Dagmar Stuckmann „Gebt Raum den Frauen“ 100 Jahre Internationaler Frauentag in Dagmar Stuckmann

„Gebt Raum den Frauen“

100 Jahre Internationaler Frauentag in Bremen

Wiesbaden 2011 ISBN 978-3-9809513-7-1 © Thrun-Verlag Wiesbaden Postanschrift: Postfach 5607, D-65046 Wiesbaden Mail: [email protected] Internet: www.thrun-verlag.de Satz und Gestaltung: Grafik & Satz, 65191 Wiesbaden, 0611-2043816 Titel: Dr. Gottfried Schmidt; Gestaltung unter Verwendung des auf der Zweiten Internationalen Frauenkonferenz im August 1910 in Kopenhagen beschlossenen Resolutionstextes Druck und Herstellung: www.indexdigital.de Printed in

Diese Veröffentlichung wurde gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf und dem DGB Region Bremen-Elbe-Weser, Bremen Inhalt Einleitung ...... 11

1. Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages ...... 21 Arbeiterfrauen in Deutschland und Bremen zu Beginn des 20. Jahrhunderts 22 Die Bildung einer proletarischen Frauenbewegung 26 Eine sozialistische Frauenemanzipationstheorie – Bebels „Die Frau und der Sozialismus“ 26 Ein neuer Anfang mit neuer Leiterin – 28 Frauen organisieren sich in der Arbeiterbewegung 30 Exkurs: Die bürgerliche Frauenstimmrechtsbewegung – 1900 bis 1918 33 Neue Wege in der politischen Arbeit für das Frauenstimmrecht 35 Außerparlamentarische Aktionen für das allgemeine Wahlrecht für Frauen und Männer in Bremen – 1910 35 Von amerikanischen Sozialistinnen initiiert: Aktionstag für das Frauenstimmrecht erlangt internationale Bedeutung 38 2. Der Internationale Frauentag 1910–1914 ...... 43 Die Zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz 45 „Die Resolution scheint nicht auf positive Resonanz gestoßen zu sein …“ 48 1911: Der erste Internationale Frauentag 49 „... und er ist gründlich vorzubereiten“ 49 Der 19. März 1911 in Bremen 52 Bilanz des ersten Internationalen Frauentages 54 „Wer nicht wählen kann, soll wühlen“ – Frauentage 1912 und 1913 56 Die sozialdemokratischen Frauen und die Reichstagswahlen – Januar 1912 56 „Gebt Raum den Frauen” – Frauentag 1912 58 Ein Frauentag unter anderem Namen 60 „Große Frauen-Demonstrationsversammlung“ – Frauentag 1913 61 Nach dem Gesetz der Serie – Frauentag 1914 63 „Wir ersuchen Sie, uns für das kommende Jahr den Frauentag zu gewähren“ – SPD-Parteitag September 1913 63 Rote Woche mit Internationalem Frauentag – 1914 64 Zwischenbilanz 68 3. Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges 1914–1919 ...... 73 Konfliktlinien in der sozialdemokratischen Frauenbewegung 76 Die Antikriegsbewegung der Frauen 76 An der Heimatfront im Dienst fürs Vaterland 81 Kriegsfrauentage in Bremen – 1915 und 1916 83 Kriegsalltag der Proletarierinnen 83 Belagerungszustand und Burgfrieden diktieren den Rahmen für den Frauentag 1915 85 Der alltägliche Krieg an der Heimatfront 87 Trotz Repressalien: große Frauenversammlung am 14. März 1916 88 Sozialdemokratinnen organisieren den Frauenprotest 89 6 Inhalt

Die Spaltung im Reich und in Bremen – 1916/1917 90 Die Revolution setzt das Frauenwahlrecht auf die Tagesordnung 92 ... und die Räterepublik in Bremen stellt das Frauenwahlrecht wieder in Frage 93 Zwischenbilanz 98 4. Die Internationalen Frauentage der USPD 1917–1922 ...... 105 Die Gründung einer zweiten Arbeiterpartei 107 Gründungskongress in Gotha 1917: Frauen ergreifen die Initiative 107 Der Aufbau einer USPD-Gruppe in Bremen 107 Die Frauentage der USPD-Frauen in Bremen – 1919 und 1920 109 „Die Frauen im Befreiungskampf der Arbeiterschaft“ 109 1919: Wieder ein Internationaler Frauentag in Bremen 110 USPD-Frauen organisieren zum zweiten Mal einen Internationalen Frauentag 112 Oktober 1920: Spaltung der Partei und der Frauen 114 Zwischenbilanz 116 5. Die Internationalen Frauentage der SPD 1917–1933 ...... 119 Die neuen Führungsfrauen entwickeln ihre Politik 121 Die geschlechtsspezifische Aktionsstrategie 122 Die Arbeiterwohlfahrt – Erschließung eines Wirkungsfeldes für die Arbeiterfrauen 123 Die Struktur der sozialdemokratischen Frauenorganisation 123 Frauenarbeit in der Mehrheits-SPD in Bremen – 1917 bis 1922 124 Die Anfänge als Wahlhelferinnen 124 Die SPD-Frauengruppe grenzt sich ab gegen die Kommunistinnen 126 Die Sozialdemokratinnen in der Vereinigten SPD – 1922 bis 1925 126 Die Vereinigung von USPD und MSPD 126 Neue Impulse in der Frauenarbeit 127 Die Internationalen Frauentage der SPD – 1926 bis 1930 129 Für die entschädigungslose Enteignung der Fürsten 1926 129 Frauentagaktionen und Wahlkampfeinsätze 131 Auch im Jahr 1929 wieder ein Frauentag 133 Exkurs: Internationaler Frauentag versus Muttertag 1930 134 Ein zweiwöchiges Aktionsprogramm zum Frauentag 1930 136 Gegen den Naziterror – Internationale Frauentage 1931 bis 1933 139 Für Weltfrieden, gegen Faschismus – Frauentag 1931 140 Eine Demonstration zur Abwehr des Faschismus – Frauentag 1933 143 Zwischenbilanz 144 6. Die Internationalen Frauentage der KPD 1919–1933 ...... 149 Frauenarbeit in der KPD (Spartakusbund) und der Kommunistischen Internationale 1918–1920 151 Die Anfänge in der neuen Partei 151 Frauen in der Kommunistischen Internationale 152 Richtlinien für die Frauenagitation in Deutschland 153 Inhalt 7

Der Frauentag der Kommunistinnen erhält ein Profil – 1921 und 1922 156 Ein Konzept für die Organisierung der Frauentage in Deutschland 156 Der Internationale Frauentag – für alle einheitlich am 8. März 157 Die Internationalen Frauentage im Bremer Parteialltag – 1920 bis 1924 157 Im innerparteilichen Richtungsstreit – der erste Internationale Frauentag der KPD in Bremen 157 In den ideologischen Kämpfen nur eine Randexistenz – die Frauentage 1921/1922 159 Die Kommunistinnen setzen sich auch in Bremen durch: Frauentage 1923/1924 160 Die ideologische und organisatorische Wende in der Frauenpolitik – 1925 164 Ein neues Konzept, eine neue Struktur für die Frauenarbeit der KPD 164 „Eine internationale Frauenwoche in Bremen, die nach außen wenig in Erscheinung trat“ 165 „Keinen Pfennig den Fürsten, dafür Hilfe den Erwerbslosen“ – Frauentag 1926 166 KPD-Parteitag 1927: neue Parteilinie für die politische Arbeit unter den Frauen 168 Erledigung einer Pflichtaufgabe – Frauentage 1927 bis 1930 169 „Es fand eine Frauenversammlung statt, die nur sehr geringen Besuch aufwies“ – Frauentag 1927 170 „Es lebe der Befreiungskampf der Arbeiterfrauen der ganzen Welt“ – Frauentag 1928 170 Nicht einmal die Parteipresse berichtete – Frauentage 1929 und 1930 171 „Antreten zur antifaschistischen Aktion“ – Frauentage 1931 bis 1933 172 Kampf gegen „das ganze faschistisch-kapitalistische System“ – Frauentag 1931 172 „Jede proletarische Frau ein roter Wahlhelfer in der Thälmannfront“ – Frauentag 1932 176 Zwischenbilanz 178 Exkurs: Zu den Frauentagaktionen der KPD und SPD in der Weimarer Republik 179 7. Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage 1933–1945 ...... 187 Machtübernahme der NSDAP in Bremen 189 Die nationalsozialistische deutsche Frauengemeinschaft 190 Der deutsche Muttertag – nationalsozialistischer Feiertag für die deutsche Mutter 192 Der „Deutsche Muttertag“ in der Weimarer Republik 192 „Der neue Geist der Muttertage“ 193 Das Ehrenkreuz der deutschen Mutter 197 Kriegsmuttertage 1939–1944 198 Zeichen des Widerstands gegen Faschismus und Krieg – Frauentage 1933 bis 1945 200 Die Bremer Kommunistinnen im Widerstand 200 Der Widerstand der sozialdemokratischen Frauen 202 Die Idee des Internationalen Frauentages begleitet die Verfolgten im Konzentrationslager 205 Frauentagaktion von Zwangsarbeiterinnen in Bremen – 8. März 1943 206 Die Internationalen Frauentage im Londoner Exil – 1941 bis 1945 207 Zwischenbilanz 210 8. Internationale Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1966 ...... 217 Die Reorganisation der politischen Strukturen in Bremen nach 1945 220 Die Überlebensarbeit der Frauen 222 8 Inhalt

Die politischen Frauenorganisationen Bremens der Nachkriegszeit 222 Der Frauenclub 1945 222 Der Bremer Frauenausschuss (BFA) 223 Die KPD in der Nachkriegszeit und in den Zeiten des Kalten Krieges 225 Der organisatorische Aufbau der Partei nach der Legalisierung 225 „Ziel und Weg der KPD“ – Aufruf der Partei am 20. Oktober 1945: Programmatik und Frauenpolitik 225 Beginn der Isolation im Kalten Krieg 226 Internationale Frauentage der Kommunistinnen – 1948 und 1949 228 Der erste Internationale Frauentag in Bremen – 7. März 1948 228 Parteivorstandsbeschluss ist kein Ersatz für Frauenarbeit: Eine Frauentagaktion scheitert – 8. März 1949 229 Internationale Frauentage der KPD und des DFD 231 Internationaler Frauentag im Kalten Krieg – 1950 231 Die KPD überträgt dem DFD die Organisierung der Frauentage 234 Die Volksbefragungskampagne – Frauentag 1951 236 Für Wiedervereinigung, gegen Remilitarisierung – Frauentage 1952–1954 237 „Jeden Tag etwas für den Frieden tun“ – Frauentage 1955 und 1956 240 Die Bremer Sozialdemokratinnen und ihre Frauentage – 1945 bis 1966 242 Die SPD-Frauen bauen ihre Strukturen nach dem Krieg wieder auf 242 Die Sozialdemokratinnen organisieren den Internationalen Frauentag 1949 244 Frauenpolitik in der Bundesrepublik der 1950er Jahre 245 Die politische Arbeit der SPD-Frauen in Bremen 246 Abgrenzung zur KPD-Veranstaltung: der sozialdemokratische Frauentag 1950 250 „Frauen kämpfen für Frieden und Freiheit“ – Frauentage 1951 bis 1956 252 Als Teil der Bewegung „Kampf dem Atomtod“ – Frauentage 1957 und 1958 254 Neue Aktionsformen für die Frauentage 257 Eine Tradition sozialdemokratischer Frauenarbeit verschwindet 257 Die politische Ausrichtung der SPD zur Volkspartei 257 Bremer Frauentage ohne Höhepunkte – 1959 bis 1966 258 Der Internationale Frauentag verschwindet als politisches Datum 260 Zwischenbilanz 261 9. Neue Frauenbewegung und Internationaler Frauentag 1967–1979 ...... 269 Formierung der Neuen Frauenbewegung 270 Ein Tomatenwurf und seine Folgen – der Bremer Weiberrat 1969 272 Aus den Protesten gegen den § 218 entsteht die Neue Frauenbewegung 273 Strömungen in der Frauenbewegung der 1970er Jahre 275 Autonome Frauenbewegung 275 Frauenbewegung der Sozialdemokratinnen 277 Aufbruch der Gewerkschafterinnen 279 Frauenarbeit in der neu konstituierten Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) 281 Ein Wendepunkt: Das Internationale Jahr der Frau 1975 282 Internationale Frauentage in den 1970er Jahren 285 Zwischenbilanz 290 Inhalt 9

10. Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage 1980–1989 ...... 295 8. März 1980 in Bremen 298 Eine innergewerkschaftliche Kontroverse um den Frauentag – 1980 bis 1982 300 Ein Beschluss und seine Folgen – 1980/1981 300 8. März 1982: erste Frauenkundgebung der Gewerkschafterinnen 302 Frauentage der Gewerkschafterinnen – 1983 bis 1985 304 Die DGB-Frauendemonstration 1983 304 „Frauen machen Putz“ gegen die Frauenpolitik der Bundesregierung – Frauentag 1984 305 „Der 8. März ist unser Tag!“ – Frauentag 1985 307 Vereint unter dem Frauenzeichen – Frauentag 1986 308 Der Internationale Frauentag im neuen Gewand – 1987 bis 1989 312 „Fröhlich, bunt und mit viel Spaß“ – ein neues Konzept für den Frauentag 1987 313 Das neue Konzept bewährt sich – Frauentag 1988 315 „Wir streiten für bessere Zeiten“ – Frauentag 1989 318 Zwischenbilanz 320 11. Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland 1990–2010 ...... 325 „Halbe–Halbe“ – Frauentag 1990 329 Internationale Frauentage 1991–1993 332 „Bilanz des Schreckens“ – Frauentag 1991 333 „Contra Rassismus, Sexismus, Kolonialismus“ – Frauentag 1992 333 Ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen Gewalt – Frauentag 1993 335 Frauenstreiktag – Frauentag 1994 336 Vorbereitungen 336 PROTEST – STREIT – STREIK: Frauentag 1994 338 Frauen- und Mädchenparlamente – Frauentage 1995 bis 1997 342 Demonstrationen, Diskussionen, Frauen- und Mädchenparlamente, alles an einem Tag – Frauentag 1995 342 Frauenprojekte gegen Rotstiftpolitik – Frauentag 1996 344 Ein vielfältiges Programm und ein Frauentag ohne politisches Profil – 1997 347 Mit neuen Ideen und Konzepten – Frauentage 1998/99 349 „Einbrüche, Umbrüche, Aufbrüche“ – Frauentag 1998 349 „Der letzte Frauentag im alten Jahrtausend“ – 1999 352 8. März 2000: Wahl der Bremer Frau des Jahres und 25 weitere Veranstaltungen 354 Über Bremen verteilt und zeitlich ausgedehnt – Frauentage 2001 bis 2006 356 Diskussionen in kleiner Runde, Geburtstagsfeier mit Paula und abends zum Tanz – Frauentag 2001 356 „Wie ein Spinnennetz über Bremen“ – Frauentag 2002 357 Für Frieden und Frauenrechte – Frauentag 2003 358 Ein Frauentag mit wenig Presseecho – Frauentag 2004 360 „Wo bitte geht’s zur Zukunft?“ – Frauentag 2005 361 95. Internationaler Frauentag, 60 Jahre Bremer Frauenausschuss: Der Frauentag ist in die Jahre gekommen – Frauentag 2006 363 10 Inhalt

Nicht zu alt für die Zukunft – Internationale Frauentage 2007–2010 365 Erstmals wieder eine gemeinsame zentrale Veranstaltung – Frauentag 2007 365 „Frauengenerationen – Fortschritt mit Rückblick“ – Frauentag 2008 367 „60 Jahre Gleichberechtigung – noch nicht am Ziel“ – Frauentag 2009 369 Eine Jahrhundertfeier wird verschoben 372 Suppenengel begegnet Helene Schweida, und Clara Zetkin – Frauentag 2010 373 Zwischenbilanz 375 Schlussteil: Was ist der Internationale Frauentag? ...... 383

Anhang ...... 391 1. Abkürzungsverzeichnis 392 2. Archive 394 3. Zeitungen und Zeitschriften 395 4. Interviews 396 5. Literatur 397 6. Chronologie der Internationalen Frauentage 415 Einleitung

Ein neues Projekt der sozialistischen Frauenbewegung

„Die Frau des 20. Jahrhunderts ist politisch mündig geworden, und trutziglich fordert sie ihre Staatsbürgerrechte.“

Mit diesem Leitspruch wurde der Aufruf zum ersten sozialdemokratischen Frauentag 1911 eingeleitet. Sozialistinnen aus 16 Nationen Europas und den USA hatten ihn aus der Tau- fe gehoben. Auf ihrer Zweiten internationalen Frauenkonferenz, am 26. und 27. August 1910, hatten die Delegierten beschlossen, dass die sozialistischen Frauen aller Länder „jedes Jahr einen Frauentag“ veranstalten sollten, „der in erster Linie der Agitation für das Frauen wahlrecht dient“. 1911 organisierten die sozialdemokratischen Frauen in Dänemark, Deutschland, Ös- terreich-Ungarn, der Schweiz und die Sozialistinnen in den USA zum ersten Mal einen Frauentag. Als Datum für diesen ersten Frauentag war in Deutschland und den meisten anderen Ländern der 19. März gewählt worden. Die SPD hatte das Flugblatt, aus dem oben zitiert wurde, in einer Auflage von 2½ Millionen Exemplaren drucken lassen. Und überall in Deutschland – so auch in Bremen – wurde das Flugblatt in den Tagen vor dem 19. März verteilt. Die Frauen Bremens wurden zur Teilnahme an „Öffentlichen Frauenversammlun- gen“ am Sonntag, dem 19. März 1911, aufgerufen. Einziger Tagesordnungspunkt auf den beiden Versammlungen war: „Der Kampf um das Frauenwahlrecht“. In Bremen formierten sich im Anschluss an die Kundgebungen rund 200 Frauen begleitet von einigen Männern zur ersten Frauendemonstration. Aus den Arbeitervierteln Walle/Gröpelingen kommend ging der Zug bis vors Rathaus. Auf dem Marktplatz brachten die Teilnehmerinnen ein Hoch auf das Frauenwahlrecht aus und „gratulierten sich zu ihrem ersten Erfolg im Kampf um das Frauenwahlrecht“. Das war der Auftakt für eine nunmehr hundertjährige Geschichte des Internationalen Frauentages: „Kampftag für das Frauenwahlrecht, Protesttag gegen Krieg und Militaris- mus, Demonstrationstag für volle soziale und politische Gleichberechtigung, Solidaritäts- tag mit verfolgten und unterdrückten Frauen anderer Nationen und schließlich Aktionstag der Neuen Frauenbewegung“ – das waren die unterschiedlichen politischen Akzente, die über die Frauentage im Verlauf des Jahrhunderts gesetzt wurden (aus dem Vorwort der Ministerin für Gleichstellung, NRW, 1993, 3). Im Ursprung eine „Erfindung“ sozialistischer Frauen wird der Internationale Frauentag heute von einem Bündnis unterschiedlicher Frauengruppen gestaltet. Traditionelle Frauenverbände und Frauenbeauftragte feiern mit Gewerkschafterinnen, Parteifrauen und Frauen feministischer Projekte, Christinnen wie muslimische Frauen beteiligen sich an den Aktionen.

Der Internationale Frauentag als lokales Ereignis

In der folgenden Arbeit wird die Entstehung, Entwicklung und Bedeutung des Internatio- nalen Frauentages in der Freien Hansestadt Bremen dargestellt. Die Großstadt Bremen bietet einen räumlich überschaubaren Rahmen und ist als Stadtstaat eine eigenständige Zentrale mit den Kompetenzen einer Landesregierung. Die Entwicklung der Frauentage 12 Einleitung kann wie durch ein Brennglas beobachtet werden. Erst im Zusammenhang der lokalen Studie wird sichtbar, dass sich im Verlauf der Geschichte die Bedeutung des Lokalen in Bezug auf die Frauentage veränderte. Bis in die 1960er Jahre hinein war der Internatio- nale Frauentag ein Instrument der politischen Arbeit, und zwar vor allem der Frauenbe- wegungen der Arbeiterparteien. Die auf Parteitagen und von Parteivorständen gefassten Beschlüsse wurden in den Aktionen der Frauentage an der Basis in praktische Politik umgesetzt. Wie erfolgreich sich die Strategien der Führungsspitze an der Basis durchgesetzt ha- ben, ließ sich an der Dokumentation der konkreten Frauenaktionen ebenso ablesen wie die Widerständigkeit und der Eigensinn der Frauen. Die lokalen Ereignisse blieben in die- sem Zeitraum aber stets eingebunden in die Hierarchien der Parteistrukturen. Im Zentrum dieser Phase stand daher die oft reibungsvolle Transformation zentraler Parteivorgaben in lokale Praxis. Mit der Neuen Frauenbewegung und der Ernennung des Frauentages zu einem „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“ im Jahr 1977 wurde der Internationale Frauentag zum zentralen Aktionstag, der von den Gruppen und Orga- nisationen der Frauenbewegung in der jeweiligen Stadt inhaltlich bestimmt und gestaltet wurde. Selbst in den Parteien und Gewerkschaften organisierten die Frauengruppen ihre lokalen Aktionen eigenständig. In dieser zweiten Phase der Entwicklung des Internationalen Frauentages wurden die lokalen Frauentage zu Zentren der politischen Aktivitäten. Die dirigistischen Parteidokt- rinen verschwanden und stattdessen wurden die Frauen in den gewerkschaftlichen Aus- schüssen an der Basis initiativ. Über informelle Kontakte und Beziehungen zu anderen lokalen Frauengruppen vergrößerte sich der Kreis der Akteurinnen. Das Zusammenwirken der unterschiedlichen Gruppierungen in den Städten verlieh dem Frauentag seine Stoß- kraft und die politischen Verhältnisse in der Stadt prägten die Themen an den Frauen- tagen. Dargestellt wird, in welcher Weise Akteurinnen in Bremen auf die sich wandelnden poli- tischen und wirtschaftlichen Verhältnisse reagierten; welche Forderungen an den Frauen- tagen im Vordergrund standen; wie die Veranstalterinnen die Ausdrucksformen der Frau- entagaktionen veränderten und wie sich die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Trägerinnen der Frauentage gestalteten, die in den Aktionsbündnissen aufeinander trafen.

Zum Aufbau des Buches

Der Gesamtbericht über die hundertjährige Geschichte des Internationalen Frauentages wurde in elf Kapitel unterteilt. Dabei ist jedes Kapitel eine in sich abgeschlossene Erzäh- lung. Sie beginnt mit einer Einführung, in der die politischen Ereignisse, die die Frauen- tage beeinflusst haben, dargestellt werden. Außerdem werden die Schwerpunkte der Frau- entagaktionen zusammengefasst. Danach folgen Berichte über die einzelnen Frauentage in Bremen. Die Kapitel werden jeweils abgeschlossen mit einer Zwischenbilanz, in der die neuen Aspekte der jeweiligen Epoche analysiert werden. Das Buch ist als Lesebuch konzipiert, in dem jedes Kapitel als eigenständiger Text ge- lesen werden kann. Außerdem kann der Text als Nachschlagewerk genutzt werden. Dazu befindet sich im Anhang die Liste aller im Buch beschriebenen Frauentage mit Seiten- angaben. Einleitung 13

Quellenbasis

Für die Rekonstruktion der lokalen Frauentage waren Presseberichte von grundlegender Bedeutung, weil diese über die konkreten Ereignisse berichten. Hauptquellen waren für die Jahre bis 1933 die lokale Parteipresse der SPD, der USPD und der KPD. Seit Beginn der Frauentagaktionen 1911 begleitete die Bremer Bürger-Zeitung als linke Parteizeitung der Bremer SPD die politischen Aktionen der Sozialdemokratinnen. Die Artikel zeichneten durchweg ein positives Bild der Fraueninitiativen, trotzdem vermittelten sie ein realisti- sches Bild der Ereignisse. Das zeigte sich beim Studium der Polizeiakten, die im Staats- archiv Bremen (STAB) eingesehen werden können: Für den gesamten Zeitraum bis 1933 hatte die Polizei die Frauentagaktionen überwacht, die akribischen Berichte sind nahezu lückenlos geführt. Darüber hinaus befinden sich auch Flugblätter, interne Parteiberichte und Parteipropagandamaterial in den Akten, mit deren Hilfe die Aktionen recht detailliert rekonstruiert werden können. Für die Zeit der Weimarer Republik lagen ebenso Polizei- berichte für alle drei Arbeiterparteien vor. Für die Analyse und Darstellung der Frauentage waren auch die jeweiligen Frauenzeit- schriften der Parteien wichtig. Das galt an erster Stelle für die Zeitschrift Die Gleichheit, die bis 1916 die politische Richtung der Frauenarbeit auch der Bremer Sozialdemokratin- nen bestimmte. Nach der Spaltung gab jede Partei eine eigene Frauenzeitschrift heraus. Die SPD hielt zunächst an der Gleichheit fest. Als deren Erscheinen eingestellt wurde, erschien die Frauenzeitschrift unter dem Namen Die Genossin. Seit Frühjahr 1919 gab die USPD eine eigene Frauenzeitung unter dem Namen Die Kämpferin heraus. Die KPD- Zeitschrift trug zunächst den Namen Die Kommunistin. Ab 1927 übernahmen die Kom- munistinnen den Titel der früheren USPD-Frauenzeitung, und die Frauenzeitung der KPD erschien unter dem Titel Die Kämpferin. Bei den Frauenzeitschriften wurden jeweils die Frauentagausgaben durchgesehen. Weiteres Quellenmaterial waren Parteitagsprotokolle und Beschlüsse der Parteivor- stände. Über die SPD-Frauentage ließen sich auch Informationen finden in den Jahrbü- chern, die der SPD-Parteivorstand seit 1926 regelmäßig herausgab. Dort wurde unter der Rubrik „Frauenbewegung“ jedes Jahr über den Frauentag und die Aktionen der Genos- sinnen berichtet. Als vorbildlich angesehene Aktionen der Bremer Frauengruppe wurden besonders erwähnt. Für die Zeit nach 1945 standen die Bestände des Archivs der sozialen Demokratie bei der Stiftung (AdsD/FES) zur Verfügung. Dort lagert Material der SPD Landesorganisation Bremen (LO Bremen I und II), wozu auch die Unterlagen der Frauen- gruppen mit Berichten über die Organisierung der Frauentage und die Zusammensetzung der Frauengruppen gehören. Für die Forschungsarbeit über die Frauentage der KPD wurden die Bestände des Bun- desarchivs Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen in der DDR (SAPMO) durchgesehen. Die Materialien gaben besonderen Einblick in das Verhältnis zwischen der KPD-Bezirksleitung Bremen und dem Zentralkomitee der Partei. Darunter befanden sich auch Berichte der Bezirksleitung über Frauentagaktionen an die Frauenabteilung beim Parteivorstand und deren kritische Stellungnahmen über die Frauenarbeit in Bremen. Auch für die Zeit nach 1945 waren diese Bestände bedeutsam, da die lokale Parteizeitung nur in Ausnahmefällen über Aktionen der Kommunistinnen und des Demokratischen Frauenbundes (DFD) berichtete, der seit 1951 in Bremen zusammen mit der KPD die Frauentage organisierte. Im Archiv der deutschen Frauenbewegung (addf) und in der Pri- 14 Einleitung vatsammlung von Margot Konetzka konnten dagegen Flugblätter und Veröffentlichungen des Demokratischen Frauenbundes Westdeutschland (DFD) eingesehen werden. Für den Bericht über den nationalsozialistischen Muttertag stand die Bremer National- sozialistische Zeitung, später Bremer Zeitung (BNZ/BZ), im Pressearchiv der Universität Bremen zur Verfügung. Einblicke in die Arbeit der Widerstandsgruppen lieferte u.a. die Videofilm-Reihe „Bremer Arbeiterbiographien“ sowie Interviews aus den 1980er Jahren, in denen ehemalige Aktivistinnen von ihrer politischen Arbeit während der NS-Zeit erzählten. Ebenso wurden Berichte von Sozialdemokratinnen über die Aufbauarbeit nach 1945 und von Kommunistinnen über politische Aktionen zum Frauentag innerhalb der Kampa- gnen gegen Remilitarisierung und der Antiatombewegung aus Interviews entnommen, die die Akteurinnen in den 1980er Jahren gegeben hatten. Auch für die Erforschung der Frauentage nach 1975 blieben die Presseberichte zentrale Quellen, vor allem weil darüber Kontinuitäten, Brüche und Neu-Initiativen über den langen Zeitraum von annähernd dreißig Jahren sichtbar werden. Mit der taz Bremen als Tageszei- tung kam eine neue Presse hinzu, deren kritische Berichterstattung eine differenziertere Beurteilung der Frauentage ermöglichte. Die Aktivitäten der Neuen Frauenbewegung in Bremen waren im belladonna-Archiv Bremen gut dokumentiert. Zu den dort lagernden Materialien gehören neben Flugblät- tern, Rundschreiben und Protokollen auch die „Bewegungspresse“, in denen sich Hin- weise auf Frauentagaktionen fanden. Weitere Quellen konnten im Archiv der Universität Bremen erschlossen werden. Wichtig war die Zeitungsausschnittsammlung (ZASS) des Parteivorstandes der SPD, die im AdsD gelagert wird. Unter der Rubrik Bevölkerung/ Frauen wurden dort von 1983 bis 1996 die Bundesdeutschen Presseveröffentlichungen zum 8. März gesammelt. Damit ließen sich überregionale Bezüge und Verbindungen zu den Bremer Aktionen erschließen. Wichtige Dokumente und Unterlagen lieferten auch die Privatsammlungen, die von Bremer Akteurinnen für diese Arbeit zur Verfügung gestellt wurden. Außerdem wurden in den Jahren 2009 und 2010 zahlreiche Frauen befragt, die an den Frauentagen aktiv mit- gewirkt haben. Ihre Berichte bildeten oft eine Brücke zwischen den Quellen oder wiesen auf unbeachtete Aspekte hin.

Ein Abriss der Geschichte des Internationalen Frauentages und der Bremer Ereignisse

Die deutsche Sozialistin Clara Zetkin schlug auf der Zweiten Sozialistischen Frauenkonfe- renz am 27. August 1910 in Kopenhagen die Einführung eines Internationalen Frauenta- ges vor. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Ein solches Projekt – jedes Jahr einen Agitationstag für das Frauenwahlrecht zu organisieren – konnte nur deshalb realisiert werden, weil es 1910 bereits eine aktive internationale sozialistische Frauenbewegung gab. Die Entstehungsgeschichte der sozialdemokratischen Frauenbewegung in Deutschland wird zu Beginn dieses Buches beschrieben (Kapitel 1). Anschließend werden die konkreten Aktionen an den Frauentagen der Jahre 1911 bis 1914 in Bremen dargestellt: Der erste Frauentag wurde am Sonntag, dem 19. März 1911, in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz gefeiert. In den USA fand er bereits zum dritten Mal in der letzten Februarwoche statt. Das alles beherrschende Thema der ersten Jahre war die Forderung nach dem „freien, geheimen, und gleichen Wahlrecht Einleitung 15 für Männer und Frauen“. Auch die Bremer Sozialdemokratinnen organisierten 1911 ihre erste Frauendemonstration. Und bis 1914 hatten sie „ihren“ Tag im Aktionsrhythmus des Parteijahres verankert. Er war in Bremen – wie in der Partei überhaupt – ein wichtiger Teil der Propaganda und Aufklärungsarbeit. Und vor allem trug er wesentlich zur Werbung neuer weiblicher Mitglieder bei – eines der wichtigsten Argumente der Führungsfrauen in der SPD, um die Frauentage beim Parteivorstand in , der noch immer Vorbehalte gegenüber separaten Frauenaktivitäten hegte, durchzusetzen (Kapitel 2). Nach Beginn des Ersten Weltkrieges schloss sich die Mehrheit der Bremer Sozialde- mokratinnen der Antikriegsbewegung der Parteiopposition an. An den „Kriegsfrauenta- gen“ 1915 und 1916 stand die Kritik an der miserablen Versorgung der Bevölkerung und die Forderung nach Frieden und sofortiger Beendigung des Krieges an erster Stelle. Die Bremerinnen stellten sich damit gegen die von der Parteiführung betriebene Politik der Bewilligung von Kriegskrediten und Unterstützung des Krieges. Die Auseinandersetzun- gen in dieser Frage führte in der Bremer SPD Ende 1916 zur Spaltung (Kapitel 3). Die Frauengruppe war aufgelöst und die einzelnen Frauen mussten sich neu orientieren. Viele organisierten sich in der 1917 gegründeten USPD, waren Mitglied in der Mehrheits-SPD oder traten der Kommunistischen Partei bei. Nach dem Ersten Weltkrieg und vor allem aufgrund der Einführung des Frauenwahl- rechts musste für den Internationalen Frauentag ein neues Konzept entwickelt werden. Es waren die Frauen in der neu gegründeten USPD, die bereits auf dem ersten Parteitag 1917 beschlossen, noch im Mai desselben Jahres einen Frauentag durchzuführen. In der kurzen Geschichte der Frauentage der USPD (1917–1920) stellten die Frauen zwei Themen in den Mittelpunkt: Frieden und internationale Solidarität (Kapitel 4). Trotz erster Erfolge zeigte sich, dass für die USPD als dritte Arbeiterpartei zwischen der 1918 neu gegründeten KPD und der wiedererstarkten SPD kein Platz blieb. 1922 ver- einigte sich die USPD mit der SPD. In der Folge brachten die USPD-Frauen ihr Konzept für einen Internationalen Frauentag und ihre Themen in die innerparteiliche Debatte um die Wiedereinführung des Frauentages in der SPD mit ein. Innerhalb der SPD gab es aber auch unter den Frauen Widerstände gegen einen sozialdemokratischen Frauentag. Der wichtige Anstoß kam dann von außen, als nämlich die erste Internationale Frauenkon- ferenz der Sozialdemokratinnen 1923 die Wiedereinführung des Frauentages beschloss, was jedoch erst im Jahr 1926 zu einem Frauentag der Sozialdemokratinnen führte. Von diesem Jahr an fanden in Deutschland zunächst zwei Internationale Frauentage statt: ein kommunistischer am 8. März und ein sozialdemokratischer ohne festes Datum. Die SPD-Frauen in Bremen entwickelten ihren Frauentag zu einem politischen und kul- turellen Höhepunkt ihrer politischen Arbeit. Die Themen orientierten sich an den sozial- politischen Debatten und den Anträgen der SPD-Fraktion im Reichstag. In den 1930er Jahren waren die Frauentage vor allem Protestaktionen gegen die immer offensiver und gewalttätiger auftretenden Nationalsozialisten. Noch im Februar 1933 organisierten die SPD-Frauen eine Demonstration und Kundgebung zum Internationalen Frauentag „gegen die faschistische Diktatur“ (Kapitel 5). In den revolutionären Kämpfen entstand zum Jahresende 1918 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Ein großer Teil der Frauen, die sich der neuen Bewegung an- schlossen, gehörten vor der Spaltung zu den Aktivistinnen der sozialistischen Frauenbe- wegung vor dem Ersten Weltkrieg. Sie wollten in der neuen Partei Frauenpolitik zu einem Schwerpunkt der Parteiarbeit machen. Arbeiterfrauen und vor allem Betriebsarbeiterin- nen sollten für die revolutionäre Bewegung gewonnen werden. Ein wichtiges Instrument dazu waren die Frauentage, die als Agitationstage alle Genossinnen und Genossen mo- 16 Einleitung bilisieren sollten, die Arbeiterfrauen an die Partei und ihre Ziele heranzuführen. Um dem Internationalen Frauentag auch in der Kommunistischen Internationalen (KI) ein beson- deres Gewicht zu verleihen, beschloss die zweite Frauenkonferenz der Kommunistischen Internationale 1921, dass die Frauentage aller kommunistischen Parteien ab 1922 jährlich am 8. März stattfinden sollten. Doch trotz klarer Parteidirektiven und Leitlinien gelang es den deutschen Kommu- nistInnen nicht, die Masse der Arbeiterfrauen für ihre revolutionären Ziele zu gewinnen. Auch in Bremen war die Zahl der aktiven weiblichen Mitglieder von Anfang an nicht sehr groß. Eine Gruppe junger Frauen organisierte die ersten Frauentage zu Beginn der 1920er Jahre. Doch die Männer zeigten kaum Bereitschaft, diese Arbeit zu unterstützen. So waren Versammlungen oft „kläglich schlecht besucht“, erst 1923 kam eine Versammlung mit 2.000 Teilnehmerinnen zustande. Angesichts inflationärer Geldentwertung, sich ständig verschlechternder Lebensbedingungen und der Ruhrbesetzung durch die französische Armee fanden die politischen Appelle zur Einheitsfront unter kommunistischer Führung Zustimmung bei den Arbeiterinnen und ihren Familien. Der gute Besuch auf der Frauen- versammlung war ein Ausdruck dafür. Nach der Aufbauphase und den ersten Frauentagversammlungen vollzog die KPD 1924/25 eine linksradikale Wendung. Das hatte unmittelbare Folgen für die Frauenpolitik. Jegliche Sonderbereiche der Frauenarbeit wurden abgeschafft. Die Genossinnen sollten die Vorgaben der Parteiführung ausführen, die Hausfrauen waren als Hilfstruppen bei der Betriebsagitation vorgesehen. Dazu waren die Frauen aber offensichtlich nicht bereit. Sie traten – auch in Bremen – aus der Partei aus oder zogen sich aus der aktiven Parteiarbeit zurück. Die verbliebenen Genossinnen wurden bei den unterschiedlichsten Parteiaktionen eingesetzt. Für die Vorbereitung und Durchführung von Frauentagen blieb kaum Zeit. Die Frauentage wurden dann als angeordnete Pflichtveranstaltungen bürokratisch abgewi- ckelt. In anderen Jahren wurden Frauenaktionen am Frauentag mit anderen politischen Verpflichtungen verbunden. So gab es im Jahr 1931 eine Frauendemonstration gegen den § 218 im Stadtteil Gröpelingen mit etwa 50 TeilnehmerInnen, die nach der Demonstration zum antifaschistischen Aktionseinsatz nach Delmenhorst gefahren wurden. Frauenthe- men waren in der Bremer KPD von nachrangiger Bedeutung. Trotzdem gelang es den KPD-Frauen einige Male, zum 8. März gut besuchte Kund- gebungen zu organisieren. 1932, zum Wahljahr, gab es eine Veranstaltung mit 1.000 Teil- nehmerinnen. Die Frauen wurden aufgerufen, sich als „rote Wahlhelfer für Thälmann“ zu betätigen. Doch auch dieser Appell nützte den Kommunisten nicht. Sie blieben auch bei den Reichpräsidentenwahlen 1932 die Partei mit dem geringsten Stimmanteil an weib- lichen Wählerinnen (Kapitel 6). Genauso wie die Arbeiterparteien selbst wurde der Internationale Frauentag als fester Bestandteil der sozialdemokratischen und kommunistischen Bewegung von den Nazis ver- boten. Stattdessen wurde der Muttertag in den Rang eines offiziellen Feiertages erhoben. Doch der Frauentag lebte weiter. Unter der NS-Herrschaft konnte es oft nicht mehr sein als eine symbolische Geste wie die roten Kopftücher einer Gruppe ukrainischer Fremdarbei- terinnen in Bremen oder ein roter Faden am Häftlingskleid im Frauenkonzentrationslager. Zugleich wanderte der Internationale Frauentag mit den Frauen, die vor den Nazis flüchte- ten, ins Ausland. Dort wurde er zum Protesttag gegen die Nazidiktatur (Kapitel 7). Nach dem Zweiten Weltkrieg, im geteilten Deutschland, zeigten sich im Umgang mit dem Internationalen Frauentag erhebliche Unterschiede zwischen den Besatzungsmächten. In der sowjetischen Besatzungszone wurde der Frauentag 1946 offiziell wieder eingeführt. Im Westen, auch in Bremen, war der Frauentag zunächst weder bei den Kommunistinnen Einleitung 17 noch bei den Sozialdemokratinnen ein Thema. 1948 gab es die erste Veranstaltung der KPD in Bremen. Die Frauen formulierten ihre Vorstellungen und Perspektiven für einen Frauentag im Nachkriegsdeutschland. Dabei stand der Wunsch nach Frieden und einem vereinigten Deutschland im Mittelpunkt. Deshalb sollten am 8. März Frauen unabhängig von ihrer religiösen oder politischen Überzeugung und ihrer sozialen Herkunft zu gemein- samen Aktivitäten für den Erhalt des Friedens zusammenkommen. Die Bremer Sozialdemokratinnen organisierten im darauf folgenden Jahr, also 1949, einen Frauentag. Auch bei ihnen stand das Thema Frieden im Vordergrund. Doch von An- fang an lehnten die SPD-Frauen jedes Zusammengehen mit den Kommunistinnen ab. Es war die Zeit des Kalten Krieges und des Antikommunismus und Kommunistinnen galten als Repräsentantinnen des politischen Gegners. So fanden Frauenveranstaltungen der bei- den Frauenorganisationen immer getrennt statt, die Kommunistinnen versammelten sich am 8. März, während die sozialdemokratischen Termine jährlich auf einen neuen Termin zwischen Februar und Mai gelegt wurden. Für die Sozialdemokratinnen in Bremen wurde der Internationale Frauentag zum Fest- akt im repräsentativen Saal des Rathauses. Die Festversammlung war der Höhepunkt der Frauenarbeit. Die Rednerinnen gehörten zur Führungsspitze der Partei und stellten in ihren Festreden die politischen Forderungen der SPD nach Wiedervereinigung und Frie- den und die Kritik an der Adenauer-Regierung in den Mittelpunkt. Die Frauentage der Kommunistinnen waren Aktionstage, an denen die Frauen auch in Bremen mit umgehängten Plakaten demonstrierten oder von Haus zu Haus zogen, um Unterschriften zu sammeln. Auf der abendlichen Versammlung blieben die Kommunistin- nen und die ihnen nahe stehenden Gruppierungen meist unter sich. Nach dem Verbot der KPD 1956 und des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD) 1957 gab es auch in Bremen keine 8.-März-Veranstaltungen mehr. Bei den Sozialdemokratinnen schwand zum Ende der 1950er Jahre das Interesse an separaten Frauentagaktionen und Festakten. Die junge Generation der SPD-Frauen hatte zu diesen Traditionen der Arbeiterbewegung keine Beziehung mehr. So verschwand der Frauentag Mitte der 1960er Jahre aus dem Aktionskalender der SPD (Kapitel 8). Die jungen Sozialdemokratinnen engagierten sich dagegen in der Außerparlamentari- schen Opposition, wurden Mitglieder bei den Jusos oder gründeten eine der autonomen Frauengruppen, die im Rahmen der Neuen Frauenbewegung zum Ende der 1960er Jahre entstanden. Gleichzeitig erlebte die Frauenarbeit in den Gewerkschaften und Parteien einen Aufschwung und der 8. März wurde im Verlauf der 1970er Jahre neu belebt. Dazu trug vor allem die Initiative der Vereinten Nationen bei, die im Jahr 1975, welches von der UNO zum Internationalen Jahr der Frau ernannt worden war, erstmals am 8. März eine Feier ausrichtete. Die Generalversammlung erklärte dieses Datum später zum „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“. Die Demokratische Fraueninitiative (DFI) – ein Zusammenschluss linker und kommu- nistischer Frauen, der aus den Aktivitäten verschiedener Frauengruppen zum UNO-Jahr 1975 entstanden war – veranstaltete in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre in zahlreichen Städten wieder Frauenveranstaltungen zum 8. März. Auch in Bremen organisierten DFI- Frauen 1978 und 1979 im Bündnis mit unterschiedlichen autonomen Frauengruppen, tra- ditionellen Frauenorganisationen und politisch aktiven Frauen Demonstrationen, Kund- gebungen und Frauenfeste zum 8. März. Diese vielfältigen Aktionen, die in zahlreichen Orten stattfanden, verliehen dem Frauentag wieder neues politisches Gewicht (Kapitel 9). Vor allem die Gewerkschaftsfrauen entdeckten den Frauentag. Zum Internationalen Frauentag 1980 rief die Abteilung Frauen des DGB die Kolleginnen dazu auf, ihre frauen- 18 Einleitung politischen Forderungen öffentlich zu machen. Doch mitten in die Vorbereitungen zum Frauentag platzte ein Beschluss des DGB-Vorstandes, der Aktionen zum Internationalen Frauentag verbot, weil es sich um einen parteipolitischen Kampftag handele. Doch die Frauen setzten sich zur Wehr und führten in vielen Städten trotz Verbots ihre Veranstal- tungen durch. In Bremen gab es 1981 die erste Frauenversammlung im Gewerkschafts- haus und 1982 fand die erste Frauenkundgebung der Gewerkschafterinnen statt. Der DGB-Vorstand musste schließlich dem Druck der Frauen nachgeben. 1982 wurde auf dem DGB-Bundeskongress der 8. März als Aktionstag der Gewerkschaftsfrauen bestimmt. Er sollte in Zukunft dazu dienen, aktuelle Probleme der arbeitenden Frauen zu diskutieren. Im selben Jahr beschloss auch der SPD-Parteitag, den 8. März wieder als Internationalen Frauentag zu begehen. In Bremen übernahm der DGB-Frauenausschuss die Organisierung der Frauentage. Die Aktivistinnen verteilten rote Nelken vor den Betrieben und am 8. März gab es eine Demonstration mit anschließender Kundgebung. Die Rednerinnen kritisierten die Ein- sparungspolitik der Bundesregierung im sozialen Bereich, forderten die Verkürzung der Arbeitszeit und protestierten gegen die wachsende Frauenarbeitslosigkeit. Vor allem em- pörten sich die Frauen gegen die Pläne, Frauen in die aufzunehmen. 1986 wurde der Internationale Frauentag zum Medienereignis. Zum 75. Internatio- nalen Frauentag wurde in fast allen ARD-Hörfunksendern ein vierstündiges Programm zur „Nacht der Frauen“ gesendet. Es gab Erklärungen der Frauenministerin, Stellung- nahmen der Parteien, Gewerkschaften und großen Frauenverbände. Der Internationa- le Frauentag hatte sich in der Bundesrepublik durchgesetzt. In Bremen vollzogen die Gewerkschafterinnen eine Öffnung nach außen. Zum Internationalen Frauentag 1986 schloss sich ein breites Aktionsbündnis aus etwa 40 Frauengruppen, Organisationen und Institutionen zusammen, das seit dieser Zeit die zentralen Veranstaltungen zum Frauentag organisiert und mit politischen Erklärungen und Forderungen gemeinsam an die Öffentlichkeit tritt. Der Frauentag wurde zu einem Forum mit breit angelegten und vielfältigen Aktionen, auf dem Frauen verschiedener Herkunft und sozialer Lage sowie unterschiedlicher reli- giöser und politischer Überzeugungen ihre Forderungen und Wünsche in die Öffentlich- keit tragen konnten. In Bremen lösten sich die Organisatorinnen zum Ende der 1980er Jahre von den tradierten Ausdrucksformen der Frauentage. Die Akteurinnen entwickel- ten eine neue politische Protestkultur mit Straßentheater statt langer Reden, und statt schweigend im Demonstrationszug zu marschieren, zogen die Frauen im Tanzschritt und von Sambarhythmen begleitet durch die Stadt. 1987 und 1988 besetzten die Frauen das Gewerkschaftshaus. Sie füllten die Räume mit politischen Aktionen, Ausstellungen, Lesungen und Diskussionsrunden und vor allem mit mehr als 2.000 Besucherinnen (Kapitel 10). Die Vereinigung beider deutscher Staaten bedeutete auch für die Geschichte des Inter- nationalen Frauentages eine Zäsur. Die Gewerkschafterinnen hatten sich zum Frauentag Gäste aus der Partnerstadt Rostock eingeladen. Gleichzeitig wandten sich Bremer Frau- enorganisationen, autonome Projekte, Gewerkschafterinnen und Parteifrauen zusammen mit der Frauengruppe des Unabhängigen Frauenverbandes der Partnerstadt Rostock mit einem Appell an die Öffentlichkeit: „Wir werden nicht die Zeche zahlen – Kein Ausverkauf von Frauenrechten“. Die Unterzeichnerinnen warnten davor, dass die Kosten der Vereini- gung vor allem den Frauen aufgebürdet würden. Ein Jahr später machten die Bremerinnen angesichts des drohenden Krieges im Irak die Verknüpfung von Krieg und Gewalt gegen Frauen zum ersten Mal zum Schwerpunkt eines Einleitung 19

Frauentages. „Die alltägliche Kette der Gewalt in unserer Gesellschaft führt letztendlich zur Akzeptanz eines Krieges“ wurde der Leitgedanke einer ganzen Reihe von Frauentagen in den 1990er Jahren. 1994 beteiligten sich die Bremerinnen mit vielen fantasievollen Aktionen am „Frauen- streiktag“. Der Streik richtete sich gegen den Abbau von Grundrechten, gegen die zuneh- mende Armut von Frauen, gegen die Zurückdrängung bereits erreichter Frauenrechte, gegen die Vorbereitung deutscher Kriegsbeteiligung, gegen den Abbau von Sozialleistun- gen und gegen die Zerstörung der Umwelt. 1998 lud das Kultur-, Kommunikations- und Bildungszentrum belladonna zum Inter- nationalen Frauenkongress vom 5. bis 8. März ein. In Podiumsdiskussionen, Foren und Workshops mit in- und ausländischen Referentinnen konnten sich die rund 700 Teilneh- merinnen über die unterschiedlichen Aspekte der Auswirkungen von Globalisierung infor- mieren und mit dem Strukturwandel in der Arbeitswelt auseinandersetzen. Seit 1999 wird auf Initiative des Bremer Frauenausschusses jedes Jahr am 8. März die Frau des Jahres geehrt. Dazu laden die Senatorin, der Bremer Frauenausschuss und die Landesfrauenbeauftragte in den Festsaal des Rathauses ein, womit der Internationale Frauentag in Bremen einen weiteren Schwerpunkt erhalten hat. Doch der Frauentag in Bremen findet nicht nur im Rathaus und im Gewerkschaftshaus statt. Internationaler Frauentag in Bremen, das bedeutet vier Wochen Veranstaltungen und Aktionen von Ende Februar bis Ende März. Über die gesamte Stadt verteilt gibt es rund um den 8. März ein breit gefächertes Angebot an Veranstaltungen und Aktionen. Angesichts der unterschiedlichen und vielfältigen Interessen und Schwerpunkte in der Frauenbewegung finden die politischen Erklärungen der Frauenbeauftragten in den Me- dien immer stärkere Beachtung. Auch zum Internationalen Frauentag 2008 gab es wieder einen neuen Aufbruch, zu dem die Frauen am 8. März ins Bremer Rathaus einzogen. Über zwei Stockwerke verteilt gab es in allen Räumen Frauenprogramm, wobei unter dem Motto „Frauengenerationen – Fortschritt mit Rückblick“ ein Dialog zwischen den Generationen gestartet wurde (Kapitel 11). Der Internationale Frauentag feiert in diesem Jahr sein hundertjähriges Jubiläum, weil ihm immer wieder neues Leben eingehaucht werden konnte. Was als Zeichen für das emanzipatorische Projekt der Sozialistinnen anfangs mehr geduldet als gewollt war, hat sich zu einem gesellschaftlichen Forum für Fraueninteressen entwickelt. 1.

Die Vor- geschichte des Internationalen Frauentages 22 Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages

Als die Delegierten der zweiten sozialistischen Frauenkonferenz im Jahr 1910 in Kopen- hagen zusammenkamen und die Einrichtung eines Internationalen Frauentages beschlos- sen, lagen bereits Jahre politischer Auseinandersetzungen und Kämpfe hinter ihnen. Eine proletarische Frauenbewegung war in ihren Anfängen. Gegen alle Bedenken und Wider- stände hatten die Sozialistinnen die Interessen und Forderungen von Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen innerhalb der internationalen Arbeiterbewegung zu einem nicht mehr zu umgehenden Thema gemacht. Ankerpunkt der sozialistischen Frauenbewegung waren der Protest und der Wider- stand gegen die miserablen wirtschaftlichen und sozialen Lebens- und Arbeitsbedingun- gen der Proletarierinnen1. Eine Beschreibung des Alltags der Arbeiterfrauen in Bremen zu Beginn des 20. Jahrhunderts steht deshalb am Anfang der folgenden Ausführungen. Im zweiten Abschnitt wird die Bildung der proletarischen Frauenbewegung in Deutsch- land dargestellt. In diesem Prozess waren zwei Aspekte eng miteinander verknüpft: die Erarbeitung einer sozialistischen Frauenemanzipationstheorie und der organisatorische Aufbau einer Frauenorganisation. Im Nachfolgenden werden zunächst also die von in seinem 1878 veröffentlichten Werk Die Frau und der Sozialismus entwickelten Prinzipien sozialistischer Frauenemanzipation beschrieben. Daneben war es ab 1890 vor allem Clara Zetkin, die als Organisatorin und Theoretike- rin die sozialistische Frauenbewegung in Deutschland und international geprägt hat. Ihre Konzepte und grundlegenden Ideen werden in einem eigenen Abschnitt erläutert. Im An- schluss folgt der Blick auf die organisatorische Entwicklung der Frauenbewegung. Abschließend geht es um neue Aktionsformen und Methoden, die der Forderung nach dem Frauenwahlrecht in der Öffentlichkeit mehr Nachdruck verleihen und letztlich zum Erfolg verhelfen sollten: die Durchführung politischer Massenstreiks und Massenaktionen sowie die Organisierung eines nationalen Frauentages.

Arbeiterfrauen in Deutschland und Bremen zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Um das Jahr 1900 war Bremen eine moderne Großstadt mit expandierenden Industrien und guten Arbeitschancen für junge Menschen. Diese strömten deswegen zu Tausenden in die Stadt.2 Zu dem „Zug nach der Stadt“3 gehörten in wachsender Zahl auch Frauen und Mädchen – bald machten Frauen in Bremen ein Drittel der Arbeitskräfte aus. Die Frauenarbeit verteilte sich im Wesentlichen auf drei Bereiche4. Die reiche Kauf- mannstadt hatte zunächst einen ständig steigenden Bedarf an Dienstboten. So ergab die Volkszählung von 1900, dass in Bremens Bürgerhäusern 7.733 Dienstmädchen lebten und arbeiteten.5 Sie stellten den größten Anteil der weiblichen Arbeitskräfte. Die zweite Gruppe umfasste die Arbeiterinnen aus Industrie (3.749) sowie aus Handel und Gewerbe (1.228). In der dritten Gruppe wurden unter der Sammelbezeichnung Selbstständige alle zusam- mengefasst, die „von keinem Unternehmer abhängig waren […] oder einfach durch das Wort ‚selbständig‘ (selbständige Näherin, Kundengeherin etc.) bezeichnet wurden, wenn sie nur allein […] tätig waren“. Die Zahl der Frauen, die als Kleinhändlerinnen in der Textilindustrie, im Bekleidungs- und im Reinigungsgewerbe arbeiteten, betrug insgesamt 4.9776. Dabei hatten Frauen in allen drei Bereichen in der Regel die unqualifizierten und schlechter bezahlten Arbeitsstellen. Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages 23

Dienstmädchen von Frau Focke und Frau Grevekoht, Oktober 1892.7

Der Arbeitsalltag war in den drei Hauptbeschäftigungszweigen sehr unterschiedlich. So gab es einmal die jungen, unverheirateten Frauen und Mädchen aus dem nahe gelegenen ländlichen Raum, die nach Bremen kamen, um sich als Dienstmädchen zu verdingen. Die Arbeit in einem bürgerlichen Haushalt gegen Kost und Logis war für die ungelernten Berufsanfängerinnen fast die einzige Chance zum Broterwerb. Dabei gerieten die jungen Frauen aber in die quasi absolute Abhängigkeit ihrer Dienstherrschaft, gab es doch für sie nicht die in anderen Bereichen üblichen Arbeitsverträge. Stattdessen galt für sie die bremische Gesindeordnung, die keine festen Arbeitszeiten kannte, keine vertraglich ge- sicherte Sonntags- und Nachtruhe und keine einklagbaren Lohnsätze. Da Dienstmädchen im Haushalt der Herrschaft wohnten, standen sie kontinuierlich unter Aufsicht und konn- ten jederzeit zur Arbeit herangezogen werden. Die unspezifische Arbeit galt nicht viel und wurde entsprechend gering entlohnt – ein wesentlicher Teil des Gesindelohns bestand aus Naturalleistungen in Form von Unterkunft und Verpflegung. Die jungen Frauen waren also gebunden an die Familie, kontrolliert und isoliert im privaten Haushalt. Auch wenn die Frauen in ihrer kargen Freizeit den öffentlichen Raum nutzten, waren sie diskriminierenden Kontrollen und Reglementierungen ausgesetzt. Da- für sorgten die Gesindebücher. Alle Dienstboten waren verpflichtet, ein solches Gesinde- Dienstbuch zu führen und bei sich zu tragen. Eingetragen wurden darin Arbeitswechsel, Maßregelungen der Dienstherrschaft und Verfehlungen. Die Polizei war berechtigt, die jun- gen Frauen auf der Straße anzuhalten und sich die Gesindebücher vorzeigen zu lassen – eine Möglichkeit des Stadtstaates, Personen, „die nicht innerhalb des bremischen Stadt- gebietes heimathberechtigt sind“7a, zu kontrollieren. Reglementierungen und Marginali- 24 Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages sierung benachteiligten die Zuwanderinnen auch auf Dauer: Sie blieben ausgeschlossen von Facharbeit und langfristiger Beschäftigung, sodass für die meisten die Verhältnisse immer unsicher blieben. Meist verließen sie die Stadt nach vier bis fünf Jahren wieder – die nächste Generation junger Frauen und Mädchen saß dann bereits im Zug nach Bremen. Die Arbeiterinnen, die zweite Gruppe der berufstätigen Frauen, verteilten sich auf we- nige Berufszweige. Sie waren meistens im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Gewerbe für Bekleidung und Reinigung, vor allem aber in der Textilindustrie beschäftigt. Hier do- minierte der Großbetrieb der „Jutespinnerei und -weberei Bremen“. Mit 1.000 bis 1.500 weiblichen Beschäftigten war „die Jute“ der größte Arbeitgeber für Frauen in Bremen. Der Frauenanteil in dem Betrieb lag etwa bei 70 Prozent.8 Die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Jutearbeiterinnen waren typisch für die Le- bensumstände der Fabrikarbeiterinnen. Wie die Dienstmädchen stammten diese Arbeite- rinnen mehrheitlich nicht aus Bremen, sondern vor allem aus den tschechisch/deutschen Gebieten Böhmen und Mähren. Für sie, die in der Regel kein Deutsch sprachen, war das Angebot der Werber, mit dem neuen Arbeitsplatz auch eine Unterkunft in Fabriknähe zu bekommen, verlockend.

Jutespinnerei und -weberei, Gesamtansicht.9

Doch auch dieses scheinbar vorteilhafte Angebot entpuppte sich spätestens dann als Ab- hängigkeitsfaktor, wenn die Frauen heirateten. Oft fanden sie sich mit Kollegen aus dem Betrieb zusammen und zogen dann mit ihren Familien in die Arbeiterhäuser der Jutespin- nerei. Damit waren sie über die Wohnung an den Betrieb gebunden, was das Unternehmen nutzen konnte, um die Löhne zu drücken. Das Arbeitersekretariat hatte als Existenz- minimum einer 3- bis 4-köpfigen Familie für das Jahr 1900 ein Wocheneinkommen von wenigstens 18 Mark ausgerechnet. Bei einer Befragung, die das Arbeitersekretariat 1899 durchführte, stellte sich heraus, dass lediglich 13,6 Prozent der Ehemänner der Jutearbei- terinnen über diese Lohnhöhe hinauskamen. Die Frauenlöhne lagen zwischen 6 und 8,70 Mark beziehungsweise zwischen 10,20 und 12 Mark. Damit erreichten Eheleute, die beide in dem Großunternehmen beschäftigt waren, gemeinsam ein Wocheneinkommen, das am unteren Ende der Einkommensskala in Bremen lag. Unter diesen Bedingungen waren die Frauen gezwungen, weiter zu arbeiten, auch wenn sie verheiratet waren und Kinder hatten. Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages 25

Die Frauen arbeiteten also nicht nur täglich zehn Stunden im Betrieb und mussten Hitze, Lärm und Staub ertragen, während sie ihre monotone Arbeit im Akkordtempo erledigten. Im Anschluss an diese „erste Schicht“ galt es dann auch noch, als Haufrau und Familien- arbeiterin die Kinder und den Ehemann zu versorgen. In der Regel hatten die Arbeiterin- nen einen 17- bis 18-Stunden-Tag.10

Arbeiterinnen in der Jutespinnerei um 1900.11

Die dritte Gruppe der erwerbstätigen Frauen, die Selbstständigen, wie sie genannt wur- den, umfasste die vielen Frauen, die sich als Verheiratete, Witwen oder Geschiedene mit kleinen Gewerben über Wasser hielten. Es gab auch hier eine Konzentration auf wenige Berufe wie Näherin, Schneiderin und Wäscherin.12 Diese Frauenbetriebe waren in der Regel Kleinbetriebe. Die Verdienstspanne war entsprechend gering. Trotzdem handelte es sich dabei um Tätigkeiten, die allgemein Ansehen genossen. Darüber hinaus konnten die Arbeitszeiten häufig flexibel gestaltet und den Familienpflichten angepasst werden. So war Selbstständigkeit ein attraktiver Bereich, in dem nahezu ausschließlich Bremer Bürgerinnen arbeiteten.13 Diese statistischen Angaben zur Erwerbstätigkeit geben jedoch den Umfang der außer- häuslichen Frauenarbeit nur unzulänglich wieder. Denn die Mehrheit der Arbeiterfrauen war immer auf der Suche nach einem Zuverdienst, da der Lohn des Familienernährers nicht ausreichte oder dieser wieder oder immer noch ohne Arbeit war. Sie arbeiteten stun- denweise als Aushilfen, verkauften auf Märkten das Gemüse aus ihren Gärten, sie kochten und wuschen die Wäsche in den bürgerlichen Haushalten. Diese Lohnarbeiten waren un- geschützt und tauchten in keiner Beschäftigungsstatistik oder Lohnliste auf. Sie wurden gar nicht als Arbeit anerkannt – selbst die Frauen gaben solche stundenweisen oder Aus- hilfsarbeiten nicht als Erwerbsarbeit an.14 26 Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages

Grundsätzlich wurde die Erwerbsarbeit der Frauen niedriger eingestuft als die der Män- ner. Frauen arbeiteten auf den unteren Ebenen, in schlecht angesehenen Bereichen der stark hierarchisch gegliederten Arbeitswelt. Doch noch belastender für die Frauen war, dass zur Erwerbsarbeit zugleich die Hausarbeit zu erledigen war und dass sie allein für das Aufziehen der Kinder zuständig waren. Diese Dreifachbelastung prägte das Leben der Arbeiterfrauen. Ausbeutung und Unterdrückung gaben also den Anstoß zur Organisierung der Pro- letarierinnen. Die Initiative ging von den Frauen selbst aus. Dabei orientierten sie sich, was die Protestformen betraf, an den gewerkschaftlichen und politischen Organisationen der männlichen Arbeiter. So wurde bereits in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts neben entsprechenden Vereinen in Berlin und auch in Bremen ein Verein zur Vertretung der gewerblichen Interessen der Frauen und Mädchen Bremens gegründet. Diese Gründung ging sehr wahrscheinlich auf eine Initiative Bremer Sozialdemokratinnen zurück, denn auf der Gründungsversammlung im November 1885 wurde Auguste Bosse, eine aktive Sozialdemokratin, zur ersten Vorsitzenden gewählt.15 Außer ihr hatten sich weitere Sozialdemokratinnen der Initiative angeschlossen. Allerdings zeigte sich, dass die seit 1875 bestehende Sozialistische Arbeiterpartei zu- nächst gar nicht so sehr an weiblichen Anhängerinnen interessiert war. Im Gegenteil: Es bestand eine offene Ablehnung in der Arbeiterbewegung Deutschlands gegenüber Frauen- erwerbsarbeit und Frauenorganisierung.16 In diesen politischen Streit griff August Bebel17 1879 mit seiner Schrift Die Frau und der Sozialismus ein.

Die Bildung einer proletarischen Frauenbewegung

Eine sozialistische Frauenemanzipationstheorie – Bebels „Die Frau und der Sozialismus“

Das politische Ziel, das August Bebel mit seinem Werk verfolgte, war „die Bekämpfung der Vorurteile, die der vollen Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen sowie die Pro- paganda für die sozialistischen Ideen, deren Verwirklichung allein der Frau ihre soziale Befreiung verbürgen [kann]“.18 Er schilderte die Geschichte der Frauen, die verschiedenen Aspekte der Frauenunterdrückung und malte ein detailliertes Bild der zukünftigen sozia- listischen Gesellschaft. Die wesentlichen Prinzipien, die die Frauenfrage seiner Ansicht nach bestimmten, fass- te er in der Einleitung zusammen:

„Das weibliche Geschlecht in seiner Masse leidet in doppelter Beziehung: Einmal leidet es unter der sozialen und gesellschaftlichen Abhängigkeit von der Männer- welt – diese wird durch formale Gleichberechtigung vor den Gesetzen und in den Rechten zwar gemildert, aber nicht beseitigt – und durch die ökonomische Abhän- gigkeit, in der sich die Frauen im allgemeinen und die proletarischen Frauen im besonderen gleich der proletarischen Männerwelt befinden.“19 Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages 27

Es sei das Anliegen der bürgerlichen und der proletarischen Frauenbewegungen, diese doppelte Unterdrückung der Frau zu beseitigen. Zunächst haben die „feindlichen Schwes- tern“ eine Reihe Berührungspunkte, um die sie „getrennt marschierend, aber vereint schla- gend, den Kampf führen können“:

„Das ist auf allen Gebieten der Fall, auf welchen die Gleichberechtigung der Frauen mit den Männern, auf dem Boden der gegenwärtigen Staats- und Gesellschaftsord- nung, in Frage kommt: also die Betätigung des Weibes auf allen Gebieten, für die ihre Kräfte und Fähigkeiten reichen, und für die volle zivilrechtliche und politischen Gleichberechtigung mit dem Manne.“20

Ein solcher Kampf um berufliche, juristische und politische Gleichberechtigung könne die „doppelte Unterdrückung“ zwar abmildern, aber nie im Ganzen beseitigen. Zur wirklichen Lösung der Frauenfrage müsse die proletarische Frauenbewegung über die bestehenden Verhältnisse hinausgehen. Doch habe die Proletarierin unter den kapitalistischen Arbeitsbedingungen ein beson- deres Interesse:

„Hand in Hand mit der proletarischen Männerwelt für alle Maßregelungen und Ein- richtungen zu kämpfen, welche die arbeitende Frau vor physischer und moralischer Degeneration schützen und ihre Fähigkeit als Mutter und Erzieherin der Kinder sichern.“21 „Des weiteren hat die Proletarierin gemeinsam mit ihren männlichen Klassen- und Schicksalsgenossen den Kampf für eine Umwandlung der Gesellschaft von Grund aus aufzunehmen, um einen Zustand herbeizuführen, der die volle ökonomische und geistige Unabhängigkeit beiden Geschlechtern durch entsprechende Einrichtungen ermöglicht […] und darüber hinaus alle Schranken zu beseitigen, die den Menschen vom Menschen, also auch das eine Geschlecht vom anderen abhängig machen.“22

Erst wenn die soziale Frage insgesamt gelöst und das kapitalistische Wirtschaftssystem im gemeinsamen Klassenkampf aller Proletarier beseitigt sei, habe auch die Geschlechts- sklaverei ein Ende. Bebel erteilte mit seiner Positionierung der gesellschaftlichen Unterdrückung der Frau eine eindeutige Absage und erklärte zugleich die Sozialdemokratie zur alleinigen Vor- kämpferin für die volle Emanzipation des weiblichen Geschlechts. Er verwies nachdrück- lich auf die historische und politische Notwendigkeit der Einheit des Proletariats und verpflichtete die Sozialdemokratie, sich für die Interessen der Arbeiterfrauen einzusetzen und die Frauen für die Partei und die Gewerkschaft zu werben. Doch die ersten Organisationen, die die Arbeiterinnen sich geschaffen hatten, mussten schon bald ihre Arbeit wieder einstellen.23 Das von 1878 bis 1890 geltende Sozialistenge- setz stellte die „gemeingefährlichen Bestrebungen“ der Sozialdemokratie unter Strafe und alle Vereine und Verbindungen, die diese Bestrebungen unterstützten, wurden polizeilich verfolgt. Verfolgungen und Verbote machten eine Weiterentwicklung der Frauenarbeit der Sozialdemokratinnen nahezu unmöglich. Erst im Jahr 1890, mit dem Fall des Gesetzes, konnten die SPD-Frauen ihre Arbeit wieder aufnehmen. 28 Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages

Ein neuer Anfang mit neuer Leiterin – Clara Zetkin

In dieser Zeit zog eine junge Frau aus dem Pariser Exil nach Stuttgart, die der sozialdemo- kratische Verleger J. H. W. Dietz im Jahr 1891 mit der Redaktion der proletarischen Frauen- zeitschrift Die Gleichheit, Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterin betraute. Clara Zet- kin24 war zu diesem Zeitpunkt nur wenigen Frauen bekannt. Im Jahr 1889 hatte sie jedoch bereits auf dem Gründungskongress der Zweiten Internationalen in Paris in ihrem Beitrag zum Thema Für die Befreiung der Frau zu einigen grundsätzlichen Problemen einer sozia- listischen Emanzipationstheorie Stellung genommen. Dabei ging es einmal um das stark umstrittene Thema der Frauenerwerbsarbeit. Clara Zetkin vertrat wie August Bebel die Auffassung, dass die Erwerbsarbeit der Frau einen zentralen Stellenwert im Kampf um die Frauenemanzipation hatte. Sie wandte sich vor allem gegen die Sozialisten, die die Frauenerwerbsarbeit verbieten wollten. Sie erklärte: „Die Sozialisten müssen wissen, dass bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung die Frauenarbeit eine Notwendigkeit ist. […] [Sie] müssen vor allem wissen, dass auf der ökonomischen Abhängigkeit oder Un- abhängigkeit die soziale Sklaverei oder Freiheit beruht.“25 Clara Zetkin war davon überzeugt, dass die wirtschaftliche Unabhängigkeit die Voraus- setzung für die Beseitigung der Unterdrückung der Frau nicht nur in der Fabrik, sondern auch in der Familie schaffen könne. Doch darüber hinaus, das betonte sie, sei die ganze Befreiung der Frau nur in einer sozialistischen Gesellschaft zu realisieren. „In Erwägung dieser Tatsachen bleibt den Frauen, denen es mit dem Wunsche ihrer Befreiung ernst ist, nichts anderes übrig, als sich der sozialistischen Arbeiterpartei an- zuschließen, der einzigen, welche die Emanzipation der Arbeiter anstrebt. Ohne Beihilfe der Männer, ja, oft gegen den Willen der Männer, sind die Frauen unter das sozialistische Banner getreten. […] Sie stehen unter diesem Banner und werden unter ihm bleiben!“26 Mit diesen kämpferischen Worten hatte Clara Zetkin 1889 in Paris ihre Rede beendet und damit zugleich angekündigt, dass sie sich auch in Zukunft in der SPD zu Wort melden und die Organisierung der Arbeiterfrauen in Deutschland voranbringen werde. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland begann sie, mit anderen Sozialdemokratin- nen, vor allem mit der Frauenagitationskommission in Berlin, Frauen der Arbeiterklasse zusammenzufassen und Organisationsstrukturen zu entwickeln. Ebenso wichtig war für sie die theoretische Arbeit.27 Dafür wurde die Gleichheit das wichtigste Instrument. Clara Zetkin entwickelte die Zeitschrift schon bald zum Theorieorgan und Mitteilungsblatt der proletarischen Frauenbewegung, zur Verbindungs- und Informationsquelle für die Mit- glieder. Letztlich diente sie der Koordinierung der sozialdemokratischen Frauenbewegung. Um Einfluss auf die politische Entwicklung der Partei zu nehmen, bildeten jedoch die Parteitage das entscheidende Forum. 1896 trug Clara Zetkin auf dem Gothaer Partei- tag den Delegierten ihre Positionen zur Entwicklung einer sozialdemokratischen Frauen- organisation vor. Sie forderte, die Emanzipation der proletarischen Frau zum „Werk des gesamten Proletariats ohne Unterschied des Geschlechts“28 zu machen. „Deshalb kann der Befreiungskampf der proletarischen Frau nicht ein Kampf sein gegen den Mann ihrer Klasse, umgekehrt, es ist der Kampf mit dem Mann ihrer Klasse gegen die Kapitalistenklasse. Sie braucht nicht darum zu kämpfen, gegen die Männer ihrer Klasse die Schranken niederzureißen, die ihr bezüglich der freien Konkurrenz gezogen sind. Das Ausbeutungsbedürfnis des Kapitals und die Entwicklung der modernen Produk- tionsweise nahmen ihr diesen Kampf vollkommen ab. Umgekehrt gilt es, neue Schranken zu errichten gegen die Ausbeutung der proletarischen Frau: es gilt ihr ihre Rechte als Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages 29

Gattin, als Mutter wiederzugeben und zu sichern. Das Endziel ihres Kampfes ist nicht die freie Konkurrenz mit dem Manne, sondern die Herbeiführung der politischen Herrschaft des Proletariats.“29 Der Kampf um die Frauenbefreiung könne also nur als Klassenkampf aller Proletarier geführt werden. Doch in den aktuellen Auseinandersetzungen um soziale und politische Verbesserungen käme es darauf an, am Arbeitsplatz besondere Schutzmaßnahmen und im gesellschaftlichen Leben die Gleichstellung mit den Männern in politischer und recht- licher Hinsicht durchzusetzen. Denn erst mit der Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeits- bedingungen hätten die Frauen der Arbeiterklasse eine Chance, sich aktiv am Klassen- kampf zu beteiligen. Dazu benötigten die Frauen eine kräftige Frauenorganisation. Deshalb plädierte Clara Zetkin dafür, das System der weiblichen Vertrauenspersonen auszubauen und den Frauen so die Möglichkeit eigener politischer Aktionen zu eröffnen. Clara Zetkin verband in dieser Rede die sozialdemokratische Theorie der Fraueneman- zipation mit einem praktischen Aktionsprogramm. In der von ihr vorgelegten und vom Parteitag verabschiedeten Resolution waren die wichtigen Forderungen formuliert, die den aktuellen Kampf der sich entwickelnden sozialdemokratischen Frauenbewegung bestim- men sollten:

„In der Agitation [ist] für Reformen einzutreten, die im Interesse der Proletarierin als Arbeiterin und Frau liegen: Für Ausdehnung des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzes, namentlich für Einführung des gesetzlichen Achtstundentages zunächst wenigstens für die weiblichen Arbeiter. Für Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren. Für aktives und passives Wahlrecht der Arbeiterinnen und weiblichen Angestellten zu den Gewerbe-Schiedsgerichten. Für gleichen Lohn für gleiche Leistung ohne Unterschied des Geschlechts. Für volle politische Gleichberechtigung der Frauen mit den Männern, speziell für un- eingeschränktes Vereins-, Versammlungs- und Koalitionsrecht. Für freie Bildung und freie Berufstätigkeit der beiden Geschlechter. Für die privatrechtliche Gleichstellung der Geschlechter.“30

Es gelang Clara Zetkin, die Delegierten des Parteitages zu überzeugen: Nicht nur wurde die oben zitierte Resolution verabschiedet, sondern auch ihre Rede mit Zustimmung des Parteitages als Broschüre verlegt. August Bebel hatte in seinem Werk die Grundzüge einer sozialistischen Fraueneman- zipationstheorie entwickelt. Clara Zetkins politische Arbeit galt der Umsetzung dieser Theorie in die Praxis: Sie entwickelte das organisatorische Konzept für den Aufbau und die Entfaltung einer proletarischen Frauenbewegung. Die unabdingbaren Prinzipien die- ser Bewegung waren für sie der gemeinsame Kampf der Frauen in den Organisationen der sozialistischen Arbeiterbewegung und die strikte Abgrenzung von der bürgerlichen Frauenbewegung. Dabei erhob die proletarische Frauenbewegung den Anspruch auf eine eigenständige organisatorische und politische Entwicklung im Rahmen der Gesamtorga- nisation. 30 Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages

Frauen organisieren sich in der Arbeiterbewegung

Auf dem Parteitag in Gotha hatte Clara Zetkin auf die politischen Verhältnisse hingewie- sen, die einer Organisierung der Arbeiterfrauen in der SPD im Wege standen. Die Ver- einsgesetze in den einzelnen deutschen Ländern – vor allem in Bayern und Preußen, den beiden größten Ländern – verboten den Frauen bis 1908, eigene politische Organisatio- nen zu bilden, politischen Vereinen beizutreten und sogar an politischen Versammlungen teilzunehmen.31 Clara Zetkin hatte deshalb von den Männern gefordert, einer eigenen Organisation der Frauen zuzustimmen, denn nur so könnten die Frauen an die Partei herangeführt werden. Die Genossinnen entwickelten derweil mit Engagement und Kreativität alternative Ak- tionsformen gegen die politischen Reglementierungen. Sie schufen das System der „Ver- trauensperson“: Die Frauen scharrten sich um eine gewählte Vertreterin, die als Kontakt- person zur SPD fungierte. Die Partei sah diese „Separierung“ der Frauen mit gemischten Gefühlen. Doch sie akzeptierte die Organisationsform und beschloss auf dem Gothaer Parteitag sogar die ausdrückliche Unterstützung der Initiative der Genossinnen. Außerdem gab es eine ständig wachsende Zahl von Bildungsvereinen. Dort trafen sich Frauen zu Leseabenden, die der politischen Schulung dienten. Tatsächlich handelte es sich dabei um „verdeckte Zweigstellen der Partei“. Im Jahr 1905 waren rund 3.000 Frauen Mitglieder solcher Vereine.32 Als weitere Institution setzten die Frauen ab 1900 Frauenkonferenzen durch, die jeweils unmittelbar vor den Parteitagen stattfanden. Die Partei räumte damit den Genossinnen einen eigenen politischen Handlungsraum ein und erkannte die gewachsene politische Bedeutung der sozialdemokratischen Frauenbewegung an. Gleich auf der ersten Frauen- konferenz im Jahr 1900 in Mainz beschlossen die Teilnehmerinnen ein Regulativ für die Vertrauenspersonen und legten damit eine verbindliche Struktur ihrer Organisation fest. Danach sollten die sozialdemokratischen Frauen in jeder größeren Stadt jährlich in einer öffentlichen Versammlung eine Vertrauensperson wählen. So sollte auf allen Ebenen auf besonders einzuberufenden Frauenversammlungen die jeweilige Repräsentantin gewählt werden. Die Vertrauenspersonen sollten mit der Zentralvertrauensperson ständig Verbin- dung halten und mindestens einmal im Jahr eine gemeinsame Besprechung abhalten.33 Vom Parteitag, der im Anschluss an die Frauenkonferenz in Mainz stattfand, wurde dieses Regulativ akzeptiert. Ottilie Baader, die seit 1899 als Zentralvertrauensperson fungierte, hatte ab 1900 ein eigenes Büro für die Frauenarbeit beim Parteivorstand. Auf der Frauen- konferenz 1904 in Bremen konnte sie berichten, dass sie als „Vertrauensperson der Ge- nossinnen“ ab Juli 1904 fest besoldet werde34. Ein entscheidender Schritt zur Entwicklung einer internationalen Bewegung war die erste sozialistische Frauenkonferenz im August 1907 in Stuttgart. Die deutschen Sozial- demokratinnen hatten erreicht, dass das Schema der deutschen Frauenkonferenzen auf die Zweite Internationale übertragen wurde: Wie vor den deutschen Parteitagen fand nun auch vor dem Stuttgarter Kongress der Zweiten Internationale eine internationale Frau- enkonferenz statt. Die Tagesordnung umfasste drei Punkte: erstens den Bericht über die sozialistische Frauenbewegung in den verschiedenen Ländern, zweitens die Frage regel- mäßiger Beziehungen zwischen den organisierten Genossinnen der einzelnen Länder und drittens das Frauenstimmrecht. Ottilie Baader, die die Konferenz einberufen hatte, stellte gleich zu Beginn ihrer Begrüßung die Gewichtung der Tagesordnung klar: „Ich begrüße Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages 31 alle Mitkämpferinnen, die gekommen sind, um die unentbehrliche Waffe für uns, das Frau- enstimmrecht, erobern zu helfen. Das Frauenstimmrecht […] ist auch der Grund, weshalb wir diese Konferenz der sozialistischen Frauen der verschiedenen Länder zu gemeinsamer Arbeit zusammengerufen haben.“35 Der Kongress diskutierte im Rahmen des ersten Tagesordnungspunkts die Frage der Weiterentwicklung der sozialistischen Fraueninternationale. Um die internationale Zu- sammenarbeit der Genossinnen zu festigen, wurde beschlossen, eine Zentralstelle zu schaffen, an die auch fortlaufende Berichte über alle wichtigen Vorkommnisse geliefert werden sollten. Zum Sitz der Zentrale wurde Deutschland bestimmt, die Gleichheit zum internationalen Publikationsorgan erklärt und Clara Zetkin zur Sekretärin des interna- tionalen Frauensekretariats gewählt.36 Damit wurde die Bedeutung der deutschen sozial- demokratischen Frauenbewegung und vor allem die Verdienste von Clara Zetkin für die internationale Bewegung unterstrichen.37 Der zweite Konferenztag war ausschließlich dem Frauenwahlrecht gewidmet. Denn dies war ein Thema, das unter den Sozialistinnen kontrovers diskutiert und in den nationalen Parteien unterschiedlich behandelt wurde. Wie die Standpunkte aussahen, hatte Clara Zetkin bereits im Vorfeld der Konferenz in einem Artikel in Die Gleichheit vom 22. Juli 1907 dargelegt. Sie attackierte dort die schwedische, die belgische und die österreichische Partei: „Die Forderung des Frauenwahlrechts wurde aus der Wahlrechtskampagne der be- treffenden Länder vorübergehend ausgeschaltet.“38 Und in England sei noch eine andere Erscheinung aufgetreten: Der Kampf um das Frauenwahlrecht gewinne zwar eine immer größere Bedeutung, „allein dieser Kampf wird in der Hauptsache um ein beschränktes und nicht um das allgemeine Wahlrecht geführt, wobei die Sozialisten – in Fraktionen gespal- ten – ihm in verschiedener Haltung gegenüberstehen“ würden. Nicht nur diese Zurücknah- me der eindeutigen Frauenforderungen sei zu beobachten, es mehrten sich „einflussreiche sozialistische Stimmen“, die meinten, „die Zeit für die Einführung des Frauenwahlrechts [sei] überhaupt noch nicht erfüllt“.39 Dem stand die Position von Clara Zetkin und der Mehrheit der Führungsfrauen der SPD gegenüber, die für das uneingeschränkte allgemei- ne Stimmrecht der Frauen eintraten. Auf der Konferenz kam es zu einer heftigen Debatte, bei der sich letztlich zwei Standpunkte gegenüber standen: Sollte diese Frauenkonferenz durch einen Beschluss die nationalen Parteien verpflichten, den Kampf um das Frauen- wahlrecht in das Zentrum ihrer Politik zu rücken und dabei ausschließlich die Forderung nach dem allgemeinen Frauenwahlrecht zu vertreten, wie es die SPD-Frauen forderten? Oder sollte es den Parteien überlassen bleiben, ob und wie sie das Thema Frauenwahl- recht behandeln wollten und eventuell nur ein eingeschränktes Wahlrecht für Frauen zu fordern? Auf der Konferenz gab es eine überzeugende Mehrheit für den deutschen Antrag. Auch auf der anschließenden Konferenz der Zweiten Internationalen konnte die deut- sche Delegation ihre Resolution durchbringen, in der sich die sozialistischen Parteien aller Länder verpflichteten, „für die Einführung des allgemeinen Frauenwahlrechts energisch zu kämpfen. Daher sind insbesondere auch ihre Kämpfe für Demokratisierung des Wahl- rechts zu den gesetzgebenden Körperschaften in Staat und Gemeinden zugunsten des Proletariats als Kämpfe für das Frauenwahlrecht zu führen, das energisch zu fordern und in der Agitation wie im Parlament energisch zu vertreten ist.“40 Im Jahr 1908 trat mit dem Erlass eines einheitlichen Reichsvereinsrechts für die so- zialdemokratische Frauenbewegung eine neue Situation ein. Im gesamten Reich konn- ten die Frauen jetzt politische Vereinigungen gründen und Mitglieder in einer politischen Organisation werden. So konnte auch die SPD die Frauen direkt als Mitglieder werben. Damit entfiel die Begründung für eine separate Organisierung der Frauen und der Partei- 32 Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages vorstand wurde umgehend aktiv. Trotz Protestes, vor allem von Ottilie Baader, beschloss der Vorstand, das Netz der Vertrauenspersonen aufzulösen, und auch besondere Frau- enversammlungen, auf der die Frauen bisher ihre Delegierten zum Parteikongress ge- wählt hatten, durften nicht mehr stattfinden. Frauen waren von nun an ganz normale Parteimitglieder. Der Parteivorstand gestand den Frauen zwei Sonderregelungen zu: Zum einen wurden alle Parteigruppen verpflichtet, zumindest eine Frau in den Vorstand aufzu- nehmen. Außerdem stimmte die Partei der Einrichtung eines Frauenbüros in Form einer Abteilung des Parteivorstandes zu und gewährte den Frauen einen Sitz im Parteivorstand. Dieses Zugeständnis benutzte der Vorstand sofort zu einer politischen Machtdemonstra- tion. Anstelle der kritischen und selbstbewussten Clara Zetkin wurde Luise Zietz41, eine populäre und erfolgreiche Agitatorin, die für ihre unbedingte Loyalität zur Partei bekannt war, als Vertreterin der Frauen in den Parteivorstand aufgenommen.42 Mit dieser Ent- scheidung machte die Parteiführung klar, dass sie keinen Vertreter oder keine Vertreterin des revolutionären linken Flügels – zu dem Clara Zetkin in der Zwischenzeit gehörte – im Vorstand der SPD akzeptieren würde. Zwar blieb Clara Zetkin die theoretische und ideo- logische Führerin, die internationale Repräsentantin der sozialistischen Frauenbewegung, doch es war Luise Zietz, die ab 1908 die Kampagnen der SPD-Frauen führte. Mit neuen Werbestrategien sorgte sie dafür, dass die Frauenbewegung der Sozialdemokratie zu einer Massenbewegung wurde.43 Für diese Entwicklung lieferte die Mitgliederentwicklung in Bremen ein typisches Bei- spiel: Nach einem mühsamen Anfang stieg der Frauenanteil ab 1909 sprunghaft an.44 Die sozialdemokratische Frauenbewegung hatte durch die Einbindung in die Partei- organisation zwar einen Teil ihrer Selbstständigkeit und Unabhängigkeit verloren – die Frauen mussten alle Aktionen, die sie durchführen wollten, erst von ihren Vorständen genehmigen lassen –, dafür eröffnete diese enge Verbindung die Möglichkeit, groß ange- legte Werbekampagnen zu organisieren. Politische Initiativen wurden realisierbar, weil die Partei mit ihrer Autorität und ihren finanziellen Mitteln hinter den Frauen stand. In dieser Gewinn- und Verlustrechnung zeigte sich das Spannungsverhältnis, in das die sozialisti- sche Frauenbewegung eingebunden war. Trotzdem war die Frauenarbeit erfolgreich: 1910 hatte die SPD im Reich 82.642 weib- liche Mitglieder, 11,5 Prozent der Gesamtmitgliedschaft. Die Frauen trafen sich in ihren lokalen Frauengruppen, angeleitet und zusammengehalten von einem kleinen Kreis poli- tisch aktiver Genossinnen. Die Genossinnen beteiligten sich an den Parteiaktionen in der Öffentlichkeit. Die deutschen Sozialistinnen verfügten 1910 über gefestigte Organisationsstrukturen, ein theoretisches Konzept und eine gemeinsame Forderung. Diese lautete: „Her mit dem allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht für Mann und Frau!“45 Der SPD- Parteitag hatte 1903 beschlossen, in allen Wahlrechtskämpfen auch das Frauenstimm- recht zu betonen.46 Auf dem ersten Internationalen sozialistischen Frauenkongress im Jahr 1907 wurde eine einheitliche Marschroute für den internationalen Frauenwahlrechts- kampf festgelegt. Die sozialistischen Parteien aller Länder hatten sich verpflichtet, für die Einführung des uneingeschränkten allgemeinen Frauenwahlrechts einzutreten. Sie hatten den Auftrag, gemeinsame Aktionen zu entwickeln und die Forderung nach dem Frauen- wahlrecht in die jeweiligen Parteiprogramme aufzunehmen. Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages 33

Exkurs: Die bürgerliche Frauenstimmrechtsbewegung – 1900 bis 191847

Das Frauenwahlrecht war nicht nur ein Thema der deutschen Sozialdemokratie. Wäh- rend sich in den USA, vor allem aber auch in England und in den skandinavischen Län- dern in erster Linie die bürgerlichen Frauen in einer offensiven Stimmrechtsbewegung organisiert hatten, verhielt sich die bürgerliche Frauenbewegung in Deutschland „sehr zurückhaltend“. Das galt besonders für den Bund Deutscher Frauenvereine (BDF), der im Jahr 1910 mit seinen 200.000 Mitgliedern die Mehrheit der bürgerlichen Frauenver- bände und -vereine unter seinem Dach vereinigte. In der Mehrzahl der dort angeschlos- senen Organisationen herrschte die Meinung, dass Frauen sich erst mal durch soziales Engagement und Tätigkeiten in Verbänden gesellschaftliche Anerkennung erwerben müssten. Sobald sie sich durch „staatsbürgerliche Pflichterfüllung […] würdig erwiesen hätten“, würde ihnen das Stimmrecht von den Männern freiwillig zugestanden.48 Im Jahr 1907 nahm der BDF das Frauenstimmrecht in seinen Forderungskatalog auf. Er verlangte kirchliches und politisches Stimmrecht, ohne die Wahlform näher zu präzisieren. Das aktive und passive Wahlrecht für alle Frauen und Männer, das die So- zialistische Internationale im gleichen Jahr beschlossen hatte, war für die Mehrheit der bürgerlichen Frauenbewegung ein fernes Ziel, das in der aktuellen Tagesarbeit keine Rolle spielte.49 Ganz anders sahen das die Frauen vom radikalen Flügel der bürgerlichen Frauen- bewegung. Sie betrachteten das aktive und passive Frauenwahlrecht als Voraussetzung zur grundsätzlichen Veränderung der Lage der Frau. Denn erst wenn Frauen ins Parla- ment eingezogen seien, könnten sie diskriminierende Gesetze beseitigen. Außerdem würde sich durch den weiblichen Einfluss das politische Klima wesentlich verbessern, Nationalismus und Militarismus würden zurückgedrängt, da Frauen mehr um Gerech- tigkeit und sozialen Ausgleich bemüht seien.50 1902 hatten sich die Radikalen zum Deutschen Verband für Frauenstimmrecht zu- sammengeschlossen und mit Versammlungen, Protesten und Petitionen den Kampf um das Frauenstimmrecht begonnen. Einige der aktivsten Stimmrechtlerinnen, wie bei- spielsweise Auguste Kirchhoff51 und Rita Bardenheuer52, kamen aus Bremen. Bereits im Jahr 1904 gründete sich der Bremer Stimmrechtsverein.53 Die Bremerinnen begannen ihre Arbeit zunächst mit dem Versuch, das Frauenstimmrecht in den evangelischen Kirchengemeinden durchzusetzen. Trotz des Engagements einiger Gemeindepfarrer scheiterte die Initiative. Drei Jahre nach seiner Gründung begann der Verein sich seinem eigentlichen Ziel, der politischen Gleichberechtigung, zuzuwenden und intensivierte seine Öffentlich- keitsarbeit, indem er in Kursangeboten und Vorträgen – auch von auswärtigen Refe- rentInnen – interessierten Frauen und Männern Argumente für das Frauenstimmrecht lieferte und politisch schulte. Regelmäßig veröffentlichte er Berichte und Informationen in der Bremer Presse und innerhalb von sechs Jahren war aus einer kleinen Gruppe ein Verein mit 369 Mitgliedern geworden.54 Gleichzeitig stieß die Stimmrechtsbewegung in Deutschland mit ihrer Forderung nach Teilhabe der Frauen an der politischen Macht auf erbitterten Widerstand.55 Unter diesem politischen Druck traten die Gegensätze innerhalb der Organisation immer deutlicher zu Tage. Sie entzündeten sich an der Frage, welches Stimmrecht zu fordern sei: das allgemeine gleiche Wahlrecht für Frauen und Männer oder ein Wahlrecht zu 34 Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages den gleichen Bedingungen wie das der Männer. Letztlich entschied sich die Mehrheit der bürgerlichen Stimmrechtsfrauen für die gemäßigte Form des Frauenwahlrechts, was die Festschreibung des Klassenwahlrechts und seine Ausdehnung auf Frauen be- deutete.56 Lediglich die Minderheit der radikalen Demokratinnen trat für das demokratische Wahlrecht für Frauen und Männer ein. Sie schufen sich 1913 den Deutschen Stimm- rechtsbund. Zu diesen Radikalen gehörten auch Bremerinnen wie Auguste Kirchhoff und Rita Bardenheuer, die 1914 eine Ortsgruppe des Bundes für Frauenstimmrecht ins Leben riefen. Während des Weltkrieges gehörten die Frauen der Bremer Gruppe zur Antikriegsopposition. Zwei ihrer Mitglieder, Auguste Kirchhoff und Adèle Schmitz nahmen im April 1915 als zwei der 28 deutschen Delegierten am Internationalen Frauenfriedenskongress in Den Haag teil. Zugleich wirkten sie mit beim Aufbau des Gesamtverbandes. Die erste Konferenz des Bundes für Frauenstimmrecht fand auf Anregung und unter der Leitung der Bremer Gruppe im April 1916 in Frankfurt am Main statt. Das Einleitungsreferat Über die Frauenstimmrechtsbewegung hielt Augu- ste Kirchhoff.57 Im Oktober 1918 richtete die Ortsgruppe des Deutschen Bundes für Frauenstimm- recht und der Frauenstadtbund Bremen eine Petition an die Bremer Bürgerschaft, in der die Frauen forderten, „als voll berechtigte Bürgerinnen“ endlich zu den Wahlen gleichberechtigt zugelassen zu werden. So lag zur Sitzung der Bremischen Bürgerschaft am 6. November 1918 nicht nur der immer wieder abgelehnte Antrag der SPD-Frak- tion zum demokratischen Wahlrecht, sondern auch die Petition der Frauenvereine zum Frauenwahlrecht vor. In der Abstimmung wurde das gleiche Wahlrecht für Männer an- genommen, für Frauen wurde es abgelehnt. Doch dieser Beschluss wurde von den revolutionären Ereignissen hinweggefegt. Am 12. November 1918 beschloss der Rat der Volksbeauftragten die Einführung des glei- chen, geheimen, direkten und allgemeinen Wahlrechts. Während die Mehrheit der bürgerlichen Frauenbewegung sich erst in den letzten Kriegswochen entschloss, für das Frauenwahlrecht aktiv zu werden, hatte sich die ra- dikale bürgerliche Frauenbewegung auch in Bremen über viele Jahre für die politische Gleichberechtigung der Frau engagiert. Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages 35 Neue Wege in der politischen Arbeit für das Frauenstimmrecht

Außerparlamentarische Aktionen für das allgemeine Wahlrecht für Frauen und Männer in Bremen – 1910

Zur Erreichung des allgemeinen Wahlrechts führte die internationale sozialistische Be- wegung in vielen Ländern große politische Aktionen durch. In Schweden und Belgien waren erfolgreich Generalstreiks eingesetzt worden. Die politischen Massenstreiks in der russischen Revolution von 1905 waren Vorbilder für die Linke in der SPD. Sie forderte, „die Wahlrechtsgleichheit mit außerparlamentarischen Mitteln, nämlich mit Massendemonstra- tionen und notfalls mit Massenstreiks zu erkämpfen“.58 Diese Frage war auch in Bremen Gegenstand heftiger Debatten. „Alfred Henke, Mitglied der Bremischen Bürgerschaft und Redakteur der Bremer Bürger-Zeitung, vertrat am 15. Februar 1910 in seinem Referat vor der Mitgliederversammlung der SPD die Überzeugung, im Wahlrechtskampfe würde man nicht mit Protestversammlungen und Straßendemonstrationen auskommen, sondern auch zum politischen Massenstreik ‚getrieben‘ werden.“59 Tatsächlich war das bremische Wahlrecht mit seiner Einteilung der männlichen Be- völkerung in acht Klassen eines der undemokratischsten in Deutschland. In der Bürger- schaftssitzung vom 13. April 1910 stellte die SPD-Fraktion erneut einen Wahlrechtsantrag, in dem sie die Abschaffung des bremischen Klassenwahlrechts forderte. Zum ersten Mal wurde in diesem Antrag das gleiche Wahlrecht auch für Frauen gefordert.

Antrag der SPD-Fraktion an die Bremische Bürgerschaft.60

Der Antrag landete auf dem letzten Platz der Tagesordnung und wurde erst Monate später behandelt.61 Diese Ignoranz der bürgerlichen Mehrheit in der Bürgerschaft bestärkte die Sozialisten in ihrer Auffassung, dass sich mit Petitionen und Anträgen an die Bürgerschaft in Bremen politisch nichts bewegen ließ. Deshalb nutzten die Sozialdemokraten ihre An- tragstellung für außerparlamentarische Aktionen und riefen gleich zu vier Versammlun- gen auf. 36 Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages

Der Sozialdemokrat, April 1910.

In der Parteizeitung der SPD, der Bremer Bürger-Zeitung (BBZ), wurden am Tag vor den Kundgebungen noch einmal die politischen Positionen der Sozialdemokraten und ihr er- klärter Wille gegen die undemokratischen Verhältnisse in Bremen „Sturm zu laufen“ ver- deutlicht. Besonders die Frauen wurden zur Teilnahme aufgerufen: „Arbeiterfrauen[!] Als vor einiger Zeit ein Sozialdemokrat in der Bürgerschaft die Frage des Frauenwahlrechts streifte, wurde er von den Vertretern von Geldsacksgnaden verlacht. Gebt diesen aufgebla- senen Schändern der Forderung der politischen Gleichberechtigung der Frauen durch eine riesenhafte Beteiligung an den morgigen Versammlungen die gebührende Antwort. Nieder mit der Wahlrechtsreaktion! Her mit dem allgemeinen, gleichen Wahlrecht sowohl für die Frauen, als für die Männer!“62 Tausende Menschen folgten dem Aufruf, die Versammlungssäle waren überfüllt. Im Anschluss zogen die TeilnehmerInnen vom Marktplatz unter Gesang proletarischer Kampflieder und Hochrufen auf das allgemeine Wahlrecht durch die Innenstadtstraßen zum Bürgerpark. Die Massenproteste, die sich in den Versammlungen artikulierten und über die Straßen und Parks der Stadt ausbreiteten, riefen den Senat auf den Plan. Er vertrat die Auffassung, dass die Regierung solche, die öffentliche Ruhe störenden Veran- staltungen unterbinden müsse, „um die Autorität des Gesetzes wie diejenige der Behör- de zu wahren.“63 Die BBZ sah in diesen Aktionen „eine wuchtige Einleitung eines neuen, energischen Wahlrechtskampfes“64, denn bereits am 6. April 1910 stand die nächste Veranstaltung an: Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages 37

Ankündigung der Veranstaltung mit Rosa Luxemburg in der BBZ vom 4. April 1910.

Rosa Luxemburg war eine exponierte Befürworterin des Einsatzes von Massenstreiks, um Ziele wie das allgemeine, gleiche Wahlrecht politisch durchzusetzen.65 Ihr Auftritt war der Höhepunkt der Wahlrechtskampagne in Bremen. Sie sprach vor einer „Riesenversamm- lung“ zum Thema Der Wahlrechtskampf und seine Lehren.66 Rosa Luxemburg wurde in Bremen nicht nur von einem begeisterten Publikum, son- dern auch von riesigen gelben Plakaten der Polizeidirektion empfangen, auf denen Auf- züge auf öffentlichen Straßen untersagt wurden. Bei Zuwiderhandlungen waren „die Poli- zeibeamten angewiesen [...] auf das Nachdrücklichste einzuschreiten“.67 Deshalb forderte die sozialdemokratische Parteileitung am 6. April 1910 die Versammlungsteilnehmer auf: Meidet „jede Ansammlung und alles, was als Demonstration gedeutet werden könnte“.68 Nach Beendigung der Versammlung stand die Polizei schon bereit, die nach Hause strömende Menge in Empfang zu nehmen. Der anschließende „Polizeikrawall“ vermittelt einen Eindruck davon, mit welcher Härte die Auseinandersetzungen um das Wahlrecht geführt wurden.69 Die Bremer Nachrichten, das Presseorgan des Bürgertums, berichtete dazu: „Die Teilnehmer aus der Versammlung gingen zumeist nach verschiedenen Rich- tungen auseinander. Der Haupttrupp aber bewegte sich auf den Domshof zu.“ Dort trafen sie auf „über tausend Neugierige“, die dort herumstanden. „[Jetzt] erschien das ganze […] als eine Masse [...] aus der immer lauter ‚Hoch das allgemeine Wahlrecht‘ und die Arbei- ter-Marseillaise erscholl. [...] Hierauf kamen die Schutzleute aus dem Rathaus heraus und nahmen vor dem Roland Aufstellung. [...] Die Schutzleute hinderten die Mehrzahl der aus der Versammlung kommenden, auf den Marktplatz zu gelangen und säuberten dann die Plätze und die umliegenden Straßen bis zu Kaiserbrücke und Tiefer, was erst nach längerer Zeit gelang.“70 Wie die „Säuberungsaktion“ auf Betroffenen wirkte, wurde in vielen Leserzuschriften an die BBZ und an die Bremer Nachrichten geschildert. So schrieb eine Lehrerin an die Bremer Nachrichten: „Ich als Mädchen hatte ja nicht vor, Unheil anzurichten, ich ging ruhig weiter: Domshof, Markt, Wachtstraße. Die Menschen gingen wieder alle ruhig weiter. Da kamen die Schutzleute und schoben die Leute, alle die langsam gingen, d.h. die nicht vor Angst Reißaus nahmen, weiter. Die Elektrische kam, eine Frau fiel auf die Fahrstraße und der Schutzmann schnauzte sie an. Ich rutschte auf einer Apfelsinenschale aus, da nimmt mich ein Schutzmann bei dem Arm und sagt: ‚Ver- dammtes Weib, willst du mal laufen‘. Und das muß man sich gefallen lassen, wenn man ruhig auf der Straße geht.“71 Um gegen dieses Vorgehen der Polizei zu protestieren, hatte die SPD für Sonntagvor- mittag, den 10. April 1910, zu einer weiteren Versammlung aufgerufen. Diese wurde „vom 38 Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages

Senat mit Hinweis auf die Heilighaltung des Sonntags nach der in Geltung befindlichen Verordnung von 1797“71a verboten, dafür aber dann die Versammlung für den Sonntag- nachmittag erlaubt. Auf der Versammlung wurde die folgende Resolution verabschiedet: „Mit dem schärfsten Protest gegen diese Willkürakte verbinden die Versammelten den Ausdruck ihrer tiefsten Verachtung für jene Schutzleute und Geheimpolizisten, die sich nicht geschämt haben, ihren Mut, ihre Körperkraft und ihre Beamtengewalt durch Roh- heiten und Brutalitäten hinterrücks an friedlichen und wehrlosen Passanten, ja selbst an Frauen und Krüppel zu erproben [...] Die Versammelten erheben aufs neue die Forderung nach dem allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht zur Bürgerschaft für alle 20 Jahre alten Personen ohne Unterschied des Geschlechts.“72 Mit ihren Massenaktionen im April 1910 hatte die Bremer SPD das Thema „Frauen- wahlrecht“ zum Bestandteil ihres politischen Aktionsprogramms gemacht. Für die Sozial- demokratinnen in Bremen hatten die Apriltage eine neue Perspektive eröffnet. Zum ersten Mal stand eine Frauenforderung im Mittelpunkt der Parteiaktionen. Die Frauen wurden direkt aufgerufen und angesprochen und sie sorgten mit ihrer Beteiligung dafür, dass sie als politische Akteurinnen in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Damit waren die Bremerinnen auf den neuen Aktionstag zur Durchsetzung des Frauenwahlrechts gut vor- bereitet.

Von amerikanischen Sozialistinnen initiiert: Aktionstag für das Frauenstimmrecht erlangt internationale Bedeutung

Während in Deutschland die Debatte geführt wurde, ob politische Streiks als Mittel zur Durchsetzung der Wahlrechtsforderungen eingesetzt werden sollten, wurde in der sozialis- tischen Frauenbewegung seit einiger Zeit ein anderes Instrument des wirkungsvollen Mas- senprotestes diskutiert: die Durchführung eines Frauentages. International sollten Frauen aufgerufen werden, an einem bestimmten Tag gemeinsam auf die Straße zu gehen und für das Frauenstimmrecht zu demonstrieren. Die US-Amerikanerinnen hatten diese Idee bereits 1909 in die Tat umgesetzt. Die Frau- en der Sozialistischen Partei Amerikas hatten 1908 ein Nationales Frauenkomitee ge- gründet. Von diesen Frauen ging die Initiative aus, einen besonderen nationalen Frauentag durchzuführen. Auf ihren Vorschlag hin beschloss die Parteiführung im Dezember 1908, „in den Ortsorganisationen den letzten Februarsonntag des Jahres 1909 zu einem Tag zu machen, an dem mit der Forderung nach dem Wahlrecht für Frauen demonstriert wird“.73 Bereits der erste Frauentag 1909 wurde zu einem Erfolg für die politische Frauenarbeit und die Stimmrechtsbewegung, denn er hatte gezeigt, dass mit dem landesweiten Ein- satz eine breite Öffentlichkeit erreicht werden konnte. Deshalb entschloss sich die Partei, das Projekt fortzusetzen und „auch künftig am letzten Februarsonntag einen Frauentag durchzuführen“.74 So fand am 27. Februar 1910 zum zweiten Mal ein nationaler Frauentag statt, der in der internationalen Arbeiterbewegung mit Interesse wahrgenommen wurde. August Bebel schickte am 3. Februar 1910 eine Grußadresse an die amerikanischen So- zialistinnen. „Ich wünsche, daß Ihr nationaler Frauen-Tag eine internationale Bedeutung erlange, was sicher geschieht, wenn seine Bestrebungen auf der Höhe der Zeit stehen und von Erfolg begleitet sind.“75 Tatsächlich wurde der Frauentag 1910 ein noch größerer Erfolg als der im Vorjahr. Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages 39

Über dieses erfolgreiche Projekt informierten die Sozialistinnen aus den USA auch die Delegierten der zweiten sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen. Der Bericht war mit einem politischen Auftrag verbunden: „Die Delegierten der amerikanischen Genossin- nen zum Internationalen Kongress haben zu beantragen, dass der letzte Sonntag im Fe- bruar als Internationaler Sozialistischer Frauentag bestimmt wird.“76 Die amerikanischen Sozialistinnen wurden damit die wichtigsten Impulsgeberinnen für den Beschluss der Kon- ferenz, zur Agitation für das Frauenwahlrecht jährlich einen Frauentag abzuhalten.77

Anmerkungen

1 Der Begriff war in Schriften und Reden eine übliche Bezeichnung für die Angehörigen der Arbeiterklasse. 2 In der Zeit von 1871 bis 1900 hatte sich die Wohnbevölkerung Bremens auf 161.184 Einwohner verdoppelt. Vgl. Schmitter 1996, 121. 3 Kuczynski, Robert René, 1897, Der Zug nach der Stadt. Statistische Studien über Vorgänge der Bevölkerungsbewegung im deutschen Reiche, Münchner volkswirtschaftliche Studien, Bd. 24, Herausgegeben von L. Brentano und W. Lotz, Stuttgart. 4 Die in diesem Text wiedergegebenen Daten wurden – wenn nicht anders angegeben – dem For- schungsbericht von Romina Schmitter, 1996, entnommen: Dienstmädchen, Jutearbeiterinnen und Schneiderinnen, Frauenerwerbsarbeit in der Stadt Bremen 1871–1914. 5 Vgl. Schmitter, 1996, 24. 6 Vgl. Schmitter, 1996, 68–69. 7 Foto STAB 10, B-AL-505. 7a Friese, 1991, 255. 8 Schmitter, 1996, 51. 9 Foto STAB 10, B-1905-085. 10 Vgl. Ellerkamp/Jungmann, 1987, 136. 11 Foto STAB 10, B um 1900-085. 12 Schmitter, 1996, 75. 13 Schmitter, 1996, 70. 14 So waren beispielsweise unter den weiblichen Mitgliedern der SPD, die in der Parteistatistik als „Hausfrauen“ geführt wurden, sicherlich eine Vielzahl von Frauen, die regelmäßig einer stundenweisen Erwerbsarbeit nachgingen. 15 Vgl. Schmitter, 1996, 66. 16 Vgl. Frevert, 1986, 97-98. 17 August Bebel (1840–1913) gründete im Jahr 1869 zusammen mit Wilhelm Liebknecht die Sozialistische Deutsche Arbeiterpartei (SDAP) und blieb bis zu seinem Tod der unbestrittene Führer der sozialdemokratischen Bewegung. Doch mit seinem Werk „Die Frau und der So- zialismus“ hatte er weit über die Sozialdemokratie hinaus Menschen, vor allem Frauen, einen Zugang zur sozialistischen Bewegung und ihren Theorien verschafft. http://gutenberg.spiegel. de/index.php?id=19&autorid_vor, Aufruf vom 10. Februar 2011. 18 Bebel, 1977, 19. 19 Bebel, 1977, 28–29. 20 Bebel, 1977, 29. 21 Bebel, 1977, 30. 22 Bebel, 1977, 30. 23 Vgl. Evans, 1979, 53–82. 24 Clara (Eißner) Zetkin (1857–1934), die den Namen ihres Lebensgefährten Ossip Zetkin annahm, trat schon früh der SPD bei. 1983 ging sie mit Ossip Zetkin nach Paris. Auf der 40 Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages

Zweiten Internationale 1889 in Paris hielt sie ein Referat über die Frauenfrage. Nach dem Tod ihres Lebensgefährten kehrte sie mit ihren beiden Kindern aus Frankreich nach Deutschland zurück. Sie übernahm die Redaktion der sozialdemokratischen Frauenzeitschrift Die Gleich- heit. Im Jahr 1907 wurde sie zur Leiterin der Internationale der sozialistischen Frauen gewählt. Der Internationale Frauentag, der 1911 zum ersten Mal in Deutschland gefeiert wurde, ging auf ihren Antrag zurück. Als die Führungsspitze der SPD 1914 den Krieg befürwortete, stellte sie sich offen dagegen und mobilisierte über die Gleichheit die deutschen Sozialdemokratin- nen gegen den Krieg. Im parteiinternen Richtungsstreit stand sie auf der Seite der radikalen Linken. Sie wurde Mitglied der USPD und später der KPD, deren Parteivorstand sie bis 1924 angehörte. Von 1920 bis 1933 war sie KPD-Abgeordnete im Deutschen Reichstag. Zuletzt als Alterspräsidentin warnte sie noch 1932 vor der Gefahr des Nationalsozialismus. Ihr ständiger Wohnsitz war ab 1924 Moskau. Dort leitete sie das Frauensekretariat der Kommunistischen Internationale. Als Gegnerin Stalins geriet sie in politische Isolierung. Sie starb 1934 in der Sowjetunion und wurde in der Kreml-Mauer beigesetzt. Vgl. Wieland, 1983, 290–294. 25 Zetkin, Clara, 1889, Für die Befreiung der Frau, in: Institut für Marxistische Studien und For- schung, 1973, 7–8. 26 Zetkin, Clara, 1889, Für die Befreiung der Frau, in: Institut für Marxistische Studien und For- schung, 1973, 12. 27 Vgl. Evans, 1979, 83–102. 28 Auszug aus der von Clara Zetkin eingebrachten Resolution auf dem Gothaer Parteitag 1896, in: Hervé, 1981, 45. 29 Auszug aus der Rede Clara Zetkins, gehalten auf dem Parteitag zu Gotha, in: Clara Zetkin, 1957, Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. I, 95–111. 30 Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutsch- lands. Abgehalten zu Gotha vom 11. bis 16. Oktober 1896, 174–178. 31 Ein solches Verbot existierte in Bremen nicht. Das ermöglichte den Frauen, innerhalb der SPD offener und selbstbewusster aufzutreten. Sie waren wie Auguste Bosse reguläres Mitglied der Partei. Die Sozialdemokratinnen konnte ebenso eigene Vereine gründen, so zum Beispiel den „Verein zur Vertretung der gewerblichen Interessen der Frauen und Mädchen Bremen“ im Jahr 1885 und den Dienstmädchenverein im Jahr 1907. Vgl. Schmitter, 1996, 238 und 298. 32 Vgl. Evans 1979, 168. 33 Vgl. Fricke, 1976, 316. 34 Aus dem stenographischen Bericht der Polizei über die Frauenkonferenz in Bremen am 17. September 1904. Politische Polizei, Überwachung der sozialdemokratischen Bewegungen, STAB, 4,14/1- XII.C.2.e.1. 35 Internationaler Sozialistenkongress vom 18. bis 24. August 1897, Berlin 1907. Im Anhang: Erste internationale Konferenz sozialistischer Frauen, 17. August 1907, 124ff. 36 Vgl. Forschungsgemeinschaft, 1984, 74. 37 Vgl. Scharinger, 2009, 263-273. 38 Auf der Frauenkonferenz schilderte die Delegierte aus Österreich das Vorgehen in der Wahl- rechtsfrage: „Die Frage der Erkämpfung des Männerwahlrechts war für uns in Österreich so drängend, dass wir Frauen uns sagten: Wir verlangen jetzt nicht, dass für unser Recht ge- kämpft wird, aber wir werden mit aller Entschlossenheit, mit unserer Existenz und mit unserem Blute für die nächste Forderung, für das allgemeine Wahlrecht der Männer kämpfen.“ Erste Konferenz sozialistischer Frauen, in: Internationaler Sozialisten-Kongreß. 18.–24. August 1907 – Berlin 1907, 139f. 39 Die Gleichheit vom 22. Juli 1907, Nr. 15/17. Jg., 127f. 40 Protokoll des Internationalen Sozialistenkongresses zu Stuttgart, 18. bis 24. August 1907, Ber- lin 1907, zit. in: Losseff-Tillmanns, 1985, 28. 41 Luise Zietz (1865–1922), geb. Körner, arbeitete nach dem Besuch der Volksschule zunächst als Dienstmädchen und Tabakarbeiterin. 1890 zog sie mit ihrem Ehemann nach Hamburg. Sie ließ sich an der Fröbelschule zur Kindergärtnerin ausbilden. Seit 1892 war sie Mitglied der SPD. Sie wurde eine populäre und erfolgreiche Parteiagitatorin. 1908 wurde sie als erste Frau in den Parteivorstand der SPD gewählt und war dort für die Frauenarbeit zuständig. Auf ihre Initiative hin wurde der 19. März als Termin für den ersten Internationalen Frauentag 1911 bestimmt. Während des ersten Weltkrieges kritisierte sie die des Parteivor- Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages 41

standes und wurde aus der Partei ausgeschlossen. Sie wurde Mitbegründerin der USPD. Auch dort war sie im Parteivorstand zuständig für die Frauenarbeit. Von 1919–1922 vertrat sie die USPD im Reichstag. Sie starb 1922 im Plenarsaal an einem Schlaganfall. Vgl. Weiland, 1983, 294–297. 42 Vgl. Thönnessen, 1969, 41-79. 43 Vgl. Evans, 1979, 162-165. 44 1910 hatte die Partei 1.599 weibliche Mitglieder, 1914 war ihre Zahl auf 2.737 angestiegen. Vgl. Dehnkamp 1986, 227. 45 Luise Zietz, zit. in: Notz, 2008, 19. 46 Protokoll des SPD-Parteitages, Dresden, 1903, 117. 47 Da in dieser Untersuchung der Wahlrechtskampf der Sozialistinnen und ihre Protestaktionen zum Internationalen Frauentag im Mittelpunkt stehen, wird die bürgerliche Frauenbewegung an keiner Stelle systematisch behandelt. Deshalb soll mit einem kurzen Überblick auf die Aktivitäten der bürgerlichen Frauen hingewiesen werden – zumal die radikalen Feministin- nen Bremens einen wichtigen Beitrag im Kampf um das Frauenwahlrecht geleistet haben. Die Stimmrechtsbewegung in Bremen wurde in dem umfangreichen Forschungsbericht von Romina Schmitter dokumentiert. Vgl. Romina Schmitter, 1991, Der lange Weg zur politischen Gleichberechtigung der Frauen in Bremen, Staatsarchiv, Bremen. Zur deutschen und euro- päischen Geschichte des Frauenwahlrechts: vgl. Bettina Bab, Gisela Notz, Marianne Pitzen, Valentine Rothe, (Hrsg.), 2006, Mit Macht zur Wahl, 100 Jahre Frauenwahlrecht in Europa, 2 Bände, Frauenmuseum . Veröffentlichung zur gleichnamigen Ausstellung im Frauen- museum Bonn. 48 Vgl. Weiland, 1983, 94. 49 Vgl. Notz, 2008, 11–12. 50 Vgl. Weiland, 1983, 93–95. 51 Zu Auguste Kirchhoff (1867–1940): Wottrich, Henriette, 1990, Auguste Kirchhoff – Eine Bio- graphie. 52 Zu Rita Bardenheuer (1877–1943): Laudowicz, Edith, 1991, Bardenheuer, Rita, Kurzbiographie, in: Bremer Frauen von A–Z, 275–277. 53 Die folgende kurze Zusammenfassung basiert auf dem umfangreichen Forschungsbericht von Romina Schmitter, 1991, Der lange Weg zur politischen Gleichberechtigung der Frauen in Bre- men. Vgl. dort: Die Frauenstimmrechtsbewegung, 71–81. 54 Vgl. Schmitter, 1991, 73–77. 55 Vgl. Schmitter, 1991, 81-84. 56 Die Sozialdemokratinnen nannten das verächtlich das „Damenwahlrecht“, um deutlich zu ma- chen, dass mit diesem Frauenwahlrecht die Proletarierinnen weiterhin von der politischen Beteiligung ausgeschlossen wurden. 57 Vgl. Schmitter, 1991, 77–81. 58 Grebing, 1966, 121. 59 Moring, 1968, 119. 60 Verhandlungen der Bremischen Bürgerschaft vom 13. April 1910, 251. 61 Es gab das Verfahren, unliebsame Anträge an die Bürgerschaft als letzten Punkt auf die Ta- gesordnung zu setzen. Dieser Punkt wurde in der Regel aus Zeitgründen nicht behandelt und vertagt. So konnte man die Beratung und Abstimmung über Monate verschleppen. 62 BBZ vom 2. April 1910. 63 Senatssitzung vom 8. April 1910; Senatsregistratur Bremen, 30, Nr. 26. 64 BBZ vom 4. April 1910. 65 In der BBZ waren die politischen Auseinandersetzungen über den Einsatz von Streikmaß- nahmen zu politischen Zwecken den LeserInnen in einer Reihe von Artikeln bekannt gemacht worden. Dabei ließ die Zeitungsredaktion keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie der Idee des Massenstreiks positiv gegenüber stand. Vgl. auch BBZ vom 2. April, 7. April, 3. Mai und 18. Juni 1910. 66 Vgl. BBZ vom 7. April 1910. 67 Abdruck in BBZ vom 6. April 1910. 42 Die Vorgeschichte des Internationalen Frauentages

68 BBZ vom 6. April 1910. 69 Vgl. BBZ vom 7. April 1910. 70 BN vom 7. April 1910. 71 BN vom 8. April 1910. 71a BN vom 11. März 1910. 72 BN vom 11. April 1910. 73 Das Zitat aus dem Bulletin der Sozialistischen Partei Amerikas (SPA) 1908 wurde übernom- men aus dem Bericht von Siegfried Scholze über das Frauentagprojekt der SPA. Scholze, 2001, 16. 74 Scholze, 2001, 16. 75 Scholze, 2001, 16. 76 Vgl. Bericht des Nationalen Frauenkomitees der Sozialistischen Partei in den Vereinigten Staa- ten, in: Berichte an die zweite Internationale Konferenz sozialistischer Frauen, 1910, 82 und 85. 77 Siegfried Scholze hat diese Zusammenhänge rekonstruiert und als Forschungsbericht veröf- fentlicht. Diese Forschungsergebnisse bilden die Grundlage für meinen Bericht. Scholze, 1991, Die Sozialistinnen der USA – Initiatorinnen der Einführung des Internationalen Frauentages, in: BzG 2/1991, 255–258. 2.

Der Internationale Frauentag 1910–1914 44 Der Internationale Frauentag

Am 26. und 27. August 1910 tagte in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen die zwei- te Internationale Sozialistische Frauenkonferenz. Die Abgeordneten der internationalen proletarischen Frauenbewegung waren zusammengekommen, nachdem sich ihre Ver- treterinnen auf der ersten Konferenz in Stuttgart im August 1907 zur Sozialistischen Fraueninternationale formiert hatten. Jetzt folgten sie einer Einladung Clara Zetkins, die 1907 zur Internationalen Sekretärin der sozialistischen Frauen gewählt worden war. Im Mittelpunkt der Beratungen stand das Thema Frauenwahlrecht. Strittig war, ob in den Wahlrechtskämpfen grundsätzlich die Forderung nach dem allgemeinen gleichen Stimm- recht für Frauen und Männer zu erheben sei oder ob die Frauen sich nicht zunächst mit einem eingeschränkten kommunalen oder steuerabhängigen Wahlrecht zufrieden geben sollten. Daran angelehnt stand zur Diskussion, ob der Kampf um das Frauenstimmrecht im Bündnis mit der bürgerlichen Frauenbewegung geführt werden sollte oder als Klas- senauseinandersetzung gemeinsam mit der Arbeiterbewegung. Die absolute Mehrheit der Delegierten wies das beschränkte Frauenwahlrecht als „eine Verfälschung des Prinzips der politischen Gleichberechtigung“ zurück und erteilte einem Bündnis mit den „Bürgerlichen Frauenrechtlerinnen“1 eine Absage. Danach stellte Clara Zetkin ihren Antrag, der bald darauf „weltgeschichtliche Be- deutung“2 erlangen sollte: dass die sozialistischen Frauen aller Länder zusammen mit den politischen und gewerkschaftlichen Organisationen in ihrem Land einen jährlichen Frauen tag zur Agitation für das Frauenwahlrecht abhalten sollten. Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen. Im ersten Teil des folgenden Kapitels steht diese Frauenkonferenz im Mittelpunkt. Da- bei soll es vor allem um die Auseinandersetzungen und die politischen Entscheidungen zum Frauenwahlrecht und zum Frauentag gehen. Nach der Konferenz des Jahres 1910 organisierten die sozialdemokratischen Frauen in Deutschland – und bald auch Frauen anderer europäischer Länder und der USA – bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Jahr 1914 jährlich einen Internationalen Frauen- tag. Der zweite Teil des Kapitels beschreibt diese Vorgänge. In Deutschland nutzten die Sozialdemokratinnen die bestehenden Strukturen in Par- tei und Gewerkschaften. Sie entwickelten zur Durchführung der Frauentage ein Organi- sationsmuster, das sich in den hierarchischen Aufbau der Partei und der Gewerkschaft einfügte und das auf der Arbeitsteilung zwischen der Führungsebene und der Basis der lokalen Parteivereine und der Frauengruppen beruhte. Entsprechend wird über die Prob- leme und Entwicklungsprozesse beider Ebenen berichtet. Die lokale Organisation der Frauentage in Bremen, die Mobilisierung unter den Arbei- terfrauen und die Gestaltung der Versammlungen und Demonstrationen bilden dann den Schwerpunkt im zweiten Teil des Kapitels. In eigenen Abschnitten werden die politischen Debatten und Entscheidungen der Parteitage und Frauenkonferenzen dargestellt. Die ideologische Ausrichtung und organisatorischen Rahmenbedingungen legte der Parteivorstand zusammen mit dem Frauenbüro fest. In einem Flugblatt wurden die Ar- gumente für das Frauenwahlrecht aus sozialdemokratischer Sicht zusammengefasst. Es wurde in Millionenauflage gedruckt und überall in Deutschland verbreitet. 1910 bis 1914 45 Die Zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz

„In dem mit roten Bannern der parteigenössischen Organisationen Dänemarks reich ge- schmückten Saale des ‚Abejdernes Forsamlingsbygning‘ des Kopenhagener Volkshauses trat heute, Freitag Vormittag, die zweite internationale sozialistische Frauenkonferenz zu- sammen.“ So begann der Bericht der Bremer Bürger-Zeitung vom 27. August 1910 über die Frauenkonferenz, die am 26. und 27. August – unmittelbar vor dem VIII. Kongress der Sozialistischen Internationale – in Kopenhagen tagte. Clara Zetkin hatte als Internationa- le Sekretärin die Konferenz einberufen:

Gleichheit vom 6. Juni 1910

Mehr als 100 delegierte Frauen und Männer3 aus 16 Nationen Europas und den USA nahmen an der Konferenz teil.4 Die Tagesordnung umfasste drei Punkte: „Entwicklung der Verbindungen zwischen den organisierten Genossinnen in den einzelnen Ländern“, „Mittel und Wege für die praktische Arbeit zur Erringung des allgemeinen Frauenwahlrechts“ und „Fürsorge der Gesellschaft für Mutter und Kind“.5 Im Mittelpunkt der Konferenz stand die Beratung über den zweiten Tagesordnungs- punkt: das Frauenwahlrecht. Nach den Vorstellungen der Einladerin sollte unter diesem Punkt vor allem über praktische Initiativen beraten werden. In der Zeitschrift Die Gleich- heit, die zum Konferenzbeginn erschien, wurde erläutert, an welche Vorhaben dabei ge- dacht wurde: „Nun müssen Mittel und Wege erörtert werden, mehr Tat hinter die Forde- 46 Der Internationale Frauentag rung zu setzen. […] Wir fassen dabei unter anderem die Nutzbarmachung der Maifeier ins Auge – wie sie unsere österreichischen Schwestern mit prächtigem Erfolg durchführen –, ferner die Einrichtung eines alljährlichen besonderen ‚Frauentages‘ nach dem guten Bei- spiel der amerikanischen Genossinnen.“6 Statt politischer Erklärungen zum Frauenstimm- recht, die in der Praxis der Parteien kaum Konsequenzen nach sich zogen, sollte die Forderung in Zukunft offensiv unter die Proletarierfrauen getragen und in Massenver- sammlungen wie dem 1. Mai oder – entsprechend dem Beispiel aus den USA7 – an einem Frauentag in der Öffentlichkeit propagiert werden. Doch auf der Konferenz konzentrierte sich die Debatte auf Grundsatzfragen zum Frauenwahlrecht. Faktisch wurde die Diskussion, die schon die Stuttgarter Konferenz be- stimmt hatte, noch einmal aufgerollt.8 Ein Teil der führenden englischen Genossinnen beharrte darauf, „mit bürgerlichen Frauenrechtlerinnen zusammen für das beschränkte Frauenstimmrecht tatkräftig einzutreten“9. Gegen diese Position der Engländerinnen gab es scharfen Protest. Als sich eine Delegierte aus London gegen die Methode wandte, „ab- sprechend über die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen zu urteilen, [denn bei] dem großen amerikanischen Blumenarbeiterinnenstreik […] hätten die bürgerlichen Damen mit Leib und Seele für die ausgebeuteten Schwestern Partei ergriffen und auch selbst Opfer ge- bracht“, entgegnete May Wood-Simons als Vertreterin des Nationalen Frauenkomitees der Sozialistischen Partei Amerikas: „Wie kann man bei den herrschenden Gegensätzen von Schwesterdiensten sprechen? Zwischen Ausbeuter und Ausgebeuteten gibt es keine Brü- derlichkeit! Die sozialistischen Frauen müssen sich frei machen von der Bevormundung seitens der bürgerlichen Damen.“10 Ebenso scharf wurde das Eintreten einiger englischer Vertreterinnen für ein eingeschränktes Frauenwahlrecht kritisiert. So betonte Herbert Burrow, Delegierter der Sozialdemokratischen Föderation Englands: „Diejenigen, die das beschränkte Frauenwahlrecht vertreten, haben kein Recht, sich als Vertreterinnen der sozialistischen Frauen oder der Gewerkschaften mehr aufzuspielen. Die Gewerkschafts- kongresse haben seit Jahren jedes beschränkte Frauenwahlrecht unbedingt abgelehnt und das allgemeine Wahlrecht ohne Unterschied des Geschlechts gefordert.“11 Obwohl keine andere Delegation die Auffassungen der Engländerinnen teilte, entwi- ckelte sich eine ausführliche Debatte. Dabei kam es weniger darauf an, die englischen Genossinnen zu überzeugen. Vielmehr sollte in der politischen Öffentlichkeit der interna- tionalen und der sozialistischen Frauenbewegung sichtbar werden, dass die Sozialistische Frauenkonferenz geschlossen für das allgemeine und gleiche Wahlrecht eintrat und dass die Sozialistinnen ihren Wahlrechtskampf an der Seite der proletarischen Männer und als Teil der sozialistischen Arbeiterbewegung führen wollten. Das brachte auch die Resolution zum Ausdruck, die von Luise Zietz begründet und im Namen der sozialdemokratischen Frauen Deutschlands und des Verbandes der Wahlver- eine und Umgebung eingebracht wurde. „Zur Frage des Frauenstimmrechts“ wurde der Beschluss der ersten Frauenkonferenz in Stuttgart 1907 noch einmal bekräftigt. „An- gesichts der fortgesetzten Versuche, die große Mehrheit des weiblichen Geschlechts durch Einführung eines beschränkten Frauenwahlrechts zu prellen“, betonte die Resolution den Grundsatz, ausschließlich für das allgemeine Frauenstimmrecht zu kämpfen, und zwar nicht „im Bunde mit den bürgerlichen Frauenrechtlerinnen, sondern in Gemeinschaft mit den sozialistischen Parteien, welche das Frauenwahlrecht als eine der grundsätzlich und praktisch wichtigsten Forderung zur vollen Demokratisierung des Wahlrechts überhaupt verfechten“. Die Arbeiterparteien wurden verpflichtet, diesen Kampf „energisch“ zu führen. Die sozialistischen Frauen sollten sich an den Kämpfen „mit höchster Kraftentfaltung“ be- teiligen und zugleich dafür sorgen, dass die Forderung des allgemeinen Frauenwahlrechts 1910 bis 1914 47

„ernstlich verfochten wird“.12 „In der Abstimmung wird die deutsche Resolution mit allen gegen 10 Stimmen unter langandauerndem Beifall angenommen.“13 Alle Parteien der So- zialistischen Internationale sollten mit der einheitlichen Forderung für das allgemeine und gleiche Wahlrecht für Frauen und Männer auftreten. Zugleich erklärte die Resolution das Frauenwahlrecht zu einem Eckpfeiler der Wahlrechtsforderung. Damit sollte verhindert werden, dass die Parteien das Frauenstimmrecht, wenn es um vermeintlich vordringlichere Fragen ging, einfach aufgeben oder zurückstellen konnten. Danach wurde der von „ Clara Zetkin, Käte Duncker14 und Genossinnen“ eingebrachte Antrag zur Einrichtung eines Internationalen Frauentages aufgerufen15:

„... Im Einvernehmen mit den klassenbewussten politischen und gewerkschaftlichen Organisationen des Proletariats in ihrem Lande veranstalten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient. Die Forderung muss in ihrem Zusammenhang mit der ganzen Frauenfrage der sozialistischen Auffassung gemäß beleuchtet werden. Der Frauentag muss einen internationalen Charakter tragen und ist sorgfältig vorzu- bereiten ...“

Der Antrag wurde einstimmig angenommen, gefeiert wurde er zu diesem Zeitpunkt aber nicht.16 Keine der Anwesenden konnte damals ahnen, von welch bleibender Bedeutung die Entscheidung sein würde. Zum Ende der Konferenz verabschiedeten die Delegierten einstimmig eine Antikriegs- resolution. Die Sozialistische Internationale wies seit Jahren mit Beschlüssen dieser Art auf die Kriegsgefahr hin, die von der Militarisierung der Gesellschaft und der Rüstungspoli- tik der imperialistischen Staaten ausging. In Reden und Resolutionen wurde gegen diese Politik Stellung bezogen und das Friedensbollwerk der internationalen Arbeiterbewegung beschworen. Auch die Resolution der Frauenkonferenz stellte sich in diese Tradition. Sie sah die Ursachen des Krieges in den „durch die kapitalistische Produktionsweise hervor- gerufenen Gegensätzen“. Dagegen müsse das Proletariat seine Macht zur Sicherung des Friedens einsetzen. Die Proletarierin hatte dabei die besondere Aufgabe, „durch die Er- ziehung der Kinder zu Sozialisten dafür zu sorgen, daß das kämpfende Proletariat, diese Armee des Friedens, immer größer und zahlreicher wird“.17 Die sozialistische Frauenbewegung hatte damit zwar den Kampf um die volle Gleichbe- rechtigung der Frau zu ihrem obersten Ziel erklärt – gleichwohl stellte sie die geschlechts- spezifische Arbeitsteilung, in der der Frau die Rolle „der Versorgerin und Erzieherin“ zu- gewiesen wurde, nicht in Frage.18 Im Gegenteil wurde die Geschlechterhierarchie auch in diesem Beschluss für die weitere Zukunft festgeschrieben. Die Konferenz ging mit der Wiederwahl Clara Zetkins zur Internationalen Sekretärin zu Ende. „Mit einem begeisterten Schlußwort der Frau Zetkin schloß die zweite Interna- tionale Frauenkonferenz.“19 Die Antikriegsresolution von 1910 war eine moralisch-politische Verpflichtungserklä- rung, die ihre grundsätzliche Bedeutung erst Jahre später offenbaren sollte. Im August 1914, als die Sozialistische Internationale unter nationalistischem Chauvinismus begraben wurde, fand sich eine große Zahl der weiblichen Delegierten der Kopenhagener Konferenz im Lager der Kriegsgegnerinnen wieder zusammen. Für sie blieb der Kampf um den Frie- den auch nach Kriegsbeginn eine Verpflichtung. Das Ringen um den Erhalt des Friedens wurde nach der Erfahrung des Ersten Weltkrieges zur verbindenden Maxime der Frauen- tage. 48 Der Internationale Frauentag „Die Resolution scheint nicht auf positive Resonanz gestoßen zu sein …“20

Der Beschluss der Kopenhagener Frauenkonferenz, jährlich einen Frauentag zu veranstal- ten, enthielt nicht nur eine Aufforderung an die Internationale der sozialistischen Frauen, sondern verpflichtete zugleich die politischen und gewerkschaftlichen Organisationen der verschiedenen Länder, diesen Tag gemeinsam mit den Frauen vorzubereiten, durchzu- führen und zu finanzieren. Dass ein so weitreichender Antrag als persönliche Initiative von Clara Zetkin ohne die Unterstützung der nationalen Partei- und Frauenorganisation eingebracht wurde, entsprach nicht den Regeln internationaler Konferenzen. Clara Zetkins Entscheidung war begründet. Eine Woche vor der Konferenz tagte die vorbereitende Kom- mission, in der über den deutschen Antrag zum Frauenstimmrecht beraten wurde. Neben führenden VertreterInnen der französischen, österreichischen und deutschen Parteien und Gewerkschaften nahm auch Clara Zetkin an der Beratung teil. Auf dieser Kommissionssit- zung schlug Adelheid Popp21, die Führerin der österreichischen Sozialdemokratinnen, vor: „Sehr fördern wir die Sache des Frauenwahlrechts, wenn die Kommission dem Kongreß vorschlagen würde, es solle zu einer bestimmten Zeit in allen Ländern große Massenkund- gebungen aller Sozialdemokraten für das Frauenwahlrecht stattfinden.“22 Doch die Idee wurde auf der Sitzung nicht weiter verfolgt, auch Clara Zetkin äußerte sich nicht zu diesem Vorschlag und die Kommission fasste keinen entsprechenden Beschluss. Offensichtlich gab es erhebliche Vorbehalte gegen ein solches Vorhaben. Das bestätigte Clara Zetkin nachträglich in ihrem Diskussionsbeitrag auf der SPD-Frauenkonferenz 1911 in Jena. Dort erläuterte sie ihr Vorgehen: „Als es sich darum handelte, den Antrag auf Abhaltung des Frauentages in Kopenhagen einzubringen, standen so viele Genossen und Genossinnen diesem Antrag ablehnend gegenüber, daß er nicht namens der ganzen deutschen Dele- gation eingebracht werden konnte, sondern als von Einzelpersonen eingebracht gelten musste.“23 Für Clara Zetkin war klar, dass ihr Projekt in den Parteigremien keine Mehr- heit finden würde. So entschloss sie sich, den Antrag den Delegierten der internationalen Frauenkonferenz als persönliche Initiative vorzulegen. Mit der einstimmigen Verabschiedung des Antrags auf der internationalen Konferenz standen Partei- und Gewerkschaftsführung vor der Herausforderung, auf den Beschluss reagieren zu müssen. Eigentlich waren Proteste oder zumindest kritische Kommentare zum Alleingang der linksradikalen Clara Zetkin zu erwarten, und dass die SPD-Männer sich gegen solchen frauenrechtlerischen Separatismus wenden würden. Doch nichts der- gleichen geschah. In den nächsten Monaten wurde das Thema mit Schweigen übergangen. So wurde auf dem Kongress der Zweiten Internationalen, der gleich nach der Frauenkon- ferenz in Kopenhagen tagte und an dem auch Clara Zetkin als Delegierte teilnahm, weder das Thema Frauenstimmrecht noch der Beschluss zum Frauentag behandelt.24 Auch auf dem Magdeburger Parteitag, der drei Monate nach der Konferenz stattfand, fand der Be- schluss keine Erwähnung. „Auf dem ganzen Parteitag kam das Stichwort ‚Frauentag‘ nicht vor.“25 Und genauso wenig wurde im Correspondenzblatt, dem Presseorgan der freien Ge- werkschaften, über die Frauenkonferenz berichtet, obwohl Gertrud Hanna als Arbeiterse- kretärin der Generalkommission auf der Frauenkonferenz einen Beitrag zur Frauenarbeit in den deutschen Gewerkschaften gehalten hatte.26 Dann, am 30. Januar 1911, informierte Gertrud Hanna27 die Gewerkschaftspresse über das Ergebnis einer Beratung von Parteivorstand und Generalkommission der Gewerk- schaften: „Die Generalkommission ist in gemeinschaftlicher Sitzung mit dem Parteivor- 1910 bis 1914 49 stand dem Beschluß der Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenha- gen beigetreten, in jedem Jahr an einem Tag Demonstrationsversammlungen zugunsten der Forderung zur Erzwingung des allgemeinen Frauenwahlrechts zu veranstalten. Für Deutschland ist als Versammlungstag für dieses Jahr der 19. März gewählt worden.“28 Das Schreiben belegt, dass es interne Beratungen gab, die nicht nach außen kommuniziert wurden. Partei und Gewerkschaften hatten entschieden, dem Kopenhagener Beschluss „beizutreten“ und erklärten damit, dass sie die Durchführung und inhaltliche Bestimmung des Frauentages übernehmen würden. In diesem Schreiben wurde zugleich die Arbeitsteilung zwischen der SPD und der Ge- neralkommission der freien Gewerkschafte festgelegt.

„Träger und Organisator [des Internationalen Frauentages] in Deutschland war die Sozialdemokratische Partei als politischer Arm der Arbeiterbewegung, die die poli- tischen Inhalte und Zielrichtungen des […] Frauentages in Übereinstimmung mit ihrer Programmatik und ihrer Politik festlegte. Die freien Gewerkschaften, die als Richtungsgewerkschaften eng mit der SPD zusammenarbeiteten, forderten die in ihren Reihen organisierten Kolleginnen auf, sich an den Veranstaltungen der Partei zu beteiligen“.29

Damit lag die ideologische, politische und organisatorische Verantwortung für den Frauen- tag bei der Partei, während die Gewerkschaften ihre Mitglieder, vor allem die Frauen, dazu aufriefen, sich an den Aktionen zu beteiligen. Diese Arbeitsteilung bestand lange fort. Erst die neue Frauenbewegung entwickelte auch für den Frauentag neue Perspektiven: Beginnend mit den 1980er Jahren waren es die Gewerkschaften, die die organisatorische Führung der Frauentage übernahmen.

1911: Der erste Internationale Frauentag

„... und er ist gründlich vorzubereiten“

Im Januar 1911 begann die Parteiführung zusammen mit dem Frauenbüro eine groß angelegte Kampagne zur Vorbereitung des Frauentages. Zunächst musste der Partei- apparat davon überzeugt werden, dass dem Frauenstimmrecht ein eigener politischer Arbeitsschwerpunkt eingeräumt werden sollte. Die Ortsgruppen mussten den zentralen Agitationstag in den Arbeitsrhythmus des Parteialltags einbauen. Gleichzeitig galt es, über die Idee des Frauentages aufzuklären und die theoretischen Auffassungen der Sozialdemokratie zum Frauenwahlrecht den Arbeiterfrauen in verständlichen Texten nahezubringen. Vor allem sollten die Proletarierinnen überzeugt werden, sich massen- haft an den Kundgebungen zu beteiligen. In dieser Vorbereitungsphase zeigte sich, welche Potenziale die SPD mobilisieren konnte, wenn sie entschlossen war, ein Projekt durchzusetzen. Bereits der Termin für den Frauentag war mit klugem politischem Kalkül bestimmt worden. Seit Jahren veranstaltete die deutsche Arbeiterbewegung Gedenkfeiern zur Er- innerung an die revolutionären Kämpfe vom 18./19. März 1848 in Berlin. 50 Der Internationale Frauentag

„Am 18. März 1848 hatte eine Volksversammlung, die sich auf dem Berliner Schloss- platz versammelt hatte, vom König demokratische Wahlen und den Abzug des Mi- litärs aus der Stadt gefordert. Stattdessen ging die Armee mit Waffengewalt gegen die Demonstranten vor. In den darauf folgenden Barrikadenkämpfen, an denen vor allem Berliner Arbeiter und Arbeiterinnen beteiligt waren, wurden 150 Personen getötet, darunter waren elf Frauen.“30 Am 19. März mussten die Truppen dann doch abziehen. „Die siegreichen Barrikadenkämpfer trugen am 19. März die Leichen ihrer gefallenen Brüder auf den Hof des Schlosses und zwangen den König, die Opfer sei- ner despotischen Wirtschaft entblößten Hauptes zu begrüßen.“31

Mit der Festlegung des Frauentages auf das Datum des 19. März wurden die Kämpfe um das Frauenwahlrecht in die Geschichte der Arbeiterbewegung mit ihren Kämpfen um ein demokratisches Wahlrecht eingebunden. Die Bremer Bürger-Zeitung vom 18. März 1911 erläuterte den Zusammenhang unter der Überschrift „Märzstürme – Wahlrechtskämpfe“. In der Fortsetzung der Kämpfe von 1848 und in Erfüllung des Auftrags der März-Gefal- lenen war das internationale Proletariat zugleich auch Vorkämpfer für die „vollen Bürger- rechte des Weibes. Um das Banner der revolutionären Sozialdemokratie vereinigen sich darum am 19. März, am Frauentag, die Millionen von Frauen und Männer zum Kampfe für das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Frauenwahlrecht.“32 Zur Mobilisierung des Parteiapparates „erfolgte die Propaganda durch Zirkular [Rund- schreiben] an die Bezirksleitungen“.33 Luise Zietz berichtete in der Gleichheit über offene Fragen, die diskutiert wurden: „Ob der Frauentag denn nicht von der Parteiorganisation veranstaltet werde, wenn ja, warum dann die besondere Aufforderung an die Genossin- nen?“ Die Männer wurden beruhigt. Selbstverständlich sei auch der Frauentag „eine Ver- anstaltung der Partei“. Aber weil es sich „insbesondere um die Sache der Frauen handelte, [wurden] die Genossinnen nochmals besonders angespornt“.34 Das Frauenbüro war nicht nur Ansprechpartner und Konfliktmanager in der Vorberei- tungsphase. Zusätzlich wurden von dort Berichte an die Parteipresse, Die Gleichheit und vom Arbeiterinnensekretariat an die Gewerkschaftspresse versandt.

„Heraus zum sozialdemokratischen Frauentag“, Die Gleichheit vom 13. März 1911. 1910 bis 1914 51

Zum Frauentag brachte Clara Zetkin eine Sondernummer der Gleichheit unter dem Titel „Frauenwahlrecht“ heraus. Dort kamen bekannte Vertreterinnen der internationalen sozialistischen Frauenbewegung zu Wort, unter ihnen Helen Ankersmit aus Holland, Ale- xandra Kollontai aus Russland, Adelheid Popp aus Österreich und May Wood-Simons aus den USA. Auch die Führer der deutschen und österreichischen Sozialdemokratie, August Bebel und Victor Adler, zeigten sich solidarisch mit dem Anliegen der Frauen und be- tonten in ihren Beiträgen übereinstimmend, dass der Kampf für das Frauenwahlrecht die gesamte Arbeiterbewegung voranbringen werde. Victor Adler hob hervor, dass der Inter- nationale Frauentag auch Männersache sei. August Bebel hielt den Gegnern des Frauen- wahlrechts entgegen: „Ob Zyniker oder Rückwärtsler die Bestrebungen nach politischer Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts verlachen, ob Dummheit sie zu hemmen versucht, sie werden zum Siege kommen. Mit den Frauen als Bundesgenossen wird der Kampf erleichtert und beschleunigt.“35 Vor allem bemühten sich Clara Zetkin und Luise Zietz um die Mobilisierung der Ge- nossinnen, denn von deren Einsatz hing weitgehend der Erfolg der geplanten Kundgebun- gen ab. „Durch mündliche Agitation“ sollten die „Lauen und Indifferenten“ für die Aktion interessiert werden. „Diese mündliche Agitation unter den Indifferenten, seien es Mitarbei- terinnen im Betrieb, seien es Mitbewohnerinnen des Hauses, seien es Bekannte oder Ver- wandte: Das ist eine spezielle Aufgabe unserer Genossinnen, die sie täglich, stündlich, zu jeder Zeit neben jener innerhalb der Organisation erfüllen sollen.“ Doch vor allem sollten die Genossinnen auf den Kundgebungen dabei sein. Deshalb wandte sich Luise Zietz noch einmal nachdrücklich mit der Aufforderung an die Frauen, am 19. März zuallererst ihre Bürgerpflichten zu erfüllen. „An diesem Tag ist es in erster Linie Pflicht, die Versammlung zu besuchen, für unser Wahlrecht zu demonstrieren.“ Und wenn Kinder zu betreuen waren, „sollten sich die Frauen mit ihren Männern verständigen, daß diese sich ein paar Stunden ‚ganz ihren Vaterfreuden hingeben‘, daß sie die Auf- sicht der Kleinen übernehmen“.36 Luise Zietz ermutigte die Frauen, von ihrem Recht, sich außerhalb des privaten Haushalts politisch zu engagieren, auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Für die Massenagitation wurde ein Flugblatt mit einer Auflage von zweieinhalb Mil- lionen gedruckt und verbreitet. Auf mehreren Seiten wurden die Argumente der Sozial- demokratie zum Frauenwahlrecht erläutert. Das dort entwickelte Argumentationsmuster tauchte in den nächsten Jahren in Presseartikeln, Redebeiträgen und Resolutionen immer wieder auf. Das Flugblatt begann mit der Forderung:

„FRAUENWAHLRECHT! Die Frau des zwanzigsten Jahrhunderts ist politisch mündig geworden, und trutziglich fordert sie ihre Staatsbürgerrechte.“37

Für den Rechtsanspruch auf das volle Bürgerinnenrecht gab es nach Auffassung der So- zialdemokratinnen wichtige Gründe: – Weil Frauen mit ihrer Erwerbsarbeit zur Erhaltung und Fortentwicklung der Wirtschaft und der Gesellschaft genauso ihren Beitrag leisten wie Männer; – weil sie durch Gebären, Pflege und Aufziehen der Kinder die Reproduktion des ganzen Volkes sichern; – weil ihre Opfer an Leben und Gesundheit, als Folge ungewollter Schwangerschaften mindestens so schwer wiegen wie die Opfer, die Männer als Soldaten in Kriegszeiten 52 Der Internationale Frauentag

erleiden. Und da den Männern wegen dieser Kriegsopfer das Stimmrecht zuerkannt wurde, beanspruchen die Frauen ein gleiches Recht. – weil Frauen in allen Steuern und Abgaben Gleichverpflichtete sind, müssen sie auch das gleiche Recht haben, über Steuern und Abgaben mitzuentscheiden. – Zugleich brauchen die Frauen das Wahlrecht als Waffe zur Veränderung ihrer sozialen und politischen Lage, um Einfluss zu nehmen auf alle Gesetze, von denen sie betroffen sind. Als besonderen Punkt stellte die SPD heraus, dass das Frauenwahlrecht „auch ein vor- zügliches politisches Erziehungsmittel“ sei und die Mobilisierung der Frauen beschleuni- gen werde. Die Vorstellung, dass das Frauenstimmrecht ein Instrument zur revolutionären Erziehung der Frauenmassen sei, wurde für die Sozialdemokratie in den folgenden Jahren eines der zentralen Argumente für das Frauenwahlrecht.

Der 19. März 1911 in Bremen

In der Bremer SPD wurde das neue Projekt, einen Frauentag durchzuführen, allgemein begrüßt. Denn bereits im Vorjahr waren hier die Frauen in die Wahlrechtskampagne einbe- zogen gewesen und die Idee, über zentrale Massenaktionen die indifferenten Arbeiterfrauen anzusprechen, um sie für den Wahlrechtskampf zu gewinnen, entsprach der politischen Linie der radikalen linken Parteimehrheit in Bremen.38 So informierte die Bürgerzeitung die Parteimitglieder und ihre Leser in einer ganzen Reihe von Artikeln über den Frauentag und die Forderung nach dem Frauenwahlrecht. Zugleich wurden die Parteimitglieder in die Pro- pagandaarbeit eingespannt. Am 17. März druckte die BBZ den Aufruf zur Flugblattaktion: 1910 bis 1914 53

Aus dem Verteilerschlüssel wird ersichtlich, dass das Massenflugblatt „Frauenwahlrecht“ und die Einladung zu den Frauenversammlungen in Bremen flächendeckend verteilt wurden.

Zwei Tage vor den Kundgebungen wandte sich die Partei sogar persönlich an die Ge- nossen. Die BBZ vom 17. März 1911 druckte eine kurze Notiz, in der an die „verheirateten Genossen […] das freundliche Ersuchen“ erging, ihren Frauen die Teilnahme an den Frau- enwahlrechtsversammlungen „tunlichst zu ermöglichen“, und sie „soweit das unbedingt erforderlich sein sollte, im Hauswesen […] zu vertreten“. Hatte Luise Zietz in der Gleichheit die Frauen aufgefordert, ihre Recht auf den Versammlungsbesuch dem Partner gegenüber geltend zu machen und durchzusetzen, so wurden hier die Ehemänner also freundlich „er- sucht“, ihren Ehefrauen den Versammlungsbesuch zu gewähren.39 Zwar wollte die Partei eine erfolgreiche Versammlung durchführen und möglichst viele Frauen sollten an ihr teilnehmen, doch das sollte die tradierte Arbeitsteilung und Geschlechterhierarchie in den Arbeiterfamilien nicht in Frage stellen. Am Sonntagnachmittag des 19. März 1911 drängten sich die Arbeiterfrauen in die bei- den großen Versammlungssäle in Bremen. Die Veranstaltungsorte Casino Auf den Häfen und die Turnhalle an der Bremerhavener Straße waren traditionelle Versammlungsorte der Sozialdemokraten, die jetzt auch von den Frauen beansprucht wurden. Im Casino fan- den alle politisch wichtigen Veranstaltungen statt. Hier hatte 1910 auch Rosa Luxemburg gesprochen. Die Turnhalle lag mitten in dem Arbeiterstadtteil Walle/Gröpelingen in der Nähe der großen Werften. Die beiden Rednerinnen Auguste Bosse40 und Grete Simon waren führende Sozial- demokratinnen in der Bremer SPD. Auguste Bosse war bereits 1891 eine der sechs weib- lichen Delegierten auf dem Erfurter Parteitag gewesen und hatte lange Jahre die Frauen im SPD-Vorstand vertreten. Grete Simon wurde dort ihre Nachfolgerin. Sie nahm im Sep- tember 1911 an der Reichsfrauenkonferenz teil und war dann Delegierte auf dem anschlie- ßenden Parteitag in Jena. Beide Rednerinnen verlangten das Frauenstimmrecht im Namen der Rechtsgleichheit beider Geschlechter. Sie stützten sich in ihrer Argumentation auf die Erklärungen, die in dem Flugblatt zum Frauenwahlrecht verbreitet worden waren. Auguste Bosse setzte sich in ihrer Rede mit den Gegnern des Frauenwahlrechts auseinander, die den Frauen die politische Reife zur Teilnahme an Wahlen absprächen. Sie hielt ihnen entgegen, dass das keinesfalls ein Maßstab sein könne, denn die Wahlkämpfe zeigten, dass unter den wahl- berechtigten Männern, die „ihre Stimme manchmal gerade ihren Unterdrückern geben, […] ein großer Teil noch viel unreifer sei als viele Frauen“. Grundsätzlich gelte die Forde- rung, da die Frauen „kommunale und staatliche Lasten“ trügen, müssten sie endlich auch 54 Der Internationale Frauentag

„kommunale und staatliche Rechte“ erhalten. Sie schloss mit dem Hinweis, dass nur die Sozialdemokratie rückhaltlos für die Rechte der Frauen eintrete und nur zu ihr könnten die Frauen des Proletariats Vertrauen haben. Am zweiten Versammlungsort in Walle/Gröpelingen waren „600–700 Besucher, meis- tens Frauen und Mädchen“ versammelt. Grete Simon ging in ihrem Redebeitrag auf die soziale Lage der Arbeiterfrauen ein, die besonders unter der Preistreiberei im Jahr 1911 zu leiden hatten. „Unter der Heiterkeit der Frauen [verlas die Rednerin] das Kochrezept eines Fabrikanten, nach dem einer vierköpfigen Familie für 2,85 M die ganze Woche das Mittagessen gekocht werden kann.“ Um solche Aktionen der Kapitalisten und ihre „Wu- cherpolitik“ endlich zu beenden, müssten sich die Frauen mit den Arbeitern verbünden. „Mit den Frauen im Bunde, schloß die Rednerin, werden die Arbeiter das kapitalistische Joch und die Privilegienwirtschaft überwinden.“ Zum Abschluss wurde in beiden Bremer Versammlungen die Wahlrechtsresolution an- genommen, die allen Versammlungen in Deutschland vorgelegt worden war. Sie fasste die zentralen politischen Argumente der SPD zusammen: Die Forderung nach dem Frauen- wahlrecht ist ein soziales Recht, das aus der gesellschaftlichen Stellung der Frau im Ka- pitalismus resultiert. Der Kampf der Frauen ist Teil des großen politischen Kampfes um die Durchsetzung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Zur Durchsetzung dieser Forderung stellen sich die Frauen „in die Reihen der Sozialdemokratie“.41 Den Abschluss der Versammlungen bildete der gemeinsame Gesang der Arbeitermarseillaise. Doch damit war der Frauentag nicht beendet. Im Anschluss an die Kundgebung in der Turnhalle Bremerhavener Straße zogen die Frauen in die Innenstadt vor das Rathaus. Am Montag, dem 20. März 1911, berichtete die Bremer Bürger-Zeitung darüber: „Großes Aufse- hen erregte es, als etwa 200 Frauen und Mädchen in Begleitung einzelner Männer von der Bremerhavenerstraße durch die Landwehrstraße, Lützowerstraße, Nordstraße und dem Doventor zur Altstadt bis zum Marktplatz spazierten. Arbeiterlieder und Hochrufe auf das Frauenwahlrecht und das allgemeine, gleiche Wahlrecht schallten den verdutzten Bürgern einer ehrsamen Hansestadt entgegen.“42 Dass Frauen aus den Arbeiterquartieren an den Ort repräsentativer Öffentlichkeit zo- gen, vor das zentrale Gebäude bürgerlich männlicher Herrschaft, das Bremer Rathaus mit seinem Marktplatz, „dünkt den Spießer als etwas ganz Unerhörtes“43. Die Demonstrantin- nen aber „gratulierten sich zu ihrem ersten Erfolg im Kampf um das Frauenwahlrecht.“44

Bilanz des ersten Internationalen Frauentages

Für die SPD in Bremen war der erste Frauentag ein Erfolg. Es war gelungen, die Arbeiter- frauen anzusprechen und viele zur Teilnahme an den Kundgebungen zu bewegen. Sie hatten dort, vorgetragen von den SPD-Frauen, die Forderungen und Argumente der So- zialdemokratie angehört und in einer Resolution zugestimmt. Einige waren noch einen Schritt weitergegangen, sie demonstrierten im öffentlichen Raum für ihre Forderung nach dem Frauenstimmrecht. Am 19. März 1911 traten die sozialdemokratischen Frauen als eigenständige politische Kraft in Erscheinung. Die gesamte Partei gewann unter den Arbeiterfrauen an Ansehen und erhielt Zustimmung für ihre Politik. Dafür gab es ein messbares Ergebnis: Am Ende des Jahres hatte die SPD in Bremen 450 neue weibliche Mitglieder. Das war nach dem großen Mitgliederanstieg durch Eingemeindungen im Jahr 1909 bis 1914 die höchste Zahl an Neueintritten in einem Jahr.45 1910 bis 1914 55

Auch in den anderen Städten Deutschlands stießen die SPD-Aktionen zum Frauentag auf ein positives Echo. Vielerorts erlebten die Bürger demonstrierende Frauen, die für ihre Rechte auf die Straße gingen. Im Anschluss an die Kundgebungen waren viele Frauen Mitglieder der SPD geworden. Diese Aktionen hatten auch in die bürgerliche Frauenbe- wegung ausgestrahlt. So nahmen an der Versammlung in der neuen Friedrichstraße in Berlin Frauen der Frauenstimmrechtsbewegung teil. An anderen Orten wurden Grußad- ressen überbracht.46 Und die Verbindung riss nicht ab. Minna Cauer, eine der bedeutenden Führerinnen der bürgerlichen Frauenstimmrechtsbewegung, berichtete in der von ihr he- rausgegebenen Zeitung Die Frauenbewegung begeistert über die neue Initiative der SPD- Frauen und das Engagement der Arbeiterfrauen für das Frauenwahlrecht.47 Im September nahm sie dann sogar als Gast an der Frauenkonferenz der Sozialdemokratinnen und am anschließenden Parteitag der SPD in Jena teil.48 Trotz erheblicher Differenzen und Ab- grenzungen gegenüber der bürgerlichen Frauenbewegung gab es auch Begegnungen und Berührungspunkte besonders zum radikalen Flügel. Auf der Frauenkonferenz der Sozialdemokratinnen am 8. und 9. September 1911 in Jena zogen die Delegierten eine positive Bilanz des Frauentages. Luise Zietz sprach in ihrem Bericht an den Parteitag, der im Anschluss an die Frauenkonferenz auch in Jena stattfand, von einer „wuchtigen“ Veranstaltung.49 Nach ihrer Auffassung waren dafür nicht nur die „Kundgebungen zugunsten des vollen Bürgerrechts der Frau“ verantwortlich, son- dern vor allem „wurde die alte sozialdemokratische Programmforderung mitten in den Vordergrund des Interesses gerückt und die Frauen selbst sind die Träger dieser Forderung gewesen“.50 Dass nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, Dänemark und der Schweiz am gleichen Tage die Sozialistinnen und Arbeiterfrauen ihre Stimmrechtskund- gebungen veranstalteten, habe die Frauen besonders „angefeuert und begeistert“.51 Mit dem Agitationstag hatte die sozialdemokratische Frauenbewegung neuen Auftrieb für ihre politische Arbeit erhalten. Um diesen Erfolg auch für die Zukunft zu sichern, stellte Clara Zetkin auf der Frauenkonferenz den Antrag auf Fortsetzung des Frauentages im Jahr 1912.

