 40. 182 Szilagi, Arbeitseinsatz, 123. 183 Ebd. 32

Zwischen dem „ für die Wiedervereinigung“184, Josef Bürckel, und dem Präsidenten der Zweigstelle Österreich der Reichsanstalt, Friedrich Gärtner, wurden „besondere Richtlinien“185 zur Eingrenzung des Kreises dieser verdienten Kämpfer vereinbart. Demnach stellten die Kreisleiter der NSDAP fest, wer als solcher von den Arbeitsämtern bevorzugt in Vermittlung zu bringen war.

Die Zweigstelle der Reichsanstalt bediente sich weiterhin der österreichischen „Amtlichen Nachrichten des Bundesministeriums für Soziales in Wien“ 186, dem auch vormaligen innerbehördlichen Weisungsorgan im Aufgabenbereich der Arbeitsämter. Die organisatorische Behördenstruktur der Mittel- und Unterinstanzen blieb bis zu den nächsten organisatorischen Umbrüchen im Gesamtreich187 unverändert.

iv. Übernommenes materielles Recht gemäß der ÖAEVO

Im Prozess der Anpassung des ehemaligen österreichischen Rechtes des Arbeitseinsatzes an die deutsche Rechtslage war die allgemeine Einführung des nationalsozialistischen Arbeitsbuches ein Schritt von großer Bedeutung. Die Einführung des Arbeitsbuches wurde in der Ostmark mit der „Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verordnung über die Eingliederung der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter in die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und über die Regelung des Arbeitseinsatzes im Lande Österreich vom 20. Mai 1938 bekanntgemacht wird“188 verlautbart.

Das Arbeitsbuch wurde im Altreich durch das „Gesetz über die Einführung eines Arbeitsbuches vom 26. Februar 1935“189 (fortan Arbeitsbuchgesetz) eingeführt. Dazu ergingen einige Durchführungsverordnungen, die zum Teil ebenfalls in der Ostmark übernommen wurden (§ 2 Abs 1 Z 1 ÖAEVO und § 2 Abs 1 Z 1 der Kundmachung vom 20. Mai 1938). Zentraler Zweck des Arbeitsbuches war die Erfassung der Arbeitskräfte zur späteren Verteilung am

184 Ebd. 185 Ebd. 186 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 121. 187 Die beiden Kap 3.h. und 4.a. 188 GBlÖ 181/1938. 189 RGBl I 1935 S 311. 33 Arbeitsmarkt.190 Die Ausstellung von Arbeitsbüchern war zunächst auf Branchen wie den Bergbau und die Metallverarbeitung beschränkt, wurde aber schrittweise ausgedehnt. Danach hatten die Betriebe den Arbeitsämtern Listen über die Mitarbeiter zu übermitteln. In der Folge wurde für jeden einzelnen Beschäftigten ein Arbeitsbuch angelegt.

Das Arbeitsbuch war als Institut des Arbeitsmarktsrechtes in der Ostmark nicht völlig neu.191 Neu war allerdings der unvergleichlich höhere Stellenwert, der ihm durch das Regime zugewiesen wurde. Das Arbeitsbuch wurde vom Arbeitsamt ausgestellt.192 Die Rohfassung enthielt die Personalien des Arbeitnehmers sowie dessen Berufsbild. Jede unselbständige Tätigkeit musste fortan dem Arbeitgeber zur Eintragung vorgelegt werden (§ 5 der Ersten Durchführungsverordnung193 zum ABG). Nach Aufnahme der unselbständigen Tätigkeit war das Arbeitsbuch dem Arbeitgeber zur Verwahrung auszuhändigen. Für das Verfahren bei mehrfacher Bestätigung waren vom Präsidenten der Reichsanstalt ausführende Bestimmungen zu erlassen. Ergänzend zum Arbeitsbuch selbst führten die Arbeitsämter Karteien mit den Angaben der Arbeitsbücher.194

Neben anderen Verstößen wurde etwa der unbefugte Gebrauch eines fremden Arbeitsbuches mit Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr belegt (§ 16 Z 1 leg cit). Der Arbeitnehmer war einer Reihe von weiteren Straftatbeständen ausgesetzt. Darüber hinaus wurde ab Kriegsbeginn der Erwerb von Lebensmittelkarten an das Arbeitsbuch geknüpft.195 Die weitreichende Exposition der Arbeitnehmer gegenüber der Strafgewalt der Arbeitsbehörden sowie die Verknüpfung mit derart elementaren Bedürfnissen wie der Lebensmittelbeschaffung machten das Arbeitsbuch reglerecht zu einem „Sklavenpass“196.

Besondere Brisanz hatte das Arbeitsbuch beim Arbeitseinsatz jüdischer Arbeitskräfte. Einerseits war es ein wichtiges Instrument für die Zwangsbeschäftigung. Das zuständige Arbeitsamt konnte mittels der Kartei sehr effizient arbeitslose Juden feststellen und in Arbeitslager internieren beziehungsweise die Daten anderen Stellen wie der Gestapo mitteilen.197 In den Jahren der Deportation bedeutete das Auffliegen einer Beschäftigung nach einer Kontrolle durch das

190 Götz Aly/Karl Heinz Roth, Die restlose Erfassung. Volkszählung, Identifizieren, Aussondern im Nationalsozialismus (Die Zeit des Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 22005) 55. 191 Kap 2. 192 Danimann, Arbeitsämter, 38f. 193 RGBl I 1935 S 602. 194 Maier, Arbeitseinsatz, 181. 195 Danimann, Arbeitsämter, 38. 196 Ebd. 197 Maier, Arbeitseinsatz, 181. 34 Arbeitsamt ohne Arbeitsbuch den sicheren Abtransport. Andererseits konnte eine Beschäftigung in kriegswichtigen Branchen mit Arbeitsbuch auch einen gewissen Schutz vor der Deportation bedeuten.198

Im Altreich hatte Hjalmar Schacht aufgrund des „Gesetzes über wirtschaftliche Maßnahmen“199 vom 3. Juli 1934 die „Verordnung über die Verteilung von Arbeitskräften“200 vom 10. August 1934 im Einvernehmen mit dem Reichsarbeitsminister und dem Stellvertreter des Führers der NSDAP erlassen.201 Aufgrund dieser Verordnung war es ausschließlich dem Präsidenten der Reichsanstalt vorbehalten, die Verteilung von Arbeitskräften zu regeln. Für diese Maßnahmen war jeweils die Zustimmung des Reichsarbeitsministers sowie des Reichswirtschaftsministers einzuholen. Die ÖAEVO führte diese Verordnung auch in der Ostmark ein.

Mit der „Verordnung über Vermittlung, Anwerbung und Verpflichtung von Arbeitnehmern nach dem Ausland“202 vom 28. Juni 1935 ist im Altreich eine rigide Beschränkung der Anwerbung von Arbeitskräften ins Ausland erfolgt.203 Dies ist nicht weiter verwunderlich, da es der eingeschlagenen Beschäftigungspolitik widersprechen musste, „tausende Arbeitnehmer“204 im Ausland einer Beschäftigung nachgehen zu lassen, wie es vor der Verordnung der Fall war. Der räumliche Geltungsbereich auch dieses Regelwerks wurde schließlich gem § 2 Abs 1 Z 4 ÖAEVO auf die Ostmark ausgedehnt.

v. Die Übernahme weiterer Vorschriften

Die Einführung des Reichsarbeitsdienstes in der Ostmark sowie der dargestellten Vorschriften des Altreiches im Bereich der Arbeitseinsatzes zeigt, dass man damit rechnete, infolge des vorkriegswirtschaftlichen Rüstungsausbaus die ehemalige österreichische Arbeitslosigkeit rasch auszugleichen. Die Arbeitskraft sollte bald zur Mangelware werden. Dennoch konnte man es sich im Mai 1938 noch leisten, jüdischen Beamtinnen und Beamten ihre Beschäftigung zu entziehen. Dies erfolgte mit der „Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums“205

198 Ebd. 199 RGBl I 1934 S 565. 200 RGBl I 1935 S 786. 201 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 118. 202 RGBl I 1935 S 903 203 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 119. 204 Ebd. 205 RGBl I 1938 S 607. Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 122f spricht fälschlicherweise im Zusammenhang mit der Entlassung jüdischer Beamter von einem „Nürnberger Rassengesetz“ aus dem Jahr 1938. 35 vom 31. Mai 1938. Deren § 3 war dem berüchtigten § 3 des Berufsbeamtengesetzes206 – dem sogenannten „Arierparagrafen“207 – nachempfunden und ordnete die Entlassung der jüdischen Beamten an.

Die „Verordnung über die Einführung der Sozialversicherung im Lande Österreich“208 vom 22. Dezember 1938 setzte das „Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“209 vom 16. Juli 1927 in der Ostmark in Kraft (§ 1 Abs 1 Z 4 der Verordnung vom 22. Dezember 1938). Damit wurde vor allem das von den Arbeitsämtern anzuwendende materielle Recht der Arbeitslosenversicherung des Altreiches in der Ostmark übernommen. Bis dahin wurden etwa Arbeitslosengelder nach altem österreichischen Recht ausbezahlt.210 Die Novelle211 des AVAVG vom 5. September 1939 beseitigte die Anwartschaft als Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes.212 Der Verzicht auf die Anwartschaft hätte an sich eine Begünstigung der Arbeitslosen bedeutet, wurde aber durch die rasch forcierte Arbeitsverpflichtung ausgeglichen.213 Schließlich trat mit dieser Einführungsverordnung die „Verordnung über die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte“214 in Kraft.

Mit dem AVAVG wurde auch die „Wertschaffende Arbeitslosenfürsorge“ (§ 139 AVAVG) in der Ostmark eingeführt. 215 Der Kern der WAF lag in einer finanziellen Unterstützung bestimmter Unternehmen aus den Mitteln der Reichsanstalt, insbesondere zur zusätzlichen Beschaffung von Arbeitsgelegenheiten für Arbeitslose (§ 139 Abs 1 Satz 1). Das Kriterium der Zusätzlichkeit war gegeben, wenn die „Arbeit ohne […] Förderung nicht […] erfolgen“216 hätte können. Träger von so finanzierten „Notstandsarbeiten“217 waren vor allem öffentlichrechtlich finanzierte Gesellschaften. Sachlich zuständige Behörde für den Antrag des Trägers war das

206 RGBl I 1933 S 175. 207 Staff, Justiz , 48. 208 RGBl I 1938 S 1912. 209 RGBl I 1927 S 187. 210 Danimann, Arbeitsämter, 37; Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 121. 211 RGBl I 1939 S 1674. 212 Kap 4. am Anfang. 213 Danimann, Arbeitsämter, 37. 214 RGBl I 1933 S 26. 215 Szilagi, Arbeitseinsatz, 115. Szilagi greift mit seinen Ausführungen (vom August 1938) zur WAF den rechtshistorischen Entwicklungen voraus, indem er dieses Institut schon vor seiner Übernahme per Verordnung (RGBl I 1927 S 187) vom 22. Dezember 1938 mit Wirksamkeit zum 1. Jänner 1939 in den Rechtsbestand der Ostmark unter Zugrundelegung der Terminologie des Altreiches als Bestandteil des in der Ostmark geltenden Rechtes einstuft. Dazu führt er lapidar aus, „an die Stelle der bisherigen PAF im Lande Österreich ist nunmehr die WAF getreten“ (S 116). 216 Szilagi, Arbeitseinsatz, 116f. 217 Ebd. 36 Arbeitsamt218; die Bewilligung wurde vom Präsidenten der Zweigstelle der Reichsanstalt erteilt.219

Das „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“220 (kurz „AOG“221) vom 20. Jänner 1934 wurde mit der „Zweiten Durchführungsverordnung über die Einführung sozialrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich“222 vom 9. Juli 1938 übernommen, nachdem davor schon einzelne Bestimmungen zum Kündigungsschutz223 in der Ostmark eingeführt worden sind. Mit den damit übernommenen Ämtern der Reichstreuhänder der Arbeit (§ 18 AOG) und der Deutschen Arbeitsfront224 schuf man vor allem einen Ersatz für das im Nationalsozialismus quasi abgeschaffte Kollektivarbeitsrecht225. Im Zusammenhang mit den Ämtern der Reichstreuhänder der Arbeit sollten die Arbeitsämter später nach organisatorischen Umgestaltungen226 noch eine wichtige Rolle spielen.

e. Gleichschaltung der Behörden

Wie im übrigen Verwaltungsapparat setzte das Regime auch im Bereich des Arbeitseinsatzes auf personelle Rochaden, um die Rekrutierung der Arbeitskräfte im Sinne nationalsozialistischer Vorstellungen zu gestalten. Eine der ersten Maßnahmen in diese Richtung war die schon erwähnte Berufung Friedrich Gärtners zum Präsidenten der Zweigstelle Österreich der Reichsanstalt.227 Weitere Führungspositionen der Zweigstelle sowie der Landesarbeitsämter in der Ostmark228 wurden mit Personal der Reichsanstalt sowie diverser Landesarbeitsämter aus dem Altreich besetzt.

Die Reichsanstalt spielte also eine zentrale Rolle bei der Gleichschaltung der vormaligen österreichischen Arbeitsbehörden. „Zur Reorganisation wurden etwa hundert Fachkräfte aus dem

218 Ebd 119ff. 219 Ebd 120. 220 RGBl I 1934 S 45. 221 Siebert, Recht der Arbeit, 2. 222 RGBl I 1938 S 851. 223 RGBl I 1938 S 335. 224 Eberhard Heuel, Der umworbene Stand. Die ideologische Integration der Arbeiter im Nationalsozialismus 1933- 1935 (Campus Forschung 636, Frankfort/New York 1989) 188ff. 225 Volker Hentschel, Geschichte der deutschen Sozialpolitik (1880 - 1980). Soziale Sicherung und kollektives Arbeitsrecht (Edition Suhrkamp 1247, Frankfurt am Main 1983) 101. 226 Kap 4.a. 227 Kap 3.d.iii. 228 Danimann, Arbeitsämter, 36. 37 ‚Altreich’ nach Österreich abkommandiert“229. In der Wiener Zweigstelle „wurde ein NS- Vertrauensmann namhaft gemacht, […] Doktor Karasek“230. In der Folge erhielt jedes einzelne Arbeitsamt einen NS-Kontaktmann.

f. Arbeitseinsatz nach rassischen Gesichtspunkten und Beginn der Zwangsarbeit

i. Perioden der Zwangsarbeit

Die Betrachtung des Arbeitseinsatzes in der Ostmark zeigt, dass in den gesamten Zeitraum zwischen dem „Anschluss“ Österreichs und dem Kriegsende mit der Zwangsarbeit ein großes aktuelles Thema des Arbeitseinsatzes fiel. Es gibt ergiebige Studien zu einzelnen Wirtschaftsbranchen231.

Es „soll […] nicht übersehen werden, daß während des Krieges auch in den demokratischen Staaten die Freizügigkeit weitgehend eingeschränkt wurde. Der Unterschied bestand darin, daß diese Maßnahmen etwa in England, um ein Beispiel zu nennen, niemals mit der Gefahr einer Entpersönlichung verbunden waren, daß sie einer außergewöhnlichen Situation entsprangen und auf einen möglichst kurzen Zeitraum beschränkt beziehungsweise gedacht waren, daß es sich mit einem Wort um zwar notwendige, dennoch aber von Regierung und Volk bedauernde Maßnahme handelte.“232 Vereinfacht gesagt, stützten sich die hier angesprochenen „demokratischen Staaten“ nicht zu einem Großteil auf Zwangsarbeit, wie dies eben im Deutschen Reich und damit auch in der Ostmark der Fall war. Wie groß die Bedeutung der Zwangsarbeit im weiteren Kriegsverlauf werden sollte, wird im Einzelnen in einem Kapitel weiter unten233 behandelt. An dieser Stelle sei lediglich vorweg betont, dass man vor allem mit kriegsbedingt fortschreitendem Arbeitskräftedefizit immer häufiger auf sie zurück griff. Dies führte schließlich so weit, dass jede vierte Arbeitskraft in der Ostmark Zwangsarbeit leistete.

229 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 228, FN 583. 230 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 121. 231 Rathkolb/Freund, Elektrizitätswirtschaft; Rathkolb, Standort Linz; Rathkolb/Wirth/Wladika, „Reichsforste“; Lütgenau/Schröck, Teerag-Asdag AG. 232 Danimann, Arbeitsämter, 44. 233 Kap 4.b. 38 Insgesamt gab es in der Ostmark in chronologischer Reihenfolge und entsprechend der jeweiligen Bedeutung im Arbeitseinsatz folgende Gruppen von Zwangsarbeitern234:

- Österreichische Juden in Zwangsarbeitslagern ab 1938 - Roma und Sinti in Zwangsarbeitslagern ab 1938 - Justizhäftlinge - In- und Ausländer in Arbeitserziehungslagern - Ungarische Juden im Osten der Ostmark - Kriegsgefangene - KZ-Häftlinge

Die Politik der NS-Zwangsarbeit kann grob in drei Perioden unterteilt werden.235 Jede Periode war dabei gekennzeichnet durch die volkswirtschaftliche Bedeutung von bestimmten Gruppen von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, vor allem gemessen an ihrer jeweiligen zahlenmäßigen Stärke. So gab es etwa gewiss ungarische Juden, die schon vor dem Jahr 1944 auf dem Gebiet der Ostmark arbeiteten. Aufgrund ihres organisierten massenhaften Einsatzes ab diesem Jahr sind sie aber der dritten Periode zuzuordnen und werden in dem entsprechenden Kapitel dargestellt.

Die erste Periode236 begann mit dem „Anschluss“ Österreichs und reicht bis zum Kriegsbeginn. Nach dem „Anschluss“ wurde rasch die österreichische Arbeitslosigkeit vom rüstungsbedingten Arbeitskräftebedarf im Deutschen Reich ausgeglichen. In dieser Zeit führte man die Zwangsarbeit von Juden sowie Roma und Sinti ein. Damit waren zu allererst jene gesellschaftlichen Randgruppen innerhalb des Dritten Reiches betroffen, die nicht ins nationalsozialistische Weltbild passten. Die zweite Periode237, vom Kriegsbeginn bis zum Scheitern des Blitzkrieges im Winter 1941/42, war vom Aufkommen des Ausländer- und Kriegsgefangeneneinsatzes geprägt. Die dritte Periode238 reichte bis 1945. In dieser Zeit wurde die Praxis der beiden vorangegangenen Perioden gesteigert.

234 Freund, NS-Arbeitskräftepolitik, 10ff. 235 Ebd 8ff. 236 Ebd. 237 Ebd. 238 Ebd. 39 ii. Der Einsatz jüdischer Arbeitskräfte

Anfang 1938 lebten von den insgesamt etwa 186.000 Glaubensjuden in der Ostmark 90 Prozent239, also zirka 167.400, allein in Wien. Nach den Gesichtspunkten der Nürnberger Rassengesetze war die Zahl um einige Tausend höher anzusetzen. Der überwiegende Teil der unselbständig Beschäftigten war in Angestelltenverhältnissen tätig.240 Ein Jahr nach dem „Anschluss“ hatte es die nationalsozialistische Vertreibungspolitik „geschafft“, die Zahl der Juden in der Ostmark zu halbieren; ab Sommerbeginn 1939 waren mehr als 1.000 jüdische Zwangsarbeiter aus der Ostmark beschäftigt241, wobei der mit Abstand größte Teil davon zum Zwangseinsatz ins Altreich transferiert wurde242.

Antijüdische Rassenpolitik und jüdische Zwangsarbeit waren nicht immer politische Geschwister. Durchaus bis zum Kriegsbeginn, jedenfalls aber bis zum Pogrom war die Judenpolitik im Deutschen Reich von forcierter Emigration geprägt, die von der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“243 in Wien, Prag und Berlin unter Adolf Eichmann vorangetrieben wurde. Der Pogrom vom 9. und 10. November 1938 ist dabei ein Höhepunkt der „Austreibung der Juden aus dem deutschen Machtbereich“244 und leitete gleichzeitig nicht nur eine verstärkte Arisierungswelle245 sondern auch die Entwicklung ein, Juden verstärkt als Arbeitskräfte abzuschöpfen246. „Die eigentliche Zäsur des Pogroms lag weniger in dem gewalttätigen Vertreibungsversuch oder in einer beispiellosen Radikalisierung, sondern in einer […] fundamentalen Neuorientierung der ‚Judenverfolgung’ nach dem Ereignis.“247 Der Kriegsbeginn und die verstärkte Arbeitskräftenachfrage machten den ökonomischen Gesichtspunkt der jüdischen Arbeitskraftreserve noch einmal deutlich.

Es wird noch die Rede davon sein248, dass später teilweise Unternehmer für ihre oftmals aufwändig angelernten jüdischen Fachkräfte eintraten, um diese möglichst behalten zu können. Noch im Herbst 1938, vor allem nach dem Pogrom, sträubten sich viele Unternehmer wie die

239 Maier, Arbeitseinsatz, 42; Gruner, Zwangsarbeit, 13. 240 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 335; Gruner, Zwangsarbeit, 81. 241 Gruner, Zwangsarbeit, 315 (Tabelle). 242 Ebd 81. 243 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 320. 244 Ebd. 245 Willi A. Boeckle, Die Deutsche Wirtschaft 1930–1945. Interna des Reichswirtschaftsministeriums (Düsseldorf 1938) 211, 213. 246 Gruner, Zwangsarbeit, 68ff. 247 Ebd 69. 248 Kap 4.b.i.2. 40 Wienerberger Zieglei AG249 gegen die Einstellung von Juden, da dies „unter den neuen Zeichen der Zeit“250 Ungewissheiten barg; es wurde mit anderen Worten schon etwa ein Jahr vor der ersten Deportation Anfang Oktober 1941 mit einem allfälligen Verlust der jüdischen Arbeitskräfte gerechnet. Juden waren so oftmals nicht mehr vermittelbar. Auch verweigerten öffentliche Bauträger beharrlich die Zusammenarbeit mit den Arbeitsämtern in diesem Bereich.251 Zu den betriebswirtschaftlichen Überlegungen kamen die von Gärtner gegenüber Bürckel berichteten ideologischen Motive252 für die mangelnde Kooperationsbereitschaft von Seiten der Unternehmer. Diese Erfahrungen veranlassten Gärtner, der die Aufgabe der Zweigstelle gefährdet sah, den Reichskommissar um Geltendmachung seines Einflusses zu bitten. Diese negative Einstellung wendete sich mit dem sich weiter verschärfenden Arbeitskräftemangel und den nach allmählichen Einstellungsversuchen gemachten positiven Erfahrungen253, ist aber charakteristisch für die Anfänge der Abschöpfung jüdischer Arbeitskraftreserven und hatte auch gewissen Einfluss auf das weitere Vorgehen der Arbeitseinsatzbehörden.

Die fortschreitende wirtschaftliche Belebung in der Ostmark, aber auch Umstände wie der faktische Ausschluss der Juden vom freien Arbeitsmarkt von Seiten der Privatwirtschaft bei gleichzeitig steigenden Arbeitslosenzahlen unter der jüdischen Bevölkerung, gaben Anstoß zu Diskussionen in den Kreisen der Wiener Arbeitseinsatzverwaltung, die um eine Trendwende weg von der Vertreibung als alleinigem Ziel hin zur Zwangsarbeit kursierten.254 Das Vorbild für den zwangsweisen Arbeitseinsatz der Juden war dabei möglicherweise das Vorgehen gegen die zirka 7.000 burgenländischen Roma und Sinti, die unter ganz ähnlichen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sonstigen Diskriminierungen litten.255

Die behördliche Initiative für den Einsatz der Juden zur Zwangsarbeit ist dem Präsidenten der Zweigstelle Österreich der Reichsanstalt, Friedrich Gärtner, und seiner Dienststelle zuzuschreiben.256 Nach dessen Vorstellungen sollten sämtliche arbeitslosen Juden herangezogen werden. Unterstützung erhielt er von Reichskommissar Josef Bürckel, der in einem Schreiben an

249 Gruner, Zwangsarbeit, 78, 197. 250 Ebd 47. 251 Maier, Arbeitseinsatz, 41. 252 Gruner, Zwangsarbeit, 48. 253 Maier, Arbeitseinsatz, 45f. 254 Gruner, Zwangsarbeit, 47. 255 Ebd. Gruner schreibt dort von der Verhängung des Zwangseinsatzes „gegen die ca. 7000 dort lebenden ‚Zigeuner’ “. Dies ist insofern unpräzise, als nicht angegeben wird, welche Roma und Sinti (nach Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand und so weiter) tatsächlich zu Zwangarbeiten herangezogen wurden. 256 Gruner, Zwangsarbeit, 47ff. 41 Gärtner auf die Notwendigkeit des „Geschlossenen Arbeitseinsatzes“257 hinwies und damit die strikte Trennung der Juden von Nichtjuden am Arbeitsplatz einforderte.

Auf die nachdrückliche Forderung von Seiten des nach einem von Nichtjuden getrennten Arbeitseinsatz auf „Kolonnenarbeitsplätzen“ 258 hin legte der Präsident der Zweigstelle die zwei Möglichkeiten dar, die seiner Ansicht nach bestünden.259 Vor allem Männer könnten entweder auf gesonderten Baustellen eingesetzt werden, so etwa bei Straßenkanalisierungen, Dränagen sowie Sein- und Schottergewinnung. Oder man beschäftige die Arbeitslosen in Betrieben mit eigenen Arbeitssälen, was vor allem den Einsatz von Frauen etwa in der Elektroindustrie ermöglichen würde.

Im Zusammenhang mit der Idee des „Geschlossenen Arbeitseinsatzes“ fallen zwei Aspekte ins Auge. Erstens fällt auf, dass die Idee in der Ostmark entstand und nicht etwa aus Berlin stammte. Es gibt keine Hinweise darauf, dass der Anstoß dazu unmittelbar vom Reichsarbeitsminister Franz Seldte oder dem Präsidenten der Reichsanstalt in Berlin, Friedrich Syrup, stammte. Vielmehr ist davon auszugehen260, dass die Arbeitseinsatzverwaltung in der Ostmark in Kooperation mit dem eine Vorreiterrolle einnahm und ihr Modell Vorbild für den späteren „Geschlossenen Arbeitseinsatz“ im Altreich wurde. Und zweitens ist der Zeitpunkt der Diskussion um den „Geschlossenen Arbeitseinsatz“ beachtlich, die vor dem Pogrom und der darauf folgenden Umorientierung des Regimes in der Strategie der Judenverfolgung stattfand.