„In Würdigung der vorzüglichen Resultate, die der erste sozialdemokratische Frauen- tag gezeigt hat, beschließt die Frauenkonferenz in Jena, im Jahre 1912 die Veran- staltung zu wiederholen. Die Festsetzung des Termins und der Bedingungen für die Durchführung erfolgen durch den Parteivorstand.“52

Die inhaltliche Ausgestaltung des Tages und die Festlegung des Datums sollte dem Partei- vorstand überlassen bleiben. Ihre Begründung lautete: „Wir wissen nicht, wie die politische Situation bei den Reichstagswahlen sich gestalten wird. […] Überlassen wir darum die Festsetzung des Tages jener Instanz, die bisher mit väterlicher Weisheit und väterlichem Wohlwollen unsere Bewegung unterstützt hat, nämlich dem Parteivorstand.“53 Die De- legierten quittierten diesen Hinweis auf die patriarchalen Verhältnisse in der Organisation mit „großer Heiterkeit und Beifall“.54 Die Männerwelt auf dem anschließenden Parteitag sah in dem Frauentag kein Ereig- nis, dem man besondere Aufmerksamkeit schenken musste. Die Delegierten nahmen den kurzen Bericht von Luise Zietz ohne Kommentar zur Kenntnis. Der Antrag von Clara Zet- kin wurde an den Parteivorstand weitergeleitet, und dieser beschloss, den Internationalen Frauentag 1912 am 12. Mai stattfinden zu lassen. Doch zuvor engagierten sich die SPD-Frauen zunächst noch im Wahlkampf der Reichs- tagswahlen vom 12. Januar 1912. Noch auf der Frauenkonferenz in Jena hatte Clara Zetkin 56 Der Internationale Frauentag in einem Grundsatzreferat die Bedeutung dieser Wahlen erläutert und die sozialdemokra- tischen Frauen zur aktiven Beteiligung aufgerufen.55

„Wer nicht wählen kann, soll wühlen“ – Frauentage 1912 und 1913

Die sozialdemokratischen Frauen und die Reichstagswahlen – Januar 1912

Wahlkämpfe waren für die SPD eine gute Gelegenheit, ihre politischen Positionen und ihre Gesellschaftskritik in der Öffentlichkeit vorzutragen. Die Partei hatte sich in den Jahren seit der letzten Wahl 1907 zu einer gesellschaftlichen Kraft entwickelt, die die herrschen- den Kreise als Bedrohung wahrnahmen. So war abzusehen, dass die bürgerlichen Parteien im Wahlkampf massiv gegen die Sozialdemokratie auftreten würden. „Die bevorstehenden Reichstagswahlen werden wahrscheinlich die Ufer des gewöhnlichen Ringens um Mandate zwischen den politischen Parteien übersteigen. Sie werden sich zu einer riesigen, wild aufgepeitschten Welle des Klassenkampfes zwischen den Besitzenden und den ausgebeu- teten Schichten des Volkes erheben.“56 So fasste Clara Zetkin auf der Frauenkonferenz in Jena ihre Erwartungen für den Wahlkampf zusammen. In dieser Klassenauseinanderset- zung galt es, alle Kräfte zu mobilisieren. Dazu wollte die Partei auch die Frauen als Wahl- helferinnen heranziehen und die SPD-Frauen sahen in der Beteiligung die Chance, an die Stimmrechtsaktionen des Frauentages anzuknüpfen und erneut öffentlich in Erscheinung zu treten. Wenn die Frauen auch selbst nicht stimmberechtigt waren, so konnten sie doch mit der Beteiligung am Wahlkampf ihren Anspruch auf gleichberechtigte Präsenz im öf- fentlichen Raum sichtbar machen. Denn „es gilt das alte Wort: Wer nicht wählen kann, soll wühlen“.57 In Bremen kandidierte für die SPD Alfred Henke, Redakteur der Bremer Bürger-Zei- tung, mit dem sich in der Partei ein Vertreter der radikalen Linken als Wahlkreiskandidat durchgesetzt hatte. Er war wiederholt als Abgeordneter in der Bürgerschaft für das Frau- enwahlrecht eingetreten. Jetzt, im Jahr 1912, war er angetreten, um den Bremer Wahlkreis für die SPD zurückzugewinnen. Dazu mussten alle Kräfte eingespannt werden. Auch des- halb war der Partei der Einsatz der Frauen wichtig. Die Parteizeitung druckte gleich zum Auftakt des Wahlkampfes eine Artikelserie am 7., 8. und 9. Dezember unter dem Titel „Die Proletarierinnen rechnen ab“. In der Reportage wurden die Regierungsmaßnahmen aufgezählt, die die Lebensbedingungen der Arbeiter- frauen im Verlauf der letzten Legislaturperiode verschlechtert hatten und die Frauen dazu aufgerufen, in ihrem sozialen Umfeld, im Familien- und Freundeskreis ihren persönlichen Einfluss geltend zu machen und für den Kandidaten der SPD zu werben. „[…] letzten Endes wird es nicht auf diese Bereitwilligkeit ankommen, sondern einzig und allein darauf, ob das Proletariat stark genug sein wird, um seine Interessen gegen die vereinigte Reaktion, gegen das vereinigte Ausbeuterpack durchzusetzen. […] Proletarierinnen! Rüttelt die wahlfähigen Männer auf, daß sie alle von ihrem Rechte in richtiger Weise Gebrauch machen.“58 Zugleich bot der Wahlkampf engagierten Frauen die Möglichkeit, in der männerdo- minierten Parteiwelt als gleichwertige politische Akteurinnen in Erscheinung zu treten. Bereits zum 6. Dezember 1912 hatte der Bremer Verein für Frauenstimmrecht zu einer 1910 bis 1914 57

Volksversammlung eingeladen. Vor 600 bis 700 TeilnehmerInnen sprach Minna Cauer zum Thema „Die Frauen und die Reichstagswahlen“. Sie setzte sich mit den Parteiprogrammen der bürgerlichen Parteien auseinander, die alle in der Frage des Frauenwahlrechts keine klare Haltung einnahmen. Anders dagegen die Sozialdemokratie, „die hat die Forderung des Frauenwahlrechts in ihr Programm aufgenommen“.59 Sie berichtete über ihre Teilnah- me am SPD-Parteitag des Jahres 1911, wie sehr sie „erstaunt gewesen sei über den Fort- schritt der sozialdemokratischen Frauenbewegung“.60 Sie zeigte offen ihre Sympathien für die SPD. Nur dort wurden, nach ihrer Auffassung, die bürgerlichen Frauenforderungen nach Gleichberechtigung ernst genommen und in den politischen Tageskampf einbezogen. Die anschließende Diskussion nutzten die Sozialdemokratinnen, um ihre Positionen auch einem bürgerlichen Publikum vorzutragen. Es sprachen Auguste Bosse und Hanna Harder61, die zu diesem Zeitpunkt Vorsitzende des Dienstmädchenvereins war und im Auftrag des Arbeitersekretariats eine Beratungsstelle und Stellenvermittlung für Dienstmädchen leitete. Hanna Harder war „mit 81 Dienstmädchen in dieser Versammlung erschienen. Davon seien nur noch zwei anwesend, weil die übrigen keinen Hausschlüssel bekommen hätten. Es wäre recht gut, wenn die bürgerlichen Frauen auch für die Gleichberechtigung der Dienstmädchen eintreten würden.“62 Nicht nur die SPD-Frauen meldeten sich zu Wort, auch Alfred Henke als Wahlkreiskandidat nutzte die Chance, vor diesem gemischten Publikum zu sprechen. Er wies in seinen Redebeiträgen nach, dass die SPD besonders in Bremen die konsequenteste Vertreterin für das Frauenwahlrecht gewesen sei und dass er für diese Positionen gemein- sam mit den anderen Genossen auch im Reichstag eintreten werde. Das Engagement der Sozialdemokraten könnten die Anwesenden schon daran ablesen, dass kein anderer Par- teienvertreter außer ihm, dem Sozialdemokraten, auf dieser Versammlung anwesend sei.63 Auch auf den eigenen Wahlveranstaltungen waren die Frauen nicht nur passive Teil- nehmerinnen. Es gab eine ganze Reihe von Wahlversammlungen, auf denen die Frauen als Rednerinnen auftraten.

BBZ vom 6. Januar 1912. 58 Der Internationale Frauentag

So sprach Wilhelmine Kähler aus Berlin auf der SPD-Wahlveranstaltung in der Bremer Neustadt am 15. Dezember 1911 vor annähernd 3.000 Personen.64 Das Bremer Beispiel zeigte, dass die Frauen wesentlich zu dem großen Wahlsieg der deutschen Sozialdemo- kratie bei den Reichstagswahlen am 12. Januar 1912 beigetragen hatten. Im Wahlkreis der Freien Hansestadt Bremen „gelang der Sozialdemokratie ein überzeugender Sieg. Ihr Stimmanteil von 53,4 Prozent [...] war der höchste in der Zeit bis 1914.“65 Doch als die Bremer Bürger-Zeitung den Sieg feierte, war viel von der Hingabe und der Energie der „Arbeiterschaft im bremischen Wahlkreis“ die Rede, die Arbeit und der Einsatz der Frauen blieben unerwähnt.

„Gebt Raum den Frauen” – Frauentag 1912

Als es darum ging, den zweiten Internationalen Frauentag vorzubereiten, konnten die Bremer Sozialdemokratinnen an vorangegangene Aktionen zum ersten Frauentag sowie an die Wahlkampfeinsätze anknüpfen. Außerdem gab es wieder politische und organisa- torische Unterstützung durch die Parteiführung und die Generalkommission, die die örtli- chen Parteileitungen und Gewerkschaftskartelle zur intensiven Agitation aufforderten. Die Gleichheit erschien wieder mit einer Sondernummer und es gab erneut ein Massenflug- blatt für Werbeaktionen.66 Die BBZ veröffentlichte im Vorfeld mehrere Artikel zum Thema Frauenwahlrecht. Einer davon trug die Überschrift „Gebt Raum den Frauen“67. In dem Beitrag wurde der Anspruch der Frauen auf politische Mitbestimmung in Staat, Land und Gemeinde betont: „Auch wir Frauen wollen das Recht haben, den Herren auf die Finger zu sehen und nötigenfalls auch mal derbe zu klopfen. Zu den schweren Pflichten, die man uns seit langem an den Hals geworfen hat, fordern wir die staatsbürgerlichen Rechte.“68 Allerdings war der Termin, der 12. Mai 1912, für den Frauentag nicht gut gewählt. Nur wenige Tage nach den Maifeierlichkeiten wurde es schwierig, die Genossinnen und Genos- sen erneut zu Großeinsätzen und Flugblattverteilaktionen zu bewegen. Trotzdem waren die Organisatorinnen optimistisch.

Grete Simon hatte als Vorstandsmitglied zu drei parallelen Frauenversammlungen ein- geladen (BBZ vom 8. Mai 1912).69

Die SPD erwartete eine rege Beteiligung, deshalb waren neben dem zentral gelegenen Ca- sino Auf den Häfen auch noch zwei Versammlungsräume in den Arbeiterwohnquartieren 1910 bis 1914 59 angemietet worden, und zwar in Walle/Gröpelingen und in der Neustadt, beides sozial- demokratische Hochburgen. Am Montag nach den Veranstaltungen musste man den Bericht „Zum Frauentag“ in der BBZ fast mit der Lupe suchen. Er war in kleinen Lettern gesetzt und stand zwischen diversen Kurzinformationen. Die Notiz bestand aus der resignierenden Fest- stellung: „In drei öffentlichen Frauenversammlungen wurde gestern für das Frauenwahl- recht demonstriert. Der Besuch dieser Veranstaltungen hätte angesichts der Wichtigkeit der Tagesordnung sowie der Bedeutung des Internationalen Frauentages ein besserer sein müssen.“70 Das war eine herbe Enttäuschung, zumal die Zeitung in einer weiteren Beilage derselben Ausgabe auf einer ganzen Seite die Erfolgsmeldungen der anderen Städte auflistete. Dass sich im Anschluss an diese Versammlungen dreihundert Frauen, Kinder und Män- ner zu einem Demonstrationszug durch die Stadt formierten, war dem Berichterstatter der Parteipresse offensichtlich entgangen. Dafür hatte die Polizei auf die Demonstrierenden ein wachsames Auge.

Ausschnitt aus dem Polizeibericht über die Frauendemonstration.71 60 Der Internationale Frauentag

Der Bremer Verkehrspolizist Röder verfasste über das Ereignis den folgenden Bericht:

„Heute nachm. 5.15 Uhr sah ich auf Stehposten, Domshof, daß zirka 300 sozialde- mokratische Frauen, 20 Kinder und etwa 10 – 15 Männer vom Markt kommend im geschlossenen Zuge nach dem Domshof zogen, wobei die Menge die Arbeitermarseil- laise sang und öfter ein Hoch auf das allgemeine und gleiche Wahlrecht ausbrachte. Mitten auf dem Domshof schloß sich die Menge zusammen und hielt einer von den Männern eine Rede, wurde aber daran gehindert, indem ich die Menge aufforder- te weiterzugehen. Meiner Aufforderung kamen sämtliche Personen sofort nach und entfernten sich durch den Schüsselkorb nach dem Herdentor zu. Die Menge beging auf dem Domshof das Trottoir, unter anderem auch die rechte Seite der Fahrstraße. Der Umzug war geeignet die öffentliche Ruhe und Ordnung auf der Straße zu stören.“

Mit dieser Demonstration hatte die Polizei nicht gerechnet und so gab es nur den Verkehrs- polizisten, der an der Kreuzung Domshof den Verkehr regelte und mit dem ungewöhnlichen Demonstrationszug wohl überfordert war. So musste er sich nachträglich belehren lassen, „daß er unter allen Umständen die Personalien des Redners oder der verantwortlichen Veran- stalter hätte ermitteln müssen. In dieser Beziehung wird sich jetzt nichts mehr tun lassen.“72 Die Bremer Polizei war offensichtlich noch nicht darauf eingestellt, dass eine sozial- demokratische Frauenbewegung die offensiven Protestformen ihrer Genossen übernahm und die Frauen auch auf den Straßen und Plätzen der Stadt demonstrierten. Doch schon bald hatte die Polizei sich umgestellt und konnte auf der Frauendemonstration 1914 bewei- sen, dass sie gegenüber dem „schwachen Geschlecht“ durchaus hart durchgreifen konnte.

Ein Frauentag unter anderem Namen

Auf dem Parteitag in Chemnitz 1912 hatte Luise Zietz in ihrem Bericht zur „Frauenbe- wegung“ ein positives Bild von den Frauentagaktionen im Mai des Jahres gezeichnet. Sie hatte die doppelte Bedeutung des Tages hervorgehoben. „Natürlich diente der Frauentag nicht nur der Propaganda für das Frauenwahlrecht, sondern er diente gleichzeitig der politischen Organisierung der Wahlrechtskämpferinnen und er brachte uns deshalb eine ansehnliche Verstärkung der Zahl unserer weiblichen Mitglieder.“73 Luise Zietz und auch Clara Zetkin betonten in den Parteiauseinandersetzungen immer wieder, dass zwischen den Aktionen am Frauentag und der Werbung vor allem weiblicher Mitglieder ein un- mittelbarer Zusammenhang bestand. Auch jetzt auf dem Parteitag wollte Luise Zietz die Männermehrheit mit dem Hinweis auf den Frauentag als Rekrutierungsmittel davon über- zeugen, dass sie der Fortführung des Frauentages im Jahr 1913 zustimmten. Der Parteitag folgte ihrer Empfehlung und überwies den Beschluss an den Vorstand zur praktischen Umsetzung mit der Maßgabe, „den Frauentag künftig im März abzuhalten“.74 Am 7. November 1912 tagte der Parteiausschuss, ein „auf dem Parteitag 1912 geschaf- fenes Gremium aus Vertretern der Bezirks- und Landesvorstände, das eine Gutachter- funktion in den vor den Parteivorstand kommenden Fragen hatte“.75 Diesem Ausschuss lag der Antrag über die Durchführung des Frauentages zur Entscheidung vor. In der Debatte zeigte sich, dass es in diesem Gremium eine starke Fraktion gab, die grundsätz- lich das neue Projekt eines Frauentages ablehnte. Die Gruppe konnte außerdem darauf verweisen, dass die Frauenversammlungen 1912 an vielen Orten „ein Fiasko“ gewesen 1910 bis 1914 61 waren, wie auch Luise Zietz in dieser internen Beratung zugeben musste. Sie schlug deshalb einen Kompromiss vor: „Wir empfehlen den Frauentag zwar nicht jährlich, aber nach Bedarf abzuhalten. […] Im nächsten Jahr soll er stattfinden, schon mit Rücksicht auf die preußischen Landtagswahlen.“ Doch die Kritiker und Gegner waren nicht um- zustimmen. „Es wurde mit großer Mehrheit abgelehnt, den Frauentag im nächsten Jahr stattfinden zu lassen.“76 Clara Zetkin und Luise Zietz versuchten gemeinsam, diesen Beschluss rückgängig zu machen. Es gelang ihnen, eine Sondersitzung des Parteiausschusses für den 31. Januar 1913 durchzusetzen, an der auch Clara Zetkin als Internationale Sekretärin der sozialis- tischen Frauenbewegung teilnahm. Sie wies in ihrem Diskussionsbeitrag darauf hin, dass die Durchführung des Frauentages 1913 vor allem in Hinblick auf die Vorbereitungen der ausländischen Genossinnen erforderlich sei. Für die Frauenbewegungen der anderen Länder hätten die Frauentage der deutschen Sozialdemokratinnen Vorbildcharakter. Um die positive internationale Entwicklung weiter voranzubringen, müsse der Frauentag in Deutschland auch im Jahr 1913 stattfinden. Um diesen internationalen Bezug auch nach außen deutlich werden zu lassen, sollte sich der Frauentag in Deutschland an das bereits in den anderen Ländern festgelegte Datum, den 2. März, anschließen. Zum Abschluss ihrer Rede stellte sie den Antrag, dass der erste Beschluss des Parteiausschusses rückgängig ge- macht werden sollte. Ein Teil der Anwesenden unterstützten Clara Zetkins Anliegen, auch die beiden Vorstandsmitglieder der Bremer SPD stimmten für ihre Vorlage. Allerdings reichte das nicht für eine Mehrheit. Letztlich wurde ein bemerkenswerter Kompromiss er- zielt: Der Beschluss vom 7. November wurde nicht zurückgenommen, doch eine Mehrheit des Ausschusses sprach sich für „die Abhaltung von Frauenversammlungen am 2./3. März aus“. Damit waren für 1913 zwar Wahlrechtsversammlungen genehmigt, aber sie durften nicht als Frauentagsveranstaltungen firmieren.77 In dieser Entscheidung manifestierte sich eine unter den Parteifunktionären verbreitete Haltung gegenüber der sozialdemokratischen Frauenbewegung. Frauenthemen wie das Frauenstimmrecht waren für sie von zweitrangiger Bedeutung. Doch sie betonten immer wieder: „Die Agitation unter den Frauen muß bedeutend mehr gefördert werden“ –, so zum Beispiel der Delegierte Erhard Auer, Leiter des bayerischen Landessekretariats der SPD, auf dem Parteitag im September 1913.78 Sie wollten Frauen fördern, denn weibliche Mitglieder waren durchaus willkommen. Auch Frauenversammlungen hielten sie für wir- kungsvolle Propagandaaktionen. Solche Frauenarbeit konnten sie kontrollieren, sie war von ihrer Zustimmung abhängig. Doch sobald die Frauen selbstständig für ihre politische Gleichberechtigung in Erscheinung traten, versuchten sie, die eigenständigen Initiativen zu unterbinden. Sie spürten, dass der Internationale Frauentag zum Symbol einer unab- hängigen Frauenarbeit der SPD-Frauen zu werden drohte und hätten deshalb das Projekt am liebsten verschwinden lassen. Zunächst jedenfalls durfte zumindest der Begriff für die Frauenwahlrechtsveranstaltungen 1913 nicht benutzt werden.

„Große Frauen-Demonstrationsversammlung“ – Frauentag 1913

Da die endgültige Entscheidung über den Termin zu den Frauentagsveranstaltungen erst Ende Januar fiel, blieben auch den BremerInnen nur vier Wochen Zeit zur Vorbereitung. Die Bremer Bürger-Zeitung begann ihre Kampagne am Samstag, dem 22. Februar 1913, in 62 Der Internationale Frauentag ihrer Rubrik „Frauenbewegung“. Unter dem Titel „Proletarierinnen, rüstet zu neuer Heer- schau“ wurden die Frauen zusammengerufen, um „die Wälle der Ungerechtigkeit zu spren- gen“ und die Macht des gemeinsamen Handelns zu demonstrieren.79 Auf der Titelseite der BBZ vom 28. Februar erschien ein Leitartikel zum Frauenwahl- recht. Dabei hielt sich die BBZ an den Beschluss der Parteiführung. In keiner ihrer Ver- öffentlichungen kam der Begriff „Internationaler Frauentag“ vor, stattdessen hieß es „Frauenwahlrechtstag“. 80 In diesem Jahr konzentrierten sich die Sozialdemokratinnen in Bremen auf eine „Große Frauen-Demonstrationsversammlung“ am 4. März 1913. Sie hatten aus den schlecht be- suchten Veranstaltungen des Vorjahres gelernt.

BBZ vom 4. März 1913.

Das war eine richtige Entscheidung gewesen. Die BBZ berichtete am 5. März über eine „imposante Frauenversammlung“. Die Genossin Grete Simon, die bereits 1911 auf dem Frauentag gesprochen hatte, war für die erkrankte Referentin aus Berlin eingesprungen. In ihrer Rede forderte sie für die Frauen „in den Parlamenten Sitz und Stimme“. Ob es sich um die Lohnabschläge bei den Frauenlöhnen handele oder die Krankenversicherung und mangelnden Schutz der Wöchnerinnen, nie könnten die Frauen die politischen Entschei- dungsprozesse beeinflussen. Erst mit dem Stimmrecht könnten sie selbst im Parlament für ihre Interessen eintreten. Die Versammlungsleitung hatte die neu gewählte Frauenvertreterin Helene Schweida.81 In ihrem Redebeitrag wies sie darauf hin, dass nirgendwo „die Frauentugenden so besun- gen werden wie in Deutschland, aber nirgends scheint man auch mehr von der geistigen Unfähigkeit der Frau überzeugt zu sein. Etwas weniger Lob und etwas mehr Berücksichti- gung unserer Forderungen wäre uns entschieden lieber.“82 Wie in den Jahren zuvor wurde am Ende der Versammlung eine Resolution verabschie- det, in der sich die Teilnehmerinnen verpflichteten, „dass sie sich in die Reihen der Sozial- demokratie stellen und mit Leidenschaft und Ausdauer für die Erringung des allgemeinen gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts [...] kämpfen wollten. Die Versammelten ge- loben, mit Eifer sich nach wie vor am Kampfe gegen das reaktionäre Achtklassenwahlrecht in Bremen [zu] beteiligen.“83 Sowohl die Rede Grete Simons wie auch die Resolution wiederholten das Argumen- tationsmuster, mit dem die Sozialdemokratinnen den Rechtsanspruch auf das Frauen- stimmrecht begründeten. Immer waren solche Erklärungen verbunden mit der Aufforde- rung zum Eintritt in die SPD. Mit dieser Methode der regelmäßigen Wiederholung wurden 1910 bis 1914 63 die Grundideen im Bewusstsein der Teilnehmerinnen verfestigt. Die Frauen versammelten sich nun schon zum dritten Mal als eine Gruppe Gleichgesinnter: Die inhaltliche Überein- stimmung der Resolution von 1913 mit den Resolutionen aus den vorangegangenen Jahren verband die Frauentage untereinander zu einem Gesamtprojekt. In der Ausgabe vom 5. März 1912 druckte die Bremer Bürger-Zeitung einen weiteren Bericht über eine Frauenversammlung. Er kam aus der ländlichen Region des Bremer Umlands, aus Arsten. Dort hatte zum ersten Mal eine Veranstaltung stattgefunden. Die Veranstalterin berichtete mit einigem Stolz von „unserem Frauentag“ und zitierte die Red- nerin: „Wie viele Früchte der Gedanke eines einheitlichen Frauentages seitdem getragen hat, das zeigt die Tatsache, daß in diesem Jahre sich selbst die russischen Frauen an- schicken mitzumachen.“84 Für die Frauen war die Idee des länderübergreifenden Aktions- und Protesttages eine wichtige Triebfeder für die eigene Frauenversammlung gewesen.85 Der Wunsch der Parteiführung, den Frauentag wieder verschwinden zu lassen, ging also nicht in Erfüllung. Der Bericht aus Arsten offenbarte vielmehr, dass über Reden, politi- sche Erklärungen und Wahlrechtsforderungen hinaus die Zusammenkünfte den Frauen ein Gefühl eigener Stärke vermittelten. Am Internationalen Frauentag demonstrierten die Sozialdemokratinnen selbst in kleinen Gemeinden, dass sie ihre politischen Interessen eigenständig in der Öffentlichkeit vortragen konnten. Es ist ersichtlich, dass die Frauen an „ihrem Tag“ festhalten wollten.

Nach dem Gesetz der Serie – Frauentag 1914

„Wir ersuchen Sie, uns für das kommende Jahr den Frauentag zu gewähren“ – SPD-Parteitag September 1913

Es war dieser Siegeszug des Frauentages, der den Widerstand im Parteiausschuss und im Vorstand gegen das Projekt „Internationaler Frauentag“ verstärkte. Die Partei musste sich nach den Veranstaltungen 1913 „mit der Wucht des Gesetzes der Serie auseinander- setzen“.86 Denn dem Parteitag 1913 lag der Antrag vor, im Jahr 1914 wieder einen Interna- tionalen Frauentag abzuhalten. Mit der Zustimmung zu dem Antrag würde der Frauentag das vierte Mal in Folge stattfinden und die Parteiführung befürchtete, dass die Frauen da- raus den Anspruch ableiten könnten, den Frauentag regelmäßig jedes Jahr durchzuführen. Um Diskussionen auf dem Parteitag gar nicht erst aufkommen zu lassen, hatte der Par- teiausschuss bereits vor dem Parteitag festgelegt, dass der Frauentag nicht mehr jährlich stattfinden sollte. Sich darauf berufend wies der Vorstand den Antrag an den Parteitag, 1914 einen Frauentag zu veranstalten, zurück.87 Gegen dieses Vorgehen, dem Parteitag die Entscheidung über den Frauentag zu entziehen, gab es Protest und so entschloss sich die Konferenzleitung, den Antrag auf dem Parteitag doch noch zuzulassen.88 Die Antragstellerinnen signalisierten von Beginn an Kompromissbereitschaft. Sie ver- folgten ihre bisherige Strategie, eine Grundsatzdebatte zu vermeiden und nur darauf zu drängen, dass der Parteitag ein weiteres Jahr die Durchführung des Frauentages geneh- migte. Entsprechend fasste die Delegierte Helene Brandenburg aus Hamburg das Anliegen der Frauen mit den Worten zusammen: „Wir ersuchen sie, uns für das kommende Jahr den Frauentag zu gewähren […]. Nehmen sie unseren Antrag an, kommen Sie uns so, wie wir es von Ihnen gewohnt sind, entgegen.“89 64 Der Internationale Frauentag

Die Frauen wussten, dass die Männer vor allem gegen eine Institutionalisierung des Frauentages waren, deshalb betonte Johanna Reitze, eine der Führerinnen der Hamburger Frauenbewegung, in ihrem Diskussionsbeitrag: „Auch die Genossinnen in Deutschland halten an der alljährlichen Wiederholung des Frauentages nicht unbedingt fest, aber die 27 weiblichen Delegierten sind der Überzeugung, dass wir 1914 den Frauentag abhalten müssen, damit wir unseren Genossinnen im Lande die Überzeugung beibringen können, daß auf der internationalen Frauenkonferenz in Wien auch eine internationale Verständi- gung des Frauentages stattfinden muß. Wir halten nicht unbedingt daran fest, daß er an ein und demselben Tage abgehalten wird, wir sind vielmehr der Meinung, dass eine ganze Woche dazu zur Verfügung stehen muß, denn wir wissen, welche Schwierigkeiten die Refe- rentenfrage, die Lokalfrage und sonstige örtliche Verhältnisse bereiten.“90 Johanna Reitze verwies auf ein politisches Ereignis, das auch für die Partei einige Be- deutung hatte: Für den Herbst 1914 war die dritte sozialistische Frauenkonferenz in Wien geplant und es war im Interesse der gesamten Partei, dass die deutsche Delegation dort auf erfolgreiche Frauentagaktionen verweisen konnte. Besonders positiv wurde der Vor- schlag von Johanna Reitze aufgenommen, den Frauentag nicht an einem bestimmten Tag abzuhalten, sondern ihn in eine Propagandawoche einzubinden. Es gelang, eine Mehr- heit der Parteitagsdelegierten zu überzeugen, und es wurde beschlossen, auch 1914 einen Frauentag auszurichten. Die praktische Umsetzung wurde dem Parteivorstand und dem Parteiausschuss übertragen. Diese griffen den Vorschlag von Johanna Reitze auf: 1914 sollte der Frauentag im Rahmen einer „Roten Woche“ im März stattfinden. Die Werbung neuer Mitglieder und weiterer Abonnenten für die Parteizeitung wurde mit den Demonstrationen und Versammlungen zum Frauenwahlrecht verbunden.

Rote Woche mit Internationalem Frauentag – 1914

Schriftzug auf dem Aktendeckel der Polizeiwache zur „Roten Woche“91 in Bremen 1914.

Wieder war es den Frauen gelungen, den Widerstand in der Partei zu überwinden und für 1914 einen Frauentag durchzusetzen. Die Vorbereitungen liefen nun schon mit einiger Rou- tine ab. Die Gleichheit fasste die Vorarbeiten in ihrer Ausgabe vom 21. Januar 1914 zusam- men: „Ein einfach geschriebenes, anfeuerndes Flugblatt. [...] Ferner werden wir an die poli- tische Presse anspornende Artikel und Notizen senden. [...] Das Arbeiterinnensekretariat wird in gleicher Weise durch die gewerkschaftliche Presse wirken. Zusammen mit dem Flug- blatt wird eine Resolution zur Versendung gelangen. Den Rednern und Rednerinnen diene zur Nachricht, dass schon Mitte Februar eine besondere Nummer der Parteikorrespondenz das wichtigste Material und Literaturangaben veröffentlicht. [...] Redaktion und Verlag der Gleichheit werden wiederum eine illustrierte Wahlrechtszeitung herausbringen.“92 Diese Materialzusammenstellung war bereits zu einem Standardprogramm geworden. 1910 bis 1914 65

Doch es kam wesentlich darauf an, dass die politischen Vorbereitungen an der Ba- sis aufgenommen und in praktische Politik umgesetzt wurden. Deshalb wandte sich die Gleichheit an die Frauen in den Ortsgruppen: „Genossinnen, mit dem Vorstehenden ist erschöpft, was wir vom Vorstand der Sozialdemokratie für das Gelingen unseres Frauen- tages tun können. Das übrige ist eure Sache!“93 Entsprechend packten die SPD-Frauen und die Parteiorganisation in Bremen 1914 ihr Vorhaben an. Dabei wurde die Parteizeitung zur Schaltstelle: Sie bereitete ihre LeserInnen mit Artikeln auf den Frauentag vor. Am 6. März wurde ein Bericht über den Lebens- und Arbeitsalltag der Proletarierin zur Titelgeschichte.94 Eine Reihe von Texten informierte über die Situation der Arbeiterfrauen in Bremen. Hanna Harder verfasste u.a. einen le- bendigen Beitrag über den Kampf der Dienstmädchen, außerhalb des Hauses nicht die diskriminierende Dienstbotenuniform, Häubchen, schwarzes Kleid mit weißer Schürze, tragen zu müssen, sondern sich mit Hut und Mantel als freie Bürgerinnen auf der Straße bewegen zu dürfen.95 Gleichzeitig half die Zeitung bei der Organisierung des Frauentages, indem sie Termine und Orte für Flugblattaktionen und zusätzliche Proben des Frauenchores veröffentlichte.

„Achtung Frauentag“ – Aufruf vom 7. März 1914 in der Bremer Bürger-Zeitung.

Zur Kundgebung am 10. März 1914 trafen sich die Frauen an ihren Parteilokalen im Stadt- teil, um dann gemeinsam aus den Arbeitervororten in die Innenstadt zum Versammlungs- lokal zu ziehen. Die Frauen traten selbstbewusster in der Öffentlichkeit auf als in den Jahren zuvor. Wa- ren die Ehemänner 1911 noch „freundlich ersucht“ worden, um einer „guten Sache“ willen den Frauen die Teilnahme an der Versammlung „zu ermöglichen“96, hieß es am 9. März 66 Der Internationale Frauentag

1914 im Aufruf zur Frauenversammlung kurz und bündig: „Wo die häuslichen Verhältnisse es nicht gestatten, daß Mann und Frau in diese Versammlung gehen, sollte jedenfalls die Frau die Versammlung besuchen und der Mann zurückstehen.“97 Das große Engagement – vor allem der Frauen – trug Früchte. Die beharrliche und kontinuierliche Arbeit der Jahre zuvor und die Kraftanstrengung in den letzten Wochen „ist durch den außerordentlich starken Besuch der gestrigen Frauenversammlung gut be- lohnt worden. Der Riesensaal des ‚Casino’ war dicht besetzt. Ein großer Teil der Besucher musste auf der Galerie Platz nehmen.“ Der Berichterstatter der BBZ schrieb am 11. März 1914, dass 3.000 BesucherInnen gekommen waren, „die Mehrheit davon Frauen“. Zum ersten Mal berichtete die Presse über Kulturbeiträge bei einer Versammlung zum Frauentag. Der Frauenchor umrahmte die Rede von Johanna Reitze. Diese setzte sich mit den prekären Lebensumständen der Arbeiterfrauen und der Arbeiterinnen auseinander und erklärte: „Die Philister sagen, die Frau ist dazu berufen, ihren natürlichen Beruf aus- zufüllen, ganz Mutter, ganz Hausfrau zu sein. Gerade das ist es, was die Sozialdemokratie erstrebt. Aber einen solchen Zustand müssen sich die Frauen erst erkämpfen. Heute muß sich die proletarische Frau erst die Frage vorlegen: Wie schaffe ich für mich, wie schaffe ich für meine Kinder ein Stückchen Brot? Der Kapitalismus entlohnt den Mann nicht so, daß er in der Lage wäre, allein für die Familie aufzukommen.“98 Johanna Reitze drückte damit den Wunsch vieler Arbeiterfrauen aus, sich endlich aus der schlecht bezahlten mü- hevollen Lohnarbeit zurückzuziehen, um sich wirklich um Haushalt und Kinder kümmern zu können. Doch sie formulierte das nicht als Problem der Proletarierfrauen, sondern als Programmpunkt sozialdemokratischer Politik. Diese Vorstellung vom Naturberuf der Frau als Mutter und Hausfrau war als bürgerliche Ideologie von den Sozialistinnen und vor al- lem in der Gleichheit immer entschieden zurückgewiesen worden. Dass Johanna Reitze in ihrer Rede dieses Frauenbild übernahm, zeigte, dass innerhalb der sozialdemokratischen Frauenbewegung durchaus unterschiedliche Ideen über die anzustrebende Fraueneman- zipation existierten. Johanna Reitze verfolgte das Thema in ihrer Rede nicht weiter. Sie wies vielmehr auf die SPD-Forderungen hin, die darauf abzielten, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, um für die Arbeiterinnen Lohnarbeit und Familien- pflichten besser zu vereinbaren. Nach der Rede gab es keinen weiteren Diskussionsbedarf. So schloss die Versammlung mit der Verabschiedung der Resolution und „mit einem dreifachen Hoch auf das Frauen- wahlrecht und die Sozialdemokratie. Im Laufe der Versammlung wurden achtzig neue Parteimitglieder und mehrere Abonnenten der ‚Bremer Bürger-Zeitung‘ gewonnen.“99 Anschließend zogen die KundgebungsteilnehmerInnen in die Innenstadt. Von der Poli- zei, die die Versammlung die ganze Zeit überwachte, wurde um 10.55 Uhr nachts „mittels Reichstelephons nach Wache VI gegeben, dass ca. 5.000 Personen singend in geschlosse- nem Zuge, durch die Strasse A. d. Häfen vom Casino aus nach der Stadt marschierten.“100 Die Polizei trat umgehend in Aktion. Sie nutzte dabei die Gelegenheit, das neu erworbene Polizeiautomobil zu erproben. Die BBZ berichtete am 12. März 1914 darüber. 1910 bis 1914 67

Eine Demonstration für das Frauenwahlrecht.101

Im Polizeibericht „über den Internationalen Frauentag zum Frauenwahlrecht am 19. 3. 1914“ wurde protokolliert, dass die Polizei bis gegen 12 Uhr nachts damit beschäftigt war, „Ansammlungen von Frauen zu zerstreuen“. „Um 12 Uhr, 50 Min. konnte auf Anordnung des Unterzeichneten in den Distrikten des I Verbandes der planmäßige Nachtdienst wieder aufgenommen werden.“102 Mit dieser Maßnahme bewies die Polizei, dass sie nicht nur in ihrer Ausrüstung auf dem neuesten Stand der Technik war, sondern dass sie sich auch auf die neuen weiblichen Massendemonstrationen der SPD-Frauen eingestellt hatte und ent- sprechend gegen die Demonstrantinnen vorgehen konnte. Die SPD in Bremen feierte nach der Roten Woche ihre Erfolge: 2.588 neue Parteimit- glieder – darunter 578 Frauen für Bremen Stadt und Land – sowie 1.132 neue Abonnenten der Bremer Bürger-Zeitung war die Bilanz.103 Der Frauenanteil in der Bremer Partei war damit auf 21,2 Prozent angestiegen. Die sozialistische Frauenbewegung in Deutschland war mit ihren 174.754 Mitgliedern104 zu einer Massenbewegung geworden. Die Frauen stell- 68 Der Internationale Frauentag ten eine politische Kraft dar, die in der Partei nicht mehr übersehen werden konnte. Mit diesem Ergebnis hätten die deutschen Sozialdemokratinnen vor der dritten internationa- len Frauenkonferenz in Wien einen glänzenden Auftritt gehabt. Doch auch das interna- tionale Treffen der Sozialistinnen ging im Kriegsgeschrei des Ersten Weltkrieges unter. Es sollte keine dritte Frauenkonferenz mehr geben.

Zwischenbilanz

Die Internationale sozialistischer Frauen hatte innerhalb der Arbeiterbewegung einen Agi- tationstag für das Frauenwahlrecht durchgesetzt. Der nationale Frauentag der Amerika- nerinnen hatte sich vom Jahr 1911 ausgehend zu einem internationalen Tag entwickelt. Die deutschen Genossinnen waren dabei die treibende Kraft, die für die internationale Entwicklung Maßstäbe setzte. Innerhalb der SPD blieb das Projekt jedoch umstritten. Jedes Jahr aufs Neue musste der Frauentag von der politischen Führung, die sich durch die Genehmigungsverfahren die Kontrolle über das Vorhaben sicherte, gewährt werden. Doch die politischen Auseinander- setzungen blieben eine Angelegenheit der Führungsebene. An der Basis, auf der Ebene der Ortsvereine und Frauengruppen, war der Internationale Frauentag ein jährlich wieder- kehrendes Ereignis, das in den Aktionsrhythmus der Parteiarbeit als fester Bestandteil eingeplant war. Mit dem Tag verband sich eine doppelte Zielsetzung: Einerseits die Propagierung der Forderung nach dem Frauenstimmrecht unter den Arbeiterfrauen und andererseits die Rekrutierung neuer Mitglieder für die Partei. Auf lokaler Ebene in Bremen zeigte sich, dass die Einführung des neuen politischen Projektes ein schwieriger und langwieriger Prozess war, der vor allen Dingen den per- sönlichen Einsatz der SPD-Frauen erforderte. Dabei hatten die Frauen Rückhalt durch die linke Parteimehrheit. Die Bremer Bürger-Zeitung, das Parteiorgan, war aktive Pro- pagandistin für das Frauenwahlrecht. Sie hatte an der Organisierung des Frauentages einen wesentlichen Anteil. Trotzdem waren es die Frauen, die in ihren Wohnquartieren mit persönlicher Ansprache den größten Teil der Mobilisierung und Agitation übernahmen. Indes dauerte es einige Jahre bis der Tag als zentrales Ereignis von den Arbeiterfrauen wahrgenommen und angenommen wurde. Erst 1914 waren die Kundgebung und die an- schließende Demonstration in Bremen wirklich erfolgreich. Die kontinuierliche Arbeit an diesem Projekt hatte die gesamte Frauenarbeit innerhalb der Bremer Partei vorangebracht. Denn die neuen weiblichen Parteimitglieder verstärkten die Frauenbewegung in Bremen. Die Zahl der aktiven Mitarbeiterinnen stieg und in der Organisierung der politischen Aktionen gewannen die Frauen an Selbstbewusstsein. Für viele Frauen bot der Frauentag die Gelegenheit, ihr Recht auf Gleichberechtigung und Teil- nahme an politischen Veranstaltungen auch gegenüber ihren Ehemännern zu behaupten. Dieses neue Selbstbewusstsein fand seinen überzeugendsten Ausdruck in den Stra- ßendemonstrationen für das Frauenwahlrecht. 1914 demonstrierten nach Polizeiangaben 5.000 Frauen durch die Innenstadt Bremens. Den Mut zu solchen militanten Protestfor- men hatten nur die Sozialdemokratinnen. Diese Demonstrationszüge waren mehr als alles andere signifikantes Zeichen des proletarischen Frauentages. Mit der jährlichen Wiederholung war der Internationale Frauentag zu einem Jahrestag geworden, der die Beteiligten regelmäßig zusammenführte. Die Kundgebungen wurden zu 1910 bis 1914 69 einem Gemeinschaftserlebnis. Die in den Reden wiederholten Kernaussagen zum Frauen- stimmrecht verfestigten die von allen geteilten politischen Überzeugungen. Die gemein- sam verabschiedeten Resolutionen waren ein Bekenntnis zur Sozialdemokratie und zum Kampf für die volle Gleichberechtigung der Frau, und zugleich eine kollektive Verpflich- tung zur Weiterarbeit am gemeinsamen Projekt.105

Anmerkungen

1 Zitiert aus der Resolution zum Frauenwahlrecht, die auf der Konferenz verabschiedet wurde. Vgl. Vorwärts vom 30. August 1910, 3. Beilage. 2 Dornemann, 1989, 233. 3 Clara Zetkin hatte ausdrücklich in ihrem Einladungstext die Organisationen aufgerufen, „Ver- treterinnen oder Vertreter“ zur Konferenz zu entsenden. Vgl. Die Gleichheit vom 6. Juni 1910, Nr. 18/ 20. Jg. Es war durchaus üblich, dass Männer als Delegierte an Frauenkongressen teil- nahmen. Im Rahmen des Gleichheitspostulats vertraten die SozialistInnen die Auffassung, dass auch Männer Fraueninteressen vertreten konnten. Erst wenn der Männeranteil den der Frauen überstieg, gab es kritische Bemerkungen. 4 Vgl. Scholze 2001, 11. 5 Vgl. Die Gleichheit vom 6. Juni 1910. 6 Die Gleichheit vom 29. August 1910, Nr. 24/20. Jg., 370–371. 7 Vgl. in diesem Buch Kapitel 1, Abschnitt „Ein nationaler Tag erlangt internationale Bedeutung“. 8 Vgl. in diesem Buch Kapitel 1, Abschnitt „Frauen organisieren sich in der Arbeiterbewegung“. 9 Die Gleichheit vom 12. September 1910, Nr. 25/20. Jg., 387. 10 Vorwärts vom 28. August 1910, 3. Beilage, 13. 11 Vorwärts vom 28. August 1910, 3. Beilage, 13. 12 Vorwärts vom 30. August 1910, 3. Beilage, 2/3. 13 BBZ vom 29. August 1910. 14 Käte Duncker (1871–1953) arbeitete zunächst als Lehrerin. Ab 1894 übernahm sie Vor- tragstätigkeiten beim Arbeiterbildungsverein Leipzig und veröffentlichte Schriften gegen die Kinderarbeit und zur Fürsorge für Schwangere und Wöchnerinnen. Sie verlor ihre Arbeits- stelle wegen ihrer politischen Tätigkeiten. 1907 wurde sie zweite Redakteurin der Gleichheit und arbeitet eng mit Clara Zetkin zusammen. Während des ersten Weltkrieges engagierte sie sich in der Spartakusgruppe. Auf dem Gründungsparteitag der KPD vertrat sie die Interessen der Frauen und forderte die Beteiligung der Partei an den Wahlen zur Nationalversammlung 1919. In der Weimarer Republik war sie weiterhin publizistisch tätig, außerdem Abgeordnete im Thüringer Landtag und Referentin an der Arbeiterbildungsschule in Berlin. Nach der Emig- rationszeit in den USA kehrte sie 1947 nach Deutschland zurück, lebte in der DDR und starb 1953 in Bernau bei Berlin. Vgl. Weber, Herbst, 2004, 166–167. 15 Zetkin, 1957, 480. 16 Vgl. BBZ vom 29. August 1910. 17 Vorwärts vom 30. August 1910, 3. Beilage, 6/7. 18 Vgl. Kuhnhenne, 2005, 280. 19 BBZ vom 29. August 1910. 20 Losseff-Tillmanns, 1985, 32. 21 Adelheid Popp (1869–1939), Führerin der proletarischen Frauenbewegung in Österreich. Als Arbeiterkind musste sie bereits nach drei Schuljahren die Schule verlassen und wurde Fa- brikarbeiterin. Mit 17 Jahren kam sie mit der Sozialdemokratie in Kontakt. Ab 1892 leitete sie die „Arbeiterinnenzeitung“. Sie unterhielt enge Beziehungen zu Friedrich Engels und August Bebel. 1902 gründete sie gemeinsam mit anderen den Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen. 1918 wurde sie in den Parteivorstand gewählt und im selben Jahr auch in den Wie- ner Gemeinderat. Ab 1920 war sie SPD-Abgeordnete im österreichischen Parlament bis 1934. 70 Der Internationale Frauentag

Nachdem Clara Zetkin zur KPD übergewechselt war, wurde sie Vorsitzende des Internationalen Frauenkomitees. Vgl. Weiland, 1983, 209–211. 22 Kongressprotokolle der Zweiten Internationale, Bd. 2, Kommissionen, 122; unv. Nachdruck 1976. 23 Protokoll SPD-Parteitag 1911, 421. 24 Vgl. Kongressprotokolle der Zweiten Internationale, Bd. 3, „Internationaler Sozialisten-Kongreß zu Kopenhagen“. 25 Losseff-Tillmanns, 1985, 32. 26 Vgl. Berichte, 1910, 13–16. 27 Gertrud Hanna (1876–1944) gehörte seit ihrem 21. Lebensjahr dem Vorstand des Buch- druckereihilfsarbeiterverbandes an. Später arbeitete sie als Hilfskraft bei der Generalkommis- sion des ADGB. 1908 wurde sie zur Leiterin des Arbeiterinnensekretariats der Generalkom- mission ernannt. Sie gab seit 1916 die Gewerkschaftliche Frauenzeitung heraus, die bewusst als Konkurrenzblatt zur Gleichheit und deren Antikriegskurs konzipiert war. Während der NS-Zeit musste sie ihren Lebensunterhalt durch Flickarbeiten verdienen und wurde zeitweise gezwungen, bei der NS-Volkswohlfahrt mitzuarbeiten. 1944 nahm sie sich das Leben. Vgl. Wei- land, 1983, 126, 127. 28 Losseff-Tillmanns, 1985, 33. 29 Kurt Thomas Schmitz, IG-Metall-Vorstandsverwaltung, Grundsatzabteilung, in: IG-Metall, Internationaler Frauentag, Tag der Frauen seit 75 Jahren, 15. 30 Vgl. Forschungsgemeinschaft, 1983, 15. 31 Mehring, 1923, 155. Franz Mehring (1846–1919) verfasste als Lehrer an der Parteischule der SPD im Jahr 1910 eine „Deutsche Geschichte“ für die Schüler und Lehrer der Parteischule. 32 BBZ vom 18. März 1911. 33 Protokoll SPD-Parteitag 1913, 14. 34 Zietz, in: Die Gleichheit vom 13. Februar 1911, Nr. 10/21. Jg., 149. 35 Adler und Bebel, zit. in: Scholze, 2001, 19. 36 Zietz, in: Die Gleichheit vom 13. Februar 1911, Nr. 10/21. Jg., 149. 37 Zusammenfassung des Flugblattes von März 1911, abgedruckt in: Forschungsgemeinschaft, 1975, 61–66. 38 Vgl. Moring, 1968, 132–133. 39 Vgl. BBZ vom 17. März 1911. 40 Auguste Bosse (1862?–1933) zog 1884 nach Bremen. Sie war wahrscheinlich schon zu diesem Zeitpunkt SPD-Mitglied. 1891 war sie eine der sechs weiblichen Delegierten auf dem Erfurter SPD-Parteitag. Als 1904 der Parteitag in Bremen stattfand, nahm sie zur Entwick- lung der Frauenarbeit der Partei kritisch Stellung. Immer wieder trat sie als Rednerin in Ver- sammlungen auf. Ihr wichtiges Thema war die Organisierung der Arbeiterfrauen in der SPD und den Gewerkschaften. Zum ersten Internationalen Frauentag 1911 war sie eine der bei- den Rednerinnen. Sie sprach vor ca. 2000 Zuhörerinnen. Über ihren weiteren Lebensweg ist nichts bekannt, auch ihr genaues Todesdatum konnte nicht ermittelt werden. Vgl. Schmitter, 1991b, 288–289. 41 Die Informationen über den Ablauf der Kundgebungen am 19. März 1911 und die Zitate stam- men aus dem umfangreichen Bericht der BBZ vom 20. März 1911. 42 BBZ vom 20. März 1911. 43 BBZ vom 20. März 1911. 44 BBZ vom 20. März 1911. 45 Vgl. Moring, 1968, 221. 46 Vgl. Scharinger, 2009, 369. 47 Vgl. „Die Frauenbewegung“ vom 1. April 1911. 48 Im Bericht über die Frauenkonferenz wurde „als Gast die bürgerliche Frauenrechtlerin M. [inna] Cauer“ begrüßt. Vgl. Protokoll des SPD-Parteitages 1911, Frauenkonferenz, 414. Minna Cauer erwähnte ihre Teilnahme am Parteitag in ihrer Rede, die sie am 6. Dezember in Bremen hielt. Vgl. BBZ vom 7. Dezember 1911. 1910 bis 1914 71

49 Die Zitate sind dem „Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der SPD und der Frau- enkonferenz in Jena 1911“ entnommen. 50 Protokoll Parteitag in Jena 1911, Frauenkonferenz, 418. 51 Protokoll Parteitag in Jena 1911, Frauenkonferenz, 20. 52 Protokoll Parteitag in Jena 1911, Frauenkonferenz, 463. 53 Protokoll Parteitag in Jena 1911, Frauenkonferenz, 422. 54 Protokoll Parteitag in Jena 1911, Frauenkonferenz, 423. 55 Vgl. Protokoll Parteitag in Jena 1911, Frauenkonferenz, 453. 56 Protokoll Parteitag in Jena 1911, Frauenkonferenz, 439. 57 BBZ vom 8. Dezember 1911. 58 BBZ vom 8. Dezember 1911. 59 BBZ vom 7. Dezember 1911. 60 BBZ vom 7. Dezember 1911. 61 Über Hanna Harders, geb. Kleemann (1868-1936) frühe politische Entwicklung ist kaum etwas bekannt. Sie war vermutlich Gewerbelehrerin. Sie heiratete und 1891 wurde ihr Sohn Paul geboren. 1909 hatte sie den Vorsitz der Gewerkschaft der Hausangestellten inne. Außer- dem leitete sie eine Arbeitsvermittlungs- und Beratungsstelle für Hausangestellte. Im ersten Weltkrieg engagierte sie sich im Nationalen Frauendienst. Sie blieb nach der Parteispaltung bei den Mehrheitssozialdemokraten. Als SPD-Abgeordnete war sie bis 1930 Mitglied in der Bre- mischen Bürgerschaft. Sie war Leiterin der Frauengruppe der MSPD bis sie von vermutlich 1923/1924 abgelöst wurde. Sie war Gründerin der AWO in Bremen und ihre erste Vorsitzende. Ab 1930 trat sie politisch nicht mehr in Erscheinung. Sie starb 1936. Vgl. Blandow, 1995, 29. 62 BBZ vom 7. Dezember 1911. 63 Vgl. BBZ vom 7. Dezember 1911. 64 Vgl. BBZ vom 18. Dezember 1911. 65 Moring, 1968, 153. 66 Luise Zietz schilderte diese Vorbereitungsarbeiten ausführlich in ihrem Bericht zur „Frauen- bewegung“ an den Parteitag im September 1912 in Chemnitz. Vgl. Protokoll 1912, 15. 67 Von dieser Überschrift leitet sich der Titel für das vorliegende Buch ab. 68 BBZ vom 11. Mai 1912. 69 BBZ vom 8. Mai 1912. 70 BBZ vom 13. Mai 1912, 1 Beilage. 71 Polizeidirektion, Allgemeine Umzüge und Versammlungen, Bd. 3/1912, STAB 4,14/1 XII.A.3.a.4. 72 Polizeidirektion, Allgemeine Umzüge und Versammlungen, Bd. 3/1912, STAB 4,14/1 XXI.A.3.a.4. 73 Protokoll Parteitag 1912, 15. 74 Protokoll des Parteitages 1912, 246. 75 Evans, 1979, 229. 76 Sitzungen der Kontrollkommission: Partei-Ausschuss, 7. November 1912, zit. in: Evans, 1979, 229/230. 77 Sitzungen der Kontrollkommission: Partei-Ausschuss, 31. Januar 1913, zit. in: Evans, 1979, 230. 78 Mit diesem Satz leitete Erhard Auer den Antrag ein, auf dem Parteitag keinen Beschluss über die Durchführung des Frauentages 1914 zu fassen, sondern die Angelegenheit an den Partei- ausschuss zu überweisen. 79 Vgl. BBZ vom 22. Februar 1913. 80 BBZ vom 24. Februar 1913. 81 Helene Franzisca Kaisen (1889–1973), geb Schweida, absolvierte die Volks- und Handels- schule und arbeitete bis 1912 als Buchhalterin. Sie war seit 1907 Mitglied der SPD. 1912 wurde sie Beisitzerin im Vorstand der örtlichen SPD und übernahm im Anschluss daran diverse Parteiämter. Auf der Parteischule begegnete sie dem Hamburger Wilhelm Kaisen, den sie am 1. Mai 1916 heiratete. Das Ehepaar Kaisen hatte zwei Töchter und zwei Söhne. Als Vorsitzende der Jugendkommission des Sozialdemokratischen Vereins gehörte sie dem linken Parteiflügel 72 Der Internationale Frauentag

an. Zu Beginn der 1920er Jahren war sie neben Anna Stiegler eines der führenden Mitglieder, sie zog sich jedoch aus der aktiven Politik zurück, als ihr Mann Funktionen in der Partei und als Senator ausübte. 1941 fiel ihr ältester Sohn im Krieg. Nach dem Krieg war sie ehrenamtlich in der AWO tätig. Vgl. Blandow, 1995, 22. 82 BBZ vom 5. März 1913. 83 BBZ vom 5. März 1913. 84 BBZ vom 5. März 1913. 85 Vgl. BBZ vom 5. März 1913. 86 Wolff, 2006, 67. 87 Vgl. Protokoll SPD-Parteitag 1913, 9. 88 Vgl. Protokoll SPD-Parteitag 1913, 377. 89 Protokoll SPD-Parteitag 1913, 378. 90 Protokoll SPD-Parteitag 1913, 377. 91 Schriftzug auf dem Aktenordner, den die Polizei anlässlich des Frauentages und der Partei- werbewoche 1914 anlegte. Polizeidirektion, Umzüge und Versammlungen, Bd. 5, 1914, STAB 4, 14/1-XII.A.3.a.4. 92 Die Gleichheit vom 21. Januar 1914, Nr. 9/24. Jg., 129–130. 93 Die Gleichheit vom 21. Januar 1914, Nr. 9/24. Jg. 94 Vgl. BBZ vom 6. März 1914. 95 Vgl. BBZ vom 6. März 1914. 96 Vgl. BBZ vom 17. März 1911. 97 BBZ vom 9. März 1914. 98 BBZ vom 11. März 1914. 99 BBZ vom 11. März 1914. 100 Bericht vom Nachtwachen-Kommissariat vom 10. März 1914. STAB 4,14/I-XII.A.3.a.4. 101 BBZ vom 12. März 1914. 102 „Betrifft: Ausschreitungen einer Volksmenge im Anschluss an die am 10.II.14 im Casino statt- gefundene Versammlung der Sozial-Demokraten“, Umzüge und Versammlungen, Bd. 5, 1914, STAB 4,14/1-XII.A.3.a.4. 103 Vgl. BBZ vom 18. März 1914. 104 Zu den Zahlen: Vgl. Evans, 1979, 188–209. 105 Diese Wahrnehmung und Interpretation des Frauentages als identitätsstiftendes Gemein- schaftserlebnis fußt auf dem Konzept von Aleida Assmann, das sie in dem Aufsatz „Jahrestage – Denkmäler in der Zeit“ entwickelt hat. Vgl. Assmann, 2005, Jahrestage – Denkmäler in der Zeit. 3.

Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges 1914–1919 74 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts führte die imperialistische Politik der europäischen Großmächte, zu denen auch Deutschland gehörte, zu politischen Spannungen und re- gionalen kriegerischen Auseinandersetzungen, bei denen immer die Gefahr bestand, dass sich die Konflikte ausweiteten. Die Frage „Militarismus und internationale Kon- flikte“ war das zentrale Thema auf den Kongressen der Sozialistischen Internationale. In der auf dem Kongress in Stuttgart 1907 verabschiedeten Resolution hatten sich die einzelnen Parteien verpflichtet, alles zu tun, um einen Kriegsausbruch zu verhindern, und wenn das nicht gelingen sollte, für eine rasche Beendigung des Krieges zu sorgen. Die Kongresse 1910 in Kopenhagen und 1912 in Basel befassten sich ebenfalls mit der latenten Kriegsgefahr. Auch dort blieb es bei Verpflichtungserklärungen, ohne dass ver- bindliche Festlegungen von Kampfmitteln beschlossen worden wären. Das schien auch nicht so dringlich zu sein, denn obwohl man sich in einer angespannten Situation be- fand, waren die bedrohlichen internationalen Krisen in den Jahren vor dem Sommer 1914 immer wieder beigelegt worden. Deshalb rechnete eigentlich niemand damit, dass die Ermordung des österreichischen Thronfolgers in Sarajewo am 28. Juni 1914 einen Weltbrand entfachen könnte. Doch im Jahr 1914 reagierten die deutschen Sozialdemokraten auf die Spannungen und riefen zu Friedenskundgebungen zwischen dem 26. und dem 30. Juli auf. In Bremen bei- spielsweise fanden am 28. Juli sieben Antikriegskundgebungen statt. Die Menschen ström- ten in Massen in die Versammlungssäle, alle Veranstaltungen waren überfüllt. Es waren offensichtlich nicht nur Parteimitglieder und ihr Umfeld gekommen, auch viele Bürger – besorgt, was die Zukunft ihnen bringen würde – beteiligten sich. In allen Versammlungen wurden Maßnahmen gefordert, den Krieg zu vermeiden. Die Kundgebungen schlossen mit einem „Hoch auf die internationale Völkerverbrüderung“.1 In ganz Deutschland waren dem Aufruf der Sozialdemokratie etwa eine halbe Million Menschen gefolgt, überall wurden weitere Maßnahmen zur Verhinderung des Krieges gefordert.2 Doch als einen Tag später die allgemeine Mobilmachung bekannt gegeben wurde, zeigte sich, dass es in der deutschen Bevölkerung große Zustimmung für einen Kriegs- eintritt gab. Die Kriegsgegner verloren in den folgenden Augustwochen immer mehr ihrer frühe- ren Anhänger. Und auch Sozialdemokraten stimmten in den nationalistischen Chor der Kriegsbefürworter ein. Unmittelbar darauf fielen die Entscheidungen zum politischen Richtungswechsel durch die Leitungsgremien von SPD und Gewerkschaften. Bereits am 2. August 1914 wurde auf der Konferenz der Verbandsvorstände der Gewerkschaften beschlossen, alle schwebenden Lohnkämpfe einzustellen und in Zukunft Streikbewegungen zurückzuhalten. „Die Instan- zen der Gewerkschaftsbewegung proklamierten damit eine Politik des Burgfriedens“3, in- dem sie ihre politische Opposition und ihre wirtschaftlichen Kämpfe für die Dauer des Krieges zurückstellten. Dieses Einschwenken der Gewerkschaften auf die Unterstützung des Kriegskurses der Regierung hatte erheblichen Einfluss auf die Entscheidungsprozesse innerhalb der SPD. Dort ging es darum, wie sich die SPD-Fraktion im Reichstag bei der für den 4. August angesetzten Abstimmung über die Bewilligung der Kriegskredite verhalten sollte. Der Vorschlag des Fraktionsvorstandes, dem Regierungsantrag zuzustimmen, löste auf der Fraktionssitzung am 3. August eine heftige Debatte aus. Vierzehn Abgeordnete stimmten in der Fraktionsabstimmung gegen eine Kreditbewilligung durch die Sozialde- mokratie, darunter war auch der Bremer Abgeordnete Alfred Henke. Doch am 4. August im Plenum beugten sich alle der Parteidisziplin und die Fraktion stimmte geschlossen für 1914–1919 75 die Kriegskredite. Darüber hinaus verpflichtete sich der Parteivorstand zur Einhaltung des „Burgfriedens“. Das bedeutete, dass auch die Sozialdemokratie die Regierung in ihrer Kriegspolitik unterstütze und alle Konflikte mit der Regierung bis zum Ende des Krieges zurückstellen würde. Damit hatte sich die SPD „in die nationale Front eingereiht“.4 Bereits am 31. Juli 1914 hatte die Regierung über ganz Deutschland den Belagerungs- zustand verhängt, der den Militärbehörden weitgehende Eingriffsrechte gegenüber den BürgerInnen einräumte. Zusammen mit der Pressezensur verfügte sie damit über wirk- same Instrumente, um jede oppositionelle Regung zu unterdrücken. Das waren die politischen Verhältnisse, mit denen sich die sozialdemokratische Frauen- bewegung auseinandersetzen musste, wie es im folgenden Kapitel beschrieben wird. Im zweiten Abschnitt wird geschildert, wie die Haltung der Parteiführung, den Burgfrie- den in den eigenen Reihen durchzusetzen, auf die sozialdemokratische Frauenbewegung wirkte. Dabei zeigte sich bald, dass sich auch innerhalb der Frauenbewegung der Grund- satzstreit über die von der Parteiführung vertretene Einstellung zum Krieg entzündete. Es war diese Frage, die letztlich während des Krieges auch zur Spaltung der Frauenbewegung führte. Zunächst manifestierten sich die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Partei in zwei unterschiedlichen Projekten. Einerseits entwickelte sich angeführt von Clara Zetkin und der Gleichheit eine Oppositionsbewegung gegen die Burgfriedenspolitik, zu der sich im Verlaufe des Krieges immer mehr sozialdemokratische Frauen bekannten. Andererseits propagierte der Parteivorstand die Mitwirkung der SPD-Frauen in der nationalen Kriegs- fürsorge, zusammen mit den bürgerlichen Frauenorganisationen. Der Entwicklungspro- zess dieser Initiativen wird zu Beginn des Kapitels untersucht. Daran schließt sich der Bericht über die konkrete politische Arbeit der SPD-Frauen in Bremen an. Im Zentrum stehen die Aktionen der linken Sozialdemokratinnen, die den Protest der Arbeiterfrauen gegen die elenden Lebensbedingungen und für die Beendigung des Krieges organisierten und die dabei den Internationalen Frauentag als Agitationsins- trument nutzten. Mit diesen Aktionen und ihrer Kritik am Engagement von Sozialdemokratinnen in der Kriegsfürsorge stellten sich die führenden Vertreterinnen der Bremer SPD-Frauen auf die Seite der Opposition und gegen die von der Parteiführung betriebene Burg- friedenspolitik. Innerhalb der Bremer Partei spitzten sich die Konflikte im Jahr 1916 immer weiter zu – sodass am Ende des Jahres die gesamte linke Parteigruppe aus der Partei ausgeschlossen wurde. Diese Spaltung und der dann folgende Richtungsstreit zwischen der Bremer Linken beendete die gemeinsame Arbeit der Bremer Sozialdemo- kratinnen. Frauentage sollte es in den nächsten zwei Jahren in Bremen nicht mehr geben. Doch die Kampagnen der proletarischen Frauentage und die Agitation der SPD für das Frau- enstimmrecht zeigten ihre Wirkung. In der Revolution 1918 wurde das Frauenwahlrecht durchgesetzt, um dann in Bremen unter der Herrschaft des Arbeiter- und Soldatenrates und der Räterepublik erneut in Frage gestellt zu werden. Mit dem Bericht über die Durch- setzung der Kopenhagener Forderung wird das Kapitel abgeschlossen. 76 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges Konfliktlinien in der sozialdemokratischen Frauenbewegung

Die Antikriegsbewegung der Frauen

Für die Internationale sozialistischer Frauen gehörte die Stellungnahme gegen Krieg und Militarismus zu den Grundprinzipien ihrer Politik. Auf der Konferenz in Kopenha- gen war die Friedensresolution einstimmig verabschiedet worden. In Deutschland hatten die Sozialdemokratinnen ihre Forderung nach dem Frauenwahlrecht damit begründet, dass die Frauen durch ihre Stimmabgabe auf die Rüstungsausgaben, „auf das Heer und seine Einrichtungen mit einwirken könnten“5. In Reden und Presseartikeln, vor allem in der Gleichheit, wurde die besondere Verantwortung der Mütter im Kampf für den Frieden betont. Zugleich wiesen die Sozialdemokratinnen darauf hin, dass in allen Län- dern die Frauen einen bedeutenden Beitrag im Kampf gegen die drohende Kriegsgefahr leisteten. So war geplant, dass auf der dritten Internationalen Konferenz der sozialistischen Frauen im August 1914 in Wien eine internationale Demonstrationsversammlung gegen Militarismus und Krieg stattfinden sollte. Das hatte das Vorbereitungskomitee beschlos- sen, das am 20. April 1914 zur Planung der Frauen-Konferenz in Berlin zusammengekom- men war. Bei der Beratung waren neben den Komiteemitgliedern Clara Zetkin und Luise Zietz aus Deutschland sowie Adelheid Popp und Anna Boschek aus Österreich weitere Genossinnen aus dem Ausland anwesend: Mary Longman aus England, Helen Ankersmit aus den Niederlanden und eine Vertreterin aus Russland.6 Die Berliner SPD-Frauen nutz- ten die Anwesenheit der ausländischen Gäste und luden zu einer internationalen Kund- gebung für den 21. April ein. Das Motto der Veranstaltung lautete: „Die Arbeiterfrauen und der Weltfrieden“. Die Frauen aus England, den Niederlanden und Österreich sprachen vor Tausenden von TeilnehmerInnen.7 Sie konnten nicht ahnen, dass das der letzte gemein- same Auftritt sein würde, die letzte öffentliche Kundgebung der Fraueninternationale vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Als die Gefahr eines Weltkrieges mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Ser- bien am 28. Juli 1914 in bedrohliche Nähe rückte, appellierte Clara Zetkin an den Frie- denswillen der Frauen: 1914–1919 77

„Krieg dem Kriege“ – unter dieses Motto stellte Clara Zetkin ihre Antikriegsarbeit.8

In ihrem Leitartikel in der Gleichheit vom 5. August 1914 rief Clara Zetkin die Proletarie- rinnen auf: „Verlieren wir keine Minute Zeit. Der Krieg steht vor dem Tor. [...] Das gewaltige Friedensgebot der arbeitenden Massen muß in den Straßen das mordspatriotische Ge- schrei zum Schweigen bringen. Und wo zwei oder drei ausgebeutete Männer und Frauen versammelt sind, da muß der Abscheu gegen den Krieg, der Wille zum Frieden unter ihnen sein.“9 Zwar ging der Leitartikel bereits vom „Furchtbare[n], vor dem die Völker Europas zittern“ aus, aber die Verfasserin hoffte noch auf Massenproteste und Widerstand der Arbeiterbewegung. „Proletarische Frauen, seid bereit!“, lautete deshalb der Appell Clara Zetkins an die Frauen. Als Clara Zetkin den Artikel in Druck gab, rechnete sie nicht damit, dass SPD und Gewerkschaften die über Jahre von der Arbeiterbewegung bekämpfte Regierung unter- stützen und mit ihr einen Burgfrieden verabreden würden. Auf den Kriegsausbruch und die Mitteilung, dass die sozialdemokratische Fraktion im Reichstag den von der Regie- rung geforderten Kriegskrediten zugestimmt hatte, reagierte Clara Zetkin mit Zorn und Enttäuschung. Am 19. September notierte sie: „Ich habe bis heute noch nicht den poli- tischen und moralischen Bankrott der Sozialdemokratie verwunden. Er steht beispiellos da in der Geschichte.“10 Sie sah in der Haltung des Parteivorstandes einen Verrat an den Prinzipien des Internationalismus und Klassenkampfes gegen jeden imperialistischen Krieg. Sie zog daraus ihre Konsequenzen und schloss sich der radikalen linken Opposi- tionsgruppe an, die die Kriegsunterstützung der Mehrheitssozialdemokraten ablehnte. Neben Rosa Luxemburg und hatte Clara Zetkin in der Gruppe beson- deres Gewicht. Denn sie entwickelte ab Herbst 1914 die von ihr geleitete Frauenzeitung, die Gleichheit, zu einem Sprachrohr der sozialistischen Kriegsopposition. Sie setzte alles daran, die Frauen über die politischen Verhältnisse im Krieg zu informieren, soweit die Pressezensur das zuließ. Sie verfolgte beharrlich ihr Ziel, die Sozialdemokratinnen zu beeinflussen und gegen die Politik der Parteiführung zu mobilisieren. 78 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges

Gleichzeitig versuchte sie, die Internationale der Sozialistinnen gegen die allgemeine Kriegshetze wieder zusammenzuführen. Sie wandte sich mit ihrer Idee, die Sozialistinnen aus allen am Krieg beteiligten Ländern zu einem internationalen Treffen einzuladen, an Luise Zietz. Da es keine Unterstützung durch den Parteivorstand gab11, berief Clara Zetkin als Sekretärin der sozialistischen Fraueninternationale ohne die Billigung des Parteivor- standes für die Zeit vom 26. bis 28. März 1915 eine Internationale sozialistische Frauen- konferenz nach Bern ein. 25 Delegierte aus Deutschland, England, Frankreich, Russland, Polen, Italien, Holland und der Schweiz nahmen teil. Hauptgegenstand der Konferenz war „die Stellung der sozialistischen Frauen zum Frieden“. Als zweiter Punkt stand „die Notwendigkeit, für den internationalen Sozialismus einzutreten“ auf der Tagesordnung. Zum Abschluss sollte in einem Manifest „der Inhalt der Erörterung und die gemeinsame Auffassung aller Teilnehmerinnen niedergelegt“ werden.12 Die Frauen, die in Bern zusam- mengekommen waren, wollten demonstrieren, dass sie gemeinsam an den einmal gefass- ten Zielen und internationalen Beschlüssen festhielten. Doch es bedurfte einer längeren heftigen Debatte, um die politischen Differenzen, die auch unter den Kriegsgegnerinnen existierten, auszuräumen. Die russischen Vertreterinnen legten eine von Lenin verfasste Resolution vor, die dazu aufrief, „sich von den rechten Sozialdemokraten organisatorisch zu trennen und den Krieg durch einen Massenkampf für den Sturz des Kapitalismus zu beenden“.13 Dagegen vermied die von Clara Zetkin gemeinsam mit holländischen und englischen Genossinnen ausgearbeitete Erklärung solche Verurteilungen der sozialdemo- kratischen Parteien und Festlegungen auf weitere Klassenkämpfe. Sie forderte „eine inter- nationale Aktion der Frauen in allen Ländern, um den Krieg sofort zu beenden und einen Frieden ohne Annexionen und Eroberungen zu erreichen“.14 Außerdem wurde deutlich gemacht, dass der Krieg nicht zur Verteidigung des Volkes, sondern zur Bereicherung der Waffenfabrikanten und anderer Kapitalisten geführt werde. Nicht das Wohl des Volkes, „[n]icht Verteidigung des Vaterlandes, seine Vergrößerung ist der Zweck dieses Krieges“.15 Die „Frauen des Arbeitenden Volkes“ wurden aufgerufen, sich protestierend gegen den Krieg zu erheben. „Arbeiterfrauen, Arbeiterinnen! Die Männer der kriegführenden Länder sind zum Schweigen gebracht worden. Der Krieg hat ihr Be- wusstsein getrübt, ihren Willen gelähmt, ihr ganzes Wesen entstellt. Aber ihr Frauen, die ihr neben der nagenden Sorge um eure Lieben im Felde daheim Not und Elend ertragt, worauf wartet ihr noch, um euren Willen zum Frieden, euren Protest gegen den Krieg zu erheben.“16 Die Teilnehmerinnen einigten sich schließlich darauf, dass der russische Antrag zurückgezogen wurde. Der Entwurf der Arbeitsgruppe um Clara Zetkin wurde dann als Manifest einstimmig auf der Konferenz angenommen. Die Teilnehmerinnen nahmen den Berner Appell mit in ihre Heimatländer. In Deutsch- land wurde das Manifest von den Delegierten in den verschiedenen Städten verteilt. Gegen Ende Juli berichtete Clara Zetkin, „daß bereits 300.000 Exemplare des Manifests in 100 verschiedenen Orten zur Verteilung gekommen seien“.17 Dabei gingen ihre Ideen noch weit darüber hinaus. Clara Zetkin entwickelte ihre Pläne in einem Brief an Alfred Henke, den Bremer Reichstagsabgeordneten, der auch zur linken Opposition gehörte. Nach der Verbreitung der Flugblätter sollten Frauenversammlungen der SPD folgen, auf denen das Manifest diskutiert werden sollte. Diese Versammlungen würden dann zu Straßendemonstrationen führen. „Ich persönlich dachte dabei“, erklärte sie in dem Brief, „auch an friedliche Kundgebungen der Frauen auf der Straße durch Umzüge mit Voran- tragung von Fahnen mit Friedensaufschriften.“18 Doch der von Clara Zetkin gewünschte Massenprotest blieb aus. Nicht einmal in Bremen gab es, trotz ihres persönlichen Briefes, eine Versammlung. 1914–1919 79

Stattdessen gingen die Militärbehörden und die Polizei gegen die Friedensinitiativen vor. Flugblattverteilerinnen wurden verhaftet und unter Anklage gestellt. Bei Clara Zetkin gab es eine Hausdurchsuchung und am 29. Juli 1915 wurde auch sie verhaftet und wegen Landesverrats angeklagt. Erst eine Protestwelle und eine Kaution des Verlegers erzwan- gen ihre Freilassung.19 Auch die Gleichheit unterstand der dauernden Kontrolle des Zensors.

Der zensierte Bericht von der Berner Konferenz in der Gleichheit vom 16. April 1915.20 80 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges

Dieses Textfragment ließ die Zensur von Clara Zetkins Bericht über die Berner Konferenz übrig. Der durchlöcherte Text dokumentiert eindrücklich die Eingriffe in die Presse- und Informationsfreiheit. Während die Behörden die Organisierung der Frauenkonferenz und die Verbreitung des Manifestes für Landesverrat hielten, sah der Parteivorstand im Vorgehen von Clara Zetkin einen Verstoß gegen die Parteidisziplin. Denn „Verhandlungen über die Fragen internationaler Politik in einer Zeit wie der jetzigen [sind] von den Parteivorständen der sozialistischen Parteien zu führen“.21 Der Parteivorstand verurteilte Eigenmächtigkeiten wie die Berner Konferenz und untersagte die Verteilung des Manifestes unter den Partei- mitgliedern.22 Je länger der Krieg dauerte und vor allem die Frauen seine verheerenden Folgen täglich zu spüren bekamen, umso mehr Zustimmung fanden die Argumente der Antikriegsbewe- gung. Die entsprechenden Artikel in der Gleichheit wurden von den Sozialdemokratinnen gelesen und beeinflussten die politische Einstellung der Frauen. Die Führung der SPD setzte alles daran, den in ihren Augen verhängnisvollen Einfluss von Clara Zetkin zurück- zudrängen und diese vermutete wohl nicht zu Unrecht, dass es dem Parteivorstand am liebsten gewesen wäre, „wenn dieses ‚radikale Krakeelblatt‘ ganz verboten würde.“23 Doch die politische Führung fand einen anderen Ausweg: Ihr kamen die Gewerkschaften zu Hilfe. Diese hatten bereits im August 1914 begonnen, die Massenabonnements der Gleich- heit zu kündigen und im Januar 1916 gaben sie ein eigenes Frauenorgan heraus. Unter der Redaktion von Gertrud Hanna erschien vierzehntägig die Gewerkschaftliche Frauenzeitung. Dass die Zeitung als Konkurrenz zur Gleichheit gedacht war, wurde in aller Offenheit vorge- führt. SPD und Gewerkschaften organisierten örtliche Versammlungen, „auf denen Frauen ihr Abonnement der Gleichheit auf die neue Zeitschrift umschreiben lassen konnten“.24 Auf diese Weise verlor die Gleichheit ihre finanzielle Basis und ihre Leserinnenschaft. Es lief darauf hinaus, unliebsame Kritiker in den eigenen Reihen mundtot zu machen. Parteivorstand und Generalkommission setzten alles daran, innerhalb der Partei und der Gewerkschaften die Vorstandslinie der Unterstützung der Landesverteidigung und des Burgfriedens als verbindlichen Kurs durchzusetzen. Wer sich diesem Kurs widersetzte, hatte mit dem Ausschluss zu rechnen. Vor dem endgültigen Bruch fand auf der Reichskon- ferenz der SPD im September 1916 eine letzte Auseinandersetzung statt. Dort trat Luise Zietz, die lange loyal zur SPD gestanden hatte, auch wenn sie die neue Parteilinie für falsch hielt, offen gegen den Kurs des Vorstandes auf: „Ich habe vom ersten Tage an gesagt, daß es falsch war, die Kredite zu bewilligen und eine selbständige sozialdemokratische Politik abzulehnen.“ Dann hätte die Regierung gewusst, „daß sie die sozialdemokratische Partei nicht so in der Hand hatte wie jetzt, wo alles in den Dienst der Landesverteidigung gestellt wird“.25 Dieser Auftritt auf dem Parteitag hatte für Luise Zietz unmittelbare Folgen. Sie wurde Ende des Jahres 1916 aus dem Parteivorstand entfernt. Im Laufe des Januar 1917 trennte sich die SPD dann von den meisten ihrer Führungs- frauen, die zu den aktiven Kriegsgegnerinnen gehörten. Auf dem Gründungsparteitag der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) in Gotha im April 1917 berichtete Luise Zietz über die Art und Weise, wie die Parteiführung agiert hatte, um sich der unbequemen Kritikerinnen zu entledigen. Sie erklärte: „Ich bin stolz und beglückt, daß die Frauen zur Opposition gehören. Die Belohnung dafür ist mir durch den Rauswurf geworden. Ich habe die Hoffnung, daß die Forderungen der Frauen jetzt anders bewertet werden als in der alten Partei; denn immer und immer wieder sind meine Anträge im Parteivorstand abgelehnt worden. […] [A]ls ich eine Agitation für die Gleichheit anregte, wurde dies abgelehnt mit der Begründung, solange die Gleichheit keine andere Haltung 1914–1919 81 einnimmt als die jetzige, wünschen wir keine Agitation, und die Aufforderung wurde an mich gestellt, Genossin Zetkin zuzureden, daß die Gleichheit eine andere Haltung einneh- me, denn jeder Abonnent, der der Gleichheit verloren gehe, sei ein Gewinn.“26 Der Parteivorstand der SPD beendete seine Kampagne gegen die Gleichheit und deren Redakteurin im Mai 1917 – nachdem bekannt wurde, dass Clara Zetkin zu den Grün- dungsmitgliedern der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) gehörte, wurden sie und die gesamte Redaktion vom Parteivorstand der SPD fristlos ent- lassen, und Marie Juchacz, die Nachfolgerin von Luise Zietz als Frauensekretärin, über- nahm mit einem weiteren Parteivorstandsmitglied die Redaktion.

An der Heimatfront im Dienst fürs Vaterland

Der SPD-Vorstand verfolgte zu dieser Zeit das Konzept der Integration der sozialdemo- kratischen Frauenbewegung in die nationale Kriegsgemeinschaft. Der Parteivorstand und die Generalkommission der Gewerkschaften drängten darauf, dass sich die sozialdemokra- tische Frauenorganisation an dem Einsatz von Frauen in der Kriegsfürsorge beteiligte. Am 7. August 1914 riefen sie „die Genossinnen“ öffentlich zur Mithilfe auf: „Gerade unsere Ge- nossinnen werden in der Lage sein, wertvolle persönliche Beziehungen aufrechtzuerhalten, den Frauen der im Felde stehenden Männer Beistand zu leisten und sich der Kinder in jeder Weise anzunehmen.“27 Da der Bund deutscher Frauenvereine (BDF) sich bereits mit den Va- terländischen Frauenvereinen und den konfessionellen Frauenverbänden zum Nationalen Frauendienst zusammengeschlossen hatte, sollten sich jetzt auch die SPD-Frauen diesem Unternehmen anschließen und mit den bürgerlichen Frauenverbänden zusammenarbeiten. Es galt, den Burgfrieden, demzufolge alle politischen Feindseligkeiten dem Dienst am Vater- land zu weichen hatten, auch unter den Frauenorganisationen zu schließen. In einzelnen Projekten und in den kommunalen Einsatzstellen arbeiteten die Sozialde- mokratinnen also jetzt mit den bürgerlichen Frauen zusammen. Dabei behielten die SPD- Frauen organisatorisch ihre Selbstständigkeit. Die Masse der weiblichen SPD-Mitglieder unterstützte bei Kriegsbeginn diese Initiative. Luise Zietz veröffentlichte dazu einen Aufruf unter dem Titel Unsere Aufgaben. Darin hieß es: „Angesichts der unsäglichen Not und dem furchtbaren Jammer, die der Krieg über die Arbeiterfamilien bringt, gilt es, den ver- zweifelten Frauen, den verwaisten Kindern, den Arbeitslosen, den Kranken und Leidenden mit Rat und Tat beizustehen. […] Durch diese Tätigkeit leisten die Genossinnen direkte Hilfe und schaffen reiche moralische Werte. [...] Das Werk der Hilfeleistung wird ein Werk der Sammlung, des gegenseitigen Sichstützens und Aufrichtens, der Ausdruck schöner Solidarität sein.“28 Sie war es auch, die – trotz ihrer Gegnerschaft gegen die Kriegskredit- bewilligung29 – loyal die Vorgaben des Vorstandes umsetzte. Sie organisierte ein Netz von Informationszentren für Arbeiterfrauen. Denn für Luise Zietz war einer der wichtigen Gründe für die Mitarbeit der Sozialdemokratinnen in der Kriegsfürsorge, dass dadurch die Arbeiterfrauen von ihren eigenen Klassengenossinnen beraten wurden. „Denn die bür- gerlichen Damen gefallen sich gar zu gern in der Rolle des herablassenden Wohltäters.“ Dagegen sollten in den Beratungsstellen der SPD die Kriegerfrauen30 über ihre Rechte informiert werden. Luise Zietz wollte, dass den Frauen klar wurde: „Nicht Wohltaten, son- dern Rechte nehmt ihr in Anspruch!“31 Die ehrenamtliche Arbeit der Frauen fand vor allem auf kommunaler Ebene statt. Die städtischen Verwaltungen hatten einen Teil der Fürsorgearbeit auf die ehrenamtlichen 82 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges

Sozialarbeiterinnen übertragen. Die kümmerten sich um das Funktionieren der Lebens- mittelversorgung, um die Lage der Kriegerfamilien, um Arbeitsvermittlung für Frauen, um Kinderfürsorge und Kranken- und Wöchnerinnenhilfe.32 Durch diese Arbeit konnten auch die SPD-Frauen ihren Patriotismus unter Beweis stel- len. Und sie erhielten Zugang zu den Verwaltungs- und Fürsorgediensten, die Sozialde- mokratinnen bis zu diesem Zeitpunkt versperrt gewesen waren. Bei der Bewältigung von organisatorischen Aufgaben in öffentlichen und privaten Einrichtungen an der Seite der bürgerlichen Frauen im Nationalen Hilfsdienst erwarb eine junge Generation Sozialdemo- kratinnen wichtige Kenntnisse in der Praxis sozialer Arbeit. Das waren unersetzliche Er- fahrungen für die soziale Arbeit der Sozialdemokratinnen nach dem Weltkrieg. Vor allem Marie Juchacz33 nahm aus ihrer Tätigkeit im Nationalen Hilfsdienst Anregungen mit, die sie in ihrer Arbeit als Frauensekretärin, aber besonders als Gründerin der Arbeiterwohl- fahrt (AWO) verwertete. Das galt in gleicher Weise für Hanna Harder, die nach dem Krieg die AWO in Bremen aufbaute. Sie schrieb über ihre Tätigkeiten am 21. März 1917 an ihren Sohn Paul an die Front: „Erstmal [bin ich] meines Jungen Mutter – das ist eine ganze Mas- se. [Außerdem bin ich aber auch ehrenamtliche] Jugendpflegerin, Leiterin der hauswirt- schaftlichen Beratungsstelle, der Kriegskochkurse, Vorstandsmitglied der Volksspeisung, Leiterin der Kochkisten-Zentrale, Ausschußmitglied des Verbandes für Konsuminteressen, für Gemüse und Obst, Vorstandsmitglied des Bundes für Mutterschutz und neuerdings auf Bitten von Senator Hildebrand im nationalen Hilfsdienst.“34 Solche Einsätze hielten nur die wenigsten Arbeiterfrauen durch. Die Mehrheit der Frauen kehrte der Fürsorgearbeit bald den Rücken. Ein Grund dafür war Resignation: Die allgemeine Verarmung gerade der Arbeiterfamilien schritt fort und die Versorgungsprob- leme wurden ständig größer. Gleichzeitig merkten die Frauen, dass auch die engagierte Arbeit der Helferinnen keines der Probleme lösen konnte und selbst die kleinen Hilfsan- gebote bald nicht mehr geleistet werden konnten, weil die Spenden ausblieben oder die Behörde ihre Zuschüsse kürzte.35 Auch Luise Zietz berichtete 1915, wie eingeschränkt der Handlungsrahmen der Frauen war. Sie schrieb: „Wohl niemals zuvor haben die Genossinnen so bitter ihre politische Rechtlosigkeit empfunden wie in der gegenwärtigen Zeit. Die Not ist groß, die öffentliche Kritik unter dem Burgfrieden überall stark eingeschnürt, und an das Parlament kann man sich nur in armseliger Weise mit einer Petition wenden.“36 Die Petition an den Reichstag vom März 1915 – von der Zietz hier schreibt –, in der darum gebeten wurde, die Preise der Grundnahrungsmittel zu senken und für Fleisch und Kartoffeln Beschlagnahmungen durchzuführen, hat das „Gewissen […] salviert [beruhigt]; geholfen hat’s noch weniger als die an die Regierung gerichteten Eingaben“.37 Viele der Arbeiterinnen zogen sich allerdings nicht nur angesichts dieser Hilflosigkeit zurück. Denn unabhängig davon konnten sie immer weniger Zeit erübrigen, um in den Beratungsstellen und Einrichtungen wirkungsvoll mitzuarbeiten. Sie waren vollauf damit beschäftigt, die notwendigen Dinge des alltäglichen Lebens für den eigenen Bedarf zu organisieren.38 Nachdem mit der Spaltung der Partei zu Beginn des Jahres 1917 die Kritikerinnen aus der Partei ausgeschlossen waren, verschwanden die kritischen Beiträge über die Einsät- ze im Nationalen Hilfsdienst. Stattdessen stellte Marie Juchacz in ihrem Bericht an den Parteitag im September 1917 die Mitarbeit im Nationalen Hilfsdienst als das zentrale poli- tische Betätigungsfeld der Sozialdemokratinnen vor. „Der Trieb der Frau, Hilfe zu leisten und Not zu lindern, kam in schönster Weise zum Durchbruch.“39 Marie Juchacz vertrat den Standpunkt, eine in der Natur der Frau angelegte Bestimmung prädestiniere sie für die 1914–1919 83 helfende, fürsorgende und soziale Arbeit. Darin zeichneten sich die Konturen sozialdemo- kratischer Frauenpolitik für die Zeit nach dem Weltkrieg ab. Der Schwerpunkt der Frauen- politik der Mehrheitssozialdemokraten würde sich in der nächsten Zukunft weitgehend auf die sozialen Politikfelder beschränken.

Kriegsfrauentage in Bremen – 1915 und 1916

Kriegsalltag der Proletarierinnen

Auch Bremen wurde in den ersten Augusttagen des Jahres 1914 von einer patriotischen Welle erfasst – mit großen Kundgebungen und einem außerordentlichen Bettag, begleitet von zweistündigem Glockenläuten. Nachdem die Masse der Rekruten abgezogen und die deutschen Soldaten am 3. August in das neutrale Belgien einmarschiert waren, wurde die Kriegsrealität an der Heimatfront spürbar. Seit Kriegsbeginn herrschte der Belagerungszustand. Die exekutive Gewalt war von den Zivilbehörden an die Militärkommandos übertragen worden. Kundgebungen und Straßen- demonstrationen waren verboten, Versammlungen waren nur in geschlossenen Räumen gestattet. Alle politischen Veröffentlichungen unterlagen der Zensur. Bürgerschaft wie Se- nat blieben bei der Durchführung von Kriegsmaßnahmen auf die Erfüllung der Bundes- ratsverordnungen beschränkt. „[Es] regierten die drei ‚großen Bs‘: Belagerungszustand, Bundesrat und (parteipolitischer) Burgfriede.“40 Sie steckten den Rahmen ab für alle poli- tischen und sozialen Initiativen in der Zeit des Krieges. Der Krieg wirkte auf alle gesellschaftlichen und privaten Verhältnisse. Die Auswirkun- gen spürten vor allem und von Anfang an die Arbeiterfamilien und Soldatenfrauen. Zu- nächst verschwanden mit der ersten riesigen Einberufungswelle 5½ Millionen Männer aus dem Leben der Familien, der Betriebe, der Städte. Mit ihnen verloren die Frauen und ihre Familien ihre Hauptverdiener.41 Für die Masse der Familienangehörigen eingezogener Soldaten wurde als eine gesetz- lich festgelegte Versorgungsleistung „Familienunterstützung“ gezahlt. Die Zahlungen er- folgten auf der Basis einer Bedarfsberechnung, der Grundbetrag war die staatliche Versor- gungsleistung. Diese „Reichsunterstützung“ stockte die Stadt Bremen zunächst um zwei Drittel, später sogar um 100 Prozent auf. Trotzdem lagen die Sätze immer erheblich unter den vor dem Krieg erzielten Löhnen.42 Mit jedem Tag, an dem neue Soldaten eingezogen wurden, wuchs die Zahl der von diesen staatlichen Transferleistungen Abhängigen. Es entstand ein Heer von „Staatsrent- nerinnen“43, die existenziell davon abhängig waren, ob der Staat willens und in der Lage war, die Versorgung ihrer Familien zu sichern. In Bremen unterstand die Verteilung der Familienunterstützung der „Senatskommission [zur] Unterstützung von Familien von Mili- tärmannschaften“. Diese hatte die Auszahlung der Familienunterstützung an den Zentral- Hilfsausschuß des Roten Kreuzes, Abteilung Hilfesuchende, delegiert.44 Immer mehr alltägliche Vorgänge mussten im Verlauf des Krieges staatlich geregelt werden und so wuchsen die Aufgaben der neu gegründeten Deputation, die alle „Maß- nahmen des Krieges“ zu regeln hatte, „für die andere Behörden nicht zuständig“ waren. Diese „Kriegsdeputation“, wie sie allgemein bezeichnet wurde, setzte zur Bewältigung ihrer 84 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges

Arbeit immer mehr Kommissionen ein.45 Die wichtigste war die Lebensmittelkommission – die im Verlauf des Krieges besonders stark in die Kritik geriet und zur Adressatin von Frauenprotesten wurde, wie noch zu zeigen sein wird. Die Wirtschaft hatte sich zügig auf die Erfordernisse der Kriegsproduktion umgestellt und die Arbeitslosigkeit verschwand. Bereits 1915 klagten die kriegswichtigen Betriebe über einen Mangel an Arbeitskräften. Da ihre Männer an der Front waren, wuchs der Druck auf die Kriegerfrauen, sich um Arbeit zu bemühen. Auch die Verwaltung hatte daran ein großes Interesse, denn mit dem Lohn konnten die Unterstützungsgelder für die Frauen reduziert werden. Die Bremer Straßenbahn war der erste Betrieb, der ab 1915 Schaffnerinnen einsetzte. Im Verlauf des Krieges wurden in nahezu allen Bereichen der Produktion Frauen eingesetzt. Damit wurde im Krieg möglich, was vorher undenkbar schien: Frauen in Männerberufen.

Frauen arbeiteten 1916 auch als Streckenarbeiterinnen.

Für die Arbeiterfrauen bedeutete der Kriegsbeginn einen tiefen Einschnitt in ihr Leben. Sie hatten die Verantwortung für die Familie zu tragen und mit geringen Mitteln die Kinder und oft auch weitere Familienangehörige durchzubringen. Die Sätze der Reichs- unterstützung und die bremischen Zuschüsse stiegen zwar im Lauf des Krieges etwas an, konnten jedoch mit der Teuerung nie Schritt halten. Immer wieder mussten die Frauen Zuschüsse beim Zentral-Hilfsausschuss des Roten Kreuzes beantragen. Dieser Hilfsausschuss des Roten Kreuzes war die zentrale Anlaufstelle für alle Notlagen der Frauen und die entscheidende Schaltstelle im Sozialsystem der Stadt. Alle Wohlfahrts- einrichtungen der Kriegszeit, einschließlich des Nationalen Hilfsdienstes, waren unter der Leitung des Roten Kreuzes zusammengeführt worden. In den einzelnen Projekten des Zentral-Hilfsausschusses wurden ehrenamtliche Helferinnen eingesetzt. Auch die SPD- Frauen hatten sich gleich nach Kriegsbeginn zum Hilfsdienst gemeldet. In der zentralen Leitung arbeiteten die Sozialdemokratinnen mit bürgerlichen Frauen und anderen Wohl- fahrtsorganisationen zusammen. Die SPD hatte Helene Schweida delegiert, die als Mit- glied im Vorstand des Ortsvereins die Frauenarbeit leitete.46 Über diese Zusammenarbeit mit den bürgerlichen und kirchlichen Verbänden unter dem Dach einer privaten Wohl- 1914–1919 85 tätigkeitsorganisation gab es zwischen dem rechten und dem linken Flügel der SPD in Bremen heftigen Streit, der sich im Laufe des Jahres 1916 weiter zuspitzte.

Belagerungszustand und Burgfrieden diktieren den Rahmen für den Frauentag 1915

Im ersten Kriegsjahr gab es bei der SPD „überraschend wenig Aktivität, selbst unter den Funktionären“47. Es waren die Frauen, die als erste die Initiative ergriffen und eine Frauen- versammlung zum Internationalen Frauentag organisierten. Versammlungen unter den Bedingungen des Belagerungszustandes abzuhalten war schwierig, und so fand in Bremen am 27. April 1915 eine „Versammlung sozialdemokratischer Frauen“ im Parteihaus als geschlossene Veranstaltung statt. In der Presseberichterstattung wurde jeder Hinweis auf den Internationalen Frauentag vermieden. Das lag ganz auf der Linie des Parteivorstandes, der die Frauentagsversammlungen nur auf Druck der Frauen genehmigte. Doch die Frauen beharrten auf ihrem Tag. Er war für sie das Zeichen des Zusammenhalts und der politischen Präsens der Bewegung – gerade unter Kriegsbedingungen. Dagegen kam es für die Parteiführung darauf an, jedes Aufse- hen und jeden Konflikt mit den Militärbehörden zu vermeiden. Im vorauseilenden Gehor- sam nahm man an, dass „die meisten öffentlichen Versammlungen sicherlich dem Verbot verfallen“ würden48 und empfahl deshalb, geschlossene Frauenmitgliederversammlungen abzuhalten. Auch sonst wurde alles getan, um politisch nach außen wirkende Aktivitäten abzuwehren. So lehnte der Parteivorstand die Einladung der schwedischen Genossinnen, zum 7. März Frauen als Delegierte und Rednerinnen zur Frauentagsveranstaltung nach Stockholm zu entsenden, ab.49 Clara Zetkin setzte gegen das Taktieren der Partei eine offensive Antikriegspolitik. Im Leitartikel der Gleichheit vom 19. März 1915 forderte sie, dass der Frauentag angesichts der Kriegszerstörungen inhaltlich neu bestimmt werden müsse: „[N]eben die Rechtsforde- rung der Frauen, ja, noch über sie, [ist] die Friedensforderung zu stellen. In welchem Lande auch immer die Sozialistinnen dieses Jahr die mühseligen, beladenen Proletarierinnen im Namen des internationalen Sozialismus sammeln: Der Friedenswille prägt den Charakter der Kundgebungen.“ Der Kampf um den Frieden sollte den Frauentagen eine neue Pers- pektive geben und die Internationale der Sozialistinnen über Ländergrenzen und Militär- bündnisse hinweg wieder zusammenführen. 50 Dass diese Idee Clara Zetkins auch den Wünschen und Vorstellungen der SPD-Frauen in Bremen entsprach, brachte die Resolution zum Ausdruck, die auf der Frauenversamm- lung am 27. April verabschiedet wurde. Luise Zietz als Rednerin des Abends sprach über „Frauensorgen und Krieg“.51 Sie erläuterte den versammelten Frauen die Gründe, warum die Sozialdemokratinnen aufgerufen worden waren, sich am Nationalen Hilfsdienst zu be- teiligen. Sie wiederholte, was sie bereits vorher in Presseartikeln dargelegt hatte, dass mit dem Einsatz der Sozialdemokratinnen verhindert werden sollte, die Arbeiterfrauen den bürgerlichen Frauen und ihrer bevormundenden Wohltätigkeit auszuliefern. Im zweiten Teil des Referats wandte sie sich den Sorgen der Arbeiterfrauen zu, die besonders unter den ständig steigenden Lebensmittelpreisen zu leiden hätten. Auch zum Ende ihrer Rede vermied sie laute, kämpferische Töne. Sie schloss ihren Vortrag mit der eher bangen Frage: „Wann wird der Krieg zu Ende sein?“ Diese Rede wurde von den etwa 500 TeilnehmerIn- nen mit viel Applaus bedacht.52 86 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges

Erst die Resolution, die aus dem Publikum heraus am Ende der Versammlung ein- gebracht wurde, formulierte ein politisches Bekenntnis der sozialdemokratischen Frauen Bremens:

Solidaritätsadresse für Clara Zetkin und die Politik der Gleichheit.53

In dieser Resolution bekundeten die Bremer Sozialdemokratinnen ihre Solidarität mit der politischen Arbeit Clara Zetkins und mit der politischen Linie, die von der Zeit- schrift Die Gleichheit vertreten wurde. Diese Solidaritätsadresse war ein Bekenntnis zur 1914–1919 87

Antikriegsopposition und gegen die Burgfriedenspolitik des Vorstands. Dabei offenbarte der Verlauf der Veranstaltung, dass die Sozialdemokratinnen einen Konfrontationskurs vermeiden wollten. Zwar stimmten sie mit der Opposition grundsätzlich überein, aber zugleich hielten die Genossinnen die Unterstützung für die unter den Kriegsfolgen lei- denden Frauen und Kinder für wichtig, was sich in der Zustimmung zum Referat von Luise Zietz ausdrückte.

Der alltägliche Krieg an der Heimatfront

Seit dem Winter 1915/1916 traten die Schwächen der deutschen Wirtschaft immer deut- licher zu Tage. Vor allem der Rohstoffmangel verschlechterte die Versorgungslage der Be- völkerung. Die steigenden Importpreise boten Gelegenheit zur Preistreiberei. Gleichzeitig wurden Konsumgüter und besonders Nahrungsmittel immer knapper. Die mangelhafte staatliche Versorgung zwang die Frauen in wachsendem Maße zu Selbsthilfemaßnahmen: „Wie überall in Deutschland blühte in Bremen der ‚schwarze Markt’ und das ‚Hamstern’ von Lebensmitteln auf dem Lande.“54 Das prägnanteste Zei- chen der katastrophalen Versorgungssituation während des Krieges waren die „Polonai- sen“55, die langen Menschenschlangen, die sich vor den Läden und Ausgabestellen täglich bildeten. Ein guter Teil des Lebens der Frauen und auch der Kinder bestand jetzt in diesem Schlangestehen. Angesichts dieser Entwicklung wuchs der Zorn der Arbeiterfrauen. Sie erlebten in den „Brotschlangen, [die] in dieser Zeit zum Stadtbild“56 gehörten, ihre per- sönliche Misere als kollektives Schicksal. Das lange, oft vergebliche Warten schweißte zusammen, hier waren sich die Frauen über das Versagen der Obrigkeit einig. Empörung gegen die miserablen Verhältnisse machte sich in Schimpfen und Drohungen Luft. Auch vor gelegentlichen Plünderungen von Bäckerläden und Metzgereien schreckten sie mittler- weile nicht mehr zurück.57 Nachdem die Arbeiterfrauen den zweiten Kriegswinter mit Hunger und Kälte erlebt hatten, wuchs auch die Kritik an den unzulänglichen Unterstützungsmaßnahmen des Roten Kreuzes in Bremen. Das Geld der Familienunterstützung reichte nicht für die Familie, es mussten ständig Zuschüsse für Miete, Kleidung, Feuerung, Krankenfürsorge usw. beantragt werden. So wurden die Frauen zunehmend zu Bittstellerinnen gegenüber den Damen des Roten Kreuzes. Um dem herablassenden Verhalten der bürgerlichen Frauen zu entgehen, wandten sich die Arbeiterfrauen immer öfter direkt an Helene Schweida. Sie stellte sich auf die Seite der Frauen und geriet damit zunehmend in Kon- flikt mit dem Vereinsvorstand des Roten Kreuzes und den Vertreterinnen der bürger- lichen Frauenvereine. Innerhalb der Partei drängte die linke Mehrheit, die Zusammenarbeit mit dem Zentral- Hilfsverein endlich aufzukündigen. Denn nach ihrer Meinung hatte der Staat die Pflicht, die Sozialleistungen für die Familien, deren Männer im Krieg waren, selbst zu organisieren und auszuzahlen, statt das privaten Wohltätigkeitsvereinen zu überlassen.58 Außerdem kam nach Auffassung der linken Parteifunktionäre die Beteiligung von Sozialdemokra- tinnen und Gewerkschafterinnen an den Wohltätigkeitsaktionen des Roten Kreuzes einer Unterstützung der Burgfriedenspolitik gleich. Mit einem Artikel in der Parteizeitung wurde der Druck auf die Frauen noch erhöht. Die BBZ forderte: „Es wird notwendig sein, dass auch die […] Genossinnen sich wieder mehr 88 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges auf ihre ureigensten Angelegenheiten besinnen und dementsprechend betätigen. Es will uns scheinen, dass ihre starke Teilnahme an der Tätigkeit des Roten Kreuzes vielfach die Energie hat zurücktreten lassen, mit der gerade jetzt Fragen erledigt werden müssten, die den Proletarierinnen noch näher liegen als die Teilnahme an jener Tätigkeit.“59 Der Artikel drängte die SPD-Frauen zur Entscheidung, er forderte dazu auf, den Kurs der Vaterlands- verteidigung an der Heimatfront aufzukündigen und sich am Kampf der Kriegsopposition gegen die Burgfriedenspolitik zu beteiligen. Für die Frauen war das keine einfache Entscheidung, weil sie bei allem linken Engage- ment doch die Not der Arbeiterfrauen kannten und helfen wollten. Doch die Debatten in- nerhalb der Partei zwangen gerade die Leitungsfrauen, sich aus dem Nationalen Hilfsdienst zurückzuziehen. Helene Schweida trennte sich noch im Jahr 1916 von ihren Ämtern beim Roten Kreuz.60 Ihre Entscheidung markierte eine Trennungslinie. Auf der einen Seite stand die Gruppe, die weiterhin beim Roten Kreuz und im Nationalen Hilfsdienst mitarbeitete, auf der anderen Seite formierten sich die linken SPD-Frauen, die versuchten, die Straßen- krawalle der Arbeiterfrauen zu nutzen und sie zu politischen Aktionen gegen die Lebens- mittelkommission, die Regierungspolitik und die Fortsetzung des Krieges werden zu lassen.

Trotz Repressalien: große Frauenversammlung am 14. März 1916

Der Parteivorstand in Berlin hatte seinen Aufruf zum Frauentag 1916 unter das Mot- to „Frauenerwerbsarbeit und Wahlrecht“ gestellt und empfahl, die Veranstaltungen als geschlossene Gesellschaften durchzuführen, um Konflikte zu vermeiden. Die linken So- zialdemokratinnen in Bremen dagegen traten in der Öffentlichkeit als Gegnerinnen der Burgfriedenspolitik auf. Sie organisierten Proteste gegen Lebensmittelwucher und Ver- sorgungsmängel und führten – entgegen den Empfehlungen des Parteivorstandes – eine öffentliche Versammlung zum Internationalen Frauentag durch. Luise Zietz setzte durch, dass eine Sondernummer der Gleichheit als Werbematerial verteilt werden konnte.61 Clara Zetkin nutzte diese Gelegenheit. Sie formulierte einen Frie- densappell zum Frauentag:

„Genossinnen! Groß sind die Schwierigkeiten, stark die Hindernisse, die den Frauen- tagveranstaltungen im Wege stehen. […] An Euch ist es in erster Linie, den Erfolg der geschlossenen Veranstaltung zu sichern. […] An Euch ist es aber auch, den guten sozialistischen Geist in die Versammlungen zu tragen. […] Den Geist internationaler Solidarität. […] Den Geist des Friedens und Freiheitswillens, der sich auf Dauer nicht knebeln und töten lässt.“62

Allein die Nennung des Namens „Internationaler Frauentag“ ließ die Überwachungsins- tanzen hellhörig werden. Der Kriegsminister drängte den Innenminister, „die Agitation für die in der Zeit vom 12. bis 26. geplante Aufklärungs- und Werbearbeit unter den Frauen [...] zu verbieten“63. In einer Reihe von Städten wurden daraufhin die Frauenversammlun- gen untersagt oder Parteigruppen lehnten es von sich aus ab, die Frauen zu Mitgliederver- sammlungen einzuladen. In Bremen dagegen gab es eine öffentliche Kundgebung, zu der die Arbeiterfrauen und die Männer eingeladen waren. 1914–1919 89

Einladung zur öffentlichen Volksversammlung zum Thema „Frauenerwerbsarbeit und Staatsbürgerrecht“. „Am Anfang und am Schluß der Versammlung Gesangsbeiträge des Arbeitergesangvereins.“64

Am 14. März 1916 versammelten sich „über 2000 Personen, selbstverständlich überwiegend Frauen“ im Casino Auf den Häfen. Auch diesmal hatten die Frauen Luise Zietz als Rednerin eingeladen. Diese war zwar wegen ihrer Kriegsgegnerschaft im Parteivorstand zunehmend isoliert, umso mehr war sie jedoch in Bremen ein willkommener Gast. Der Bericht von Luise Zietz zur Lage der Arbeiterinnen im Kriege und zum Anspruch der Frauen auf Mitbestim- mung im gesellschaftlichen und politischen Leben fand allgemeine Zustimmung. Aus dem Publikum heraus wurde nach der Rede der Antrag gestellt: „Die Kriegerfrauen von Bremen und Umgegend fordern den Reichstag auf, dahin zu wirken, dass die Kriegs- unterstützung erhöht wird. Sie erklären, ihren Lebensunterhalt infolge der herrschenden Teuerung mit der bestehenden Unterstützung nicht mehr decken zu können.“65 Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Die Sozialdemokratinnen Bremens wandten sich also mit dem Anliegen der Kriegerfrauen an das Parlament, neben der Versorgung der Front mit Kriegskrediten sich auch um die Not der Menschen an der Heimatfront zu kümmern.

Sozialdemokratinnen organisieren den Frauenprotest

In den nächsten Monaten verfolgten die SPD-Frauen das Thema weiter. Am 2. Juni 1916 fand, von der „hiesigen sozialdemokratischen Frauenbewegung“66 einberufen, eine Frauen- versammlung unter dem Motto „Wie steht es um unsere Ernährung?“ statt. Mehrere hun- dert Teilnehmerinnen waren gekommen. Als Hauptrednerin des Abends kritisierte Helene Schweida zunächst die Maßnahmen der Reichsregierung. Doch dann prangerte sie die Versorgungspolitik der Bremer Behörden und Wohlfahrtsinstitutionen an: verspätete Ver- teilung von Lebensmittelkarten, Fehler bei der Festsetzung von Einkommensgrenzen für die Bezugsberechtigung von Fleischkarten, mangelnde Kontrolle der Inhaber von Klein- handelsgeschäften. An der Unterernährung der Schulkinder könne man die Folgen dieser verfehlten Politik beobachten. Zum Schluss rief sie die Frauen auf, „sich an den großen Kämpfen [zu] beteiligen, die die Arbeiter auch während des Krieges zu führen haben“.67 90 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges

Nach dem Referat kam es in der Diskussion zu tumultartigen Szenen. Die Wut und Ver- bitterung der Frauen richtete sich zunächst gegen die anwesenden Vertreter der städtischen Behörden. Empört über deren nationalistischen Phrasen riefen die Frauen: „Wir haben kein Vaterland und wir brauchen kein Vaterland!“ Die Polizeispitzel, die die Vorgänge wie jede der Frauenaktionen sorgfältig protokollierten, fassten ihre Erkenntnisse zusammen: „Im ganzen genommen haben die Unterzeichneten den Eindruck, dass diese Versammlung le- diglich einberufen war zu dem Zwecke, die Frauen noch weiter zu verhetzen und für die ein- seitige Politik der radikalen Gruppe der hiesigen Sozialdemokratie Stimmung zu machen.“ So wurden auch Verabredungen der Arbeiterfrauen auf dem Spielplatz Nordstraße ge- nau überwacht. „In der Zeit vom 22. bis 26. Juni 1916 fanden auf dem Spielplatz an der Nordstraße regelmäßig spät abends Gruppenansammlungen von Frauen und Kindern aus der westlichen Vorstadt statt. Als Beweggrund wurde die Lebensmittelknappheit angege- ben. Den Anlass dazu hatten vorherige Zusammenkünfte sozialdemokratischer Frauen gegeben, die von der entschiedenen Linken der sozialdemokratischen Arbeitsgemein- schaft zu Straßenkundgebungen aufgehetzt waren.“68 So der Polizeibericht. Diese demonstrativen Zusammenkünfte, die die Polizei gegen den Widerstand der Frauen auflöste, bildeten den Auftakt zu immer weiter sich ausdehnenden Aktionen. „Am Abend des 26. Juni waren Tausende von Menschen auf den Beinen, die immer wieder in Demonstrationszügen von mehreren hundert Personen versuchten, von der westlichen Vor- stadt, dem Arbeiterviertel, in das Stadtzentrum vorzustoßen. In den Reihen der Demons- tranten, in denen auch ich (Wilhelm Eidermann – D.S.) mich befand, aber auch Frauen und Jugendliche zahlreich vertreten waren, ging es äußerst lebhaft her. Immer wieder riefen wir im Sprechchor: ‚Es lebe Karl Liebknecht69 – hoch, hoch, hoch‘. ‚Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!‘ Immer wieder griff die Polizei ein.“70 In der Nacht vom 28. auf den 29. Juni 1916 wurden überall in der Stadt Flugblätter verteilt gegen die Verurteilung Karl Liebknechts, die gleichzeitig zur Massenkundgebung auf dem Marktplatz aufriefen. Wenige Tage darauf griff die Bewegung auf die Werftarbeiter der AG Weser über. Am 3. Juli begann dort der Streik, an dem sich bereits am 4. Juli 4.000 bis 4.500 Arbeiter be- teiligten. Die Arbeiter begründeten ihren Ausstand „mit dem Ausbleiben einer Antwort auf Lohnforderungen und Teuerungszulagen […] und mit dem Mangel an Lebensmitteln“.71 In diesen Aktionen artikulierte sich zugleich die Empörung über die Verurteilung Karl Lieb- knechts, der für die Arbeiter der wichtigste Repräsentant einer aktiven Politik gegen den Kriegskurs der Regierung war. Am Anfang der Kampagne hatten „Frauenansammlungen“ gestanden, ihnen folgten Massenkundgebungen und danach Streiks. Unter der aktiven Beteiligung der linken SPD- Frauen war es gelungen, verschiedene Gruppen mit ihren unterschiedlichen materiellen und politischen Interessen zu gemeinsamen Aktionen zusammenzuführen.

Die Spaltung im Reich und in Bremen – 1916/1917

In der SPD wurden die Auseinandersetzungen über den Krieg und wie er zu beenden sei umso offener und härter geführt, je länger dieser andauerte. In diesem Konflikt teilte sich die Partei in drei Lager. So gab es einmal die Mehrheitssozialisten als größte Gruppe, die auch weiterhin die Kriegskredite bewilligte und am Burgfrieden festhielt; dann die Sozial- 1914–1919 91 demokratische Arbeitsgemeinschaft (SAG), später USPD, die vor allem gegen die weitere Kriegskreditbewilligung und gegen die annexionistischen Ziele des Deutschen Reiches auftrat; und schließlich die Gruppe Internationale (Spartakusbund)72, später KPD, die in der von den Mehrheitssozialisten vertretenen Politik einen Verrat am proletarischen Inter- nationalismus der Vorkriegs-SPD sah und eine Rückkehr zu den marxistischen Grund- sätzen der Partei durchsetzen wollte. Mit seiner linken Mehrheit gehörte der Ortsverein der Bremer SPD von Anfang an zur Oppositionsbewegung gegen die Politik des Parteivorstandes. Im Laufe des Jahres 1916 wurden auch in Bremen die parteiinternen ideologischen Auseinandersetzungen zwischen den Befürwortern der Burgfriedenspolitik und den Linken, die einen sofortigen Frieden ohne Annexionen forderten, immer heftiger.73 Die Positionen standen sich un- versöhnlich gegenüber. Den ersten Schritt zur Trennung machte im Dezember 1916 der rechte Flügel, der sich abspaltete und als „Sozialdemokratischer Parteiverein Bremen“ organisierte. Damit war der Streit in Bremen aber nicht beendet. Die politischen Kontro- versen standen ganz im Zeichen der Entwicklung im Reich. Alfred Henke und seine An- hängerInnen rechneten sich zur SAG; die Linksradikalen unter der Führung von Johann Knief arbeiteten mit der Gruppe Internationale (Spartakusbund) eng zusammen. Bis zur endgültigen Spaltung im Mai 1917, als die Gruppe Henke aus dem linken Ortsverein aus- trat und eine Ortsgruppe der USPD gründete, dauerten die Auseinandersetzungen an. Für die politische Arbeit einer Frauengruppe blieb kaum Platz. Im Gegenteil, die Spal- tungen innerhalb der SPD Bremens trennten auch die Sozialdemokratinnen in die Gruppe der Reformistinnen, die sich im Zentral-Hilfsverein des Roten Kreuzes engagierten, in An- hängerinnen der Gruppe Internationale Kommunisten Deitschlands (IKD) und Mitglieder der Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD). Auch die linken Frauen, die gemeinsam Pro- teste geplant und gemeinsam auf der Straße demonstriert hatten, gingen getrennte Wege. In den drei rivalisierenden Parteien waren die Frauen dann damit beschäftigt, sich in ihren neuen Organisationen wieder Frauenstrukturen zu schaffen und in Abgrenzung zu den anderen sich formierenden Frauenbewegungen ein eigenständiges Profil zu entwickeln. Die endgültige Spaltung der Gesamtpartei wurde zu Beginn des Jahres 1917 vollzogen. Die Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft (SAG) hatte zum 7. Januar 1917 Opposi- tionsvertreter aller Schattierungen zu einer Aussprache nach Berlin eingeladen. Dort wur- de beschlossen, innerhalb der SPD für die Ideen der Opposition zu werben mit dem vage formulierten Ziel, eventuell einen Zusammenschluss der Kriegsgegner herbeizuführen.74 Die Parteiführung der SPD erklärte, dass die SAG mit der Durchführung einer solchen Konferenz und dem dort gefassten Beschluss eine „Sonderorganisation gegen die Partei gegründet“ habe. Auf der Parteiausschusssitzung am 18. Januar 1917 wurde in aller Form festgelegt, dass die Parteigruppen alle Mitglieder und Anhänger der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft auszuschließen hätten.75 Diese Sitzung des Parteiausschusses hatte auch für die Frauenpolitik weit reichende Folgen. Am Ende der Tagung teilte Friedrich Ebert als Vorsitzender unter dem Punkt „Sonstiges“ mit, dass das Thema der „Frauenagitation“ nicht mehr behandelt werden kön- ne, die Partei habe mit den gefassten Beschlüssen in der nächsten Zeit genug zu tun. Als Luise Zietz darum bat, wenigstens die Durchführung des Frauentages im März zu geneh- migen, wurde dieser Antrag sofort von zwei Rednern zurückgewiesen. Ohne weitere Wort- meldungen abzuwarten, brach Friedrich Ebert die Debatte kurzerhand ab und stellte „als die Meinung des Parteiausschusses fest, daß im März kein Frauentag stattfinden soll, und schließt die Sitzung um 7 Uhr abends“76. Dieses rüde Vorgehen hatte zunächst den Zweck, Luise Zietz klarzumachen, dass sie in der SPD zukünftig keine Rolle mehr spielen würde77. 92 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges

Und vor allen Dingen ging es natürlich darum, den Frauen ihr Forum für Friedensaktionen und Unruhestiftung, nämlich den Internationalen Frauentag, zu entziehen. Mit diesem Beschluss des Parteiausschusses fand für die Frauen der Mehrheits-SPD das Thema Internationaler Frauentag sein vorläufiges Ende. Doch die Probleme der Arbei- terfrauen waren nicht gelöst und ihre Forderungen nicht erfüllt.

Die Revolution setzt das Frauenwahlrecht auf die Tagesordnung

Im Jahr 1917 verschlechterten sich die Lebensbedingungen noch weiter. Bereits im Novem- ber 1916 hatte sich eine wirtschaftliche Katastrophe abgezeichnet. Die Kartoffelernte war erheblich geringer ausgefallen, als man erwartet hatte und den staatlichen Stellen wurden immer mehr Lebensmittel durch Schwarzmarkt und Hamsterkäufe entzogen. Kohlenman- gel und die lang anhaltende Kälte zwangen zur Schließung der Schulen von Februar bis Anfang Mai 1917.78 In den Betrieben wuchs die Unzufriedenheit. Die Lohnerhöhungen hielten seit langem mit der Teuerung nicht Schritt. Auch Bremen wurde von den Streikwellen erfasst. Es war nicht nur die Nahrungsmittelnot, die die Arbeiter mobilisierte, zunehmende Kriegsmüdig- keit und Friedenssehnsucht waren ebenso wichtige Antriebskräfte. Fast die Hälfte der Streiks des Jahres 1917 hatte politische Ursachen.79 Dem Senat war klar, dass sich die Proteste der Arbeiter auch gegen die Bremer Regie- rung richteten und versuchte, der bedrohlichen Situation zu begegnen. So wehrte sich Dr. Schultz, der Leiter der Lebensmittelkommission (LMK), beim Berliner Kriegsernäh- rungsamt verzweifelt gegen Kürzungen bei Nahrungsmittelrationen und Zulagen für die Arbeiter. Er berichtete dem Senat nach seiner Rückkehr aus Berlin im Juni 1917, was er vorgetragen habe: „Die Stimmung der Leute sei derartig, dass eine solche Kürzung die un- angenehmsten Folgen nach sich ziehen müsse. Wir säßen mit unserer Arbeiterschaft auf einem Vulkan und seitens der Agitatoren würde eine solche Herabsetzung ohne Zweifel ausgenutzt werden, um uns die größten Unannehmlichkeiten zu bereiten.“ Die Streiks waren eine wirksame Waffe, um gegen die unerträglichen politischen und wirtschaftlichen Zustände in Deutschland zu protestieren. Doch ebenso blieben die Frau- en und ihre Lebensmittelkrawalle eine von den Herrschenden beargwöhnte Macht. Es wa- ren nicht allein ihre öffentlichen Demonstrationen. Gefürchtet war ihr Einfluss im privaten Bereich. „Die erregten Frauen tragen die erbitterte Stimmung heim und übertragen dies in aufreizender Weise auf ihre von der Arbeit heimkehrenden Familienmitglieder, die sie wieder in die Fabrikbetriebe weitertragen“, formulierte es die Danziger Behörde.80 Im ganzen Reich hatten die Frauen mit ihren Brotkrawallen und Antikriegsaktionen wichtige Anstöße für die politische Bewegung gegen das kaiserliche Regime und seine Kriegspolitik gegeben. Doch im Jahr 1918 ging die Initiative mehr und mehr auf die Betrie- be über und damit übernahmen die Männer die organisatorische und politische Führung. Auch in den Arbeiter- und Soldatenräten, die sich seit November 1918 im ganzen Reich bildeten, waren Frauen kaum vertreten. Trotzdem aber hatte sich ihre Forderung nach dem Frauenwahlrecht bei den Revolutionären eingeprägt. Noch kurz vor Kriegsende wandten sich die Vertreterinnen der Mehrheits-SPD und der Gewerkschaften gemeinsam mit den Frauen der bürgerlichen Frauenvereine mit einer 1914–1919 93

Petition an die Regierung und das Parlament. Sie wollten erreichen, dass die Regierung und die Parteien der Mehrheitskoalition, die sich aus SPD, Zentrum und Liberalen zu- sammensetzte, das Frauenstimmrecht in die Reformvorschläge zur Demokratisierung der politischen Verhältnisse aufnahmen. Doch das alte System hatte weder die Zeit noch die Macht, um noch Programme durchzusetzen. Das Frauenstimmrecht wurde von den Revo- lutionären im November 1918 auf die Tagesordnung gesetzt. In dem Programm, das der Rat der Volksbeauftragten – der von Vertretern der SPD und USPD gebildet wurde – am 12. November 1918 verkündete, hieß es: „Alle Wahlen zu öf- fentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten allgemeinen Wahlrecht aufgrund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“ 81 Der Kampfruf des Internationalen Frauentages 1914, „Heraus mit dem Frauenwahl- recht!“, war durch die Massenaktionen der Frauen und ihren beharrlichen Einsatz wäh- rend des Krieges zum Bestandteil des Revolutionsprogramms geworden. Damit war die zentrale Forderung des Beschlusses von Kopenhagen erfüllt. Doch zu diesem Zeitpunkt war es keineswegs sicher, dass die Frauen wirklich ihr Stimmrecht würden ausüben können. Die politische Grundlage der Revolution bildeten die Arbeiter- und Soldatenräte. Mehrheitlich sahen sie ihre Aufgabe in der Vorbereitung der parlamentarischen Demokratie. Deshalb drängten sie auf die Einführung des Frauen- wahlrechts. Aber eine wachsende Zahl der Sozialisten der USPD sowie eine Mehrheit der Spartakusgruppe und der Gruppe Internationale Kommunisten sahen die Arbeiter- und Soldatenräte in einer viel weiter reichenden Funktion: Statt der bürgerlich parlamentari- schen Demokratie sollten die Arbeiter- und Soldatenräte die Errichtung der Diktatur des Proletariats nach dem Modell der russischen Sowjets durchsetzen, um so das alte Regime von Grund auf umzugestalten. In diesem Kampf um die Errichtung einer Rätediktatur wurde das Frauenwahlrecht wieder zur Diskussion gestellt – so auch in Bremen, als dort die radikale Linke die Räterepublik etablierte.

... und die Räterepublik in Bremen stellt das Frauenwahlrecht wieder in Frage

Wie im Reich, so war auch die Regierung in Bremen und die Mehrheit der Bürgerschafts- abgeordneten erst angesichts der Niederlage und der heraufziehenden Revolution bereit, über die Abschaffung des Acht-Klassen-Wahlrechts zugunsten einer demokratischen Al- ternative nachzudenken. Bis November 1918 blieben die Bremer Bürgerschaft und die Ver- fassungsdeputation trotz wiederholter Eingaben und Anträge bei ihrer Ablehnung eines demokratischen Wahlrechts. So wurde der Antrag der SPD-Fraktion, der das „gleiche Stimmrecht für alle Staatsangehörigen beiderlei Geschlechts“ forderte, in der Deputations- sitzung am 5. Juli 1918 erneut abgelehnt. Die Ortsgruppen des Deutschen Bundes für Frauenstimmrecht und der Frauenstadt- bund hatten im Oktober 1918 eine Petition mit der Forderung nach dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht bei der Bürgerschaft eingereicht. „Sie [die Frauen] fühlen sich gerade jetzt zu dieser Bitte gedrängt, aus dem Wunsche heraus, in dieser schweren Zeit nicht nur die Lasten mitzutragen, sondern sich auch als voll berechtigte Bürgerinnen zu ihrem Hei- matstaat zu bekennen.“82 Diese Initiative der Bremer Frauenstimmrechtsbewegung wurde von der Revolution förmlich überrollt. 94 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges

Am 6. November 1918 stand erneut der Wahlrechtsantrag der SPD-Fraktion zum „all- gemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht für beide Geschlechter“ auf der Tagesordnung der Bürgerschaft. In der Debatte zeigte sich, dass angesichts der politischen Ereignisse im Reich und in Bremen eine Mehrheit der Abgeordneten für das allgemeine gleiche und geheime Wahlrecht für Männer stimmen würde. Der Abgeordnete Henke von der USPD setzte sich dagegen vehement für das Frauen- wahlrecht ein: „Dass aber das Wahlrecht auch noch den Frauen vorenthalten werden soll, das finde ich einfach schändlich und empörend. [ .... ] Man wird nicht verstehen, dass das Volk der Dichter und Denker, dieser Dichter, die die Frauen immer so hoch gepriesen haben, nach dieser großen Probe, die die Frauen abgelegt haben in Bezug auf ihre mate- riellen Leistungen, dass nach all dem unser Volk es nicht durchzusetzen weiß, dass diese Frauen endlich ihre politischen Rechte bekommen. Das muss auch für Bremen durchge- setzt werden [ ... ]. Und wir werden damit nicht schlecht fahren.“83 Diesmal entschied sich die Bürgerschaft gegen die Stimmen der SPD für die halbe Sa- che: In Zukunft sollte es das gleiche Wahlrecht für Männer geben.84 Während die Bürger- schaft aber noch zögerlich über Abänderungen des Acht-Klassen-Wahlrechts verhandelte, demonstrierten die Massen auf dem Marktplatz vor dem Rathaus bereits für eine grund- legende Umgestaltung aller gesellschaftlichen Verhältnisse. In seiner Ansprache wies der Unabhängige Sozialdemokrat Adam Frasunkiewicz auf den Zusammenbruch des Kaiser- reiches und das Ende des Krieges hin und kündigte die Bildung eines Arbeiter- und Sol- datenrates an. Nach Beendigung der Bürgerschaftssitzung „ließen die Domglocken ihren ehernen Ruf über die Stadt hinweg erschallen, was die Soldaten veranlasst hatten. Das klang wie ein gewaltiges Dröhnen an die Pforten einer neuen Zeit.“85 So wie der Krieg von den Domglocken eingeläutet worden war, so wurde er unter Glockengeläut beendet. Am 9. November formulierte der Bremer Arbeiter- und Soldatenrat in seinem Aufruf an die Bremer Bevölkerung sein Programm:

Am 9. November 1918 wurde der Revolutionsaufruf des Arbeiter- und Soldatenrats Bremen überall verbreitet und noch am selben Tag veröffentlichte die Bremer Presse die Einladung zur Frauenversammlung für den darauf folgenden Tag.86 1914–1919 95

„Über die Aufgaben der Räte“ hieß es im Aufruf: „Sturz der kapitalistischen Gesell- schaftsordnung und damit Aufhebung jeder Art der Ausbeutung und Unterdrückung, rich- te sie sich gegen eine Klasse, eine Partei, ein Geschlecht oder eine Rasse. Aufrichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung.“ Mit diesem Programm setzten die Revolutionäre die Umgestaltung der alten Ordnung auf die Tagesordnung und mit der gleichzeitigen Einladung zur Frauenversammlung machten sie deutlich, dass in der neuen Ordnung die Frauen gleichberechtigt mitbestimmen und mitgestalten sollten. Unter dem Druck dieser Ereignisse entwickelte der Senat ein Arbeitstempo, das bisher nur die Arbeiter in der Kriegsproduktion kannten. In einer Senatssitzung am Sonntag, dem 10. November, wurde in aller Eile ein Gesetzentwurf zum Wahlrecht als Vorlage für die Verfassungsdeputation formuliert:

Gesetzentwurf des Bremer Senats an die Verfassungsdeputation zum Wahlrecht bremi- scher StaatsbürgerInnen vom 10. November 1918.87

Und am darauf folgenden Tag richtete der Senat auch ein Schreiben an die Bürgerschaft, in dem er den Beschluss der Bürgerschaft vom 6. November begrüßte, „das allgemeine, gleiche, geheime Wahlrecht“ einzuführen. Er vertrat aber die Meinung, dass darüber hin- aus auch „für die Frauen Wahlberechtigung und Wählbarkeit im gleichen Umfang wie für die Männer vorzusehen sei“88. Neuwahlen sollten nach Auffassung des Senats schon in der nächsten Zeit stattfinden. Aber das Gesetz des Handelns lag nicht mehr bei Senat und Bürgerschaft. Am 14. November 1918 beschloss der Arbeiter- und Soldatenrat einstimmig: „Der Arbeiter- und Soldatenrat hat die Ausübung der politischen Gewalt im Bremer Staats- gebiet übernommen. Senat und Bürgerschaft bestehen nicht mehr.“89 Zuvor jedoch hatten sich am Nachmittag des 10. November 2.000 Bremerinnen im Casino Auf den Häfen versammelt. Auch der Frauenstimmrechtsbund hatte seine Anhän- gerinnen zu dieser Versammlung aufgerufen und so waren gleichfalls die Vertreterinnen der bürgerlichen Stimmrechtsbewegung gekommen. Die Versammlung wurde von Anna 96 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges

Stiegler90 geleitet. Hauptredner war Alfred Henke, er erklärte: „Die Gleichberechtigung der Geschlechter wird von der Revolution wahr gemacht werden.“ Für seine Ausführungen wurde er mit großem Beifall bedacht. Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Rhein informier- te dann über die Initiative des Senats, dass dieser „das Frauenwahlrecht bei der Neurege- lung der Verfassung berücksichtigen“ werde. Käte Ahrens, Else Kesselbeck und Gesine Becker91, alle drei Mitglieder der Gruppe Internationale Kommunisten Deutschlands (IKD), forderten die Frauen auf, sich im revo- lutionären Prozess zu engagieren. Denn „wir wollen nicht mehr fordern, wir wollen dekre- tieren. Die Gesellschaft kann keinen einzigen Tag ohne Frauenarbeit existieren“, erklärte Käte Ahrens, „mit aller Macht müssen die Frauen darauf drängen, dass sie überall mit- gewählt werden“. Auch Alfred Henke ermunterte in seinem Schlusswort die Frauen zur Mitarbeit in den Ausschüssen des Arbeiter- und Soldatenrates (AuSR). Doch diese Vorstellungen und Wünsche wurden nie realisiert. Weder meldeten sich die Frauen zur Mitarbeit in den Ausschüssen des AuSR noch wurden in den Arbeiterorgani- sationen Maßnahmen ergriffen, die Frauen zur Mitwirkung in den politischen Gremien zu befähigen oder zu fördern. Eher zeigten sich unter der Herrschaft des AuSR und der Räterepublik Tendenzen, den Frauen politische Fähigkeiten abzusprechen. Der Verlauf der Wahlrechtsdebatte in den Wochen der Herrschaft des Arbeiter- und Soldatenrates und der Räterepublik machten das deutlich. In der Diskussion auf der Frauenversammlung hatte Rita Bardenheuer – „von der linksbürgerlichen Frauenbewegung“, wie sie sich selbst vorstellte – auf den Gesinnungs- wandel von Leuten hingewiesen, „die noch vor wenigen Wochen das Frauenwahlrecht verdonnerten, [und die sich] jetzt plötzlich als dessen Anhänger ausgeben“.92 Doch die Frauen wurden nicht nur davon überrascht, dass aus den schärfsten Gegnern des Frauen- wahlrechts plötzlich Befürworter eines demokratischen Wahlsystems geworden waren, sie sahen sich vor allem mit einer Kehrtwende bei Alfred Henke konfrontiert. Er, der noch am 10. November 1918 in der Frauenversammlung als engagierter Befürworter des Frauen- stimmrechts aufgetreten war, erklärte am 19. November vor dem Arbeiter- und Soldaten- rat: „Wenn er, Redner, vor 14 Tagen in der Bürgerschaft unter der alten Herrschaft noch ausdrücklich für das Frauenwahlrecht eingetreten sei, so brauche man jetzt nicht sofort das wahr zu machen, was man damals unter ganz anderen Umständen gefordert habe. Jetzt heiße es, erst die eigene Macht zu festigen, bis die Gefahr der Konterrevolution, wie sie jede Revolution zeitige, beseitigt sei. Das könne nur geschehen unter der vorläufigen Diktatur des Proletariats.“93 Alfred Henke gab diese Erklärung als Vorsitzender des Arbei- ter- und Soldatenrates ab. Damit war das zugleich die Erklärung des Leiters der Bremer Revolutionsregierung.94 Alfred Henke bezog sich mit diesem Beitrag auf eine Diskussion, die in den Reihen der Linken geführt wurde. Diese wehrte sich dagegen, dass mit den schnell durchgezogenen Wahlen zur Nationalversammlung nur die Kräfte des alten Regimes gestärkt würden und die Republik auf der Grundlage der kaiserlichen Institutionen errichtet würde. Dagegen müsse eine von den Räten geführte Regierung – so erläuterte es Toni Sender 95 – „zuerst die Forderungen der revolutionären Massen befriedigen […]: Nämlich die Grundstruktu- ren der neuen Republik so umfassend zu verändern, dass sich eine solche Katastrophe, wie es der Weltkrieg war, nie mehr wiederholen konnte. Um dies zu erreichen, mussten wir die Mächte, die für die Vergangenheit verantwortlich waren, entthronen.“ Deshalb sollte zunächst eine Rätediktatur errichtet werden. Damit gerieten die Revolutionäre gegenüber den Frauen in ein Dilemma: Unter einer Diktatur des Proletariats würde es keine all- gemeinen, gleichen Wahlen geben. Das bedeutete, dass die Frauen einerseits durch die 1914–1919 97

Novemberrevolution das Wahlrecht erhalten hatten, aber durch die Rätebewegung daran gehindert wurden, davon Gebrauch zu machen. Allerdings beließ es Alfred Henke nicht bei der politischen Grundsatzerklärung. Schon wenige Tage später erläuterte er dem Arbeiter- und Soldatenrat, „daß eine Diktatur der Arbeiter- und Soldatenräte sehr wirksam wäre, besonders in Hinsicht auf die politische Aufklärung der Frauen und der Jugendlichen. Vielleicht könnte diese Diktatur zwei Jahre währen.“96 Er sprach offen aus, was viele politisch engagierten Männer befürchteten, dass die Wählerinnen bei allgemeinen und gleichen Wahlen den bürgerlichen, christlichen Par- teien ihre Stimme geben könnten. Um das zu verhindern, empfahl Henke quasi eine politi- sche Erziehungsdiktatur für Frauen und Jugendliche durch die Arbeiter- und Soldatenräte. Gegen diese Vorstellungen erhoben die Frauen heftigen Protest. Minna Bahnson for- mulierte den Einspruch der Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenvereine in den Bremer Nachrichten vom 26. November 1918: „Wir Frauen verwahren uns aufs schärfste dagegen zum Spielball männlicher Parteiinteressen herabgewürdigt zu werden.“ In der Versamm- lung der Mehrheitssozialisten „erhob die Genossin Harder Protest gegen die bekannten Ausführungen des Reichstagsabgeordneten Henke über das Frauenwahlrecht“97. Die Frau- en erlebten erneut – jetzt von linksradikaler Seite –, dass Männer ihnen politische Rechte vorenthalten wollten und bevormundend über sie verfügten. Damit sahen sich die Vertrete- rinnen der bürgerlichen Frauenbewegung und die Frauen der Mehrheitssozialdemokratie (MSPD) in ihrer Ablehnung gegen die Räteregierung bestätigt. Am 6. Januar 1919 standen Wahlen zum Arbeiterrat an. Das vereinbarte Wahlreglement billigte „nur den politisch oder freigewerkschaftlich Organisierten – also den Mitgliedern der drei sozialistischen Parteien und den Mitgliedern der Freien Gewerkschaften – das Wahlrecht zu“98. Das bedeutete den Ausschluss der Mehrheit der Bremerinnen und Bre- mer von den Wahlen. Zeitgleich forderten die Kommunisten im AuSR, dass die für den 19. Januar festgesetzten Wahlen zur Nationalversammlung in Bremen nicht durchgeführt werden sollten. Zwar hatten die Kommunisten mit ihrem Antrag keinen Erfolg und die Wahlen zur Nationalversammlung fanden auch in Bremen statt, doch das Vorgehen der linken Parteien gegen das allgemeine und gleiche Wahlrecht erzeugte heftigen Protest. Gegenüber diesen Kritikern legitimierte Henke erneut das Vorgehen der Revolutionäre damit, dass es gelte, eine besondere Gefahr abzuwehren, und diese Gefahr ging, nach Henkes Auffassung, von den Wählerstimmen der Frauen aus. „Das Wahlrecht der Frauen, das sie als Weihnachtsgeschenk bekamen und zum Dreikönigstag schon ausüben sollen, enthält eine gewisse Gefahr. Es ist die Gefahr, die man erkennt, wenn man einem unaus- gebildeten Rekruten ein geladenes Gewehr in die Hand drückt. Und dass die meisten Frauen Wahlrekruten sind, werden sie selbst nicht bestreiten.“99 Weil die Frauen nun ein- mal politisch unreif und unqualifiziert wären und sie deshalb auch von ihrem Wahlrecht keinen sachgemäßen Gebrauch machen würden, musste ihnen – nach der Überzeugung von Alfred Henke – zunächst das Stimmrecht also wieder entzogen werden. Dabei fällt auf, dass sich zu diesem Thema nur die bürgerlichen Frauen und die Ver- treterinnen der Mehrheitssozialisten öffentlich äußerten. Die Kommunistinnen schwiegen zu der gesamten Auseinandersetzung. Für eine Fortsetzung der Debatte blieb keine Zeit. Die Räterepublik steckte in einer inneren Krise und von außen drohte die militärische Intervention. Da entschloss sich der „Bremische Rat der Volksbeauftragten“, das oberste Führungsgremium der Räterepublik, demokratische Wahlen zu einer Bremer Nationalversammlung durchzuführen. Im Entwurf zur Wahlordnung vom 28. Januar 1919 hieß es: „Wahlberechtigt sind alle deutschen Män- ner und Frauen, die am Wahltage das zwanzigste Lebensjahr vollendet und in dem bremi- 98 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges

schen Staatsgebiet ihren Wohnsitz haben.“100 Doch das Ende war nicht mehr aufzuhalten „Am 4. Februar 1919 wurde die Räterepublik Bremen auf Befehl der Reichsregierung und des Volksbeauftragten Noske durch die Division Gerstenberg und das Freikorps Caspari militärisch niedergeschlagen.“101 Die provisorische Regierung Bremens, die ab dem 5. Februar 1919 die Regierungsge- schäfte übernahm, trat als Sachwalter der Fraueninteressen auf. Sie erließ am 10. Februar eine Wahlordnung „betreffend die Wahlen zur bremischen Nationalversammlung“.

Die Wahlordnung zur Bremischen Nationalversammlung vom 10. Februar 1919.102

Mit dieser Wahlordnung erhielten auch die Bremerinnen das aktive und passive Wahlrecht zur Wahl der Bremischen Nationalversammlung. Bei den ersten demokratischen Wahlen in Bremen am 9. März 1919 kandidierten bei den drei Arbeiterparteien USPD, SPD und KPD jeweils Frauen auf den zweiten Listenplätzen.

Zwischenbilanz

Unter den Bedingungen des Ersten Weltkrieges nahm die Bedeutung des Internationalen Frauentages für die Sozialdemokratinnen weiter zu. Zunächst war es das Erlebnis, sich im Kreise Gleichgesinnter und Gleichbetroffener zu versammeln. Die Gemeinschaftserfah- rung, die aus der Kontinuität und der Wiederholung des Frauentages resultierte, stärkte jede Einzelne. Zugleich setzten die Frauen mit ihren Versammlungen am Frauentag ein Zeichen für die Öffentlichkeit, sie demonstrierten, dass die Einschränkungen des Krieges sie nicht da- ran hinderten, sich weiterhin aktiv in die politischen Auseinandersetzungen einzumischen. Im Gegenteil nahmen sie die neuen Herausforderungen, die das Kriegsgeschehen an sie stellte, in die politischen Aussagen der Frauentage auf. Es war Clara Zetkin, die die neue Ausrichtung des Tages in Worte fasste: „Krieg dem Kriege“ – unter dieser Losung wurde der Internationale Frauentag zu einem internationa- 1914–1919 99 len Agitationstag für den Frieden und immer mehr Frauen schlossen sich diesem Appell an. Das war eine klare Absage an die Burgfriedenspolitik des Parteivorstands. Die Partei- führung reagierte auf diese Frauenopposition mit dem Ausschluss der aktiven Frauen und der Parteiausschuss nutzte die Gelegenheit, den Frauentag zunächst zu verbieten. In Bremen ging von der Versammlung zum Frauentag 1915 ein entscheidender Impuls für die politische Arbeit der gesamten Partei aus. Mit der Verabschiedung der Solidari- tätsadresse für Clara Zetkin und für die politische Ausrichtung der Zeitschrift Die Gleich- heit bekannte sich eine Mehrheit der Versammelten zur Antikriegsbewegung und zu einer neuen politischen Ausrichtung des Frauentages. Der wurde nicht mehr ideologisch vom Parteivorstand festgelegt, sondern die Gruppe nahm die inhaltliche Ausgestaltung selbst in die Hand. Damit waren die Resolutionen nicht mehr Zustimmungserklärungen zu ge- meinsamen Überzeugungen, sondern wurden zu Abstimmungen über strittige Themen. Trotzdem blieb der Frauentag ein Termin, an dem sich alle Sozialdemokratinnen ver- sammelten. Die Frauen wollten ihre Gemeinschaft trotz politischer Differenzen erhalten. Die beiden Frauentage 1915 und 1916 waren Fixpunkte in den politischen Aktionen der SPD-Frauen in Bremen. Während die Frauenproteste und Brotkrawalle überall im Reich als unpolitischer Aktionismus wild gewordener Frauen abgelehnt und diskriminiert wurden, übernahm die Bremer Frauengruppe der linken Parteimehrheit die Forderungen der Arbeiterfrauen und stellte sich an die Spitze des Protests. In den Aktionen gegen Le- bensmittelwucher und das staatliche Versagen bei der Versorgung der Bevölkerung waren sie organisierende Kraft. Ihre Organisation wurde zum Sprachrohr der Frauenproteste. Doch auch in Bremen wurde diese Form der eingreifenden und organisierenden Arbeit nicht fortgesetzt. Die ideologischen Debatten und Machtkämpfe verlangten von den Frau- en eindeutige Parteinahme, sodass sich auch in Bremen die Spaltung in drei rivalisierende Frauenpositionen vollzog. Mit der programmatischen Erklärung des Rates der Volksbeauftragten im November 1918, in dem den Frauen das Wahlrecht zuerkannt wurde, schien die zentrale Forderung des Beschlusses von Kopenhagen erfüllt. Die Nationalversammlung garantierte den Frau- en in der Verfassung das Stimmrecht. Dagegen erlebten die Frauen nach einem ermutigenden Anfang und politischen Ver- sprechungen, dass der Arbeiter- und Soldatenrat und die Räterepublik in Bremen für die Fragen der Frauenemanzipation kein besonderes Interesse zeigten. Es gab keine Initiative, den Frauen im Rätesystem einen angemessenen Platz zu verschaffen. Der Vorwurf, der gegen die Parteiführung der SPD erhoben worden war, dass diese die Forderung nach dem Frauenstimmrecht im Notfall, wenn es um höhere Ziele ging, aufgaben, konnte auch den revolutionären Arbeiter- und Soldatenräten gemacht werden. Der Anspruch der Frau- en auf politische Gleichberechtigung wurde mit polemischen Bemerkungen bedacht. Die Frauen wurden als Objekte der Politik gesehen, die unter einer Rätediktatur zu vollwerti- gen Mitgliedern der Gesellschaft erzogen werden mussten. Erst unter dem Druck der politischen Ereignisse änderte die Führung der Räterepublik ihre Meinung und gestand Frauen das Wahlrecht zu. 100 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges

Anmerkungen

1 Schwarzwälder, Bd. 2, 1976, 605-606. 2 Vgl. Miller, 1984, 304. 3 Limmer, 1970, 41. 4 Miller, 1984, 304. 5 Das Zitat stammt aus dem Massenflugblatt zum Frauenstimmrecht vom März 1911, in dem die wesentlichen Positionen der SPD zum Frauenwahlrecht zusammengefasst waren. Abgedruckt in: Forschungsgemeinschaft, 1975, 62. 6 Vgl. Die Gleichheit vom 10. Juni 1914, Nr. 19/24. Jg., 295. 7 Vgl. Forschungsgemeinschaft, 1984, 88. 8 Die Gleichheit vom 5. August 1914, Nr. 23/24. Jg., Titelblatt. 9 Vgl. Die Gleichheit vom 5. August 1914, Nr. 23/24. Jg. 10 Evans, 1979, 275. 11 Vgl. Evans, 1979. 12 Vorwärts vom 8. April 1915. 13 Scholze, 2001, 33. 14 Sender, 1981, 78. 15 Hervé, 2007, 82. 16 Hervé, 2007, 82. 17 Evans, 1979, 279. 18 Brief an Alfred Henke vom 22. Mai 1915, zit. in: Evans, 1979, 281. 19 Notz, 2008b, 55. 20 Die Gleichheit vom 16. April 1915, Nr. 16/25. Jg. 21 Stellungnahme im Vorwärts vom 30. April 1915, Nr. 16, zit. in: Losseff-Tillmanns, 1985, 42. 22 Vgl. Evans, 1979, 285. 23 Clara Zetkin in ihrem Brief an die „Genossin Ankersmit“ vom 3. Dezember 1914, in: Zetkin, Werke Bd. 1, 638-656. 24 Evans, 1979, 287. 25 Protokoll der Reichskonferenz, 1916, 161/162. 26 Zietz in: Protokolle der Parteitage der USPD, Bd. 1, Parteitag 1917, 31/32. 27 Aus dem Bericht von Luise Zietz, Die sozialdemokratischen Frauen und der Krieg, Ergän- zungsheft zur Neuen Zeit, 16. Juli 1915, 2. 28 Die Gleichheit vom 28. August 1914, Nr. 24/24. Jg. 29 Luise Zietz gehörte seit Kriegsausbruch zu den Kritikerinnen des politischen Kurses des Par- teivorstandes. In einer Besprechung bei Karl Liebknecht, der die Oppositionsgruppe gegen die Bewilligung der Kriegskredite anführte, sprach sie sich unumwunden gegen jede Bewilligung aus. Der SPD-Reichstagsabgeordnete Eduard David notierte in seinem Tagebuch unter dem Datum des 7. August 1914: „Frau Zietz ist für Ablehnung und nicht zu überzeugen.“ Vgl. Evans, 1986, 272. 30 Als Kriegerfrauen und Kriegerfamilien wurden im Ersten Weltkrieg Frauen bezeichnet, deren Männer oder Väter an die Front geschickt worden waren. 31 Zietz, 1915, 6. 32 Vgl. Daniel, 1989, 81. 33 Marie Juchacz (1879–1956), geb. Gohlke, musste bereits ab dem 14. Lebensjahr ihren Le- bensunterhalt als Hausangestellte, Fabrikarbeiterin und Krankenwärterin verdienen. 1908 wurde sie Mitglied in der SPD. Schon bald war sie eine gefragte Agitatorin. 1913 war sie bereits Frauensekretärin für den Parteibezirk Obere Rheinprovinz. Im Ersten Weltkrieg stellte sie sich ganz hinter die Politik des Parteivorstandes und engagierte sich von Anfang an im Nationalen Frauendienst. Aus dieser Zeit resultierte auch ihre gute Zusammenarbeit mit der bürgerlichen Frauenbewegung. Anfang 1917 wurde sie in den Parteivorstand gewählt, wo sie den Posten 1914–1919 101

von Luise Zietz übernahm. Zugleich übertrug ihr der Parteivorstand die Redaktion der Gleich- heit. Als Abgeordnete der SPD in der verfassunggebenden Nationalversammlung ergriff Marie Juchacz als erste Frau in einem deutschen Parlament das Wort. Noch im gleichen Jahr grün- dete sie die AWO. Sie war bis 1933 Reichstagsabgeordnete und leitete die Frauenarbeit der SPD. Während der Nazizeit emigrierte sie in die USA. 1949 kehrte sie in die Bundesrepublik zurück und war wieder in der AWO und der sozialdemokratischen Frauenbewegung tätig. Vgl. Blandow, 1995, 26. 34 Der Brief von Hanna Harder wurde in Auszügen abgedruckt in: Blandow, 1995, 29. 35 Vgl. Evans, 1979, 273. 36 Zietz, 1915, 30. 37 Zietz, 1915, 30. 38 Karen Hagemann stellt in ihrer Studie „Frauenalltag und Männerpolitik“ fest, dass in Hamburg nach anfänglichem breiten Engagement nur noch die Zusammenarbeit in den „Hamburgi- schen Kriegsküchen“ übrig blieb, weil die Arbeiterfrauen die ehrenamtliche Arbeit mit den wachsenden Alltagsverpflichtungen, für ihre Familie zu sorgen, der Notwendigkeit, die ein- gezogenen Genossen in der Parteiarbeit zu ersetzen, nicht mehr vereinbaren konnten. „Hinzu kam, daß sich die Zusammenarbeit zwischen sozialdemokratischen und bürgerlichen Frauen nicht selten als schwierig erwies.“ Hagemann, 1990, 524. 39 Aus dem Vorstandsbericht zur Frauenbewegung, verfasst von M. Juchacz, in: Protokoll Partei- tag 1917, Würzburg, 11. 40 Schwarzwälder, 1976, Bd. 2, 611. 41 Vgl. Daniel, 1989, 28. 42 Vgl. Schwarzwälder, Bd. 2, 1976, 630. 43 Vgl. Daniel, 1989, 173. 44 Vgl. Schwarzwälder, 1976, Bd. 2, 630. 45 Vgl. Schwarzwälder, 1976, Bd. 2, 611. 46 Vgl. Blandow, 1995, 22. 47 Lucas, 1969, 34. 48 Vorwärts vom 9. Mai 1915, zit. in Losseff-Tillmanns, 1985, 41. 49 Vgl. Die Gleichheit vom 5. März 1915, Nr. 12/25 Jg., 72. 50 Die Gleichheit vom 19. März 1915, Nr. 13/25 Jg. 51 Vgl. BBZ vom 28. April 1915. 52 BBZ vom 30. April 1915. 53 BBZ vom 28. April 1915. 54 Schwarzwälder Bd. 2, 1976, 634. 55 Eine euphemistische Beschreibung der Hungerschlangen vor den Läden, die auch vom Galgen- humor der Menschen zeugt. Vgl. Schlüter, 1993, 480. 56 Schwarzwälder, Bd. 2, 1976, 625. 57 In seiner Dissertationsschrift hat Bernd Schlüter detailliert die Lebensmittelversorgung durch die bremischen Behörden und die Protestaktionen und Krawalle der Frauen erforscht. Vgl. Bernd Schlüter, 1993, Staat, Lebensmittelversorgung und Krieg. Die kommunale Ernährungs- wirtschaft in Bremen 1914–1918. Dissertation Universität Oldenburg. 58 Vgl. BBZ vom 23. November 1915. 59 BBZ vom 16. Februar 1916. 60 Helene Schweida hat in ihren Briefen an ihren späteren Ehemann Wilhelm Kaisen über die Auseinandersetzungen im Roten Kreuz und innerhalb der Partei berichtet. In ihrem Aufsatz „Liebe und Politik im Ersten Weltkrieg: Der Briefwechsel Helene und Wilhelm Kaisen“ hat Inge Marßolek die Korrespondenz analysiert. Meine Darstellung basiert auf dieser Analyse. Vgl. Marßolek, 1999, 150–153. 61 Vgl. BBZ vom 7. März 1916. 62 Die Gleichheit vom 3. März 1916, Nr. 12/26. Jg. 63 Losseff-Tillmanns, 1985, 44. 102 Unter dem Regime des Ersten Weltkrieges

64 BBZ vom 11. März 1916. 65 BBZ vom 17. März 1916. 66 Die folgenden Zitate stammen, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus einem undatierten, offensichtlich von Spitzeln verfassten, sechsseitigen Bericht „An Senator Biermann“. STAB, 4,2/2-B.34. 67 BBZ vom 6. Juni 1916. 68 Polizeibericht vom 29. Juni 1916; STAB 4.89/1-301, Bl. 2. 69 Karl Liebknecht war auf der Maikundgebung 1916 in Berlin verhaftet worden, weil er eine Demonstration gegen den Krieg organisiert hatte. Nachdem der Reichstag seine Immunität aufgehoben hatte, wurde er Ende Juni zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Es gab eine allgemeine Empörung über dieses Urteil und wie in Berlin war das auch in Bremen Anlass für Demonstrationen und Streiks. 70 Der Kommunist Wilhelm Eildermann hat 1972 in der DDR seine Tagebücher und Briefe ver- öffentlicht. Er hatte 1916 als Achtzehnjähriger die illegalen Flugblätter heimlich gedruckt und auf der oben beschriebenen Demonstration verteilt. Eildermann, 1972, 331. 71 Kuckuk, 1986, 34. 72 Zu dieser Gruppe gehörten auch die Bremer Linksradikalen, die sich später den Namen Inter- nationale Kommunisten Deutschlands (IKD) gaben. 73 Vgl. Lucas, 1969, 45 und 51. 74 Vgl. Lucas, 1969, 89–90. 75 Protokoll der Sitzung des Parteiausschusses vom 18. Januar 1917, Beschluss, 41; im Reprint von 1980, [429]. 76 Protokoll der Sitzung des Parteiausschusses vom 18. Januar 1914, 39; im Reprint, [427]. 77 Luise Zietz hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ihren Sitz im Parteivorstand verloren und wurde kurz darauf auch aus der Partei ausgeschlossen. 78 Vgl. Schwarzwälder, 1976, Bd. 2, 638-639. 79 Vgl. Schwarzwälder, 1976, Bd. 2, 640. 80 So die Einschätzung der Danziger Behörde. Zit. in: Kocka, 1973. 41. 81 Aufruf des Rates der Volksbeauftragten an das deutsche Volk, 12. November 1918, zit. in: Mi- chalka/Niedhart, 2002, 27–28. 82 BBZ vom 31. Oktober 1918. 83 Verhandlungen der bremischen Bürgerschaft 1918, 361. Eine ausführliche Darstellung zur Frauenstimmrechtsbewegung findet sich in: Romina Schmitter, Der lange Weg zur politischen Gleichberechtigung der Frauen in Bremen, 1991, 85–96. Im Quellenteil dieser Arbeit ist auf den Seiten 342–344 das Protokoll der Bürgerschaftssitzung vom 6. November 1918 auszugsweise abgedruckt. 84 Vgl. BN vom 7. November 1918. 85 BN vom 7. November 1918. 86 BBZ vom 9. November 1918. 87 STAB, Senat und Inneres, V. 1 Nr. 32. 88 Auszug aus der Mitteilung des Senats vom 11. November 1918. Seite 841/STAB V.1. Nr. 32. 89 Aus dem Protokoll der Sitzung des Arbeiter- und Soldatenrates (AuSR) vom 14. November 1918, 2. Nach Absetzung von Senat und Bürgerschaft als Institutionen war der AuSR nicht mehr lediglich Kontrollorgan, sondern die höchste politische Spitze des Staatswesens Bremen. Die Regierungsaufgaben übernahm der „Aktionsausschuss“, der schon vorher aus den Reihen des AuSR gewählt worden war. Vgl. Kuckuk, 1986, 70–76. Als einzige Frau gehörte Käte Ahrens (IKD) als Mitglied des Aktionsausschusses der neuen Regierung an. Vgl. BBZ vom 9. November 1918. 90 In dem Bericht der BBZ vom 11. November 1918 ist von „Genossin Ziegler“ die Rede. Es handelt sich aber mit Sicherheit um Anna Stiegler, die als SPD-Mitglied zunächst in Blumenthal aktiv war. Während des Krieges zog sie nach Bremen und hatte sich dort der USPD angeschlossen. S. auch Debus, 1986, 82/F 6. Anna Stiegler (1881–1963), gesch. Vogt, geb. Behrend, Tochter einer Landarbeiterfamilie, blieb eine Ausbildung versagt und ging so als Kinderfräulein „in Stellung“. 1905 wurde sie Mit- 1914–1919 103

glied der SPD. Sie zog nach Bremen und heiratete Carl Stiegler. Sie wurde Schriftführerin der SPD-Frauengruppe und 1918 leitete sie die Frauenversammlung während der Räterepublik. 1919 trat sie aus der SPD aus und in die USPD ein. Als deren Kandidatin wurde sie in die Bremische Nationalversammlung (später Bürgerschaft) gewählt und blieb dort auch nach der Vereinigung von SPD und USPD bis 1933 Abgeordnete. Ab 1924/1925 war sie Sprecherin der Sozialdemokratischen Frauen, die sie gegen den zunehmenden Einfluss faschistischer Kräfte mobilisierte. Nach der Machtübernahme Hitlers organisierte sie den Widerstand unter den So- zialdemokratinnen. 1935 wurde sie wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu fünf Jahren Zucht- haus verurteilt und nach Verbüßung der Zuchthausstrafe kam sie in das Konzentrationslager Ravensbrück. Erst im April 1945 konnte sie das Lager verlassen. Zurückgekehrt nach Bremen wurde sie als Mitbegründerin und Vorsitzende des Bremer Frau- enausschuss wieder in der SPD aktiv. Sie übernahm erneut die Leitung der Frauengruppe in der SPD. An dieser Aufgabe hielt sie fest, bis sie schließlich 1963 ihre Funktion als Leiterin der Frauenarbeit aufgab. Im selben Jahr starb sie. Aus diesem Anlass fand am 28. Juni 1963 ein offizieller Staatsakt statt. 91 Im Arbeiterrat und in der Räterepublik finden sich nur die Namen von drei Frauen in den Leitungsgremien: Käthe Ahrens, Gesine Becker und Minna Otto. Alle drei waren Mitglieder der Gruppe Internationale Kommunisten Deutschlands (IKD). Keine andere Organisation der Arbeiterbewegung hatte Frauen in den Arbeiterrat entsandt. Vgl. Hannover-Drück, 1991, 1-5. 92 Die Zitate stammen aus dem Versammlungsbericht der BBZ vom 11. November 1918. 93 Protokoll des AuSR vom 19. November 1918. 94 Der AuSR hatte am 14. November bekannt gegeben: „Der Arbeiter- und Soldatenrat hat die Ausübung der politischen Gewalt im Bremer Stadtgebiet übernommen. Senat und Bürger- schaft bestehen nicht mehr.“ Aus dem Protokoll der Sitzung des Arbeiter- und Soldatenrats in Bremen, Sitzung November 1918, Seite 2-3. 95 Diese Erläuterungen stammen aus Toni Senders in englischer Sprache verfassten autobiogra- phischen Schrift „The Autobiography of a German Rebel“ aus dem Jahr 1939. Das Buch wurde erst 1981 ins Deutsche übersetzt. Sender, 1981, 124. Toni Sender (1888–1964), hatte sich früh von ihrem wohlhabenden jüdischen Elternhaus getrennt und der Arbeiterbewegung angeschlossen. Sie war eine aktive Kriegsgegnerin und hatte an der von Clara Zetkin einberufenen Berner Konferenz teilgenommen. Seit 1917 war sie Mitglied der USPD, 1919 wurde sie Mitglied des Arbeiterrates in Frankfurt am Main. Von 1920 bis 1933 war sie Reichstagsabgeordnete der SPD. Obwohl schon früh von den Nazis als Linke und Jüdin verfolgt, trat sie immer wieder als Rednerin gegen die Nationalsozialisten auf. Einen ihrer letzten Auftritte hatte sie in Bremen zur Kundgebung anlässlich des Internationa- len Frauentages vom 22. Februar 1933. Danach emigrierte sie in die USA, wo auch die oben zitierte Biographie entstand. Sie war seit 1949 Vertreterin des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften bei den Vereinten Nationen und lebte bis zu ihrem Tod in den USA. 96 Protokoll des Arbeiter- und Soldatenrates vom 22. November 1918. 97 BBZ vom 27. November 1918. 98 Kuckuk, 1969, 19. 99 BBZ vom 4. Januar 1919. 100 Brem. Statist. Landesamt (Hrsg.): Wahlen zur Bremischen Nationalversammlung am 9. März 1919, Bremen, 1919,1, zit. in: Schmitter, 1991, 350. 101 Kuckuk, 1969, 30. 102 Wahlordnung der Provisorischen Regierung Bremens vom 10. Februar 1919, zit. in: Schmitter 1991, 350. 4.

Die Internationalen Frauentage der USPD 1917–1922 106 Die Internationalen Frauentage der USPD

Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit der Frage, wie nach der Spaltung der deut- schen Sozialdemokratie die Ideen der sozialistischen Frauenbewegung und deren Erbe, der Internationale Frauentag, in den drei Parteien der Arbeiterbewegung in die jeweils eigene Frauenarbeit eingeordnet wurden. Zunächst geht es um die Frauenpolitik und die Internationalen Frauentage der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutsch- lands (USPD). Durch das Vorgehen der SPD-Führung gegenüber der linken Opposition in Bremen und auch in einigen anderen Orten alarmiert, lud der Vorstand der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft (SAG) die OppositionsvertreterInnen aller Schattierungen aus dem ganzen Reich zum 7. Januar 1917 nach Berlin ein. Dort sollte über eine Perspektive beraten werden, wie es in der Auseinandersetzung mit dem Parteivorstand und seiner Politik wei- tergehen sollte. Nach langer Diskussion wurde beschlossen, dass die Oppositionsgruppen in Zukunft enger zusammenarbeiten sollten und die einzelnen GenossInnen sollten unter den Parteimitgliedern werben, um „in geeigneter Weise einen Zusammenschluss herbei- zuführen“.1 Diese Konferenz und die dort getroffene Vereinbarung nutzte die SPD-Führungsspitze zum Eingreifen. Am 18. Januar trat der Parteiausschuss zusammen. Die Mehrheit des Ausschusses erklärte, dass die Arbeitsgemeinschaft eine „Sonderorganisation“ geschaffen habe, die die SPD in den eigenen Reihen nicht akzeptieren werde. Die zuständigen Partei- gliederungen wurden verpflichtet, die Linken aus der Partei zu entfernen.2 Nach diesem Rauswurf musste sich die Opposition eine eigene Organisation schaf- fen. Ostern 1917 trafen sich in Gotha linke Oppositionelle zum Gründungskongress der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD). „Es war offensichtlich unsere Pflicht, dem Friedenswillen der hungernden Millionen Ausdruck zu verleihen.“ Mit diesen Worten fasste die Sozialistin Toni Sender, die seit dem Kriegsausbruch gegen die Kriegspolitik der SPD agitiert hatte, das Motiv für die Parteigründung zusammen.3 Auf dem Parteitag wurde offenkundig, dass viele der politisch aktiven Frauen der SPD der Antikriegsbewegung angehörten. Die Frauen sahen in der Parteigründung eine Chan- ce, die Arbeit der sozialistischen Frauenbewegung fortzusetzen und forderten deshalb eine stärkere Berücksichtigung der Fraueninteressen. Doch blieb den USPD-Frauen nur eine kurze Zeitspanne, um ihre Ideen zur Frauen- politik und zum Internationalen Frauentag zu realisieren. Denn schon im Dezember 1920 spaltete sich die Partei. Die Linke der USPD vereinigte sich mit der KPD. Die übrig ge- bliebene Partei fand zwischen der KPD und der SPD keinen eigenen politischen Platz. So näherte sich die USPD wieder der SPD an und 1922 vereinigten sich USPD und SPD zur Vereinigten Sozialdemokratischen Partei Deutschland (VSPD).4 Doch trotz der nur fünf- jährigen Geschichte gelang es den Frauen, eine eigene Frauenbewegung innerhalb der Partei aufzubauen und den Internationalen Frauentag als politischen Agitationstag neu zu beleben. Mit der Darstellung der Initiativen der Gründungsfrauen auf dem Parteitag der USPD in Gotha beginnt das Kapitel. Die Frauen sahen sich selbst in der Tradition der sozialisti- schen Frauenbewegung der Vorkriegszeit, und deren politische Ziele sollten in der neuen Partei aufgenommen und weiterverfolgt werden. In diesem Kontext spielte der Internatio- nale Frauentag eine zentrale Rolle. Er war Symbol für eine eigenständige Frauenbewegung und zugleich Medium, mit dem die Frauen ihre Forderungen und politischen Ziele zum Ausdruck bringen konnten. Angesichts der Bedeutung, den der Frauentag für die USPD- Frauen hatte, fällt auf, dass in Bremen nur in den Jahren 1919 und 1920 Frauentagsveran- staltungen stattfanden. In der Schilderung über die Bremer Frauenarbeit der USPD steht 1917–1922 107 die Darstellung der beiden Versammlungen im Mittelpunkt. Zugleich wird der Frage nach- gegangen, was die USPD-Frauen in Bremen daran gehindert hat, den Frauentag durch- gehend durchzuführen.

Die Gründung einer zweiten Arbeiterpartei

Gründungskongress in Gotha 1917: Frauen ergreifen die Initiative

An der Gothaer Gründungsversammlung der USPD im Jahr 1917 nahmen Delegierte aus 91 sozialdemokratischen Wahlkreisorganisationen und 15 Reichstagsabgeordnete teil. Da- runter befanden sich eine ganze Reihe profilierter Frauen der alten Sozialdemokratie. Sie hatten sich als aktive Kriegsgegnerinnen der innerparteilichen Opposition angeschlossen. Mit ihrer Beteiligung am Aufbau einer radikalen, linken Partei wollten sie auf die Ent- wicklung der Politikkonzepte im Interesse der Frauen Einfluss nehmen. Luise Zietz fasste die Erwartungen zusammen: „Ich bin stolz und glücklich, daß die Frauen zur Opposi- tion gehören. Die Belohnung dafür ist mir durch den Hinauswurf geworden. Ich habe die Hoffnung, daß die Forderungen der Frauen jetzt anders bewertet werden als in der alten Partei; denn immer und immer wieder sind meine Anträge im Parteivorstand aufgescho- ben und abgelehnt worden.“5 Zunächst waren die Frauen bemüht, in den Parteistrukturen eigene Gestaltungsräume für die Frauenarbeit zu schaffen. So wurde beschlossen einen Reichsfrauenausschuss als zentrale Schaltstelle für die Koordinierung der Frauenarbeit einzurichten, dessen Vorsitz Luise Zietz übertragen wurde. Sie wurde zugleich in den Parteivorstand gewählt. Aber die Frauen beschäftigten sich nicht nur mit politischen Erklärungen und Orga- nisationsfragen, sondern wandten sich auch konkreten Projekten zu. Nachdem sich die SPD durch Beschluss des Parteiausschusses vom Internationalen Frauentag verabschiedet hatte – wie im vorherigen Kapitel dargestellt –, ergriffen die USPD-Frauen die Initiative. Sie stellten auf dem Parteitag den Antrag, den Internationalen Frauentag im Mai 1917 unter der politischen Leitung der USPD durchzuführen. Im Mittelpunkt der Agitation sollte das Frauenwahlrecht, die Durchsetzung von Schutzgesetzen für Arbeiterinnen und Mütter und die Forderung nach Frieden stehen. Nachdem der Antrag angenommen worden war, erklärte Luise Zietz abschließend: „Das Wahlrecht ist für uns eine Waffe, um alles erobern zu helfen, was wir brauchen und was wir verlangen. Wenn sie heimkommen, bitte ich Sie, mit allen Kräften für den Frauentag zu wirken.“6

Der Aufbau einer USPD-Gruppe in Bremen

In Bremen konnte sich erst im Mai 1917 eine Ortsgruppe der USPD gründen. Denn die Gruppe um Alfred Henke, die der USPD beitreten wollte, musste sich zunächst aus dem al- ten Ortsverein abspalten, da die Linksradikalen einen Anschluss an die USPD ablehnten. So war die Gruppe im Mai noch mit ihrer Konstituierung befasst – an eine Veranstaltung zum Internationalen Frauentag war nicht zu denken. Von Beginn an stand die Parteigruppe unter der Beobachtung der Militärbehörden, die solche „offene Konstituierung staatsfeindlicher politischer Gruppen“ – wie sie es 108 Die Internationalen Frauentage der USPD nannten – mit allen Mitteln zu unterbinden suchten. Alfred Henke erhielt Redeverbot. Bei der Polizeidirektion Bremen ging eine Anweisung des Obermilitärbefehlshabers aus Berlin ein, der die Dienststelle verpflichtete, das Verbreiten von Flugblättern und Auf- rufen der USPD zu verbieten, „gegebenenfalls gegen ihre Verbreitung einzuschreiten“. Dem Schreiben wurde die Abschrift des Aufrufs der Zentralleitung der USPD beigefügt. In diesem Flugblatt von April 1917 wurde unter anderem auch auf den Frauentag im Mai hingewiesen: „Auf dem Frauentage werden die Frauen die Forderung erheben für ihre Gleichberechtigung, für ihren und ihrer Kinder Schutz, für die Beendigung des entsetz- lichen Kriegsgemetzels.“ Nach Auffassung der Militärbehörden störten solche Aufrufe den Burgfrieden und die Unabhängige Sozialdemokratie versuche mit solchen Appellen „Ein- fluß auf die Kriegführung zu gewinnen“.

Geheimbericht des Obermilitärbefehlshabers an die Bremer Polizeidienststellen.7

Öffentliche Versammlungen wurden der Partei grundsätzlich verboten. Die erste geneh- migte Versammlung fand erst am 4. November 1918, am Vorabend der Revolution statt. Angesichts der Verfolgungsmaßnahmen der Militärbehörden konnte sich die Gruppe kaum öffentlich betätigen und politischen Einfluss gewinnen. Der USPD-Ortsverein zählte am 1. April 1918 nur 182 Mitglieder und zum Zeitpunkt der Revolution waren es 262.8 Unter den politischen Verhältnissen und mit den wenigen weiblichen Mitgliedern war es den Frauen auch im Jahr 1918 nicht möglich, zum Frauentag eine Veranstaltung zu organisieren. Erst mit den revolutionären Ereignissen in Bremen traten die USPD-Frauen in Erschei- nung und konnte sich die Frauenarbeit entwickeln. 1917–1922 109 Die Frauentage der USPD-Frauen in Bremen – 1919 und 1920

„Die Frauen im Befreiungskampf der Arbeiterschaft“

Bereits in den revolutionären Wochen der Räterepublik gehörte Anna Stiegler zu den akti- ven Frauen der USPD. Sie leitete die Frauenversammlung, die der Arbeiter- und Soldaten- rat für den 11. November 1918 einberufen hatte und kandidierte auf der Liste der USPD für den Arbeiterrat im Januar 1919.9 Nach der Niederschlagung der Bremer Räterepublik im Februar 1919 berichtete die Bremer Arbeiter-Zeitung (BAZ)10, die lokale Parteizeitung des USPD, über Aktionen von USPD-Frauen. Am 20. Februar versammelten sich Frauen in Gröpelingen, eine andere Gruppe traf sich im Gewerkschaftshaus zum Thema „Die Frauen im Befreiungskampf der Arbeiterschaft“. Leider liegen über die Treffen keine Berichte vor. Die folgenden Wochen waren angefüllt mit Wahlkampfagitation. Denn für den 9. März waren Wahlen zur Bremer Nationalversammlung anberaumt worden. Zum ersten Mal wurde das Bremer Landespar- lament, die Bürgerschaft, nach dem allgemeinen, freien und gleichen Wahlrecht gewählt. Um die Stimmen der Bremerinnen warben alle Parteien. Die Arbeiterparteien räumten den Genossinnen vorderste Plätze auf ihren Kandidatenlisten ein. In einer Reihe von Pres- seappellen rief die Bremer Arbeiter-Zeitung die Frauen zur Wahl der USPD auf:

„Frauen und Mädchen! Die unabhängige sozialdemokratische Partei ist seit ihres Bestehens für Eure Gleich- berechtigung eingetreten! Die unabhängige sozialdemokratische Partei wird auch in Zukunft immer die Wah- rung Eurer Interessen im Auge haben! Die unabhängige sozialdemokratische Partei war und ist grundsätzliche Gegnerin des männermordenden Krieges, der Euch Frauen und Mädchen um alles beraubt hat. Die unabhängige sozialdemokratische Partei ist der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen feind und kann Euch allein aus Euren Fesseln erlösen. Frauen und Mädchen, prägt Euch bis zum Wahltage die Namen ein, die am Anfang der Wahlliste der unabhängigen sozialdemokratischen Partei stehen: Alfred Henke — Alwin Kerrl — Frau Stiegle r

Anna Stiegler gehörte zu den drei SpitzenkandidatInnen der USPD.11

Für die Popularität einer Politikerin war es von entscheidendem Vorteil, wenn sie in die „Troika“ der SpitzenkandidatInnen aufsteigen konnte, dann wurde sie bei jedem Wahlauf- ruf, auf jedem Plakat erneut genannt. Damit konnten sich die Frauen in der Öffentlichkeit bekannt machen. Anna Stiegler gehörte zu den achtzehn weiblichen Abgeordneten, die erstmals am 4. April 1919 im Bremer Parlament Platz nahmen.12 110 Die Internationalen Frauentage der USPD

1919: Wieder ein Internationaler Frauentag in Bremen

Am 1. April 1919, kurz vor dem Internationalen Frauentag am 11. April, erschien die erste Nummer der neuen Frauenzeitung der USPD: Die Kämpferin.

Die Kämpferin.13

Seit 1910 hatte die Forderung nach dem Frauenwahlrecht den Inhalt der Internationalen Frauentage bestimmt. Jetzt, im Jahr 1919, saßen die ersten weiblichen Abgeordneten in den Parlamenten. Trotzdem wollten die Unabhängigen Sozialdemokratinnen auf „ihren“ Kampftag nicht verzichten. Deshalb rief Luise Zietz in der neuen Frauenzeitung die Frau- en auf, in den Zeiten der revolutionären Umbrüche den Blick in die Zukunft zu richten und damit dem Frauentag eine neue Perspektive zu geben: „Unser heutiger Frauentag gilt der Demonstration für die Verwirklichung des Sozialismus.“ Denn nur im Sozialismus „wird […] erst voll gewertet werden, was die Frauen als Arbeiterinnen und vor allem, was sie als Mütter leisten.“ Der Kampf für diese Zukunft erfordere, so Zietz, den Zusammenschluss der Internationale sozialistischer Frauen: „Über Grenzpfähle hinweg reichen wir unseren Schwestern in allen Ländern unsere Hände entgegen.“14 Damit war die neue Richtung für die Internationalen Frauentage der USPD bestimmt und Luise Zietz fasste am Schluss ihres Beitrags zum „Revolutions-Frauentag 1919“ die wichtigsten Punkte zusammen: „Unser Frauentag muß deshalb werden ein leidenschaftli- ches Bekenntnis zum Sozialismus und zur internationalen Solidarität.“15 „Sozialismus und internationale Solidarität“ wurde der Leitspruch für die Frauentage der USPD. In dem Aufruf zur Frauenversammlung in Bremen wurden Frauen und Mädchen „zur freudigen Mitarbeit am Neubau der Gesellschaft“ aufgerufen. 1917–1922 111

„In ganz Deutschland ein Frauentag“ – und auch in Bremen wieder eine „öffentliche Frauenversammlung“ am 11. April 1919.

Die BAZ berichtete am 14. April über den Verlauf der Veranstaltung. Zunächst hatte die Rednerin von ihren Erfahrungen in den Revolutionskämpfen zu Beginn des Jahres 1919 in Hamburg und über Aktionen der USPD gegen die Unregelmäßigkeiten bei der Lebens- mittelverteilung berichtet. Sie wies darauf hin, dass es der Partei durch ihr engagiertes Eingreifen gelungen sei, ihre Mitgliederzahl von 800 auf 3.000 zu erhöhen. Nach dem Vortrag kam es zu einem hitzigen Wortwechsel mit Käte Ahrens, einer Ver- treterin der Kommunisten. Käte Ahrens war vielen Anwesenden gut bekannt. Sie hatte sich in der Räterepublik engagiert und war Herausgeberin der Kommunistischen Zeitung Arbeiterpolitik. In der BAZ wurde ihr Auftritt recht kritisch beurteilt: Die „Genossin Ah- rens glaubte in einer Mitgliederversammlung der Kommunistischen Partei zu sein, denn sie hielt eine der schärfsten Brandreden gegen die USPD.“ Dagegen erhob sich stürmischer Widerspruch. Die Referentin erwiderte in scharfen Worten. Auch sie bekenne sich zu den kommunistischen Zielen, „aber leider müsse gesagt werden, daß viele sich Kommunisten 112 Die Internationalen Frauentage der USPD nennende nur noch Putschisten seien“.16 Die ideologischen Kämpfe zwischen den Unab- hängigen Sozialdemokraten und den Kommunisten über den richtigen politischen Weg wurden auch zwischen den Frauen ausgetragen. Doch die Teilnehmerinnen beschäftigten konkrete Nöte und Sorgen. Vor zwei Mona- ten war die Räterepublik mit Waffengewalt niedergeschlagen worden. Die provisorische Regierung aus Vertretern der Mehrheitssozialdemokraten hatte den Belagerungszustand verhängt, das Militär war allgegenwärtig, die Regierung trieb die Angst vor der Erneuerung einer Räterepublik um. Gleichzeitig dauerten Lebensmittelknappheit, Rationierungen und Preiswucher weiterhin an. Die Empörung gegen die Bremische Regierung wuchs, es kam zu Streiks und Demonstrationen.17 Diese Situation bestimmte den Inhalt von zwei Resolu- tionen, die die Frauenversammlung verabschiedete. Darin wurde die Aufhebung des Belagerungszustands verlangt, und die Entwaffnung der Bürgerwehr, die Auflösung der Freicorps gefordert. Dafür sollten die „wirklich sozia- listischen Arbeiter“ bewaffnet werden. Außerdem sollten die Unterstützungszahlungen für die Hinterbliebenen der Revolutionsopfer und die Unterstützungssätze für die Krieger- witwen und Waisen wesentlich erhöht werden. Als wirklicher Ausweg aus der Krise wurde „die schleunigste Sozialisierung“ gefordert. Die zweite Resolution richtete sich gegen die Belegung der Schulen durch das Militär, dessen Rückzug verlangt wurde, damit endlich der volle Unterricht wieder aufgenommen werden könne. Diese Resolutionen richteten sich gegen die immer noch bestehenden Zwangsmaßnahmen, erhoben soziale Forderungen und waren ein Aufruf zum Handeln. Zwei Tage nach der Frauenveranstaltung trafen sich die Vertrauensleute der bremischen Betriebe im Gewerkschaftshaus. Dort wurde eine fast gleichlautende Resolution verab- schiedet und als Ultimatum an den Senat geschickt. Als dieser nicht darauf reagierte, wurde für Dienstag, den 15. April 1919, der Generalstreik ausgerufen. Die Unternehmer organisier- ten dagegen die Aussperrung der Arbeiter. Um den befürchteten Aufstand der Arbeiter zu stoppen, ließ die Regierung am 20. April, Ostersonntag, an wichtigen Straßenkreuzungen Stacheldrahthindernisse aufbauen: In Bremen begann das „Stacheldraht-Ostern“.18 So waren die Bremer USPD-Frauen mit ihrer ersten Frauentagkundgebung unmittelbar in die politischen Kämpfe der Stadt einbezogen. Die unabhängigen Sozialdemokratinnen engagierten sich in der Folgezeit in der Kommunalpolitik, sie bauten ihre Frauengruppe weiter auf und versuchten unter den Arbeiterfrauen neue Mitglieder zu gewinnen.

USPD-Frauen organisieren zum zweiten Mal einen Internationalen Frauentag

„10.251 (zehntausendzweihunderteinundfünfzig) Mitglieder zählte vorgestern die Orts- gruppe Bremen der USPD und ist damit nicht erst seit heute, sondern schon seit langen Monaten die stärkste politische Parteigruppe in Bremen.“19 Mit diesen Worten leitete das Vorstandsmitglied Franz Starker seinen Bericht über die Entwicklung der USPD ein. Allen Widerständen zum Trotz war die USPD zu einer aktiven Ortsgruppe zusammengewach- sen. Mit 1.486 weiblichen Mitgliedern betrug der Frauenanteil 17 Prozent. Mit dem Jahr 1920 stand ein entscheidendes Wahljahr bevor. Die Wahlen für den Reichstag und für die Bremische Bürgerschaft waren auf den 6. Juni festgesetzt worden. Das Wahlergebnis würde entscheidend davon abhängen, wie viele Frauen der USPD ihre Stimme gaben. Deshalb wandte sich Franz Starker in seinem Artikel direkt an die Genos- sinnen: „Ihr Frauen habt auch noch ein reiches Arbeitsfeld. Zirka 1.500 Frauen sind mit 1917–1922 113 uns. Tausende von Frauen sympathisieren, aber sie glauben, das genügt. Es ist notwendig, dass sich weit mehr Frauen als Kämpferinnen unseren Reihen anschließen.“20 Für den Vorstand war es selbstverständlich, dass die Agitation unter den Frauen und das Werben neuer weiblicher Mitglieder von den Genossinnen zu übernehmen war. Gegen diese Einstellung der Genossen protestierten die Teilnehmerinnen auf der ers- ten Frauenkonferenz des Bezirks Nordwest, die am 12. Mai 1920 in Bremen stattfand. Im Gewerkschaftshaus versammelten sich dreißig Frauen aus Bremen und den umliegenden Städten und Gemeinden. Neben Vorträgen über die Aufgaben der Frauen bei den bevor- stehenden Wahlen und über Probleme in der kommunalpolitischen sozialen Arbeit standen die Themen Mitgliederwerbung und die Gestaltung der Gruppentreffen im Mittelpunkt der Beratung. In den Berichten über die konkrete Arbeit wurde das Verhalten der Genossen gegenüber den Frauen mehrfach kritisiert. Die Männer überließen nicht nur die Werbung der weiblichen Mitglieder allein den Genossinnen, sondern versäumten es aus „selbstsüchti- gen Motiven“ auch, die eigenen Ehefrauen und Töchter für die politische Arbeit zu gewinnen. Diese Kritik wurde in einem Antrag an den Bezirksvorstand ausdrücklich festgehalten: „Es ist die Pflicht eines jeden Genossen, mehr als bisher die Arbeit der Genossinnen zu fördern und sie zu jeder Mitarbeit heranzuziehen.“21 Die Frauen protestierten dagegen, dass ihnen die mühsame Kleinarbeit, die Mitgliederwerbung und die Wahlagitation unter den Arbeiter- frauen übertragen wurden und die Männer die politisch relevante Arbeit unter sich aufteilten. Eine weitere Kritik richtete sich gegen die ungenügende Berücksichtigung der Frauen- aktivitäten in der Presseberichterstattung. Dazu erklärte der Bezirkssekretär, „daß die Bremer Arbeiter-Zeitung infolge des chronischen Platzmangels sich der Frauen weniger annehmen könnte, als sie es gerne möchte“.22 Solchen Argumenten konnten die Frauen kaum etwas entgegensetzen. Deshalb waren die Frauentagsveranstaltungen besonders wichtig, denn dann war den Frauen für ihre Forderungen und Aktionen ein Platz in den Presseorganen der Partei gesichert. So veröffentlichte die BAZ zum Frauentag 1920 auf der ersten Seite einen Leit- artikel von Bertha Braunthal.23 Sie erläuterte darin die Forderungen des Internationalen Frauentages. Im Vordergrund standen sozialpolitische Anliegen nach durchgreifendem Mutterschutz, dem Sechsstundentag für Frauen und Jugendliche, der Abschaffung der Nachtarbeit und nach gleichem Lohn für gleiche Leistung.24 Über die tagespolitischen Forderungen hinaus sollte der Frauentag „eine Kundgebung für den internationalen So- zialismus sein“.25 Auf der öffentlichen Frauenversammlung am 14. Mai standen in der Rede von Bertha Braunthal die Bürgerschafts- und Reichstagswahlen im Mittelpunkt. Zum Schluss betonte sie „den internationalen Gedanken der sozialistischen Frauenbewegung. Und übermittelte die […] von Holland übersandten Schwesterngrüße zum Frauentag.“ Damit setzte die USPD die Tradition früherer Frauentage fort, dem Gedanken der internationalen Verbun- denheit unter den Frauen durch den Austausch von Grußadressen Ausdruck zu verleihen. Nach der Rede von Bertha Braunthal meldeten sich Parteifrauen aus Bremen zu Wort und ergänzten das Referat durch konkrete Berichte über Bremer Verhältnisse. Die Ab- schlussresolution fasste die sozialpolitischen Wahlkampfforderungen zusammen. Zugleich war die Resolution Ausdruck für die internationale Verbundenheit mit „allen Frauen und Mädchen der Erde, die auch unter dem Drucke einer sie beherrschenden Gesellschafts- schicht leiden“. Vor allem schickten die Frauen ihre schwesterlichen Grüße denen, „die im Kampfe für die Revolution, für den Sozialismus allen voran gehen […], den Kämpferinnen in Sowjet-Russland.“26 Diese Sätze zeigen deutlich, dass die Frauen mit großem Interesse die Entwicklung in Russland verfolgten. 114 Die Internationalen Frauentage der USPD Oktober 1920: Spaltung der Partei und der Frauen

Die revolutionären Umwälzungen in Sowjet-Russland übten einen erheblichen Einfluss auf die internationale Arbeiterbewegung aus. Besonders in Deutschland wurde die Errichtung einer Räterepublik nach russischem Vorbild nicht nur in der neu gegründeten KPD disku- tiert. Auch innerhalb der USPD forderten Mitglieder und Funktionäre, dass sich die Partei der gerade entstandenen kommunistischen Weltbewegung, der Dritten Internationale, an- schließen sollte. Der Streit über die Beitrittsfrage wurde zur Zerreißprobe für die USPD. Auf dem außerordentlichen Parteitag in Halle/Saale sprach sich eine Mehrheit von 237 gegen 156 Delegierten für den Anschluss an die Kommunistische Internationale (KI) aus. Auch von den 41 stimmberechtigten Teilnehmerinnen stimmten 21 für den Beitritt. Die USPD (Linke), zu der auch Bertha Braunthal gehörte, schloss sich auf dem Vereinigungs- parteitag vom 4. bis 7. Dezember in Berlin mit der KPD zur VKPD zusammen.27 Die bei der Abstimmung unterlegene Minderheit verließ den Parteitag und ging an den mühsamen Neuaufbau. Luise Zietz wurde wieder Mitglied im Vorstand, Anna Nemitz und Mathilde Wurm wurden zu Beisitzerinnen gewählt. Für die USPD Bremens bedeutete die Spaltung einen Verlust von etwa 3.000 Mitgliedern.28 Doch der Ortsverein arbeitete weiter. Von den „tätigen Genossinnen“ trat keine zur KPD über. Wie dem Versammlungsanzeiger der BAZ zu entnehmen war, traf sich die Frauengruppe wei- terhin.

Veranstaltungshinweis in der BAZ vom 10. November 1920.

Doch die Partei hatte den Schwung der ersten Jahre eingebüßt. Die Mitgliederzahl sank. „Hatte es in Bremen Anfang 1920 noch 11.000 Mitglieder gegeben […], so war die Zahl 1922 auf 6-7.000 gesunken.“29 Es wurde sichtbar, dass sich zwischen der erstarkten KPD und der MSPD eine dritte Arbeiterpartei nicht behaupten konnte. Die Frauen konzentrier- ten sich auf ihre Gruppentreffen und auf die Arbeit in der Bremer Bürgerschaft. Da von der Parteileitung und den Führungsfrauen keine Impulse kamen, fanden in den Jahren 1921 und 1922 auch keine Frauentagsveranstaltungen in Bremen mehr statt. Es war ein Rück- zug in Raten. Gleichzeitig näherten sich MSPD und USPD einander an. Am 5. Oktober 1922 tagte der Ortsverband der USPD und beschloss die Vereinigung mit der MSPD. Sicht- bares Zeichen für die Vereinigung wurde die Zusammenlegung der beiden Presseorgane. Die Bremer Arbeiter-Zeitung (USPD) und das Bremer Volksblatt (SPD) stellten zum 1. Oktober ihr Erscheinen ein und seitdem gab es die Bremer Volkzeitung (BVZ).30 Am 9. 1917–1922 115

Oktober wurden die Frauen und Mädchen aufgerufen: Werdet Mitglied in der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands! „Die Spaltung und der unglückselige proletarische Bruderkampf hat in der Tat viele Arbeiterfrauen abgeschreckt, sich in der Arbeiterbewegung einzureihen. Die sozialistische Arbeiterbewegung ist jetzt wieder geeint. […] Kann es da für die Arbeiterfrauen und -mäd- chen noch eine Frage geben, wo sie hingehört? Sie müssen, wenn sie nicht Verrat üben wollen an der proletarischen Sache, Mitglied der vereinigten Sozialdemokratie werden und müssen sich aus dem Bremer Parteiorgan, der Bremer Volkszeitung, die politische Schulung holen, die sie befähigt, selbständig denkend an die politischen Fragen und an die Fragen des Frauenlebens heranzugehen.“31 Am 15. Oktober 1922 fand die feierliche konstituierende Generalversammlung der VSPD Bremen im großen Saal der Centralhallen statt.

Die Centralhallen – ein zentrales Versammlungsgebäude, in dem seit 1926 auch Frauen- tagsveranstaltungen stattfanden.32

In der Frauenbeilage der BVZ vom 20. Oktober 1922 fasste die sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete der SPD und Leiterin der SPD-Frauenzeitung Die Gleichheit Clara Bohm-Schuch, die Stimmung unter den Frauen zusammen: „Nicht mit lauten Jubelfan- faren begrüßen wir diesen Tag, dazu liegt zu hartes Erleben hinter uns, zu schwere Zeit vor uns. Aber eine starke stolze Freude steht über allem: wir haben Frieden geschlossen; wir sind wieder die Sozialdemokratische Partei.“33 In diesem kurzen Artikel drückte sich die Ambivalenz aus, mit der die Frauen den Vereinigungsprozess begleiteten. Einerseits entstand wieder eine große Partei und aktive Frauen kehrten in die Partei zurück, an- dererseits hatten die Frauen in beiden Organisationen ein eigenes Profil entwickelt, oft in bewusster Abgrenzung zur anderen Frauengruppe. Diese Hürden mussten erst noch genommen werden. 116 Die Internationalen Frauentage der USPD Zwischenbilanz

Die Gründungsfrauen der USPD erklärten von Beginn an, dass sie an den politischen Zie- len der sozialistischen Fraueninternationale festhalten und diese weiterentwickeln wollten. Auch in der politischen Praxis setzten sie deren Tradition fort. Mit dem Beschluss des Gothaer Parteitages, dass im Mai 1917 der Internationale Frauentag stattfinden sollte – nachdem ihn die SPD-Führung abgesagt hatte –, übernahmen die unabhängigen Sozial- demokratinnen das zentrale Symbol der sozialistischen Frauenbewegung und sorgten da- für, dass die Kontinuität des Frauentages in Deutschland gewahrt blieb. Mit der Erringung des Frauenwahlrechts war die zentrale Forderung des Beschlusses von Kopenhagen erfüllt. Doch der Internationale Frauentag hatte in den Augen der Frauen in der Zwischenzeit eine Bedeutung erlangt, die weit über den begrenzten Anlass hinaus- ging. Er war zum Symbol der internationalen sozialistischen Frauenbewegung geworden und wurde zum Medium, mit dem die Frauen ihre konkreten Ziele und Forderungen zum Ausdruck bringen konnten. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Phase der Umbrüche lautete ihr Motto: „Für Sozialismus und internationale Solidarität.“ Es war das erklärte Ziel der Frauenpolitik der USPD-Frauen, dass der Frauentag wie- der zum einigenden Band zwischen den sozialistischen Frauenbewegungen der einzelnen Länder werden sollte. Gegen den im Krieg erzeugten Völkerhass galt es, „auf unseren Frauentagen unsere internationale Gesinnung zum Ausdruck zu bringen“.34 Die erneuer- ten Kontakte zwischen den sozialistischen Frauenorganisationen manifestierten sich im gegenseitigen Austausch von Grußadressen. Das Verlesen dieser internationalen Botschaf- ten gehörte zu den feststehenden Ritualen der Veranstaltungen wie die Resolutionen und das gemeinsame Singen revolutionärer Lieder. Die Frauentage der USPD bildeten die Brücke zwischen der sozialistischen Frauen- bewegung vor dem Ersten Weltkrieg und den Frauentagen der KPD und SPD in der Wei- marer Republik. Das wurde auch in den persönlichen Biografien sichtbar. 1920 trat eine Gruppe der USPD-Frauen zur KPD über und übernahm dort erneut Führungsaufgaben in der Frauenarbeit. Die USPD-Frauen wurden nach ihrem Eintritt in die SPD die treibenden Kräfte, in der SPD den Internationalen Frauentag durchzusetzen. 1917–1922 117

Anmerkungen

1 Protokolle der USPD-Parteitage, Bd. I, 1975, Parteitag in Gotha 1917, Anhang, 97–99, Zitat, 98, Abstimmung, 118. 2 Protokolle der Sitzungen des Parteiausschusses, Nachdrucke, Bd. 1, Beschluss, [429]. Zu dieser Parteiausschusssitzung s. auch: Kap. 2, Abschnitt „Die Spaltung“. 3 Vgl. Sender 1981, 87. 4 Vgl. Krause, 1976, 99–103. 5 Protokoll USPD-Parteitag Gotha, 1975, Bd. 1, 31–32. 6 Protokoll USPD-Parteitag Gotha, 1975, Bd. 1, 71. 7 Kriegsakten der Polizeidirektion, STAB 4,14/1-Kr.A.14.b.Nr.9. 8 Vgl. Lucas, 1969, 93–94. 9 Vgl. Hannover-Drück, 1991, 50. 10 Seit 1918 gab die USPD Bremens eine eigene lokale Parteizeitung, die Bremer Arbeiter-Zeitung (BAZ), heraus. 11 BAZ vom 3. März 1919. 12 Vgl. Hannover-Drück, 1991, 50. 13 Die Kämpferin vom 1. April 1919. 14 Auszug aus der zentralen Resolution zum Frauentag 1919, in: Die Kämpferin vom 3. Juni 1919, 79. 15 Zietz, Der Revolutions-Frauentag, in: Die Kämpferin Nr. 1 vom 1. April 1919, 4. 16 BAZ vom 14. April 1919. 17 Vgl. Schwarzwälder, 1983, Bd. 3, 92–103. 18 Vgl. Schwarzwälder, Bd. 3, 233–235. 19 BAZ vom 3. März 1920. 20 BAZ vom 3. März 1920. 21 BAZ vom 14. Mai 1920. 22 BAZ vom 14. Mai 1920. 23 Bertha Braunthal (1887–1967) stammte aus einer jüdischen Familie in Wien. Während des Ersten Weltkrieges arbeitete sie in einer Fabrik in den Niederlanden. Von dort kam sie nach Berlin. Sie wurde Mitglied in der USPD und im Dezember 1919 in das Sekretariat des Zentral- komitees gewählt, wo sie die Propagandaarbeit unter den Frauen leitete. 1920 schloss sie sich auf dem Spaltungsparteitag der Mehrheit an und trat zur KPD über. Auf dem Vereinigungspar- teitag zur VKPD 1920 wurde sie zur Leiterin des Frauensekretariats bestimmt, wobei ihr das Amt mit der Übernahme der Parteiführung durch die radikale Linke wieder entzogen wurde. Sie arbeitete dann bis 1933 bei der Zeitschrift der Kommunistischen Internationale „Inprekorr“ in Berlin und danach in London. Nach Auflösung der Internationale 1943 war sie als Über- setzerin für die Kommunistische Partei Großbritanniens tätig. Berta Braunthal starb 1967 in Großbritannien. Vgl. Weber/Herbst, 2004, 123–124. 24 In dieser Aufzählung waren die Forderungen zusammengefasst, deren Durchsetzung zentra- les Anliegen der Frauenorganisationen aller Arbeiterparteien in der Weimarer Republik war. Die Verwirklichung dieser Forderungen wurde als Voraussetzung dafür angesehen, dass die Proletarierinnen Berufs- und Familienarbeit unter dem Kapitalismus vereinbaren konnten. Schwarzwälder, Bd. 3, 1983, 194–195. 25 BAZ vom 7. Mai 1920. 26 BAZ vom 17. Mai 1920. 27 Vgl. Protokoll USPD-Parteitag, Halle, Bd.3, 1975, 257–261. 28 Vgl. Schwarzwälder, Bd. 3, 1983, 193. 29 Schwarzwälder, Bd. 3, 1983, 194. 30 Vgl. Schwarzwälder, 1983, Bd. 3, 194, 195. 31 BVZ vom 9. Oktober 1922. 118 Die Internationalen Frauentage der USPD

32 Das Gebäude der Centralhallen existiert heute nicht mehr. Es befand sich in der Nähe des Hauptbahnhofs. STAB 10, B, um 1900.073. 33 BVZ vom 20. Oktober 1922. 34 BAZ vom 7. Mai 1920. 5.

Die Internationalen Frauentage der SPD 1917–1933 120 Die Internationalen Frauentage der SPD

Nach dem Ausschluss der Opposition stand die Parteiführung der Mehrheitssozialdemo- kraten, der MSPD, vor dem Problem, dass die entscheidenden Persönlichkeiten der Frau- enbewegung die Partei verlassen hatten. Die verbliebenen Genossinnen mussten wieder zusammengeführt und neue Funktionärinnen für die Leitung gefunden werden. Diesem Ziel diente die Reichskonferenz der sozialdemokratischen Frauen, die am 7. und 8. Juli 1917 in Berlin stattfand. 50 Delegierte aus 38 Parteibezirken nahmen teil. Die Tagesordnung umfasste die The- men: Die Frau in der Kriegswirtschaft, Agitation, das Frauenwahlrecht. Die Referentinnen der Tagung waren Marie Juchacz und Wally Zepler1. Beide hatten die politische Linie des Parteivorstandes während des Krieges unterstützt. Vor allem Marie Juchacz hatte sich in der Organisierung der Wohlfahrtsarbeit im Nationalen Hilfsdienst eingesetzt. Sie befür- wortete ebenso wie Wally Zepler eine Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Frauen. Diese Orientierung kam auch in den Referaten zum Ausdruck. Im Beitrag von Marie Juchacz zum Thema „Die Frauen in der Kriegswirtschaft“ wurde die Tätigkeit in der Kriegsfürsor- ge noch einmal betont und die damit verbundene Zusammenarbeit mit den öffentlichen Dienststellen und bürgerlichen Frauenorganisationen ausdrücklich unterstrichen. Im Redebeitrag zum Frauenwahlrecht vertrat Wally Zepler die Ansicht, dass die sozial- demokratischen Frauen bisher kaum etwas für das Frauenwahlrecht getan hätten, des- halb müsse das Zusammenwirken mit den bürgerlichen Frauen angestrebt werden, die sich wenigstens für das kommunale Frauenwahlrecht einsetzten. Wally Zepler erwähnte die Traditionen der Sozialistinnen mit keinem Wort, die Internationalen Frauentage als Agitationstage für das Frauenwahlrecht kamen in ihrer Rede nicht vor.2 Die Zeitschrift Die Gleichheit, die seit dem Rauswurf Clara Zetkins vorübergehend von Männern aus dem Parteivorstand geleitet wurde, erschien mit einer Sonderbeilage zur Konferenz. Dort wurde der neue Stil in der sozialdemokratischen Frauenpolitik dargestellt. Im Gegensatz zu früheren Konferenzen sei nun auf dieser zwar „weniger schwungvoll und weniger häufig vom Klassenkampf und vom revolutionären Sozialismus gesprochen worden“, dafür hätte jedoch die praktische Arbeit im Dienste des Sozialismus im Vordergrund gestanden.3 Die Sozialdemokratinnen organisierten ihre Bewegung in bewusster Abkehr von den revolu- tionären Konzepten der Sozialistinnen der Vorkriegszeit. Marie Juchacz wurde kurz nach der Konferenz Mitglied im Parteivorstand und Leiterin des Frauenbüros. Wenig später übernahm sie die Leitung der Gleichheit. Sie konnte auf dem Würzburger Parteitag im Oktober 1917 berichten, dass die Genossinnen eine neue Geschlossenheit zeigten und sich im „Lande überall hinter die von der Reichskonferenz beschlossenen Resolutionen“ stellten. Für Marie Juchacz war die Konferenz „ein verhei- ßungsvoller Auftakt zu neuer Arbeit der Genossinnen im Dienste des Sozialismus“4. Die Frauenorganisation der MSPD folgte während des weiteren Kriegsverlaufs der Par- teilinie. Sie hielt sich fern von den Brotaufständen der Proletarierinnen und artikulierte ihre Proteste in Petitionen und Bittschriften. Sie machte klar, dass sie in der Nachkriegs- gesellschaft zwischen den bürgerlichen Frauenorganisationen einen respektierten Platz einnehmen wollte. Diese veränderte Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung musste sich auch in der theoretischen Ausrichtung der Frauenbewegung niederschlagen. Die Dar- stellung des revisionistischen Konzepts der sozialdemokratischen Frauenbewegung steht am Anfang dieses Kapitels. Nach Auffassung der Führungsfrauen war es erforderlich, die alte sozialistische Eman- zipationstheorie einer Revision zu unterziehen. Im Rahmen einer „geschlechtsspezifischen Aktionsstrategie“ wurde die praktische und politische Arbeit auf den Bereich der Sozial- politik konzentriert. In der Arbeiterwohlfahrt fanden die weiblichen Mitglieder der SPD 1917–1933 121 ein eigenes Betätigungsfeld. Die politische Aktivität konzentrierte sich weitgehend auf die parlamentarische Arbeit. Deshalb kam den Wahlkämpfen und dem Einsatz der lokalen Frauengruppen als Wahlhelferinnen ein hoher Stellenwert zu. Die Bremer Frauengruppe der MSPD entstand mit der Neugründung des Sozialde- mokratischen Parteivereins im Dezember 1916. Diesem Verein schlossen sich eine Reihe Frauen an, die vor allem in der Kriegsfürsorge aktiv waren. Zwar folgten sie dem Aufruf zur Frauenversammlung, die der Arbeiter- und Soldatenrat 1918 einberufen hatte, doch schon bald nahmen sie gegen die Rätebewegung Stellung. Die Frauen in der MSPD hatten sich von Anfang an für das Frauenwahlrecht engagiert. Sie forderten statt einer Rätedik- tatur die Einführung der parlamentarischen Demokratie mit dem gleichen Wahlrecht für Frauen und Männer. Im zweiten Teil des Kapitels wird über die Veränderungen berichtet, die die Vereinigung der SPD mit der USPD in der sozialdemokratischen Frauenbewegung auslöste. Im Mittel- punkt steht dabei die Entwicklung in Bremen. Unter der neuen Leiterin, Anna Stiegler, die aus der Frauenarbeit der USPD kam, erhielt die Bremer Frauengruppe neue Impulse. Dabei wurden die Internationalen Frauentage zu jährlichen Höhepunkten im Leben der Frauengruppe. In der Thematik der Frauentage 1931 und 1933 schlug sich die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus nieder. Der Bericht über die antifaschistische Kundgebung zum Frauentag 1933 mit der Rede Toni Senders beendet das Kapitel.

Die neuen Führungsfrauen entwickeln ihre Politik

Nachdem die Frauen das Wahlrecht erhalten hatten, zogen 37 Frauen – darunter 19 SPD- Abgeordnete – im Januar 1919 in die Nationalversammlung ein. Damit sahen die sozial- demokratischen Frauen die zentrale Forderung der Gleichberechtigung der Frau erreicht, wie Marie Juchacz in ihrer Parlamentsrede darlegte.

Marie Juchacz sprach als erste Frau in der Nationalversammlung.5 122 Die Internationalen Frauentage der SPD

Marie Juchacz beschrieb in ihrer programmatischen Parlamentsrede die Ansichten der Sozialdemokratie zur Frauenfrage: „Durch die politische Gleichstellung ist nun meinem Geschlecht die Möglichkeit gegeben zur vollen Entfaltung seiner Kräfte. [...] Ich möchte hier sagen, daß die Frauenfrage, so wie es jetzt ist in Deutschland, in ihrem alten Sinne nicht mehr besteht, daß sie gelöst ist. Wir werden es nicht mehr nötig haben, mit Ver- sammlungen, mit Resolutionen, mit Eingaben um unser Recht zu kämpfen. Der politi- sche Kampf, der immer bestehen bleiben wird, wird sich von nun an in anderen Formen abspielen. Innerhalb des durch Weltanschauung und selbstgewählte Parteigruppierung gezogenen Rahmens haben wir Frauen nunmehr Gelegenheit, unsere Kräfte auswirken zu lassen. Aber damit begeben wir uns keineswegs des Rechtes, andersgeartete Men- schen, Menschen zu sein. Es wird uns nicht einfallen, unser Frauentum zu verleugnen, weil wir in die politische Arena getreten sind und für die Rechte des Volkes mitkämp- fen.“6 Mit der politischen Gleichberechtigung war nach Auffassung der Rednerin die entschei- dende Voraussetzung für die Emanzipation der Frau erreicht. Die wirtschaftliche und so- ziale Gleichstellung würden die Sozialdemokraten mit den Mitteln der parlamentarischen Demokratie durchsetzen. Im weiteren Verlauf der Rede ging sie auf die Arbeitsfelder ein, für die Frauen ein besonderes Interesse hätten und für „welche das weibliche Geschlecht ganz besonders geeignet“ sei. Dazu gehörten nach ihrer Auffassung Sozialpolitik und Wohlfahrtspflege sowie Erziehung und Volksbildung.

Die geschlechtsspezifische Aktionsstrategie

Auch in den theoretischen Positionen zur weiblichen Emanzipation gab es in der SPD einen Richtungswechsel. Einerseits wurde weiterhin die Berufstätigkeit der Frauen als Horizonterweiterung, als „Erziehung für das politische Leben“ bejaht, andererseits aber dem weiblichen „Natur“-Beruf der Hausfrau und Mutter faktisch nachgeordnet. Die außerhäusliche Erwerbsarbeit der Frau wurde nicht mehr als unabdingbare Vorausset- zung für ihre individuelle und gesellschaftliche Emanzipation betrachtet. Den Erfolg versprechenden Weg zur vollständigen Emanzipation des weiblichen Geschlechts sahen die Führerinnen der sozialdemokratischen Frauenbewegung in einer systematischen Er- weiterung des spezifisch weiblichen Kulturbereichs – im Rahmen der bestehenden Ge- sellschaft. Diese „geschlechtsspezifische Aktionsstrategie“7 bestimmte die politische Praxis der sozialdemokratischen Frauenbewegung der frühen zwanziger Jahre8. Die Zeiten von Pro- testversammlungen und Kampfparolen gehörten für Marie Juchacz, wie sie in ihrer Parla- mentsrede betont hatte, der Vergangenheit an. Auch ein Kampftag für die Rechte der Frau und für eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft hatte im neuen Politikkonzept keinen Platz. Daher war es nur konsequent, nach 1919 keine Veranstaltungen zum Inter- nationalen Frauentag mehr durchzuführen. Die SPD-Frauenbewegung wandelte sich von einer proletarischen Klassenorganisation zu einer staatstragenden Reformorganisation. Die politischen Inhalte sozialdemokratischer Frauenarbeit und die parteiinternen Diskus- sionen kreisten primär um Fragen der Sozialpolitik. Die Sozialdemokratinnen wandten sich den Problemen der Arbeiterfrauen als Hausfrauen und Mütter zu. Die SPD-Führerin- nen begründeten diese Schwerpunktsetzung damit, dass sich die Gewerkschaft um die Frau als Erwerbstätige kümmere.9 1917–1933 123

Die Arbeiterwohlfahrt – Erschließung eines Wirkungsfeldes für die Arbeiterfrauen

Innerhalb des von der „Parteigruppierung gezogenen Rahmen“, wie Marie Juchacz es in ihrer Parlamentsrede dargelegt hatte, schufen sich die SPD-Frauen ihre Arbeits- und Ak- tionsfelder. Die wichtigste Initiative war die Gründung der AWO. Es war das Verdienst von Marie Juchacz, dass sich dieses Projekt in der Partei gegen alle Bedenken und Wider- stände durchsetzen konnte.10 Die neue Wohlfahrtsorganisation der SPD eröffnete vielen Arbeiterfrauen ein Wirkungsfeld, in dem sie ihre Erfahrungen und Verbindungen aus der Kriegsfürsorge einbringen konnten. Und die neue Aufgabe ermöglichte ihnen, sozialpoli- tisch in der eigenen Stadt aktiv zu sein und zugleich ihre Aufgaben als Mütter und Haus- frauen wahrzunehmen. Doch diese Selbstbeschränkung und Separierung war auch ein „Schritt ins politische Abseits“.11 In einer Gesellschaft, in der von der Staatsspitze bis zum Familienvorstand Männer dominierten, wirkte sich die Orientierung auf „weibliches Wesen“ und „weibliche Bestimmung“ zum Nachteil der Frauen aus. Die Parteiführung drängte die Frauen zuneh- mend an den Rand und verwies sie auf frauentypische Tätigkeitsfelder.

Die Struktur der sozialdemokratischen Frauenorganisation

Die Frauenbewegung der MSPD war von der Parteispaltung besonders hart betroffen. Sie verlor während des Krieges fast zwei Drittel ihrer Mitglieder.12 Erst seit der Reichsfrauen- konferenz 1917 hatte sich die Organisation wieder gefestigt. Nach Beendigung des Krieges und dem Ende des Kaiserreiches hatten viele Arbeiterfrauen hohe Erwartungen an die politische Gestaltungskraft der Sozialdemokraten und hofften, dass die SPD grundlegen- de Veränderungen in den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen herbeiführen würde. Das spiegelte sich im Wahlergebnis zur Nationalversammlung wieder, bei der die MSPD 37,9 Prozent der Stimmen erhielt und mit Abstand die stärkste Fraktion stellte. Gleichzeitig traten wieder mehr Frauen in die Partei ein, was die Frauengruppen an der Basis stärkte. Innerhalb der Partei hatte sich der Aufbau der Frauenorganisation nach der Spaltung nicht verändert. Die Frauen hatten auf allen Ebenen, vom Parteivorstand über die Bezir- ke und Unterbezirke bis in die Ortsgruppen, eigene Gremien. Allerdings verfügten diese kaum über politische Entscheidungskompetenz. Die Aufgaben der Frauenorganisation auf der Ebene der Bezirke, Unterbezirke und Ortsvereine regelte ein Beschluss des Parteiaus- schusses vom Dezember 1921: „Die den Vorständen der Ortsgruppen, Unterbezirken usw. angehörenden Genossinnen haben die Aufgabe, die Agitation und Schulung der Frauen zu pflegen und sind ihrem Vorstand dafür verantwortlich.“13 Damit war gesichert, dass die männliche Funktionärsmehrheit die Kontrolle über die Frauenarbeit behielt. Inhaltlich wurde die Arbeit der Genossinnen eingegrenzt auf das Werben weiblicher Mitglieder und deren Schulung. Deshalb kam den Frauenkonferenzen, angefangen von den Reichsfrauenkonferenzen, die jeweils vor den Parteitagen stattfanden, bis zu den Bezirks- und Unterbezirkskonfe- renzen, besondere Bedeutung zu. Hier konnten Erfahrungen ausgetauscht und politische 124 Die Internationalen Frauentage der SPD

Strategien entwickelt werden – auch, um die Positionen der Frauen in den Parteigremien zu stärken. Allerdings durften Frauenkonferenzen auf Bezirksebene nur von der zustän- digen Parteileitung einberufen werden. Sie sollten keine „Sonderveranstaltung politischer Natur“ werden.14 Vor allem die Reichsfrauenkonferenzen waren wichtige Foren, auf denen die Genos- sinnen grundsätzliche Fragen klären konnten. Sie boten die Chance, die Parteitage vor- zubereiten, Absprachen zu treffen und Mehrheiten für Anträge zu organisieren. Um die Einflussnahme durch die Frauenorganisation zurückzudrängen, wurde auf dem Parteitag 1925 beschlossen, die Reichskonferenzen der Frauen erst nach den jeweiligen Parteitagen stattfinden zu lassen. Damit hatte die Partei den Frauen ein weiteres Stück politischer Ge- staltungsmöglichkeiten genommen. Das Bild der sozialdemokratischen Frauenbewegung prägten vor allem die Frauen- gruppen der Ortsvereine. Sie warben die neuen weiblichen Mitglieder, sorgten für deren Integration in die Stadtteilgruppen und waren zuständig für die Kleinarbeit, besonders während der Wahlkämpfe. Wie sich diese Arbeit in der Frauengruppe des Bremer Ortsver- eins konkret gestaltete, wird im Folgenden geschildert.

Frauenarbeit in der Mehrheits-SPD in Bremen – 1917 bis 1922

In Bremen hatte sich im Dezember 1916 eine eigene Ortsgruppe der Mehrheits-SPD, der „Sozialdemokratische Parteiverein Bremen“ gegründet.15 Diese Gruppe stellte sich von Anfang an hinter die Burgfriedenspolitik der Parteiführung. Gleich nach Kriegsbeginn erklärten die entsprechenden Vertreter in der Bürgerschaft ihre Bereitschaft zur Zusam- menarbeit mit allen Wohlfahrtsorganisationen. Auch die Frauen des Parteivereins arbeite- ten mit den bürgerlichen Frauenverbänden im „Zentral-Hilfsausschuß vom Roten Kreuz16“ (ZHA) zusammen.17 Im Februar 1919 stellte sich die Parteiführung in Bremen auf die Seite der Reichs- regierung und ihrer Truppen und unterstützte die Zerschlagung der Räterepublik. An- schließend bildete sie eine provisorische Regierung und ihre ersten Maßnahmen galten der Herstellung von Ruhe und Ordnung.18 Das führte allerdings dazu, dass die Mehrheits- Sozialdemokraten in der Arbeiterschaft immer mehr an Vertrauen einbüßten. Bei den Bürgerschaftswahlen vom 6. Juni 1920 sank ihr Stimmanteil auf 17,8 Prozent. „Die MSPD erlebte 1920 bis 1922 eine Talfahrt. Die Zahl der Mitglieder betrug in Bremen 1920 nur noch 6.600. […] Der Anteil der Frauen betrug zunächst nur etwa 12 Prozent.“19 Die Partei hatte 1920 nur noch rund 790 weibliche Mitglieder. Unter diesen Bedingungen war es schwierig, eine neue Frauengruppe aufzubauen.

Die Anfänge als Wahlhelferinnen

Im Jahr 1920 wurden die Genossinnen vor allem im Wahlkampf eingesetzt. Denn seit Ein- führung des Frauenwahlrechts war die Wahlwerbung unter den Frauen mit der Kleinarbeit der Hausagitation den Frauen übertragen worden. Es galt, das Frauenwahlrecht unter den Frauen bekannt zu machen und die Arbeiterfrauen davon zu überzeugen, ihre Stimme der MSPD und ihren KandidatInnen zu geben. Die Agitation unter den Frauen war vor allem 1917–1933 125 auch deshalb wichtig, weil es als Folge des Krieges eine „zahlenmäßige Überlegenheit der Wählerinnen [gab]“20. Der Einsatz als Wahlhelferinnen hatte Vorrang vor allen anderen Aktionen. So fielen 1928 und 1931 die Frauentage aus, weil sich die Genossinnen auf die Wahlagitation konzentrieren sollten. Die Reichstagswahlen und die Wahl zur Bürgerschaft vom 6. Juni 1920 waren nach den Wahlen zur Nationalversammlung der erste Gang zur Urne auf der Basis der neuen Reichs- und Landesverfassungen.

In diesem Wahlkampf warben drei Arbei- terparteien um die Stimmen der Arbeiter- frauen. Die SPD berief sich in ihrer Wahl- werbung darauf, dass sie den Frauen das Wahlrecht gebracht habe und dass die Sozialdemokratie die wahre Verfechterin von Fraueninteressen auch in Zukunft sein werde.

Wahlwerbung im Bremer Volksblatt.22

Zum 11. Mai 1920 wurde von der SPD-Frauengruppe zur Frauenversammlung in die Cen- tralhallen eingeladen: „Frau Bohm-Schuch, Schriftleiterin der ‚Gleichheit‘ spricht um 7½ Uhr über ‚Die Frau im Wahlkampf‘.“23 Hanna Harder, Vorsitzende der Frauengruppe der MSPD, leitete die Versammlung und Rita Bardenheuer berichtete über das politische Le- ben in Bremen. Beide Frauen waren Abgeordnete der MSPD in der Bremischen National- versammlung und Spitzenkandidatinnen der Partei zur Bürgerschaftswahl. Die Referentin, Clara Bohm-Schuch, befasste sich vor allem mit der Regierungsarbeit der MSPD. In der anschließenden Aussprache meldeten sich auch Vertrerinnen der Kom- munistischen Partei zu Wort und griffen die Sozialdemokratinnen heftig an. Erklärtes Ziel dieser Auftritte war es, die Politik der Sozialdemokratie als Verrat an den Interessen der Arbeiterbewegung darzustellen und die Anwesenden von den Positionen der KPD zu über- zeugen.24 Solche Kontroversen begleiteten die Frauenversammlungen der nächsten Jahre. Dabei ging es nicht nur um ideologische Auseinandersetzungen, sondern auch darum, die noch unentschlossenen Besucherinnen der SPD-Veranstaltung für die eigene Sache zu gewinnen. 126 Die Internationalen Frauentage der SPD

Die SPD-Frauengruppe grenzt sich ab gegen die Kommunistinnen

Die Frauengruppe der MSPD wollte sich absetzen von den revolutionären Aktionen und Parolen der Kommunisten. Das wurde auch daran sichtbar, dass die Kommunistinnen in den SPD-Frauenversammlungen eher als Störenfriede denn als Diskussionsteilnehmerin- nen behandelt wurden. In ihren Veröffentlichungen und Versammlungen vermieden die Sozialdemokratinnen extreme und laute Töne. Es gab keine Aufrufe, die mit klassenkämpferischen Vokabeln zu Massendemonstrationen aufforderten. Es ging um Aufklärung, Beratung und Diskussion statt lauter Proteste. Zu dem neuen Politikstil gehörten auch veränderte Formen der öf- fentlichen Frauenversammlungen. Das Reichsfrauenbüro empfahl, statt politischer Kund- gebungen „Frauenfeierstunden“ und „Frauenweltabende“ abzuhalten.25 Auch in Bremen waren die Funktionärinnen bemüht, den Hausfrauen mit ihren immer noch drückenden Familiensorgen an Kulturabenden Erholung und Entspannung zu bieten. Im Versammlungsanzeiger der BVZ vom 5. Mai 1923 wurde zum Beispiel auf eine Frauen- versammlung für die Neustadt hingewiesen: „Am Montag, den 7. Mai, abends 8 Uhr, im Schützenhof, Waidmannssaal. Vortrag des Gen. Hurrelmeyer über ‚Leben und Dichtung‘ mit anschließenden Rezitationen. Eintritt frei. Gäste willkommen.“ In der Regel wurden bei den regelmäßigen Gruppenabenden oder Nachmittagen keine Themen mitgeteilt. Die Frauen trafen sich zum Gedankenaustausch und um des geselligen Beisammenseins willen. Dieser Form der Frauenarbeit entsprachen die Frauenartikel im Bremer Volksblatt. Am 20. November 1920 hatte Hanna Harder angekündigt, dass es „von jetzt an eine Frauen- beilage“ in der Parteizeitung geben würde. Die „Frauenbeilage“ wandte sich vorrangig an Hausfrauen und Mütter. Die Artikel waren eine Mischung aus Information, Unterhaltung und Belehrung. Es gab Anregungen zur Kindererziehung und Informationen zur gesunden Ernährung. Die politischen Texte behandelten Gesetzesinitiativen und Rechtsfragen oder nahmen Stellung zu sozialpolitischen Themen in Bremen.

Die Sozialdemokratinnen in der Vereinigten SPD – 1922 bis 1925

Die Vereinigung von USPD und MSPD

Im September 1922 wurde die Vereinigung zwischen USPD und SPD beschlossen. Auf dem vorausgehenden Parteitag der SPD trug Johanna Reitze26, eine der führenden Frauenfunk- tionärinnen der Hamburger SDP, den Rechenschaftsbericht der Frauenbewegung vor. Sie schloss mit den Worten: „Hoffnungsvoll begrüßen wir Frauen die bevorstehende Einigung der Sozialdemokratie. (Bravo!) Die Not der Zeit muß alle Sozialdemokraten zu einer wah- ren Schicksalsgemeinschaft zusammenschweißen, die keine Macht wieder auseinander- sprengen kann.“ 27 Es war zu spüren, dass die Sozialdemokratinnen der Vereinigung mit gespannter Erwartung entgegensahen. Wenige Tage später, am 24. September auf dem Vereinigungsparteitag, wurde Marie Juchacz „als Vertreterin der sozialdemokratischen Frauen […] mit Beifall empfangen“.28 In ihrer Stellungnahme betonte sie, dass die Einigung der sozialdemokratischen Parteien be- 1917–1933 127 sonders für Frauen wichtig sei: „Gerade [die Frauen] haben abseits gestanden, weil sie irre sind in einer Zeit, wo die Sozialdemokratische Partei sich spaltete, wo sie auseinanderging, wo sie auf getrennten Wegen dem gleichen Ziel zustrebte, und deshalb ist es gerade vom Standpunkt der Frauen so sehr zu begrüßen, daß sich in dieser geschichtlichen Stunde die Sozialdemokratischen Parteien vereinigen, vereinigen zu einer Partei, die geschlossen den Sozialismus verwirklichen will.“29 Auch in Bremen vollzog sich die Vereinigung von SPD und USPD30. Die konstituie- rende Generalversammlung zur Vereinigten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (VSPD) wurde als Festakt am 15. Oktober 1922 begangen. Der Übergangsvorstand setz- te sich aus VertreterInnen beider Parteien zusammen. In ihm waren mit Hanna Harder (MSPD) und Anna Stiegler (USPD) jeweils die Leiterinnen der Frauengruppen beider Parteien vertreten. Die Frauen mussten sich nach der Spaltung wieder aufeinander zu bewegen. Über in- terne Auseinandersetzungen ist nichts nach außen gedrungen. Doch schon bald setzte sich Anna Stiegler in der Frauenarbeit als Führerin durch. Sie trat als Sprecherin der sozialdemokratischen Frauen Bremens, als Versammlungsleiterin auf. Zu den Wahlen zur Bürgerschaft am 18. November 1923 erhielt sie den zweiten Platz auf der Liste der VSPD und Hanna Harder landet auf Platz 1931. Hanna Harder verschwand damit aus der in der Öffentlichkeit wahrgenommenen vordersten Reihe der Funktionärinnen. Sie konzentrierte sich auf die Vorstandsarbeit in der AWO, das ehrenamtliche Engagement in der Jugend- behörde und ihre Arbeit als Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft, der sie bis 1930 angehörte.32 Doch viele Frauen haben die Umstrukturierung im Rahmen der Vereinigung nicht akzeptiert und die Partei verlassen. „[B]ei der Wiedervereinigung der beiden Par- teien [ist] die Zahl der weiblichen Mitglieder in den hiesigen Ortsvereinen um etwa 25 Prozent gesunken.“33 Zum 31. März 1924 hatte die Vereinigte SPD im Ortsverein Bremen 1.439 weibliche Mitglieder.34

Neue Impulse in der Frauenarbeit

Nach der Vereinigung wurde in der Frauenarbeit der VSPD der Einfluss der früheren USPD-Frauen spürbar. Sie drängten darauf, die Frauenarbeit politischer zu gestalten. In Anbetracht, dass sich die Kommunistinnen unter der Führung Clara Zetkins als Frauen- bewegung bereits in der kommunistischen Internationalen organisiert hatten35, traten viele Sozialdemokratinnen dafür ein, wieder eine internationale Gemeinschaft der Sozialistin- nen zu schaffen. Die Idee einer Erneuerung der Internationale der Frauen war auch in der USPD ein Leitgedanke gewesen. Dazu sollte im Mai 1923 mit der Gründungskonferenz der Sozialistischen Arbeiterinternationale (SAI) der Grundstein gelegt werden. Mathilde Wurm – ehemals Leiterin der USPD-Frauenzeitung Die Kämpferin – sah es als wichtigen Schritt an, dass auf der Gründungskonferenz „wieder seit der internationalen Frauenkon- ferenz von Kopenhagen im Jahre 1910 […] die Vertreterinnen der sozialistischen Frauen aller Länder herbeieilen, um gemeinsam mit ihren Klassengenossen zu beraten über die Schaffung einer tatkräftigen internationalen Organisation, über gemeinsame Aktionen gegen den Krieg“.36 Ein Erfolg war auch die Internationale Frauenkonferenz, die dem Gründungskon- gress vorausging. Die Frauenkonferenz tagte am 20. Mai in Hamburg unter Vorsitz der Österreicherin Adelheid Popp und Marie Juchacz als Beisitzerin. Die Teilnehmerinnen 128 Die Internationalen Frauentage der SPD griffen die Ideen der proletarischen Frauenbewegung vor dem Ersten Weltkrieg wieder auf. Sie verabschiedeten eine Entschließung zur „Wiedereinführung des 1910 in Ko- penhagen beschlossenen Internationalen Frauentages“.37 Allerdings war der Wortlaut recht unverbindlich, es wurde kein Termin festgelegt und es blieb den Ländern frei- gestellt, die Frauentage überhaupt durchzuführen – aber immerhin wurde ein Zeichen gesetzt. Die Idee, den Internationalen Frauentag auch für die Sozialdemokratinnen wieder mit Leben zu erfüllen, wurde von den Genossinnen weiterverfolgt. Im Jahr 1925, auf dem Parteitag in Heidelberg, konnten sie dann erste Erfolge verbuchen. Doch zunächst sahen sich die weiblichen Delegierten des Heidelberger Parteitages 1925 damit konfrontiert, dass die Frauenkonferenz ohne jede Diskussion an das Ende des Parteitages verscho- ben worden war. Es wurde „lapidar erklärt, daß die Frauenkonferenzen nunmehr nach den Parteitagen stattfinden sollten“.38 Damit war den Genossinnen die Möglichkeit ge- nommen, durch gemeinsame Beratung und Beschlussfassung auf Vorkonferenzen ihre Parteitagsauftritte vorzubereiten und damit auch politischen Einfluss auf den Parteitag zu nehmen. Auch aus dem Parteiprogramm, das auf dem Parteitag verabschiedet wurde, waren die frauenpolitischen Themen fast verschwunden. Es gab keine grundsätzliche Stellungnahme zur Frauenfrage mehr, erhalten blieben lediglich Einzelforderungen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und zur rechtlichen Gleichstellung der Frau im Aktionsprogramm.39 Doch ließen sich die delegierten Frauen davon nicht entmutigen. Sie stellten an den Parteitag den Antrag: „Die Durchführung regelmäßiger Frauentage ist im Interesse der Arbeiterklasse aller Länder absolut notwendig. Auf ihnen ist an erster Stelle die Bekämp- fung des Krieges zu beraten und in einem besonderen Referat zu behandeln.“40 Der An- trag wurde an den Parteivorstand überwiesen. Dass dieser Antrag nicht sofort abgelehnt wurde, war dem geschickten Taktieren der Genossinnen zu danken. Sie erklärten, „daß der Internationale Frauentag durchaus keine Frage des Prinzips sei“ und somit den Männern der jederzeitige Widerruf offen stand. Deshalb konnte „der Wunsch der Frauen eine Be- rücksichtigung finden“41. Die Antragstellerinnen wollten mit der Wiedereinführung des Internationalen Frauen- tages an die Traditionen der Frauenbewegung vor dem Weltkrieg anknüpfen. Und entspre- chend der Forderung nach dem Frauenwahlrecht sollte wieder ein politisches Leitthema, nämlich „die Bekämpfung des Krieges“, im Mittelpunkt stehen. Möglicherweise wären die Frauen trotzdem mit ihrem Antrag beim Parteivorstand ge- scheitert, wenn sie nicht durch die Internationale der Gewerkschafterinnen Unterstützung erhalten hätten. Im November 1925 fand die erste Konferenz des 1924 gegründeten Arbei- terinnenkomitees (fünf Mitglieder, darunter Gertrud Hanna) in Amsterdam statt. Diese Konferenz regte beim Büro des Internationalen Gewerkschaftsbundes an, „zur Propagan- da für die Arbeiterinnenorganisation einen internationalen Frauentag oder eine interna- tionale Frauenwoche durchzuführen“. Der internationale Gewerkschaftsbund beschloss, dass die nationalen Verbände in Zukunft solche Frauentage abhalten sollten.42 Eine ent- sprechende Umfrage des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) bei den Einzelgewerkschaften ergab allgemeine Zustimmung: „Nach den bis jetzt vorliegenden Äußerungen der dem ADGB angeschlossenen Verbände ist die Durchführung einer Pro- pagandawoche durch die deutschen Gewerkschaften gesichert“, wurde im Jahrbuch des ADGB 1925 berichtet.43 Nachdem sich auch die Gewerkschaften für Frauenaktionswo- chen ausgesprochen hatten, konnten die SPD-Frauen beim Parteivorstand die Durchfüh- rung von Frauentagen durchsetzen. 1917–1933 129

Daraus entwickelte sich eine enge Kooperation zwischen der SPD und den Gewerkschaf- ten. In Bremen wurden die weiblichen Mitglieder der freien Gewerkschaften von den SPD- Frauen zu den Internationalen Frauentagen eingeladen. In der Parteipresse veröffentlichte der ADGB seinen Aufruf an die Gewerkschafterinnen zur Teilnahme an den Veranstaltun- gen. So veröffentlichte die BVZ den Aufruf des ADGB am 3. März 1927 in der Beilage zum Frauentag. Im Jahr 1931 erschien – bereits angesichts der Weltwirtschaftskrise und des wachsenden Nazi-Terrors – in der gewerkschaftlichen Frauenzeitung ein ganzseitiger Artikel mit der Überschrift Sozialistischer Frauentag und die Arbeiterinnen, in dem die enge Ver- bundenheit zur SPD und die Notwendigkeit des Kampfes gegen die NSDAP betont wurde.44

Die Internationalen Frauentage der SPD – 1926 bis 1930

Für die entschädigungslose Enteignung der Fürsten – 1926

Der gemeinsame Druck der Gewerkschafterinnen und der Parteifrauen hatte Erfolg. 1926 wurden die Frauengruppen aufgerufen, wieder einen sozialdemokratischen Internationa- len Frauentag im Zeitraum vom 7. bis 14. März durchzuführen. Marie Juchacz verwies in ihrem Aufruf zum Frauentag auf die „Solidarität der sozialistischen Frauen aller Länder“, die aufgerufen seien, Fragen der internationalen Frauenrechte und Frauenforderungen in die Öffentlichkeit zu tragen. Auf den Kundgebungen sollte „vor allem über die internatio- nale Friedensidee und Friedenpolitik der Völker“ gesprochen werden.45 In die Vorbereitungen zum Frauentag, der vor allem den internationalen Friedensge- danken in den Mittelpunkt stellen sollte, schob sich ein aktuelles innenpolitisches Thema, das die Gemüter bewegte. Es war die Kampagne „Für die entschädigungslose Enteignung der Fürsten“. Anlass dazu gab der Entwurf eines Abfindungsgesetzes für die Hohenzollern, das von der sozialdemokratisch geführten Preußenregierung im Herbst 1925 vorgelegt worden war. Das Gesetz sah vor, dass der abgedankte Wilhelm II., der bereits eine Jahres- rente von 600.000 Mark bezog, weitere Entschädigungen für sich und seine Familie in Höhe von 185 Millionen Mark erhalten sollte. Die BVZ vom 9. März 1926 druckte in dem Zusammenhang die folgende Zusammenstellung:

Arm und Reich im Vergleich.46 130 Die Internationalen Frauentage der SPD

An diesem Beispiel wurde der gesellschaftliche Skandal sichtbar. Fürsten und Generäle, die Verantwortlichen für den Krieg und das Massenelend, erhielten aus Steuermitteln enorme Summen und die Opfer des Krieges wurden mit Renten abgespeist, die zum Leben kaum reichten. Als Antwort auf den preußischen Gesetzentwurf legte Ende 1925 die KPD den Entwurf eines Reichsgesetzes über die „entschädigungslose Enteignung der Fürsten“ im Reichstag vor. Von der Mehrheit der Abgeordneten wurde der Entwurf an den Rechtsausschuss ver- wiesen. Damit war der Antrag zunächst vom Tisch und mit einem „Prüfauftrag“ auf die lange Bank geschoben. Doch innerhalb der Bevölkerung wuchs die Empörung. Sie erfasste auch die Mitglieder der SPD und der Gewerkschaften. Das setzte die Führung der SPD und des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes unter Druck, sich an der Kampagne zur Durchführung eines Volksentscheids unter der Losung „Keinen Pfennig den Fürsten“ zu beteiligen. Vom 4. bis 17. März 1926 konnten sich die WählerInnen in die Listen für das Volksbegehren auf „entschädigungslose Enteignung der Fürstenhäuser“ eintragen. Damit fiel die Zeichnungs- frist in die Zeit der Frauentagaktionen. Die Sozialdemokratinnen warben auf ihren Flugblättern für ihren Frauentag und für die Fürstenenteignung, ihre Kundgebungen wurden zu Manifestationen für das Volksbe- gehren.

Von der Polizei sichergestelltes Flugblatt.47 1917–1933 131

Die Kampagne der Frauen erhielt dadurch besondere Stoßkraft, da gleichzeitig auch die Kommunistinnen ihre Veranstaltung zum Internationalen Frauentag unter die Losung „Keinen Pfennig den Fürsten“ gestellt hatten. Es war das erste Mal, dass beide Arbei- terparteien und ihre Frauenorganisationen unter demselben Motto zum Internationalen Frauentag aufriefen. Doch die Aktionen der beiden Parteien wurden getrennt voneinander durchgeführt. Die KPD-Veranstaltung fand am 5. März im Café Flora statt48 und die SPD- Frauen hatten zum 10. März in die Centralhallen eingeladen49. Die Sozialdemokratinnen hatten auf ihrer ersten Frauentagsveranstaltung für ein viel- fältiges Rahmenprogramm gesorgt. Gesangsbeiträge des Bremer Volkschores, Rezita- tionen und musikalische Darbietungen ergänzten das Grundsatzreferat von „Professor Menneke aus Berlin“50, der als Ersatz für die Rednerin aus Amsterdam eingesprungen war.51 Der polizeiliche Überwachungsbeamte protokollierte vor allem den Inhalt des Ab- schlussvotums von Anna Stiegler: „Sie forderte den Umbau der Schlösser zu Kinder- und Erholungsheimen. Der Wald, den die Fürsten forderten, wäre die einzige Erholungsstätte der Proletarier, die nicht in teure Bäder fahren könnten wie die Kapitalisten.“52 Deshalb müssten die Fürsten entschädigungslos enteignet werden. Sie rief alle Anwesenden auf, sich in die Listen zum Volksbegehren einzutragen. Der Polizeiberichterstatter hatte sich auch im Saal umgesehen. Er zählte 500 Teilneh- merInnen und notierte, dass 50 uniformierte Reichsbannerleute den Saalschutz bildeten und Schilder trugen mit den Aufschriften: „Keinen Pfennig den Fürsten!“, „Tragt Euch in die Listen ein!“, „Das Volk muß hungern, die Fürsten aber schlemmen!“ Er hielt außerdem fest, dass an Zeitschriften Die Frauenwelt und Die Kommunistin verteilt worden waren. Es war also auch den Kommunistinnen erlaubt worden, ihre Zeitung zu verteilen. Die Sozialdemokratinnen konnten mit diesem Start zufrieden sein. Die beharrliche Gruppenarbeit der letzten Jahre hatte sich ausgezahlt. Die Frauen hatten es verstanden das neue Projekt in die politische Arbeit zu integrieren.

Frauentagaktionen und Wahlkampfeinsätze

Die Sozialdemokratinnen hatten für ihre politische Frauenarbeit unterschiedliche Ver- anstaltungsformen entwickelt. So gab es Kulturabende mit kleinen Theateraufführun- gen und Vortragsnachmittage mit frauenspezifischem Thema. Ebenso griffen sie mit öffentlichen Frauenversammlungen in politische Debatten der Bürgerschaft ein, um in der Öffentlichkeit die Positionen und Forderungen der SPD deutlich zu machen. Ab 1927 gehörte auch der Internationale Frauentag zu den wiederkehrenden politischen Aktivitäten und wurde in den folgenden Jahren zum Höhepunkt im Veranstaltungska- lender der SPD-Frauen. Die Frauentage wurden regelmäßig in der Parteipresse eingeleitet. Im März 1927 ge- stalteten die Bremer Genossinnen erstmals eine Beilage der BVZ selbst. In kurzen Artikeln wurde über die lokalen politischen Verhältnisse berichtet. „Soziale Streiflichter über das ‚reiche‘ Bremen“ war der Text von Anna Stieglitz überschrieben. Außerdem kamen Ver- treterinnen der verschiedenen Organisationen aus dem Umfeld der SPD zu Wort. Emmy Hackmack rief die Hausfrauen auf, sich der SPD anzuschließen, und Anny Mautz sand- te einen „Weckruf an die weibliche Jugend“, sich an der Frauentagaktion zu beteiligen. Der Ortsausschuss des ADGB lud alle weiblichen Mitglieder ein, zur „großen öffentlichen Frauenkundgebung am 4. April im großen Saale der Centralhallen“ zu kommen.53 132 Die Internationalen Frauentage der SPD

Die öffentliche Kundgebung hatten die Akteurinnen als einen Festakt gestaltet. Die BVZ berichtete darüber: „Purpurrot leuchteten unsere Banner von den Pfeilern des Saa- les und der Bühne, daneben gaben Bäume und Blattgewächse dem Lokal ein feierliches Gepräge.“ Das Programm umfasste Chorgesang, Rezitation und Kammermusik und die Reichstagsabgeordnete Adele Schreiber-Krieger aus Berlin hielt den Festvortrag. Sie be- gann mit „einem Streifzug durch die Geschichte der internationalen Frauenbewegung“. Danach wandte sie sich „den heutigen Verhältnissen zu“ und gab zum Abschluss „der Hoff- nung Raum, bald eine starke Linkskoalition unter der Führung der Sozialdemokratie im Reiche zu haben. […] Darum müsse alles aufgeboten werden, die große Weltgemeinschaft der Sozialisten zu stärken, treu zur Partei zu halten und den Geist des internationalen Sozialismus dem jungen Geschlecht beizubringen.“54 Auch diese gelungene Veranstaltung trug dazu bei, dass die Frauenarbeit unter den Arbeiterfrauen wieder bekannt wurde und Zustimmung fand. Die Zahl der weiblichen Mit- glieder stieg kontinuierlich an. Als Anna Stiegler sich auf der Reichsfrauenkonferenz in Kiel am 28. Mai 1927 zu Wort meldete, verwies sie darauf, dass sich im Bezirk Hamburg-Nord- west der Frauenanteil auf 23 Prozent erhöht habe. Sie erwähnte diese Erfolge auch, um ihrer Forderung ein größeres Gewicht zu verleihen: Sie forderte eine sozialdemokratische Frauenzeitung „wie die Gleichheit“, die mit Informationen und Hintergrundmaterial die Bildungsarbeit gerade unter den jungen und neu gewonnenen Mitgliedern unterstützen könne. Außerdem sei es erforderlich, dass die Genossinnen umfassender über die wichti- gen politischen Ereignisse unterrichtet würden. Das gelte nach ihrer Auffassung besonders „[a]uf dem Gebiet der Internationale. […] Wir sind sehr wenig über die Frauenbewegung der übrigen der Internationale angeschlossenen Länder orientiert.“55 So wie Anna Stiegler kritisierte eine Reihe von Delegierten die Politik des Frauenbüros und des Parteivorstandes. Eine andere Delegierte bat dringend, „wenn wieder ein Interna- tionaler Frauentag abgehalten werden soll, die Propaganda dafür ganz anders zu machen. Denn dem Internationalen Frauentag, wie er in Deutschland abgehalten wird, kommt im- mer noch nicht die Geltung zu, die er eigentlich haben müsste.“56 In dieser Kritik zeigte sich das alte Dilemma. Die Parteiführung und auch das Reichs- frauenbüro unter der Leitung von Marie Juchacz begrüßten die Aktivitäten und die Er- folge bei der Mitgliederwerbung, doch zugleich befürchteten sie, dass die Genossinnen mit ihrem Engagement an den Frauentagen sich von der Parteilinie entfernen und eigene politische Wege einschlagen könnten. Deshalb wurde dafür gesorgt, dass der Frauentag keine herausragende Stellung in der Frauenarbeit einnehmen konnte. Das demonstrierte der Parteivorstand schon 1928, indem er den Frauentag ausfal- len lies. Zwar veröffentlichte die BVZ am Donnerstag, dem 8. März, den Aufruf des „Präsidiums des internationalen sozialistischen Frauenkomitees […], auch in diesem Jahr 1928 überall den Internationalen Frauentag zu veranstalten.“57 Dem folgten jedoch keine weiteren Initiativen. Im Jahrbuch für 1928 hieß es dazu lapidar: „Mit Rücksicht auf die Wahlen mußten Parteivorstand und Parteiausschuss davon Abstand nehmen, [für den Internationalen Frauentag] einen einheitlichen Termin festzulegen. Die Bezirke und Ortsvereine wurden unter Hinweis auf die internationale Bedeutung des Wahljahres ver- pflichtet, im Rahmen der allgemeinen Wahlagitation besondere Frauenveranstaltungen zu treffen.“58 So wurde auch in Bremen verfahren. Die Genossinnen wurden im Wahlkampf einge- setzt. Anstelle der Veranstaltung zum Internationalen Frauentag organisierten die Sozial- demokratinnen „Frauenabende“ als Wahlveranstaltungen vor den Reichstagswahlen des 20. Mai 1928. 1917–1933 133

„Öffentliche Versammlungen“ (für die Männer) und „Frauenwerbeabende“.59

In der Anzeige spiegelte sich die Geschlechterhierarchie im Politikkonzept der SPD: Es fanden „öffentliche Versammlungen“ statt, auf denen politische Reden gehalten wurden und für die Frauen gab es „Werbeabende“ ohne politischen Anspruch.

Illustration aus der Beilage zum Internationalen Frauentag 1929.60

Auch im Jahr 1929 wieder ein Frauentag

Die Bremer Volkszeitung druckte am 8. April eine vierseitige Beilage, wieder mit Beiträgen der Genossinnen. „Gebt Raum dem Neuen“ – unter dieser Losung forderten die Sozialdemokratinnen: – Die volle Gleichstellung der Frau mit dem Mann; – eine verbesserte Stellung der Frau in Beruf und Familie; – mehr Kinderschutz, gegen Kinderausbeutung. „Für uns Mütter der Welt gilt es jetzt zu fordern und dafür zu kämpfen: Nie wieder Krieg“ Die gesamte Beilage wurde als Flugblatt „von den Genossinnen über das ganze Gebiet verbreitet“, berichtete die Zeitschrift Die Genossin61 in ihrer Maiausgabe und würdigte die Werbekampagne der Bremer Frauengruppe als besonders gelungenes Beispiel. Vor der Kundgebung am 11. April 1929 hatte der Frauenausschuss der SPD Bremen zu zwei Auftaktveranstaltungen eingeladen. Clara Jungmittag und Anna Stiegler, beides SPD-Abgeordnete in der Bremischen Bürgerschaft, sprachen in den Arbeitervororten Neu- 134 Die Internationalen Frauentage der SPD stadt und Huckelriede-Kattenturm, unterstützt von den Mitgliedern der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ).62 Auf der zentralen Kundgebung in den Centralhallen war ein neuer Kampfton „der um Frieden, Brot, Freiheit, Mutter- und Kinderschutz kämpfenden Frauen“ zu vernehmen.63 Das drückte sich nicht nur im politischen Referat der Gastreferentin Gabriele Proft, Natio- nalrätin und Mitglied des Nationalen Frauenkomitees Österreichs, aus, sondern auch in den Kulturbeiträgen. Besonders beeindruckend war die Wirkung des Sprechchores64, der den Text „Drei Minuten Gehör“ von Kurt Tucholsky vortrug. „Erschüttert hörten die An- wesenden zu. Das Gelöbnis für ewigen Frieden zu sorgen und das ‚Nie wieder Krieg‘ war gewiß allen aus tiefstem Herzen gesprochen.“65 Mit dem gemeinsamen Gesang der „Inter- nationalen“ wurde die Veranstaltung beendet. Für den Ablauf der Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag hatte sich in der Zwischenzeit ein eigenes Muster herausgebildet, das ihn von den sonstigen politischen Ver- anstaltungen der Partei unterschied. Der geschmückte Raum betonte den Festcharakter, die roten Fahnen waren der Hinweis auf den politischen Inhalt der Veranstaltung. Es gab einen Festvortrag, der nicht mehr diskutiert wurde. Das umfangreiche Rahmenprogramm bot den sozialdemokratischen Kulturgruppen, vor allem den Jugendgruppen, Gelegenheit zu einem Auftritt. Der Gesang der Internationalen war das gemeinsame Bekenntnis zur Verbundenheit mit der Partei und der Sozialistischen Internationale. Außer der Festveranstaltung hatten die SPD-Frauen mit den Vorortveranstaltungen und der flächendeckenden Verteilung eines eigenen Flugblatts die politische Agitation ausge- dehnt und intensiviert. Der Frauentag war nicht nur in Bremen zu einem wichtigen Aktionstag der sozialdemo- kratischen Frauenbewegung geworden. Das hatte auch die politische Führungsspitze er- kannt. Parteivorstand und Reichsfrauenbüro starteten für den Frauentag 1930 eine groß angelegte Kampagne. Der Internationale Frauentag 1930 wurde unter das Motto gestellt: „Die Frau und der Sozialismus“. Dieses Motto verwies auf das gleichnamige Buch Au- gust Bebels, das seit 50 Jahren für die Arbeiterbewegung ein Grundlagentext war und die Entwicklung der proletarischen Frauenbewegung entscheidend beeinflusst hatte. Mit der Wahl dieses Mottos sollte an die Geschichte der proletarischen Frauenbewegung erinnert werden. „Es entspräche aber nicht der Bedeutung der Sozialdemokratischen Partei und ihrer Leistung für die gesamte arbeitende Klasse“, wenn nicht auch die Verbindung zur politischen Lage und zu den Problemen der Gegenwart hergestellt würde, betonte Marie Juchacz in ihrem Einleitungstext zur Maiausgabe der Genossin. Denn nachdem am 27. März 1930 die große Koalition unter Reichskanzler Hermann Müller (SPD) gescheitert war, hatte die SPD als Oppositionspartei großes Interesse daran, ihre Kritik an der „Regierung der Notverordnungen“ in die Öffentlichkeit zu tragen. Die Kundgebungen zum Frauentag boten dazu gute Möglichkeit. Das konnte man(n) nicht den Frauen überlassen. „[Da] ist es selbstverständlich, daß Genossen als Redner gewon- nen werden“, fand Marie Juchacz66. So konnten die Parteiredner ein von Frauen organisier- tes politisches Forum für sich nutzen.

Exkurs: Frauentag versus Muttertag 1930

Die Veranstaltungen waren für den Zeitraum vom 18. Mai bis zum 1. Juni 1930 vorgese- hen. Damit war das Zeitfenster für die Aktionen erheblich erweitert worden. Vor allem 1917–1933 135 aber war mit dem Mai-Termin der Internationale Frauentag in die unmittelbare Nähe zum bürgerlichen Muttertag gerückt. In diesem seit einigen Jahren immer beliebter werdenden sonntäglichen Feiertag zu Ehren der deutschen Mutter sahen die Sozialdemokratinnen das bürgerliche Gegenmodell zu ihrem Internationalen Frauentag. So nahmen die SPD- Frauen in Bremen den Frauentagtermin 1930 zum Anlass, sich mit dem neuen bürger- lichen Muttertags-Brauch auseinanderzusetzen.

Zum besseren Verständnis soll hier die Entwicklung des Tages in Deutschland und seine politisch-ideologischen Inhalte kurz skizziert werden, zumal der Muttertag in der NS-Zeit zum zentralen Feiertag für die Mütter in Deutschland wurde.67 Seit 1923 wurde jeweils am zweiten Sonntag im Mai ein „deutscher“ Muttertag ge- feiert68, nachdem dieser Tag bereits in den USA zum nationalen Feiertag erhoben worden war. Auch in Deutschland war der Muttertag seit seiner Einführung zu einem „volksweiten Mutter-Ehrentag“ geworden.69 Um die Verbreitung der Idee des Muttertags hatten sich neben dem rührigen Verband der Blumengeschäftsinhaber schon seit Anfang der zwanziger Jahre die „Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung“ bemüht, die eng mit zahlreichen bür- gerlichen Frauenorganisationen und bevölkerungspolitischen Gesellschaften zu- sammenarbeitete. Der Muttertagsbewegung schlossen sich konfessionelle Wohl- fahrtsorganisationen, Mäßigkeits- und Sittlichkeitsvereine, die Alkoholgegner, die Gesellschaft zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten und der Reichsbund der Kinderreichen an. Es wurde eine groß angelegte Kampagne organisiert, in der über die Lehrer die Schulkinder und über die Pfarrer die Konfirmanden mobilisiert wurden. An den jährlichen Feiern beteiligten sich die Honoratioren der Städte und Gemeinden ebenso wie staatliche Dienststellen und die Abgeordneten bürgerlicher Parteien. Über Partei- und Religionsgrenzen hinweg sah man sich darin geeint, eine Abwehr- front gegen die drohende Zerstörung der Familie zu bilden. Denn in den Augen dieses breiten bürgerlichen Bündnisses bedeutete die Gefährdung der Familie zu- gleich ein Angriff auf die „Grundfeste unseres Volkes“. Als alarmierendes Symptom registrierten sie den Geburtenrückgang und malten den „sicheren Völkertod“ an die Wand. Geburtenkontrolle und Abtreibungen waren in ihren Augen dafür ver- antwortlich, dass sich „unglücklicherweise gerade bei den wertvollsten Bevölke- rungsschichten“ der Geburtenrückgang am deutlichsten zeigte.70 Insgesamt wurde in den Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundheit – der Spre- cherin der Muttertagsbewegung – ein düsteres Bild gezeichnet für die Zeit, wenn erst der moderne Industrialismus und Materialismus der USA beziehungsweise der liberalistische Bolschewismus auch in Deutschland an Boden gewinnen würden.71 Denn schon jetzt seien die Familienbeziehungen durch Alkohol, Ehescheidungen und „Verwilderung des Sexuallebens“ erheblich bedroht.72 Gegen diese Auflösungsprozesse sollte der deutsche Muttertag „ein geeigneter An- satzpunkt sein, um den Gedanken der Familie und der Mutterschaft in breitesten Kreisen unseres Volkes wieder Geltung zu verschaffen“73. Die deutsche Frau und Mutter sollte wieder ihre „unersetzbare Bedeutung für Familie und Staat“ zurück- erhalten. Der Muttertag war das pädagogische Instrument, das die „Muttertags-Re- gisseure“74 benutzten, um ihre konservative und völkische Orientierung in der Ge- sellschaft zu verankern. 136 Die Internationalen Frauentage der SPD

In den Muttertagsfeiern wurde ein Idealbild der Mutter herausgestellt, die aufopfernd und liebevoll, verstehend und duldend den Mittelpunkt der Familie bildete. Nicht die einzelne Mutter, nicht die individuelle Person wurde geehrt – die Feier galt dem überhöhten Mutterbild. Dieses hehre Bild sollte alle Frauen an ihre „mütterliche Ver- antwortung und Pflicht gemahnen“75. Nicht genug damit, sollte der Muttertag auch noch das „Bewußtsein von den großen Fragen unseres völkischen Bestehens, von der Bedeutung der Mutterschaft und Rassenhygiene im Volke verbreiten“76. Am Mutter- tag sollte auf die Frauen eingewirkt werden, sich wieder ganz der Mutterrolle und der Familie zu widmen, wobei diese ideologischen Überlegungen in den konkreten Feierstunden zum Muttertag natürlich nicht sichtbar im Vordergrund standen. Für die Frauen und Mütter waren die Veranstaltungen schöne, gefühlsbetonte Gemein- schaftserlebnisse, bei denen der graue Alltag fern war und die Mütter einmal im Jahr im Mittelpunkt des Interesses standen.77 Die Bremer Sozialdemokratinnen erlebten nun schon seit einigen Jahren, dass am Muttertag die Domglocken geläutet und zur Ehrung der Mütter pathetische Reden gehalten wurden. Sie wussten, dass diese Feierstunden mit dem konkreten Lebens- alltag der Arbeiterfrauen nichts zu tun hatten und dass keine dieser Reden an den Verhältnissen der Frauen etwas ändern würde. In der vierseitigen Beilage der BVZ zum Internationalen Frauentag, die wieder von den Sozialdemokratinnen selbst ge- staltet worden war, setzte sich Emmy Hackmack78 unter dem Titel „Internationaler Frauentag sei Muttertag“ mit dem Thema auseinander. Sie benannte die realen Pro- bleme der Arbeiterfrauen: die Folgen der Abtreibungen, die verachtete Stellung von Müttern mit unehelichen Kinder, die unversorgten, vom Ehemann verlassenen Frau- en. Und sie wies auf die kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse in den Betrieben hin, die das Leben der erwerbstätigen Frauen bestimmten. Diese schlechten Lebensbedingungen umzugestalten sei die Kampfaufgabe der proletarischen Mütter und Frauen – ganz gleich, ob sie erwerbstätig seien oder als Hausfrau arbeiteten. In diesem politischen Kampf für die Rechte der Frau sah Emmy Hackmack die grundlegenden Differenzen zur bürgerlichen Muttertagsehrung: „Am sogenannten Muttertag sehen wir die Mutter im Kreise ihrer Familie angeblich um- hegt und beschenkt – der sozialistische Frauentag sieht demonstrierende Mütter, die für alle Kinder eine Zukunft fordern, die ihr Dasein rechtfertigt!“79 Emmy Hackmack stellte dem idealisierten bürgerlichen Mutterbild die aktive, selbstbewusste Proleta- rierin gegenüber, die über ihren Körper und ihr Leben selbst entscheiden will und dafür als Demonstrantin auf die Straße geht.

Ein zweiwöchiges Aktionsprogramm zum Frauentag – 1930

Im Mai 1930 organisierten die Bremer Sozialdemokratinnen ein zweiwöchiges Aktions- programm zum Internationalen Frauentag. Wenige Tage nach der Feier zum 1. Mai fanden zur Vorbereitung und Werbung „Zehn Versammlungen der sozialistischen Frauen in Bremen“ statt. 1917–1933 137

Versammlungsanzeiger über die zehn Stadtteilversammlungen.80

Auf den Veranstaltungen wurde über die Bedeutung des Internationalen Frauentages infor- miert, um die Arbeiterfrauen auf die große Kundgebung einzustimmen und sie einzuladen. Am 17. Mai 1930 wurden die Mitglieder zur „Flugblattverbreitung in den Stadtdistrik- ten“ aufgerufen.81 Am 21. Mai begann der Frauentag mit einer Demonstration. Zum ersten Mal besetzten die Sozialdemokratinnen wieder den öffentlichen Raum. Die Polizei beglei- tete den Zug der Frauen und führte sorgfältig Buch:

Auszugsweise Originalschrift aus dem Polizeibericht.82 138 Die Internationalen Frauentage der SPD

„Aus Anlaß des internationalen Frauentages veranstaltete die SPD eine Frauen- kundgebung. Der eigentlichen Kundgebung ging eine Frauendemonstration voraus. Die Teilnehmer zum Umzug versammelten sich kurz nach 7.00 Uhr abends auf dem Spielplatz Nordstr. Um 7.40 Uhr rückten die Frauenabteilungen der Arbeitersport- vereine unter Vorantritt eines 12 Mann starken Trommler u. Pfeiferkorps, zwei rote Fahnen mitführend, in einer Stärke von 110 Personen, geschlossen auf den Platz. 40 Sportlerinnen trugen Sportkleidung. Unmittelbar hierauf erfolgte der Abmarsch des Gesamtzuges. Es beteiligten sich: S.A.J. (Rote Falken) mit 260 S.P.D.-Frauen mit 350 Arbeiter-Sportlerinnen mit 110 Sa. 720 Personen Außer den 12 Trommlern und Pfeifern der Arbeitersportler, marschierten an der Spitze noch 10 rote Trommler und Pfeifer der roten Falken. 12 rote Fahnen zahlrei- che Wimpel der Roten Falken wurden im Zuge mitgeführt. 10 Plakate enthielten die Forderungen der Frauen, wie: ‚Wir fordern Schutz und Recht für Mutter und Kind‘ ‚Unser Wille: Nie wieder Krieg‘ Wir fordern: Abbau der Zölle! ‘ u.a.m. Der Zug bewegte sich, proletarische Lieder singend, auf kürzestem Wege nach den Centralhallen. Die Marschordnung war für einen Frauenumzug gut.“83

Mit dieser Demonstration hatten sich die SPD-Frauen die Straße zurückerobert. Wie bei der ersten Frauentagdemonstration im Jahr 1911 zogen sie vom Arbeiterquartier Walle/ Gröpelingen zur Innenstadt. Dass sie wegen ihrer guten „Marschordnung“ von der Polizei ein Lob bekamen, haben die Frauen nicht erfahren. Gleichwohl gibt diese Haltungsnote Aufschluss darüber, dass selbst noch die Demonstrationszüge an männlichen und vor allem soldatischen Standards gemessen wurden. Als der Demonstrationszug am Versammlungslokal eintraf, wurde der Andrang so groß, dass sich „in den Seitengängen […] die Teilnehmer“ stauten. Die politisch inhaltliche Gestaltung wurde bestimmt von der Aufführung des Sprechchorwerks „Die gespaltene Menschheit“. Eine „Tendenzdichtung im Dienste des Proletariats“ nannte es die BVZ. Die ZuhörerInnen nahmen das Stück „begeistert“ auf. „Junge Menschen aus der Bremer Arbei- terbewegung gestalteten hier unter der kundigen Führung des Genossen Paulmann das Schicksal der Proletarier auf dem ganzen Erdball.“84 Die Rednerin Hedwig Günther, Mitglied im Landesvorstand der SPD Hamburg, wandte sich mit ihrem Beitrag dem politischen Alltag zu. Sie attackierte die „arbeiterfeindlichen Maßnahmen der Regierung Brüning“. Sie wandte sich vor allem gegen den Abbau der Arbeitslosenversicherung. Die Frauen träfe auch die geplante Sondersteuer gegen die Kon- sumvereine. Damit hoffe „die Privatwirtschaft, einen lästigen Konkurrenten loszuwerden“. Und nach wie vor bestünden eigene frauenpolitische Forderungen: „Wir fordern in allen Ländern gleiche Löhne für alle Arbeit! Der Lohn muß sich nach dem Wert der Arbeit und nicht nach dem Geschlecht richten.“ Mit einem dreifachen begeisterten Hoch auf den internationalen Sozialismus und dem gemeinsamen Gesang der Internationale fand die wuchtige Kundgebung ihr Ende.“85 „Wuchtig“ war bisher noch keine Frauenveranstaltung genannt worden. Der Be- richterstatter der BVZ war von dieser Manifestation der Sozialdemokratinnen sicht- 1917–1933 139 lich beeindruckt. Die Genossinnen hatten es geschafft, unmittelbar nach der Maifeier bis zum 21. Mai 1930 Frauenaktionen in den Arbeiterquartieren der Stadt durchzu- führen. Sie waren demonstrierend durch die Straßen der Stadt gezogen und hatten eine Veranstaltung mit 2.000 TeilnehmerInnen organisiert. Sie hatten den Frauentag zum zentralen Agitations- und Feiertag der sozialdemokratischen Frauenbewegung Bremens gemacht. Trotz des großen Einsatzes brachte die Bürgerschaftswahl am 13. November 1930 erhebliche Einbußen für die SPD. Sie verlor zehn Sitze. Dagegen zog die NSDAP mit 32 Abgeordneten zum ersten Mal in die Bürgerschaft ein86. Diese Entwicklung beeinflusste die politische Arbeit und die inhaltliche Ausrichtung der Frauentage in den folgenden Jahren.

Gegen den Naziterror – Internationale Frauentage 1931 bis 1933

Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, die mit dem Börsenkrach in den USA im Oktober 1929 begann, hatten bald auch Bremen erreicht. Wieder traf es mit Arbeitslosig- keit, Lohnkürzungen, Senkung der Versorgungsbezüge und Wohlfahrtsunterstützungen die Masse der Arbeiterfamilien. Für das Jahr 1931 erwies sich Bremen „als ein politischer und wirtschaftlicher Krisenherd erster Ordnung“. Dem Zusammenbruch des Großunter- nehmens Nordwolle in Delmenhorst folgten zwei Bankenschließungen. Der Haushalt der Hansestadt wies ein riesiges Defizit auf, das selbst durch rigide Sparmaßnahmen nicht geschlossen werden konnte. Im Jahrbuch für 1931 hatte der Parteivorstand einen Bericht aus Bremen über die Krisensituation der Stadt veröffentlicht: „Sämtlichen Staatsangestell- ten wurde zum 1. April gekündigt. Von den Möglichkeiten der Gehaltskürzungen wurde restlos Gebrauch gemacht. […] Auch viele von der Sozialdemokratie in den Nachkriegs- jahren durchgesetzte Verbesserungen auf fast allen Gebieten mußten dispensiert werden.“ Vor allem stellten die ständig wachsenden Ausgaben für das Wohlfahrtswesen den größ- ten „Unsicherheitsfaktor“ dar. „Jeder dritte Einwohner wird heute aus öffentlichen Mitteln unterstützt. […]. Noch wird versucht die Hilfesätze in der alten Höhe zu halten.“ Um das zu finanzieren, habe die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft und die SPD-Mitglieder im Senat für die Einführung der Getränkesteuer gestimmt und mit ihrer Zustimmung sei die Verdreifachung der Bürgersteuer beschlossen worden. Resignierend wurde festgestellt: „Populär sind die Beschlüsse nicht.“87 Außerdem träte die NSDAP immer offensiver in der Öffentlichkeit auf. In der „Bürger- schaft hofft [sie] immer noch auf einen Rechtssenat unter ihrer Führung. Sie wird dabei von den Deutschnationalen und mittelständlerischen Interessenhaufen […] unterstützt“. Die Sozialdemokraten sahen deswegen ihre vordringlichste Aufgabe darin, „die National- sozialisten […] nicht in den Senat eindringen zu lassen“. 88 Vor allem nahmen die Gewaltattacken von SA und SS zu. „Eine Denkschrift der SPD vom Dezember 1931 berichtete von 1.484 Gewalttätigkeiten der Nationalsozialisten, bei denen 62 Menschen getötet und 3.200 verletzt wurden.“89 Auch in Bremen profitierte die NSDAP von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Mit massenwirksamer Demagogie versprach sie den Enttäuschten und Perspektivlosen eine glänzende Zukunft im „Dritten Reich“. Mit aufmarschierenden gewaltbereiten Trupps ver- 140 Die Internationalen Frauentage der SPD suchten sie, ihre Macht im öffentlichen Raum durchzusetzen. Damit gewann sie unter den jungen Männern an Zulauf und die Zahl der Mitglieder stieg weiter an.90 Angesichts der weltweiten ökonomischen Krise und des Anwachsens faschistischer Ge- walt stellte das Internationale Frauenkomitee der Sozialistischen Internationale fest, dass „sich der Internationale Frauentag als eines der wirksamsten Propagandamittel bewährt“ habe. Darum beschloss das Komitee „den Frauentag 1931 mit Sorgfalt und Hingabe vor- zubereiten, um die indifferenten Frauen aufzurütteln und zum Kampf für ihr Recht und ihre Freiheit zu begeistern“.91

Für Weltfrieden, gegen Faschismus – Frauentag 1931

Der Bezirksfrauenausschuss des Bezirks Hamburg-Nordwest beschloss, „in den Wochen des Internationalen Frauentages [vom 12.–28. April] in möglichst vielen Orten, seien es Frauenfeierstunden, Unterhaltungsabende, allgemeine Mitgliederversammlungen, zum Kampf gegen den Faschismus aufzurufen“92. Die Bremer Sozialdemokratinnen organisierten in der Zeit vom 7. bis zum 16. April 1931 Agitationstage im ganzen Stadtgebiet. Sie schrieben wieder Artikel für die Parteizei- tung. Dabei stand vor allem die Bedrohung des Friedens und die Alltagsnot der Arbeiter- familien im Mittelpunkt. Diese Texte sollten die Frauen unmittelbar ansprechen, sie zum Mittun ermutigen. Dazu bedurfte es nach den Vorstellungen der Akteurinnen nur eines kleinen Schrittes: „In allen Stadtteilen geben wir euch in der Woche vom 7. bis 14. April durch entsprechende Veranstaltungen Gelegenheit zur Information“ über Inhalt und Zweck des Internationalen Frauentages und über die Inhalte der Protestaktionen in diesem Jahr, die sich „gegen Ver- wilderung des politischen Lebens durch Mord und Totschlag von Andersdenkenden, gegen die Bedrohung der Demokratie und des Friedens durch den Faschismus“ richteten.93 Im Anschluss an die Vorträge wurde der Film „Nie wieder Krieg“ gezeigt. Gegen Krieg und Naziterror, für Sozialismus und Frieden: „Am Donnerstag, 16. April tragen wir diesen Ruf in einer Demonstration durch die Straßen Bremens“, lautete der Auf- ruf von Anna Stiegler.94 Als sich die TeilnehmerInnen zum Demonstrationszug formierten, war wieder die Polizei zur Stelle und schrieb auf, wer sich eingefunden hatte: „550 Frauen, 240 S.A.J.-Mitglieder und 60 Mitglieder von Reichsbannerkapellen.“95 Zusammen mit den Demonstranten hatten sich in den Centralhallen etwa 2.000 Personen versammelt, wie die BVZ am 17. April berichtete. 1917–1933 141

Der 16. April 1931 in Bremen – ein glänzender Werbeerfolg der sozialistischen Frauen.96

Auf der Kundgebung in den Centralhallen sprach Gertrud Düby aus Zürich.97 Sie zeigte in ihrem Referat den Zusammenhang zwischen dem kapitalistischen System und dem Anwachsen der NSDAP auf. „Der Kapitalismus hat abgewirtschaftet. Im Schatten dieser Not der Arbeiterschaft ist dem Kapitalismus ein Helfer erwachsen. Die Nationalsozia- listen. Sie haben die Aufgabe, die Lebensdauer des Kapitalismus zu verlängern und die arbeitenden Massen vom Kampf gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem ab- zulenken.“ Sie rief dazu auf, gerade die „Lauen und Indifferenten“ zu gewinnen. Denn „unser Schicksal liegt in unserer Hand, kein Führer, wie die Nationalsozialisten der Welt vorgaukeln, kann uns retten, nur der Zusammenschluß der politisch Gleichgesinnten, die sich um die rote Fahne des internationalen Sozialismus sammeln.“ Anna Stiegler schloss die Feierstunde mit einem „Hoch“ auf die Sozialistische Internationale.98 Im ganzen Reich beteiligte sich die sozialdemokratische Frauenbewegung an den Pro- testen gegen die Nationalsozialisten. So wurde auf dem Parteitag in Leipzig im Juni 1931 eine Resolution des Frauenbüros zum Thema „Frauen und Nationalsozialismus“ verab- schiedet. In ihr wurde die Gefährdung der Frauenemanzipation durch den Faschismus beschrieben und die Frauen zum antifaschistischen Kampf aufgerufen.99 Die Frauenzeitungen und Frauenbeilagen brachten Artikel, die sich mit dem Thema auseinandersetzten. Auch in den Frauenbeiträgen der BVZ wurden die frauenfeindlichen Vorstellungen der NSDAP angeprangert, zum Beispiel mit Bild-Texten wie dem folgen- den:100 „Zeige ihnen, daß das „Dritte Reich“ der National„sozia- listen“ kein Reich von morgen, sondern eins von vorges- tern sein würde! Die Hakenkreuzler haben betont, daß die drei W’s der Landsknechte: Wein, Weib und Würfel, auch den Lebensstil ihrer Männer ausdrücken. Kultur und Vernunft sind dieser Partei unbekannte Begriffe. […] Als Frau zu den Nationalsozialisten stehen, heißt sich selbst aufgeben.“101 Mit Zeitungsartikeln wie diesen versuchte die SPD, die Leserinnen und die SPD-Frauen zu ermutigen, sich offensiv gegen die NS-Ideologie zur Wehr zu setzen. Angesichts der Gewalt, die die NS-Leute in der Öffent- lichkeit verbreiteten, hatten sich am 16. Dezember 1931 SPD, Reichbanner, Gewerkschaften und Arbeitersport zur „Eisernen Front“ zusammengeschlossen und die sozial- demokratischen Frauen aufgerufen, sich diesem Bündnis anzuschließen. Die SPD-Frauen Bremens machten diese Aufforderung gleich zu Beginn des Jahres zum Thema einer Frauenversammlung, „um den Arbeiterfrauen die 142 Die Internationalen Frauentage der SPD ungeheuren Gefahren des Faschismus vor Augen zu führen, die den Frauen drohen wür- den, falls es den Faschisten gelänge, ihr fabelhaftes ‚Drittes Reich‘ in Deutschland zu er- richten.“102 Referentin war die Reichstagsabgeordnete Louise Schröder.

„Die Frau in der Eisernen Front, für Friede, Arbeit und Freiheit.“103

Die Reichstagsabgeordnete Louise Schröder zeigte in ihrer Rede auf, welche menschen- und frauenverachtende Ideologie die Nazis verfolgten. Sie „führte dann mehrere Beispie- le für den unerhörten Terror an, der in der nationalsozialistischen Bewegung zu einem wichtigen Bestandteil geworden ist und der die Jugend vergiftet hat“. Sie erklärte, dass die NS-Politik darauf abziele, die mühsam erkämpften sozialen Errungenschaften wieder rückgängig zu machen. Es gelte, alle Kräfte einzusetzen gegen den „von den National- sozialisten verkörperten Kriegswahnsinn“. Die Versammlungsleiterin Helene Kaisen, als neue Vorsitzende der sozialdemokratischen Frauengruppe, rief die Frauen auf, sich in die Eiserne Front der Arbeiterschaft einzureihen.104 Das Jahr 1932 war wieder ein Wahljahr. Für die Wahl zum Reichspräsidenten waren zwei Wahlgänge notwendig, bis am 10. April Hindenburg im zweiten Wahlgang gewählt war. Am 31. Juli fanden Reichstagswahlen statt und bereits am 6. November musste der Reichstag erneut gewählt werden. In allen Wahlen spielte die Stimmabgabe der Frauen eine entscheidende Rolle. Sie stellten nach wie vor die Mehrheit der wahlberechtigten Be- völkerung105 und so waren sie in den Wahlkämpfen eine wichtige Zielgruppe. Alle aktiven Genossinnen wurden in die Wahlkampfarbeit der Partei eingespannt, für einen Frauentag blieb kein Raum. Trotz des Einsatzes der Genossinnen und Genossen stieg auch in Bremen der Stimmen- anteil der NSDAP bei der Reichstagswahl im Juli weiter an. Allerdings wurde dieser Sieges- zug der NSDAP bereits fünf Monate später bei der Reichstagswahl am 6. November 1932 gestoppt: Sie verlor in Bremen fast ein Drittel der Stimmen.106 Nach diesen Stimmenver- lusten – 2 Millionen im ganzen Reich – hoffte Marie Juchacz: „Wir haben den Faschismus geschlagen. Wir haben keinen Totalsieg errungen. Aber es waren, wenn nicht alles trügt, doch die entscheidenden Niederlagen, die der Faschismus in Deutschland erlitten hat.“107 1917–1933 143

Eine Demonstration zur Abwehr des Faschismus – Frauentag 1933

Die Einsetzung der Regierung Hitler/Papen im Januar 1933 wurde von der Sozialdemo- kratie in Bremen nicht als Schritt zur Errichtung einer NS-Diktatur wahrgenommen. Die SPD konzentrierte sich auf den Wahlkampf und setzte alles daran, mit den Instrumen- ten der parlamentarischen Demokratie die Republik wieder herzustellen. Sie organisierte Demonstrationszüge durch die Stadt und Massenversammlungen, auf denen Protestreso- lutionen verabschiedet wurden. Auch die SPD-Frauen aktivierten mit Blick auf die bevorstehende Reichstagswahl alle ihre Kräfte. Sie riefen die Frauen zum Internationalen Frauentag 1933 auf.

Eine Demonstration der Frauen gegen die faschistische Diktatur.108

Die Polizei hatte „keine Bedenken“ gegen die Frauentag-Demonstration.109 144 Die Internationalen Frauentage der SPD

Die Organisatorinnen hatten dafür gesorgt, dass sich möglichst viele an der Demonstra- tion beteiligten. Am Tag zuvor hatte nämlich der Parteivorstand in der BVZ bekannt gege- ben: „Der Saal wird erst geöffnet, wenn die Spitze des Demonstrationszuges eintrifft.“110 So marschierte am 22. Februar 1933 ein Menschenzug, den Auflagen der Polizei folgend – „es darf nur mit 4 Personen nebeneinander und möglichst unter Meidung der Straßenbahn- geleise nur in der rechten Straßenhälfte marschiert werden“111 – vom Waller Ring zu den Centralhallen. Im überfüllten Saal trat „[d]ie Genossin Kaisen […] an das mit den Symbolen der Eisernen Front geschmückte Rednerpult und begrüßte die Massen im Auftrag der Frauen- gruppe der SPD Bremen. Ihr Freiheitsruf wurde von der Menge freudig erwidert.“112 Jubel empfing dann die „Genossin Toni Sender (Berlin)“. Mit scharfen Worten kritisierte diese das kapitalistische System und seine „Helfershelfer, die Hitlerpartei“. Sie erinnerte an die vollmundigen Versprechungen der Nazis und verglich sie mit den konkreten Taten unter der gegenwärtigen Hitlerherrschaft. Toni Sender betonte die „Verfassungstreue der deutschen Arbeiterschaft“. Doch die Arbeiterschaft werde sich nicht „in die Sklaverei zwingen und als Kanonenfutter für das Dritte Reich mißbrauchen lassen“. Dagegen könne sie den Kampf auch „auf anderem Bo- den“ führen. Vor allem rief sie die kommunistischen Arbeiter auf, „in unsere Bruderhand einzuschlagen“. Mit dem Appell, am 5. März 1933 die Liste 2 der SPD zu wählen, dem ab- schließenden Auftritt der Arbeiterjugend und dem Gesang der Internationalen wurde die Veranstaltung beendet.113 Keiner der Teilnehmenden ahnte, dass dies die vorerst letzte Veranstaltung dieser Art gewesen war. Noch hofften viele, dass eine politische Wende möglich sei. Toni Sender ern- tete den meisten Applaus, als sie den TeilnehmerInnen eine Perspektive über den Akt der Wahlbeteiligung hinaus eröffnete. Die Forderung nach einem Zusammengehen mit den Kommunisten und ihr indirekter Aufruf zum Generalstreik fanden auf der Versammlung ein begeistertes Echo.114 Doch schon wenige Tage später, einen Tag nach dem Reichstagsbrand, trat die Notver- ordnung vom 28. Februar 1933 in Kraft, und lieferte der Reichsregierung das Instrumen- tarium, in die Befugnisse der Obersten Landesbehörden einzugreifen. Es folgte das Verbot der Kommunistischen Parteizeitung und es kam zu Hausdurchsuchungen bei Kommunis- ten. Am 1. März wurde die Bremer Bürger-Zeitung verboten. Es dauerte nach den Wahlen nur wenige Tage, bis die Nationalsozialisten ihre Herrschaft auch in Bremen durchgesetzt hatten. Gleichzeitig begannen in aller Öffentlichkeit die Verfolgungs- und Terrormaßnah- men gegen Kommunisten und Sozialdemokraten.

Zwischenbilanz

Von den drei Arbeiterparteien, die aus der Spaltung der SPD hervorgingen, war die Mehr- heits-SPD die einzige Partei, die die Tradition des Internationalen Frauentages nicht fort- setzte. Erst nach der Vereinigung mit der USPD drängten die weiblichen Parteimitglieder darauf, den Frauentag wieder in das Aktionsprogramm der sozialdemokratischen Frauen- bewegung aufzunehmen. Die Forderung wurde nicht nur in Deutschland erhoben. Im Mai 1923 fand der Gründungskongress der „Sozialistischen Arbeiterinternationale“ (SAI) statt. Parallel dazu tagte die erste Internationale Frauenkonferenz. Die dort anwesenden Frauen beschlossen, dass die Parteien der SAI den Internationalen Frauentag wieder durchführen 1917–1933 145 sollten. Doch erst 1925 fanden die Frauen Gehör: Der Parteitag der MSPD empfahl dem Parteivorstand, wieder einen Frauentag zu organisieren. Von 1926 bis 1933 veranstalteten die SPD-Frauen wieder Internationale Frauentage. Doch der SPD-Vorstand sorgte dafür, dass die Frauentage nicht mehr das Gewicht und die Bedeutung der Vorkriegstage erreich- ten. Wahlkampfeinsätze hatten grundsätzlich Vorrang. Deshalb fielen die Frauentagsver- anstaltungen in Bremen in den Jahren 1928 und 1932 aus. Über die inhaltliche Bestimmung des Internationalen Frauentages gab es keine Diffe- renzen. Für die deutschen Sozialdemokratinnen wie für die Vertreterinnen der anderen Länder der Sozialistischen Arbeiterinternationale war nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges klar, dass der Frauentag das einigende Band zwischen den Frauen im Kampf für den Frieden werden sollte: Frieden und internationale Solidarität waren die Leitmotive der Frauentage bis 1933. Ergänzend dazu wurden an den einzelnen Frauentagen konkre- te Forderungen erhoben, die sich vor allem darauf richteten, die Lage der Arbeiterfrauen zu verbessern. An den Frauentagen wurde auch zu aktuellen politischen Problemen Stellung ge- nommen. Besonders zwang der wachsende Einfluss der NSDAP die sozialdemokratische Frauenbewegung, sich mit dem Thema „Nationalsozialismus und Frauen“ auseinander zu setzen. So waren die Internationalen Frauentage 1931 und 1933 antifaschistische Demonstrationen gegen den Naziterror. Im Rahmen der Massenkampagne zum Volksbegehren gegen die Fürstenabfindung 1926 präsentierten sich die Sozialdemokratinnen mit ihrer ersten Frauentagsveranstal- tung. Schon diese Versammlung war gut besucht. Die Idee eines sozialdemokratischen Frauentages fand bei den Gewerkschafterinnen und weiblichen Parteimitgliedern sofort Zustimmung. Darauf aufbauend entwickelten die Bremer SPD-Frauen ein Konzept, das sie Jahr um Jahr erweiterten, mit zusätzlichen Stadtteilversammlungen, Demonstrationszügen und flächendeckender Werbearbeit mit eigenen Flugblättern. Den Abschluss bildeten die Festveranstaltungen, an denen in Bremen regelmäßig einige tausend Frauen aktiv oder als Zaungäste teilnahmen. Die Frauengruppe der SPD hatte den Tag wieder zu einem Gemeinschaftserlebnis der Arbeiterfrauen gemacht, das – trotz der von oben verordneten Unterbrechungen – im politischen Leben der Partei fest verankert war.

Anmerkungen

1 Wally Zepler (Lebensdaten sind nicht bekannt) unterstützte während des Ersten Weltkrieges die Politik des Parteivorstandes. Sie hatte sich vor allem in theoretischen Schriften für das soziale Engagement von Frauen in der Kriegsfürsorge eingesetzt. Sie war von Anfang an eine scharfe Gegnerin von Clara Zetkin und trat für eine Zusammenarbeit mit der bürgerlichen Frauenbewegung ein. Das alles entsprach der neuen politischen Linie der Frauenarbeit der SPD. Vgl. Weiland, 1983, 290. 2 Vgl. Losseff-Tillmanns, 1985, 47. 3 Vgl. Die Gleichheit vom 3. August 1917, Nr. 22/27. Jg., Sonderbeilage. 4 Protokoll des Parteitages von Würzburg, 14.–20. Oktober 1917, 15. 5 Die Gleichheit vom 14. März 1919, Nr. 12/29. Jg. 6 Die Gleichheit vom 14. März 1919, 89. 7 Hagemann, 1990, 531. 8 Mit diesem Konzept näherten sich die Sozialdemokratinnen der bürgerlichen Frauenbewe- gung, die mit ihrer Theorie der „organisierten Mütterlichkeit“ ein Programm zur Politisierung der weiblichen Lebensbereiche entwickelt hatte. Vgl. Stoehr, 1987, 225ff. 146 Die Internationalen Frauentage der SPD

9 Vgl. Wickert, 1986, 131. 10 Vgl. Blandow, 1995, 27. 11 Frevert, 1986, 445. 12 Vgl. Thönnessen, 1969, 131. 13 Hagemann, 1990a, 585. 14 Juchacz zit. in: Hagemann, 1990a, 586. 15 Schwarzwälder, 1976, Bd. 2, 647. 16 Vgl. den ausführlichen Bericht in Kapitel 3, Abschnitt „An der Heimatfront im Dienst fürs Vater- land“. 17 Vgl. Schwarzwälder, 1976, Bd. 2, 612. 18 Über die Ereignisse an „Stacheldraht-Ostern“ wurde im Kap. 3 im Zusammenhang mit dem Internationalen Frauentag der USPD 1919 berichtet. 19 Schwarzwälder, Bd. 3, 1983, 197. 20 1919 betrug der Frauenanteil der Wahlberechtigten in Bremen 54,4 Prozent. In der gesamten Zeit der Weimarer Republik überwogen die weiblichen Wahlberechtigten. Vgl. Hannover Drück, 1991. 21 Das Parteiorgan der Mehrheits-SPD war das Bremer Volksblatt (BVB), während die USPD ihre Zeitung unter dem Namen Bremer Arbeiter-Zeitung (BAZ) herausgab. Nach der Vereinigung 1922 hieß die gemeinsame Zeitung der VSPD Bremer Volkszeitung (BVZ). 22 Bremer Volksblatt vom 11. Mai 1920. 23 Bremer Volksblatt vom 11. Mai 1920. 24 Bremer Volksblatt vom 12. Mai 1920. 25 Vgl. Ein „Frauenwelt“-Abend, in: Die Genossin vom 3. September 1924, 59 f. 26 Hagemann/Kolossa, 1990, 41. 27 Protokoll des SPD-Parteitages Gera 1922, abgedruckt in: Protokolle USPD-Parteitag Augs- burg, 1922, 82. 28 Protokolle USPD-Parteitag Augsburg, Bd. 4, 1976, 188. 29 Marie Juchacz, Protokoll SPD-Parteitag in Nürnberg, 1922, 10. 30 Siehe vorheriges Kapitel. 31 Vgl. Hannover-Drück, 1991, 116/117. 32 Vgl. Blandow, 1995, 29. 33 Dehnkamp, 1986, 123. 34 Mit diesen 1.439 Frauen hatte die VSPD 1922 ca. 50 Prozent weniger weibliche Mitglieder als die SPD vor dem Weltkrieg mit 2.737. Vgl. Dehnkamp122/123, Tab. 3, 226. 35 Die Frauenarbeit in der Kommunistischen Internationale wird im Kapitel über die Frauentage der KPD ausführlich beschrieben. 36 Bremer Volkszeitung vom 9. Mai 1923. 37 Bremer Volkszeitung vom 23. Mai 1923. 38 Wickert, Bd. 1, 1986, 162. 39 Vgl. Protokoll SPD-Parteitage, Heidelberg 1925, 7–10. 40 Protokoll SPD-Parteitage, Heidelberg 1925, 369. 41 Die Genossin, Nr. 12, Oktober 1925, 348. 42 Vgl. Losseff-Tillmanns, 1985, 53-54. 43 Jahrbuch 1925 des ADGB, 237. 44 Vgl. Gewerkschaftliche Frauenzeitung vom 15. April 1931. 45 Vgl. Bremer Volkszeitung vom 8. März 1926. 46 Bremer Volkszeitung vom 9. März 1926. 47 Nachrichtenstelle der Polizeidirektion, STAB, 4,65-210/35 II.A.10.b. 48 Darüber wird im folgenden Kapitel berichtet. 1917–1933 147

49 Mit dem Ergebnis von 12,5 Mill. Stimmen war das Volksbegehren erfolgreich und belegte, welche Stärke gemeinsame Aktionen der Arbeiterorganisationen entwickeln konnten. Die Re- gierung musste den vom Volk begehrten Gesetzentwurf zum Volksentscheid vorlegen. Die für die Durchsetzung dieses Entscheids notwendige Stimmenzahl wurde dann nicht erreicht. Vgl. Ruge, 1980, 171–176. 50 Da die Genossin aus Amsterdam „plötzlich am Erscheinen gehindert war“, war das Parteimit- glied Prof. Menneke aus Berlin als Referent eingesprungen, notierte gewissenhaft der Bericht- erstatter der Nachrichtenstelle der Polizeidirektion. 51 Bremer Volkszeitung vom 12. März 1926. 52 STAB: 4,65-210/35 II A.10.b., s. Fußnote 47. 53 Bremer Volkszeitung vom 31. März 1927. 54 Bremer Volkszeitung vom 6. April 1927. 55 Protokoll SPD-Parteitag/Frauenkonferenz Kiel, 1974, 309. 56 Protokoll SPD-Parteitag/Frauenkonferenz Kiel, 1974, 318. 57 Bremer Volkszeitung vom 8. März 1928. 58 Jahrbuch der SPD, 1927, 145. Seit dem Jahr 1926 veröffentlichte der Parteivorstand der SPD jährlich Übersichten über seine politische Arbeit. In den Jahrbüchern gab es eine feste Rubrik mit dem Titel „Frauenbewegung“. 59 Bremer Volkszeitung vom 3. Mai 1928. 60 Bremer Volkszeitung vom 8. April 1929. 61 Die Frauenzeitung der SPD erschien jetzt unter dem neuen Namen Die Genossin. 62 Vgl. Bremer Volkszeitung vom 8. April 1929. 63 Bremer Volkszeitung vom 12. April 1929. 64 In der Kulturarbeit der SPD-Bremen spielte die Sprechchorbewegung eine besondere Rolle. Sie war aus der Theaterarbeit der bremischen Versuchsschulen hervorgegangen. „Sie waren ein Stück echter, originärer Arbeiterkultur, das keine bürgerliche Parallele besaß.“ Hartmut Müller, 1989, 66. 65 Bremer Volkszeitung vom 12. April 1929. 66 In: Die Genossin, Mai 1930, 5. 67 Siehe hierzu auch im Kapitel 7: „Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage“. 68 Die folgende Darstellung stützt sich im Wesentlichen auf die beiden Aufsätze von Karin Hau- sen, 1982, Mütter zwischen Geschäftssinn und kultischer Verehrung, „Der Deutsche Muttertag“ in der Weimarer Republik, in: Huck, Gerhard, (Hrsg.), Sozialgeschichte der Freizeit, 249–280, und Karin Hausen, 1984, Mütter, Söhne und der Markt der Symbole und Waren: Der deutsche Muttertag 1923–1933, in: Medick, H./Sabean, D., (Hrsg.), Emotionen und materielle Interessen, 473–523. Wenn nicht anders angegeben, wird auch aus diesen beiden Aufsätzen zitiert. 69 Hausen, 1982, 253. 70 Vgl. Hausen, 1982, 262. 71 Vgl. Schunter-Kleemann, 1991a. 72 Vgl. Hausen, 1982, 261. 73 Aus den Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundheit 1927, zit. in: Hausen 1982, 266. 74 Vgl. Hausen, 1984, 484. 75 Veröffentlichung der Arbeitsgemeinschaft 1928, zit. in Hausen, 1982, 267. 76 Hausen, 1982, 267. 77 Hausen, 1984, 495. 78 Emmy Hackmack gehört zu den vielen Genossinnen, die sich an der Frauenarbeit in der Bre- mer SPD beteiligt haben. Sie schrieb in den Beilagen zum Internationalen Frauentag in der Bremer Volkszeitung. 79 Bremer Volkszeitung vom 16. Mai 1930, Beilage zum Internationalen Frauentag. 80 Bremer Volkszeitung vom 2. Mai 1930. 81 Vgl. Bremer Volkszeitung vom 15. Mai 1930. 148 Die Internationalen Frauentage der SPD

82 Auszug aus dem Polizeibericht über die Frauendemonstration. STAB 4,65-211/35 II.A.10.b. 83 Auszug aus dem Polizeibericht über die Frauendemonstration. STAB 4,65-211/35 II.A.10.b. 84 Bremer Volkszeitung vom 22. Mai 1930. 85 Bremer Volkszeitung vom 22. Mai 1930. 86 Vgl. Jahrbuch der SPD, 1930, 385/386. 87 Jahrbuch der SPD, 1931, 252. 88 Jahrbuch der SPD, 1931, 253. 89 Paulmann, 1964, 141. 90 Vgl. Schwarzwälder, 1983, Bd. 3, 543–602. 91 Die Genossin, Februar/März, 1931, 67. 92 Auszug aus dem Jahresbericht für 1930 mit Perspektiven für 1931 vom Bezirk Hamburg-Nord- West, in: Die Genossin, Febr./März, 1931, 107. 93 Bremer Volkszeitung vom 4./5. April 1931. 94 Bremer Volkszeitung vom 4./5. April 1931. 95 Polizeibericht über die Demonstration vom 16.4.1931 STAB 4,65-212/35 II.A.10.B. 96 Bremer Volkszeitung vom 17. April 1931. 97 Bremer Volkszeitung vom 17. April 1931. 98 Vgl. Bremer Volkszeitung vom 17. April 1931. 99 Vgl. Protokoll Parteitag Leipzig 1931, 284–285. 100 Bremer Volkszeitung vom 10. April 1931. 101 Bremer Volkszeitung vom 10. April 1931. 102 Bremer Volkszeitung vom 11. Februar 1932. 103 Bremer Volkszeitung vom 11. Februar 1932. 104 Vgl. Bremer Volkszeitung vom 11. Februar 1932. 105 „Zur Reichstagswahl am 5. März 1933 waren 229.447 Bremer wahlberechtigt, davon 108.191 Männer und 121.256 Frauen, was einem Verhältnis von 47,14 Prozent zu 52,84 Prozent ent- sprach.“ Hannover-Drück, 1991, 20. 106 Vgl. Schwarzwälder, Bd. III, 1983, 583–586; Paulmann, 1964, 144. 107 Die Genossin, 1, 1933. 108 Bremer Volkszeitung vom 19. Februar 1933. 109 STAB, 4,14/1-XII A.3.a.4. 110 Bremer Volkszeitung vom 21. Februar 1933. 111 Von der Polizei genehmigte Demonstration am 22.2.1933, STAB 4,14/1-XII A.3.a.4. 112 Bremer Volkszeitung vom 23. Februar 1933. 113 Bremer Volkszeitung vom 23. Februar 1933. 114 Bremer Volkszeitung vom 23. Februar 1933. 6.

Die Internationalen Frauentage der KPD 1919–1933 150 Die Internationalen Frauentage der KPD

Als dritte Arbeiterpartei neben SPD und USPD entstand in den revolutionären Kämp- fen zum Jahreswechsel 1918/1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (Spartakus- bund)1. Ein großer Teil der Frauen, die sich der neuen Bewegung angeschlossen hatten, gehörte vor der Spaltung zu den Aktivistinnen der sozialistischen Frauenbewegung der Vorkriegszeit. Sie wollten Frauenpolitik zu einem Schwerpunkt in der neuen Partei ma- chen: Frauen sollten die Parteipolitik gleichberechtigt und gleichbeteiligt mitgestalten und es sollten Programme und Strukturen entwickelt werden, um Arbeiterfrauen und vor al- lem Betriebsarbeiterinnen für die revolutionäre Bewegung zu gewinnen. Grundsätzlich gab es in der KPD zu diesem Konzept keinen Widerspruch. Im Sommer 1919, kurz nach der Gründung der Partei, begann man, erste Strukturen für die Frauen- arbeit aufzubauen und im Jahr 1920, auf dem Vereinigungsparteitag mit den Linken der USPD, verabschiedete der Parteitag die „Richtlinien für die poltische Arbeit unter den Frauen“. Gleichzeitig nutzten die Kommunistinnen ihr Netzwerk aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, um ihre Vorstellungen über die gleichberechtigte Stellung der Frauen in den kommunistischen Parteien auch in der Kommunistischen Internationale (KI) zu veran- kern. Im nationalen wie internationalen Konzept der Entwicklung einer kommunistischen Frauenbewegung war der jährliche Internationale Frauentag ein fester Programmpunkt. Mit dem Bericht über diese Entwicklung beginnt das Kapitel. Im Zentrum der Untersuchung stehen die Frauentag-Aktionen der Kommunistinnen in Bremen in der Zeit von 1920 bis 1933. Die politische Ausrichtung der Frauentage wur- de von der kommunistischen Internationale und der Parteiführung zusammen mit dem Frauenreichssekretariat festgelegt. Ideologische Wendungen und Auseinandersetzungen in der Kommunistischen Internationale oder der Parteiführung beeinflussten die konkrete Durchführung der Frauentage. Eine Darstellung lokaler Frauentag-Aktivitäten muss des- halb auch die frauenpolitischen Entscheidungen und ideologischen Veränderungen in der Gesamtpartei und der Internationalen in Betracht ziehen. Diese Entwicklungen werden jeweils in eigenen Abschnitten kurz geschildert. Aus den Berichten über die Frauentage der KPD in Bremen geht hervor, dass sich im Verlauf der Jahre erfolgreiche Kundgebungen mit völligen Fehlschlägen abwechselten. Im Rahmen der Beschreibung der Frauentage wird deshalb auch nach den Gründen für diese Diskontinuitäten zu fragen sein. Um die strukturellen Zusammenhänge und Brüche klarer herauszustellen, wurde der Bericht über die KPD-Frauentage von 1920 bis 1933 in vier Abschnitte gegliedert. Die Jah- re von 1920 bis 1924 stellten eine Aufbauphase dar, in der die Bremer KPD-Frauen gegen die Widerstände aus den eigenen Reihen den Internationalen Frauentag als politischen Kampftag im Parteileben verankerten. Mit der Durchsetzung des linksradikalen Kurses in der Partei 1924/1925 kam es dann zu einem Bruch in der Frauenarbeit, mit der Folge, dass in der Zeit von 1925 bis 1930 die Veranstaltungen zum 8. März in der Öffentlichkeit nur noch selten als politische Aktionstage für Frauenrechte wahrgenommen wurden. In der kurzen Zeit von 1931 bis 1933 war der Internationale Frauentag Protesttag „gegen das ganze faschistisch-kapitalistische System“, wie es im Jargon der KPD-Bremens hieß. So gab es Frauentag-Aktionen im Rahmen der Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus, die zugleich gegen die Sozialdemokratie agitierten, welche als Sozialfaschismus diskriminiert wurde. Die KPD-Frauen versuchten also, die Frauentage der Sozialdemokratinnen zur politischen Agitation zu nutzen, um die SPD-Frauen für den „revolutionären Kampf der KPD“ zu gewinnen. Die Sozialdemokratinnen wiesen diese Aktionen immer entschieden zurück. 1919–1933 151 Frauenarbeit in der KPD (Spartakusbund) und der Kommunistischen Internationale 1918–1920

Die Anfänge in der neuen Partei

In den Wochen nach der Novemberrevolution schlossen sich die Gruppen der revolu- tionären Linken zusammen. Vom 30. Dezember 1918 bis 1. Januar 1919 tagte in Berlin der Gründungsparteitag der Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund). Neben dem Spartakusbund war auch die Bremer Gruppe „Internationale Kommunis- ten Deutschlands“ (IKD) Mitbegründerin. Unter den Teilnehmern am Parteitag waren nur wenige Frauen. Trotzdem war unbestritten, dass die Frauenfrage in der neuen Be- wegung eine Rolle spielen sollte. Gleich die erste politische Kontroverse berührte ein zentrales Frauenthema – die Grundsatzdebatte entzündete sich an der Frage der Be- teiligung an den Wahlen zur Nationalversammlung. Der Rat der Volksbeauftragten hatte beschlossen, am 19. Januar 1919 Wahlen zur Nationalversammlung durchzuführen, und damit den Weg frei gemacht zur Etablierung einer parlamentarischen Demokratie – unter Beibehaltung überkommener Besitz- und Machtverhältnisse. Dagegen forderten die Kommunisten die Fortführung der Revolution mit dem Ziel der Errichtung einer „sozialistischen Demokratie“. Statt allgemeiner Parlamentswahlen wollten die kommu- nistischen Revolutionäre eine „Diktatur des Proletariats“ auf der Basis des Rätesystems durchsetzen. Wahlen dienten in ihren Augen nur dazu, dem Bürgertum parlamentari- sche Mehrheiten zu verschaffen und die Wiederherstellung der alten Ausbeutungsver- hältnisse demokratisch zu legitimieren. Deshalb lehnten sie eine Beteiligung an Wahlen grundsätzlich ab. Gegen diesen politischen Rigorismus betonte Käte Duncker die Notwendigkeit der Wahlbeteiligung. Sie wies in ihrem Redebeitrag darauf hin, dass die Partei in dieser Fra- ge wichtige Fraueninteressen zu berücksichtigen habe. „Wir müssen doch auch denken an die eine große Hälfte der Wähler, die Frauen, die bis jetzt irgendeine politische Be- rechtigung nicht hatten, denen jetzt zum ersten Mal das politische Wahlrecht gegeben wird. Glauben Sie, daß die Frauen, nachdem man ihnen Jahrzehnte hindurch gesagt hat, ihr müßt dieses Recht erkämpfen, daß sie uns jetzt folgen werden, wenn wir ihnen sagen, jetzt benutzt es nicht?“2 Sie betonte, dass seit dem Beschluss von Kopenhagen 1910 die Sozialistinnen mit ihrem Projekt des Internationalen Frauentages das Frauenstimm- recht als wichtigstes politisches Ziel verfolgt hätten. Eine Partei, die erklärtermaßen der Frauenfrage eine herausragende Bedeutung beimessen wolle, verlöre an Glaubwürdig- keit, wenn sie nach Erreichen des Kampfziels von den Frauen fordere, vom Stimmrecht keinen Gebrauch zu machen. Doch die Mehrheit auf dem Parteitag setzte sich über diesen Einwand hinweg und sprach sich gegen eine Beteiligung an den Wahlen zur Na- tionalversammlung aus. Nach dieser ersten Auseinandersetzung war klar, dass frauenpolitische Vorstellungen konkret formuliert und in der Partei verankert werden mussten. Da die kommunistischen Organisationen erst im Entstehen begriffen waren, konnten sich die Frauen in den neuen Zusammenschlüssen von Anfang an mit einbringen. So waren sie bei der Konstituierung der Kommunistischen Internationale direkt präsent. 152 Die Internationalen Frauentage der KPD

Frauen in der Kommunistischen Internationale

Die Revolution in Russland wurde in den Arbeiterorganisationen der verschiedenen Län- der mit großem Interesse verfolgt. Sie galt ihnen als Beispiel einer – unter welchen Schwie- rigkeiten auch immer – geglückten Machteroberung durch das Proletariat, es schien mög- lich, eine Gesellschaft sinnvoll von Grund auf neu zu ordnen. In einer ganzen Reihe von Staaten entstanden dem russischen Vorbild folgend revolutionäre Organisationen und kommunistische Parteien. Die Bewegung sah in der russischen Revolution den Auftakt zur weltweiten revolutionären Umgestaltung. Um diese Entwicklung voranzutreiben und ihr einen einheitlichen politischen und organisatorischen Rahmen zu geben, schlossen sich die kommunistischen Parteien und Organisationen zur Kommunistischen Internationale (KI) zusammen. Ein Teil der internationalen Sozialistinnen, die bereits an der Frauenkonferenz in Kopen- hagen 1910 teilgenommen hatten, trafen sich auf dem Gründungskongress dieser dritten (kommunistischen) Internationale in Moskau 1920 wieder. Dort setzten die Genossinnen das Thema der Organisierung der proletarischen Frauen in der kommunistischen Weltbe- wegung auf die Tagesordnung. Alexandra Kollontai stellte die Resolution „Über die Mitarbeit der proletarischen Frauen in den kommunistischen Parteien“ zur Abstimmung. Die Resolu- tion betonte die Notwendigkeit des gemeinsamen „Kampf[es] der Frauen und Männer der Arbeiterklasse“ für den endgültigen „Sieg des Weltproletariats und die vollständige Abschaf- fung der kapitalistischen Ordnung“. Alle der kommunistischen Internationale angeschlos- senen Parteien wurden aufgefordert, sich für die Gewinnung der proletarischen Frauen als Mitglieder der Parteien einzusetzen, denn „[d]ie Diktatur des Proletariats kann nur unter dem regen und aktiven Anteil der Frauen der Arbeiterklasse verwirklicht und behauptet wer- den“3. Mit der Annahme der Resolution verpflichteten sich die kommunistischen Parteien, den Frauen in der kommunistischen Bewegung einen angemessenen Platz einzuräumen. Ein Jahr später wurde „zur Zeit des II. Weltkongresses der KI auf einer ersten improvi- sierten Frauenkonferenz das Internationale Frauensekretariat der Internationale gegrün- det“4 und Clara Zetkin zur Internationalen Frauensekretärin berufen. Das Internationa- le Frauensekretariat (IFS) entsandte eine ständige Vertreterin in das Exekutiv-Komitee der Kommunistischen Internationale (EKKI). Damit hatten sich die Kommunistinnen im obersten Leitungsgremium der Internationale einen festen Platz gesichert.5 Nach der Frauenkonferenz erarbeitete Clara Zetkin einen Entwurf der „Richtlinien der Kommunis- tischen Internationale für die kommunistische Frauenbewegung“6. Die endgültige Fassung wurde vom III. Weltkongress der KI 1921 angenommen.

Die Richtlinien fassten die wesentlichen politischen und strategischen Einschätzun- gen des internationalen Kommunismus zur Frauenfrage zusammen: – Durchsetzung der Frauenbefreiung erst nach der „Aufhebung des Privateigen- tums an den Produktionsmitteln“; – die Notwendigkeit der Eingliederung der proletarischen Frauen in den allgemei- nen Klassenkampf; – die Unzulänglichkeit der bürgerlichen Frauenemanzipation; – der Verrat der II. (sozialdemokratischen) Internationale an den Frauen. Überdies enthielten sie ein allgemeines Programm zur Förderung und Einbeziehung der Frauen in die politische Arbeit, auf das die Parteien der Internationale verpflich- tet wurden. Das Programm stellte unterschiedliche Anforderungen an die Parteien 1919–1933 153

je nach dem Entwicklungsstand ihrer Länder. Dabei unterschieden die Richtlinien drei Gruppen. Zuerst „die Länder, in denen das Proletariat bereits die Staatsmacht erobert hat“, gefolgt von den „Ländern, in denen das Proletariat noch um die Erobe- rung der politischen Macht kämpft“, und danach die „Ländern mit vorkapitalistischer Entwicklung“. Sie unterschieden sich vor allem dadurch, dass in der zweiten Gruppe der Ausbau und die revolutionäre Ausnutzung der bürgerlichen Gleichberechtigung der Frauen gefordert wurde, während die Gleichstellung in Sowjetrussland kein Prob- lem mehr darstellte und in den vorkapitalistischen Ländern überhaupt erst erkämpft werden musste. Die Richtlinien formulierten außerdem organisatorische Maßregeln, deren wichtigste die Einrichtung von Frauenagitationsausschüssen auf allen Ebenen der Parteiorga- nisation war. Diesen Ausschüssen konnten auch Genossen angehören. Ihre Aufgabe war die Organisation der Agitation unter den indifferenten Frauen sowie die Aktivie- rung und Schulung der weiblichen Parteimitglieder.

In den nächsten Jahren wurden entsprechend dieser Richtlinien in den nationalen kom- munistischen Parteien Strukturen für die Frauenarbeit entwickelt. Damit war es mög- lich, frauenpolitische Projekte wie zum Beispiel den Internationalen Frauentag nicht nur international zu propagieren, sondern über die Frauenzusammenhänge in den jeweiligen nationalen kommunistischen Parteien auch konkret zu beeinflussen. Außerdem wurden wichtige politische Projekte und Entscheidungen von der KI organisiert und an die natio- nalen Parteien zur Ausführung weitergeleitet. So wurden die Schwerpunktsetzung und die allgemeine politische Erklärung für den Internationalen Frauentag durch die Kommu- nistische Internationale in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Frauensekretariat vorbereitet und dann an die nationalen Parteileitungen übermittelt.7 In Deutschland ver- öffentlichte die Parteipresse jährlich die Aufrufe der Kommunistischen Internationale zu den Frauentagen, die in der Regel von Clara Zetkin oder auch vom Chef der KI, Grigori Sinowjew, stammten.

Richtlinien für die Frauenagitation in Deutschland

Das Thema Frauenpolitik wurde in der KPD (Spartakusbund) erst nach den revolutionären Kämpfen im Sommer des Jahres 1919 aufgegriffen. Denn der Gründungskongress der Partei hatte seine Teilnehmer direkt in die Januarkämpfe 1919 in Berlin und Bremen entlassen. Mit der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts am 15. Januar 1919 und nur wenig später dem Mord des Parteiorganisators Leo Jogiches während seiner Untersuchungshaft in Berlin-Moabit verlor die KPD bereits kurz nach ihrer Gründung ihre erfahrensten Führer. In Bremen waren die Kommunisten treibende Kräfte in den Kämpfen der Räterepublik. Nach deren Zerschlagung im Februar 1920 erfolgte das Verbot der Partei mit Verfolgungen und Verhaftungen. In dieser Zeit schlossen sich nur wenige Frauen der Partei an. Ihr Anteil an den Partei- mitgliedern lag bis 1920 bei ca. 7,5 Prozent.8 Unter den Funktionären gab es nur wenige Frauen mit Erfahrung in der politischen Frauenarbeit. Erst nachdem Clara Zetkin am 29. März 1919 auf der Reichskonferenz der KPD in Frankfurt am Main in die Parteileitung gewählt worden war, entstand ein Kommunikationsnetz zwischen den Genossinnen und entwickelten sich erste Organisationsmuster. So beschloss der Parteitag 1919 die Einrich- 154 Die Internationalen Frauentage der KPD tung eines „Sekretariats für Frauenagitation“ und die örtlichen Gruppen wurden verpflich- tet, „Frauenagitationsgruppen“ zu bilden.9 In dem seit Mai 1919 erscheinenden Frauenorgan Die Kommunistin, das von Clara Zet- kin redigiert wurde, erläuterte sie ihre theoretischen Vorstellungen. „Warum brauchen wir Kommunisten eine Frauenbewegung?“ war der Titel zweier Beiträge, die im Herbst 1919 erschienen und das Konzept präzisierten, das sie bereits vor dem ersten Weltkrieg ent- wickelt hatte. Einerseits sollten die Kommunistinnen „keine organisatorisch und politisch gesonderte Frauenbewegung“ bilden, andererseits beanspruchte sie für die Frauenarbeit „eine eigene Frauenzeitung, eigene Frauenagitationsgruppen und Frauenveranstaltun- gen“. Auch die Kommunistinnen benötigten nach ihrer Auffassung die Möglichkeit, sich in eigenen Versammlungen auszutauschen. In der theoretischen Darlegung schien diese dop- pelte Orientierung ein ausgewogenes Programm, doch schon bald sollte sich herausstellen, dass der Balanceakt zwischen der von Männermehrheiten bestimmten Parteipolitik und den Fraueninteressen wieder zu Lasten der Frauen in Schieflage geriet. Clara Zetkin erläuterte in ihrem Text, warum gesonderte Einrichtungen für die kom- munistische Frauenarbeit notwendig seien: Zum einen lebten die Arbeiterfrauen in ihren privaten Haushalten isoliert, auf den Bereich der Familie beschränkt, hatten kaum Bil- dungsmöglichkeiten und nahmen nicht an politischen Kämpfen und Streiks teil. Sie waren gemessen an den proletarischen Männern weit hinter der politischen und gesellschaft- lichen Entwicklung zurück. Zum anderen wurde ihr Leben durch ihre „physisch-psychi- schen Eigenart, […] ihre Natur als Weib und Mutter“ bestimmt. Clara Zetkin verfolgte energisch das Konzept, durch Schulung und Bildung die Prole- tarierinnen zu aktiven Mitkämpferinnen für die Sache der Revolution zu erziehen. Damit setzte sie auf Veränderungen im Bewusstsein und in der Haltung der Arbeiterfrauen. An- dererseits hielt sie eine eigene Frauenarbeit gerade deshalb für notwendig, weil die Frau als Mutter von Natur aus besondere Interessen habe, die „besonders berücksichtigt und behandelt werden müssen“. Es gab nach der Auffassung von Clara Zetkin eine Wesensbe- stimmung der Frau, die auch „in der kommunistischen Gesellschaft“ weiterwirkt. Denn die Bedeutung der „Frau und Mutter als Trägerin des nachkommenden Geschlechts“ könne sich erst in der neuen Gesellschaft richtig entfalten.10 Bei allem Anspruch an revolutionäre Veränderung erfolgte also eine biologistisch begründete Festschreibung der Frau auf ihre Mutterrolle, und zwar auch für die neu zu gestaltende Gesellschaftsordnung. Für die Gegenwartsaufgaben forderte Clara Zetkin innerhalb der (männerdominierten) Organisation Gestaltungsräume für Frauen, in denen sie sich austauschen und beraten konnten. Denn die Nöte der Frauen könnten nur erkannt und ihre Forderungen nur gehört werden, „wenn die Proletarierinnen selbst als sozialistische Kämpferinnen ihre Leiden, ihre Interessen zum Ausdruck bringen, wenn sie selbst für ihr Recht als Frauen, Menschen, Ausgebeutete kämpfen“. Denn die politische Aufgabe bestand nicht darin, für Frauen tätig zu werden, sondern Frauen zu befähigen, selbst die Stimme zu erheben und ihre Interes- sen durchzusetzen.11 Das waren die Leitgedanken, die Clara Zetkin auf dem Parteitag 1920 vortrug. Auf dem Vereinigungsparteitag der KPD (Spartakusbund) mit dem linken Flügel der USPD im Dezember 192012 hatte Clara Zetkin dafür gesorgt, dass Frauenpolitik ausführlich be- handelt wurde. Die wesentlichen Punkte fasste sie in ihrem Grundsatzreferat zusammen. Sie bejahte ausdrücklich den Kampf um Reformen. Angesichts der Lage der Frauen in Deutschland müsse die Frauenbewegung der kommunistischen Partei an die „hundertfäl- tigen blutigen Lebensnöte“ der Proletarierinnen, der Kleinbäuerinnen, der weiblichen An- gestellten, der Beamtinnen anknüpfen, um die Frauen zur Gegenwehr zu mobilisieren. Sie 1919–1933 155 warnte aber davor, bei den Frauen Illusionen über den Wert solcher Reformen zu erzeu- gen. Denn erst nach einer erfolgreichen Revolution könne die volle Emanzipation der Frau verwirklicht werden. Für diesen Kampf müssten auch die Frauen gewonnen werden. Die Partei müsse deshalb dafür sorgen, dass die weiblichen Mitglieder aus „einem toten Ballast in tätige mitarbeitende Kräfte verwandelt werden. […] Die Frauen müssen mitraten, mit- taten, mitarbeiten in allen Organisationen, in allen Organen des proletarischen Kampfes. […] Wenn wir das erreichen wollen“, wandte sie sich unmittelbar an die Genossen, „so bitte ich euch, nicht dem verderblichen Beispiel der anderen sozialistischen Parteien zu folgen. Nicht aus jeder organisatorischen Mücke über die Stellung und das Recht der weiblichen Mitglieder Elefanten zu machen. Einen grundsätzlichen Elefanten, hinter dem, mag er noch so riesig sein und mit erhobenem Rüssel noch so laut von der Extrawurst trompeten, die den Frauen gebraten werden soll, letzten Endes Garnichts anderes steht als der ganz gewöhnlich kleine Spießbürger, der sich zwar mit Worten für die Gleichberechtigung der Frau begeistert, der aber von der Gleichberechtigung der Frau nichts wissen will, wenn sie in die Tat umgesetzt wird, und zumal dann nichts, wenn die eigene Frau damit anfängt.“13 Auch mit ironischen Worten kritisierte Clara Zetkin also das patriarchale Verhalten in der Arbeiterbewegung. Die Rahmenbedingungen für den Aufbau der Frauenarbeit in der Vereinigten Kom- munistischen Partei Deutschlands (VKPD) war in den „Richtlinien zur Frauenagitation“14 geregelt, die auf dem Parteitag verabschiedet wurden. Diese Richtlinien waren auf der Grundlage des Entwurfs der Richtlinien der KI15 formuliert worden. Sie legten fest, dass die Agitation unter den Frauen deren besondere Lebens- und Denkweise zu berücksichtigen habe. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, besondere Organe zur Erfassung und Ein- beziehung der Frauen zu schaffen. Allerdings wurde ausdrücklich eine „besondere Frauen- organisation im Sinne einer besonderen Körperschaft ihrer weiblichen Mitglieder neben oder auch innerhalb ihrer allgemeinen Parteiorganisation“ verworfen. Die Organisations- struktur sah vor, beim Parteivorstand ein „Frauenreichssekretariat“ einzurichten, dessen Leiterin in allen Sitzungen der Zentrale mit beratender Stimme, bei Themen aus ihrem Arbeitsbereich mit entscheidender Stimme teilnahm. In den Bezirken sollten „Frauenagi- tationskommissionen“ zur Anleitung der Frauenagitation an der Basis und zur Durchfüh- rung von Frauenversammlungen in Betrieben und Wohngebieten und von Schulungen für Neumitglieder gebildet werden. Auf Bezirks- und Reichsebene waren Frauenkonferenzen vorgesehen, um die Verbindung unter den Genossinnen aufrecht zu erhalten. Alle Frauen- kommissionen waren unmittelbar in die Parteistruktur eingebunden und jeweils den Lei- tungen gegenüber rechenschaftspflichtig. Bertha Braunthal16, die aus der USPD kam, wur- de noch auf dem Parteitag zur Leiterin des Frauenreichssekretariats gewählt. Unter diesen Rahmenbedingungen waren die Genossinnen ganz auf die Parteiorganisation verwiesen. Alle Aktionen hingen davon ab, ob die Frauenagitationskommissionen funktionierten und die Parteiorganisationen die Frauenpolitik als Teil der Parteiarbeit regelmäßig zum Thema machten und dabei die Arbeit der Frauen unterstützten. 156 Die Internationalen Frauentage der KPD Der Frauentag der Kommunistinnen erhält ein Profil – 1921 und 1922

Ein Konzept für die Organisierung der Frauentage in Deutschland

Zur Vorbereitung des Frauentages 1921 traf sich das Frauenreichssekretariat im Februar zur Beratung. Anwesend waren unter anderem Bertha Braunthal, Ruth Fischer17 und Cla- ra Zetkin. Die Frauen beschäftigte ein Schreiben vom Internationalen Frauensekretariat (IFS) aus Moskau. Das IFS hatte eine Vorlage zur Durchführung des Internationalen Frau- entages ausgearbeitet, mit der die deutschen Frauen nicht einverstanden waren. Die „Ge- nossin [Edda] Tennenbaum erblickt in dem von Russland mitgeteilten Protokoll […] ein Zeichen der Abgeschlossenheit der Partei und des Mangels an Fühlung mit Westeuropa. […]. Es wird als wünschenswert betrachtet, das Internationale Frauensekretariat durch Zuziehung anderer als nur russischer Genossinnen […] in engeren Kontakt mit der Bewe- gung der westeuropäischen Länder zu bringen.“ Clara Zetkin übernahm es, „den Wunsch nach Russland mitzuteilen“. Auch die in Russland aufgestellten Parolen hielten die Frauen für „ungeeignet“. Denn die „für Deutschland aufzustellenden Parolen müssen Kampfparo- len sein mit dem Ziel der Eroberung der politischen Macht.“ Offenbar war versucht worden, die Gestaltung des Internationalen Frauentages an den Interessen der russischen Partei auszurichten. Gegen diese Einflussnahme durch die Moskauer Führung setzten sich die deutschen Kommunistinnen zur Wehr. Clara Zetkin als Internationale Sekretärin unterstützte die Haltung der deutschen Ge- nossinnen. Statt die russischen Vorschläge zu übernehmen, wurde ein Organisationskon- zept entwickelt, das sich an den Vorstellungen orientierte, die die Sozialdemokratinnen bereits vor dem Ersten Weltkrieg entwickelt hatten: Das Datum für den Frauentag legte das Frauenreichssekretariat in Verbindung mit der Parteizentrale fest. Für das Jahr 1921 einigte man sich für die Frauenwoche auf den Zeitraum vom 3. bis zum 10. April. Gleichzeitig mussten die Losungen für den Frauentag formuliert werden. Für 1921 wa- ren das drei tagespolitische Forderungen: „Völlige Gleichberechtigung der Frau. Recht der Frau auf Arbeit, und gleicher Lohn für gleiche Leistungen.“ In weiteren Losungen wurde der internationale Charakter des Frauentages, die Bedeutung der russischen Revolution und der Kampf um die Eroberung der politischen Macht hervorgehoben. Es wurde üblich, ein breites Spektrum an Losungen und Forderungen aufzustellen, damit die Frauen ent- sprechend ihrer Schwerpunktsetzungen wählen konnten. Außerdem erstellte die Partei- zentrale mit den Frauen des Reichssekretariats die politischen Texte: „[…] eine Festschrift zum Frauentag mit Beiträgen aus dem Ausland, […] eine Resolution, ein Flugblatt, Artikel in der Tagespresse zur geistigen Vorbereitung des Frauentages, Ausarbeitung einer Dis- position für das Referat der Frauentagversammlungen, welche an die Bezirke zu senden ist“18. Danach waren die Frauen der Agitationskommissionen auf Bezirksebene und in den Ortsgruppen gefordert, die Vorgaben in praktische Aktionen umzusetzen. Von ihrem Ein- satz und der umfassenden Mitwirkung der örtlichen Parteigruppen hing der Erfolg der Frauentage ab. Zwar wurde das Grundmuster früherer SPD-Frauentage übernommen, doch die Ein- bindung in die Partei und die Abhängigkeit von der Partei waren enger geworden. Dafür 1919–1933 157 gab es keinen Streit mehr um die Frage, ob der Internationale Frauentag überhaupt statt- finden durfte. Im Gegenteil: Für die Kommunistinnen war der Frauentag eine politische Pflichtaufgabe.