„Spätestens ab 1938, nach dem Novemberpogrom, herrschte für die jüdischen Arbeitskräfte die Zwangsbeschäftigung vor.“261 Dazu berichtete das Salzburger Volksblatt:

„Aus Stuttgart wird gemeldet: Sämtliche arbeitsfähigen Juden aus Haigerloch sind vom Arbeitsamt zu Arbeiten an der Reichsbahnstrecke Horb-Neckarhausen herangezogen worden. […] Von der Bevölkerung wird die Maßnahme des Arbeitsamtes sehr begrüßt, da den bisherigen Parasiten dadurch Gelegenheit zu praktischer Betätigung gegeben ist.“262

257 Ebd. 258 Maier, Arbeitseinsatz, 41. 259 Ebd 41f. 260 Gruner, Zwangsarbeit, 49. 261 Maier, Arbeitseinsatz, 11. 262 Ebd 13. 42

Schon 1935 hatten die Behörden des Arbeitseinsatzes im Altreich für Schriftstücke, die Juden betrafen, das Aktenzeichen „5431“263 eingeführt. In aller Regel trugen sämtliche Schriftstücke in jüdischen Angelegenheiten dieses Aktenzeichen. Im Sommer 1940 wurde das Aktenzeichen durch den Aktenvermerk „Jude, Mischling“264 ersetzt. Es ist davon auszugehen, dass es im Frühling 1940 – also weit mehr als ein Jahr vor der Einführung des „Judensterns“ (§ 1 der „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“265 vom 1. September 1941) – schon gängige Praxis sowohl in Unternehmen als auch der Arbeitseinsatzverwaltung war, jüdische Zwangsarbeiter mit speziellen Armbinden zu kennzeichnen.

Am 20. Dezember 1938 gab der Präsident der Reichsanstalt, Syrup, jenen Erlass heraus, der in den folgenden drei Jahren den Arbeitseinsatz der Juden offiziell anordnete und grundlegend regelte.266 Einige Behörden beriefen sich in der Folge auf den Rechtsakt. Der Erlass nennt im Briefkopf ausdrücklich auch die Zweigstelle Österreich und hat folgenden Inhalt:

„Nach den mir vorliegenden Berichten hat sich die Zahl der arbeitslosen Juden erheblich vermehrt. Der Staat hat kein Interesse daran, die Arbeitskraft der einsatzfähigen arbeitslosen Juden unausgenutzt zu lassen und diese unter Umständen aus öffentlichen Mitteln ohne Gegenleistung zu unterstützen. Es ist anzustreben, alle arbeitslosen und einsatzfähigen Juden beschleunigt zu beschäftigten und damit nach Möglichkeit die Freistellung deutscher Arbeitskräfte für vordringliche, staatspolitisch wichtige Vorhaben zu verbinden. Der Einsatz erfolgt in Betrieben, Betriebsabteilungen, bei Bauten, Meliorationen usw., abgesondert von der Gefolgschaft. Ich ersuche Sie daher, unverzüglich bei den öffentlichen und privaten Unternehmern Ihres Bezirks auf die Bereitstellung solcher Arbeiten hinzuwirken.

Es ist sichergestellt, daß dem Unternehmer oder seinem Betrieb aus der Tatsache, daß er Juden beschäftigt, keinerlei Nachteile erwachsen. Als Juden im Sinne dieses Erlasses sind Juden deutscher Staatsangehörigkeit und staatenlose Juden (§ 5 der

263 Ebd 17. 264 Ebd. Dieser Aktenvermerk ist von den Zeichen „J“ (WStLA, LAA, AlK Wien 1922-1944, GZ 16.408/Kornfeil) beziehungsweise „JU“ (WStLA, LAA, AlK Wien 1922-1944, GZ 15.788/Bauer) zu unterscheiden, welche etwa vom Arbeitsamt für Jugendliche in der Phorusgasse 10, im vierten Wiener Gemeindebezirk, verwendet wurden. 265 RGBl I 1941 S 547. 266 Maier, Arbeitseinsatz, 29. 43 Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 – Reichsgesetzbl. I S. 1333) anzusehen, die für einen Arbeitseinsatz geeignet sind.

Wegen der Bereitstellung geeigneter Arbeiten für Juden auch durch öffentliche Betriebe habe ich mich mit den in Frage kommenden Obersten Reichsbehörden in Verbindung gesetzt. Gleichzeitig habe ich den Herrn Reichswirtschaftsminister und den Herrn Reichsernährungsminister gebeten, die Unternehmer der privaten Wirtschaft auf die Notwendigkeit der beschleunigten Heranziehung der Juden zur Arbeit und der Bereitstellung entsprechender Arbeiten nachdrücklich hinzuweisen.

Dieser Erlass ergeht mit ausdrücklicher Billigung des Beauftragten für den Vierjahresplan, Ministerpräsident Generalfeldmarschall Göring. Den Stellvertreter des Führers habe ich gebeten, die Parteidienststellen einschließlich der Gliederungen und angeschlossenen Verbände im Sinne dieses Erlasses zu unterrichten.

Über die von Ihnen durchgeführten Maßnahmen und die dabei gemachten Erfahrungen bitte ich mir laufend zum 15. jeden Monats – erstmalig zum 15. Januar 1939 – zu berichten.“ 267

Der zitierte Erlass sprach eine zentrale Motivation der Behörden des Arbeitseinsatzes für den verstärkten Einsatz von Juden an, nämlich die Reduktion der finanziellen Belastung, die durch die gewachsene Zahl jüdischer Arbeitsloser entstanden ist.268 Dabei sollte die Ausweitung der Zwangsbeschäftigung nicht nur diesem Sektor der Verwaltung und in weiterer Folge der Privatwirtschaft zugute kommen, sondern auch den Gemeinden, die dadurch eine Reduktion der von ihnen gewährten Fürsorgeleistungen erwarteten.269

Ein weiterer Beweggrund für die verstärkte Beschäftigung von Juden war die gleichzeitige Freisetzung nichtjüdischer Arbeitskräfte für andere Aufgaben270 etwa in der Verwaltung, mit denen aus der Sicht des Regimes Juden nicht betraut werden konnten. Und schließlich erzielte

267 Ebd 29ff. S 28f enthalten eine Lichtbildreprodutkion jener Ausfertigung, die an das Gaulandesarbeitsamt Karlsruhe ergangen ist. 268 Ebd 41. 269 Ebd 23. 270 Ebd 23. 44 man durch die Beschäftigung unter besonders schlechten Bedingungen eine raschere Bereitwilligkeit zur Auswanderung.271

Den zahlreichen Beweggründen für den verstärkten Arbeitseinsatz der Juden standen jedoch beträchtliche Hindernisse gegenüber. Erstens waren wie erwähnt272 viele potentielle Arbeitgeber nicht bereit, Juden einzustellen. Zweitens schaffte es die Zweigstelle nicht, die Frauenbeschäftigung vor allem im industriellen Sektor auszuschöpfen. Maier führt dies auf die ungünstige Branchenstruktur im Wiener Raum zurück.273 Und drittens standen die körperlichen Voraussetzungen den Absichten entgegen, Juden vorwiegend zu körperlichen Arbeiten heran zu ziehen. 70 Prozent der arbeitslosen Juden waren nach den statistischen Unterlagen über 40 Jahre alt, die Zweigstelle vermutete einen noch höheren Altersanteil.274 Nach Meinung der Zweigstelle meldeten sich viele Juden nicht mehr beim Arbeitsamt, nachdem sie einmal zu körperlich harten Arbeiten vermittelt worden sind. Dazu hat sicherlich auch der Entzug der Straßenbahnfahrscheine beigetragen.275 Der schikanösen Beschäftigungspolitik versuchten viele durch Umgehung des Arbeitsamtes zu entrinnen, was häufig auch gelang. Um dem entgegen zu treten, richtete sich der gerade ernannte SS-Brigadeführer Karl Scharizer am 22. Mai 1939 an die NSDAP-Gauleitungen.276 Er forderte diese auf, sämtliche bekannten Fälle, in denen sich Juden ohne Beiziehung des Arbeitsamtes um eine Beschäftigung bewarben, dem Arbeitsamt Wien zu melden.

Während sich der separate Einsatz der jüdischen Frauen als besonders schwierig herausstellte, war der Mangel an Kolonnenarbeitsplätzen von Beginn des „Geschlossenen Arbeitseinsatzes“ an generell ein Problem in der Ostmark.277 Dies führte zu Überlegungen, in Zusammenarbeit mit dem Altreich die überregionale Koordination des Arbeitseinsatzes von Juden aus der Ostmark in Gang zu setzen. Zu diesem Zweck nahm Gärtner mit der Wasserstraßendirektion Hannover und mit dem Brake (beide Niedersachsen) Verhandlungen über den dortigen Einsatz von insgesamt 500 bis 800 arbeitslosen Juden aus Wien auf. Bis Mai 1939 wurden weit über 1.000 ins Altreich transferiert, davon mehr als 700 nach Niedersachsen.278

271 Ebd. 272 Weiter oben in diesem Kapitel. 273 Maier, Arbeitseinsatz, 46. 274 Ebd 45. 275 Ebd. 276 Gruner, Zwangsarbeit, 82. 277 Ebd 48, 75. 278 Ebd 84. 45 Für sogenannte „Umschulungen“ betrieb die Israelitische Kultusgemeinde unter Aufsicht der SS vor allem in Wien und Niederdonau nach dem „Anschluss“ einige Lager.279 Unter dem Deckmantel von „Umschulung“ und „Emigrationsförderung“ trieb auch die Wiener Zweigstelle den Zwangseinsatz voran. In einem Schreiben280 an Reichskommissar Bürckel vom 20. September 1938 klagte Gärtner über die noch immer hohe Erwerbslosenzahl von 9.910 Juden, die mit der Arbeitslosenunterstützung beziehungsweise der Notstandsaushilfe öffentliche Unterstützung erhielten. Trotz der erleichterten Passerteilung für jüdische Emigranten seien die bisherigen Erfolge unbefriedigend. Hinzu komme die bedingte Bereitwilligkeit etwaiger Einwanderungsländer, nur handwerklich entsprechend geschulte Juden aufzunehmen. Aus diesem Grund habe er Vorkehrungen getroffen, aus öffentlichen Mitteln unterstützte Juden bis zur Ausreise mit Erd- und Steinbrucharbeiten zu beschäftigen. Dieser Einsatz werde in den nächsten Wochen noch zu verstärken sein.

Dass sich Gärtner bei den tatsächlich umgesetzten Maßnahmen weitgehend auf Scheinargumente281 stützte, liegt wohl auf der Hand. Denn die Aufnahmebereitschaft der Immigrationsstaaten mag tatsächlich an die Bedingung der handwerklichen Ausbildung geknüpft gewesen sein; die „Ausbildung“ in Erde Schaufeln und Steine Schleppen war dafür aber sicherlich nicht der geeignete Ansatz. Dessen ungeachtet wurden kurz nach dem Brief Gärtners an Bürckel 200 Juden bei öffentlichen Arbeiten im Landesarbeitsamtsbezirk Wien beschäftigt.

Ganz in diesem Sinne wurde schon vor dem zitierten Erlass282 der Reichsanstalt vom 20. Dezember 1938 im Herbst 1938 unter Walter Rafelsberger, dem Leiter der für Arisierung zuständigen Vermögensverkehrsstelle in Wien und zugleich NSDAP-Gauwirtschaftsberater, ein Entwurf zur Unterbringung von Juden in einem Lager erstellt.283 Zur „Umschulung“ in handwerkliche Berufe für die Vorbereitung der Auswanderung, zur Abschöpfung der Arbeitskraft und für die umfangreiche Freimachung von Wohnungen für Arier sollte eine Lagerkapazität von 10.000 Plätzen erreicht werden. Daneben sollten im Lager untergebrachte arbeitslose Juden zum Autobahnbau herangezogen werden. In Frage kamen fünf Standorte, von denen man sich schließlich wegen der isolierten Lage, der Möglichkeiten für den Arbeitseinsatz, der Kosten und der späteren Weiterverwendbarkeit für Gänserndorf in Niederdonau entschied. Die Leitung sollte nach Rafelsberger dessen Vermögensverkehrsstelle zukommen.

279 Ebd 310-312. 280 Ebd 47f. 281 Ebd 48. 282 Oben in diesem Kapitel. 283 Maier, Arbeitseinsatz, 62-67. 46

Mit der Errichtung des „Auswanderer-Umschulungslagers für Nichtarier“284 in Gänserndorf wurde Ende 1938 begonnen. Dem Aufbaulager für 400 Personen sollte das eigentliche Großlager folgen. Mit der Leitung wurde die Gemeinde Gänserndorf unter Oberbürgermeister Dürrfeld betraut. Baustoffe wurden am 23. November 1938 bei der „Abteilung Rohmaterialien für den Vierjahresplan“285 beantragt.

In der Wiener Universitätsstraße richtete Dürrfeld eine Dienststelle ein, die versuchte, mittels Polizeirazzien jüdische Arbeitskräfte für den Aufbau des Lagers zu rekrutieren. Dem Kanzleileiter Heinrich K. Himmel war es dabei gelungen, die Polizei unter einem Vorwand zu überzeugen, jüdische Gäste des Kaffeehauses „Atlantic“ zu kontrollieren. Im weiteren Verlauf wurden dort 25 Männer und vier Frauen fest genommen und dem Lager Gänserndorf überstellt, ohne dass irgendwelche Vergehen vorlagen.286 Bürckel hatte über die Polozeiinspektion von dem eigenmächtigen Vorgehen erfahren und dieses scharf kritisiert; es habe stark gegen das von Göring angeordnete Verbot des Vorgehens in Einzel-Aktionen verstoßen. Die 29 Personen wurden wieder frei gelassen und das Lager rekrutierte die Insassen künftig über das Arbeitsamt.

Dem Projekt war kein Erfolg beschieden. Es war vorgesehen, dass das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit zunächst die Kosten der Errichtung tragen solle. Die laufenden Kosten für den Betrieb des Lagers sollte zu einem Großteil aus der Arbeitslosenunterstützung der Insassen gespeist werden.287 Allerdings waren die Einnahmen der wenigen Lagerinsassen zur Deckung der Kosten nicht annähernd ausreichend. Nach einer Abrechnung vom 9. Februar 1939 stammten von einer Gesamtsumme von 140.000 RM an Aufwendungen lediglich 2.744 RM aus Einnahmen der untergebrachten Juden.288 Einen Monat später war der Ausbau nur so weit fortgeschritten, dass 450 Juden im Lager untergebracht werden konnten. Ende Jänner 1940 waren allerdings nur 160 Juden im Lager untergebracht, die schon bald darauf vom Arbeitsamt zum Einsatz im gesamten Reich abgezogen wurden. Im Frühling 1940 wurde das Lager der Stadt Wien übergeben.

284 Ebd 63. 285 Ebd. 286 Ebd 99. 287 Ebd 62. 288 Ebd 64. 47 Aus der regelmäßigen Korrespondenz289 zwischen der Zweigstelle und dem Reichskommissariat im Zeitraum von September 1938 bis Juni 1939 geht die Entwicklung der Zahlen jüdischer Erwerbsloser hervor. Zwischen Jänner 1939 – also nach dem Novemberpogrom und dem Erlass290 der Reichsanstalt – und dem Ende dieses Betrachtungszeitraumes konnte die Zahl der erwerbslosen Juden in der Ostmark von 13.000291 auf 3.676292 reduziert werden. Bei dieser Zahl stieß die Vermittelbarkeit aufgrund der eingeschränkten Einsatzfähigkeit der letzten Arbeitslosen schließlich an ihre Grenzen.293 Der Rückgang ist laut Zweigstelle auf die hohe Zahl an Vermittlungen zurück zu führen.294 Entsprechend der Verteilung in der gesamten Ostmark entfielen zum Stichtag 25. Oktober 1938 von insgesamt 11.167 Arbeitslosen Juden 11.038 auf Wien, „wo insgesamt 79.027 Arbeitslose registriert waren. Knapp 58 Prozent (6.436) der jüdischen Arbeitslosen waren kaufmännische und Büroangestellte, ohne die 777 technischen und sonstigen Angestellten. Der Anteil der Frauen lag bei zirka 35 Prozent.“295

Die „Verordnung über die Einführung der Nürnberger Rassengesetze“296 vom 20. Mai 1938 setzte das „Reichsbürgergesetz“297 vom 15. September 1935 und teilweise die dazu ergangene „Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz“298 vom 14. November 1935 (§ 1 Z 2 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz) in der Ostmark in Geltung. Übernommen wurden damit auch die Bestimmungen über die jüdischen „Mischlinge“ (§ 2 Abs 2 und § 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz) und deren Abgrenzung von „Volljuden“.299

Ohne Berücksichtigung des individuellen Glaubensbekenntnisses war Volljude, wer von drei oder vier „der Rasse nach volljüdischen Großeltern abstammte“ (§ 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz), wobei die Religionszugehörigkeit der Großeltern für ihr Tatbestandsmerkmal „volljüdisch“ Ausschlag gebend war (§ 2 Abs 2 Satz 2 leg cit). Jüdischer Mischling nach § 2 Abs 2 Satz 1 leg cit war ein Abkömmling von weniger als drei jüdischen Großeltern. Stammte der Mischling von zwei jüdischen Großeltern ab, so waren zusätzliche

289 Ebd 40-46. 290 Oben in diesem Kapitel. 291 Maier, Arbeitseinsatz, 42. 292 Ebd 45. 293 Ebd 46. 294 Ebd. 295 Ebd 42. 296 RGBl I 1938 S 594. 297 RGBl I 1935 S 1146. 298 RGBl I 1935 S 1333. 299 Interessanterweise wurde in der Einführungsverordnung vom 20. Mai 1938 lediglich die Definition nach § 2 Abs 2 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz, nicht aber der Verweis auf ihren Anwendungsbereich auf Mischlinge in § 2 Abs 1 übernommen. Dass diese trotzdem Anwendung fanden, zeigen die Vorgänge um die Verstöße gegen den Schutz der Mischlinge (gleich unten in diesem Kapitel). 48 Kriterien wie Religionsbekenntnis oder jüdische Rasse des Gatten ausschlaggebend (§ 5 Abs 2 leg cit). Lagen diese zusätzlichen Kriterien vor, so war der Tatbestand des „Geltungsjuden“300 erfüllt. Der oder die Betreffende war also Jüdin beziehungsweise Jude und unterlag den diskriminierenden Bestimmungen. Ein ähnlich komplexes Wertungssystem wurde für „Mischehen“301 entwickelt, das jedoch nie eine gesetzliche Grundlage erhalten hat.

Jüdische Mischlinge waren juristisch geschützt. Dies insofern, als sie nicht als Juden galten und damit zunächst die diskriminierenden Bestimmungen der Nürnberger Gesetze und auf ihrer Grundlage ergangenen Verordnungen nicht anwendbar waren. Volljuden genossen den quasi- rechtlichen – weil nie gesetzlich normierten – Schutz, sofern sie in privilegierter Mischehe lebten, also entweder in einer kinderlosen Ehe nur die Gattin Jüdin, ihr Mann aber Arier war, oder die gemeinsamen Kinder nicht im jüdischen Glauben erzogen wurden.302 Im letzteren Fall konnte also auch der Gatte Jude sein.

Dieser juristische Schutz der Mischlinge war auch ausdrücklich bei deren Arbeitseinsatz zu beachten, wie ein entsprechender „Erlass“303 des Reichsarbeitsministeriums vom 2. September 1938 belegt. Auch andere Stellen wie der Reichsinnenminister, Wilhelm Frick, oder der Stellvertreter des Führers, Rudolf Heß, in seiner Anordnung Nr 140/38 pochten auf die Einhaltung der gesetzlichen Schranken und verlangten damit den Schutz der Mischlinge.304

Bemerkenswert ist, dass Verstöße gegen diese von Seiten höchster politischer Ebene vorgegebenen Linie quer durch alle Instanzen des Arbeitseinsatzes im Gebiet des gesamten Deutschen Reichs begangen wurden. Ein Beleg für entsprechende unerwünschte Diskriminierungen letztlich auch durch die dritte Instanz in der Ostmark ist ein förmliches Schreiben von Reichskommissar Bürckel an Präsident Gärtner.305 Er übermittelte diesem am 20. September 1938 die Anordnung Nr 140/38 von Heß mit dem Hinweis, dass beim Reichskommissariat immer wieder Eingaben eingingen, nach denen die Arbeitsämter die Vermittlung von Mischlingen ablehnten. Er forderte daher klare Weisungserteilung an die Unterinstanzen zur Einhaltung des Schutzes. In dieser Aufforderung ist ein eindeutiger Hinweis auf die relativ großen Möglichkeiten selbständiger Agitationen der Unterinstanzen zu sehen.

300 Maier, Arbeitseinsatz, 204. 301 Ebd. 302 Ebd 204. 303 Ebd 206. Maier zitiert die genaue Kundmachung des Erlasses selbst nicht, sondern gibt nur das Archiv an. 304 Ebd. 305 Ebd 208. 49

In der Ostmark waren die Maßnahmen im Bereich des Arbeitseinsatzes von Juden von Beginn an weitaus drastischer als im Altreich.306 Dies entspricht ganz den Entwicklungen in der allgemeinen antijüdischen Diskriminierungspolitik. In der Ostmark setzte man schon früh auf Elemente der Zwangsbeschäftigung, die im Altreich erst später Fuß fassten. Diskriminierende Maßnahmen307 waren etwa die gesonderte statistische Erfassung, die Einrichtung von Lagern und überbezirkliche Vermittlung. Ob die so gewonnenen frühen Erfahrungen tatsächlich ausschlaggebend für spätere Weisungen der Reichsanstalt bezüglich entsprechender Maßnahmen im gesamten Deutschen Reich waren, steht nicht mit Sicherheit fest, kann aber mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden.308

iii. Der Einsatz von Roma und Sinti

Von der Ausgangslage her unterschieden sich Roma und Sinti von Juden insofern, als sie vor der Verfolgung durch das NS-Regime sie überwiegend in „traditionellen Existenznischen“309 wie vor allem dem Wandergewerbe zu überleben versuchten. Demgegenüber gehörten aus der jüdischen Bevölkerung unverhältnismäßig viele Mitglieder der Mittel- und Oberschicht an. Dementsprechend stark waren sie in den freien Berufen aber auch Angestelltenverhältnissen vertreten.310 Allerdings teilten Roma und Sinti unter dem nationalsozialistischen Regime sehr bald das Leid der Verfolgung mit den Juden, die im Wesentlichen sehr ähnlich verlief. Die wenigen bisher in der Wissenschaft untersuchten Akten zeigen dabei deutlich die aktive Rolle der Arbeitseinsatz-Behörden.311

Der Großteil der Roma und Sinti lebte vor dem „Anschluss“ im Burgenland. Nach den Angaben der Gendarmerie aus dem Jahr 1933 belief sich dort die Zahl der Roma und Sinti auf 7.153.312 1938 waren es etwa 8.000.313 Ab Frühsommer 1939 setzten „die größeren

306 Ebd 40. 307 Ebd. 308 Ebd. 309 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 335. 310 Ebd. 311 Maier, Arbeitseinsatz, 194. 312 Selma Steinmetz, Österreichs Zigeuner im NS-Staat (Monographien zur Zeitgeschichte, Wien/Frankfurt/Zürich 1966) 7, 49. Sie führt im Anhang I (S 49) eine auf Erhebungen der Gendarmerie aus dem Jahr 1933 basierende Liste an, aus der die Verteilung der einzelnen Personen auf die Ortschaften im Burgenland hervor geht. 313 Michael Zimmermann, Rassenutopie und Genozid. Die nationalsozialistische „Lösung der Zigeunerfrage“. (Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte 33, 1996) 101. 50 Gruppenverfolgungen“314 ein, als Roma und Sinti lagerweise zusammengefasst und zu Zwangsarbeit verpflichtet wurden. Die drei bekannten Lager in Österreich waren am Bruckhaufen im 21. Wiener Gemeindebezirk, das Lager Maxglan in Salzburg und jenes in Hopfgarten in Tirol. Erst 1940 kam es zur Errichtung des zentralen Massenlagers in Lackenbach in Niederdonau.

Es mag sein, dass Roma und Sinti gegenüber den jüdischen Erwerbstätigen nicht im gesellschaftlichen Zentrum standen. Dennoch ist es ungeachtet der sicherlich vorhandenen Ressentiments Tatsache, dass sie als Zirkusartisten, Volksmusiker, Handwerker und Wahrsager einen fixen Bestandteil des Erwerbslebens ausmachten.315

g. Zwangsbeschäftigung von „Ariern“

Dem ergiebigen Forschungsstand zur Zwangsarbeit in der Ostmark steht ein weitgehend dürftiges Ausmaß an Literatur zum Arbeitseinsatz abseits der Zwangsarbeit gegenüber. Dies ist wohl nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass ersterer im Zusammenhang mit dem Rechtsweg316 entstanden ist, den verletzte Zwangsarbeiter beschritten haben. Das daraus resultierende Medieninteresse, die transatlantischen politischen Konsequenzen317 und die entsprechenden Forschungsergebnisse stellten die Aufarbeitung der Zwangsbeschäftigung und vor allem des sonstigen, gewöhnlichen Arbeitseinsatzes in den Schatten.

i. Dienstpflicht

Die „Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung“318 vom 22. Juni 1938 (fortan Dienstpflichtverordnung 1938) führte im gesamten Deutschen Reich erstmals die Dienstpflicht ein.319 Friedrich Syrup als Präsident der Reichsanstalt und die nachgeordneten Instanzen wurden ermächtigt, aufgrund dieser Verordnung

314 Steinmetz, Zigeuner, 14. 315 Ebd 6; Zimmermann, „Zigeunerfrage“, 102. 316 Oliver Rathkolb, Hintergrund zu Projekt und Buch. In: Oliver Rathkolb (Hg), NS-Zwangsarbeit. Der Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin, 1938 – 1945, Bd 1, Zwangsarbeit – Sklavenarbeit: Politik-, sozial- und wirtschaftshistorische Studien (Wien/Köln/Weimar 2001) 7-22, hier 7f. 317 Neuhold/Hummer/Schreuer, Völkerrecht, 578f. 318 RGBl I 1938 S 652. 319 Danimann, Arbeitsämter, 45. 51 Bewohner des Reichsgebietes zu Dienstleistungen oder bestimmten Berufsausbildungen zu verpflichten (§ 1 der Dienstpflichtverordnung 1938).

Ausschlaggebend für die Einführung der Dienstpflicht waren die forcierte Rüstungsproduktion und der Westwallbau.320 Für dieses Vorhaben sprachen die Arbeitsämter des Dritten Reiches vom Juli bis zum September 1938 insgesamt über 300.000 Verpflichtungen aus. Bis zum Sommer 1940 stieg die Zahl im gesamten Reichsgebiet auf zirka 1,75 Millionen Verpflichtungen. Davon entfielen 250.000 auf Frauen. Die meisten Verpflichtungen waren auf sechs Monate begrenzt und viele Männer wurden in weiterer Folge zur Wehrmacht einberufen. Dies hatte einen Rückgang auf nur noch zirka 350.000 Verpflichtete321 zur Folge. Ein leitender Beamter der Reichsanstalt nannte die Dienstpflicht im Jahr 1940 einen „wirtschaftlichen Gestellungsbefehl, dem im totalen Krieg keine geringere Bedeutung als dem militärischen Gestellungsbefehl zukommt“322; der Vergleich mit dem „totalen Krieg“ ist beachtlich, da er bereits zu einer Zeit gebracht wurde, als die Rede davon noch lange nicht gebräuchlich war.

Rechtsgrundlage dieser ersten Ausformung der allgemeinen Dienstpflicht bildeten neben der Dienstpflichtverordnung 1938 samt Durchführungsanordnung323 die „Zweite Verordnung“324 vom 30. Juni 1938 mit Kompetenzerweiterung zugunsten des Reichsarbeitsministers zur Erlassung von Durchführungsvorschriften und die „Dritte Verordnung“325 (die sogenannte „Notdienstverordnung“) vom 15. Oktober desselben Jahres. Übergeordnete Vorschrift war die „Verordnung zur Durchführung des Vierjahresplanes“326 vom 18. Oktober 1936 (Präambel der Dienstpflichtverordnung 1938).

Wesentliche Eckpfeiler der ersten Dienstpflichtregelungen waren die Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Angehörige des Deutschen Reiches sowie die zeitliche Begrenzung327 der Arbeitspflicht (§ 1 der Dienstpflichtverordnung 1938). Weitere Einschränkungen zum Schutz der Verpflichteten enthielt die eben erwähnte, von Syrup nach § 4 der Dienstpflichtverordnung 1938 erlassene Durchführungsanordnung328 vom 29. Juni 1938. Es sollten „in erster Linie […] ledige Personen verpflichtet werden“ (§ 3 Abs 1 leg cit) und die

320 Maier, Arbeitseinsatz, 22. 321 Ebd. 322 Ebd. 323 Zit nach Szilagi, Arbeitseinsatz, 81ff. Im RGBl nicht zit [!]. 324 RGBl I 1938 S 710. 325 RGBl I 1938 S 1441. 326 RGBl I 1936 S 887. 327 Danimann, Arbeitsämter, 45. 328 Zit nach Szilagi, Arbeitseinsatz, 81ff. 52 Verpflichteten sollten gemessen an ihrer bisherigen Beschäftigung „wirtschaftlich nicht schlechter gestellt werden“ (Abs 2 leg cit). Es sollten auch die vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten berücksichtigt werden (Abs 3 leg cit). Eine besondere Verfahrensanordnung enthielten die Abs 4ff leg cit, wonach die betroffenen Verpflichteten vor der Verpflichtung zu hören waren und diese in Bescheidform zu ergehen hatte.

Diese „Einschränkungen bestanden bald nur auf dem Papier. Es wurde weder auf persönliche Verhältnisse noch auf die Vor- oder Ausbildung Rücksicht genommen, und auch eine wirtschaftliche Schlechterstellung bot keinen Grund zur Ausnahme von der Verpflichtung.“329 Ohne auf die Eigenheiten des nationalsozialistischen Rechtswesens einzugehen muss erwähnt werden, dass dies nicht völlig überraschen darf, da die Einschränkungen vorweg durchwegs als Kann-Bestimmungen ausformuliert waren.

Eine Sonderform der Dienstpflicht normierten die Notdienstverordnung330 vom 15. Oktober 1938 sowie die vier 1939 ergangenen Durchführungsverordnungen331. Nach den allgemeinen Regeln der Dienstpflicht konnten die Arbeitskräfte vor allem in der Privatwirtschaft eingesetzt werden. Der Notdienst hingegen war auf den Einsatz „zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben“ (§ 1 Abs 2 leg cit) eingeschränkt. Die Notdienstverordnung selbst zählte sogenannte sonstige „Dienste“ auf, die „in jedem Fall den Notdienstleistungen [vorzugehen]“ (Abs 3 leg cit) hatten, und zwar solche „aufgrund des Wehrgesetzes, im Reichsarbeitsdienst, im Zollgrenzschutz, in der Polizei, der SS- Verfügungstruppe, der Totenkopfverbände sowie im Luftschutzwarndienst und im Luftschutzsicherheits- und Hilfsdienst“.

Die „Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung“332 vom 13. Februar 1939 (fortan Dienstpflichtverordnung 1939) samt Durchführungsanordnung333 novellierten die Rechtsgrundlagen der Dienstpflicht334 des Dritten Reiches. Bedeutende Unterschiede gegenüber der Rechtslage nach der Dienstpflichtverordnung 1938 waren die grundsätzliche Möglichkeit, auch auf Ausländer zuzugreifen (§ 1 Abs 2 der Dienstpflichtverordnung 1939), die zeitlich unbegrenzte

329 Danimann, Arbeitsämter, 45f. 330 RGBl I 1938 S 1441. 331 RGBl I 1939 die Seiten 1775, 2018, 2049 und 2301. 332 RGBl I 1939 S 206. 333 RGBl I 1939 S 403. 334 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 128. 53 Verpflichtung nach § 2 Abs 2 leg cit, sowie die Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels nach § 7 leg cit.

ii. Kündigungs- und Kontrahierungsverbot

Beim ersten Blick auf ähnlicher Ebene – was die Eingriffsintensität anbelangt – wie die Dienstpflicht stand die „Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels“335. Bei genauerer Betrachtung war die Beschneidung der Vertragsautonomie hier jedoch geringer als beim Instrument der Dienstpflicht. Denn während bei der Dienstpflicht die Verpflichteten in einem ersten Schritt von ihrer früheren Beschäftigung behördlich gelöst werden konnten, um sie in einem zweiten Schritt zwangsweise einer neuen Tätigkeit zuzuführen, blieb es im Fall der Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels bei einem der beiden Schritte.

Juristisch wurde die Beschränkung des Arbeitsplatzes so ausgestaltet, dass die Wirksamkeit sowohl der Arbeitgeber- beziehungsweise der Arbeitnehmerkündigung als auch die Einstellung eines Arbeitnehmers – also der Abschluss eines Arbeitsvertrags – an die vorherige Genehmigung des Arbeitsamtes gebunden werden konnte. Das Wesen der Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels lag also in der Abschaffung der freien Kündigung beziehungsweise des freien Vertragsabschlusses ohne behördliche Genehmigung; es handelte sich damit um eine Art Kündigungs- und Kontrahierungsverbot.

Im gesamten Deutschen Reich und damit auch in der Ostmark wurde das Kündigungs- und Kontrahierungsverbot mit § 7 der Dienstpflichtverordnung 1939336 samt Durchführungsanordnung337 vom 10. März 1939 (fortan Arbeitsplatzwechselanordnung) eingeführt. § 3 der Arbeitsplatzwechselanordnung zählte taxativ jene Branchen auf, auf die das Kündigungs- und Kontrahierungsverbot Anwendung fand. Diese Branchen waren die Land- und Forstwirtschaft, der Bergbau außer dem Steinkohlenbergbau, die Chemische Industrie, die Baustoffherstellung sowie die Metallindustrie. Für den Steinkohlenbergbau trat die Arbeitsplatzwechselanordnung am 12. Juli in Kraft338. Die Abgrenzung dieser Wirtschaftsgebiete ergab sich aus der Anlage 1 (§ 3 der Arbeitsplatzwechselverordnung). Als Betriebe galten nicht nur private und öffentliche Unternehmen, sondern auch „Verwaltungen aller Art“ (§ 2 leg cit).

335 Ebd 129. 336 RGBl I 1939 S 206; Kap 3.g.i. 337 RGBl I 1939 S 444. 338 RGBl I 1939 S 1216. 54 Damit waren die Verwaltungsbediensteten, nicht aber die Richterschaft vom Anwendungsbereich erfasst.

EXKURS: Mit Kriegsbeginn regelte die „Verordnung über die Beschränkung des Arbeitsplatzes“339 vom 1. September 1939 (fortan Arbeitsplatzwechselverordnung) den Arbeitsplatzwechsel340 neu. Anstelle der Aufzählung jener Branchen, die vom Kündigungs- und Kontrahierungsverbot erfasst waren, galt dieses gemäß der Generalklausel nach § 1 der Arbeitsplatzwechselverordnung. Bis zum 23. Februar 1943341 wurden aufgrund dieser Arbeitsplatzwechselverordnung bis Kriegsende einige Durchführungsverordnungen erlassen. Beispielsweise wurde die Kündigung der Arbeitsverhältnisse von „Beschäftigten der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“ von der Voraussetzung der Zustimmung des Arbeitsamtes entbunden (Fünfte Durchführungsverordnung342 – der Arbeitsplatzwechselverordnung – vom 10. April 1942).

h. Organisatorische Veränderungen

Zunächst waren die selbstverwaltete Reichsanstalt, die als solche mit einem eigenen Haushalt ausgestattet beziehungsweise vom Paritätsprinzip getragen war343, und das Reichsarbeitsministerium weitgehend getrennte Einrichtungen. Im Dezember 1938 erfolgte die Aufnahme der Reichsanstalt ins RAM.344 Dabei ging Friedrich Syrup als Verlierer hervor, indem er als Präsident der Reichsanstalt zugunsten von Reichsarbeitsminister Franz Seldte ausschied. Damit wurden die Arbeitsämter „positionell stark aufgewertet“345, da sie nun dem umfassend zuständigen Reichsministerium unterstanden. Durch diese Vorgänge hatte „die Reichsanstalt in ihrer 1927 geschaffenen Form […] nach elfjähriger Existenz aufgehört zu bestehen“346.

Die Eingliederung der Aufgaben der Reichsanstalt in den Zuständigkeitsbereich des Reichsarbeitsministeriums, die damit unmittelbar in den Zuständigkeitsbereich der

339 RGBl I 1939 S 1685. 340 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 129. 341 RGBl I 1943 S 114. 342 BGBl I 1942 S 172. 343 Volker Herrmann, Vom Arbeitsmarkt zum Arbeitseinsatz. Zur Geschichte der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung 1929 bis 1939 (Frankfurt am Main/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1993) 7; Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 223f. 344 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 126. 345 Ebd. 346 Herrmann, Reichsanstalt, 159. 55 Reichsregierung fielen, erfolgte per „Führererlass“347 vom 21. Dezember 1938.348 Die Reichsanstalt wurde als Hauptabteilung V ins nach wie vor von Franz Seldte geführte Reichsarbeitsministerium integriert. Der bisherige Präsident der Reichsanstalt, Friedrich Syrup, wurde als Staatssekretär349 zum Leiter dieser Hauptabteilung und Mitglied des Ministerrats ernannt; die Stellung als Leiter der „Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz“350 des Vierjahresplanes behielt er bei. Er konnte damit zunächst seine bisher dominante Stellung im behördlichen Apparat des Arbeitseinsatzes erhalten. Dies allerdings zu dem Preis, dass die vormalige Reichsanstalt ihre Eigenschaft als Selbstverwaltungskörperschaft und damit an Autonomie verlor. Die „Zweigstelle Österreich der Reichsanstalt“ wurde damit zur „Zweigstelle des Reichsarbeitsministeriums“351, womit die besondere Behördenstruktur in der Ostmark also zunächst beibehalten wurde. Die Fäden der nachgeordneten Behörden – der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter – liefen also weiterhin nicht direkt in Berlin, sondern in der Wiener Zweigstelle zusammen, die freilich formal Teil des Berliner RAM war.

Zur Koordination der Maßnahmen gegen Juden richteten einige Reichsministerien „Judenreferate“352 ein. Dies geschah etwa im Innenressort, im Wirtschaftsministerium oder dem Justizministerium. Für das Reichsarbeitsministerium ist ein entsprechendes Referat ab 1942 festzustellen, doch wird ein solches schon zu einem früheren Zeitpunkt vermutet.

Das Arbeitsamt Wien schuf eine besondere Stelle für den Einsatz der jüdischen Arbeitskräfte. In der Stollberggasse 42, im fünften Wiener Gemeindebezirk, wurde die „Kontrollstelle für jüdische Arbeitslose“353 in einem Zinshaus eingerichtet. Nach Maier ist die Einrichtung der Kontrollstelle auf Anfang 1939 anzusetzen.354 Die Einrichtung der Kontrollstelle rief seitens der Anrainer Proteste hervor. Bezug nehmend auf die Beschwerden richtete sich der Leiter des Arbeitsamtes Wien, Dr. Karl Neuber, an den Bezirksvorsteher, um diesem die Lage der Behörde darzulegen.355 Es sei den nichtjüdischen Arbeitskräften nicht zumutbar gewesen, zusammen mit jüdischen Arbeitskräften abgefertigt zu werden; andere angebotene Räumlichkeiten hätten nicht zur Verfügung gestanden. Es hätte zwar die Möglichkeit bestanden, eine Liegenschaft der jüdischen Kultusgemeinde zu mieten; doch einer Reichsbehörde hätte dies nicht zugemutete werden

347 RGBl I 1938 S 1892 348 Herrmann, Reichsanstalt, 159; Maier, Arbeitseinsatz, 13; Kahrs, Arbeitsämter, 26. 349 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 223. 350 Maier, Arbeitseinsatz, 13. 351 Gruner, Zwangsarbeit, 166. 352 Maier, Arbeitseinsatz, 15. 353 Ebd 16. 354 Ebd. 355 Ebd. 56 können, solange sie anderweitig Abhilfe schaffen konnte. Ein ergänzendes Schreiben erging an den Reichskommissar, in dem er die Umsiedlung der Kontrollstelle in ein Haus in Aussicht stellte, in dem keine privaten Parteien wohnten. Im Jahr 1940 wurde dann das „Arbeitsamt für Juden“356 in der Hermanngasse 22, im siebten Wiener Gemeindebezirk, errichtet.

Vor allem was die Organisation des Arbeitseinsatzes der jüdischen Arbeitskräfte357 anging, bestand eine enge Kooperation zwischen den Arbeitseinsatzbehörden und anderen staatlichen und nichtstaatlichen Stellen.358 Auf Reichsebene arbeitete das Reichsarbeitsministerium mit anderen Ministerien, der Wehrmacht und dem Reichssicherheitshauptamt zusammen. Auf mittlerer Ebene kooperierten die Landesarbeitsämter mit den Reichsstatthaltern, den Regierungspräsidenten und Stapoleitstellen und auf der unteren die Arbeitsämter mit den Landräten und Kommunalverwaltungen, den Ortsgruppen der NSDAP, den Rüstungsinspektionen, den Wirtschaftskammern und Betrieben. Eine zentrale Roller spielte auch die Zusammenarbeit der Arbeitseinsatzbehörden mit den unter Gestapo-Aufsicht stehenden Zwangsvereinigungen IKG und Ältestenrat, der Nachfolgeorganisation der IKG nach dem Abschluss der Deportationen aus der Ostmark.

i. Zwischenbilanz

Während der Ersten Republik war es nicht die zentrale Aufgabe der Arbeitsmarktbehörden, hoheitlich tätig zu sein, sondern sie hatten vor allem Arbeitsvermittlung zu betreiben.359 Dieser Funktion wurde der behördliche Apparat praktisch gänzlich entledigt. Mit der Zuweisung von vorwiegend hoheitlichen Agenden veränderte sich der Charakter der Arbeitsämter radikal; in der Forschungsliteratur wird deshalb für die Einrichtung des Arbeitsamtes zu Recht die Bezeichnung „Zwangsinstrument“360 verwendet.

Es fällt ins Auge, dass die Dienstpflicht auch in der Ostmark zu einer Zeit eingeführt wurde, als dort noch keine Vollbeschäftigung herrschte.361 Dies deutet auf die hohe Erwartungshaltung hin, die das Regime gegenüber dem ostmärkischen Arbeitskräftereservoir hatte. Man rechnete damit,

356 Gruner, Zwangsarbeit, 149; Lütgenau/Schröck, Teerag-Asdag AG, 84. 357 Zur zahlenmäßigen Entwicklung des Einsatzes jüdischer Arbeitskräfte siehe die Kap 3.f.ii., 4.b.i.(2) und 4.b.ii.(2). 358 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 321. 359 Kap 2. 360 Danimann, Arbeitsämter, 35. 361 Kap 3.a. 57 dass dieses Potential schnell aufgebraucht sein werde und fand in der Dienstpflicht einerseits und in der Zwangsarbeit andererseits Möglichkeiten, den Bedarf zu befriedigen.

Die Eingriffe in die Autonomie der Arbeitskräfte waren sehr weitreichend, wobei die „Gesetzgebung nicht wie früher streng bindende Rechtsnormen“362 erließ, sondern der Reichsanstalt und dem RAM einen weiten Handlungsspielraum zur Anpassung an die Bedürfnisse der Wirtschaft überließ. Dies wird besonders bei den ersten organisierten Zwangsarbeiten der Juden sowie Roma und Sinti deutlich. Dort erfolgte die ostmärkische Arbeitseinsatzverwaltung in den ersten dreieinhalb Jahren nach dem „Anschluss“ – bis zur Kundmachung der endgültigen Rechtsgrundlagen für jüdische Arbeitskräfte363 im Herbst 1941 und darauf folgend für Roma und Sinti364 – fast gänzlich ohne einschlägigen Rechtsvorschriften.

4. Die Arbeitseinsatzverwaltung zwischen September 1939 und April 1945 – Ausbau der Zwangsarbeit

Ein Bericht des Gauwirtschaftsamtes Oberdonau über die Monate April bis Juni 1940 betonte die besondere Stellung der Arbeitsämter bei der Beschaffung von Arbeitskräften. Sie sind bis dahin in drei Schritten vorgegangen.365 Erstens wurden vermehrt kinderlose Frauen zur Arbeitsleistung herangezogen. Zweitens wurden durch Betriebsstilllegungen und „Auskämmaktionen“366qualifizierte Arbeitskräfte aus nicht kriegswichtigen Betrieben herausgenommen und in kriegswichtigen eingesetzt. Dadurch ging reichsweit die Gesamtzahl der im Handwerk beschäftigten um eine Million oder etwa 20 Prozent zurück, wobei dieser Anteil verglichen mit anderen Bereichen als hoch einzuschätzen ist. So konnten etwa in der Konsumgüterindustrie nur etwa 13.800 Arbeitskräfte eingespart werden, da der Bedarf der Wehrmacht bereits einen Großteil der Nachfrage abdeckte.367 Drittens wurde ein groß angelegter Ausländereinsatz und damit der Ausbau der Zwangsarbeit forciert.

Es bestanden weitere, nicht immer genützte Möglichkeiten, um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken.368 So war die deutsche Bevölkerung stärker einzubeziehen. Neben einer Verlängerung

362 Friedrich Syrup, Hundert Jahre Staatliche Sozialpolitik 1839 - 1939 (Stuttgart 1957) 414. 363 Kap 4.b.i.(2). 364 Kap 4.b.ii.(3). 365 John, Zwangsarbeit, 88. 366 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 292f. 367 Ebd. 368 Ebd 290ff. 58 der Arbeitszeit konnte man durch materielle Leistungsanreize „aus den verbleibenden Arbeitskräften eine höhere Leistung herausholen“369. Schritte in Richtung verstärkte Einbindung der „deutschen“ Bevölkerung sind mit dem Kriegsbeginn auch in der Reform der Regelungen des Arbeitseinsatzes im Deutschen Reich erfolgt.370 Damit ging ein erweiterter Zugriff auf bisher unverwendete Arbeitskräfte einher. Insbesondere wurde § 87 AVAVG durch den neuen § 1 der „Verordnung über Arbeitslosenhilfe“371 vom 5. September 1939 ersetzt.372 Dadurch wurde die Anwartschaft aufgehoben und de jure jeder Person Arbeitslosenunterstützung zugestanden, die „dem Arbeitseinsatz zur Verfügung [stand], aber unfreiwillig arbeitslos“ (§ 1 leg cit) war. Der Wegfall der Anwartschaft bewirkte im Endeffekt, dass die Arbeitsämter auf eine weitaus größere Anzahl an Arbeitskräften Zugriff erhielt. Ende März 1940 betrug die Gesamtzahl der Erwerbslosen in der Ostmarkt etwa 40.000; davon entfielen allein auf Wien 26.000. Anfang Juni, also gut zwei Monate später, waren dort nur mehr 15.000 Menschen arbeitslos.373

Die Grenzen der allgemeinen Bestrebungen zur intensiveren Arbeitseinsatzpolitik zu Lasten der „deutschen“ Bevölkerung wurden bei den weiblichen Arbeitskraftreserven deutlich374, die bei weitem nicht ausgeschöpft375 wurden. Diese konnten verstärkt in der Landwirtschaft und in der Industrie herangezogen werden. Doch scheute sich das NS-Regime – wie jenes in Japan376 – selbst nach der Wende des Krieges vor der Umsetzung einer konsequenten Frauendienstpflicht, die etwa im demokratischen Großbritannien seit 1941 Realität377 war.

Das letztendlich zentrale Element Zwangsarbeit im Arbeitseinsatz der Ostmark musste dabei den gewünschten Zielen in Sachen Produktivitätssteigerung entgegen laufen. Denn durch die schlechte körperliche Verfassung der Zwangsarbeiter und deren oftmals unzureichende Ausbildung für den Bereich, in dem sie eingesetzt wurden, konnte deren Einsatz nicht die erwünschten Erfolge liefern.378 Ein in Arbeitseinsatz gebrachter KZ-Insasse erbrachte im Vergleich zu einem durchschnittlichen freiwillig beschäftigten Arbeiter eine Leistung von 20 bis

369 Ebd 290. 370 Gruner, Zwangsarbeit, 144. 371 RGBl I 1939 S 1674. 372 Danimann, Arbeitsämter, 37. Er spricht in diesem Zusammenhang von der Beschneidung des alten österreichischen Arbeitslosenrechts um den Versicherungsgedanken. 373 Gruner, Zwangsarbeit, 164f. 374 Dörte Winkler, Frauenarbeit im „Dritten Reich“ (Historische Perspektiven 9, Hamburg 1977) 180; Mark Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939 - 1945 (Stuttgart/München 2001) 31f. 375 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 293. 376 Winkler, Frauenarbeit, 186. 377 Ebd 177; Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 294f. 378 John, Zwangsarbeit, 97. 59 25 Prozent.379 Diese schlechten wirtschaftlichen Erfahrungen waren den nationalsozialistischen Managern durchaus bekannt; dennoch setzten man nicht auf innerbetriebliche Modernisierung380 etwa durch flächendeckende Einführung der Fließfertigung, die zum Beispiel in den Vereinigten Staaten schon lange gang und gäbe war.381

Wie schon in der Ersten Republik382 und entsprechend dem Zusatz der Bezeichnung der früheren Reichsanstalt betrieben die Arbeitseinsatzbehörden neben der Arbeitskräftebeschaffung im engeren Sinn auch Berufsberatung. Zu diesem Zweck publizierte das Gauarbeitsamt von Niederdonau ein „Handbuch des Schulwesens“383. Wie schon das Vorwort verrät, enthält die Zusammenstellung bei den allgemeinbildenden Schulen nur „das Wesentlichste“384. Bei den berufsbildenden Schulen werden hingegen Angaben zu Aufnahmebedingungen, Dauer, Kosten und zu erwerbenden Gewerbe- und Studienberechtigungen gemacht. Durchwegs sind Standortangaben enthalten. Einen Sonderfall stellen die „Höheren Schulen“385 und „Nationalpolitischen Erziehungsanstalten“386 – die nur „gesunde[n], rassisch und charakterlich einwandfreie[n]“387 Schülern zugänglich waren – dar, welche zwar nach zeitgenössischer Terminologie den allgemeinbildenden Schulen zuzurechnen waren, für die aber die genaueren Angaben gemacht werden. Universitätsstudien wurden nicht in die Zusammenstellung aufgenommen.

a. Organisatorische Veränderungen

Etwa zu Sommerbeginn 1940 – wohl im Juni388 – wurde die Behördenstruktur der ostmärkischen Arbeitseinsatzverwaltung geändert, indem die Zweigstelle des Reichsarbeitsministeriums

379 Bertrand Perz, KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter der Reichswerke „Hermann Göring“ in Linz. In: Oliver Rathkolb (Hg), NS-Zwangsarbeit. Der Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin, 1938 – 1945, Bd 1, Zwangsarbeit – Sklavenarbeit: Politik-, sozial- und wirtschaftshistorische Studien (Wien/Köln/Weimar 2001) 449- 590, hier 472. 380 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 290. 381 Roman Sandgruber, Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Österreichische Geschichte, Wien 2005) 430. 382 Kap 2. 383 Alfred Proksch (Hg), Handbuch des Schulwesens. Für Wien, Niederdonau, Oberdonau, Steiermark, Kärnten, Salzburg, Tirol, Vorarlberg (Wien o.J.). Wie aus der S 1 hervorgeht, wurde die Zusammenstellung von Maria Neuberger nach dem Stand vom September 1944 bearbeitet. 384 Ebd 5. 385 Ebd 20-30. 386 Ebd 31f. Standorte waren in Kärnten Spannheim (vorher St. Paul) im Lavanttal; in Niederdonau Göttweig, Türnitz-Hubertendorf und Traiskirchen; im Seckau und Vorau; und in Wien der vierte (Theresianum, Favoritenstraße 15) und der 14. Gemeindebezirk (Kendlerstraße 1). 387 Ebd 31. 388 Gruner, Zwangsarbeit, 165f. 60 aufgelöst wurde. Ihre Funktion ging auf die vier Landesarbeitsämter Graz, Innsbruck, Linz und Wien über. Damit schied Friedrich Gärtner, der als „in die österreichische Arbeitsverwaltung eingeschleuste[r] reichsdeutsche[r] Bedienstete[r]“ zwei Jahre lang dort „maßgebenden Einfluss“389 ausgeübt hatte, als Präsident der Zweigstelle Österreich der Reichsanstalt aus. Gärtner ist zu den „herausragenden Protagonisten der Verfolgung [der Juden] in Österreich“390 zu zählen.