Der Internationale Frauentag – für alle einheitlich am 8. März

Für die weitere Geschichte des Internationalen Frauentages hatte die Zweite Internatio- nale Konferenz kommunistischer Frauen, die vom 5. bis 15. Juni 1921 in Moskau tagte, weitreichende Bedeutung. Zu dieser Konferenz waren aus 28 Ländern Delegierte nach Moskau gekommen. Sie wählten die Mitglieder des Internationalen Frauensekretariats, dessen Leitung Clara Zetkin als Generalsekretärin übernahm.19 Eine bis heute nachwir- kende Initiative war der Vorschlag der bulgarischen Delegation, den Internationalen Frau- entag künftig in allen Ländern einheitlich am 8. März zu begehen und damit den Termin der sowjetischen Frauen zu übernehmen. In Russland war nämlich bereits in den Jahren 1913 und 1914 der Frauentag am 8. März – nach dem russischen, julianischen Kalender dem 23. Februar – begangen worden. Und entgegen dem Verbot der zaristischen Regierung demonstrierten Petrograder Arbeiter- frauen auch im Jahr 1917 zum gleichen Datum unter der Losung „Frieden und Brot“. Die Demonstrantinnen wurden mit Waffengewalt auseinandergetrieben. Dieses brutale Vor- gehen löste große Empörung in der Bevölkerung aus, die seit Tagen andauernden Streiks wurden zum Generalstreik ausgeweitet und die Arbeiter begannen den bewaffneten Auf- stand der Februarrevolution.20 Der Frauenkongress beschloss also einstimmig, ab dem Jahr 1922 den Internationalen Frauentag jährlich am 8. März durchzuführen, auch, um an die Vorreiterrolle der Frauen in der Revolution zu erinnern. Diese Festlegung auf ein fixes Datum gab dem Tag im Leben der internationalen und nationalen kommunistischen Bewegungen ein größeres Gewicht. Bald wurde der Internationale Frauentag immer öfter „8. März“ genannt – die Begriffe wurden zu Synonymen.

Die Internationalen Frauentage im Bremer Parteialltag – 1920 bis 1924

Im innerparteilichen Richtungsstreit – der erste Internationale Frauentag der KPD in Bremen

Dass die Kommunistinnen die Tradition der Internationalen Frauentage weiterführen woll- ten, war allen so selbstverständlich, dass nicht einmal ein Beschluss dazu gefasst werden musste. Mit Clara Zetkin war außerdem die wichtigste Repräsentantin der Frauentagidee in den Parteivorstand berufen worden. Sie hatte unmittelbar nach ihrer Wahl im Herbst 1919 auf eine „intensive Vorbereitung des Internationalen Frauentages gedrängt“21. Im Jahr 1920 wurde der Internationale Frauentag auf den 9. Mai gelegt. Über Partei- zeitungen und Rundbriefe wurden die KPD-Frauen aufgefordert, die Frauentage vorzube- reiten. In der Bremer Beilage zur Roten Fahne22 – der einmal wöchentlich erscheinenden 158 Die Internationalen Frauentage der KPD lokalen Beilage im Zentralorgan der KPD – wurden „alle Frauen und Männer“ zur Teil- nahme an der „Großen öffentlichen Volksversammlung“ aufgerufen.

Einladung zur „Volksversammlung“ am 8. Mai 1920.23

Die KPD in Bremen positionierte sich gegen separate Frauenveranstaltungen. Sie lud des- halb zur „Volksversammlung“ Frauen und Männer ein und das Grundsatzreferat zum The- ma „Die Proletarischen Frauen im Kampf für die Weltrevolution“ hielt ein Genosse. Die Bremer Kommunisten vertraten die Position, dass sich „die Befreiung der Frauen […] nur im gemeinsamen Kampf mit der gesamten Arbeiterklasse“ vollziehen könne. Separate Ver- anstaltungen für Frauen entsprächen der Politik der „Sozialdemokraten aller Länder“, die die Meinung vertreten würden, dass Proletarierfrauen „besondere Wege“ gehen müssten und „besondere Organisationen“ benötigten.24 Diese Erklärung war zunächst ein Seitenhieb gegen die USPD, die wenige Tage nach der KPD-Veranstaltung, auch in den Centralhallen, ihre Frauentagkundgebung abhalten wollte.25 Außerdem richtete sich die Erklärung aber auch gegen die Auffassungen des Frauenreichssekretariats und gegen Clara Zetkin. Diese hatte in dem bereits zitierten Grundsatzartikel „Warum brauchen wir Kommunisten eine Frauenbewegung“ vom Herbst 191926 Gleichheitspostulate, „daß wir als Kommunisten heute schon die Gleichstellung der Geschlechter innerhalb der Kommunistischen Partei durchzuführen hätten und daher 1919–1933 159 ablehnen sollten, für die Frau besondere Einrichtungen der Agitation und Schulung zu treffen“, zurückgewiesen. Genossen, die solche Einwände vorbrächten, hätten sich offen- sichtlich mit der Frauenfrage nur „mangelhaft“ befasst. Sie warf ihnen vor, „in den Wolken zu bauen“, statt auf dem Boden der Realität. Nur wenn die besonderen Belange der Frauen erkannt und ihnen für eine eigene Entwicklung Raum gegeben werde, könnten sie auch „Mitträgerinnen des Kommunismus“ werden. Doch die Bremer KPD ließ sich durch die deutlichen Worte Clara Zetkins nicht von ihrer Position abbringen.

In den ideologischen Kämpfen nur eine Randexistenz – die Frauentage 1921/1922

Die Bremer Kommunisten lieferten sich zu Beginn der 1920er Jahre sowohl mit der Partei- leitung als auch untereinander heftige ideologische Kämpfe. Die Parteiführung versuchte dabei immer wieder über das Auswechseln von Parteisekretären ihre Linie durchzuset- zen.27 Zwar waren die Frauen weniger in die Lagerkämpfe der Partei verwickelt, aber die häufigen Wechsel in der Leitung und die ablehnende Haltung der Bremer Partei gegen- über einer „besonderen Organisation“ der Frauen erschwerte ihre Arbeit. Unter den etwa dreihundert weiblichen Mitgliedern blieb die Gruppe der aktiven Frauen eher klein.28 Seit 1920 leitete Gesine Becker29 die Frauenagitationskommission. Sie war eine der wenigen Frauen, die kontinuierlich bis 1930 in der Partei aktiv waren. Es gab immer wieder engagierte Frauen, die in Versammlungen und politischen Aktionen auftraten, allerdings dauerte deren aktive Phase nie sehr lange. Es fehlten kontinuierlich arbeitende Frauen in den Parteistrukturen in Bremen.30 Dieses Defizit machte sich besonders bei der Organisie- rung der Frauentage bemerkbar. Immer wieder waren neue Frauen an den Vorbereitungen beteiligt und es bildeten sich keine verlässlichen Strukturen. Vor allem aber fehlte die Unterstützung der Parteiorganisation. In den Parteiunterlagen fanden sich keine Hinweise, dass sich die Bezirksleitung ernsthaft mit den Frauentagsveranstaltungen 1921 oder 1922 beschäftigt hätte. Dann fielen auch noch in beiden Jahren die angekündigten Rednerinnen aus Berlin aus und es mussten kurzfristig Genossinnen aus Bremen einspringen. So trat auf der „öffentlichen Frauenversammlung“ am 8. April 1921 statt der angekündigten Rednerin Ruth Fischer aus Berlin „die Genossin Minna Otto“31 als Rednerin auf. Doch selbst im Polizeibericht wurde ihr Vortrag hervorgehoben: „Diese [Minna Otto] ist erst 20 Jahre alt, aber bereits eine gute Rednerin. […] Sie sprach von bevorstehenden schweren Kämpfen und daß man nicht feig sein dürfe.“32 Minna Otto kritisierte in ihrer Rede die Haltung vieler Arbeiterfrauen, die häufig eher bereit seien, elende Zustände duldend zu ertragen, statt sich dagegen aufzulehnen. Die Proletarierinnen schreckten vor den Gewaltparolen der Kommunisten zurück, die zum bewaffneten Kampf aufriefen. Doch nur die bewaffne- te Gegenwehr der Arbeiterbewegung könne „den Sieg und eine bessere Zukunft für die gesamte Bevölkerung“ bringen. Deshalb müssten die Frauen ihre Angst überwinden und Mitkämpferinnen in der kommunistischen Bewegung werden. Minna Ottos Einsatz hatte dafür gesorgt, dass der Frauentag im Jahr 1921 zu einer „guten“ Veranstaltung wurde.33 Als zu Beginn des Jahres 1922 die Rundbriefe der Zentrale mit Arbeitsaufträgen und Vorschlägen für den Internationalen Frauentag bei der Bezirksleitung Nordwest eintrafen, kümmerte sich dort kaum jemand um die Umsetzung. Die Bremer KPD steckte in einer Krise. Nach einem gescheiterten Streik bei der AG Weser, den im Wesentlichen die Partei 160 Die Internationalen Frauentage der KPD organisiert hatte, und nach diversen Rücktritten von Funktionären – unter anderem we- gen Bestechung und Spitzeltätigkeit – kehrte eine ganze Reihe der Mitglieder der Partei den Rücken34 und die verbliebenen waren immer weniger für die politische Arbeit zu mo- bilisieren. Die Polizei registrierte am 29. November 1921 in ihrem Lagebericht: „Selbst der alte Stamm der Parteimitglieder sei nicht mehr fest.“35 Zum Internationalen Frauentag wurde nur das unbedingt Notwendige organisiert. Die Parteizeitung veröffentlichte die vom Frauenreichssekretariat gelieferten Artikel und druckte die Anzeige zur Veranstaltung mehrfach auf den ersten Seiten: „Oeffentliche Frau- enversammlung am Donnerstag abends 7.30 im Gewerkschaftshaus“. Größere Werbeak- tionen wurden nicht organisiert. Am Tag der Veranstaltung, am 9. März, verhinderte auch noch ein Straßenbahnerstreik, dass Besucherinnen aus den Vororten zur Versammlung gelangen konnten. So war der Besuch „nur mäßig“, wie ein Pressebericht vermerkte.36 Erneut war die angekündigte Referentin nicht erschienen. Diesmal sprangen Elise Kes- selbeck und Gesine Becker ein, zwei Genossinnen, die schon in den Antikriegsaktionen während des Ersten Weltkrieges in der SPD zusammengearbeitet hatten. Die Frauenreichssekretärin Bertha Braunthal übte in ihrem Bericht an die Zentrale scharfe Kritik. „Auch im Bezirk Nordwest hatte unsere Organisation nicht die nötige Ener- gie aufgewandt, um ein gutes Gelingen zu ermöglichen. Die stattgefundenen Versammlun- gen in Bremen, Osnabrück und Oldenburg waren kläglich schlecht besucht.“37

Die Kommunistinnen setzen sich auch in Bremen durch: Frauentage für die Befreiung der Frau 1923/1924

Die Bezirksleitung reagierte auf die Kritik der Frauenreichssekretärin. Seit Beginn des Jahres 1923 berichtete sie mehrfach an die Zentrale über Initiativen zur Verbesserung der Frauenarbeit. Eine neue Genossin wurde als Vertreterin der Frauen in den Unterbezirks- vorstand Bremen gewählt und zum Parteitag in Leipzig delegiert. Die Ortsgruppen wurden aufgefordert, Frauenversammlungen einzuberufen, um über die Ergebnisse vom Parteitag zu diskutieren.38 Zur Vorbereitung des Frauentages 1923 erläuterte die Abteilung Frauen bei der Be- zirksleitung in einem Rundschreiben an alle Ortsgruppen und Leiterinnen der Frauen- agitationskommissionen die notwendigen Maßnahmen. Sie teilte die Losungen mit, unter die der Aktionstag gestellt worden war: „Kampf gegen Kriegs- und Faszistengefahr, gegen Teuerung, Mütter- und Kinderelend und Wohnungsnot.“ Die Genossen und Genossinnen wurden aufgefordert, jeden Tag der Aktionswoche vom 4. bis 11. März für die politische Mobilisierung zu nutzen. Eindringlich wurde darauf hingewiesen, dass „der Frauentag […] nicht nur Frauensache [ist], sondern eine Parteiaktion“. Die Vorstände wurden ausdrück- lich aufgefordert, die Aktionen mit den Genossinnen zu beraten und „alle Parteimitglieder […] in Bewegung zu setzen“39. Es galt, den Internationalen Frauentag zu einer Protest- kundgebung gegen die politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen der Reichsregierung zu machen. Denn die politischen Ereignisse, die Besetzung des Ruhrgebietes durch die französische Armee, vor allem aber die inflationäre Geldentwertung mit den damit ver- bundenen Preissteigerungen beschäftigten die Arbeiterfamilien. Der Unmut über die sich verschlechternden Lebensbedingungen wuchs auch unter den Anhängern der SPD. Die Kommunisten sahen darin die Chance, die Arbeiterbewegung unter ihrer Führung zur „Einheitsfront“40 zusammenzuschließen. 1919–1933 161

Auch der Aufruf Clara Zetkins als Generalsekretärin der Kommunistischen Frauen- internationale verfolgte dieses Ziel. Sie wandte sich gegen die Politik der Reichsregierung, die Kosten der Ruhrbesetzung auf die Werktätigen abzuwälzen. Denn von der Ruhrbeset- zung profitierten, so Clara Zetkin, gemeinsam mit dem französischen Imperialismus „die Thyssen, Klöckner und Stinnes. […] Sie scheffeln dank der Besetzung Milliardensummen.“ Dagegen stellte sie die Aufforderung zum Zusammenschluss der „Arbeiterinnen, weib- lichen Berufstätigen, Hausfrauen und Mütter ohne Unterschied des politischen Bekennt- nisses und des Glaubens“.41

„Gegen Krieg und Faszistengefahr – gegen Mütter- und Kinderelend – gegen Wohnungsnot.“42

Unter diesem Motto stand die öffentliche Volksversammlung am 6. März 1923. Dem Aufruf folgten in Bremen rund 2.000 Frauen und Männer. Auch die Rednerin beschäftigte sich mit dem Thema der „proletarischen Einheitsfront“. Sie appellierte: „Allenthalben müssen die Frauen neben den Männern die Führer der Arbeiterorganisationen zwingen, in den Kampf einzutreten und die Arbeitsgemeinschaft und den Burgfrieden mit den Gegnern aufzugeben. Weigern sich aber diese, dem Willen der Masse gemäß zu handeln, dann muß die revolutionäre Arbeiterschaft auch gegen den Willen dieser Führer zum Kampf schrei- ten.“ Die Rednerin forderte gezielt die Sozialdemokratinnen auf, sich aus den traditionellen Bindungen an die reformistische Führung der SPD zu lösen. Ebenso rief die Abschlussre- solution zum gemeinsamen Handeln auf: „In dieser Zeit der Not und des Elends der Arbei- terklasse der ganzen Welt gilt es, alle Arbeitsbrüder und Arbeitsschwestern zusammen- zuschließen in die proletarische Einheitsfront.“43 Insbesondere waren alle Arbeiterfrauen aufgerufen, sich an den bevorstehenden revolutionären Kämpfen zu beteiligen. Zu dieser Kundgebung hatten die KommunistInnen ihre gewachsene Stärke auch öffent- lich demonstriert: „Aus den verschiedenen Bezirken marschierten die Frauen in geschlosse- nen Zügen zu und von der Versammlung unter dem Gesang revolutionärer Lieder.“44 Trotz des guten Verlaufs des Internationalen Frauentages klagte die Bezirksleitung in den Berichten, die monatlich vom Bezirkssekretariat Nordwest an die Zentrale der KP ge- schickt wurden, weiterhin über mangelnde „Regsamkeit“ bei den Frauen. Vor allem fehle es „an einer systematischen und planmäßigen Arbeit“. Zwar könne über einzelne Aktionen berichtet werden, so zum Beispiel von den erfolgreichen Aufführungen des „Propaganda- stücks § 218/219“, den Wahlauftritten von Gesine Becker, dem Aufbau des Kinderheims in Worpswede und den sozialen Aktionen in der Anti-Teuerungsbewegung, doch die Frauen- 162 Die Internationalen Frauentage der KPD arbeit werde nicht systematisch entwickelt. Schuld daran trage die örtliche Parteiorganisa- tion, diese habe „dem zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt“.45 Solche kritischen Einschät- zungen wurden auch in den späteren Jahren immer wieder wiederholt. Auf Kritik von oben wurde mit kurzfristigem Einsatz reagiert, der dann schnell wieder erlahmte. Obendrein traten immer wieder Ereignisse ein, die alle Planungen über den Haufen warfen. So fand der Frauentag 1924 unter besonders schwierigen Bedingungen statt. Im Herbst 1923 hatte die explosionsartige Entwicklung der Inflation die politische Lage in Deutschland ungeheuer verschärft. Die Kommunisten hatten in persönlichen Kontakten, in den Betrieben und auf Versammlungen wie auch auf dem Frauentag in Bremen eine wach- sende Zustimmung zu ihrer Politik wahrgenommen. Sie hofften, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter ihnen bei einer revolutionären Erhebung folgen würden und versuchten mit Streikaktionen und Aufständen einen Revolutionsoktober wie in Russland zu organisieren. Auch in Bremen hatte sich die KPD auf eine Beteiligung an revolutionären Kämpfen vorbereitet. Trotzdem gelang es ihr nicht, die Mehrheit der Arbeiter für einen Streik zu gewinnen. Stattdessen schlug die Polizei zu: Am 5. Oktober 1923 verbot der Militärbefehls- haber die Parteizeitung, das Nordwestdeutsche Echo. Wenige Tage später erfolgte die Besetzung des geheimen Parteibüros sowie der Druckerei. Gleichzeitig wurden zahlreiche Funktionäre verhaftet. Die Polizeimaßnahmen wurden am 23. November mit dem Verbot der KPD abgeschlossen. Erst am 6. März 1924 erschien das Nordwestdeutsche Echo nach drei Monaten Verbot wieder – „unter unglaublich schwierigen Umständen hergestellt“.46 Entsprechend schwierig war es unter den halb legalen Bedingungen einen Frauentag vor- zubereiten. Trotzdem wurden am Abend des 9. März Plakate geklebt, die auf den Frauen- tag und die Veranstaltung hinwiesen.

Das von der Polizei beschlag- nahmte KPD-Plakat zum Interna- tionalen Frauentag 1924.47 1919–1933 163

Die Polizei verfolgte jeden Schritt der Kommunisten. Am 10. März 1924 trug ein Polizeibe- amter ins Distrikt-Tagebuch unter der Nummer 489 ein: „Heute 10 Uhr vormittags machte Unterzeichneter die Wahrnehmung, daß im Zollpfad mehrere Plakate von der Kommu- nistischen Partei frisch angeklebt waren […]. Sie wurden entfernt und an Ort und Stelle vernichtet. Ein Plakat liegt an. Die N-Stelle wurde davon in Kenntnis gesetzt und soll das Plakat dort sofort eingeliefert werden.“48 Am 9. März druckte das Nordwestdeutsche Echo die Erklärung der Kommunistischen Internationale zum Frauentag. Daran schloss sich der Aufruf der KPD Bremens an: „Der Internationale Frauentag soll den Proletarierinnen das Zeichen der Aufraffung und der Entschlossenheit sein, gewillt, für die Forderungen, die der Internationale Frauentag an uns stellt, einzutreten.“

„Wir fordern: – Friedenslöhne, gleicher Lohn für gleiche Leistung. – Aufrechterhaltung des Achtstundentages. – Oeffnung der Betriebe und Einreihung der Arbeitslosen in den Produktions- prozess. – Beseitigung der Zwangsarbeit für Erwerbslose. – Umfassender Mütter- und Kinderschutz. – Beseitigung der Abtreibungsparagraphen. Frauen und Mädchen heraus zum Protest gegen Verelendung und Versklavung. Für Befreiung der gesamten Arbeiterschaft. Für die proletarische Revolution. Für die Weltrevolution. Kommt alle am Dienstag, den 11. März, abends 7½ Uhr in die Frau- enversammlung nach Kaffee Lehmkuhl.“49

Was die Referentin Gesine Becker zum Thema „Die Lage der Arbeiterklasse und die Frau- en“ zu sagen hatte, wie viele Menschen ihr zugehört haben, darüber konnte nicht mehr berichtet werden: Das Nordwestdeutsche Echo stellte nach dem 10. März 1924 sein Er- scheinen ein. Doch die Nachrichtenstelle der Polizeidirektion notierte: „Anschliessend an die gestern Abend im Cafe Lehmkuhl stattgefundene kommunistische Frauenversamm- lung bildete sich ein Demonstrationszug von ca. 200 Personen. […] Gegen einen Beamten der Wache 17 sollen die Demonstrationsteilnehmer tätlich vorgegangen sein. Eine Bereit- schaftsstreife der Schupo löste den Zug auf.“50 Es war den KommunistInnen also trotz Repressionen seitens der Militärbehörden und der Polizei gelungen, eine Frauenveranstaltung zu organisieren und mit einem Demonstra- tionszug in der Öffentlichkeit aufzutreten. Die KPD hielt trotz gescheiterter Aufstände entschlossen an ihrer bisherigen politischen Linie fest: „Für die proletarische Revolution. Für die Weltrevolution.“ Schon bald sollte sich aber zeigen, dass vor allem die Arbeiterfrauen solchen dau- ernden Appellen zur revolutionären Aktivität nicht mehr folgen wollten. Denn die poli- tischen und wirtschaftlichen Verhältnisse veränderten sich. Nach der Einführung einer festen Währung und mit Hilfe US-amerikanischer Kredite setzte in Deutschland eine Phase der relativen Stabilisierung ein. Es schien in Deutschland endlich für alle, ein- schließlich der Arbeiterfamilien, wieder aufwärts zu gehen. Auf eine solche Entwicklung war die KPD in Deutschland genauso wenig wie in Bremen vorbereitet und es gelang ihr auch in der Folgezeit nicht, ein adäquates Politikkonzept zu entwickeln.51 Im Gegen- teil: Sie versuchte mit einem radikalen Linksschwenk die Partei zu neuer revolutionärer Initiative zu führen. 164 Die Internationalen Frauentage der KPD Die ideologische und organisatorische Wende in der Frauenpolitik – 1925

Ein neues Konzept, eine neue Struktur für die Frauenarbeit der KPD

Auf dem KPD-Parteitag in Offenbach 1924 übernahm die linke Opposition unter der Lei- tung von Ruth Fischer, Arkadij Maslow und Ernst Thälmann die Parteiführung. Diese setzten einen Konfrontationskurs gegen die SPD und die Gewerkschaften durch. Auch für die Frauenpolitik bedeutete der Wechsel eine grundlegende Wende.

„Vorwärts Genossen – Alle wie ein Mann.“ Auch die Frauen im Gleichschritt der neuen Parteidoktrin.52

In den Kampfparolen, die den Bericht über den IX. Parteitag in Offenbach 1924 einleiteten, artikulierte sich der neue Politikstil, der bereits auf dem Parteitag sichtbar geworden war. Nahezu die komplette Führungsspitze wurde ausgetauscht, die gesamte Parteiorganisation erhielt eine neue Struktur. Der Frauenbereich war bisher von den Wendungen und Wand- lungen der KPD relativ unbehelligt geblieben, doch die neue Leitung bestand diesmal auch hier auf grundlegende Veränderungen. Noch auf dem Parteitag wurden die Personalent- scheidungen getroffen und Clara Zetkin nicht wieder in den neuen Vorstand gewählt. Hertha Sturm, ihre enge Mitarbeiterin, erhielt keinen Platz auf der Liste zur Reichstagswahl. Nach dem Parteitag wurde der Parteiapparat umgebaut. Das Frauenreichssekretariat wurde eine Abteilung innerhalb der Parteizentrale und Erna Halbe53 übernahm die Leitung der neuen Frauenabteilung, nachdem Bertha Braunthal abgesetzt worden war.54 Am 12. Mai fand in Berlin die Reichsfrauenkonferenz statt. Einen Tag zuvor stellte Erna Halbe die neue Linie der Frauenpolitik der KPD in der Roten Fahne, dem Zentralorgan der Partei, vor. Sie formulierte die politischen Prinzipien der Frauenarbeit und beschrieb in Hinblick auf die Konferenz, wie in Zukunft die konkrete Arbeit der Parteifrauen aussehen sollte. „Die KPD ist keine bürgerliche und keine demokratische Partei. Darum haben unse- re Vertreterinnen auch hier [auf der Reichsfrauenkonferenz] nicht darüber zu beraten, wie wir vom Wohlfahrtsstaat ein Paar Schuhe oder Strümpfe mehr bekommen, sondern darü- ber, welches die besten Methoden zur Revolutionierung der deutschen Arbeiterinnen sind. […] Mit unseren Hausfrauen müssen wir ein ernstes Wort reden, daß sie die Bearbeitung der Betriebe ‚von außen‘ in die Hand nehmen.“55 1919–1933 165

Am nächsten Tag begründete Ruth Fischer auf der Frauenkonferenz den neuen Kurs. Für die Genossinnen sollte die Zeit der „Sonderbereiche“ vorbei sein. „Hier ist nicht mehr die Rede von Frauenrecht, die Aufgabe der künftigen Propaganda werden wir nicht so sehr auf die Hausfrauen als auf die Betriebe legen müssen, wie auch die Partei von den Wohnbezirken auf die Betriebe eingestellt wird.“ Die gesamte Arbeit der Frauen sollte sich auf die Betriebsarbeit und die Gewinnung von Betriebsarbeiterinnen konzentrieren. Das war kein prinzipiell neuer Gedanke, sondern entsprach den Grundsatzentscheidungen kommunistischer Frauenpolitik. Neu war die Ausschließlichkeit, mit der die Initiative be- trieben wurde. Außerdem vollzog die neue Führung einen Bruch mit der bisherigen Praxis der An- erkennung spezifischer Fraueninteressen, die verbunden war mit spezifischen Formen politischer Arbeit. Nach der Auffassung von Ruth Fischer und Erna Halbe waren solche Differenzierungen zwischen den Geschlechtern Relikte sozialreformerischer Politik. In einer auf die „Revolutionierung der Arbeiterinnen“ ausgerichteten politischen Arbeit würde es keinen Unterschied mehr zwischen allgemeiner Politik und Frauenpolitik der Partei ge- ben. Entscheidungen über die Frauenpolitik hatte die zentrale Leitung zu treffen und über die konkrete Arbeit der Frauen entschieden in Zukunft die örtlichen Parteiführungen. „Die Frauen sollen nicht selbständige Kampagnen machen.“56 Die Genossinnen hatten Partei- beschlüsse auszuführen und wurden – soweit sie Hausfrauen waren – zu Hilfstruppen bei der Betriebsagitation.

„Eine internationale Frauenwoche in Bremen, die nach außen wenig in Erscheinung trat“

Als sich in Bremen gegen den linksradikalen Kurs Widerstand regte, setzte die Zentrale einen neuen Bezirkssekretär ein. Dessen Arbeits- und Kommunikationsstil entsprach der neuen Linie. Sein autoritärer Führungsstil manifestierte sich in den Anweisungen an die untergeordneten Leitungen. So lautete die Direktive zum Internationalen Frauentag 1925:

„Vom 1. bis 8. März: internationale Frauenwoche. Alle Ortsgruppen sind verpflichtet, in dieser Woche Frauenversammlungen anzu- setzen. Die Ortsgruppen müssen in allen Betrieben, wo hauptsächlich Frauen arbeiten, Arbeiterinnenversammlungen in Verbindung mit der Zelle einberufen.“57

Die neue Linie vollzog sich in Anordnungen, Widerspruch oder die Entwicklung eige- ner Ideen wurden nicht zugelassen. Entsprechend gestaltete sich der Protest der Frauen schweigend: Sie zogen sich zurück, beteiligten sich nicht mehr an der Parteiarbeit. Zum Frauentag gab es kaum Vorbereitungen oder Werbeaktionen. Die Polizei als aufmerk- samer Beobachter stellte fest: „In der Woche vom 1.- 8. 3. veranstaltete die K.P.D. eine Internationale Frauenwoche, die nach außen hin wenig in Erscheinung trat. Von einer öffentlichen Veranstaltung wurde abgesehen, dagegen fanden Frauenversammlungen innerhalb der Distrikte statt. Auch wurde ein Werbeflugblatt an die Frauen verteilt.“58 Das Urteil der Frauenabteilung beim Parteivorstand über die Internationale Frauen- woche im Bezirk Nordwest war eindeutig: „Besonders schlecht, überhaupt keine Vor- bereitungen.“59 166 Die Internationalen Frauentage der KPD

Nicht nur in Bremen erlebte die Partei diese Verweigerungshaltung der Genossinnen. Auf der Frauenkonferenz am 11. Juli 1925, die vor dem Parteitag des gleichen Tages in Ber- lin stattfand, fasste Erna Halbe die Situation der Frauenarbeit mit den Worten zusammen: „Die Aktivität der Genossinnen in der Partei hat nachgelassen. Wir haben nicht weniger Mitglieder, aber weniger Parteiarbeiter.“60

„Keinen Pfennig den Fürsten, dafür Hilfe den Erwerbslosen“ – Frauentag 1926

Der Frauentag 1926 hatte in der Geschichte des Tages einen besonderen Stellenwert. Zum ersten Mal nach der Spaltung der Arbeiterbewegung veranstalteten auch die SPD-Frauen den Internationalen Frauentag. Zudem standen die Kundgebungen der Sozialdemokratin- nen und Kommunistinnen unter derselben Losung: Herbeiführung eines Volksentscheids auf entschädigungslose Enteignung der ehemaligen Fürstenhäuser.

„Für die Fürsten 100 Schlösser – Für die Arbeiter eine Kochstube.“61 1919–1933 167

Es war Zufall, dass der Frauentag mit der Kampagne für den Volksentscheid zusammen- fiel. Die Zeichnungsfrist für das Volksbegehren war „von Amts-Wegen“ auf die Zeit vom 4. bis 17. März 1926 festgesetzt worden. Die KPD nutzte wie die Sozialdemokratie den Internationalen Frauentag zur politischen Propaganda. Die Parole „Keinen Pfennig den Fürsten, dafür Hilfe den Erwerbslosen“ fand unter den Arbeiterfrauen viel Zustimmung. Die Frauenabteilung „beim Zentralkomitee (ZK)“ 62 der KPD legte den Bezirksleitungen und Ortsgruppen einen Plan vor, der für jeden Tag der Frauenwoche Aktionen vorsah. Der Schwerpunkt sollte auf Betriebsversammlungen in den Frauenbetrieben und auf Ak- tionen vor den Betrieben „mit Hilfe der Hausfrauen“ liegen. Bei der „Hausagitation“ sollte das Verfahren des Volksbegehrens erklärt und die Frauen überzeugt werden, sich in die Zeichnungslisten einzutragen.63 In Bremen war die gesamte Partei aufgerufen, für das Volksbegehren zu werben: „Ab 4. März beginnt die Massenbewegung für Enteignung der Fürsten“ titelte die Arbeiter- Zeitung (AZ) am 3. März 1926. Täglich druckte sie Aufrufe von namhaften KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen, die die Initiative unterstützten. Außerdem veröffentlichte sie die Adressen von zusätzlich eingerichteten Stellen, an denen Eintragungslisten auslagen. Für die KPD-Frauen standen die mühsame Hausagitation und die Werbung für die Frauenversammlung, die am 5. März im Kaffee Flora in Gröpelingen stattfand, im Mittel- punkt ihrer Aktivitäten.64 Am Tag nach der Frauenversammlung beteiligten sich die Frau- en an dem Demonstrationszug der KPD zum Volksbegehren. Dass über diese Demonstration ein „Sonderbericht“ der Polizei angefertigt werden musste, hatte einen besonderen Grund:

Auszug aus dem Sonderbericht der Nachrichtenstelle der Polizeidirektion Bremen vom 9. März 1926. 168 Die Internationalen Frauentage der KPD

Der Berichte lautete:

Betr.: Demonstrationsumzug der K.P.D. gegen die Fürstenabfindung am 6. 3. 26. Außer einem Transparent und Fahnen pp. wurde im Zuge ein grau gestrichener „Galgen“ in Größe von 1,75 zu 0,60 m, an welchem ein Strick mit Schlinge befestigt war, mitgeführt. Eine Scheinfigur hatte man in der Schlinge nicht befestigt, jedoch war die Bedeutung bzw. der Zweck des Galgens für jedermann leicht verständlich gemacht, durch ein Plakat von 50×70 cm Größe mit der Aufschrift – Einmalige Abfindung – welches dem Galgen in Höhe der Schlinge vorausgetragen wurde. Das Plakat war weiß gestrichen und auf beiden Seiten mit schwarzer Aufschrift ver- sehen. Gez. … Hauptw.

Dieser Galgen hatte die Bürger Bremens aufgeschreckt. Ein Bericht darüber in den Bremer Nachrichten vom 9. März 1926 veranlasste den Polizeipräsidenten einzugreifen. Der Senat fasste den Beschluss, „dass die Mitführung von Galgen nicht geduldet werden dürfe“. Die Polizei wurde angewiesen, die Kommunisten über den Senatsbeschluss zu informieren.65 Mit solchen provozierenden Öffentlichkeitsaktionen sorgte die KPD für Aufmerksamkeit und wurde zugleich ihrer Rolle als „Bürgerschreck“ gerecht.

KPD-Parteitag 1927: neue Parteilinie für die politische Arbeit unter den Frauen

Zwar hatten sich die Kommunistinnen an der Kampagne gegen die Fürstenabfindung be- teiligt, doch das konnte die Abwanderung der Frauen nicht aufhalten. Sie verließen die Partei in Scharen: Von den 32.856 weiblichen Mitgliedern im Herbst 1923 waren im Früh- jahr 1927 nur noch 16.200 Frauen in der KPD organisiert, mehr als fünfzig Prozent hatten der Partei den Rücken gekehrt.66 Gleichzeitig sank bei den noch verbliebenen weiblichen Mitgliedern die Motivation, sich aktiv an der Parteiarbeit zu beteiligen. Damit hatte die Partei ihre wichtigen Akteurinnen in den Wohnquartieren verloren. Das neue Zentralkomitee unter der Führung von Ernst Thälmann drängte darauf, die- sen Trend zu stoppen. Auf dem Parteitag 1927 wurden für eine neue Initiative in der Frau- enarbeit wichtige Beschlüsse gefasst. „Aufnahme einer planmäßigen, ständigen, verstärkten Arbeit der Gesamtpartei unter den Frauenmassen“67: Diese wortreiche Selbstverpflichtung der Partei war Bestandteil der Resolution „Die Arbeit der Partei unter den Frauen“68, die auf dem Parteitag im März 1927 verabschiedet wurde. In dem Positionspapier wurde eine neue Organisations- struktur der Frauenarbeit innerhalb der Partei festgelegt. In Zukunft sollten bei allen Parteileitungen, vom Zentralkomitee bis zu den Bezirks- und Unterbezirksleitungen, Frauenabteilungen gebildet werden. Neu geschaffen wurde die Position eines „Frauen- organisators (Genosse oder Genossin), bei den Betriebs- und Straßenzellen“. Bezogen auf die Funktion des Organisators wurde ausdrücklich betont, dass dieser nicht auf Frauenversammlungen gewählt werden sollte, sondern von der Parteileitung einzusetzen sei. Eine eigenständige Frauenarbeit der Kommunistinnen war nicht vorgesehen. „Alle 1919–1933 169 grundsätzlichen Fragen der Arbeit unter den Frauen werden durch die zuständigen Par- teileitungen entschieden.“69 In Zukunft sollte Frauenpolitik nicht nur als Verpflichtung auf dem Papier stehen, sondern die Frauenabteilungen bzw. der „Frauenorganisator“ sollten in den Leitungen vertreten sein. Der Parteitag beschloss nicht nur eine Veränderung in der Organisation der Frauen- arbeit, er wählte mit Helene Overlach70 auch eine neue Vertreterin der Frauen ins Zentral- komitee. Wenig später, nach der Ablösung von Erna Halbe, wurde Helene Overlach auch mit der Leitung der Frauenabteilung beim ZK beauftragt. Damit wurde wie schon im Jahr 1924 versucht, über Personalwechsel und organisatorische Korrekturen der Frauenarbeit neuen Auftrieb zu geben. Die Parteiführung wollte es nicht bei dieser innerparteilichen Umstrukturierung belas- sen. Mit einem neuen Aktionsprogramm sollten indifferente Frauen für den revolutionären Kampf gewonnen werden. Dazu beschloss der Parteitag als Anlage zur Frauenresolution die „Richtlinien für die Organisierung der Frauendelegiertenbewegung“.71 Das Delegierten- system basierte auf der Idee, politisch inaktive und indifferente Arbeiterfrauen über die Wahl von Delegierten mit der Partei in Verbindung zu bringen, neue Funktionärinnen heranzuziehen und eine enge Verbindung zwischen den Arbeiterinnen, ihren erwerbslosen Kolleginnen und den proletarischen Hausfrauen herzustellen. Das Grundprinzip bestand darin, dass auf Versammlungen (von Arbeiterinnen, Hausfrauen, Erwerbslosen usw.), die die Partei und die Genossinnen vorzubereiten hatten, Delegierte gewählt werden sollten. Ziel des Delegiertensystems war offensichtlich weniger die Durchsetzung konkreter Forde- rungen als die Gewinnung von Aktivistinnen, die in den Bereichen, aus denen sie kamen, als Propagandistinnen für die KPD aktiv werden und dann als KPD-Mitglieder die Frau- enarbeit der Partei voranbringen sollten. Denn für das weitere Vorgehen wurde zwar ein detailliertes Organisationsmodell entwickelt, aber nur wenig darüber ausgesagt, für welche Inhalte die Frauen kämpfen bzw. welche Interessen die Delegierten vertreten sollten. Obwohl der Parteitag mit diesen Resolutionen grundlegende Veränderungen inner- halb der Partei und ein weit reichendes Aktionsprogramm beschloss, gab es auf dem Parteitag darüber keine Debatte. Die Resolutionen wurden nahezu kommentarlos verabschiedet, wohl in der Hoffnung, dass die neue Beschlusslage die Parteileitungen zwingen werde, „planmäßig, ständig, verstärkt“ die Arbeit unter den Frauen in Angriff zu nehmen.

Erledigung einer Pflichtaufgabe – Frauentage 1927 bis 1930

Im Verlauf des Jahres 1927 wurde dann im Bezirk Nordwest die „Frauenabteilung“ geschaffen. Ob in den Betriebs- und Straßenzellengruppen Bremens auch Frauen- organisatoren eingesetzt wurden, darüber fehlen Informationen.72 Doch weitergehende Initiativen, die Arbeit unter den Frauen „planmäßig“ und „verstärkt“ aufzunehmen, gab es auf jeden Fall nicht. Im Gegenteil vermitteln die Berichte über die Frauentage bis 1930 den Eindruck, dass in der KPD Bremens die Frauenarbeit eher weniger Be- achtung fand. 170 Die Internationalen Frauentage der KPD

„Es fand eine Frauenversammlung statt, die nur sehr geringen Besuch aufwies“ – Frauentag 1927

Zum Internationalen Frauentag 1927 waren im Bezirk Nordwest vier Veranstaltungen vor- bereitet worden. Die Bezirksleitung ließ am 7. März in der AZ einen Aufruf drucken, der das Frauenprogramm der KPD in einem Satz zusammenfasste:

„Frauen heraus zur Internationalen Frauenwoche, Ausgebeutete, Unterdrückte! Die KPD ruft euch auf, an diesem Tage, wo in allen Ländern die werktätigen Frauen aufmarschieren für bessere Lebensbedingungen, für die Beseitigung des Abtrei- bungsparagraphen, gegen Bürgerblock und Reichskonkordat, gegen imperialistische Kriege, für die Errichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung zur Frauenkund- gebung.“73

Daran schloss sich die Ankündigung der vier Frauenveranstaltungen an, die im Bezirk Nordwest stattfanden. Das Thema aller vier Versammlungen lautete: „Der Internationale Frauentag und der Kampf um die Befreiung der Frauen.“ Der Aufruf endete mit dem Appell an die Männer: „Arbeiter, auch Eure Sache ist es, an diesen Kundgebungen teilzu- nehmen!“74 Schon die Gestaltung der Anzeige zeigte, dass die Versammlungen seitens der Organi- satoren routinemäßig abgearbeitet worden waren, darüber hinaus jedoch wenig Interesse bestand, sich für den Internationalen Frauentag zu engagieren. Auch unter den Partei- mitgliedern gab es offensichtlich nur wenige, die sich an der Propaganda für die Veranstal- tung beteiligten. Jedenfalls war die Frauenversammlung in Bremen schlecht besucht. Die Arbeiter-Zeitung kritisierte, dass die Parteigenossen „ihre Frauen nicht in diese wichtige Versammlung geschickt haben“ und dass die Genossinnen „die Agitation von Mund zu Mund“ nur ungenügend betrieben hätten.75 Diese öffentliche Kritik übertrug den Ehe- männern und den Parteigenossinnen die Verantwortung für den Misserfolg. Die politisch Verantwortlichen waren damit weitgehend entlastet und mussten über Versäumnisse nicht mehr nachdenken.

„Es lebe der Befreiungskampf der Arbeiterfrauen der ganzen Welt“ – Frauentag 1928

Es war auffällig, mit welchem Eifer die Bezirksleitung an die Vorbereitungen des Frauen- tages 1928 heranging. In einem ausführlichen Rundschreiben rief sie alle Parteigruppen zur Mitarbeit an einer Internationalen Frauenwoche auf. „Die Hauptkraft der Partei ist […] auf gute Kleinarbeit zu legen. Unsere Parteigenossinnen, in Verbindung mit dem RFMB76, müssen ihre Hauptkraft in dieser Woche auf Werbung neuer Frauen für die Partei, Gewin- nung von Abonnenten für die ‚Kämpferin’ und die Parteipresse legen.“77 Ebenso wurden die Parteimitglieder verpflichtet, für die Veranstaltung am Frauentag zu werben. Die Be- zirksleitung und die Gruppenvorstände setzten viel daran, eine gut besuchte Veranstal- tung vorzuzeigen, denn das Zentralkomitee schickte als Referentin Helene Overlach, die Leiterin der Frauenabteilung, nach Bremen. Außerdem wurde eine Genossin aus England als Gast erwartet. 1919–1933 171

Zum ersten Mal seit 1923 berichtete die Parteizeitung wieder über kulturelle Beiträge auf einer Veranstaltung zum Frauentag. Rezitationen und der Auftritt des Frauenchores der Partei umrahmten die Redebeiträge. Helene Overlach und die „Genossin Pollit“ aus England berichteten über den internationalen Kampf der Frauen um ihre Befreiung. „Die Genossin Overlach schloß mit dem Ruf: Es lebe der Befreiungskampf der Arbeiterfrauen der ganzen Welt.“78 Der Vermerk in der Polizeiakte, dass der Saal „nicht voll“ besetzt war79, ist ein Hin- weis darauf, dass es der Bremer KPD trotz Anstrengungen und guter Vorbereitung nicht gelang, Arbeiterfrauen „massenhaft“ zum Besuch ihrer Veranstaltung am Frauentag zu bewegen. Und auch in den darauffolgenden Jahren unternahm die Partei nichts, um die Frauentage zu zentralen Aktionstagen zu entwickeln und damit unter den Arbeiter- frauen zu werben.

Nicht einmal die Parteipresse berichtete – Frauentage 1929 und 1930

Die Frauenabteilung beim ZK drängte die Bezirke, den Frauentagen mehr Aufmerksam- keit zu schenken. Die ersten Anweisungen zur Vorbereitung der Frauentagwoche vom 1. bis 8. März 1929 wurden bereits am 7. Dezember 1928 verschickt.80 Ende Januar stellte die Frauenabteilung in einem weiteren Rundschreiben fest, dass die Bezirksleitungen noch keine Arbeitspläne für die Frauenwoche vorgelegt hätten. Im selben Schreiben wurde in einer umfangreichen Liste den Bezirken mitgeteilt, welche Materialien für den 8. März 1929 zur Verfügung stünden: Es gab die Frauenzeitung als Sondernummer, Broschüren, Lichtbildstreifen, eine Sammlung an Theaterstücken und Matrizen zum Drucken von Flugblättern und Zeitungsartikeln sowie Rededispositionen. Außerdem wurden die Be- zirksleitungen darauf hingewiesen, dass der Rote Frauen- und Mädchenbund (RFMB) zum 8. März eine Unterschriftenkampagne zum Thema Abschaffung des § 218 starten werde, „die […] unterstützt werden soll“.81 Seit Ende Februar 1929 veröffentlichte die Arbeiter-Zeitung fast täglich entsprechende Beiträge, zum Beispiel zur Geschichte des Frauentages am 3. März, zur Arbeitslosigkeit am 7. März und zu Frauenproblemen in den Betrieben am 11. März. Mehrfach gab es Hin- weise auf die Frauenveranstaltung der Partei. Doch die Partei selbst entfaltete offensichtlich kaum Initiativen. Außer den Anzeigen in der AZ gab es keine dokumentierten Aktivitäten im Vorfeld. Und über die Versammlung selbst gab es dann auch nichts zu berichten, weder in der Parteipresse noch in den Lage- berichten der Polizei. Die aktiven Frauen in Bremen konzentrierten sich zur selben Zeit auf ein eigenes Pro- jekt. Der RFMB unter der Leitung von Gesine Becker probte das „Tendenzstück § 218“. Das Stück wurde am 31. März, am ersten Ostertag, aufgeführt und die AZ berichtete über eine gut besuchte Veranstaltung.82 Die Frauen waren ihre eigenen Wege gegangen und hatten sich offensichtlich um die Parteiverpflichtungen zum Frauentag nicht weiter gekümmert. Für 1930 hatte die Bezirksleitung ein Aktionsprogramm für eine ganze Woche zusam- mengestellt, in dem der Frauentag eine Aktivität unter anderen war: 172 Die Internationalen Frauentage der KPD

Zwei internationale Tage: 6. März Welterwerbslosentag – 8. März Internationaler Frauentag.83

Die Woche begann am 3. und 4. März mit zwei Versammlungen in den Vororten. Am 6. März 1939 fand die Erwerbslosendemonstration statt. Im Verlauf der Kampagne zeigte sich, dass die Partei zwar die Aktionen angekündigt, aber nur mangelhaft vorbereitet hatte. Als sich zur Erwerbslosendemonstration mehr als 3.000 Personen einfanden, waren die Kommu- nisten nicht in der Lage, die Menschenmenge zu einem wirkungsvollen Demonstrationszug zusammenzufassen.84 Auch die Polizei bemerkte: „Es fehlten völlig die Plakate. Kinder und Frauen waren wenig zu sehen. Uniformen des RFB oder der Antifa waren bis auf das Bläser- korps nicht vorhanden. Die sonst üblichen Fahnen wurden nicht mitgeführt.“85 Nach den Aktionstagen und der Massendemonstration war der Frauentag der letzte Programmpunkt, doch zu diesem Zeitpunkt gab es kaum noch Interesse an einer Frau- enveranstaltung. So beteiligten sich nach Polizeiangaben lediglich „120 Personen […], darunter 52 Frauen“86 am Demonstrationszug und über die anschließende Versammlung gab es nichts mehr zu berichten. Im Verlauf der fünf Jahre seit 1925 war der Internationale Frauentag der Kommunisten aus dem politischen Leben der Partei in Bremen fast voll- ständig verschwunden.

„Antreten zur antifaschistischen Aktion“ – Frauentage 1931 bis 1933

Kampf gegen „das ganze faschistisch-kapitalistische System“ – Frauentag 19331

Der Wahlsieg der NSDAP bei der Bürgerschaftswahl 1930 veränderte die politische Land- schaft in Bremen von Grund auf. Die Nationalsozialisten wurden mit 25,26 Prozent zweit- 1919–1933 173 stärkste Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft. Damit traten die Nazis als politische Kraft mit Massenanhang auch in Bremen offensiv in Erscheinung.87 Diese Entwicklung war für die Bremer KPD der entscheidende Anstoß zur Gründung des „Kampfbundes gegen den Faschismus“. Sie folgte damit dem Aufruf des Zentralkomitees, die verschiedenen politischen Kräfte der Arbeiterbewegung im Kampf gegen den Faschismus zusammenzu- führen. Allerdings offenbarte die auf der Gründungsversammlung verabschiedete Resolu- tion eine politische Tendenz, die jedes breite Bündnis ausschloss. In der Resolution hieß es: „Wir werden unter der Führung des Kampfbundes den National- und Sozialfaschismus, unter Führung der KPD und der Roten Hilfe den Polizei- und Justizfaschismus bekämpfen, das ganze faschistisch-kapitalistische System.“88 Hier zeigt sich über den inflationären Ge- brauch des Wortes „Faschismus“, dass die KPD zwischen den politischen Lagern in der Weimarer Republik keine Unterschiede machte. Für die KPD war der gesamte Weimarer Staat und das kapitalistische Wirtschaftssystem ein großes faschistisches Unternehmen. Darin gab es auch den Polizei- und Justizfaschismus. Hauptgegner waren die Faschisten der NSDAP und die „Sozialfaschisten der SPD“. Zwischen diesen beiden wurde wenig dif- ferenziert. Damit wurde die wirkliche Bedrohung, die von den Nazis ausging, gründlich unterschätzt und das propagierte Zusammengehen mit den Sozialdemokraten war fak- tisch ausgeschlossen.89 Der Bezirksleitung in Bremen kam es zu Beginn des Jahres 1931 darauf an, weitere Gruppen für die Mitarbeit im Kampfbund zu gewinnen. Wichtige Zielgruppe waren die Arbeiterfrauen, die den männlichen Kampfformationen des Bundes recht skeptisch gegen- überstanden. Um die Frauen anzusprechen und in die antifaschistische Arbeit einzubezie- hen, schien den Parteifunktionären der 8. März besonders gut geeignet, zumal er im Jahr 1931 auf einen Sonntag fiel. So entwickelten sie für diesen Tag ein besonderes Konzept. Die Aktion startete mit dem Aufruf zum Internationalen Frauentag:

„Antreten“ zur Demonstration am Frauentag und „Abmarsch“ zur Antifaschistischen Aktion.90 174 Die Internationalen Frauentage der KPD

Die militarisierte Sprache verschwand auch an den Frauentagen nicht. Doch offen- sichtlich ließen sich nur wenige Genossinnen auf diese Art und Weise herumkom- mandieren. Am 8. März 1931 formierte sich ein Demonstrationszug durch den Arbei- terstadtteil Gröpelingen. Sein zentrales Thema war die Abschaffung des § 218. Mit einer einprägsamen Darbietung drückten die Teilnehmerinnen ihren Protest aus. Die Polizei notierte dazu, dass „an der Spitze des Zuges […] eine Frau mit einem Kinder- wagen [marschierte]. An dem Kinderwagen war an einer Stange eine grosse Tasse mit einem Plakat befestigt mit der Aufschrift: ‚Diese Tasse erhielt ich beim 12. Kinde‘. An- schließend folgten 50 Frauen.“ Dieser Frauengruppe schlossen sich dann die Männer vom Kampfbund und Parteimitglieder an. Außerdem zählte die Polizei fünf rote Fah- nen und sechs Transparente, „die mit der Aufschrift ‚Hinein in den Kampfbund gegen den Faschismus‘, ‚Nur ein Sowjet-Deutschland schafft Arbeit und Brot‘, ‚Fort mit dem § 218‘ versehen waren.“ Nach der einstündigen Demonstra tion wurde der Frauentag in Bremen beendet. Im Polizeibericht wurde dann noch über den Anfang der zweiten Aktion berichtet: „Gleich nach der Rückkehr des Zuges bestiegen die Teilnehmer 3 L.K.W. mit Anhängern. Um 12.20 Uhr fuhren die Wagen, die mit 280 Personen, darunter 40 Frauen, besetzt waren, nach Delmenhorst ab.“91 Die Teilnehmerinnen verstärkten jetzt die antifaschisti- sche Kampffront auf der Kundgebung in Delmenhorst. Dieser Vorgang enthüllte, dass für die Parteifunktionäre in Bremen der Internationale Frauentag keinen eigenen politischen Stellenwert hatte: Für sie bot er günstige Gelegenheiten, die Genossinnen bei politischen Aktionen einzusetzen. Die Frauenabteilung beim ZK verurteilte diese Vorgehensweise, sie wandte sich in scharfer Form gegen die Praxis, Frauentage für andere Zwecke und Veranstaltungen um- zufunktionieren, was offensichtlich auch in anderen Bezirken üblich geworden war. Sie nannte das eine „Minderbewertung der weiblichen Mitglieder“. Das Fazit der Frauenab- teilung lautete, „dass die erfolgreich begonnene Wendung der Partei [zur Massenarbeit unter den Frauen] nicht bis in die untersten Parteieinheiten durchgedrungen [sei].“92 Wie intensiv sich die Partei mit dieser Kritik auseinandersetzte, ist aus den Quellen nicht zu ersehen, immerhin war die Veranstaltung zum Internationalen Frauentag 1932 sorgfältig vorbereitet und gut besucht. Zunächst jedoch setzten die KPD-Frauen 1931 ihre Frauentagaktion fort. Am 16. Ap- ril nutzten die KommunistInnen die große Frauenversammlung der SPD-Frauen, um vor den Centralhallen Flugblätter zu verteilen. Sie folgten damit dem Aufruf der Frauenab- teilung beim ZK, die Internationale Frauenwoche der SPD „zum entschiedenen Vorstoß zu den sozialdemokratischen Frauen (4,2 Millionen Frauen stimmten bei der letzten Reichstagswahl für die SPD)“ zu nutzen.93 In früheren Jahren waren die Kommunis- tinnen als Agitatorinnen in den Frauenversammlungen der Sozialdemokratinnen auf- getreten. Doch die neue Form der Veranstaltungen als Festakte schloss solche Auftritte aus. Deshalb standen die KommunistInnen vor den Eingangstüren. Dort tauchte schon bald die Polizei auf und beschlagnahmte die „Flugblätter, die der Polizeibehörde nicht vorgelegen“ hatten.94 Das Flugblatt hatte Luise Eildermann95, die neue Bürgerschaftsab- geordnete der KPD, verfasst. 1919–1933 175

Flugblatt der KPD-Bremen zum Internationalen Frauentag 1931, beschlagnahmt von der Polizei, als die Kommunistinnen es bei der Frauentags- veranstaltung der SPD verteilen wollten.96 Das Flugblatt wandte sich an die Besucherinnen der Frauentagsveranstaltung:

Frauen, denkt einmal nach! Warum hat die Sozialdemokratie für den Bau der Panzerkreuzer A und B gestimmt, wenn sie gegen den Krieg ist? Warum hat die Sozialdemokratie gegen die Aufhebung des Abtreibungsparagraphen gestimmt, der jährlich über 40.000 Frauen das Leben kostet? Warum hat die Sozialdemokratie gegen die unerhörten Massensteuern und Wucher- zölle, für Abbau der sozialen Leistungen, für Lohn- und Unterstützungsraub gestimmt? Warum kann die Regierung Brüning mit Artikel 48 die Notverordnungen durchführen? Weil die Sozialdemokratie die Partei des Arbeiterverrats und des Polizeisozialismus ist! Die deutsche Arbeiterklasse stöhnt unter Hunger und Knechtung. Das kapitalistische System ist nicht mehr imstande die Arbeiterschaft zu ernähren. Aber die Sozialdemo- kratie stützt dieses System und will damit den Hunger und die Kulturbarbarei ver- ewigen. Die Sozialdemokratie bekämpft, verleumdet und beschimpft Sowjetrussland, das einzige Land, wo keine Arbeitslosigkeit herrscht; wo die Frau im wahrsten Sinne des Wortes befreit ist und gleichberechtigt mit dem Manne den Sozialismus aufbaut. Frauen des werktätigen Volkes! Erkennt die Judasrolle der Sozialdemokratie. Gebt ihr die richtige Antwort und reiht euch ein in die revolutionäre Front aller Arbeiten- den. Erst wenn das kapitalistische System beseitigt ist, kann der Sozialismus leben. Nur ein sozialistisches Deutschland wird A r b e i t, B r o t und F r e i h e i t bringen. Arbeiterinnen, Arbeitermütter, denkt an die Zukunft eurer Kinder! Schart euch um das Banner der Kommunistischen Partei, der einzigen Führerin aller Ausgebeuteten und Unterdrückten. Frauen, her zu uns! Verantw. L. Eildermann, Kommunistische Partei Deutschlands Bremen, Buntentorsteinweg 95 Sektion der III. Internationale 176 Die Internationalen Frauentage der KPD

Der Text folgte der Argumentationslinie, die die KPD in diversen Rundschreiben emp- fohlen hatte. Es wurde die These vom Verrat der SPD-Führer vorgetragen, verbunden mit der Aufforderung an die Frauen, Mitglied in der KPD zu werden. Die KPD-Frauen wollten die anwesenden Arbeiterfrauen ansprechen und in die Reihen der Kommunistinnen holen. Diese Argumentation konnte nicht überzeugen, und so hatten die Kommunistinnen mit diesen Aktionen auch keinen Erfolg.

„Jede proletarische Frau ein roter Wahlhelfer in der Thälmannfront“ – Frauentag 1932

„Bremen lag am 1. Februar 1932 an der Spitze der Arbeitslosigkeit der deutschen Länder und preußischen Provinzen. Von 1.000 Einwohnern waren im Land Bremen 250 (mit Familienangehörigen) von der Arbeitslosigkeit betroffen, vor Berlin mit 215 von 1.000.“97 Das bedeutete, dass ein Viertel aller Bremer Unterhalt aus öffentlichen Mitteln bezog. Die verheerenden Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die Arbeits- und Lebensbedin- gungen der Arbeiterfamilien waren für viele ein Zeichen, dass dieses System für sie keine Zukunftsperspektive mehr bot. So schlossen sie sich der Partei an, die eine grundlegende Umgestaltung der Gesellschaft verwirklichen wollte. Die KPD sah in den steigenden Mit- gliederzahlen die Zustimmung zu ihrer politischen Linie. Das Wahljahr 1932 begann für die KPD mit dem Wahlkampf für Ernst Thälmann, den Parteivorsitzenden, der als Kandidat für das Amt des Reichspräsidenten antrat. In diesem Kampf – „Klasse gegen Klasse“, wie es die KPD formulierte – wandte sich die Partei zum 8. März mit dem Aufruf an die Frauen: „Wählt Thälmann!“

Von der Polizei konfisziertes Flugblatt.98 1919–1933 177

Die Bremer Polizei konfiszierte die Flugblätter zum Internationalen Frauentag mit der Begründung, dass deren „Inhalt geeignet sei, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gefährden“ und machte Jagd auf die Flugblattverteiler. In Bremen wurde der „Arbeiter J. Sch. betroffen, als er in der Balgebrück- und Klosterstrasse Flugblätter mit der Überschrift ‚Frauen der arbeitenden Klasse‘ […] von Haus zu Haus verteilte“. Der Flugblattverteiler wurde verhaftet und nach einer Wohnungsdurchsuchung am „18. März wegen Vergehens gegen § 11 Abs. 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zur Bekämpfung politischer Aus- schreitungen von 28. März 1931 zu einer Geldstrafe von 12,- RM evtl. 3 Tagen Gefängnis verurteilt“.99 Trotz Polizeischikanen konnte die Bezirksleitung der KPD über eine erfolgreiche Frau- entagsveranstaltung berichten. Am 8. März 1932 hatten sich im Café Lehmkuhl ca. 1.000 Personen („20 Prozent Männer“) versammelt.100 Nach langer Zeit hatte es wieder eine gut besuchte Versammlung gegeben. Das Rahmenprogramm war, wie die Arbeiter-Zeitung am 9. März berichtete, „gut proletarisch gestaltet“, mit Beiträgen der Agitproptruppe die „Bre- mer Blauen Blusen“101, dem Arbeitergesangsverein und dem Arbeiterblasorchester. Der Auftritt der Pioniere, die seit einiger Zeit bestehende Kinderorganisation der KPD, sorgte auf der Veranstaltung für besondere Aufmerksamkeit. Die Pioniere berichteten, dass eini- ge von ihnen am Nachmittag des 8. März von der Polizei festgehalten worden seien, weil sie „eine Schulzeitung angefertigt und vertrieben haben sollten“102. Die Empörung über das Vorgehen der Polizei war entsprechend groß. Die versammelten Frauen und Mütter sahen über diesen Vorfall die Berichte der Refe- rentin bestätigt, dass der kapitalistische Staat für die Arbeiterkinder und ihre Mütter nur Missachtung übrig habe. Dazu führte die Rednerin als Beispiel an: „Der kapitalistische Freistaat Preußen stellt in seinem Etat als soziale Ausgabe für ein Arbeiterkind drei Pfen- nig im Monat zur Verfügung, dagegen werden für die Pferde der Sipo [Sicherheitspolizei] siebenundvierzig Mark im Monat ausgegeben.“ Deshalb, so die Rednerin weiter, müsste jede proletarische Frau am Samstag dem „roten Arbeiterkandidaten Thälmann ihre Stim- me geben und damit zeigen, dass sie gewillt ist, das kapitalistische System durch Kampf mit beseitigen zu helfen“. Die Versammlung wurde mit dem gemeinsamen Gesang der Internationale beendet. Der Zeitungsbericht schloss mit dem Appell: „Jetzt vorwärts! Jede proletarische Frau ist ein roter Wahlhelfer und mobilisiert die Massen für die Thälmann- front!“103 Die Partei nutzte den Frauentag zur Wahlagitation unter den Frauen. Doch auch das änderte nichts an der Einstellung der Wählerinnen. In der Einschätzung der Bremer Ge- nossen zum Ergebnis des ersten Wahlganges hieß es, „daß die proletarischen Frauen Thäl- mann nicht gewählt hätten“.104 Die Bezirksfrauenleitung reagierte und entwickelte einen vier Seiten umfassenden Maßnahmenplan für die Zeit bis zum zweiten Wahltermin am 10. April 1932. Doch auch diese Initiative hatte keinen Erfolg bei den Frauen. Der Stim- menanteil der weiblichen Thälmann-Wähler sank im zweiten Wahlgang weiter um 1,5 Pro- zent.105 Die KPD blieb bis zum Ende der Weimarer Republik die Partei mit dem niedrigsten Anteil weiblicher Wähler.106 Seit 1930 beteiligten sich die Kommunistinnen an Aktionen gegen den wachsenden Einfluss der Nazis. Ein wichtiges Thema dabei war die Auseinandersetzung um die Ab- schaffung der §§ 218 und 219 des Strafgesetzbuchs. Die KPD organisierte den Protest gegen die Initiativen der NSDAP, die Abtreibungsgesetze zu verschärfen. Immer wieder wies sie darauf hin, dass die Nationalsozialisten in ihrem „Dritten Reich“ bei Abtreibungen wieder die Todesstrafe einführen wollten.107 Wie an vielen anderen Orten beteiligten sich die KPD-Frauen in Bremen an den antifaschistischen Aktionen des Kampfbundes am 178 KPD: ein Internationaler Kampftag für die Befreiung der Frau

8. März 1931. Doch die Idee, die Frauen in paramilitärische Frauenstaffeln zusammenzu- fassen, fand unter den Bremer Proletarierinnen wenig Resonanz.108 Trotz verstärkter antifaschistischer Arbeit unter den Frauen, Demonstrationen und Straßenkämpfen mit den Nazis wurde das Ausmaß der Bedrohung und die schrittweise Okkupation der Macht durch die NSDAP auch bei den Kommunisten nicht wahrgenom- men. Unter dem Datum vom 27. Januar 1933 verschickte die Abteilung Frauen beim ZK an alle Bezirksleitungen „Anweisungen zum Internationalen Frauentag am 8. März 1933!“, die sich nicht von früheren Anweisungen unterschieden. Der „Kampf- und Organisationstag“ sollte auf die Arbeiterinnen in den Großbetrieben ausgerichtet werden. Es gab detaillierte Festlegungen für die Betriebsaktionen. In dem Kapitel über die praktische „Antikriegs- arbeit“ wurden Vorschläge gemacht, die Frauen „zum wehrhaften Kampf gegen faschisti- schen Terror“ auszubilden. Bezeichnenderweise sollten die Frauen Aufgaben im „Sanitäts- dienst, Nachrichten- und Kundschafterdienst“ übernehmen.109 Offensichtlich stellten sich die Kommunisten den Kampf gegen die Faschisten als Fortsetzung des bisher Erlebten, als Bürgerkrieg vor. Von dem, was dann wirklich passierte, wurden SPD und KPD in gleicher Weise überrascht. Als die Rundschreiben bei den Bezirken eintrafen, war bereits Reichskanz- ler der Reichsregierung Hitler-Papen. In Bremen wurde am 25. Februar 1933 die Arbeiter- Zeitung wegen „Anreizung zu Gewalttätigkeiten“ bis zum 2. März verboten. Am 1. März wurden dann alle kommunistischen Versammlungen und Umzüge sowie Agitationsma- terialien verboten und die Parteibüros der KPD von der Polizei durchsucht. Auch in den Wohnungen von KPD-Funktionären fanden Hausdurchsuchungen statt. Flugblattkleber wurden nachts festgenommen. Am 4. März 1933 wurden die ersten Bremer KP-Funktio- näre verhaftet.110

Zwischenbilanz

Die Kommunistische Partei sah sich in der Nachfolge der sozialistischen Frauenbewegung der Vorkriegszeit. Mit Clara Zetkin und Käte Duncker war diese Kontinuität auch in den Personen präsent. Die Kommunistinnen setzten den Internationalen Frauentag als ein- heitlichen Kampftag für die Rechte der Frau in der neuen Kommunistischen Internationa- len durch und legten fest, den Frauentag ab 1922 jedes Jahr am 8. März zu begehen. An diesem Tag sollten weltweit die proletarischen Frauen zum Kampf gegen ihre Ausbeutung, Unterdrückung und Rechtlosigkeit aufgerufen werden. Den KPD-Frauen diente der Inter- nationale Frauentag als Agitationsplattform. Dabei sollten die Proletarierinnen als Kampf- genossinnen für das Zukunftsprojekt der revolutionären Umgestaltung der Republik nach dem Vorbild von Sowjet-Russland gewonnen werden. Der Frauentag war verpflichtender Aktionstag für die gesamte Partei. Bereits Wochen vor dem 8. März erhielten die Bezirksleitungen detailliert ausgearbeitete Arbeitspläne von der Zentrale zugeschickt und diese gaben dann entsprechende Anweisungen an die unte- ren Parteieinheiten weiter. Gleichzeitig wurde in der Presse die politische Erklärung der Kommunistischen Internationale zum Frauentag veröffentlicht. Auf der Führungsebene wurde der Tag mit Beschlüssen, detaillierten Anleitungen an die Bezirke und kritischen Stellungnahmen vorbereitet. Im politischen Parteialltag in Bremen gab es jedoch wenig Bereitschaft, die minutiö- sen Arbeitspläne und schematischen Festlegungen umzusetzen. Auch standen dort meist 1919–1933 179 andere Fragen und Probleme im Mittelpunkt: Die mehrfach wiederholten Versuche, in Deutschland eine Räterepublik zu errichten und das Scheitern dieser Unternehmungen führten zu Verboten und Verhaftungen. Ideologische Auseinandersetzungen zwischen der KPD in Bremen und der Gesamtpartei beschäftigten die Parteiorganisation. In der Aufbauphase hatten die Bremer Genossinnen versucht, dem Frauentag ein eige- nes Profil zu geben. Die linksradikale politische Wendung 1924/25 hatte dann unmittel- bare Folgen für die Frauenpolitik und die Aktivitäten der Genossinnen in Bremen. Auch hier – wie in anderen Städten Deutschlands – zogen sich die Frauen aus der Parteiarbeit zurück. Die verbliebenen Genossinnen wurden bei den unterschiedlichsten Aktionen ein- gesetzt. Für die Vorbereitung und Durchführung von Frauentagen blieb wenig Zeit, vie- les musste improvisiert werden. Meist wurden die Frauentage bürokratisch abgewickelt, nebenbei erledigt oder an aktuelle Aktionen angehängt. Die Bremer Parteiführung ent- wickelte kein Konzept für die Frauenarbeit, Frauenthemen blieben von nachrangiger Be- deutung. Trotzdem gelang es den KPD-Frauen einige Male zum 8. März gut besuchte Kundge- bungen zu organisieren. Bei diesen Veranstaltungen zeigten sich bemerkenswerte Über- einstimmungen mit den SPD-Versammlungen: Der mit roten Fahnen geschmückte Saal empfing die Teilnehmerinnen und in den Reden kamen die gleichen Politikbegriffe – Ka- pitalisten und Arbeiterklasse, Ausbeutung und Sozialismus – zum Einsatz. Es gab ein an politischen Themen ausgerichtetes Kulturprogramm und den gemeinsamen Gesang proletarischer Lieder am Ende der Veranstaltung. Doch die KPD-Presse betonte in ihrer Berichterstattung ausdrücklich die Differenz. Der Internationale Frauentag der KPD soll- te eine politische Agitationsveranstaltung sein, kein Ort der Besinnung und Erhebung. Inhaltlich waren die Frauentage ausgerichtet auf eine Fundamentalkritik am Weimarer Staat. Und weil die Frauen von diesem Staat nichts zu erwarten hätten, wurden sie umso energischer an ihre Verpflichtung erinnert, sich am revolutionären Kampf der Arbeiter- klasse im bevorstehenden Bürgerkrieg zu beteiligen. Dabei blieben die politischen Ziele recht abstrakt. Die konkreten Anliegen und Inter- essen der Frauen wurden zwar aufgelistet und ihr elendes Leben beschrieben, doch zur Lösung wurden die Frauen auf eine nachrevolutionäre Zukunft verwiesen. Die Frauen- propaganda war von einem aggressiven Politikstil geprägt, der weitgehend die soziale Alltagsrealität der proletarischen Frauen ausblendete. Das alles trug dazu bei, dass die KPD auch in Bremen unter den Arbeiterfrauen nicht sehr viele Anhängerinnen gewin- nen konnte.

Exkurs: Zu den Frauentagaktionen der KPD und SPD in der Weimarer Republik

Bis 1933 war der Internationale Frauentag weit über die europäischen Länder und die USA hinaus in China, Vietnam und Indochina, in Lateinamerika und in den Kolonialgebieten Afrikas zu einem Kampftag der Frauen geworden. Die Kommunis- tische Internationale und die Sozialistische Arbeiterinternationale waren dabei die treibenden Kräfte. Sie riefen jährlich über ihre nationalen Organisationen überall in der Welt die arbeitenden Frauen und Mädchen zu Kundgebungen auf, um ihre 180 Die Internationalen Frauentage der KPD

Forderungen an Staat und Gesellschaft öffentlich zu machen. Es hing von der Stärke und dem Einfluss der Arbeiterbewegung der Länder ab, wie sich die Idee des Frauen- tages jeweils ausbreiten konnte. Die Inhalte und Forderungen waren mitbestimmt von den unterschiedlichen Lebensbedingungen und den sozialen und politischen Rechten, die den Frauen in den jeweiligen Ländern zugebilligt wurden.111 In der Weimarer Republik waren die Aktionen zum Internationalen Frauentag Be- standteil der politischen Jahreskalender der KPD und SPD geworden. In der KPD gehörte der Frauentag von Beginn an zum politischen Arbeitsprogramm der Partei. In der SPD hatte sich nach der Vereinigung mit der USPD der Frauentag als „wirk- sames Propagandamittel“ bewährt. Seit 1926 gab es jährlich zwei Frauentage, den kommunistischen Tag am 8. März und den sozialdemokratischen Frauentag, dessen Datum jährlich neu bestimmt wurde. In dieser Datumsdifferenz fand die Spaltung der Arbeiterinnenbewegung ihren sichtbaren Niederschlag. Trotzdem wurden an den Frauentagen auch Übereinstimmungen sichtbar, die aus der Entstehungsgeschichte des Tages herrührten und die bei der Gegenüberstellung lokaler Quellen ans Licht treten. Die Internationalen Frauentage waren im proletarischen Milieu der Arbeitersied- lungen verankert. Dort hatten die Akteurinnen beider Parteien ihren Lebensmit- telpunkt, Sozialdemokratinnen und Kommunistinnen wandten sich gleichermaßen an dieses Umfeld. Sie konkurrierten untereinander um die Stimmen der proletari- schen Wählerinnen, um Teilnehmerinnen bei Veranstaltungen und vor allem um Mit- glieder in der jeweiligen Frauenorganisation. Dabei setzten die Sozialdemokratinnen und Kommunistinnen in ihren Werbestrategien durchaus unterschiedliche Schwer- punkte: Die SPD versuchte in erster Linie nichterwerbstätige Arbeiterfrauen anzu- sprechen, die KPD vor allem die Betriebsarbeiterinnen. Trotzdem gewannen beide Parteien mehrheitlich Hausfrauen als Mitglieder. Gleichzeitig blieb man unter sich, die Grenzen zum Bürgertum waren scharf gezogen. Die bürgerliche Gesellschaft Bremens sah sich die Demonstrationen in der Innenstadt an und hielt Distanz. Und die bürgerliche Presse berichtete über Frauentagsveranstaltungen nur, wenn es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und den Verboten und Verfol- gungen der Arbeiterbewegung wurde auch die proletarische Frauenbewegung zer- schlagen. Der Internationale Frauentag verschwand aus dem öffentlichen politischen Leben Deutschlands. Doch im Widerstand der politisch verfolgten Frauen lebte die Idee des Frauentages weiter. Er wurde zum Symbol für den Überlebenswillen und den Widerstand gegen das NS-Regime. 1919–1933 181

Anmerkungen

1 Gleich nach Bewilligung der Kriegskredite durch die SPD-Fraktion im Reichstag im Jahr 1914 hatten sich Gegner der Burgfriedenspolitik auf Einladung von Rosa Luxemburg zusammen- gefunden und die Gruppe „Internationale“ gegründet, der neben Rosa Luxemburg auch Karl Liebknecht und schon bald auch Clara Zetkin angehörten. Während des Krieges gab die Grup- pe die „Spartakusbriefe“ als illegale Zeitung heraus. Dieser Name bezeichnete schon bald die gesamte Gruppe. 1917 trat die Spartakusgruppe der USPD bei, behielt allerdings ihren Grup- penstatus innerhalb der Partei. Mit Beginn der revolutionären Ereignisse im November 1918 nannte sich die Gruppe „Spartakusbund“. Sie bildete dann eine eigene Organisation, die zum Kern der dann neugegründeten KPD wurde. Deshalb wurde der Name der Gruppe dem Partei- namen angefügt: KPD (Spartakusbund). Vgl. Weber, 1969b, 9–33. 2 Protokoll Gründungsparteitag KPD, 1958, 121/122. 3 Gründungskongress der III. Internationale, 1920 in Moskau, Resolution „Über die Mitarbeit der proletarischen Frauen in den kommunistischen Parteien“. Alle Zitate dieses Abschnitts wurden diesem Resolutionstext entnommen. Abgedruckt in: Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED, Reihe II, Bd. 3, 265. 4 Bayerlein, 2006, 30. 5 Vgl. Bayerlein, 2006, 30–32. 6 Abdruck der „Richtlinien“ in: Institut für Marxistische Studien und Forschungen (IMSF), 1973, 49–69. 7 Vgl. Scholze, 2001, 44. 8 Von den 78.715 Mitgliedern, die die KPD am Vorabend der Vereinigung mit dem linken Flügel der USPD hatte, waren ca. 6.000 Frauen. Der Frauenanteil lag damit etwa bei 7,5 Prozent. Vgl. Arendt, 1977, 652. 9 Vgl. Forschungsgemeinschaft, 1984, 123. 10 Vgl. Clara Zetkin, Warum brauchen wir Kommunisten eine Frauenbewegung? in: Institut für Marxistische Studien und Forschung, 1973, 42. 11 Vgl. Clara Zetkin, Warum brauchen wir Kommunisten eine Frauenbewegung? in: Institut für Marxistische Studien und Forschung, 1973, 38–39. 12 Die linke USPD mit 300.000 Mitgliedern vereinigte sich mit der KPD (Spartakusbund) mit 70.000 Mitgliedern auf dem Parteitag vom 4. bis 7. Dezember 1920 zur VKPD. Unter dem pa- ritätischen Vorsitz von Paul Levi (KP) und Ernst Däumig (USP) war damit in Deutschland eine kommunistische Massenpartei mit 356.000 Mitgliedern entstanden. Vgl. Weber, 1983, 83. 13 Vgl. „Bericht über die Verhandlungen des Vereinigungsparteitages der USPD (Linke) und der KPD (Spartakusbund), Rede Clara Zetkin, 191–206. 14 Abgedruckt in: Dokumente der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung zur Frauenfrage, Leipzig, 1975, 88–95. 15 Die Richtlinien der KI waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht verabschiedet und deshalb auch noch nicht verbindlich. Da Clara Zetkin für die Ausarbeitung beider Richtlinien verantwortlich zeichnete, konnte sie sie aufeinander abstimmen. 16 Zu Bertha Braunthal (1887–1967) siehe Kapitel 4, Fußnote 23. 17 Ruth Fischer (1895–1961) hatte sich bereits während ihres Studiums in Wien nach Ausbruch des E rsten Weltkrieges der österreichischen Sozialdemokratie angeschlossen. Dort gehörte sie zum linken Flügel. 1919 siedelte sie nach Berlin über und spielte schon bald eine herausragen- de Rolle im linken Flügel der KPD. Bereits mit 26 Jahren übernahm sie die Leitung der Berliner Parteiorganisation und wurde 1923 Mitglied der zentralen Parteiführung. 1924 übernahm die ultralinke Gruppe um Ruth Fischer und Arkadi Maslow die Führung der Partei. Doch bereits im August 1925 spaltete sich die Linke und Ruth Fischer verlor ihre Führungspositionen und wurde 1926 aus der Partei ausgeschlossen. Als ihr Reichstagsmandat 1928 erlosch, trat sie politisch nicht mehr hervor. Nach Hitlers Machtantritt – als Jüdin und linke Kommunistin verfolgt – emigrierte sie in die USA. Dort veröffentlichte sie ihr Hauptwerk „Stalin und der Deutsche Kommunismus.“ Sie verstarb 1961 in Paris. Vgl. Weber, Herbst, 2004, 205–207. 18 Die Zitate wurden dem „Protokoll der Sitzung des Frauen-Reichssekretariats vom 26. Februar 1921“ entnommen. SAPMO, KPD, Abt. Frauen, RY 1/I 2/701 Bd. 8. 182 Die Internationalen Frauentage der KPD

19 Vgl. Bayerlein, 2006, 33. 20 Vgl. Forschungsgemeinschaft, 1984, 102. 21 Dornemann, 1973, 354. 22 Die Kommunisten Bremens hatten große Probleme, die Herausgabe einer eigenen Zeitung auf Dauer zu sichern. Die erste Zeitung, der Kommunist, wurde immer wieder verboten und damit wurde dem Blatt die ohnehin schwache finanzielle Grundlage entzogen, sodass sein Erscheinen schließlich eingestellt werden musste. Es gab verschiedene Übergangsregelungen, z.B. die wöchentlich erscheinende Bremer Beilage der Roten Fahne. Erst ab dem 1. November 1921 verfügte die Bremer Parteiorganisation mit dem Nordwestdeutschen Echo wieder über ein eigenes Presseorgan. Vgl. Ohlhoff, 1965. 23 Bremer Beilage zur Roten Fahne, dem Zentralorgan der KPD, vom 8. Mai 1920. 24 Vgl. Bremer Beilage zur Roten Fahne vom 8. Mai 1920. 25 Über die Kundgebungen der USPD wurde im Kapitel 4 berichtet. 26 In ihren Artikeln „Warum brauchen wir Kommunisten eine Frauenbewegung?“, aus denen be- reits im Abschnitt „Richtlinien für die Frauenagitation“ zitiert wurde, setzte sich Clara Zetkin im Teil II mit dem Thema „Gleichstellung der Geschlechter innerhalb der Kommunistischen Partei“ auseinander. Die Kommunistin, Heft 15, 116/117, abgedruckt in: Institut für Marxist. Studien, 1973, 41/42. 27 Vgl. Schwarzwälder, 1983, Bd. 3, 175–189, Andersen, 1987, 42–52. 28 Herbert Schwarzwälder gibt die Gesamtzahl der Mitglieder für 1921 mit 3.000 für die Stadt Bremen an. Schwarzwälder, 1983, Bd. 3, 185. Hans-Jürgen Arendt rechnete aus, dass „der Partei 1921 etwa zehn Prozent weibliche Mitglieder angehören“. Arendt, 1977, 653. Das würde übertragen auf Bremen heißen, dass in dieser Zeit in Bremen ca. 300 Frauen Mitglied in der KPD waren. 29 Gesine Becker (1888–1968) war die einzige Kommunistin, die kontinuierlich bis 1930 in der Frauenpolitik der KPD Bremens aktiv war. Über ihre Jugendjahre und die Zeit nach 1930 ist nur wenig bekannt. Sie trat 1910 in die SPD ein. Während des Ersten Weltkrieges beteiligte sie sich aktiv an den antimilitaristischen Aktionen der SPD-Frauen in Bremen. Nach der Partei- spaltung schloss sie sich den Kommunisten an und engagierte sich in der Bremer Räterepu- blik. Ab 1919 kandidierte sie für die KPD stets auf den ersten Listenplätzen zur Bremischen Bürgerschaft, der sie von 1919 bis 1930 angehörte. In die innerparteilichen Flügelkämpfe war sie kaum verwickelt. Ihre zentralen Themen waren Sozial- und Gesundheitspolitik, ein Schwer- punkt ihrer politischen Arbeit war der Kampf gegen den § 218. 1930 wurde sie von der KPD nicht mehr für die Bürgerschaftswahlen nominiert. Im selben Jahr zog sie mir ihrem Mann nach Berlin. Wie sie die NS-Zeit erlebte, ist nicht bekannt. Nach 1945 schloss sie sich der SED an und lebte bis zu ihrem Tod 1968 in der DDR. Vgl. Schunter-Kleemann, 1991, 278–281. 30 Hertha Sturm stellte noch 1923 in einen mehrseitigen Bericht über die Bezirksfrauenkonfe- renz des Bezirkes Nordwest das Fehlen von Organisationsstrukturen und eines frauenpoliti- schen Konzeptes fest. Vgl. Bericht über die Bezirksfrauenkonferenz am 16. September 1923 in Bremen. SAPMO, RY 1/I 2/701 Bd. 12. 31 Minna Otto war bereits als ganz junge Kommunistin 1919 Mitglied im Arbeiterrat der Bremer Räterepublik gewesen und hatte sich dort für die Belange der Arbeiterfrauen eingesetzt. Vgl. Hannover-Drück, 1991, 5 und 7. 32 Auszug aus der Mitschrift des überwachenden Polizeibeamten vom 9. April 21. STAB 4,65- 302/74 II-A.12.b.8. 33 Vgl. Die Rote Fahne vom 12. April 1921. 34 Vgl. Schwarzwälder, 1983, Bd. 3, 185. 35 Aus dem Polizeibericht vom 29. November 21. STAB 4,65- II.A.12.b.1, Bd. 1. 36 Vgl. Nordwestdeutsches Echo vom 11. März 1922. 37 Bericht des Frauenreichssekretariats an die Zentrale vom 21. März 1922, SAPMO, RY 1/I 2/701 Bd. 29. 38 Protokoll der Sitzung der Bezirksleitung am 5. Januar 1923, SAPMO, RY 1/I 3/17 Bd. 9. 39 Rundschreiben Nr. 1 vom 19. Februar 1923, SAPMO, RY 1/I 3/17 Bd. 19. 40 Lenin hatte 1922 in einem Resolutionsentwurf an die Internationale formuliert: „Ziel und Sinn der Einheitsfrontpolitik bestehen darin, immer breitere Arbeitermassen in den Kampf gegen 1919–1933 183

das Kapital einzubeziehen. Dabei darf man nicht davor zurückschrecken, sich immer wieder sogar an die Führer der II. und ‚zweieinhalbten‘ Internationale zu wenden mit dem Vorschlag diesen Kampf gemeinsam zu führen.“ Zit. in: Gruppe Magma, 2001, 42. Dieser Vorschlag sah das Zusammengehen der verschiedenen Fraktionen der Arbeiterbewe- gung vor. Dazu sollten zur Durchführung gemeinsamer Aktionen Verhandlungen mit der SPD- und der Gewerkschaftsführung aufgenommen werden. Das Konzept sah das Zusammenwirken der Parteivorstände (Einheitsfront von oben) und die Zusammenarbeit an der Basis zwischen den Parteigruppen (die Einheitsfront von unten) vor. Dagegen setzte sich in der KPD immer mehr die Auffassung der radikalen Linken durch, die grundsätzlich SPD- und Gewerkschafts- führung als Verräter an den Interessen der Arbeiter ansahen und sie entsprechend als Sozial- faschisten diskriminierten. Deshalb kam für die KPD-Führung keine Zusammenarbeit mit den Vorständen von SPD und Gewerkschaften in Frage. Sie riefen die SPD- und Gewerkschaftsmit- glieder auf, unter der Führung der KPD eine Einheitsfront von unten zu bilden. Diese politische Linie setzte sich nach 1925 endgültig in der Kommunistischen Internationale und der KPD durch. Vgl. Angress, 1973, 293–298, und Gruppe Magma, 2001, 42–43. 41 Nordwestdeutsches Echo vom 2. März 1923. 42 Nordwestdeutsches Echo vom 5. März 1923. 43 Nordwestdeutsches Echo vom 7. März 1923. 44 Bericht des Frauenreichssekretariats an die Zentrale für März 1923, SAPMO, KPD Abt. Frauen, RY 1/I 2/701 Bd. 12. 45 Vgl. Berichte des Bezirkssekretariats Nordwest an die Zentrale der KP Berlin vom 17. Februar, vom 20. März, vom 20. April und vom 27. September 1923. SAPMO, RY 1/I 3/17 Bd. 10. 46 Vgl. Nordwestdeutsches Echo vom 6. März 1924. 47 STAB, FB 742–43. 48 Plakatabnahmeprotokoll und Bericht über die Frauendemonstration, Polizeidirektion Bremen, vom 10. März 1924. STAB 4,65-374/74 II.A.12.b.8. 49 Nordwestdeutsches Echo vom 9. März 1924. 50 Plakatabnahmeprotokoll und Bericht über die Frauendemonstration, Polizeidirektion Bremen, vom 10. März 1924. STAB 4,65-374/74 II.A.12.b.8. 51 Vgl. Andersen, 1987, 37. 52 Nordwestdeutsches Echo vom 14. April 1924. 53 Erna Halbe (1892–1983) war schon früh Mitglied in der Hamburger Arbeiterjugend. Im ers- ten Weltkrieg schloss sie sich der Antikriegsbewegung an. 1916 wurde sie deswegen aus der SPD ausgeschlossen. Sie war Mitbegründerin der KPD in Hamburg und 1919 die einzige Frau im Arbeiter- und Soldatenrat in Hamburg. Sie gehörte zum linken Flügel der Partei und kam 1924 als Leiterin der Frauenabteilung in die Zentrale der KPD nach Berlin. Sie wandte sich jedoch bald gegen die Praktiken der Linken und schied Mitte 1927 aus der Frauenabteilung aus. 1929 wurde sie aus der Partei ausgeschlossen. Sie wurde Mitglied in der Sozialistischen Arbeiterpartei und arbeitete nach 1933 illegal weiter. Sie emigrierte über Frankreich in die USA. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland wurde sie Mitglied in der SPD. Sie lebte in Frank- furt am Main, wo sie 1983 starb. Vgl. Hagemann/Kolossa, 1990, 43–48. 54 Zur Frauenpolitik auf dem IX. Parteitag vom 7.–10. April 1924 in Offenbach vgl. „Bericht über die Verhandlungen des IX. Parteitags der KPD 1924“, 195–196, Weber, 1969a, 70–75. 55 Die Rote Fahne vom 11. Mai 1924. 56 Beide Zitate stammten aus der Rede Ruth Fischers, die sie auf der Frauenreichskonferenz am 12. Mai 1924 gehalten hat. Bericht Frauenreichskonferenz vom 12. Mai 1924, Blatt 6 / SAPMO, RY 1/I 2/701. 57 Aus dem Arbeitsplan der Bezirksleitung vom 26. Februar 1925, SAPMO, RY 1/I 3/17 Bd. 16. 58 Polizeilicher Lagebericht vom 14. März 1925, STAB 4,65–304/61 II.A.12.b., Bd. 6. 59 Bericht über die Internationale Frauenwoche vom 25. März 1925, SAPMO, RY 1/I 2/701, Bd. 15. 60 Zentralkomitee der KPD, X. Parteitag, Frauenkonferenz, 1925, 749. 61 Die Kommunistin, Februar 1926. 62 Unter der Führung von Ruth Fischer und Arkadi Maslow wurde die KPD 1925 straffer hierar- chisch organisiert. Aus der „Zentrale“ als Führungsgruppe wurde das Zentralkomitee (ZK) und das Frauenreichssekretariat heruntergestuft zur „Abteilung Frauen beim ZK“. 184 Die Internationalen Frauentage der KPD

63 Vgl. Rundschreiben der Abt. Frauen vom 19. Februar 1926, SAPMO, RY 1/I 2/701 Bd. 14. 64 Vgl. Arbeiter-Zeitung vom 5. März 1926. 65 Bericht der Nachrichtenstelle der Polizeidirektion vom 9. März 1926, STAB 4, 65-69/13 I.B.6.a.2.b. 66 Vgl. Arendt, 1977, 64. 67 Mit dieser Proklamation wurde die Resolution über „die Arbeit der KPD unter den Frauen“ ein- geleitet, die auf dem Parteitag 1927 verabschiedet wurde, in: Forschungsgemeinschaft, 1975, 102. 68 Die in Anführungsstriche gesetzten Begriffe stammen aus der Resolution „Die Arbeit der KPD unter den Frauen“, in: Forschungsgemeinschaft, 1975, 110–116. 69 Forschungsgemeinschaft, 1975, 105. 70 Helene Overlach (1894–1983) kam nach dem Ersten Weltkrieg von München nach Berlin und wurde 1920 Mitglied der KPD. Sie arbeitete als Zeitungsredakteurin bei verschiedenen KPD-Zeitungen. Bei Gründung des Roten Frauen- und Mädchenbundes (RFMB) wurde sie dessen zweite Vorsitzende. 1927 wurde sie Mitglied im ZK der KPD und übernahm ab 1928 die Leitung der Frauenabteilung. Bis 1933 war sie Reichstagsabgeordnete der KPD. Sie wurde bereits im Dezember 1933 verhaftet und kam ins Frauen-Konzentrationslager. Sie kehrte 1945 nach Berlin zurück und lehrte ab 1950 als Professorin an der Pädagogischen Hochschule Ber- lin. Sie starb 1983 in Ostberlin. Vgl. Weber/Herbst, 2004, 552–553. 71 Forschungsgemeinschaft, 1975, 110–116. 72 Vgl. Schwarzwälder III, 1983, 415. 73 Arbeiter-Zeitung vom 7. März 1927. 74 Vgl. Arbeiter-Zeitung vom 7. März 1927. 75 Arbeiter-Zeitung vom 11. März 1927. 76 Unter dem Motto „Heran an die Massen“ gründete die KPD 1925 eine eigene Frauenorganisa- tion, den Roten Frauen- und Mädchenbund (RFMB). Die KPD beschrieb die Bedeutung und Funktion des Bundes in der Resolution „Zur Arbeit unter den Frauen“, die auf dem 11. Parteitag 1927 verabschiedet wurde: „Der RFMB ist eine mit der KPD sympathisierende proletarische Frauenorganisation, die sich […] zu einer wichtigen Hilfsorganisation für die Gewinnung gro- ßer, bisher passiver proletarischer Frauenschichten für den Klassenkampf entwickelt hat.“ For- schungsgemeinschaft, 1975, 109. Die Gruppe in Bremen gehörte zu den Gründungsmitgliedern des RFMB. 77 Eine Abschrift des Rundschreibens der KPD-Bezirksleitung Nordwest vom 23. Februar 1928 fand sich im Aktenvorgang der Nachrichtenstelle der Polizeidirektion Bremen. Vgl. Auszug aus dem Lagebericht vom 16. März 1928, STAB 4,65-308/62 II.A.12.b., Bd. 10. 78 Arbeiter-Zeitung vom 7. März 1928. 79 Im Vorgang der Polizeiakte zum Internationalen Frauentag 1928 befand sich auch der Zei- tungsbericht der Arbeiter-Zeitung vom 7. März 1928 über die Veranstaltung. An den Rand des Artikels war handschriftlich vermerkt: „ca. dreiviertel voll, nicht voll“. STAB 4,65/367/75 II.A.12.b.8, Bd. 5. 80 KPD Abt. Frauen, SAPMO, RY 1/I 2/701 Bd. 11. 81 KPD-Abt. Frauen SAPMO, RY 1/I 2/701 Bd. 15. 82 Arbeiter-Zeitung vom 28. März und vom 2. April 1929. 83 Arbeiter-Zeitung vom 1. März 1930. 84 Vgl. Andersen 1987, 210. 85 In: Andersen 1987, 210. 86 Vgl. Ausschnitt aus dem Lagebericht der Nachrichtenstelle vom 31. Mai 1930; STAB 4,65-116- 539 II.A.12.b.8. 87 Vgl. Schwarzwälder 1983, Bd. 3, 599-602. 88 Arbeiter-Zeitung vom 22. Dezember 1930. 89 Vgl. Andersen, 1987, 405–411. 90 Arbeiter-Zeitung vom 4. März 1931. 91 Polizeiakte, Distrikttagebuch vom 9. März 1931; STAB 4,65–368/72 II.A.12.b.8, Bd. 6. 92 Sonderschreiben des ZK der KPD, Frauenabteilung über die Arbeit der Partei unter den Frauen vom 30. März 1931, SAPMO, RY 1/I-2/701 Bd. 15. 1919–1933 185

93 KPD Abt. Frauen/Arbeitsplan vom 2. März 1931, SAPMO, RY 1/I-2/701 Bd. 11 94 Aus dem Bericht der Nachrichtenstelle der Polizeidirektion vom 17. April 1931, STAB 4,65- 212/35 II.A.10.b. 95 Luise Eildermann (1899–1986) war seit 1920 Mitglied der KPD. Als sie 1929/1930 nach Bremen zog, arbeitete sie als Redakteurin und Stenotypistin. Luise Eildermann lebte etwa zwei Jahre in Bremen. In dieser Zeit verbüßte ihr Ehemann eine Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Die KPD setzte die engagierte und qualifizierte junge Frau sofort ein. 1930 wurde sie auf der Liste der KPD in die Bremische Bürgerschaft gewählt. Sie verfasste Flugblätter, wie das von der Polizei beschlagnahmte, und gab eine selbst geschriebene Zeitung heraus. „Die Kolle- gin von der Stempelstelle“ war das einzige Organ in Deutschland, das speziell auf den Kampf erwerbsloser Frauen ausgerichtet war. Nach der Haftentlassung ihres Ehemannes zog sie mit ihm nach Rostock. Im Juli 1933 verließ sie Deutschland und ihre Emigration führte über Frank- reich und Spanien nach Mexiko. 1946 kehrte sie nach Deutschland zurück, wurde Mitglied der SED und verstarb 1986 in Ost-Berlin. Vgl. Weber/Herbst, 2004, 852–855. 96 Das Flugblatt befindet sich in der Polizeiakte: STAB 4,65-400/84 II.A.12.b.11, Bd. 3. Es ist undatiert, doch in der Akte wurde es vor einem Schriftstück mit dem Datum 30. April 1931 eingeordnet. Außerdem wurden im Flugblatttext Passagen aus dem Rundschreiben der Frau- enabteilung beim ZK vom 28. März 1931 zitiert. 97 Andersen 1987, 145. 98 STAB 4,65-1895 VI.5.4.3.f.2. 99 Vgl. Aktenvermerk der Polizeistelle und Urteil gegen die Flugblattverteiler vom 9. April 1932 STAB, 4,65-1897 VI.5.4.3.f.2, Bd. 3. 100 Die Frauenabteilung beim ZK hatte die Teilnehmerzahlen für ihren Bericht zusammengestellt. SAPMO, RY 1/I 2/701 Bd. 29. 101 Die Gruppe „Bremer Blaue Blusen“ war Teil der Agitprop- und Theaterarbeit der KPD in Bre- men. Sie boten „ohne viel Requisiten und ohne großen Bühnenapparat kurze Szenen dar, die dem aktuellen politischen Leben entnommen waren“. Wollenberg u.a., 1983, 52. An den Auf- tritt zum Frauentag erinnerte sich Lu Kundel in ihren Zeitzeugenberichten, die 1983 und 1989 im Rahmen des Forschungsprojektes „Bremer Arbeiterbiographien“ auf Video aufgezeichnet wurden. Lu Kundel wirkte von 1928 bis 1933 in der KP-Kulturgruppe Bremer Blaue Blusen mit. Im Film sagt sie: „Wir haben versucht in einfachen Sprechchören die Versammlungen interessanter zu machen. Dann haben wir zum Frauentag, haben wir auch mal über die Gleich- berechtigung der Frau Knittelverse gemacht. Dass die Frau nicht zur Versammlung kann, weil sie ja noch waschen musste.“ Hofschen, Bremer Arbeiterbiographien auf Video, Begleitheft, 30/ Film 1, 26 Min. „Bei den Blauen Blusen und im Barkenhof“. 102 Arbeiter-Zeitung vom 9. März 1932. 103 Vgl. Arbeiter-Zeitung vom 9. März 1932. 104 Andersen 1987, 356. 105 Vgl. Andersen, 1987, 356, F 89. 106 Vgl. Arbeiter-Zeitung vom 30. August 1932. 107 Vgl. Hervé, 1983, 140–142. 108 Vgl. Andersen, 1987, 411. 109 Anweisungen der Frauenabteilung beim ZK an alle Bezirksleitungen zum Internationalen Frauentag am 8. März 1933, 3. SAPMO, RY/I 2/701 Bd. 15. 110 Vgl. Andersen, 1987, 438. 111 Vgl. Scholze, 2001, 64–65. 7.

Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage 1933–1945 188 Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage

Mit dem Verbot und der Verfolgung der Arbeiterbewegung durch die Nationalsozialisten gab es auch keine Internationalen Frauentage mehr. Dagegen wurde der Muttertag als Ehrentag der deutschen Mutter im NS-Regime zu einem nationalen Feiertag. Das folgende Kapitel beginnt mit dem Bericht über die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Bre- men. Deren erste Aktionen richteten sich gegen ihre direkten Gegner: Zunächst schalteten sie die Kommunisten aus, bald danach die Sozialdemokraten und die Gewerkschaften. Das bedeutete das Ende der Frauenorganisationen und ihrer politischen und sozialen Projekte. Auch die Organisierung und Durchführung von Internationalen Frauentagen wurde verboten. Anstelle der Forderungen der organisierten Frauen nach der gleichberechtigten Teilha- be und Mitgestaltung in allen Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Lebens trat im Nationalsozialismus die Ideologie der getrennten Wirkungsräume von Männern und Frauen. Frauen wurden damit aus den politischen Entscheidungsgremien ausgeschlossen, ihre Bestimmung und Lebensaufgabe lag nach Auffassung der NS-Ideologen in Mutter- schaft und Mutterrolle. Entsprechend wurde deutschen Frauen in der rassistischen Ideo- logie und Praxis des NS-Regimes ein besonderer Platz eingeräumt, der sich speziell in den jährlichen Feierstunden zum Muttertag manifestierte. Mit den Ausführungen über die Entwicklung und Bedeutung der Muttertagsfeiern wird der Bericht über das NS-Regime fortgesetzt, beginnend mit der Übernahme des Mutterta- ges unter der Regie von Innenminister Wilhelm Frick und Reichspropagandaminister Josef Goebbels. Am Beispiel des Bremer Festaktes des Jahres 1935 wird die Ausgestaltung der Muttertage zu einer NS-Kultfeier um die als heilig verehrte Mutter dargestellt. Höhepunkt der Mutterehrung wurde die Einführung eines nur den Müttern vorbehaltenen Ordens, das „Ehrenkreuze der Deutschen Mutter“. Seine Verleihung war ab dem Jahr 1940 der öffent- lichkeitswirksame Mittelpunkt der Kriegsmuttertage. Zur Auseinandersetzung mit den „Mütterehrungsfeiern“ gehört auch der Bericht über jene Mütter, die von den Feiern ausgeschlossen wurden. Denn mit den Muttertagsfeiern begann zugleich der aggressive Ausgrenzungsprozess aller jüdischen Frauen und Mütter. Ihnen folgten die nicht „erbgesunden“, „minderwertigen“ Frauen. Auch der biologistische Wert einer deutschen Frau sicherte ihr nicht die Zugehörigkeit zur Frauengemeinschaft: Wer dem Verdacht ausgesetzt war, aus politischen oder religiösen Gründen Opposition gegen den NS-Staat zu betreiben, wurde zum Staatsfeind bzw. zur Staatsfeindin erklärt, verfolgt und verhaftet. Nach der Darstellung der nationalsozialistischen Muttertage folgt der Bericht über den Widerstand sozialdemokratischer und kommunistischer Frauen. Es wird den Spuren nachgegangen, die der Internationale Frauentag im Widerstand gegen das NS-Regime hinterlassen hat. Denn schon bald nach den Verboten ihrer Parteien beteiligten sich Kom- munistinnen und Sozialdemokratinnen, die in den zwanziger Jahren die Internationalen Frauentage organisiert hatten, auch in Bremen am Widerstand ihrer Parteien. Unter den Bedingungen von Illegalität und Verfolgung durch die bildeten die Netzwerke der Frauen in den Wohngebieten und auf den Parzellen eine wichtige Basis für die Wider- standsarbeit. Obwohl die Männer in der Überzahl waren, spielte die Frauenarbeit im kommunis- tischen Widerstand eine wichtige Rolle. Die KPD-Frauen kassierten Parteibeiträge und Spenden, versteckten gefährdete Genossen und sorgten für die Verteilung illegaler Flug- blätter. Die SPD-Frauengruppe entwickelte die so oft belächelten „Kaffeekränzchen“ zu politischen Schulungs- und Informationszirkeln – ihre Frauengemeinschaften in den Arbeiterquartieren hielten in der Not und Verfolgung zusammen. Bis zu ihrer Verhaftung 1933–1945 189 im November 1934 konnten die Sozialdemokratinnen ein weit verzweigtes Widerstands- netz in Bremen aufbauen. Daran anschließend folgen Berichte über einzelne Aktionen zum 8. März, beginnend mit Schilderungen von Überlebenden des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück – ein Beispiel dafür, wie die Inszenierungen zum 8. März den Häftlingen trotz der unmensch- lichen Bedingungen im Lager Selbstvertrauen und neuen Lebensmut gaben. In Bremen wurde während des Krieges die Industrie-, und vor allem die Rüstungspro- duktion durch die Sklavenarbeit der Frauen und Männer aufrechterhalten, die aus den von deutschen Truppen besetzten Gebieten nach Deutschland transportiert worden waren. So arbeitete bei der Firma Borgward eine Gruppe sowjetischer Fremdarbeiterinnen. Die öffentliche Aktion dieser Frauen, die am 8. März 1943 demonstrativ mit roten Kopftüchern zur Arbeit erschienen, war wahrscheinlich die einzige Initiative zum Internationalen Frau- entag während der NS-Zeit in Bremen. Im Ausland gestalteten die Emigrantinnen – getrennt, in ihren jeweiligen politischen Gruppierungen – Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag als Manifestationen gegen den deutschen Faschismus. Sie verfassten zum Frauentag Aufrufe an die deutschen Frauen mit der Aufforderung, sich von den Nationalsozialisten loszusagen. Den Schluss des Kapitels bildet der Artikel von Adele Schreiber über die Kundgebung zum Internationalen Frauentag 1945. Kurz vor Kriegsende wurde auf dieser Versammlung Die internationale Charta der Frauen verabschiedet. Frauen unterschiedlicher politischer Richtungen fassten in dieser Charta die wichtigsten Frauenforderungen und zentralen politischen Positionen der Frauenbewegung zusammen.

Machtübernahme der NSDAP in Bremen

Die politische Tragweite der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 wurde auch in Bremen – insbesondere von den beiden Arbeiterparteien – erheblich unterschätzt. Die Kommunisten riefen zwar zum Generalstreik und zum Kampf gegen die faschistische Diktatur auf, doch weil sie zuvor sowohl die Regierungen der Weimarer Repu- blik als auch die kapitalistische Wirtschaftsordnung bereits faschistisch genannt hatten, löste diese Vokabel keinen politischen Alarm mehr aus. Für Streikinitiativen fehlten den Kommunisten einflussreiche Akteure in den Betrieben. So blieb es bei Straßenaufmär- schen und Appellen. Auch die Sozialdemokraten organisierten Massendemonstrationen und vertrauten dar- auf, den faschistischen Terror durch Einhaltung der rechtsstaatlichen Ordnung einzudäm- men. Es blieb ihr erklärtes Ziel, den Nazis mit dem Stimmzettel bei den Reichstagswahlen am 5. März eine Abfuhr zu erteilen. Zugleich trieb die neue Reichsregierung unter Adolf Hitler die Machtübernahme weiter voran. Mit der Notverordnung Zum Schutze von Volk und Staat, die einen Tag nach dem Brand des Reichstags am 28. Februar vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg er- lassen wurde, setzte die Regierung die Bürgerrechte der Weimarer Verfassung weitgehend außer Kraft1. Diese Notverordnung gab der Reichsregierung auch das Recht, in die Regie- rungen der einzelnen Länder einzugreifen. So forderte Reichsinnenminister Dr. Wilhelm Frick die Bremische Regierung am 1. März ultimativ dazu auf, die Bremer-Volkszeitung, die 190 Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage

Parteizeitung der SPD, zu verbieten; der Senat folgte der Aufforderung. Gleichzeitig erfolg- ten Hausdurchsuchungen in den Räumen der KPD und der Druckerei der Arbeiter-Zeitung. Am Tag vor der Reichstagswahl vom 5. März 1933 folgten 30.000 Menschen einem Auf- ruf der sozialdemokratischen Eisernen Front zu einer Kundgebung – und noch am selben Tag verhaftete die Bremer Polizei vierzig kommunistische Funktionäre.2 Doch obwohl die Faschisten mit Terror und politischem Druck die Menschen einschüchterten, brachte die Wahl der NSDAP nicht die erhoffte absolute Mehrheit. In Bremen lagen die Nationalsozia- listen mit 32,6 Prozent sogar noch weit hinter dem Reichsdurchschnitt von 43,9 Prozent. Trotzdem hatte sich auch in der Hansestadt die politische Macht zugunsten der NSDAP verschoben. Bereits am 6. März traten die Führer der NSDAP als die neuen Herren auf. Sie forderten den Rücktritt der SPD-Senatoren, die Auflösung der Bürgerschaft, das Hissen der schwarz-weiß-roten und der Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus und die Einsetzung von Dr. Richard Markerts, eines NSDAP-Mitgliedes, als Polizeikommissar. Der Senat beug- te sich den Forderungen in allen Punkten. Die Bürgerschaftssitzungen, in denen die legislativen Voraussetzungen für die endgül- tige Machtübernahme in Bremen geschaffen wurden, fanden am 10. und 15. März statt. Auf der Sitzung am 15. März 1933 vollzog die Bürgerschaft ihre Auflösung. Die vorge- sehene Neuwahl wurde gar nicht erst durchgeführt. Stattdessen erhielten die Parteien entsprechend der vorangegangenen Reichstagswahlen vom 5. März Sitze in der Bürger- schaft zugeteilt. Am 5. April veröffentlichte die Weser-Zeitung die verkürzten Wahllisten der Parteien mit der Anmerkung: „Die hier genannten Personen gelten als gewählt.“ Damit gehörten die Sozialdemokratinnen Anna Stiegler, Clara Jungmittag und Hermine Bertold dem neuen Parlament an. Für die KPD galten nach dem oben beschriebenen Verfahren Berta Liedtke und Hermine Gautier als gewählt. Doch wurden in der Bürgerschaft die Sitze der Kommunisten „nicht zugeteilt“.3 Damit war der KPD auch in Bremen die legale Mitwirkung am politischen Leben genommen. Die Nationalsozialisten setzten ihren Kampf um die Eroberung der absoluten politi- schen Macht fort. Für den 12. November 1933 ordnete Hitler eine Volksabstimmung und die Neuwahl des Reichstags an. Zu dieser Wahl war nur noch die NSDAP zugelassen und es konnte nur noch über ihre Kandidaten abgestimmt werden. Einen abweichenden Wäh- lerwillen konnte man nur durch Fernbleiben von der Wahl – was viele schon nicht mehr wagten – oder durch einen leeren oder ungültig gemachten Stimmzettel ausdrücken. Doch an dem Ergebnis änderte das nichts. Im Reichstag saßen ab November 1933 nur noch Abgeordnete der NSDAP.

Die nationalsozialistische deutsche Frauengemeinschaft

Die Bremer Nachrichten charakterisierten die Zusammensetzung des Reichstags nach den Wahlen im November 1933 mit den Worten: „Dem neuen Parlament gehören – zum ersten Mal – nur Männer arischer Abstammung an. Frauen sind in dem neuen Reichstag nicht zu finden.“4 Damit war dieser Reichstag nicht nur ein Instrument zur Sicherung der NS-Herrschaft, er repräsentierte auch das neue auf Rassismus und Geschlechterungleich- heit beruhende Gesellschaftskonzept. Denn nach Auffassung der Nazi-Ideologen sollte die Bestimmung der Frau nicht darin bestehen, „um Stimmzettel und Parlamentssitze willen 1933–1945 191 dem Manne den Kampf bis aufs Messer anzusagen“, sondern ihre „heiligste und größte Aufgabe“ sei die „Reinerhaltung der Rasse.“5 Adolf Hitler beschrieb die neue Geschlechterordnung im NS-Staat in seiner Rede vor der NS-Frauenschaft6 am 8. August 1934:

„Wenn man sagt, die Welt des Mannes ist der Staat, die Welt des Mannes ist sein Ringen, die Einsatzbereitschaft für die Gemeinschaft, so könnte man vielleicht sagen, daß die Welt der Frau eine kleinere sei. Denn ihre Welt ist der Mann, ihre Kinder und ihr Haus. Wo wäre aber die größere Welt, wenn niemand die kleinere Welt betreuen wollte? […] Wir empfinden es nicht als richtig, wenn das Weib in die Welt des Mannes, in sein Hauptgebiet eindringt, sondern wir empfinden es als natürlich, wenn diese beiden Welten geschieden bleiben.“7

Adolf Hitler machte klar, dass im Nationalsozialismus Männer den Staat führen würden. Gleichzeitig versprach er den deutschen Frauen aber auch, dass sie ihre „kleine Welt“ eigenständig gestalten sollten. Diesem Mitwirken der Frauen kam eine wichtige politische Bedeutung für das Funktionieren des Nationalsozialismus zu. Ihre Aufgabe war es, für die Familie zu sorgen – und auch ihr politischer Einsatz war gefordert: Frauen wurden mobil gemacht zu freiwilligen Großeinsätzen auf Parteitagen und Massenveranstaltungen, sie führten Straßen- und Häusersammlungen durch, sie wurden zu Mütterschulungen ver- pflichtet und zu einem Heer freiwilliger Hilfskräfte für Dienstleistungen aller Art zusam- mengefasst. Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink beschrieb diese gut organisierte und aktive Frauengemeinschaft voller Stolz:

„Es ist das erste Mal, daß Frauen so für Frauen verantwortlich sind, für ihre Entwick- lung, für ihre Wesensart und ihre Pflichterfüllung dem Volksganzen gegenüber. Es ist auch das erste Mal, daß sich Frauen in so geschlossener Breitwilligkeit und Disziplin der Führung von Frauen anvertrauen.“8

In diesem Schulterschluss sollten unterschiedliche Lebenslagen, Interessen und Klassen- unterschiede zugunsten einer weiblichen Gemeinschaft, in der deutsche Frauen für den NS-Staat im Einsatz sind, verschwinden. Wobei die deutsche Frauengemeinschaft alle nichtdeutschen Frauen aus dem großen Gemeinschaftswerk ausschloss: Jüdinnen sowie Sinti- und Roma-Frauen galten als „anders“ und „minderwertig“, stigmatisierte „Nicht- arierinnen“. Aber auch deutsche Frauen wurden ausgesondert, wenn sie die Kriterien der Volks- gemeinschaft nicht erfüllten – was zum Beispiel Frauen mit sogenannten Erbkrank- heiten betraf, Behinderte, Homosexuelle oder wer durch seinen Lebenswandel auffällig wurde, sogenannte „Asoziale“. Genauso aussortiert wurde, wer sich aufgrund politischer Ansichten, religiöser Ausrichtung oder sexueller Orientierung nicht in die Volksgemein- schaft einfügte. Sie alle wurden benachteiligt, zur Zwangsarbeit verschleppt, verfolgt, ermordet.9 Gegen dieses „Programm“, das die Nationalsozialisten euphemistisch mit den Begrif- fen „Aufräumen“ oder „Säubern“ beschrieben, als handele es sich um einen häuslichen Vorgang und nicht um Rechtsbrüche und Morde, hatte die Mehrheit der Frauen nichts einzuwenden. Denn vieles, was die NS-Politik realisierte, hatten konservative Frauenorga- nisationen, kirchliche Frauengruppen bereits in der Weimarer Republik gefordert. Prinzi- 192 Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage piell war die Mehrheit der deutschen Frauen bereit, sich aktiv an der Ausgestaltung und Entwicklung des NS-Regimes zu beteiligen.10

Der deutsche Muttertag – ein nationalsozialistischer Feiertag für die deutsche Mutter

Die Nationalsozialisten trafen bei den Frauen, die die Rasse- und Erbgesundheitskrite- rien erfüllten – und das war bei weitem die Mehrheit der weiblichen Bevölkerung – auf breite Zustimmung. Denn allen Frauen, die in Mutterschaft und Mutterrolle ihre wich- tigste Lebensaufgabe sahen, bot das neue Regime eine gesellschaftliche und politische Aufwertung. Gemäß der nationalsozialistischen Rassenideologie erfüllten die „erbge- sunden“ Mütter eine historische Mission: Sie sicherten durch Gebären, Erziehung und Versorgung der Kinder den Erhalt und die Vermehrung der arischen Volksgemeinschaft. Diese Leistungen der deutschen Mutter zu feiern und zu würdigen, sah das NS-Regime als seine zentrale Aufgabe an. Sofort nach der Machtergreifung hieß es dazu im Völki- schen Beobachter: „Die nationale Revolution hat alles Kleinliche hinweggefegt! Ideen führen wieder. [...] Die Idee des Muttertages ist dazu angetan, das zu ehren, was die deutsche Idee versinnbildlicht: die deutsche Mutter! [...] Mit diesem Begriff ‚Mutter‘ ist ‚Deutschsein‘ ewig verbunden – kann uns etwas enger zusammenführen als der Gedan- ke gemeinsamer Mutterehrung?“11 Den geeigneten Rahmen für die kollektive „Mutterehrung“ fanden die Nationalsozia- listen im Muttertag. Den hatten, angeführt von der „Arbeitsgemeinschaft für Volksgesun- dung“, konservative und völkisch orientierte Gruppen bereits in der Weimarer Republik zu einem Bollwerk gegen die „zersetzenden Mächte“ der sozialdemokratischen und kommu- nistischen Frauen und deren Forderungen nach Geburtenplanung und Abschaffung des § 218 gemacht.12

Der „Deutsche Muttertag“ in der Weimarer Republik

Die Muttertagsbewegung der Weimarer Zeit war die konservative Reaktion auf eine begin- nende Liberalisierung der Sexualmoral und die Forderung nach Abschaffung des § 218. Die Muttertagsfeiern richteten sich gegen die emanzipierte „Neue Frau“ und deren Auf- lehnung gegen die tradierten Geschlechterordnungen. Die Propagandisten des „deutschen Muttertags“ – wie sie ihn nannten – forderten die Rückkehr zur traditionellen Frauenrolle. Sie hielten die Berufstätigkeit von Müttern für ein Übel. Der wahre Frauenberuf, dessen Sinn in der Muttertagsfeier „tief“ erfasst werden sollte, sei es, „an der Seite des Mannes Priesterin an seinem Herde und Mutter seiner Kinderschar zu sein.“13 Solche Formulie- rungen machen deutlich, dass schon in der Weimarer Republik das Muttertagskonzept kultisch-religiöse und rassistisch-völkische Vorstellungen enthielt. Die gesamten Inszenie- rungen zum Muttertag waren Teil eines bevölkerungspolitischen Konzepts, das auch in dem Begriffspaar „Deutscher Muttertag“ zum Ausdruck kam. Den Propagandisten des Muttertages ging es auch und bereits in der Weimarer Republik nicht bloß um die Er- 1933–1945 193 munterung der Bevölkerung, mehr Kinder zu bekommen, sondern um die Förderung im erbbiologischen Sinne „einwandfreien Nachwuchses“.14 An diese Vorstellungen konnten die NS-Ideologen nahtlos anschließen. Die Initiatoren und Gestalter des Muttertages vor 1933 hatten ideologische Vorarbeit geleistet und Brü- cken zum Nationalsozialismus gebaut. Mit dem Muttertag bot sich den Nationalsozialisten eine Tradition, die sie nicht umdeuten oder von den alten Germanen herbeireden mussten, den Muttertag brauchten sie nur aufzuwerten.15

„Der neue Geist der Muttertage“

In der Bremer Nationalsozialistischen Zeitung (BNZ), dem Organ der NSDAP, wurde am 14. Mai 1933 „der neue Geist des Muttertages“ beschworen.

In ihrem Artikel in der Bremer Nationalsozialistischen Zeitung begrüßte die Leiterin des Mütterdienstes der evangelischen Reichsfrauenhilfe, Klara Schloßmann-Lönnies, die neue Staatsmacht und appellierte an die Mütter:

„Überall soll man dem Volke und den Frauen sagen: Weil Du Mutter bist, bist Du das wertvollste Glied unseres Staates. Alles, was Männer heute leisten für einen neu- en Staat, kann nur von Segen sein, wenn Du aus deinem Blute jene Generationen schaffst, die den neuen Staat bevölkern werden. Alles, was heute Staat ist, kann nur Frucht werden, wenn Du Deine Kinder im Geiste und im Wollen auf diesen neuen Staat vorbereitest.“16 194 Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage

Klara Schloßmann-Lönnies begrüßte den neuen Staat emphatisch, weil er endlich den Wert der Mutter erkannt habe und dieser eine besondere Stellung in der Volksgemein- schaft einräume. Daraus erwachse den Frauen eine neue politische Verantwortung: Sie hätten den Auftrag, „aus ihrem Blute“ neue Generationen zu schaffen, welche die Arbeit der Männer fortsetzen könnten. Als Mutter habe sie deshalb die Verpflichtung, die Kinder auf diese Aufgaben im Staate vorzubereiten. Dass eine führende Vertreterin der evangelischen Kirche die faschistische Ideologie in der Öffentlichkeit vertrat, war für die Nationalsozialisten gute Propaganda. Ein solcher Beitrag konnte noch abseits stehende weibliche Kirchenmitglieder überzeugen, sich in der Frauenarbeit des neuen Regimes zu engagieren. Bereits ein Jahr später, zum Muttertag 1934, hatten die Nationalsozialisten die Führung bei der Gestaltung der Muttertage übernommen. In einem Schreiben der Reichspropagan- dastelle Weser-Ems an die Reichsstatthalter in Oldenburg und Bremen vom 30. April 1934 wurde „gebeten, dafür zu sorgen, daß der Muttertag 1934 sich deutlich von den früheren Muttertagen unterscheidet. Mit sämtlichen in ihrem Bezirk in Betracht kommenden Orga- nisationen und Verbänden ist sofort Fühlung aufzunehmen und sie sind auf die Richtlinien zu verpflichten. [...] Es soll keine Kaffee- und Kuchenabspeisung stattfinden, es soll viel- mehr ein Tag der Familie werden, der die Mutter in den Mittelpunkt stellt. Beurlaubungen der etwa im Sonntagsdienst befindlichen Ehemänner, ferner bei der SA und SS, der Kinder bei der HJ [Hitlerjugend] und dem BDM [Bund Deutscher Mädel] sind zu erwirken. Öffent- liche Ehrungen sollen insbesondere den Müttern von Gefallenen des Krieges und der Na- tionalen Revolution sowie kinderreichen Müttern zuteil werden. [...] In sämtlichen Kirchen muß an diesem Tag das Thema ‚Mutter‘ und ‚Mutterschaft‘ von der Kanzel besprochen werden. [...] Die Theater können vielleicht in den Dienst der Sache gestellt werden. [...] Ich bitte die Spitzen der Behörden und Organisationen, ihre nachgeordneten Dienststellen an- zuweisen, daß sie sich wegen der Gestaltung des Muttertages mit den jeweiligen örtlichen Hoheitsträgern der Partei [...] in Verbindung setzen wollen. Heil Hitler.“17 Dieses Rundschreiben informierte die NSDAP-Stellen, die Schulen, Kirchen und Be- hörden, dass der Muttertag in Zukunft im nationalsozialistischen Sinne umzugestalten sei. Außerdem sollten bevorzugt Mütter geehrt werden, deren Söhne im Krieg gefallen waren oder Mütter von Nationalsozialisten, die bei den Straßenkämpfen in der Weimarer Republik ums Leben gekommen waren. Über die Umsetzung dieser Anweisungen fanden sich keine Berichte in der Bremer Presse. Allerdings sorgte Reichspropagandaminister Josef Goebbels – der seit 1934 die Vorbe- reitungen der Muttertage leitete – dafür, dass die Presse zum Muttertag regelmäßig über nationalsozialistische Initiativen oder neue Einrichtungen zur Unterstützung der deut- schen Mütter die Öffentlichkeit informierte. Zum Muttertag 1934 wurden die „Richtlinien für das Reichsmütterdienstwerk“ und die „Sommeraktion Mutter und Kind“ bekannt ge- geben. Am Vortag zum Muttertag 1935 wurde die „Reichsausstellung des Frauenwerks“ in Düsseldorf eröffnet und Propaganda gemacht für die Straßen- und Haussammlung zur Unterstützung der Mütterschulungs- und Haushaltungskurse des Reichsmütterdienstes.18 Damit bewies die NSDAP, dass am Muttertag nicht nur Reden zu hören waren, sondern auch konkret etwas für Mütter getan wurde. Goebbels setzte zum Muttertag auch das Propagandainstrument der „Reichssen- dungen“ ein. Dabei wurde die Rede eines hohen NS-Funktionärs in allen Bereichen des Deutschlandsenders übertragen, sodass sie von den bei einer Feier Versammelten, aber auch an jedem „Volksempfänger“ mitgehört werden konnte.19 Zum Muttertag des Jahres 1934 sprach Innenminister Dr. Frick. Mit dem Hinweis auf die Ehrenfeiern für die deut- 1933–1945 195 sche Mutter hob dieser die Notwendigkeit der Steigerung der Geburtenzahlen hervor und betonte den bevölkerungspolitischen Zweck der Ehe. Die Geburt eines Kindes sei nicht länger eine private Angelegenheit eines Ehepaares, sondern ein bevölkerungspolitischer Akt, denn dieses Kind sei „berufen […], die Ahnenreihe deutschen Blutes“ fortzusetzen. In diesem Sinne sei auch der nationalsozialistische Muttertag kein intimes Familienfest mehr, sondern die Mutter werde geehrt als „Familienhort des Volkes, als Hüterin des Erb- stroms“.20 Der Minister macht klar, dass für den NS-Staat die Zeugung und Geburt von Kindern ein zentrales politisches Thema sei. Deshalb sei auch die Feierstunde zu Ehren der deutschen Mutter am Muttertag ein öffentlicher politischer Festakt.21 Im Jahr darauf 1935 zelebrierte die NS-Frauenschaft Bremens die Feierlichkeiten. Am 12. Mai 1935 berichtete die Sonntagsausgabe der Bremer Zeitung (Bremer Zeitung)22 – so der neue Name der Bremer Nationalsozialistischen Zeitung (BNZ) – über „die Feierstunde der NS-Frauenschaft am Vorabend des Muttertages“. Der Bericht schilderte in vielen Ein- zelheiten den neuen Charakter dieser NS-Feierstunden. Im Mittelpunkt stand ein Vortrag zum Thema „Mutter und Kind“, in dem das „starke Muttertum“ gepriesen wurde, „aus dem das Volk seine edelsten Kräfte“ und „Helden zieht“. Anschließend wurde der regie- rende Bürgermeister mit Beifall begrüßt. Er betonte, dass nach der „marxistischen Zeit“ die „kämpferischen Männer“ wieder „mütterliche Frauen“ an ihrer Seite hätten, die ihnen „Ruhe und Kraft“ in „ihrem Kampf“ gäben. „Wir wissen, was wir an unseren Frauen und an unseren Müttern haben, sie sind uns heilig.“ Entsprechend beendete der Bürgermeister sei- ne Rede mit der rituellen Formel von der „heiligen und unvergänglichen deutschen Mutter.“ Die Redebeiträge wurden vom Kindersprechchor und einer Reihe von Musikstücken umrahmt. „Domorganist Richard Liesche beschloß die Reihe der Darbietungen mit einer machtvoll ausklingenden Bach‘schen Fuge. Die Kreisfrauenschaftsleiterin beendete den Abend mit kurzen Worten und einem Heil auf Deutschlands größten Sohn Adolf Hitler. Gemeinsam sangen alle die beiden Hymnen des deutschen Volkes [das Deutschlandlied und das Horst-Wessel-Lied].“23 Am Ablauf der Feierstunden lässt sich erkennen, dass die Nazis Strukturelemente aus den Veranstaltungen zum Frauentag übernommen und mit faschistischen Inhalten gefüllt hatten. So gab es zum Abschluss statt der Kampflosungen jetzt den Ruf auf das Heil des Führers und an die Stelle der Internationale traten das Deutschlandlied und das Horst- Wessel-Lied. Weiter wurden Anleihen bei der christlichen Religion gemacht – die Häufung religiöser Vokabeln und großer Worte wie „Liebe“, „Opfer“ und „Helden“ sollte der Mutter- verehrung besondere Bedeutung und Weihe verleihen. Die Frauen der Kreisfrauenschaft hatten den anwesenden Müttern „reiche, gehaltvolle und nachdenkliche Stunden“ bereitet. Jedenfalls behauptete das der Bericht in der Parteizeitung.24 Der Ablauf der Feierstunde und die dargebotenen Inhalte zeigten das Grundmuster der neuen quasireligiösen „Müt- terehrungsfeier“25, wie sie in den folgenden Jahren ablaufen sollte. Durch die Anleihen bei der Kultur der Arbeiterbewegung oder der Religion wurde außerdem bei den Teilnehme- rinnen das Gefühl erzeugt, an einer ihnen vertrauten Veranstaltung teilzunehmen. Parallel zur zentralen Feier fanden auch in den Arbeitervororten Mütterfeiern statt. Die Bremer Zeitung konnte von Feststunden aus Hastedt, der Altstadt und der Neustadt be- richten. Überall hatten sich die Mütter versammelt. Ein Parteifunktionär und ein Vertreter des Reichsbundes der Kinderreichen hielten Ansprachen, auch hier wurden Gedichte vor- getragen. Bei den Frauen in der Neustadt gab es Kaffee und Kuchen und alle Versamm- lungen waren „gut besucht“, berichtete die Bremer Zeitung vom 12. Mai 1935. Die Nationalsozialisten hatten vor 1933 in den Arbeiterquartieren nicht Fuß fassen können. Jetzt nutzten sie die Muttertagsfeiern, um sich auch dort zu präsentieren. Außer- 196 Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage dem hofften sie mit den Feiern für die Arbeitermütter, diese für die Mütterpolitik des NS- Regimes zu gewinnen. Die Feierstunden sollten eine Gegenposition zu den Internationalen Frauentagen sein, die in diesen Stadtteilen ihre größte Anhängerschaft gehabt hatten. „Hüterinnen deutschen Schicksals!“ – unter dieses Motto hatte Reichsinnenminister Dr. Frick seine Rundfunkrede zum Muttertag am 15. Mai 1938 gestellt. Die Bremer Zei- tung brachte am Montag, dem 16. Mai, auf der Titelseite eine Zusammenfassung. In seiner Rede erläuterte Dr. Frick die politische und ideologische Ausrichtung der Frauen- und Mutterpolitik des NS-Staates. Er betonte erneut, dass Mutterschaft im Dritten Reich kei- ne private Angelegenheit der einzelnen Frau sei, sondern der staatlichen Aufsicht und Kontrolle unterliege. Zwar habe der Staat mit vielen Hilfsangeboten und Unterstützungen die deutschen Familien seit Jahren gefördert, doch „daneben soll das Ehegesundheits- gesetz, das die biologischen Voraussetzungen für die Gründung erbgesunder Familien schaffe, die Grundlage einer Erbpflege darstellen, indem es die Belastung der Familien und Mütter mit lebensuntüchtigen Nachkommen verhütet.“26 Jede Beeinträchtigung des „deutschen Volkskörpers“ sollte durch die gesetzlich geregelte Verhinderung der Fortpflan- zung von Menschen mit einer echten oder angeblichen Erbkrankheit sowie von rassisch und sozial unerwünschten Menschen unterbunden werden. Das, was Frick in seiner Rede euphemistisch „Erbpflege“ nannte und was daherkam als Entlastung der Familien von „lebensuntüchtigen Nachkommen“, wies deutlich auf die Planungen hin, die im Jahr 1938 vorangetrieben werden sollten – auf die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“27, auf die Mordaktion an Säuglingen, Kindern, Behinderten, Kranken und Alten, der bis zum Kriegs- ende hunderttausende Menschen zum Opfer fallen sollten.28 Die Bremer NSDAP hatte für den Muttertag 1938 ein besonderes Projekt in Auftrag gegeben: „In Verbindung mit dem Rundbau des Ehrenmales, mit seinen zehntausend Namenssteinen gefallener Bremer Soldaten“ auf der Altmannshöhe am Oster- deich wurde das „Bremer Ehrenmal der deutschen Mutter“ errichtet. Zum Muttertag berichtete die NS-Presse über die fast fertig gestellte überlebens- große Plastik. In dem Artikel wurde besonders die enge Verbindung der deutschen Mutter „als der ewige Born des Lebens“ mit dem „Opfermut des deutschen Mannes“ hervorgehoben.29 In der NS- Ikonographie trat neben das Bild des Soldaten, der die Volksgemeinschaft schützte und wenn nötig auch sein Leben dafür opferte, das Bild der Mutter, die mit jedem Kind, dem sie das Leben schenkte, das Fortbestehen der Gemeinschaft sicherte.30 Das Gesamtkunstwerk auf der Altmannshöhe führte den BesucherInnen diese Verbindung von Krieg und Mutterkult der NS-Ideologie vor Augen. Fünfzig Jahre später, am Muttertag 1988, veran- stalteten Bremerinnen der Neuen Frauenbewegung auf der Altmannshöhe ein Happening, „in dessen

Eine Aufnahme der Altmannshöhe in der Bremer Lehrer Zeitung vom Juni/Juli 1988.32 1933–1945 197

Verlauf das Ehrenmal der Deutschen Mutter als Sinnbild der faschistischen Muttergestalt – Gebärerin neuer Kriegergenerationen – schwarz verhüllt wurde.“31 Die Bremerinnen woll- ten sich über den symbolischen Akt von diesem Mutterbild verabschieden.

Das Ehrenkreuz der Deutschen Mutter

Den Höhepunkt des nationalsozialistischen „Mutterkults“ bildeten die Mutterkreuzverlei- hungen, die ab 1939 stattfanden. Weihnachten 1938 war Hitlers „Stiftung des Ehrenkreu- zes der Deutschen Mutter“ als ein „sichtbares Zeichen des Dankes des Deutschen Volkes an kinderreiche Mütter“ in der Öffentlichkeit vorgestellt worden.33

2.925 Ehrenkreuze wurden in Bremen verteilt.34

Es gab einen regelrechten Ansturm auf die Ehrenkreuze. 1939 wurden allein in Bremen 2.925 Ehrenkreuze verliehen. Die Einführung der staatlichen Auszeichnung, die aus- schließlich an das weibliche Geschlecht gebunden war, verfolgte in erster Linie bevölke- rungspolitische Ziele – die Ehrenkreuze hatten eine eindeutig „biologische Funktion“35: Mit Mutterkreuzen bedacht wurden Mütter, deren „Deutschblütigkeit“ und „Erbtüchtig- keit“ außer Frage standen36. Über ein aufwendiges Prüfverfahren wurden die „fremdras- sigen“ und „minderwertigen“ Frauen und Mütter ausgesondert, um damit zugleich den (rassischen) Wert der Geehrten zu erhöhen.37

Abbildung des Mutterkreuzes und Urkunde mit Unterschrift von Adolf Hitler. 198 Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage

Die Mutterkreuzkampagne war auch Teil der ideologischen Kriegsvorbereitung. Schon visuell erinnerte das Mutterkreuz an einen militärischen Orden und in den politischen Er- klärungen wurde der Zusammenhang ausdrücklich hervorgehoben: „Die deutsche Mutter soll den gleichen Ehrenplatz in der deutschen Volksgemeinschaft erhalten wie der Front- soldat, denn ihr Einsatz von Leib und Leben für Volk und Vaterland war der gleiche wie der des Frontsoldaten im Donner der Schlachten.“38 Das Mutterkreuz sollte ein Orden sein, der die „Gebärleistungen“ der Mutter mit den „Kriegsleistungen“ der Soldaten gleichstellte. Die Auszeichnung galt als Statussymbol, das ihren Trägerinnen in der Öffentlichkeit An- erkennung und Respekt verschaffte.39 Dafür gewannen die Kriegsplaner eine Gefolgschaft von Millionen Müttern40, mit deren Ergebenheit und Zuverlässigkeit an der Heimatfront sie für den kommenden Krieg rechneten.

Kriegsmuttertage 1939–1944

Die Mobilisierung der Frauen und ihre Einbeziehung in die Kriegsvorbereitungen wurden offensiv vorangetrieben. Eine Woche vor den Mutterehrungsfeiern 1939 fand der „Tag der Frau im Luftschutz“ statt. Dem entsprechenden Aufruf der Bremer Kreisfrauenschaft zu dieser Veranstaltung waren viele Frauen gefolgt. „Der kleine Saal der Centralhallen war bis in die Ränge hinauf überfüllt.“ Der Redner betonte, dass „die Frau gerade im Luft- schutz gleichwertig an die Stelle des Mannes“ treten müsse, wenn dieser fehle.41 Mit diesen Worten, die von den Anwesenden mit großem Applaus bedacht wurden, deutete sich eine neue Orientierung in der propagierten Geschlechterordnung an. Galt in der NS-Doktrin die Frau und Mutter bisher noch als das vom Mann und Soldaten zu beschützende Gut, so wurde hier im Jahr 1939 erklärt, dass Zeiten zu erwarten seien, in denen die Männer „feh- len“. In dem zu erwartenden Krieg würden die Geschlechtertrennung und die Begrenzung des Handlungsraums für Frauen nicht aufrecht zu erhalten sein – solche Veranstaltungen dienten zur Einstimmung auf die kommenden Anforderungen an die Frauen. Bereits ein Jahr später, zum ersten „Kriegsmuttertag“, wie es in der Presse hieß, nahm die Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink eine Revision ihres Weiblichkeitskonzep- tes vor. Sie lobte das Engagement der Frauen und Mütter „im Kriegseinsatz“ mit dem gleichen Enthusiasmus, wie sie zuvor das Postulat „Die Frau gehört an den Herd“ gepredigt hatte. Jetzt standen die „treue Arbeiterin irgendwo in der Industrie“ und die vielen ehren- amtlichen Arbeitseinsätze von der Soldatenbetreuung über die Nachbarschaftshilfe bis zur Hilfsarbeit in den Behörden und bei der Lebensmittelausgabe im Mittelpunkt.42 Gertrud Scholtz-Klink fasste die veränderten Bedingungen im Leben der Frauen mit den Worten zusammen: „Es kommt heute allein darauf an, daß jede Frau auf einem Platz steht, der, wenn sie ihn nicht ausfüllt, eine Lücke darstellt in unserer Verteidigungsstellung.“43 Die Frauen waren aufgefordert, mehr als zuvor ihre Pflicht zu erfüllen – dabei wurde neben der Erwerbsarbeit der Frauen vor allem ihre Arbeit in der Rüstungsindustrie hervorgeho- ben. Gleichberechtigt wirkten Männer und Frauen zusammen „in unserer Verteidigungs- stellung.“ Diese Wende in der Weiblichkeitskonzeption war notwendig geworden, sollte doch in den kriegswichtigen Bereichen die Produktion ständig gesteigert werden, während gleich- zeitig mit der Einberufung der Männer die Arbeitskräfte immer weniger wurden. Da Hitler sich lange gegen die Zwangsverpflichtung von Frauen sträubte, setzte man auf Propagan- da, auf Mobilisierung der Frauen zum „Dienst am Volk“. 1933–1945 199

Neue Perspektiven für die deutsche Frau.44

So war der Muttertag 1940 zum Beispiel Anlass für die Parteipresse, über die Rüstungs- arbeiterinnen zu berichten. Es wurde vor allem hervorgehoben, dass die Arbeit dort die Frauen nicht überfordere und es wurde die positive Einstellung der Arbeiterinnen zu ihrer Arbeit betont. Doch alle Aktionen und Pressekampagnen, Frauen für die Rüstungsproduk- tion zu gewinnen, waren nicht erfolgreich. Stattdessen wurden mit Ausweitung des Krieges aus den besetzten Ländern FremdarbeiterInnen nach Deutschland transportiert, um die Lücken in den Betrieben zu stopfen.45 Doch noch ein anderes Problem beschäftigte die NS-Führung: Seit Beginn des Krieges war die Geburtenrate drastisch gesunken.46 Die Nationalsozialisten versuchten, dem weite- ren Absinken unter anderem bei den Muttertagsfeiern entgegenzuwirken.

Gegen Kriegsmüdigkeit – Kinderkriegen.47

Die Bremer Zeitung veröffentlichte zum Muttertag einen Leitartikel mit dem Appell an die Frau, sich durch den Krieg nicht von ihrem „Willen zum Kind“ abbringen zu lassen, denn es gelte „das starke Weiterbestehen des Volkes [durch weitere Geburten] und damit die letzte Sinngebung dieses Krieges“ zu sichern.48 Während bisher immer die Rede davon ge- wesen war, dass der Krieg für die Kinder und Enkel geführt werden musste, sollten 1944 nun umgekehrt die noch zu gebärenden Kinder dem Krieg einen Sinn geben. Darüber hi- naus wurde der Muttertag genutzt, die Frauen und Mütter zum Durchhalten zu ermutigen und der wachsenden Resignation entgegenzuwirken. Dieses politische Ziel verfolgte auch der Artikel in der Bremer Zeitung vom 21. Mai 1944. Aus Anlass des Muttertages wurde über die Arbeit des Bremer Mütterdienstes berichtet. Die Institution des Mütterdienstes war in der NS-Zeit die zentrale Fortbildungseinrichtung, bei der nahezu alle deutschen Frauen und Mütter irgendwann in ihrem Leben Kurse 200 Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage belegt hatten und geschult worden waren. Zum Muttertag 1934 waren die Richtlinien des Reichsmütterdienstes bekannt gegeben worden und in den folgenden Jahren wurde ein umfassendes Erziehungs- und Schulungsprogramm entwickelt: Allgemeine Schulung, Haushaltsführung, Mutter und Kind, Gesundheits- und Krankenpflege waren die Themen, über die Frauen auf ihr Leben als Hausfrau und Mutter im Nationalsozialismus vorbereitet wurden. Überall in Deutschland waren Schulungsstätten entstanden und auch Bremen hatte eine eigene Mütterschule gebaut. Als die Bremer Zeitung zum Muttertag 1944 die Einrichtung besuchte, war das Ge- bäude „ein Opfer des Bombenkrieges geworden“. Doch die Schulleitung hatte sich durch die Zerstörungen nicht unterkriegen lassen. Schon bald „wies aus Trümmern ein Schild den Weg zu neu errichteten Schulungsräumen.“49 In dem Zeitungsartikel wurde besonders diese Entschlossenheit der Leiterinnen als Beispiel des Überlebenswillens hervorgehoben. Die Zeitung konnte berichten, dass weiterhin Schulungen stattfanden und auch die Müt- terberatung aufrecht erhalten wurde. Dieser Beitrag zum Muttertag sollte die Leserinnen der Bremer Zeitung zum Durchhalten und zu weiteren Anstrengungen anspornen. Doch tatsächlich war der Muttertag 1944 der letzte NS-Muttertag.

Zeichen des Widerstands gegen Faschismus und Krieg – Frauentage 1933 bis 1945

Für die Kommunistinnen und Sozialdemokratinnen endete mit der nationalsozialistischen Machtübernahme die legale politische Arbeit. Doch es gab in KPD und SPD aktive Grup- pen von Frauen, die die politische Arbeit – auch in Bremen – trotz Verbot und Verfol- gung fortsetzten. Diese Aktivistinnen hatten in der Weimarer Republik für das politische Selbstbestimmungsrecht der Frau gekämpft, an den Internationalen Frauentagen vor der frauenfeindlichen Politik der Nazis gewarnt und in Flugblättern und Zeitungsartikeln die menschenverachtende rassistische Ideologie bekämpft. Ihre Überzeugungen und ihre poli- tische Praxis standen im unvereinbaren Widerspruch zu Ideologie und Politik der Natio- nalsozialisten. Sie wollten ihren Beitrag dazu leisten, die Naziherrschaft möglichst bald zu beenden.50

Die Bremer Kommunistinnen im Widerstand

Seit dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 wurden KommunistInnen überwacht und verfolgt. Zahlreiche Funktionäre mussten untertauchen. Aus anderen Orten reisten Ge- nossInnen an, die in Bremen versteckt werden mussten. Das hatte oft für die Unterstütze- rInnen gravierende Folgen: „Anfang Juli wurden in einer Woche in Bremen 29 Personen wegen kommunistischer Betätigung und wegen Beherbergung flüchtiger Kommunisten verhaftet.“51 Trotzdem bildeten sich immer wieder Widerstandsgruppen. Die Partei setzte alles daran, die organisatorischen Strukturen aufrechtzuerhalten Bremer Zeitungw. wie- derherzustellen. Daneben investierte sie außerdem große Anstrengungen in die Produk- tion und Verbreitung illegaler Zeitungen und Flugblätter. In jedem dieser Bereiche arbeiteten Frauen mit. Dabei trat unter den extremen Be- dingungen der Unterdrückung und Verfolgung das Ungleichgewicht zwischen den Ge- 1933–1945 201 schlechtern noch deutlicher hervor. So waren in den Leitungen kaum Frauen vertreten, ihre Arbeitsschwerpunkte standen häufig im Zusammenhang mit ihrer Hausfrauen- und Mutterrolle: Sie waren in der Wohngebietsarbeit tätig sowie in Bereichen, in denen klassi- sche Fertigkeiten wie etwa das im Widerstand so wichtige Schreiben auf einer Schreibma- schine benötigt wurden. Außerdem nutzten die Kommunisten, dass Polizei und Gestapo Frauen politisch weniger ernst nahmen und so eine weibliche Begleitung bei Reisen und Kontaktaufnahmen den Anstrich eines harmlosen Ausflugs oder Besuchs gab. Für den Aufbau der illegalen Parteiorganisation waren die privaten Netzwerke und Kon- takte der Frauen von großem Nutzen. Dass die Frauen sich gegenseitig besuchten, gehör- te zu den alltäglichen Gewohnheiten der Arbeiterfamilien. Nachdem die Nazis die Macht übernommen hatten, wurden bei solchen Besuchen auch Mitgliedsbeiträge kassiert und Spenden für die Familien der Inhaftierten eingesammelt. So übernahm beispielsweise in der Bezirksleitung des Jahres 1934 Erna Brinkmann52 die Bezirkskassierung. Dabei diente ihre Wohnung auch als Treffpunkt für Sitzungen der Bezirksleitung. Zu Beginn des Jahres 1935 wurde die gesamte Parteiorganisation festgenommen, sie war durch einen eingeschleusten Spitzel verraten worden. Erna Brinkmann wurde am 12. Januar 1935 verhaftet.53 Genauso arbeiteten viele Frauen in den Untergruppen der Straßenzellen der Partei als Kassiererin. Karoline („Lina“) Schwartz „baute das Kassenwesen der ihr unterstellten Zellen des Stadtteils [Bremen Neustadt] auf“. Im gleichen Stadtteil arbeitete wenig später auch Martha Ruff als Unterkassiererin. Gleichzeitig mit dem Kassieren wurden illegale Zei- tungen von und an die GenossInnen weiterverteilt.54 „Das Schreiben der Texte auf Wachs- matritzen übernahm Alma Gross, die dazu in die Wohnung der Geschwister Gabriely ging, wo eine Bodenkammer zur Verfügung stand.“ In derselben Wohnung lebten zeitweilig auch wichtige Funktionäre, „die Alma Gross Rundschreiben und Artikel diktierten.“55 Wichtig war dann, dass die Schriften auch verbreitet wurden. Die Frauen spielten bei dem Trans- port und der Verteilung innerhalb der Stadt eine besondere Rolle. „Mal kam ein Pack Zeitungen in den Kinderwagen unter das Baby, mal in die Fahrradtasche. Die Zeitungen steckte man auch in Hausbriefkästen. […] Oberstes Prinzip war, die illegalen Schriften so breit wie möglich zu verteilen.“56 Immer wieder beendeten Polizei und Gestapo mit einer Verhaftungswelle die Aktionen. Die mühevolle Arbeit, abgerissene Kontaktketten wieder neu zu knüpfen, begann von vorn. Es gelang sogar, neue Aktivistinnen zu gewinnen. Zwei junge Frauen, Selma Vöge und Henni Kastens, waren durch persönliche Beziehungen mit der KPD in Verbindung gekommen. Henni Kastens half bei der Herstellung von Flugblättern, bewahrte Material auf und begleitete Genossen auf Fahrten nach Oldenburg und Wilhelmshaven. Sie brachte außerdem einen gefährdeten Genossen in der Wohnung ihrer Eltern unter. Zwar kam es zum Jahresende 1936 wieder zu zahlreichen Verhaftungen, doch „Henni Kastens und Selma Vöge konnten ihre Tätigkeit bis Juli 1937 fortsetzen.“57 Während der ganzen Zeit wurden sie bespitzelt. Im Bericht an das „Geheime Staatspolizeiamt“ hieß es: „Schon 1936 war bekannt geworden, das der Instrukteur58 für seine Vertretung in Bremen Mädchen eingesetzt hatte, die für ihn, wenn er in Holland längere Zeit festgehalten wurde, die abgemachten Treffs abliefen, auch Material verteilten und Nachrichten entgegennahmen.“59 Trotz des Verrats durch Gestapospitzel und durch Folter erpresste Aussagen fanden sich immer wieder Frauen und Männer zusammen, um den Widerstand fortzuführen. Nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion 1941 wurde eine Widerstands- organisation von Hamburg aus mit Kontakten im gesamten norddeutschen Raum auf- gebaut.60 Um auch in Bremen eine Anlaufstelle zu schaffen, kam im Frühjahr 1942 der Genosse Richard Heller nach Bremen. Er war bereits vor 1933 in Bremen Parteifunktionär 202 Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage gewesen und genoss Vertrauen unter den Genossen. Heller wandte sich mit seinem Anlie- gen an Maria Bücking (später verheiratete Krüger)61. Maria Bücking unterhielt in der Nähe des Hafens eine Leihbücherei, mit der sie sich und ihre beiden Söhne durchbrachte. Heller fragte bei ihr an, ob sie damit einverstanden wäre, dass ihre Bücherei als Verbindungsstelle zur Hamburger Zentrale genutzt würde. Maria Bücking berichtete über dies Zusammentreffen in einem Interview im Jahr 1983: „… dann war er weggefahren und hatte mich dasitzen lassen, indem er sagte: Wir wollen deinen Laden als Anlaufstelle haben. […] Er hat gesagt: Entscheide Dich, bis ich wiederkomme. In vier Wochen werde ich wohl wiederkommen. Aber du weißt, du bleibst uns immer lieb und wert als Genossin, auch wenn du das ablehnst, daß dein Laden die Anlaufstelle wird, denn dann ist das Problem gelöst. Aber eins bitte ich dich genau: Ja oder Nein, aber nicht Jein. Das allerdings. Und dann habe ich da also diese vier Wochen geses- sen; und einen Tag war ich fest überzeugt, das zu tun, die Verbindung mit Heller weiter- zuführen, und nächsten Tag gucke ich meine Kinder an und sagte mir, du tust es nicht.“62 Die Anfrage hatte bei Maria Bücking einen tiefen Konflikt ausgelöst. Sie ernährte mit ihrer Bücherei sich und ihre beiden Söhne. Ihr Mann, Hans Bücking, war gerade zum zweiten Mal verhaftet worden und verbüßte eine Zuchthausstrafe. Mit der Einbeziehung ihrer Leihbücherei in den aktiven Widerstand riskierte sie die Existenz und die Zukunft ihrer Kinder. Die Entscheidung wurde ihr von der Gestapo abgenommen. Im Oktober 1942 kam es in Hamburg unter den Mitgliedern der Widerstandsorganisation zu Verhaftungen. Auch die Bremer GenossInnen, die mit Richard Heller Kontakt gehabt hatten, wurden verhaftet und der Hamburger Gestapo übergeben – darunter auch Maria Bücking. Die Mutterehrung und die „Heiligkeit der Familie“ galten nicht für deutsche Frauen im Widerstand. Maria Bücking wurde nach Hamburg ins Gefängnis eingeliefert und im anschließenden Prozess zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt. Ihre beiden Söhne standen ohne Eltern da, konnten aber von Großeltern und Tanten aufgenommen werden.63 Widerstand gegen die NS-Diktatur bedeutete eben immer auch, die Familienmitglieder in Gefahr zu bringen. Diesen Konflikt hatten vor allem die Frauen auszutragen, gerade, wenn der Ehemann bereits im Widerstand war oder sogar in Haft. Das ließ viele Frauen zögern, sich allzu sehr zu exponieren.

Der Widerstand der sozialdemokratischen Frauen

Im April 1933 nahm der Terror der Nationalsozialisten gegen die politischen Gegner auch in Bremen weiter zu. Mit Verhaftungen und Hausdurchsuchungen richtete er sich unter anderem gegen die SPD. Das Reichsbanner, die Selbstschutzorganisation der SPD, so- wie die Eiserne Front, die antifaschistische Sammlungsbewegung der Sozialdemokraten, wurden verboten. Am 18. April wurde zum zweiten Mal das Gewerkschaftshaus besetzt und trotzdem rief der Vorstand des ADGB die KollegInnen zur Teilnahme an den von den Nazis organisierten Maidemonstrationen auf. Der ADGB-Vorstand glaubte durch An- passung den Fortbestand der Organisation zu retten.64 Und auch der SPD-Vorstand ver- hielt sich ähnlich. Einerseits verbrannte der Parteivorstand der SPD die Mitgliederkartei, damit sie nicht den Nazis in die Hände fiel, andererseits arbeiteten die Abgeordneten der SPD weiterhin in der Bürgerschaft mit. Die Funktionäre waren sich in der Einschätzung der Lage und über die einzuschlagende Taktik nicht einig. Viele zogen sich aus Angst 1933–1945 203 zurück, unter den Mitgliedern verbreitete sich Resignation. Am 28. April 1933 forderte der Polizeisenator die Vorstände der SPD, der Sozialistischen Arbeiterjugend sowie den Arbeitersamariterbund auf, innerhalb von einer Woche die Mitgliederlisten wiederherzu- stellen und auszuliefern. Darauf reagierte der Vorstand am 3. Mai mit einem Rundbrief, in dem er erklärte, dass er die Namen und Anschriften nicht herausgeben werde und er rief die Genossinnen und Genossen auf, „die engste Freundschaft untereinander“ zu bewah- ren und damit ein „heroisches Beispiel proletarischer Solidarität“ zu geben. Doch eine Orientierung oder gar Perspektive für die weitere Arbeit enthielt der Brief nicht. Den NS-Kommandos genügte dieser Rundbrief, um einzugreifen. Der Parteivorstand und andere führende GenossInnen wurden noch im Mai festgenommen. Das Parteibüro und die Druckerei wurden besetzt und das Parteivermögen beschlagnahmt.65 Zumindest die Gesta- po war vom Erfolg ihres Vorgehens überzeugt, wie der Bericht von Juli 1933 belegte: „Wesentlich anders als bei der KPD ist die Lage in der SPD, dem Reichsbanner und an- deren marxistischen Organisationen. Wie das behördliche Vorgehen gegen diese Verbände bewiesen hat, war es mit der eigentlichen Kampfkraft dieser Organisationen nicht weit her.“66 Innerhalb der Partei hatten sich Unsicherheit und Ratlosigkeit ausgebreitet. Gegen die- se Resignation ergriff Anna Stiegler die Initiative und begann mit praktischer Arbeit. Sie hatte bereits anlässlich ihres Geburtstags im April 1933 Gelder zur Unterstützung der Familien von Reichsbannerleuten, die nach den Reichstagswahlen im März verhaftet wor- den waren, gesammelt. Nach der Verhaftung der Vorstandsmitglieder wurde eine breite Spendenaktion eingeleitet. Anna Stiegler organisierte die Kassierung unter den Frauen. Sie wurde von den Genossinnen Luise Karstens, Hermine Bertold und Dora Lange unter- stützt, die bereits in den zwanziger Jahren zum aktiven Kern der sozialdemokratischen Frauenbewegung in Bremen gehört hatten. Aus dieser Hilfsaktion und aus privaten Zusammenkünften entwickelte sich die illegale Frauenorganisation der SPD in Bremen. Über den Aufbau und die Entwicklung der illega- len Frauenarbeit berichtete Anna Stiegler im Herbst 1934 an den Exilvorstand der SPD.67 Ihre Arbeit sah sie zunächst darin, die „eingeschüchterten und versprengten Frauen, die treu zur Überzeugung standen“, wieder zusammenzuholen. Die Sozialdemokratinnen hat- ten in den Jahren der Weimarer Republik in den Arbeiterwohngebieten ein Frauennetz- werk aufgebaut und genossen das Vertrauen der Hausfrauen. Daran konnte sie anknüpfen. Nach einer ersten Zusammenkunft im Licht- und Luftbad auf dem Stadtwerder im Juni 1933 organisierten sie gemeinsame Ausflüge mit den Fahrrädern oder zu Fuß. Sie fuhren mit dem Motorboot oder dem Zug nach Worpswede. „An diesen Ausflügen nahmen ins- gesamt mehr als siebzig Frauen teil.“ In den Wintermonaten trafen sich die Frauen zu privaten „Geburtstagsfeiern“ in den Wohnungen. Meist kamen zehn bis fünfzehn Frauen. Jemand aus dem Führungskreis der illegalen Organisation hielt einen politischen Vortrag und anschließend wurden Erfahrun- gen ausgetauscht. Diese Gespräche gaben den Frauen in ihrem Alltag Orientierung und Halt. Denn ihr Umfeld, insbesondere die Kinder, waren den Einflüssen der NS-Propaganda ausgesetzt. Während den Männern im Betrieb und in der Kneipe Kommunikationsnetze zur Verfügung standen, waren die Frauen in ihren Haushalten auf sich allein gestellt. Da- gegen vermittelten diese Nachmittage bei Kaffee und Kuchen den Frauen das Gefühl von Solidarität – aus privaten Kaffeekränzchen wurden politische Schulungsnachmittage. Im Verlauf des Jahres 1934 wurde die Frauenarbeit zu einem bedeutsamen Teil der illegalen SPD-Organisation. Der Erfahrungsaustausch bestärkte die Frauen darin, sich nicht von der Politik und den ideologischen Kampagnen der Nationalsozialisten beeinflussen und unter Druck setzen 204 Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage zu lassen. Die SPD-Frauen bauten ihren politischen Aktionsrahmen weiter aus. Durch Kontakte zum Ausland konnte illegales Material beschafft werden, das von den Frauen in den Distrikten verteilt wurde. Selbst ein gemeinschaftliches sozialistisches Fest wurde veranstaltet. Wenn es schon keine Frauentage mehr geben durfte und der erste Mai von den Nationalsozialisten okkupiert worden war, dann musste eben die Sonnenwendfeier zur eigenen Festgestaltung herhalten. Anna Stiegler fasste den Stand und die Perspektive der illegalen Frauenorganisation in Bremen 1934 mit den Worten zusammen: „Wir sehen mit einiger Sorge den Aufgaben des Winters [1934/35] entgegen. Nicht etwa, weil wir uns den Aufgaben nicht gewachsen fühlen, nein, nur deswegen, daß unsere Kreise zu groß würden. Jedenfalls werden wir mit der bisherigen Vorsicht weiterarbeiten. Alles in allem können wir wohl sagen, daß die bre- mische sozialistische Frauenbewegung ziemlich intakt geblieben ist und zur gegebenen Stunde ihre Arbeit wieder aufnehmen kann.“68 Der Stolz, der aus diesen Worten sprach, war berechtigt. Es gab sicher nur wenige Wider- standsorganisationen der SPD, in denen der Anteil der Frauen so groß war wie in Bremen. Doch die optimistische Perspektive auf ein baldiges Ende der NS-Herrschaft, die aus diesen Zeilen sprach, erfüllte sich nicht. Kurze Zeit später wurde die gesamte Organisa- tion an die Gestapo verraten. Bereits im November 1934 begannen die Verhaftungen. Auch Anna Stiegler wurde in Untersuchungshaft genommen. Für die NS-Justiz stand fest, dass sie eine der aktivsten politischen Gegnerinnen war. „Die von ihr ausgehenden Fäden laufen zu fast allen Beschuldigten“, hieß es in der Anklageschrift.69 Die Folge waren „acht Jahre Zuchthaus für einen Genossen, fünf Jahre für mich, vier Jahre für zwei Genossinnen, drei Jahre für eine und eine wurde freigesprochen, zwei Jahre Ge- fängnis für meinen Mann“70 – mit diesen knappen Worten schilderte Anna Stiegler den Beginn ihrer elfjährigen Leidenszeit. Denn nach Verbüßung ihrer Haftstrafe wurde sie in das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück eingewiesen. Erst mit der Befreiung vom Nationalsozialismus 1945 hatten auch für Anna Stiegler die Jahre des Leidens ein Ende. Für Frauen wie Anna Stiegler sollte in der Volksgemeinschaft kein Platz sein, sie wurden in eigens dafür geschaffenen Lagern Folter, Hunger und Erniedrigungen ausgeliefert. Der Malik-Verlag in Prag71 veröffentlichte im Jahr 1937 die Dokumentation „Deutsche Frauenschicksale“, in der die Beteiligung der Frauen am Widerstand in Deutschland auf- gezeigt wurde. In der dort veröffentlichten Statistik waren für die Jahre 1935 bis 1937 über zweihundertneunzig verurteilte Frauen erfasst, darunter befanden sich auch die Frauen aus Bremen.