Ende 1941 musste Friedrich Syrup seine Aufgaben als Leiter der Hauptabteilung V im RAM aus gesundheitlichen Gründen praktisch abgeben. Sein Nachfolger wurde zwischenzeitlich Dr. Werner Mansfeld, der jedoch als endgültiger Kandidat den Anforderungen dieser Position hinsichtlich parteipolitischer Akzeptanz und Durchsetzungsvermögen nicht genügte.391 Man suchte eine Persönlichkeit, die es zustande brachte, gegenüber der Partei, der Wirtschaft und den übrigen Ministerien insbesondere das umstrittene Problem des verstärkten Ausländereinsatzes392 durchzusetzen.

Am 21. März 1942 berief Hitler per „Führererlass“393 Fritz Sauckel zum „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz“ (Abs 2 leg cit).394 Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz wurde dem Beauftragten für den Vierjahresplan, Göring, unterstellt (leg cit)395 und rangmäßig direkt Rüstungsminister Albert Speer gleichgestellt396. Gleichzeitig mit der personellen Veränderung wurden die Abteilungen III (Lohn) und V (Arbeitseinsatz) aus dem Reichsarbeitsministerium herausgenommen und Sauckel unterstellt (Abs 3 leg cit).

In seiner „Anordnung“397 zur Ausführung des Führererlasses vom 27. März 1942 bestimmte Göring den GBA zum Organ des Vierjahresplanes und löste die bisherigen „Geschäftsgruppen Arbeitseinsatz“ (Z 1 leg cit) auf. In selbiger Anordnung wurden dem GBA in seinem Wirkungskreis umfassende Weisungsrechte eingeräumt, soweit diese dem Beauftragten für den Vierjahresplan zustanden. Entsprechenden Weisungen waren folgende Stellen unterworfen (Z 4 leg cit): die Obersten Reichsbehörden, ihre nachgeordneten Dienststellen, die Dienststellen der Partei sowie ihre Gliederungen und angeschlossenen Verbände, der Reichsprotektor des

389 Danimann, Arbeitsämter, 36. 390 Gruner, Zwangsarbeit, 300. 391 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 310; Maier, Arbeitseinsatz, 13. 392 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 304ff. 393 RGBl I 1942 S 179. 394 Maier, Arbeitseinsatz, 13. 395 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 313. 396 Maier, Arbeitseinsatz, 14. 397 RGBl I 1942 S 180. 61 Reichsprotektorates Böhmen und Mähren, der Generalgouverneur des Generalgouvernements und schließlich sämtliche Militärbefehlshaber und Chefs der Zivilverwaltungen.

Per „Anordnung Nr 1“398 setzte GBA Sauckel die als „Bevollmächtigte für den Arbeitseinsatz“399 ein. Die „Verordnung über die Rechtsetzung durch den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz“400 vom 25. Mai 1942 räumte dem GBA schließlich die Gesetzgebungskompetenz in dem Umfang ein, wie sie zuvor dem Reichsarbeitsminister zugestanden haben.

Zentrale Drehscheibe für den Arbeitseinsatz war damit fortan das Organ des GBA, das bis Kriegsende von Sauckel bekleidet wurde. Mit der Schaffung dieses neuen Amtes wurde die Antwort auf die Frage zumindest teilweise verneint, ob für die Zwangsbewirtschaftung auf die bestehende Einrichtungsstruktur zurückgegriffen werden konnte.401 Das Reichsarbeitsministerium wurde dadurch kurze Zeit nach der Stärkung durch die Integration der Reichsanstalt402 insofern wieder stark abgewertet, als damit die Leitung der gesamten Arbeitseinsatzverwaltung und damit eine der wichtigsten Grundlagen für die Kriegswirtschaft vom Arbeitsministerium auf den GBA überging403.

Die Schaffung der Einrichtung des GBA beließ zunächst die beiden Unterinstanzen des Arbeitseinsatzes unberührt. Hier erfolgte ein Umbau erst gut ein Jahr später, als im Sommer 1943 die Landesarbeitsämter an die mittlerweile erfolgte Umstrukturierung der Reichsverwaltung angepasst wurden.404 Sauckel ließ zu diesem Zweck anstelle der bisherigen etwa 20 Landesarbeitsämter 40 Gauarbeitsämter im Deutschen Reich errichten und passte damit die Gliederung des Verwaltungsapparates des Arbeitseinsatzes dem regionalen Organisationsprinzip der NSDAP und der Reichsverteidigung an.

Für den Aufbau der Mittelinstanzen in der Ostmark waren diese Veränderungen in den Unterinstanzen, abgesehen von der – nicht durchgängigen405 – Umbenennung der vier Landesarbeitsämter in Graz, Innsbruck, Linz und Wien in „Gauarbeitsämter“, nicht unmittelbar

398 RABl I 1942 S 272, zit nach Maier, Arbeitseinsatz, 14, FN 20. 399 Maier, Arbeitseinsatz, 14. 400 RGBl I 1942 S 347. 401 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 308ff. 402 Kap 3.h. 403 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 313. 404 Maier, Arbeitseinsatz, 15. 405 O.A., Handbuch . 65./66. amtlich redigierter Jahrgang (Wien 1944) 362. 62 von großer Tragweite. Allerdings kam es im gesamten Deutschen Reich und damit auch in der Ostmark gleichzeitig zu einer Aufwertung der Gauarbeitsämter und der ersten Instanz. Von nun an waren dem GBA auch die Reichstreuhänder der Arbeit unterstellt, wodurch er einen Durchgriff auf Mindestlöhne und Arbeitszeit (§ 68 Abs 1 AOG) erhielt, für welche die Reichstreuhänder der Arbeit (§18 AOG) zuständig406 waren. Auf die Erweiterung des Zuständigkeitsbereiches um den Reichstreuhänderapparat zugunsten des GBA nahm dieser die Zusammenlegung der Ämter der Reichstreuhänder der Arbeit mit jenen der Leiter der Gauarbeitsämter vor. Dieselbe Zusammenlegung erfolgte in der ersten Instanz; demnach waren von nun an die Leiter der Arbeitsämter zugleich Beauftragte der Reichstreuhänder der Arbeit.407 Auf diese Weise konnten die Arbeitsämter direkt Einfluss auf die Lohnentwicklung nehmen.

In kriegswichtigen Unternehmen wie jenen der Reichswerke AG „Hermann Göring“ ist man so weit gegangen, dass innerhalb der Eisenwerke Oberdonau GmbH (einer Unternehmenstochter der RWHG) eine eigene Außenstelle des Arbeitsamtes und eine Sonderdienststelle des Reichstreuhänders der Arbeit eingerichtet wurden. Auf diese Weise wurde die Einhaltung der Arbeitsdisziplin durch die rasche Durchführbarkeit von Schnellgerichtsverfahren gewährleistet.408 Eine weitere Sonderstellung hatten die RWHG und ihre Vertragsunternehmer im Bereich der begünstigten Zuteilung von ausländischen Arbeitskräften im „vereinfachten Verfahren“409 vor dem Arbeitsamt.

Zur Verwaltung der Zwangsarbeit wurden neben den Arbeitsämtern auch andere Stellen berufen. So wurden zum Beispiel innerhalb der SS die Kommandanten der einzelnen Konzentrationslager an der Auswahl der Zwangsprostituierten für die Häftlingsbordelle beteiligt.410 Außerhalb der Konzentrationslager hingegen behielten die Arbeitsämter eine zentrale Rolle bei der Verteilung der Zwangsarbeiter. Vor allem der Einsatz von Ausländern in der Rüstungsindustrie (wie etwa in den RWHG) oder beim Kraftwerksbau an der Enns, der Drau oder in Kaprun lief über die Arbeitsämter.

406 Heuel, Der umworbene Stand, 480ff; Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 125. 407 Maier, Arbeitseinsatz, 15. 408 Oliver Rathkolb, Am Beispiel Paul Pleigers und seiner Manager in Linz – Eliten zwischen Weitschaftsträumen, NS-Eroberungs- und Rüstungspolitik, Zwangsarbeit und Nachkriegsjustiz. In: Oliver Rathkolb (Hg), NS- Zwangsarbeit. Der Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin, 1938 – 1945, Bd 1, Zwangsarbeit – Sklavenarbeit: Politik-, sozial- und wirtschaftshistorische Studien (Wien/Köln/Weimar 2001) 287-322, hier 312. 409 John, Zwangsarbeit, 50. 410 Baris Alakus/Katharina Kniefacz/Robert Vorberg, Sex-Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern (Wien 2006) 144. 63 b. Ausbau der Zwangsarbeit

Dieses Kapitel schließt an die erste Periode411 der Zwangsarbeit an. Es stellt zunächst die zweite Periode (i.), die einen Bogen vom Kriegsbeginn zum Scheitern des Blitzkrieges im Winter 1941/42 spannt, und schließlich die dritte Periode (ii.), die bis 1945 reichte, dar.

i. Von September 1939 bis zum Scheitern des Blitzkrieges im Winter 1941/1942 – Die Anfänge des Einsatzes ziviler Ausländer und Kriegsgefangener und die Fortsetzung des Einsatzes nach rassischen Gesichtspunkten

(1) Der Ausländereinsatz

In der Anfangsphase des Krieges versuchte das Regime, an der schon in Friedenszeiten begonnenen Praxis der Anwerbung von Arbeitskräften festzuhalten. Die laufenden Einberufungen zur Wehrmacht bei gleichzeitig forcierter Steigerung der Rüstung reizte aber das Arbeitskräftepotenzial im Altreich bald aus.412 Dies führte vor allem in Polen ab dem Frühjahr 1940 zur Zwangsrekrutierung der Arbeitskräfte für das Altreich und die Ostmark. Bis April 1941 wurden etwa 128.000 zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der Ostmark eingesetzt413, die durch die Arbeitsämter auf die verschiedensten Arbeitsplätze verteilt414 wurden. Aus den geschichtswissenschaftlich ausgewertete Zahlen415 für den Zeitraum zwischen September 1939 und Winter 1941/42 geht leider die Verteilung der zivilen ausländischen Zwangsarbeiter auf die Wirtschaftssektoren durch die Arbeitseinsatzbehörden nicht hervor.

Bald nach der Besetzung Polens setzten die deutschen Okkupationsbehörden die flächendeckende Zwangsbewirtschaftung der Arbeitskräfte im Generalgouvernement ein. Zu diesem Zweck erging dort eine Verordnung, welche die dort durch reichsdeutsche Landesarbeitsämter eingerichteten Arbeitsämter ermächtigte, die polnische Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 60 Jahren zur Arbeit zu verpflichten.416 Die so gewonnenen Erfahrungen

411 Kap 3.f. 412 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 17. 413 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 216. 414 Stefan Karner/Peter Ruggenthaler, Kategorien der Zwangsarbeit und deren NS-rechtliche Grundlagen. In: Stefan Karner/Peter Ruggenthaler (Hg), Zwangsarbeit in der Land- und Forstwirtschaft auf dem Gebiet Österreichs 1939 bis 1945 (Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission 26/2, Wien/München 2004 ) 33-89, hier 42f. 415 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 108-148. 416 John, Zwangsarbeit, 47f. 64 spielten wohl bei der ganz ähnlich gelagerten Meldepflicht417 für die gesamte Bevölkerung auch der Ostmark in der Spätphase des Krieges eine Rolle. Die Verschickung in die Ostmark war in den ersten Monaten nach dem Überfall auf Polen von untergeordneter Bedeutung. Vielmehr wurden die polnischen Arbeiter und Arbeiterinnen auf anderem Wege dazu gebracht, in der Ostmark als Arbeitskräfte eingesetzt zu werden. Beispielsweise wurde die Ausgabe von Lebensmittelkarten für die Angehörigen oder die Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung an die Meldung für den Arbeitseinsatz im Deutschen Reich geknüpft.418 Die Polenerlasse419 der Reichsregierung vom März 1940 galten, anders als die spätere und noch drastischer diskriminierende Polenstrafrechtsverordnung, auch außerhalb des vom Deutschen Reich besetzten Polen. Sie führten neben weiteren Diskriminierungen die Kennzeichnungspflicht der Polen allgemein und damit auch der polnischen Zwangsarbeiter ein.

Die zentrale Aufgabe der Arbeitsämter in der Ostmark war die Verteilung der zivilen Zwangsarbeiter auf die einzelnen Arbeitsplätze.420 Dazu kamen weitere Agenden, in deren Wahrnehmung sie oftmals nach eigenem Ermessen tief in die persönliche Integrität der Arbeitskräfte eingriffen. Beispielsweise waren Krankmeldungen von den Amtsärzten der Arbeitsämter zu bestätigen, was mit der Einweisung in ein Arbeitserziehungslager zur Bekämpfung von „Arbeitsscheu[heit]“421 enden konnte422.

Den in die Ostmark verbrachten Zwangsarbeitern wurde unterstellt, der Kenntnis über die primitivsten Hygienemaßnahmen zu entbehren.423 Dies brachte nach Meinung der Arbeitsämter die Gefahr der Verbreitung von Läusebefall unter den Arbeitskräften der Ostmark und in weiterer Folge die Einschleppung von Infektionskrankheiten mit sich. So wurden entsprechend der NS- Rassenideologie424 gesundheitliche Maßnahmen nicht nur zur Feststellung der Arbeitstauglichkeit der Zwangsarbeiter vorgenommen;425 vor allem auch im Dienste rassischer

417 RGBl 1943 I S 67; Kap 4.c. 418 Ebd. 419 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 205; Ulrich Herbert, Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches (Berlin 21986) 85-94. 420 Karner/Ruggenthaler, Kategorien der Zwangsarbeit, 42f. 421 Walter Tausk, Breslauer Tagebuch 1933-1940 (Frankfurt am Main 1977) 273. 422 Ebd. 423 Therese Schranner, Ärztliche Erfahrungen beim Einsatz fremdländischer Arbeitskräfte (med Diss, Wien 1943) 1. 424 Gabriella Hauch, Zwangsarbeiterinnen und ihre Kinder: Zum Geschlecht der Zwangsarbeit. In: Oliver Rathkolb (Hg), NS-Zwangsarbeit. Der Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin, 1938 – 1945, Bd 1, Zwangsarbeit – Sklavenarbeit: Politik-, sozial- und wirtschaftshistorische Studien (Wien/Köln/Weimar 2001) 355- 448, hier 370. 425 Ebd. 65 Integrität wurden schikanenhaft426 Seuchenbekämpfungsmechanismen durchgeführt. Gearbeitet wurde mit dem Entlausungsmittel „Cuprex“427.

Die Hygienemaßnahmen wurden vor allem in den Durchgangs- und Sammellagern reihenweise durchgeführt wobei das zentrale Massenlager des Gauarbeitsamtes Niederdonau in Strasshof428 in Niederdonau eine besonders große Bedeutung429 hatte. Für die Leitung der Maßnahmen einschließlich der Untersuchungen waren beim Arbeitsamt hauptamtlich Amtsärzte wie Therese Schranner eingestellt. Für die Maßnahmen war ein programmatischer Ablauf vorgesehen.430 Zunächst hatten die ausländischen Arbeiter im „unreinen Teil der Anlage“431 ihre Kleidungsstücke abzugeben, die anschließend in den Entlausungskammern behandelt wurden. Zwischenzeitlich fanden zum Zweck der Bekämpfung der Infektionskrankheiten Untersuchungen an den Patienten statt. Vorsorglich wurden sämtliche behaarten Stellen mit Cuprex behandelt. Das Haupthaar von Männern wie Frauen wurde zudem „mechanisch“432 behandelt. Abschließend folgte das Reinigungsbad, nach welchem die Arbeiter ihre Kleidung wieder zurück erhielten.

In Linz wurden diese Maßnahmen im „Durchgangslager 39“433 im Stadtteil Bindermichl434 vorgenommen. Das Lager war über die Landwiedstraße erreichbar und lag östlich des „Spindelhuemer“435. Ursprünglich war das Lager im Eigentum der RWHG, bevor es 1942 an das Arbeitsamt Linz verkauft und anschließend erweitert wurde.436 Vor dem Kauf bestand es aus 12 Mannschaftsbaracken zu je 108 Plätzen und fasste damit 1.296 Menschen. Nach der Übernahme durch das Arbeitsamt Linz vergrößerte sich diese Zahl auf 1.778. Im Juni 1943 zählte das Lager zu den beiden größten in Linz gemessen am Soll-Stand von 3.000 Plätzen, der allerdings erheblich vom Ist-Stand von 471 besetzten Plätzen abwich.437 Zu dieser Zeit waren ausschließlich Arbeitskräfte aus der Ukraine und Polen dort untergebracht. Neben diesen

426 Ebd. 427 Schranner, Arbeitskräfte, 34. 428 Eleonore Lappin-Eppel, Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Österreich 1944/45. Arbeitseinsatz, Todesmärsche, Folgen (Forschung und Wissenschaft 3, Wien/Berlin 2010) 65. 429 Hauch, Zwangsarbeiterinnen, 370. 430 Schranner, Arbeitskräfte, 33. 431 Ebd. 432 Ebd. 433 Hauch, Zwangsarbeiterinnen, 371; Christian Gonsa, Griechen in Linz: Der „Arbeitseinsatz bei den Reichswerken am griechischen Beispiel. In: Oliver Rathkolb (Hg), NS-Zwangsarbeit. Der Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin, 1938 – 1945, Bd 1, Zwangsarbeit – Sklavenarbeit: Politik-, sozial- und wirtschaftshistorische Studien (Wien/Köln/Weimar 2001) 591-624, hier 611. 434 Hermann Rafetseder, Der „Ausländereinsatz“ zur Zeit des NS-Regimes am Beispiel der Stadt Linz. In: Fritz Mayrhofer/Walter Schuster (Hg), Nationalsozialismus in Linz, Bd 2 (Linz 22002) 1107-1270, hier 1268. 435 Gabriella Hauch, Ostarbeiterinnen. Vergessene Frauen und ihre Kinder. In: Fritz Mayrhofer/Walter Schuster (Hg), Nationalsozialismus in Linz, Bd 2 (Linz 22002) 1271-1310, hier 1277. 436 Hauch, Zwangsarbeiterinnen, 371. 437 Rafetseder, „Ausländereinsatz“, 1173. 66 „Hygienemaßnahmen“ fand im Durchgangslager 39 auch die Unterbringung von schwangeren Polinnen und Ostarbeiterinnen statt, die sich hier zwei Wochen vor und sechs Wochen nach der Geburt aufhielten.438 Bei Kriegsende waren im Mai 1945 im Arbeitsamtslager 1.937 Personen untergebracht.439 Am 17. April 1945 waren 216 als arbeitsunfähig verzeichnet.440

Abgesehen von den zentralen Durchgangslagern wie Strasshof oder Durchgangslager 39 wurden die Hygienemaßnahem auch in werkseigenen Lagern vorgenommen. Wie lange die Arbeitskräfte nach den Hygienemaßnahmen auf ihren tatsächlichen Arbeitseinsatz ausharren mussten ist nicht genau bekannt. Schließlich mussten sie so lange warten, bis die „Einkäufer“441 – also Bauern und Werksvertreter – ihre Arbeitskräfte abholten, wie aus den Erinnerungen der betroffenen Olga Bojarschynowa hervorgeht. Die Untersuchungen wurden oftmals in erniedrigender Art und Weise durchgeführt. 442 Zu den allgemeinen Misshandlungen kam die geschlechtsspezifische Komponente. „Die Transporte für verschleppte Männer waren schlimm genug, diejenigen für Frauen zutiefst verletzend.“443

Spätestens mit dem Kriegseintritt ist der zwangsweise Einsatz von ausländischer Zivilbevölkerung beziehungsweise von Kriegsgefangenen ganz klar als völkerrechtswidrig einzustufen. Der Einsatz der Kriegsgefangenen ist dabei streng von jenem der Zivilisten zu unterscheiden. Insbesondere die Haager Landkriegsordnung von 1907 war auch für das Deutsche Reich verbindlich444; außerdem hatte das Deutsche Reich die vier Genfer Konventionen von 1929 unterzeichnet445. Demnach durften die Krieg führenden Parteien des Abkommens grundsätzlich Kriegsgefangene zu unfreiwilligen Arbeitsleistungen heranziehen. Allerdings unterlag diese Befugnis weitreichenden Restriktionen. Die Verwendbarkeit bezog sich nur auf Mannschaften, also gewöhnliche Soldaten, während Offiziere von unfreiwilligen Arbeitsleistungen ausgenommen waren; Unteroffiziere durften nur zu Aufsichtsdiensten

438 Hauch, Ostarbeiterinnen, 1277. 439 John, Zwangsarbeit, 80; Helmut Lackner, Von der Gartenstadt zur Barackenstadt und retour. Die Linzer Barackenlager des Zweiten Weltkrieges bis zu ihrer Auflösung. In: HJbStL (1986) 217-273, hier 228. 440 Karl Fallend, Zwangsarbeit – Sklavenarbeit in den Reichswerken Hermann Göring am Standort Linz. (Auto-) Biografische Einsichten. In: Oliver Rathkolb (Hg), NS-Zwangsarbeit. Der Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin, 1938 – 1945, Bd 2, Zwangsarbeit – Sklavenarbeit in den Reichswerken Hermann Göring am Standort Linz. (Auto-) Biografische Einsichten (Wien/Köln/Weimar 2001) 1-356, hier 171-177. Fallend führt eine Liste mit den arbeitsunfähigen Polen und Ukrainern beiderlei Geschlechts an, die der Präsident des Gauarbeitsamtes Oberdonau dem von Oberdonau übermittelte. 441 Hauch, Zwangsarbeiterinnen, 371. 442 Oliver Rathkolb/Verena Ahamer, Personelle (Dis-)Kontinuitäten im Bereich der österreichischen Bundesforste / Reichsforstverwaltung 1938 – 1945 – 1955. In: Oliver Rathkolb/Maria Wirth/Michael Wladika (Hg), Die „Reichsforste“ in Österreich 1938–1945 (Wien/Köln/Weimar 2010) 129-158, hier 153. 443 Ebd. 444 Neuhold/Hummer/Schreuer, Völkerrecht, 578f. 445 John, Zwangsarbeit, 84. 67 herangezogen werden. Die Mannschaften durften weder zu Arbeitsleistungen in Frontnähe noch in Rüstungsbetrieben eingesetzt werden. Insofern der Einsatz von Kriegsgefangenen nach Maßgabe dieser Beschränkungen erlaubt war, stellte deren Verwendung einen Sonderfall von Zwangsarbeit dar446 und ist klar vom Begriff der zivilen ausländischen Zwangsarbeiter abzugrenzen. Die Verstöße gegen die Bestimmungen über die Kriegsgefangenen sind in der Ostmark erwiesenermaßen erfolgt.447 Dies im Fall der Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion mit dem Argument, dass die Sowjetunion die Abkommen nicht unterzeichnet hätte.448

Bei den italienischen Arbeitskräften vollzog sich ein Statuswechsel.449 Bis September 1943 war Italien als befreundeter Staat Anwerbungsgebiet. Nach der Besetzung Italiens änderte sich die Situation grundlegend. Etwa 600.000 italienische Soldaten wurden nun als Kriegsgefangene mit der Bezeichnung „Militärinternierte“450 ins Deutsche Reich überwiegend zur Zwangsarbeit gebracht. Ab Sommer 1944 wurden sie wiederum aus diesem Status entlassen und als zivile Arbeitskräfte zur Arbeit gezwungen. Die Erfolge des Einsatzes russischer Kriegsgefangener blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Von den 3,9 Millionen Gefangenen kamen 60 Prozent wegen der katastrophalen Versorgung ums Leben und der Rest konnte wegen der schlechten körperlichen Verfassung nur sehr bedingt eingesetzt werden.451

Nicht nur die Verteilung von Zivilarbeitern, sondern auch jene der Kriegsgefangenen oblag den Arbeitsämtern. Die Umstände wurden dabei in Grundzügen von Behörden vorgegeben, die außerhalb des Arbeitseinsatzapparates angesiedelt waren. So legte der Tiroler Gauleiter Franz Hofer anlässlich der Genehmigung des Einsatzes von Kriegsgefangenen in der Landwirtschaft die streng getrennte Unterbringung in gesicherten Sammellagern fest.452 Die Ausgestaltung dieser getrennten Unterbringung allerdings oblag den Arbeitseinsatzbehörden. Auf eine Anfrage des Bürgermeisters von Mayrhofen hin nannte das Landesarbeitsamt Tirol Säle von Gasthäusern oder Armenhäuser als mögliche Unterkünfte.

446 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 16f. 447 John, Zwangsarbeit, 84. 448 Siegwald Ganglmair, Fremdarbeiter und Kriegsgefangene. In: DÖW (Hg), Widerstand und Verfolgung in Oberösterreich 1934 – 1945. Eine Dokumentation (Wien 1982) 410-413, hier 410. 449 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 18. 450 Ebd; Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 297. 451 Josef Moser, Oberösterreichs Wirtschaft 1938 bis 1945 (Studien zur Wirtschaftsgeschichte und Wirtschaftspolitik 2, Wien/Köln/Waimar 1995) 311. 452 Peter Ruggenthaler, Zwangsarbeit in Mayrhofen im Zillertal. In: Stefan Karner/Peter Ruggenthaler (Hg), Zwangsarbeit in der Land- und Forstwirtschaft auf dem Gebiet Österreichs 1939 bis 1945 (Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission 26/2, Wien/München 2004) 416-440, hier 419. 68 Insgesamt befanden sich am 1. September 1941 etwa 141.100 Kriegsgefangene in der Ostmark – den Wehrkreisen XVII (Wien, Ober- und Niederdonau) und XVIII (Kärnten, Salzburg, Steiermark und Tirol samt Verwaltungsbezirk Vorarlberg) – im Arbeitseinsatz453, von denen noch Ende Juni 1942 knapp 60 Prozent Franzosen454 waren. Ende April 1941 ist der überwiegende Anteil der ostmarkweit eingesetzten Kriegsgefangenen von den Landesarbeitsämtern der Landwirtschaft (39,7 Prozent) und dem Baugewerbe (43,2 Prozent) zugewiesen worden.455 Der gegenüber dem Altreich doppelt so hohe Anteil am Baugewerbe ist auf den verspäteten Ausbau der Infrastruktur zurück zu führen.456

(2) Der Einsatz jüdischer Arbeitskräfte

Ende 1940 war das jüdische Arbeitskräftepotential im Altreich im Grunde ausgeschöpft.457 In der Ostmark wurde dieses Stadium – nach den Bestimmungen aus der Vorkriegszeit – schon im Juni 1939, also eineinhalb Jahre davor erreicht, als die weitere Reduktion der jüdischen Arbeitslosen am Gesundheitszustand und Alter der Restlichen Halt machte458. Lediglich eine juristische aber keine tatsächliche Erhöhung des jüdischen Arbeitskräftepotenzials bewirkte die schon erwähnte Novelle459 des AVAVG Anfang September 1939.460 Diese Novelle erklärt wohl hauptsächlich, abgesehen von den zwischenzeitlich erfolgten Kündigungen, die gegenüber dem Vorjahr fast wieder 1,6 Mal so hohe Zahl von 5.799 jüdischen Arbeitslosen461 im März 1940. Die Bedeutung von Arbeitgeberkündigungen darf hierbei wegen des nunmehr besseren Images der jüdischen Arbeitskräfte in der Privatwirtschaft gegenüber der Anfangszeit ihres Zwangseinsatzes462 nicht überbewertet werden. Zu dieser Zeit betrug damit der Anteil der arbeitslosen Wiener Juden zirka 22,6 Prozent der Gesamtzahl von 26.000 Wiener Erwerbslosen beziehungsweise 14,5 Prozent der insgesamt 40.000 Arbeitslosen in der Ostmark.463 Die Zahl der arbeitslosen Wiener Juden – und damit weitgehend der erwerbslosen Juden in der Ostmark insgesamt – wurde nach laufenden Rekrutierungen in Wien und den ehemaligen Bundesländern bis Anfang Juni 1940 wieder auf 2.707 reduziert.

453 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 154. 454 Ebd 155. 455 Ebd 161. 456 Ebd 159. 457 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 323. 458 Kap 3.f.ii. 459 RGBl I 1939 S 1674. 460 Kap 4. am Anfang. 461 Gruner, Zwangsarbeit, 164. 462 Kap 3.f.ii. 463 Gruner, Zwangsarbeit, 164. 69 Damit hatte die Arbeitseinsatzverwaltung wie schon im Juni 1939 das jüdische Arbeitskräftepotential „genau nach einem Jahr zum zweiten Mal weitgehend erschöpft“464. Von den knapp 50.000 Wiener Juden waren etwa die Hälfte im erwerbsfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren. Viele Tausend leisteten bereits in und außerhalb Wiens Zwangsarbeit und 1.337 waren bei der Israelitischen Kultusgemeinde beschäftigt. Daraufhin ließ die Arbeitseinsatzverwaltung die bisher als arbeitsunfähig eingestuften Juden ein weiteres Mal überprüfen, was jedoch infolge hohen Alters und chronischer Krankheiten zu unbefriedigenden Ergebnissen führte. Daraufhin begann sich das Wiener Arbeitsamt „offensichtlich ein ganzes Jahr früher als die Ämter im Altreich“465 über jede Altersgrenze bei der Zwangsvermittlung hinweg zu setzen. So waren die meisten beim Kasernenbau in Wien-Purkersdorf eingesetzten Juden über 65 Jahre alt.

Die ersten Deportationen von Wiener Juden ins polnische Nisko begannen am 18. Oktober 1939, sollten aber noch im selben Monat ein Ende finden. Schließlich wurden in dieser ersten Welle gut 1.500 Juden aus Wien abtransportiert, von denen etwa 200 nach ihrer dortigen Zwangsarbeit wieder nach Wien zurückkehren konnten.466 Für das Arbeitsamt Wien bedeutete dies, dass keine gröberen Preschen in seine Arbeitskräftereserven geschlagen wurden und infolge des vorläufigen Stopps der Deportationen unerwartete Handlungsräume erhalten werden konnten.467 Im Zusammenhang mit dem schon vor Kriegsbeginn bekannten Problem des Mangels an Kolonnenarbeitsplätzen in Raum Wien468 bewog dies die Arbeitseinsatzverwaltung zu einem ostmarktweiten Einsatz der Wiener Juden.

Bei der Frage nach dem Einsatzort wurde den jüdischen Arbeitskräften beim ersten Blick ein gewisser Entscheidungsspielraum beigemessen. Dieser bestand aber lediglich insofern, als zunächst nicht über das Arbeitsamt Beschäftigte ihre Beschäftigung aufgeben und sich für den Arbeitseinsatz in den Gauen beim Arbeitsamt melden konnten, wie es etwa Oskar Sitzmann, Kurt Schreier und andere machten.469 Sitzmann und seine Kollegen hatten davor beim Straßenbauunternehmer Winkelbauer in Wien für 0,63 RM pro Stunde gearbeitet. Sie meldeten sich schließlich für den Arbeitseinsatz in Kaprun, um den widrigen Bedingungen in Wien zu entgehen. „Dort hat man nicht alle Sachen mitmachen müssen, was hier in Wien noch war“470, so Schreier. Die schikanöse Behandlung der Zwangsarbeiter ging oftmals unmittelbar vom

464 Ebd 166. 465 Ebd. 466 Ebd 141f. 467 Ebd 164. 468 Kap 3.f.ii. 469 Gruner, Zwangsarbeit, 149. 470 Zit nach ebd. 70 Arbeitsamt für Juden aus; dieses beorderte etwa die achtunddreißigjährige Stella Sokal mehrmals zum Arbeitsamt, ohne sie auch nur aufzurufen, geschweige denn zu vermitteln.471 Vor diesem Hintergrund verliert sich bei genauerer Betrachtung das Bild der freien Disposition. Die in Kaprun eingesetzten jüdischen Arbeitskräfte waren in zwei Lagern untergebracht, von denen im Hauptlager am Fuße der Limbergsperre von Mitte September bis zum 28. November 1939 etwa 25 Juden untergebracht waren. Die Arbeiter mussten dort Steinbruch- und Erdarbeiten verrichten.

Im April 1940 verschickte das Arbeitsamt für Juden in Wien etwa 700 Juden in diverse Lager nach Kärnten und in die Steiermark vor allem zu Straßen und Kraftwerksbauten.472 In Lavamünd errichtete die Steirische Wasserkraft und Elektrizitäts A.G. gemeinsam mit der Alpenelektrowerke A.G. Etwa 200 Wiener Juden setzte das Wiener Arbeitsamt bei den Draukraftwerken ein.473 Ungefähr zur selben Zeit verschickte das Wiener Arbeitsamt einige Hundert in die drei Lager Kremplhof, Bründlgschütt und jenes am Präbichlpass bei Eisenerz. Nach den Erinnerungen474 der Zwangsarbeiterin Esra Peri über diese Aktion des Arbeitsamtes thronte am Bahnhof von Präbichl ein Plakat der antisemitischen Wochenzeitung „Der Stürmer“ mit der hetzerischen Abbildung einer jüdischen Figur. Im Juni 1940 hatte das Arbeitsamt Wien einen Transport mit 248 Juden ins Arbeitslager Traunkirchen geschickt, die für den Reichsstraßen- und Autobahnbau verwendet wurden.475 Einige Erwerbslose wurden ebenfalls im Juni in das von der SS betriebene „Vor-Konzentrationslager“ Doppl in Altenfelden bei Linz geschafft, um dort nicht etwa einer Ausbildung, sondern „einer reine[n] Vorbereitung zum KZ“476 unterzogen zu werden. Weitere 1.055 wurden in Wiener Arbeitsstellen untergebracht.477

Die zweite Deportationswelle der Februartransporte von 1941 ins Generalgouvernement wurde von schriftlich Anfang Dezember des Vorjahres angeordnet.478 Sie dezimierte die Zahl der Wiener Juden um etwa 5.000, ein Großteil davon waren Zwangsarbeiter. Im Frühjahr 1941 schickte das Wiener Arbeitsamt noch einmal einige hundert Frauen und Mädchen aus Wien ins Altreich zur Spargelernte.479

471 Ebd 194. 472 Ebd 166. 473 Markus Purkhart, Die Draukraftwerke. In: Oliver Rathkolb/Florian Freund (Hg), NS-Zwangsarbeit in der Elektrizitätswirtschaft der „Ostmark“ 1938 – 1945. Ennskraftwerke – Kaprunn – Draukraftwerke – Ybbs-Persenbeug – Ernsthofen (Wien/Köln/Weimar 2002) 199-230, hier 219. 474 Ebd 167f. 475 Ebd 176. 476 Ebd 180. 477 Ebd 165. 478 Gruner, Zwangsarbeit, 215. 479 Ebd 226. 71 Die genaue Zahl der jüdischen Arbeitskräfte in der Ostmark vor der endgültigen Deportation der Juden ab Herbst 1941 aus der Ostmark in die Vernichtungslager des Warthegaus und des Generalgouvernements steht nicht fest.480 Im Sommer 1941 lebten noch etwa 44.000 Juden in der Ostmark. Auf diese Zahl entfielen aber relativ wenige Arbeitskräfte; der Anteil der Jüngeren und Männer war bereits stark dezimiert. 63 Prozent waren Frauen, „in dem für den Zwangseinsatz üblichen Alter von 14 bis 60 Jahren – abzüglich Kranker und Behinderter – standen 7.475 Männer und 12.080 Frauen“481, 8.295 Männer waren über 60 Jahre alt. Anfang Oktober waren 630 Juden auf 15 Arbeitslager verteilt.482

Der vermehrte Arbeitseinsatz der jüdischen Bevölkerung vor allem ab dem Erlass483 vom 20. Dezember 1938 rief die Forderung nach einer rechtlichen Grundlage des Arbeitseinsatzes von Juden auf den Plan. Vor der juristischen Ausgestaltung des Arbeitseinsatzes von Juden fassten allerdings „faktische Schikanen“484 Fuß. In Bayern etwa versagte in vielen Fällen mangels Beitragsleistung seitens von Arbeitgebern der Schutz in der Sozialversicherung, was zu einem praktischen Ausscheiden aus weiten Bereichen der Sozialversicherung zur Folge hatte.485 In Wien wurde im November 1940 die Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung eingestellt.486 Gleichzeitig weigerte sich die Stadtverwaltung, die Israelitische Kultusgemeinde für Fürsorgezwecke zu unterstützen, was sich zusätzlich auf das Los der arbeitslosen Juden auswirkte.487

Erste Diskussionen um Sonderregelungen im Arbeits- und Sozialrecht sind bereits für Herbst 1938 festzustellen.488 Konkrete Ansätze folgten allerdings erst eineinhalb Jahre später mit dem „Erlass“489 der Reichsarbeitsministers Seldte vom 30. April 1940. Dieser Erlass sah vor allem diskriminierende Bestimmungen im Leistungs- und Lohnrecht vor. So waren Juden fortan von der Fortzahlung des regelmäßigen Arbeitsverdienstes für den ersten Mai, Neujahr, Oster- und Pfingstmontag sowie für die Weihnachtsfeiertage ausgeschlossen, ebenso wie von außertariflichen Familien- und Kinderzulagen. Die konkrete Ausgestaltung des Erlasses war

480 Maier, Arbeitseinsatz, 115. 481 Gruner, Zwangsarbeit, 224. 482 Maier, Arbeitseinsatz, 115. 483 Kap 3.f.ii. 484 Maier, Arbeitseinsatz, 116ff. 485 Ebd 117. 486 Gruner, Zwangsarbeit, 194. 487 Maier, Arbeitseinsatz, 34. 488 Ebd 119. 489 Ebd 120. Leider führt Maier das Zitat der Kundmachung des Erlasses nicht an. 72 dabei in Abstimmung vor allem mit dem Reichsministerium des Inneren erfolgt, in dem Staatssekretär Stuckart maßgeblich beteiligt war.

Die „Vorläufigen Bestimmungen über die arbeitsrechtliche Behandlung der Juden“490 vom 19. Februar 1941 übernahmen im Wesentlichen die Maßregelungen des Ministererlasses vom 30. April 1940. Sie traten rückwirkend mit 1. Juli 1940 in Kraft und brachten das Eingeständnis zum Ausdruck, die Isolation der Juden aus dem Wirtschafts- und Arbeitsleben nicht konsequent vorantreiben zu können.491 Die endgültige Fassung des Sonderrechtes erfolgte am 3. Oktober 1941 mit der „Verordnung über die Beschäftigung von Juden“492 des Vertreters des Beauftragten für den Vierjahresplan, Staatssekretär Körner. Während die vorangegangenen Regelungen den Arbeitseinsatz mit den Lohnfragen inhaltlich nur mittelbar betrafen und darüber hinaus deshalb interessieren, weil die Behörden der Arbeitseinsatzverwaltung an deren Ausgestaltung maßgeblich beteiligt waren, regelte diese Verordnung unmittelbar den Arbeitseinsatz von jüdischen Arbeitskräften.

Man bediente sich derselben Gesetzestechnik wie bei der Übernahme von Rechtsvorschriften aus dem Altreich. Aufgrund dieser Verordnung erging die Durchführungsverordnung493 vom 31. Oktober 1941. § 1 der vorangegangenen Verordnung legte lediglich grundlegend fest, dass die Beschäftigungsverhältnisse von Juden solche „eigener Art“ waren. Die Durchführungsverordnung präzisierte, was unter der „eigenen Art“ des Beschäftigungsverhältnisses zu verstehen war. Der erste Abschnitt (§§ 1 bis 10) der Durchführungsverordnung verschärfte die arbeitsrechtlichen Bestimmungen, indem etwa nur Arbeitsentgelt für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen494 zugestanden wurde (§ 3 leg cit).

Der zweite Abschnitt (§§ 11 bis 13 leg cit) enthielt die Bestimmungen über den Arbeitseinsatz. Nach § 11 Abs 1 leg cit waren Juden verpflichtet, die von den Arbeitsämtern zugewiesene Beschäftigung anzunehmen.495 Abs 2 leg cit verwies auf die Arbeitsplatzwechselverordnung496 vom 1. September 1939 und legte fest, dass diese sinngemäß anzuwenden war. Damit waren die

490 Ebd 125. 491 Hans Küppers, Die vorläufige arbeitsrechtliche Behandlung der Juden. In: RABl V 6 (1941) 106-110, hier 107f. 492 RGBl I 1941 S 675. 493 RGBl I 1941 S 681 494 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 327. 495 Hans Küppers, Erläuterungen. In: Friedrich Syrup (Hg), Arbeitsgesetzgebung. Kommentar zu den Gesetzen u. Bestimmungen über Ordnung u. Regelung der Arbeit und des Arbeitseinsatzes im Kriege (München/Berlin 1943) II Juden S 3-18, hier II Juden S 16; Hans Küppers, Das Beschäftigungsverhältnis der Juden. In: RABl V 32 (1941) 569-574, hier 569ff; Maier, Arbeitseinsatz, 128. 496 RGBl I 1939 S 1685; Kap 3.g.ii. 73 Beschäftigungsverhältnisse ausdrücklich dem Kündigungs- und Kontrahierungsverbot unterworfen. Darüber hinaus durften Juden vorbehaltlich anderweitiger Anordnung durch das zuständige Arbeitsamt nur gruppenweise (§ 12 Abs 1 leg cit) und getrennt von „der übrigen Gefolgschaft“, also vor allem getrennt von den „arischen“ Arbeitskräften, zur Arbeit eingesetzt werden. Beim Arbeitseinsatz außerhalb des Heimatortes waren Juden „in gesonderten Unterkünften unterzubringen“ (Abs 2 leg cit). Und schließlich verbot § 13 leg cit die Beschäftigung oder Vermittlung als Lehrling oder Anlernling. Damit wurde gewährleistet, dass Juden nur Positionen erlangen konnten, bei denen ein etwaiger späterer Wegfall der Arbeitskraft den jeweiligen Betrieb möglichst wenig schädigte; jüdische Arbeitskräfte sollten leicht ersetzbar sein. Eine entsprechende Äußerung Görings in diese Richtung ist für den 31. Juli 1941 im unmittelbaren Zusammenhang mit den Planungen der systematischen Judenvernichtung belegt497; insofern verwundert es nicht, dass Überlegungen zur Frage nach dem Wegfall der jüdischen Arbeitskräfte auch in die Durchführungsverordnung Eingang gefunden haben.

Die Arbeitslosenhilfe nach §17 leg cit wurde für Juden eingeschränkt. Sie war nur in dem Ausmaß zu gewähren, als das „zum Lebensunterhalt unerlässlich Notwendige“ es verlangte. Gleichzeitig galten „die Vorschriften der Reichsversicherung (einschließlich Beitragspflicht zum Reichsstock für Arbeitseinsatz)“ (§ 20 leg cit) bis auf weiteres weiter. Ungeachtet der Beschneidungen im Fall der Arbeitslosigkeit waren beschäftigte Juden also weiterhin verpflichtet, uneingeschränkt Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten.

Die mit den Deportationen reduzierte Zahl jüdischer Arbeitskräfte wirkte sich nachhaltig auf die Rüstungswirtschaft aus. In Erwartung des baldigen Verlustes seiner jüdischen Arbeitskräfte richtete sich am 14. Oktober 1941 ein Wiener Unternehmer an die Wehrmacht.498 Zurzeit sei aufgrund der Angst vor der Deportation die Arbeitsleistung der im Unternehmen tätigen Juden mit dem Zweifachen der Leistung der Arier anzusetzen. Allerdings müsse sich natürlich die Ungewissheit nachträglich auswirken, weshalb um Klarstellung der Verhältnisse gebeten wurde.

Hier stellte sich das Eintreten für jüdische Beschäftigte als Bittstellung in einem Einzelfall dar. Der darin angesprochen Abzug der jüdischen Beschäftigten drohte sich zu einem Problem für die Deportationspläne des RSHA auszuwachsen, da er nicht nur einen Konflikt mit der Wirtschaft, sondern auch mit der Wehrmacht und in letzter Konsequenz auch mit den Arbeitsämtern

497 Maier, Arbeitseinsatz, 142. 498 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 330. 74 hervorrufen konnte.499 Die Wehrmacht sah ihre Rüstungsinteressen gefährdet, die Arbeitseinsatzverwaltung ihr Soll an Arbeitskräften für die Rüstungsindustrie, in der im Oktober 1941 jüdische Arbeitskräfte schon einen fixen Platz einnahmen. In der Folge wurden die Arbeitsämter zunehmend in die Selektion der zu deportierenden Juden eingebunden, indem sie oftmals bei den Stapoleitstellen zugunsten der Beibehaltung wichtiger Arbeitskräfte intervenierten.500

Die „Verordnung zur Durchführung der Verordnung über die Beschäftigung von Juden“501 enthielt selbst keine Definition der Rechtsbegriffe „Jude“ oder „Mischehe“ 502. Dessen ungeachtet vertritt Küppers503 im Kommentar zur Arbeitsgesetzgebung die Ansicht, dass Jude jene Person war, die unter § 5 der Ersten Durchführungsverordnung504 zum Reichsbürgergesetz fiel.

Für Juden in privilegierten Mischehen505 galten gewisse Begünstigungen. Auf der einen Seite enthielt § 21 der Durchführungsverordnung506 eine Aufzählung der nicht anzuwendenden Paragrafen. So waren die in privilegierten Mischehe lebenden jüdischen Ehegatten unabhängig vom Geschlecht – also nicht nur die jüdische Gattin wie sonst bei der privilegierten Mischehe507 – sowie die jüdische Ehefrau in kinderloser Mischehe bei aufrechter Ehe von gewissen Diskriminierungen ausgenommen. Auch mussten diese nicht in Gruppen beschäftigt werden (§ 12 leg cit) und es war Arbeitslosenunterstützung in voller Höhe zu leisten (§ 17 leg cit). Auf der anderen Seite waren Bestimmungen wie die Pflicht, die vom Arbeitsamt vermittelte Beschäftigung anzunehmen (§ 11 Abs 1), für Juden in Mischehe unbeschränkt anwendbar.

Die Begünstigung von Juden in privilegierten Mischehen hatte folgende Hintergründe. Es sollte einerseits sichergestellt sein, dass der Unterhalt von arischen Kindern oder des arischen Ehegatten nicht gefährdet wurde. Deshalb wurden „gewisse Erleichterungen“508 gewährt. Dass eben nur gewisse Erleichterungen und nicht sämtliche Rechte der Arier gewährt wurden, zeigt die ambivalente Linie des Regimes im Umgang mit den Mischehen. Andererseits wurde davon

499 Ebd. 500 Ebd; Gruner, Zwangsarbeit, 240. 501 RGBl I 1941 S 681. 502 Maier, Arbeitseinsatz, 210. 503 Küppers, Erläuterungen, II Juden S 4. 504 RGBl I 1935 S 1333. 505 Kap 3.f.ii. 506 RGBl I 1941 S 681 507 Kap 3.f.ii. 508 Küppers, Erläuterungen, II Juden S 17. 75 ausgegangen, dass die Ausnahme vom gruppenweisen Arbeitseinsatz in aller Regel nicht in die Praxis umgesetzt wurde. Das heißt, Juden, die in de jure privilegierter Mischehe lebten, wurden regelmäßig ausschließlich in Gruppen nach § 12 leg cit eingesetzt; lediglich in besonderen Härtefällen wurde auf Antrag eine Ausnahme von dieser rechtswidrigen Praxis gewährt.509

(3) Der Einsatz von Roma und Sinti

Während des Krieges wurde die Mehrheit der Roma und Sinti zu Hilfsarbeiten genötigt, wobei Männer überwiegend im Bau- und Fuhrgewerbe und Frauen in der Industrie eingesetzt wurden.510

Nach dem zentralen Festsetzungserlass des Reichssicherheitshauptamtes und des Reichskriminalpolizeiamtes vom 17. Oktober 1939 waren im gesamten Reichsgebiet Sammellager für die spätere Deportation zu errichten.511 Daraufhin wurden Roma und Sinti in Salzburg festgenommen und im ehemals freien Lagerplatz im 1935 eingemeindeten Salzburger Stadtteil Maxglan zwangsweise gesammelt.512 Im Sommer 1940 wurde vorübergehend am Gelände der damaligen Trabrennbahn im Stadtteil Parsch – heute befindet sich dort die Rennbahnsiedlung – ein Lager für Roma und Sinti errichtet513, bevor im September oder Oktober desselben Jahres das endgültige Lager in Maxglan unter maßgeblicher Beteiligung des Arbeitsamtes Salzburg514 errichtet wurde, das bis Frühling 1943515 bestand. Auch die Roma und Sinti aus dem Salzburg sollten nach der Anordnung des Reichssicherheitshauptamtes unter Ernst Kaltenbrunner vom 27. April 1940 im August 1940 deportiert werden und wurden zu diesem Zweck interniert. 516 Die Lagerleitung oblag SS-Sturmbannführer und Kriminalrat Böhmer. Zur tatsächlichen Durchführung der Deportation ins Generalgouvernement sollte es aber nach vehementem Widerspruch von Generalgouverneur Hans Frank zunächst nicht

509 Ebd. 510 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 336. 511 Thurner, Zigeuner, 20f. 512 Rieger, „Zigeunerleben“ in Salzburg, 48. 513 Ebd 55. 514 Ebd 57. 515 Ebd 87. Der Forschungsstand zur Internierung der Salzburger Roma und Sinti ist leider unklar. So spricht etwa Thurner, Zigeuner, 37 bezüglich des Rennbahnlagers von der Errichtungszeit Mai oder Juni 1939, wobei sie sich auf eine Auskunft der Bundespolizeidirektion aus dem Jahr 1952 beruft. Rieger, „Zigeunerleben“ in Salzburg, 55 dagegen geht von der Errichtung im Spätsommer 1940 aus und bezieht sich auf die Korrespondenz zwischen Kripostelle und Reichsstatthalter Salzburg. Hier ist wohl Rieger zu folgen. Maier, Arbeitseinsatz, 195 und Zimmermann, „Zigeunerfrage“, 200-201 wiederum erwähnen nur ein Lager im Salzburger Stadtteil Leopoldskron ohne zu erwähnen, dass es sich dabei womöglich um das Lager in Maxglan handelt (Rieger, „Zigeunerleben“ in Salzburg, 49; Thurner, Zigeuner, 40, FN 1). 516 Maier, Arbeitseinsatz, 195. 76 kommen, was dem Arbeitsamt Salzburg einen Freibrief für den zwangsweisen Einsatz der durchschnittlich 300 bis 400 Internierten517 einräumte.

Um über das Schicksal der nach dem Deportations-Aus im Lager verbleibenden Roma und Sinti zu beraten, fand am 5. September 1940 eine Besprechung der zuständigen Behörden statt.518 Anwesend war unter anderem der Leiter der Abteilung Arbeitseinsatz des Arbeitsamtes Salzburg, Max Knözinger. Knözinger pochte auf die Eingliederung sämtlicher arbeitsfähiger Roma und Sinti in den Arbeitsprozess. Dies nicht ohne Erfolg; die Teilnehmer einigten sich auf einen Einsatz beim Autobahnbau oder bei Meliorationen. Die Zwangsarbeiter sollten den – sehr niedrigen – Betrag von 50 Reichspfennigen Entlohnung erhalten, während der Rest für Unterbringung und Verpflegung einbehalten werden sollte. Für den Arbeitsweg war polizeiliche Bewachung vorgesehen.

Das Arbeitsamt Salzburg war in weiterer Folge unmittelbar an der gleichnamigen Verfilmung der Oper „Tiefland“ von Eugen d’Albert beteiligt, an der Filmregisseurin Leni Riefenstahl arbeitete.519 Es gewährte die Zuteilung von mindestens 23 Roma und Sinti – acht Erwachsene und 15 Kinder – aus dem Lager Maxglan als Komparsen („südländische Statisten“520) zugunsten der Riefenstahl-Film GmbH.521 Die für den Arbeitseinsatz von Seiten der Kriminalpolizeistelle Salzburg durchgesetzten Bedingungen waren die streng vor allem von Kriegsgefangenen getrennte Unterbringung sowie die Bezahlung von 7,- RM pro Tag für jeden erwachsenen Komparsen sowie weitere 7,- RM für je drei Kinder. Das Entgelt war nicht den Darstellern auszuhändigen, sondern an die Stadtverwaltung Salzburg zugunsten der „Zigeuner- Gemeinschaftskasse“522 abzuführen und kam damit letztlich der Kriminalpolizeileitstelle zugute. „Die Filmgesellschaft sollte sich zwecks Anfertigung des Beschäftigungsvertrages […] mit dem Arbeitsamt Salzburg in Verbindung setzen“523.