Liste mit den verurteilten Frauen aus Bremen.72 1933–1945 205

Die Idee des Internationalen Frauentages begleitet die Verfolgten im Konzentrationslager

Im Mai 1939 wurde das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück in Mecklenburg errich- tet. Die Lager Moringen bei Hannover (Oktober 1933 bis März 1938) und die Lichtenburg in Sachsen (Anfang 1938 bis Ende 1939)73 reichten nicht aus, um all die Frauen aufzu- nehmen, die von den Nationalsozialisten aus der Gemeinschaft der deutschen Frauen und Mütter entfernt werden sollten. Als „Hölle der Frauen“ ging das KZ Ravensbrück in die Geschichte der Konzentrationslager ein. Im Lauf seiner fast sechsjährigen Existenz waren dort weit über 100.000 Frauen aus über 20 Ländern inhaftiert.74 Nur etwa 40.000 entgingen der Vernichtung.75 Mit der Einlieferung ins Lager wurden die Häftlinge zu Unpersonen degradiert. Die In- haftierten verloren ihre Namen und bekamen Nummern und Stoffwinkel,76 die am Ärmel sichtbar zu tragen waren. Mit allen Methoden der Isolierung, des Hungers, der Folter wurde versucht, die Widerstandskraft der Frauen zu brechen.77 Nach dem Prinzip „Vernichtung durch Arbeit“ wurden die Mädchen und Frauen seit Beginn des Krieges als Sklavenarbei- terinnen vor allem in der Rüstungsproduktion eingesetzt.78 Das System des Konzentrationslagers zielte darauf ab, die Identität des Häftlings als Mensch zu vernichten. Gegen diese Zermürbungs- und Vernichtungsabsichten der SS bot der Zusammenhalt in einer Gruppe die wichtigste Voraussetzung zum Überleben. Nur mit der Unterstützung und Solidarität der Gruppe, die sich aus nationalen, politischen, religiösen, ethnischen oder persönlichen Motiven zusammen fand, hatte die Einzelne eine Chance, sich in dem mörderischen System zu behaupten. In Ravensbrück bildeten die kommunistischen Gruppierungen neben der Lagergemeinschaft der Polinnen die zweite größere Gemein- schaft. Die anfänglich kleine Gruppe deutscher Kommunistinnen wurde mit dem Eintreffen von Frauen aus immer mehr von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten größer und internationaler.79 Für alle diese Frauen hatte der Internationale Frauentag in ihrer früheren politischen Arbeit Bedeutung gehabt. Auch wenn die sprachliche Verständigung zwischen den verschiedenen nationalen Gruppen schwierig war, wurden die Zeichen und Symbole, ein rotes Stück Stoff, ein roter Faden am Kleid und das Datum 8. März international verstan- den. So verabredete man sich in aller Heimlichkeit, meist war es nicht mehr als ein kurzes Gespräch mit Gesten der Freundschaft und Zuneigung, ein rotes Tuch auf dem Tisch oder Bruchstücke von Liedern, gesummt beim stundenlangen Anstehen zum Appell.80 „Antifaschistinnen aus verschiedenen Ländern trugen, wenn sie über die Lagergrenzen gingen, am 8. März als Ausdruck ihres Bekenntnisses zu den Ideen des Internationalen Frauentages einen roten Nähfaden auf der Jacke der Häftlingskleidung. Er wurde von den Aufseherinnen und Wachmannschaften der SS nicht bemerkt, wohl aber von den gleich- gesinnten Mithäftlingen.“81 Alle diese Aktionen waren mit hohem Risiko behaftet. „Eine Entdeckung durch die SS“, erinnerte sich später eine der Beteiligten, „hätte unabwendbare Folgen haben können.“82 Trotzdem organisierten die Frauen die Begegnungen zum 8. März. Die Genossinnen be- stätigten sich gegenseitig, dass ihre Gemeinschaft weiterhin Bestand hatte; dass die ver- hassten Nazis ihren Zusammenhalt nicht hatte zerstören können. In einer Umgebung, in der der Gegner ständig seine Allmacht demonstrierte, war das ein kleiner Sieg, der den Frauen Selbstvertrauen und Hoffnung gab. Die symbolischen Gesten hielten die Erinne- rung an die frühere politische Arbeit und die GenossInnen in der Heimat wach. Jedes der geheimen Treffen war für die Frauen ein Beweis, dass der Gegner nicht unbesiegbar war. 206 Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage

Frauentagaktion von Zwangsarbeiterinnen in Bremen – 8. März 1943

Seit dem 1. September 1939 führte Deutschland gegen fast alle europäischen Länder Krieg. In Bremen, das seit 1933 zur Rüstungsschmiede Deutschlands geworden war, drehte sich alles um die Erhöhung der Rüstungsproduktion. Es herrschte Arbeitskräftemangel. Vor al- lem in den Betrieben der Flugzeug-, Automobil- und Schiffsbauindustrie fehlten die Arbeiter. Um diese Lücken zu schließen, wurden aus allen von deutschen Truppen besetzten Ländern Menschen nach Deutschland deportiert. Seit dem Einmarsch deutscher Truppen in die Sow- jetunion 1941 stellten die sowjetischen Arbeitskräfte „das A und O des Arbeitseinsatzes“ dar.83 Die ausländischen Arbeitskräfte waren auch in Bremen in allen Betrieben anzutreffen, im kleinen Familienbetrieb wie im Großunternehmen. Mit der Dauer des Krieges wuchs der Anteil ausländischer Frauen und Männer an den Beschäftigten. 1944 waren in Bremen „insgesamt 25.537 Ausländer (das war ungefähr ein Drittel der damaligen Wohnbevölkerung) […] im Arbeitseinsatz: 11.025 ‚Ostarbeiter‘ (Sowjetbürger), 5.772 Franzosen, 3.025 Niederländer, 2.402 Belgier, 1.067 Polen.“84 Die Masse dieser Arbei- terinnen und Arbeiter wurde unter primitiven und menschenunwürdigen Bedingungen in ca. 200 Lagern in Bremen kaserniert. Dabei wurden auch die ArbeiterInnen nach der NS- Rassenideologie klassifiziert. „Aus den Lagerakten sind die verschiedenen Stufen der Ent- rechtung deutlich aBremer Zeitungulesen. So wurden West-Arbeiter grundsätzlich besser als Polen und Ost-Arbeiter behandelt.“85 Gemäß den rassistischen Vorstellungen vom „Unter- menschen“ waren die als Ost-Arbeiter bezeichneten BürgerInnen aus der Sowjetunion, auf der untersten Stufe in der Rangordnung der Fremdarbeiter angesiedelt. Die Arbeiter wurden streng von der übrigen Bevölkerung getrennt, sie durften ihre Lager nicht verlassen und wurden in Marschkolonnen von ihren Unterkünften zu den Arbeitsstätten kommandiert und wieder zurückgebracht. 86 Seit 1943, als die Niederlage der deutschen Armeen sich aBremer Zeitunguzeichnen begann, mehrten sich unter den ZwangsarbeiterInnen die Fälle von oppositionellem Ver- halten bis hin zur Sabotage. Dabei war jede Form des Protestes, des Widerstandes mit hohen Strafen belegt, bei der kleinsten Regelverletzung wurde mit Arbeitserziehungslager und KZ gedroht. Trotzdem nahmen die Akte des Widerstandes zu.87 Zugleich versuchten deutsche kommunistische Widerstandskämpfer zu den auslän- dischen ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangenen Verbindungen herzustellen. Albert Oltmanns, KPD-Mitglied, arbeitete während des Krieges bei der Firma Borgward in Bre- men. Borgward war das Unternehmen mit dem höchsten Anteil ausländischer Arbeiter und Arbeiterinnen, darunter auch viele Ost-Arbeiterinnen. Albert Oltmanns hatte ein paar Worte russisch gelernt und zu einer Gruppe junger Frauen aus der Sowjetunion Kontakt aufgenommen. Deshalb wandten sich diese eines Tages an ihn mit der Bitte, er möge ihnen rote Stofffarbe besorgen. Den Grund wollten die Frauen nicht nennen, es sei ein Geheim- nis. Albert Oltmanns spannte seine Ehefrau und Töchter ein, in verschiedenen Geschäften der Stadt rote Farbe einzukaufen, die er dann den Frauen übergab.88 Wenige Tage später, wurden die Frauen wie immer in geschlossener Kolonne zum Fir- mengelände geführt und als sie dann aus der Umkleidekabine heraustraten und die Treppe zur Werkshalle herunterkamen, trugen die etwa einhundert Frauen statt der bisher weißen Kopftücher alle rote Tücher. Schweigend nahmen sie ihre Arbeit auf. Es gab überraschte Minen und Verunsicherung vor allem unter den Wachhabenden und Meistern. Einer davon fragte dann Oltmanns, „ob er wisse was das zu bedeuten habe“. Und Oltmanns äußerte die 1933–1945 207

Vermutung, dass den Frauen wohl die weißen Kopftücher zu schnell schmutzig geworden seien und „sie sich das Waschen erleichtern wollten.“ Die Antwort war wenig befriedigend, Verunsicherung und Unbehagen blieb bei den NS-Aufsehern zurück. Sie spürten, dass die Aktion der Frauen gegen die Nationalsozialisten gerichtet war, aber da sie den Zeichen- code nicht entschlüsseln konnten, übergingen sie die Angelegenheit letztlich. Auch Oltmanns selbst konnte sich die Sache zunächst nicht erklären und fragte eine der Frauen nach dem Grund der Kopftuchaktion. Sie erklärte: „Aber Albert, heut ist doch der 8. März!“ Die Antwort löste bei Oltmanns Betroffenheit aus: Er, der schon seit Jahren Mitglied der KPD war, hatte sich nicht mehr an den Internationalen Frauentag erinnert. Zehn Jahre nationalsozialistischen Terrors und Unterdrückung hatten die Traditionen der Arbeiterbewegung aus dem Bewusstsein der Arbeiter verdrängt.89 Insgesamt hatte die mutige Inszenierung der sowjetischen Kolleginnen Albert Oltmanns so sehr beeindruckt, dass er die Geschichte nicht vergaß. Anlässlich des Internationalen Frauentages 1956 berichtete er über die Ereignisse am 8. März 1943 in der Tribüne der Demokratie, der Parteizeitung der KPD.

Ein Internationaler Frauentag in Bremen 194390: „Bei Borgward am 8. März 1943: Alle Zwangsarbeiterinnen trugen rote Kopftücher. Eine mutige Demonstration zum Interna- tionalen Frauentag in der Zeit des faschistischen Terrors.“

An diesem 8. März hatten die jungen Fremdarbeiterinnen aus der bewachten Zwangsko- lonne, in die sie gepresst worden waren, eine Demonstration selbstbewusster, solidarischer Frauen gemacht. Sie wussten, dass an diesem Tag auch die Frauen in der Sowjetunion den Internationalen Frauentag begehen würden und sie drückten mit den roten Kopftüchern ihre Verbundenheit mit der Heimat und deren Frauenorganisation aus. Ihre Kopftuchak- tion war ein symbolischer Akt. Doch es war ein Akt der Selbstbehauptung. Die Arbeiterin- nen gewannen für einen Moment ein Stück Freiheit und Selbstbestimmung zurück.

Die Internationalen Frauentage im Londoner Exil – 1941 bis 1945

Nicht nur in Deutschland, in allen Ländern Europas, in denen deutsche Besatzungstrup- pen Einzug hielten, zwang der Terror der Nationalsozialisten auch Frauen, ihr Land zu verlassen und ins Ausland zu flüchten. London wurde auf diese Weise zu einem Sammel- punkt für antifaschistische Flüchtlinge aus verschiedenen europäischen Ländern. Sozialistinnen und Kommunistinnen nahmen schon bald nach ihrer Ankunft in England Kontakt zu ihren britischen Schwester- und Bruderorganisationen auf. Mit den englischen Partei- und Gewerkschaftsgruppen wurden Projekte entwickelt, um in der Öffentlichkeit auf die Verbrechen des NS-Regimes aufmerksam zu machen und zu zeigen, dass es gegen das menschenverachtende System der Nationalsozialisten und ihren mörderischen Krieg eine Internationale des Frauenwiderstandes gab. 208 Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage

Im März 1941 hatte Mary Sutherland, die Zentralsekretärin der Frauenorganisation der englischen Arbeiterpartei, eine internationale Veranstaltung einberufen.

Ausschnitt aus dem Bericht über die Kundgebung zum Internationalen Frauentag 1941.91

Zu einem „Frauentag mitten im Krieg“ waren Vertreterinnen der sozialistischen Frauen- organisationen aus vielen Ländern Europas in London zusammengekommen. Sie vereinte der Protest gegen den Faschismus und gegen den von Hitler ausgelösten Krieg. Aus jedem Land erhob eine Vertreterin ihre Stimme. Mary Sutherland „ruft eine Rednerin nach der anderen auf das Podium. Sie sprechen drei Minuten in der Sprache ihres Landes und weitere drei auf Englisch. Ein vielsprachiges Bekenntnis zur gleichen Idee. […] Jede der kurzen Reden klang aus in die künstlerisch eingefügte Begleitmusik der Arbeiterhymne des Landes, aus dem die Sprecherin stammte.“ Für Deutschland sprach Herta Gotthelf, die vor 1933 die Redaktion der sozialdemo- kratischen Frauenzeitschrift Die Gleichheit geleitet hatte. Diese Kundgebung gab ihr den entscheidenden Anstoß, mit anderen Migrantinnen aus Deutschland, der Tschechoslo- wakei, Belgien, den Niederlanden, Polen, Italien, Frankreich und Norwegen eine „kleine Fraueninternationale“ zu gründen.92 1933–1945 209

Die kommunistischen Frauen führten ihre Aktionen zum Frauentag getrennt von den Sozialistinnen durch. Anlässlich des 8. März 1943 richteten sie von London aus einen Aufruf an die Frauen in Deutschland, in dem sie auf die Bedeutung des Internationalen Frauentages hinwiesen. Er sei der Kampftag der Frauen aller freien Völker, die sich zusam- mengeschlossen hätten, um gegen „den schlimmsten Feind der Menschheit, den Faschis- mus zu kämpfen“. Dann listeten sie die Schreckenstaten auf, die die deutschen Soldaten auf Befehl Hitlers ausgeführt hatten: die Schändung und Ermordung von Frauen und Mädchen in der Sowjetunion, die Ausrottung ganzer Dörfer in den okkupierten Ländern und die Ermordung hunderttausender Juden im Namen des deutschen Volkes. Angesichts dieser Gräuel riefen sie die deutschen Frauen zum Umdenken auf: „Glaubt den Nazis kein Wort.“ Sie appellierten: „Macht Schluss mit diesem Krieg. […] Ihr seid es, die heute die Munition für Hitler produziert. Sabotiert die deutsche Kriegsmaschinerie. […] Stürzt Hitler und Ihr werdet in einem freien demokratischen Deutschland zusammen mit den Frauen der ganzen Welt den Internationalen Frauentag feiern.“93 Doch solche Ap- pelle blieben meist ungehört, denn Berichte aus dem Ausland konnten nur auf illegalem Weg nach Deutschland gelangen und die Gestapo verfolgte unerbittlich alle, die solche Nachrichten verbreiteten, wie die Beispiele der Bremer SozialdemokratInnen und Kom- munistInnen zeigten. Am 8. März 1945 – das Ende des Krieges stand unmittelbar bevor – wurden in vielen Städten Englands Veranstaltungen zum Frauentag durchgeführt. Die größte Kundgebung, wieder mit Vertreterinnen vieler Nationen, fand in der Albert Hall in London statt. Das Kernstück der Feier bildete die Verlesung einer Proklamation, der International Womans Charter, deren wesentlichen Gedanken und Forderungen waren:

„Die Frauen haben [nach ihren Leistungen in diesem Krieg] Anrecht auf den ihnen gebührenden Platz in der Gesellschaft. […] Es ist die Pflicht der Frauen sich ihre Vertretung im Rat der Völker zu sichern, ihre Stimme bei der Friedensgestaltung und dem Wiederaufbau internationaler Zusammenarbeit Gehör zu verschaffen. Wir wollen nirgends in der Welt mehr Massenelend dulden. Wir wollen der Ausbeu- tung von Industrie- und Landarbeiterinnen ein Ende setzen. Alle Kinder sollen unter menschenwürdigen Bedingungen geboren werden und aufwachsen. Es gilt, ihnen ein Dasein frei von Not, Furcht und Krieg, alle Vorbedingungen gesunder Entwicklung zu sichern. Wir Frauen fordern Zugang zu allen Tätigkeiten bei gleichem Lohn für gleiche Leistungen und gleiche Aufstiegsmöglichkeiten. Wir fordern Gleichberechtigung und wirkliche Demokratie. Der Internationale Frauentag richtet an alle Frauen der Welt einen Appell zur Einig- keit. Nur wenn wir einig sind, gehört uns die Zukunft.“94

Frauen unterschiedlicher politischer Richtungen hatten in dieser Charta die wichtigsten Frauenforderungen und zentralen politischen Positionen der Frauenbewegung zusam- mengefasst. Sie erhoben Anspruch auf gleichberechtigte Mitwirkungsrechte der Frauen beim Aufbau der neuen Weltgesellschaft und formulierten Standards für ein menschen- würdiges Leben von Frauen und Kindern. Adele Schreiber95, die ehemalige Reichstagsabgeordnete der SPD und seit 1939 Emig- rantin in England, berichtete über diese Veranstaltung und über den Inhalt der Internatio- nal Womans Charter in der Exil-Zeitschrift Freies Deutschland. Sie unterstützte die Forde- rungen der Charta und betonte, dass die Verbundenheit der Frauen „in dieser chaotischen Zeit ein Licht der Hoffnung“ sei. Zugleich sah sie Hindernisse, die einem gemeinsamen 210 Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage

Handeln entgegenstanden: Es müssten gegenüber den deutschen Frauen eindeutige Gren- zen gezogen werden. „Nur solche, die ehrlich gewillt sind, den demokratischen Idealen zu dienen und deren Haltung dies erhärtet hat“, seien willkommen zur gemeinsamen Nach- kriegsarbeit, „in Deutschland Faschismus und Militarismus auszurotten“. Vor allem war sie skeptisch, ob es gelingen würde, Uneinigkeit und Zersplitterung unter den deutschen Gegnern des NS-Regimes zu überwinden. Nach ihren Erfahrungen in der Emigration bestanden immer noch „alte Spaltungen in kleine und kleinste Gruppen.“ Viele Deutsche wollten außerdem nicht wahrhaben, „daß inzwischen eine Welt zusammenbrach und eine neue erstehen muß, daß die Zeiten gegenseitiger Bekämpfung, säuberlicher Tei- lung und Unterteilung, ordentliche Einreihung in nett etikettierten Kästchen vorbei sein müssen. […] Deutsche Einheitsfront würde bei den Gastländern Achtung erwerben und die Anerkennung deutscher Mitarbeit fördern. Vielleicht können die Frauen hier Brücken bauen.“ Diese „Einheitsfront der Frauen“, die Adele Schreiber erhoffte und gemeinsam mit vie- len anderen Frauen forderte, kam nicht zustande. Im Gegenteil vertieften sich in den Zei- ten des Kalten Krieges die Gräben zwischen den Frauen der Arbeiterbewegung.

Zwischenbilanz

Im NS-Regime gehörte der Internationale Frauentag zu den verbotenen und verfolgten politischen Konzepten der ArbeiterInnenbewegung. Dafür boten die Nationalsozialisten den deutschen Müttern den Muttertag. Überall in Deutschland fanden am zweiten Sonn- tag im Mai Muttertagsfeiern zur „Ehrung der deutschen Mutter“ statt. Diese staatlich or- ganisierte Feierstunde war der Höhepunkt eines quasi-religiösen Kultes, der darauf aus- gerichtet war, die arische und erbgesunde Frau, die ihre Lebensaufgabe in Mutterschaft und Mutterrolle sehen sollte, als „heilige Hüterin der deutschen Rasse und des deutschen Blutes“ zu feiern. Ein Ziel der „Mütterehrungsfeiern“ war die Steigerung der Geburtenrate bei deutschen Frauen. Gleichzeitig war der Muttertag ein Propagandainstrument, um die faschistische Ideologie der Widerherstellung und Reinerhaltung der deutschen Rasse im Bewusstsein der Frauen zu verankern. Die Feiern waren Ausdruck der Integration der Mehrheit der deutschen Frauen in das politische System des „Dritten Reichs“. Besonders durch die Verleihung eines nur den Müt- tern gewidmeten Ordens sahen sich deutsche Mütter anerkannt und bestätigt. Mit diesen Ehrungen der deutschen Mutter war untrennbar die rassenbiologische Aus- sonderung und Vernichtung „erbuntüchtiger“ und jüdischer Mütter verbunden. Auch deut- sche Mütter, die sich nicht der NS-Ideologie unterwarfen, erwartete Verfolgung, Zuchthaus und Konzentrationslager. Der Internationale Frauentag konnte als Projekt der ArbeiterInnenbewegung nur im Untergrund, in der Illegalität und außerhalb des Zugriffs der Nationalsozialisten weiter existieren. In den Berichten über die Widerstandsarbeit der Sozialdemokratinnen und Kommunistinnen in Bremen fanden sich keine Hinweise auf Zusammenkünfte zum Frau- entag. Die sozialdemokratische Frauengruppe organisierte ein Fest zur Sonnenwendfeier, ein unverfängliches, weil auch bei den Nazis beliebtes Fest. Davon abgesehen war bei der SPD das Datum für die Frauentagsveranstaltungen bisher jährlich vom Vorstand neu fest- gelegt worden. Da es nach dem Parteiverbot also keine Instanz mehr gab, die sich um diese Frage gekümmert hätte, gab es auch kein Anlass gebendes Datum mehr. 1933–1945 211

Die KPD dagegen orientierte sich klar am 8. März. Doch in der illegalen Arbeit be- stimmten Männer die politischen Schwerpunkte. Es fehlte an Führungsfrauen, die sich dafür einsetzten, den Frauentag als Agitationsinstrument in der Widerstandsarbeit zu nut- zen. Dem Internationalen Frauentag wurde im Widerstand der Bremer KommunistInnen keine weitere Beachtung geschenkt. Über Aktionen und Treffen zum Frauentag berichteten dagegen Frauen aus dem KZ- Ravensbrück und aus einem Zuchthaus. Es ist wahrscheinlich, dass gerade unter den Häft- lingen, die viele Jahre eingekerkert waren, weitere solcher Begegnungen stattfanden. Die Frauen wurden leider nie gezielt danach befragt. Aus den vorliegenden Berichten ist zu sehen, dass die kleinen illegalen Zusammenkünfte, das rote Stück Stoff, der kurze Aus- tausch über frühere Frauentage das Selbstvertrauen der Frauen und den Zusammenhalt der Gruppe stärkten. So hatten auch die Zwangsarbeiterinnen in Bremen in einem selbst- bestimmten demonstrativen Akt einen eigenen Gruppenzusammenhalt geschaffen und ihren Überlebenswillen bewiesen. In den Ländern, die nicht durch deutsche Truppen besetzt waren, hatten die sozial- demokratischen und kommunistischen Parteien die Tradition der Frauentage fortgesetzt. Die Emigrantinnen, die in diesen Ländern Asyl gefunden hatten, schlossen sich den Aktio- nen an. Mit Fortschreiten des Weltkrieges wurde der Internationale Frauentag zum Forum, in dem die verfolgten und emigrierten Frauen ihre Stimme erhoben, um die Weltöffentlich- keit auf die Verbrechen der deutschen Armee und der Nazis hinzuweisen. Sie formulierten Aufrufe an die deutschen Frauen, die manchmal über illegale Kuriere über den Rundfunk nach Deutschland gelangten. Sie organisierten internationale Netzwerke zwischen den Emigrantinnen zur gegenseitigen Unterstützung im Exil, aber vor allem mit der Perspekti- ve für die internationale Arbeit nach dem Krieg. Zum Frauentag 1945 hatte ein Bündnis von Frauen eine Frauencharta formuliert. Sie erhoben auf der Kundgebung in London ihre Forderungen nach der Teilhabe der Frau- en an der politischen und wirtschaftlichen Macht und der gleichberechtigten Teilnahme bei der Neugestaltung der Welt nach Beendigung des Weltkrieges. Die Verfasserinnen betonten dabei ausdrücklich, dass nur eine geeinte Frauenbewegung diese Ziele würde durchsetzen können. Diese Einigkeit war in kleinen Gruppen, manchmal in den Lagern und Zuchthäusern unter dem Druck der Verfolgung und des Terrors durch die Nazis zu- stande gekommen. Doch die Trennungslinien zwischen den Organisationen waren nicht überwunden. Die Frauen der Arbeiterbewegung gingen nach dem Krieg zurück in ihre Parteien und Gewerkschaften und folgten der jeweiligen Parteilinie. Diese Entwicklung und die während des Kalten Krieges wachsende Feindschaft zwischen den Frauen, die sich in den Aktionen und Versammlungen der Internationalen Frauentage spiegelte, werden im nächsten Kapitel geschildert. 212 Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage

Anmerkungen

1 Die Verordnung diente „zur Abwehr kommunistischer Gewaltakte“. Beschränkungen der per- sönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung, einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fern- sprechgeheimnis, Anordnungen von Hausdurchsuchungen und von Beschlagnahme sowie Be- schränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Gren- zen wurden für legal erklärt (§1). Diese „Reichstagsbrandverordnung“ schuf die Grundlage für Verhaftungen von KPD-Kandidaten zur bevorstehenden Reichstagswahl. Vor allem legitimierte sie alle Übergriffe gegen Personen und Vereinigungen, die der Umgestaltung Deutschlands im nationalsozialistischen Sinne wirklich oder angeblich im Wege standen. Der zweite Teil der Verordnung gab dem Reich das Recht, in die Regierung der Länder einzugreifen. Sie bildete die Grundlage für die und Zentralisierung des staatlichen Gefüges des Deutschen Reiches. Verordnung, zit. in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http//www.documentArchiv.de/ ns/rtbrand.html, Stand 14. März 2010. 2 Vgl. Marßolek/Ott, 1986, 110. 3 Zit. in: Hannover-Drück, 1991, 16. 4 Bremer Nachrichten vom 14. November 1933. 5 Rosenberg, 1941, 511. 6 Die Nationalsozialistische Frauenschaft (NSF) war die weibliche Sektion der NSDAP. Ihre Vorsitzende, Gertrud Scholtz-Klink (1902-1999), die „Reichsfrauenführerin“, war zugleich Lei- terin des Deutschen-Frauen-Werks (DFW), dem mehr oder weniger freiwilligen Zusammen- schluss aller deutschen Frauenverbände. Darüber hinaus leitete sie den Reichsfrauenbund des Deutschen Roten Kreuzes und ihr unterstand das neu gegründete Frauenamt der Deutschen Arbeitsfront (DAF). So hatten die Nationalsozialisten den größten Frauenzusammenschluss, den es je in Deutschland gegeben hatte, hergestellt. Gertrud Scholtz-Klink erklärte 1941, dass immerhin von den ca. 30 Millionen Frauen über 18 Jahren ca. sechs Millionen Frauen, d.h. jede fünfte Frau, in der NS-Frauenschaft oder im NS-Frauenwerk organisiert sei. Vgl. Benz, 1993, 12–15. 7 Adolf Hitler vor der Frauenversammlung des Parteitages 1934. Zit. in: Kübler u.a. 1980, 92. 8 Gertrud Scholtz-Klink im Jahr 1942, zit. in: Benz, 1993, 14. 9 Vgl. Benz, 1993, 19. 10 Zu diesem Thema liegen in der Zwischenzeit zahlreiche Studien vor. Für den vorliegenden Bei- trag lieferten die folgenden Arbeiten wichtige Hinweise und Informationen: Angelika Ebbing- haus (Hrsg.), 1987, Opfer und Täterinnen, Frauenbiographien des Nationalsozialismus; Claudia Koonz, 1991, Mütter im Vaterland; Leonie Wagner, 1996, Nationalsozialistische Frauenansich- ten. 11 Völkischer Beobachter vom 13. Mai 1933. 12 Im Kapitel 5, Abschnitt „Internationaler Frauentag versus Muttertag 1930“ wurde die Ausein- andersetzung der Sozialdemokratinnen mit dem Muttertag dargestellt. 13 Aus der Denkschrift zum Muttertag 1927, zit. in: Weyrather, 1993, 22. 14 Weyrather, 1993, 28. 15 Vgl. Weyrather, 1993, 32. 16 BNZ vom 14. Mai 1933. 17 Schreiben der Reichspropagandastelle Weser-Ems, zit. in: Schunter-Kleemann, 1991, 127. 18 Vgl. Weyrather, 1993, 49. 19 Vgl. Weyrather, 1993, 38. 20 Vgl. Hausen, 1982, 276; Die Zitate stammen aus den Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Volkgesundung. Zit. in: Weyrather, 1993, 38-39. 21 Vgl. Weyrather 1993, 39. 22 Die Bremer Nationalsozialistische Zeitung (BNZ) hieß seit dem 1. November 1933 Bremer Zei- tung (Bremer Zeitung). Vgl. Schwarzwälder, 1985, Bd. 4, 196. 23 Bremer Zeitung vom 12. Mai 1935. 1933–1945 213

24 Bremer Zeitung vom 12. Mai 1935. 25 So der NS-Ausdruck für die Veranstaltungen. Vgl. Weyrather, 1993, 9. 26 Bremer Zeitung vom 16. Mai 1938. 27 Vgl. Klee, 1993, 76ff. 28 Baader, 1991, 15–26. 29 Vgl. Bremer Zeitung vom 10. Mai 1938. 30 Vgl. Wagner, 1996, 84–85. 31 Bremer-Lehrer-Zeitung (BLZ) Juni/Juli 1988. 32 Bremer-Lehrerzeitung (BLZ) Juni/Juli 1988. 33 Reichsgesetzblatt vom 24. Dezember 1938, zit. in: Weyrather, 1993, 55. 34 Bremer Zeitung vom 14. Mai 1939. 35 So die Formulierung des Stabsleiters Martin Bormann in seiner Anordnung an die Parteifunk- tionäre vom 15. Dezember 1939, zit. in Weyrather, 1993, 66/67. 36 Vgl. Bremer Zeitung vom 14. Mai 1939. 37 Irmgard Weyrather hat in ihrem Buch „Muttertag und Mutterkreuz“ das Auswahlverfahren ausführlich geschildert. Vgl. dazu das Kapitel „Das Ehrenkreuz der Deutschen Mutter“, Aus- leseverfahren und bürokratische Erfassung, in: Weyrather, 1993, 55–84. 38 Mit diesen Worten wurde der Reichsärzteführer Wagner in einer bevölkerungspolitischen Schrift der NSDAP von 1940 zitiert. In: Weyrather, 1993, 152. 39 Vgl. Weyrather, 1993, 152ff. 40 Die Bremer Zeitung berichtete am 14. Mai 1939, dass 5½ Millionen Mutterkreuze „für alle in Betracht kommenden Mütter“ hergestellt würden. 41 Bremer Zeitung vom 14. Mai 1939. 42 Bremer Zeitung vom 17. Mai 1939. 43 Bremer Zeitung vom 17. Mai 1939. 44 Bremer Zeitung vom 18. Mai 1940. 45 Vgl. Wagner, 1996, 144–146. 46 Vgl. Bock, 1986, 143ff. 47 Bremer Zeitung vom 22. Mai 1944. 48 Bremer Zeitung vom 22. Mai 1944. 49 Bremer Zeitung vom 21. Mai 1944. 50 Der folgende Bericht über Verfolgung und Widerstand der sozialdemokratischen und kommu- nistischen Frauen in Bremen basiert auf der Auswertung der Untersuchung von Inge Marßolek und René Ott „Bremen im 3. Reich“, insbesondere auf den Kapiteln V, VI und X. 51 Schwarzwälder, 1985, Bd. 4, 95. 52 Über die Frauen, von deren Widerstandsarbeit hier berichtet wird, gab es keine weiteren Infor- mationen. Die Untersuchung von Inge Marßolek und René Ott, auf die sich mein Bericht stützt, konzentrierte sich ganz auf die Rekonstruktion des Widerstandes. Die Widerstandsarbeit wur- de aus Anklageschriften und Prozessakten erschlossen. So wird in der Studie zwar über die Verhaftung einzelner Frauen berichtet, über die Urteile und den weiteren politischen Weg aber nichts mitgeteilt. 53 Vgl. Marßolek/Ott, 1986, 257–261. 54 Marßolek/Ott, 1986, 259 und 260. 55 Marßolek/Ott, 1986, 247. 56 Marßolek/Ott, 1986, 247. 57 Vgl. Marßolek/Ott, 1986, 271. 58 Instrukteure stellten die Verbindung der Parteiführung zu den lokalen Gruppen her, lieferten wichtige Informationen und leiteten die politische Arbeit an. 59 Aus dem Lagebericht der Gestapo Bremen „über die illegale kommunistische und marxistische Bewegung für das Jahr 1937“, zit. in: Marßolek/Ott, 1986, 272. 214 Deutsche Muttertage versus Internationale Frauentage

60 Die Gruppe wurde von Hamburg aus von Bernhard Bästlein, Franz Jacob und Robert Absha- gen geleitet. Ihre Verbindungen reichten von Hamburg über Bremen, Thüringen und Sachsen nach Berlin. Die Gruppe hatte Stützpunkte in Hamburger Großbetrieben und Kontakte zu Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern. Im Herbst 1942 wurde die Gruppe weitgehend zer- schlagen. Vgl. Elling, 1978, 62. 61 Maria Krüger (1907–1987), geborene Fraedrich, geschiedene Bücking, wuchs in einem Bre- mer Pfarrhaushalt auf. Als Kindergärtnerin im Betriebskindergarten der Jutespinnerei lernte sie das Elend der Jutearbeiterinnen hautnah kennen. Durch ihren ersten Ehemann kam sie Ende der 1920er Jahre in Kontakt zur Kommunistischen Partei, 1931 wurde sie Mitglied der- selben. Ihr Ehemann wurde 1933 verhaftet und ihr wurde durch die Gestapo der Zutritt zum Arbeitsplatz verweigert, sodass sie Putzstellen annehmen musste. Zu diesem Zeitpunkt war Maria Bücking schwanger. Nach der Haftentlassung des Ehemannes baute sie sich mit einer kleinen Leihbücherei eine neue Existenz auf, mit der sie sich und ihre Kinder nach der er- neuten Verhaftung des Ehemannes durchbrachte. 1942 wurde sie wegen Kontakten zu einer illegalen kommunistischen Organisation zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt. Nach dem Krieg war sie wieder Mitglied in der KPD und später arbeitete sie im Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD). Bis zu ihrer Pensionierung arbeitete sie mit großem Engagement über 27 Jahre als Sonderschullehrerin, und von 1951 bis 1959 war sie Mitglied in der Bremischen Bürgerschaft. 1968 gehörte sie zu den MitgründerInnen der DKP. Noch wenige Monate vor ihrem Tod berichtete sie in der Volkshochschulreihe „Zeitzeugen der 50er Jahre“ über ihre Er- fahrungen in der politischen Arbeit. Vgl. Susanne Schunter-Kleemann, 1991, Maria Krüger, in: Cyrus, (Hrsg.). Bremer Frauen, 334–338. 62 Aus dem Interview mit Maria Krüger 1983, zit. in: Marßolek/Ott, 1986, 376. 63 Maria Krüger hat für das Buch von Hanna Elling, „Frauen im deutschen Widerstand“, einen persönlichen Erlebnisbericht über die Ereignisse 1942, ihre Verurteilung und die Haftzeit ver- fasst. Vgl. Maria Krüger in: Elling, 1978. 113–117. 64 Vgl. Achten, 1979, 264. 65 Vgl. Schwarzwälder, 1985, Bd. 4, 97–99. 66 Gestapobericht zur Lage Mitte Juli 1933, zit. in: Marßolek/Ott, 1986, 217. 67 Im Oktober 1934 verfasste der Vorstand der illegalen Bremer SPD einen „Situationsbericht an Sopade“ (Auslandszentrum der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands). Der Bericht wurde über Antwerpen an den Exilvorstand in Prag weitergeleitet. Der „Tätigkeitsbericht der Bremer Genossinnen über ihre illegale Organisationsarbeit“, den Anna Stiegler verfasste, war Teil des Situationsberichtes und bildet die Grundlage der folgenden Schilderungen. FES/AdsD, SOPADE 116. 68 Alle Zitate in diesem Abschnitt sind dem Bericht Anna Stieglers entnommen. FES/AdsD, SO- PADE 116. 69 Die Anklageschrift zitierte Renate Meyer-Braun in ihrem Portrait von Anna Stiegler. Vgl. Meyer- Braun, 1991, Anna Stiegler, 245. 70 Zu Anna Stieglers 80. Geburtstag veröffentlichte die BBremer Zeitung am 22. April 1961 ihren autobiographischen Bericht „Aus meinem Leben“. 71 Der Malik Verlag war in der Weimarer Republik das führende Editionshaus für links gerichtete Literatur. 1933 wurden der Verlag, seine Mitarbeiter und viele seiner Autoren aus Deutschland vertrieben. Der Verlag wurde bis zum Einmarsch der deutschen Truppen 1939 in Prag weiter- betrieben. Vgl. Elling, 1978, 43–51. 72 Elling 1978, 46–47. 73 Vgl. Schwarz, 1990, 168–169. 74 Vgl. Herzog/Strebel, 1994, 13. 75 Vgl. Elling, 1978, 41. 76 Die Farben der sogenannten „Winkel“ dienten zur Kennzeichnung der Häftlingsgruppe: rot = Schutzhäftling/politische Gefangene; blau = Ausweisungshäftlinge/Emigranten, Staatenlose; violett = Bibelforscherinnen/Zeugen Jehovas; grün = Berufsverbrecherinnen/BV-Kriminelle; schwarz = Asoziale. Vgl. Elling, 1978, 32. 77 Vgl. Laqueur, 1992, 43ff und Buber-Neumann, 1993, 278–280. 78 Vgl. Buber-Neumann, 1993, 303–305. 79 Vgl. Strebel, 1994, 85–86. 1933–1945 215

80 Vgl. Schmidt, 1950, 57. 81 Vgl. Scholze, 2001, 74. 82 Buchmann, 1955, 131. 83 Herbert, 1986, 164. 84 Marßolek/Ott, 1986, 413–414. 85 Marßolek/Ott, 1986, 415. 86 Vgl. Marßolek/Ott, 1986, 424–425. 87 Vgl. Marßolek/Ott, 1986, 422–423. 88 Vgl. Marß0lek/Ott, 1986, 422–423. 89 Alle Zitate dieses Abschnitts stammen aus dem Artikel in der Tribüne der Demokratie vom 1. März 1956. 90 Albert Oltmanns hat über diese Demonstration der russischen Frauen auch in seinem Inter- view mit der Forschergruppe zur Studie „Bremen im 3. Reich“ berichtet. Dort allerdings gab er das Jahr 1944 für die Kopftuchaktion an (vgl. Marßolek/Ott, 1986, 422), während er in diesem Artikel die Jahreszahl 1943 nennt. Die Differenz ist nicht mehr aufzuklären. 91 Der Bericht über die Kundgebung konnte erst nach dem Krieg veröffentlicht werden. Die Dar- stellung in diesem Text erfolgt auf der Basis der Veröffentlichung aus dem Jahr 1946 in: Bro- schüre der Sozialdemokratischen Frauen Österreichs zum Internationalen Frauentag 1946 (Archiv der Deutschen Frauenbewegung). 92 Herta Gotthelf (1902–1963) wurde in Breslau geboren und trat bereits mit 18 Jahren in die SPD ein. Nach Abitur und Banklehre war sie 1925 Volontärin beim Parteivorstand der SPD in Berlin. Danach arbeitete sie als Sekretärin von Marie Juchacz und ab 1926 als Redakteurin bei der Frauenzeitschrift Die Gleichheit. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte sie nach Großbritannien. Im Londoner Exil gelang es ihr, noch während des Krieges Sozialistinnen aus den unterschiedlichsten Ländern zu einer „kleinen Fraueninternationale“ zusammenzuführen. Sie kehrte 1946 nach Deutschland zurück, wo sie das Frauensekretariat beim Parteivorstand der SPD übernahm. Bis zu ihrem Tod 1963 war sie wieder verantwortliche Redakteurin der Gleichheit http://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/stichwort/gotthelf.htm vom 7. Januar 2011. 93 „Aufruf deutscher Kommunistinnen in Großbritannien, London, 8. März 1943“, abgedruckt in: Forschungsgemeinschaft, 1975, 134–135. 94 Auszug aus der Womans Charter 1945, die Adele Schreiber 1945 in ihrem Aufsatz „Einheits- front der Frauen“ wiedergibt. Zit. in: Hervé, 1979, 152–15. 95 Adele Schreiber-Krieger (1872–1957) wechselte als Vertreterin des radikalen Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung 1918 zur SPD und damit zur proletarischen Frauenbewegung. Sie war bis 1933 Reichstagsabgeordnete der SPD, emigrierte dann über die Schweiz nach England. 1947 kehrte sie in die Schweiz zurück. Vgl. Weiland, 1983, 246–247. 8.

Internationale Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1966 218 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland

Das folgende Kapitel, das den Zeitraum von 1945 bis 1966 umfasst, gliedert sich in drei Abschnitte. Es beginnt mit der Darstellung der Überlebensarbeit der Frauen in der Trüm- merstadt Bremen. Ganz Deutschland stand zu diesem Zeitpunkt unter der Kontrolle der Siegermächte. Die Stadt Bremen war seit dem 27. April 1945 besetzt und unterstand der US-amerikanischen Militärregierung. In dieser unmittelbaren Nachkriegszeit wurden auch in der Hansestadt die Frauen zu den wichtigsten Akteurinnen der Organisation des priva- ten Überlebens: Sie ernährten die Familie, sie beschafften die Unterkünfte, sie betreuten und erzogen die Kinder. Neben dem Einsatz für die eigene Familie bauten politisch engagierte Frauen einen eigenen Zusammenschluss auf, den Bremer Frauenausschuss (BFA), in dem sowohl die Frauenorganisationen der SPD und der KPD vertreten waren wie auch die wiedererstande- nen bürgerlichen Frauenvereinigungen. Die Frauen wollten beim Wiederaufbau eines anti- faschistischen Staates mitbestimmen, um „das Haus des Staates wohnlich zu gestalten“.1 Mit dem breiten Bündnis im BFA hatten sich die Frauen eine starke Organisation geschaf- fen, die in den Aufbaujahren in der Sozial- und Gesundheitspolitik wie in der bildungspoli- tischen Entwicklung in Bremen ihren Einfluss geltend machen konnte. Die Frauen waren auch deshalb erfolgreich, weil es ihnen gelang, ihre überparteiliche Zusammenarbeit über mehrere Jahre hinweg aufrechtzuerhalten. Der Aufbau der politischen Parteien gestaltete sich anders: Die Sozialdemokraten und die Kommunisten bauten ihre Parteiorganisationen getrennt voneinander wieder auf. Das anfängliche Zusammengehen in einem antifaschistischen Bündnis zerbrach im Jahr 1947. Im Lauf der Geschichte spaltete sich die Welt weiter in zwei Lager und die Polarisierungen der Ideologien bestimmten die politischen Verhältnisse auch in Bremen. Als die Bremer Kommunistinnen 1948 wieder zu einer Veranstaltung anlässlich des Frauentages einluden, herrschte bereits der Kalte Krieg. Die Kommunisten galten als Vor- hut der feindlichen Sowjetmacht, mit denen keine gemeinsamen Projekte mehr realisiert werden durften. So wiesen die SPD-Frauen eine Zusammenarbeit mit der KPD grund- sätzlich zurück. Damit wurden die Internationalen Frauentage wieder zu 8.-März-Veran- staltungen der Kommunistinnen und die Kundgebungen der Sozialdemokratinnen zum Frauentag fanden an wechselnden Terminen nach dem 8. März statt. Entsprechend gibt es in diesem Kapitel wieder zwei getrennte Berichte über die Ent- wicklung der Internationalen Frauentage – zuerst die Darstellung der Initiativen der KPD und ihrer Frauenorganisation, des Demokratischen Frauenbundes Deutschland (DFD), und darauf folgend die Schilderung der Kundgebungen der Sozialdemokratinnen. Am 7. März 1948 fand in Bremen die erste Veranstaltung zum Internationalen Frauen- tag seit der Kundgebung mit Tony Sender im Februar 1933 statt. Die Kommunistinnen hatten eingeladen. In einem Zeitungsartikel in der Parteizeitung Tribüne der Demokratie erläuterten sie ihre Forderungen und ihre Ideen zu einer neuen Frauenorganisation. Die Realisierung dieser Ideen stieß auf erheblichen Widerstand. Einerseits grenzte der wachsende Antikommunismus die Kommunisten immer mehr aus, andererseits trug aber auch der Dogmatismus, die ausschließliche Ausrichtung auf das sowjetische Vorbild in der eigenen Partei dazu bei, mögliche Bündnispartnerinnen und eher unpolitische Frauen abzuschrecken. Trotzdem hoffte die KPD, mit der Gründung eines Frauenverbandes nach dem Vorbild der DDR-Frauenorganisation eine neue Perspektive zu gewinnen. Auch wenn der Demokratische Frauenbund Deutschland (DFD) seine Unabhängigkeit betonte – seine politischen Initiativen blieben bestimmt von der Politik der KPD. Der DFD übernahm faktisch die Frauenarbeit der KPD. Er organisierte in den fünfziger Jahren die Internationalen Frauentage der Partei. Nach dem Verbot der KPD im Jahr 1956 und dem 1945–1966 219 wenige Monate später folgenden Verbot des DFD, gab es keine 8.-März-Aktionen der Kom- munistinnen mehr. Die Sozialdemokratinnen beschritten mit ihren Frauentagen andere Wege: Ein Jahr nach der ersten Veranstaltung der KPD organisierte die SPD-Frauengruppe einen sozial- demokratischen Internationalen Frauentag. Dabei orientierte sie sich am Konzept, das sich in der Weimarer Republik bewährt hatte: Die Feierstunde fand in der oberen Rathaus- halle statt, die Referentinnen stammten meist aus der politischen Führungsriege der SPD, und deren Redebeiträge wurden von einem Kulturprogramm umrahmt. In den 1950-Jah- ren bestimmten die Bedrohung durch die Rüstungspolitik der Siegermächte und die Angst vor einem atomaren Krieg die Themen. In Wahlkampfzeiten rückten die Auseinanderset- zungen der SPD mit der Politik der Adenauer-Regierung in den Mittelpunkt. Zeitgleich entwickelte das zentrale Frauenbüro für überregionale Frauentagsveranstal- tungen ein neues Kundgebungskonzept. An der westlichen Grenze der Bundesrepublik wurden mit den befreundeten Frauenorganisationen der Anrainerstaaten Grenztreffen durchgeführt. Die internationale Bedeutung des Frauentages wurde so für viele Frauen konkret erfahrbar. Dagegen waren die Kundgebungen an der östlichen „Zonen“-Grenze antikommunistische Protestveranstaltungen, in deren Verlauf Grußadressen an die Frau- en der DDR gerichtet wurden. Dieser Antikommunismus begleitete auch die Internationalen Frauentage in Bremen. Bis zum Verbot der KPD und des DFD veröffentlichte die Frauengruppe der SPD nahezu jährlich politische Erklärungen, die sich gegen die Veranstaltungen der KPD und des DFD richteten. Mit der Wandlung der SPD zur Volkspartei verlor der Internationale Frauentag als Tra- dition der Arbeiterbewegung immer mehr an Bedeutung. In den Jahren von 1960 bis 1966 fanden in Bremen zwar noch Veranstaltungen dazu statt, doch nach dem Ausscheiden der entsprechenden Frauen aus der Leitungsebene fehlten die antreibenden Akteurinnen, und der Frauentag verschwand – offensichtlich unbemerkt. 220 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland Die Reorganisation der politischen Strukturen in Bremen nach 1945

Der Zweite Weltkrieg und mit ihm die Diktatur der Nationalsozialisten endete für Bremen am 27. April 1945 mit der Besetzung durch britische und kanadische Truppen. Den ein- rückenden Soldaten bot sich der Anblick einer Ruinenlandschaft:

Bremen gehörte infolge der schweren Luftangriffe zu den vier Städten mit den stärksten Kriegszerstörungen.2 Zwei Tage nach der Besetzung durch die Briten übernahm die amerikanische Militär- regierung die Kontrolle über Bremen. Die US-amerikanische Regierung hatte sich bereits im Herbst 1944 darauf festgelegt, den Nachschub für ihre in Deutschland stationierten Truppen über die bremischen Häfen abzuwickeln und vereinbarte mit der Britischen Re- gierung, dass Bremen und seine Häfen eine amerikanische Enklave im Britischen Be- satzungsgebiet bilden sollten. Nachdem die amerikanische Militärregierung die politische Kontrolle im Bereich Bremen übernommen hatte, begann sie mit dem Wiederaufbau einer deutschen Zivilverwaltung und ernannte Anfang Juni 1945 den ersten bremischen Nach- kriegssenat.3 Dazu meldete sich eine Gruppe aktiver AntifaschistInnen zu Wort. Die Frauen und Männer aus dem Widerstand wollten an den politischen Entscheidungen über die Umge- staltung und den Wiederaufbau Bremens beteiligt werden. Die Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus (KGF) hatte sich noch während des Krieges mit dem erklärten Ziel ge- gründet, die bestehenden Differenzen zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten zu überwinden, um in der Arbeiterbewegung mit einer Einheitspartei und einer Einheitsge- werkschaft einen neuen Anfang zu machen. 1945–1966 221

Die KGF hatte im Verlauf des Monats September 1944 ein Aktionsprogramm formu- liert, das in einer überarbeiteten Fassung am 6. Mai 1945, in der ersten Ausgabe des KGF- Organs Der Aufbau veröffentlicht wurde. Die zentralen Forderungen waren: die Auflösung aller nationalsozialistischen Organisationen, die Entfernung der Nationalsozialisten aus den Ämtern, deren Besetzung mit Antifaschisten und die Wiederherstellung der Grund- rechte. Außerdem sollten Maßnahmen zur Erneuerung der Infrastruktur sowie zur Wohn- raum- und Nahrungsmittelbeschaffung ergriffen werden. Zur wirtschaftlichen Neuordnung wurde eine umfassende Demokratisierung der betrieblichen Strukturen unter Beteiligung der Arbeiter und Angestellten vorgeschlagen. Vor allem sollte das Bildungswesen von Grund auf demokratisiert werden.4 Damit war die KGF die erste politische Gruppierung, die sich den BremerInnen mit einem politischen Programm zur Umgestaltung und zum Aufbau Bremens präsentierte. Dieses Engagement linker Kräfte wurde von der amerikanischen Militäradministration respektiert, auch wenn ihr die „starke sozialistische Ausrichtung“ nicht behagte.5 So um- fasste der im Juni 1945 von der Militärregierung eingesetzte Senat zwar mehrheitlich Män- ner, die bereits während der Weimarer Republik in führenden politischen Positionen tätig gewesen waren6, doch die Amerikaner hatten auch zwei führende Repräsentanten der KGF in den Senat berufen. Während die KGF-AkteurInnen überall dafür warben, einheitliche Organisationen der Arbeiterbewegung zu schaffen, begannen auch in Bremen Kommunisten und Sozialdemo- kraten mit dem Wiederaufbau ihrer jeweiligen Organisationen. Am 20. Oktober 1945 wur- den beide Parteien von den Besatzungsbehörden wieder zugelassen. Die Parteiführungen hatten entschieden, dass es in den westlichen Besatzungszonen zwei Arbeiterparteien geben würde, zumal der spätere SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher kategorisch ein Zu- sammengehen mit der KPD ausschloss. Als dann in der sowjetischen Besatzungszone der Druck auf die Sozialdemokraten zunahm, sich mit den Kommunisten zur Sozialistischen Einheitspartei (SED) zu vereinigen, schwand auch an der Parteibasis der SPD in Bremen das Engagement für eine Vereinigung mit den Kommunisten.7 Angesichts dieser Situation beschlossen die Mitglieder der KGF im Dezember 1945 die Selbstauflösung. Die Gruppe musste eingestehen, dass ihr Projekt, die Spaltungen der Arbeiterbewegung zu überwin- den, gescheitert war. Mit den Parteigründungen und deren Zulassung durch die Militärregierung war die Grundlage zur Konstituierung der Bremer Bürgerschaft geschaffen worden. Am 13. Okto- ber fanden Wahlen zur Bürgerschaft statt und das erste gewählte Nachkriegsparlament konnte seine Arbeit aufnehmen. Unter den achtzig gewählten VolksvertrerInnen befanden sich acht Frauen: sechs von der SPD, eine von der KPD und eine Abgeordnete der Bremer Demokratischen Volkspar- tei (BDV). Mit einem Frauenanteil von zehn Prozent waren die Frauen als Mehrheit der damaligen Bevölkerung im entscheidenden politischen Gremium damit jedoch in keiner Weise angemessen vertreten.8 Doch angesichts drückender Alltagssorgen akzeptierten die Frauen die Vormachtstellung der Männer. Die politisch aktiven Frauen sahen den Fort- schritt, dass nach der Nazizeit überhaupt wieder Frauen im Parlament vertreten waren. Außerdem gab es in Bremen eine bedeutsame Neuerung: Bürgermeister Kaisen hatte mit der Kommunistin Käthe Popall eine Frau zum Senator ernannt – zum ersten Mal in der Geschichte des Bremer Senats war eine Frau Regierungsmitglied. Doch insgesamt war das Interesse der Frauen, sich an der politischen Arbeit zu be- teiligen, nicht sehr groß. Trotz wiederholter Appelle und Aufrufe über die Presse und den Rundfunk blieben politisch aktive Frauen, die sich in den Parteien, Gewerkschaften oder 222 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland im Bremer Frauenausschuss engagierten, eine Minderheit – die Mehrheit der Frauen war damit beschäftigt, das tägliche Überleben für sich und ihre Familie zu sichern.9

Die Überlebensarbeit der Frauen

Eine Zeitzeugin erinnerte sich noch vierzig Jahre später an den Moment, als die Kriegs- handlungen aufhörten und die Menschen aus den überfüllten Luftschutzbunkern heraus- kamen: „Als dann langsam der Krach abflaute, haben wir uns so wie Mäuse aus einem Mäuseloch heraus gewagt und haben uns am Bunker in die Sonne gesetzt. Wir haben die Sonne richtig genossen und die Ruhe nach dem Sturm. Es war ein wundervoller sonniger Tag.“10 Doch für die Frauen gab es nur eine kurze Atempause. Denn das Leben musste auch im zerstörten und besetzten Bremen weitergehen und in den Händen der Frauen lag die Verantwortung für die Organisierung des täglichen Überlebenskampfes. Durch die Bombardierungen waren in Bremen 42 Prozent des Häuserbestands von 1939 dem Erdboden gleichgemacht worden. Dabei hatten die Bomben vor allem die Arbei- terviertel, die in der Nähe des Hafens und der Industriestandorte lagen, völlig zerstört. Weit über 30.000 Personen, vor allem aus Arbeiterfamilien, hausten in völlig ungesunden Kellerräumen, zwischen Ruinen oder „in Parzellen und Landbuden“.11 Neben dem Bemühen, für die Familie ein Dach über dem Kopf zu besorgen, gehörte die Versorgung mit Essen zu den vordringlichsten Aufgaben der Frauen. Stundenlang standen sie für die rationierten Lebensmittel an, oft vor oder nach ihrer Erwerbsarbeit, gingen auf Hamsterfahrten und beackerten ihre Parzellen. Arbeiterfamilien waren in weit größerem Umfang von den Kriegsfolgen betroffen als das Bremer Bürgertum: Zum einen waren die Bürgerviertel kaum zerbombt worden und zum anderen verfügten diese Familien meist noch über Wertgegenstände, die auf dem Schwarzmarkt oder bei den Bauern gegen Lebensmittel eingetauscht werden konnten. Wer aus Arbeitsverdienst oder Vermögen zusätzliche Mittel zur Verfügung hatte, konnte es sich leisten, die überhöhten Preise auf dem Schwarzmarkt zu bezahlen. Über solche Reser- ven verfügten die Arbeiterfamilien nicht, sodass Unterernährung und Mangelkrankheiten weit verbreitet waren.12 Die unterschiedlichen Lebensbedingungen von Arbeiterfrauen und Frauen des Bürgertums waren in der Nachkriegszeit weiter eklatant.

Die politischen Frauenorganisationen Bremens der Nachkriegszeit

Der Frauenclub 1945

Als nach dem Ende der Kampfhandlungen der Wiederaufbau der Arbeiterorganisationen begann, waren daran auch die engagierten Frauen aus den Organisationen der Arbeiter- bewegung vor 1933 beteiligt. Sie organisierten zugleich eigene Zusammenschlüsse, um an- dere Frauen anzusprechen und sie für die Aufbauarbeit zu gewinnen. So entstand inner- halb der Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus der „Frauenclub 1945“. Im Juli 1945 1945–1966 223 veröffentlichte die KGF-Zeitung Der Aufbau einen Appell des Frauenclubs an die Frauen, sich am Aufbau einer antifaschistischen neuen Ordnung zu beteiligen. Wie die konkrete Arbeit des Clubs aussah, darüber fehlen Informationen. Die Bereiche, in denen er Mitspracherechte für Frauen forderte und in denen er selbst aktiv werden wollte, waren das Erziehungs- und Bildungswesen, die Einrichtung von Mütterberatungs- stellen und Kindertagesheimen, aber auch die Wohnraumvergabe sowie die Kontrolle und Überwachung von lebensnotwendigen Gütern.13 Der Frauenclub 1945 bestand nur wenige Monate. Er verschwand mit dem Ende der KGF, die sich – wie bereits dargestellt – im De- zember 1945 auflöste.14

Der Bremer Frauenausschuss (BFA)

Wie in vielen anderen deutschen Großstädten bildete sich zu Beginn des Jahres 1946 auch in Bremen ein Frauenausschuss. Die Initiative zur Gründung des BFA ging von Irmgard Enderle15 aus, die – aus dem Exil nach Deutschland zurückgekehrt – in der Redaktion des im September 1945 neu gegründeten Weser-Kuriers die Verantwortung für die Frauen- seite übernahm. Zu den weiteren Mitgründerinnen gehörten die Sozialdemokratin Anna Stiegler, die Liberale Agnes Heineken16, die Kommunistin Käthe Popall17 und die aus der Ottilie-Hoffmann-Bewegung18 kommende Anna-Klara Fischer19. Diese fünf Frauen hatten als geschäftsführender Vorstand den Aufruf an die Bremer Frauen unterzeichnet, der am 16. März 1946 im Weser-Kurier veröffentlicht wurde. Mit eindringlichen Worten wurde an die Bremerinnen appellierten, ihre resignative apolitische Haltung aufzugeben und sich gemeinsam mit anderen Frauen daran zu machen, „das Haus des Staates wohnlich zu gestalten“20. Der Frauenausschuss wollte mit seinen Aktivitäten die Aufbauarbeit der Männer unter- stützen und gemeinsam mit ihnen ein demokratisches Gemeinwesen errichten. Der BFA sah seine wichtige Aufgabe darin, Frauen aus allen Schichten und parteiübergreifend für die Mitarbeit an diesem Projekt zu gewinnen. Es war das erste Aufgabengebiet des Aus- schusses, „helfend, beratend, aufrüttelnd und mobilisierend“ unter den Bremer Frauen zu wirken, um eine Gesellschaft zu schaffen, „die frei von militaristischer und nationalsozia- listischer Anschauung ist“21. Besonders betont wurde die Erziehung der Jugend zum Frieden. Gefordert wurden außerdem die Gleichberechtigung der Frau in allen Bereichen und gleiche Chancen für Frauen im Berufsleben, Beteiligung von Frauen in Verwaltung und Politik, insbesondere in Fragen von Hauswirtschaft, Erziehung und Wohnungsbau. Aber die Forderungen bezogen sich ebenso auf aktuelle Probleme wie die Einführung der Schulspeisung, Bekämpfung des Schwarzhandels, gerechte Lebensmittelverteilung und die Einrichtung eines Heims für Wohnungslose. Diese aufgestellten Forderungen bildeten auch in den folgenden Jahren die Richtschnur für die Aktivitäten des BFA. Der Ausschuss hielt Beratungsstunden für Bürgerinnen ab und griff mit Petitionen und Eingaben in den politischen Entscheidungsprozess ein, um sich Gehör zu verschaffen.22 „Er entwickelte sich zu einer Organisation mit politischem Gewicht.“23 Die erfolgreiche Arbeit war auch darin begründet, dass es den Frauen gelang, die überparteiliche Zusam- menarbeit über Jahre hinweg aufrechtzuerhalten. Die allgemeine Notlage zwang die Frau- en dazu, zusammenzustehen, wenn sie etwas erreichen wollten. Außerdem behandelte der Frauenausschuss in erster Linie soziale Probleme und praktische Fragen, in denen die 224 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland gemeinsamen und überparteilichen Interessen im Vordergrund standen. Und es gab wohl die stillschweigende Übereinkunft, strittige Themen aus dem Frauenausschuss herauszu- halten.24 Allerdings zerbrach diese Zusammenarbeit dann unter dem Druck des Kalten Krieges und dem sich ausbreitenden Antikommunismus. Der Frauenausschuss, der immer seine parteipolitische Neutralität gewahrt hatte, grenzte sich nun gegenüber Kommunistinnen ab. Käthe Popall (KPD), eines der Gründungsmitglieder des BFA, wurde 1951 nicht wieder in den Vorstand gewählt. Zur Versammlung des BFA für die Erstwählerinnen anlässlich der Bundestagswahl 1953 wurde die Kandidatin der KPD nicht eingeladen. Der Antikommu- nismus bestimmte also auch hier die politischen Beziehungen. 1945–1966 225 Die KPD in der Nachkriegszeit und in den Zeiten des Kalten Krieges

Der organisatorische Aufbau der Partei nach der Legalisierung

Nach der Zulassung der KPD durch die amerikanische Militäradministration im Oktober 1945 wurden die bereits etablierten Parteistrukturen weiter ausgebaut. In den ersten Jah- ren bis zur Währungsreform stiegen die Mitgliederzahlen schnell an. Ende 1946 verzeich- nete die Partei bereits 2.700 Mitglieder, bis 1948 stieg die Mitgliederzahl auf rund 3.000.25 Zunächst hatten sich die Genossen und Genossinnen wieder zusammengeschlossen, die bereits vor 1933 Mitglied in der Partei gewesen waren. Sie bildeten den Kern der Aktivis- ten, die wesentlich die politische Arbeit in den Betrieben und Wohngebietsgruppen leis- teten. Aus dieser Gruppe rekrutierte die Partei ihre Führungskader. Sehr bald wurde ein Defizit aus der Zeit vor 1933 wieder sichtbar. „Frauen sind noch wenige vertreten“, stellte die Bezirksleitung Weser-Ems in ihrem Bericht vom 21. Februar 1946 fest.26 Trotz wieder- holter interner Kritik, trotz Parteitagsbeschlüssen kam der Frauenanteil der Partei – und das galt auch für Bremen – über 20 Prozent nicht hinaus.27 Wichtig für die Weiterentwicklung der Partei wurde die Gewinnung junger Mitglie- der unter dreißig Jahren. Das waren einerseits die jungen ehemaligen Wehrmachtsan- gehörigen, die zum Teil von den Antifaschistischen Frontschulen28 in den sowjetischen Kriegsgefangenenlagern geprägt waren. Ein anderer Teil stammte aus kommunistischen Familien, die jetzt erst mit ihren Kindern über ihre politischen Erfahrungen und ihre Parteizugehörigkeit reden konnten. Darunter waren auch junge Frauen wie Margot Ko- netzka, die erst nach dem Krieg erfuhr, dass ihr verstorbener Vater Mitglied der KPD gewesen war. Ihre Schwester und ihr Schwager hatten sich gleich nach Kriegsende in der KPD engagiert. Bei ihnen fand die Siebzehnjährige nach dem Tod der Mutter 1946 Auf- nahme. Über ihren Eintritt in die KPD berichtete sie: „Ja, und da bin ich mitgegangen in die Versammlung und dann in die Partei eingetreten, und von da an bin ich mein ganzes Leben aktiv gewesen.“29 Es gehörte zur Tradition der Arbeiterbewegung, dass sich in den kommunistischen oder sozialdemokratischen Familien auch die Kinder wieder in der Partei der Eltern organisierten. Nach den Jahren des Faschismus wurde diese Tradition in vielen Familien fortgesetzt. Außerdem bekam die KPD Zulauf „aus ehemals partei- und milieufremden Schich- ten“.30 Es gab einige, die hofften, dass die Mitgliedschaft in der KPD für die weitere Karriere nützlich sein könnte. Die KPD in Bremen verfügte wenige Monate nach der totalen Kapitulation bereits über eine solide Mitgliederbasis und eine funktionsfähige Organisationsstruktur.

„Ziel und Weg der KPD“ – Aufruf der Partei am 20. Oktober 1945: Programmatik und Frauenpolitik

Am 10. Oktober 1945 veröffentlichte der Weser-Kurier einen Aufruf der KPD „zu den poli- tischen Gegenwarts- und Zukunftsfragen.“31 Die KPD verstand sich als antifaschistische 226 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland

Partei, die sich am Wiederausbau eines demokratischen Deutschlands beteiligen wollte. Das machte sie auch in dem Vierzehn-Punkte-Programm ihres Aufrufs deutlich, das „erste und dringendste Aufgaben zum Aufbau unseres Landes“ benannte, wozu besonders die Bewältigung der Ernährungskrise, die gerechte Verteilung der Lebensmittel, die Schaffung von Wohnraum, die Organisation von Aufräumungsarbeiten und die Entschädigung für Kriegsopfer gehörten. Einen hohen Stellenwert wurde der Demokratisierung des Erzie- hungswesen beigemessen sowie der Entfernung der aktiven Nationalsozialisten aus Ver- waltung und Wirtschaft und die Überführung lebenswichtiger Betriebe (Wasser-, Gas- und Stromversorgung) in kommunale Regie. Im vorletzten Punkt wurde in knappen Aussagen zur Frauenfrage Stellung genommen: „Mobilisierung der Frauen und Mütter. Der Krieg nahm den Frauen Söhne und Männer. Die Frauen dürfen nicht vereinsamen und vergrämt beiseite stehen. Erfassung aller Frau- en und ihre Einreihung in die einheitliche antimilitaristische Kampffront. Mitwirkung der Frauen am Wiederaufbau und bei der Neugestaltung des Staates.“32 Diese Aussagen wa- ren sehr allgemein und pauschal formuliert – offensichtlich hatte die KPD noch nicht über ein eigenes Konzept für die Frauenarbeit nachgedacht. Das belegte auch der Bericht über die Frauenarbeit in Bremen, den ein Mitglied des Bezirksvorstandes auf der erweiterten Sekretariatssitzung des Zentralkomitees der KPD in Berlin im Januar 1946 vortrug: „Wir haben uns darauf konzentriert, die Frauen im Arbeiterhilfswerk […] zusammen mit den sozdem. [sozialdemokratischen] Genossen zu erfassen. Wir haben im Bezirk eine Reihe von Frauenausschüssen geschaffen, die sich mit dem Problem der Kinder, der zurückkehrenden Soldaten und der Flüchtlinge aus den östlichen Gebieten beschäftigen.“33 Den Kommunisten wie den Sozialdemokraten war die Bedeutung der Überlebensarbeit der Frauen bewusst und sie waren daran interessiert, diese Arbeit zu fördern – aber auch zu kontrollieren.34 Über die konkreten Maßnahmen hinaus suchten die GenossInnen in Bremen nach einer Perspektive für eine eigene Frauenarbeit. „Wir würden es begrüßen, […] wenn man eine Frauenbewegung ins Leben rufen könnte. Sie müßte allerdings auch in den westli- chen Sektoren auf allen Gebieten einheitlich ausgerichtet werden.“35 Dieses Projekt wurde erst Jahre später mit der Gründung des Demokratischen Frauenbunds Deutschland (DFD) realisiert. So blieb es zunächst dabei, dass sich die Kommunistinnen im Arbeiterhilfswerk, im BFA und auch in der Bürgerschaftsarbeit engagierten. Dass mit Käthe Popall eine Kommunistin das erste weibliche Senatsmitglied in Bremen wurde, trug mit dazu bei, das Ansehen der Kommunistinnen in Bremen zu stärken. Doch diese Aufbaugemeinschaft zerbrach schon bald.

Beginn der Isolation im Kalten Krieg

Im Lauf des Jahres 1947 veränderten sich die Beziehungen zwischen den Großmächten USA und Sowjetunion von Grund auf:

Der amerikanische Präsident Harry S. Truman erklärte im März 1947 das Ende der alliierten Kooperation. Die amerikanische Außenpolitik zielte jetzt offen auf Ein- dämmung des sowjetischen Einflusses. Mit einem groß angelegten Wiederaufbau- programm, das der US-Außenminister George C. Marshall im Juni 1947 verkünde- te (Marshallplan), sollten Europa und vor allem die westlichen Besatzungszonen 1945–1966 227

Deutschlands wirtschaftlich und politisch gestärkt werden. „Mit dem Ziel, die west- lichen Demokratien weniger anfällig für sowjetische Einflussnahme zu machen.“36 Ein westliches Wirtschafts- und Militärbündnis sollte dem „Sowjetsystem“ gegenüberge- stellt werden. Die Sowjetunion erklärte daraufhin im September 1947 ihrerseits die Teilung der Welt in zwei Lager – ein antiimperialistisch und demokratisches unter Führung der Sowjetunion und ein imperialistisch und antidemokratisches unter Führung der USA. In dieser gespaltenen Welt, die sich in der Teilung Deutschlands manifestierte, hatte sich die Perspektive für die Arbeit der KPD grundlegend verändert. „Sie war nicht länger die Partei der Antihitler-Koalition, und sie konnte sich nicht mehr als poten- tielle Regierungspartei innerhalb eines gesamtdeutschen antifaschistischen-demo- kratischen Blocks verstehen. Nunmehr war sie Oppositionspartei in einem sich her- ausbildenden Weststaat, dessen Gründung sie bekämpfte.“37

Auch in Bremen waren die Zeiten der „Antihitler-Koalition“ vorbei. Das wurde zuerst in den Auseinandersetzungen um eine neue Landesverfassung deutlich. Die KPD scheiterte mit vielen ihrer Änderungsvorschläge zum Verfassungsentwurf. Trotzdem stimmte sie in der Verfassungsdeputation für den ausgehandelten Kompromiss. Dann aber zog sie ihre Zu- stimmung zurück und stimmte als einzige Partei in der Bürgerschaftssitzung am 1. August 1947 gegen den Verfassungsentwurf. Darüber waren vor allem die sozialdemokratischen Abgeordneten empört, die sich zusammen mit den Kommunisten dafür eingesetzt hatten, dass in den Text der Verfassung Forderungen zur Mitbestimmung, zur Einheitsschule und zur Gleichberechtigung aufgenommen wurden. Beim Volksentscheid wurde der Verfassungsentwurf am 12. Oktober 1947 den Wähler- Innen zur Abstimmung gestellt. Auch hier forderte die KPD dazu auf, mit Nein zu stimmen. Doch es gab mit 72,5 Prozent ein klares Votum für die Annahme der Verfassung.38 Gleichzeitig mit dem Volksentscheid fanden Bürgerschaftswahlen statt und SPD und KPD mussten Stimmenverluste hinnehmen. Trotzdem erhielten die beiden Arbeiterpartei- en mit insgesamt 56 Mandaten die Mehrheit der Sitze in der neuen Bürgerschaft. Die KPD forderte daraufhin die SPD auf, die „Arbeitermehrheit“ zu nutzen und eine SPD-KPD- Koalitionsregierung zu bilden. Die SPD wies diesen Antrag zurück. In einer Rede, die er kurz nach der Wahl hielt, erklärte Bürgermeister Wilhelm Kaisen in aller Öffentlichkeit, er halte die Kommunisten für „unzuverlässig“. Er bezeichnete die KPD als „faschistisch kapitalistische Partei“, die „nicht mehr für die Interessen der Arbei- terschaft, sondern ganz bewußt für die Interessen einer fremden Macht eintrete“.39 In die- sen wenigen Worten war die politische Richtung benannt, die in den nächsten Jahren den Umgang mit den Kommunisten bestimmen sollte. Kommunisten galten als Agenten einer feindlichen Macht, mit denen es keine Gemeinschaft oder politische Zusammenarbeit ge- ben konnte. Wer sich trotzdem an Projekten und Initiativen der KPD beteiligte, machte sich verdächtig und musste mit entsprechenden Ausgrenzungen rechnen. Im Januar 1948 wurde eine Koalition von SPD und der Bremer Demokratischen Volks- partei (BDV) ohne Beteiligung der KPD gebildet. Die Bremer Demokratische Volkspartei hatte das Ausscheiden der Kommunisten aus dem Senat zur Bedingung gemacht.40 Damit verlor auch Käthe Popall ihren Senatssitz. Auch in der Bürgerschaft wurden die kommu- nistischen Abgeordneten aus wichtigen Entscheidungsgremien herausgedrängt und ihre Anträge kaum noch ernsthaft behandelt. Es begann die politische und gesellschaftliche Ausgrenzung und Isolierung der KommunistInnen in Bremen. 228 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland Internationale Frauentage der Kommunistinnen – 1948 und 1949

Der erste Internationale Frauentag in Bremen – 7. März 1948

Die Arbeit der KPD wurde durch die politische Ausgrenzung des wachsenden Antikommu- nismus erheblich erschwert. Das beeinflusste auch die Durchführung der Internationalen Frauentage, die die Kommunistinnen ab 1948 wieder jährlich organisierten.

Für den ersten 8. März nach der NS-Zeit benannte die KPD mit Käthe Popall ihre bekannteste Genossin als Rednerin.41

Erst wenige Wochen zuvor hatte man Käthe Popall das Senatorenamt entzogen. Ihr Auf- tritt sollte auch ein Zeichen dafür sein, dass sie ihre politische Arbeit fortsetzen würde. Die Themen ihres Referats, nämlich „Einheit Deutschlands, Sicherung des Friedens, volle Gleichberechtigung der Frau“, beschrieben die Programmpunkte, die in den nächsten Jah- ren die Frauentage bestimmen sollten. Mit der Einladung zur Kundgebung druckte die Tribüne der Demokratie, die Partei- zeitung der KPD, einen ganzseitigen Artikel „Zum Tag der Frau am 8. März“. Der Bericht begann mit Informationen über die Geburt des Frauentages und die politische Rolle, die Clara Zetkin dabei gespielt hatte. Doch vor allem ging es der Verfasserin42 darum, die Ak- tualität der Forderungen aus dem Jahr 1910 aufzuzeigen und sie in Bezug zu setzen zu den politischen Verhältnissen in Bremen und den Westzonen im Jahr 1948. Damals, im Jahr 1910, lauteten die Forderungen der Frauen: „Vollständige Gleichberech- tigung der Frau; Verbesserung der Lebenslage der arbeitenden Frauen; Schaffung sozialer Einrichtungen; Schutzmaßnahmen für Frauen und Kinder; Sicherung des Friedens.“ An- hand von Beispielen wies die Autorin nach, dass keine dieser Forderungen wirklich erfüllt war. Noch immer habe die Frau in der Ehe nicht die gleichen Rechte wie der Mann. Weiter konnte die Verfasserin nachweisen, dass die neue Landesregierung nicht in der Lage ge- wesen war, für die ausgeschiedene Kommunistin Käthe Popall eine Frau aus der eigenen Partei in den Senat zu berufen. Dies bedeute für die Gleichberechtigung „einen Schritt zurück“. Auch die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit sei immer noch nicht verwirklicht, obwohl die neue bremische Verfassung das ausdrücklich fordere. 1945–1966 229

Vor allem müsse die alte Forderung nach „Sicherung des Friedens“ an diesem Frauen- tag im Mittelpunkt stehen. Denn der Frieden sei ernsthaft gefährdet, wenn die beabsichtig- te Spaltung Deutschlands vollzogen würde. „Wir Frauen müssen unsere Stimme erheben, um Millionen Gewissen wachzurütteln, damit das große Verhängnis: die Teilung Deutsch- lands in letzter Stunde noch verhindert wird.“43 Die Tradition sollte also nicht nur formal fortgesetzt werden, die Kommunistinnen sahen sich als Erbinnen der politischen Forderungen aus der Zeit der ersten Frauentage. Es galt, weiterhin für ihre Durchsetzung zu streiten. Klassenkämpferische Vokabeln und Kampfaufrufe an die Proletarierinnen fehlen in diesem Beitrag. Die Autorin wandte sich einfach an „die Frauen“ oder an „die Mütter“. Frauen unterschiedlicher Herkunft und Überzeugung wurden aufgerufen, sich politisch einzumischen: „Wir Frauen haben die Pflicht, unsere Kräfte überall mit einzuschalten, geht es doch heute mehr denn je darum, daß wir entscheidenden Einfluß gewinnen auf die weitere Entwicklung unseres wirtschaftlichen und politischen Lebens, zum Wohle unserer Kinder und zur Sicherung eines gerechten, dauerhaften Friedens. […] Wir wollen gesunde Kinder und glückliche Mütter.“ In diesem Text hatten die Kommunistinnen die politischen Ziele und Forderungen for- muliert, die in Zukunft im Mittelpunkt der Frauentage stehen sollten. Auch für eine zu- künftige eigene Frauenorganisation gab es Ideen. Konkrete Vorstellungen wurden dabei aber noch nicht benannt.

Parteivorstandsbeschluss ist kein Ersatz für Frauen- arbeit: Eine Frauentagsaktion scheitert – 8. März 1949

Die Parteivorstandstagung Ende August 1948 musste sich mit der Kritik der Genossinnen an der Parteiführung auseinandersetzen. Die Frauen beschwerten sich, dass Probleme der Frauenarbeit nicht geklärt würden und Fraueninitiativen von den lokalen Gruppenvorstän- den kaum Unterstützung erhielten. Erika Buchmann, die Leiterin des Frauensekretariats beim Parteivorstand, berichtete über den Unmut der Genossinnen: Die Partei schenke der Frauenarbeit „nur nebenbei Beachtung“. Die Genossen hätten „nicht genügend Verständ- nis“ für Frauenbelange gezeigt und letztlich sei „Frauenarbeit die Arbeit der Genossin- nen geblieben“. Besonders in der gewerkschaftlichen Arbeit würden die Forderungen von Frauen kaum beachtet. Es gäbe nach wie vor kaum Frauen in den Betriebsräten und die Genossen setzten sich viel zu wenig für Fraueninteressen ein. In der Diskussion ging es auch um das Verhältnis und den Umgang mit den bürgerli- chen Frauenorganisationen und es tauchte die Frage nach einer eigenen Frauenorganisa- tion auf. Die abschließende Stellungnahme des Parteivorsitzenden Max Reimann machte die Schwächen der Partei noch einmal deutlich. „Genosse Reimann erklärt, daß die Partei noch nicht weiß, wohin sie in der Frauenfrage will, auch er glaube, daß es nötig werden könne, den bestehenden Frauenorganisationen, die sich immer mehr reaktionär entwi- ckeln, eine wirkliche fortschrittliche demokratische Frauenorganisation entgegenzustel- len.“44 Nach dieser Debatte war klar, dass sich der Parteivorstand ausführlicher mit diesem Thema auseinandersetzen musste. Das Ergebnis der Beratungen wurde in der „Entschließung des Parteivorstandes zur Arbeit unter den Frauen“ zusammengefasst und an alle Vorstände verschickt.45 In der Entschlie- ßung wurde die Bedeutung der Frauen für die gesellschaftliche Entwicklung in Deutsch- 230 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland land hervorgehoben. Auch die politischen Kämpfe der Partei seien ohne den Beitrag der Frauen nicht zu gewinnen. Deshalb wurden alle Vorstände verpflichtet, der Frauenarbeit in Zukunft mehr Aufmerksamkeit zu schenken und die Werbung vor allem unter den werk- tätigen Frauen voranzutreiben. Außerdem ging die Entschließung auf die offenen Fragen und Probleme ein, die auf der Vorstandssitzung thematisiert worden waren. Bezogen auf die Betriebsarbeit wurden zwei Schwerpunkte gesetzt: Die Forderung der Frauen nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit sollte von den Genossen in Betriebs- und Gewerkschaftsfunktionen mehr unterstützt werden. Außerdem sollten den Betriebsräten klar gemacht werden, dass sie sich „nicht dazu hergeben“ sollten, den zunehmenden Ent- lassungen von Frauen zuzustimmen. Im Gegenteil müssten sie hier „ganz besonderen Widerstand“ leisten. Die Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Frauenorganisationen sei davon abhängig zu machen, dass diese Organisationen „für die Einheit Deutschlands und die Erhaltung des Friedens eintreten.“ Das angestrebte politische Ziel war die Schaffung einer „fort- schrittlichen Frauenorganisation […], in welcher sowohl die Betriebsarbeiterin als auch die Hausfrau, die Kleingewerbetreibende oder die Intellektuelle, die Landarbeiterin, die Kleinbäuerin und die Angestellte ihren Platz finden würde“. Aber dafür fehlten noch wich- tige Voraussetzungen. Die Genossinnen wurden aufgerufen, sehr viel mehr in der Öffent- lichkeit in Erscheinung zu treten und darüber neue Frauen für die politische Arbeit zu ge- winnen, um so eine breitere Ausgangsbasis für eine neue Frauenorganisation zu schaffen. Die Entschließung war jedoch so abgefasst, dass von ihr keine mobilisierende Wir- kung ausgehen konnte. Es gab kein Konzept, wie die Frauenarbeit unter den unter- schiedlichen Gruppen, die die Partei für ihre Frauenorganisation gewinnen wollte, aus- sehen könnte. Im Zuge der Kampagne zum Internationalen Frauentag 1949 zeigte sich dann auch, dass die Entschließung bei den Vorständen wenig Beachtung gefunden hatte – jedenfalls hatte sie keine Veränderung in der Haltung der Genossen gegenüber Frauenaktionen bewirkt. Die Partei hatte die Genossinnen aufgefordert, überall im Land im Februar und bis zum 8. März eine Unterschriftensammlung gegen die Herstellung von Atombomben und für den Erhalt des Friedens durchzuführen. Es war vorgesehen, dass die Genossinnen mit verschiedenen Frauengruppen vor Ort Aktionsbündnisse schließen sollten, um Menschen aus allen Bevölkerungsschichten anzusprechen. Die Genossen wurden verpflichtet, diese Initiative in jeder Hinsicht zu unterstützen und sich an der Unterschriftensammlung zu beteiligen. Die Veranstaltung am Internationalen Frauentag sollte dann Abschluss und Höhepunkt der Kampagne sein. Als das zentrale Frauensekretariat im Mai 1949 die Kampagne auswertete, stellte sich heraus, dass die Aktion „wenig Erfolg“ gehabt hatte.46 Der Grund für das Scheitern lag nach Auffassung des Frauensekretariats darin, dass die Genossen sich nicht beteiligt hat- ten. Selbst im Parteivorstand sei „die Sache mehrheitlich den Frauen zugeschrieben wor- den“.47 Die Bremer Aktivitäten fasste das Frauensekretariat wie folgt zusammen: „Bremen hat seinen Mißerfolg ebenfalls im Wesentlichen der Tatsache zu verdanken, daß die Aktion einseitig von den aktiven Genossinnen getragen werden mußte, ohne daß die Gesamt- partei wesentlich Anteil nahm. Nach der bisher möglichen Übersicht haben am Gesamt- resultat nur 200 Genossen, meistens Frauen, Anteil.“ Diese fehlende Unterstützung durch die Genossen wog umso schwerer, da in Bremen kein Aktionsbündnis zustande gekommen war. Die Bremer Sozialdemokratinnen hatten eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten strikt abgelehnt. In der Parteizeitung der 1945–1966 231

SPD, der Bremer Volksstimme vom 11. März 1949, erklärten sie dazu: „Die Sozialdemokra- tie und besonders die sozialdemokratischen Frauen haben tausendfältig bewiesen, daß sie für den Frieden zu arbeiten, zu kämpfen bereit sind. Sie sehen darum in der Verquickung des Kampfes für den Frieden mit dem Kampf gegen eine einzelne Mordwaffe, die Atom- bombe, eine recht einseitige Stellungnahme zugunsten einer einzelnen Macht, die jedoch fieberhaft an der Herstellung einer der Atombombe gleichwertigen Mordwaffe arbeitet.“48 Als bekannt wurde, dass die SPD-Frauen sich nicht am Aktionsbündnis beteiligen würden, zogen sich auch die anderen Frauenorganisationen zurück. Damit waren die Kommunis- tinnen bei der Aktion auf sich allein gestellt. Zwar hatten die Sozialdemokratinnen eine Beteiligung an der Unterschriftenkam- pagne gegen die Atomwaffenproduktion abgelehnt, trotzdem maßen auch sie der Frie- densfrage große Bedeutung bei. Ihre erste Veranstaltung anlässlich des Internationalen Frauentages am 14. März 1949 war eine Kundgebung für den Frieden. Ausdrücklich forderte die Rednerin: „Darum müssen wir uns wehren gegen die Vorbereitung eines Atomkrieges. […] Wer Frieden will, muß bewußt die Freundschaft pflegen mit allen Völ- kern der Erde. Die Erhaltung des Friedens muß unsere wichtigste Erziehungsaufgabe der Jugend sein.“49 Auf den Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag war sowohl bei den Sozialde- mokratinnen wie bei den Kommunistinnen der Wunsch nach Erhalt des Friedens das be- herrschende Thema. In den Reden und Texten zum Frauentag wurden übereinstimmend die Frauen als diejenigen angesprochen, die als Mütter und Gebärerinnen neuen Lebens von Natur aus ein besonderes Interesse an der Vermeidung von Kriegen hätten. Doch trotz dieser Gemeinsamkeiten blieben die Sozialdemokratinnen bei ihrer strikten Ableh- nung einer Zusammenarbeit mit den Kommunistinnen. Für die SPD-Frauen war das eine Grundsatzentscheidung. Es ging darum, Position zu beziehen im politisch ideologischen Konflikt zwischen Ost und West. Die Kommunistinnen und ihr Umfeld galten als An- hängerinnen und Sympathisantinnen des „Ostblocks“, der Sowjetunion und der Sozialis- tischen Einheitspartei (SED) in der „Sowjetzone“. Mit ihnen konnte es im Westen auch in der Friedens- und Frauenfrage kein Aktionsbündnis geben. Diese Auseinandersetzungen begleiteten die Frauentage bis zum Verbot der KPD 1956.

Internationale Frauentage der KPD und des DFD

Internationaler Frauentag im Kalten Krieg – 1950

Der Internationale Frauentag des Jahres 1950 liefert ein anschauliches Beispiel für das politische und auch menschliche Dilemma, in das die KPD-Frauen gerieten, wenn sie mit ihren Projekten in die Öffentlichkeit traten. Zum 40. Jahrestag des Beschlusses von Kopen- hagen sollte der Internationale Frauentag zu einem besonderen Höhepunkt der Frauen- arbeit der KPD werden. In der Parteipresse wurde das Thema aus unterschiedlichen Blick- winkeln behandelt. Die Tribüne der Demokratie druckte auf mehreren Seiten Berichte „aus der internationalen Friedensbewegung der Frauen“. Für die Kommunistinnen in der Bundesrepublik, in ihrer isolierten Situation, waren diese Berichte der Beweis, zu einer großen und bedeutenden Gemeinschaft zu gehören. Die internationalen Berichte wurden 232 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland ergänzt durch eine Reportage über berufstätige Frauen in Bremen, und auch die Stellung- nahme J. W. Stalins zum Frauentag durfte im Parteiorgan nicht fehlen.50 Der Parteivorsitzende der KPD, Max Reimann, rief in seiner Stellungnahme zum Frau- entag die Frauen zum Protest gegen die Pläne der Adenauer-Regierung zur Aufstellung eines „deutschen Kontingents in einer europäischen Wehrmacht“ und gegen den „geplan- ten Krieg gegen die Sowjetunion“ auf. Deshalb solle der Internationale Frauentag des Jahres 1950 ein Zeichen setzen im gemeinsamen Kampf von Frauen und Männern für den Frieden und für „eine Einheitliche Deutsche Demokratische Republik“. Der Parteivorstand hatte bereits Anfang Februar seine bis ins Detail gehenden Be- schlüsse und Vorschläge zur Durchführung der Veranstaltungen verschickt. Die örtlichen Parteivorstände wurden aufgefordert, Bündnisse mit anderen Friedens- und Frauenorga- nisationen zu schließen, die als Träger der Kundgebungen zum 8. März in der Öffentlich- keit in Erscheinung treten sollten.51 In Bremen jedoch scheiterten die Bündnisgespräche erneut. Nicht nur die Sozialdemokratinnen sagten ab. Die KPD-Frauen hatten vierzig Or- ganisationen und Betriebe zur Vorbesprechung eingeladen, „[l]eider alles ohne Erfolg. […] So bestand das Komitee nur aus drei parteilosen Frauen, der FDJ52 und uns“, berichteten die Genossinnen am 24. April an den Parteivorstand.53 Trotzdem hatten die Genossinnen ein vielfältiges Programm entwickelt und ein eigenes Flugblatt verfasst, das sie statt des zentralen Flugblattes in der Stadt verteilten. Den Auf- takt am 7. März 1950 bildete ein Demonstrationszug vom Waller Bahnhof zum Rathaus. Dort fand dann im Festsaal die Kundgebung statt.

Einladung zum Friedenstag der Frauen – zu der Demonstration wird nicht aufgerufen!54

Jede einzelne Aktion an diesem Frauentag war Anlass entweder zu antikommunistischen Presseartikeln oder zu parteiinterner Kritik. In den fünfziger Jahren wirkte eine solche Aktion wie der Demonstraktionszug als politische Provokation. „Wer zu der Zeit auf die Straße ging, hat sich verächtlich gemacht. Es waren nur die überzeugtesten Menschen, die für den Frieden demonstrierten.“55 So beschrieb Willy Meyer-Buer, KPD-Mitglied, in seinen Erinnerungen das Klima in der Bundesrepublik. Die Reporter des Weser-Kuriers – offensichtlich in Erwartung besonderer Vorkommnisse – waren bei der Demonstration zur Stelle. Sie berichteten ihren LeserInnen am nächsten Tag: Am Bahnhof Walle habe sich am Nachmittag des 7. März ein Demonstrationszug gebildet, meist FDJ-Mitglieder, die mit roten Fahnen und Transparenten zum Rathausplatz gezogen seien. „Als der Demonstra- tionszug den Marktplatz unter Absingen der ‚Internationale‘ passierte, griff ein größeres Polizeiaufgebot“ ein. Doch es sei nicht gelungen, die Demonstranten auseinanderzutrei- 1945–1966 233 ben. „Die Jugendlichen zogen zum Eingang des neuen Rathauses, wo sie die Türen von Polizeibeamten versperrt fanden.“ Daraufhin sei es dann zu dem „KPD-Rumor am Rat- haustor“56 gekommen. Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Jugend- lichen und der Polizei sei auch eine Scheibe der Rathaustür zu Bruch gegangen. An diesen Bericht schloss der Weser-Kurier eine Stellungnahme an. Er forderte die Politik auf: „Bei künftigen Veranstaltungen dürfte man den sich im Hintergrund halten- den kommunistischen Drahtziehern etwas genauer auf die Finger sehen.“57 Solche Artikel trugen dazu bei, dass der Senat in der Folgezeit die Rathaussäle nicht mehr an kommunis- tische oder als kommunistisch unterwandert oder beeinflusst geltende Friedensorganisa- tionen vergab.58 Im Veranstaltungsanzeiger des Weser-Kuriers wurden seitdem auch keine Hinweise mehr auf Veranstaltungen zum Frauentag der KommunistInnen veröffentlicht. Die am folgenden Tag, dem 8. März 1950, stattfindende Veranstaltung im Saal des neuen Rathauses stand unter der Losung „8. März – der Internationale Friedenstag der Frauen“. Es sollten eine Vertreterin des „Internationalen Friedenskongresses aus Paris“, eine „Führerin einer Frauendelegation der Deutschen Demokratischen Republik“ und eine Referentin aus Hamburg sprechen. Die Zusammenstellung der Rednerinnen sollte zeigen, dass dieser Frauentag in Bremen in eine weltweite Bewegung eingebunden war und zu- gleich ein Zeichen setzen für die engen Beziehungen zur Frauenorganisation der DDR. Dass ausgerechnet die Vertreterin des Internationalen Friedenskongresses nicht kommen konnte, wurde sehr bedauert, denn damit sei der internationale Aspekt auf der Veranstal- tung zu kurz gekommen, wurde im Vorstandsbericht ausdrücklich vermerkt.59 Die Genossinnen verfassten einen eigenen Bericht über die Aktionen.60 Darin stellten sie selbstkritisch fest, dass die Versammlung mit 900 TeilnehmerInnen zwar gut besucht gewesen sei, doch „vorwiegend“ seien Genossinnen und Genossen gekommen. Die Ge- nossinnen waren auch deshalb mit der Resonanz unzufrieden, weil sie versucht hatten, über ein selbst gestaltetes Flugblatt, die Bremerinnen ganz persönlich anzusprechen. Sie schickten eine Abschrift ihres Flugblattes zusammen mit ihrem Bericht an die Zentrale.

Der Flugblatttext begann mit einem Zwiegespräch: „Mutti, warum haben wir keinen Papi wie Günther“? „Peter, Du weißt doch, Papi ist im Krieg gefallen!“ „Können wir denn keinen anderen bekommen?“ „Nein Peter, so leicht ist das nicht, es sind so viele Männer im Krieg totgeschossen worden!“ „Mutti, warum sind denn alle Onkels in den Krieg gegangen und haben sich tot- schießen lassen?“ „Weißt Du, Peter, wenn sie das nicht getan hätten, wären sie hier erschossen wor- den!“ „Wäre es dann nicht besser gewesen, wenn Papi mit Oma zusammen hier zusammen auf dem Friedhof gelegen hätten?“ „Ach Peter, das verstehst Du nicht, später vielleicht einmal. Nun spiel schön weiter!“ „Aber Mutti, ich gehe nicht in den Krieg!“ Peter weiss noch nicht, wieviel Mut dazu gehört, den Kriegsdienst zu verweigern. Deshalb Mütter, erzieht Eure Kinder zu diesem Mut und protestiert heute schon gegen die Vorbereitung, denn Vorbeugen ist leichter.“61

Die Verfasserinnen hatten nicht nur ein Beispiel für „Friedensgespräche mit Kindern“ for- muliert, gleichzeitig machte der Text auch auf die besondere Situation und schwierige 234 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland

Lage der vielen alleinlebenden und alleinerziehenden Frauen aufmerksam. Die Bremer Genossinnen hielten ihre Initiative für nachahmenswert und hatten deshalb eine Begrün- dung zum Flugblatt mitgeschickt: „Es erfüllt noch keineswegs unsere viel weitergehenden Wünsche, aber wir glauben, daß es massenpsychologisch wirksamer ist, wenn man von der Voraussetzung ausgeht, daß der Appell nicht nur Frauen, die ohnehin schon zum Sozia- lismus neigen, berühren soll, sondern die einfache, sich unpolitisch dünkende Frau und Mutter unseres Volkes.“ Allerdings stieß dieses Vorgehen bei der Parteileitung auf eindeutige Ablehnung. Der Bericht aus Bremen wurde äußerst kritisch kommentiert: Das Flugblatt sei „bezeichnend für das Nachgeben unserer Genossen in der entscheidenden Frage der Stellung zur So- wjetunion.“62 Auch auf der Sekretariatssitzung am 18. März 1950 in Bremen wurden die Frauen zurechtgewiesen: Die Genossinnen hatten kritisiert, „daß die Demonstration mit Stalinlosungen und roten Fahnen den überparteilichen Charakter des Frauentages ge- fährdet“ hätte. Dazu erklärte der Vorstand: „Wenn die Partei an einer internationalen Kundgebung beteiligt ist, muß sie sich in der Öffentlichkeit so zeigen, wie sie ist. Warum also nicht mit roten Fahnen und Transparenten?“ Und der Vorsitzende beendete die De- batte, indem er feststellte: „Es gibt keine überparteiliche Organisation und ich empfehle den Genossinnen das Studium ‚Zwei Lager – zwei Ideologien’.“63 In schulmeisterlichem Ton also wurden die Frauen auf die Parteilinie verwiesen. Und die lautete: Keine Veröffent- lichung der Partei ohne ein Bekenntnis zur Sowjetunion. Auch anlässlich Internationaler Frauentage und in der Bündnispolitik hatten die Kommunistinnen Sprachrohr und Vertre- terinnen der Sowjetunion und der SED-Politik im Westen zu sein. Rücksichtnahme oder vielleicht sogar Anerkennung von Positionen der Bündnispartner hatten da keinen Platz. Die Anfeindungen von außen und die Debatten und politischen Auseinandersetzungen innerhalb der Partei, wie sie die Kommunistinnen im Zusammenhang mit dem Internatio- nalen Frauentag erlebten, belegen anschaulich wie eingeschränkt ihre Wirkungsmöglich- keiten waren. Es wurde von zwei Seiten Druck auf die Frauen ausgeübt. Einerseits von den antikommunistischen Kampagnen z.B. der Bremer Presse und andererseits über die Ein- schränkung des Handlungsspielraums durch den Dogmatismus der eigenen Organisation. Für viele weibliche Mitglieder war dieser doppelte Druck der gesellschaftlichen Isolie- rung Anlass, die Partei zu verlassen. In der Zeit von 1947 bis Mitte 1951 sank die Zahl der weiblichen Mitglieder in der KPD Bremens um mehr als ein Drittel.64 Dieselbe Entwicklung vollzog sich auch in der Gesamtpartei. Nicht zuletzt deshalb erhoffte sich die KPD von der Gründung einer Frauenorganisation, wieder Zugang zu den Frauen zu bekommen.

Die KPD überträgt dem Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD) die Organisierung der Frauentage

Bereits 1946 hatte der Vertreter der KPD Bremens auf der Parteiberatung in Berlin vor- geschlagen, eine Frauenorganisation für alle Besatzungszonen zu schaffen.65 Doch der am 9. März 1947 in Berlin gegründete Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) blieb wegen der ablehnenden Haltung der westlichen Besatzungsmächte weitgehend auf die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) und Berlin beschränkt. Seit 1949 existierten zwei deutsche Staaten: Im Westen konstituierte sich die Bundes- republik und im Osten war die DDR gegründet worden. In der DDR wurde der DFD zum einheitlichen Frauenverband weiter ausgebaut. Die Kommunisten in der Bundesrepublik 1945–1966 235 mussten nun eigene Wege beschreiten. Die KPD hatte seit der Parteiberatung im August 1948 darauf hingearbeitet, eine Frauenorganisation ins Leben zu rufen. Doch erst mit der Spaltung Deutschlands und dem fortschreitenden Verlust weiblicher Mitglieder konnte sich die Partei dazu entschließen, die Gründung einer Frauenorganisation in Angriff zu nehmen. Der Auftrag an die Genossinnen lautete, zum Internationalen Frauentag 1950 in möglichst vielen Städten regionale Frauenkomitees zu schaffen, die den Organisations- kern für eine spätere Frauengruppe bilden sollten.66 Im Unterschied zu Bremen waren in einer ganzen Reihe von Städten – vor allem im Ruhrgebiet, aber auch in Hamburg – sehr aktive Frauenzusammenschlüsse entstanden. Diese Gruppen sollten zusammengefasst werden und so analog zum Frauenbund in der DDR ein Demokratischer Frauenbund Deutschlands (West) entstehen. Dieses Konzept stellte Max Reimann den Landesvorsit- zenden am 29. März 1950 auf der Sitzung des Sekretariats vor. Er forderte sie auf, dieses Vorhaben zu unterstützen und möglichst bald DFD-Landesorganisationen zu gründen. In der Organisation sollten auch Genossinnen mitarbeiten, „entscheidend aber soll er eine Organisation der parteilosen Frauen und der Frauen anderer Richtungen sein.“67 Bereits am 2. April 1950 wurde in Essen der erste Landesverband des DFD für Nord- rhein-Westfalen gegründet.68 Auf diesem später als Gründungskongress bezeichneten Treffen riefen die Teilnehmerinnen dazu auf, „für die Erhaltung des Friedens, die Ver- hinderung eines neuen Krieges und die Erringung der Gleichberechtigung der Frau sowie eine gesicherte Zukunft der Kinder mit ganzer Kraft einzutreten.“69 In dieser Aufzählung der politischen Ziele wurde der Friedensarbeit absolute Priorität eingeräumt. Die Gleich- berechtigung der Frau rückte an die dritte Stelle. Der DFD erhob den Anspruch, parteiunabhängig zu agieren und tatsächlich gab es in den Gruppen immer eine ganze Reihe Frauen, die nicht Parteimitglieder waren. In der Bremer Gruppe waren „zur Jahreswende 1950/51 nach eigenen Angaben 60 Prozent Ge- nossinnen.“70 Doch in Programm und Aktionen blieb der DFD eng an die Kommunistische Partei gebunden. Margot Konetzka, die vom Parteivorstand zur DFD-Arbeit in Bremen verpflichtet wurde, beschreibt das Verhältnis zwischen DFD und der Partei: „Der DFD war ja eine eigene Frauenorganisation – aber unter Leitung von Kommunisten.“71 Eine der zentralen Aufgaben der DFD-Frauen war auch in Bremen die Organisation der Internationalen Frauentage. Für Alida Klee, eine der langjährigen Vorsitzenden in Bremen, war der 8. März „Ehrensache“.72 Der DFD setzte die Tradition der alljährlichen Kundgebungen zum Frauentag fort. Doch auch mit der neuen Organisation gelang es nicht, die Mauer des Antikommunismus zu durchbrechen. So trafen sich zur Frauentagsveranstaltung in der Regel die DFD-Frauen mit den Freunden und Genossen aus dem politischen Umfeld der KPD. Nur über persön- liche Ansprache konnten neue Teilnehmerinnen gewonnen werden. Die Festveranstaltun- gen erfüllten trotzdem eine wichtige Funktion, indem sie die eigene Gemeinschaft und den Zusammenhalt untereinander stärkten. Für die politische Außenwirkung mussten jedoch andere Wege beschritten werden. Für Aktionen in der Stadt organisierten die DFD-Frauen Schilderdemonstrationen: Die Frau- en schrieben ihren Protest oder ihre Forderung auf eine große Pappe, hingen sich diese um und zogen in kleinen Gruppen durch die Stadt, vor die Betriebe oder gingen damit auf die Wochenmärkte.73 Das war eine Aktionsform, die auch mit wenigen Teilnehmerinnen Wirkung erzielen konnte. Zu Massenaktionen dagegen wurden Unterschriftensammlungen eingesetzt. Statt ver- geblich darauf zu hoffen, dass die Menschen sich wieder zu Demonstrationszügen for- mierten, beschritt die Friedensbewegung in den 1950er Jahren den umgekehrten Weg: Mit 236 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland einem Appel oder Aufruf gingen die Frauen von Haus zu Haus, zogen vor die Betriebe. Sie erläuterten das Anliegen und forderten die Menschen dazu auf, sich durch ihre Unter- schrift mit dem Protest zu solidarisieren. Die DFD-Frauen verbanden Traditionsveranstaltungen zum Frauentag mit Schilder- demonstrationen auf der Straße und gehörten zu den eifrigsten UnterschriftensammlerIn- nen in der Kampagne gegen die Remilitarisierung und für einen Friedensvertrag.

Die Volksbefragungskampagne – Frauentag 1951

Konrad Adenauer hatte in seiner ersten Regierungserklärung 1949 seine außenpoli- tische Konzeption dargelegt: „Es besteht für uns kein Zweifel, daß wir nach unserer Herkunft und nach unserer Gesinnung zur westeuropäischen Welt gehören.“74 Für ihn kam nur eine eindeutige Bindung an den Westen in Frage, dazu gehörte nach seiner Auffassung auch das militärische Bündnis. Im August 1950 bekräftigte Adenauer gegen- über den Regierungen der drei Westmächte die Bereitschaft seiner Regierung, für eine zukünftige westeuropäische Armee ein deutsches Kontingent bereitzustellen. Gegen die- sen Vorstoß der Regierung, keine zehn Jahre nach Kriegsende erneut deutsche Truppen aufzustellen, gab es eine Welle des Protestes. Es begann eine Jahre andauernde öffentli- che Diskussion über Wiederbewaffnung und Westbindung. Der Widerstand reichte von den Kommunisten bis hinein in die Unionsparteien. Außerhalb des Parlamentes bildete sich die „Ohne mich!“-Bewegung, die in allen Bevölkerungsgruppen Zustimmung fand.75 Es entwickelte sich eine Oppositionsbewegung, die von der Regierung eine Befragung des Volkes zur Wiederbewaffnung verlangte.76 Der DFD schloss sich umgehend dieser Bewegung an und der Internationale Frauentag 1951 wurde ein Aktionstag gegen die Remilitarisierung. Auch in Bremen zogen am 8. März 1951 Frauen mit Schildern durch die Stadt.

Eine Schilderdemonstration der Bremer DFD-Frauen.77

Gleich nach dem 8. März saßen die DFD-Frauen dann in den Vorbereitungsausschüssen für die Durchführung der Volksbefragung. Nachdem die Regierung erklärt hatte, dass sie keine offizielle Befragung durchführen würde, hatten sich viele Akteure aus den Komitees zurückgezogen. So waren es vor allem die KPD und ihr nahestehende Gruppen, die be- schlossen, die Befragung selbst zu organisieren. Daraufhin verbot der Innenminister die Aktion. Doch trotz Hausdurchsuchungen und Diskriminierungen der Komitees setzten die 1945–1966 237

GenossInnen ihre Arbeit fort.78 Am 10. Mai 1951 wurde in verschiedenen Bremer Stadt- teilen mit der Befragung begonnen. Wie es auf Bewohnerversammlungen, die die Komitees organisiert hatten, zuging, schilderte Alida Klee: „Das Wort ‚Volksbefragung‘ durfte garnicht ausgesprochen werden, dann kamen hinter dem Vorhang schon die Polizisten hervor und verboten die Veranstal- tung.“79 Die Frauen gingen von Haus zu Haus und legten den Menschen die Frage vor: „Sind sie gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands und für einen Friedensvertrag mit Deutschland?“ Nicht zuletzt dank des Einsatzes und der Kleinarbeit der Frauen konnte die Kampagne auch in Bremen Erfolge vorweisen. „Nach fünf Wochen veröffentlichte der Landesausschuß für Volksbefragung ein Zwischenergebnis: Knapp 10.000 Personen waren befragt worden, 8.144 hatten mit Ja, 253 mit Nein gestimmt; 560 Befragte hatten sich ent- halten, 79 ungültig gestimmt.“80 Zweifellos erfüllten die Unterschriftenaktionen nicht die Anforderungen an eine repräsentative Volksbefragung. Aber sie gaben die antimilitaristi- sche Stimmung in der Bevölkerung wider. Die Bundesregierung hatte durch ihr Verbot die Befragung nicht verhindern können. Doch für die AkteurInnen hatte ihre Beteiligung belastende Folgen. Auch die Nichtkommunisten brachte es in den Verdacht, „Parteigänger Moskaus“ zu sein und sich an illegalen Aktionen beteiligt zu haben. Außerdem nutzte die Regierung die Gelegenheit, Organisationen aus dem Umfeld der KPD zu verbieten. Das Verbot der Freien Deutschen Jugend und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes wurde damit begründet, „daß diese Organisationen kommu- nistisch unterwandert seien und daß sie die verbotene Volksbefragung unterstützt“ hätten.81

Für Wiedervereinigung, gegen Remilitarisierung – Frauentage 1952–1954

Konrad Adenauer hielt an seinem Ziel fest, die Bundesrepublik in die westliche Staaten- gemeinschaft und ihre wirtschaftlichen und militärischen Bündnissysteme einzugliedern. Außer der KPD, die diesen Kurs grundsätzlich ablehnte, gab es auch in der SPD und den Gewerkschaften kritische Stimmen, die davor warnten, mit einer ausschließlichen Orien- tierung nach Westen die Spaltung Deutschlands zu vertiefen. Die Forderung, statt der Stärkung eines westlichen Militärbündnisses durch Verhandlungen mit allen vier Besat- zungsmächten zu einem Friedensvertrag zu kommen, fand in der Bevölkerung und den unterschiedlichen politischen Gruppierungen Zustimmung, wie sich bei der Volksbefra- gung gezeigt hatte. In den Jahren 1952 bis 1954 bestimmten der Widerstand gegen den Aufbau einer deut- schen Wehrmacht und die Forderung nach Verhandlungen mit der Sowjetunion über einen Friedensvertrag sowie eine Wiedervereinigung Deutschlands die politischen Aktionen der außerparlamentarischen Opposition. Die DFD-Frauen beteiligten sich an den Kampagnen und die Internationalen Frauentage bildeten das politische Forum, um besonders Frauen anzusprechen. Zum Internationalen Frauentag 1952 veröffentlichte die Tribüne der Demokratie am 6. März einen Beitrag des Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck. Dieser wandte sich an die „deutschen Frauen und Mütter“ und rief sie auf, sich für die Wiedervereinigung Deutschlands einzusetzen. Dabei verwies er auf die Initiative der DDR-Regierung, die den drei Westmächten vorgeschlagen hatte, einen „Gesamtdeutschen Konstituierenden Rat“ zu bilden.82 Ziel des Vorschlags war es, zu verhindern, dass Westdeutschland in 238 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland das westliche Verteidigungsbündnis eingebunden würde. Denn diese Pläne nahmen im- mer konkretere Formen an. So hatte der im Februar 1952 zum ersten Mal öffentlich eine Wehrdienstdebatte geführt. Dagegen propagierten KPD und DFD die Vorschläge aus der DDR. Entsprechend lautete die Losung zum Frauentag 1952: 1945–1966 239

Der Ring der Frauen, der schützend eine Gruppe von Männern umstellte, wurde zum Sym- bol des Protestes gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht.83 Unmittelbar nach dem Frauentag ließ Joseph W. Stalin den Botschaften der Vereinig- ten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs gleichlautende Noten zur Deutschlandfrage übermitteln. Er schlug ein vereintes, souveränes und demokratisches Deutschland vor. Dabei sollte Deutschland über eine eigene Nationalarmee verfügen, deren Stärke und Ausrüstung allerdings Kontrollen unterliegen sollten. Als Preis dafür forderte Joseph W. Stalin strikte Bündnisfreiheit und die dauerhafte Fixierung der Oder-Neiße-Grenze. Zum Abschluss der angestrebten Verhandlungen sollten die Siegermächte mit dem vereinten Deutschland einen Friedensvertrag abschließen.84 Doch sowohl die Westmächte als auch Konrad Adenauer verwarfen die Note. Mehr noch, Konrad Adenauer drängte darauf, die Verhandlungen über den Vertrag zur Europäi- schen Verteidigungsgemeinschaft (EVG-Vertrag) und den Generalvertrag/Deutschland- vertrag möglichst schnell unterschriftsreif zu machen.85 Zum Internationalen Frauentag 1953 führte der DFD am 6. März wieder eine „Fest- veranstaltung“ durch.86 Gleichzeitig organisierten die Frauen von Bremen aus unter dem Motto „Gegen Generalvertrag für einen Friedensvertrag“ Protestaktionen mit Postkarten und Briefen an Bundestagsabgeordnete.87 Denn am 19. März 1953 standen im Bundestag der EVG-Vertrag und der Deutschlandvertrag zur dritten Lesung und endgültigen Abstim- mung an. Doch die Protestaktionen änderten nichts am Ergebnis: Mit großer Mehrheit stimmten die Abgeordneten den Verträgen zu. Die politischen Ereignisse im weiteren Verlauf des Jahres 1953 hatten für die KPD weit- reichende Folgen. Am 17. Juni wurde der Volksaufstand in der DDR mit sowjetischen Pan- zern niedergeschlagen. Dieses Ereignis beschäftigte die Menschen in der Bundesrepublik, die mit einer Welle der Sympathie für die Aufständischen reagierten. Der Bundestag er- klärte den 17. Juni zum „Tag der deutschen Einheit“. Die Bundestagswahlen im September 1953 standen ganz unter dem Eindruck der Juni-Ereignisse und brachten der CDU 45,2 Prozent der Stimmen und über die Hälfte der Mandate. Auf der Welle dieser Zustimmung konnte Konrad Adenauer die Westintegration weiter vorantreiben.88 Dagegen erhielt die KPD nur noch 2,2 Prozent der Stimmen und war somit nicht mehr im Bundestag vertreten. In der Folgezeit verlor sie ihre Mandate in fast allen Länderpar- lamenten. Sie war zu einer „Splitterpartei“89 herabgesunken, deren politischer Einfluss immer weiter zurückging. Nur in Bremen gelang es der KPD, ihre Bürgerschaftsmandate weiterhin zu behaup- ten.90 Dort konnte sie ihre politische Arbeit auch im parlamentarischen Raum fortsetzen. Doch weiter sinkende Mitgliederzahlen91 zeigten, dass die KPD auch hier an Einfluss ver- lor. Das zeigte sich ebenso zum Internationalen Frauentag 1954. In der Tribüne der De- mokratie gab es nur noch wenige Hinweise darauf. Der Bericht auf der Titelseite am 8. März brachte Informationen über den Frauentag in der DDR und eine Notiz über eine Kundgebung in Hamburg. Im Veranstaltungskalender druckte die Tribüne den Hinweis auf die Frauentagsveranstaltungen in Bremen: Der DFD lud zu „Feierstunden anläßlich des Internationalen Frauentages am 8. März“ ein.92 Für Bremen, Bremen-Gröpelingen, Bre- men-Nord und Bremerhaven wurden jeweils Veranstaltungen angekündigt. Doch weitere Berichte über die Veranstaltungen und ihren Verlauf brachte die Parteizeitung nicht. Zwar hatte der Vorstand des DFD eine mehrseitige Erklärung zum Frauentag mit dem Aufruf, „das geplante Wehrgesetz der Regierung Adenauer zu verhindern, herausgegeben.“93 Doch es gibt keine Hinweise auf Aktionen der Bremerinnen. 240 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland

„Jeden Tag etwas für den Frieden tun“ – Frauentage 1955 und 1956

Wiederbewaffnung, Bundeswehrgründung und NATO-Mitgliedschaft blieben bestimmen- de Themen in den innenpolitischen Auseinandersetzungen. Angesichts von Atomwaffen- experimenten in West und Ost wuchs die Angst vor einem Atomkrieg. Zum Frauentag am 8. März 1955 hatte der DFD in vier Stadtteilen Bremens Feier- stunden organisiert. Ihr gemeinsames Motto war: „Gegen Rekrutierung und Atomgefahr für das Leben und für den Frieden.“94 Die Losungen zu den Frauentagen verbanden die grundsätzliche Forderung nach Frieden mit einem aktuellen Thema oder einer konkreten Aktion. So griffen die DFD-Frauen als eine der ersten Gruppen bereits im Jahr 1955 die Bedrohung durch Atomwaffen auf und machten es zum Thema ihrer Veranstaltungen. Zum Internationalen Frauentag 1956 erschien am 1. März ein Bericht über eine Ak- tion russischer Zwangsarbeiterinnen in Bremen zum Internationalen Frauentag 1943: Die jungen Frauen, die aus der Ukraine nach Deutschland transportiert worden waren und in Bremen bei der Firma Borgward „Sklavenarbeit“ leisten mussten, hatten sich zum 8. März ihre Kopftücher rot eingefärbt und marschierten als geschlossene Kolonne schweigend durch die Fabrikhalle an ihre Arbeitsplätze95. Die jungen Frauen aus der Sowjetunion hatten mit ihrer Aktion selbstbewusst ihre Identität gegen das Unterdrückungssystem der Nazis behauptet. Der Autor des Artikels, Albert Oltmanns, verwies mit seinem Erinne- rungsbericht auf die Bedeutung des Frauentages und seine kämpferische Geschichte. Am 3. März erschien in der Bremer Bürger-Zeitung ein Artikel von Anna Stiegler, der einen völlig anderen Ton anschlug. Anna Stiegler wandte sich gegen die DFD-Veranstal- tung zum 8. März. Sie nannte es:

„Internationaler Frauentag unter falscher Flagge!“ Wie in jedem Jahr versucht der Demokratische Frauenbund (DFD) zum 8. März die sozialdemokratischen Frauen für seine Kundgebung zu gewinnen, die er fälschli- cherweise als Internationaler Frauentag bezeichnet. Wir müssen immer wieder darauf hinweisen, daß es sich hier um eine getarnte An- gelegenheit der KPD handelt, die sich nicht scheut, diesen seit 45 Jahren so gut eingeführten Fest- und Kampftag der sozialdemokratischen Frauen in der gesamten Internationale für ihre Zwecke auszunutzen. Es sei noch einmal festgestellt: Es gibt nur einen Internationalen Frauentag, der in diesem Jahr in Bremen am 29. Mai in der großen Rathaushalle durchgeführt wird.“96

Anna Stiegler warnte davor, an der Frauentagsveranstaltung des DFD teilzunehmen. Sie sprach den Kommunistinnen und allen Organisationen, in denen diese mitwirkten, das Recht ab, Veranstaltungen unter dem Namen des Internationalen Frauentages durchzu- führen, der Frauentag sei ausschließlich eine sozialdemokratische Institution und die So- zialdemokratinnen seien die legitimen Erbinnen des Beschlusses von Kopenhagen. Anna Stiegler machte zugleich klar, dass es sich hier nicht um einen lokalen Streit han- delte, sondern um eine grundsätzliche und internationale Auseinandersetzung. Denn die Kommunistinnen benutzten „in der gesamten Internationale“ den Frauentag für ihre Zwe- cke. Sie verwies damit – ohne den Namen zu nennen – auf die Internationale Demokrati- sche Frauenföderation (IDFF)97, die mit ihren von den sozialistischen Staaten geförderten Kongressen und international verbreiteten Publikationen besonders in den Ländern der 1945–1966 241

Dritten Welt erheblichen Einfluss ausübte.98 Mit dieser Erklärung, die Anna Stiegler aus- drücklich als Stellungnahme der SPD-Frauenorganisation abgab, wurde dem DFD und den Kommunistinnen eine endgültige Absage erteilt. Der DFD verwies in seiner Erwiderung99 vor allem auf das gemeinsame Erbe. Er vermied jede Konfrontation und Polemik, betonte vielmehr das gemeinsame Anliegen des Kampfes für den Frieden und „die Liebe und Sorge um [unsere] Kinder.“ Und unbeirrt von den eindeu- tigen Abgrenzungen Anna Stieglers verband er seine Gegendarstellung mit dem Vorschlag, sich gegenseitig an den jeweiligen Veranstaltungen zum Frauentag zu besuchen.100 Doch dieser Kompromissvorschlag hatte keinen Einfluss auf die Entscheidung der Sozialdemokratinnen. Denn für diese ging es um eine öffentliche Demonstration gegen die Kommunistinnen. Zugleich sollte damit der sozialdemokratische Frauentag, trotz des gleichlautenden Namens, vom Odium einer kommunistischen Veranstaltung gereinigt und als Teil der sozialdemokratischen Tradition gesichert werden. Der Kalte Krieg fand auch zwischen den Frauenorganisationen der SPD und KPD statt.101 Nach dieser Auseinandersetzung haben sich wahrscheinlich kaum noch Außenstehen- de bei der DFD-Veranstaltung eingefunden. Doch dem Bericht der KPD-Landesleitung zufolge waren trotzdem etwa dreihundert Frauen und Männer gekommen.102 Auf der Ver- anstaltung sprach Cor Verkaik aus den Niederlanden, Leiterin der Niederländischen Frau- enbewegung in Amsterdam. Sie überbrachte die Grüße der „holländischen Schwestern“ und berichtete über das Leben der Arbeiterfrauen in ihrer Heimat. Mit einem Redakteur der Tribüne sprach sie auch über ihren privaten Alltag. Auf die Frage, ob sie arbeite, ant- wortete sie mit Nein und fuhr lachend fort: „Aber ich bin trotzdem nicht arbeitslos! Jeden Tag bin ich mit dem Fahrrad unterwegs und tue etwas für den Frieden.“103 Zum Abschluss ihres Besuchs in Bremen schrieb Cor Verkaik einen persönlichen Gruß an die Bremerin- nen, welchen die Parteizeitung veröffentlichte:

Abschiedsgruß der holländischen Freundin. „Ich überbringe die herzlichen Grüße der holländischen Frauen. Euer Kampf ist auch unser Kampf. In gemeinsamer Arbeit werden wir die Arbeiter und alle anderen Schichten der Bevölkerung von unserm großen Ziel überzeugen und werden gewinnen. Herzliche Grüße Cor Verkaik.“104 242 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland

Im Bericht der Landesleitung der KPD Bremen über die Veranstaltung zum Frauentag wurde festgehalten, dass die Anwesenden eine Entschließung an den Bundesrat geschickt hätten, in der sie forderten, die Wehrgesetze105 nicht zu verabschieden.106 Die Teilnehme- rInnen an dieser Versammlung bekundeten ihre Entschlossenheit, ihre politischen Aktio- nen fortzusetzen. Doch nur wenige Monate nach dieser Veranstaltung im August 1956 wurde die KPD als verfassungsfeindliche Partei verboten. In der Folge wurde der DFD als „kommunistische Tarnorganisation“ eingestuft und im April 1957 genauso verboten. Damit endete diese Phase der Frauentage der Kommunistischen Partei und die kurze Geschichte des DFD in Westdeutschland.

Die Bremer Sozialdemokratinnen und ihre Frauentage – 1945 bis 1966

Die SPD-Frauen bauen ihre Strukturen nach dem Krieg wieder auf

Noch vor der Zulassung der Sozialdemokratischen Partei im Oktober 1945 nahmen die Sozialdemokraten in Bremen untereinander wieder Kontakte auf und erste kleine Partei- gruppen schlossen sich zusammen. Auch die Frauen verabredeten sich, suchten ehemalige Genossinnen auf und organisierten erste Treffen. Für sie war es selbstverständlich, ihre Arbeit in den Strukturen fortzusetzen, die ihnen aus der Zeit vor 1933 vertraut waren und die sich – wie im vorherigen Kapitel dargestellt – auch unter der NS-Herrschaft bewährt hatten. Den Neuanfang der Frauengruppen der SPD im Bremer Arbeitervorort Walle beschrieb Zeitzeugin Luise Heinemann 1987 in einem Interview107: „Und dann hat es auch angefan- gen, daß wir Frauen zusammenkamen, zuerst in Privatwohnungen. […] Wir haben uns gegenseitig aufgesucht, und die eine hat diese getroffen und die andere jene, und so sind wir gewachsen. […] Dann haben wir gespürt, daß es auch wichtig war, sich mit all dem, was anlag, intensiver auseinanderzusetzen. Es hatte sich ja viel verändert. Und so haben wir SPD-Frauen angefangen, mit Vortragsveranstaltungen zu Fragen, die vor allem die Frauen interessierten. […] Und so sind wir eines Nachmittags mit acht oder zehn Frauen ausgeschwärmt und haben sie alle in den Parzellenhäuschen aufgesucht, und die haben sich riesig gefreut. Dann haben wir angefangen, in den provisorischen Häusern der Klein- gartenvereine, richtigen Bretterbuden, unsere Versammlungen zu machen. Wir haben wunderbare Versammlungen gehabt, vor allem vor der ersten Bürgerschaftswahl [1946]. Das Kleingärtnerheim war viel zu klein, die Leute drängten sich draußen vor der Tür. Wir haben auch Bastelarbeiten gemacht und Weihnachtsfeiern veranstaltet. Und wenn eine Genossin Geburtstag hatte, dann sind wir dahin gegangen und haben gesungen und eine hat Klampfe gespielt. Es war eine schreckliche Zeit damals, viele Menschen waren ver- zweifelt, alles war kaputt, aber diese Gruppe war etwas sehr Schönes. Wir kannten uns von früher, und wir waren miteinander freundschaftlich verbunden.“ Darauf angesprochen, dass sie wenig über die politischen Inhalte der Arbeit berichtet habe, betonte Frau Heine- mann, dass man mit politischen Vorträgen allein die Frauen nicht zusammenhalten kön- ne, „da muß auch ein bißchen Unterhaltung mit dabei sein“.108 Für Luise Heinemann – wie wahrscheinlich für viele der Sozialdemokratinnen, die sich in der Frauengruppe zusam- 1945–1966 243 mengeschlossen hatten – war der Wunsch nach geselligem Beisammensein ein wichtiger Grund für die Mitarbeit in der Parteigruppe. Gleichzeitig besuchten die SPD-Frauen auch politische Zusammenkünfte und beteiligten sich an den Wahlkampfeinsätzen – doch in Erinnerung geblieben sind die gemeinsamen Feiern. Schon nach relativ kurzer Zeit hatten die Sozialdemokratinnen viele der ehemaligen Mitglieder wieder zusammengeholt. Am 1. Januar 1947 hatte die SPD in Bremen 5.042 Mitglieder, darunter rund 1000 Frauen. Mit 18,4 Prozent hatte die Partei zwar noch nicht den Frauenanteil der frühen 1930er Jahre erreicht, doch der aktuelle Stand war für die Genossinnen ein ermutigender Anfang.109 Die Bremer Frauengruppe setzte sich im Wesentlichen aus Mitgliedern aus der Zeit vor 1933 zusammen.110 So hatte Anna Stiegler, die nach zehn Jahren Zuchthaus und Konzen- trationslager 1946 zurückgekehrt war, sofort wieder ihre Arbeit in der Partei aufgenom- men. Bald übernahm sie auch erneut die Leitung der Bremer Frauengruppe. Damit war die Kontinuität gesichert und verlässliche Strukturen geschaffen. Andererseits ließen diese von der Parteitradition geprägten Strukturen nicht viel Raum für neue Konzepte oder aktive Beteiligung von Menschen mit anderen Erfahrungen. So schlossen sich nur wenige junge Frauen den SPD-Frauengruppen an. Das bestimmte die Position der Frauen in der Partei: Sie blieben eine Minderheit in einer von Männern geleiteten Arbeiterpartei. Parallel zum Aufbau der Frauengruppen an der Basis wurden Frauenstrukturen für die Gesamtpartei geschaffen. Auf dem Parteitag in Hannover wurden zwei Frauen in den erweiterten Vorstand gewählt und Herta Gotthelf, die frühere Redakteurin der Gleichheit, der Frauenzeitschrift der SPD vor 1933, erhielt den Auftrag, das Frauenbüro beim Partei- vorstand zu übernehmen.111 Im September 1947 konstituierte sich der zentrale Ausschuss für Frauenfragen beim Parteivorstand, dem zwölf Frauen und vier Männer angehörten. Ende 1947 erhielt die neue SPD-Frauenzeitschrift Genossin eine vollständige Lizenz der Besatzungsmächte und konnte in einer Auflage von 20.000 Exemplaren erscheinen112. Der Kommunikation und der Vernetzung untereinander dienten die Frauenkonferenzen, die wieder im Jahresrhythmus abgehalten wurden.113 Gleichzeitig fasste der Parteivorstand seine frauenpolitischen Grundsätze in einer „Ent- schließung zur Frauenfrage“ zusammen. Darin verwies die SPD darauf, dass sie in ihrer Geschichte immer die Interessen der „arbeitenden Männer und Frauen“ vertreten habe und auch in der Nachkriegsgesellschaft für die volle Gleichberechtigung aller Frauen ein- trete. Die konkreten frauenpolitischen Forderungen der Entschließung lauteten: „Gleicher Lohn für die gleiche Arbeit, gleiche Ausbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für Männer und Frauen, Anerkennung und Wertung der Leistungen der Hausfrauen und Mütter.“ In diesem Zusammenhang wurde ausdrücklich hervorgehoben, dass ein erfolgreicher Kampf für die Forderungen der Frauen nur von Frauen und Männern gemeinsam geführt werden könne und „[d]eshalb lehnen die sozialdemokratischen Frauen jede Form einer Frauenpartei und sogenannter unpolitischer Frauenvereinigungen ab“. Stattdessen wolle die SPD auch Frauen die Möglichkeiten schaffen, sich – zusammen mit Männern – „in Staat und Gemeinde“ politisch zu betätigen. Die Abgrenzung gegenüber den „unpolitischen Frauenvereinigungen“ richtete sich vor allem gegen die überall entstehenden Frauenausschüsse. Die Sozialdemokratinnen lehn- ten solche Formen der Organisierung als weiblichen Separatismus ab und forderten die Genossinnen auf, sich aus den Ausschüssen zurückzuziehen und auf den Aufbau der eigenen Parteifrauenarbeit zu konzentrieren. Die Ablehnung dieser Frauenorganisationen war aber nicht nur eine Frage politischer Prinzipien – vielmehr hatte die Partei feststellen müssen, dass die Ausschüsse zu einer Konkurrenz für die eigene Frauenarbeit wurden. In 244 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland nahezu allen Frauenausschüssen engagierten sich SPD-Frauen, oft waren sie, wie in Bre- men, sogar Mitgründerinnen und Vorsitzende. Diese Entwicklung konnte die Partei nicht ohne Gegenwehr hinnehmen.114

Die Sozialdemokratinnen organisieren den Internationalen Frauentag – 1949

Bereits im Jahrbuch der SPD von 1947 wurde von Kundgebungen zum Internationalen Frauentag berichtet. Nach ersten internationalen Kontakten wurden auf den Veranstal- tungen zum Frauentag Botschaften von sozialdemokratischen Frauengruppen aus Eng- land, Skandinavien, Österreich und Holland verlesen.115 Doch erst 1949 rief die SPD in den drei westlichen Besatzungszonen zum Internatio- nalen Frauentag auf. Am Freitag, dem 11. März 1949, druckte die Bremer Volksstimme, das Parteiorgan der Bremer SPD, den Aufruf des Parteivorsitzenden Dr. Kurt Schumacher „Zum Internationalen Frauentag – Frieden und Freiheit durch internationale Solidarität“. Kurt Schumacher forderte die Frauen auf, am Aufbau des „neuen Hauses“ Deutschland mitzuwirken. Sie sollten ihre „Fremdheit“ gegenüber der Politik überwinden, Politik sei nichts, was den Frauen wesensfremd sei. Sie müssten nur in sich „hineinhorchen“, um wahrzunehmen, „daß der Frieden, die internationale Zusammenarbeit und das Leben in gegenseitiger Achtung die Ziele sind, die ihrem Wesen als Frau entsprechen“.116 Kurt Schu- macher sah in Frauen Friedensstifterinnen. Er forderte sie auf, ihre aus seiner Sicht natür- lichen Fähigkeiten in die Politik einzubringen und mitzuhelfen, einen sozialen Staat der Freiheit und des Friedens zu gestalten. Mit diesem Aufruf appellierte der Vorsitzende auch an die Partei, den Internationalen Frauentag als sozialdemokratischen Fest- und Agita- tionstag wieder in das politische Leben und den Rhythmus des Parteijahres aufzunehmen. In Bremen hatte Anna Stiegler als Vorsitzende der SPD-Frauengruppe am 14. März zur ersten Kundgebung aus Anlass des Internationalen Frauentages eingeladen. „Die Aula der Hermann Böse-Schule war bis auf den letzten Platz gefüllt, als Anna Stiegler die Grüße und Aufrufe vom In- und Ausland zu Kenntnis gab.“117 Trotz der durch die Nationalsozialisten erzwungenen Pause wurde die erste Versammlung nach sechzehn Jahren ein Erfolg. Die Bremer SPD feierte die wiedererstandene Tradition: Die Grußadressen zeigten, dass die deutschen Sozialdemokratinnen in der Internationale der Sozialistinnen will- kommen waren. Den Festvortrag hielt Käthe Schaub, SPD-Landtagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen. Sie sprach über die Bedrohung durch einen möglichen Atomkrieg. Doch es seien schließlich Menschen, die Kriege herbeiführten, und deshalb könne er auch durch eine „geschlossene Abwehrfront der Frauen und Mütter“ verhindert wer- den. „Die Erhaltung des Friedens muß die wichtigste Erziehungsaufgabe an der Jugend sein.“118 „Frieden – Freiheit – Internationale Solidarität“ wurden die Leitmotive für die Frau- entage der fünfziger Jahre. Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki hatte das Friedensthema eine be- sondere Bedeutung gewonnen. Einer Welt, in der sich zwei Systeme bewaffnet gegen- überstanden, stellten die Frauen ihre Friedenskundgebungen entgegen, auf denen sie als internationale Bewegung gemeinsam ihre Forderungen nach Abrüstung und Frieden in Freiheit erhoben. 1945–1966 245

Mit den Begriffen Frieden und Freiheit verband die SPD ein politisches Programm. Für die Sozialdemokraten konnte Frieden nur im politischen Rahmen einer parlamen- tarischen Demokratie verwirklicht werden. In allen Friedensverhandlungen waren freie Wahlen und die Freiheit des Einzelnen die Prüfsteine, an denen die Ernsthaftigkeit eines Friedensangebotes gemessen werden musste.

Frauenpolitik in der Bundesrepublik der 1950er Jahre

1949 entstanden aus den vier Besatzungszonen zwei deutsche Staaten: die Bundesrepu- blik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR). Am 23. Mai 1949 war das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten und damit auch sein Artikel 3, der sowohl die Gleichberechtigung von Männern und Frauen als auch ein Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vorsah:

Artikel 3 1. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. 2. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. 3. Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, sei- ner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.119

Das Leben der Frauen in der neu gegründeten Bundesrepublik wurde jedoch kein Auf- bruch in die Gleichberechtigung. Im Gegenteil erlebten die Frauen wieder einmal, dass Männer ihre Vorrangstellung am Arbeitsmarkt durchsetzten. Es begann in den fünfziger Jahren eine regelrechte Kampagne gegen die Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen, gegen die sogenannten Doppelverdienerinnen. Auch Gewerkschaften und Betriebsräte beteilig- ten sich daran.120 Vor allem wurde dabei die Erwerbstätigkeit von Müttern kritisiert, sie sollten zurück- kehren zu ihren Aufgaben als Hausmütter. Denn das Idealbild und die allgemein propa- gierte weibliche Lebensperspektive für die Frau war ihr Dasein als Hausfrau und Mutter. Die Ansicht, dass die Betreuung und Versorgung der Kinder in den Familien – das heißt von den Müttern – zu gewährleisten sei, wurde nicht nur von konservativen Kreisen und vom 1953 ins Leben gerufenen Familienministerium vertreten, auch die Gewerkschaften stimmten in den Chor mit ein. Maria Weber, die Vertreterin der Frauen im Hauptvorstand des DGB, vertrat den Standpunkt, „es wäre wünschenswert, wenn in eindringlicher Weise von allen Organisationen und Institutionen ohne verletzende Äußerungen den Familien klar gemacht würde, wie wertvoll die Mutter daheim für die Familie ist und daß nur ma- terielle Not Zwang sein dürfte, wenn Mütter mit kleinen Kindern einer Erwerbstätigkeit nachgehen.“121 Auch für die Sozialdemokraten gehörte die von der Erwerbsarbeit freige- stellte Hausfrau und Mutter, die die Versorgung und Betreuung der Kinder leistete, zum Leitbild ihrer Frauenpolitik.122 Trotz solcher Stellungnahmen und der Kampagne des Familienministers Franz Josef Würmeling unter dem Motto „Wie kann die Frau der Familie zurückgegeben werden?“123 gelang es nicht, die berufstätigen Mütter an den häuslichen Arbeitsplatz zurückzuholen. Im Gegenteil: Die Berufstätigkeit der Mütter nahm weiter zu.124 246 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland

Doch diese neue Entwicklung fand in den SPD-Frauengruppen in Bremen wenig Be- achtung. Keine Veranstaltung beschäftigte sich mit dem Thema. Auch die Forderung nach dem Ausbau von öffentlichen Erziehungseinrichtungen für Kinder wurde nicht erhoben, galten doch solche Maßnahmen als spezifische Erscheinung der kommunistischen Länder. Erst 1963 forderte die sozialdemokratische Senatorin für Jugend und Wohlfahrt, Anne- marie Mevissen, die berufstätigen Mütter auf, sich ihrer Macht bewusst zu werden und vom Staat mehr Kindereinrichtungen zu fordern.125 Die politische Frauenarbeit der Bremer Sozialdemokratinnen in den fünfziger Jahren wurde weitgehend von den Interessen der Hausfrauen bestimmt, in deren Händen die Frauenarbeit im Wesentlichen lag.

Die politische Arbeit der SPD-Frauen in Bremen

Die politische Arbeit der SPD-Frauen in Bremen wurde von einem Kreis aktiver Frauen um die Vorsitzende Anna Stiegler bestimmt und koordiniert. Die Frauengruppen waren nach dem SPD-Organisationsmuster distriktweise organisiert. Der Ortsverein Bremen war in 26 (1949) beziehungsweise 32 (1959) Distrikte unterteilt.126 In der Mehrzahl der Dist- rikte gab es Frauengruppen, die sich regelmäßig zum Austausch und zum gemütlichen Beisammensein trafen. Mehrmals jährlich organisierte die Gruppe öffentliche Veranstal- tungen, Kulturabende wechselten mit Vorträgen oder Filmvorführungen ab. Sehr beliebt waren vor allem die Ausflüge im Sommer. Die Treffen und Veranstaltungen wurden im Weser-Kurier unter der Rubrik „Aus unserem Notizbuch“ und in der Parteizeitung unter „Aus der SPD Bremen“ angekündigt. Die Frauengruppen hatten eine doppelte Funktion. Für die Mitglieder war die Grup- pe wichtiger Freizeittreff, diente dem Erfahrungsaustausch und stärkte das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Zugleich fungierte die Gruppe als Multiplikator und wirkte nach außen in den Stadtteil, zum Beispiel wenn die Frauen als Wahlhelferinnen im Einsatz waren. Da die meisten von ihnen Hausfrauen waren, konnten sie tagsüber Flugblätter verteilen, beim Einkauf Gespräche führen und für die Parteikandidaten werben. Über den Einsatz bei der Bundestagswahl 1957 schrieb Anna Stiegler in ihrem Jahresbericht: „In den Distrikten haben die Genossinnen fleißig mitgearbeitet. Als Belohnung machten wir mit den Wahlhelferinnen einen Ausflug nach Bad Essen.“127 1945–1966 247

In Anna Stieglers Jahresbericht aus dem Jahr 1956 konnte man nachlesen, welch ein Arbeitspensum die 125 Funktionärinnen in dem Jahr bewältigt hatten.128 Neben der Grup- penarbeit in den Distrikten stand das Programm der zentralen Aktionen für den gesamten Ortsverein:

Jahresbericht der Frauengruppen Bremen und Bremen-Nord für das Jahr 1956. Quelle: AdsD/FES; siehe auch die nächste Seite. 248 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland

Bericht über die Arbeit der Gruppen in den Wohngebieten (Distrikte) das Jahr 1956. Quelle: AdsD/FES 1945–1966 249

So gab es einmal die Veranstaltungen in den Distrikten, die die Genossinnen „in sechzig Sitzungen“ vorbereitet hatten. Dazu kam die Organisierung von zentralen Aktionen. Für eine Reihe von Veranstaltungen hatte sich ein jahreszeitlicher Rhythmus herausgebildet: von der Frühlingsfeier über Ferienausflüge im Sommer bis zur Weihnachtsfeier. Den jähr- lichen Höhepunkt bildete die große Veranstaltung zum Internationalen Frauentag, die mit rund 900 TeilnehmerInnen die bestbesuchte Versammlung war. Zwar fanden auch Vortragsabende zu politischen Themen statt, doch dazu stellte Anna Stiegler fest:

„Wir sehen auch hier wie überall, daß Feierstunden, gesellige Veranstaltungen und auch Filme die Frauen mehr anziehen als reine Vorträge und Diskussionen. Natürlich werden auch in diesen Veranstaltungen entsprechende Ansprachen gehalten.“129 Anna Stiegler über die politische Frauenarbeit.

Insgesamt hatten die Bremer Genossinnen politische, kulturelle und freizeitliche Aktivitä- ten über das ganze Jahr verteilt. Nicht zuletzt durch diese kontinuierliche Präsenz und das persönliche Engagement vieler Genossinnen stieg die Zahl der weiblichen Parteimitglieder weiter an – während die Gesamtpartei zwischen 1948 und 1955 fast ein Drittel ihrer Mit- glieder einbüßte.130 Allerdings war damit das Nachwuchsproblem auch in Bremen nicht gelöst. Im oben zitierten Jahresbericht der Frauengruppe zeigte die Altersverteilung der Funktionärinnen, dass von den 125 Frauen nur 25 jünger als 40 Jahre und fast die Hälfte über 50 Jahre alt waren. Nur zwei Funktionärinnen waren erwerbstätig.131 Das bedeutete, dass die junge Frauengeneration, und damit die berufstätigen Frauen, auf die Entwicklung und Gestal- tung der Frauenarbeit kaum Einfluss nahmen. Für die Sozialdemokratinnen blieb in den fünfziger Jahren die Friedensforderung das zent- rale Thema der Internationalen Frauentage. Die Rednerinnen waren in der Regel bekannte Sozialdemokratinnen, Bundestagsabgeordnete oder auch Mitglieder des zentralen Aus- schusses für Frauenangelegenheiten.132 Sie nutzten die Veranstaltungen zur Kritik an der Politik der Bundesregierung und um die Standpunkte und Forderungen der SPD zu er- läutern. Gleichzeitig grenzten sie sich in ihren Friedenserklärungen von den Kommunisten ab, obwohl diese – bezogen auf die Adenauer-Regierung – durchaus ähnliche Positionen vertraten. In den Referaten wurden die Forderungen nach Frieden und Verständigung deshalb mit den Prinzipien eines Lebens in Freiheit und einer parlamentarischen Demo- kratie westlicher Prägung verknüpft. Diese Wortverbindung „Frieden in Freiheit“ wurde zur stehenden Redewendung, die die Westorientierung der SPD und die Ablehnung des sowjetischen Systems zusammenfasste. 250 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland

Abgrenzung zur KPD-Veranstaltung: der sozialdemokratische Frauentag 1950

1950 wurde die 40. Wiederkehr des Internationalen Frauentages unter dem Motto „Durch soziale Gerechtigkeit zum Weltfrieden“ gefeiert. Das Frauenbüro hatte Material zur Durch- führung der Veranstaltungen zusammengestellt und „Sammlungen von Liedern und Ge- dichten sowie Rededispositionen herausgegeben und an die Presse besondere Frauentag- artikel verschickt“.133 Gleichzeitig war das Frauenbüro bestrebt, die internationale Bedeutung des Tages he- rauszustellen. Die Internationale der sozialdemokratischen Frauen hatte begonnen, die Frauentagaktionen zu koordinieren, sie wählte das einheitliche Motto der Frauentage aus. Auch der Austausch von Referentinnen zwischen den Ländern wurde ausgebaut und das Verlesen von Grußadressen aus verschiedensten europäischen und außereuropäischen Ländern wurde in den Veranstaltungen zu einem regelmäßig wiederkehrenden Programm- punkt. An die Idee einer Internationale der Frauen knüpften auch die Grenztreffen an, die in den fünfziger Jahren zunehmend an Bedeutung gewannen und über die im Laufe des Kapitels noch ausführlich berichtet wird. 1950 gab es eine erste Initiative. An der Kundge- bung der österreichischen Genossinnen in Salzburg nahmen nicht nur Herta Gotthelf und Lotte Lemke als offizielle Vertreterinnen der SPD teil, sondern auch ein Gruppe Sozialde- mokratinnen aus Rosenheim war eigens angereist und marschierte im Demonstrationszug der Österreicherinnen mit.134 Obwohl die Frauentagsveranstaltungen im Jahr 1949 auf ein positives Echo gestoßen waren, standen Teile der SPD und des Parteivorstandes dem Projekt eines Internatio- nalen Frauentages der Sozialdemokratie offensichtlich skeptisch gegenüber. Zumindest hielten die Autorinnen des Frauenkapitels im SPD-Jahrbuch 1950/51 eine Rechtferti- gung erforderlich: „Trotz anfänglicher Bedenken hat sich doch herausgestellt, daß der Internationale Frauentag, wenn die Veranstaltungen gut durchdacht und gut aufgezogen sind, ein wertvolles Propaganda- und Erziehungsmittel darstellen.“135 Die Frauen hielten ihren Kritikern entgegen, dass der Frauentag ein wertvolles Werbemittel sei und die teil- nehmenden Frauen gleichzeitig parteipolitisch geschult würden. Offensichtlich konnten diese Argumente sowie der Erfolg der Veranstaltungen im Jahr 1950 die Bedenken aus- räumen, denn für die darauf folgenden Jahren finden sich keine weiteren Hinweise auf kritische Stimmen. Zu dieser Akzeptanz innerhalb der Partei hatte wesentlich die eindeutige Abgrenzung der SPD-Frauen gegenüber den Veranstaltungen der Kommunistinnen beigetragen, wie es zum Beispiel die Bremer Sozialdemokratinnen praktizierten. Anna Stiegler protestierte bis 1956 fast jedes Jahr in öffentlichen Stellungnahmen gegen die Veranstaltungen der KPD und des DFD und wies die Angebote zur Zusammenarbeit konsequent zurück.136 1950 sahen sich die SPD-Frauen mit dem Problem konfrontiert, dass ihre Veranstaltung am 27. März im großen Saal des Rathauses stattfinden sollte und dass für den 7. März das „Vorbereitungskomitee zum Internationalen Friedenstag der Frauen“ in den Festsaal des neuen Rathauses einlud. Um Klarheit zu schaffen, veröffentlichte die Bremer Presse – die sozialdemokratische Parteizeitung – am 7. März 1950 unter dem Titel „Entlarvte kom- munistische Propaganda“ eine Stellungnahme der Frauengruppe der SPD. „Um einer Ir- reführung der Öffentlichkeit entgegenzuwirken, stellen wir fest: es handelt sich bei der heutigen Friedenskundgebung um eine rein kommunistische Veranstaltung, die mit dem 1945–1966 251 sozialdemokratischen Frauentag nichts zu tun hat. Dieser findet am 27. März in der Obe- ren Rathaushalle statt.“137 Über Aktionen der Sozialdemokratinnen zum Internationalen Frauentag wurde in der Bremer Parteipresse bereits in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren ausführ- lich berichtet. Diese Zusammenarbeit wurde auch nach dem Krieg fortgesetzt. Alljähr- lich wurden die Kundgebungen angekündigt, gelegentlich gab es Vorberichte und im Anschluss an die Veranstaltung wurde ausführlich über deren Verlauf informiert. Am 23. März 1950 veröffentlichte die Bremer Presse die Erläuterungen Anna Stieglers zur Geschichte und Bedeutung des Internationalen Frauentages. Damit sollte der in der NS-Zeit herangewachsenen Generation dieser Teil der Geschichte der Sozialdemokratie nahe gebracht werden.138 Zur Feierstunde am 27. Mai waren in der „festlich geschmückten“ oberen Rathaushalle alle Plätze besetzt. Für die Sozialdemokratie Bremens war diese Veranstaltung ein Stück wiedergewonnene Tradition. In ihrer Eröffnungsansprache wies Anna Stiegler auf einen der Erfolge des Internationalen Frauentages hin, dass nämlich in der Zwischenzeit Frauen in die Rathäuser eingezogen seien, „wo sonst hier nur Männer ihre Meinungen in die Waag- schale werfen durften“. Trotzdem müssten die Frauen auch noch 1950 „ihre Forderungen auf Gleichheit, Frieden und Freiheit“ in der Öffentlichkeit erheben. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Anni Kranstöver kritisierte in ihrer Rede vor allem die Wirtschaftspolitik von Ludwig Ehrhard, dessen Maßnahmen „nicht zum Wohle der breiten Masse durchgeführt werden.“139 Nach ihrem Vortrag wurde die Feierstunde mit dem Ge- sang des Kinderchores beendet. Mit dieser Veranstaltung hatten die Sozialdemokratinnen in Form und Inhalt an die Festakte der zwanziger Jahre angeknüpft. Auch der Kreis der Adressatinnen war weitge- hend gleich geblieben. Eingeladen wurden vor allem die Kolleginnen aus der Gewerkschaft sowie die Frauen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und aus dem Konsumverein. Natürlich wur- den auch Freunde und Bekannte mitgebracht und die Tradition an die nächste Generation weitergegeben. „Oma hat mich mitgenommen. Wir hatten uns richtig fein gemacht, Oma im Samtkleid. Es war eine Festveranstaltung.“ Rita Rußland konnte sich auch im Gespräch im Juli 2010 noch an die beeindruckenden Versammlungen zum Frauentag in Bremen im Rathaussaal erinnern.140 Der Internationale Frauentag blieb bis zu seinem vorläufigen Ende 1966 eine Aktion der Partei-Frauen. „Für die Gewerkschaften spielte dieser Tag keine eigenständige Rolle.“141 Im Vergleich zu den Festakten in der Weimarer Republik gab es jedoch eine entscheidende Veränderung: die neue Rolle der Bremer SPD als Regierungspartei, die den Internationa- len Frauentagen einen besonderen Glanz verlieh. Jetzt konnten die Sozialdemokratinnen auf einmal in den Festsaal des Rathauses einladen, vor dessen verschlossenen Türen die Frauendemonstration 1911 noch geendet hatte. Jetzt, im Jahr 1950, konnten die SPD-Frau- en über die Geschicke der Stadt mitbestimmen – doch zurecht wies Anna Stiegler darauf hin, dass viele Forderungen der Frauen noch immer nicht erfüllt seien. Verschwunden waren dagegen die lauten Kampfansagen aus dem Frauentagpro- gramm. Es gab keinen gemeinsamen Gesang von Arbeiterliedern und auch keine Demonstrationszüge mehr. Die Naziaufmärsche, die gebrüllten Kommandos und der Massengesang von Naziliedern waren allen noch im Gedächtnis, alles, was daran er- innerte, wurde vermieden. Und die Sozialdemokratinnen wünschten keine proletari- schen klassenkämpferischen Veranstaltungen mehr – ihre Veranstaltungen sollten sich schon im äußeren Erscheinungsbild von den Aktionen der Kommunistinnen unterscheiden. 252 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland

„Frauen kämpfen für Frieden und Freiheit“ – Frauentage 1951 bis 1956

Für die Sozialdemokratinnen selbst war der Internationale Frauentag ein jährlich wieder- kehrendes Ritual, mit dem sie sich der Öffentlichkeit präsentierten und miteinander ihre Gemeinschaft feierten. In der ersten Hälfte der fünfziger Jahre kämpfte die SPD als Op- positionspartei gegen die Pläne Konrad Adenauers, die Bundesrepublik in das westliche Militärbündnis einzubeziehen und in der BRD wieder eine eigene Wehrmacht aufzubauen. Der Haupteinwand gegen diese Politik war, dass damit Friedensverhandlungen mit der Sowjetunion und eine Wiedervereinigung unmöglich würden. Die Internationalen Frauen- tage boten der Partei ein Forum, auf dem sie den Besucherinnen ihre Alternativen zur Politik der CDU vorstellen und erklären konnte. 1951 wurde der Frauentag unter dem Motto „Frauen kämpfen für Frieden und Freiheit“ begangen. Das Frauenbüro veröffentlichte dazu eine Stellungnahme Kurt Schumachers. Da die „Aufrüstung in den Diktaturen“ des Ostens und die entsprechenden Gegenmaß- nahmen im Westen eine Bedrohung für den Frieden und die Freiheit darstellten, rief dieser die Frauen dazu auf, sich verantwortlich und aktiv am politischen Leben zu beteiligen.142 Der Appell bestimmte auch die Frauenversammlung vom 16. April 1951. Zum Abschluss verabschiedeten die Teilnehmerinnen die zentrale Erklärung:

„Wir sozialistischen Frauen geloben, überall für den wahren Frieden einzutreten, unsere Kinder in diesem Sinne zu erziehen und unsere Jugend zu lehren, Gewalt und Diktatur zu verabscheuen und die höchsten Güter der Menschheit, Demokratie und menschliche Freiheit, zu bejahen und wenn es sein muß, auch zu verteidigen.“143

Diese Resolution war ein Bekenntnis zur westlichen parlamentarischen Demokratie und eine politische Grenzziehung zur Sowjetunion und den anderen Staaten des „Ostblocks“, wie es in der Sprache des Kalten Krieges hieß. Zugleich wurde die Zuständigkeit der Frau- en und Mütter für die Erziehung der Kinder unterstrichen. Die Frauen übernahmen in Form einer Selbstverpflichtung die Rolle als Friedenserzieherinnen. Auf der Frauentagsveranstaltung in Bremen am 21. März 1952 sprach Louise Schröder, ehemalige Oberbürgermeisterin von Berlin, über die Friedenskonzepte der Sozialdemo- kratie und stellte abschließend fest: „Der beste Schutz für den Frieden ist die soziale Sicherung und ein einiges Deutschland.“144 Sie forderte die Frauen auf, für Frieden und Freiheit ihre ganze Kraft einzusetzen. 1953, im Jahr der Bundestagswahl, waren die SPD-Frauen in den Wahlkampf einge- spannt und auch der Frauentag stand „im Zeichen der Wahlvorbereitungen“.145 Die bevor- stehende Bundestagswahl hatte bewirkt, dass am Internationalen Frauentag in Bremen das Thema Gleichberechtigung der Frau behandelt wurde. Auf der Kundgebung in Bre- men am 16. April sprach Beate Reiser, Bezirkssekretärin in Niedersachsen und eine der wenigen hauptamtlichen Parteisekretärinnen. Sie wies in ihrem Redebeitrag darauf hin, dass die Forderungen des Internationalen Frauentages nach voller Gleichberechtigung der Frau nur zu einem Teil erfüllt seien, „die wirtschaftliche Seite bedürfe noch vieler Arbeit“. Deshalb benötige die Bundesrepublik eine Wirtschaftsordnung, „die sich nach den Be- dürfnissen der Menschen richte, die in ihr arbeiteten“.146 Über konkrete Vorschläge und Forderungen, auch bezogen auf die bevorstehende Bundestagswahl, wurde auf der Kund- gebung dagegen nicht gesprochen. 1945–1966 253

1954 war die Bedrohung des Friedens wieder das beherrschende Thema des Frauen- tages. Der Ausschuss für Frauenfragen beim Parteivorstand veröffentlichte einen Aufruf gegen das Wettrüsten und gegen die latente Gefahr des Einsatzes von Atomwaffen. Der Leitgedanke: „Wettrüsten führt zum Krieg, wir fordern Frieden durch Verständigung“, be- stimmte auch die Kundgebung am 13. Mai 1954 in Bremen. Das kulturelle Rahmenprogramm wurde durch eine Tonbandübertragung erweitert. Zu hören waren die Stimmen japanischer, dänischer, jugoslawischer und österreichischer Frauen, die die Grüße aus ihren Ländern auf Band gesprochen hatten. Konrad Adenauers Pläne zur Schaffung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) scheiterten im Sommer 1954 an der Ablehnung der französischen Nationalversamm- lung. Doch die Hoffnung der SPD, „nun sei […] Wiederbewaffnung und Rüstungsproduktion für lange Zeit Illusion“, erfüllte sich nicht.147 Die Bundesregierung vereinbarte schon wenige Wochen später mit der Regierung der USA die Aufnahme der BRD in die Nato. Die neu zu schaffende Bundeswehr sollte 500.000 Mann umfassen und dem Natokommando unterstellt werden. Bereits am 23. Oktober 1954 wurden die Vereinbarungen – die Pariser Verträge – von den Außenministern Belgiens, der Bundesrepublik, Frankreichs, Großbritanniens, Ita- liens, Luxemburgs, der Niederlande, Kanadas und der USA unterzeichnet. 148 Gegen dieses Vorgehen der Regierung organisierten SPD und Gewerkschaften erstmals eine außerparlamentarische Bewegung. Am 29. Januar 1955 riefen der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer, der stellvertretende DGB-Vorsitzende Georg Reuter, der Soziologe Alfred Weber und der Theologe Helmut Gollwitzer zu einer Protestversammlung gegen die Pa- riser Verträge in der Frankfurter Paulskirche auf. Die rund eintausend TeilnehmerInnen verabschiedeten das „Deutsche Manifest“. Dessen Warnruf lautete: „Die Antwort auf die deutsche Schicksalsfrage der Gegenwart – ob unser Volk in Frieden und Freiheit wieder- vereinigt werden kann, oder ob es in dem unnatürlichen Zustand der staatlichen Aufspal- tung und einer fortschreitenden menschlichen Entfremdung leben muß – hängt heute in erster Linie von der Entscheidung über die Pariser Verträge ab. […] In dieser Stunde muß sich jede Stimme, die sich frei erheben darf, zu einem unüberhörbaren Warnruf vor dieser Entwicklung werden.“149 Das Motto für den Frauentag 1955 nahm den Gedanken der Paulskirchenbewegung auf: „Frieden durch Verständigung. Freundschaft umspanne die Welt.“ Auf der Veranstal- tung am 22. April erinnerte Anna Stiegler in ihrer Begrüßung an den Warnruf der SPD vor 1933: „Wer Hitler wählt, wählt den Krieg“. Daran knüpfte sie die Überlegung, dass die War- nung heute heißen müsse: „Wer die Aufrüstung wählt, wählt den Krieg!“ Die Referentin war , langjährige Mitarbeiterin Kurt Schumachers. Annemarie Renger erläuterte die Grundzüge der Pariser Verträge und dass damit eine neue Rüstungsspirale in Gang gesetzt würde. Dabei sei jede Aufrüstung eine Bedrohung und man wisse nicht, wohin das führe.150 Solche Floskeln prägten auch die anderen Reden auf den Frauentagkundgebungen, die Beiträge waren sehr allgemein. Die Referentinnen beließen es bei Appellen an die Teilneh- merinnen, sich für den Frieden einzusetzen und ihre Kinder in diesem Geiste zu erziehen. Keiner der Vorträge setzte besondere Akzente und von den Veranstaltungen gingen keine Impulse für weitere politische Aktionen aus. Die Vorträge waren Festvorträge, politische Kontroversen wurden nicht thematisiert. Vor allem wurde Wert darauf gelegt, dass die Positionen der SPD vertreten wurden. Die Referentin des Frauentages 1956 war Mitglied im Bundesfrauenausschuss beim Parteivorstand der SPD. Die ehemalige Hamburger Senatorin, Paula Karpinski, sprach am 29. Mai in der Rathaushalle. Ihr Thema war die mangelhafte Versorgung und Betreuung 254 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland der Kinder erwerbstätiger Mütter. Sie sah in der Zunahme der Berufstätigkeit verheirateter Frauen eine Besorgnis erregende Entwicklung für die Erziehung der Kinder, denn „jedem vierten Kind in der Bundesrepublik fehlte die Pflege der Mutter“. Deshalb kritisierte sie die völlig unzureichende Unterstützung der Familien durch die CDU/CSU-Regierung. Dem- gegenüber fordere die SPD, dass staatliche Familienhilfen wie etwa das Kindergeld so be- messen sein sollten, dass Mütter nicht aus wirtschaftlicher Not arbeiten müssten.151 In dieser Rede ging es zwar zunächst um eine Kritik an der Regierungspolitik der CDU/CSU – doch zugleich wurde den Anwesenden vermittelt, dass auch für die SPD die wichtigste Lebensaufgabe der Frau darin bestand, ihre Rolle als Hausfrau und Mutter zu erfüllen. Dabei waren unter den Zuhörerinnen sicherlich zahlreiche Arbeiterfrauen, die sich von diesem Leitbild verabschiedet hatten. Denn auch in Bremen drängten die Mütter in die neuen Berufe im Dienstleistungsgewerbe. Und weil es kaum Kinderbetreuungsplätze gab, spannten sie Familienangehörige ein oder nahmen Teilzeitjobs an.152 Wahrscheinlich hat keine der Anwesenden aus der Rede Paula Karpinskis persönliche Konsequenzen ge- zogen – allerdings hat sich auch kein Widerspruch dazu geregt. Trotz der sichtbar veränderten Lebensrealität hielten die Sozialdemokratinnen also be- harrlich an ihrem Frauenbild fest: Das Recht der Frauen auf Erwerbsarbeit endete dort, wo kleine oder schulpflichtige Kinder zu versorgen waren. Diese Aufgabe hatten ausschließ- lich die Mütter zu übernehmen.153

Als Teil der Bewegung „Kampf dem Atomtod“ – Frauentage 1957 und 1958

Die Veranstaltungen der Internationalen Frauentage 1957 und 1958 trugen einen völlig anderen Charakter. Die Sozialdemokratinnen in Bremen beteiligten sich an den aktuellen politischen Protesten gegen die Atombewaffnung der Bundeswehr. Seit Jahren testeten die Großmächte, die USA und die Sowjetunion, aber auch Frank- reich und Großbritannien, ihre Atomwaffen. Gegen diese Versuche hatte sich eine interna- tionale Anti-Atom-Bewegung entwickelt. Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer rich- tete Appelle an die Weltöffentlichkeit, die Atomgefahr zu beseitigen, Naturwissenschaftler initiierten eine erste Konferenz zur Rüstungskontrolle und „in Japan bildete sich – als Kon- sequenz der Atombombenabwürfe im Zweiten Weltkrieg und der neuerlichen britischen Tests im Pazifik – der weltweit stärkste Anti-Atom-Protest aus“.154 In der Bundesrepublik löste vor allem die von den USA erklärte Absicht, in Europa taktische Atomwaffen zu stationieren, Protest aus. Doch zum zentralen Streitfall geriet die Forderung der Bundesregierung nach Atombewaffnung der Bundeswehr. Dazu wandte sich Konrad Adenauer am 4. April 1957 an die Öffentlichkeit. Er bezeichnete die neu entwickelten taktischen Atomwaffen als eine „Weiterentwicklung der Artillerie, an der auch die Bundeswehr teilhaben müsse.“155 Auch als Reaktion auf diese Stellungnahme Adenauers traten am 12. April 1957 führende bundesdeutsche Atomwissenschaftler mit der „Göttinger Erklärung“ an die Öffentlichkeit. Sie warnten vor der Verharmlosung tak- tischer Atomwaffen und lehnten die Mitwirkung an Herstellung, Erprobung und Einsatz von Atomwaffen entschieden ab. Die „Göttinger Achtzehn“ forderten, die Bundesregierung müsse grundsätzlich auf eine Atombewaffnung verzichten.156 Ihre Erklärung war die Initialzündung für eine Protestbewegung, die sich auf eine breite Zustimmung in der Bevölkerung stützen konnte. In Bremen spielten die SPD und die Ge- 1945–1966 255 werkschaften dabei eine besonders aktive Rolle. Es gab Massenkundgebungen, vor allem der 1. Mai wurde zum Protesttag gegen die Atomwaffen.157 Unter den Bremer Frauen entwickelte sich währenddessen eine eigenständige Initia- tive gegen die atomare Rüstung: Die kommissarische Leiterin der Bremer Gruppe des „Kampfbundes gegen Atomschäden“ übernahm eine von Göttinger Pädagoginnen ein- geleitete Initiative für einen Frauenappell gegen die atomare Rüstung und sammelte in Bremen dafür Unterschriften. Die Unterzeichnerinnen bekundeten ihre Zustimmung zur Göttinger Erklärung. Sie lehnten die Atombewaffnung sowie die Drohung damit ab. „Wir erklären uns bereit“, hieß es abschließend, „für diesen Gewissensentscheid überall und jederzeit einzutreten.“ Die Unterschriftenlisten kursierten in den Frauenorganisationen. Viele Frauen unterschrieben den Appell. Die Aktion wurde bis zum Ende des Jahres 1958 fortgesetzt.158 Auch der Bremer Frauenausschuss erörterte im Mai 1957 Aktionen der angeschlosse- nen Frauenverbände. In der einstimmig angenommenen Entschließung hieß es: „Von der Entwicklung, Erzeugung und Anwendung atomarer Waffen distanzieren wir Frauen uns, weil wir unsere Verantwortung kommenden Generationen gegenüber ernst nehmen.“159 Am 21. Mai machten die „sozialistischen Frauen“ Bremens ihre Kundgebung zum Inter- nationalen Frauentag zu einer Protestaktion „gegen die Versuche mit Atombomben und die Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen“. Alle RednerInnen, der Gast aus Holland Rita de Bruyn von der sozialdemokratischen Partei der Niederlande, Herta Gotthelf, die Leiterin des Frauenbüros beim Parteivorstand der SPD, und der SPD-Bundestagsabge- ordnete Hermann Hansing wandten sich gegen die Politik der Bundesregierung und ihre atomare Rüstungskampagne. Anna Stiegler verwies auf den Stimmzettel als letztes Mittel, um gegen die Adenauer-Regierung anzugehen. Die im September anstehenden Bundes- tagswahlen sollten die Frauen nutzen, um den Befürwortern der Atomrüstung eine Ab- sage zu erteilen. Entsprechend hieß es in der Abschlussresolution:

Bremer Bürger-Zeitung vom 25. Mai 1957.