517 Thurner, Zigeuner, 40. 518 Maier, Arbeitseinsatz, 195f. 519 Rieger, „Zigeunerleben“ in Salzburg, 77. 520 Erika Thurner, „Ortsfremde, asoziale Gemeinschaftsschädlinge“ – die Konsequenzen des ‚Anschlusses’ für Sinti und Roma (Zigeuner). In: Rudolf G. Ardelt/Hans Hautmann (Hg), Arbeiterschaft und Nationalsozialismus in Österreich (Veröffentlichung des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien 1990) 531-552, hier 540. 521 Maier, Arbeitseinsatz, 197. 522 Ebd. 523 Ebd. 77 Zur selben Zeit waren 32 Roma und Sinti bei der Glanregulierung beschäftigt. Diese stellte nach dem Projekt von Riefenstahl das zweitgrößte Einsatzgebiet der Internierten dar.524 Die pro Person und Tag bezahlten 1,50 RM wurden ebenfalls an die Gemeinschaftskassa gezahlt. Aufgrund der zufriedenstellenden Arbeitsleistung beabsichtigte der Polizeidirektor einen höheren Betrag herauszuschlagen.525 Die oftmals jünger als 14-jährigen526 und halbinvaliden Zwangsarbeiter mussten „oft stundenlang mit Gummistiefeln im kalten Wasser stehen, wobei die Füße einfroren“527.

In Lackenbach, wo ursprünglich lediglich 16 Roma und Sinti lebten528, wurde am 23. November 1940529 das größte Lager für Roma und Sinti in der Ostmark eröffnet. Insgesamt wurden durch dieses Lager etwa 3.000 bis 4.000530 Personen geschleust. Die Insassen wurden überwiegend zu Zwangsarbeit inner- und außerhalb des Lagers herangezogen, die allerdings nicht vom Arbeitsamt, sondern ausschließlich von der Kriminalpolizeileitstelle in Wien organisiert wurde.531 Es oblag somit allein dieser, die „Entscheidung über die Zuteilung von Arbeitskräften [zu treffen und festzulegen,] welchen Projekten Priorität einzuräumen war.“532 Die gegenüber dem Lager in Salzburg fehlende Zugriffsmöglichkeit des Arbeitsamtes ist wohl auf die lückenhafte rechtliche Fundierung des Amtshandelns533 zurückzuführen.

ii. Vom Winter 1941/1942 bis 1945 – Intensivierungsphase

(1) Der Ausländereinsatz

Fritz Sauckel brachte es zustande, bis 1944 über sieben Millionen zivile ausländische Arbeitskräfte aus den besetzten Gebieten an der Ost- und Westfront ins Deutsche Reich zu schaffen.534 Zwischen April und Juli 1942 sind 1,7 Millionen ausländische Arbeitskräfte ins Deutsche Reich gebracht worden. Davon beliefen sich ungefähr 970.000 auf Kriegsgefangene und Zivilisten, derer man sich im Feldzug gegen die Sowjetunion bemächtigt hatte. In der

524 Rieger, „Zigeunerleben“ in Salzburg, 71. 525 Maier, Arbeitseinsatz, 197. 526 Rieger, „Zigeunerleben“ in Salzburg, 71. 527 Ebd 72. 528 Steinmetz, Zigeuner, 49. 529 Erika Thurner, Nationalsozialismus und Zigeuner in Österreich (Veröffentlichungen zur Zeitgeschichte 2, Wien/Salzburg 1983) 61. 530 Steinmetz, Zigeuner, 17. 531 Thurner, Zigeuner, 126. 532 Ebd. 533 Rieger, „Zigeunerleben“ in Salzburg, 110. 534 Maier, Arbeitseinsatz, 15. 78 zweiten Jahreshälfte von 1942 wurde die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte auf etwa 4 Millionen erhöht, 1943 auf 6,5 Millionen, bis man schließlich 1944 sieben Millionen erreichte. Trotz der beachtlichen Zahl ausländischer Zwangsarbeiter blieb infolge der laufend schwindenden Zahl deutscher Arbeitskräfte der Mangel an Arbeitskräften bis zum Kriegsende eines der größten Probleme der Kriegswirtschaft.535

Ostmarkweit betrug im Mai 1942 die Zahl der zivilen ausländischen Arbeitskräfte absolut 249.112536, im November 1943 512.918 und im September 1944 566.996; damit lag der Anteil im November 1943 bei 23,1 Prozent der Beschäftigten insgesamt (also inklusive Inländer) und im September 1944 bei 25,3 Prozent.537 Die Ostmark zählte mit Westpreußen zu den beiden am meisten mit ausländischen zivilen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern beschickten Gebieten im Deutschen Reich.538 Die meisten Ausländer wurden von den Arbeitsämtern in die Landwirtschaft, ins Bau- und Baunebengewerbe sowie in die Metallindustrie (Eisen- und Metallgewinnung; Eisen-, Stahl- und Metallwarenherstellung; Maschinen-, Kessel-, Apparate- und Fahrzeugbau) vermittelt.539 In der Landwirtschaft, der mit Abstand am stärksten mit zivilen Ausländern beschickten Branche, ging der Anteil der Ausländer von 37,1 Prozent im Mai 1942 nur geringfügig auf 34,8 Prozent insgesamt zurück. Im Mai 1942 standen das Baugewerbe an zweiter (24,6 Prozent) und die Metallindustrie an dritter Stelle (10,1 Prozent). Bis September 1944 hat sich das Verhältnis dieser beiden Branchen nahezu umgekehrt. Offenbar wurden die Arbeitskräfte aus dem Baugewerbe in die Metallindustrie umgeschichtet540, was durch die verstärkte Rüstung durchaus plausibel erscheint.

Laut einer Statistik vom 28. Februar 1943 wurde in den Eisenwerken Oberdonau ein Ausländeranteil (inklusive Kriegsgefangenen) von etwa 60 Prozent und in den Linzer Stickstoffwerken von zirka 70 Prozent erreicht.541 Im Arbeitsamtbezirk Linz waren im April 1943542 59.579 Männer und Frauen beschäftigt, die keine Angehörigen des Deutschen Reiches Waren (wohl inklusive Kriegsgefangenen und ohne KZ-Insassen). Das entsprach einem

535 Ian Kershaw, Hitler, Bd 2, 1936-1945 (London 2000) 922f. 536 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 113. 537 Ebd 217; John, Zwangsarbeit, 64. 538 Peter Marschalck, Bevölkerungsgeschichte Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert (Neue historische Bibliothek 244, Frankfurt am Main 1985) 83. 539 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 112f. 540 Ebd 110. 541 John, Zwangsarbeit, 65. 542 Bericht des Oberlandesgerichtspräsidenten von Linz an den Reichsjustizminister über die allgemeine Lage, 23.4. 1943. In: DÖW (Hg), Widerstand und Verfolgung in Oberösterreich 1934 – 1945. Eine Dokumentation (Wien 1982) 424; Hauch, Zwangsarbeiterinnen, 406f. John, Zwangsarbeit, 68 ordnet exakt diese Zahl fälschlicherweise einem Zeitpunkt etwa ein Jahr später (Mai 1944) zu, bezieht sich aber auf dieselbe Quelle wie Hauch in dieser FN. 79 Ausländeranteil von etwa 31 Prozent.543 Der Männeranteil lag sogar bei etwa 42,2 Prozent. Im gesamten Reichswerke-Alpine-Komplex, zu dem vor allem die Werke der Standorte Linz, Donawiz, Eisenerz und Judenburg zählten, lag der Ausländeranteil bei etwa zwei Drittel. Mit dem hohen Ausländeranteil lag Linz allerdings an der Spitze des gesamten Deutschen Reiches und damit natürlich auch der Ostmark, was wohl auf den Stellenwert der RWHG zurückzuführen ist. In Oberdonau waren im Mai 1944 119.484 Personen oder 33,3 Prozent544 der Beschäftigten insgesamt im Ausländereinsatz beschäftigt. Demgegenüber erreichte die Ausländerquote in Vorarlberg im Frühjahr 1945 etwa ein Viertel545 der Beschäftigten insgesamt.

Die Zahl der Kriegsgefangenen in der Ostmark stieg von etwa 154.300 im Juni 1943 auf 182.300 im Dezember 1944.546 Die Auswertung einer sektoralen Verteilung der Kriegsgefangenen auf die verschiedenen Wirtschaftsbranchen liegt aufgrund der Quellenlage lediglich für den Wehrkreis XVII, also für Wien, Nieder- und Oberdonau vor.547 Dort wiesen die Gauarbeitsämter am 15. August 1943 von insgesamt zirka 75.700 Kriegsgefangenen allein 54,1 Prozent der Landwirtschaft und 37,6 Prozent Industrie und Handel zu.548 Zum 15. Mai 1944 stieg die Gesamtzahl auf ungefähr 98.400, wobei sich die Anteile von Landwirtschaft einerseits und Industrie und Handel andererseits auf etwa 45 Prozent angenähert haben.549 Bei den Zahlen ab 1943 ist allerdings der die Durchschnittswerte der gesamten Ostmark verfälschende Faktor Wien zu berücksichtigen. Durch die fehlenden Daten des Wehrkreises XVIII – also der westlichen Gebiete der Ostmark – schlägt sich der unverhältnismäßig hohe Wiener Industrieanteil zu Buche.

Die Notwendigkeit der Ausländerbeschäftigung führte so weit, dass etwa ab 1944 die gesamte Kriegswirtschaft von der Arbeit der Ausländer und Kriegsgefangenen abhängig war.550 Drehpunkt des Ausländereinsatzes war dabei das koordinierte Vorgehen der Behörden des Arbeitseinsatzes in den Gauen des Deutschen Reiches551 auf der einen Seite und in den eingenommenen Gebieten wie dem Generalgouvernement auf der anderen.

Welche Rolle die Behörden der Arbeitseinsatzverwaltung in der Ostmark im Prozess der Verschickung von Zwangsarbeitern über die Grenzen der Ostmark hinaus spielten, zeigt folgende

543 Hauch, Zwangsarbeiterinnen, 406. 544 John, Zwangsarbeit, 68. 545 Engel/Radzyner, Sklavenarbeit, 188. 546 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 154. 547 Ebd 159. 548 Ebd 172. 549 Ebd 173. 550 Freund, NS-Arbeitskräftepolitik, 8ff. 551 John, Zwangsarbeit, 46. 80 Sitzung552, an der Vertreter des Gauarbeitsamtes Oberdonau, der Rüstungskommission Linz und der RWHG teilnahmen. Die RWHG planten im Juni 1944 den Abzug von 280 italienischen Militärinternierten nach Eisenerz. Da für den Raum Linz aber von Seiten der Rüstungskommission Arbeitskräftemangel festzustellen war, wurde als Bedingung für den Abzug ein entsprechender Ersatz festgelegt. In diesem Zusammenhang sicherte der Vertreter des Gauarbeitsamtes Oberdonau einen Antrag beim Gauarbeitsamt für den Südostraum in Belgrad auf Überlassung von 800 Arbeitskräften für Oberdonau zu. Kurze Zeit nach der Sitzung erhielt das Gauarbeitsamt Oberdonau die Bestätigung vom Gauarbeitsamt in Belgrad, dass dort 700 „bandenverdächtige“553 Griechen für Oberdonau zur Verfügung stünden.

Die Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels galt nicht nur für jüdische554 und freie deutsche555 Arbeitskräfte, sondern auch für zivile ausländische Zwangsarbeiter. , Gauleiter von Oberdonau, hatte dies für dort im September per Verordnung klargestellt. Den Arbeitsämtern kam insofern Überwachungsfunktion zu, als diese allfällige Arbeitsplatzwechsel – und seien sie auch von den Arbeitgebern erwünscht gewesen – genehmigen mussten. Diese Regeln wurden auch immer wieder gebrochen beziehungsweise die Machtstellung der Arbeitsämter weitgehend untergraben. In diese Richtung weist der Fall des Bauern Johann Pichler aus der Gemeinde Hirschbach bei Freistadt in Oberdonau.556 Dieser wollte den ihm zugeteilten Ukrainer Pablo Obosneko gegen den sich bereits auf seinem Hof eingefundenen Urkainer des Prägartbauers austauschen. An die Gemeinde Hirschbach wandte er sich mit den Worten, „Wollen Sie so frndl. sein und mir heute das Arbeitsamt fernmündlich verständigen, daß ich denselben morgen Vormittag beim Arbeitsamt Freistadt einliefern […] und unter gar keinen Umständen mehr nach Hause nehmen [werde].“557

Eine zentrale Rolle spielten die Arbeitseinsatzbehörden nicht nur bei der Beschaffung und Verteilung von Arbeitskräften; sie waren vielmehr auch für deren reibungslosen Einsatz zuständig und hatten dafür einen fixen Platz im institutionellen Kontrollgefüge. Gemeinsam mit unterschiedlichen Stellen wie dem Werkschutz und der Gestapo bzw dem Reichsführer SS waren

552 Ebd 58. 553 Ebd. 554 Kap 4.b.i.(2). 555 Kap 3.g.ii. 556 Stefan Karner/Peter Pirnath, Zwangsarbeit in der Landwirtschaft in Oberdonau. In: Stefan Karner/Peter Ruggenthaler (Hg), Zwangsarbeit in der Land- und Forstwirtschaft auf dem Gebiet Österreichs 1939 bis 1945 (Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission 26/2, Wien/München 2004) 257-332, hier 326f. 557 Abgedr ebd. Das Schreiben Pichlers an die Gemeinde Hirschbach liegt im OÖLA Linz auf. 81 die Arbeitsämter zur Ahndung von Verstößen gegen die Verträge, Betriebsordnungen der diversen Unternehmer, Gesetze und sonstigen Verhaltensreglements berufen.558

Die Aufgabenverteilung zwischen den verschiedenen Stellen sah vor, dass der Werkschutz auf innerbetrieblicher Ebene als Kontrollinstanz tätig war, und „die Sicherheit im Sinne des Regimes garantieren sollte“559. Er hatte im Regelfall Ermittlungen zu führen und für einen Eingriff die Gestapo zu verständigen. Die Festnahme war von der Gestapo vorzunehmen. Diese verfügte für ihren Aufgabenbereich, also den physischen Zugriff auf die Arbeiter, über eine Ausländer-Kartei, die in Kooperation mit den Arbeitsämtern geführt wurde. Bei Kriegsgefangenen war der Stalag (Stammlager für Kriegsgefangene aus dem Mannschaftsstand) für Festnahmen zuständig, bei KZ-Häftlinge die SS. Den Arbeitsämtern hingegen oblag die Durchführung des Strafverfahrens gegen die Zwangsarbeiter.

Die von den Arbeitsämtern gegen die Zwangsarbeiter gerichtete Unterdrückung560 reichte von der Inanspruchnahme ihrer Zuständigkeit für die vorherige Genehmigung des Fernbleibens vom Arbeitsplatz561 über die Einleitung der Rückholung vertragsbrüchiger Arbeiter562 bis hin zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens. Zuständige Instanz für das Strafverfahren war das Arbeitsamt. Verhängt wurden Geldstrafen und Freiheitsstrafen durch Einweisung in Arbeitserziehungslager beziehungsweise durch Anordnung der Schutzhaft.563 Vor allem der dritte Punkt, die Zuständigkeit der Arbeitsämter für die Durchführung von Strafverfahren, verdient besondere Erwähnung. Dies insofern, als in Angelegenheiten der Verwaltungsstraffälligkeit von Arbeitskräften – etwa was die Verfolgung von „Arbeitsbummelanten“564 betraf – vor allem die Gestapo zuständig war. Allerdings zeigt beispielsweise die „Dritte Durchführungsbestimmung zum Abschnitt III (Kriegslöhne) der Kriegswirtschaftsverordnung – Ordnungsstrafrecht der Reichstreuhänder der Arbeit – (Dritte KLDB)“565 vom 2. Dezember 1939 die Bestrebungen in Richtung Auslagerung der Kompetenz für Strafverfolgung zugunsten der Reichstreuhänder der Arbeit.566 Zugleich mit der allgemeinen Zusammenlegung der Ämter der Treuhänder der Arbeit und der Präsidenten der Gauarbeitsämter

558 John, Zwangsarbeit, 102. 559 Ebd. 560 Ebd 106. 561 Ebd 51. 562 Ebd 106. 563 Ebd 107f. John führt eine Liste von 15 durch das Linzer Arbeitsamt Bestraften der Hermann-Göring-Werke an. 564 Gabriele Lotfi, KZ der Gestapo. Arbeitserziehungslager im Dritten Reich (Stuttgart 2000) 129ff. 565 RGBl I 1939 S 2370. 566 Lotfi, KZ, 252. 82 1943567 ging diese Strafkompetenz auf die Arbeitseinsatzverwaltung über. Was die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens in Arbeitsdelikten anlangt, hat jedenfalls – in welcher Form auch immer – eine Kooperation zwischen Gestapo und Arbeitsämtern stattgefunden.

Der Einsatz der Ausländischen Zwangsarbeiter war auf eine klare rassistische Hierarchie ausgerichtet.568 Für die Behandlung der Zwangsarbeiter durch Gestapo und Reichsführer SS hatten diese im November 1942 eine nach Nationen gereihte neunteilige Skala erlassen.569 Demnach standen auf Platz I „Arbeitskräfte germanischer Abstammung“570 (Flamen, Dänen, Norweger) gefolgt von Arbeitskräften aus befreundeten oder verbündeten souveränen Staaten wie Italien, Spanien oder Bulgarien; auf Platz III rangierten Franzosen und Belgier, dann folgten Serben und Griechen; auf Platz V waren Protektoratsangehörige nichtdeutscher Abstammung, auf VI Arbeiter aus den ehemaligen baltischen Staaten, auf VII Weißrussen und Ukrainer, auf VIII Polen; ganz unten waren die „Ostarbeiter“ gereiht. Darunter waren nach § 1 der „Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter“571 vom 30. Juni 1941 jene ins Deutsche Reich verbrachten Arbeitskräfte zu verstehen, die aus Weißruthenien oder der Ukraine beziehungsweise dem Gebiet östlich davon sowie östlich der ehemaligen baltischen Staaten stammten.572 Die nach Herkunft unterschiedliche Diskriminierung war dabei nicht starr festgeschrieben; vielmehr verschlechterte sich etwa der Umgang mit Slowaken ab dem Aufstand vom August 1944.573

Die Skala war nicht ausdrücklich auch für die Behörden der Arbeitseinsatzverwaltung anwendbar; dass sie dennoch sinngemäß Anwendung fand, lässt zum Einen die schon erwähnte Zusammenarbeit mit der Gestapo in Sachen Kontrolle der ausländischen Zwangsarbeiter vermuten. Zum anderen zeigt die Strafenpraxis, dass die Bestraften der unteren Plätze der Skala durchwegs strenger – nämlich vorwiegend mit Freiheitsstrafe – bestraft wurden, während in den Fällen der oberen Ränge durchaus auch Geldstrafen verhängt wurden.574 Es ist anzunehmen, dass

567 Kap 4.a. 568 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 315. Engel/Radzyner, Sklavenarbeit, 36ff. 569 John, Zwangsarbeit, 51. 570 Ebd. 571 RGBl I 1942 S 419. 572 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 25. 573 Rathkolb/Ahamer, Bundesforste / Reichsforstverwaltung, 131. 574 John, Zwangsarbeit, 107f. Er erwähnt diese beiden Argumente nicht ausdrücklich und führt in der Liste der 15 Bestraften lediglich deren Nationalität, Strafe und andere Angaben, nicht jedoch den Tatbestand an. Eine endgültige Auswertung der nach Nationen unterschiedlichen Strafenpraxis muss letztlich einer eingehenderen Untersuchung vorbehalten werden. 83 die Praxis des Ausländereinsatzes mit seiner rassisch abgestuften Diskriminierung „von erheblichen Teilen der Bevölkerung akzeptiert und unterstützt worden ist“575.

Aus dem umfassenden Statistikbericht von Schober576 zu den RWHG lässt sich für die These der nach Nationen unterschiedlichen Strafenpraxis der Arbeitsämter leider wenig gewinnen, da eine Zuordnung der begangenen Delikte zu den verhängten Strafen anhand der Tabellen nicht möglich ist. Allerdings fällt auf, dass deutsche Staatsangehörige milder bestraft wurden, als Ausländer insgesamt. Bei beiden Gruppen waren die Deliktsarten, gemessen an den beiden häufigsten Verstößen „Arbeitsvertragsbruch“ und „unentschuldigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz“, in etwa gleich verteilt. Von einer milderen Bestrafung der deutschen Staatsangehörigen ist insofern auszugehen, als nach der allgemein häufigsten Bestrafung Geldbuße am zweithäufigsten eine Verwarnung ausgesprochen wurde, während bei den ausländischen Zwangsarbeitern an zweiter Stelle eine Form der Freiheitsstrafe577 stand.

Auf die Tatbestände gibt es in der Forschungsliteratur ausreichend Hinweise578, nicht jedoch zur Strafenpraxis. In welche Richtung das Verhältnis des Vergehens zur verhängten Strafe geht, lässt das Beispiel des 22-jährigen ukrainischen Schlossers Johann Krasota erahnen.579 Er wurde mit einer Geldbuße in der Höhe von einem Schichtlohn bestraft, weil er in den letzten Tagen vor der Anzeige des öfteren zu spät – um wie viel ist nicht bekannt – zur Arbeit erschienen ist. Die verhängten Strafen wurden regelmäßig zur Abschreckung unter der Gefolgschaft mittels Aushang beziehungsweise per Appell bekannt gemacht.

Ein Richterbrief aus dem Jahr 1942 setzte es als selbstverständlich voraus, dass „ein anständiger und national bewußter Volksgenosse“ den „Umgang [mit den ausländischen Zivilarbeitern]“580 mied. Das rassisch geprägte Gesellschaftsmodell barg eine imminent sexuelle Dimension des Ausländereinsatzes. Die Ostarbeitererlasse vom Februar 1942 führten in Anlehnung an die Polenerlasse die Kennzeichnungspflicht für Ostarbeiter ein und untersagten per Todesstrafe Geschlechtsverkehr mit Deutschen. Fallweise wurden in Oberdonau bereits ab 1942

575 Ebd 98. 576 Michaela C. Schober, ZwangsarbeiterInnen der Reichswerke Hermann Göring am Standort Linz – Statistikbericht unter Berücksichtigung der deutschen Staatsangehörigkeit. In: Oliver Rathkolb (Hg), NS-Zwangsarbeit. Der Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin, 1938 – 1945, Bd 1, Zwangsarbeit – Sklavenarbeit: Politik-, sozial- und wirtschaftshistorische Studien (Wien/Köln/Weimar 2001) 147-286, hier 249-263. 577 Gleich oben in diesem Kapitel. 578 Schober, ZwangsarbeiterInnen, 256-263. 579 John, Zwangsarbeit, 108. 580 Richterbriefe – Mitteilungen des Reichsministers der Justiz – Nr. 6, 1. März 1943, 21. Verbotener Umgang mit Kriegsgefangenen. In: Heinz Boberach (Hg), Richterbriefe. Dokumente zur Beeinflussung der deutschen Rechtsprechung 1942 - 1944 (Schriften des Bundesarchivs 21, Boppard am Rhein 1975) 81-95, hier 91. 84 Kriegsgefangene beziehungsweise Ostarbeiter wegen geschlechtlichen Umgangs mit Einheimischen mit dem Tod bestraft.581 Umgekehrt hingegen blieben die Vergewaltigungen von Ausländerinnen durch deutsche Männer oft gänzlich ungeahndet.582 Die in den Ostarbeitererlassen festgeschriebenen „vernichtenden Züge“583, die sich in der Verletzung der sexuellen Orientierung sowie der Diskriminierung hinsichtlich Geldbesitzes, Ernährung, Verpflegung und weiterer Bereiche äußerten, senkten auch massiv die Arbeitsleistung.

Während der nicht staatlich kontrollierte geschlechtliche Umgang pönalisiert wurde, setzte man umgekehrt auf kontrollierten sexuellen Verkehr. Anstoß gaben die Überlegung der SS584 beziehungsweise der NSDAP585 – inwieweit auch die Arbeitseinsatzbehörden involviert waren ist nicht bekannt – in Richtung Arbeitsanreiz für die als arbeitsunwillig eingestuften tschechischen Zwangsarbeiter. Ein Bordell – das „Tschechenhaus“ – wurde im Winter 1940/41 eingerichtet; geplante weitere Bordelle sind nicht realisiert worden.

Drastische Auswüchse erreichte die sexuelle Dimension des Einsatzes ausländischer Zwangsarbeiterinnen mit den Abtreibungen, die nach Maßgabe der arbeitsamtlichen Anordnung auf das Konto der Arbeitsämter zu verbuchen sind. Es ist eine dreiphasig gesteigerte Intensität im Umgang mit schwangeren Ostarbeiterinnen festzumachen, an dem auch die Arbeitseinsatzbehörden der Ostmark beteiligt waren. Zunächst bestand bis Ende 1942 in der Ostmark auch für Ostarbeiterinnen die Möglichkeit, zur Entbindung auf Kosten des zuständigen Arbeitsamtes in ihre Heimat zu reisen. 586 Es stellte sich bei dieser schon seit 1939 bei Polinnen angewendeten Praxis heraus, dass ein Großteil der weiblichen Arbeitskräfte unwiederbringlich verloren ging, da diese oftmals schlicht nicht mehr in ihr Einsatzgebiet zurück kehrten. Diese Möglichkeit wurde daher mit dem Erlass vom 15. Dezember 1942 von Sauckel zunächst befristet zum 31. März 1943 abgeschafft, womit die erste Phase des Umgangs mit schwangeren Ostarbeiterinnen zu Ende ging.587

581 John, Zwangsarbeit, 96. 582 Rathkolb/ Ahamer, Bundesforste / Reichsforstverwaltung, 150. 583 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 314. 584 John, Zwangsarbeit, 87, 91. 585 Bericht zur innenpolitischen Lage Nr. 18 vom 13. November 1939. In: Heinz Boberach (Hg), Meldungen aus dem Reich 1938 – 1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS, Bd 3, Berichte zur innenpolitischen Lage Nr. 15 vom 13. November 1939 - Nr. 25 vom 6. Dezember 1939, Meldungen aus dem Reich Nr. 26 vom 8. Dezember 1939 - Nr. 65 vom 13. März 1940 (Herrsching 1984) 465- 475, hier 475. 586 Hauch, Zwangsarbeiterinnen, 413. 587 Ebd 41. 85 Die zweite Phase war gekennzeichnet durch die Unterbringung der in der Ostmark geborenen Kinder von Ostarbeiterinnen in separaten Heimen.588 Der Vorschlag für dieses Vorgehen kam von Reichsstatthalter und Gauleiter von Oberdonau, August Eigruber. Ende März 1943 errichteten auf Weisung der Reichsstatthalters Eigruber die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt im ersten Stock des ehemaligen Gasthofs „Lindenhof“589 in Spital am Pyhrn Nr 77 ein „Säuglingsheim“590 für Kinder von Ostarbeiterinnen, das wegen der schlechten Ernährungssituation mit einigen Monaten Lebenserwartung der Säuglinge für seinen miserablen Zustand bekannt wurde. Die Sommer im 1943 errichtete „Kinderkrippe“591 im „Lager 57“592 der RWHG ist ein Beispiel für die innerbetriebliche Unterbringung der Säuglinge in Großunternehmen. Streitpunkt zwischen verschiedenen Einrichtungen war die Finanzierung der Kinderkrippe. Sowohl die Allgemeine Ortskrankenkasse als auch die NSV erklärten sich für unzuständig. Das Gauarbeitsamt Oberdonau sagte schließlich eine finanzielle Unterstützung aus den „Reichsstockmitteln“ nach Maßgabe der Kostentragung für die Errichtung der Kinderkrippe durch die RWHG zu. Die Anfrage von Seiten der RWHG über die teilweise Finanzierbarkeit durch die Ostarbeiterinnen selbst beantwortete der Präsident des Gauarbeitsamtes Oberdonau grundsätzlich zustimmend. Er hielt einen Beitrag in der Höhe von 0,50 Reichsmark pro Kind und Tag für angemessen, die von der „Ostarbeiterinnenabgabe“ einbehalten werden konnten. Dies allerdings nur insofern, als den Ostarbeiterinnen ein monatlicher Barlohn von 10,- RM und deren durchschnittliche Arbeitsleistung erhalten bliebe.

Die dritte Phase war geprägt von den Abtreibungen, die an den Ostarbeiterinnen vorgenommen wurden. Als Vorstufe waren gesetzliche Hürden zu überwinden, da etwa schwangere Polinnen, die sich einer Abtreibung unterzogen hatten, nach deutschem Recht bestraft wurden, worauf Reichsgesundheitsführer Leonardo Conti hingewiesen hatte.593 Am 11. März 1943 genehmigte Conti die Abtreibungen für Ostarbeiterinnen, am 22. Juni desselben Jahres für Polinnen.594 Die erste Fassung der Verfahrensbestimmungen des Reichsgesundheitsführers sah noch den Wunsch der Schwangeren als maßgebend für die Vornahme der Abtreibungen vor. Der Antrag auf die jeweilige Abtreibung war den Gutachterstellen der Ärztekammer zur Genehmigung vorzulegen. In Oberdonau wurden diese Ämter von den beiden Ärzten Ludwig Müller und Hermann Mossböck bekleidet. Die neuere Fassung der Verfahrensvorschriften sah neben der Möglichkeit

588 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 318. 589 Hauch, Zwangsarbeiterinnen, 434. 590 Ebd. 591 Ebd 439. 592 Ebd. 593 Ebd 422f. 594 Herbert, Fremdarbeiter, 248f; Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 318. 86 von Ärzten und Arbeitgebern, Anträgen auf Schwangerschaftsabbruch zu stellen, ausdrücklich vor, dass auch die zuständigen Arbeitsämter Abtreibungen vornehmen konnten.595 Wie viele Abtreibungen auf Antrag der Arbeitsämter vorgenommen wurden, steht nicht fest. Der Höhepunkt in Oberdonau wurde 1944 erreicht, als eine in Relation zu den Vergleichsjahren davor und danach bei weitem nicht erreichte Zahl von 686 Abtreibungen in den Grundbüchern der Landesfrauenklinik und des Allgemeinen Krankenhauses verzeichnet wurde.596

(2) Der Einsatz jüdischer Arbeitskräfte

Im Laufe der zweiten Kriegshälfte reduzierten die Deportationen in die Vernichtungslager die Zahl der Juden in Wien weiter von gut 30.000 im Februar 1942 auf knapp 8.000 im Jänner 1943. Dementsprechend sank die Zahl der jüdischen Zwangsarbeiter von gut 7.000 auf etwa 1.100 im selben Zeitraum.597 Charakteristisch für diesen Zeitraum ist, dass der Zugriff auf die Verbleibenden zusehends durch Sicherheitsdienst und Gestapo vorbei an den Arbeitseinsatzbehörden erfolgte.598 Dies machen die von der Gestapo geleiteten Schneeräum-599 und Holzsammelaktionen600 deutlich, in deren Rahmen die Gestapo über die IKG ohne Mitwirkung des Arbeitsamtes Wien viele hundert Juden rekrutierte. Allerdings blieb die Arbeitseinsatzverwaltung weiterhin ein bestimmender Faktor, besonders was den verstärkten Einsatz in der Industrie601 betraf. Viele hundert Juden schufteten so in der Metall-, Textil- und chemischen Industrie. Auch der Einsatz vieler jüdischer Frauen als „Maurerweiber“602, die nach den Bombardements die Trümmer wegzuräumen hatten, wurde vom Arbeitsamt voran getrieben. „Die meisten Juden hatte das Arbeitsamt […] zu ausgesucht schweren und schmutzigen Arbeiten eingeteilt.“603

Auf volkswirtschaftlicher Ebene war die laufende Reduktion von einigen zig tausend jüdischen Arbeitskräften gegenüber der Hereinnahme von einigen hundert tausend Ausländern nur „ein mittleres Problem“604. Auf betriebswirtschaftlicher Ebene allerdings war der Abzug für viele

595 Hauch, Zwangsarbeiterinnen, 423. 596 Ebd 430. 597 Gruner, Zwangsarbeit, 315f (Tabelle). 598 Ebd 271. 599 Ebd 257ff. 600 Ebd 260ff. 601 Ebd 271f, 275f. 602 Ebd 275. 603 Ebd 276. 604 Ebd 239. 87 Firmen, die oftmals einige hundert jüdische Arbeitskräfte beschäftigten, mit riesigen Produktionsausfällen verbunden.

Vor der Okkupation Ungarns durch das Deutsche Reich im März 1944 lebten dort fast 800.000 Juden nach der Diktion der Nürnberger Rassengesetze605, die für den Einsatz als potentielle Arbeitskräfte in der nahe gelegenen Ostmark in Frage kamen. Mehr als 430.000 davon wurden wischen 14. Mai und 9. Juli desselben Jahres nach Auschwitz deportiert; etwa drei Viertel davon wurden dort unmittelbar nach ihrer Ankunft mit Gas erstickt.606 Viele Tausend sollten jedoch auf Umwegen der Arbeitseinsatzverwaltung in der Ostmark zugute kommen.

Die beiden früheren Mitglieder des „Hilfs- und Rettungskommitees“607 (Waada Esra Vehazala) – eines Zusammenschlusses verschiedener zionistischer Gruppierungen mit dem orthodoxen Hilfskommitee – Rezsö Kasztner und Joel Brand traten mit Adolf Eichmanns RSHA in Verhandlung, um gegen beträchtliche Lösegeldsummen fast 1.700 ungarische Juden vor der Ermordung zu bewahren. Die daraufhin im Juni 1944 abgehenden Palästinatransporte wurden anstatt nach Auschwitz ins „Bevorzugtenlager/Ungarnlager“608 des Lagerkomplexes Bergen- Belsen und einige Monate später in die Schweiz gebracht. Ende Juni und Anfang Juli wurden außerdem 15.000 ungarische Juden ins Durchgangslager Strasshof609 umgeleitet, die so ebenfalls nach – wegen der einkalkulierten Zwangsarbeit moderateren – Lösegeldzahlungen dem Transport nach Auschwitz entgingen. Von Strasshof aus wurden die dort zwischenzeitlich untergebrachten Juden von der Arbeitseinsatzverwaltung zum Arbeitseinsatz in diverse Arbeitslager Wiens, Niederdonaus und Teilen West-Oberdonaus verteilt.

Am 30. Juni 1944 sagte der Chef des RSHA, Ernst Kaltenbrunner, dem Bürgermeister von Wien, Hanns Blaschke, die Zuteilung von zirka 12.000 ungarischen Juden zu, von denen etwa 30 Prozent arbeitsfähig waren.610 Dies unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufes und zu den Bedingungen, dass ein geschlossener Arbeitseinsatz und eine bewachte Unterbringung in Lagern

605 Eleonore Lappin-Eppel, Sonderlager für ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter. In: Wolfgang Benz/Barbara Distl (Hg), Der Ort des Terrors. Geschichte der natoinalsozialistischen Konzentrationslager, Bd 9, Arbeitserziehungslager, Ghettos, Jugendschutzlager, Polizeihaftlager, Sonderlager, Zigeunerlager, Zwangsarbeiterlager (München 2009) 218-247, hier 218. 606 Ebd 220. 607 Ebd. 608 Ebd. 609 Ebd; Irene Suchy, Nach ein paar Minuten Stille. In: DiePresse.com, 01.04.2011, online unter (abger am 13. Dezember 1011); dies, Durchgangslager „Dulag“ in Strasshof. In: VAS – Verein Arbeitsgruppe Strasshof, März 2011, online unter (abger am 13. Dezember 1011). 610 Maier, Arbeitseinsatz, 190. 88 erfolgten. Im Unterschied zu den Juden der Ostmark galten jene aus Ungarn dorthin verbrachten als Häftlinge.611 Sie unterstanden der alleinigen Verfügungsgewalt der Gestapo und wurden der Arbeitseinsatzverwaltung auf jederzeitigen Widerruf überlassen. Am 27. Juni 1944 ordnete Gauleiter, Treuhänder der Arbeit und Präsident des Gauarbeitsamtes von Wien und Niederdonau, Alfred Proksch, die Vorgehensweise beim Arbeitseinsatz der ungarischen Juden an.612 Die Arbeitskräfte durften nur in Gruppen arbeiten, sie sollten lediglich Quartier und Versorgung erhalten. Der Arbeitslohn, über den die Schutzstaffel verfügte, sollte dem Konto des Wiener Judenrates gutgeschrieben werden.613 Kinder wurden ab ihrem zwölften Lebensjahr zu Zwangsarbeiten herangezogen.614 Ähnlich wie an den früher in Strasshof durchgeschleusten Ostarbeitern615 nahm nun das Gauarbeitsamt Niederdonau an den ungarischen Juden „Hygienemaßnahmen“ vor616.

In den Monaten Juli und August 1944 wurden in weiterer Folge in Niederdonau etwa 9.000 ungarische Juden zur Zwangsarbeit herangezogen.617 Diese in Gruppen eingesetzten Zwangsarbeiter waren durchwegs in Scheunen, Ställen, Baracken, also in sogenannten „Judenlagern“618 untergebracht, die von der SS beaufsichtigt wurden. „Die Bedingungen für die eingesetzten Ungarn waren im wahrsten Sinne mörderisch“619, die Sterberate extrem hoch. Im Lager Strasshof war vorgesehen, dass sich die Arbeitgeber ihre Zwangsarbeiter selbst aussuchten.

Noch gegen Kriegsende, im Oktober und November 1944, sollten die noch in Ungarn verbliebenen Juden für Schanzarbeiten an den Grenzstellungen in die Ostmark geholt werden. Dafür wurden über 35.000 Budapester620, überwiegend Frauen, zum Fußmarsch in die Ostmark gezwungen, um in Niederdonau eingesetzt zu werden.621 Sofern sie den Marsch überlebten waren viele in gesundheitlich so schlechtem Zustand, dass deren Einsatz großteils nicht möglich war. Der Zugriff auf diese Schanzarbeiter sowie auf die in den „Erholungslagern“622

611 Gruner, Zwangsarbeit, 281. 612 Szabolcs Szita, Verschleppt, verhungert, vernichtet. Die Deportation von ungarischen Juden auf das Gebiet des annektierten Österreich 1944 - 1945 (Wien 1999) 76. 613 Ebd. 614 Szita, ungarische Juden, 87. 615 Kap 4.b.i.(1). 616 Lappin-Eppel, Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter, 67. 617 Maier, Arbeitseinsatz, 190f. 618 Ebd. 619 Gruner, Zwangsarbeit, 281. 620 Lappin-Eppel, ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter, 229f. 621 Maier, Arbeitseinsatz, 193. 622 Lappin-Eppel, ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter, 237. 89 Lichtenwörth und Felixdorf untergebrachten – ohnehin aufgrund Überanstrengung und Nahrungsentzug oftmals halb toten – Juden blieb den Arbeitseinsatzbehörden zur Gänze verwehrt.

(3) Der Einsatz von Roma und Sinti

Die „Anordnung über die Beschäftigung von Zigeunern“623 vom 13. März 1942 setzte die für Juden erlassenen Vorschriften auch für Roma und Sinti in Kraft.624 Damit waren die etwa fünf Monate zuvor ergangene Verordnung625 und die entsprechende Durchführungsverordnung626 sinngemäß anzuwenden, wodurch die arbeits-, sozial- und arbeitseinsatzrechtlichen Diskriminierungen auch beim Einsatz der Roma und Sinti griffen. Dementsprechend waren fortan auch die Arbeitsverhältnisse von Roma und Sinti solche „eigener Art“627, was sich unter anderem in der Versagung sämtlicher Zuschläge zum Lohn äußerte. § 2 der Anordnung legte für Mischlinge fest, dass auf diese die beiden Verordnungen über den Arbeitseinsatz der Juden mit der Maßgabe anzuwenden waren, dass das Reichskriminalpolizeiamt die Judeneigenschaft im Einzelfall feststellte.

Ein Erlass des Reichsarbeitsministeriums vom 25. März 1942 bestimmte, dass im Arbeitsbuch von Roma und Sinti ein entsprechender Vermerk anzubringen sei.628 Einen Monat später wurde diese Weisung dahingehend abgeändert, dass der Vermerk lediglich in der Arbeitsbuchkartei der Behörde aufzuscheinen habe.

Das Schicksal der Vernichtung teilten die Roma und Sinti letztendlich mit den Juden. Am 29. Jänner 1943 erging der „Auschwitzerlass“629, welcher die Deportation der restlichen Roma und Sinti anordnete. Insgesamt wurden etwa 2.760 Roma und Sinti630 aus der Ostmark nach Auschwitz deportiert, der größte Teil wurde dort ermordet.

623 RGBl I 1942 S 138. 624 Hans Küppers, Die Beschäftigung von Zigeunern. In: RABl V 9 (1942) 176-178, hier 176ff; Maier, Arbeitseinsatz, 198. 625 RGBl I 1941 S 675 626 RGBl I 1941 S 681 627 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 336. 628 Ebd 337; Maier, Arbeitseinsatz, 200. 629 Rieger, „Zigeunerleben“ in Salzburg, 87. 630 Thurner, „Ortsfremde“, 542, Rieger, „Zigeunerleben“ in Salzburg, 87. 90 (4) Der Einsatz von KZ-Häftlingen

Zunächst erfolgte die Einrichtung der Konzentrationslager – wie Mauthausen in Oberdonau und seine zahlreichen Außenlager – zur Auslöschung der politisch-ideologischen Gegner.631 Mit zunehmendem Arbeitskräftemangel erfolgte ab 1942 ein Richtungswechsel in Richtung Arbeitskraftausbeutung.632 Dies zeigt etwa die steigende Zahl der KZ-Häftlinge in Mauthausen.633 Als Leistungsanreiz und damit zur verstärkten Ausbeutung der Arbeitskraft führte man erst in Mauthausen, dann flächendeckend KZ-Häftlingsbordelle ein.634 Dort arbeiteten wiederum Frauen, die ihrerseits zu Zwangsprostitution getrieben wurden.

KZ-Insassen nehmen bei der Betrachtung des nationalsozialistischen Arbeitseinsatzes insofern eine Sonderstellung ein, als sie grundsätzlich nicht in den von den Arbeitseinsatzbehörden geführten Arbeitsmarktstatistiken aufscheinen.635 Sie wurden auch nicht in der Ausländerstatistik angeführt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der gänzliche Zugriff auf die Häftlinge, ebenso wie die Verwertung ihrer Arbeitskraft, der SS und damit letztlich Heinrich Himmler vorbehalten war. Dennoch kann dieser Komplex hier nicht gänzlich unerwähnt bleiben.

KZ-Insassen arbeiteten in der Regel ganz ohne Lohn oder Entschädigung.636 Sie wurden beim Einsatz außerhalb der KZ wie die Kriegsgefangenen637 strikt von den übrigen Arbeitskräften getrennt eingesetzt und in der ersten Zeit ausschließlich von SS-Wachen bewacht, später auch vom Wachdienst. Die Verwaltung des Einsatzes erfolgte unabhängig von den Arbeitseinsatzbehörden. Vielmehr kam es zu Vereinbarungen zwischen der SS und den einzelnen Betrieben, wie die Zusammenarbeit der SS mit den RWHG belegt. Diese und die SS-eigenen Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH einigten sich Anfang November 1942 auf eine 50- prozentigen Gewinnbeteiligung für den Häftlingseinsatz in einer Unternehmung der RWHG.638

631 Freund, NS-Arbeitskräftepolitik, 15. 632 Freund/Perz, Zahlenentwicklung, 220. 633 Freund, NS-Arbeitskräftepolitik, 15. 634 Alakus/Kniefacz/Vorberg, Sex-Zwangsarbeit, 125. 635 John, Zwangsarbeit, 86. 636 Ebd. 637 Richterbriefe, 87f. 638 John, Zwangsarbeit, 84; Perz, KZ-Häftlinge, 468, 470. 91 c. Der Einsatz von „Ariern“ in der zweiten Kriegshälfte

Die von NS-Behörden organisierte Zwangsarbeit in der Ostmark nimmt in der europäischen Geschichte der Zwangsbewirtschaftung gewiss eine wichtige Stellung ein. Dennoch muss beachtet werden, dass auch in den Zeiten des massivsten Zwangseinsatzes von zivilen Ausländern knapp drei Viertel sämtlicher Arbeitskräfte mehr oder wenig freiwillig beschäftigte Reichsbürger und davon der Großteil ehemalige Österreicher waren. Zieht man etwa für Sommer 1944 von der Gesamtzahl der Wiener Arbeitskräfte (696.000) die Summe der zivilen Ausländer (116.000), Kriegsgefangenen (19.000) und Dienstverpflichteten (40.000) ab, so ergibt das einen Anteil von ziemlich genau 25 Prozent freiwillig Beschäftigten.639 Im Sommer davor waren es von 718.000 Arbeitskräften immerhin etwa 21 Prozent.640

Am 27. Jänner 1943 erließ der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz, Sauckel, die Verordnung über die Meldepflicht641 für alle Männer im Alter zwischen 16 und 65 Jahren beziehungsweise Frauen zwischen 17 und 50 Jahren. Diese sollten die seit dem Feldzug gegen die Sowjetunion noch größer klaffenden Lücken im Arbeitsmarkt durch Meldung beim Arbeitsamt füllen.642 Zum Zweck der Stilllegung von Betrieben und der damit verbundenen Freisetzung von Arbeitskräften folgte zwei Tage später die „Verordnung zur Freimachung von Arbeitskräften für kriegswichtigen Einsatz“643. Basis für beide Verordnungen war der geheime Führererlass „über den umfassenden Einsatz von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung“644 vom 13. Jänner 1943. Dieser Erlass ordnete neben der Meldepflicht und der Betriebsstilllegung auch die Freistellung der nicht in kriegswichtigen Bereichen beschäftigten Arbeitskräfte an. Außerdem befahl er die Überprüfung aller Fälle von Unabkömmlichstellung645 von an und für sich Wehrpflichtigen.

Vor allem die Meldepflicht zielte auf den verstärkten Einsatz der Frauen ab.646 Die Meldepflichtaktion war bis Ende Juni 1943 abgeschlossen. Die Meldepflicht wurde zwei Mal

639 O.A., Die Entwicklung des Arbeitseinsatzes im Gau Wien 1943/44. In: Gauarbeitsamt Wien (Hg), Der Arbeitseinsatz im Gau Wien. Statistisches Mitteilungsblatt des Gauarbeitsamtes Wien 12 (1945) 2. 640 O.A., Die Entwicklung des Arbeitseinsatzes im Gau Wien 1942/43. In: Gauarbeitsamt Wien (Hg), Der Arbeitseinsatz im Gau Wien. Statistisches Mitteilungsblatt des Gauarbeitsamtes Wien 4 (1944) 2. 641 RGBl 1943 I S 67. 642 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 338ff. 643 RGBl 1943 I S 75. 644 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 338. 645 Bernhard R. Kroener, Der Kampf um den „Sparstoff Mensch“. Forschungskontroverse über die Mobilisierung der deutschen Kriegswirtschaft 1939–1942. In: Wolfgang Michalka (Hg), Der Zweite Weltkrieg. Analysen, Grundzüge, Forschungsbilanz (Serie Piper 811, München/Zürich 21990) 402-417, hier 409. 646 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 339. 92 abgemildert. Zum Einen wurde die Altersgrenze auf die Altersgruppe der 17 bis 45-Jährigen eingegrenzt und zum anderen wurden zahlreiche Ausnahmen eingeführt.647 So waren werdende Mütter, Frauen mit einem noch nicht schulpflichtigen Kind oder mit zwei Kindern unter 14 Jahren, im Gesundheitswesen oder in der Landwirtschaft Beschäftigte, sowie jene, die pro Woche länger als 48 Stunden arbeiteten, von der Meldepflicht ausgenommen. Die Bedeutung der letztgenannten Gruppe darf jedoch nicht überbewertet werden, da es auch im Jahr 1944 zu einer Ausdehnung der durchschnittlichen Arbeitszeit über die 50-Stunden-Grenze nicht gekommen ist.648 Darüber hinaus gelang es vielen Frauen, sich durch die Aufnahme einer Scheinbeschäftigung, Anstellung bei der NSDAP oder Beibringung eines ärztlichen Attests der Meldepflicht zu entziehen. Dadurch war das Gesamtergebnis der Meldepflicht recht ernüchternd. Ähnlich erfolglos war der Ausgang der Betriebsstilllegungsaktion, die in vielen Fällen auf „unüberwindliche Schwierigkeiten“649 stieß.

In der Sitzung der Rüstungskommission Linz vom 29. September 1944 wurde das Arbeitskräftedefizit thematisiert.650 Nachdem im Laufe des Krieges durch Maßnahmen wie der Meldepflicht der Arbeitseinsatz der Inländer verschärft wurde, überlegten die Teilnehmer der Sitzung – darunter auch die Frauenreferentin des Gauarbeitsamtes Oberdonau – über die Möglichkeiten, den Einsatz der Inländer weiter auszureizen. Es wurden sowohl die erneute Vornahme von „Auskämmaktionen“ als auch eine strengere Kontrolle der Meldepflicht erwogen. Die Grenze sah der Präsident des Gauarbeitsamtes dort erreicht, wo halbkranke Frauen aus der Meldepflichtaktion einzusetzen waren, wogegen er sich ausdrücklich aussprach.

Die im Gegensatz zur Ausbeutung der Zwangsarbeiter vorsichtige Haltung gegenüber der Frauenbeschäftigung stimme durchaus sowohl mit den grundsätzlichen Überlegungen zur Frauenberufstätigkeit651 als auch mit den allgemeinen Nachkriegsüberlegungen zum Arbeitseinsatz im Rahmen einer umfassenden Sozialreform überein. Das Arbeitswissenschaftliche Institut der Deutschen Arbeitsfront hatte im 1940 von Robert Ley erteilten Auftrag ein umfassendes „Sozialwerk des Deutschen Volkes“ 652 erarbeitet, das sich auch mit Fragen des Arbeitseinsatzes nach dem Krieg auseinander setzte. In diesem

647 Ebd. 648 Dietmar Petzina, Die Mobilisierung deutscher Arbeitskräfte vor und während des Zweiten Weltkrieges. In: VfZ 18 (1970) 443-455, hier 453f. 649 Ebd. 650 John, Zwangsarbeit, 58. 651 Alice Rilke, Frauenberufstätigkeit. In: Nationalsozialistische Monatshefte. Zentrale politische und kulturelle Zeitschrift der NSDAP 13 (1942) 123-132, hier 132. 652 Marie-Luise Recker, Nationalsozialistische Sozialpolitik im Zweiten Weltkrieg (Studien zur Zeitgeschichte 29, München 1985) 82ff. 93 Sozialprogramm war durchaus keine aggressive Rolle der Arbeitsämter vorgesehen; vielmehr sollte aufgrund eines lohnbasierten Anreizsystems653 die Arbeitskräfteverteilung gesteuert werden.

Die tatsächliche Situation in der letzten Phase des Krieges sah aber anders aus. Die Arbeitsämter betrieben die individuelle Freistellung von Arbeitnehmern und legten weiterhin Betriebe still, um weitere Arbeitskräfte freizumachen.654 In der im Volksmund sogenannten „Aktion Heldenklau“655 wurden, vorangetrieben von der Wehrmacht, tausende Männer, Frauen und Kinder an der Front für die Verrichtung von Schanzarbeiten verwendet, um SS- und Wehrmachtpersonal zu sparen.

d. Widerstand in der Arbeitseinsatzverwaltung

Fälle von Widerstand unter den Bediensteten der Arbeitseinsatzverwaltung sind im Deutschen Reich nur vereinzelt überliefert.656 Danimann nennt drei Bereiche657, in denen erwiesenermaßen Fälle von Resistenz von Seiten Bediensteter der Arbeitseinsatzbehörden in der Ostmark bekannt sind. Zum Ersten ermöglichte „das Zusammenspiel von Ärzten und Vermittlern“658, dass Frauen und Männer von der Dienstverpflichtung und Kriegsdienstleistung ausgenommen wurden. Auch mit dem Argument der UK-Stellung konnte der Einsatz zum Befestigungsbau an der Front bisweilen verhindert werden.

Zum Zweiten war die Sicherstellung der beruflichen Ausbildung von „Personen tschechischer Volkszugehörigkeit“659 in erster Linie den Bediensteten der Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung zuzuschreiben. Nach dem Attentat auf den Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, wurde als Vergeltungsmaßnahme unter anderem angeordnet, Tschechen vom Zugang zu beruflicher Ausbildung auszuschließen. Diese Schikanen konnten jedoch oftmals unter dem Hinweis auf wehrwirtschaftliche Notwendigkeit und den Facharbeitermangel abgefangen werden.

653 Ebd. 654 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 338ff. 655 Ebd. 656 Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, 334. 657 Danimann, Arbeitsämter, 50. Konkrete Fälle führt er vorbehaltlich des dritten Bereiches nicht an. 658 Ebd 51. 659 Ebd. 94 Die von Danimann angeführte Kooperation von Dr. Josef Hammerl mit dem erzbischöflichen Ordinariat zugunsten der 200 bis 300 abgesetzten Religionslehrer stellt schließlich den dritten Bereich dar. Zwar wurde Hammerl nach dem „Anschluss“ Österreichs als Leiter des Landesarbeitsamtes Wien „als Gegner des Nationalsozialismus“660 abberufen und bekleidete während des Regimes keine höhere leitende Stellung in der Arbeitseinsatzverwaltung661, konnte jedoch offenbar dort als Bediensteter verbleiben; doch hinderte ihn der Verlust seines Postens als Leiter des Landesarbeitsamtes Wien offenbar nicht, einen gewissen Einfluss gegen das Regime geltend zu machen. Nach seiner Intervention wurden die ehemaligen Religionslehrer auf erzbischöfliches Geheiß hin in den Pfarren eingesetzt und entgingen so dem Einsatz in der Rüstungsindustrie.