„Wir fordern von der Regierung der Bundesrepublik, daß die Ausrüstung der Bundes- wehr mit Atomwaffen unterbleibt. Wir fordern alle Frauen und Mütter auf, keinem Kandidaten für die Bundestagswahl ihre Stimme zu geben, der sich nicht uneinge- schränkt zu unseren Forderungen bekennt.“160 256 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland

Im Verlauf des Jahres 1957 entwickelten sich weitere Initiativen. So schlossen sich elf Mitgliedsorganisationen des Bremer Frauenausschusses einem Aufruf der Arbeitsgemein- schaft Hamburger Frauenverbände gegen die Lagerung von Kernwaffen und gegen die Errichtung von Abschussrampen für Atomraketen in der Bundesrepublik an. Die Delegier- tenversammlung des BFA unterstützte einen Appell, der das gleiche Ziel verfolgte und von der Alterspräsidentin des Bundestages Dr. Marie-Elisabeth Lüders initiiert worden war.161 Die Kundgebung zum Internationalen Frauentag am 2. Juni 1958 stand ganz im Zeichen der Kampagne „Kampf dem Atomtod“. Die Organisatorinnen hatten die Veranstaltung in den großen Saal der Glocke, dem Konzertsaal der Stadt unmittelbar neben dem Rathaus, verlegt. Es war mit großem Andrang gerechnet worden und mit mehr als eintausend Teil- nehmerInnen war die Kundgebung wohl die größte Frauentagsveranstaltung nach 1945. Das Motto des Tages stammte von einem Appell Albert Schweitzers und lautete: „Ehrfurcht vor dem Leben“ Zum ersten Mal war eine Veranstaltung der SPD- Frauen zum Internationalen Frauentag ein Ge- meinschaftsprojekt verschiedener Frauengrup- pen. Die Sozialdemokratinnen unter der Leitung von Anna Stiegler hatten zusammen mit Sigrid Akerhielm, der Vorsitzenden der Internationalen Liga für Frieden und Freiheit (IFFF), und Marlies Schütte, der Vorsitzenden der Westdeutschen Frauen-Friedensbewegung (WFFB), die Kund- gebung vorbereitet. Dass die als „kommunistisch beeinflusst“ geltende Westdeutsche Frauen-Frie- densbewegung mitbeteiligt war, sorgte bei eini- gen Sozialdemokraten für Aufregung.163 Doch die breite Massenbewegung gegen die atomare Bedrohung ließ alte Ressentiments gegenüber anders denkenden Friedenaktivistinnen in den Hintergrund treten. Die Veranstalterinnen hatten Dr. Elisabeth Heimpel als Rednerin eingeladen. Sie war die In- Gleichheit Nr. 5, Mai 1958.162 itiatorin des Göttinger Frauenappells, den auch viele Bremerinnen unterschrieben hatten. Dr. Heimpel erläuterte die Gefahren, die den Menschen vom Umgang mit der Atomenergie drohe. Obendrein würde durch die Atomrüstung und die Lagerung von Atomwaffen jede Entspannungspolitik verhindert.164 Die zweite Rednerin, Marta Schanzenbach, SPD-Bun- destagsabgeordnete, rechnete vor, dass die Kosten für die atomare Rüstung Geld ver- schlängen, das dringend für soziale Projekte benötigt würde. Deshalb müssten die Frauen ihr „Nein zu den Rüstungsbeschlüssen der Bundesregierung nachdrücklich zum Ausdruck bringen“.165 Dazu hatten die Bremerinnen schon einige Tage später Gelegenheit. Die Bre- mer Bürger-Zeitung rief zur nächsten Aktion auf: „Die Sternfahrt nach Stade“ stand an. Diese Aktionen waren die politischen Höhepunkte in der Reihe der Internationalen Frau- entage in Bremen. 1945–1966 257

Neue Aktionsformen für die Frauentage

Im Jahrbuch 1951/1952 hatte es geheißen: „Während des Internationalen Frauentages 1951 wurden zwei Grenztreffen durchgeführt. Das eine war ein Treffen am 15. 4. auf Schweizer Boden in Basel […] und am 29. 4. 1951 trafen sich in Friedrichshafen über 100 Genossinnen aus der Schweiz und Österreich mit Genossinnen aus den süddeutschen Bezirken.“167 Aus diesen Anfängen entwickelte sich im Lauf der nächsten Jahre eine neue Aktionsform. Bereits im Jahr darauf, zum Frauentag 1952, versammelten sich auf dem Treffen in Aachen über 5.000 Frauen. Es kamen zum ersten Mal Frauengruppen aus den Niederlanden und Belgien. 3.000 Frauen reisten mit Bussen aus dem Ruhrgebiet an. Die mit Frauentagplakaten geschmückten Autobusse wurden „schon auf ihrer Fahrt nach Aachen zu einer wirkungsvollen Propagandademonstration für unsere Partei.“168 Parallel dazu fanden Treffen in Trier und in Mühlhausen im Elsass statt. Die Österreicherinnen reisten zur Kundgebung nach München. Diese Möglichkeit, die internationale Gemeinschaft der Sozialdemokratinnen mitzuerle- ben, war für viele Frauen eine neue Erfahrung und gab der Idee des Internationalen Frauen- tages einen neuen Impuls. Die politischen Akteurinnen nutzten die neu erwachte Reiselust der Bundesbürgerinnen und die Flexibilität von Busreisen für eine weitere Initiative an den Frauentagen. Es wurden Sternfahrten organisiert, bei denen Frauen einer ganzen Region mit Bussen zu einer Großveranstaltung an einem zentralen Ort fuhren. So wurde eine Aus- flugsfahrt mit der politischen Aktion und Propaganda für die Partei verbunden. Und es gab auch Kundgebungen an der Grenze zur DDR. „Bei […]den Veranstaltungen wurden Sonderbotschaften an die Frauen der Ostzone mit Ballons hinübergeschickt, und noch monatelang bekamen wir Mitteilungen, die bewiesen, dass diese Botschaften, über die ganze Zone verstreut, eine gute Aufnahme gefunden haben.“169 In diesen neuen Aktionsformen waren sehr unterschiedlich gelagerte Interessen mit- einander verbunden worden. Denn diese Tagesausflüge entsprachen dem Bedürfnis der Arbeiterfrauen nach Urlaubsfahrten, für die Partei waren die Busreisen ein „wirksames Propagandamittel“, gleichzeitig traten die Sozialdemokratinnen international als Bot- schafterinnen eines neuen demokratischen Deutschlands in Erscheinung und mit den Aktionen an der Zonengrenze leisteten sie auch noch einen Beitrag in den Auseinander- setzungen des Kalten Krieges.

Eine Tradition sozialdemokratischer Frauenarbeit verschwindet

Die politische Ausrichtung der SPD zur Volkspartei

Nach der Bundestagswahl 1957, bei der die CDU die absolute Mehrheit gewann, verschärften sich in der SPD die parteiinternen Auseinandersetzungen. Die Kritik richtete sich gegen Bü- rokratie und Immobilität des Parteiapparates. Außerdem kritisierten immer mehr Mitglieder das äußere Erscheinungsbild der Partei mit seiner charakteristischen Symbolik und den tra- dierten Gepflogenheiten. Dazu gehörte das Absingen sozialistischer Lieder zum Abschluss von Parteitagen und Großveranstaltungen, das allgemeine Duzen und die Anreden Genos- sin/Genosse ebenso wie Aufmärsche mit Traditionsfahnen. Gerade die neuen Mitglieder und 258 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland die jüngere Generation konnten mit diesen Ritualen nichts mehr anfangen und sie spürten, dass für die meisten Mitglieder „die alten Symbole […] nur Tünche, nur äußere Form [waren], die Inhalte waren längst geändert“.170 Die Traditionen aus der proletarischen Vergangenheit der SPD galten als „ideologischer Ballast“, den die Partei endlich abwerfen sollte.171 Die Veränderungen kündigten sich bereits 1958 auf dem Parteitag in Stuttgart an. Für die Frauenarbeit gab es „eine einschneidende personelle Veränderung“.172 Herta Gotthelf, die die Frauenarbeit seit 1946 geleitet hatte, schied aus der Arbeit aus. Ihre Nachfolge- rin wurde, durch Beschluss des Parteivorstandes, Marta Schanzenbach. Sie vertrat die Frauenarbeit im Vorstand und im Präsidium der Partei und übernahm die Leitung des Frauenbüros und des Fachausschusses für Frauenfragen, dessen Mitglieder auch durch den Parteivorstand berufen wurden.173 Den entscheidenden Wandel aber brachte die Verabschiedung des Godesberger Grund- satzprogramms. „Damit war die Voraussetzung geschaffen, das von der SPD angestrebte Ziel erreichen zu können: eine von verschiedenen Schichten wählbare ‚Volkspartei‘ zu werden.“174 Das neue Konzept des Wandels zur Volkspartei schlug sich auch im Programmpunkt zum Thema Frauen nieder: Hinweise auf die „alte“ sozialistische Theorie der Fraueneman- zipation waren verschwunden. Statt der Gleichberechtigung von Frauen und Männern wurde jetzt von der Gleichwertigkeit gesprochen. „Die psychologischen und biologischen Eigenarten“ der Frau sollten Beachtung finden. Statt der Forderung nach dem Recht auf Erwerbsarbeit für alle Frauen wurde jetzt der Anspruch erhoben, die Hausarbeit als Berufsarbeit anzuerkennen. Damit verband sich die Forderung: „Mütter von vorschul- pflichtigen oder schulpflichtigen Kindern dürfen nicht genötigt sein, aus wirtschaftlichen Gründen einem Erwerb nachzugehen.“175 Das neue Parteiprogramm hatte das bürgerliche Frauenleitbild mit der wesensmäßigen Bestimmung der Frau zur Hausfrau und Mutter übernommen. So hatte das neue Programm auch in der Frauenfrage die Voraussetzungen geschaffen, für Frauen „anderer Schichten“ eine wählbare Alternative zu sein. Ein Jahr später, am 30. Juni 1960, hielt vor dem Bundestag seine Grundsatzrede, mit der die entscheidende politische Wende der SPD vollzog wurde. Die SPD erkannte die Westbindung als Grundlage der deutschen Politik an und bejahte die Einbeziehung Deutschlands in die Nato. Statt der bisher betriebenen prinzipiellen Oppo- sition zielte die neue politische Linie „auf die Herausstellung der gemeinsamen Aufgaben von Regierung und Opposition.“176 Diese neue politische Ausrichtung der SPD veränderte auch die inhaltlichen Aussa- gen der Internationalen Frauentage. Anstelle antimilitaristisch pazifistischer Proteste wie „Kampf dem Atomtod“ und einer radikalen Oppositionshaltung zur Regierung wurde eine positive Bewertung der gesellschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik betont. Ent- sprechend lautete das Motto für 1959: „Für eine glückliche Welt“. Diese Losung wurde im Jahr 1960 abgewandelt zu dem Thema „Glücklicher leben in einer freien Welt“, und 1961 hieß es: „Wir sind eine Familie“. An den Frauentagen sollte eine lebensbejahende Perspek- tive aufgezeigt werden.

Bremer Frauentage ohne Höhepunkte – 1959 bis 1966

Die Bremer SPD-Frauen hatten mit der neuen politischen Ausrichtung der Frauentage ab 1959 offensichtlich kaum Probleme. Es entsprach ihrem Politikverständnis, dass von der Parteiführung die politische Richtung vorgegeben wurde und die Basisgruppen für 1945–1966 259 eine gute Umsetzung zu sorgen hatten. Diese Maxime galt auch, wenn die Partei einen grundsätzlichen Richtungswechsel vornahm. So entwickelten die Frauen aus den neuen Themen passende Formen der Umsetzung. 1960, zum fünfzigsten Jahrestag des Internationalen Frauentages, warb die Frauen- gruppe mit mehreren Anzeigen für ihre Veranstaltung. Anna Stiegler verfasste einen Arti- kel für die BBZ, im dem sie die fünfzigjährige Geschichte des Tages Revue passieren ließ. Zum Schluss ihres Beitrages stellte sie das neue Konzept vor. Aus dem Motto – „Glück- licher Leben in einer friedlichen Welt“ – entwickelte sie eine Perspektive für die Familie: „Glücklicher leben in einer friedlichen Welt – das gilt für Mann und Frau und Kind“. Anna Stiegler begründete dieses Konzept damit, dass sowohl die Friedensforderungen wie auch die Realisierung eines glücklichen Lebens „keine besonderen Frauenforderungen mehr“ seien. Deshalb lud sie zum Frauentag am 17. Mai 1960 besonders die Männer ein.177 Am Frauentag 1961 konnte tatsächlich ein frauenpolitischer Erfolg der Sozialdemo- kratinnen gefeiert werden. Die SPD-Frauen in Bremen stellten auf ihrer Veranstaltung mit einigem Stolz die Bundestagsabgeordnete Käte Strobel vor, die in einer von der SPD geführten Regierung die erste Ministerin werden sollte. Zum ersten Mal in einem Bundestagswahlkampf gab es nicht nur einen Spitzenkandidaten, sondern präsentierte seine gesamte zukünftige Regie- rungsmannschaft, zu der mit Käte Strobel erstmals auch eine Frau gehörte.178 Auf der Frauenversammlung in Bremen kündigte der Bundestagsabgeordnete Hermann Hansing an, „daß es in einer von der SPD geführten Bundes- regierung auf jeden Fall eine Frau Minister geben wird“.179 Allerdings konnte dieses Vorhaben erst mit der Bildung der Großen Koalition realisiert werden: 1966 wurde Käte Strobel zur Ministerin ernannt. Doch diese Initiativen konnten nicht darüber hinweg- täuschen, dass es für den Frauentag keine wirklich neue Idee gab. Er wurde zwar mit bewährter Routi- ne weitergeführt, aber der richtige Schwung fehlte. Ministerin Käte Strobel. In den Presseberichten wiederholten sich die Auflis- tungen der Akteure, die das Rahmenprogramm nun schon seit Jahren gestalteten, und die Wiedergabe der Redebeiträge zeigte, dass es wenig Neues zu berichten gab. Besonders offensichtlich wurde das an den Frauentagen 1962 und 1963. Schon die Auswahl der Referenten ließ merken, dass der Internationale Frauentag in Bremen zu einer Feierstunde der Partei-Veteranen geworden war. 1962 war der Festredner Senator a.D. Christian Paulmann (65) und 1963 hielt Bürgermeister Wilhelm Kaisen (75) die Lau- datio auf die mittlerweile 81-jährige Anna Stiegler, zu deren Ehrung der Festakt am Frau- entag stattfand. Erst in jenem Jahr gab Anna Stiegler den Vorsitz der Frauengruppe des Ortsvereins ab. Doch es trat kein durchgreifender Generationswechsel ein: Ihre Nachfolge- rin, Wilma Landwehr, war zum Zeitpunkt ihrer Wahl auch bereits 51 Jahre – die Frauen- arbeit in Bremen wurde weitgehend von Seniorinnen getragen. Die Frauengruppe war ein Traditionsverein, der routiniert weitermachte, aber den Anschluss an die nachfolgenden Generationen der Frauen nicht mehr fand.180 260 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland

Trotzdem versuchte Wilma Landwehr, dem Frauentag neue Impulse zu geben. „Der Internationale Frauentag in Bremen behandelte Zeitprobleme“, überschrieb die Nord- deutsche Volkszeitung ihren Bericht über die Frauentagsveranstaltung am 2. Juni 1964. Die beiden Referentinnen, Marichen Nielsen aus Dänemark und die Bundestagsabge- ordnete Lucie Meyer, sprachen über „das europäische Frauenbild“. Sie stimmten darin überein, „daß unser Frauenbild im Gegensatz zu den früheren Generationen von der Berufstätigkeit geprägt sei“.181 Deshalb forderten auch beide Rednerinnen, dass es staat- liche Entlastungen für berufstätige Mütter geben müsste. Zum ersten Mal wurde auf einer SPD-Kundgebung zum Internationalen Frauentag in Bremen die Forderung nach staatlichen Kindereinrichtungen erhoben. Allerdings bedeutete das noch nicht, dass sich die Einstellung zur Frauenerwerbsarbeit in der Partei verändert hätte. Denn schon ein Jahr später wiederholte der Bundestagsabgeordnete Hermann Hansing auf den Ver- anstaltungen zum Frauentag 1965 die Thesen von der Hausfrauen- und Mutterrolle der Frau.182 Zum Frauentag 1966 war Käte Strobel ein zweites Mal Gastrednerin in Bremen. In ihrer Rede zum Thema „Die Frau in der Welt von heute“ tadelte sie die Haltung von Frauen, die bei den Wahlen den konservativen Parteien ihre Stimme gäben, sich aber sonst nicht um politische Fragen kümmerten. Sie kritisierte, dass viele Frauen nicht bereit seien, sich zu organisieren, dass sie die Chancen zur gleichberechtigten Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben nicht nutzten. Mit dieser Kritik an der konservativen Einstellung vieler Frauen wurden in Bremen die Frauentage beendet.

Der Internationale Frauentag verschwindet als politisches Datum

Es gelang den Bremerinnen nicht, die Frauentage mit aktuellen Themen zu beleben. Aus den Presseberichten über die Reden, die dort gehalten wurden, wurde ersichtlich, dass die ReferentInnen keine frauenpolitischen neuen Ideen mitbrachten, sie wiederholten lediglich die bekannten Konzepte. Auf der Bundesebene konnte die neue Frauengeneration, die jetzt im Bundesfrauen- ausschuss den Ton angab, mit den Traditionsveranstaltungen nichts mehr anfangen. So hieß es im Jahresbericht 1962/63 lapidar: „Der zur Tradition der sozialdemokratischen Frauenarbeit gehörende Internationale Frauentag wurde auch 1962/63 wieder durchge- führt.“183 Im Jahrbuch 1964/65 wurde der Frauentag zum letzten Mal erwähnt. Innerhalb der Partei schwand das Interesse an der Frauenarbeit. Die Frauenzeitung Die Gleichheit stellte im Jahr 1965 ihr Erscheinen wegen „ständigen Rückganges unseres Bezieher- kreises“184 ein. Innerhalb der Partei meldeten sich Sozialdemokratinnen zu Wort, die aus der Sepa- rierung der Frauen mit eigenen Frauenbereichen und Frauentagen herauswollten. Ein Beispiel dafür lieferte die Frauen-Delegierten-Konferenz der SPD-Landesorganisation Bremen am 1. November 1964. Dort stellten „die meisten Diskussionsrednerinnen […] die Tätigkeit von Frauengruppen in der modernen Volkspartei überhaupt in Frage“. Sie wollten sich nicht mehr „von der allgemeinen Parteiarbeit trennen“ lassen. Zwar be- schlossen die Bremer Delegierten, die Frauengruppenarbeit fortzuführen, doch der klare Auftrag an den Vorstand lautete, dass nach „besseren Organisationsformen“ gesucht werden sollte und die zukünftige politische Arbeit darauf ausgerichtet sein müsste, „zur 1945–1966 261 politischen Willensbildung“ innerhalb der Partei beizutragen.185 Die neue Entwicklung wurde damit eingeleitet, dass ab 1967 in Bremen keine Internationalen Frauentage mehr durchgeführt wurden.

Zwischenbilanz

Frieden wurde das Leitthema der Internationalen Frauentage nach dem Ende des NS-Ter- rors und des Krieges. Mit dieser Schwerpunktsetzung griffen die Sozialdemokratinnen und die Kommunistinnen die Grundstimmung in der Bevölkerung und besonders unter den Frauen auf. Gleichzeitig setzten sie damit eine Tradition der Arbeiterbewegung fort. Die sozialistischen Frauen hatten bereits mit der Friedensresolution des Kopenhagener Kon- gresses 1910 den Kampf gegen den Krieg auf die Tagesordnung der Frauentage gesetzt. Jedoch hatte das Thema die Internationalen Frauentage niemals zuvor so beherrscht wie in der Nachkriegszeit und in den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Das galt für die Kundgebungen und Aktionen sowohl der Sozialdemokratinnen wie auch der Kom- munistinnen. Dabei wurde über Frieden und Freiheit, über Abrüstung und Friedensverhandlungen nicht nur auf Frauenveranstaltungen referiert, sondern den Frauen selbst wurde eine be- sondere pazifistische Einstellung zugesprochen. Sie hätten von Natur aus als Gebärerinnen neuen Lebens ein besonderes Interesse an einem friedlichen Miteinander der Menschen. Friedensliebe galt als ein Wesensmerkmal des weiblichen Geschlechtes. Nach Auffassung vieler Funktionäre und Politiker der Arbeiterbewegung hatten deshalb die Frauen und vor allem die Mütter eine besondere politische Verantwortung. Ihnen wurde die Aufgabe zugewiesen, die nachfolgende Generation im Geiste des Friedens zu erziehen. Aus den Berichten über die Frauentage geht hervor, dass die Frauen selbst diese Zuschreibung übernommen hatten und von der pazifistischen Natur der Frauen sprachen. Über die Frie- densaktionen geriet die Grundidee des Frauentages, ein Kampftag für die Durchsetzung von Frauenrechten zu sein, in beiden Organisationen fast völlig aus dem Blickfeld. Sowohl für die Sozialdemokratinnen wie auch für die Kommunistinnen hatten die Frauentage die Funktion, den Zusammenhalt der Frauen untereinander zu stärken und ihre Zugehörigkeit zur großen Organisation zu festigen. Gleichzeitig dienten die Versamm- lungen dazu, die ideologischen und politischen Positionen der KPD bzw. SPD den jewei- ligen Versammlungsteilnehmerinnen nahezubringen. Es war die Aufgabe der Frauen, die Parteipositionen unter den Nichtorganisierten zu propagieren. Weitergehende eigenstän- dige Initiativen waren nicht vorgesehen. Dabei prägten die ideologischen und politischen Kontroversen des Kalten Krieges die Beziehungen zwischen den Frauenorganisationen und manifestierten sich in politischen Abgrenzungen auch anlässlich der Veranstaltungen zu den Frauentagen. Beide Gruppierungen, sowohl die Kommunistinnen wie auch die Sozialdemokratinnen, entwickelten in den fünfziger Jahren neue Aktionsformen für ihre politische Propaganda an den Frauentagen: Für den DFD und die KPD war der Internationale Frauentag ein Agitationstag, an dem die Frauen auf die Straße gingen und ihre Friedensforderungen öffentlich präsentierten. Er war Auftakt oder Abschluss von Unterschriftenkampagnen. Die Sozialdemokratinnen dagegen hatten die Internationalen Frauentage bundesweit zu einem umfangreichen Reiseprogramm entwickelt. Sie organisierten grenzüberschreitende Frauentreffen an der Westgrenze der Bundesrepublik bzw. antikommunistische Aktio- 262 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland nen an der Zonengrenze zur DDR. In anderen Regionen wurden Sternfahrten zu einem zentralen Kundgebungsort organisiert. Diese Propagandafahrten mit Parteiplakaten und Wimpeln an den Bussen waren zugleich internationale Begegnungen, Beitrag in den Aus- einandersetzungen des Kalten Krieges und politische Bildungsveranstaltungen. Mit der politischen Wende der SPD zur Volkspartei und dem Konzept einer „Ge- meinsamkeitspolitik“ mit der Bundesregierung verloren traditionelle Festakte und anti- militaristische Protesttage ihren politischen Stellenwert. Nach dem Ausscheiden der Ve- teraninnen der Frauenarbeit der Nachkriegszeit gab es bei den Nachfolgerinnen kaum Interesse, die Tradition eines Frauentages fortzusetzen. Sie wollten keine separaten Einrichtungen für Frauen mehr. Stattdessen forderten sie die Integration und gleich- berechtigte Mitwirkung in der Partei. So verschwand der Internationale Frauentag in der Bundesrepublik nach dem Verbot der KPD auch aus dem politischen Kalender der Sozialdemokratie.

Anmerkungen

1 Weser-Kurier vom 16. März 1946. 2 Vgl. Schwarzwälder, 1985, Bd. 4, 632–633. 3 Vgl. Sommer, 2008, 15–21. 4 Vgl. Aufbau, Nr. 1, Mai 1945. 5 Vgl. Sommer, 2008, 24–25. 6 An der Spitze des Senats stand ab August 1945 der Sozialdemokrat Wilhelm Kaisen (1887– 1979). Kaisen übernahm die Regierungsgeschäfte in Bremen 1945 und blieb Bürgermeister bis 1965. Er hat die Entwicklung des Landes Bremen entscheidend geprägt. 7 Vgl. Sommer, 2008, 26. 8 Die Volkszählung vom 29. Oktober 1946 ergab für die Stadt Bremen, dass den 207.582 Frauen nur 177.648 Männer gegenüberstanden. Vgl. Hoecker/Meyer-Braun, 1988, 80, 85 u. Tabelle 2, 221. 9 Vgl. Meyer-Braun, 1988, 124–128. 10 Beate Hoecker und Renate Meyer-Braun haben in ihrem Buch „Bremerinnen bewältigen die Nachkriegszeit“ die Alltagsrealität der Frauen in Bremen in der Zeit von 1946 bis 1949 dar- gestellt. Dazu haben sie eine Reihe von Frauen zu ihren Erinnerungen an die Nachkriegszeit befragt. Hier berichtete Frau Schulz, die mit ihrer Mutter das Ende des Krieges im Bunker am Dobben erlebte. Vgl. Hoecker, 1988, 17. 11 Vgl. Jansen/Meyer-Braun, 1990, 33. 12 Vgl. Kuhnhenne, 2008, 38. 13 Vgl. Aufbau, Nr. 5, Juli 1945. 14 Vgl. Jansen/Meyer-Braun, 1990, 44–46. 15 Irmgard Enderle (1895–1985) arbeitete in den 1920er Jahren als Journalistin in der KPD und wurde nach ihrem Ausschluss aus der Partei in der Sozialistischen Arbeiterpartei aktiv. Nach einer Verhaftung 1933 unter Polizeiaufsicht gestellt, flüchtete sie nach Schweden, wo sie Willy Brandt kennenlernte. 1944 wurde sie Mitglied der SPD. 1945 zog sie nach Bremen, wo sie sich am Aufbau der SPD beteiligte und zu den MitbegründerInnen des Weser-Kuriers gehörte. Sie organisierte den Aufruf zur Gründung des BFA. Später arbeitete sie als Journa- listin, engagierte sich in der Gewerkschaft Druck und Papier und war zeitweise auch Vorsit- zende des DGB-Bundesfrauenausschusses. Vgl.: http://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/ stichwort/enderle. 16 Agnes Heineken (1872–1974) war ausgebildete Lehrerin und lange Jahre Direktorin der Schulen des „Frauen-Erwerbs- und Ausbildungsvereins“. Im Jahr 1919 wurde sie als Mitglied der 1945–1966 263

DDP in die Bremische Nationalversammlung gewählt. 1933 wurde ihre pädagogische Arbeit von den Nationalsozialisten beendet. Sie war Mitgründerin des BFA. Vgl. Bremer Frauenaus- schuss, 1996, 40-41. 17 Käthe Popall (1907–1984), geb. Fürst, trat schon früh der KPD bei und arbeitete während des Faschismus im Widerstand. Von 1937 bis 1945 war sie in verschiedenen Zuchthäusern inhaftiert. 1946 wurde sie in die Bremer Bürgerschaft gewählt und war die erste Senatorin (Gesundheitswesen) im Senat. Sie war Mitgründerin des BFA. Vgl. Bremer Frauenausschuss, 1996, 42–43. 18 Ottilie Hoffmann (1835–1925) gründete 1891 den Bremer Mäßigkeitsverein. Sie war eine der Führerinnen in der Abstinenzbewegung im Deutschen Kaiserreich und gründete in Bre- men eine Reihe von alkoholfreien Speisehäusern. 19 Anna-Klara Fischer (1887–1967) lernte Ottilie Hoffmann kennen und engagierte sich in der Abstinenzbewegung. Sie engagierte sich für die Einrichtung alkoholfreier Gaststätten in Bremen. 1934 wurde sie Vorsitzende des Bundes für alkoholfreie Kultur. Sie war Gründungs- mitglied des BFA. Vgl. Bremer Frauenausschuss, 1996, 38–40. 20 Vgl. Weser-Kurier vom 16. März 1946. 21 Weser-Kurier vom 16. März 1946. 22 Vgl. Meyer-Braun, 1988, 107–122. 23 Meyer-Braun 1988, 108. 24 Meyer-Braun, 1988, 121. 25 Vgl. Bunke, 2001, 29. 26 Zit. in: Bunke, 2001, 29. 27 Bunke, 2001, 78. 28 Die Antifaschistischen Frontschulen wurden im Zweiten Weltkrieg auf Initiative der Kommu- nistischen Internationale für Kriegsgefangene in der Sowjetunion eingerichtet. Vgl. Broszat, Hermann Weber, 1993, SBZ-Handbuch, 195–197. 29 Interview mit Margot Konetzka vom 4. Mai 2009. 30 Aus dem Bericht des KPD-Bezirks Weser-Ems vom 21. Februar 1946. Zit. In: Bunke, 2001, 29. 31 Weser-Kurier vom 20. Oktober 1945. 32 Weser-Kurier vom 20. Oktober 1945. 33 Protokoll der erweiterten Sekretariatstagung des Parteivorstandes vom 5. bis 7. Januar 1946, in: Benser/Krusch, 1995, Bd. 2, 490f. 34 Renate Meyer-Braun stellte in ihrer Studie über die Nachkriegszeit in Bremen fest, dass zum Beispiel beim Arbeiterhilfswerk die Leitungsfunktionen weitgehend in Männerhand lagen, während die praktische Arbeit fast ausschließlich von Frauen geleistet wurde. Vgl. Meyer Braun, 1988, 125/128 . 35 Protokoll der erweiterten Sekretariatstagung des Parteivorstandes vom 5. bis 7. Januar 1946, in: Benser/Krusch, 1995, Bd. 2, 491. 36 Recker, 2002, 18. 37 Fülberth, 1990, 27. 38 Vgl. Sommer, 2008, 38-43. 39 Meyer-Braun, 1982, 59. 40 Vgl. Meyer-Braun, 1982, 59. 41 Tribüne der Demokratie, erste Märzwoche 1948. 42 Der Artikel wurde nicht namentlich gezeichnet. Da im Text aber mehrfach von „wir Frauen“ die Rede ist und immer wieder auf lokale Verhältnisse in Bremen verwiesen wird, kann davon ausgegangen werden, dass der Bericht von einer der Bremer Genossinnen verfasst wurde. 43 Tribüne der Demokratie, erste Märzwoche 1948. 44 Aus dem Protokoll der Parteivorstandssitzung vom 26. bis 28. August 1948. SAPMO, BY /1/793, Frauenabteilung der KPD, Unterlagen 1948–1949. 45 Entschließung des Parteivorstandes vom 1. Dezember 1948, SAPMO, BY /1-2044. Alle Zitate in der folgenden Zusammenfassung sind dem Text der Entschließung entnommen. 264 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland

46 Bericht des Frauensekretariats zur Unterschriftenkampagne gegen die Atombombe vom 22. Mai 1949. SAPMO Frauenabteilung der KPD, Unterlagen 1947, 1948–1949, I, BY/1/793. 47 Dieses und die folgenden Zitate wurden dem Bericht vom 22. Mai 1949 s.o. entnommen. 48 BVS vom 11. März 1949, zit. in: Butterwegge, 1989, 52. 49 Über diesen Frauentag wird weiter unten im Zusammenhang mit den Frauentagen der SPD ausführlich berichtet. 50 Vgl. Tribüne der Demokratie, erste Märzwoche 1950. 51 Vgl. Schreiben des Parteivorstandes an alle Landesvorstände und Kreisleitungen vom 6. Feb- ruar 1950. SAPMO, BY 1-793. 52 Die Freie Deutsche Jugend (FDJ) war der Jugendverband der KPD. 53 Bericht über die Durchführung des Internationalen Frauentages 1950 im Land Bremen vom 24. April 1950. SAPMO, BY 1-873. 54 Tribüne der Demokratie, erste Märzwoche 1950. 55 Das Zitat stammt von Willy Meyer-Buer, der in den 1950er Jahren Abgeordneter der Bremer Bürgerschaft und Mitglied des Parteivorstandes der KPD war. Er beschreibt damit das politi- sche Klima in den ersten Jahren der Bundesrepublik im Gespräch mit Christoph Butterwegge am 17. August 1987. Butterwegge, 1989, 48. 56 So lautete die Titelzeile des Artikels im Weser-Kurier vom 8. März 1950. 57 Weser-Kurier vom 8. März 1950. 58 Vgl. Butterwegge, 1989, 65. 59 „Politischer Bericht des Sekretariats der Arbeitsgebietsleitung Land Bremen“ vom 22. März 1950, Sapmo, BY 1/866. 60 Bericht über die Durchführung des Internationalen Frauentages (1950) im Land Bremen vom 24. April 1950. SAPMO, BY 1-873. 61 Der Flugblatttext wurde im Bericht über die Durchführung des Internationalen Frauentages (1950) im Land Bremen vom 24. April 1950 wörtlich wiedergegeben. SAPMO, BY 1-873. 62 Vgl. Bericht über die Durchführung des Internationalen Frauentages (1950) im Land Bremen vom 24. April 1950. SAPMO, BY 1-873. 63 Protokoll über die Sekretariatssitzung vom 18. März 1950. 64 Vgl. Boyer/Kössler, 2005, 819. 65 So im Bericht der KPD Bremens auf der ZK-Beratung im Januar 1946 in Berlin. Benser/Krusch, 1995, Bd. 2, 490/491. 66 Vgl. Schreiben „Parteivorstand an alle Landesvorstände“ vom 6. Februar 1950. SAPMO, BY 1/793. 67 „Aus der Rede des Genossen Reimann auf der Sitzung des Sekretariats mit den Landesvor- sitzenden am 29. 3. 50 betr. DFD“. SAPMO, BY 1/2944. 68 Der Demokratische Frauenbund Deutschland (DFD) existierte jetzt mit zwei getrennten na- tionalen Vorständen und Strukturen, aber unter dem gleichen Namen. Es bestanden enge Beziehungen zwischen den Organisationen. 69 Nödinger, 1983, 191. 70 Bunke, 2001, 91. 71 Interview mit Margot Konetzka vom 4. Mai 2009. 72 Alida Klee gehörte zur Gruppe der ZeitzeugInnen, die Christoph Butterwegge für sein Buch „Friedenspolitik in Bremen“ interviewt hat. Das Zitat stammt aus dem Gespräch vom 31. März 1989. Butterwegge, 1989, 96. 73 In dem Aufsatz von Ingrid Schöll, 1985, Frauenprotest gegen die Wiederbewaffnung, findet sich eine Reihe von Fotobeispielen für diese Protestform. Veröffentlicht in dem Bilderlesebuch „Wie die Frauen ihr Wirtschaftswunder erlebten“. 74 Wolfrum, 2007, 101. 75 Vgl. Butterwegge, 1989, 56-57. 76 Christoph Butterwegge zitiert in diesem Zusammenhang einen Artikel des Weser-Kuriers, der im August 1950 eine Leserumfrage zur Wiederbewaffnung als „Probe-Volksentscheid“ bezeich- 1945–1966 265

net hatte. Er sieht darin einen Hinweis, dass die Idee einer Volksbefragung damals sozusagen „in der Luft“ lag. Vgl. Butterwegge, 1989, 78. 77 Tribüne der Demokratie vom 13. März 1951. 78 Vgl. Butterwegge, 1989, 80. 79 Butterwegge, 1989, 83. 80 Butterwegge, 1989, 83. 81 Brünneck, 1978, 65. 82 Wolfrum, 2007, 115. 83 Vgl. „lernen und handeln“, Mitteilungsblatt des DFD vom März 1952, Titelblatt. addf, Sammlung Nödinger. 84 Wolfrum, 2007, 114. 85 Vgl. Wolfrum, 2007, 115. 86 Tribüne der Demokratie vom 5. März 1953. 87 Vgl. Butterwegge, 1989, 97. 88 Vgl. Wolfrum, 2007, 122–129. 89 Wolfrum, 2007, 129. 90 Bunke, 2001, 153. 91 Vgl. Bunke, 2001, 74–76. 92 Vgl. Tribüne der Demokratie vom 6./7. März 1954. 93 Erklärung des Demokratischen Frauenbundes Deutschland, 1954. addf, Sammlung Nödinger. 94 Tribüne der Demokratie vom 26./27. Februar 1955. 95 Über diese Aktion wurde ausführlich im vorherigen Kapitel 7, Abschnitt: Die „Fremdvölki- schen“ bringen vergessene Traditionen zurück, berichtet. 96 BBZ vom 3. März 1956. 97 Die IDFF wurde im Dezember 1945 in Paris gegründet. Sie war ein Zusammenschluss de- mokratischer, antifaschistischer Frauenorganisationen aus der ganzen Welt. Wichtigste Trägerinnen waren die großen Massenorganisationen der Frauen aus den Sozialistischen Ländern, doch in der IDFF waren ebenso unabhängige Gruppen aus den westeuropäischen Ländern und den USA Mitglied. Vgl. IDFF, 1965, IDFF zum zwanzigjährigen Bestehen, 1945- 1965. 98 Die IDFF war zu diesem Zeitpunkt in siebzig Ländern der Erde vertreten. IDFF, 1965, 60. 99 Tribüne der Demokratie vom 8. März 1956. 100 Tribüne der Demokratie vom 8. März 1956. 101 Das Vorgehen der Sozialdemokratinnen hatte Parallelen auf der Gegenseite. So schloss die IDFF 1948 nach dem Zerwürfnis Stalins mit Tito die jugoslawische Frauenorganisation aus dem Dachverband aus. Im Informationsbulletin der IDFF von November/Dezember 1949 hieß es dazu: „Titos Agenten haben in der IDFF nichts zu suchen.“ Haan, 2009, 254. 102 Vgl. Wochenbericht der Landesleitung Bremen vom 5. bis 12. März 1956. SAPMO, BY 1/867. 103 Tribüne der Demokratie vom 10. März 1956. 104 Tribüne der Demokratie vom 10. März 1956. 105 Zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht mussten zu diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Voraussetzungen erst noch geschaffen werden. Nach deren Verabschiedung im Bundestag stand im März 1956 die Abstimmung im Bundesrat an. 106 Wochenbericht der Landesleitung Bremen vom 5. bis 12. März 56. SAPMO, BY 1/867. 107 Beate Hoecker und Renate Meyer-Braun haben zwischen Oktober 1986 und Mai 1987 eine Reihe Frauen als Zeitzeuginnen zu ihren Erinnerungen an die ersten Jahre nach Kriegsende befragt und in ihrem Buch „Bremerinnen bewältigen die Nachkriegszeit“ veröffentlicht. Der Bericht von Luise Heinemann wurde dem Buch entnommen. 108 Meyer-Braun, 1988, 134. 109 Vgl. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD von 1946, 91. 110 Vgl. Boyer/Kössler, 2005, 69–70. 266 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland

111 Vgl. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD 1946, 30. 112 „Die Genossin“ erschien bis Dezember 1949. Ab 1950 erschien die SPD-Frauenzeitung wieder unter dem Namen „Die Gleichheit“. Vgl. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutsch- lands, (Hrsg.), Jahrbuch der SPD 1950/51, 199. 113 Vgl. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD 1947, 53–55. 114 Die Frage einer Mitarbeit der Sozialdemokratinnen in den Frauenausschüssen beschäftigte in den folgenden Jahren mehrfach die Parteigremien – was darauf hindeutet, dass sich die SPD- Frauen in Bremen wie auch in anderen Städten weiterhin in den Ausschüssen betätigten. Vgl. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD 1946, 31; 1947, 54; 1948, 54f. 115 Vgl. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD, 1947, 54. 116 Bremer Volksstimme vom 11. März 1949. 117 Bremer Volksstimme vom 18. März 1949. 118 Bremer Volksstimme vom 18. März 1949. 119 Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellungen, Reklam, Bd. 10, 178. 120 Vgl. Kuhnhenne, 2005, 85-87. 121 Maria Weber in einer Presseerklärung des DGB im Jahr 1960. Zit. in: Maier, 1993, 274. 122 Vgl. Kuhnhenne, 2005, 284-285. 123 Langer, 1988, 113. 124 Vgl. Maier, 1993, 259. 125 Vgl. „Senatorin ermutigt berufstätige Frauen“, Weser-Kurier vom 11. Juni 1963. 126 Vgl. Meyer-Braun, 1982, 99. 127 Jahresbericht der Frauengruppe Bremen 1957, (FES/AdsD), LO Bremen I, Box 26. 128 Jahresbericht der Frauengruppe Bremen 1956. (FES/AdsD), LO Bremen I, Box 48. 129 Jahresbericht der Frauengruppe Bremen 1956. (FES/AdsD), LO Bremen I, Box 48. 130 Boyer/Kössler, 2005, 224, 234. 131 Jahresbericht der Frauengruppe Bremen 1956, (FES/AdsD), LO Bremen I, Box 48. 132 Diesen Ausschuss, der aus zwölf Frauen und vier Männern bestand, hatte der Parteivorstand noch in der Aufbauphase als ein zentrales Beratungsgremium beim Parteivorstand berufen. Vgl. Pausch, 1985, 96-97. 133 Vgl. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD von 1950/51, 204. 134 Vgl. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD von 1950/51, 204. 135 Vgl. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD von 1950/51, 204. 136 Im Abschnitt „Frauentage der KPD“ wurde an zwei Beispielen aus den Jahren 1949 und 1956 das Vorgehen der Sozialdemokratinnen gegenüber den Kommunistinnen dargestellt. 137 Bremer Presse vom 7. März 1950. 138 Bremer Presse vom 23. März 1950. 139 Die Informationen und Zitate zur Veranstaltung am 27. März stammen aus dem Artikel „Sozia- le Spannungen gefährden Weltfrieden“ der Bremer Presse vom 28. März 1950. 140 Aus dem Gespräch mit Rita Rußland vom 5. Juli 2010. Rita Rußland arbeitete in den 1980er Jahren in der Abteilung Frauen der IG Metall. Sie war eine der Autorinnen der Schrift der IG Metall zum Internationalen Frauentag 1985. 141 Vogelheim, 1985, 77/78. 142 Kurt Schumacher in: Die Gleichheit vom April 1951, Nr. 4, 14. Jg. 143 Bremer Volkszeitung vom 14. April 1951. 144 Weser-Kurier vom 22. März 1952. 145 Vgl. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD von 1952/53, 214. 1945–1966 267

146 Alle Zitate in diesem Absatz sind dem Bericht des Weser-Kuriers vom 17. April 1953 entnom- men. 147 BVZ vom 4. September 1954. 148 Vgl. Wolfrum, 2007, 129–130. 149 Zitat aus dem Deutschen Manifest, zit. in: Siepmann, 1986, 138. 150 Bremer Volkszeitung vom 23. April 1955. 151 Weser-Kurier vom 30. Mai 1956. 152 In der empirischen Studie zum Bremer Arbeitermilieu in den 1950er Jahren hat Peter Alheit u.a. die familiären Netzwerke und nachbarschaftlichen Kontakte in den Arbeiterfamilien untersucht sowie die familiären Hilfsstrukturen dargestellt. Vgl. Alheit /Bunke, 1999, 268- 269. 153 Vgl. Kuhnhenne, 2005, 284. 154 Wolfrum, 2007, 140. 155 Vgl. Wienecke/Krause, 1982, 41. 156 Vgl. Wienecke/Krause, 1982, 43. 157 In seinem detailreichen Forschungsbericht „Friedenspolitik in Bremen nach dem Zweiten Welt- krieg“ hat Christoph Butterwegge auch die Anti-Atom-Bewegung erforscht und dargestellt. Auf diese Untersuchung stützt sich der Bericht über die Frauentagaktionen in Bremen in den Jahren 1957 und 1958. Vgl. Butterwegge, 1989, 154–185. 158 Vgl. Butterwegge, 1989, 155. 159 Butterwegge, 1989, 155. 160 BBZ vom 25. Mai 1957. 161 Vgl. „Aktiver Bremer Frauenausschuß“ in: BBZ vom 15. Februar 1958; „Vielseitige Arbeit im Frauenausschuß. Frau Stiegler gab Jahresbericht auf der Hauptversammlung“, in: BN vom 15. Februar 1958. 162 Die Gleichheit vom 5. Mai 1958. 163 Christoph Butterwegge weist in seinem Buch „Friedenspolitik in Bremen“ darauf hin, dass der „Kampfbund gegen Atomschäden“ Kritik an der Beteiligung der WFFB gegenüber dem Parteivorstand geäußert habe. Doch der Vorstand sei darauf nicht weiter eingegangen. Vgl. Butterwegge, 1989, 178/F. 18, 304. 164 Vgl. Weser-Kurier vom 4. Juni 1958. 165 BBZ vom 7. Juni 1958 166 BBZ vom 7. Juni 1958. 167 Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD von 1950/51, 202. 168 Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD von 1952/53, 213. 169 Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD von 1952/53, 213. 170 Meyer-Braun, 1982, 143. 171 Vgl. Grebing, 1983, 151-153. 172 Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD von 1958/59, 294. 173 Vgl. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD von 1958/59, 294. 174 Miller, 1974, 38. 175 Aus dem Godesberger Grundsatzprogramm, zit. in: Pausch, 1985, 126-127. 176 Grebing, 1983, 152. 177 Vgl. BBZ vom 7. Mai 1960. 178 Vgl. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD von 1960/61, 338. 179 BBZ vom 3. Juni 1961. 180 Vgl. Meyer-Braun, 1982, 108. 181 Norddeutsche Volkszeitung vom 4. Juni 1984. 268 Frauentage in der Bundesrepublik Deutschland

182 Vgl. Weser-Kurier vom 20. Mai 1965. 183 Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Jahrbuch der SPD von 1962/63, 356. 184 Die Gleichheit, Nr. 6, Juni 1965. 185 Protokoll der 1. Frauen-Delegierten-Konferenz der SPD, Landesorganisation Bremen vom 1. November 1964, FES/AdsD, LO Bremen I, Box 82. 9.

Neue Frauen- bewegung und Internationaler Frauentag 1967–1979 270 Neue Frauenbewegung und Internationaler Frauentag

Seit Mitte der 1960er Jahre war der Internationale Frauentag aus dem politischen Leben der Bundesrepublik verschwunden. Die Gründe dafür waren vor allem das Verbot der KPD und dass die SPD ihre Veranstaltungen und Aktionen zum Frauentag 1966 einstellte. In den 1970er Jahren dagegen besannen sich Kommunistinnen und Sozialdemokratinnen wieder auf ihre Tradition. Auch Gruppen und Projekte der Neuen Frauenbewegung be- teiligten sich an Aktionen zum 8. März. Vor allem aber waren es Gewerkschafterinnen, die den Internationalen Frauentag zum Forum für die Rechte der Arbeitnehmerin machten. Im Folgenden wird dargestellt, wie es in den 1970er Jahren zu dieser Erneuerung kam, welche Akteurinnen daran beteiligt waren und wie sie Inhalt und Form des Internationalen Frauentages neu gestalteten. Zunächst werden die wirtschaftlichen und politischen Wandlungsprozesse skizziert, die in jenen Jahren die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen veränderten und damit die Voraussetzungen schufen, dass sich die Neue Frauenbewegung entwickeln konnte. Anschließend werden in einem kursorischen Überblick die Entstehungsgeschichte der Be- wegung zusammengefasst und die Kommunikationsstrukturen und Aktionsformen dar- gestellt. Die Themen der Frauenbewegung, ihre neuen Formen des politischen Protestes und die Kultur der Frauenfeste prägten das Bild der Frauentage seit Ende der 1970er Jahre – die Frauenbewegung beeinflusste die Akteurinnen, die an der Erneuerung des Frauentages beteiligt waren. Drei Gruppen gilt es hier insbesondere zu betrachten: die sozialdemo- kratischen Frauenorganisationen, die Frauenfunktionärinnen und -ausschüsse der Ge- werkschaften und die Frauen der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) mit der ihr nahestehenden Frauenorganisation der Demokratischen Fraueninitiative. Ein entscheidender Anstoß, den Internationalen Frauentag in der Bundesrepublik wie- der jedes Jahr zu begehen, kam von außen. Die politischen Debatten, die das „UNO-Jahr der Frau“ 1975 weltweit auslöste, bestärkte Frauengruppen und politische Initiativen in der Bundesrepublik darin, wieder Frauentagsveranstaltungen durchzuführen. Mit Berich- ten über die Aktionen Ende der 1970er Jahre schließt das Kapitel.

Formierung der Neuen Frauenbewegung

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es in den westlichen Industriegesellschaf- ten einen durchgreifenden Wandel, der auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen betraf. Seit den 1950er Jahren wuchs die Zahl berufstätiger Ehefrauen mit Kin- dern, vor allem im expandierenden Dienstleistungsbereich stieg die Nachfrage nach weib- lichen Arbeitskräften. Der Ausbau des tertiären Sektors begünstigte die Ausbreitung von Teilzeitarbeit als Arbeitsform für Frauen. Mit dem Argument, dass über die Teilzeitarbeit die Kinderbetreuung, der Haushalt und die Arbeit miteinander vereinbart werden können, sollten auch verheiratete Frauen und Mütter für den Arbeitsmarkt mobilisiert werden.1 Angesichts eines sich abzeichnenden Mangels an qualifizierten Arbeitskräften und wissenschaftlichem Nachwuchs rückten die Schwächen des bundesrepublikanischen Bil- dungssystems in den Blick. Die Debatte über die „deutsche Bildungskatastrophe“ führte Mitte der 1960er Jahre zu konkreten Maßnahmen im Bildungssektor. Ziel war die soziale Öffnung der weiterführenden Schulen und Hochschulen. Vor allem sollten die schichtspe- zifischen Benachteiligungen von Arbeiterkindern kompensiert und die Ausbildungssitua- tion von Mädchen verbessert werden.2 1967–1979 271

Es setzte eine Bildungsexpansion ein. Am meisten profitierten Kinder der unteren Mit- telschicht von den Reformen, vor allem aber Frauen. Waren Mädchen 1960 an den Gym- nasien stark unterrepräsentiert, änderte sich das Verhältnis im folgenden Jahrzehnt: 1978 besuchten prozentual mehr Mädchen diese Schulform, als es ihrem Anteil an der jeweili- gen Altersgruppe entsprach. An den Universitäten sah es ähnlich aus. „Der Frauenanteil unter den Studierenden an Universitäten lag 1960 bei 28 Prozent, 1975 bei 36 Prozent und 1989 bei 41 Prozent.“3 Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungsbe- reich eröffneten den Mädchen und Frauen Perspektiven, die über die einseitige Festlegung auf die Hausfrauen- und Mutterrolle hinausgingen. Zugleich hielten aber tradierte Stereo- typen und Rollenzuschreibungen die Frauen in privater Abhängigkeit von Ehemännern, in untergeordneten Stellungen im Beruf und in kaum beachteten Nischen in der Politik fest. Als Frauen begannen, diese Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Ausbeutung öffentlich anzuprangern, entstand aus dem gemeinsamen Handeln, aus Frauendemonstrationen, Frauengesprächskreisen, Aktionen und Konferenzen die Neue Frauenbewegung. Die neue Bewegung erhielt Auftrieb, als die sozial-liberale Koalition 1969 versprach, eine Reformära einzuleiten. In seiner ersten Regierungserklärung im September 1969 hob Willy Brandt die Bedeutung der Frauen für die Reformierung der Gesellschaft hervor: „Für die gesellschaftspolitischen Reformen und die moderne Gestaltung unseres demokrati- schen Industriestaates will und braucht die Bundesregierung eine stärkere Mitwirkung der Frauen.“ Er versprach, dass die sozialliberale Regierung daraus die notwendigen Konse- quenzen ziehen werde, „um den Frauen mehr als bisher zu helfen, ihre gleichberechtigte Rolle in Familie, Beruf, Politik und Gesellschaft zu erfüllen“.4 Gesellschaftliche Entstehungsorte der Neuen Frauenbewegung waren zunächst die Universitäten. Sie hatten sich in den 1960er Jahren ausgehend von den USA zu politi- schen Zentren einer antiautoritären Jugend- und Studentenbewegung entwickelt. Tonan- gebend in dieser Oppositionsbewegung war der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS), in dem sich eine Reihe politisch interessierter und engagierter Frauen organisiert hatten. Es waren Frauen aus dem Berliner SDS, die als erste den Widerspruch zwischen den politisch emanzipatorischen Ansprüchen der Organisation und dem autoritären und patriarchalen Gehabe der Genossen öffentlich thematisierten und daraus Konse- quenzen zogen. Junge Frauen hatten sich an den Aktionen gegen die Misere an den Universitäten und an den Protesten gegen den US-amerikanischen Vietnamkrieg beteiligt und protestier- ten zusammen mit ihren Kommilitonen gegen die Zusammenarbeit der bundesrepubli- kanischen Politiker mit Diktatoren der „Dritten Welt“ wie dem iranischen Schah-Regime. Innerhalb der Organisation wurden Debatten über die gesellschaftlichen Widersprüche, über die kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse und über die Notwendigkeit, dagegen einen Klassenkampf zu führen, diskutiert und die Vision einer antiautoritären Gesellschaft entworfen. Dabei nahmen Frauen mit wachsendem Unmut wahr, dass die großen Reden über die Befreiung von Konventionen, von überkommenen Moralvorstellungen, von einem Zusammenleben gleichberechtigter Menschen nur abstrakte Postulate waren, wenn es um das eigene Verhalten gegenüber den Genossinnen, Partnerinnen und Ehefrauen ging. Sie stellten fest, dass die „Genossen“ ihre männlichen Privilegien und Vormachtstellungen zu Hause wie bei der politischen Arbeit behaupteten. Die Frauen hatten auch in den SDS-Gruppen kaum Einfluss, sie erledigten dort die Schreib- und Aufräumarbeiten. Im privaten Bereich kümmerten sie sich um die Hausarbeit und waren allein zuständig für die Betreuung der Kinder.5 „Sie empfanden sich sexuell und als Hilfsarbeiterinnen bei der alltäglichen politischen Kleinarbeit ausgebeutet.“6 272 Neue Frauenbewegung und Internationaler Frauentag

Es war eine Gruppe von nur sieben Frauen, die diese von Männern diktierten Verhält- nisse, diesen Ausschluss von der politischen Arbeit und die Diskriminierung im privaten Bereich nicht länger hinnehmen wollten. Sie gründeten 1968 in Westberlin den „Aktions- rat zur Befreiung der Frauen“, eine selbstständige Frauengruppe, in der Männer nicht mit- arbeiten durften. Ihr erstes Ziel war es, eine gemeinsame Kinderbetreuung zu organisieren und dafür ein pädagogisches Konzept zu erarbeiten. Sie sprachen Studentinnen und junge Akademikerinnen mit Kindern an, weil sie aus eigener Erfahrung wussten, dass bei diesen der Stress und der Unmut am größten waren. Sie hatten Recht mit ihrer Einschätzung – schon wenige Monate später arbeiteten die ersten Kinderläden in Westberlin. Die Frauen entschlossen sich, ihre Initiative auf der Delegiertenkonferenz des SDS vorzustellen, um mit den Delegierten über eine gemeinsame politische Arbeit zu diskutieren.7 Am Freitag, dem 13. September 1968, meldete sich Helke Sander als Vertreterin des Aktionsrates auf der Frankfurter Delegiertenkonferenz des SDS zu Wort. In ihrer Rede kritisierte sie, dass auch in der antiautoritären Studentenbewegung die bürgerliche Tren- nung zwischen gesellschaftlichem und privatem Leben weiterbestehe. Damit werde gerade der Privatbereich einer politischen Debatte entzogen und „das spezifische Ausbeutungs- verhältnis, unter dem die Frauen stehen, verdrängt“. Diese Form männlicher Herrschafts- sicherung bestimme auch das Geschlechterverhältnis im SDS. Deshalb forderten die Frau- en, die privaten Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse zum politischen Thema zu machen. Helke Sander forderte, dass sich der Kongress mit der Situation der Frauen auseinandersetzen solle.8 Als nach einer Sitzungspause die männliche Führungsspitze – ohne auf den Beitrag von Helke Sander einzugehen – entschied, in der Tagesordnung fort- zufahren, bewarf Sigrid Rüger, ein weiteres Mitglied des Aktionsrates, die Männer auf dem Podium mit Tomaten.9 Für die Frauen wurde dieser über die Presse verbreitete Tomatenwurf zum Signal für den Aufbruch und es bildeten sich weitere Frauengruppen an verschiedenen Universitäts- standorten. Die Akteurinnen waren in der Regel Studentinnen, die sich trafen, um ohne Bevormundung durch Männer ihre Probleme und Fragen nur unter Frauen zu diskutieren.

Ein Tomatenwurf und seine Folgen – der Bremer Weiberrat 1969

Diese konkreten Beispiele ermutigten. Schon bald ergriffen auch Frauen außerhalb von Universitätsstandorten die Initiative. Sie hatten sich in den 1960er Jahren an politischen Aktionen der außerparlamentarischen Aktionen der Linken beteiligt und dabei ähnliche Erfahrungen wie die SDS-Frauen in Berlin gemacht, nämlich dass sie von den Männern, mit denen sie bei Aktionen zusammengearbeitet hatten, politisch ignoriert wurden. Und damit geschah das „Unerhörte“10 – Frauen verbündeten sich und setzten sich zur Wehr. Romina Schmitter berichtet in ihrer Untersuchung „Zur neuen Frauenbewegung in Bremen“ von der Initiative einer Gruppe von Jungsozialistinnen aus Bremen. Auslöser war das Referat zum Thema Sexualität, das Gerhard Amendt auf einer Veranstaltung der Jungsozialisten am 12. Februar 1968 in Bremen hielt. Die Jungsozialistin Ursula Kerstein, spätere bremische Frauenbeauftragte, notierte über die Rede des SDS-Mitgliedes Gerhard Amendt in ihr Tagebuch: „Es existieren nur Männer … komischerweise.“ Sie hatte wahr- genommen, dass bei einem Thema, das Frauen und Männer in gleicher Weise anging, das weibliche Geschlecht vom Referenten überhaupt nicht angesprochen worden war. Solche 1967–1979 273

Erfahrungen machten die Frauen schon immer, viele hatten wahrscheinlich Ähnliches in ihre Tagebücher geschrieben. Jedoch an diesem 12. Februar 1960 war es anders, denn Ursel Kerstein beließ es nicht bei der ironisch kritischen Bemerkung, sondern fügte hinzu: „Das muß sich ändern.“11 Und tatsächlich traten die Bremer Juso-Frauen aus der von den Männern verordneten Unsichtbarkeit heraus. Am 17. April 1969 gründeten sie einen „Weiberrat“. Diese Gründung war das Ergebnis einer Juso-Veranstaltung, auf der Helke Sander und Marianne Herzog, Vertreterinnen des Aktionsrates zur Befreiung der Frau aus Berlin, über ihre Erfahrungen in der Kinderladenbewegung berichteten. Als die Frauen in der anschließenden Diskussion von den anwesenden Männern ständig übergangen wurden, zogen sie mit den Referentin- nen in einen separaten Raum und diskutierten ohne Männer weiter. Für die Bremer Teil- nehmerinnen an der Gesprächsrunde war danach „klar“, „daß … wir uns wieder treffen“.12 In den nächsten Wochen fanden jeden Mittwoch Versammlungen statt. Die rund vierzig Jungsozialistinnen des Weiberrats – der seinen Namen in Anlehnung an die Weiberräte in den Universitätsstädten trug – wollten vor allen Dingen ungestört von Männern miteinan- der reden. Bald mündeten diese Gespräche in politische Aktivitäten. Ein Teil der Gruppe nahm an der Planung eines antiautoritären Kinderladens teil, die anderen „begannen im Mai [1969] Unterschriften gegen den Paragraphen 218 zu sammeln und gehörten damit indirekt zu den Initiatorinnen der bundesweiten Aktionen gegen den § 218.“13

Aus den Protesten gegen den § 218 entsteht die Neue Frauenbewegung

Seit 1959 waren die Paragraphen 218, 219 und 220 des Strafgesetzbuches in juristischen Fachkreisen und auf Regierungsebene Gegenstand von Debatten. Das Abtreibungsrecht sollte reformiert werden. Noch in ihrem letzten Jahr, 1969, brachte die Regierung der gro- ßen Koalition dazu einen Gesetzentwurf ein, der aber „wegen vorzeitiger Auflösung des Parlaments nicht über die erste Lesung hinaus kam“.14 Die sozialliberale Koalition verfolg- te das Ziel, die Strafrechtsparagraphen zu reformieren, weiter. Von den Gesetzentwürfen, die im Bundestag beraten wurden, war die Drei-Monats-Fristen-Regelung die weitestge- hende. Sie gewährte im Falle einer Abtreibungen Straffreiheit bis zum dritten Schwanger- schaftsmonat. Für diese Regelung sprach sich eine Mehrheit der SPD-Bundestagsfraktion aus. Auch die SPD-Frauen und die Gewerkschafterinnen forderten die Einführung einer Fristenregelung. Ebenso unterstützten die DKP und der ihr nahestehende Marxistische Studentenbund Spartakus diese Forderung. Noch zu Zeiten der großen Koalition jedoch hatten sich auch Frauen zu Wort gemeldet, die eine grundsätzlich andere Position vertraten. Sie erteilten dem gesamten Reformvor- haben eine Absage. Denn jede Reform beinhalte die Beibehaltung des Strafrechtsparagra- phen und damit – so argumentierten sie – würden die Frauen an einem entscheidenden Punkt ihres Lebens weiterhin bevormundet und kontrolliert. Sie forderten deshalb Selbst- bestimmung über ihren Körper und die „ersatzlose Streichung des § 218“.15 Zu den ersten Gruppen, die sich mit Unterschriftenaktionen an die Öffentlichkeit wandten, gehörte die Gruppe Bremer Jungsozialistinnen. Seit dem Frühjahr 1969 gingen sie gegen den Paragraphen auf die Straße und forderten die ersatzlose Streichung des § 218. Und sie benutzten – zwei Jahre vor der großen Aktion im Stern – die Methode der Selbstbezichtigung: Im Mai 1969 starteten die Juso-Frauen ihre Kampagne „Ich habe ab- 274 Neue Frauenbewegung und Internationaler Frauentag getrieben“. Die erste Bremerin, die sich des Schwangerschaftsabbruchs bezichtigte, war eine Mutter von 59 Jahren. „Nach der Tagebucheintragung ihrer Tochter setzte sie ihre Unterschrift unter den Satz ‚Ich habe abgetrieben‘ am 12. Mai 1969.“16 Auch in anderen Städten entstanden Gruppen, die gegen den § 218 protestierten und Unterschriften gegen das Abtreibungsverbot sammelten. Bald wurde es notwendig, die Arbeit zu koordinieren, und im Jahr 1970 schlossen sich die Gruppen zu einem losen Ver- bund zusammen. Die „Aktion 218“ entstand. Doch erst die Selbstbezichtigung „Ich habe abgetrieben“ von 374 Frauen in der Zeit- schrift Stern am 6. Juni 1971 wurde zum entscheidenden Impuls für die Massenkampagne gegen den § 218. Initiatorin war die Journalistin Alice Schwarzer, die die Idee dazu von den Französinnen übernommen hatte.17 Die öffentliche Erklärung hatten zwei Monate nach ihrem Start bereits 2.345 weitere Frauen unterschrieben, 973 Männer unterzeichneten den Satz „Ich war Komplize“ und 86.100 Unterschriften bekundeten ihre Solidarität. Auf dem Bundestreffen der Aktion 218 im Juli 1971 waren bereits zwanzig Gruppen durch Delegierte vertreten. Im Anschluss an das Treffen wurden die gesammelten Unterschriften zusammen mit einem offenen Brief an Justizminister (SPD) übergeben. In diesem Brief forderten die Frauen nicht nur die ersatzlose Streichung des § 218, sondern gleichzeitig auch sozialpolitische Maßnahmen wie den Ausbau von Kindergartenplätzen und Schwangerschaftsurlaub von mindestens einem Jahr für Mutter oder Vater. Der Brief schloss mit der Erklärung: „Wir Frauen werden uns nicht mit Ersatzlösungen abspeisen lassen. Wir werden Sie in dieser Sache nicht zur Ruhe kommen lassen.“18 In den folgenden Monaten entstanden in immer mehr Städten Aktionsgruppen, an denen sich berufstätige Frauen, Hausfrauen, Mütter und Studentinnen beteiligten. „Der § 218 wur- de zum Thema in Büros und Fabriken, Universitäten und Schlafzimmern.“19 Dass sich aus diesen Aktionen und Gruppenbildungen eine Frauenbewegung entwi- ckelt hatte, nahmen die Frauen selbst erst auf dem ersten Bundesfrauenkongress am 12./13. März 1972 in Frankfurt am Main wahr:

„An diesem Kongress haben rund 400 Frauen aus allen Teilen der Bundesrepublik teilgenommen. Nicht alle, aber die meisten gehörten bereits zu einer Gruppe, und als wir durchzählten, stellten wir fest, daß es inzwischen rund 35 Gruppen gibt, und nicht nur in Groß- und Universitätsstätten … Alles in allem kann es über eins nach diesem Kongreß keinen Zweifel mehr geben: Wir haben eine deutsche Frauenbewe- gung.“20

In den folgenden Jahren wuchs die Zahl der Frauen, die sich engagierten, weiter. Doch war es letztlich nicht möglich, die Streichung des § 218 aus dem Strafrecht durchzusetzen. Es galt für viele als Erfolg, dass der Bundestag am 26. April 1974 mit knapper Mehrheit die Drei-Monats-Fristenlösung verabschiedete. Doch das neue Gesetz hatte keinen Bestand. Am 25. Februar 1975 verkündete das Bundesverfassungsgericht, dass die Fristenregelung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Wieder kam es zu einer Welle der Proteste und Aktionen. Letztlich gab es ein neues Gesetz, dem im Laufe der Jahre weitere Änderungen folgen sollten. Die Grundbedingung aber blieb immer die Gleiche: Frauen dürfen nicht allein über den Schwangerschaftsab- bruch entscheiden. Und grundsätzlich gilt immer: Abtreibung ist strafbar. Bis heute ist es nicht gelungen, die Abschaffung des § 218 durchzusetzen. Obwohl die Frauenbewegung damit ihr Ziel nicht erreicht hat, war die Kampagne für die Bewegung selbst erfolgreich. Zum ersten Mal hatten sich Frauen verschiedenen Al- 1967–1979 275 ters, unterschiedlicher sozialer Herkunft und beruflicher Positionen zusammengefunden. Die gemeinsamen Aktionen gegen den § 218 hatten sie ermutigt, sich auch an anderen Punkten zusammenzufinden. Die bundesweiten Aktionen gegen den § 218 wurden zum „Schmelztiegel“21 für das Entstehen der Neuen Frauenbewegung.

Strömungen in der Frauenbewegung der 1970er Jahre

Wenn in der Bundesrepublik von der Neuen Frauenbewegung gesprochen wird, ist damit in der Regel die autonome Frauenbewegung gemeint. Doch daneben existierten weiter- hin auch die institutionellen Frauenorganisationen, also jene der Parteien und Gewerk- schaften. Alle jedoch wurden beeinflusst und verändert von der Aufbruchstimmung und den neuen Ideen der „Autonomen“ – wie diese sich häufig selbst nannten. In den folgen- den Abschnitten werden die Entwicklungen von vier Frauengruppierungen dargestellt, die maßgeblich die Erneuerung des Internationalen Frauentages in der Bundesrepublik durchgesetzt haben. Am Anfang steht die Darstellung der Autonomen Frauenbewegung, daran schließen sich die Berichte über die Frauenorganisationen der SPD, der DKP und der Gewerkschaften an.

Autonome Frauenbewegung

Die Neue Frauenbewegung war eine facettenreiche soziale Bewegung, die sich aus ver- schiedenen Teilbewegungen und vielen Akteurinnen zusammensetzte und deren Ideen und Forderungen kein geschlossenes Theoriegebäude bildeten. Einige Inhalte waren für die Erneuerung des Internationalen Frauentages von besonderer Bedeutung. Auf dem ersten Bundesfrauenkongress im März 1972 ging es zunächst darum, sich einen Überblick über den Stand der neuen Bewegung zu verschaffen. Etwa 400 Frau- en hatten sich versammelt. Sie diskutierten in vier Arbeitsgruppen über die Formen der Selbstorganisation der Frauengruppen, über die Forderungen nach Gleichheit in Beruf und Familie und über das weitere Vorgehen im Kampf gegen den § 218. Schon auf diesem ersten Kongress zeichneten sich Schwerpunkte ab, die zu zentralen Themen der Frauen- bewegung werden sollten: Es ging um die Selbstbestimmung über den eigenen Körper, um ökonomische Unabhängigkeit, aber auch um die Suche nach neuen Methoden der Kinderbetreuung. Doch vor allem ging es um die Beendigung der männlichen Autorität und Besitzherrschaft über die Frauen.22 Ein wesentliches Ergebnis der Konferenz war der Beschluss zur Selbstorganisation der Bewegung ohne Teilnahme und Mitwirkung von Männern. Frauen wollten ohne Bevor- mundung und Unterdrückung durch Männer über ihre Organisation bestimmen. Selbst- bestimmung und Autonomie waren die ersten politischen Zielbestimmungen des Frau- enaufbruchs. Es ging um individuelle Autonomie und zugleich um die Durchsetzung institutioneller Unabhängigkeit von den tradierten Formen und Institutionen. Das bedeutete eine konsequente Separierung von Männern und von den von Männern bestimmten Organisationen. Auf dem Kongress entwickelte sich daraus eine Debatte da- rüber, ob autonome Frauen sich in den von Männern dominierten Gewerkschaften orga- 276 Neue Frauenbewegung und Internationaler Frauentag nisieren sollten. Manche kritisierten die patriarchalen Strukturen der Organisation und wandten sich gegen eine Mitgliedschaft. Andere Gruppen hielten dagegen, dass Frauen sich gerade verstärkt in den Gewerkschaften organisieren müssten, denn nur mit der gro- ßen Organisation könne ein Kampf um Veränderung der Situation von Frauen im Beruf mit einiger Aussicht auf Erfolg geführt werden.23 Ein weiteres Thema, das auf der Konferenz behandelt wurde, beschäftigte die Frau- enbewegung in den folgenden Jahren noch häufig und sorgte besonders in der Vor- bereitung der Frauentage für Auseinandersetzungen und gelegentliche Spaltungen: Sind Feminismus und Sozialismus vereinbar?24 Hier standen die Positionen der auto- nomen und radikalen Feministinnen denen der Sozialistinnen und Kommunistinnen gegenüber. Die Marxistinnen vertraten die Auffassung, dass der Klassenkampf Vor- rang habe vor der Lösung der Frauenfrage. „Die untergeordnete Stellung der Frau ist ein Nebenwiderspruch innerhalb des Hauptwiderspruchs zwischen Kapital und Arbeit. Deshalb lässt sich die Frauenfrage nicht geschlechtsspezifisch lösen, sondern letztlich nur durch eine Umgestaltung der kapitalistischen Klassengesellschaft in eine sozia- listische klassenlose.“25 Die radikalen Feministinnen drehten diese Doktrin um: „Der Schlüsselpunkt der Gesellschaftsanalyse ist nicht Kapitalismus, sondern Patriarchat. […] Die Frauenfrage ist dann nicht mehr ein Unterpunkt im Klassenkampf, sondern Klassenfragen stellen einen Unterpunkt im umfassenden feministischen Kampf gegen die patriarchalische Weltordnung dar.“26 Trafen die Vertreterinnen dieser beiden Posi- tionen im politischen Alltag aufeinander, gab es keine Theoriedebatten. Der Streit ent- zündete sich dann aber zum Beispiel an der Frage, ob bei einem Fest am 8. März auch Männer zugelassen waren oder nicht. In den 1970er Jahren begannen die autonomen Frauengruppen damit, eigene Frauen- netzwerke aufzubauen. Es wuchs das Vertrauen in die eigene Stärke und in das Fortbeste- hen der Bewegung. Als sichtbares Zeichen für diese Entwicklung können die Frauenzent- ren gesehen werden, die zu zentralen örtlichen Frauentreffpunkten wurden. Sie waren der „eigene Raum“ zum Austausch, für Aktionsvorbereitungen, für die Beratungsarbeit und für die wachsende Zahl von Selbsterfahrungsgruppen. Vor allem bei den jungen Frauen, die zunehmend das Bild der autonomen Frauenbewegung prägten, wuchs das Bedürfnis, sich zunächst mit der eigenen Stellung in Familie, Beruf und Gesellschaft auseinanderzuset- zen. Es entstanden Selbsterfahrungs- und Selbsthilfegruppen, in denen die individuellen Unterdrückungserfahrungen gemeinsam analysiert werden konnten, um darin das Allge- meine zu erkennen und Veränderungsstrategien zu entwickeln.27 Trotz dieses „Rückzugs nach innen“28 blieben die Frauen gesellschaftlich präsent. Es gelang der Neuen Frauenbewegung auch in anderen von der Gesellschaft tabuisierten Bereichen nachzuweisen, wie politisch das Private war. Dabei löste die Thematisierung sexueller Gewalt in der Ehe und der sexuelle Missbrauch von Mädchen ein Umdenken in vielen gesellschaftlichen Institutionen und vor allem bei den Frauen selbst aus. Sie starte- ten neue Projekte und Initiativen. So entstanden Frauenhäuser für misshandelte Frauen und deren Kinder, sexuelle Gewalt an Mädchen wurde angeprangert und Beratungszent- ren geschaffen. Parallel zur Ausweitung der Gesamtbewegung bildeten sich einzelne Teilbewegungen heraus, die eine spezifische Diskriminierung oder Ausgrenzung in der Gesellschaft, teils aber auch in der Frauenbewegung erfuhren. Dazu gehörte die Lesbenbewegung genauso wie später auch Gruppen und Netzwerke von Migrantinnen und afrodeutschen Frauen.29 Die Frauen entwickelten ihre spezifische Kultur. In München gründeten sie den ersten Frauenverlag, „Frauenoffensive“, und 1976 wurde ebenfalls in München der erste Frauen- 1967–1979 277 buchladen eröffnet. Bald schon existierten mit der Courage und später der Emma zwei überregionale feministische Frauenzeitschriften. Und 1976 fand in Berlin die erste Som- meruniversität für und von Frauen statt. So hatte sich in wenigen Jahren eine weibliche Kulturlandschaft entwickelt, die sich immer neue Tätigkeitsfelder und Wirkungsmöglich- keiten erschloss, mit Frauenbildungshäusern, einer eigenen Filmszene, Frauenliteratur, Rock-Bands und Tanzschulen nur für Frauen. Diese Neue Frauenbewegung hatte kein einheitliches Erscheinungsbild. Es gab keine formale Mitgliedschaft, die Zugehörigkeit bestimmte sich subjektiv über die Auseinander- setzung mit bestimmten feministischen Inhalten und Zielen, über die Nähe zu bestimmten Gruppen, Projekten und Netzwerken. „1974 gab es 100–200 Gruppen und einige tausend Aktivistinnen.“30 Darüber hinaus erreichte in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre vor al- lem die Frauenbildungsbewegung Tausende von Frauen, die sich an den für alle Frauen offenen Sommeruniversitäten beteiligten und auf den Kongressen mitdiskutierten.31 Auf diesem Weg kamen immer mehr Frauen mit den Ideen und Protesten der Frauenbewe- gung in Berührung. Viele wurden angeregt, sich politischen Gruppen und Organisationen anzuschließen, und in den Partei- und Gewerkschaftsorganisationen konfrontierten die weiblichen Mitglieder die Männermehrheit mit Kritik an ihrem patriarchalen Verhalten.

Frauenbewegung der Sozialdemokratinnen

Auch in der SPD meldete sich eine neue Frauengeneration mit eigenen Ideen und Projek- ten zu Wort. Sie fühlte sich ermutigt vom gesellschaftlichen Aufbruch, den Versprechun- gen der sozialliberalen Koalition und spürte Rückenwind durch das offensive Auftreten der Frauenbewegung. Ein Jahr nach der Regierungserklärung von Willy Brandt, in der er versprochen hatte, mehr Demokratie zu wagen und die Frauen besonders zu fördern, war die SPD mit dem Protest und den Forderungen einer neuen Frauenbewegung in der eigenen Organisation konfrontiert. An der Bundesfrauenkonferenz in Nürnberg vom 22. bis 25. Oktober 1970 nahmen junge Frauen teil, die in einigen Städten die Leitungen der örtlichen SPD-Frauengruppen übernommen hatten und als deren Vertreterinnen jetzt zur Konferenz gereist waren. Die Neuen traten sofort selbstbewusst auf. Sie meldeten sich mit kritischen Beiträgen zu Wort. Sie rügten den autoritären Führungsstil und vor allen Dingen die fehlenden politischen Aussagen. Als sie dann noch die Vorsitzende Annemarie Renger aufforderten, einen Re- chenschaftsbericht abzulegen, wurde das als Provokation empfunden. Denn auf den bishe- rigen Bundesfrauenkonferenzen „wurden Referate gehalten, Resolutionen verabschiedet. Inhaltliche Auseinandersetzungen gab es nicht.“32 So wurde die Konferenzleitung von dem Auftreten der Frauen und ihrer offenen Form der Auseinandersetzung völlig überrascht. Sie reagierte empört und wies jede Kritik entschieden zurück.33 Im weiteren Verlauf der Konferenz verständigten sich die jungen Frauen, die sich bis- her nicht gekannt hatten, untereinander und legten den Konferenzteilnehmerinnen ein gemeinsam verfasstes Oppositionspapier zum Thema „Warum Frauenarbeit?“ vor, in dem sie sich mit dem tradierten Frauenbild der Sozialdemokratie auseinandersetzten und die auch in der SPD übliche Festlegung des weiblichen Geschlechts auf die Rolle als Haus- frau und Mutter kritisierten. Dieses Leitbild, so betonten sie, sei mitverantwortlich für die unpolitische Haltung und die Rückständigkeit der meisten Frauen in der Bundesre- publik. Um dies zu ändern, müsste die Frauenpolitik neu bestimmt werden und müssten 278 Neue Frauenbewegung und Internationaler Frauentag sich Frauen zur gemeinsamen politischen Arbeit zusammenschließen. Das Positionspapier löste große Empörung unter den „konservativen Frauen der Führungsriege“ aus, die ihr familienpolitisches Konzept und ihre politische Arbeit in Frage gestellt sahen.34 Im Anschluss an die Konferenz vereinbarten die jungen Frauen weitere Treffen, um die politischen Auseinandersetzungen in Zukunft systematischer vorzubereiten. Sie nutzten ihre Verbindungen zu den Jungsozialisten und stellten auf dem Juso-Bundes- kongress im Dezember 1970 den Antrag, einen „Arbeitskreis Emanzipation“ zu bilden. Der Arbeitskreis sollte theoretische Grundlagen für eine eigene Frauenarbeit in der SPD ausarbeiten.35 Die Partei reagierte auf die Bewegung und griff steuernd in die Entwicklung der Frau- enarbeit ein. Der Parteivorstand beschloss im Februar 1972, die Frauenarbeit neu zu ge- stalten, und legte fest, dass die Frauen „eine Arbeitsgemeinschaft […] bilden sollten.“36 Damit wurden zum ersten Mal demokratische Strukturen und Wahlverfahren für die Frauenarbeit festgelegt. So konnten auf der Frauenkonferenz in Ludwigshafen 1973 die Delegierten ihr Führungsgremium zum ersten Mal selbst wählen.37 Durch die schnelle Entscheidung des Parteivorstandes war den Frauen die Möglichkeit genommen, selbst alternative Strukturen zu entwickeln und auszuprobieren. So wurde für die Arbeitsgemeinschaft ein organisatorischer Rahmen festgelegt, der die Handlungsfähig- keit begrenzte. Arbeitsgemeinschaften besaßen keine Eigenständigkeit, konnten keine Er- klärungen nach außen abgeben und grundsätzlich galt: „Beschlüsse, in denen die Arbeits- gemeinschaften ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit gegenüber der Gesamtpartei artikulieren, verstoßen gegen innerparteiliche Normen und sind daher nichtig.“38 Indessen war Bewegung in die Frauenarbeit gekommen. Annemarie Renger stellte zu Beginn der Bundesfrauenkonferenz 1973 fest: „Diese Bundesfrauenkonferenz ist ein neuer Beginn sozialdemokratischer Gesellschaftspolitik.“ Doch dieser Neuanfang bedeutete erst einmal heftigen Streit über die politische Ausrichtung der Arbeitsgemeinschaft Sozialde- mokratischer Frauen (ASF). Unversöhnlich standen sich zwei politische Lager gegenüber. Die Vertreterinnen eines rechten Flügels waren der Auffassung, dass sich die Arbeits- gemeinschaft unbedingt loyal zur Partei zu verhalten habe. Wer etwas anderes wolle – drohte Annemarie Renger in Richtung der Kritikerinnen –, verwirke seine „Berechtigung, Mitglied in der SPD zu sein“. Entsprechend „scharf und aggressiv“ waren die Reaktionen der Oppositionsfrauen, die die Auffassung vertraten, dass die Unterdrückungsverhältnisse, denen die Frauen in der Gesellschaft ausgesetzt seien, sich in der Partei wiederholten und es deshalb gelte, in der Arbeitsgemeinschaft auch gegenüber der Parteiführung einen eigenständigen Kurs durchzusetzen.39 Die weitere politische Arbeit der ASF war davon geprägt, im Spannungsfeld der unter- schiedlichen Strömungen der neuen Frauenbewegung ihren Platz zu finden. Seit den Bun- destagswahlen 1976 versuchte der ASF-Bundesvorstand, die vorhandenen Berührungs- ängste zwischen der ASF und den autonomen feministischen Frauengruppen abzubauen. 1978 fand ein erstes Treffen mit vierzig autonomen Gruppen statt. Zwar zeigten sich er- hebliche Differenzen, doch einiges an gegenseitiger Voreingenommenheit konnte in den Gesprächen abgebaut werden.40 Das veränderte politische Klima in der Frauenorganisation registrierten auch die Frauen gruppen an der Basis. Im Jahresbericht des Bremer ASF-Landesvorstandes 1978/79 hieß es dazu: „Auf Bundesebene hat sich auf der Bundeskonferenz in Erlangen [1979] zum 1. Mal ganz deutlich gezeigt, daß die ASF sich gewandelt hat und nicht mehr wie früher ‚funktioniert‘. [Es gab] eine Kontroverse und kämpferische Auseinandersetzung mit dem Bundesvorstand.“41 1967–1979 279

Auf besagter Bundesfrauenkonferenz hatte der Vorstand eine recht negative Bilanz gezogen. Er musste feststellen, dass es zwar Lippenbekenntnisse gab, Frauen stärker zu beteiligen, „doch hinkte die Praxis gewaltig hinter dieser Erkenntnis hinterher.“ So werde die ASF „bei öffentlichkeitswirksamen Parteiveranstaltungen als nicht existent oder sogar als lästig eingestuft“.42 In der Diskussion zu diesem Bericht zeigte sich „eine sehr aggres- sive Stimmung gegen die Männer“. Die Frauen fragten: „Sind wir in erster Linie Frauen, und zwar radikale Feministinnen, oder sind wir in erster Linie Sozialdemokratinnen? Und wie weit geben wir da unsere Identität auf?“ Auf der Konferenz stimmten viele mit diesen feministischen Positionen überein. Die Frauen zeigten sich entschlossen, „ihre Eigenstän- digkeit und Unabhängigkeit von der ‚Männerpartei‘ durchzusetzen.“43 Um tatsächlich etwas zu verändern, wurden die Frauen nach der Konferenz aktiv. Die Arbeitsgemeinschaft verstärkte ihren Druck auf die Parteigremien, endlich mit der Gleich- stellungspolitik in den eigenen Reihen ernst zu machen. Bereits 1979, auf dem Parteitag in Essen, hatten die Frauen Positionen zur innerparteilichen Gleichberechtigung formuliert. Damit lieferten sie die Eckpunkte für die 1981 verabschiedeten Grundsätze zur „Gleich- stellung der Frauen in der SPD“.44 Die ASF hatte mit ihrer Kritik an der Vorherrschaft und Dominanz der Männer in der Partei eine neue Debatte um die Durchsetzung von Gleich- berechtigung innerhalb der Organisation angestoßen. Von der Erlanger Konferenz 1979 ging eine weitere wichtige Initiative aus. Die ASF hatte dort einen Antrag verabschiedet, der die Bundesregierung aufforderte, die von der Nato geplante Stationierung der Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden abzulehnen und grundsätzlich auf die Einführung neuer Atomwaffensysteme zu verzichten. Auch ein Militärdienst für Frauen wurde entschieden abgelehnt. Die ASF beließ es nicht bei diesen Beschlüssen. Sie mobilisierte ihre Mitglieder. Am 3. Dezember 1979 startete sie mit ihrem Appell „Frauen für Frieden – Frauen gegen Wettrüsten“ eine Unterschriftensammlung, de- ren Ergebnis am 8. März 1980 Bundeskanzler und Verteidigungsminister übergeben wurde.45 Die ASF hatte damit eine Vorreiterrolle übernommen. Innerhalb der Partei war sie eine der aktivsten Kräfte gegen den NATO-Nachrüstungsbeschluss. Sie beteiligte sich an Frauenfriedensaktionen und nahm an den Demonstrationen der Friedensbewegung teil. Zugleich setzte sie damit auch die Tradition der Friedensarbeit innerhalb der sozialdemo- kratischen Frauenbewegung fort.

Aufbruch der Gewerkschafterinnen

Die Diskussionen und Aktivitäten der Frauenbewegung wirkten auch auf die Frauen- arbeit in den Gewerkschaften. Im Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und in den Ein- zelgewerkschaften wurde wahrgenommen, dass sich die Frauen in der Bundesrepublik gegen die gesellschaftlichen Machtverhältnisse zur Wehr setzten. Diese Aufbruchstim- mung und das gesellschaftliche und mediale Interesse an den Frauenaktionen nutzten die Gewerkschaften, um auf die Belange der erwerbstätigen Frauen aufmerksam zu machen. Sie erklärten das Jahr 1972 zum „Jahr der Arbeitnehmerin“. Es war das erste Mal, dass die Gewerkschaften für ein ganzes Jahr die Belange der Arbeitnehmerinnen zum Thema gewerkschaftlicher Aktionen machten. Doch gemessen an dem Anspruch gab es nur eine schwache Resonanz. Claudia Pinl fasste das Ergebnis in ihrer kritischen Gewerkschaftsstudie Das Arbeitnehmerpatriarchat mit den Worten zusammen: „Das 280 Neue Frauenbewegung und Internationaler Frauentag

Hauptziel der Gewerkschaften war dabei aber weniger, Konflikte offenzulegen und vo- ranzutreiben, sondern schlicht die Mitgliederwerbung.“ Und selbst die wurde nicht ge- nutzt, um die Frauen in den Betrieben zu mobilisieren. „In den meisten Fällen regnete es nur bunt bedrucktes Papier.“46 Doch das sollte sich bald ändern. Zwar hielten die Gewerkschaften zu den „autonomen bürgerlichen Frauen“ – so die innergewerkschaftliche Sprachregelung – eine kritische Dis- tanz, aber die Zahl der Gewerkschafterinnen, die zu den Gruppen der Frauenbewegung Kontakt hatten, wuchs und junge Frauen, die an der Universität in autonomen Frauen- gruppen gearbeitet hatten, wurden mit dem Eintritt ins Berufsleben Gewerkschaftsmit- glieder. Sie trugen die Kritik und die Forderungen der Frauenbewegung in die Gewerk- schaften hinein. Das zeigte sich auch an den neuen Konzepten gewerkschaftlicher Bildungsarbeit. Seit Jahren wurde beklagt, dass sich die erwerbstätigen Frauen mehr ihren Verpflichtungen als Hausfrau und Mutter zuwandten als der gewerkschaftlichen Arbeit. Doch Schlussfol- gerungen wurden daraus nicht gezogen. Seit Mitte der 1970er Jahre gab es deutliche Ver- änderungen. So berichtet Claudia Pinl in ihrer Studie über das Arbeitnehmerpatriarchat in den Gewerkschaften: „Als die IG Metall Verwaltungsstelle Rosenheim im März 1976 zu einem einwöchigen Kurs für Betriebsräte und Vertrauensleute erstmals deren Kinder unter 6 Jahren mit einlud, erfuhren die üblichen gewerkschaftstechnischen Themen […] eine Ausweitung: Es wurde diskutiert über Partnerschaft, über die Situation berufstätiger Mütter, über Probleme von Erziehung und Autorität.“47 Auf immer mehr Seminaren wur- den die privaten Abhängigkeitsverhältnisse der Kolleginnen zur Sprache gebracht und die daraus resultierende Benachteiligung der Frauen wurde sichtbar. Mehr und mehr setzte sich durch, dass das Private ein wichtiges Thema in der gewerkschaftlichen Arbeit werden müsse.48 Mit der wirtschaftlichen Krise 1974/75 machten die Gewerkschafterinnen erneut die Erfahrung, dass Unternehmer und Politiker das Arbeitsplatzproblem zu Lasten der Frau- en regeln wollten. Doch statt wie bisher diese Entwicklung zu beklagen, um sie dann resi- gniert hinzunehmen, setzten sich die Frauen mit Streiks zur Wehr. Bei Pierburg in Neuss streikten Frauen zur Durchsetzung gleicher Bezahlung und sie erreichten, dass die unters- ten beiden Lohngruppen, die den Frauen vorbehalten waren, abgeschafft wurden.49 Erfolg hatten auch die Laborhelferinnen der Firma Photo Heinze. Sie führten von 1979 bis 1981 eine Klage um gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Dieser Kampf um Gleichstellung wurde von Solidaritätsaktionen begleitet, die Gisela Kessler, hauptamtliche Gewerkschafterin der IG Druck und Papier, organisiert hatte. 45.000 Unterschriften und Solidaritätsadressen gingen bei den Frauen ein.50 Aus Anlass der Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht in Kassel am 9. September 1981 fand zur gleichen Zeit eine Solidaritätskundgebung mit 6.000 TeilnehmerInnen statt. Die Heinze-Frauen gewannen ihren Prozess. Dieser Prozess und die Solidaritätsaktionen hatten Vorbildcharakter. Auch in anderen Gewerkschaften setzten die Kolleginnen durch, dass geschlechtsspezifische Ungerechtig- keiten und Diskriminierungen von Frauen im Arbeitsleben einen zentralen Platz in den gewerkschaftlichen Kämpfen einnahmen. Auch in die Debatte um den § 218 schalteten sich die Gewerkschafterinnen ein. Auf ihrer Frauenkonferenz 1970 erhoben die Kolleginnen der IG Metall die Forderung nach einer Reform des Abtreibungsrechts. 1971 forderte der ordentliche Gewerkschaftstag der IG Metall und 1972 der Bundeskongress des DGB die Fristenregelung. Als die Beratungen der Regierung über die Ausgestaltung der Reform begannen, griffen die IG Metallerinnen in die Debatte ein. Sie organisierten eine Unterschriftenkampagne, in der sich die Kolle- 1967–1979 281 ginnen und Kollegen zur Fristenregelung und damit zur Straffreiheit bei einer Abtreibung in den ersten drei Monaten bekannten. Anfang des Jahres 1974 überreichte Anke Fuchs als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IGM dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Bundestag Herbert Wehner 125.000 Unterschriften.51 Dieses neue gesellschaftliche Engagement und die Veränderungen im Auftreten der Gewerkschaften in der Frauenfrage trugen mit dazu bei, neue Frauen als Mitglieder zu ge- winnen. Tatsächlich stieg der Frauenanteil in den DGB-Gewerkschaften von 15,2 Prozent im Jahr 1969 auf 18,3 Prozent 1976. In absoluten Zahlen waren das mehr als 300.000 neue weibliche Mitglieder.52 Doch nicht nur quantitativ waren die 1970er Jahre ein Erfolg. Die Gewerkschafterinnen hatten ein neues Selbstbewusstsein entwickelt. Sie meldeten inner- gewerkschaftlich ihre frauenpolitischen Ansprüche an und traten mit eigenen Aktionen an die Öffentlichkeit.

Frauenarbeit in der neu konstituierten Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)

Eine wichtige Akteurin bei der Wiederbelebung des Frauentages war auch die Deutsche Kommunistische Partei (DKP). Seit Gründung der Kommunistischen Internationale 1920 gehörte der Internationale Frauentag zum Selbstverständnis der kommunistischen Bewe- gung. Die 1968 neu konstituierte Deutsche Kommunistische Partei begann bereits 1970 damit, Veranstaltungen zum 8. März zu organisieren. Die DKP-Gründung erfolgte zum Ende der Studentenbewegung. Die Partei wollte nicht nur ehemalige KPD-Mitglieder in einer legalen Organisation versammeln, sie ver- stand sich auch als Auffangbecken für Angehörige der außerparlamentarischen Oppo- sition.53 So trafen innerhalb der Partei zwei sehr unterschiedliche Gruppen aufeinander: einerseits ehemalige Mitglieder und vor allem die aktiven Parteikader der KPD, anderer- seits junge Leute von den Hochschulen und Universitäten sowie Jugendliche außerhalb des akademischen Umfeldes, die sich in den Schulprotesten und in der Lehrlingsbewe- gung engagiert hatten. Doch die politisch-ideologische Ausrichtung und der Politikstil der Partei wurden von den Männern und wenigen Frauen aus der ehemaligen KPD bestimmt. Der von dieser Gruppe festgelegte Rahmen wurde von den neuen Mitgliedern weitgehend hingenommen, obwohl diese mehrheitlich nicht aus der familiären Arbeiter- bewegungstradition kamen, ihre politischen Erfahrungen in kleinen spontanen Gruppen gesammelt hatten und in antiautoritären Wohngemeinschaften lebten. Sie sahen in der DKP eine politische Kraft, die grundlegende Kritik am Kapitalismus formulierte. Hier begegneten ihnen Menschen, die schon unter den Nazis Widerstand geleistet hatten. Für viele der jungen Mitglieder waren nach den eigenen antiautoritären Erfahrungen die disziplinierte Organisation und die klaren politischen Vorgaben Gründe, sich in der DKP zu organisieren.54 Das galt auch für die jungen Frauen, die sich der DKP anschlossen. Sie suchten eine Alternative und ein politisches Aktionsfeld zu den autonomen auf Frauenidentität bezoge- nen Gruppen.55 Viele junge Frauen traten in die Partei ein. Der Frauenanteil lag seit Mitte der 1970er Jahre bei 35 Prozent. Die DKP wies damit innerhalb des Parteienspektrums der BRD den größten Frauenanteil auf.56 Doch die neuen weiblichen Mitglieder spielten weder im äußeren Erscheinungsbild noch in der Funktionärsstruktur eine entscheidende Rolle. Denn gegen die männliche Vormachtstellung, gegen die ideologischen und politischen Re- 282 Neue Frauenbewegung und Internationaler Frauentag glementierungen formierte sich innerhalb der Partei kaum Widerstand. Stattdessen schu- fen sich die Kommunistinnen eine eigene parallele Struktur. Auf der obersten Leitungs- ebene sowie auf der Ebene der Bezirke wurden im „Arbeitskreis Frauenpolitik“ wichtige Akteurinnen der Frauenarbeit zusammengefasst. In den Arbeitskreisen diskutierten die Frauen programmatische Vorstellungen, bereiteten ihre politischen Projekte vor und ent- schieden über neue Aktionen. So entstand ein eigener Frauenbereich, der zwar innerhalb der Partei wenig Beachtung fand, doch für die Frauen und ihre Aktivitäten ein wichtiges Kommunikationsnetz darstellte. Denn während die Partei von den neuen sozialen Bewegungen von Anfang an „abge- hängt“ blieb57, hatten die einzelnen Kommunistinnen eine Vielzahl von Kontakten. Sie wirk- ten mit an den Projekten der Neuen Frauenbewegung, auch wenn sie dabei gelegentlich in Widerspruch zur Parteilinie gerieten. So beteiligten sie sich etwa an den Aktionen gegen den § 218 und forderten das Selbstbestimmungsrecht der Frau sowie die ersatzlose Streichung des § 218, während die Partei im Interesse ihrer Ideologie der „Herstellung einer Aktionsein- heit mit der SPD“58 lieber deren Reformprojekt der Fristenlösung unterstützte. Für viele Kommunistinnen wurde die Arbeit in den Gewerkschaften und in den gewerk- schaftlichen Frauenausschüssen wichtig. Dort wurden sie zu engagierten Befürworterin- nen eines Internationalen Frauentages.

Ein Wendepunkt: Das Internationale Jahr der Frau 1975

Die UNO-Vollversammlung hatte in einer einstimmig angenommenen Resolution das Jahr 1975 zum internationalen Jahr der Frau erklärt und unter das Motto „Gleichberechtigung, Entwicklung, Frieden“ gestellt.

Das Symbol für die UNO-Dekade der Frau bestand aus drei Zeichen für Gleichberechti- gung, Entwicklung und Frieden (Scholze, 2001, 242). 1967–1979 283

Die Organisation rief dazu auf, „die erforderlichen Aktionen für die Verbesserung der Stel- lung der Frau zu intensivieren“ und forderte von den Staaten, ein neues Kapitel in der internationalen Entwicklung zugunsten der praktischen Verwirklichung von Gleichberech- tigung einzuleiten.59 Diese Proklamation war ein deutliches Zeichen, dass Diskriminierung und Ausbeutung von Frauen als ein weltweites Problem wahrgenommen wurde – und dass die Frauen- bewegungen, die international das an Frauen begangene Unrecht anprangerten, zu einer wirksamen politischen Kraft geworden waren. Im Internationalen Jahr der Frau 1975 verliehen die Vereinten Nationen dem 8. März einen besonderen Stellenwert. Am Freitag, dem 7. März, fand im New Yorker Hauptquar- tier der Vereinten Nationen ein Symposium über das Geschlechterverhältnis in der Gesell- schaft unter dem Titel „Women and Men: the next 25 years“ statt. Außerdem nahm der UNO-Ausschuss zur Vorbereitung der Weltkonferenz in Mexiko, der Anfang März 1975 tagte, den 65. Internationalen Frauentag zum Anlass, offiziell das Programm des Interna- tionalen Jahres der Frau vor der Weltöffentlichkeit vorzustellen. 1977 wurde der 8. März in den UNO-Kalender der jährlich zu begehenden bedeutenden Tage aufgenommen.60 Dass der 8. März diese internationale Anerkennung und Aufwertung erfuhr, war vor allem das Ergebnis der politischen Arbeit der Internationalen Demokratischen Frauenföderation (IDFF). Diese wurde 1945 von Antifaschistinnen, Kommunistinnen und Friedensgruppen gegründet und ist im Verlauf der 30 Jahre ihres Bestehens zu einer bedeutenden Institu- tion geworden. Sie war der international agierende Dachverband der großen Frauenorga- nisationen der Sozialistischen Staatengemeinschaft. Ihren ständigen Sitz hatte die IDFF in Berlin/DDR. Seit Gründung der IDFF gehörte der Internationale Frauentag, der 8. März, als Agita- tions- und Festtag zum Programm der Frauenorganisation. Die IDFF hatte die Idee des Frauentages über ihre 120 angeschlossenen Mitgliedsorganisationen in vielen Ländern der Erde publik gemacht. So wurde die Festschreibung des 8. März in den UNO-Kalender auch zu einer Anerkennung für die IDFF. Doch in der Bundesrepublik war im Internationalen Jahr der Frau vom Frauentag nicht die Rede. Dort begann das UNO-Jahr der Frau mit einer Veranstaltung des Deutschen Frauenrates. Der Dachverband der Frauenorganisationen war von der Familienministerin, Katharina Focke, beauftragt worden, die Maßnahmen und Aktionen zum Frauenjahr zu koordinieren und zu fördern.61 Als zum Festakt am 9. Januar 1975 die offiziellen Gäste und die übrigen TeilnehmerIn- nen an der Bonner Beethovenhalle eintrafen, wurden sie am Eingang von einer Gruppe Bonner Frauen empfangen, die einen offenen Brief an die Bundestagspräsidentin Anne- marie Renger unter den Ankommenden verteilten. Unter dem Titel „Schöne Reden spren- gen unsere Fesseln nicht“ wiesen die Autorinnen des Briefes auf die wachsende Frau- enarbeitslosigkeit und die frauendiskriminierenden Leichtlohngruppen hin. Außerdem protestierten sie gegen die Zusammensetzung des Kuratoriums zum Jahr der Frau, das von Bundesministerin Dr. Katharina Focke einberufen worden war. Der Protest der Frauen richtete sich gegen die Berufung von Arbeitgeberpräsident Hans Martin Schleyer, einem engagierten Verteidiger der Lohndifferenz bei Frauenlöhnen sowie gegen die Berufung von Bischof Heinrich Tenhumberg, einem der Wortführer für das Verbot des Schwanger- schaftsabbruchs. Katharina Focke rechtfertigte ihre Entscheidung: „Ich habe diese Kritik nicht verstanden. Wenn wir nicht über die Benachteiligung der Frau lamentieren wollen – was uns bestimmt nicht weiterhilft –, müssen wir das Gespräch mit denjenigen suchen, die etwas bewegen können.“62 Solche Argumente überzeugten die Kritikerinnen nicht. Be- 284 Neue Frauenbewegung und Internationaler Frauentag sonders linke Frauengruppen kritisierten, dass die Bundesrepublik keine wirklich neuen Initiativen zum Jahr der Frau entwickelt hatte. „Feministinnen benannten das ‚Jahr der Frau‘ von Anfang an als Farce.“63 Auf dem inter- nationalen Feministinnenkongress im Dezember 1974 formulierten sie einen gemeinsamen Brief, den sie zu Jahresbeginn an den damaligen UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim schickten. Darin hieß es: „Wir lehnen das Motto des Jahres – Gleichberechtigung, Entwick- lung, Frieden – ab. Diese Ziele beinhalten eine Integration der Frauen in die bestehenden Machtverhältnisse. Nicht Frauen sind die Ursache für fehlende Gleichberechtigung, Entwick- lung, Frieden, sondern Männer.“64 Die radikalen Feministinnen sahen in der ganzen Aktion der UNO „den Versuch, den überbordenden Frauenunmut in faßbare Bahnen zu lenken.“65 Dagegen nutzten die Gewerkschaften die mediale Aufmerksamkeit für Frauenthemen. Für den DGB war der Appell des UNO-Jahres ein willkommener Anlass, um in der Öffent- lichkeit auf die konkreten Probleme der Arbeitnehmerinnen aufmerksam zu machen und entsprechende Forderungen zu erheben.

Die Frauen wurden aufgerufen, „sich ihrer Rechte be- wußt zu sein und für die Verwirklichung dieser Rechte aktiv zu werden“ (Rußland, 1985, 94).

Im Unterschied zum Jahr der Arbeitnehmerin blieb es 1975 nicht bei „bunt bedrucktem Papier.“66 Die Gewerkschafterinnen protestierten auch öffentlich gegen die Männermacht in der eigenen Organisation. Die Delegierten des DGB-Bundeskongresses, der im Mai 1975 in Hamburg tagte, wurden von demonstrierenden Kolleginnen empfangen – „eine Frauen- Demo vor der eigenen Haustür“. Die Frauen protestierten dagegen, dass sie auf diesem Kongress völlig ungenügend vertreten waren. Der Frauenanteil an den DGB-Mitgliedern betrug 17,3 Prozent und unter den 478 Delegierten in Hamburg waren nur 34 Frauen. Das entsprach einem Anteil von gerade einmal 7 Prozent.67 Diese Diskriminierung wollten die Frauen nicht länger hinnehmen. Das Präsidium des Kongresses sah sich genötigt, den Protestbrief der Frauen zu verlesen. 1967–1979 285

„Wir können diesen Kongreß nicht als die Vertretung der im DGB vereinigten Gewerk- schaftsmitglieder ansehen, da die mehr als eineinviertel Millionen Frauen im DGB hier absolut unterrepräsentiert sind. […] Wenn die Gewerkschaften sich weiterhin auf die loyale Mitarbeit der Frauen verlassen wollen, müssen von diesem Kongreß, an dem alle Gewerkschaften vertreten sind, die entsprechenden Impulse ausgehen und muß die Vertretung der Frauen in allen gewerkschaftlichen Bereichen erheblich besser als heute abgesichert werden. […] So wie jetzt darf es nicht bleiben. Dieser Kongreß – fast ohne Frauen – ist ein Symptom dafür, daß die Lage geändert werden muß.“68

Die Gewerkschaftsfrauen verlangten mehr Mandate in den wichtigsten gewerkschaftlichen Gremien und forderten mehr Einfluss auf die politischen Entscheidungen. Es begann – noch zögerlich – die Debatte über die Einführung einer Frauenquote. Diese Forderung nach einer zwingenden proportionalen Vertretung der Frauen auf allen Ebenen wurde zu einem wichtigen Thema der innergewerkschaftlichen Auseinandersetzungen in den folgenden Jahren.69

Internationale Frauentage in den 1970er Jahren

In der Bundesrepublik schien der Frauentag aus dem politischen Leben verschwunden. Dagegen hatte er weltweit seit den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts im- mer größere Verbreitung und Resonanz erfahren. In Ost- und Westeuropa war der 8. März fester Bestandteil des politischen Aktionskalenders sozialistischer und kommu- nistischer Frauenbewegungen. In den vom Kolonialismus befreiten Staaten schlossen sich die Frauen zusammen und demonstrierten für ihre Rechte und bessere Lebens- bedingungen, in Afrika, Asien und Lateinamerika war der 8. März ein Aktionstag für die Rechte der Frauen.70 Es zeigte sich, dass der Internationale Frauentag auch in der Bundesrepublik nicht völlig in Vergessenheit geraten war. In den 1970er Jahren tauchte er in unterschiedlichen Gruppen und politischen Zusammenhängen wieder auf. So war die Frankfurter Frau- engruppe „Frauenaktion 70“ am 8. März 1970 mit der Forderung nach der ersatzlosen Streichung des § 218 auf die Straße gegangen. „Mein Bauch gehört mir“ war eine ihrer zentralen Losungen, die sie auf ihrer ersten Demonstration auf Transparenten mit sich trugen. Sie hatten für diese Auftaktveranstaltung demonstrativ den 8. März gewählt. Sie wollten – wie sie betonten – an die Tradition der Frauentage der 1920er Jahre wieder anknüpfen.71 Auch an den Universitäten hatten Studentinnen im Rahmen ihrer Beschäftigung mit sozialistischer Theorie und Praxis den Internationalen Frauentag wiederentdeckt. Sie la- sen die Schriften der Sozialistinnen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und versuchten, die Idee des internationalen Kampfes für die Rechte der Frauen und für den gemeinsa- men Kampf gegen den Krieg wieder aufzugreifen. So hatte sich zum Beispiel in Bonn der Arbeitskreis Emanzipation mit einer Reihe linker Organisationen und Studentengruppen zusammengeschlossen, um gemeinsam im Jahr 1971 zum 61. Internationalen Frauen- tag aufzurufen. Die Initiatorinnen hofften, durch das breite Bündnis dem Internationalen Frauentag über die studentischen Kreise hinaus wieder politische Anerkennung zu ver- 286 Neue Frauenbewegung und Internationaler Frauentag schaffen. Auf dem Vortragsprogramm der Veranstaltung stand neben dem Bericht über eine Reise nach Nordvietnam und den Informationen zur Lage der Frau ein Referat über die Bedeutung des Internationalen Frauentages.72 Für die DKP gehörte der Internationale Frauentag von Anfang an zum politischen Programm. Von der Parteileitung wurde zunächst das aus den 1950er Jahren stam- mende Organisationskonzept fortgeschrieben. Frieden und Abrüstungsforderungen standen im Mittelpunkt. Doch im Unterschied zur KPD waren bei der DKP ebenso die Forderungen nach voller Gleichberechtigung der Frau im gesellschaftlichen Leben, nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit, nach Verbesserungen in der Berufsausbildung für Mädchen zentrale Themen auf den Veranstaltungen zum Frauentag. Neben den aktuellen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Forderungen erschienen in den Veröffentlichungen, insbesondere der DKP-Hochschulgruppen, auch die ideologischen Kernthesen, mit denen sich die DKP-Frauen gegenüber den autonomen Feministinnen abgrenzen wollten: „1. Der Kampf um Emanzipation ist nicht individuell und nicht bloß gegen die Männer zu führen. 2. Emanzipation der Frau ist untrennbar verbunden mit einer grundlegenden Demokratisierung der Gesellschaft.“73 Ende der 1970er Jahre nahmen die jungen Frauen in der DKP die Frauentage in eigene Regie und begannen sie umzugestalten. Statt langer Vorträge gab es Kabarett und neue Lieder, in denen sich die Kritik an den bestehenden Verhältnissen artikulierte. Darüber berichtete Marianne Konze, die damalige Verantwortliche für Frauenpolitik beim DKP- Parteivorstand, in einem Gespräch am 20. Juni 2009. Und es wurden neue Ideen für Stra- ßenaktionen entwickelt. So zogen zum Internationalen Frauentag 1979 am Samstag, dem 3. März, vierzehn Mädchen auf „Brautshow“ durch die Straßen Bremens.74

Aus der Bremer Rundschau vom März 1979: Die jungen Frauen stellten die Frage: Heirat – der letzte Ausweg? Sie machten damit auf die fehlenden Lehrstellen und die miserable Ausbildungssituation junger Frauen aufmerksam.

Unterwegs verteilten sie ihren Aufruf an junge Passantinnen: „Auf geht’s! Tu was für Deine Rechte! Mensch Mädchen! Mach mit bei uns!“ Die jungen Frauen warben zugleich für ihre neue Mädchengruppe, die im Umfeld der DKP entstanden war. 1967–1979 287

In dieser Zeit wuchs das Interesse am Internationalen Frauentag. In verschiedenen Or- ganisationen gab es Diskussionen, und neben der DKP organisierten auch andere Grup- pen Veranstaltungen zum 8. März. Im politischen Spektrum der Frauenbewegung war 1976 auch eine neue Initiative ent- standen. Die Demokratische Fraueninitiative (DFI) war aus einer Aktion im Jahr der Frau 1975 hervorgegangen und hatte sich 1976 als eigene Frauenorganisation gegründet. In- nerhalb kurzer Zeit war sie zu einer Bewegung angewachsen, die ein Jahr nach ihrer Grün- dung bereits Gruppen in fast dreißig Städten umfasste.75 Im April 1977 veranstaltete die DFI ihren ersten bundesweiten Kongress unter dem Motto „Für die Gleichberechtigung der Frau in einer humanen Gesellschaft“. In dem Arbeitskreis „Frau und Gesellschaft“ richtete eine Teilnehmerin aus Hildesheim eine Frage „an diese Versammlung: Da ist der Muttertag […] der heute immer noch gefeiert wird. Kann unsere Fraueninitiative es nicht durchset- zen, daß dieser abgeschafft, dafür aber der Internationale Frauentag gefeiert wird?“ Der Vorschlag war vom Plenum mit Beifall aufgenommen worden und wurde nach dem Kon- gress in den DFI-Gruppen weiter diskutiert.76 Die Gruppenvertreterinnen, die sich dann Ende Oktober 1977 trafen, nahmen sich vor, „den 8. März zu feiern“.77 Die DFI-Frauen nahmen die Tradition des Internationalen Frauentages auf und organisierten ab 1978 Ver- anstaltungen zum 8. März: Diese Frau mit der Friedenstaube77a lud zum Interna- tionalen Frauentag 1978 ein. Am 11. März veranstal- teten die Düsseldorfer DFI-Frauen ein Fest, zu dem sie die Frauen mit Familie, Freunden und Bekannten eingeladen hatten. Auf dem Flugblatt erläuterten die DFI-Frauen ihre politischen Positionen. Doch die Ver- anstaltung am 11. März sollte ein internationales Fest werden ohne lange Referate. „Chilenische, griechische, türkische und deutsche Folkloregruppen singen Frau- en-, Volks- und politische Lieder und tanzen die Tänze ihrer Heimat.“ Ein buntes Kulturprogramm und inter- nationale Gerichte standen im Mittelpunkt. Politische Informationen lieferten die Informationsstände der teil- nehmenden Gruppen. Neben politischen Agitationsveranstaltungen wur- den diese Art von Frauenfesten an den Frauentagen immer beliebter. Auch die Teilnahme von ausländi- schen Frauen, die Auftritte der Kulturgruppen der Migrantinnen wurden zum festen Bestandteil des poli- tischen Programms. Ebenso wurden die Essensstände mit ausländischen Gerichten regel- mäßig eingeplant. Seit dem Internationalen Jahr der Frau und der Aufnahme des Frauentages in den UNO-Kalender hatte der 8. März als Aktionstag eine neue politische Bedeutung erhalten. Das war auch für die Sozialistische Fraueninternationale 1978 in Vancouver Kanada ein wichtiger Grund für ihren Beschluss, „den Internationalen Frauentag weltweit wieder als Kampftag für Frauenrechte und Frieden zu begehen“.78 Die ASF übernahm diesen Be- schluss und forderte von ihrer Bundeskonferenz 1979 aus den Parteivorstand auf, künftig wieder den Internationalen Frauentag durchzuführen. Doch erst nach 1981 gelang es der neuen Vorsitzenden beim SPD-Parteivorstand durchzusetzen, dass der Frauentag wieder begangen wurde. 288 Neue Frauenbewegung und Internationaler Frauentag

Feministinnen verfolgten interessiert die neue Initiative. Sie begleiteten mit kritischen Stellungnahmen die Veranstaltungen zum Frauentag. Die Frauenzeitung Courage erklärte zum Thema 8. März 1977: „Nichts gegen einen Feiertag, auch nichts gegen einen Frauentag. Nur muß er auch von denen, die gefeiert werden, bestimmt und gestaltet werden.“79 Und sie zeigten an Beispielen aus der Geschichte des Frauentages, wie sozialdemokratische Par- teiführer auf die Inhalte und politischen Forderungen der Frauentage Einfluss genommen hatten. Außerdem sahen die Feministinnen in dem festgelegten Datum eine Verordnung von oben, die den Frauen das Recht auf selbstbestimmte Feste und politische Aktionen bestritt. Und es blieb nicht bei theoretischen Debatten. In Bremen nahm eine Frau in einem Bericht in der Frauenzeitung Gesche80 das Frauenfest der DKP am 9. März 1979 unter die Lupe:

Die Autorin schilderte, dass dies ein Fest mit „Hofbräuhausatmosphäre“ gewesen sei. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen – vor allem Männer – hätten das Programm nur konsu- miert, denn das Publikum sei „nicht einbezogen“ worden. Die Lage der Arbeiterinnen in der BRD sei Hauptgegenstand der Veranstaltung gewesen. „Der § 218, Vergewaltigungen, Frauen in der Psychiatrie … Probleme, mit denen Frauen in dieser Männerwelt ständig konfrontiert werden, blieben unangetastet.“ Auch die Infostände hätten nur der Selbstdar- stellung der DFI und der neuen Mädchengruppe gedient. Die Kritikerin fasste ihre nicht erfüllten Erwartungen mit den Worten zusammen: „Ein Frauenfest bedeutet für mich […] EIN FEST MIT FRAUEN FÜR FRAUEN und viele differenzierte Informationen aus der Frauenbewegung!!!“81 1967–1979 289

Für die DKP dagegen war es „ein tolles Fest“, so der Titel des Berichtes in der Partei- zeitung. Die Partei sah in der Anzahl von 1.600 Besucher, die zum Fest gekommen waren, eine Bestätigung der Attraktivität der Veranstaltung. Und nach Auffassung der Bremer Rundschau, der Parteizeitung der DKP, habe das Programm „eine gelungene Mischung aus Musik, Tanz und Information“ geboten.82 Die beiden Berichte zeigen die Unterschiede in der politischen und der Festkultur der autonomen Frauenbewegung und der Frauenarbeit in der DKP. Ein grundlegender Unter- schied bestand vor allem darin, dass die autonomen Frauen jegliche Zusammenarbeit mit Männern ablehnten und prinzipiell Männer von ihren Frauenfesten ausschlossen, die DKP-Frauen darin aber kein Problem sahen. Das blieb auch ein Konfliktstoff bei den kom- menden Internationalen Frauentagen. Für die zukünftige Ausbreitung und Entwicklung des Internationalen Frauentages wur- den die Gewerkschafterinnen zu den wichtigsten Akteurinnen. Innerhalb der Gewerkschaf- ten hatten viele Frauen durch die Erfahrungen mit Frauenstreiks und Protestaktionen neues Selbstbewusstsein gewonnen und waren jetzt auf der Suche nach neuen Formen, um Frauen zu mobilisieren. Ursula Ibler, Vorstandsmitglied der IG Metall von 1977 bis 1983, beschrieb in ihrem Erinnerungsbericht, wie sich diese Suche gestaltete: „Ich weiß noch, daß ich mit Rita Rußland in meinem Büro saß, das war im November 1978. […] Wir überlegten, wie wir die Menschen – die Frauen – aufrütteln könnten. […] In diesem Gespräch schlug Rita Rußland vor, den Internationalen Frauentag neu zu beleben. Sie kannte ihn aus ihrer Bremer Zeit. Ihre Großmutter ging mit ihr immer zu Veranstaltungen des Internationalen Frauentages.“83 Auch in anderen Gewerkschaften gab es ähnliche Gespräche. Einige lokale Frauen- ausschüsse begannen Ende der 1970er Jahre Versammlungen zum Frauentag zu orga- nisieren. Zunächst waren es einzelne Gruppen. Doch 1979 fanden Veranstaltungen in München in Nürnberg, Frankfurt/Main und Bamberg statt. Die IG Metall-Zeitung Mittei- lungen für Frauen brachte einen dreispaltigen Artikel zum 8. März. Darin schrieb Käthe Schlechter – eine damals bereits pensionierte Redakteurin der Welt der Arbeit – über die Gründe, die die Sozialistinnen 1910 veranlasst hatten, den Frauentag ins Leben zu ru- fen. Die damaligen Forderungen, betonte Käthe Schlechter, seien auch heute noch nicht alle erfüllt. „Im Gegenteil, durch verstärkte Industrialisierung und neue Techniken […] sind neue Probleme entstanden, die neue Diskriminierungen der Frauen hervorgerufen haben. Der gewerkschaftliche Kampf um die Durchsetzung der Gleichberechtigung ist daher noch lange nicht beendet.“84 Unter den Artikel druckte die Redaktion den Hinweis: „Einzelne Gewerkschaften und DGB-Kreise werden aus Anlass des Internationalen Frau- entages Kundgebungen veranstalten. Bitte beteiligt Euch alle daran!“ Für die Märzausgabe der DGB-Zeitung Der Gewerkschafter verfasste Karin Roth von der IG Metall-Vorstandsverwaltung, Abteilung Frauen, einen Artikel unter dem Titel „Der 8. März, ein vergessener Tag“. Sie forderte darin mit Nachdruck:

„Die Gleichberechtigung der Frau geht alle an. Das bedeutet, sich wieder auf den 8. März zu besinnen und an den gewerkschaftlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Nur wenn wir aus der Geschichte lernen, wird gewerkschaftliche Politik möglich, die gesellschaftliche Veränderung vorantreibt.“85

Karin Roth nahm zu der grundsätzlichen Bedeutung des Tages Stellung. Der Internatio- nale Frauentag verweise auf die gesellschaftlichen Ursachen der Frauenunterdrückung. Er verbinde den Kampf um Reformen zur „Beseitigung der Mißstände“ im hier und jetzt mit dem Kampf um die grundlegende „gesellschaftliche Veränderung“. 290 Neue Frauenbewegung und Internationaler Frauentag

Der Tenor der beiden Artikel war eindeutig: Die Gewerkschafterinnen wurden aufge- rufen, sich ihrer eigenen Geschichte zu erinnern und die Tradition des Internationalen Frauentages wieder mit Leben zu erfüllen. Und die Frauen ergriffen die Initiative. Ihre Veranstaltungen am 8. März 1979 hatten Signalwirkung für weitere Aktionen. Auf der 10. DGB-Bundes-Frauenkonferenz im Juni 1979 wurde die generelle Durchführung des Internationalen Frauentages offiziell beschlossen. Die Abteilung Frauen des DGB rief da- raufhin zum Internationalen Frauentag 1980 die Gewerkschaftsfrauen auf, am 8. März frauenpolitische Forderungen in die Öffentlichkeit zu tragen.86 Den Gewerkschaftsfunktionärinnen war bewusst, dass die Übernahme des Frauenta- ges in die eigene Regie beim DGB auf Widerstand stoßen würde. Der Internationale Frau- entag war in der Vorstellung der Gewerkschaftsführung eine Parteitradition der beiden Arbeiterparteien und das Datum 8. März ein Produkt der Kommunistischen Internationa- le. Angesichts des auch 1979 noch herrschenden Antikommunismus waren das gewichtige Argumente gegen die Durchführung von Frauentagen durch die Gewerkschaften. Es stand zu befürchten, dass sich die Männer zusammenschließen würden, um das ganze Projekt als feministischen Separatismus abzulehnen. Über die Auseinandersetzungen in den Ge- werkschaften und den Sieg der Frauen wird im folgenden Kapitel berichtet.

Zwischenbilanz

Der Internationale Frauentag war in der Bundesrepublik bis 1966 ein Agitations- und Festtag der Arbeiterparteien. Die Frauenorganisationen der Sozialdemokratie und der Kommunisten organisierten die Kundgebungen und politischen Aktionen. Die Gewerk- schafterinnen nahmen als Gäste an den Veranstaltungen teil, hatten aber auf die Ausrich- tung und Gestaltung keinen Einfluss. In der Periode der gesellschaftlichen Umbrüche der 1970er Jahre, in der die Neue Frauenbewegung entstand, war der Internationale Frauentag aus dem politischen Aktionskalender fast verschwunden. Doch in dieser Zeit vollzog sich ein tief greifender Wandel in den Einstellungen, dem Bewusstsein und der Haltung vieler Frauen. In den Diskussionen um politische Aktions- formen, die den Forderungen der Frauen Nachdruck verleihen konnten, wurde die Idee des Internationalen Frauentages neu belebt. Die Neue Frauenbewegung trug wesentlich dazu bei, dass innerhalb der Gewerkschaf- ten eine Bewegung von Frauen entstand, die darauf beharrte, die besonderen Belange von Frauen in eigenen Aktionen und eigenen Foren vorzutragen. Und die ein neues Projekt innerhalb der Organisation propagierten und vom Vorstand forderten, dass der Internatio- nale Frauentag in Zukunft als gewerkschaftlicher Tag zur Mobilisierung der Arbeitnehme- rinnen durchgeführt werden sollte. Außerdem erhielt der Internationale Frauentag im Jahr 1975 neues politisches Ansehen durch die Maßnahmen der Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Frau und mit der im Jahr 1977 erfolgten Aufnahme des 8. März in den UNO-Kalender. Damit wurde ein Projekt der Arbeiterbewegung und der sozialistischen Frauenbewegung zu einem Ak- tionstag aller Frauen, ihnen war der Tag gewidmet. Er sollte an ihre Kämpfe, Erfolge und Niederlagen erinnern. Die Frauen waren aufgerufen, sich überall auf der Welt am 8. März zu versammeln und gemeinsam ihre Forderungen und Proteste öffentlich vorzutragen. Auch in der Bundesrepublik führten Frauengruppen und Initiativen wieder Veranstal- tungen zum Internationalen Frauentag durch. Nachdem die Sozialistische Fraueninter- 1967–1979 291 nationale 1978 beschlossen hatte, den Internationalen Frauentag wieder herauszustel- len, forderte die ASF-Bundeskonferenz im Mai 1979 den SPD-Parteivorstand auf, künftig wieder Internationale Frauentage durchzuführen. Doch erst nach weiteren Protesten organisierte die ASF ab 1982 erneut politische Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag. Die DKP hatte traditionsgemäß seit Beginn der 1970er Jahre am 8. März Veranstaltun- gen durchgeführt. Doch schon bald übernahm eine neue Frauengeneration die Organi- sation des 8. März als ihren Bereich. Die Vortragsabende mit musikalischer Umrahmung verschwanden. Stattdessen entwickelten die Frauen ein eigenes Politikprogramm mit Kabarett und Politsongs. Seit 1977 organisierten die neu entstandenen DFI-Gruppen zusammen mit anderen Akteurinnen wie der DKP, aber auch mit Frauen der autonomen Szene, wieder Veranstaltungen zum Frauentag. Es waren häufig Kulturfeste mit Informa- tionsständen, kurzen Reden und Beitragen ausländischer Kulturgruppen. Gleichzeitig gab es Straßenaktionen, die auf politische Probleme von Frauen aufmerksam machten. Die neuen Formen der Politikgestaltung hatte die Neue Frauenbewegung entwickelt und Frauen anderer Organisationen entdeckten schnell, dass dieser Politikstil ihnen näher lag als die traditionellen Männerversammlungen. So übernahmen auch die DFI-Frauen und später die Gewerkschafterinnen diese Ideen der Neuen Frauenbewegung. Die auto- nome Bewegung begleitete diese neue Initiative des Internationalen Frauentages mit kri- tischen Kommentaren und zunächst überwog die Ablehnung gegenüber einer Frauenpoli- tik, die mit Männern zusammenarbeitete.

Anmerkungen

1 Schulz, 2002, 35–36. 2 Frevert, 1984, 261. 3 Wolfrum, 2007, 244. 4 Aus der Regierungserklärung Willy Brandts vom 4. Oktober 1969. Beyme, 1979, 272. 5 Vgl. dazu die Rede, die Helke Sander auf dem SDS-Kongress 1968 gehalten hat und in der sie diese privaten Ausbeutungsverhältnisse anprangerte. Anders, 1988, 39–47. 6 Schenk, 1988, 85. 7 Doormann, 1979, 23–24. 8 Aus der Rede von Helge Sander, in: Anders, 1988, 40, 39. 9 Doormann. 1979, 24. 10 So der Titel des Buches von Ute Gerhard, 1990, Unerhört, Die Geschichte der deutschen Frau- enbewegung. 11 Ursula Kerstein zit. in: Schmitter, 1998, 70. 12 Romina Schmitter hat in ihrer Dokumentation „Zur Neuen Frauenbewegung in Bremen“, 1998, diese Entstehungsgeschichte und Entwicklung des Bremer Weiberrates detailliert dargestellt. Sie zitiert dort auch die Berichte der Frauen über die erste Zusammenkunft und das Gespräch mit Helke Sander und Marianne Herzog. Schmitter, 1998, 72–99, hier 73. 13 Schmitter, 1998, 73. 14 Schmitter, 1998, 16–17. 15 Vgl. Schmitter, 1998, 77–89. 16 Schmitter, 1998, 77. 17 Vgl. Schwarzer, Ein unerhörtes Selbstbekenntnis, in: Die Zeit vom 23. April 2009. 18 Anders, 1988, 19. 292 Neue Frauenbewegung und Internationaler Frauentag

19 Krieger, 1988, 31. 20 Frauenjahrbuch 1975, 41. 21 Schenk, 1983, 87. 22 Vgl. dazu Protokoll zum Plenum der Bundesfrauenkonferenz am 12. März 1972 in Frankfurt/ Main, in: Lenz, 2008, 87–95. 23 Vgl. Lenz, 2008, 89–91. 24 Vgl. Lenz, 2008, 87. 25 Menschik, 1972, 80. 26 Frauenjahrbuch 1976, 68. 27 Vgl. Wegehaupt-Schneider, 1988, Das Private ist politisch, Selbsterfahrungsgruppen, 17–18. 28 Schenk, 191983, 88. 29 Lenz, 2009, 115–116. 30 Lenz, 2009, 115. 31 Lenz, 2009, 13. 32 Pausch, 1985, 145. 33 Vgl. Pausch, 1985, 149–150. 34 Wolfgang Pausch hat 1985 in seiner Dissertation „Die Entwicklung der Sozialdemokratischen Frauenorganisationen“ die Entstehung und Entwicklung der Arbeitsgemeinschaft der Sozial- demokratischen Frauen (ASF) erforscht. Diese Studie bildet die Grundlage für die Darstellung in diesem Abschnitt. 35 Pausch, 1985, 151. 36 Pausch, 1985, 155. 37 Vgl. Miller, 1978, 562. 38 Auszug aus den „Grundsätzen für die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaften in der SPD“, zit. in: Pausch, 1985, 156. 39 Pausch, 1985, 172–174. 40 Vgl. Pausch, 1985, 215. 41 Bericht des ASF-Landesvorstandes, 1978/1979. AdsD/FES, LO Bremen II, Box 192. 42 Aus dem Protokoll des ASF-Bundesvorstandes vom 17. April 1979, zit. in: Pausch, 1985, 216. 43 Pausch, 1985, 216 und 217. 44 Vgl. Pausch, 1985, 229. 45 Vgl. Maltry, 1993, 92–93. 46 Pinl, 1977, 132. 47 Pinl, 1977, 110. 48 Vgl. Pinl, 1977, 116–117. 49 Vgl. Pinl, 1977, 122–123. 50 Vgl. Doberthien, 1988, 78. 51 Vgl. Rußland, 1985, 90. 52 Pinl, 1977, 88. 53 Vgl. Heimann, 1983, 903–904. 54 Vgl. Fülberth, 1990, 139–140. 55 Darauf wies vor allem Marianne Konze, die Leiterin des Arbeitskreises Frauenpolitik beim Parteivorstand der DKP, in ihrem Interview vom 20. Juni 2009 hin. 56 Vgl. Institut für Marxistische Studien und Forschungen (IMSF), 1978, 9. 57 Vgl. Fülberth, 1990, 146. 58 Vgl. Fülberth, 1990, 122. 59 Vgl. Freda Brown, 1975, Einheit, Zusammenarbeit, Aktion, Bericht über die Vorbereitungsak- tionen zum Weltkongress der IDFF im Oktober 1975 in Ost Berlin, in: Frauen der ganzen Welt, Zeitschrift der IDFF, Sondernummer, 1975, 8. 1967–1979 293

60 Scholze, 2001, 129. 61 „Gleichberechtigung – Entwicklung – Frieden“, In Bonn wurde das Internationale Jahr der Frau eröffnet, Deutsche Volkszeitung vom 16. Januar 1975. 62 Bulletin der Bundesregierung vom 9. Januar 1975, 19. 63 Schwarzer, 1981, 61. 64 Anders, 1988, 31. 65 Schwarzer, 1981, 61. 66 Pinl, 1977, 132. 67 Rußland, 1985, 95. 68 Rußland, 1985, 95–96. 69 Vgl. Pinl, 1977, 91–94. 70 Einen Überblick über die internationalen Aktivitäten gibt Siegfried Scholze in: Der Internatio- nale Frauentag einst und heute, 2001, 116–121. 71 Vgl. Anders, 1988, 17. 72 Vgl. Hervé, 1981, 255. 73 Kommunist, DKP-Hochschulgruppe Bremen, März 1976. Universität Bremen, Zentrales Archiv, 7/P-Nr. 2182. 74 Bremer Rundschau vom März 1979, STAB. 75 Vgl. Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 8, August 1977, 909. AdsD/FES, Zass III, Bevölkerung, Frauen, Box 1762. 76 DFI, (Hrsg.) 1977, Kongress, Dokumentation, Für die Gleichberechtigung der Frau in einer hu- manen Gesellschaft, Oberhausen 16. April 1977, Protokoll Arbeitskreis, Frau und Gesellschaft, 7–8 und 22–23, addf, Sammlung Böller. 77 Rundbrief DFI vom Januar 1978, Privatarchiv Florence Hervé. 77a. Flugblatt, DFI-Veranstaltung in Düsseldorf, addf, Sammlung Nödinger. 78 Bundesvorstand ASF, 1996, 24. 79 Courage, H. 2/1977, FES/Online; http://library.fes.de/Courage. 80 Solche lokalen Zeitungen, die oft über einige Ausgaben nicht hinauskamen, waren ein wichti- ges Medium der Frauenbewegung, um sich untereinander zu verständigen. 81 Ein Fest für Männer, Gesche, April/Mai 1979, Bremer Frauenarchiv und Dokumentations- zentrum belladonna, Neue Frauenbewegung ab 1968. 82 Bremer Rundschau, März 1979, STAB. 83 Vgl. Rußland, 1985, 102. 84 Informationen für Frauen Nr. 1/79, 14–15. 85 Der Gewerkschafter 3/1979, zit. in: Wurms, 1980, 128. 86 Vgl. Ministerin für Gleichstellung, NRW, 1993, 31. 10.

Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage 1980 bis 1989 296 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage

Der Internationale Frauentag wurde auch in Bremen in den 1980er Jahren zu einem zen- tralen politischen Ereignis. Es waren die Gewerkschaftsfrauen, die den Tag für sich ent- deckten und ab 1983 Demonstrationen, Kundgebungen und Frauenfeste organisierten. In diesem Kapitel werden die einzelnen Frauentage vorgestellt, wobei die konzeptionellen Wandlungsprozesse des Frauentages im Mittelpunkt stehen. Dass der Internationale Frauentag sich politisch durchsetzen und zu einem anerkann- ten Aktionstag für Frauenrechte werden konnte, daran hatten die verschiedenen Akteu- rinnen der Frauenbewegung wesentlichen Anteil. Dazu gehörten die autonomen Gruppen und die Frauenprojekte genauso wie die traditionellen Frauenorganisationen der Parteien und wenig später auch die Frauenbeauftragten als neue Institution. In Bremen hatte sich seit der Gründung des Weiberrates 1969 eine eigene autonome Frauenbewegung entwickelt. Zu Beginn der 1980er Jahre gab es eine ganze Reihe von Frauengruppen und Initiativen, die zu unterschiedlichen Themen forschten, diskutierten und Aktivitäten planten.1 Ein zentraler Treffpunkt war seit 1977 das Frauenzentrum. Im Rückblick – mehr als zehn Jahre später – charakterisierten Frauen die ersten Jahre im Zentrum mit den Begriffen „Schubladendenken“ und „Aufbruchstimmung“: Einerseits hät- ten die Frauen viele Ideen gehabt, es seien neue Gruppen entstanden, andererseits habe es ermüdende Debatten mit den Frauen vom Kommunistischen Bund gegeben, „die die Zentrumsfrauen auf die ‚richtige‘ politische Linie bringen wollten“ und die Diskussionen zwischen den „Lesben und den Hetero-Frauen“ seien „ähnlich frontal geführt“ worden.2 Trotzdem blieb das Frauenzentrum ein wichtiger Anlaufpunkt für die Frauen. Schon seit 1977 gab es das „Autonome Bremer Frauenhaus – Frauen helfen Frauen e.V.“ und 1980 gründete sich der „Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen“. Im Laufe der 1980er Jahren entstanden noch weitere Frauenprojekte: 1983 das „Frauenkulturhaus“, das für viele Jahre zum kulturellen Mittelpunkt der Bremer Frauenbewegung wurde, 1988 „belladonna“, das Kultur-, Kommunikations- und Bildungszentrum für Frauen und 1989 am 8. März stellte sich das neu gegründete „Frauenstadthaus“ vor. Bis zum „Ende der 80er Jahre gab es mindestens 15 Projekte, zu denen 1982 noch die jährliche ‚Bremer Frauen- woche in der Universität‘“ hinzugekommen war.3 Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) hatte bereits 1975 Ideen der Neuen Frauenbewegung aufgegriffen. So rief sie zum Beispiel im Internationalen Jahr der Frau das „Schafferinnenmahl“ ins Leben. Die Sozialdemokratinnen hatten bis dahin vergeblich gefordert, auf der Gästeliste des exklusiv mit Männern aus Wirtschaft, Politik und Kultur besetzten Bremer „Schaffermahls“ berücksichtigt zu werden. Nachdem alle Eingaben vergeblich gewesen waren, organisierten die Frauen eine Protestveranstaltung. Zu dem Schafferinnenmahl werden seitdem jedes Jahr im Herbst etwa 100 Frauen eingela- den sowie ein weiblicher Ehrengast, der einen Vortrag zu einem frauenpolitischen Thema hält.4 Damit hatte die ASF eine in der Bundesrepublik einmalige Institution geschaffen. 1978 stieß die ASF eine neue Debatte um die Gleichstellungspolitik an. Dazu stellte sie auf dem Landesparteitag den Antrag: „Beim Präsidenten des Senats der Freien Hanse- stadt Bremen wird eine Gleichstellungsstelle eingerichtet.“5 Mit dieser Initiative konnten sich die Sozialdemokratinnen politisch durchsetzen. Im Juli 1980 brachte die SPD-Frak- tion einen Gesetzentwurf zur Einrichtung einer „Bremischen Zentralstelle für die Verwirk- lichung der Gleichberechtigung der Frau“ in der Bürgerschaft ein.6 Es dauerte dann noch einmal zwei Jahre, doch 1982 wurde Ursula Kerstein die erste Landesbeauftragte für die Gleichberechtigung der Frauen in Bremen. Die DKP-Frauen in Bremen hatten bereits in den 1970er Jahren – wie im vorigen Ka- pitel dargestellt – die Tradition des Internationalen Frauentages fortgesetzt. Auch 1980 1980 bis 1989 297 unterzeichneten sie den Aufruf der Demokratischen Fraueninitiative (DFI) zum Frauentag und beteiligten sich an der Demonstration zum 8. März. Als in den folgenden Jahren die DGB-Frauen den 8. März organisierten, riefen sie zur Beteiligung an den Gewerkschafts- aktionen auf und verlegten ihre eigene Versammlung auf einen späteren Termin. Während sich die Frauenbewegung in den 1980er Jahren in Bremen weiter verbreitete, sie neue Projekte gründete und die institutionelle Frauenarbeit in Parteien und Gewerk- schaften intensiviert wurde, verschlechterten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingun- gen und mit der Wende zur CDU/CSU-FDP-Regierungskoalition in Bonn wurde auch in der Frauenpolitik 1982 eine Wende eingeleitet. Bereits unter der sozialliberalen Regierung hatte ein rigider Sparkurs begonnen, der unter der neuen konservativen Bundesregierung verstärkt fortgesetzt wurde. Gekürzt wurde beim Arbeitsförderungsprogramm für Frauen, in der beruflichen Bildung und beim Arbeitslosengeld. Auch das Mutterschaftsgeld für berufstätige Frauen wurde nicht verschont.7 Die Arbeitslosigkeit blieb über all die Jahre hinweg auf einem anhaltend hohen Niveau von über 2 Millionen.8 Frauen waren davon besonders betroffen. In Bremen verloren immer mehr Frauen ihren Arbeitsplatz. In der Zeit von 1980 bis 1982 stieg die Zahl der arbeitslosen Frauen um 4.000 auf 12.442 an.9 Gleichzeitig waren immer mehr Frauen erwerbstätig, allerdings mehrheitlich in Teilzeit- jobs. Im Jahr 1981 „war nahezu jede dritte bremische Arbeitnehmerin teilzeitbeschäftigt“.10 Das bedeutete, dass die Frauenarbeit ein Zuverdienst blieb und Altersarmut vorprogram- miert war. Währenddessen förderte die neoliberale Wirtschaftspolitik der Bundesregierung die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und erleichterte die Befristung von Arbeitsverträgen und den Ausbau von Teilzeitarbeit.11 Von den konservativen FamilienpolitikerInnen wur- den diese Maßnahmen mit der Begründung befürwortet, dass damit ein wesentlicher Bei- trag zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie geleistet werde.12 Die neue konser- vative Frauenpolitik bestritt den Frauen nicht mehr das Recht auf Erwerbsarbeit, sondern förderte ihren flexiblen Einsatz – je nach den Anforderungen der Unternehmen oder der Familie. Gegen diese Zumutungen von Politik und Wirtschaft, gegen Sozialabbau, Arbeitslosig- keit und Beschäftigungspolitik der Bundesregierung mit ihrem Flexibilisierungskonzept richteten sich die Proteste an den Frauentagen. Gefordert wurden stattdessen Verkürzung der Arbeitszeiten und ein Existenz sicherndes Einkommen. Die Frauenfriedensbewegung organisierte am 8. März Unterschriftenaktionen gegen Pläne zur Einbeziehung von Frau- en in die Bundeswehr. Und die KundgebungsteilnehmerInnen solidarisierten sich mit den ausländischen Frauen, die ein eigenständiges Aufenthaltsrecht unabhängig vom Ehemann forderten. Aber nicht nur die Gewerkschaftsfrauen setzten sich gegen die Kürzungsmaßnahmen und die konservative Wende in der Frauenpolitik zur Wehr. 1984 schlossen sich Frauen- projekte, politische Fraueninitiativen, Frauengruppen und -organisationen zu einem bun- desweiten Aktionsbündnis zusammen. Wenig später entstand ein solches Bündnis auch in Bremen. Auch die Gewerkschafterinnen schlossen sich der „Bremer Frauenrunde“ an und beteiligten sich an den Unternehmungen der Frauenrunde zum „Muttertag anders“. Die gemeinsamen Erfahrungen in der politischen Arbeit trugen wesentlich dazu bei, dass die Frauen übereinkamen, ab dem Jahr 1986 den Internationalen Frauentag zusam- men zu gestalten. Der gewerkschaftliche Frauentag entwickelte sich zum Aktionstag der Frauenbewegung in Bremen. Und es war nicht nur ein Bündnis entstanden, das gemeinsa- me Aufrufe und Forderungen formulierte – die Frauen entwickelten in der Folge ein neues Konzept für die Gestaltung des Frauentages. 298 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage 8. März 1980 in Bremen

Zum Internationalen Frauentag 1980 hatte die Demokratische Fraueninitiative (DFI) Bre- men über zwanzig Gruppen und zahlreiche persönliche Unterzeichnerinnen zu einem Bünd- nis zusammengeführt. Unter dem Motto „Frauen fordern ihre Rechte“ riefen die Unterzeich- nerinnen zur gemeinsamen Frauendemonstration auf. Der Protest richtete sich gegen die 1980 bis 1989 299 vielfältigen Benachteiligungen von Frauen in Beruf und Familie, in der Ausbildung und im öffentlichen Leben. Doch der Aufruf war zugleich Teil einer bundesweiten Kampagne an- lässlich der Bundestagswahl 1980, die sich gegen Franz Josef Strauß als Kandidaten für das Bundeskanzleramt richtete. Es wurde ein Flugblatt mit den Forderungen und dem Aufruf zur Demonstration in der Stadt verteilt.13 300 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage

Dieses Flugblatt war in Stil und Inhalt typisch für das selbst gestaltete Infomaterial der Frauenbewegung. Texte und Bilder des Flugblattes sollten Frauen unmittelbar anspre- chen. Statt langer politischer Erklärungen hatten die Gestalterinnen eine Schar Frau- en am unteren Bildrand aufgereiht und die politischen Aussagen und Forderungen in Sprechblasen über die Doppelseite verteilt. So entstand der Eindruck, dass die Frauen ihre Forderungen jeweils persönlich mitteilten: „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ und „Mittelstreckenraketen und Neutronenbombe – weg damit“; „Volle Subventionierung des Frauenhauses“ und „Schluss mit der Frauenarbeitslosigkeit“. Die Frauen wandten sich gegen die Diskriminierung von Ausländerinnen und die Diffamierung von Lesben. Auch die lokalen Initiativen formulierten ihre Ansprüche, sie stritten für den Ausbau und Erhalt von Pro Familia genauso wie für ein zweites autonomes Frauenhaus und die Finanzie- rung von „Babygruppen“. Die Forderungen waren ohne Rangordnung auf der Bildfläche angeordnet. Mit dieser graphischen Gestaltung gelang es, die politischen Aussagen ins Blickfeld zu rücken. Die Frauenversammlung auf dem Bild bestand übrigens aus Figuren der Karikaturistin Marie Marks, die die Frauenbewegung mit ihren Zeichnungen bis heute begleitet. Zwischen die Karikaturen waren Fotos von Frauen wie Rosa Luxemburg und der Kommunardin Louise Michel eingefügt. Die historischen Vorbilder wurden damit in den Zug der Frauen im Jahr 1980 eingereiht. Und quer zu dem friedlichen Miteinander der Frauen marschierte mit erhobenem Regenschirm Clara Zetkin unter einem Transparent mit der Aufschrift: „Frauen heraus – gegen Strauss!“ Es war ein Protestmarsch, der die Bremerinnen dazu aufrief, die Kampagne gegen die Kanzlerkandidatur von Franz Josef Strauß zu unterstützen. Die DFI-Frauen waren mit dem Ergebnis der Frauentagaktionen zufrieden. Es hatten sich etwa 1.000 Frauen an der Demonstration beteiligt und zum Frauenfest in der Uni- Mensa waren nicht nur Studentinnen, sondern auch Professorinnen und Dozentinnen gekommen.14

Eine innergewerkschaftliche Kontroverse um den Frauentag – 1980 bis 1982

Ein Beschluss und seine Folgen – 1980/1981

Die Gewerkschafterinnen in Bremen hatten 1980 gerade begonnen, sich mit dem Inter- nationalen Frauentag zu beschäftigen, als beim DGB-Kreisvorstand der Beschluss des Bundesvorstandes eintraf, die Kreisvorstände sollten Aktionen zum Internationalen Frau- entag unterbinden.15 1980 bis 1989 301

Der Bundesvorstand hatte beschlossen, dass sich die DGB-Frauen nicht an Aktionen anderer Veranstalter beteiligen und auch keine eigenen Veranstaltungen durchführen sollten. Innerhalb der Gewerkschaften löste dieser Beschluss große Empörung aus. Rita Rußland, die 1980 in der IG Metall-Vorstandsverwaltung, Abteilung Frauen, beschäftigt war, berichtete in einem Gespräch am 5. Juli 2010: „Ich erinnere mich noch. Es war der heftigste Streit, den wir je hatten.“ Die Kolleginnen, besonders die IG Metall-Frauen, hatten ihre Aktionen zum 8. März 1980 längst vorbereitet, Protestaktionen und Veranstaltungen waren geplant. Es hatte im Vorfeld keine Beratungen oder Abstimmungen gegeben, der DGB-Vorstand hatte sich einfach über die Fraueninteressen hinweggesetzt. Rita Rußland sah darin den Hauptgrund für die massive Gegenwehr der Kolleginnen: „Die Männer soll- ten uns nicht mehr vorschreiben, was wir zu tun und zu lassen hatten.“ Deshalb gaben die IG Metall-Frauen auch nicht nach. Sie ermutigten die Frauenausschüsse und die Ver- waltungsstellen vor Ort, Veranstaltungen durchzuführen und zu versuchen, die örtlichen DGB-Kreisorganisationen mit einzubinden.16 Nach vielen erfolgreichen Veranstaltungen am 8. März „nahmen die Gewerkschaftstage der ÖTV im Juni, der HBV und der IG Me- tall im September und der Druck und Papier im Oktober Entschließungen bzw. Anträge an, die sich für die Durchführung der Internationalen Frauentage aussprachen.“17 Darauf reagierte der DGB-Vorstand. Für das Jahr 1981 modifizierte er seinen Beschluss dahinge- hend, dass in Einzelfällen eigenständige gewerkschaftliche Veranstaltungen durchgeführt werden durften, jedoch ohne die Beteiligung anderer „gesellschaftlicher Gruppen“.18 Doch die Kolleginnen gaben sich mit dem Kompromiss nicht zufrieden und ihre Protes- te hatten Erfolg. Ein Jahr später, im Mai 1982, beschloss der DGB auf seinem 12. ordent- lichen Bundeskongress: „Der 8. März wird als Internationaler Frauentag des DGB in allen seinen Gliederungen begangen. Dabei sollen vor allem die aktuellen Probleme der arbei- tenden Frauen dargestellt und die Forderungen der Gewerkschaften formuliert werden.“19 Damit hatten die Gewerkschafterinnen nach zwei Jahren den Internationalen Frauentag als ihren Kampftag innerhalb des DGB durchgesetzt. 302 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage

Auch in Bremen hatte das Verbot des DGB-Bundesvorstandes zunächst dafür gesorgt, dass sich die Frauen mit neuen Initiativen zurückhielten. „Da gab es diesen Beschluss vom DGB-Vorstand und da waren wir schon vorsichtig“, beschrieb Else Esselborn die Situation. Doch in dieser Zeit befand sich die Frauenarbeit in den Gewerkschaften im Wandel. Es gab neue weibliche Mitglieder, die sich bald zu Wort meldeten und für die Behandlung von Frauenthemen in den Gewerkschaften einsetzten. In der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begannen die Kolleginnen mit der Rekonstruktion eigener Frauen- strukturen. Seit 1980 traf sich eine gewerkschaftliche Frauengruppe, die sich das Ziel setzte, demokratisch gewählte Frauenausschüsse auf allen Ebenen wieder in der Satzung der GEW zu verankern.20 Auch in der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) wurde zu Beginn der 1980er Jahre die Arbeit des Frauenausschusses wie- der aktiviert.21 In anderen Gewerkschaften fand ein Generationswechsel statt und neue engagierte Frauen wurden in den Frauenausschüssen aktiv. Bei den Gewerkschaften Han- del, Banken und Versicherungen (HBV) wurde die Betriebsrätin und Kommunistin Else Esselborn zur Vorsitzenden des Frauenausschusses gewählt, in der Gewerkschaft Druck und Papier (DRUPA) begann Monique Troedel sich in die Frauenarbeit ihrer Gewerkschaft einzuschalten und bei der IG Metall wurde Helga Antesberger 1981 Vorsitzende des Frau- enausschusses. Alle drei Frauen wurden dann auch Mitglieder im DGB-Frauenausschuss. Die Frauenausschüsse und Frauengruppen der Einzelgewerkschaften und des DGB knüpften Kontakte untereinander. Erst die Zusammenarbeit der Frauen aus den Einzel- gewerkschaften machte es möglich, den Internationalen Frauentag mit Demonstrationen und Kundgebungen jedes Jahr wieder zu organisieren. Zunächst jedoch mussten sich die neu gewählten Ausschussmitglieder mit den gewerk- schaftlichen Strukturen und der Bürokratie vertraut machen und Erfahrungen im Um- gang mit Vorstandsbeschlüssen sammeln. Im Laufe des Jahres 1980 diskutierten einige Frauen der DRUPA, der GEW, der HBV und der IG Metall über Veranstaltungen zum Frauentag. Als die Frauen erfuhren, dass der Bundesvorstand seinen Beschluss abgeän- dert hatte, fragte Else Esselborn in der DGB-Kreisvorstandssitzung im Januar 1981 „nach der Haltung des DGB bzw. der Einzelgewerkschaften zum Internationalen Frauentag“.22 Darauf kam die Antwort, dass der DGB keine Aktivitäten plane. So nahmen die Frauen die Sache selbst in die Hand und luden ihre Kolleginnen zur Frauenversammlung am 12. März ins DGB-Haus ein. Es wurde eine „Zimmerveranstaltung“. Denn im Friedrich-Ebert- Saal des Gewerkschaftshauses saßen nur etwa zwanzig Frauen, „alles Funktionärinnen“, erinnerte sich Monique Troedel.23 Zwar waren die Frauen über die geringe Resonanz ent- täuscht – trotzdem war ein Anfang gemacht: Immerhin war es gelungen, die Zustimmung des DGB-Kreisvorstandes für eine 8. März-Veranstaltung zu bekommen. So plante der DGB-Kreisfrauenausschuss für das Jahr 1982 ein größeres Projekt.