Ausblick

Nach dem Ende des Krieges und der NS-Herrschaft konnten die ausländischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in ihre Heimatstaaten repatriiert werden. Für den Arbeitsmarkt der nunmehr wiedererstandenen Republik Österreich war dies eine zusätzliche Belastung. Der größte Teil der jüdischen Arbeitskräfte ist ermordet und vertrieben worden und mehr als die Hälfte der Soldaten, die in der Ostmark für die Wehrmacht rekrutiert worden sind, ist gefallen oder war vermisst beziehungsweise befand sich in Kriegsgefangenschaft.662 Eine gewisse Entspannung brachte das Eintreffen der volksdeutschen Flüchtlinge in Österreich, die aus der Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien vertrieben worden sind. Erst 1951 begann sich die Situation mit einer Arbeitslosenrate von 5,6 Prozent zu normalisieren.663 Vollbeschäftigung und eine nachhaltige Erholung auf dem Arbeitsmarkt setzte allerdings erst zu Beginn der Sechziger Jahre ein.

Nach Maßgabe des Ersten Kontrollabkommens von 1945 samt Memorandum sowie des Zweiten Kontrollabkommens von 1946, die den alliierten Besatzungsmächten weitreichende Mitwirkungsrechte einräumten664, begann sich wieder eine demokratische Legislative zu bilden. Deren erste Aktivitäten erstreckten sich auch auf die Arbeitsmarktverwaltung, wobei sich eine auf den ersten Blick überraschende Kontinuität abzeichnete. Dies insofern, als das „Rechts-

660 Ebd. 661 O.A., Handbuch Wien, 362. 662 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 135. 663 Ebd 136. 664 Neuhold/Hummer/Schreuer, Völkerrecht, 572f; Brauneder, Verfassungsgeschichte, 246f. 95 Überleitungsgesetz“665 vom 20. Juni 1945 fünf zentrale Regelwerke aus der NS-Zeit zunächst beibehielt.666 Im Einzelnen waren dies das AVAVG667, die Arbeitsplatzwechselverordnung668, die Dienstpflichtverordnung 1939669, das Arbeitsbuchgesetz670 und die Verordnung über die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte671. 1946 wurde die Dienstpflichtverordnung durch das sehr ähnlich ausgestaltete „Arbeitspflichtgesetz“672 ersetzt. Vor allem die Beibehaltung der Arbeitsplatzwechsel- und der Dienstpflichtverordnung lösten insofern „einige Überraschung“673 aus, als sie in der NS-Zeit zum Kernstück der Rechtsgrundlagen für die Zwangsbeschäftigung zählten. Diese scheinbar grundsätzlich antidemokratische Haltung lässt sich aber bei genauerem Hinschauen darauf zurückführen, dass das massive Arbeitskräftedefizit einer gezielten Lenkung bedurfte.674 1947675 trat die Arbeitsplatzwechselverordnung und 1948676 das Arbeitspflichtgesetz außer Kraft.

Nicht nur am Arbeitsmarkt, also dem Zuständigkeitsbereich der Behörden der Arbeitsmarktverwaltung, sah es die erste Zeit nach dem Kriegsende nicht rosig aus; auch die Lage des Behördenapparates selbst war denkbar schlecht. Zum Einen litt dieser unter dem massiv schlechten Ruf und in weiterer Folge unter dem Vertrauensmangel, den er sich mit seinen Agitationen während der NS-Herrschaft eingeheimst hat. Zum anderen blieb auch er nicht vom notorischen Arbeitskräftedefizit verschont. Der Stand der während der NS-Herrschaft innerbehördlich Beschäftigten ist von etwa 4.000 – allein auf Wien entfielen dabei nicht weniger als 2.000 Bedienstete677 – auf zirka 2.700 zurück gegangen.678 Ein Großteil der ehemaligen Bediensteten aus dem Altreich ist in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt, einige Nationalsozialisten wurden suspendiert. Dies hatte einen gravierenden Mangel an qualifiziertem Personal zur Folge, der mit der mühsamen Anlernung fachlich unerfahrener Kräfte ausgeglichen werden musste und den Betrieb der Behörden und das Vertrauen in sie zusätzlich belastete.679

665 StGBl 6/1945. 666 Schmuhl, Arbeitsmarktverwaltung, 137. Er spricht fälschlicherweise vom „Behörden-Überleitungsgesetz“ (StGBl 94/1945). 667 RGBl I 1927 S 187. 668 RGBl I 1939 S 1685. 669 RGBl I 1939 S 206. 670 RGBl I 1935 S 311. 671 RGBl I 1933 S 26. 672 BGBl 63/1946. 673 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 137. 674 Ebd. 675 BGBl 134/1947. 676 BGBl 10/1948. 677 WbR/TbA, Sachmappe Arbeitsämter 331.96, G. Horowitz, Der Aufbau des Arbeitsamtes. Gespräch mit Staatssekretär a. D. Wacek. In: ÖZ (25.5.1945). 678 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 145. 679 Ebd 143f. 96

Wenig überraschend ist, dass in der Behördenstruktur selbst umgehend Demokratisierungsmaßnahmen ergriffen wurden, deren Kern vor allem die Wiedereinführung paritätisch besetzter Ausschüsse und das Vorschlagsrecht der Kammern waren.680 Dies war unter anderem Voraussetzung für die Entnazifizierung in der Privatwirtschaft, bei der die Arbeitsämter mit ihren Wirtschaftssäuberungskommissionen nach dem Wirtschaftssäuberungsgesetz681 von 1945 eine wichtige Rolle spielten.

Zusammenschau

1. In Beantwortung der ersten Forschungsfrage ist festzuhalten, dass den nationalsozialistischen Behörden der Arbeitsmarktverwaltung in der Ostmark vor allem bei der Verwaltung sowohl der weitgehend freien Arbeitskräfte (also jener, die nicht Zwangsarbeit leisteten) als auch der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eine zentrale Verteilungsfunktion zukam.

Eine endgültige Bewertung der Stellung der Arbeitseinsatzbehörden im Zusammenhang mit der Verwaltung der freien Arbeitskräfte muss vor dem Hintergrund der Lücken in der Literatur eingehenderer Forschung vorbehalten werden. Fest steht, dass hier die Hauptfunktion der Arbeitseinsatzbehörden in der Vermittlung der Arbeitskräfte im Dienst der Kriegswirtschaft lag. Dazu kam eine wichtige Kontrollfunktion bei Instrumenten wie der Landhilfe, der Zwangsbeschäftigung in Form der Dienstpflicht beziehungsweise des Kündigungs- und Kontrahierungsverbotes vor dem Krieg und in Form der Meldepflicht nach Kriegsbeginn.

Bei den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern gestaltete sich einerseits die Verteilungsfunktion regelmäßig als massive Beschneidung der persönlichen Integrität. Die Arbeitskräfte wurden oftmals zu schwersten Arbeiten eingeteilt, die ihren körperlichen Voraussetzungen bei weitem nicht entsprachen und unterstanden einem drakonischen Strafsystem. Dazu kamen andererseits weitere Funktionen der Arbeitseinsatzbehörden wie die Ausgestaltung von amtseigenen Lagern und der willkürliche Zugriff auf deren Insassen, wie die Beispiele Maxglan, Gänserndorf, Durchgangslager 39 und Strasshof zeigen.

680 Ebd 138. 681 BGBl 160/1945. 97 Bei zivilen ausländischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern wurden von den Arbeitsämtern unter Missachtung der Menschenwürde „Hygienemaßnahmen“ vorgenommen und bei ersteren konnten von den Arbeitsämtern gar Abtreibungsanträge gestellt werden.

2. Man verstand es, und damit zur zweiten Frage, innerhalb der Arbeitseinsatzbehörden der Ostmark sowohl unter der Leitung Friedrich Gärtners bis zu dessen Ausscheiden als Präsident der Zweigstelle der Reichsanstalt, als auch danach, den oftmals weit gesteckten Handlungsspielraum auszuschöpfen.

Die politische Entscheidung, für die überhitzte Kriegswirtschaft anstelle technischer Modernisierung massiv auf Zwangsarbeit zu setzen, war weder den Behörden der reichsdeutschen noch der ostmärkischen Arbeitseinsatzverwaltung zuzuschreiben. Vielmehr wurden die Grundlinien des Arbeitseinsatzes von zentralen Reichsbehörden vorgegeben, wie die Betrauung Fritz Sauckels mit der Umsetzung des massenhaften Ausländereinsatzes durch Adolf Hitler verdeutlicht.

Die von Anfang an restriktiven rechtlichen Rahmenbedingungen beim Einsatz der freien Arbeitskräfte zeigen einen verhältnismäßig eingeschränkten Handlungsspielraum der Arbeitsämter in diesem Bereich. Mangels weiterführender Forschungen ist hier eine zurückhaltende Position der Arbeitseinsatzbehörden lediglich zu vermuten. Allerdings weisen die weitreichenden Ausnahmen von der Dienst- und Meldepflicht und die im internationalen Vergleich zaghafte Heranziehung von weiblichen Arbeitskräften in diese Richtung. Demgegenüber stellte sich bei den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern vor dem Hintergrund der weit reichende Freiheit der Arbeitseinsatzbehörden in diesem Bereich die Ausschöpfung des Aktionsradius wesentlich dynamischer dar.

Die Größe des Aktionsradius und den Grad seiner Nutzung zeigt besonders eindrucksvoll der Blick auf die Verwendung der aus NS-Sicht minderen Rassen als Arbeitskräfte. Die Arbeitsämter beuteten Roma und Sinti zur Erzielung „größtmöglicher ökonomischer Ausnützung“682 der Zwangsarbeiter aus, wie die Situation der Salzburger Opfer zeigt. „Juden […] wurden […] bei der Arbeitsvermittlung gezielt benachteiligt“683; im Wiener Arbeitsamt für

682 Rieger, „Zigeunerleben“ in Salzburg, 109f. 683 Dieter Maier, Arbeitsverwaltung und nationalsozialistische Judenverfolgung in den Jahren 1933 – 1939. In: Götz Aly/Mathias Hamann/Susanne Heim/Ahlrich Meyer (Hg), Arbeitsmarkt und Sondererlaß. Menschenverwertung, Rassenpolitik und Arbeitsamt (Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik 8, Berlin 1990) 62-136, hier 120. 98 Juden wurde dafür eine besondere organisatorische Schnittstelle geschaffen. „Die Zwangsarbeit von den österreichischen Juden und Jüdinnen wurde von den Arbeitsämtern organisiert, nachdem ihnen jede Verdienstmöglichkeit genommen worden war.“684 Sie handelten dabei die meiste Zeit ohne gesetzliche Grundlage685; dies wird daran ersichtlich, dass die Regelungen des Einsatzes jüdischer Arbeitskräfte erst im Oktober 1941 ergingen, also drei Jahre nach dem Beginn des organisierten, diskriminierenden Einsatzes jüdischer Arbeitskräfte und kurz vor deren Vernichtung.

684 Freund, NS-Arbeitskräftepolitik, 10. 685 Ebd. 99 Anhang

Akteure

Die Zeitangaben beziehen sich nicht auf den vollständigen Zeitraum, über welchen die jeweilige Person die bezeichnete Funktion bekleidete. Vielmehr handelt es sich dabei immer nur um jene Zeitangabe, die nach der jeweils zitierten Literatur beziehungsweise Quelle erwiesenermaßen gemacht werden kann. Dies schließt insbesondere nicht aus, dass die Person dort länger beschäftigt war. Die Mittelinstanzen werden zugunsten besserer Lesbarkeit durchgängig als „Landesarbeitsämter“686 bezeichnet.

i. Zweigstelle RAM 1940:

Friedrich Gärtner687, Präsident der Zweigstelle Österreich. Geboren am 30. September 1882 in Ahaus (Deutsches Reich); gestorben am 31. Oktober 1970 in Münster (Westfalen).

Dr. Karasek688, Bediensteter in der Zweigstelle.

Walter Opitz689, Stellvertretender Präsident der Zweigstelle Österreich.

Weitere aus dem reichsdeutschen Arbeitseinsatzverwaltungsapparat „zur Zweigstelle Österreich versetzte“690 Bedienstete:

ObRegR Dr. Sommer (bisher LAA Brandenburg).

Dr. Draeger (bisher Reichsanstalt).

RegR Molle (bisher Reichsanstalt).

RegR Sager (bisher LAA Niedersachsen).

VerwObInsp Grohe (bisher LAA Westfalen).

VerwInsp Scheu.

ii. Wien-Niederdonau:

LAA

MinR Dr. Josef Hammerl691, 1944 Sachbearbeiter für Unterstützende Arbeitslosenhilfe, Beitragseinzug und Baustoffbewirtschaftung.

686 Zur Umbenennung der „Landesarbeitsämter“ in „Gauarbeitsämter“ 1943 siehe Kap 4.a. 687 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 127. 688 Ebd 121. Aus dem Wortlaut seiner Angabe geht die Zuordnung zur Zweigstelle nicht ganz eindeutig hervor, ist aber anzunehmen. 689 Ebd 127. 690 Danimann, Arbeitsämter, 36. 691 O.A., Handbuch Wien, 362. 100

ObRegR Dr. Kleefeld692, 1944 Sachbearbeiters für wehrwirtschaftliche Angelegenheiten.

RegR Dr. Kraus693, 1944 Sachbearbeiter für Allgemeine Verwaltung und Personalangelegenheiten.

RegDior Dr. Franz Lippert, 1942 Stellvertreter des Präsidenten des LAA Wien-Niederdonau694, Vertreter des Sachbearbeiters für wehrwirtschaftliche Angelegenheiten695, Vertreter des Sachbearbeiters für Allgemeine Verwaltung und Personalangelegenheiten696.

Frau RegR Lonretz697, 1944 Sachbearbeiterin für den weiblichen Arbeitseinsatz.

Gauleiter Alfred Proksch698, 1942 Präsident des LAA Wien-Niederdonau. Geboren am 8. März 1891 in Larischau, Bezirk Jägerndorf (Österreichisch-Schlesien); gestorben am 3. Januar 1981 in Wien.

RegR Dr. Puntigam699, 1944 Sachbearbeiter für ärztlichen Dienst, leitender Arzt für die Arbeitsamtsbezirke Wien-Niederdonau, Steiermark-Kärnten Oberdonau und Alpenland (Tirol- Salzburg).

ObRegR Prof Dr. von Strigl700, 1944 Sachbearbeiter für Statistik, Arbeitseinsatzbeobachtung und Berichterstattung, Presse und Arbeitsbuch.

RegR Dr. Schnieder701, 1944 Sachbearbeiter für Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung.

Dipl.-Ing. Stübchen Kirchner, 1942 Leiter der Abteilung Arbeitseinsatz im LAA Wien- Niederdonau702 und „Verbindungsmann zur Vierjahresplanbehörde“703, 1944 Leiter des AA Wiener-Neustadt704; schon vor dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich illegal Mitglied der NSDAP705.

OberRegR Dr. Tischer706, 1944 Sachbearbeiter für Arbeitseinsatz (allgemeiner, landwirtschaftlicher, für Ausländer und für Kriegsgefangene).

RegR Gamon707, 1944 Leiter des AA Amstetten.

692 Ebd. 693 Ebd. 694 O.A., Amtskalender für den (Dresden 1942) 44; Danimann, Arbeitsämter, 39. Danimann stützt seine Angaben auf einen „Organisationsplan“ (S 39f). Er gibt leider nicht an, was er unter dem genau versteht. 695 O.A., Handbuch Wien, 362. 696 Ebd. 697 Ebd . 698 O.A., Amtskalender Niederdonau 44; Danimann, Arbeitsämter, 39. 699 O.A., Handbuch Wien, 362. 700 Ebd. 701 Ebd. 702 Schmidt, Arbeitsmarktverwaltung, 128. 703 Ebd. 704 O.A., Handbuch Wien, 363. 705 Danimann, Arbeitsämter, 53. 706 O.A., Handbuch Wien, 362. 707 Ebd. 101

Dr. Hoetzl708, 1944 Stellvertreter des Leiters des AA Znaim.

RegR Höltje709, 1944 Leiter des AA St. Pölten.

RegR Dr. Jäger710, 1944 Leiter des AA Stockerau.

Dr. Lepler711, 1944 Leiter des AA .

Michael712, 1944 Leiter der Arbeitseinsatzdienststelle im Stammlager XVII A, Kaisersteinbruch (Bruck an der Leitha).

Dior Dr. Karl Neuber, 1942713-1944714 Leiter des AA Wien.

Maria Neuberger, 1944 Bearbeiterin des „Handbuches des Schulwesens“715 im GAA Wien.

Dr. Pitsch716, 1944 Leiter des AA Eisenstadt.

RegR Peußner717, 1944 Leiter des AA Gmünd.

Steiner718, 1944 Leiter der Arbeitseinsatzdienststelle im Stammlager XVII B, Gneixendorf (Krems an der Donau).

Wolfes719, 1942 Stellvertreter des Leiters des AA Wien.

iii. Oberdonau:

LAA

Gustav Böhm720, 1942 Präsident des LAA Oberdonau.

Karl Gebhardt721, 1942 Stellvertreter des Präsidenten des LAA Oberdonau.

RegR Dr. Wilhelm Büttner, 1939722-1942723 Leiter des AA Linz.

708 Ebd 363. 709 Ebd. 710 Ebd. 711 Ebd. 712 Ebd. 713 Danimann, Arbeitsämter, 39. 714 O.A., Handbuch Wien, 363. 715 Proksch (Hg), Handbuch des Schulwesens, 1. 716 O.A., Handbuch Wien, 362. 717 Ebd. 718 Ebd. 719 Danimann, Arbeitsämter, 39. 720 Ebd. 721 Ebd. 722 O.A., Amtskalender für den Gau Oberdonau. Auskunfts- und Geschäftshandbuch (Linz 1939) 93. 723 Danimann, Arbeitsämter, 39. 102

Johann Feichtinger724, 1939 Verwaltungsbediensteter im AA Linz.

Dr. Walter Löchner725, 1942 Stellvertreter des Leiters des AA Linz.

iv. Steiermark-Kärnten:

LAA

Dr. Walter Opitz726, 1942 Präsident des LAA Steiermark-Kärnten.

Dr. Igler727, 1942 Stellvertreter des Präsidenten des LAA Steiermark-Kärnten.

Heckenberger728, 1942 Leiter des AA Graz.

Dr. Werner Kohlhaase729, 1942 Leiter des AA Klagenfurt.

Dr. Schorz730, 1942 Stellvertreter des Leiters des AA Graz.

v. Tirol-Salzburg/“Alpenland”731:

LAA

Dr. Benno Karl732, 1942 Stellvertreter des Präsidenten des LAA Tirol-Salzburg.

Franz Hiebl733, 1938 Präsident des LAA Tirol. Geboren 1911 in Innsbruck; seit 12. Oktober 1930 Mitglied der NSDAP; Inhaftierung nach dem Juliaufstand 1934; nach Entlassung am 23. Juli 1936 Tätigkeit im LAA Bayern.

Dr. Peckert734, 1942 Präsident des LAA Tirol-Salzburg.

Dr. Dehoff735, 1942 Leiter des AA Bregenz.

724 O.A., Amtskalender Oberdonau, 93. 725 Danimann, Arbeitsämter, 39. 726 Gruner, Zwangsarbeit, 174; Danimann, Arbeitsämter, 39. 727 Danimann, Arbeitsämter, 39. 728 Ebd. 729 Ebd 40. 730 Ebd. 731 So die Bezeichnung des vormaligen GAA Tirol-Salzburg in den Jahren 1944 und 1945 (O.A., Handbuch, 362). 732 Danimann, Arbeitsämter, 39. 733 WbR/TbA, Sachmappe Arbeitsämter 331.96, O.A., Der Neue Leiter des Landesarbeitsamtes. In: Innsbrucker Nachrichten 65 (19.3.1938) 7. 734 Danimann, Arbeitsämter, 39. 735 Ebd 40. 103 Helmer736, 1942 Stellvertreter des Leiters des AA Innsbruck.

Max Knözinger737, September 1940 Leiter der Abteilung Arbeitseinsatz im Arbeitsamt Salzburg.

Dr. Wilhelm Kohl738, 1942 Leiter des AA Salzburg.

Tromdsdorff739, 1942 Leiter des AA Innsbruck.

736 Ebd. 737 Maier, Arbeitseinsatz, 95f. 738 Danimann, Arbeitsämter, 40. 739 Ebd. 104 Abstract

Die vorliegende Diplomarbeit untersucht überwiegend auf der Basis von Sekundärliteratur die Rolle und den Handlungsspielraum der Behörden der Arbeitsmarktverwaltung in der „Ostmark“. Dem eigentlichen Thema wird kurz die Entwicklung der Arbeitsmarktverwaltung in der Ersten Republik und im Austrofaschismus vorangestellt. Der Kern der Studie sind der Zeitraum zwischen dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich und dem Kriegsausbruch sowie die Situation während des Krieges. Im Ausblick wird ganz kurz auf die Situation nach dem Krieg eingegangen. Den roten Faden bildet die Gegenüberstellung der beiden Pole des Einsatzes von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern einerseits und von „arischen“ Arbeitskräften andererseits. Obwohl letztere in der aktuellen Forschungsliteratur noch relativ wenig berücksichtigt sind, kann doch die unterschiedliche Ausprägung in der Herangehensweise der Behörden nachgewiesen werden. Die Intensität des Einsatzes der „arischen“ Arbeitskräfte gipfelte im Zwang zur Beschäftigung. Dabei waren den Arbeitsämtern jedoch enge gesetzliche Schranken vorgegeben. Demgegenüber handelten die Arbeitsämter bei den Juden, Roma und Sinti, zivilen Ausländern und Kriegsgefangenen meist in einem rechtlichen Graubereich. Sie waren massiv in deren Internierung in Lager, drakonische Bestrafung und körperliche Ausbeutung involviert. Dass der oft beträchtliche Handlungsspielraum auch tatsächlich weitgehend ausgeschöpft wurde, zeigt vor allem der Blick auf die Behördentätigkeit im Zusammenhang mit den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, die 1944 mehr als ein Viertel sämtlicher Arbeitskräfte in der Ostmark zählten.

105 Archive

Österreichisches Staatsarchiv

Tagblattarchiv im Wiener Rathaus

Wiener Stadt- und Landesarchiv

Bibliotheken

AK Bibliothek Wien für Sozialwissenschaften

Fachbereichsbibliothek Geschichtswissenschaften der Hauptbibliothek der Universität Wien

Fachbereichsbibliothek Kommunikationswissenschaften der Hauptbibliothek der Universität Wien

Fachbereichsbibliothek Rechtswissenschaften der Hauptbibliothek der Universität Wien

Fachbereichsbibliothek Wirtschaftswissenschaften der Hauptbibliothek der Universität Wien, Standort Volkswirtschaftslehre und Staatswissenschaft

Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte und Osteuropäische Geschichte der Hauptbibliothek der Universität Wien, Standort Zeitgeschichte

Hauptbibliothek der Universität Wien

Hauptbibliothek der Wirtschaftsuniversität Wien

Österreichische Nationalbibliothek

Wienbibliothek im Rathaus

Quellenverzeichnis

Nicht wissenschaftlich edierte Quellen:

ÖStA/AdR, BKA-I ZGS Mappe 36 Arbeitseinsatz, 1939-1941, o.A, Die Arbeitslosen und die Hauptunterstützungsempfänger in der Ostmark. In: Der Arbeitseinsatz in der Ostmark 1 (1939) 1.

ÖStA/AdR, BKA-I ZGS Mappe 36 Arbeitseinsatz, 1939-1941, o.A, Die Arbeitslosen und die Hauptunterstützungsempfänger in der Ostmark. In: Der Arbeitseinsatz in der Ostmark 8 (1940) 1.

WbR/TbA, Sachmappe Arbeitsämter 331.96, G. Horowitz, Der Aufbau des Arbeitsamtes. Gespräch mit Staatssekretär a. D. Wacek. In: ÖZ (25.5.1945).

106 WbR/TbA, Sachmappe Arbeitsämter 331.96, O.A., Der Neue Leiter des Landesarbeitsamtes. In: Innsbrucker Nachrichten 65 (19.3.1938) 7.

WStLA, LAA, AlK Wien 1922-1944, GZ 15.788/Bauer.

WStLA, LAA, AlK Wien 1922-1944, GZ 16.408/Kornfeil.

Nach April 1945 edierte Quellen:

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Bericht zur innenpolitischen Lage Nr. 18 vom 13. November 1939. In: Heinz Boberach (Hg), Meldungen aus dem Reich 1938 – 1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS, Bd 3, Berichte zur innenpolitischen Lage Nr. 15 vom 13. November 1939 - Nr. 25 vom 6. Dezember 1939, Meldungen aus dem Reich Nr. 26 vom 8. Dezember 1939 - Nr. 65 vom 13. März 1940 (Herrsching 1984) 465-475.

Richterbriefe – Mitteilungen des Reichsministers der Justiz – Nr. 6, 1. März 1943, 21. Verbotener Umgang mit Kriegsgefangenen. In: Heinz Boberach (Hg), Richterbriefe. Dokumente zur Beeinflussung der deutschen Rechtsprechung 1942 - 1944 (Schriften des Bundesarchivs 21, Boppard am Rhein 1975) 81-95.

Literaturverzeichnis

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107 O.A., Die Entwicklung des Arbeitseinsatzes im Gau Wien 1943/44. In: Gauarbeitsamt Wien (Hg), Der Arbeitseinsatz im Gau Wien. Statistisches Mitteilungsblatt des Gauarbeitsamtes Wien 12 (1945) 2.

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114 Lebenslauf

Geboren 1985 in Klosterneuburg 1992 – 1996: Volksschule Freistadt 1996 – 2000: Hauptschule Sandl 2000 – 2004: Bundesoberstufenrealgymnasium Bad Leonfelden März 2005 – Juni 2011: Diplomstudium Rechtswissenschaften an der Universität Wien Seit März 2005: Diplomstudium Geschichte an der Universität Wien

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