8. März 1982: erste Frauenkundgebung der Gewerkschafterinnen

Eines der ersten Ziele der Gewerkschaftsfrauen war es, auf die Straße zu gehen und in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Außerdem mussten die Kolleginnen in den Betrieben etwas über den Internationalen Frauentag und seine Bedeutung erfahren. Es wurde beschlossen, den 6. März 1982, einen verkaufsoffenen Samstag, zu nutzen, um mit Infoständen in der Innenstadt auf den Frauentag aufmerksam zu machen. Am 8. 1980 bis 1989 303

März sollte dann von 16 bis 22 Uhr eine Veranstaltung im Kulturzentrum Schlachthof stattfinden.24 Für die Samstagsaktion hatten sich die Gewerkschaftsfrauen Kostüme von Dienstmäd- chen und Arbeiterinnen der Jahrhundertwende besorgt, um beim Verteilen der Flugblätter besondere Aufmerksamkeit zu bekommen.25

Else Esselborn und Monique Troedel beim Flugblattverteilen am 6. März 1982 auf dem Bremer Marktplatz.

Der 8. März begann mit Aktionen vor den Betrieben. Es wurden Flugblätter und an die weiblichen Beschäftigten rote Nelken verteilt.26 Die Veranstaltung am Abend des 8. März im Kulturzentrum Schlachthof wurde für die Frauen ein Erfolg. Nach einer gut besuch- ten Diskussion mit der Landesfrauensekretärin des Landesbezirks Nordmark trafen die TeilnehmerInnen der Friedensdemonstration ein, die sich an den Aktionen der „Frauen gegen Krieg und Militarismus – für Frieden“ beteiligt hatten. Für alle gemeinsam gab es ein Kulturprogramm mit den „Bremer Stadtquerulanten“ und der Gruppe „Lied-Schatten“.27 Die Männer des DGB-Kreisvorstands, die sehen wollten, wie die Frauenversammlung lief, zeigten sich positiv überrascht von dem Programm und dem guten Besuch und gratulier- ten Else Esselborn zum Erfolg.28 Doch die Frauen ernteten nicht nur Zustimmung. Besonders Else Esselborn, die als stellvertretende Vorsitzende des DGB-Kreisfrauenausschusses maßgeblich für die Kund- gebung verantwortlich war, wurde kritisiert. Bereits im Vorfeld des Frauentages geriet sie in Streit mit dem Vorstand ihrer Partei, der DKP. Dieser verlangte von ihr, im DGB- Kreis- vorstand eine Demonstration am 8. März durchzusetzen. Else Esselborn hielt entgegen, dass die Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien. „Die Frauen sind noch nicht so weit“, lautete ihre Erklärung. Sie wusste aus der Erfahrung des Vorjahres, dass der Internationa- le Frauentag noch immer eine Sache der Funktionärinnen war, dass die Idee die Kollegin- nen in den Betrieben noch nicht erreicht hatte. Diese aber sollten, nach Else Esselborns Auffassung, eine Gewerkschaftsdemonstration bestimmen. Der Parteivorstand blieb bei seiner Auffassung und forderte Parteidisziplin. Doch Else Esselborn gab nicht nach. Sie setzte auf Werbung innerhalb der Betriebe und verabredete mit den Einzelgewerkschaf- 304 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage ten, dass diese vor ihren Betrieben rote Nelken und Flugblätter mit Informationen zum Internationalen Frauentag an die Kolleginnen verteilten.29 Nach dem 8. März kam Kritik aus den Reihen der Gewerkschaft. Zur Sitzung des DGB- Frauenausschusses am 16. März war die Organisationssekretärin des DGB Delmenhorst er- schienen, um sich über die 8.-März-Aktion zu beschweren. Sie erklärte, dass nach ihrem Ein- druck die Veranstaltung „für die Partei (DKP) gemacht worden sei“.30 Die Frauen wiesen das empört zurück. Die Kritikerin ließ nicht locker und trug ihre Beschwerde auch dem DGB- Kreisvorstand vor. Doch dieser blieb bei seiner positiven Bewertung des Frauentages. Else Esselborn musste aber noch einige Gespräche führen, bis sich die Aufregung gelegt hatte. In Bremen waren sich die Gewerkschafterinnen einig, dass sie die Aktivitäten zum Internationalen Frauentag fortsetzen wollten. Auf der Sitzung des Frauenausschusses am 13. Dezember 1982 stimmten alle dafür, am 8. März 1983 eine Demonstration „mit voller Unterstützung des DGB“ durchzuführen, „damit auch die männlichen Kollegen die Mög- lichkeit haben, sich mit den besonderen Problemen der Frauen zu solidarisieren“. Ein ent- sprechender Antrag an den DGB-Kreisvorstand wurde verabschiedet.31

Frauentage der Gewerkschafterinnen – 1983 bis 1985

Die DGB-Frauendemonstration 1983

„Wir kämpfen: für Mitbestimmung – gegen Unternehmerwillkür und Sozialabbau, für Frie- den und Abrüstung – gegen Frauendienst in der Bundeswehr.“ So lautete das Motto für den Frauentag 1983, das die Abteilung Frauen beim Bundesvorstand festgelegt hatte. Auch im DGB wurde es üblich, dass das Motto vom Bundesvorstand bestimmt wurde und die Flugblätter und Plakate bei der Abteilung Frauen angefordert werden konnten. Daneben legten die Einzelgewerkschaften – vor allem die IG Metall – Wert darauf, dass die Kolleginnen unter dem Logo ihrer Gewerkschaft sichtbar wurden.

So gestalteten die IG Metall-Kolleginnen ein eigenes Flugblatt mit dem Aufruf zur Demonstration am 8. März 1983.32 1980 bis 1989 305

Im Jahr 1983 begannen die Aktionen zum Frauentag in Bremen am Samstag, dem 5. März, erneut mit Informationsständen und dem Verteilen von Flugblättern in der Innenstadt. Am Morgen des 8. März wurden wieder vor den großen Kaufhäusern in der Innenstadt rote Nelken und Flugblätter verteilt. Am Abend folgte die Demonstration, an der etwa 1.000 Personen teilnahmen. Die anschließende Kundgebung fand auf dem Gelände des Kulturzentrums Schlachthof statt und den Abschluss bildete das Kulturprogramm in den Räumen des Schlachthofs. Diese erste Demonstration der Gewerkschaftsfrauen fand auch in der Presse Beachtung: Beide Bremer Tageszeitungen, die Bremer Nachrichten (BN) und der Weser-Kurier (WK), berichteten ausführlich über die Demonstration und die Kund- gebung.33 Mit ihren öffentlichen Aktionen zum Frauentag hatten sich die Gewerkschaftsfrauen als ein Teil der Frauenbewegung etabliert. In den nächsten Jahren organisierten die DGB- Frauen am 8. März die Demonstration und Kundgebung mit anschließendem Fest. Der Termin 8. März war in Bremen für die DGB-Aktionen reserviert. Andere Gruppen und Organisationen riefen ihre Mitglieder auf, sich an der Demonstration der Gewerkschafte- rinnen zu beteiligen, und verlegten ihre eigenen Veranstaltungen auf die Termine vor oder nach dem 8. März. Die Durchführung der Demonstrationen und der Kundgebungen des Internationalen Frauentages ging ganz in die Verantwortung des DGB und seines Kreis- frauenausschusses über.

„Frauen machen Putz“ gegen die Frauenpolitik der Bundesregierung – Frauentag 1984

Gegen Frauenarbeitslosigkeit und Stationierung von Atomwaffen in der Bundesrepublik richteten sich die Proteste des Frauentages von 1984. Das Motto lautete „Arbeitszeit ver- kürzen – Arbeitsplätze schaffen – Frieden sichern“. Auf der Kundgebung auf dem Bre- mer Markplatz kritisierte Else Esselborn als neu gewählte erste Vorsitzende des Kreis- frauenausschusses die Politik der Bundesregierung. Insbesondere der Plan, Frauen in die Bundeswehr aufzunehmen, empörte die Frauen: „Wir haben es satt, ständig als Manöv- riermasse hin- und her geschoben zu werden. Jetzt, wo die Bundeswehr wegen der gebur- tenschwachen Jahrgänge nicht mehr genug wehrpflichtige junge Männer findet, wird schon wieder für Frauen als Reservearmee geworben. Wir beanspruchen unser Recht auf Arbeit gleichberechtigt und nicht benachteiligt“, erklärte Else Esselborn.34 Mit Cevahir Cansever sprach zum ersten Mal auf einer DGB-Kundgebung zum Frauen- tag eine Vertreterin der Migrantinnen, die in der Bundesrepublik arbeiteten und lebten. Sie wandte sich gegen die zunehmende Ausländerfeindlichkeit und die restriktive Gesetz- gebung der Regierung gegenüber den ZuwanderInnen. Offensichtlich im Zusammenhang mit der DGB-Demonstration und der türkischstämmigen Rednerin stand eine Aktion der Neonazis. In der Einkaufsstraße neben dem Kundgebungsort waren „Flugblätter mit aus- länderfeindlichen Parolen und dem Aufruf ‚Deutschland den Deutschen‘ verteilt worden.“ Außerdem tauchte der bekannte Neonazi Michael Kühnen „mit einer Schreckschusspis- tole“ bewaffnet auf. Er wurde nach Hinweisen von Demonstrierenden von der Polizei fest- genommen.35 Die Teilnehmerinnen waren empört über das Auftreten rassistischer, rechts- radikaler Gruppen am Rand ihrer Kundgebung, führten diese jedoch weiter durch. Der Internationale Frauentag war mittlerweile für die gesamte Bundesrepublik zu einem Tag des Frauenprotestes geworden und Fraueninitiativen nutzten das Medienin- 306 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage teresse, um über weitere politische Aktionen zu informieren. Am 8. März 1984 stellten die „Frauen der Aktion Muttertag“ ihren „Aufruf zum großen Frauenprotest anlässlich Muttertag 1984“ der Presse vor.36 Der Aufruf stand unter dem Motto: „Frauenwürde ist Menschenwürde – Frauenrecht ist Menschenrecht – Ein Frauenleben ist ein Menschen- leben“. Mehr als zweihundert Frauen hatten ihn unterzeichnet. Sie kritisierten die Politik der „Regierenden in Bonn, die zwar von Gleichberechtigung redeten“, tatsächlich aber die erkämpften Rechte wieder „zusammenstreichen“ wollten. Sie riefen alle Frauen auf, sich gemeinsam zu wehren und den Muttertag zu nutzen, „die den Frauen vorenthaltenen Rechte einzufordern“.37 Zu den Erstunterzeichnerinnen des Aufrufs gehörten auch Bremerinnen, darunter die Landesbeauftragte für Frauen in Bremen, Ursula Kerstein, Prof. Susanne Schunter-Klee- mann von der Hochschule Bremen und Helga Antesberger, die Vorsitzende des KFA der IG Metall als Betriebsrätin.38 „Nicht nur Blumen – Rechte fordern wir“, unter dieser Losung stand der Protest am Muttertag, dem 12. Mai 1984. Mit einem kräftigen Fußtritt gegen die Tür der Regierung kündigten die Frauen ihr Kommen an.39

15.000 Frauen aus dem ganzen Bundesgebiet machten „Putz in Bonn“ und zogen mit Pfeifen, Trommeln, Rasseln und Kochtöpfen vor die Tür der Bundesregierung. Auf der gemeinsamen Kundgebung trugen Betroffene und Vertreterinnen der verschiedenen Frauengruppen ihre Forderungen an die Bundesregierung vor.40 Diese Aktion bewies, wie entschlossen die Frauen waren, ihre mühsam erkämpften Rechte zu verteidigen. Sie zeigte auch, dass Kooperationen zwischen den verschiedenen Strömungen der Frauen- bewegung möglich waren und dass diese Bündnisse erfolgreiche Aktionen organisieren konnten. Die Bremerinnen griffen diese Idee auf. Im Verlauf des Jahres 1984 trafen sich auf Ein- ladung der Landesbeauftragten für Gleichberechtigung, Ursula Kerstein, Vertreterinnen 1980 bis 1989 307 unterschiedlicher Frauengruppen, Verbände und Organisationen. Sie wollten auf regio- naler Ebene „frauenspezifische Aktivitäten“ vorbereiten. Ziel der Zusammenarbeit sollte es sein, „den Forderungen, Interessen und Bedürfnissen von Frauen in Bremen größeres Gewicht zu geben“41. In ihrem Rundbrief vom April 1985 berichtete Ursula Kerstein, dass sich Frauen aus drei Generationen am Diskussionsprozess beteiligt hätten, „denen es trotz unterschied- licher Herkunft und oft kaum vergleichbarer Lebens- und Arbeitszusammenhänge“ ge- lungen sei „bestimmte frauenspezifische Forderungen als für alle verbindlich festzusetzen“. Mehr als zwanzig Frauenverbände und Gruppen hatten den Aufruf und die Forderungen bereits unterzeichnet.42 Bei den neuen Bündnissen traten vor allem die institutionellen Frauenorganisatio- nen der Gewerkschaften und Parteien als Akteurinnen in Erscheinung. Sie gewannen in der Frauenbewegung zunehmend an Bedeutung. Bei der Gestaltung dieser Zusammen- schlüsse kam den Gleichstellungsbeauftragten eine Schlüsselfunktion zu, sie bildeten die Brücke bei der Vermittlung von Frauenanliegen in die Verwaltung und waren die Vermittlerinnen zwischen den Gruppen und Organisationen.43 Auch in Bremen hat- te Ursula Kerstein wesentlichen Anteil an dem Aufbau und der konkreten Arbeit des Bündnisses. Als erste Aktion organisierten die Frauen eine alternatives Fest zum Muttertag 1985: „Bremer Frauen laden ein – Muttertag anders.“44 Auf dem Fest im Bürgerhaus Weser- terrassen stellten sich die Bremer Frauenverbände, -institutionen und -gruppen mit ihrer Arbeit und ihren politischen Schwerpunkten vor. Und sie präsentierten sich zugleich als eine Gemeinschaft, die in Zukunft gemeinsam für ihre Interessen „als Frauen“ eintreten wollte.45 Das Bündnis, das sich schon bald „Bremer Frauenrunde“ nannte, wurde zu einer wichtigen politischen Kraft, die sich in den nächsten Jahren immer wieder mit Aktionen und Protesten in die bremische Politik einmischte und ab 1986 auch Mitveranstalterin des Internationalen Frauentages war.

„Der 8. März ist unser Tag!“ – Frauentag 1985

Nicht ohne Stolz verwiesen die Gewerkschafterinnen mit der Feststellung „Der 8. März ist unser Tag“46 auf ihren erfolgreichen Kampf um die Durchsetzung des Internationalen Frauentages. Auch in Bremen gehörte der Frauentag zum festen Bestandteil des Aktions- kalenders der Gewerkschaften. Die Kolleginnen hatten ein Ablaufmuster für die Aktivitä- ten an diesem Tag entwickelt. Regelmäßig wurden vor ausgewählten Betrieben Nelken mit einer Grußkarte oder einem Flugblatt verteilt. Nach Arbeitsende versammelten sich dann die TeilnehmerInnen zur Demonstration, um den Frauenprotest auf die Straße zu tragen. Auf der anschließenden Kundgebung wurden in den Reden die Kritik und die Forderun- gen der Frauen öffentlich herausgestellt. Für die Gewerkschafterinnen hatten die Demonstrationen und Kundgebungen noch in anderer Hinsicht Bedeutung. Sie konnten damit die Frauenorganisation als eigenständi- gen Teil der Gewerkschaften in der Öffentlichkeit präsentieren. Die Rednerinnen auf den Kundgebungen wurden mit Auszügen aus ihren Beiträgen und mit ihrem Namen in der Presse erwähnt, womit die Frauenarbeit auch innerhalb der Gewerkschaften an Gewicht gewann. Und die Auftritte der Funktionärinnen waren eine Ermutigung für die Kollegin- nen, sich auch zu Wort zu melden. 308 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage

Zum Auftakt der Demonstration 1985 hatten sich die Kolleginnen eine Überraschung ausgedacht.

Mit lila Luftballons – die Demonstration am 8. Mai 1985.

Als sich die TeilnehmerInnen am Hauptbahnhof zur Demonstration versammelten, wurden lila Luftballons verteilt, die „für ein farbenfrohes Bild an diesem Vorfrühlingstag sorgten“.47 Nach dem Marsch durch die Innenstadt kritisierte Else Esselborn auf der Kundgebung die Bundesregierung, die mit ihren Vorschlägen zur Flexibilisierung der Beschäftigungsver- hältnisse der Frauen die „Arbeit auf Abruf salonfähig mache“ und die sich außerdem wei- gere, die Sozialversicherungspflicht für Geringverdienerinnen einzuführen. Immer weniger Frauen hätten noch eine existenzsichernde Beschäftigung. Deshalb würden die Frauen auch weiterhin am 8. März gegen diese diskriminierenden Verhältnisse auf die Straße ge- hen. Zum Abschluss ihrer Rede lud Else Esselborn die TeilnehmerInnen zum abendlichen Kulturfest ein. Die Kulturveranstaltung fand diesmal im Bürgerzentrum des Neubauviertels Neue Vahr statt, in dem viele Arbeiterfamilien lebten. Der Abend sollte ein Fest für die Familien im Stadtteil sein. Nach selbst einstudierten Sketchen, die sich kritisch mit dem Alltagsleben der Frauen auseinandersetzten, folgte das Kabarettprogramm der Frauen von „Krawall- Lust“. Die Songgruppe des Jugendamtes und der DGB-Chor „Die Blechdrosseln“ lieferten mit politischen Liedern den musikalischen Rahmen.48 Bei der Auswertung wurde kritisiert, dass die aktiven Frauen mit dem Proben für das Kulturprogramm beschäftigt gewesen seien und deswegen beim Flugblattverteilen und an den Infoständen die Helferinnen gefehlt hätten. Für das kommende Jahr wurde festgelegt, eine Kinderbetreuung zu organisieren und das Kulturprogramm zu straffen.49

Vereint unter dem Frauenzeichen – Frauentag 1986

Der 75. Internationale Frauentag wurde in der Bundesrepublik im Jahr 1986 gefeiert. Diese Festlegung war eine politische Entscheidung, die bis heute nachwirkt, jedoch damals von den Akteurinnen kaum wahrgenom- men wurde. In den Jahren bis 1985 war es noch üblich gewesen, als „Geburtsjahr“ des Frauen- tages 1910 anzugeben. Denn das war das Jahr, in dem auf der Konferenz der sozialistischen 1980 bis 1989 309

Frauen der Beschluss gefasst worden war, den Internationalen Frauentag jährlich zu ver- anstalten. So war der 50. Jahrestag 1960 von den SPD-Frauen in Bremen besonders heraus- gestellt worden und Anna Stiegler hatte dazu einen Beitrag für die Parteizeitung verfasst.50 Auch im Jahr 1980 hatten die DFI-Frauen in ihrem Flugblatt zum Frauentag ausdrücklich auf die siebzigste Wiederkehr des Frauentages hingewiesen51 – entsprechend hätte 1985 der 75. Jahrestag gefeiert werden müssen. In anderen Ländern war das auch der Fall – die Parteizeitung der DKP berichtete am 9. März 1985: „In aller Welt wurde gestern zum 75. Mal der Internationale Frauentag begangen.“52 Auch der Neustadter, das Informationsblatt des SPD-Ortsvereins Bremen Neustadt, brachte einen Artikel mit der Überschrift: „75 Jahre Internationaler Frauentag: Die Frauenfrage bleibt offen.“53 Und die Pressemitteilung des DGB vom 7. März war überschrieben: „8. März 1985 – 75 Jahre Internationaler Frauentag“.54 Außer diesen vereinzelten Veröffentlichungen gab es aber keine Hinweise auf den Jahrestag. Im November 1985 erschien die Schrift „Internationaler Frauentag – Tag der Frauen seit 75 Jahren“, herausgegeben von der IG Metall-Hauptverwaltung. Dort gab es den ersten offiziellen Hinweis auf eine Neubestimmung des Jahrestages. In der Einleitung verwies Gudrun Hamacher, damals geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, auf 1911 als das Jahr, an dem „erstmals in Deutschland [der Internationale Frauentag] begangen wurde“.55 Damit wurde das „Geburtsjahr“ des Frauentages um ein Jahr verschoben und entsprechend der 75. Jahrestag in der Bundesrepublik 1986 begangen. Übereinstimmend wurde in den Medien, in den Darstellungen von DGB und SPD sowie in der Presseverlaut- barung der Bundesregierung erklärt, dass die Geschichte des Tages mit den Demonstra- tionen am 19. März 1911 begonnen habe.56 Weder in den Jahrbüchern der SPD noch in den Geschäftsberichten des DGB finden sich Hinweise dazu, warum nach 75 Jahren eine solche Terminverschiebung in der Bun- desrepublik erfolgte und von wem die Initiative für diese Entscheidung ausging. Es kann vermutet werden, dass DGB und SPD die von ihren Frauenorganisationen durchgeführten Frauentage von den kommunistischen Veranstaltungen zum 8. März in der DDR abgren- zen wollten. Mit der Verlegung des Jubiläumsjahres wurde eine eigene bundesrepublikani- sche Geschichte des Internationalen Frauentages konstruiert. Tatsächlich wurde die 75-Jahr-Feier 1986 ein großes politisches Ereignis, das den Inter- nationalen Frauentag weit über die politisch aktiven Frauen hinaus bekannt machte. Dafür sorgten vor allem die Veröffentlichungen in den Medien. „Am Samstagabend des 8. März gehört zwischen 20 und 24 Uhr bei fast allen ARD-Sendeanstalten eine Radiowelle dem weiblichen Geschlecht: Unter dem Motto ‚Unbeschreiblich weiblich‘ präsentieren Rundfunk- journalistinnen ein Programm zum Internationalen Frauentag, dem Live-Schaltungen von Moskau bis New York sogar einen internationalen Rahmen geben.“57 Familienministerin Rita Süssmuth forderte in ihrer Presseerklärung mehr Gleichberechtigung in der Familie. „Und auch Bundesjustizminister Hans Engelhard (FDP) bemängelte, dass die vom Grundgesetz geforderte Gleichberechtigung von Männern und Frauen nicht durchgesetzt sei.“58 Die Sozialdemokratinnen formulierten zum 75. Jahrestag ihre Perspektive für die Zu- kunft: „Die Zukunft ist weiblich“ lautete das Motto des Frauenfestivals der ASF am 8. März 1986 in Wiesbaden. Die Europaabgeordnete Heidemarie Wieczorek-Zeul fügte im Inter- view ergänzend hinzu: „Aber die Gegenwart ist noch eindeutig patriarchalisch geprägt.“59 Gegen diese patriarchalen Verhältnisse wollte die ASF die Frauen mobilisieren. In ihrem Aufruf zur Veranstaltung appellierte sie: „Wir müssen demonstrieren, dass es uns ernst ist mit der gesellschaftlichen Gleichheit von Frauen und Männern. […] „Wir müssen dieser konservativen Bundesregierung zeigen, dass wir es nicht hinnehmen, dass die frauenpoli- tischen Fortschritte der sozialliberalen Koalition Stück für Stück vordergründigen Wirt- 310 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage schaftsinteressen und konservativen Ideologien geopfert werden. […] Auch unserer Partei und unseren Gewerkschaften müssen wir klar machen, dass Beschlüsse zwar wichtig sind, daß aber letztlich nur Taten zählen.“60 Die Sozialdemokratinnen wandten sich nicht nur gegen die konservative Politik der Bundesregierung, sie forderten auch von der SPD und den Gewerkschaften die Realisierung der Gleichberechtigung in den eigenen Reihen. Auch in Bremen erhielt der Internationale Frauentag 1986 eine weitaus größere Beach- tung in den Medien als in den Jahren zuvor. Der Weser-Kurier brachte eine Meldung zum Frauentag auf der ersten Seite. Unter der Überschrift „Zehn-Prozent-Hürde für Frauen beklagt“ wurde über die Forderungen der Grünen berichtet, endlich den Frauenanteil in den Parlamenten zu erhöhen.61 „Wir wollen Brot und Rosen!“ hieß das Motto, das die Gewerkschaften zum 75. Jahres- tag ausgegeben hatten. „Wir wollen Brot und Rosen“ war in der Frauenbewegung ein be- kannter Slogan, der vor allem bekannt geworden war durch das Lied „Brot und Rosen“62, das zu den beliebtesten und meist gesungenen Songs der Frauenbewegung gehörte.

Zum besseren Verständnis gab es zu dem Liedtext die folgende Erläuterung:

„Dies Lied aus dem Jahr 1912 entstand bei einem Streik von 14.000 Textilarbeiterin- nen und Arbeitern in Lawrence USA. Der Streik richtete sich gegen die Hungerlöhne und die Kinderarbeit. Dieser Streik, in dem die Frauen ganz besonders entschieden für ihre Interessen kämpften, wurde durch die zahlreichen Lieder berühmt, die die Frauen auf Demonstrationen, vor den Werkstoren und in der Stadt sangen. Das Ge- dicht Brot und Rosen geht auf ein Transparent der Arbeiterinnen zurück, auf dem stand: „We want bread and roses, too! – Wir wollen Brot, aber auch Rosen.“ 63 1980 bis 1989 311

So wurde mit dem Leitspruch „Wir wollen Brot und Rosen“ eine Brücke geschlagen zu den kämpfenden Arbeiterinnen im Jahr 1912. Und zugleich brachte diese Forderung die Wünsche der Frauen im Jahr 1986 nach einem selbstbestimmten Leben zum Ausdruck. In Bremen begann 1986 eine neue Phase in der Geschichte des Internationalen Frau- entages. Zum ersten Mal veranstaltete der DGB-Kreisfrauenausschuss den Frauentag als Bündnisveranstaltung zusammen mit der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) und der Bremer Frauenrunde. Es waren mehr als dreißig Organisationen und Gruppen, die gemeinschaftlich zur Frauendemonstration am 7. März 1986 aufriefen. Ihrem Aufruf hatten sie die stilisierte Taube als gemeinsames Sym- bol der Frauenbewegung vorangestellt. In ihrem Aufruf erklärten die Bündnisfrauen den Grund für ihre Zusammenarbeit:

„Wir haben uns zusammengeschlossen aus der Notwendigkeit heraus, der massiven frauenfeindlichen Politik gemeinsam unsere Forderungen entgegenzusetzen. – Sofortige Beschäftigungsprogramme für Frauen und Frauenförderpläne – Ausreichende und qualifizierte Ausbildungsplätze für Mädchen – Keine ungeschützten Arbeitsverhältnisse – keine Stunde Arbeit ohne Sozialversicherung – Rücknahme der Streichungen und Beitragserhöhungen im Kindergartenbereich – Haushaltstitel für die Bremer Frauenhäuser und finanzielle Absicherung anderer Frauenprojekte und -einrichtungen – Streichung des § 218 STGB und Erhalt von Pro Familia – Wir sind gegen Erziehungsgeld als ‚Rücktrittsprämie‘ vom Arbeitsmarkt – Für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für ausländische Frauen – Umwandlung von Rüstungsarbeitsplätzen in zivile Arbeitsplätze – Keine Frauen in die Bundeswehr und keine ans Gewehr – Alle Forderungen lassen sich nur verwirklichen, wenn der Frieden erhalten bleibt und ernsthaft mit Abrüstung begonnen wird.“64

Die Forderungen richteten sich einerseits unmittelbar an den Bremer Senat und anderer- seits an die Bundesregierung. Die breite Palette der Forderungen benannte die wichtigsten Bereiche, in denen die Frauen weiterhin diskriminiert und benachteiligt waren. Am 7. März zog die Frauendemonstration unter dem Motto „Wir wollen Brot und Ro- sen!“ durch die Innenstadt. Auf der Kundgebung betonten die Rednerinnen den Zusam- menhalt der Frauen, die entschlossen seien, sich gegen die Regierungsmaßnahmen zu wehren. Ursula Kerstein machte klar, dass es der Politik und den Unternehmern nicht ge- lingen werde, die Frauen aus dem Erwerbsleben zu verdrängen, „sie wieder ins Kinderzim- mer zu sperren“. Bezogen auf das Motto forderten die Rednerinnen: rechtlich geschützte Arbeitsverhältnisse für die erwerbstätigen Frauen, Frauenförderpläne für alle Beschäfti- gungsbereiche und die ersatzlose Streichung des Abtreibungsparagraphen.65 Das abendliche Kulturfest fand wieder im Bürgerhaus Vahr statt. Dieses Mal gab es für die Kinder ein Puppentheater und den Erwachsenen kündigte das Kabarettprogramm der Gruppe „Donna Krawall-Lust“ an: „Wir sind nicht ausgewogen. Denn Ausgewogenheit wäre unehrlich.“ Der Sketch „Uri auf der Demo“, den die IG Metall-Frauen aufführten, be- richtete von einer 18-Jährigen, „die ihre Urgroßmutter und den Rest der Familie motiviert, auf die Friedensdemo zu gehen“.66 Obwohl die Frauen für die Abendveranstaltung mit einem eigenen Flugblatt geworben und die Gewerkschafterinnen gehofft hatten, dass aus 312 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage den anderen Gruppen noch Frauen am Abend kommen würden, war der Besuch nicht so gut wie erwartet. Dann gab es auch noch in der Fernsehsendung buten & binnen kritische Bemerkun- gen zur Veranstaltung. Die Journalistinnen sprachen vom „Pflichtprogramm eines roten Muttertages“, während gleichzeitig das Bild des halbleeren Saales eingeblendet wurde.67 Zum ersten Mal erlebten die Gewerkschafterinnen Kritik an ihrer Frauentagsveranstal- tung. Else Esselborn wies die Berichterstattung auch im Namen des Frauenausschusses als diskriminierend zurück. Die Redaktion von Radio Bremen zeigte zwar Verständnis für die „Betroffenheit“ der DGB-Frauen, doch im Antwortschreiben wurde die Kritik der Fernsehsendung faktisch wiederholt und dem Adressaten gegenüber festgestellt, „daß Ihr Kulturfest den Charme einer Pflichtübung hatte, an dem Frauen teilnahmen, die sowieso schon ihrer Meinung sind“68. Else Esselborn erinnerte sich im Gespräch 2009 gut daran, wie empört die Frauen damals waren. Weil sich alle über Radio Bremen ärgerten, wurden Schwierigkeiten und Mängel, die tatsächlich aufgetreten waren wie zum Beispiel die rückläufigen Besucherzahlen, nicht ernsthaft diskutiert. Das neue Bündnis des Frauentages wurde allein darin sichtbar, dass viele Gruppen auf dem Plakat und dem Flugblatt aufgeführt waren. Ein weiterführendes Konzept, wie die anderen Bündnispartnerinnen an der Gestaltung des 8. März beteiligt werden konnten, gab es nicht. Auch für die Kulturprogramme gab es keine neuen Ideen. Doch das sollte sich im Verlauf des Jahres grundlegend ändern. Die Gewerkschafterinnen erhielten Unterstützung von außen und entwickelten ein neues Konzept für den Frauen- tag. Darüber wird weiter unten berichtet. Bereits 1986 zeigte sich eine neue Entwicklung. Der Internationale Frauentag fand im- mer mehr Zustimmung und wurde auch in den Stadtteilen zum Frauenaktionstag. So ver- sammelten sich am 8. März 1986 mehr als 300 Frauen im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus in Bremen-Nord zu Diskussionsrunden und einem Kulturprogramm. Die ASF hatte zum 8. März ins Nachbarschaftshaus Ohlenhof zu einer Podiumsdiskussion mit anschließendem Tanz eingeladen. In der Ansprache von Ingrid Busboom, der Landesvorsitzenden der ASF, rief diese die Frauen dazu auf, sich – entgegen den Vorstellungen der rechts-konservativen Regierung – konsequent für mehr Chancengleichheit und Gleichstellung am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft einzusetzen.69

Der Internationale Frauentag im neuen Gewand – 1987 bis 1989

Für die Bremer Frauenbewegung wurde der Internationale Frauentag 1987 zu einem heraus- ragenden Ereignis, über das die Akteurinnen Monique Troedel und Else Esselborn, die den Tag mitgestaltet hatten, noch mehr als zwanzig Jahre später begeistert berichteten: „1987 und 1988, das waren die Jahre, wo wir das ganze Gewerkschaftshaus besetzt hatten.“70 Diese positive Entwicklung war möglich geworden, weil die Gewerkschafterinnen be- sondere Hilfe und Unterstützung erhielten. Im September 1986 stellte sich die ÖTV-Kol- legin, Sozialpädagogin, Theaterfrau und Kabarettistin Gabi Grete Kellerhoff im Kreisfrau- enausschuss vor. Sie hatte eine ABM-Stelle71 beim Senator für Bildung, Wissenschaft und Kultur mit dem Arbeitsschwerpunkt gewerkschaftliche Kulturarbeit. Ihre Vorstellungen und ersten Kontakte mit GewerkschafterInnen beschrieb sie im Interview: „Meine Idee 1980 bis 1989 313 war, eine Verbindung zwischen politischen und gewerkschaftlichen Aktionen und Kultur zu knüpfen. […] Ich bin dann in verschiedene gewerkschaftliche Einrichtungen gegangen, auch in die Frauenausschüsse, und habe gesagt: Hier bin ich, das kann ich für Euch tun […]. Und die Frauen sind auf dieses Thema sehr angesprungen. Sie haben dann gesagt: Jetzt kommt der 8. März, da kannst Du uns gleich helfen. – Ja, so fing das an.“72 Damit begann eine intensive Zusammenarbeit, die über zehn Jahre andauerte.

„Fröhlich, bunt und mit viel Spaß“ – ein neues Konzept für den Frauentag 1987

Die Vorbereitungen zum Frauentag 1987 begannen damit, die Bündnispartnerinnen vom Vorjahr aufzusuchen, um sie für eine aktive Beteiligung an der Gestaltung des Frauentages zu gewinnen. Diese Aufgabe übernahm Monique Troedel. Gabi Grete Kellerhoff wollte auch die noch abseits stehenden autonomen Gruppen und Projekte sowie die Gruppen der aus- ländischen Frauen „mit ins Boot holen.[…] Und ich bin überall hin gedackelt zu den autono- men Frauen und zu den Gruppen ausländischer Frauen“, erinnerte sie sich.73 Die vielen Wege und Gespräche zahlten sich aus: „Wir hatten gelegentlich fünfzig Frauenorganisationen am Tisch. Das hat uns für viele Themen die Augen geöffnet; das war für uns ein Lernprozess.“ So beschrieb Monique Troedel die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den Frauen.74 Die Frauen einigten sich auf folgenden Ablauf: Am 6. März eine Demonstration mit Kundgebung mit vier Rednerinnen, am 8. März – einem Sonntag – von 11 bis 17 Uhr Frau- enaktionen und Kulturprogramm sowie ein Frauenfest in allen Räumen des DGB-Hauses. 314 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage

Anfang des Jahres 1987 ging an die Kolleginnen der Einzelgewerkschaften ein Rund- schreiben, das über die Planungen zum Frauentag informierte und zum Mitmachen ein- lud75: Dieses Rundschreiben fiel schon durch seine besondere Gestaltung auf. Statt langer Er- klärungen begann es mit einem Bild, das die Intentionen der geplanten Veranstaltung veranschaulichte. So stellten sich die Einladerinnen den zukünftigen Frauentag vor: Die Demonstration am 6. März „sollte fröhlich und bunt sein und Spaß machen“. Und am Frauentag sollte das ganze Gewerkschaftshaus geschmückt und dekoriert sein. Frauen- kabarett- und Theatergruppen waren bereits eingeladen. Es wurden noch männliche Er- zieher und Pädagogen für die Kinderbetreuung gesucht. Die Gewerkschafterinnen sollten sich zusammentun, um sich Straßenaktionen zu überlegen und Programmpunkte für das Frauenfest vorzubereiten. Gabi Grete Kellerhoff bot sich an, den Frauen bei der Vorberei- tung zu helfen.76 In den folgenden Monaten musste an Abenden und Wochenenden geprobt werden. Es gab zusätzlichen Sitzungstermine, um die einzelnen Programmpunkte zwischen den Gruppen auszuhandeln. Die Frauenausschüsse der Einzelgewerkschaften waren beson- ders eingespannt in der Ausgestaltung der Räume im Gewerkschaftshaus.77 Doch nicht nur die Frauenausschüsse wurden mobilisiert. Im März 1987 gab der „Ver- trauenskörper der IG Metall bei Daimler-Benz – Werk Bremen“ einen eigenen Aufruf zum 8. März heraus. Auch die Kollegen beschäftigten sich also mit dem Thema.

Zur Demonstration am 8. März 1987 versammelten sich die Teilnehmerinnen vor dem Hauptbahnhof.78

Vom Hauptbahnhof aus bewegte sich ein beeindruckender Zug von Frauen „mit lila Luft- ballons, Hut und weißer Schleppe“79 zur Innenstadt. Die Presse schilderte einzelne Stra- 1980 bis 1989 315

ßenaktionen der Teilnehmerinnen: „Mitglieder der Postgewerkschaft hatten sich mit Tele- fonschnüren verbunden, um so gegen die Verkabelungspolitik und Privatisierungspläne der Bundespost zu demonstrieren.“ Und vor dem ehemaligen Kaufhaus Hertie machten Kolleginnen der HBV auf die Ladenschließungen in der Innenstadt aufmerksam. Sie spiel- ten eine Szene über das Los der entlassenen Verkäuferinnen: „Verkäuferinnen als Ware, die keiner mehr haben will.“80 Hatten die Frauen mit ihren Straßenaktionen schon Aufsehen erregt, so waren die Besucherinnen und die Presse von den vielen Angeboten und dem bunt geschmückten Gewerkschaftshaus am 8. März völlig überrascht. „Kaum überschaubar war die Fülle auf allen Ebenen.“81 In den Fluren drängten sich Informationsstände, Filme wurden gezeigt und es gab Ausstellungen, literarische Beiträge und eine türkische Pantomimegruppe. Von dem scharfzüngigen Kabarett „Taktlos“ und von den „Friedensfurien“ aus Olden- burg waren die Frauen besonders begeistert. Die wirkliche Überraschung war jedoch der Massenandrang der Besucherinnen. Die taz Bremen beschrieb die Situation im DGB- Haus: „Das enge Treppenhaus scheint mehr auf Funktionäre und Sekretärinnen als auf den frauenbewegten Ansturm von zwei- bis dreitausend Besucherinnen ausgerichtet.“82 Mit ironischem Unterton wies die taz Bremen darauf hin, dass in dem Gebäude der Mas- senorganisation Deutscher Gewerkschaftsbund der Auftritt realer Massen offensichtlich nicht eingeplant worden war. Rund um den 8. März fanden außerdem wieder weitere Veranstaltungen statt: Am 5. März hatte Bürgermeister Wedemeier aus Anlass des Internationalen Frauentages „die Vertreterinnen bremischer Frauenverbände zu einem Empfang im Kaminzimmer des Rat- hauses geladen“83. Doch es gab Kritik an der Teilnehmerliste – so beschwerten sich die IG Metall-Frauen, dass ihr Frauenausschuss nicht eingeladen worden war.84 Zum 7. März hatten die „jungsozialisten/innen in der spd, AG Neustadt“ ein politisches Frühstück aus Anlass des Frauentages organisiert.85 Ansonsten gestalteten die Sozialde- mokratinnen in ihren Ortsvereinen Veranstaltungen zum Frauentag. Bei den DKP-Frauen gab es eine Modenschau, auf der die Politik der CDU-Frauenministerin Rita Süssmuth einer scharfen Kritik unterzogen wurde.86 Die Frauentag-Aktionen waren nicht nur draußen auf großes Echo gestoßen. Die Ak- teurinnen selbst waren begeistert von der eigenen Arbeit und deren Ergebnissen. Für 1988 begannen die Beratungen und Planungen schon im Sommer 1987.

Das neue Konzept bewährt sich – Frauentag 1988

Die Abteilung Frauen beim DGB-Bundesvorstand rief dazu auf, im Jahr 1988 den inter- nationalen Charakter des Frauentages „zu verstärken bzw. neu zu beleben. Das heißt, dass wir uns künftig neben unseren bundesweiten bzw. regionalen inhaltlichen Schwerpunkten stärker mit den Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen anderer Länder befassen und unsere Solidarität mit ihnen bekunden sollten.“87 In Bremen hatten die Gewerkschaf- terinnen das Thema bereits in den Vorjahren aufgegriffen. Die Forderungen der auslän- dischen Frauen waren in den Katalog der Bremer Frauenrunde aufgenommen worden. Deshalb begrüßte der Kreisfrauenausschuss die Initiative des Bundesvorstandes. Und in den gemeinsamen Beratungen mit den anderen Frauengruppen wurde vereinbart, dass die Probleme und Forderungen ausländischer Frauen und das Thema internationale Solidari- tät im Mittelpunkt der 8.-März-Aktionen stehen sollten. 316 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage

Allerdings waren die Frauen mit dem vorgegebenen Motto nicht einverstanden. Denn die Abteilung Frauen hatte das Motto des Vorjahrs wieder aufgelegt. Wieder stand auf den Plakaten „Wir wollen Brot und Rosen“. Das erschien den Frauen zu fantasielos und un- politisch und sie entwickelten einen eigenen Leitspruch: „Frauenunrecht ist international“. Gabi Grete Kellerhoff gestaltete dazu das Plakat und die Frauen schrieben eine beson- dere Einladung zum Frauenkulturfest.

Die Gewerkschafterinnen hatten in der Zwischenzeit gelernt, ihre eigenen Interessen zu formulieren und sich gegenüber ihren Vorständen durchzusetzen. Auch die Vorgaben zum Frauentag, die die Abteilung Frauen vorbereitete, wurden nicht kritiklos übernom- men. „Wir haben immer das offizielle Motto, das Plakat und die Materialien da gehabt. Wir haben das einfach nicht genommen“, erinnerte sich Gabi Grete Kellerhoff. Ursula Kerstein, die Landesfrauenbeauftragte, erklärte auf der Pressekonferenz des Aktions- bündnisses zu dem selbst entwickelten Motto: „In diesem Motto verbergen sich zwei Aussagen, die mir beide gleich wichtig erscheinen: Diskriminierung, Ausbeutung und Unterdrückung sind international eine allgemeine Erfahrung. Und zugleich verbindet uns unser Kampf gegen Diskriminierung, Unterdrückung und Ausbeutung mit Frauen in der ganzen Welt.“88 Die Aktionen begannen 1988 mit dem Frauenfest im Gewerkschaftshaus. Die Frauen nutzten das Wochenende vor dem 8. März. Am 5. März besetzten sie wieder alle Räume. Fast vierzig Gruppen hatten ihre Informationsstände aufgebaut, es gab ein Café der ÖTV- Frauen und ein buntes Kinderprogramm. Auf dem Kulturfest standen Berichte und Filme über die Lebens- und Arbeitssituation von Frauen anderer Länder im Mittelpunkt. Die deutsch-türkische Autorin Gülbahar Kültür stellte ihre Gedichte vor und sprach über das Leben der Frauen in der Türkei. Gleichzeitig informierten die Migrantinnen über ihre Le- bens- und Arbeitsbedingungen in Deutschland. 1980 bis 1989 317

Die ASF führte ein kabarettistisches Theaterstück über das Leben der „Erika Muster- mann“ auf. Erika Mustermann war jene Personalausweis-Vorzeigefrau, die auf den Werbe- drucken der Bundesregierung für den neuen maschinenlesbaren Personalausweis Rekla- me machte.89 Das Theaterstück drückte die Kritik und Sorge vieler Menschen aus, die befürchteten, dass mit dem neuen „maschinenlesbaren“ Ausweis die Überwachung und Kontrolle durch den Staat weiter voranschreiten werde. Auch im Jahr 1988 drängten sich Frauen und Kinder in den Fluren und auf den Trep- pen. Doch die Organisatorinnen hatten nun schon Erfahrung und alles war besser geplant und die Angebote besser aufeinander abgestimmt. Es war ein gelungener Auftakt.90 Über die Frauendemonstration am 8. März wurde in der Presse ausführlich berichtet. Da gab es die Frauen mit ihren Protestplakaten gegen das geplante Beratungsgesetz zum § 218 und ihrem Sprechchor „Rita es hat keinen Zweck, das Beratungsgesetz muss weg“. Die Mitarbeiterinnen von Frauenprojekten hatten bereits am Vormittag vor dem Arbeits- amt gegen die Einschränkungen bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, über die viele von ihnen finanziert wurden, protestiert und schlossen sich jetzt mit ihren Transparenten der Demonstration an.91 Nicht zu überhören waren auch die politischen Lieder, die für Stimmung sorgten: „Rein mit den Frauen in den Stadtrat, rein mit den Frauen in den Bei- rat … und raus mit den Machos aller Art“, zitierte der Weser-Kurier einen der Songs. Und eine Demonstrantin vom Seniorenschutzbund Grauer Panther berichtete der Reporterin vom Weser-Kurier: „Einige von uns demonstrieren das allererste Mal.“92 „Obwohl es sich um eine alljährliche, fast schon Pflichtveranstaltung handelt, ist das teil- nehmende Spektrum bunter geworden“, notierte die taz Bremen.93 Die öffentliche Aufmerk- samkeit und die breite Berichterstattung in den Medien trugen dazu bei, dass sich weitere Gruppen an den Protestaktionen beteiligten. Auch Institutionen nutzen jetzt den 8. März, um besondere Fraueninitiativen zu starten. So gratulierte der Vorstand der Angestelltenkammer in einer großen Anzeige im Weser-Kurier allen Frauen zum Internationalen Frauentag: 318 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage

In der Anzeige kündigte die Angestelltenkammer ihre neuen frauenbezogenen Projekte an:

Die Kammer beginnt eine Qualifizierungsoffensive für Frauen. Betriebsfrauenförderpläne werden in Zusammenarbeit mit Gewerkschaften erstellt. Die Kammer wird Maßnahmen einleiten, die zum Ziel haben, qualifizierte Frauen- erwerbstätigkeit zu fördern und betrieblich umzusetzen. Der neue Vorstand der Arbeitnehmerkammer wird ein breit angelegtes Frauenpro- jekt unterstützen, in dem über die Erwerbstätigkeit von Frauen in Bremen geforscht werden soll.

Zum Abschluss rief der Vorstand der Angestelltenkammer zur Beteiligung an der Demons- tration auf. 94 Der Internationale Frauentag bot der Frauenbewegung eine Plattform, um ihre For- derungen und ihre Kritik öffentlich vorzutragen. Allerdings nutzten in der Zwischenzeit ebenso Parteien, die Regierung und politische Organisationen den Frauentag, um für ihre Konzepte zu werben. Und es gab die ersten kritischen Stimmen, die forderten, den Tag einfach mal ausfallen zu lassen. Die taz-Kommentatorin Uta Stolle sah keinen Sinn mehr darin, „alle Jahre wieder die Demo [zu] organisieren und auf die fortdauernde Unterbe- zahlung und Gewalt hin[zu]weisen und die Kundgebenden journalistisch solidarisch [zu] unterstützen.“ Und sie erklärte: „Diese alljährlichen Feiern des gezwungenen – freiwilligen Hochsinns“ hängen mir „zum Halse raus“. Stattdessen plädierte sie dafür, den Tag nur dann zu begehen, „wenn uns etwas einfällt.“95 Doch es gab auch die gegenteilige Position. In der Volkszeitung vom 4. März 1988 machte Emmy Kuhlmey den Vorschlag, „den Internationalen Frauentag zu einem ge- setzlichen Feiertag zu erheben. Das würde das Selbstbewusstsein der Frauenbewegung in der Bundesrepublik […] stärken. Frauen wollen Veränderungen und sie wollen die Teilnahme an der Macht. Als gesetzlicher Feiertag würde der 8. März die Bedeutung der Frauenfrage für die Gesellschaft und für das Leben jeder und jedes einzelnen sichtbar machen.“96 Es gab sicher auch in der Bremer Frauenbewegung Frauen, die die alljährlichen Wieder- holungen leid waren. Aber angesichts der fantasievollen Straßenaktionen und der interes- santen Kulturfeste sah die Mehrheit keinen Grund, sich vom Frauentag zu verabschieden. Im Gegenteil, die Frauen setzten bereits Ende März 1988 eine Arbeitsgruppe ein, die zur nächsten Sitzung Vorschläge für den nächsten Internationalen Frauentag im Jahr 1989 vorbereiten sollte.97

„Wir streiten für bessere Zeiten“ – Frauentag 1989

Die Vorbereitungstreffen zum Internationalen Frauentag waren jetzt schon ziemlich routi- niert. Allerdings kam es bei der Festlegung der zentralen Themen auch immer wieder zu Debatten und das Aushandeln war dann ein Balanceakt. Es hatte sich in der Zwischenzeit durchgesetzt, dass die Forderungen, die Themen der Redebeiträge und das Motto in den Bündnisberatungen besprochen und festgelegt wurden. Die Vorgaben des DGB-Bundes- vorstandes dienten dabei der Orientierung. Zum Internationalen Frauentag 1989 stellten die Bremer Frauen drei Forderungen in den Mittelpunkt: 1980 bis 1989 319

– Verbot der ungeschützten Arbeitsverhältnisse – keine Stunde ohne Sozialversicherung. – Verbot ungeschützter Arbeitsverhältnisse – Vollzeitarbeitsplätze für Frauen wurden im- mer weiter abgebaut und die Arbeitnehmerinnen waren gezwungen, Teilzeitarbeit und schlechtere Bezahlung zu akzeptieren. Um zu verhindern, dass mehr und mehr Frauen in ungeschützte Arbeitsverhältnisse gezwungen würden, forderten die Frauen das Ver- bot solcher „rechtlosen und brotarmen Beschäftigungen, die in der Zwischenzeit von jeder vierten Arbeitnehmerin ausgeübt werden“.98 – Streichung des § 218 StGB – keine Verschärfung durch ein Beratungsgesetz. Der § 218 sorgte 1988/89 wieder mal für Empörung unter den Frauen. Im bayerischen Memmingen waren Frauen erstmals wieder wegen illegalen Schwangerschaftsabbruchs verurteilt worden. Während der Verhandlungen gegen den Frauenarzt Dr. Horst Theis- sen wegen Schwangerschaftsabbruchs und Steuerhinterziehung wurde seine Patientin- nenkartei beschlagnahmt. Gegen 279 ehemalige Patientinnen von Dr. Theissen wurden Ermittlungsverfahren wegen illegaler Abtreibung eingeleitet. Die meisten davon endeten mit einem Strafbefehl. Nur wenige Verurteilte legten Einspruch ein, mit dem sie ein öffent- liches Gerichtsverfahren riskierten, die meisten zahlten aus Angst vor gesellschaftlicher Ausgrenzung lieber schweigend den Strafbefehl.99 Die Bremer Frauen solidarisierten sich mit den Betroffenen und schickten die auf dem Frauenfest am 6. Mai gesammelten Spen- den an die Memminger Frauen.100 Und zugleich forderten sie, dass der § 218 endlich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird. Daneben wurden außerdem eigenständiges Aufenthaltsrecht, Asyl und Wahlrecht für ausländische Frauen gefordert. Auch diese Forderung hatte die Frauenbewegung schon seit einigen Jahren erhoben und regelmäßig wiederholt, um sich gegen die Ausgrenzung und Benachteiligung ausländischer Frauen zu wenden. Doch trotz drängender Probleme und den vielen immer noch nicht realisierten Forde- rungen sollte der Frauentag 1989 auch positive Signale aussenden. Deswegen hieß das Motto: „Wir streiten für bessere Zeiten“.

In Bremen war der 8. März in der Zwischenzeit ein offizielles politisches Datum. Zum Auf- takt wurde die Stellungnahme der Landesfrauenbeauftragten zum Internationalen Frau- entag in den offiziellen Regierungsinformationen veröffentlicht:101 1989 begannen die Frauen ihre Aktionen zum 8. März mit der Kundgebung auf dem Marktplatz. Nach der Rede von Irmtrud Gläser von der Gewerkschaft ÖTV zum Thema 320 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage

„Ungeschützte Arbeitsverhältnisse/Teilzeitarbeit“ setzte sich der Demonstrationszug in Richtung des Gewerkschaftshauses in Bewegung. Es war „ein buntes Spektrum. Vertrete- rinnen der ÖTV kamen als lila-schwarz-weiße Nonnen und trommelten für die Menschen- rechte. Eine Moritaten-Gruppe mit einem Mann sang für die Gleichstellung der Frau.“102 So der kritisch ironische Bericht in der taz Bremen am 9. März. Beim Weser-Kurier wurde zwar seit dem 8. März gestreikt, aber die Redaktion hatte trotzdem dafür gesorgt, dass die LeserInnen über den Frauentag informiert wurden: Bereits am 7. März hatte sie die Presse- berichte der Veranstalterinnen in einem Artikel zusammengefasst.103 Im Jahr 1989 wurde das Ende der Teilung Deutschlands eingeleitet. Richtungsweisend für diese Entwicklung waren die Montagsdemonstrationen in Leipzig seit dem 9. Oktober und dann die Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989. Welchen Einfluss die Vereinigung Deutschlands auf die Frauenbewegung hatte und wie sich diese Entwicklung in den Frauentagen der 1990er Jahre manifestierte, wird im folgenden Kapitel beschrieben.

Zwischenbilanz

In den 1980er Jahren wurden die zentralen Aktionen zum Internationalen Frauentag in Bremen von den Gewerkschafterinnen organisiert. Der 8. März begann vor den Betrieben. Das Verteilen von Flugblättern und roten Nelken oder roten Rosen an die dort beschäftig- ten Frauen war eine Möglichkeit, über den Frauentag und die politischen Forderungen zu informieren. Am frühen Abend fand dann eine Demonstration mit anschließender Kund- gebung statt. Den Abschluss bildete das (Frauen-)Kulturfest. Bei der Ausgestaltung wur- den traditionelle Formen der Demonstration und Kundgebung mit Reden von zwei bis drei Referentinnen mit einem Kulturfest verbunden, das beeinflusst war von den Frauenfesten der Neuen Frauenbewegung. Das bunte Festprogramm umfasste politisches Frauenkaba- rett, Lieder und Songs der Frauenbewegung und selbst einstudierte Sketche. In den Aufrufen zum Frauentag wurde über die soziale Lage in der Bundesrepublik und die Forderungen der Gewerkschaftsfrauen informiert. Massenarbeitslosigkeit und Sozial- abbau, Lohn(un)gleichheit und die konservative Frauenpolitik der Bundesregierung seit 1982, die Gefährdung des Friedens durch atomares Wettrüsten und die Absicht, Frauen freiwillig in die Bundeswehr einzuziehen, waren wiederkehrende Themen. In Bremen hat- ten die Gewerkschafterinnen von Anfang an auch die Probleme und Forderungen der ein- gewanderten Frauen in ihren Forderungskatalog aufgenommen. Die Aufrufe wurden als Flugblätter in der Innenstadt und vor den Betrieben verteilt. 1985 wurde eine neue Entwicklung eingeleitet, es kam zu einer Öffnung nach außen. In die Organisation des 8. März wurde das Aktionsbündnis „Bremer Frauenrunde“ und die ZGF mit einbezogen. Damit wurde der Internationale Frauentag zu einem politischen Fo- rum, auf dem über die Forderungen der Gewerkschaften hinaus die vielfältigen Ansprüche und Interessen der Frauenprojekte und Initiativen artikuliert wurden. Doch wuchs nicht nur die Anzahl der beteiligten Frauengruppen in Bremen. Die Ak- teurinnen veränderten auch die Ausgestaltung der 8.-März-Aktionen von Grund auf. Aus der Demonstration wurde ein bunter Zug kostümierter Frauen, die ihre Forderungen und Kritik an den politischen Verhältnissen in kurzen Spielszenen und Liedern ausdrückten. Beim Frauenfest wurde ein ganzes Gewerkschaftshaus zur Bühne für politische Berichte und Informationen, für Mitmachaktionen und Auftritte von Künstlerinnen und Kinder- theater. 1980 bis 1989 321

Diese unkonventionellen Formen des politischen Protestes erregten einiges Aufsehen in der Stadt. Vor allem machte die neue Methode, Politik selbst zu gestalten, den beteiligten Frauen Spaß. Das trug dazu bei, dass sich mehr Frauen an der Arbeit beteiligten. Ende der 1980er Jahre hatte der Frauentag ein eigenes Profil. Er war zum Projekt der Bremer Frauenbewegung geworden, das im politischen Leben der Stadt fest verankert war. Doch es gab erste kritische Stimmen, die sich gegen die alljährlichen rituellen Wieder- holungen derselben Forderungen, derselben Geschichte über die Entstehung des Tages wehrten. Doch bei den beteiligten Gruppen, die sich an den Aktionen beteiligten, gab es nach den Erfolgen Ende der 1980er Jahre eine hohe Motivation, die Arbeit fortzusetzen.

Anmerkungen

1 Zur Entwicklung der Neuen Frauenbewegung in Bremen in den 1980er Jahren vgl. Schmitter, 1998, 93–99. 2 Die Zitate stammen aus einem Interview mit zwei Frauen, die sich viele Jahre im Frauenzen- trum engagiert hatten. Veröffentlicht 1989 in der Dokumentation über das siebenjährige Be- stehen des Bremer Frauenkulturhauses. Postmeyer u.a., 1989, 25–29. 3 Schmitter, 1998, 99. 4 Interview mit Ingrid Busboom vom 5. März 2009. 5 Antrag der ASF an den Landesvorstand mit der Bitte um Weiterleitung an den Landespartei- tag, vom 21. November 1978. AdsD/FES, LO Bremen II, AG Frauen, 1974–76, Box 191. 6 Vgl. SPD-Report, Information der SPD-Bürgerschaftsfraktion vom 23. Juli 1980. AdsD/FES, LO Bremen II, AG Frauen, 1977–1981, Box 181. 7 Vgl. Wolfrum, 2007, 353. 8 Vgl. Wolfrum, 2007, 357. 9 Vgl. Schunter-Kleemann, 1982, 76. 10 Schunter-Kleemann, 1982, 29. 11 Vgl. Wolfrum, 2007, 359. 12 Vgl. Dobberthien, 1987, 97. 13 „Frauen fordern ihre Rechte“, Faltblatt der DFI zum Internationalen Frauentag 1980. Bremer Frauenarchiv und Dokumentationszentrum belladonna. 14 Über diese Aktionen zum Frauentag 1980 berichtet die Null-Nummer der DFI-Zeitung Brema- donna vom März 1982. Bremer Frauenarchiv und Dokumentationszentrum belladonna. 15 Abdruck des Beschlusses in: Die Neue, Zeitung Berlin West o.D. Privatarchiv, Florence Hervé. 16 Vgl. Metall Nr. 5 vom 5. März 1980. 17 Rußland, 1985, 107. 18 Vgl. Mitteilung des DGB-Bundesvorstandes über den geänderten Beschluss an alle Gewerk- schaften und Industriegewerkschaften und Vorstände der DGB Landesbezirke und Kreise vom 2. Dezember 1981. Privatsammlung Monique Troedel. 19 Der Beschluss wurde zitiert in: Ministerin für die Gleichstellung von Frau und Mann, 1993, 32. 20 Vgl. Schmitter, 1998, 191. 21 Vgl. Kassel, 2001, 126. und Protokoll des DGB-Kreisfrauenausschuss vom 16. März 1982, TOP. 1.e. 22 Protokoll des DGB-Kreisfrauenausschuss vom 7. Januar 1981. Privatsammlung Else Esselborn. 23 Gespräch mit Monique Troedel am 15. Mai 2009. 24 Vgl. Tischvorlage für die Kreisvorstandssitzung am 14. Dezember 1981. Privatsammlung Helga Antesberger. 25 Foto aus der Privatsammlung Else Esselborn. 322 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage

26 Vgl. Protokoll der Frauenausschusssitzung der IG Metall vom 2. März 1982. Privatsammlung Helga Antesberger. 27 Vgl. Bremer Nachrichten vom 9. März 1982. 28 Vgl. Gespräch mit Else Esselborn am 11. Mai 2009. 29 Gespräch mit Else Esselborn am 11. Mai 2009. 30 Vgl. Protokoll der Sitzung des Kreisfrauenausschusses am 16. März 1982. 31 Protokoll der Sitzung des Kreisfrauenausschusses am 13. Dezember 1982. 32 Aufruf zum 8. März 1983, IG Metall-Bremen. 33 Weser-Kurier vom 5./6. und vom 9. März 1983 und Bremer Nachrichten vom 10. April 1983. 34 Bremer Nachrichten vom 9. März 1984. 35 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 1984. 36 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 1984. 37 Arndt u.a., 1984, 4–5. 38 Vgl. Arndt u.a., 1984, 5–7. 39 Das Logo wurde dem Hochschulecho, Zeitung der DKP-Hochschulgruppe in Bremen, entnom- men, Mai 1984. Universität Bremen, Zentralarchiv, 7 lp Nr. 2159. 40 Weser-Kurier vom 14. Mai 1984; Arndt u.a. 1984, 122–123. 41 Es wurde aus dem Einladungsschreiben zitiert, das Ursula Kerstein als Landesbeauftragte an die Frauengruppen und Frauenorganisationen am 30. November 1984 verschickt hatte. Privat- sammlung Margot Konetzka. 42 Vgl. Schreiben der Landesbeauftragten Ursula Kerstein vom 4. April 1985. Privatsammlung Margot Konetzka. 43 Vgl. Lenz, 2008, 581–582. 44 Aus dem Rundschreiben der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberech- tigung der Frau (ZGF) vom 4. April 1985: „An alle interessierten Frauenverbände, -gruppen und -institutionen“ Privatsammlung Margot Konetzka. 45 Vgl. Aufruf des Bremer Bündnisses, vorgestellt am Muttertag, 12. Mai 1985. Privatsammlung Margot Konetzka. 46 Zitiert aus dem Flugblatt der IG Metall-Frauen zum Frauentag 1983. 47 Zitat: Bremer Rundschau vom 9. März 1985. Fotos: Privatbesitz Else Esselborn. 48 Bericht über die Aktionen zum 8. März 1985, in: Weser-Kurier vom 10. März 1985. 49 Auswertung der Kulturveranstaltung des DGB am 8. März 1985, Protokoll vom 19. März 1985. Privatsammlung Helga Antesberger. 50 BBZ vom 7. Mai 1960. 51 „Frauen fordern ihre Rechte“, Faltblatt der DFI zum Internationalen Frauentag 1980. Bremer Frauenarchiv und Dokumentationszentrum belladonna. 52 Bremer Rundschau vom 9. März 1985. 53 Neustadter vom April/Mai 1985. Privatsammlung Helga Antesberger. 54 Vgl. DGB Informationen für Presse Funk Fernsehen vom 7. März 1985, Pressemitteilung Nr. 324. AdsD/FES, ZASS III, 3-Bevölkerung/Frauen, 5839. 55 Vorstand der IG Metall, 1985, 8. 56 Vgl. Weser-Kurier vom 8. März 1986, Titelseite: Zehn-Prozent-Hürde für Frauen beklagt; Pres- sedienst des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit vom 7. März 1986, DGB-In- formationen, Nr. 6 „Wir wollen Brot und Rosen“, 2. 57 Stuttgarter Zeitung vom 7. März 1986. AdsD/FES, ZASS,III, 3-Bevölkerung/Frauen, 6292. 58 dpa-Meldungen zum 8. März 1986. AdsD/FES, ZASS,III, 3-Bevölkerung/Frauen, 6292. 59 Pressemeldung Frauen/ASF 8/9. März 1986. AdsD/FES, ZASS,III, 3-Bevölkerung/Frauen, 6292. 60 Bundesvorstand der ASF, 1996, 27. 61 Vgl. Weser-Kurier vom 8. März 1986. 1980 bis 1989 323

62 Veröffentlichung der IG Metall o.J. Privatsammlung Helga Antesberger. 63 Erläuterungen zu dem Lied „Brot und Rosen“ in den Veröffentlichung der IG Metall o.J. Privat- sammlung Helga Antesberger. 64 DGB-Flugblatt zum 75. Geburtstag des Internationalen Frauentages, Rückseite. Privatsamm- lung Else Esselborn. 65 Vgl. BN vom 8. März 1986. 66 Zitate aus dem Flugblatt zur Kulturveranstaltung am 7. März 1986. Privatsammlung Helga Antesberger. 67 Zitate aus dem Protestbrief von Else Esselborn, den diese auch im Namen des DGB-Kreisfrau- enausschusses an Radio Bremen geschrieben hatte. Privatsammlung Else Esselborn. 68 Zitat aus dem Antwortschreiben von Radio Bremen vom 30. April 1986 auf den Protestbrief von Else Esselborn. Privatsammlung Else Esselborn. 69 Vgl. Rede von Ingrid Busboom vom 8. März 1986. Privatsammlung Ingrid Busboom. 70 Gespräch Monique Troedel 15. Mai 2009. 71 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) waren in den 1980er Jahren eine bewährte Metho- de, um die Arbeitslosenzahlen niedriger aussehen zu lassen, als sie in Wirklichkeit waren. Da ABM-Stellen verstärkt im sozialen und kulturellen Bereich geschaffen wurden, nutzten Frauen, die in diesem Bereich keine festen Stellen bekommen konnten, die Möglichkeit, über eine ABM-Maßnahme ihren Berufswunsch zu realisieren. Auch Frauenprojekte finanzierten ihre Arbeitsstellen über ABM-Beschäftigung. Vgl. Das Finanzierungsmodell bei belladonna, in: belladonna, Hrsg., ca. 2001, 70. 72 Gespräch mit Gabi Grete Kellerhoff am 6. April 2009. 73 Gespräch mit Gabi Grete Kellerhoff am 14. September 2010. 74 Gespräch mit Monique Troedel am 15. Mai 2009. 75 Arbeitspapier „8. März 1987 Internationaler Frauentag“ o.D. Privatsammlung Gabi Grete Kel- lerhoff. 76 Vgl. Arbeitspapier „8. März 1987 Internationaler Frauentag“ o.D., Privatsammlung Gabi Grete Kellerhoff. 77 Vgl. dazu Notizen von Helga Antesberger zum Internationalen Frauentag 1987. Privatsamm- lung Helga Antesberger. 78 Foto: Dr. Wilfried Seehofer, Bremen. 79 Weser-Kurier vom 7. März 1987. 80 Weser-Kurier vom 7. März 1987. 81 Bremer Nachrichten vom 9. März 1987. 82 Vgl. taz Bremen vom 9. März 1987. 83 Vgl. Weser-Kurier vom 6. März 1987. 84 Vgl. Schreiben des „Frauenausschuß der IGM an Bürgermeister Wedemeier“ o.D. Privatsamm- lung Helga Antesberger. 85 Aufruf der Jungsozialisten der Bremer Neustadt, März 1987. Privatsammlung Helga Antesber- ger. 86 Vgl. taz Bremen vom 9. März 1987. 87 Materialsammlung des DGB Hauptvorstandes, Abt. Frauen, Nov. 1987, „Internationaler Frauen- tag 1988“, 2. 88 Aus der Presseerklärung von Ursula Kerstein zum Internationalen Frauentag 1988, 1. Privat- besitz Ursula Kerstein. 89 Vgl. Weser-Kurier vom 8. März 1988. 90 Vgl. Weser-Kurier vom 8. März 1988. 91 Vgl. Weser-Kurier und taz vom 9. März 1988. 92 Weser-Kurier vom 9. März 1988 93 Vgl. taz Bremen vom 9. März 1988. 94 Vgl. Weser-Kurier vom 8. März 1988. 324 Tradition mit Zukunft – Internationale Frauentage

95 „Sinn: froh, einfach so, Konstruktives zum Internationalen Frauentag“, taz Bremen, Kommen- tar vom 9. März 1988. 96 Volkszeitung vom 4. März 1988. 97 Vgl. Protokoll der Sitzung des Kreisfrauenausschusses am 22. März 1988. 98 Vgl. Aufruf zum Internationalen Frauentag – 8. März 1989. 99 Vgl. Elke Kügler, 1989, Abtreibung vor Gericht, Eine Dokumentation und Einschätzung zum Prozess, Herausgegeben von Pro Familia, Deutsche Gesellschaft für Sexualberatung und Fa- milienplanung, Holzmeyer, . 100 Vgl. Protokoll des Vorbereitungstreffens zum 8. März vom 15. Februar 1989. Privatsammlung Gabi Grete Kellerhoff. 101 Informationen, Freie Hansestadt Bremen, Der Senat, 7. Ausgabe vom 3. März 1989. 102 taz Bremen vom 9. März 1989. 103 Vgl. Weser-Kurier vom 7. März 1989. 11.

Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland 1990–2010 326 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

Zwischen dem Internationalen Frauentag 1989 und dem des Jahres 1990 hatte in der internationalen Politik und zwischen den beiden deutschen Staaten ein grundlegender Veränderungsprozess begonnen. Das Zeitalter der Konfrontation und der Teilung Europas ging seinem Ende entgegen. Dabei war der wichtigste Prozess die Erosion der Sowjetunion und des gesamten Ostblocks, mit der ein scheinbar unerschütterliches System zusammen- brach. Für Deutschland brachte das nach 40 Jahren die Wiedervereinigung. Ein Symbol für die Teilung der Welt in zwei Blöcke war das zugemauerte Brandenburger Tor gewesen. Seine Öffnung und der Fall der Mauer symbolisierten die Zeitenwende des Jahres 1989. Die größten Veränderungen hatten dabei die Menschen in der DDR zu bewältigen. In Westdeutschland, der alten Bundesrepublik, war von großen Umwälzungen zunächst wenig zu spüren. Auch die Regierungskoalition aus CDU/CSU-FDP wurde bei den Bundes- tagswahlen 1990 und 1994 im Amt bestätigt. Die 1990er Jahre waren geprägt von einer konservativen Geschlechterpolitik. Das zeigte sich besonders im Umgang mit dem § 218. In der DDR galten die Fristenregelung und das Selbstentscheidungsrecht der Frauen. Die Akteurinnen der neuen Frauenbewegung in der DDR und die Frauenbewegung in Westdeutschland forderten, dass diese Regelung nach der Vereinigung in ganz Deutschland gelten sollte. Doch es kam anders. Zwar konnte „ein überparteiliches Bündnis von Abgeordneten aus der SPD und FDP zusammen mit Ver- treterinnen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen am 26. Juni 1992 eine Fristenregelung mit Beratungspflicht im Bundestag“ zunächst durchsetzen. Doch auf Antrag der bayeri- schen Landesregierung und der Mehrheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärte das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz im Jahr 1993 für grundgesetzwidrig. Daraufhin beschlossen SPD, CDU und FDP 1995 den reformierten § 218, der an der Strafbarkeit der Abtreibung festhielt, aber Schwangerschaftsunterbrechung vor der zwölften Woche und bei einer vorangegangenen Beratung von der Regelung ausschloss.1 Damit war die Fristenlösung erneut – wie schon 1975 – durch das Bundesverfassungsgericht ausgehebelt worden. Die konservative Linie der Bundesregierung zeigte sich auch in der Umgestaltung des Frauenministeriums, das 1994 in das „Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ eingegliedert wurde. Mit der Berufung von Claudia Nolte als neue Familienmi- nisterin bestimmte seit 1994 eine „aktive Lebensschützerin und konservative Ostfrau“ die politische Linie in der Frauenpolitik. Sie wandte sich gegen jeden Kompromiss beim § 218 und gegen die Einführung von Frauenquoten. Eine ganztägige Erwerbstätigkeit von Müttern lehnte sie ab.2 Auch beim Thema Vereinbarkeit von Kind und beruflicher Laufbahn ging es nicht um die Erwerbsintegration von Müttern in Vollzeit-Arbeitsverhältnissen. Im Jahr 1995 wurde der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab drei Jahren im Gesetz festgeschrie- ben, doch ein Anspruch auf Ganztags-Kinderbetreuung war damit nicht verbunden. So schufen die Kommunen aus Kostengründen mehrheitlich Kindergärten mit Halbtags- angeboten, was bedeutete, dass Mütter weiterhin auf Teilzeitarbeit verwiesen wurden. Das galt vor allem für die alten Bundesländer, während in Ostdeutschland Frauen grund- sätzlich auch mit kleinen Kindern einer Vollzeit-Beschäftigung nachgingen – die Frauen hatten durchgesetzt, dass die noch aus DDR-Zeiten bestehende ganztägige öffentliche Kinderbetreuung – wenn auch nicht in vollem Umfang – erhalten blieb.3 Im Verlauf der 1990er Jahre zeigte sich, wie sehr die Neue Frauenbewegung die Ein- stellungen und das Verhalten von Frauen beeinflusst hatte. Das ließ sich am deutlichsten am Wahlverhalten der Frauen ablesen: Bereits seit 1972 votierten junge Frauen mehr- heitlich für die SPD. Mit dem Auftreten der Grünen erhielten diese einen beträchtlichen 1990–2010 327

Anteil der Stimmen junger Wählerinnen. Von dieser Umorientierung der Frauen war vor allem die CDU betroffen. Sie konnte unter den jüngeren Frauen keine Mehrheiten mehr gewinnen. Dieser Trend setzte sich „leicht zeitversetzt auch bei den älteren Frauen fort“. Und so gewannen SPD und Grüne letztlich durch den Stimmenzuwachs bei den Frauen die Bundestagswahl 1998.4 Nach 16 Jahren konservativer Regierungspolitik setzten die Wählerinnen jetzt hohe Erwartungen in die neue Bundesregierung. Zwar berief Bundeskanzler Gerhard Schrö- der eine ganze Reihe von Frauen in sein Kabinett, doch Gleichberechtigung und Frauen- politik – was der Kanzler gleich zu Beginn seiner Regierungszeit als „Gedöns“ bezeichnet hatte – waren in der neuen Regierung von nachrangiger Bedeutung. Der frauenpolitische Aufbruch blieb aus, stattdessen wurden bei dem umfangreichen sozialen Reformpro- gramm „Agenda 2010“ Geschlechterfragen eher hintangestellt. Unter der SPD-Ministerin Renate Schmidt leitete die rot-grüne Regierung dann „eine Schwerpunktverlagerung von der Frauenpolitik zur Familien- und Vereinbarkeitspolitik“ ein – an die CDU-Ministerin Ursula von der Leyen in der ab 2005 regierenden Großen Koalition mit ihrem Konzept des Ausbaus der staatlichen Kinderbetreuung und dem Elternurlaub gut anknüpfen konnte. Zu Beginn der 1990er Jahre mussten sich die Frauen in Ost und West mit veränderten politischen und wirtschaftlichen Bedingungen auseinandersetzen. In Ostdeutschland waren die Menschen mit der für sie völlig neuen Situation der Arbeitslosigkeit konfrontiert. Vor allem stieg die Arbeitslosenquote bei den Frauen. Doch es gingen nicht nur ihre Arbeits- plätze verloren, es verschwanden ebenso die gesellschaftlichen Organisationen, die die so- zialen und politischen Rahmenbedingungen in der DDR bestimmt hatten. Zugleich wurde das bundesrepublikanische Wirtschafts- und Rechtssystems für die neuen Bundesländer festgeschrieben.5 Die Frauen bekamen die negativen Folgen bald zu spüren, wie das ge- schilderte Beispiel der Wiedereinführung des Strafrechtsparagraphen 218 belegte. Dagegen organisierte vor allem der neue Frauenverband (UFV), der noch zu DDR-Zeiten gegründet worden war, den Protest. Er nutzte für seine Aktionen den Internationalen Frauentag. Es war der UFV, der den Frauenstreiktag am 8. März 1994 anregte und mit organisierte.6 Der Auflösungsprozess der DDR betraf auch einen Teil der politischen Akteurinnen in der BRD. Zunächst war davon vor allem die DKP betroffen. Sie hatte ihre Politik auf das sozialistische System ausgerichtet und war finanziell abhängig von der SED. Die Partei ver- lor also mit dem Ende der DDR und der Auflösung des sowjetischen Systems gleichzeitig ihren politischen wie materiellen Rückhalt. Damit verschwand eine wichtige Trägerorgani- sation des Internationalen Frauentages. Die Auflösung des „real existierenden Sozialismus“ betraf natürlich genauso Frauen- kulturprojekte und Initiativen. Viele der Initiativen hatten zur DDR und zur Sowjetunion eine kritische Distanz gehalten, gleichwohl war für diese Gruppen die Existenz eines an- deren politischen und wirtschaftlichen Systems ein sichtbares Zeichen, dass es zum „real existierenden Kapitalismus“ eine Alternative gab. Und einige der Gruppen hatten auch von materiellen Zuschüssen durch die DDR-Regierung profitiert, zum Beispiel durch die Finanzierung von Verlagen und Zeitschriften und durch Unterstützung von Kulturgrup- pen. Da im gleichen Zeitraum auch noch die Fördermittel für alternative Kulturarbeit von der Bundesregierung zusammengestrichen wurden, verschwanden im Verlauf der 1990er Jahre viele der feministischen und autonomen Frauengruppen. Alle diese Gruppen aber waren an der Ausgestaltung der Internationalen Frauentage aktiv beteiligt gewesen. Ihr Verschwinden trug mit dazu bei, dass sich das Erscheinungsbild der Frauentage in den letzten zehn Jahren verändert hat. 328 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

Doch das hatte keinen Einfluss darauf, dass sich die Idee des Internationalen Frauen- tages seit Beginn der 1990er Jahre immer weiter verbreitete. In immer mehr Städten und Gemeinden gab es Aktivitäten am 8. März und die Medien berichteten an diesem Datum über Frauenthemen und die Forderungen der Frauen. Auch Regierungen, Parteien und Gewerkschaften kamen an diesem Datum nicht mehr vorbei. Mehrfach debattierte der Bundestag am 8. März über die Situation der Frauen und regelmäßig veröffentlichten die Bundesministerinnen frauenpolitische Erklärungen. Nicht nur in Bremen gehörte der 8. März zu den Pflichtterminen weiblicher Bürgerschaftsabgeordneter. In der Politik, den Medien, an den Hochschulen und Universitäten traten Frauen öffent- lich in Erscheinung und prangerten die Defizite in der Gleichstellung mit den Männern an. Mit gewachsenem Selbstbewusstsein thematisierten sie die Hindernisse, die Frauen auf der beruflichen Karriereleiter zu überwinden hatten. Das Medieninteresse am Frauen- tag bot Gelegenheiten, den Protest öffentlich zu machen. Zugleich beteiligten sich weitere Frauenorganisationen. In Bremen engagierten sich neben der Zentralstelle für Gleichbe- rechtigung und der Frauenbeauftragten, dem Kultur-Kommunikations- und Bildungszen- trum belladonna und den DGB-Frauen jetzt auch die Frauen der evangelischen Kirche, der Bremer Frauenausschuss mit seinen über 40 angeschlossenen Verbänden, die Partei- frauen von Bündnis 90/Die Grünen, der ASF, die CDU-Frauenunion, Frauen der Partei DIE LINKE und Frauenprojekte wie auch die VHS und Pro Familia. In den Jahren von 1990 bis 2010 entwickelte sich der Internationale Frauentag in Bremen zu einem politischen Forum, auf dem Frauengruppen und -organisationen zusammenkamen, ihre Themen und Forderungen austauschten und an die Öffentlichkeit brachten. Dabei war zu Beginn der 1990er Jahre beispielsweise die Ausgestaltung der Gleichstel- lungsgesetze für den öffentlichen Dienst ein Thema. Gewerkschafterinnen, Parteifrauen und Frauengruppen unterstützten sich dabei gegenseitig. Auch in Bremen wurde um die einzelnen Paragraphen des „Gesetzes zur Aufhebung der Benachteiligung von Frauen im öffentlichen Dienst“ heftig gestritten.7 Ein zentrales Thema, dass auf den Frauentagen bis 2010 vorgetragen und diskutiert wurde, war die Frage der Vereinbarkeit von Beruf, Familienarbeit und Kindererziehung. In Bremen standen deshalb Ausbau und Erhalt von Ganztags-Kinderbetreuungseinrichtun- gen regelmäßig auf dem Forderungskatalog zum Frauentag. Doch der 8. März war nach Ansicht der Akteurinnen nicht nur dazu da, gebetsmüh- lenartig immer wieder die gleichen Forderungen zu wiederholen. Genutzt werden sollten die Frauentage auch, um über alternative Lebensentwürfe und Zukunftsperspektiven zu reden. Denn die offiziell verhandelten und geförderten Projekte, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen sollten, blieben darauf ausgerichtet, weiterhin den Frauen die Verantwortung für Familie und Kinder aufzubürden. Auf den Podiumsdiskussionen wurden Gegenmodelle entwickelt, die auch Männer in die Alltags- und Familienarbeit einbezogen. Denn für eine gleichberechtigte Zukunft musste – so die Überlegungen der Frauen – die Erwerbs- und Hausarbeit zwischen den Geschlechtern grundsätzlich neu verteilt werden. Zunehmend richtete sich der Blick der Frauen auch auf die internationalen Entwick- lungen. Die Globalisierung hatte für Frauen weltweit tiefe Einschnitte in die Lebens- und Arbeitsverhältnisse zur Folge. Frauen aus Osteuropa und Afrika waren auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen oder als Flüchtlinge und Verfolgte aus Krisenregionen nach Deutschland gekommen. Deutschland wurde zum Einwanderungsland.8 Und an den Frauentagen beteiligten sich immer mehr ausländische Frauen und Migrantinnengruppen, die zu aktiven Mitgestalterinnen der Veranstaltungen wurden. Sie erhoben ihre Forde- 1990–2010 329 rungen nach eigenständigem Aufenthaltsrecht und verurteilten die Ausländerpolitik der Bundesregierung. Doch sie kritisierten zugleich die deutschen Frauen, die von den billigen Putzfrauen und Altenpflegekräften profitierten und sich so an der Ausbeutung der Mig- rantinnen beteiligten. Nach der „Epochenwende“9 1989/1990 blieb das erhoffte Zeitalter des Friedens aus. Am 26. Januar 1991 protestierten in Bonn über 200.000 Menschen gegen den ersten Golf- krieg, der eine Reaktion auf die Invasion des Iraks unter Sadam Hussein in Kuweit war.10 Bereits Mitte Januar startete mit der Frauenaktion Scheherazade eine Friedensinitiative der Frauen gegen den Golfkrieg. In Bremen entschlossen sich die Frauen des Aktions- bündnisses, das Motto und die politische Ausrichtung des Frauentages 1991 zu ändern. Der drohende Krieg wurde das beherrschende Thema. Die Akteurinnen organisierten an den Frauentagen Proteste gegen die Menschenrechts- verletzungen an Frauen in den Kriegsgebieten.11 Und es war der Verdienst der Frauenbe- wegung, dass der Zusammenhang von sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen in der Familie und privaten Beziehungen und die von den Armeen im Krieg ausgeübten Verge- waltigungen, Zwangsschwangerschaften und Zwangsprostitution herausgearbeitet wurde. Das Thema der häuslichen Gewalt in der Ehe hatte die Frauenbewegung bereits in den 1970er Jahren beschäftigt. Die Frauen forderten, Vergewaltigung in der Ehe als strafbare Handlung juristisch zu verfolgen. Die Einrichtung von Frauenhäusern war ein sichtbares Zeichen für die sexualisierte Gewalt in den Geschlechterbeziehungen. An den Frauenta- gen wurde mit Straßenaktionen und in Debatten mit Abgeordneten der Bremischen Bür- gerschaft die Forderung in die Öffentlichkeit getragen. Durch den wachsenden öffentlichen Druck und das Zusammenwirken weiblicher Abgeordneter über Fraktionsgrenzen hinweg gelang es 1997, die Vergewaltigung in der Ehe aus dem rechtsfreien Raum herauszuholen und unter Strafe zu stellen. Unter der rot-grünen Koalition wurde dann das Gewaltschutz- gesetz verabschiedet, das den Opfern von häuslicher Gewalt den Verbleib in der Wohnung ermöglichte und den misshandelnden Partner durch das Wegweisungsrecht von ihnen fern hielt. Auch bei der Verbesserung des Aufenthaltsrechts für ausländische Ehefrauen konnten in den 1990ern rechtliche Fortschritte gemacht werden.12 Doch trotz dieser Erfolge blieb die grundlegende Ungleichheit zwischen den Geschlech- tern bestehen. An den großen Lohnunterschieden zwischen Frauen und Männern hatte sich im Laufe der Jahre nichts geändert. Zwar stieg der Anteil der weiblichen Erwerbs- tätigen in den Jahren ständig an, aber Frauen waren überdurchschnittlich häufig teilzeit- beschäftigt und weibliche Führungskräfte bildeten weiterhin die Ausnahme. Ein Resultat des Umbaus des Sozialsystems war, dass Frauenarmut erschreckend zugenommen hatte und dass für viele Frauen – vor allem für alleinerziehende Mütter – Armut im Alter vor- programmiert war. Die alte/neue soziale Frage stand im neuen Jahrtausend weiterhin auf der Agenda der Frauentage in Bremen. Und auch die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf war letztlich ungelöst und musste zentrales Thema des 8. März bleiben.

„Halbe-Halbe“ – Frauentag 1990

In offiziellen Stellungnahmen zum Internationalen Frauentag 1990 spielte die Vereinigung Deutschlands und die Rolle der Frauen in diesem Prozess eine wichtige Rolle. Bundesfa- milienministerin Ursula Lehr (CDU) nannte die Vereinigung „eine neue Herausforderung in der Gleichberechtigungspolitik“ und sprach sich in ihrer Presseerklärung zum Frauentag 330 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland dafür aus, „nach der Wahl zur Volkskammer am 18. März eine ‚Deutsche Gleichberechti- gungskonferenz‘ einzuberufen“13. In beiden Staaten begleiteten die Frauen den Vereinigungsprozess mit kritischen Bei- trägen und Forderungen. Der im Dezember 1989 in der DDR gegründete Unabhängige Frauenverband (UFV) fasste seine politischen Einschätzungen und Forderungen in einem Gründungsmanifest – „Ohne Frauen ist kein Staat zu machen“ – zusammen.14 Die Verfasse- rinnen plädierten für einen „modernen Sozialismus auf deutschem Boden“. Sie wollten die DDR als eigenen Staat erhalten, jedoch von Grund auf umgestalten. Doch schon wenige Wo- chen später war entschieden, dass die Vereinigung sehr bald vollzogen sein würde. Deshalb drängten Frauen aus Ost und West darauf, konkrete Verbesserungen für Frauen im geeinten Deutschland auszuhandeln. Die ASF startete auf ihrem Bundeskongress Anfang März 1990 in Essen eine deutsch-deutsche Kampagne. Die Sozialdemokratinnen aus Bundesrepublik und DDR wollten gemeinsam für Gleichstellungsgesetze kämpfen. Als erste Regelungen for- derten sie: „Das gesetzlich verankerte Recht auf staatlich finanzierte Ganztags-Kindergärten und Ganztagsschulen. Eine Quotenregelung auch für die Wirtschaft, die über das Betriebs- verfassungsgesetz verankert und über öffentliche Aufträge gefördert wird. Die Herausnahme des Abreibungs-Paragraphen 218 aus dem Strafgesetzbuch.“15 Auch in Bremen wandten sich Frauenorganisationen, autonome Projekte, Gewerkschaf- terinnen und Parteifrauen gemeinschaftlich mit der Frauengruppe des Unabhängigen Frauenverbandes der Partnerstadt Rostock in einem Appell zum Internationalen Frauen- tag 1990 an die Öffentlichkeit: „Wir werden nicht die Zeche zahlen – Kein Ausverkauf von Frauenrechten.“16 Die Unterzeichnerinnen betonten, dass die Öffnung der Mauer auch für Frauen eine Chance bedeute, stellten jedoch zugleich fest, „daß die westliche Män- nermacht ganz unverhohlen mit der harten DM in der Hand ihre Bedingungen setzt für Aufbauhilfen in der DDR“. Die Unterzeichnerinnen befürchteten, dass mit dem System der sozialen Marktwirtschaft auch alle anderen westlichen Verhältnisse in der DDR Einzug halten würden – was Frauen schlimmer als Männer treffen würde – und „daß Frauenfor- derungen in der BRD und in der DDR auf lange Zeit mit dem Hinweis auf die Reparatur- kosten für die DDR abgeschmettert werden.“ Die Unterzeichnerinnen riefen deshalb die Frauen in Ost und West auf, sich dagegen zur Wehr zu setzen, „daß die Restauration auf dem Rücken der Frauen ausgetragen wird.“ Gleichzeitig setzten sich Gewerkschafterinnen der ÖTV in Bremen mit dem neuen Lan- desgleichstellungsgesetz auseinander. Beim Pressegespräch am 8. März kritisierten die Vorsitzende des ÖTV-Kreisvorstandes Gisela Hülsbergen und die Vorsitzende des ÖTV- Kreisfrauenausschusses Irmtrud Gläser das von der SPD-Bürgerschaftsfraktion vorgelegte „Gesetz zur Aufhebung der Benachteiligung von Frauen im öffentlichen Dienst“, weil in dem Entwurf vorgesehen war, die Frauenbeauftragten nicht bei den Personalräten anzu- siedeln, sondern bei den Arbeitgebern. In dieser Regelung sahen die Gewerkschafterinnen einen Versuch der Arbeitgeber, Einfluss auf die Frauenbeauftragten auszuüben.17 Die Organisatorinnen der Frauentagsveranstaltungen des 8. März 1990 verzichteten auf allgemeine Protesterklärungen und einen Forderungskatalog und entwickelten statt- dessen das politisch-kulturelle Aktionskonzept der Vorjahre weiter. Auf ihrem Wochenend- seminar im Oktober 1989 hatten die Gewerkschafterinnen diskutiert, „daß es keine langen bzw. überhaupt keine Reden geben sollte“.18 Stattdessen sollten in Form von Straßenthea- terszenen und Sketchen die „Zukunftsvisionen der Frauen“ dargestellt werden. 1990–2010 331

Unter dem Motto „Halbe–Hal- be“ wollten die Frauen Gegen- entwürfe zur traditionellen Ar- beits(ver)teilung und Geschlech- terhierarchie darstellen.19

Auch auf die Wiederholung ihrer immer noch nicht erfüllten Forderungen verzichteten die Frauen. Stattdessen stand auf dem Flugblatt nur eine scheinbar willkürliche Wörterkette:

Donnerstag…dabeisein…draußen…demo…dafür…dagegen.danach…atlas… venus…ganze-welt…halber-himmel…ganze-hölle…halbe-halbe schwarze-weiße-rote-gelbe-frauen beladen…überladen…verladen…geladen…aus ost…west…süd…nord20

Und weil die Frauen auch „keine Lust auf eine herkömmliche Demonstration hatten“, strömten sie am 8. März aus drei Richtungen und begleitet von „Samba-Rhythmus auf den Bremer Marktplatz. Geschmückt mit Stirnbändern und Schals in Lila und Pink schwangen sie Transparente, schoben Kinderwagen und verteilten Flugblätter.“21 Es ging beschwingt und fröhlich zu – und doch war es den Frauen ernst mit ihrer Forderung nach „der Hälfte von allem“. In allen Arbeits- und Lebensbereichen sollte für Männer und Frauen gelten: Halbe–Hal- be. Und die Frauen führten es vor: „Haben Sie zu Hause keine Arbeit? Haben Sie keinen Mann?“, fragte in einem Sketch vor dem Rathaus ein Kollege eine Frau bei der Arbeit. Sie überreichte ihm die Klobürste und schickte ihn zur Hausarbeit. Als er betroffen mit der Klobürste in der Hand stehen blieb, fragte sie ihn: „Noch nie was von Quotierung gehört?“ Und der Mann guckte zerknirscht. „Die Zuschauerinnen klatschen und jubeln“, fährt die Beschreibung einer Spielszene in der taz Bremen vom 9. März 1990 fort. Nach den Aktio- nen zogen alle Frauen in den „futuristisch geschmückten“ Saal im Konsul-Hackfeld-Haus zum Frauenkulturfest.22 Was so fröhlich und beschwingt daherkam, war das Ergebnis intensiver Arbeit. In mehreren Workshops hatten die Frauen die Szenen entwickelt und geprobt. Gabi Grete Kellerhoff, die vor allem die Werkstattarbeit angeleitet hatte, erläuterte damals in einem Interview, dass es für sie darauf ankomme, eine Verbindung von „Theater und Kabarett, ge- werkschaftlicher Frauenpolitik und Feminismus“ herzustellen und betonte, vor allem solle diese Form der Politikgestaltung den beteiligten Frauen Spaß machen. 23 Die Angestelltenkammer Bremen veranstaltete vor und nach dem 8. März ein kulturel- les Rahmenprogramm mit Frauenfilmen, Frauenkabarett und einem Jazzabend mit einer Frauenband. Schon immer hatte es diese Kulturfeste gegeben, bisher jedoch nicht als Er- gänzung des politischen Aktionsprogramms. Daraus entwickelte sich im Laufe der Jahre ein eigener Schwerpunkt mit Frauenkulturangeboten. Für den 9. und 10. März initiierten einige Frauen eine Tagung mit dem Titel: „Frauen ins Museum?“ Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, wie frauenspezifische Aspekte in der bremischen Museumslandschaft verankert werden könnten.24 Ein wichtiges Ergeb- 332 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland nis der Tagung war die Gründung des Vereins Bremer Frauenmuseum e.V., der sich in den folgenden Jahren regelmäßig an der Gestaltung des Internationalen Frauentages beteiligte. Wie in den Jahren zuvor begannen mit der Auswertung des Internationalen Frauenta- ges auch bereits die Vorbereitungen für den nächsten. Für die Gewerkschafterinnen stand fest, dass sie 1991 die katastrophale Kinderbetreuungssituation in Bremen unter die Lupe nehmen wollten. Mit politischen Aktionen wollten sie Druck auf die Bremer PolitikerInnen ausüben, damit sich endlich in Bremen etwas änderte. Doch dann begann der Krieg am Golf und in Deutschland entwickelte sich eine breite Protestwelle. Auch unter den Bremer Frauen gab es offensichtlich eine große Betroffen- heit, denn die Vorbereitungsgruppe für den Internationalen Frauentag verwarf ihre bishe- rigen Planungen25 und stellte den Frauentag unter ein neues Motto: „Die alltägliche Kette der Gewalt in unserer Gesellschaft führt letztendlich zur Akzeptanz eines Krieges.“ Die Bremerinnen beließen es nicht bei einem Aktionstag im Jahr 1991. Auch in den bei- den folgenden Jahren standen zum Frauentag die Themen Gewalt, Rassismus und Krieg im Vordergrund. Das Motto des Jahres 1991 wurde auch zum Leitgedanken für die Frauen- tage 1992 und 1993.

Internationale Frauentage 1991–1993 In der Textcollage des Flug- blattes26 waren Schlagzeilen über die vielen Formen der Gewalt, unter denen Men- schen alltäglich leiden, zu- sammengestellt worden. Bei genauem Hinsehen war noch zu erkennen, dass unter den Schlagzeilen von Krieg und Verbrechen das ursprüngli- che Thema des Frauentages, die Kritik an den Verhältnis- sen der Kinderbetreuung in Bremen, fast verschwand. Es war noch zu lesen: „2000 Er- zieherinnen: 23 Kinder pro Kraft“. Krieg, Gewalt, Verfol- gung rückten so sehr in den Vordergrund, dass darunter die Alltagsprobleme der Frauen fast begraben wur- den. Es war, wie es auf dem Flugblatt hieß, eine „Bilanz des Schreckens“. 1990–2010 333

„Bilanz des Schreckens“ – Frauentag 1991

Die Feierstimmung und der Spaß des Vorjahres waren aus den Straßenaktionen des 8. März 1991 verschwunden. Aus vier Richtungen kamen Demonstrationszüge zum Markt- platz, wo zuerst Frauen aus den vom Krieg betroffenen Regionen ans Rednerpult traten. Die Irakerin Huda Al-Hilali appellierte an die ZuhörerInnen, sich für einen wirklichen Frieden einzusetzen, denn „die Schlacht geht weiter und die Menschen in meiner Hei- mat sterben nach wie vor“27. Die kurdische Rednerin forderte den Abzug der türkischen Truppen aus Kurdistan. Monique Troedel, die neue Vorsitzende des DGB-Kreisfrauenaus- schusses, erklärte: „Dies ist kein Friede, wie wir ihn wünschen“, denn noch herrsche nur Waffenstillstand am Golf. 28 Die Vertreterin der Gruppe autonomer Lesben verwies auf den Zusammenhang von Sexismus und Militarismus: „Es geht bei beiden um die Herstellung und Erhaltung von Macht, der Macht des einzelnen Mannes über die Frau und der Macht des Militärs über das Territorium und der dort lebenden Menschen.“29 Zur Kundgebung hatten die Frauen der Bremer Aktion Scheherazade ein Mahnmal gebaut. Es war ein Obelisk, fragil zusammengesetzt aus weißen Fahnen, verziert mit Trauerflor. Nach der Kundgebung fand es seinen Platz vor der Kunsthalle.30 Auch auf dem Kulturfest am Abend nach der Kundgebung kamen Künstlerinnen aus den vom Krieg betroffenen Ländern zu Wort. Eine „türkische Schriftstellerin las ihre Gedichte und eine Irakerin spielte Geschichten aus ihrer Heimat“31.

„Contra Rassismus, Sexismus, Kolonialismus“ – Frauentag 1992

Im November 1991 ergriff der Bremer Frauenausschuss (BFA) die Initiative. Die erste Vor- sitzende Dr. Erika Riemer-Noltenius schlug vor, „den internationalen Frauentag am 8. März in Zukunft gemeinsam zu feiern, und zwar in der Form einer ganztägigen Debatte in der Bürgerschaft. Die Frauenthemen sollen in ihrer ganzen Breite an diesem Tag in Form von Anträgen, Resolutionen, Gesetzesentwürfen usw. diskutiert, beraten und beschlossen und darüber abgestimmt werden.“32 Sie schickte den Vorschlag an die Frauen der SPD, CDU, FDP, der Grünen und die Zentralstelle für die Gleichberechtigung der Frau (Bremen) so- wie den DGB-Kreisfrauenausschuss, die Bremer Frauenrunde, den Dachverband der Aus- länder-Kulturvereine, die Landeszentrale für politische Bildung – Frauenreferat und den Parlamentarischen Gleichstellungsausschuss. Diese Initiative beinhaltete ein neues Konzept für die Ausgestaltung und die inhaltliche Bestimmung des Frauentages. Am 8. März sollte in Zukunft zu einer frauenpolitischen Fragestellung ein Frauenplenum in der Bürgerschaft stattfinden. Dieses sollte nicht nur diskutieren, sondern auch Beschlüsse fassen und Gesetzesinitiativen einleiten können. Die Trägerinnen dieser Veranstaltung wären die Vertreterinnen der oben genannten Institutio- nen, Organisationen bzw. Frauengruppen und Projekte. Es gab viel Zustimmung für das neue Projekt – und erste Schwierigkeiten: Der 8. März 1992 fiel auf einen Sonntag und der Präsident der Bremischen Bürgerschaft sah keine Möglichkeit, sonntags die Räume zur Verfügung zu stellen. Und da für den deswegen anzumietenden Raum das Geld fehlte, mussten Bittbriefe verfasst werden.33 Doch die Frauen verfolgten ihr Konzept weiter. Der Frauentag 1992 wurde unter das Motto „Contra Rassismus, Sexismus, Kolonialismus“ gestellt.34 Am 8. März sollte das 334 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

„Frauenparlament“, wie die Akteurinnen ihr Diskussionsforum nannten, vor allem über die wachsende Fremdenfeindlichkeit in Deutschland und die Probleme der ausländischen Frauen diskutieren. Mit dem Begriff „Kolonialismus“ hatten die Organisatorinnen das ak- tuelle Thema des Jahres 1992 aufgegriffen: Europa und vor allem Spanien feierten den 500. Jahrestag der Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus im Jahr 1492. Gegen diese Jubelfeiern gab es Proteste und Gegenveranstaltungen. Allerdings stellte die Frauen- bewegung recht bald fest, dass bei keinem der Unternehmungen die Anliegen und Inter- essen von Frauen ernsthaft wahrgenommen wurden.35 Die Bremerinnen wollten auf die Jahrhunderte alte Unterdrückung von Frauen in der so genannten Dritten Welt durch ein europäisches Herrschafts- und Ausbeutungssystem hinweisen.36 Zugleich wollten die Organisatorinnen die besonderen Probleme von Migrantinnen auf- zeigen. Sie beschlossen deshalb, auf dem Frauenparlament 1992 vor allem ausländische Frauen zu Wort kommen zu lassen. Über das Vorgehen konnte sich die Vorbereitungs- gruppe einigen. Doch uneins waren sich die Frauen darüber, ob Männer nur geduldet – oder herzlich eingeladen waren.37 Dieser Streit über die Anwesenheit von Männern auf Veranstaltungen des Frauentages erregte immer wieder die Gemüter. Während die Ge- werkschafterinnen auf dem „Gemeinsam mit Männern“ beharrten, verließen manche auto- nomen Gruppen gelegentlich das Bündnis und organisierten ihre männerfreien Demons- trationen. Worauf sich die Frauen in jenem Jahr geeinigt haben, war dem Bericht nicht zu entnehmen. In ihrer Presseerklärung zum Internationalen Frauentag 1992 bezog sich die Senatorin für Arbeit und Frauen auf das geplante Frauenforum „Sexismus – Rassismus – Kolonia- lismus“ und forderte in dem Zusammenhang, den „Menschenhändlern, die ausländische Frauen mit falschen Versprechungen oder unter Gewaltandrohungen in die Bundesrepub- lik locken und hier zur Prostitution zwingen, endlich das Handwerk“ zu legen. Sie erklärte, dass sie sich für schärfere Gesetze gegen den Frauenhandel einsetzen werde.38 Am Sonntagvormittag des 8. März versammelten sich Frauengruppen unterschiedlicher politischer Strömungen in der Mensa der Hochschule für Technik zum gemeinsamen Fo- rum. Es begann mit Informationen über den weltweiten Frauenhandel, der „wie der Handel mit Kaffee oder Kakao ein weltweites Geschäft“ sei. Diese Zusammenhänge müssten die Frauen begreifen lernen, forderte Dr. Aditee Nag Chowdhury vom Dachverband ausländi- scher Kulturvereine. Und die Vertreterin der Frauenarbeit der evangelischen Kirche for- derte die deutschen Frauen auf, nicht länger wegzuschauen, wenn Unrecht geschehe. Sie rief den Frauen zu: „Setzt euch für die Flüchtlingsfrauen ein, geht in die Unterkünfte.“39 Die ausländischen Frauen sparten nicht mit Kritik an den „weißen“ Frauen: „Vergeßt nie die Privilegien eurer Dominanzkultur und daß ihr uns damit seelisch, physisch und existentiell zerstören könnt“, erklärte die Vertreterin vom Verein De Colores. Als in der wei- teren Debatte von den ausländischen Frauen die Position vertreten wurde, dass im Kampf um Gleichberechtigung möglicherweise auch deutsche Frauen Privilegien abgeben müss- ten, gab es Protest von Seiten der Gewerkschafterinnen. „Das bedeute ein Rückschritt für die Sache aller Frauen, eine engere Zusammenarbeit sei stattdessen angesagt.“40 Doch das waren Worte, die genauso wie die von Erika Riemer-Noltenius zu Beginn der Veranstaltung beschworene „multikulturelle Familie“ an den bitteren Erfahrungen der ausländischen Frauen vorbeiging. Die Differenzen, die zwischen ausländischen und deutschen Frauen auf dem Frauenplenum in Bremen aufbrachen, konnten nicht mit versöhnlichen Worten aus dem Weg geräumt werden. Die deutschen Frauen mussten zur Kenntnis nehmen, dass es eine Rangordnung gab, die sie zu Privilegierten gegenüber Ausländerinnen machte. Und sie wurden damit konfrontiert, dass sich die nicht-deutschen Frauen nicht auf den Status 1990–2010 335 des Opfers reduziert sehen wollten, sondern Selbstbestimmung und Gleichberechtigung forderten.41 Doch am Abend konnten die Kontrahentinnen trotzdem zusammen feiern. Zum Fest kamen auch die autonomen Frauen. Sie hatten die Tradition des Internationalen Frauentages aufrechterhalten und gemeinsam mit türkischen Frauen demonstriert.42 Trotz unterschiedlicher Positionen in einzelnen Punkten arbeitete das Bündnis weiter zusammen. Und gemeinsam wurde der Beschluss gefasst, am 8. März 1993 das Thema „Gewalt gegen Frauen“ – das die Migrantinnen besonders betraf – als zentrales Problem zu behandeln.

Ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen Gewalt – Frauentag 1993

Zum Internationalen Frauentag 1993 besetzten die Bremerinnen das Parlament. Was im Vorjahr noch gescheitert war, gelang im zweiten Anlauf: Die Vorsitzende des Parlaments- ausschusses „Förderung der Gleichberechtigung der Frau im Lande Bremen“, Maria Spie- ker, hatte durchgesetzt, dass das Frauenparlament im Plenarsaal der Bürgerschaft tagen konnte. Die Initiatorinnen hatten zu einem Tribunal eingeladen:

Gewalt gegen Frauen ist international Gewalt in der Sprache Gewalt in der Familie und Partnerschaft Gewalt am Arbeitsplatz Strukturelle Gewalt Gewalt gegen Migrantinnen43

An dem Ort, an dem immer noch eine männliche Mehrheit die politischen Weichen für Bremen stellte, sollten am 8. März Bremerinnen ihre Stimme gegen die alltägliche Gewalt gegen Frauen erheben.44 „Gekommen waren Parteifrauen und ganz Unorganisierte, Ab- geordnete und Gewerkschafterinnen, Hausfrauen und Aktive aus Flüchtlingsinitiativen, Video-Filmerinnen und Christinnen.“45 Im Plenum ging es zunächst um Schicksale von Mi- grantinnen: Mit dem Verweis auf Bilder und Berichte über Vergewaltigungen und sexuelle Folter an Frauen im Krieg in Bosnien forderte Dr. Erika Riemer-Noltenius: „Vergewaltigung muß in den Katalog der Kriegsverbrechen aufgenommen werden.“46 Die Sozialarbeiterin Semra Ulusoy wies auf die menschenunwürdigen Verhältnisse in den Flüchtlingsunter- künften hin, die oft besonders für Frauen belastend waren. Denn war es ihnen tatsächlich gelungen, der Hölle des Krieges durch Flucht zu entkommen, mussten sie in Bremen, wo sie Zuflucht zu finden hofften, damit rechnen, in den Bunkern aus dem Zweiten Weltkrieg untergebracht zu werden. Aber es meldeten sich auch Frauen zu Wort, die auf die „hierzulande üblichen Formen des Kaputtmachens und der Gewalt im Alltag“ hinwiesen. Eine junge Teilnehmerin forder- te die Frauen dazu auf, sich gegen die Frauenverachtung in der Werbung und in der Mode zu wehren: „Frauen sollten das nicht hinnehmen.“47 Nach zwei Stunden wurde das Tribunal beendet. Doch die Frauen gaben keine Ruhe. Auf dem Weg vom Plenarsaal zum Frauenfest im Gewerkschaftshaus ließen sie auf der Straße ihre Trillerpfeifen ertönen. Dabei stellten sie fest, dass ihnen das Pfeifkonzert auf der Straße sofort Respekt verschaffte. „Das sollten wir öfter machen“, wurde vorgeschlagen.48 336 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

Das Thema „Contra Gewalt“ war damit noch nicht ganz abgearbeitet: Am 9. März ver- anstaltete eine Frauengruppe noch eine Plakatwandaktion unter dem Motto „Männer- gewalt gegen Frauen“. Die Bremer Debatte war Teil einer bundesweiten Protestbewegung gegen rassistische Gewalt, die sich im Herbst 1993 zum Netzwerk „Initiative zur Änderung des § 19 Aus- ländergesetz“ zusammenschloss. Sie forderte ein unabhängiges Aufenthaltsrecht für ver- heiratete Migrantinnen, denn diese besaßen kein eigenes Aufenthaltsrecht in der BRD. Die Initiative organisierte Unterschriftenaktionen, Protestmärsche und Veranstaltungen und hatte damit schließlich Erfolg. 1997 erhielten Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Und die rot-grüne Koalition beschloss im Jahr 2000 auch ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für ausländische Ehegatten nach zwei Jahren Aufenthalt in der Bundesrepublik.49 Während der Vorbereitungen zum Internationalen Frauentag 1993 erlebten die Ge- werkschafterinnen männliche Vorherrschaft und Machtausübung auch in der eigenen Or- ganisation. Die Auseinandersetzung entspann sich um das Motto des DGB zum 1. Mai 1993. Nachdem die Frauen lange Diskussionen um Frauenförderpläne und Gleichstellung in der Organisation geführt hatten, sollte mit dem Motto „Frau geht vor“ zum 1. Mai ein Zeichen gesetzt werden, dass es den Gewerkschaften mit der Frauenförderung wirklich ernst sei. Das Motto wurde nach intensiven Beratungen gemeinsam beschlossen. Nach der Veröffentlichung des Beschlusses erklärte IG Metallvorsitzender Franz Steinkühler, dass er am 1. Mai nicht unter einem solchen Motto marschieren werde. Und er erhielt viel Beifall von Kollegen. Der DGB-Bundesvorstand ging einer Auseinandersetzung mit der IG Metall aus dem Weg und präsentierte im Dezember 1992 kurzerhand ein neues Motto: „Zeichen setzen: für Gleichberechtigung, Toleranz und Frieden“.50 Jetzt war Frauenförderung nur noch ein Thema unter anderen und in seiner Bedeutung entsprechend zurückgestuft – das Wort Frau kam schon gar nicht mehr vor. Die Kolleginnen waren empört und die Frauen protestierten, doch sie fanden sich schließlich mit dem Kompromiss ab. Die Frauen in Bremen wollten das jedoch nicht so einfach hinnehmen. Sie beschlossen eine Protestaktion am 1. Mai des Jahres. Monique Troedel kündigte im Pressegespräch zum Frauentag an: „Erstmals werden wir am diesjährigen 1. Mai nicht Seite an Seite mit den Männern, sondern als geschlossener Frauenblock gehen.“51 Den Kollegen sollte vor- geführt werden, dass sie in Zukunft mit dem „geschlossenen Block“ der Frauensolidarität rechnen mussten. „Wir sind dann auch an der Spitze des Zuges marschiert mit der Losung: Frau geht vor!“, berichtete Monique Troedel in einem Gespräch im Jahr 2009.

Frauenstreiktag – Frauentag 1994

Vorbereitungen

Nicht nur in den Gewerkschaften, überall im vereinigten Deutsch- land erlebten die Frauen, dass „antifeministische Positionen [wie- der] bei Männern und Frauen willkommen“ waren.52 Zum Beispiel machte sich das ZDF-Kulturmagazin Aspekte auf die Suche nach der „antifeministischen Feminität“.53 Solche ideologischen Kampagnen lieferten die Begleitmusik für den Kurs der Bundesregierung, die der Massenarbeitslosigkeit und den wachsenden sozialen Problemen 1990–2010 337 mit Einschnitten in das Sozialsystem begegnete. Dabei waren die Frauen von der wirtschaft- lichen Krise weitaus härter betroffen als die Männer und auch die Zahl der arbeitslos ge- meldeten Frauen stieg weitaus schneller. Vor allem in den neuen Bundesländern, aber auch im Westen der Republik wurden Frauenarbeitsplätze abgebaut.54 Ebenso betraf die Aus- weitung der Teilzeitarbeit vor allem Frauen. Ein Drittel aller abhängig beschäftigten Frauen war teilzeitangestellt und viele der Frauen wurden weiter zurückgedrängt in ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse und Minijobs.55 Insgesamt wurden ungleiche Arbeits(ver)teilung und Arbeitsentlohnung zwischen Frauen und Männern weiter verfestigt. Gleichzeitig wurden die staatlichen Zuschüsse für Frauenhäuser, Notrufgruppen, femi- nistische Gesundheits- und Beratungszentren gekürzt und ABM-Stellen gestrichen. Das bedeutete für diese Einrichtungen, dass sie ihre Angebote reduzieren mussten oder sogar ganz schließen. An diesem Punkt erlebte die Frauenbewegung erneut eine Niederlage im Kampf um die Abschaffung des § 218. Ihre Hoffnung war gewesen, dass die in der DDR gültige Fristen- regelung im vereinten Deutschland übernommen würde. Doch eine entsprechende Ge- setzesinitiative scheiterte am Bundesverfassungsgericht. Die Richter und eine Richterin erklärten die vom Parlament beschlossene Fristenregelung mit Beratungspflicht in Teilen für grundgesetzwidrig.56 Verschiedene Frauengruppen und -organisationen und viele politisch aktive Frauen hatten die Entwicklung nach der Vereinigung mit wachsendem Zorn beobachtet. An unter- schiedlichen Orten und in verschiedenen Gruppen setzten sie sich zusammen und be- sprachen, wie Widerstand organisiert werden könnte. Es gab erste Überlegungen, auch in Deutschland einen Frauenstreik durchzuführen, die erfolgreichen Streikaktionen der Schweizerinnen 1991 waren dabei ein Vorbild. Die Gewerkschafterinnen im Bundesfrauenausschuss besprachen die Idee bereits im März 1992. Auf dem Bundesfrauenkongress der Grünen im November 1992 diskutierten die Delegierten einen Frauenstreik als Aktionsmöglichkeit und noch auf der Rückfahrt vom Kongress verständigten sich ein paar Frauen darauf, einen solche vorzubereiten. We- nig später bildete sich das Köln-Bonner Streikkomitee. Auch die Teilnehmerinnen eines Kongresses des UFV debattierten Anfang Juni 1993 vor dem Hintergrund des Verfassungsgerichtsurteils zum § 218 über einen Frauenstreik. Die Frauen waren empört und wollten ihren Protest in der Öffentlichkeit vortragen.57 Doch sollte es bei dem Streik nicht nur um den § 218 gehen, sondern um das gesamte Spektrum weiblicher Diskriminierungen. Dementsprechend hieß es dann auch in dem vom UFV und dem Köln-Bonner Streikkomitee gemeinsam verfassten Streikaufruf: „Wir kündigen den patriarchalen Konsens.“58 Unter den aktiven Frauen stieß der Aufruf sofort auf ein breites Echo. Binnen kurzem bildeten sich örtliche Streikkomitees. Im Bündnis schlossen sich der UFV, grüne Feminis- tinnen, autonome Frauen und die Frauenabteilungen der Einzelgewerkschaften und des DGB zusammen. Zunächst war auch der Deutsche Frauenrat, der Dachverband von 56 Frauenverbänden und -organisationen, dabei. Doch angesichts „unterschiedlicher Posi- tionen und Taktik“ kam es zu Spannungen. Der Frauenrat organisierte dann eine eigene Großdemonstration am Sonntag, dem 5. März 1994, in Bonn.59 Die Streikkomitees konzentrierten sich dagegen auf dezentrale Aktionen in den Regio- nen, Städten und Betrieben. Dort sollten die Frauen selbst aktiv werden und mit eigenen Beiträgen das Streikgeschehen beeinflussen. Entsprechend war auch im Streikaufruf ein Katalog von Frauenforderungen zusammengestellt, der die vielfältigen Interessen der be- teiligten Frauen berücksichtigte. Doch darin steckte zugleich ein entscheidender Mangel 338 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland des Frauenstreiktags. Es fehlte das gemeinsame Thema, das alle hätte zusammenschwei- ßen und mobilisieren können. Außerdem gab es im Vorfeld Auseinandersetzungen über die Frage, was denn ein Frauenstreik sei und wie die Gewerkschaften mit Frauenstreikaktionen in den Betrie- ben umgehen sollten. Denn in der Bundesrepublik dienen Streiks der Durchsetzung von Forderungen im Lohnarbeitsverhältnis und sind in ein System von Regeln und Rechts- normen eingebunden, auf deren Einhaltung die Gewerkschaften pochten. Zwar hatten die Gewerkschaften auch Formen politisch begründeter Arbeitsniederlegungen praktiziert, so zum Beispiel die „5 Mahnminuten für Frieden und Abrüstung im Oktober 1983“, doch die Zulässigkeit blieb rechtlich anfechtbar.60 Innerhalb der Einzelgewerkschaften waren die Männer in den Führungspositionen wenig bereit, für Frauenforderungen betrieblichen Arbeitsniederlegungen zuzustimmen. Außerdem war nicht klar erkennbar, für welche Ziele eigentlich gestreikt werden sollte, denn die Themenvielfalt war als Streikziel zu umfang- reich. So konnten betriebliche Arbeitsniederlegungen allenfalls symbolische Akte sein. Doch gegen Arbeitsniederlegungen gab es auch bei den beschäftigten Frauen selbst Bedenken. Die Frauen hatten angesichts herrschender Arbeitslosigkeit Angst um ihren Arbeitsplatz. Die DGB-Frauenabteilung fand dann eine Sprachregelung, die innerbetrieb- liche Aktionen zuließ, aber nicht als „Streik“ interpretiert werden konnten. Die Kolleginnen wurden aufgerufen, sich aktiv am „FrauenProtestTag“ zu beteiligen, der unter dem Motto „FrauenStreikTag“ stand. Der DGB hatte zu diesem Zweck „Aktionstips“ zusammenge- stellt, die auch betriebliche Aktivitäten umfasste.61 Einzelne Gewerkschaften wie ÖTV, GEW und HBV ließen sich auf diesen Kompromiss nicht ein und engagierten sich für den FrauenStreikTag.

PROTEST – STREIT – STREIK: Frauentag 1994

Der Streikaufruf in Bremen begann mit den Worten:

Die Wiederherstellung eines großen Deutschlands und der Aufbau einer Festung Europa finden auf Kosten von Flüchtlingen, auf Kosten der „anderen“, der Schwa- chen, der Armen, das heißt mehrheitlich auf Kosten der Frauen statt. Deshalb rufen wir zu einem bundesweiten Frauenstreik auf. 1990–2010 339

1975 traten die Frauen in Island in den Generalstreik. 1991 haben die Schweizerin- nen gestreikt. Dabei ging es hauptsächlich um eine bessere Beteiligung von Frauen am öffentlichen Leben, um eine gerechtere Arbeitsteilung und um höhere Löhne. Bremer Frauen streiken mit … … weil es auch hier eine Vielzahl von Diskriminierungen gegenüber Frauen unab- hängig ihres Alters, ihrer Herkunft oder ihrer Lebenssituation gibt; … weil sexistische und rassistische Gewalt gegen Frauen wächst; … weil die Mehrzahl der armen Bevölkerung Frauen und Kinder sind; … weil Frauen im Erwerbsbereich noch immer benachteiligt sind und zunehmend vom Arbeitsmarkt verdrängt werden; … weil Hausarbeit und Kinderbetreuung fast ausschließlich zu Lasten der Frauen gehen; … weil Frauen bis heute nicht frei über ihren Körper entscheiden können. Jetzt ist Schluß – uns reicht’s! Wir streiken für eine eigenständige Existenzsicherung für jede Frau! 62

Im Februar 1994 hingen in Bremen bereits die ersten Plakate mit dem Streikaufruf aus, außer- dem erschien der Aufruf als Anzeige in den Zeitungen. Die Bremerinnen gehörten zu den Ersten, die sich an den Vorbereitungen zum Frauenstreik beteiligten. Bereits seit Mitte August 1993 trafen sich aktive Frauen regelmäßig zur Streikvorbereitung. Im Oktober verschickten sie ihren Aufruf an Bündnisgruppen und Projekte und luden die Frauen ein, sich mit eigenen Ideen an den Vorarbeiten zum Streik zu beteiligen. In Vorbereitungsseminaren wurden Kon- zepte für wirksame Auftritte in der Öffentlichkeit am 8. März entwickelt und geprobt. Die Akteurinnen in Bremen hatten mit ihrer aktiven Bündnisarbeit und den Straßenak- tionen zu den Internationalen Frauentagen in den vorangangenen Jahren bereits Vorarbei- ten für die Organisierung eines FrauenStreikTages geleistet.63 Die Kooperation funktionierte ziemlich reibungslos, Flugblätter, Plakate, Kinodiawerbung und Videoclips wurden gestaltet und verteilt.64 Mit den ersten Aktionen begann das Bremer Streikkomitee am 15. Januar 1994. Um Geld in die Streikkasse zu bekommen, hatte das Komitee einen Trödelmarkt im DGB-Haus organisiert. Außerdem wurden Filme der Frauenstreiks auf Island (1975) und der Schweiz (1991) gezeigt. Am 8. Februar lud der Kreisfrauenausschuss des DGB zu einer Talk- show mit „ungeschützten“ Frauen und der Senatorin für Frauen und Arbeit ein. Für den 8. März selbst war eine Vielzahl von Aktionen geplant. Dabei sollte es wie bei den Frauenstreiks in Island und der Schweiz auf jeden Fall laut zugehen. Unter dem Motto „Jetzt schlägt’s 13“ sollten die Frauen Bremens zur Mittagszeit ihre Arbeit niederlegen und sich krachschlagend auf dem Marktplatz versammeln.65 Die Daten, die von der Bundesanstalt für Arbeit Anfang März veröffentlicht wurden, lieferten weitere Argumente für den Frauenstreik: „Mehr als 1,6 Millionen weibliche Arbeit- nehmer sind derzeit ohne Job bei den Arbeitsämtern gemeldet. Mit einem Anteil von 62 Prozent sind die Frauen in den neuen Bundesländern besonders hart von der schlechten Arbeitsmarktlage betroffen.“66 Am 8. März 1994 waren in Bremen die ersten Aktivistinnen um 6 Uhr morgens in der Innen- stadt unterwegs. Begleitet von Presse und Fernsehen gestalteten sie die Bremer Innenstadt um. Unter der Losung „Bremen wird weiblich“ bekam der Roland67 einen lila Rock verpasst und er- hielt den neuen Namen Rolanda. Anschließend wurden Straßen in der Innenstadt umbenannt. „Rosa Luxemburg, Helene Lange, Lily Braun und Clara Zetkin wurden endlich gewürdigt und bekamen entscheidende Straßen“68, und: „Der Marktplatz mitsamt Rolanda heißt nun nach der Frauenrechtlerin ‚Hedwig-Dohm-Platz‘!“ 69, berichtete die taz Bremen vom 9. März 1994. 340 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

In mehreren Einrichtungen, Kindergärten und Frauentreffs hatten sich Frauen zum Frauenfrühstück verabredet, Frauenprojekte hatten Transparente rausgehängt. Das Kul- tur- und Bildungszentrum belladonna, der Beratungsladen und das Frauengesundheits- haus waren geschlossen und die Frauen in Sachen Streik unterwegs. In der Handwerks- kammer fand eine Frauenversammlung statt und im Amt für soziale Dienste Mitte-West vertraten Männer ihre Kolleginnen während deren Diskussionsfrühstück zum Thema Teil- zeitarbeit. Die Kirchenfrauen der evangelischen Kirche hielten eine Versammlung ab. Über vierzig Frauen debattierten über „Arbeitsplatz Kirche – für Frauen ideal?“. Und in einer gemeinsamen Aktion von Studentinnen und weiblichen Beschäftigten erhielt die Universi- tät Bremen den Namen „Flora Tristan Universität Bremen“. Danach „zogen wir gemeinsam zum Marktplatz, um all die anderen frauenstreikaktiven Frauen zu treffen“, berichtete die FrauenLesbenStreikGruppe der Uni.70 Bei Radio Bremen gab es eine Frauenversammlung mit den Tagesordnungspunkten Frauenchancen/Frauenrechte und Frauenbilder in den Medien. Der Ortsfrauenausschuss der Postgewerkschaft hatte in einem Postamt ein Frühstück für und mit Kolleginnen or- ganisiert und führte ein Tagesseminar in Bremen durch. Mittags beteiligten sich alle Teil- nehmerinnen an den Aktionen auf dem „Hedwig-Dohm-Markt-Platz“. 71 Doch bei den gro- ßen privaten Unternehmen blieben die Gewerkschaftsfrauen draußen vor dem Werkstor. „Hemelingen, Mercedes-Werk, 6 Uhr 30. Das angekündigte Frauenfrühstück schrumpft zur Flugblattaktion vor dem Werk. Betriebsrätin Hermine Fischer: ‚Mehr konnten wir nicht riskieren. Nachher lassen wir die Kolleginnen ins offene Messer laufen.‘ Sie betonte, den Frauen hätten Abmahnungen und Kündigungen gedroht.“72 Zur Kundgebung kamen dann etwa 1.000 Frauen. Die Rednerinnen prangerten in kur- zen Statements die allgegenwärtige Benachteiligung der Frauen an: Männergewalt gegen Frauen, sexueller Missbrauch, das langsame finanzielle Austrocknen von Mädchen- und Frauenprojekten. Als Kontrastprogramm dazu malten sich die Frauenprojekte eine glän- zende Zukunft für das Jahr 2014 aus. Doch in der Gegenwart fehlten Kindergarten- und Hortplätze und alltäglicher Rassismus begleitete das Leben der ausländischen Frauen. Noch einmal wurden – untermalt von Sambarhythmen – Forderungen und gesellschaft- liche Diskriminierungen vorgetragen.73 Dann mussten die Frauennamen von den Straßenschildern wieder entfernt werden und es gab erste Einschätzungen zum Verlauf der Aktionen. Auf dem Marktplatz war das Echo unter den demonstrierenden Frauen geteilt. Die einen freuten sich: „Toll, daß es so voll ge- worden ist“, andere klagten: „Schade, daß so wenige gekommen sind.“74 Die Akteurinnen in Bremen waren sich bereits in der Vorbereitungsphase klar darüber, dass das hoch gesteckte Ziel eines allgemeinen Frauenstreiktages nicht zu erreichen war. Deswegen hatten sie in realistischer Einschätzung der Kräfteverhältnisse von vornherein zum „Protest – Streit – Streik“ aufgerufen. Immerhin hatten sich neue Gruppen an den Aktivitäten beteiligt. Doch das Defizit war erkennbar. Es war nicht gelungen, die Proteste in die Betriebe zu tragen. Es gab zwar Bereiche im öffentlichen Dienst und bei den Medien, die sich mit Betriebsaktionen beteiligt hatten, doch insgesamt seien „betriebliche Aktionen ausgeblieben“, stellte der DGB-Landesvorstand Niedersachsen/Bremen auf seiner Sitzung vom 18. April 1994 fest.75 In der Presse sparten Journalistinnen nicht mit Häme, dass die Frauenbewegung es nicht geschafft hatte, innerhalb der Gewerkschaften einen Frauen- streik durchzusetzen und dass sie so wenig kämpferisch aufgetreten war. „Schön brav bleiben lautet daher das Motto, eine Betriebsversammlung mit Frauenaussprache hier, ein verlängertes Frauenfrühstück da, alles höchst legal und schön unspektakulär.“ So die Kri- tik von Susanne Kaiser in der taz.76 Und im Weser Report, einem viel gelesenen Anzeigen- 1990–2010 341 blatt, kommentierte Manuela Beer die Aktionen vom 8. März in Bremen mit den Worten: „Frauenstreiktag, keine(r) hat’s gemerkt und ändern tut’s sowieso nichts“. Sie stellte fest, dass die Masse der Frauen ihren Alltag fortgesetzt habe. „Kein Gedanke an Protest und oft auch keine Ahnung. Die Wurstverkäuferin verkaufte ihre Würstchen und die Bankfrau stand am Schalter … Schade, Chance vertan oder Thema verfehlt.“77 In diesen Kommen- taren drückte sich wohl vor allem Enttäuschung darüber aus, dass der Frauenprotest nicht stärker und der Zulauf unorganisierter Frauen nicht größer gewesen war. Es war nur zu deutlich, dass die Frauenbewegung an Anziehungskraft eingebüßt hatte. Doch die Veranstalterinnen zogen trotzdem eine positive Bilanz, denn die Bremer Frauen- bewegung war wieder als politische Kraft wahrgenommen worden. Die Initiative des bundesweiten Frauenstreiks gab in Bremen den Anstoß für ein beson- deres Frauenprojekt. In Fortführung des Tribunals „Contra Gewalt gegen Frauen“, das zum 8. März 1993 stattgefunden hatte, erarbeitete Gabi Grete Kellerhoff im Verlauf des Jahres 1993 mit Künstlerinnen und anderen Frauen die Gemeinschaftsproduktion „Gewaltige Frauen – Gewalt gegen Frauen“. Das Thema wurde mit unterschiedlichsten künstlerischen Mitteln bearbeitet. Es entstanden sieben Einzelproduktionen, darunter zwei Ausstellun- gen, eine Ton-Dia-Schau, Video-Filme, Theaterinszenierungen und Kabarettprogramme, die zum Internationalen Frauentag präsentiert wurden. Mit dieser Präsentation begann die zweite Phase des Frauenprotestes in Bremen. Im Kulturzentrum Schlachthof fand am 11. März 1994 das große Frauenkulturstreikfest statt. Im Rahmen des Festprogramms wurden Ausschnitte aus den Produktionen vorgeführt. Im Turm des Schlachthofs waren Teile der Fotoausstellung und die aus Malerei und Zeichnun- gen bestehende Ausstellung „Medea“ zu sehen. Die Veranstaltung wurde vom Video-Team des offenen Kanals aufgenommen und live gesendet. Vom 17. März bis zum 9. April wurde die Fotoausstellung „Frauen und Gewalt“ in der Angestelltenkammer gezeigt. Sämtliche Produktionen wurden im Verlauf der nächsten Wochen an verschiedenen Orten der Stadt aufgeführt. „Bis in den Monat Mai hinein waren Gewaltige Frauen – Frauen und Gewalt ein bißchen ein Thema in Bremen.“78 Die Initiatorinnen und beteiligten Frauen beendeten ihre Dokumentation über den FrauenStreikTag ’94 mit dem Hinweis auf die Jahre 1995 bis 2000.79 342 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland Frauen- und Mädchenparlamente – Frauentage 1995 bis 1997

Demonstrationen, Diskussionen, Frauen- und Mädchen- parlamente, alles an einem Tag – Frauentag 1995

Die Streikaktivistinnen hatten sich in Vorbereitung auf den vergangenen Streiktag in regel- mäßigen Abständen in Kassel getroffen. Nach dem 8. März gab es eine Reihe von Frauen, die das überregionale Bündnis zusammenhalten und ihm eine verbindlichere Struktur geben wollten. Doch mehrheitlich gingen die Frauen zurück in ihre Organisationen und Gruppen. In Bremen verstärkte sich nach dem Streiktag die Tendenz des Rückzugs in die Nischen der Frauenprojekte und politischen Gruppen. Bei den Planungen zum Frauentag 1995 zeigte sich, dass immer weniger Frauen Zeit und Energie in Bündnisarbeit investieren wollten. Die taz Bremen berichtete über die Probleme der Organisatorinnen, die über 300 Einladungen verschickt hatten, um möglichst viele Frauen an den Vorbereitungen zum Frauentag zu beteiligen. „Das Ergebnis war lau: Die Vertreterinnen des Kommunikations- zentrums belladonna, die Frauen des DGB und der ZGF blieben bei den Vorbereitungen weitgehend unter sich.“80 Bei der weiteren Recherche der taz-Journalistin nannten die Mit- arbeiterinnen der Frauenprojekte zwei Gründe für ihre Nichtbeteiligung. Vor allem waren es die knappen Arbeits- und Finanzressourcen. „Dass wir nicht mitmachen, ist keine politische Entscheidung, […] wir haben einfach nicht genügend Kapazitäten“, war die häufigste Ent- schuldigung. Doch es gab auch ideologische Begründungen: „Das ist nicht unbedingt unser Tag.“ Die feministische Szene habe zu diesem „Gedenktag mit eher sozialistischer Tradition […] schon immer kritische Distanz geübt“, erklärte die Vertreterin des Frauenkulturhau- ses.81 Dabei war der 8. März auch für autonome Gruppen zu einem akzeptierten Aktionstag geworden – wahrscheinlich gab es auch andere Gründe für die Distanzierungen: Viele Pro- jekte und Initiativen waren abgeschreckt von den langwierigen und mühsamen Aushand- lungsprozessen im Bündnis. Und sie wollten keine Fortsetzung der unendlichen Debatte, ob Männer zugelassen waren oder nicht. Das autonome Frauen- und Lesben-Plenum zum Beispiel organisierte am 8. März lieber eigene Aktionen. Auch andere Gruppen, Organisa- tionen und Institutionen gingen zu separaten Veranstaltungen über. So drängten sich schließlich Demonstrationen, Diskussionsrunden, Frauen- und Mäd- chenparlamentssitzungen an einem einzigen Tag zusammen und machten sich gegen- seitig Konkurrenz. Zusätzlich gab es vor und nach dem Stichtag weitere Angebote in den Stadtteilen, Bildungsurlaube, Konzerte und Ausstellungen. Der 8. März 1995 begann mit zwei Stadterkundungen zur Frauengeschichte. Mit Chris- tine Holzner-Rabe vom Verein Bremer Frauenmuseum ging es durch die Bremer Innen- stadt, und die Geschichtswerkstatt des Kommunikationszentrums belladonna bot eine Radrundfahrt durch einen Bremer Vorort und seine Umgebung an. Auch das Mädchen-Kulturhaus war den Vorbereitungen des Frauenbündnisses fern geblieben und initiierte ein eigenes Videokrimiprojekt für Mädchen. Und das autonome Frauen- und Lesben-Plenum organisierte eine Knastkundgebung vor der Jugendvollzugs- anstalt im Blockland82, wo sie gegen die Kündigung ihres Sonntagstreffs protestierten. Sie hatten sich seit über einem Jahr einmal im Monat zum Sonntagskaffee in einem offenen Gesprächskreis mit inhaftierten Frauen getroffen. Dann hatte es Auseinandersetzungen mit der Anstaltsleitung gegeben und den Frauen wurde der Zutritt zur Haftanstalt ver- 1990–2010 343 weigert. Die autonomen Frauen wollten ihre Arbeit fortsetzen und forderten: „Wir wollen wieder rein.“ Doch der Anstaltsleiter erklärte auch gegenüber der Journalistin von der taz, dass sich die Frauen an die übergeordneten Instanzen, den Innensenator gewandt hätten, und der solle nun auch entscheiden. Den Frauen wurde der Zugang zur Vollzugsanstalt trotz Presseunterstützung weiterhin verweigert.83 Bereits am Vormittag des 8. März 1995 hatte die Bremer Ausländerbeauftragte ein- geladen. Fünf ausländische Mitbürgerinnen wurden in einer Feierstunde für ihr ehrenamt- liches „Engagement und Zivilcourage“ geehrt. Mit dieser Initiative wollte die Ausländer- beauftragte den Blick auf die etwa 50.000 Migrantinnen in Bremen lenken und auf die Defizite staatlicher Sozialpolitik hinweisen.84 Das Bündnis von belladonna, DGB-Frauen und der ZGF hatte wieder zum Frauenparla- ment in die Bürgerschaft eingeladen. Etwa dreihundert Frauen nahmen an den Beratun- gen teil. Die Gastgeberinnen, die Abgeordneten des Ausschusses für Gleichberechtigung der Frau in Bremen hörten schweigend die Anklagen und Forderungen der Frauen an. Sie hatten sich selbst zum Zuhören verpflichtet, denn sie wollten sich „Anstöße holen, die wir in die Politik einbringen können“, erläuterte die Vorsitzende des Ausschusses das Konzept gegenüber der Presse. „Ungeschützt und doppelt frei – eigenständige Existenzsicherung für alle Frauen“ stand als Thema auf der Tagesordnung. In ihrem Eingangsreferat forderte Birgit Pfau-Effinger von der Universität Bremen „eine neue Normalität im gesellschaftli- chen Leben“. Dazu müsse ein System geschaffen werden, „das den Frauen entgegenkommt und ihnen Unabhängigkeit zusichert“. Wichtige Bestandteile der neuen Ordnung seien Frauen- und Elternförderpläne, flexible Gestaltung der Lebensarbeitszeit, volles Gehalt auch bei Teilzeitarbeit wegen Kindererziehung und ein Bürgergeld statt Sozialhilfe.85 Die Frauen diskutierten dann im Einzelnen über die Umstrukturierung der Arbeitswelt und die Folgen für Frauen, die Probleme der Teilzeitarbeit, über ehrenamtliche Arbeit und Ausbildungs- und Karrierechancen. Auch beim Mädchenparlament, das am 8. März im Bürgerhaus in Vegesack tagte, stand die berufliche Benachteiligung junger Frauen zur Debatte. Doch für die rund 600 Mäd- chen, die sich am Vormittag an den Aktionen und Arbeitsgruppen beteiligten, standen andere Fragen im Mittelpunkt. Gleich 140 von ihnen strömten in die Arbeitsgruppe „Let’s talk about sex“. Andere wollten über den Islam und die Kopftuchfrage diskutieren. In drei- zehn Workshops erarbeiteten die Mädchen eine ganze Reihe von Forderungen. Die Sena- torin Sabine Uhl versprach, sich um drei Punkte zu kümmern, berichtete taz Bremen: „Sie will Sportvereine und Schulen ermuntern mehr Selbstverteidigungskurse anzubieten. Sie will das Arbeitsamt auffordern viel früher in den Schulen Berufsberatung anzubieten. […] Und Uhl will einen Mädchentreff in Bremen Nord einrichte. Jubel.“86 Die neue Idee eines Mädchenparlaments hatte viele angezogen und zum Mitmachen bewegt. Doch die Aktivistinnen in Bremen stellten fest, dass es schwieriger geworden war, die Frauen zu mobilisieren. Im Pressegespräch wies die Gewerkschafterin Monique Troedel auf die „im Laufe der Jahre gesunkene Beteiligung“ der Frauen hin.87 Zwar hatten sich am Frauenparlament einige hundert Frauen beteiligt, doch es war nicht gelungen, neue Frauengruppen für den Frauentag zu begeistern. Trotzdem stand für die Organisatorinnen fest, dass der Internationale Frauentag nach wie vor eine wichtige Institution war, da er die Chance bot, unterschiedliche Gruppen zusammenzubringen. Die Aktivistinnen waren entschlossen, ihre Arbeit fortzusetzen, zumal der Frauentag in der bundesrepublikani- schen Gesellschaft zu einem festen Datum geworden war, an dem Frauenthemen in der Öffentlichkeit verhandelt wurden und Frauenforderungen mit medialer Aufmerksamkeit rechnen konnten. 344 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

Frauenprojekte gegen Rotstiftpolitik – Frauentag 1996

„Der Frauentag stößt auf breite Resonanz bei Politikern und Verbänden“, so lautete der Untertitel des Berichts im Weser-Kurier über die politischen Initiativen und Stellungnah- men zum Internationalen Frauentag 1996.88 Der Deutsche Frauenrat hatte sich mit der Bitte an Bundeskanzler Helmut Kohl gewandt, er möge sich persönlich der Frauenpro- bleme annehmen. Frauen aus Gewerkschaften, Oppositionsparteien, alternativen Frau- enorganisationen und Sozialwissenschaftlerinnen hatten sich zu einem „Frauenbündnis gegen Sozialabbau“ zusammengeschlossen. Sie starteten am Internationalen Frauentag eine Kampagne zur Unterzeichnung des von ihnen formulierten Manifestes.89 Wenige Tage vor dem 8. März erging das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Bremer Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst. Das Gericht hatte entschieden, dass die im Gesetz festgelegte Frauenquote gegen europäisches Recht verstoße und deshalb unwirksam sei. Der § 4 des Gesetzes sah vor, dass Frauen bei gleicher Qualifikation in Be- reichen, in denen sie unterrepräsentiert waren, bevorzugt eingestellt und befördert werden mussten. Die Richter befanden, dass eine solche Regelung eine unzulässige Bevorzugung der Frauen darstelle, es müsse deshalb eine Härteklausel zum Schutz der Männer ein- gebaut werden. In Bremen nannte die Senatorin Christine Wischer das Urteil „politisch ärgerlich“ und der Vorsitzende der Senatskommission für das Personalwesen erklärte, das Land Bremen werde sich an den Spruch des Bundesarbeitsgerichts halten.90 Doch das Urteil hatte weitreichendere Folgen. Denn es verpflichtete auch alle anderen Bundeslän- der, die Quotenregelung im Interesse der Männer einzuschränken. In Bremen stand zum Internationalen Frauentag 1996 eine andere Initiative im Vorder- grund. Ulrike Hauffe, die Frauenbeauftragte für das Land Bremen, hatte eine „Informa- tionsbörse für Frauen“ initiiert. Sie sollte „dazu dienen, die Arbeit der vielen Initiativen, Gruppen, Institutionen von und für Frauen in Bremen einer breiten Öffentlichkeit vorzu- stellen, über ihr Angebot zu informieren, Kontakte herzustellen und mit möglichst vielen Frauen ins Gespräch zu kommen“.91 Über siebzig Gruppen und Initiativen hatten sich angemeldet. Und zur Eröffnung am 6. März drängten sich im Festsaal der Bremer Bürger- schaft bereits zahlreiche Besucherinnen um die vielen Informationstische. Die Börse zeigte nicht nur die Vielfalt der Frauenprojekte, sondern auch das große Interesse der Bremerin- nen daran. Und Ulrike Hauffe konnte am 8. März der Presse mitteilen, dass an den ersten beiden Tagen bereits 1.000 Frauen die Börse besucht hatten.92 Trotz dieser großen Nachfrage stand es finanziell um die Frauenprojekte jedoch kei- neswegs gut. Die taz informierte über die finanziellen Schwierigkeiten, mit denen Frauen- projekte zu kämpfen hatten. Maren Bock vom Kultur- und Bildungszentrum belladonna berichtete „wütend“ von den Kürzungen der Zuwendungen für belladonna in Höhe von 42.000 DM durch die Kulturdeputation. In der Zwischenzeit war auch klar, dass das Frau- entherapiezentrum wegen Kürzungen in Zukunft auf Beratungen und Therapien Gebüh- ren erheben musste und der Frauenberatungsladen hatte an der Infobörse schon gar nicht mehr teilgenommen, denn seine Schließung zum ersten April war bereits beschlossene Sache. 1990–2010 345

Gegen diese „Rotstiftpolitik“ hatten die Frauenprojekte zum 8. März zur Demonstration aufgerufen:

„Frauenräume erhalten – Mädchen- und Frauenprojekte fördern – unterstützen – absi- chern“ lautete der Leitspruch, unter dem die Frauen durch die Innenstadt zogen, begleitet von der „Raupe“ als Sinnbild der Vielfalt und dem Zusammenhalt der Frauenprojekte.94

Die „Raupe“ – viele Beine und Köpfe bilden doch eine Gemeinschaft, die zusammenhält.

Bei der Demonstration der Frauenprojekte war es dann doch nur „ein kleines Häuflein Demonstrantinnen“ – wie der Weser-Kurier feststellte95 –, das sich am Nachmittag des 8. März vor dem Gebäude der Bürgerschaft versammelte. „Wir demonstrieren hier, weil wir um den Erhalt der Bremer Frauenprojekte kämpfen müssen“, erklärte Ulrike Hauffe in ihrem Redebeitrag. „Die Frauenprojekte in Bremen sind ein wesentlicher Bestandteil des sozialen Netzes, mit eng an die Bedürfnisse der jeweiligen Nutzerinnen angepaßten Ange- boten. Es muß im Interesse dieser Stadt liegen, sie zu erhalten, zu unterstützen und nicht bloß mit einem warmen Händedruck zu würdigen.“96 Im Anschluss an die Demonstration mischten sich die Frauen unter die Teilnehmerinnen des Frauenparlaments, das wieder im Plenarsaal der Bürgerschaft tagte. Die Organisatorinnen hatten erneut das Thema Arbeit in den Mittelpunkt ihrer De- batte gestellt. Unter dem Motto „Was heißt hier eigentlich Arbeit?“ wurden drei Schwer- punkte behandelt, nämlich einmal Sozialberufe wie Altenpflegerin und Kindergärtnerin, 346 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland dann der Dienstleistungssektor – dabei ging es auch um die Situation der Frauenprojek- te – und im dritten Schritt wurde nach gesellschaftlichen Perspektiven gefragt.97 Doch das Interesse an den Diskussionen hatte merklich nachgelassen. Die Zahl der Besuche- rinnen war zurückgegangen und die Presse berichtete nur noch in wenigen Sätzen über die Veranstaltung.98 Ganz anders sah es beim Mädchenparlament aus. Das zweite Mädchenparlament tagte 1996 im Bremer Osten, im Ortsteil Tenever. Die besonderen Merkmale dieses Bremer Neu- bauviertels beschrieben die Organisatorinnen mit den Worten: „In Tenever leben heute Menschen aus 60 Nationen. Dieses entspricht einem Bevölkerungsanteil aus anderen kul- turellen Zusammenhängen von etwa 50 Prozent. Der Anteil an Kindern und Jugendlichen im Alter bis 25 Jahren liegt bei ca. 46 Prozent.“99 Der Andrang beim Mädchenparlament am 8. März war entsprechend groß, etwa 400 Mädchen beteiligten sich.

Mit dem Motto des Mädchenparlaments „Nichts ist unmöööglich“ wur- de ein Zeichen des Optimismus gesetzt – entgegen aller Probleme und Schwierigkeiten, mit denen die Mädchen in dem Stadtteil zu kämpfen hatten. Von 11 bis 16 Uhr gab es Workshops und Gesprächsrunden. Im Verlauf der Diskussionen notierten die Mädchen auf Papierbahnen: „Was mir stinkt“ – „Was ich will“.

Sie nahmen kein Blatt vor den Mund und stellten selbstbewusst ihre Forderungen: „Die Jungs sind zu laut; ich will ein eige- nes Zimmer; mehr Angebote für Mädchen; einen zuverlässigen Vater; mehr Hilfe in der Schule; Mädchen aus anderen Ländern sollten genauso als Freundinnen akzeptiert werden wie deutsche Mädchen; Mädchen sollen gleich behandelt werden wie Jungs.“100 1990–2010 347

Die neue Frauensenatorin Christine Wischer hörte sich auf dem Abschlussplenum die Kritik und die Wünsche der Mädchen an. Doch Versprechungen macht sie keine, obwohl die Mädchen sie dringend baten, im Jugendfreizeitheim Oslebshausen die Sozialpädagogin für die Mädchenarbeit wieder einzustellen, die „der Sparwut zum Opfer gefallen“ war. Die Senatorin erklärte: „Mir blutet doch auch das Herz, wenn ich das alles höre. Aber ich habe einen Haushalt, und den muß ich verantworten.“ Sie ließ die Mädchen enttäuscht zurück.101 Auch die Arbeiterfrauen in Bremen Vegesack nutzten den Internationalen Frauentag. Mehrere hundert Frauen demonstrierten am 8. März gegen die drohende Schließung der Bremer Vulkan Schiffswerft, einem der größten Arbeitgeber in Bremen.102 Und natürlich gehörte auch zum 8. März 1996 das von den Gewerkschafterinnen als fester Bestandteil organisierte Frauenfest. Und ebenso wichtig waren die Kulturangebote rund um den Frauentag. Es fanden auch wieder Frauenstadtrundgänge auf den Spuren der Bremer Frauengeschichte und ein Literaturabend bei belladonna statt. Außerdem hat- te der Dachverband der Ausländer-Kulturvereine Künstlerinnen aus Peru sowie ein kur- disch-deutsches Quintett und Musikerinnen aus Zimbabwe eingeladen und veranstaltete einen Theaterabend und zwei Konzerte am 7., 9. und 13. März. Die Angebote zeigten die Aktivitäten und den Ideenreichtum der Frauenbewegung – doch konnte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Krisenzeiten die Anliegen der Frauen und die Verwirklichung der Gleichberechtigung wieder als nachrangig galten und viele der Initiativen der Rotstiftpolitik zum Opfer fielen.

Ein vielfältiges Programm und ein Frauentag ohne politisches Profil103 – 1997

Die Auswirkungen der rigiden Sparmaßnahmen in Bremen machten sich am 8. März 1997 deutlich bemerkbar. „So blöd es klingt – wir Engagierten sind so dermaßen eingespannt, daß uns die Zeit zum demonstrieren fehlt“, hatte eine Frau am Rande einer Veranstaltung zum Frauentag zur taz-Redakteurin gesagt.104 Und tatsächlich fehlte jede besondere Frau- enaktivität in der Stadt. Die Gruppen und Projekte waren mit den eigenen Angelegenhei- ten beschäftigt und für gemeinsame Aktionen fehlten die Kräfte. Am Samstag, dem 8. März, hatten der Bremer Frauenausschuss zusammen mit der Zentralstelle für Gleichberechtigung der Frau zu einer Diskussionsveranstaltung am Vor- mittag eingeladen. Als Rednerinnen waren die Senatorin Christine Wischer und die Frau- enbeauftragte Ulrike Hauffe eingeladen. Doch bevor die Referentinnen beginnen konnten, gab es einen kleinen Eklat um den Auftritt der Bremer Chorwerkstatt, die von den Orga- nisatorinnen eingeladen worden waren, um Lieder der Frauenbewegung zu singen. Denn in dem Chor wirkten auch Männer mit – was einige Frauen veranlasste, aus Protest den Saal zu verlassen. Wieder hatte das leidige Thema um die Anwesenheit und Mitwirkung von Männern für Aufregung gesorgt und der Presse bot sich ein guter Aufhänger für die Berichterstattung. In der Sonntagsausgabe des Weser-Kuriers lautete die entsprechende Überschrift: „Ja zu einsichtigen Männern“.105 Nach der ersten Aufregung referierte zunächst die Senatorin Christine Wischer zum Thema „Sozialabbau: Die Auswirkungen der Sparmaßnahmen auf die Frauen“. Die Sena- torin fasste in ihrer Bestandsaufnahme Zahlen und Fakten des sozialen Kahlschlags, der sich vor allem gegen die Frauen richte, zusammen. Ulrike Hauffe machte im Anschluss daran auf den gesellschaftlichen Druck aufmerksam, dem die Frauen in wachsendem 348 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

Maße ausgeliefert seien. In Krisenzeiten müssten sich die Frauen wieder anhören, dass es Wichtigeres gebe als die Frauenfrage. Doch wenn die Hälfte der Bevölkerung benachteiligt werde, stehe die Demokratie auf dem Prüfstein. „Wir wollen nicht ein bißchen Frauen- beteiligung, sondern eine Strukturveränderung“, erklärte sie106 und nahm damit deutlich Stellung gegen die auch im Land Bremen herrschende Politik. Am Nachmittag des 8. März hatten die interkulturelle Frauengruppe De Colores und der Migrantinnenrat Bremen zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Vertreterinnen aus Gewerkschaften, Kirchen und Parteien diskutierten über neue Perspektiven in der Asyl- und Migrationspolitik. Doch keine der Bremer Zeitungen berichtete über diese Podiums- diskussion, genauso wenig wie über die vielen anderen Aktivitäten, die aus Anlass des Frauentages stattfanden. Dass die Presse wenig Notiz von den Aktivitäten zum Interna- tionalen Frauentag 1997 nahm, lag auch an der Vielzahl der Angebote und dass es keine klar erkennbaren Schwerpunkte gab. Um den Überblick zu erleichtern, hatte die ZGF ein Faltblatt herausgebracht. Auf dem Flyer waren weit über dreißig Veranstaltungen und Aktivitäten von Frauenprojekten, Frau- eninitiativen und Frauenorganisationen aufgeführt. Einen Schwerpunkt bildete die Frau- engeschichte Bremens, die die Teilnehmerinnen bei Stadtrundgängen erkundeten. Außer- dem stellten die Frauenforscherinnen und Historikerinnen Elisabeth Hannover-Drück und Romina Schmitter zwei Materialbände zur Frauenerwerbsarbeit in der „guten alten Zeit“ und den „goldenen zwanziger Jahren“ vor. Die Planungsgruppe „Vor Ort“ nahm unter Bei- sein von Politikerinnen die Innenstadt mit Kinderwagen und kleinen Kindern unter die Lupe. Im Arbeitslosenzentrum im Ortsteil Tenever trafen sich Frauen zum Frühstück mit Musik und Kabarett. Im Kultur- und Bildungszentrum belladonna gab es eine Theaterauf- führung des Klassikers „Ein Zimmer für sich allein“ und das Frauenkulturhaus feierte mit Livemusik und Disco sein 15-jähriges Bestehen. In Bremen Nord fanden Bildungsurlaube, Wochenendseminare und weitere zahlreiche Veranstaltungen statt. Und dann war da noch der Frauentag bei der Autofirma Nissan.107

Wie viele Frauen von dieser Anzeige angeregt wurden, einen Nissan zu kaufen, ist nicht bekannt. 1990–2010 349

Die Nissan Firmenzentrale hatte bereits im Vorjahr den Verkaufsstellen empfohlen, einen Frauentag durchzuführen. Doch nur die Niederlassung Lilienthal hatte sich der Idee gegenüber aufgeschlossen gezeigt.108 Ein Jahr später, 1997, bot auch Nissan in Bre- men-Hastedt einen Tag nur für Besucherinnen an. Doch das blieb eine einmalige Aktion. Der Internationale Frauentag war als Werbeträger offensichtlich nicht gut zu vermark- ten. Zum Frauentag 1997 war also ein buntes Programm zusammengekommen. Doch war die Frauenbewegung als politischer Faktor in der Öffentlichkeit trotzdem kaum mehr wahrnehmbar. Eine taz-Kommentatorin fasste ihre Eindrücke vom Bremer Frauentag 1997 zusammen: „Enttäuscht ging Frau nach Hause und kam zu der Erkenntnis, daß sich der Frauentag tatsächlich (nur noch) bei den Frühstücksrunden, Feten und Parties abspielt. Darf der Frauentag vor allem Spaß machen? Darf er. Unser Mann im Haus reichte allen weiblichen Mitbewohnerinnen Ferrero Rocher.“109 Doch mit einer Schachtel Pralinen war für die Frauen von belladonna, die Gewerk- schafterinnen und andere politisch aktive Frauen die Sache nicht erledigt. Für sie stand fest, dass für den Frauentag wieder eine klare Struktur entwickelt werden musste. Und die Frauenbewegung sollte wieder mit Aktionen im öffentlichen Raum in Erscheinung treten.

Mit neuen Ideen und Konzepten – Frauentage 1998/99

„Einbrüche, Umbrüche, Aufbrüche“ – Frauentag 1998

Das frühere Konzept der Frauentage, bei dem die beteiligten Organisationen und Pro- jekte eine zentrale Veranstaltung und verschiedene Aktionen gemeinsam geplant hatten, war offensichtlich nicht mehr realisierbar. Die einzelnen Gruppen wollten am Frauentag eigenständige Beiträge präsentieren. Deshalb wurde es umso dringlicher, die unterschied- lichen Vorhaben untereinander abzustimmen und zu koordinieren. Zum Frauentag 1998 waren die einzelnen Programmpunkte in ein Gesamtangebot eingebettet, das vom Kom- munikations- und Bildungszentrum belladonna, den Frauenausschüssen des DGB, den Einzelgewerkschaften, dem Kulturzentrum Schlachthof, dem Schnürschuh-Theater, der Frauengruppe des Asta der Universität Bremen und der AWO-Begegnungsstätte mitge- staltet wurde.110 Der Veranstaltungsreigen zum Frauentag wurde am 5. März mit dem internationalen Frauenkongress von belladonna eröffnet.111 350 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

„Einbrüche – Umbrüche – Aufbrüche; Globale Chan- cen für Frauen in der Arbeitsgesellschaft“, lautete der Titel des Kongresses, der vom 5. bis 8. März in den Räumen der Universität Bremen stattfand. Insgesamt nahmen etwa 700 Frauen teil. In zwei Podiumsdiskus- sionen, fünf Foren und zehn Workshops mit 48 in- und ausländischen Referentinnen konnten sich die Teilneh- merinnen mit den Fragen und Problemen von Globali- sierung und dem Strukturwandel in der Arbeitswelt auseinandersetzen. Theoretische und praktische Fra- gestellungen wurden in den Foren und Workshops zusammengeführt. Daraus entwickelten sich lebhafte Debatten und auch Kontroversen zwischen Referentin- nen und Teilnehmerinnen. Vor allem bot der Kongress den Besucherinnen die Möglichkeit, mit Frauen aus unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten ins Gespräch zu kommen.112 Nicht nur für die Kongressteilnehmerinnen gab es am 5. März im Kulturzentrum Schlachthof einen Frauenkabarettabend und am 7. März ein Konzert mit anschließender Frauendisco. Das Schnürschuh-Thea- ter hatte seine Produktion vom Frauenstreik 1994 wieder ins Programm genommen und veranstaltete am 7. und 8. März zwei Frauentheaterabende. Alle diese Angebote fanden unter schützenden Dächern statt. Die Open-Air-Aktionen hatten die Gewerkschaftsfrauen übernommen. Am Samstag, dem 7. März, wollten sie auf dem Marktplatz Stimmung machen gegen die sozialen Einschnitte, die den Frauen den Arbeits- und Lebensalltag erschwerten. Im Jahr 1998 betraf es vor allem arbeitende Mütter, die damit konfrontiert waren, dass die Hortzeiten der Schulkinder nach den Sommer- ferien verkürzt werden sollten. Die Kolleginnen hatten Infostände und Mitmachaktionen für Erwachsene und Kinder vorbereitet. Doch dann ließen pausenloser Regen und heftige Windböen die geplanten Aktionen buchstäblich ins Wasser fallen. „Wochenlange Arbeit ist einfach weggespült worden“, erinnerte sich Monique Troedel beim Anblick der Regenfotos, die sie zum Interview 2009 mitgebracht hatte.113 1990–2010 351

Der Regen machte nur einmal eine Pause, und zwar zufällig genau, als die große Seil- aktion „Der Kuss der Spinnenfrau“ geplant war. So konnte wenigstens dieser besondere Höhepunkt realisiert werden.114

„In einem gespannten Seil von 14 Metern Höhe spielten drei Spinnen und ein Opfer ein be- drohliches und skurriles Spiel“, begleitet von Tubamusik und Gesang.115 Danach blieb den Gewerkschafterinnen nur noch, ihre Materialien und Infotische endgültig einzupacken. Am 8. März, einem Sonntag, konnten sich interessierte Frauen vormittags wieder an Stadtrundgängen beteiligen. Ab 14 Uhr gab es dann das Frauenkulturfest in Tenever, mit Musik, Gesang, Kabarett, Bauchtanz und internationalen Gerichten in der AWO-Begeg- nungsstätte. Am Nachmittag veranstaltete die Frauengruppe des AStA der Universität Bremen im DGB-Haus eine Diskussion zum Thema „Krieg und Frauen – sexualisierte Gewalt“ und für den Abend hatte die Frauengruppe des Asta eine Frauen-/Lesbenparty im DGB-Haus organisiert. Mit der Veranstaltung der Ausländerbeauftragten „Verfolgt und schutzlos – Frauen auf der Flucht und im Asyl“, am Montag, dem 9. März, waren die zent- ralen Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag beendet. Doch rund um den 8. März gab es außerdem eine ganze Reihe Veranstaltungen in den Stadtteilen. Auch in den Betrieben luden Vertrauensfrauen und Betriebsrätinnen die Kolleginnen aus Anlass des Internationalen Frauentages ein. Wenn der 8. März auf ein Wochenende fiel, trafen sich die Frauen am darauf folgenden Werktag – wie hier im Werk Atlas Elektronik in Bremen:116

Damit die Kolleginnen den richtigen Weg finden – ein passendes Hinweisschild. 352 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

Kaffeerunde am 8. März bei Atlas Elektronik Bremen.

Das Programm zum Internationalen Frauentag 1998 machte deutlich, dass die politisch aktiven Frauen am Frauentag festhalten wollten. Sie verlegten sogar den Internationalen Frauenkongress auf den 8. März und entwickelten neue Aktionsformen zur Gestaltung des Tages. Das gab neuen Schwung – trotz Unwettereinbruch. Dazu hatte möglicherweise auch die im September anstehende Bundestagswahl bei- getragen. Jedenfalls hatte die Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe in ihrer Pressemitteilung zum 8. März die Erwartungen der Frauen benannt: „In diesem Jahr fordern Frauen eine andere Politik, in der ihr Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft, in allen sozialen Beziehungen, im Erwerbsleben und in der Politik endlich eingelöst wird.“117 Und tatsächlich gab es einen Regierungswechsel in Bonn, die Frauenstimmen hatten wesentlich dazu beigetragen. Die politisch aktiven Frauen hofften auf einen Wandel in der Frauenpolitik, wie ihn Ulrike Hauffe vorgezeichnet hatte. Doch der Aufbruch blieb aus. Für die rot-grüne Koalitionsregierung war die Frauenfrage von nachrangiger Bedeutung.

„Der letzte Frauentag im alten Jahrtausend“118 – 1999

In Bremen ging nach der Bundestagswahl der Wahlkampf weiter, denn im Stadtstaat stan- den im Juni 1999 Bürgerschaftswahlen an. Die Frauen hofften mit ihren Forderungen bei den PolitikerInnen vor den Wahlen eher Gehör zu finden. Auch deshalb wurden die Auf- tritte und Aktionen für den Frauentag 1999 „sorgfältig vorbereitet“. Der 8. März 1999 fiel auf einen Montag und der Zeitplan musste besonders exakt abge- stimmt werden, weil für die zentralen Aktionen und Veranstaltungen nur der Nachmittag und der Abend zur Verfügung standen. Außerdem startete der Bremer Frauenausschuss an diesem 8. März ein neues Projekt. Zu Beginn der neunziger Jahre hatte der BFA ak- tiv an den Frauentagaktionen mitgewirkt. Auf Initiative der damaligen Vorsitzenden, Dr. Erika Riemer-Noltenius, hatten an mehreren Frauentagen Frauenparlamente – über die bereits berichtet wurde – stattgefunden. Doch seit 1996 war der BFA an den Aktionen des Frauentages nicht mehr beteiligt gewesen. Die Vorstandsfrauen hatten jetzt festgestellt, dass der 8. März zum entscheidenden frauenpolitischen Forum in Bremen geworden war, deswegen hatte der Vorstand entschieden, dass sich auch der BFA dort präsentieren soll- 1990–2010 353 te. Es sollte eine besondere Veranstaltung werden, die jährlich wiederholt werden konnte. Die damalige stellvertretende Vorsitzende erläuterte im Gespräch am 9. November 2010 die Intentionen des Frauenausschusses: „Wir wollten den Frauenausschuss richtig reprä- sentativ machen.“ Am 26. Januar 1999 wurde die Presse zu einem Informationsgespräch eingeladen und im Einladungsschreiben wurde das Vorhaben skizziert:

„Der Bremer Frauenausschuss e. V. – Landesfrauenrat Bremen – organisiert als Dachorganisation von mehr als 40 Frauenverbänden die zentrale Veranstaltung zum 8. März – Internationaler Frauentag –. Damit soll eine Tradition eingeleitet werden für die kommenden Jahre. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird die ‚Bremer Frau des Jahres‘ geehrt.“119

Der Frauentag selbst begann mit einer Aktion von ZGF und Weser-Kurier, die gemeinsam am 8. März eine Telefonsprechstunde von 10 bis 12 Uhr organisiert hatten, bei der sich Anruferinnen von fünf Expertinnen zum Thema „Frau und Beschäftigung“ beraten lassen konnten.120 Am Nachmittag gab es Aktionen auf dem Marktplatz. Eine Inszenierung des Mädchenkulturhauses zum Thema „Überlebensformen von Mädchen und Frauen nach er- fahrener sexueller Gewalt“ machte den Anfang. Belladonna präsentierte wenig später die satirische Talkshow „Frauenmacht 2000“. In der Show blickten die Frauen aus dem Jahr 2000 zurück auf die Frauenrevolution im Herbst des Jahres 1999. Und zu diesem 8. März 1999 leisteten auch Männer einen Beitrag. Unter dem Motto „Gleichberechtigung ist auch Männersache“ wurde von grünen Bürgerschaftsabgeord- neten gebügelt, gekocht und gespült. Der hausarbeiterische Eifer grüner Abgeordneter geschah auch mit Blick auf die Wählerinnen, die Männer von Bündnis 90/Die Grünen hofften, durch diese Vorführung auf dem Marktplatz die Frauen von der Ernsthaftigkeit Grüner Gleichstellungspolitik besser überzeugen zu können als durch lange Reden und Flugblätter. Parallel zum Spektakel auf dem Marktplatz wurde im DGB-Haus auf Einladung der Ge- werkschafterinnen über neue Zeitbedürfnisse und Zeitzwänge im beruflichen und im Le- bensalltag der Arbeitnehmerinnen diskutiert. „Zukunft gestalten – Zeit neu verteilen“ war das Motto der Veranstaltung. Es wurden Tarifverträge vorgestellt, in denen Frauen ihre Ansprüche zur Veränderung der Arbeitszeiten realisieren konnten. In Bremen starteten die Gewerkschafterinnen eine Fragebogenaktion mit einer 24-Stunden-Uhr, in der Frauen den Ablauf ihres Normalarbeitstages notieren sollten. Das Thema frauenspezifische Arbeitszeiten war auch bei den Kirchenfrauen, die sich am 8. März zum Frauenfrühstück getroffen hatten, zentrales Thema. Die Hausarbeitsak- tion der Grünen-Abgeordneten war ein Hinweis darauf, dass die Frage, wie die Erwerbs- und Hausarbeit zwischen Frauen und Männern aufzuteilen sei, an vielen Stellen und nicht nur in der Frauenbewegung intensiv diskutiert wurde. Doch im Mittelpunkt des Interesses stand am 8. März 1999 die neue Initiative des Frau- enausschusses, also der Festakt in der oberen Rathaushalle zur Ehrung der Frau des Jahres. Der Vorstand des BFA hatte einige Monate zuvor aufgerufen, eine Frau vorzuschlagen, 354 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland die sich zu dem Leitthema des Europäischen Parlaments „Gewalt gegen Frauen“ ehren- amtlich besonders engagiert hatte. Eine Jury aus Politikerinnen, Medienrepräsentantinnen und Vertreterinnen von Frauenverbänden sowie der Gleichstellungsstelle wählte Angelika Dornhöfer. Sie hatte sich innerhalb der evangelischen Kirche ehrenamtlich engagiert, hatte dort unter anderem den Arbeitskreis „Sexuelle Gewalt in der Kirche“ gegründet. Vor allem habe sie – so begründete die Jury ihre Entscheidung – „ihr Engagement über zwanzig Jahre hinweg ausgebaut und dabei mutig über den Tellerrand“ geblickt und „unter anderem auch das Thema Beschneidung von Frauen öffentlich gemacht“.121 Die Veranstaltung fand große Zustimmung. Fast 400 Frauen waren der Einladung des BFA-Vorstandes gefolgt. Der Frauenausschuss hatte mit dieser Initiative dem Frauentag einen neuen Schwer- punkt gegeben. Außerdem hatten die Frauen erreicht, dass nach den Festveranstaltungen der 1950er und 1960er Jahre zum ersten Mal wieder eine Veranstaltung des Internationa- len Frauentages im Rathaussaal stattfand. Auch für den BFA begann ein neuer Abschnitt. Er organisierte ab 1999 eine Wahl der Frau des Jahres. Im Verlauf der vergangenen zwanzig Jahre waren immer wieder neue Projekte an den Frauentagen initiiert worden, die dann nach einigen Jahren ihren Reiz verloren hatten und wieder verschwanden – wie zum Beispiel die Frauenparlamente. Auch die Mädchenparla- mente wurden nicht fortgesetzt, stattdessen andere Angebot für Mädchen entwickelt. Für das Weiterbestehen des Frauentages waren jedoch gerade diese Veränderungen wichtig. Der Wandel in der Ausgestaltung weckte das Interesse der Besucherinnen. Ebenso re- agierte die Presse auf neue Initiativen, über die dann ausführlicher berichtet wurde. Diese Entwicklung setzte sich auch im neuen Jahrtausend fort.

8. März 2000: Wahl der Bremer Frau des Jahres und 25 weitere Veranstaltungen

Zum ersten Internationalen Frauentag im neuen Jahrtausend verwies die rot-grüne Bun- desregierung besonders auf ihre Initiativen zum Thema Gewalt gegen Frauen. Die Aus- länderbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), stellte die geplante Neu- regelung des § 19 Ausländergesetz vor: „Mißhandelte ausländische Ehefrauen werden in Zukunft bundesweit ein eigenständiges Bleiberecht erhalten.“ Der Regierungsvorschlag sah grundsätzlich ein regelmäßiges Aufenthaltsrecht für Ehegatten nach zwei Jahren vor. Doch in Fällen von sexuellem Missbrauch und bei Misshandlungen sollte diese Wartezeit entfallen. Die Ausländerbeauftrage versicherte, dass das Gesetz am 16. März im Deutschen Bundestag abschließend beraten und noch im Frühjahr des Jahres in Kraft treten werde.122 Mit dieser Neuregelung im Ausländerrecht war eine zentrale Forderung der Migrantinnen und der Frauenbewegung, welche auch an den Frauentagen immer ein wichtiges Thema gewesen war, erfüllt. Ein weiteres Ergebnis politischer Lobbyarbeit der Parlamentarierinnen und der Frau- ennetzwerke in den Ministerien war der „Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“, der vorsah, die verschiedenen Maßnahmen zum Schutz von Frauen vor Gewalt in einem Gesamtkonzept zusammenzuführen. In ihrem Festvortrag am 8. März 2000 stellte Edith Niehuis, Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren und Frauen, das Konzept in Bremen vor. Edith Niehuis war Gastreferentin auf der Festveranstaltung des Bremer Frauenausschusses. 1990–2010 355

Zum zweiten Mal hatten der Bremer Frauenausschuss und als Schirmherrin die Se- natorin für Arbeit und Frauen Hilde Adolf in die Obere Rathaushalle eingeladen.123 Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Ehrung der Bremer Frau des Jahres 2000. Die Auszeichnung für das besondere Engagement gegen Gewalt an Frauen und Mädchen ging in diesem Jahr an zwei Frauen, Ingrid Hebel und Ursula Müller. Beide hatten wesentlich dazu beigetragen, dass sexueller Missbrauch von Mädchen und die Folgen für die Opfer in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden und sie hatten für die Opfer in Bremen ein Beratungs- und Hilfsangebot, die Beratungsstelle Schattenriss, aufgebaut.124 Da im Jahr 2000 der Internationale Frauentag und Aschermittwoch auf das gleiche Datum fielen, hatten die Gewerkschafterinnen zum „politischen Aschermittwoch“ einge- laden. Parallel zur Festveranstaltung des BFA diskutierten die DGB-Frauen im Gewerk- schaftshaus die Wünsche und Forderungen der Frauen nach anderen Arbeitszeiten als die von den Arbeitgebern festgesetzten Zeittakte. Unter dem Motto „Unsere Zeit ist unser Leben“ informierte Barbara Dürk, Arbeitszeitberaterin, über ihre Tätigkeit und die ers- ten erfolgreichen Projekte: „Wir bringen alle Betroffenen an einen Tisch und handeln die unterschiedlichen Interessen aus.“ Ziel sei es, betriebliche Zeitanforderungen, die Öffnungszeiten von Dienstleistungsangeboten und private Interessen aufeinander abzu- stimmen, um gerade für Frauen mehr Zeitsouveränität zu gewinnen. In der Aussprache berichteten die Frauen über ihren Arbeitsalltag und ihre Erfahrungen in den Betrieben. Von „Wunscharbeitszeit“ war da keine Rede – die Arbeitgeber forderten Flexibilität von den Frauen „und sind selbst unflexibel“, erklärte eine Teilnehmerin. Dabei wären „andere Arbeitszeitmodelle ein wesentlicher Schritt zu mehr Gleichberechtigung“, stellte die Bre- mer Gewerkschaftssekretärin zum Abschluss der Diskussion fest.125 Neben diesen beiden Veranstaltungen gab es rund um den 8. März weitere Aktivitäten, an denen sich immer mehr Frauengruppen, Frauenorganisationen und Projekte beteiligten. So bot das Faltblatt, in dem die ZGF die Angebote zum Internationalen Frauen- tag zusammenfasste, eine gute Orientierungshilfe. Der Veranstaltungskalender wurde den Frauengrup- pen dann zur Verfügung gestellt.126 In dem breiten Themenspektrum zeichneten sich Schwerpunkte ab, die auch in den folgenden Jahren das Bild des Frauentages prägten: – Im Mittelpunkt standen die Veranstaltungen am 8. März. – In Diskussionsforen, Talkshows und Gesprächs- kreisen wurden aktuelle politische Fragestellungen verhandelt. – Die Auseinandersetzungen mit (neuen) feminis- tischen Theorien leisteten Vermittlungsarbeit zwi- schen der Frauenforschung an den Hochschulen und der Frauenbewegung. – Bei den Stadtrundgängen lernten die Teilnehme- rinnen die Frauengeschichte Bremens kennen. – Migration und die Lebensbedingungen der Frauen anderer Kulturen blieben zentrale Themen an den Frauentagen. 356 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

Die vielfältigen Kulturprojekte waren fester Bestandteil des Frauentagprogramms. Für die Ausbreitung der Idee des Internationalen Frauentages leisteten die Aktionen in den Stadtteilen einen wichtigen Beitrag. Zugleich entstanden damit in den Stadtteilen eigene regionale Netzwerke. Die Programmübersicht des Faltblattes machte auch eine weitere Tendenz sichtbar. Die Frauenorganisationen, Frauengruppen und Projekte organisierten – jeweils getrennt voneinander – separate Veranstaltungen. Es gab zwischen den Veranstalterinnen offen- sichtlich wenig Neigung, die Angebote zu koordinieren oder den 8. März im Bündnis vor- zubereiten. Das betraf nicht nur die Gruppen der Migrantinnen, die in den Jahren zuvor zusammengearbeitet hatten und die sich jetzt im Jahr 2000 mit eigenen Beiträgen be- teiligten, sondern auch der BFA und der DGB-Frauenausschuss organisierten ihre Ver- anstaltungen separat. Im Jahr zuvor hatten die beiden Organisationen ihre Termine noch aufeinander abgestimmt, doch am Abend des 8. März 2000 fanden der Festakt zur Ehrung der Frau des Jahres und die Veranstaltung der Gewerkschafterinnen zum gleichen Zeit- punkt statt.

Über Bremen verteilt und zeitlich ausgedehnt – Frauentage 2001 bis 2006

Diskussionen in kleiner Runde, Geburtstagsfeier mit Paula und abends zum Tanz – Frauentag 2001

Der Veranstaltungskalender für den Internationalen Frauentag 2001 umfasste vom 2. bis 25. März einen Zeitraum von drei Wochen und es waren über 30 Angebote aufgelistet. Doch der Presse fehlten offensichtlich Orientierungsmarken in dem Programm – es wurde wenig über die Veranstaltungen berichtet. Stattdessen gab es allgemeine Berichte zu Frau- enfragen und am 8. März kamen die Politikerinnen der Bürgerschaft und Führungsfrauen aus Wirtschaft und Verbänden zu Wort.127 So befragte der Weser-Kurier Bürgerschaftsabgeordnete über ihr Verhältnis zum Inter- nationalen Frauentag. Doris Hoch von den Grünen störte der „Gedenkcharakter“ des Tages. Es würden immer wieder dieselben Forderungen vorgetragen und trotzdem käme der Pro- zess, Männer und Frauen gleichzustellen, „einfach zu langsam voran“. Gleichwohl wollte sie, angesichts der vielen Benachteiligungen der Frauen, nicht auf den Frauentag verzichten. Auch die Vorsitzende des Gleichstellungsausschusses, Barbara Wulff (SPD), hielt den Tag für „sinnvoll“, um „frauenspezifische Themen in die Öffentlichkeit zu bringen“. Und die CDU- Abgeordnete Annedore Windler sah im Frauentag eine Chance, „die Kräfte zu bündeln“. Für die Parlamentarierinnen war der 8. März ein „Pflichttermin“. Doch das bot ihnen auch die Möglichkeit, auf Probleme von Frauen und die immer noch bestehende „grundsätzliche Schlechterstellung der Frauen“ gegenüber Männern in der Öffentlichkeit hinzuweisen.128 Auch für Führungsfrauen in Unternehmen und Leiterinnen von Verbänden und Ins- tituten war der Frauentag zum Thema geworden. Den Zusammenhalt untereinander zu stärken, sich zu stützen, Frauennetzwerke zu schaffen, das waren wichtige Anliegen für die weiblichen Führungskräfte. Und wie alle anderen berufstätigen Frauen kritisierten sie, dass „Karriere, Küche, Kinder“ in der Bundesrepublik kaum vereinbar seien.129 1990–2010 357

Für die Presse war der Festakt zur Feier der Frau des Jahres interessant. Der Weser-Ku- rier berichtet darüber am 9. März 2001: In dem vom Europaparlament ausgerufenen „Jahr der Freiwilligen“ wurde auch in Bremen eine Frau für ihr ehrenamtliches Engagement ge- ehrt. Gewählt worden war Maren Heiser, die als „Grüne Dame“ seit elf Jahren den Besuchs- dienst der Evangelischen Krankenhaushilfe in Altersheimen organisierte.130 Der DGB-Kreisfrauenausschuss hatte bereits am Vormittag des 8. März zu einer Früh- stücksrunde „für Schichtarbeiterinnen und alle Frauen, die abends nicht kommen können“ eingeladen. Wie zu erwarten traf sich nur ein kleiner Kreis von Frauen. Doch auch bei der Veranstaltung am späten Nachmittag, der „Talk-Runde – Meine Zeit ist mein Leben“ mit Betriebs- und Personalrätinnen, blieben die Gewerkschafterinnen weitgehend unter sich.131 Für interessierte Frauen boten die drei Wochen rund um den 8. März neben politischen Diskussionsrunden und Vorträgen auch ein breites Kulturangebot mit Ausstellungen, Kunstworkshops, Literaturveranstaltungen, Museumsbesuchen – zum Beispiel zum 125. Geburtstag von Paula Becker-Modersohn – und Tanzperformances. Vor allem aber war der Veranstaltungszeitraum des Internationalen Frauentages eine Zeit zum Feiern und Tanzen: Am 8. März luden die Gewerkschafterinnen ein, am 9. März feierte der Migrantin- nenrat und am 10. März veranstaltete das Kultur- und Bildungszentrum belladonna ein Frauenfest mit Tanzabend. Doch diese Aktivitäten wurden in der Öffentlichkeit in Bremen kaum wahrgenommen. Es fehlte das Echo in der Presse und die Aktivistinnen selbst waren auf den Straßen und Plätzen der Stadt nicht mehr mit politischen Inszenierungen sichtbar. Vielerorts hingen Plakate, lagen Flyer und Veranstaltungshinweise aus, doch ansonsten fand der Internatio- nale Frauentag in geschlossenen Räumen statt.

„Wie ein Spinnennetz über Bremen“132 – Frauentag 2002

Die zahlreichen Angebote zum Internationalen Frauentag 2002 wurden von einer Re- dakteurin des Bremer Anzeigers mit einem riesigen Netz, das die Frauen über Bremen ausgespannt hätten, verglichen. Denn die Veranstaltungen erstreckten sich nicht nur räumlich bis in die Vororte Bremens, sondern waren auch zeitlich noch weiter gestreut als im Vorjahr. Bereits am 21. Februar wurde mit einem Seminar des Bildungszentrums belladonna über feministische Theorie gestartet, die letzte Veranstaltung war ein Vor- trag über den Ursprung des Kusses am 21. März bei Pro Familia. Bei den Angaben zu den Angeboten im Veranstaltungskalender des ZGF fiel auf, dass von den über 30 Akti- vitäten, darunter Stadtführungen, Lesungen, Vorträge, Frauenfeste und Modenschauen, ungefähr zwei Drittel Eintritt kosteten. Die Spanne reichte von einem Euro Eintritt für Mädchen zum Frauen- und Mädchenfest im Sozialzentrum Amersfooter Straße bis zu 100 Euro für den Bildungsurlaub „Von Rosa L. bis Angela M.“.133 Für diese Entwicklung gab es im Wesentlichen zwei Ursachen. Einerseits hatten sich die Frauen in ihren Fach- gebieten professionalisiert und Vorträge, Workshops und Kabarettauftritte waren zwar Beiträge zum Frauentag, aber auch Arbeitsleistungen, mit denen die Frauen ihren Le- bensunterhalt verdienten. Und andererseits gab es kaum noch finanzielle Unterstützung für Fraueninitiativen und Gruppen. So war dann der Eintritt eine Möglichkeit, Geld in die Gruppenkasse zu bekommen. Gleichwohl war das Veranstaltungsangebot beeindruckend und lieferte den Nachweis für die Vielseitigkeit und das Engagement der Frauenszene in Bremen, die offenbar auch 358 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland von außen als eine politische Kraft gesehen wurde. Das kam auch darin zum Ausdruck, dass die taz Bremen – trotz mancher kritischer Kommentare aufgrund der „Bravheit“ der Frauenbewegung – zum Internationalen Frauentag 2002 „ein taz-Spezial in Sachen Frauen“ herausgab. Zum 8. März erschien der Sonderdruck „Frauen am Fluss“.134 Der Weser-Kurier informierte ausführlich über den Festakt am 8. März im Rathaus zur Ehrung der Bremer Frau des Jahres. Im Jahr 2002 war die Gynäkologin und Psychothera- peutin Edith Bauer gewählt worden, die sich besonders gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen engagiert hatte und Aufklärungskampagnen und Projekte in afrikanischen Staaten zur Eindämmung der Beschneidungspraktiken unterstützte.135 Dagegen hatte sich die taz Bremen bei den autonomen Frauen umgesehen. Die „tra- fen sich im Viertel136 und gingen dort auf die Straße“. Die Veranstalterinnen hatten zum „FrauenLesben-Kampftag“ aufgerufen. 50 Frauen versammelten sich zur Kundgebung auf dem Ziegenmarkt im Steintorviertel. Und die Frauen wollten „für alles und gegen alles kämpfen. Vor allem gegen die sogenannten Anti-Terror-Gesetze, das Zuwanderungsgesetz und die Afghanistan-Politik der westlichen Industrienationen“.137 Nach der Kundgebung setzten die Teilnehmerinnen ihre Aktionen „tanzend“ auf der Straße fort und blockierten damit schon bald den Verkehr, was ein empörtes Hupkonzert auslöste. Anschließend an den Bericht über die Aktionen im „Viertel“ folgte in der taz nur noch eine kurze Notiz über die „offizielle“ Feierstunde zur Ernennung der Frau des Jahres. Über die unterschiedliche Schwerpunktsetzung der Redaktionen wurde die Spanne der Meinungen und Interessen der Frauenbewegung etwas sichtbarer.

Für Frieden und Frauenrechte – Frauentag 2003

Je mehr sich die Frauenbewegung ausdifferenzierte und in unterschiedlichen Angeboten in den Wochen um den 8. März herum artikulierte, desto wichtiger wurden die Stellung- nahmen der Frauenbeauftragten. Sie konnte in Interviews und Presseartikeln zum Inter- nationalen Frauentag allgemeine Grundtendenzen der Frauenbewegung darlegen, For- derungen zusammenfassen und jeweils den Blick auf die dringendsten Aufgaben lenken. Besonders vor Wahlen waren ihre politischen Erklärungen gefragt, konnten die Parteien doch damit gegenüber den Wählerinnen zeigen, dass ihnen Frauenthemen ein wichtiges Anliegen waren. Im Mai 2003 waren Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft und zum 8. März veröffent- lichten zwei Zeitungen eine politische Stellungnahme der Landesbeauftragten Ulrike Hauffe. „Der 8. März lebt“, so die Überschrift ihres Artikels im Bremer Forum, der Lokal- beilage im Vorwärts, dem Parteiorgan der SPD138. Sie wies in diesem Artikel auf die politi- sche Bedeutung des Frauentages als Protesttag der Frauenbewegung hin. Im Sonderdruck der taz, „Frauen am Fluss 2003“, zog sie „die Bilanz“ ihrer achtjährigen Arbeit als Frauenbeauftragte in der großen Koalition in Bremen.139 Sie bezeichnete dabei den Zustand der Kinderbetreuung in Bremen als „katastrophal“. Ebenso habe die Gleich- stellungsstelle bei der Mädchenarbeit „nicht wirklich was erreicht“. Besonders empört zeig- te sie sich über die neuen Hartz-Gesetze. Mit ihnen werde die Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern zulasten der Frauen weiter voranschreiten. Gefördert würden die „Leis- tungsstarken“ unter den Arbeitslosen. Die alleinerziehenden Mütter, Migrantinnen, auch Frauen, die sich nach der Erziehungspause erst neu orientieren müssten, sie alle hätten bei diesen Förderungsprinzipien keine Chance. Positiv bewertete sie dagegen die Bremer 1990–2010 359

Existenzgründungsinitiative für Frauen, dort seien für Frauen neue Berufsperspektiven entwickelt worden. Am entscheidenden Datum traten dann alle diese Themen angesichts des drohenden Krieges im Irak in den Hintergrund. „NEIN“ stand mit großen Lettern auf dem Transpa- rent, das am 8. März 2003 auf dem Domshof in Bremen aufgespannt worden war.140 Zahl- reiche Bremer Fraueninitiativen hatten zur Kundgebung aufgerufen:

Frauen, Mütter, Großmütter kommt am 8. März, dem Internationalen Frauentag, um 12 Uhr auf den Bremer Marktplatz

Die Bremerinnen wurden aufgerufen, ihren Protest und Zorn gegen die zum Krieg be- reiten Militärmächte USA und Großbritannien zum Ausdruck zu bringen.141 Unter dem Motto „Brot statt Bomben – Ja zum Leben“ machten die Initiatorinnen vor allem auf die Not und die Probleme der Menschen im Irak aufmerksam, die nun schon seit geraumer Zeit unter dem Embargo zu leiden hätten. Auf der Kundgebung schilderte eine Studentin die Erlebnisse ihrer Reise in den Irak. In anderen Redebeiträgen wurde betont, dass ein weiterer Krieg die ganze Region bedrohe und vor allem die Bevölkerung in noch größeres Elend stürzen werde.142 Zum Abend des 8. März hatten belladonna, die DGB-Frauen, der Migrantinnenrat und die ZGF gemeinsam ein Frauenfest organisiert. 450 Frauen waren gekommen.143 Die Frau- en des DGB-Regionalausschusses – wie der Kreisfrauenausschuss nach der Reform des DGB hieß – zogen allerdings eine kritische Bilanz. Sie stellten fest, dass die eigene Ver- anstaltung am 6. März zum Thema Arbeitszeit „schlecht besucht“ war und dass zu wenige Gewerkschafterinnen an dem Frauenfest teilgenommen hätten.144 Der BFA veranstaltete weder 2003 noch 2004 eine Feier zur Ehrung der Frau des Jahres. In beiden Jahren konnte die Raumfrage nicht gelöst werden, da weder die obere Rathaushalle noch der Plenarsaal der Bürgerschaft zur Verfügung standen und auch keine angemessene Alternative gefunden werden konnte. „Denn wir brauchten einen Saal für ca. 400 Frauen, so viele sind immer gekommen. Außerdem wollten wir einen angemessenen Rahmen. Das waren wir schon den geehrten Frauen schuldig. […] Als dann alles nicht ge- klappt hat, haben wir lieber ganz drauf verzichtet.“145 Dafür hatten die Frauen der Bremer Evangelischen Kirche (BEK) für das Wochenende des 8. und 9. März Aktivitäten vorbereitet. Am 8. März wurde die Ausstellung „Frauen im Gesangbuch“ eröffnet und ab 20 Uhr begann „Die Nacht der Frauen“. Am Sonntagmorgen gestalteten Frauen einen „besonderen Gottesdienst“, zu dem Frauen und Männer einge- laden waren. Offensichtlich war eine ganze Reihe von Veranstalterinnen unzufrieden damit, dass die Aktionen am 8. März so unkoordiniert abliefen. Deshalb lud die ZGF bereits im Sommer 2003 die Gruppen, Initiativen und Organisationen zu Gesprächen ein. Der Internationale Frauentag 2004 sollte besser vorbereitet werden. Über die Ergebnisse dieser ersten Ge- spräche wurde auf der Sitzung des DGB-Regionsfrauenausschusses am 27. Oktober be- richtet: „Der 8. März soll in Bremen zum Thema ‚Sozialabbau‘ stattfinden. […] Festgelegt wurde, dass es ein zentrales Abschlussfest im Gewerkschaftshaus geben sollte.“ Und alle Gruppen, auch der Bremer Frauenausschuss, sollten dieses Fest gemeinsam tragen. Für die weitere Planung war vorgesehen, „eine große Runde unterschiedlicher Frauengruppen und Initiativen“ für ein nächstes Treffen einzuladen.146 360 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

Ein Frauentag mit wenig Presseecho – Frauentag 2004

Doch dieses Vorhaben wurde nicht realisiert. In einer Notiz vom 6. März 2004 wurde in der taz Bremen auf die Abendveranstaltungen am 8. März hingewiesen: „Von 19 bis 22 Uhr lädt die ZGF Frauen in ihre Räume […] zu Klönschnack und Tanz. Bremens-Norderinnen brauchen nicht in die Stadt zu fahren, um sich einen schönen Abend zu machen. Die VHS und der Arbeitskreis Frauen in Bremen-Nord feiern von 19 bis 22 Uhr ein Internationales Frauenfest. […] Am selben Abend findet um 19.30 Uhr im Konsul-Hackfeld-Haus eine Podiumsdiskussion statt. Titel: „Kopftücher, Kriege, Katastrophen – Frauenpolitik im glo- balisierten Wahnsinn.“147 Für die Veranstaltungen, die unmittelbar am 8. März stattfinden sollten, gab es keinen koordinierten Zeitplan. Im Veranstaltungskalender waren 13 verschiedene Aktionen auf- gelistet. Dabei war das DGB-Programm für den 8. März nicht einmal aufgeführt, weil die DGB-Frauen versäumt hatten, den Termin der ZGF zu melden. Auch in der taz-Informa- tion vom 6. März wurden die DGB-Frauen nicht erwähnt.148 Dabei hatten die Gewerkschafterinnen für den 8. März ein umfangreiches Programm vorbereitet, es stand unter dem Motto „Sozialabbau trifft immer zuerst die Frauen!“ Um 16 Uhr begann es mit einem Nachmittagskaffee und Bücherflohmarkt. Am Abend folgte ein Vortrag über die Auswirkungen der von der Bundesregierung beschlossenen neuen Maß- nahmen zur Arbeitsmarkt-, Renten- und Gesundheitspolitik. „Hartz und die Auswirkungen auf Frauen“ lautete das Thema.149 Einige Gruppen hatten zum Frauentag 2004 die Themen Internationalismus und Glo- balisierung auf die Tagesordnung gesetzt. Der Verein Frauenmuseum veranstaltete einen Vortragsabend über „Frauen in Vietnam – gestern und heute“. Die Frauengruppe De Co- lores lud zusammen mit dem Frauennetzwerk attac und dem Rosa-Luxemburg Club Bre- men zu einer Podiumsdiskussion über Frauenpolitik im Prozess der Globalisierung ein. Mit einem Infostand vor dem Kaufhaus von C&A protestierte die „Bremer Kooperation zur Kampagne für saubere Kleidung“ gegen die menschenunwürdigen Arbeitsbedingun- gen, unter denen junge Frauen in den Schwellenländern die Kleidung produzierten, die in Kaufhäusern wie C&A verkauft wurde. Die Solidaritätsbewegung forderte die großen Kaufhauskonzerne auf, eine Sozialcharta mit sozialen Mindeststandards zu unterzeich- nen und deren Einhaltung bei ihren Produzenten durchzusetzen.150 An einem Vortrags- und Diskussionsabend wurde das Projekt erläutert und über die Situation von Textilarbei- terinnen in Bulgarien/Osteuropa informiert. Insgesamt umfasste der Veranstaltungskalender 40 Angebote. Darüber wurde auf den Lokalseiten des Weser-Kuriers berichtet.151 Etwa ein Drittel des Programms waren Aktivitäten in den Stadtteilen. Außerdem gab es Bildungsseminare, Vorträge und Work- shops von belladonna, Initiativen von Migrantinnen, Vorträge von Pro Familia, Projekte der Kirchenfrauen, Stadtrundgänge, Beiträge der Frauen vom Frauenmuseumsverein und Veranstaltungen der Gewerkschafterinnen, der ZGF und des Bremer Frauenaus- schusses. Sie bildeten zusammen die Gruppe der wichtigsten Trägerinnen. Die Angebote zeigten, dass die Frauen weiterhin am Konzept eines politischen Forums wie dem Frauentag Interesse hatten und sich beteiligten. Doch weiterhin fehlte eine Ins- titution oder Organisation, die in der Lage und bereit gewesen wäre, die Arbeiten zusam- menzuführen. Auch wenn das einige Organisationen sicherlich wünschten, änderte sich vorerst nichts an den Strukturen. 1990–2010 361

„Wo bitte geht’s zur Zukunft?“152 – Frauentag 2005

Am 14. März 2003 hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder im Bundestag sein Reform- projekt „Agenda 2010“ verkündet. Es war „die größte Sozialreform in der Geschichte der Bundesrepublik“.153 Sie betraf unter anderem die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, eine Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln, einen neuen Beratungsservice durch Jobcenter sowie die Förderung von sogenannten Ich-AGs und Minijobs. Ebenso wur- de das Arbeitslosengeld gekürzt und der Kündigungsschutz gelockert. Die Anrechnung von Partnereinkommen sorgte dafür, dass viele Frauen aus dem Bezug von Arbeitslosen- und Sozialhilfe herausfielen. Und so war „Hartz154 und Frauen“ das zentrale Thema am Internationalen Frauentag. In vier Veranstaltungen wurde das Problem aus unterschiedlichen Blickwinkeln be- leuchtet: Den Anfang machte die Bürgerschaftsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen am 28. Februar mit einer Podiumsdiskussion zu „Hartz und Frauen – Chancen und Risiken der neuen Arbeitsmarktgesetze“. Am 3. März diskutierten Frauen auf Einladung von bel- ladonna „über erste Auswirkungen vom Arbeitslosengeld“ unter dem Leitspruch „Wo bitte geht’s zur Zukunft?“. Auch in der Diskussionsrunde der DKP-Frauen standen die Hartz- Gesetze im Mittelpunkt. Und die Gewerkschafterinnen fragten nach den beruflichen Per- spektiven von Arbeitnehmerinnen, die durch die neuen Jobcenter verpflichtet wurden, beinahe jede Arbeit anzunehmen. Die Veranstaltung am 8. März stand unter dem Motto „Arbeit um jeden Preis? – wie verändert sich Arbeit in Bremen und wo können Frauen ge- meinsam etwas bewegen?“. Aus Anlass des Internationalen Frauentages gab es am 6. März 2005 eine Sonder- sendung von Radio Bremen: „Buten un binnen und die Frauen“. Gast im Studio war die Landesbeauftragte für Frauen, Ulrike Hauffe. Die zu Beginn der Sendung eingeblendeten Spielszenen machten anschaulich, dass Frauen in der Bundesrepublik Deutschland auch 2005 noch immer nicht auf den Chefsesseln saßen. Deshalb war auch die erste Frage der Moderatorin an Ulrike Hauffe: „Hat die Frauenbewegung am 8. März einen Grund zum Feiern?“ In ihrer Antwort verwies Ulrike Hauffe sowohl auf die Fortschritte, aber auch auf fortbestehende Diskriminierungen und Benachteiligungen der Frauen. So habe es auf „jeden Fall Verbesserungen gegeben“, besonders im Bezug auf das Thema „Gewalt gegen Frauen haben wir was zu feiern“. Denn mit dem Gewaltschutzgesetz und den Weg- weisungsrechten auf Länderebene sei die Situation für die betroffenen Frauen wirklich verbessert worden. Vor allem aber habe sich in der Gesellschaft ein Bewusstseinswandel vollzogen. Das betreffe auch das Thema Schwangerschaftsunterbrechung. Vor allem die jungen Frauen träten selbstbewusster auf, forderten ihre Rechte und nähmen sexistische Übergriffe nicht mehr passiv hin. Doch das alles könne nicht darüber hinwegtäuschen, er- klärte die Frauenbeauftragte, dass die „Ungleichheit zwischen den Geschlechtern immer noch bestimmend“ sei in der Gesellschaft der Bundesrepublik. Deshalb, so betonte sie, habe der Frauentag auch weiterhin für die Frauenbewegung große Bedeutung. Als Gedenktag sei er auch notwendig, „damit man darüber nachdenkt, ob man Grund zum Feiern hat“.155 Der Bremer Frauenausschuss hatte auf jeden Fall einen Grund zum Feiern. Nach zwei- jähriger Pause lud der BFA wieder in die obere Rathaushalle zur Ehrung der Frau des Jahres ein. Frauenhandel war das Thema der Veranstaltung am 8. März 2005 und die Sozialpäda- goginnen Andrea Wessel und Manuela Kortmann wurden für ihre Beratung und Betreuung von Zwangsprostituierten und von Menschenhandel betroffenen Frauen ausgezeichnet. 362 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

Gefeiert wurde auch bei den Frauentreffen in den Stadtteilen. Vor allem in Tenever, dem „Problemstadtteil“ des Bremer Ostens, hatte sich seit einigen Jahren der Internationale Frauentag zu einem großen Frauen-Kultur-Fest entwickelt. 2005 lautete das Motto „Ab- brüche – Umbrüche – Aufbrüche, Frauenleben in Tenever“. Das dreistündige Programm gestalteten die Frauen selbst und schöpften dabei aus dem multikulturellen, oft auch schwierigen Zusammenleben im Alltag. Die Frauen unterschiedlicher Nationalitäten, auch ihre Kindertanzgruppen, alle hatten ihre kurzen Auftritte.156

Moderiert wurde die Veranstaltung von Gabi Grete Kellerhoff157, die seit 1994 im Arbeits- losenzentrum auch die Frauenarbeit mit anleitete. Ein wichtiger Programmpunkt beim Frauenfest waren die zahlreichen Essensstände mit internationalen Speisen, an deren Zubereitung und Verkauf sich viele Frauen betei- ligten. „Die Frauen kamen nur zum Fest, wenn sie selbst oder Bekannte aufgetreten sind oder sie sich an einem Essenstand beteiligen konnten. Das war oft nicht so professionell“, meinte Gabi Grete Kellerhoff in ihrem Bericht über ihre Arbeit.158 Doch gerade diese Mischung des Programms machte den Frauentag in Tenever so attraktiv, dass selbst Frauen „aus der Stadt“ anreisten. Wobei es mit rund 250 Besucherinnen in erster Linie das große Frauenfest des Stadtteils blieb.159 Der Frauentag in Tenever entwickelte sich im Lauf der Jahre zu einem wichtigen Ereignis im Stadtteil. Immer mehr Gäste nahmen teil. Am 8. März 2010 fand das Frauenfest in dem Saal des neu geschaffenen Zentrums von Osterholz-Tenever statt und mit 400 BesucherInnen war dieser bis auf den letzten Platz voll besetzt. Im Protokoll der Nachbereitungssitzung zu den Frauentagaktionen 2010 hieß es: „Überall weniger Besucherinnen als im Vorjahr, nur Tenever war rappelvoll.“160 Das Bei- spiel Tenever zeigte, dass der Internationale Frauentag den Frauen Möglichkeiten der Partizipation eröffnete und der Frauenarbeit in den Stadtteilen Aufmerksamkeit ein- brachte. 1990–2010 363

95. Internationaler Frauentag, 60 Jahre Bremer Frauenausschuss: Der Frauentag ist in die Jahre gekommen – 2006

Im weiteren Verlauf des Jahres 2005 erhielt das Thema „Frauen in Führungspositionen und an den Schalthebeln der Macht“ eine besondere Bedeutung. Aus den vorgezogenen Bundestagswahlen im September 2005 ging die CDU/CSU mit ihrer Kanzlerkandidatin Angela Merkel als stärkste Fraktion hervor. Damit übernahm zum ersten Mal in der Ge- schichte der Bundesrepublik eine Frau die Führung bei den Koalitionsverhandlungen und der Regierungsbildung. Obwohl diese neue Entwicklung zunächst eine Abwehrhaltung bei einigen Männern hervorrief, wurde Angela Merkel am 21. November 2005 vom Deutschen Bundestag zur Bundeskanzlerin gewählt.161 Zum 95. Jahrestag des Frauentages schloss sich auch die Bild-Zeitung dem allgemeinen Trend in den Medien an, an diesem Tag Frauenthemen vorrangig zu behandeln. So gab es für die Leserinnen und Leser der Bild am 8. März 2006 eine Überraschung: „An diesem Mittwoch halten Bild-Zeitungsleser eine Ausgabe in Händen, die ausschließlich unter weib- licher Regie entstanden ist“, meldete dpa am 8. März 2006.162 Die stellvertretende Chef- redakteurin, Marion Horn, hatte für die 8.-März-Ausgabe die Leitung der Redaktion über- nommen. Sie teilte den LeserInnen mit, für den einen Tag werde nicht nur die Redaktion von Frauen geleitet, auch die Zeitung selbst werde zur Frau: „Heute ist Bild eine Frau“, hieß es im Editorial. Entsprechend gab es „Seite 1 einmal ohne blanken Busen“, stattdessen ein männliches Pin-Up. Auf der zweiten Seite präsentierte Bild ein Foto der Bundeskanzlerin, wie sie freundlich lächelnd Kaffee einschenkt und dabei die Fragen der Journalistinnen beantwortet. Gefragt wurde sie nach ihrem weiblichen Regierungsstil, nach besonderen weibli- chen Tugenden und ihrem Verhältnis zu den „Polit-Machos wie Jaques Chirac, Wladimir Putin, George W. Busch“. Auf die Frage „Was bedeutet Ihnen der Internationale Frauen- tag?“ erklärte die Kanzlerin: „Ich finde, es ist ein wichtiger Tag. Er erinnert daran, daß wir schon einiges erreicht haben bei der Gleichstellung von Frau und Mann. Und er mahnt uns auch heute, nicht nachzulassen im Kampf gegen die Benachteiligungen von Frauen in vielen Teilen der Welt.“ Nach dem Handlungsbedarf in der Bundesrepublik wurde die Kanzlerin nicht gefragt. Eine solche kritische Debatte hätte auch nicht zu dem „kessen Stil“ der 8.-März-Ausgabe von „Die Bild“ gepasst.163 „Die Bild“ war offensichtlich ein Probelauf. Es sollte getestet werden, ob mit einer fe- minisierten Bild-Zeitung am 8. März zusätzlicher Profit zu machen war. Doch wie die Werbekampagne der Firma Nissan, so wurde auch die Aktion der Bild nicht wiederholt. Offensichtlich eignete sich der Internationale Frauentag nicht als Werbeträger. Mit der Idee des Frauentages verbindet sich nach wie vor die Geschichte der Frauenemanzipation und des politischen Protestes – ein solches Projekt widersetzt sich offensichtlich den üblichen Vermarktungsstrategien. Im Programm des Internationalen Frauentages in Bremen tauchte 2006 ein neues Thema auf: das Alter. Das Thema war in zweifacher Hinsicht aktuell geworden. Einer- seits waren unter den Organisatorinnen und den Besucherinnen viele Frauen, die sich 364 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland seit Anfang der 1980er Jahre an den Frauentagen beteiligten. Die jungen Mütter, die beim Frauenfest 1987 noch mit ihrem Kinderwagen die Aufgänge im Gewerkschafts- haus blockiert hatten, mussten sich 2006 mit den Wechseljahren auseinandersetzen. Pro familia reagierte auf diesen Bedarf. Unter der Überschrift „Ich bin in den Wechsel- jahren – soll ich Hormone nehmen?“ bot die Organisation einen „Infoabend für Frauen ab 40“ an und der Frauenbuchladen Hagazussa veranstaltete eine Podiumsdiskussion zum Thema „Lesben und Alter“. Andererseits war die Frauenbewegung selbst in die Jahre gekommen. In Bremen feierte der Frauenaus- schuss im Jahr 2006 sein 60-jähriges Jubiläum. In der Zentralbibliothek wurde aus diesem Anlass im März eine Ausstellung mit Dokumenten und Bildern eröffnet, die aus der jahrzehntelangen Arbeit des BFA berichteten.

Am 15. März fand die Festveranstaltung „60 Jahre Bremer Frauenausschuss“ und die Eh- rung der Frau des Jahres statt. Doch die Frauen wollten dabei nicht nur auf vergangene Zeiten zurückblicken. Im Festvortrag setzte sich Prof. Dr. Ute Gerhard mit dem aktuellen Stand der Frauenpolitik auseinander und ging der Frage nach, ob eine neue Frauenbewe- gung notwendig sei. Die ZGF und belladonna veranstalteten eine Podiumsdiskussion, die diese Frage unter dem Gesichtspunkt des demographischen Wandels diskutierte. Zwar war bereits im Rah- men vorangegangener Demonstrationen durch die Forderungen betroffener Rentnerinnen auf die Probleme einer alternden Gesellschaft aufmerksam gemacht worden, aber erst jetzt rückte die Thematik in den Fokus der Frauentagsveranstaltungen. In beiden Veranstaltungen wurde die Frage nach der Zukunft der Frauenbewegung, nach einer neuen frauenpolitischen Initiative gestellt. Damit verband sich auch die Frage nach einer Perspektive für den Internationalen Frauentag in Bremen. Die Aktivistinnen re- gistrierten, dass es kaum noch Resonanz in der Presse gab. Die Journalistinnen sahen of- fenbar in den Veranstaltungen zum Frauentag keine politisch relevanten Ereignisse mehr, über die es sich zu berichten lohnte. Die taz Bremen-Redakteurin schrieb dazu: „Ginge das nicht ein bisschen kühner? Warum nicht die unpatriarchalisch sozialisierte Kinder- schar im Rathaus spazieren führen? Oder ein Zug durch die Stadt mit einer Schafsherde am Band, um das Ende der Unmündigkeit zu demonstrieren? Wie auch immer – nur nicht so öde.“165 Nach dem 8. März kam eine Diskussion in Gang. „Bei Treffen haben wir darüber ge- redet, dass wir beim Frauentag was ändern wollten“, so beschrieb Kornelia Koczorowski, Sprecherin des Regionsfrauenausschusses, die Situation nach dem 8. März 2006.166 Im 1990–2010 365

Verlauf des Sommers 2006 trafen sich auf Einladung der ZGF Vertreterinnen von Frauen- organisationen, Projekten und Institutionen zu einer Debatte über die zukünftige Gestal- tung des Internationalen Frauentages und über die Form der Kooperation untereinander. Die Frauen einigten sich darauf, für 2007 wieder gemeinsam eine zentrale Veranstaltung zu organisieren. Der Flyer zum 8. März 2007 listete die Organisationen und Institutionen auf, die an der Vorbereitung und Durchführung des Frauentages beteiligt waren: – Arbeitnehmerkammer Bremen – belladonna e.V. – Bremer Frauenausschuss e.V., – Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) – Deutscher Gewerkschaftsbund – Evangelische Frauenarbeit in Bremen e.V. – Frauenunion der CDU167 Zum neuen Start hatten sich nahezu alle wichtigen frauenpolitischen Akteurinnen zu- sammengeschlossen. Die ASF hatte sich wegen Arbeitsüberlastung nicht direkt an den Vorbereitungen beteiligen können, gehörte aber ab 2008 mit zur Koordinationsgruppe.

Nicht zu alt für die Zukunft – Internationale Frauentage 2007–2010

Erstmals wieder eine gemeinsame zentrale Veranstaltung – Frauentag 2007

In der Pressemitteilung vom 6. März 2007, die die Gleichstellungsstelle und der Bremer Frauenausschuss gemeinsam herausgegeben hatten, hieß es: „Erstmals wird es in Bremen wieder eine zentrale gemeinsame Veranstaltung am 8. März, dem Internationalen Frauen- tag, geben. Im Mittelpunkt steht dabei das Thema Frauen und Arbeit.“168 Die Organisa- torinnen hatten es geschafft, zwei politische Aktionen in einem sorgfältig abgestimmten Terminplan zusammenzuführen und unter ein gemeinsames Thema zu stellen, welches die Brücke bildete zwischen der Festveranstaltung in der oberen Rathaushalle zur Ehrung der Frau des Jahres und der anschließenden Podiumsdiskussion im Haus des Deutschen Gewerkschaftsbundes. „Mehrere hundert Frauen und wenige Männer“ hatten sich am Nachmittag des 8. März zur Feier der Frau des Jahres in der oberen Rathaushalle versammelt. Den Festvortrag hielt Dr. Hella Baumeister zum Thema „Was bedeutet Arbeit für Frauen?“. Sie berichtete über die wechselvolle und widersprüchliche Entwicklung, die die Frauenerwerbsarbeit seit der Durchsetzung des Frauenwahlrechts 1919 durchlaufen habe. „Doch bei allen Fort- schritten auf dem Weg in die Gleichberechtigung, so Dr. Hella Baumeister, gebe es immer noch bedeutende Lohnungleichheiten und eine spürbare Diskriminierung der Frauen.“ Und die Vorsitzende des Bremer Frauenausschusses, Gisela Hülsbergen, stellte fest, dass „die Chancengleichheit bis heute nicht erreicht“ sei.169 Und deshalb wollte der Frauenausschuss mit der Wahl der Frau des Jahres 2007 eine Person auszeichnen, die sich um die Integration von Migrantinnen im Lande Bremen – insbesondere um die Verbesserung ihrer Chancen am Arbeitsmarkt – verdient gemacht hatte.170 Die Preisträgerin war Ayten Kocaoglu. Die Laudatorin betonte die Bedeutung von Ayten Kocaoglus Arbeit: „Sie leitet erfolgreich die Koordinierungs- und Betreuungsstelle 366 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland des Vereins Frauen in Arbeit und Wirtschaft, die sich mit ihrem Angebot an Migrantinnen und Nichtmigrantinnen wendet. […] Und sie ist heute anerkannter und unverzichtbarer Partner der bremischen Arbeitsmarktpolitik.“171 Im Anschluss an die Feier im Rathaus zogen die Frauen ins Gewerkschaftshaus um.172

Im Gewerkschaftshaus hatten die Gruppen, Organisationen und Parteien in den Fluren ihre Informationsstände aufgebaut.

Nach einer kurzen Pause begann die Podiumsdiskussion mit Frauen aus Wirtschaft, Wis- senschaft und Medien über das Thema „Wie arbeiten wir morgen?“. Zum Abschluss des Tages legte DJane Gülbahar Kültür auf und es konnte getanzt werden. Neben dieser zentralen Veranstaltung gab es wie immer weitere Aktivitäten. Auch die im Mai bevorstehenden Bürgerschaftswahlen warfen ihre Schatten voraus: Die Parteien wurden am 8. März in Sachen Frauenrechte aktiv. Für den Nachmittag des 8. März plan- ten die Grünen eine Protestdemonstration auf dem Marktplatz „gegen die Lohnunter- schiede von Männern und Frauen“.173 Und die taz Bremen interviewte Monique Troedel, die Spitzenkandidatin der Linkspartei für die Bürgerschaftswahlen. Sie hatte mehr als 10 Jahre als Vorsitzende des DGB-Frauenausschusses die Frauentage in Bremen mitgestaltet. Jetzt engagierte sie sich als Bürgerschaftskandidatin für den Frauentag. „Der 8. März ist der einzige Tag, an dem die Frau mal in den Mittelpunkt des Geschehens rückt.“ Doch nach wie vor „leben [wir] im Patriarchat“ und darum müsse, erläuterte Monique Troedel das Wahlprogramm der LINKEN, Gleichstellungspolitik in Zukunft Bestandteil aller poli- tischen Entscheidungen werden.174 Ein besonderes Ereignis war die erste Bremer Frauentagsveranstaltung in Berlin. Die Bevollmächtigte der Freien Hansestadt Bremen beim Bund und für Europa, Staatsrätin Dr. Kerstin Kießler, hatte „mehr als 150 Frauen aus Kultur, Politik, Wissenschaft und Verwal- tung in die Bremer Vertretung in Berlin eingeladen. Auf der Frauenversammlung am 15. März berichteten die Vorsitzende des Bremer Frauenausschusses Gisela Hülsbergen und die Historikerin Prof. Renate Meyer-Braun den anwesenden Gästen von der 60-jährigen Geschichte der bremischen Frauenarbeit.“175 Als sich die Organisatorinnen Ende März versammelten, um die Frauentagaktionen auszuwerten, waren sich alle darin einig, dass „eine gute Zusammenarbeit zwischen den 1990–2010 367

Verbänden stattgefunden“ habe und dass die Arbeit fortgesetzt werden sollte. Ab Juli 2007 traf sich der „Arbeitskreis 8.3.08“. Neu hinzugekommen gegenüber dem Vorjahr waren u.a. der Migrantinnenrat (migra), das Mädchenkulturhaus und die ASF.176 Der Teilnehmerin- nenkreis war nicht immer beständig, aber es wuchs das Interesse, sich an den Vorbereitun- gen zum Internationalen Frauentag zu beteiligen. Im Jahr 2008 war der 8. März ein Samstag. Und die Frauen hatten erreicht, dass ihnen das Rathaus den ganzen Tag zur Verfügung stand. „Für die Veranstaltung ist das gesamte Rathaus gebucht“, hieß es dazu im Protokoll der DGB-Regionsfrauenausschusssitzung vom 28. August 2007. Damit gab es ausreichend Platz und Zeit, ein umfangreiches Pro- gramm zu realisieren.177

„Frauengenerationen – Fortschritt mit Rückblick“ – Frauentag 2008

Unter dem Leitspruch „Frauengenerationen – Fortschritt mit Rück- blick“ sollte die Veranstaltung zum Internationalen Frauentag 2008 einen Dialog zwischen den Generationen in Gang setzen. Die Veran- stalterinnen erläuterten ihr Anliegen und das inhaltliche Konzept in der Einleitung zur Programmübersicht:

„Liebe Frauen, der 8. März, der Internationale Frauentag, kann inzwischen auf eine fast 100-jährige Geschichte zurückblicken. Viele Frauen auf der ganzen Welt nutzen diesen Tag, um darauf aufmerksam zu machen, wo sie in ihrem jeweiligen Land noch benachteiligt sind. Sie nutzen aber auch diesen Tag, um das bereits erreichte zu feiern. […] Frauen haben sich über Generationen hinweg stark gemacht für die Belange von Frauen und ihre Positionen haben sich immer wieder verändert. Wir wollten wissen: Wo standen wir vor dreißig Jahren, wo stehen wir heute? Wie denken junge Frauen/junge Mädchen/Migrantinnen über ihre Rolle in der Gesell- schaft und über den 8. März? Wir – das sind die Vorbereitungsfrauen aus mehreren Frauenverbänden im Bremer Frauenausschuss und der ZGF. So entstand unser Titel: Frauengenerationen – Fortschritt mit Rückblick. Unse- rem Thema nähern wir uns mit einer Podiumsdiskussion, einer Talkrunde, einem Schreibwettbewerb, der ‚Bremer Frau des Jahres‘ und v.a.m. Wir wollen natürlich auch feiern: Es gibt Musik, Aktionen, Infostände, Essen und Trinken und die vielen spannenden und unterhaltenden Gespräche mit vielen tollen Frauen. Am 8. Februar ist Schaffermahl und das Rathaus ist fest in Männerhand; sorgen wir dafür, dass am 8. März das Rathaus in vielen Frauenhänden ist!!! Die Frauen der Vorbereitungsgruppe“178

Und wie von der Vorbereitungsgruppe gewünscht, besetzten die Frauen am Samstag das Rathaus. Um 14 Uhr empfing eine Trommelgruppe gleich im Eingangsbereich die Besu- cherinnen. Über zwei Etagen verteilten sich die Infotische und -stände der Organisationen und Gruppen. In den verschiedenen Räumen des Rathauses liefen Projekte, Lesungen, 368 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

Diskussionen. Um 14.30 Uhr hatten als erste die jungen Frauen und Mädchen ihren Auf- tritt, denn in diesem Jahr wurde nicht nur die Frau des Jahres geehrt, sondern auch die Siegerinnen eines Schreibwettbewerbs. Den Wettbewerb hatten das Mädchenkulturhaus, der Migrantinnenrat und die Frauenunion initiiert. Mädchen und junge Frauen sollten in einem kurzen Text die Frage beantworten: „Bist du wirklich gleichberechtigt oder fühlst du dich nur so?“ Eine Jury hatte aus den Einsendungen drei Texte ausgewählt und die Verfasserinnen wurden am Nachmittag des 8. März ausgezeichnet und gebührend gefeiert. Im Presseraum berichteten zwei Migrantinnen über ihren Weg nach Deutschland und über ihren beruflichen Werdegang hier in der Bundesrepublik. Um 16 Uhr begann eine Podiumsdiskussion, zu der belladonna und die ZGF-Frauen aus vier Generationen eingeladen hatten. Es diskutierten: Ulrike Helwerth, Presse und Öffent- lichkeitsreferentin des deutschen Frauenrates, Prof. Dr. Yasemin Karakasoglu, Professorin für interkulturelle Bildung an der Universität Bremen, Claudia Bogedan, ehemalige stell- vertretende Juso-Bundesvorsitzende und Mitarbeiterin am Wirtschafts- und Sozialwissen- schaftlichen Institut, sowie Leonie Schönhagen, Preisträgerin des Young Women in Public Affairs Award des ZONTA Club Bremen. Moderiert wurde die Diskussionsrunde von Ulrike Hauffe. Diese Gesprächsrunde hatte den Frauen besonders gut gefallen. Die lebendige Dis- kussion zwischen den vier Generationen, war „als sehr spannend erlebt worden“.179 An die Podiumsdiskussion schloss sich die Ehrung der Frau des Jahres an. In ihrer Rede wandte sich Gisela Hülsbergen, 1. Vorsitzende des BFA, besonders an junge Frauen. Sie er- munterte zum weiteren Dialog und betonte, dass gerade der Internationale Frauentag für den Austausch unter den Frauen von großer Bedeutung sei. „Erfolg im Beruf solltet ihr nicht dem Zufall überlassen. Seid kritisch gegenüber denen, die behaupten, Gleichstellung sei fak- tisch erreicht. […] Vergesst nicht, dass die meisten Männer euch lieber in den Mantel helfen als in eine Führungsposition. Nehmt sie in die Pflicht im Haushalt, drängt sie, aktive Väter zu sein.“180 Damit wies Gisela Hülsbergen nicht nur die jungen Frauen darauf hin, dass Erwerbs- arbeit und Hausarbeit zwischen den Geschlechtern neu aufgeteilt werden müssten und dass die Herstellung der Gleichberechtigung eine Aufgabe von Frauen und Männern zu sein habe. Beispielhaft für die Kämpfe und Auseinandersetzungen um Gleichberechtigung war die Frau des Jahres 2008, Antje Treptow. Sie war die Kandidatin, die die DGB-Frauen dem Frau- enausschuss vorgeschlagen hatten.181 Die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern hatte sich nach der Erziehungszeit ihre Teilzeitstelle mit familiengerechten Arbeitszeiten gegen den Willen ihres Arbeitgebers, des Unternehmens Schlecker, vor Gericht erstreiten müssen. Und sie setzte außerdem gegen den massiven Druck des Unternehmens Betriebsratswahlen durch – woraufhin 2007 ihre fristlose Kündigung erfolgte.182 Zuvor war Antje Treptow jedoch noch die erste Betriebsratsvorsitzende in Bremen bei der Firma Schlecker geworden. Jetzt, im März 2008, kämpfte sie vor dem Landesarbeitsgericht gegen ihre Kündigung. Margareta Steinrücke, Arbeitnehmerkammer Bremen, wies in ihrer Laudatio darauf hin, dass Antje Treptow in mehrfacher Hinsicht exemplarisch sei für einen großen und wichtigen Teil der deutschen Frauenbewegung, der die letzten Jahrzehnte zu wenig Be- achtung gefunden hätten: Das seien die vielen jungen Frauen, die trotz guter Abschlüsse häufig in schlecht bezahlten Jobs arbeiteten und die sich dann in der Betriebsratsarbeit vor Ort für die schweigende Mehrheit der Frauen einsetzten. „Diese Betriebsrätinnen und aktiven Gewerkschafterinnen“, erklärte Margareta Steinrücke, „bilden den größten, aber weitgehend unbeachteten Teil der heute real aktiven Frauenbewegung.“ 183 Bereits drei Tage nach dem 8. März trafen sich die Veranstalterinnen zur Reflektionssit- zung. Alle waren mit dem Programmablauf und den inhaltlichen Aussagen zufrieden. Da- bei blieb die Frage offen, wie weit es wirklich gelungen war, jüngere Frauen anzusprechen. 1990–2010 369

„Es seien dort eher ‚altgediente‘ Frauen wahrgenommen worden, viele Besucherinnen sei- en um die 40 [Jahre] gewesen“, so ein Rückmeldung aus dem Kreis der Organisatorinnen. Mehrheitlich waren die Frauen dafür, im kommenden Jahr wieder ins Rathaus zu gehen. „Es sei zentral gelegen, ein neutraler Ort, gleichzeitig aber ein Ort mit einem hohen sym- bolischen Wert und es biete gute Politisierungsmöglichkeit.“ Für die weitere Arbeit wurden Regeln beschlossen: „1. Nächstes Jahr soll es eine feste Vorbereitungsgruppe geben. D.h. aus jedem interessierten Projekt gibt es eine fest an der Vorbereitungsgruppe teilnehmende Frau (ggfs. Vertreterin). 2. Diese Gruppe legt für sich einen festen regelmäßigen Termin für die Vorbereitungstreffen fest.“184 Wenig später hatte sich die Organisationsgruppe eine Geschäftsordnung gegeben und die Beratungstermine bestimmt. Auf der Sitzung am 26. November 2008 wurden die Pro- grammpunkte zusammengetragen und „nach langen Mühen [wurde] in geheimer Abstim- mung der Titel ‚60 Jahre Gleichberechtigung – noch nicht am Ziel’ festgelegt“.185

„60 Jahre Gleichberechtigung – noch nicht am Ziel“ – Frauentag 2009

Die Frauen verwiesen mit diesem Leitspruch darauf, dass zwar seit 60 Jahren die Gleich- berechtigung von „Männern und Frauen“ im Grundgesetz verankert, aber die Gleichstel- lung der Frauen noch lange nicht durchgesetzt war. Die wichtigsten Punkte, an denen die Benachteiligung von Frauen deutlich wurde, zählte Ulrike Hauffe in einem Interview mit dem Bremer Anzeiger auf: „Entgelt-Ungleichheit, prekäre Beschäftigung und auch Ge- walt gegen Frauen – wir haben nach wie vor viele Baustellen.“ Und sie fügte ergänzend hinzu, dass das Bundesland Bremen bei der Lohnungleichheit „bundesweit herausragend negativ“ sei. Es zeige sich, dass alle bisherigen Maßnahmen wenig gebracht hätten und „deshalb meine ich, wir müssen radikaler werden“. Dabei könnten die Frauen durchaus mit Unterstützung rechnen. „Gerade erst hat beispielsweise die Vorsitzende des Verbandes deutscher Unternehmerinnen eine Quotenregelung gefordert.“ Doch auf dem Weg zur Gleichberechtigung spiele auch Erziehung eine wichtige Rolle, betonte Ulrike Hauffe. Bereits in Kindergärten und Schulen müssten die Jungen und vor allem die Mädchen mit alternativen Lebensmodellen bekannt gemacht werden, um nicht in den tradierten „Rollen-Klischees stecken zu bleiben“.186 Ulrike Hauffe hatte in diesem Gespräch die Themen angesprochen, die auch bei den Aktivitäten zum Internationalen Frauentag im Rathaus im Mittelpunkt standen. Dort prä- sentierten sich wie in den Vorjahren die Frauenverbände und -initiativen mit ihren Info- ständen. Für die Zeit von 11 bis 18 Uhr gab es ein umfangreiches Programm: Diskussio- nen, Lesungen, Musik und Tanz. Und auch für Essen und Trinken war gesorgt. Außerdem konnten sich die Frauen zwischen den Programmpunkten verschiedene Ausstellungen an- schauen. Der Bremer Frauenausschuss präsentierte noch einmal seine Dokumentation zu 60 Jahren Bremer Frauenausschuss. Die Arbeitnehmerkammer zeigte die Fotogalerie „Die Gesichter der Geschlechter“. Besonderes Interesse fand die Ausstellung von internationa- len Plakaten, die belladonna aus seinen Archivbeständen zusammengestellt hatte. Unter dem Motto „Weltfrauentag ganz plakativ“ vermittelten die Exponate einen Einblick in die wechselvolle Geschichte des Frauentages. Wie bei den Veranstaltungen standen auch bei den Ausstellungen die Fragen im Vordergrund: Wo stehen wir heute mit der Gleichberech- tigung? Und wie geht es weiter? 370 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

Außerdem wurde der Dialog zwischen den Generationen fortgesetzt. In diesem Jahr waren erneut Mädchen und junge Frauen zu einem Mal- und Schreibwettbewerb einge- laden, diesmal mit der Frage, ob Mädchen und junge Frauen die gleichen Möglichkeiten und Freiheiten haben wie Jungen. Zu diesem Thema – „Gleichberechtigung?!“ – hatten sich eine ganze Reihe Mädchen und junge Frauen geäußert, deren Aussagen im Grundton weitgehend übereinstimmten: „Mädchen und Frauen sind viel weniger gleichberechtigt, als immer behauptet wird.“187 Eine Jury hatte vier Beiträge ausgewählt und die Siegerinnen des Wettbewerbs wurden am 8. März im Rathaus gefeiert. Am späten Nachmittag fand dann der Festakt des Bremer Frauenausschusses zur Eh- rung der Frau des Jahres statt. Gisela Hülsbergen gab die Ernennung von Erika Riemer- Noltenius zur Bremer Frau des Jahres 2009 bekannt. Sie betonte in ihrer Begrüßungsrede, dass sich Erika Riemer-Noltenius über Jahrzehnte hinweg, ganz im Sinne der Vorkämpfe- rinnen von 1949, für die Gleichstellung der Frau eingesetzt habe. Als Personalratsvorsit- zende der Handelskammer habe sie dafür gekämpft, dass Frauen bei gleicher Arbeit auch den gleichen Lohn wie Männer erhalten. In ihrer Zeit als Vorsitzende des Bremer Frauen- ausschusses von 1991 bis 1997 habe sie den Bremer Frauenklub gegründet. Vor allem aber sei sie weit über Bremen hinaus bekannt geworden mit ihrem Bremer EXPO-Projekt Beginenhof, einem Wohn- und Gewerbeprojekt für Frauen.188 Das Projekt hatte ihr zunächst überall Anerkennung, politische Zustimmung und Unterstützung ein- getragen. Dann aber war das Unternehmen 2001 pleite, nachdem in Aussicht gestellte Fördermittel nicht bewilligt worden waren. Nach politischen und juristischen Auseinander- setzungen konnte das Unterfangen letztlich gerettet werden.189 Seit Januar 2009 lebten im Beginenhof 70 Frauen und 30 Kinder und Jugendli- che in einer gemeinschaftlichen Wohnform.190 Dieses Konzept hatte weit über Bremen hinaus Interesse geweckt und auch andere Frauengruppen angeregt, neue Formen des Zusammenlebens auszuprobieren. Noch bevor am Sonntagmorgen des 8. März die Frauen in der oberen Rathaushalle mit ihrer Ver- anstaltung begannen, feierten die evangelischen Frauen den Internationalen Frauentag in einem Got- tesdienst. Der Gottesdienst im Zeichen der Gleich- berechtigung wurde live von Radio Bremen und vom NDR übertragen. Nur wenige Tage später luden Maren Bock und Halima Cengiz zum interkulturellen Dialog in die Mevlana-Moschee in Bremen Gröpelingen ein. Ma- ren Bock, Geschäftsführerin des Frauenkulturzen- trums belladonna, und Halima Cengiz, engagierte Muslima, organisierten bereits seit zwei Jahren Ge- sprächsabende unter dem Titel „Zu Gast bei der Nachbarin“.192 In diesem Jahr hatten sie zum ersten Mal einen Gesprächsabend in den Veranstaltungs- kalender zum Frauentag gesetzt. Das Gesprächsthe- ma am Abend hieß: „Welche Werte vermitteln wir unseren Kindern?“193 „Geschaffen gleichberechtigt“ – Einladung zum Gottesdienst.191 1990–2010 371

Am 10. März eröffneten die Frauen vom Verein Frauenmuseum e.V. ihre Ausstellung „90 Jahre Frauenwahlrecht“.194 In der Nachbereitung zum Frauentag am 31. März 2009 informierte Monique Troedel ihre Kolleginnen darüber, dass sie und ihre Fraktion, DIE LINKE, in der Bremischen Bür- gerschaft den Antrag eingebracht hätten, den Internationalen Frauentag zu einem gesetz- lichen Feiertag in Bremen zu machen.195

Der Antrag196 wurde auf der Sitzung der Bürgerschaft am 29. April 2009 verhandelt. In der Antragsbegründung erinnerte Monique Troedel daran, dass den Frauen immer noch die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft verwehrt werde. Sie listete die Defizite auf und wies auf die Einschränkungen hin, mit denen Frauen qua Geschlecht in ihrer Persön- lichkeitsentfaltung behindert würden. Mit dem Internationalen Frauentag hätten sich die Frauen einen Raum geschaffen, über den sie seit „fast 100 Jahren weltweit ihr Recht auf Gleichberechtigung“ einforderten. Er sei „das Sinnbild der Anmahnung von Frauenrechten und Ermutigung zum solidarischen Handeln zugleich, Ermutigung zur Gegenwehr gegen Gewalt“. Deshalb habe ein Beschluss der Bürgerschaft „diesen Tag zum Feiertag zu erklä- ren, mehr als nur symbolische Bedeutung“. Er sei auch „Mahnung für noch nicht erreichte Gleichstellung“.197 372 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

Die Stellungnahmen zu dem Antrag wurden – mit Ausnahme des FDP-Beitrags – von weiblichen Abgeordneten abgegeben. Ursula Arnold-Cramer (SPD), Doris Hoch (Bünd- nis 90/Die Grünen) und Elisabeth Motschmann (CDU) waren mit Monique Troedel einer Meinung, dass die Frauen vom Ziel einer tatsächlichen Gleichberechtigung noch weit ent- fernt seien. Sie betonten übereinstimmend die Bedeutung des Frauentages für eine ak- tive Frauenpolitik. Trotzdem lehnten sie den Antrag ab. Elisabeth Motschmann wies auf die negativen Folgen eines weiteren Feiertages für die Wirtschaft hin. Außerdem würden symbolische Akte wie die Etablierung eines Feiertages die Frauen „nicht weiter bringen“. Stattdessen seien „Taten und Fortschritte“ gefragt. Und die Abgeordnete Doris Hoch be- tonte, dass für die weitere Entwicklung Maßnahmen und deren gesetzliche Regelungen erforderlich seien. 198 Ursula Arnold-Cramer hätte eine Zustimmung zu dem Antrag der Linksfraktion „reiz- voll“ gefunden. Denn prinzipiell gab es keinen Dissens zu den Ausführungen von Monique Troedel. Doch sie verwies auf die Schwachstelle dieses Antrags, dem „ein tragfähiges Fun- dament“ fehle. Denn DIE LINKE habe es versäumt, sich für ihren Antrag innerhalb der Frauenbewegung Unterstützerinnen zu organisieren. Dort war über die Idee, den Frauen- tag zum gesetzlichen Feiertag zu machen, nicht weiter diskutiert worden. Ursula Arnold- Cramer machte den Vorschlag, in eine außerparlamentarische Debatte einzutreten. „Neh- men wir alle in diese Diskussion auf, die in verschiedenen Verbänden aktiv sind, und alle Punkte, zu denen auch die Forderung nach einem gesetzlichen Feiertag 8. März gehört. Wenn dann aus den Frauenverbänden heraus nicht nur in Bremen, sondern bundesweit die Forderung nach einem Feiertag erhoben wird, dann kann sich die Männerwelt, so bin ich mir sicher, dem kaum widersetzen.“199 Doch zunächst wurde in der Bremischen Bürger- schaft über den Antrag abgestimmt. Vizepräsident Ravens stellte fest: „Die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.“200 Nur die Linksfraktion hatte für die Annahme des An- trages gestimmt. Es gab keine weitere Diskussion über das Thema. Augenscheinlich war den Frauen eine Debatte darüber, ob der Internationale Frauentag ein Feiertag werden solle, nicht besonders wichtig.

Eine Jahrhundertfeier wird verschoben

Am 18. März 2009 trafen sich die Vertreterinnen der Frauenorganisationen und Institu- tionen zur Nachbereitung der 8.-März-Aktionen im Rathaus. Alle stimmten darin überein, dass es eine gelungene Veranstaltung gewesen war. Die feste Organisationsgruppe hatte sich bewährt. In der Zwischenzeit waren die meisten Frauengruppen, Frauenorganisatio- nen und Institutionen am 8. März mit eigenen Infoständen vertreten.201 Kritik gab es an der Presse, „für die nur die Bremer Frau des Jahres interessant [gewesen] sei“. Die Gewerkschaftsfrauen drängten darauf, für das nächste Jahr frühzeitige Absprachen zu treffen. Denn der 8. März 2010 fiel auf einen Montag, und damit standen für Aktionen nur die Zeit des späten Nachmittags und der Abend zur Verfügung – die Gewerkschafte- rinnen planten aber für 2010 eine große 100-Jahr-Feier des Internationalen Frauentages. Denn 100 Jahre zuvor hatten die Delegierten auf der zweiten sozialistischen Frauenkon- ferenz in Kopenhagen beschlossen, dass die sozialistischen Frauen aller Länder jährlich einen Frauentag veranstalten sollten. Und die DGB-Frauen berichteten, dass sie aus An- lass dieses 100. Jahrestages im ganzen Gewerkschaftshaus Aktionen planten.202 1990–2010 373

Nach der Sitzung begannen die DGB-Frauen mit den konkreten Vorbereitungen zur geplanten Festveranstaltung „Hundert Jahre Internationaler Frauentag“. Alle Einzelge- werkschaften wurden angeschrieben und aufgefordert, ihre Archive durchzusehen und das Material über Frauentagaktionen den DGB-Kolleginnen zuzuschicken.203 Es wurden Arbeitsgruppen gebildet und Pläne für die Ausgestaltung des Hauses entwickelt. Im Trep- penhaus sollten die Dokumente, Plakate und Bilder der einzelnen Gewerkschaften zu einer Ausstellung über die hundertjährige Geschichte des Frauentages zusammengefasst werden. Bis zum September gingen die Organisatorinnen in Bremen davon aus, dass 2010 in der Bundesrepublik der 100. Jahrestag des Internationalen Frauentages begangen würde. Auch als es erste Hinweise gab, dass der DGB mit dem Verweis auf die ersten großen Demonstrationen 1911 den 100. Jahrestag auf das Jahr 2011 festsetzen würde, ließen sich die Gewerkschafterinnen zunächst nicht beirren. Dann beschloss der DGB-Bundesfrauenausschuss am 9. September 2009:

„dass im Jahr 2011 ‚100 Jahre Internationaler Frauentag‘ begangen werden soll. Da- mit beziehen sich DGB und die Gewerkschaften auf das Jahr, in dem die ersten öffentlichen Demonstrationen und Veranstaltungen stattfanden (1911) und nicht auf das Jahr, in welchem beschlossen wurde, dass es einen solchen Tag geben soll (1910).“

Das Motto für den 8. März 2010: „Kurs halten! Gleichstellung“204

Am 16. September traf sich die „Vorbereitungsgruppe 8. März 2010“. Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte, herrschte Einigkeit darüber, dass auch in Bremen die 100-Jahr-Feier 2011 stattfinden sollte.205 Und für 2010 organisierten die Gruppen jeweils eigene Veranstal- tungen und koordinierten diese untereinander. Die Organisation der Jahrhundertfeier wurde auf das folgende Jahr verschoben, die Vorbereitungsgruppe stellte ihre Arbeit ein.

Suppenengel begegnet Helene Schweida, Rosa Luxemburg und Clara Zetkin – Frauentag 2010

Zum Frauentag 2010 war das Veranstaltungsprogramm so umfangreich wie nie zuvor. In bunter Reihenfolge gab es: – Stadtteilveranstaltungen; – Stadtrundgänge; – eine Theateraufführung, die Multimediale Performance zu Niki de Saint Phalle und ein Konzert mit Musik von Komponistinnen der Romantik; – Parteiversammlungen; – Gottesdienste und feministische Kritik religiöser Texte; – eine Talkrunde zur aktuellen Situation von Lesben und Schwulen; 374 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

– Berichte zu Frauenleben in Nairobi, in der Westsahara und Palästina; – eine Aktion von Frauen der Universität Bremen zu Kunst – Frauen – Technologie. – Den Abschluss bildeten am 26. März ganztägige Aktivitäten rund um den Marktplatz zum „Equal Pay Day“ organisiert vom Business and Professional Woman Club Bre- men.206 Zum Festakt des Bremer Frauenausschusses am 8. März 2010 waren in der oberen Rat- haushalle wieder mehrere hundert Frauen gekommen. Die Preisträgerin war in diesem Jahr Zia Gabriele Hüttinger. Der Suppenengel, Gabriele Hüttinger, gehörte mit ihren Helfe- rInnen zum Innenstadtbild Bremens. Sie war zur Frau des Jahres gewählt worden, „weil sie sich in besonderem Maße für die Rechte und das Wohl bedürftiger Menschen einsetzte“.207 Seit fast 13 Jahren versorgte sie viermal in der Woche Obdachlose und Hilfsbedürftige mit Suppe, Salat, Brot und Obst. Sie kochte die Suppe in der Küche einer Kirchengemeinde in der Bremer Neustadt, unterstützt von einer Gruppe Ehrenamtlicher. Gemeinschaftlich wurde das Essen mit Lastfahrrädern zu bestimmten Zeiten an festgelegte Orte der Stadt gebracht und verteilt. Doch Gabriele Hüttinger gab nicht nur Suppe aus, vor dem Einbruch der Frostperiode verteilte sie auch Schlafsäcke an Bedürftige. Und sie half beim Ausfüllen von Anträgen und begleitete die AntragstellerInnen bei Behördengängen, wenn es nötig war.208 Sie verteilte, wie sie selbst es nannte, „Suppe der Hoffnung“209. Renate Meyer-Braun berichtete über den Lebensweg dieser Frau, die sich mit ihrer Arbeitslosigkeit nicht abfand und das soziale Projekt „Initiative für Obdachlose und Be- dürftige e.V.“ geschaffen hatte – das schon bald von den Obdachlosen nur noch „die Sup- penengel“ genannt wurde. Nach dem Festakt machte sich die Mehrheit der Teilnehmerin- nen auf den Weg zum Gewerkschaftshaus.

„Frauen erkämpf(t)en ihren Tag“210 lautete der Leitspruch für die Veranstaltung der DGB- Frauen. Die Frauen wollten zurückblicken auf die vergangenen Kämpfe und zugleich sollte der Blick nach vorn auf die Herausforderungen und Kämpfe der Gegenwart und der Zu- kunft gerichtet werden. Bereits die Plakate im Treppenhaus und auf der Galerie gaben einen Einblick in vergan- gene Aktivitäten der Frauenbewegung. Und in ihrer Begrüßungsrede spannte Annette Dü- ring, Vorsitzende des DGB Bremen/Elbe Weser, den Bogen von den Anfängen des Inter- nationalen Frauentages zu den gegenwärtigen Problemen. Sie stellte fest, dass Frauen, gemessen an den Verhältnissen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, einiges erreicht hätten. Aber viele alte Themen bestünden bis heute. Frauen verdienten im Durchschnitt 24 Pro- zent weniger als Männer, und diese hielten immer noch die entscheidenden Führungsposi- tionen besetzt. „Und“, fuhr sie fort, „Frauen tragen dann auch noch ein erhöhtes Risiko der 1990–2010 375

Altersarmut.“ Allein schon diese kurze Auflistung zeige, dass Frauen noch lange nicht am Ziel angekommen seien. „Da ist noch viel zu tun und wir gehen weiter und bleiben beharr- lich“, rief sie den Frauen im überfüllten Clara-Zetkin-Saal des Gewerkschaftshauses zu.211 Im Festvortrag referierte Dagmar Stuckmann über die Entstehungsgeschichte des Internationalen Frauentages, über die gesellschaftlichen Verhältnisse und die politischen Bedingungen, die die Delegierten auf der Frauenkonferenz in Kopenhagen 1910 veranlasst hatten, einen Kampftag der sozialistischen Frauen zu beschließen.212

Nach dem Referat hatten die Theaterfrauen der Gruppe Interaktiwo das letzte Wort. Sie waren in die Rollen von Clara Zetkin, Rosa Luxemburg und der Bremerin Helene Schweida, verh. Kaisen, geschlüpft, und kommentierten die Geschichte der Frauenbewegung in Bre- men. Damit waren die Besucherinnen auf die Jahrhundertfeier im Jahr 2011 eingestimmt.

Zwischenbilanz

Im Verlauf der vergangenen zwanzig Jahre hatte sich das Erscheinungsbild des Interna- tionalen Frauentages gewandelt. Die Zahl der beteiligten Gruppen und Akteurinnen war gewachsen und die Kommunikationsstrukturen hatten sich diesen Veränderungen an- gepasst. Zugleich entdeckten die Frauen den Frauentag als Ereignis mit einer eigenen Geschichte. In Bremen wurde der Tag mittlerweile als traditioneller Gedenktag der Frau- enbewegung wahrgenommen. Zu Beginn der 1990er Jahre gehörten spektakuläre Straßenaktionen und Demonstra- tionen mit maskierten Teilnehmerinnen zum Frauentag. Auch die politischen Veranstal- tungen waren häufig kreative Inszenierungen. Und die Frauenfeste waren alljährlich be- sondere Höhepunkte. Im Jahr 2010 hatten sich die Frauen zu einem Festakt in der oberen Rathaushalle versammelt. Begrüßt durch die Senatorin feierten sie die Frauen des Jahres. Im Anschluss daran gab es im DGB-Haus einen langen historischen Vortrag. Die Organisa- torinnen waren damit zu tradierten Versammlungsformen zurückgekehrt. Doch zugleich 376 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland hatten die Frauen diese Formen mit eigenen Inhalten gefüllt. Und auf den Podien und in den Diskussionsforen saßen qualifizierte Fachfrauen, die ihre Positionen und Forderungen in der Öffentlichkeit engagiert vertraten. Der Internationale Frauentag umfasst jedes Jahr ein vierwöchiges Veranstaltungspro- gramm, in dessen Mittelpunkt die zentralen Aktivitäten im Rathaus und im Gewerkschafts- haus stehen. Außerdem gibt es über die gesamte Stadt verteilt ein Frauenprogramm mit An- geboten zu Kunst und Kultur, Politik und Gesundheit, zum Mitmachen, Zuhören, Treffen und miteinander Reden. Und die Liste der Trägerinnen umfasst nahezu alle Frauenverbände und Institutionen, die mit Frauenpolitik oder mit Frauenthemen befasst waren. Der Internationa- le Frauentag ist zum zentralen Treffpunkt geworden. Seitdem sich die Aktionen zeitlich und räumlich ausgedehnt haben und die Zahl der Akteurinnen ständig zugenommen hat, ist die ZGF eine wichtige Schaltstelle für die Organisierung der Frauentagswochen. Bei ihr laufen die Fäden zusammen, alle Veranstalterinnen, die sich am Programm des 8. März beteiligen wollen, melden dort ihre Angebote an, und die ZGF übernimmt auch die Zusammenstellung im Veranstaltungskalender und dessen Veröffentlichung. Angesichts der Vielfalt der Frauenorganisationen und der unterschiedlichen Interessen haben die politischen Stellungnahmen der Frauenbeauftragten eine besondere Bedeu- tung gewonnen. In ihren Erklärungen, die in den Medien am 8. März besondere Beachtung finden, führt sie die Themen der Frauen zusammen, formuliert Schwerpunkte und nennt die zentralen Forderungen. Zugleich hat sie die Moderation und Koordination bei der Vorbereitung und Durchfüh- rung der zentralen 8.-März-Veranstaltungen übernommen. Bei den Vorbereitungen zeigen sich Veränderungen durch die neuen Kommunikationsstrukturen: Statt der langen Aus- handlungsprozesse in den Bündnisverhandlungen früherer Jahre mit ungewissem Aus- gang, arbeitet jetzt eine Koordinationsgruppe mit festen und verbindlichen Strukturen an der Entwicklung und Umsetzung eines Veranstaltungskonzeptes. Nach wie vor steht am Anfang die politische Debatte über das Leitthema, in dessen Rahmen dann die Veranstal- terinnen ihre eigenen Beiträge entwickeln. Auch im Themenspektrum und für den Forderungskatalog gibt es neue Akzente. So fehlt immer noch ein Antidiskriminierungsgesetz, das Frauenförderpläne auch für die pri- vaten Unternehmen und Quotierungen bei den Führungspositionen vorsieht. Daher hat eine Reihe von Abgeordneten zusammen mit Gewerkschafterinnen eine Initiative für eine Frauenquote bei der Besetzung von Aufsichtsratsmandaten gestartet. Außerdem richtet sich die Kritik gegen den Um- und Abbau des Sozialstaates, der besonders die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeitnehmerinnen verschlechtert. Sehr viel präziser als in früheren Jahren wird am 8. März die Forderung nach der Betei- ligung an der Macht formuliert. Diese Forderung stimmt mit den Ansprüchen und Erwar- tungen der jungen Frauengeneration überein. Allerdings zeigen die jungen Frauen sonst wenig Interesse an den Aktivitäten zum Internationalen Frauentag. Die Frauenbewegung in Bremen hatte mit Beginn des neuen Jahrtausends über einen „Dialog der Generationen“ versucht, die Frage nach der eigenen Zukunft zu klären. Doch ein Durchbruch zur jungen Frauengeneration ist dabei (noch) nicht gelungen. Mit dem Blick nach vorn hat sich zugleich die Wahrnehmung der Geschichte und da- mit auch der Geschichte des Internationalen Frauentages geschärft. Die Rednerinnen am 8. März weisen auf die historische Bedeutung des Frauentages hin. Und die Frauenbe- auftragte versteht ihn als Gedenktag, als Anstoß zur Reflexion – als einen Tag, an dem Frauen zusammenkommen, um über das politisch Erreichte Rechenschaft abzulegen und gemeinsam weitere Schritte für die Zukunft zu planen. Der Frauentag ist über alle unter- 1990–2010 377 schiedlichen und widerstreitenden Interessen hinweg für Akteurinnen und Teilnehmerin- nen wieder zu einem Treffpunkt, einem Begegnungsort geworden, an dem die Frauenge- meinschaft ihre Forderungen und ihre Kritik öffentlich präsentiert und gemeinschaftlich feiert.

Anmerkungen

1 Vgl. Lenz, 2008, 871. 2 Lenz, 2008, 873. 3 Vgl. Lenz, 2008, 956. 4 Vgl. Lenz, 2008, 582–583. 5 Vgl. Wolfrum, 2007, 471–477 und 485–487. 6 Vgl. Lenz, 2008, 893. 7 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 1990. 8 Vgl. Lenz, 2008, 960. 9 Wolfrum, 2007, 460. 10 Vgl. Lenz, 2008, 1123, F. 1. 11 Autonome Frauen und Frauen aus der institutionellen Frauenbewegung trafen sich 1995 zur Vorbereitung der 4. UN-Weltfrauenkonferenz in Beijing und formulierten gemeinsam das Me- morandum der Bundesrepublik Deutschland zur vierten Weltfrauenkonferenz. Im Abschnitt „Gewalt“ wurde ausdrücklich auf die geschilderten Zusammenhänge zwischen verschiedenen Formen der gegen Frauen gerichteten Gewalt aufmerksam gemacht und gefordert, jede Form der Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung zu ächten. Abdruck des Memorandum in: Lenz, 2009, 311–321, Abschnitt zum Thema Gewalt, 316–317. 12 Vgl. Lenz, 2008, 874. 13 Die Zitate wurden der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit vom 7. März 1990 entnommen. AdsD/FES, Zass III, Bevölkerung/Frauen, 1990, Box 367. 14 Veröffentlicht in: Lenz, 2008, 878–884. 15 Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 5. März 1990. 16 taz Bremen vom 8. März 1990. 17 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 1990. 18 Aus der Anlage zum Protokoll der Kreisfrauenausschusssitzung vom 21. November 1989. Pri- vatsammlung Helga Antesberger. 19 Ausschnitt aus dem Plakat zum 8. März 1990. 20 Rückseite des Flugblattes zum 8. März 1990. 21 Vgl. taz Bremen vom 9. März 1990. 22 Aus dem Rundschreiben vom 8. Februar 1990 an die Gewerkschaftsfrauen und die ZGF. ZGF Archiv. 23 Vgl. taz Bremen vom 8. März 1990. 24 Vgl. Weser-Kurier vom 7. und 12. März 1990. 25 taz Bremen vom 6. März 1991. 26 Ausschnitt aus dem Flugblatt Internationaler Frauentag 1991/ Bremen. 27 Weser-Kurier vom 9. März 1991. 28 Weser-Kurier vom 9. März 1991. 29 Weser-Kurier vom 9. März 1991. 30 Vgl. taz Bremen vom 9. März 1991. 31 Aus dem Ablaufplan für den 8. März, o.D. Privatsammlung Gabi Grete Kellerhoff. 378 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

32 Schreiben des BFA vom 6. November 1991. 33 Vgl. Schreiben von Erika Riemer-Noltenius (BFA) an die Senatorin für Arbeit und Frauen, Sa- bine Uhl, vom 8. Januar 1992. 34 Weser-Kurier vom 5. März 1992. 35 Vgl. Lenz, 2008, 1055–1057. 36 Vgl. Presseerklärung der Senatorin für Arbeit und Frauen, in: Informationen, Freie Hansestadt Bremen, Der Senat, vom 6. März 1992, AdsD/FES, ZASS III, Bevölkerung/Frauen, 1992, Box 1010. 37 Vgl. taz Bremen vom 4. März 1992. 38 Presseerklärung der Senatorin für Arbeit und Frauen in: Informationen, Freie Hansestadt Bre- men, Der Senat, vom 6. März 1992, AdsD/FES, ZASS III, Bevölkerung/Frauen, 1992, Box 1010. 39 Weser-Kurier vom 9. März 1992. 40 taz Bremen vom 9. März 1992. 41 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 1992. 42 Vgl. Weser-Kurier und taz Bremen vom 9. März 1992. 43 Auszug aus dem Flugblatt zum Internationalen Frauentag 1993. Privatsammlung Gabi Grete Kellerhoff. 44 taz Bremen vom 6. März 1993. 45 taz Bremen vom 9. März 1993. 46 Weser-Kurier vom 9. März 1993. 47 Weser-Kurier vom 9. März 1993. 48 Weser-Kurier vom 9. März 1993. 49 Vgl. Lenz, 2008, 1057. 50 Vgl. Marliese Dobberthien, 1993, „Mann geht vor!“ in: Emma, 1993, 2, 68–69. 51 Weser-Kurier vom 9. März 1993. 52 Holland-Cunz, 2003, 161. 53 ZDF-Magazin Aspekte vom 7. Juni 1991. 54 Vgl. Queisser u.a., 1995, 81. 55 Vgl. Queisser u.a., 1995, 105. 56 Vgl. Lenz, 2008, 871. 57 Vgl. DGB, Abt. Frauen, (Hrsg.), Dokumentation des DGB, Uns reicht’s, FrauenProtestTag am 8. März 1994, Düsseldorf 7/94, 4–5. 58 Vgl. Streikkomitee Köln/Bonn und UFV Berlin, (Hrsg.) o.D., Streikaufruf, in: FrauenStreikTag Info Nr. 1. 59 Vgl. Lenz, 2008, 893. 60 Vgl. DGB, Abt. Frauen, (Hrsg.), Dokumentation des DGB, Uns reicht’s, FrauenProtestTag am 8. März 1994, Düsseldorf 7/94, 6. 61 Vgl. DGB, Bundesvorstand, Abt. Frauen, 11/93, Uns reicht’s, Internationaler FrauenProtestTag, Aktionstips. 62 Plakat und Streikaufruf veröffentlicht in: Ulrike Hiller, Gabi Grete Kellerhoff, (Hrsg.), Frauen- StreikTag ’94, Dokumentation, o.J., 6. 63 Vgl. Schreiben des Frauenstreikkomitees, c/o Ulrike Hiller und Monique Troedel vom 25. Ok- tober 93. Privatsammlung Gabi Grete Kellerhoff. 64 Ulrike Hiller, Gabi Grete Kellerhoff, (Hrsg.), FrauenStreikTag ’94, Dokumentation, o.J., 7. 65 Vgl. taz Bremen vom 8. Februar 1994. 66 Meldung der Presseagentur ddp/ADN vom 8. März 1994. AdsD/FES, ZASS III, Bevölkerung/ Frauen, Box 1623. 67 Das steinerne Standbild eines Ritters mit bloßem Schwert (Richtschwert) steht seit dem Mittelal- ter als Symbol bürgerlicher Freiheit und der Eigenständigkeit der Stadt vor dem Bremer Rathaus. 68 Ulrike Hiller, Gabi Grete Kellerhoff, (Hrsg.), FrauenStreikTag ’94, Dokumentation, o.J., 9. 1990–2010 379

69 taz Bremen vom 9. März 1994. 70 Der Bericht wurde für die Dokumentation über den Frauenstreiktag in Bremen erstellt. Privat- sammlung Gabi Grete Kellerhoff. 71 Vgl. Berichte über die verschiedenen Aktionen in: Ulrike Hiller, Gabi Grete Kellerhoff, (Hrsg.), FrauenStreikTag ’94, Dokumentation, o.J., 11–19. 72 taz Bremen vom 9. März 1994. 73 Vgl. taz Bremen vom 9. März 1994. 74 Susanne Kaiser, Im Jammertal, Mir reicht’s: Ein Traktat gegen die Bescheidenheit des Frauen- protestes, taz Bremen vom 8. März 1994. 75 Vgl. Auswertung des FrauenProtestTages, 8. März 1994 im DGB-Landesbezirk Niedersachsen. Dokumentation o.D. Privatsammlung Gabi Grete Kellerhoff. 76 Susanne Kaiser, Im Jammertal, Mir reicht’s: Ein Traktat gegen die Bescheidenheit des Frauen- protestes, taz Bremen vom 8. März 1994. 77 Manuela Beer, Frauenstreiktag mit lila Tüchern und Marmeladenbrötchen, Weser Report vom 9. März 1994. 78 Der Bericht über das Projekt „Gewaltige Frauen“ basiert auf: Gabi Grete Kellerhoff (V.i.s.d.P.) o. J. Gewaltige Frauen und Kulturstreikfest, ein multimediales Projekt zum Thema Frauen und Gewalt, Bremen. 79 Ulrike Hiller, Gabi Grete Kellerhoff, (Hrsg.), FrauenStreikTag ’94, Dokumentation, o.J. S 30. 80 „Frauentag – und wer geht hin?“, taz Bremen vom 8. März 1995. 81 „Frauentag – und wer geht hin?“, taz Bremen vom 8. März 1995. 82 Vgl. „Frauentag, Termine und Aktionen“, taz Bremen vom 8. März 1995. 83 „Laßt die Knastprobleme raus!“, taz Bremen vom 9. März 1995. 84 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 1995; „Ein Bild fürs Vorbild“, taz Bremen vom 9. März 1995. 85 Vgl. „Wir brauchen eine neue Normalität“, taz Bremen vom 9. März 1995. 86 „600 Mädchen diskutierten und kicherten“, taz Bremen vom 9. März 1995. 87 Vgl. „Frauentag – und wer geht hin?“, taz Bremen vom 8. März 1995. 88 Weser-Kurier vom 8. März 1996. 89 Auch in Bremen wurde für das Manifest mobilisiert. Privatsammlung Gabi Grete Kellerhoff. 90 Vgl. Weser-Kurier vom 6. März 1996. 91 Einladungsschreiben der ZGF an die Fraueninitiativen vom 6. Dezember 1995. Privatsamm- lung Gabi Grete Kellerhoff. 92 Vgl. „Danke, Frau Senatorin“, taz Bremen vom 8. März 1996. 93 Flugblatt der Frauenprojekte zur Demonstration am 8. März 1996. 94 Foto: Bärbel Reischl. 95 Weser-Kurier vom 9. März 1996. 96 Aus dem Redebeitrag von Ulrike Hauffe vom 8. März 1996, ZGF Archiv. 97 Vgl. Bremer Frauenbündnis, Protokoll vom Treffen am 12. Februar 96, ZGF Archiv. 98 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 1996; „Migrantinnen erobern den Frauentag“, taz Bremen vom 9. März 1996. 99 AG Mädchen Tenever, (Hrsg.) o.J., Mädchenparlament in Tenever am 8. März 1996, Dokumen- tation, 2. 100 Deckblatt der Dokumentation: AG Mädchen Tenever (Hrsg.), o.J., Mädchenparlament in Tenever am 8. März 1996. 101 Vgl. taz Bremen 9./10. März 1996. 102 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 1996. 103 Kommentar „Frauen, amüsiert Euch“, taz Bremen vom 10. März 1997. 104 Kommentar „Frauen, amüsiert Euch“, taz Bremen vom 10. März 1997. 105 Weser-Kurier vom 9. März 1997. 106 Vgl. Weser Report vom 9. März 1997. 380 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

107 Anzeige der Fa. Nissan, Weser-Kurier vom 7. März 1997. 108 Vgl. „Bloß keine AU-Angst!“, taz Bremen vom 8. März 1996. 109 Kommentar „Frauen, amüsiert Euch“, taz Bremen vom 10. März 1997. 110 Vgl. Weser-Kurier vom 5. März 1998. 111 Titelseite der Dokumentation, belladonna (Hrsg.), 1998, Internationaler Frauenkongress Ein- brüche, Umbrüche, Aufbrüche, vom 5. bis 8. März 1998. 112 Vgl. belladonna, ca. 2001, 35–38. 113 Foto: Bärbel Reischl. 114 Foto: Bärbel Reischl. 115 Weser-Kurier vom 8. März 1998. 116 Fotos: Bärbel Reischl. 117 Pressemitteilung der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau vom 5. März 1998. 118 taz Bremen vom 8. März 1999. 119 Brief des Bremer Frauenausschusses vom 26. Januar 1999. 120 Vgl. Weser-Kurier vom 6. März 1999. 121 Weser-Kurier vom 9. März 1999. 122 „Mehr Schutz“, taz Bremen vom 8. März 2000. 123 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 2000. 124 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 2000. 125 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 2000. 126 ZGF (Hrsg.), Faltblatt mit dem Veranstaltungskalender zum Internationalen Frauentag 2000. 127 Vgl. taz Bremen vom 8. März 2001 und Weser-Kurier vom 8. März 2001. 128 Vgl. Weser-Kurier vom 8. März 2001. 129 Vgl. Weser-Kurier vom 8. März 2001. 130 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 2001. 131 Gespräch mit Kornelia Koczorowski, Sprecherin des DGB-Regionsfrauenausschusses, am 14. September 2010. 132 Mit diesen Worten hatte der Bremer Anzeiger seinen Artikel zum Internationalen Frauentag 2002 überschrieben. Bremer Anzeiger vom 6. März 2002. 133 Vgl. Faltblatt „Veranstaltungen Internationaler Frauentag 2002“. Zusammengestellt und her- ausgegeben: ZGF. 134 taz Bremen Spezial, „Frauen am Fluss“, 2002, 2. 135 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 2002. 136 Das Ostertor- und das Steintorviertel bilden räumlich eine Einheit und werden auch von den Bremern so wahrgenommen. Beide Wohnquartiere zusammen heißen in Bremen umgangs- sprachlich „das Viertel“, Sie sind vor allem in studentischen und alternativen Kreisen als Wohngebiete beliebt. Sie sind zugleich im Bereich Kunst und Kulturaktivitäten tonangebend in Bremen. Das Wohnquartier ist eine Hochburg der Grünen. Bei der Bürgerschaftswahl 2007 wurden sie im Bereich der Ortsteile Ostertor und Steintor mit über 40 Prozent jeweils stärkste Kraft vor der SPD. 137 taz Bremen vom 9. März 2002. 138 Vgl. Bremer Forum 3/03, Beilage zum Vorwärts 3.03. 139 Vgl. taz Bremen Spezial, „Frauen am Fluss“, 2003, 6. 140 Vgl. Foto Weser-Kurier vom 9. März 2003. 141 Vgl. Aufruf zur Kundgebung am 8. März 2003. 142 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 2003. 143 Vgl. Protokoll DGB Regionsfrauenausschuss vom 25. März 2003. 144 Vgl. Protokoll DGB Regionsfrauenausschuss vom 25. März 2003. 145 Gespräch vom 9. November 2010 mit Ingeborg Sieling, damalige 1. Vorsitzende des BFA. 1990–2010 381

146 Vgl. Protokoll des DGB-Regionalausschusses vom 27. Oktober 2003. 147 taz Bremen vom 6. März 2004. 148 Vgl. taz Bremen vom 6. März 2004. 149 Vgl. Veranstaltungsflugblatt des DGB-Regionsfrauenausschusses zum 8. März 2004, Protokoll DGB-Regionsfrauenausschuss vom 30. März 2004. 150 Vgl. Renate Huppertz, 2000, Die Kampagne für saubere Kleidung, in: Lenz, 2008, 985-988. 151 Vgl. Stadtteil-Kurier vom 11. März 2004. 152 Unter diesem Titel veranstaltete das Frauenkulturzentrum belladonna eine Podiumsdiskus- sion am 3. März 2005. 153 Wolfrum, 2007, 482. 154 Peter Hartz war Leiter der Kommission, die diese Reformvorhaben im Wesentlichen entwickelt hatte und mit dessen Namen die Gesetze dann verbunden wurden. 155 Vgl. Sondersendung Radio Bremen, „buten und binnen und die Frauen“ vom 6. März 2005, 19.30 Uhr. Radio Bremen Fernseharchiv, Nr. 050306. 156 Fotos Edith Laudowicz. 157 Gabi Grete Kellerhoff war seit 1994 im Arbeitslosenzentrum Tenever angestellt und dort auch für Kultur- und Bildungsarbeit zuständig. 158 Gespräch Gabi Grete Kellerhoff vom 14. September 2010. 159 Gespräch Gabi Grete Kellerhoff vom 14. September 2010. 160 Protokoll der Nachbereitungssitzung vom 14. April 2010. 161 Vgl. Wolfrum, 2007, 484–485. 162 zit. in: taz, Nord lokal vom 8. März 2006. 163 Vgl. „Die Bild“ vom 8. März 2006. Alle Zitate in diesem Abschnitt stammen aus dieser Ausgabe. 164 Flugblatt des BFA: 60 Jahre Bremer Frauenausschuss, zur Ausstellungseröffnung am 7. März 2006. 165 taz Bremen vom 9. März 2006. 166 Gespräch mit Kornelia Koczorowski am 14. September 2010. 167 Flyer zum 8. März 2007. 168 Pressemitteilung der ZGF und des BFA vom 6. März 2007. 169 Weser-Kurier vom 9. März 2007. 170 Vgl. Pressemitteilung der ZGF und des BFA vom 6. März 2007. 171 Weser-Kurier vom 9. März 2007. 172 Fotos: Bärbel Reischl. 173 Weser Report vom 7. März 2007. 174 taz Bremen vom 8. März 2007. 175 Vgl. Pressemitteilung des Bremer Senats vom 16. März 2007. Archiv des Bremer Frauenaus- schusses. 176 Vgl. Protokoll vom Vorbereitungstreffen am 5. Dezember 2007, Teilnehmerinnenliste. 177 Weser-Kurier vom 9. März 2008. 178 Aus dem Einleitungstext des Flyers mit dem Veranstaltungsprogramm des 8. März 2008. 179 Protokoll der Reflektionssitzung vom 11. März 2008. 180 Vgl. Rede zum Festakt des Internationalen Frauentages am 8. März 2008 von der 1. Vor- sitzenden des Bremer Frauenausschusses Gisela Hülsbergen. www.bremer-frauenausschuss.de Zusatzinformation. 181 Vgl. Schreiben des DGB Land Bremen, Sprecherin des DGB Regionsfrauenausschusses Korne- lia Koczorowski an den Bremer Frauenausschuss vom 5. Februar 2008. 182 Vgl. ver.di Forum, Fachbereich Handel Bremen-Nordniedersachsen, Nr. 32/Januar 2007, 1 und 4. 183 Vgl. unveröffentlichtes Redemanuskript Margareta Steinrücke, Laudatio auf die Bremer Frau des Jahres vom 8. März 2008. 184 Vgl. Protokoll der Reflektionssitzung vom 11. März 2008. 382 Der Internationale Frauentag im vereinigten Deutschland

185 8. Protokoll der Vorbereitungsgruppe 8. März 09 vom 26. November 2008. 186 Bremer Anzeiger vom 8. März 2009. 187 taz Bremen vom 7./8. März 2009. 188 Vgl. Innerstädtisches Wohn- und Wirtschaftsprojekt aus Frauenhand, Bremen-Neustadt, Be- ginenhof. http://www.werkstatt-stadt.de/de/projekte/39. Aufruf vom 28. November 2010. 189 Vgl. Weser-Kurier vom 9. März 2009. 190 Vgl. Innerstädtisches Wohn- und Wirtschaftsprojekt aus Frauenhand, Bremen-Neustadt, Be- ginenhof. http://www.werkstatt-stadt.de/de/projekte/39. Aufruf vom 28. November 2010. 191 Flyer: Ev. Frauenarbeit in Bremen (Hrsg.), Einladung zum Gottesdienst am Internationalen Frauentag 2009. 192 Die taz Bremen hatte bereits zum Frauentag 2008 über das Projekt von Halima Cengiz und Maren Bock berichtet. Vgl. taz Bremen vom 8./9. März 2008. 193 Vgl. ZGF (Hrsg.), Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag 2009. 194 Vgl. taz Bremen vom 7./8. März 2009. 195 Protokoll der Sitzung des Regionsfrauenausschusses Bremen vom 31. März 2009. 196 Drucksache der Bremischen Bürgerschaft Nr. 17/757 vom 14. April 2009. 197 Protokoll der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) – 17. Wahlperiode – 42. Sitzung am 29. April 09, 3175. 198 Protokoll der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) – 17. Wahlperiode – 42. Sitzung am 29. April 09, 3177–3178. 199 Protokoll der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) – 17. Wahlperiode – 42. Sitzung am 29. April 09, 3176 200 Protokoll der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) – 17. Wahlperiode – 42. Sitzung am 29. April 2009, 3180. 201 Vgl. Ergebnisprotokoll der Nachbereitung des 8. März 2009 am 18. März 2009. 202 Vgl. Ergebnisprotokoll der Nachbereitung des 8. März 2009 am 18. März 2009. 203 Vgl. Schreiben der Sprecherin des DGB Regionsfrauenausschusses vom 14. Mai 2009 an die Mitgliedsgewerkschaften. 204 Beschlussprotokoll des DGB-Bundesfrauenausschusses vom 9. September 2009, TOP 5: Inter- nationaler Frauentag. Der Beschluss war eine konsequente Weiterführung seiner 1986 festge- legten politischen Konstruktion. Vgl. die Ausführungen zum Internationalen Frauentag 1986. 205 Vgl. Protokoll des Treffens der Vorbereitungsgruppe 8. März 2010 am 16. September 2009. 206 Vgl. Faltblatt ZGF (Hrsg.), Veranstaltungen Internationaler Frauentag 2010. 207 Laudatio von Renate Meyer-Braun vom 8. März 2010, http://www.bremer-frauenausschuss.de/ projfdj.html, Aufruf vom 1. Oktober 2010. 208 Vgl. Bremer Anzeiger vom 10. März 2010. 209 Laudatio von Renate Meyer-Braun vom 8. März 2010, http://www.bremer-frauenausschuss.de/ projfdj.html, Aufruf vom 1. Oktober 2010. 210 Ausschnitt aus dem Flugblatt des DGB Regionsfrauenausschusses zum 8. März 2010. 211 Begrüßungsrede Annette Düring, Regionsvorsitzende DGB Bremen-Elbe-Weser, vom 8. März 2010. Unveröffentlichtes Manuskript. 212 Ausschnitt aus dem Flugblatt des DGB Regionsfrauenausschusses zum 8. März 2010. Schlussteil:

Was ist der Internationale Frauentag? 384 Was ist der Internationale Frauentag? Was ist der Internationale Frauentag?

Nach einer wechselvollen hundertjährigen Geschichte ist der Internationale Frauentag heute zu einem Protest- und Feiertag der Frauen und der Neuen Frauenbewegung gewor- den. Doch damit stellt sich die Frage – was bedeutet dieser Tag eigentlich? – Ist er ein Feiertag, an dem die Frauen beim jährlichen Zusammentreffen ihre Gemein- schaft feiern? – Ist er ein Gedenktag zum Rückblick auf das Erreichte und zur Pflege der Tradition? – Ist er ein internationaler Kampftag, an dem jedes Jahr die unerfüllten Forderungen der Frauen in der Öffentlichkeit vorgetragen werden? – Ist er ein Jahrestag, der auf ein historisch bedeutsames Ereignis verweist, welches jähr- lich in Erinnerung gebracht wird und so die Vergangenheit in die Gegenwart holt? Von der Beantwortung dieser Fragen hängt ab, welche Wirkung vom Internationalen Frau- entag ausgeht und welchen Stellenwert er für die Frauenbewegung in Zukunft haben kann. Der 8. März ist seit etwa 30 Jahren als Internationaler Frauentag in der Bundesrepublik anerkannt. Auch sonst überall auf der Welt gehen Frauen an diesem Tag auf die Straße und protestieren gegen soziale und politische Ungerechtigkeit, gegen Gewalt und sexuelle Ausbeutung und fordern Arbeit und gleiche Bezahlung bei gleicher Leistung sowie tat- sächliche Gleichstellung der Geschlechter. Und auch in Bremen ist der Internationale Frau- entag im politischen Jahresrhythmus der Stadt fest verankert. Der Ablauf des Tages unterliegt in Bremen seit mehr als 10 Jahren einem festen Rhyth- mus: Einige Tage zuvor werden die Veranstaltungen in der Presse angekündigt. Am 8. März selbst berichten die Medien über wichtige Frauenthemen. Die Frauenbeauftragte weist in ihrer politischen Erklärung auf die vielen noch immer nicht abgegoltenen Forde- rungen der Frauenbewegung hin und benennt die aktuellen Probleme – wie zum Beispiel, dass der Anteil weiblicher Führungskräfte seit Jahren kaum steigt, dass trotz Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen viele nur Teilzeitbeschäftigte sind und kein existenz- sicherndes Einkommen erzielen, dass Kinderbetreuungseinrichtungen fehlen und dass Mädchen und junge Frauen mehr über den Frauentag und seine Bedeutung erfahren soll- ten. Und vor allem treten Frauen selbst an diesem Tag in Aktion. Ein Bündnis verschiede- ner Frauengruppen, Frauenorganisationen und Institutionen organisiert Protestaktionen und Veranstaltungen: Der Bremer Frauenausschuss, die Senatorin und die ZGF laden ein zur Ehrung der Bremer Frau des Jahres in der oberen Rathaushalle, meist geht es dann im Gewerkschaftshaus weiter, wo in Podiumsdiskussionen oder Talkshows über Fragen gewerkschaftlicher Frauenpolitik oder über die zukünftige Verteilung von Familienarbeit und Lohnarbeit zwischen den Geschlechtern gestritten und debattiert wird. Das gemein- same Fest am Ende des Tages bietet Gelegenheit, einen Blick zurück zu den Anfängen zu werfen und das in der Zwischenzeit Erreichte zu feiern. Schon dieser kurze Abriss des Veranstaltungsablaufs zeigt, dass sich der 8. März nicht mit einem einzigen Begriff beschreiben lässt. Auch die eingangs gestellten Fragen ver- weisen auf die Komplexität des Frauentages. Um Antworten zu finden, wird der 8. März im Folgenden mit dem 1. Mai kontrastiert. Der Tag der Arbeit ist ein Tag des politischen Protestes und ein Tag, an dem die TeilnehmerInnen den Zusammenhalt ihrer Gemein- schaft miteinander feiern. Unbestritten ist der 1. Mai auch ein Jahrestag – also ein feier- lich zu begehender Tag, der auf ein bedeutsames Ereignis in der Vergangenheit verweist, welches regelmäßig wieder in Erinnerung gerufen werden soll. Der 1. Mai erfüllt alle die- se Kriterien. Er hat als gesetzlicher Feiertag einen dauerhaften Platz in der Festkultur Was ist der Internationale Frauentag? 385 der Bundesrepublik und bietet den Beteiligten, Veranstaltern wie TeilnehmerInnen einen ganzen Tag für politische Reden, Demonstrationen und Feierstunden. Gleichzeitig ist es auch eine Gelegenheit, sich an den 1. Mai 1890 zu erinnern, den Tag, an dem Gewerk- schaften und sozialdemokratische Parteien die Arbeiter aufriefen, für die Durchsetzung des Acht-Stunden-Tages in Europa und den Vereinigten Staaten zu demonstrieren und auf Kundgebungen ihre Forderung öffentlich bekannt machten. Der 1. Mai ist weltweit der Tag der Arbeit, an dem die Interessen und Forderungen der Arbeitnehmerinnen bzw. die politischen Aussagen ihrer SprecherInnen im Vordergrund des Medieninteresses stehen. In den Augen der Bremer Aktivistinnen, die den Frauentag seit Jahren – manche schon seit Jahrzehnten – organisieren, hat der 8. März für die Frauenbewegung die gleiche Be- deutung wie der 1. Mai für die Arbeiterbewegung. Er ist nicht nur zentraler Protest- und Feiertag, sondern auch der Jahrestag der Frauenbewegung. Er ist der Tag, der daran er- innert, dass im Jahr 1911 Millionen Frauen auf Demonstrationen und in Versammlungen gemeinsam ihre Forderung in der Öffentlichkeit erhoben: „Heraus mit dem Frauenwahl- recht!“ Doch während der Tag der Arbeit unbestritten als politisch wichtiger Jahres- und Feier- tag akzeptiert ist, hat der Internationale Frauentag bis heute noch nicht diese Anerken- nung gefunden – was schon daran abzulesen ist, dass regelmäßig zum 8. März die Fra- ge auftaucht: „Ist der Frauentag überflüssig?“ Und diese Frage wird nicht nur von Alice Schwarzer mit „Abschaffen!“1 beantwortet. Tatsächlich offenbarten sich, lässt man die hundertjährige Geschichte des Frauentages Revue passieren, immer wieder erhebliche Differenzen zum 1. Mai. Welches sind also die Punkte, die dazu führen, dass der Internationale Frauentag weniger politisches Gewicht besitzt als der Tag der Arbeit? Denn zunächst verweisen beide auf denselben Ursprung. Es waren die internationalen Arbeiterorganisationen, die beide Tage ins Leben riefen. Das Grundmuster wurde für den 1. Mai entwickelt: Die Arbeiterorganisationen setzten ihn als Propaganda- und Aktionstag fest, um „gleichzeitig und einmütig für eine Forderung [ein- zutreten], von der alle überzeugt waren“.2 Dieses Konzept hatten auch die Sozialistinnen vor Augen, als sie 1910 den Beschluss fassten, jedes Jahr einen Frauentag zu veranstalten. Dabei vermieden die Frauen jeden Hinweis auf den 1. Mai, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, sie wollten dem Tag der Arbeit Konkurrenz machen. Vor allem verzichteten sie auf die Festlegung eines bestimmten Datums. Das hatte zur Folge, dass die Frauentage jedes Jahr aufs Neue auf den Parteitagen und mit der Parteiführung ausgehandelt werden mussten. Doch im Jahr 1911, als die Arbeiterfrauen am 19. März zu Tausenden auf den Straßen der Städte für das Frauenwahlrecht demonstrierten, war das eine Massenaktion, die von den SPD-Frauen, von der Partei und den Gewerkschaften gemeinsam getragen wurde. Und es schien, dass es in Zukunft neben dem 1. Mai auch einen Kampftag der Frauen der Arbeiterbewegung geben werde. Schon bald zeigte sich, dass die Männermehrheit in der Parteiführung alles daran setzte, um eine solche Entwicklung zu verhindern. Den Frauen sollte auf keinen Fall ein spezieller Status eingeräumt werden. Ihre besonderen politischen und sozialen Forderun- gen konnten sie in eigenen Versammlungen artikulieren und auf Parteitagen als Anträge einbringen. Doch gegen Frauentage und Frauendemonstrationen gab es eine breite Ab- wehrfront in Partei und Gewerkschaften. Bis 1914 kämpften die Frauen beharrlich um ihren Frauentag und schafften es letztlich, den Frauentag ins Parteileben der Ortsvereine zu integrieren. Vor allem hatten die Frauengruppen an der Basis den Frauentag in den Mittelpunkt ihrer politischen Arbeit gerückt. Er wurde zum Symbol der eigenen Stärke, er 386 Was ist der Internationale Frauentag? gab ihnen ein neues Wir-Gefühl. Der Internationale Frauentag hatte für die Sozialdemo- kratinnen eine eigene Bedeutung erlangt. Sie beharrten darauf, ihren eigenen politischen Kampftag weiterzuführen, auch nachdem die zentrale Forderung nach dem Frauenwahl- recht durchgesetzt war. Indessen mussten die Frauen nach der Spaltung der SPD entscheiden, wie sie mit dem Erbe des Frauentages umgehen wollten. Während der 1. Mai über die Parteispaltungen hinweg als gemeinsamer Bezugspunkt und historische Verbindung bestehen blieb, wurde der Frauentag unmittelbar in die Spaltung hineingezogen. Die Frauen setzten ihren An- spruch auf einen eigenen Aktionstag in den Arbeiterparteien durch – allerdings um den Preis der engen Einbindung des Frauentages in den Parteiapparat. Auf den Frauentagen wurden die ideologischen Positionen und Vorgaben der jeweiligen Partei vorgetragen und die Veranstaltungen dienten vor allem dem Zweck, die Integration der Frauen in die Partei- organisation zu festigen. Während bei den Sozialdemokratinnen bis 1966 das Datum des Frauentages jährlich neu festgelegt wurde, gelang es den Kommunistinnen bereits 1921 für den Frauentag ein feststehendes Datum durchzusetzen. Die Kommunistische Internationale beschloss 1921, den Internationalen Frauentag in allen Ländern einheitlich am 8. März zu begehen und stellte damit dem 1. Mai als Tag der Arbeit den 8. März als verbindlichen Jahrestag zur Sei- te. Mit diesem festen Platz im Jahreskalender konnten die kommunistischen Parteien und mit ihr verbündete Frauenorganisationen ein weltumspannendes Netz schaffen, in dem der 8. März ein gemeinsamer, zentraler Bezugspunkt wurde. Im Zusammenhang mit dem Internationalen Jahr der Frau 1975 gelang es der Initiative der realsozialistischen Länder zusammen mit der Internationalen Demokratischen Frauenföderation, den 8. März als Feiertag bei den Vereinten Nationen durchzusetzen. Nachdem 1977 der 8. März in den UNO-Kalender der jährlich zu begehenden bedeu- tenden Tage aufgenommen worden war, gab es auch für den Frauentag ein verbindliches Datum. Doch damit war das politische Problem nur verschoben, da das Datum des Frauen- tages kein von allen akzeptiertes Erinnerungskonzept barg. Denn mit dem 8. März3 hatten die Kommunistinnen auf die revolutionären Ereignisse im Jahr 1917 Bezug genommen, auf den Tag, an dem die Massendemonstrationen der Petrograder Arbeiterfrauen zur Aus- lösung der russischen Revolution beigetragen hatten. Gleichzeitig verdankt der Tag seine eigentliche Entstehung aber der Beschlussfassung auf der Frauenkonferenz in Kopenha- gen im Jahr 1910 und den ersten großen Demonstrationen des Jahres 1911. Gemessen an der Übereinstimmung von Jahrestag und Erinnerungsereignis beim 1. Mai haben es die Akteurinnen des 8. März also mit einem Bündel von Bezugsdaten zu tun, welches außerdem auch noch mit einem Erbe aus der Spaltung der Arbeiterbewegung und den Auswirkungen des Kalten Krieges belastet ist. Nach dem Ende der Sowjetunion wurde sogar versucht, dieses Datum mit anderen Ereignissen neu zu besetzen, zum Beispiel wird in Presseartikeln auf Frauenstreikereignisse in den USA am 8. März 1908 verwiesen. So wird als eine mögliche Erklärung „der Streik New Yorker Textilarbeiterinnen am 8. März 1857“ herangezogen4, mehrfach wird der „Streik und der Tod von 129 Arbeiterinnen beim Brand einer New Yorker Fabrik im Jahre 1908“5 als Erinnerungspunkt herangezogen.6 Auch die „Geburtsurkunde“ des Internationalen Frauentages ist nicht unproblematisch: Die Gründungsurkunde des Beschlusses von Kopenhagen aus dem Jahr 1910 trug die Unterschrift zweier Frauen – Clara Zetkin und Käte Duncker –, die beide später Aktivis- tinnen der kommunistischen Frauenbewegung wurden. Eine solche Nähe zu Kommunis- tinnen war in Zeiten des Kalten Krieges ein großer Makel, wenn man im Westen politisch bestehen wollte. Als der Frauentag in der Bundesrepublik von den Gewerkschaftsfrauen Was ist der Internationale Frauentag? 387 neu belebt wurde und 1985 die 75-Jahr-Feier des Frauentages anstand, beschlossen die Gewerkschaften, die Feier des 75. Jahrestages erst im darauf folgenden Jahr zu begehen – wahrscheinlich, um einem gemeinsamen Feiertag mit den Frauen der DDR-Frauenorgani- sation zu entgehen. Seit diesem Jahr wird in der Bundesrepublik, was den Frauentag be- trifft, auf „die ersten öffentlichen Demonstrationen und Veranstaltungen“ 1911 Bezug ge- nommen.7 Damit verwiesen die Gewerkschaftsfrauen auch für den 8. März auf die Kämpfe der Arbeiterbewegung und stellten die Demonstrationen der Frauen 1911 auf eine Ebene mit den Kämpfen der Arbeiter im Jahr 1890. Doch nicht genug, dass die Erinnerungsdaten des 8. März vielfältig und auch politisch wenig opportun sind, wurde der 8. März außerdem immer wieder von neuen Trägerinnen- gruppen besetzt. Nachdem ihn die Organisationen der Arbeiterbewegung in den 1960er Jahren aufgegeben hatten, besetzten ihn ab Mitte der 1970er Jahre zunächst linke, sozia- listische Frauengruppen der Neuen Frauenbewegung. Außerdem suchten aktive Funktio- närinnen der Gewerkschaften nach Mitteln und Methoden, um mehr Arbeitnehmerinnen zu motivieren, sich gegen die wachsenden sozialen Ungerechtigkeiten zur Wehr zu set- zen. Dabei erinnerten sich einige Gewerkschafterinnen an die Tradition des Internationa- len Frauentages. Und sie setzten gegen heftigen Widerstand der Gewerkschaftsführung durch, den 8. März zum gewerkschaftlichen Frauentag zu machen. In den Jahren 1981 bis 1986 beteiligten sich zunehmend mehr Frauen – weit über das Spektrum der Gewerkschaften hinaus – an den politischen Aktionen der DGB-Frauen. Als zentraler Aktionstag förderte der Frauentag die Vernetzung und die gemeinsame Politik- fähigkeit der Frauenbewegung. 1986 vollzog sich ein entscheidender Schritt. Trägerin des Internationalen Frauentages in Bremen wurde ein Bündnis aus etwa 45 Frauengruppen, Projekten, Organisationen und Institutionen. Sie alle zusammen gaben in den dann fol- genden Jahren dem Internationalen Frauentag eine neue Gestalt, er wurde zu einem offe- nen politischen Forum der Bremer Frauenbewegung. Bei den Radikalfeministinnen gab es zunächst Vorbehalte und sie wiesen den Frauen- tag wegen seiner Herkunft aus dem Patriarchat der sozialdemokratischen und kommunis- tischen Organisationen zurück. Doch den Initiatorinnen des Frauentages gelang es, mit neuen Konzepten und der Übernahme vieler Themen aus der Neuen Frauenbewegung den Internationalen Frauentag zu einem wirkungsvollen Instrument der Frauenbewegung zu machen. Sie nutzten den 8. März, um ihre Interessen zu artikulieren und ihre Forderungen in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Auch dabei wurden neue Wege beschritten. Es gab eine Abkehr von männlich-proleta- rischen Ausdruckformen des politischen Protestes mit seinen Demonstrationszügen und Kundgebungen mit zahlreichen Rednern. Dagegen entwickelte sich eine neue Protestkul- tur: eine Verbindung von Theater, Kabarett, gewerkschaftlicher Frauenpolitik und Feminis- mus, die den Akteurinnen selbst Spaß machte und bei den Außenstehenden Neugier und Interesse weckte. Mit großem Einsatz vieler Akteurinnen wurden das Gewerkschaftshaus und selbst das Rathaus umgestaltet. Frauentage wurden kulturpolitische Ereignisse. Während der 1. Mai bis heute von denselben Veranstaltern organisiert wird, die tradi- tionellen Abläufe der Veranstaltungen sich nicht verändert haben und auch die Festkul- tur den Traditionen der Arbeiterbewegung mit Erinnerungen an heldenhaft bestandene Kämpfe und den Appellen zur Geschlossenheit und Einheit folgt, erfuhr der Internationale Frauentag grundlegende Wandlungen. Im Kontrast werden die Konturen des Internatio- nalen Frauentages deutlich sichtbar: Obwohl beide Tage von den gleichen Organisationen als politische Aktionstage ins Leben gerufen wurden, erscheint der 8. März heute wie eine moderne weibliche Alternative zum 1. Mai. 388 Was ist der Internationale Frauentag?

Der Frauentag war von Anfang an selbst in den eigenen politischen Organisationen um- stritten. Jahrzehntelang mussten die Frauen ihren Tag gegen Widerstände aus den eigenen Reihen durchsetzen. Und vor dreißig Jahren mussten sie ihn sogar dem allgemeinen Ver- gessen wieder entreißen. Die Neue Frauenbewegung hat den Aktionstag der Arbeiterbewegung zu einem Frauen- protesttag umgeformt. Das Themenspektrum wurde verändert und erweitert. Und immer wieder hatten neue Akteurinnen die Chance, ihre Ideen und Forderungen auf die Tages- ordnung zu setzen. Das brachte mit sich, dass die Themen ausgewechselt werden konnten und es weniger klare Aussagen und Forderungen gab. Doch bis heute hat der 8. März seinen politisch emanzipatorischen Anspruch behalten. So vielfältig und widersprüchlich sich die Gruppe der Trägerinnen zusammensetzt, so ist der Frauentag doch ein politischer Aktions- und Protesttag geblieben. Für die Akteurinnen steht auch heute die Kritik an der ökonomischen Ungleichheit der Frauen im Vordergrund und sie fordern, die Partizipa- tionschancen und Bürgerinnenrechte weiter auszubauen. Immer wurde der Frauentag festlich begangen. Auch heute ist der 8. März ein Anlass zur „Wir-Inszenierung“ – wie Kerstin Wolf in ihrem Aufsatz über den Internationalen Frau- entag als Feiertag der Frauenbewegung festgestellt hat. In der Gemeinschaft zu feiern, sich zu erinnern und über die zukünftigen Aufgaben zu reden, ist wichtiger Bestandteil des Internationalen Frauentages.8 Dass zum 8. März mehrere Ereignisse erinnert werden, sollte besonders die Historike- rinnen herausfordern, den Mythenbildungen und Zuschreibungen auf den Grund zu gehen und die historischen Fakten offenzulegen, um damit vielleicht neue Zugänge zu den Er- innerungsdaten zu schaffen. Vor allem ist der Frauentag ein Aktionstag der Neuen Frauenbewegung. Seine Träge- rinnen kommen ebenso aus Traditionsverbänden und Parteien wie auch aus autonomen Projekten. Dabei werden zunehmend soziale Trennungslinien zwischen den Akteurinnen sichtbar, auch das ein Abbild der komplexen Lebensrealität der Frauen. Der Frauentag ist ein international ausgespanntes Netz, die Knotenpunkte bilden die Organisatorinnen in den Regionen, Städten und Gemeinden – sie bestimmen selbst, wel- che Schwerpunkte sie am Frauentag verhandeln wollen. Sie erarbeiten ihre Veranstal- tungskonzepte und müssen sie auch selbst umsetzen. Das alles zusammengenommen ist heute der 8. März. Es gibt kaum noch Frauengrup- pen oder Institutionen, die sich nicht auf die eine oder andere Weise am Geschehen zum 8. März beteiligen. Der Tag wird in der Gesellschaft mittlerweile ernst genommen, Politike- rInnen können ihn nicht mehr ignorieren. Der Frauentag hat in der Zwischenzeit sogar den Muttertag aus dem öffentlichen Be- wusstsein verdrängt und in die private Sphäre der Familienfeiern verwiesen. Bis in die 1990er Jahre hinein wurden am Muttertag noch offizielle Feiertagsreden gehalten. Das Datum wurde genutzt, um familienpolitische Erklärungen abzugeben. Die politische Be- deutung des Muttertages ist offensichtlich verschwunden. Das weist auch darauf hin, dass sich das gesellschaftlich dominierende Frauenbild grundlegend gewandelt hat. Das Leit- bild der Hausfrau und Mutter ist kein Maßstab mehr für die junge Frauengeneration, für die Selbstbestimmung, Kinder und Karriere, Verantwortung und Freiheit konstitutiv geworden sind. Dass junge Frauen heute diese Positionen vertreten, ist nicht zuletzt auch ein Ergebnis der Aktionen und Proteste des 8. März. Er war und ist ein Instrument zur Verwirklichung emanzipatorischer Ziele. Die Frauenbewegung wird daher wohl auch in Zukunft nicht auf ihn verzichten können. Was ist der Internationale Frauentag? 389

Anmerkungen

1 Frankfurter Rundschau vom 8. März 2010. 2 August Bebel, 1892/93, Die Maifeier und ihre Bedeutung, abgedruckt in: Achten, 1979, 62. 3 Im zaristischen Russland war es der 23. Februar, es galt damals noch der julianische Kalender. 4 Stuttgarter Zeitung vom 7. März 1986. 5 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. März 1994. 6 Vgl. Bremer Anzeiger vom 5. März 2003. 7 2009 wurde die Festsetzung der 100-Jahr-Feier auf das Jahr 2011 auch entsprechend begrün- det. Vgl. Beschluss des DGB-Bundesfrauenausschusses vom 9. September 2009. 8 In ihrem Aufsatz „Alle Jahre wieder …, Der Internationale Frauentag – ein Feiertag für die Frauenbewegung?“ sieht Kerstin Wolf im Frauentag einen Gedenk- und Feiertag. Sie hat dort vor allem die Bedeutung des Gemeinschaftserlebnisses und die Bedeutung einer gemeinsamen Erinnerungskultur herausgestellt. Auf diesen Zusammenhang wurde in diesem Buch mehrfach Bezug genommen. Anhang 392 Anhang

1. Verzeichnis der Abkürzungen addf Archiv der deutschen Frauenbewegung ADGB Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund AdsD Archiv der sozialen Demokratie Bonn ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland ASF Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen AStA Allgemeiner Studentenausschuss AuSR Arbeiter- und Soldatenrat AWO Arbeiterwohlfahrt AZ Arbeiter-Zeitung BAZ Bremer Arbeiter-Zeitung BDF Bund Deutscher Frauenvereine BDV Bremer Demokratische Volkspartei BBZ Bremer Bürger-Zeitung BEK Bremer Evangelische Kirche BFA Bremer Frauenausschuss BGB Bürgerliches Gesetzbuch BN Bremer Nachrichten BNZ Bremer Nationalsozialistische Zeitung BRD Bundesrepublik Deutschland BVS Bremer Volksstimme BVZ Bremer Volkszeitung BZ Bremer Zeitung BzG Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung CDU Christlich Demokratische Union CSU Christlich Soziale Union DAF Deutsche Arbeitsfront DDR Deutsche Demokratische Republik DFD Demokratischer Frauenbund Deutschlands DFI Demokratische Fraueninitiative DFW Deutsches Frauenwerk DGB Deutscher Gewerkschaftsbund DKP Deutsche Kommunistische Partei DM Deutsche Mark dpa Deutsche Presseagentur DRUPA Gewerkschaft Druck und Papier DVP Demokratische Volkspartei EG Europäische Gemeinschaft EU Europäische Union EVG Europäische Verteidigungsgemeinschaft FDJ Freie Deutsche Jugend FDP Freie Demokratische Partei FES Friedrich-Ebert-Stiftung GESTAPO Geheime Staatspolizei Anhang 393

GEW Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Grüne Partei Die Grünen HBS Hans-Böckler-Stiftung HBV Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen IDFF Internationale Demokratische Frauenföderation IFFF Internationale Liga für Frieden und Freiheit IG Industriegewerkschaft IGM Industriegewerkschaft Metall IKD Internationale Kommunisten Deutschlands KFA Kreisfrauenausschuss KGF Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus KI Kommunistische Internationale Komintern Kommunistische Internationale KPD Kommunistische Partei Deutschlands KZ Konzentrationslager MSPD Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands Nato North Atlantic Treaty Organization; dt. Nordatlantisches Verteidigungsbündnis NGG Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten NGO Non-Government Organization; dt. Nicht-Regierungsorganisation NS Nationalsozialismus NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSF Nationalsozialistische Frauenschaft ÖTV Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr PDL Partei DIE LINKE SA Sturmabteilung SAPMO Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv SBZ Sowjetische Besatzungszone SDS Sozialistischer Deutscher Studentenbund SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SS STAB Staatsarchiv Bremen StGB Strafgesetzbuch SU Sowjetunion taz tageszeitung UDSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken UFV Unabhängiger Frauenverband UNO United Nations Organization; dt. Vereinte Nationen USA Vereinigte Staaten von Amerika USPD Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands ver.di Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft VHS Volkshochschule WAZ Westdeutsche Allgemeine Zeitung WK Weser-Kurier ZGF Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau 394 Anhang

2. Archive

Archiv der sozialen Demokratie in der Friedrich-Ebert-Stiftung (AdsD/FES) Bonn – Zeitungsausschnittsammlung des SPD-Parteivorstandes, 1983–1996: Zass III, Bevölkerung/Frauen – SOPADE 116 – SPD Landesorganisation Bremen: SPD – LO I Bremen, Frauen; LO II Bremen, Frauen

Archiv der Universität Bremen belladonna Kultur-, Kommunikations- und Bildungszentrum für Frauen e.V. – Archiv – Frauenbewegung (Deutschland/BRD), Neue Frauenbewegung ab 1968

Staatsarchiv Bremen (STAB) – Schriftgut der Polizeidirektion, Überwachung sozialdemokratischer Bewegungen: 4,14/1 – Nachrichtenstelle der Polizeidirektion: 4,65

Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung (addf) – Sammlung Ingeborg Nödinger und Marianne Weber

Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv Berlin (SAPMO) – RY/1 KPD Weimarer Republik – BY/1 Kommunistische Partei Deutschlands in den westlichen Besatzungszonen, Bundesrepublik Deutschland 1945–1971

Die Quellen sind in den Endnoten mit den vollständigen Signaturen versehen. Anhang 395

3. Zeitungen und Zeitschriften

– Sozialdemokratische Zeitungen 1910–1933 Bremer Bürger-Zeitung (bis 1919) Bremer Volksblatt (1919–1922, MSPD) Bremer Arbeiter-Zeitung (1919–1922, USPD) Bremer Volkszeitung (1922–1933, SPD)

– Kommunistische Zeitungen 1917–1933 Arbeiterpolitik Die Rote Fahne (1919–1920) Die rote Fahne Bezirk Nordwest (1920–1921) Der Kommunist Nordwestdeutsches Echo (1920–1921) Arbeiter-Zeitung (1921–1933)

– NS-Zeit Bremer Nationalsozialistische Zeitung, ab 1934 Bremer Zeitung Völkischer Beobachter (in Auswahl)

– 1945–1966 Bremer Nachrichten (in Auswahl) Weser-Kurier

– Parteipresse SPD Bremer Volksstimme (Juni 1948 bis September 1949) Bremer Presse (von September 1949 bis Juli 1950) Bremer Volkszeitung (von August 1950 bis November 1955) Bremer Bürger-Zeitung (ab November 1955)

– Parteipresse KPD Tribüne der Demokratie

– ab 1975 Bremer Rundschau (DKP) Weser-Kurier tageszeitung, taz Bremen

– Frauenzeitungen Die Gleichheit (bis 1922, SPD) Die Genossin (1922–1933, SPD) Die Kämpferin (1919–1921, USPD) Die Kämpferin (1927–1933, KPD) Die Kommunistin (KPD) Gleichheit (1948–1965, SPD) Courage Emma 396 Anhang

4. Interviews und Befragungen

Helga Antesberger 17. August 2009 Maren Bock Oktober 2009, 23. November 2010 Eva Böller 18. Juni 2009 Inge Buck 5. März 2009 Ingrid Busboom 5. März 2009, 7. April 2009 Annette Düring 23. September 2010 Iseline von Ehrenstein 8. April 2009 Else Esselborn 11. Mai 2009, 29. August 2009 Ulrike Hauffe 17. August 2009 Ingeborg Gerstner 7. Februar 2009, 12. Mai 2009 Florence Hervé 28. Mai 2009 Gabi Grete Kellerhoff 6. April 2009, 5. Juni 2009, 14. September 2010 Ursula Kerstein 24. Juni 2009 Kornelia Koczorowski 20. April 2009, 23. September 2010, 1. Oktober 2010 Margot Konetzka 4. Mai 2009, 3. Juni 2009 Marianne Konze 20. Juni 2009 Brigitte Lück 5. August 2009, 1. Oktober 2009 Renate Meyer- Braun 7. April 2009 Rita Rußland 5. Juli 2010 Susanne Schunter-Kleemann 22. Juni 2009 Ingeborg Sieling 9. November 2010 Margareta Steinrücke 8. Oktober 2010 Monique Troedel 15. Mai 2009, 14. September 2010 Helga Ziegert 1. April 2009 Anhang 397

5. Literatur

Achten, Udo, 1979, Illustrierte Geschichte des 1. Mai, Asso, Oberhausen. Adamietz, Horst, 1978, Freiheit und Bindung Adolf Ehlers, H. M. Hauschild, Bremen. Albrecht, Willy/Boll, Friedhelm/Boufier, Beatrix W. u.a., 1983, Frauenfrage und deutsche Sozialdemokratie vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn der zwanziger Jahre, in: Bornemann, Ernest (Hrsg.), Der Neanderberg. Vom Aufstieg der Frauen aus dem Neander- tal, Beiträge zur Emanzipationsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Ullstein, Frank- furt am Main, Berlin, Wien, 58–117. Alheit, Peter/Bunke, Hendrik, 1999, Gebrochene Modernisierung. Sozialgeschichtliche Re- konstruktion, Donat, Bremen, Bd. 1. Alpermann, Eschel Claus, 1989, „Wir rufen Euch Frauen!“. Bremer Frauenausschüsse in der Nachkriegszeit, Referat im Rahmen des Projekts „Politik in Bremen“, Leitung Prof. Dr. Renate Meyer-Braun, Universität Bremen, Staatsarchiv Bremen. Anders, Ann (Hrsg.), 1988, Autonome Frauen. Schlüsseltexte der Neuen Frauenbewegung seit 1968, Athenäum, Frankfurt/Main. Andersen, Arne, 1987, Lieber im Feuer der Revolution sterben, als auf dem Misthaufen der Demokratie verrecken! Die KPD in Bremen von 1928–1933: ein Beitrag zur Bremer Sozialgeschichte, Minerva, München. Angress, Werner T., 1973, Die Kampfzeit der KPD, 1921–1923, Droste, Düsseldorf. Arbeiter-Sekretariat Bremen und Umgebung, 1902, Ergebnis einer statistischen Erhebung über die Lebensverhältnisse der bremischen Arbeiter, Selbstverlag des Arbeitersekreta- riats Bremen. Arendsee, Martha, 1948, Die Novemberrevolution und die Frauen, in: Einheit, Zeitschrift, des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED), Heft 10, 915–923. Arendt, Hans-Jürgen, 1969, Das Schutzprogramm der KPD für die arbeitende Frau 1931, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung (BZG), Jg. 11, 291–311. Arendt, Hans-Jürgen, 1971, Eine demokratische Massenbewegung unter Führung der KPD im Frühjahr 1931. Die Volksaktion gegen den Paragraphen 218 und gegen die päpstliche Enzyklika „Casti connubii“, in: ZFG, Jg. 19, Bd. 1, 212–223. Arendt, Hans-Jürgen, 1972, Bd. 1, Zur Frauenpolitik der KPD und zur Rolle der werktätigen Frauen im antifaschistischen Kampf im Frühjahr und Sommer 1932, in: BZG, Jg. 14, 805–818. Arendt, Hans-Jürgen, 1972, Bd. 1, Der erste Reichskongreß werktätiger Frauen Deutschlands 1929, in: ZFG, Jg. 20, Bd. 1, 467–479. Arendt, Hans-Jürgen, 1977, Weibliche Mitglieder der KPD in der Weimarer Republik – zahlen- mäßige Stärke und soziale Stellung, in: BZG, 19, 652–660. Arendt, Hans-Jürgen/Freigang, Werner, 1979, Der Rote Frauen- und Mädchenbund – die revolutionäre Frauenorganisation in der Weimarer Republik, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung (BZG), 21, 249–256. Arendt, Hans-Jürgen, 1981, Das Reichskomitee der werktätigen Frauen 1929–1932, in: BZG, Jg. 23, 743–749. Arendt, Hans-Jürgen, 1982, Zur Frauenpolitik der KPD und zur Rolle der Frau in der kommu- nistischen Bewegung Deutschlands, in: Bornemann, Ernest, Arbeiterbewegung und Femi- nismus, Berichte aus vierzehn Ländern, Ullstein, Frankfurt/Main, Berlin, Wien, 45–61. Arendt, Hans-Jürgen/Scholze, Siegfried, 1984, Zur Rolle der Frau in der Geschichte des deut- schen Volkes 1830–1945, eine Chronik, Marxistische Blätter, Frankfurt/Main. Arendt, Hans-Jürgen, 1986a, Zu einigen Grundzügen der Frauenpolitik der KPD in der Wei- marer Republik, in: Mitteilungsblatt der Forschungsgemeinschaft „Geschichte des Kamp- fes der deutschen Arbeiterklasse um die Befreiung der Frau“, Heft 2, 1986, 31–37. 398 Anhang

Arendt, Hans-Jürgen, 1986b, Das Reichsfrauensekretariat bei der Zentrale der KPD (1919- 1923), in: Mitteilungsblatt der Forschungsgemeinschaft „Geschichte des Kampfes der deut- schen Arbeiterklasse um die Befreiung der Frau“, Heft 1, 1986, 5–21. Arendt, Hans-Jürgen, 1987a, Deutsche Frauen im Kampf gegen imperialistische Kriegsgefahr im Jahre 1932, in: Mitteilungsblatt der Forschungsgemeinschaft „Geschichte des Kampfes der deutschen Arbeiterklasse um die Befreiung der Frau“, Heft 1, 1987, 5–19. Arendt, Hans-Jürgen, 1987b, Die kommunistische Frauenpresse in Deutschland 1917 bis 1933, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung (BZG), 29, 78–88. Arndt, Tina/Baumann, Heidi/Jansen, Mechtild u.a. (Hrsg.), 1984, Dokumentation, Nicht Blu- men – Rechte fordern wir. Frauen-Demonstration am 12. Mai 1984 in Bonn anläßlich des Muttertages, Leppelt Druck + Repro, o.O. Assmann, Alida, 2005, Jahrestage – Denkmäler in der Zeit, in: Münch, Paul, Jubiläum, Jubilä- um …, Zur Geschichte privater Erinnerung, Klartext, 305–314. Bachmann, Elfriede, 1972, Die bremische Sozialpolitikerin Rita Bardenheuer, in: Jahrbuch der Wittheit zu Bremen, Bd. XVI, Bremen, 201–225. Baader, Ottilie, 1908, Ein Vorschlag zur Organisation der Frauen in der SPD, in: Niggemann, Heinz (Hrsg.), Frauenemanzipation und Sozialdemokratie, Mit Beiträgen von Ottilie Baader, Lily Braun, Käte Duncker, Clara Zetkin, Luise Zietz u.a., Fischer Frankfurt/Main, 1981. Baader, Ottilie, 1979, Ein steiniger Weg. Lebenserinnerungen einer Sozialistin, J.H.W. Dietz Nachf., Berlin/Bonn. Badia, Gilbert, 1994, Clara Zetkin, Dietz, Berlin. Bajohr, Stefan, 1979, Die Hälfte der Fabrik. Geschichte der Frauenarbeit in Deutschland 1914 bis 1945, Marburg. Bauer, Karin, 1978, Clara Zetkin und die proletarische Frauenbewegung, Oberbaum, Berlin. Bayerlein, Bernhard H., 2006, Zwischen Internationale und Gulag. Präliminarien zur Ge- schichte der Internationalen kommunistischen Frauenbewegung (1919–1945), Teil 1, in: The International Newletter of Communist Studies Online XII (2006), no 19, Section IV, Materials of Biographical, Regional and Institutional Studies, 27–47. Bebel, August, 1977, Die Frau und der Sozialismus, Marxistische Blätter, Frankfurt/Main. belladonna Kultur-, Kommunikations- und Bildungszentrum (Hrsg.), ca. 2001, belladonna bewegt. Eine Dokumentation über 13 Jahre Frauenkultur und Frauenbildung, Druck Geff- ken, Köllner und Partner, Bremen. Benser, Günther/Krusch, Hans-Joachim (Hrsg.), 1995, Dokumente zur Geschichte der kommu- nistischen Bewegung in Deutschland. Reihe 1945/1946, Bd. 2, K.G. Saur, München, New Providence, London, Paris. Bents-Rippel, Brigitte, 1991, Clara Jungmittag (1881–1961), in: Meyer-Braun, Renate, (Hrsg.), Frauen ins Parlament. Porträts weiblicher Abgeordneter in der Bremischen Bürgerschaft, H. M. Hauschild GmbH, Bremen, 107–126. Benz, Ute (Hrsg.), 1993, Frauen im Nationalsozialismus. Dokumente und Zeugnisse, C.H. Beck, München. Berichte an die zweite Internationale Konferenz sozialistischer Frauen zu Kopenhagen am 26. und 27. August 1910, Druck von Paul Singer, Stuttgart. Berlin, Jörg (Hrsg.), 1979, Die deutsche Revolution 1918/19. Quellen und Dokumente, Pahl- Rugenstein, Köln. Bilstein, Helmut u.a., 1975, Organisierter Kommunismus in der Bundesrepublik Deutschland, DKP – SDAJ – MSB Spartakus, KPD/KPD (ML)/KBW, Leske+Budrich, Opladen. Blandow, Jürgen, 1995, Von Friedrich Ebert bis . Die Vorgeschichte und die Ge- schichte der bremischen Arbeiterwohlfahrt, Edition Temmen, Bremen. Bock, Gisela, 1986, Zwangssterilisation im Nationalsozialismus. Studien zur Rassenpolitik und Frauenpolitik, Westdeutscher Verlag, Opladen. Anhang 399

Born, Claudia/Krüger, Helga/Schablow, Michael/Winter, Witha, 1985, Berufstätige Mütter. Zwischen Arbeitsplatz und Kinderkrippe, Untersuchungen zur Situation in der Tagesbe- treuung von Kindern zwischen null und drei Jahren in Bremen (Projektbericht), Zentral- druckerei Universität Bremen, Bremen. Boyer, Josef/Kössler, Till, 2005, SPD, KPD und kleinere Parteien des linken Spektrums sowie die Grünen, Mitgliedschaft und Sozialstruktur 1945–1990, Handbuch zur Statistik der Parlamente und Parteien in den westlichen Besatzungszonen und in der Bundesrepublik Deutschland, Droste, Düsseldorf. Brandt, Peter, 1976, Antifaschismus und Arbeiterbewegung. Aufbau – Ausprägung – Politik in Bremen, Christians, Hamburg. Breidbach, Herbert, 1992, Das KPD-Verbot und die illegale Arbeit bis 1968, in: Butterwegge, Christoph/Jansen, Hans G. (Hrsg.), Neue Soziale Bewegungen in einer alten Stadt. Versuch einer vorläufigen Bilanz am Beispiel Bremens, Steintor, Bremen, 137–146. Bremer Frauenausschuß e.V., Landesfrauenrat Bremen (Hrsg.), 1996, „Wir rufen euch Frauen!“. 50 Jahre Bremer Frauenausschuß, Begleitbroschüre zur Ausstellung „50 Jahre Bremer Frauenausschuß“, Selbstverlag, Bremen. Bremme, Gabriele, 1956, Die politische Rolle der Frau in Deutschland. Eine Untersuchung über den Einfluß der Frauen bei Wahlen und ihre Teilnahme in Partei und Parlament, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Brinker-Gabler, Gisela (Hrsg.), 1980, Frauen gegen den Krieg, Einleitung, Fischer, Frankfurt/ Main, 13–39. Brinker-Gabler, Gisela, 1981, Einleitung, in: Sender, Toni, Toni Sender, Biographie einer Rebel- lin, Fischer, Frankfurt/Main, 9–27. Brockhaus, Ute und Erhard, 1976, Die Lebensmittelunruhen in Bremen Ende Juni 1920, in: Autonomie 2, 24–39. Broszat, Martin/Weber, Hermann, 1993, SBZ-Handbuch, Oldenbourg, München. Brünneck, Alexander von, 1978, Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland, 1949–1968, Suhrkamp, Frankfurt am Main. Buber-Neumann, Margarete, 1993, Als Gefangene bei Stalin und Hitler, Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin. Buchmann, Erika, 1961, Die Frauen von Ravensbrück, Kongress-Verlag, Berlin. Buck, Inge, unter Mitarbeit von Elisabeth Meyer-Renschhausen, 1991, Käthe Popall (1707–1984), in: Meyer-Braun, Renate, Frauen ins Parlament!, H. M. Hauschild, Bremen, 192–216. Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (Hrsg.), 1996, Die Frauen sind die Lösung – nicht das Problem. 85 Jahre Internationaler Frauentag, Druck- haus Schwaben, Heilbronn. Bunke, Hendrik, 1998, „Die Reinigung der Partei …“. Auseinandersetzungen in der Bremer KPD 1951/52, in: Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte 2.98, 5–24. Bunke, Hendrik, 2001, Die KPD in Bremen: 1945 bis 1968, PapyRossa, Köln. Burgdorf, Dagmar, 1984, Blauer Dunst und rote Fahnen. Ökonomische, soziale, politische und ideologische Entwicklung der Bremer Zigarrenarbeiterschaft im 19. Jahrhundert, Brockkamp, Bremen. Butterwegge, Christoph, 1989, Friedenspolitik in Bremen nach dem zweiten Weltkrieg, Stein- tor, Bremen. Butterwegge, Christoph, 1991, Friedenspolitik im kalten Krieg: „Gegen das Wettrüsten – für eine Welt ohne Waffen!“, in: Butterwegge, Christoph/Brock, Adolf/Dressel, Jochen/Voigt, Ulla (Hrsg.) Bremen im kalten Krieg, Steintor, Bremen, 39–80. Clemens, Bärbel, 1990, Der Kampf um das Frauenstimmrecht in Deutschland, in: Wickert, Christl, (Hrsg.), „Heraus mit dem Frauenwahlrecht“, Die Kämpfe der Frauen in Deutsch- land und England um die politische Gleichberechtigung, Centaurus, Pfaffenweiler, 51–124. 400 Anhang

Cyrus, Hannelore (Hrsg.) 1991, Von A bis Z Bremer Frauen, W. Geffken, Bremen. Cyrus, Hannelore, 1997, Frei geboren! 1000 Jahre Bremer Frauengeschichte, Verlag in der Sonnenstraße, Bremen. Daniel, Ute, 1989, Arbeiterfrauen in der Kriegsgesellschaft, Vandenhoeck & Ruprecht Daniel, Ute, 1993, Der Krieg der Frauen 1914–1918: Zur Innenansicht des Ersten Weltkriegs in Deutschland, in: Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd, Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch ..., Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Klartext, Essen, 131–149. Daniel, Ute, 2009, Frauen, in: Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd/Renz, Irina, Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Ferdinand Schöningh, Paderborn, München, Wien, Zürich, 116–134. Debus, Barbara, 1986, „Die Frau hat die grösste Ursache sich für die Revolution zu begeis- tern“. Auf den Spuren einer Männerrevolution, in: Wendler-Griesel (Hrsg.) für das Bremer Blatt, Illustriertes Stadtbuch, Bremer Blatt, Bremen, 80–85. Delille Angela/Grohn, Andrea (Hrsg.), 1988, PerlonZeit, Wie die Frauen ihre Wirtschaftswun- der erlebten, BilderLeseBuch, ElefantenPress, Berlin. Dehnkamp, Willy, 1986, Von unten auf. Die sozialistische Arbeiterbewegung in Blumenthal- Vegesack (Bremen-Nord), Neue Gesellschaft. Deppe, Frank/Fülberth, Georg/Harrer, Jürgen u.a., (Hrsg.), 1978, Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung, Pahl-Rugenstein, Köln. Derichs-Kunstmann, Karin, 1993, Frauen in der Männergewerkschaft. Die Geschichte des Deutschen Gewerkschaftsbundes in der Nachkriegszeit unter dem Gesichtspunkt des Ge- schlechterverhältnisses, in: Deutscher Gewerkschaftsbund (Hrsg.), „Da haben wir uns alle schrecklich geirrt …“, Die Geschichte der gewerkschaftlichen Frauenarbeit im Deutschen Gewerkschaftsbund von 1945 bis 1960, Centaurus, Pfaffenweiler, 63–129. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, 1998, Bd. 10, Besatzungszeit, Bundesrepub- lik und DDR, 1945–1969, Philipp Reclam jun., Stuttgart. Deutscher Bundestag, Verwaltung, Abt. Wissenschaftliche Dienste (Hrsg.), 1982, Die Rolle der Frau in der Gesellschaft, Textauszüge aus den Programmen der Parteien seit 1949, Deutscher Bundestag, Bonn. Dobberthien, Marliese, 1987, Zur konservativen Familien- und Sozialpolitik der Wende, in: Jansen, Mechtild (Hrsg.), Frauen Widerspruch, Alltag und Politik, Pahl-Rugenstein, Köln, 83–109. Dobberthien, Marliese, 1988, Gewerkschaftsfrauen, in: Soden, Kristine von (Hrsg.), 1988, Der große Unterschied, Die Neue Frauenbewegung und die siebziger Jahre, Elefanten Press Verlag, Berlin, 76–79. Doormann, Lottemi (Hrsg.), 1979, Keiner schiebt uns weg. Zwischenbilanz der Frauenbewe- gung in der Bundesrepublik, Beltz, Weinheim und Basel. Dornemann, Luise, 1958, Die proletarische Frauenbewegung während des ersten Weltkrieges und der Novemberrevolution, in: Einheit, Zeitschrift, des Zentralkomitee der Sozialisti- schen Einheitspartei Deutschland (SED), Heft 11, 1670–1683. Dornemann, Luise, 1973, Clara Zetkin, Leben und Wirken, Dietz, Berlin. Dowe, Dieter/Klotzbach, Kurt (Hrsg.), 1984, Programmatische Dokumente der deutschen Sozialdemokratie, J.H.W. Dietz Nachf., Berlin/Bonn. Ebbinghaus, Angelika (Hrsg.), 1987, Opfer und Täterinnen. Frauenbiographien des National- sozialismus, DELPHI Politik verlegt bei Franz Greno, Nördlingen. Eildermann, Luise, 1983, Erinnerungen. Die Kollegin von der Stempelstelle, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Jg. 23, 852–855. Eildermann, Wilhelm, 1972, Jugend im ersten Weltkrieg. Tagebücher, Briefe, Erinnerungen, Dietz, Berlin. Ellerkamp, Marlene/Jungmann, Brigitte, 1987, Unendliche Arbeit. Frauen in der „Jutespin- nerei und -weberei Bremen“ 1888–1914, in: Hausen, Karin (Hrsg.), Frauen suchen ihre Anhang 401

Geschichte, Historische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert, C.H. Beck, München, 130–145. Ellerkamp, Marlene, 1994, Was macht Arbeiterinnen krank und wie gingen die ZeitgenossIn- nen damit um?, in: Dickmann, Elisabeth/Friese, Marianne (Hrsg.), Arbeiterinnengeschich- te im 19. Jahrhundert, LIT Verlag, Münster, Hamburg, 103–125. Elling, Hanna, 1978, Frauen im deutschen Widerstand, 1933–1945, Röderberg, Frankfurt/ Main. Evans, Richard J., 1979, Sozialdemokratie und Frauenemanzipation im deutschen Kaiserreich, J.H.W. Dietz Nachf., Berlin/Bonn Evans, Richard J., 1984, Die sozialistische Frauenbewegung, in: Meyer, Thomas u.a. (Hrsg.), Lern- und Arbeitsbuch deutsche Arbeiterbewegung, Bd. 3, Neue Gesellschaft, Bonn, 231–264. Fichte, Daniela, 1997, „Ich geh ja immer wieder in die Heimat zurück.“ Eine lebensgeschicht- liche Untersuchung zur historischen Frauenforschung, in: Dickmann, Elisabeth/Schöck- Quinteros, Eva/Dauks, Siegrid, FrauenGeschichte, Studien und Berichte zur Historischen Frauenforschung an der Universität Bremen, Auf die Perspektive kommt es an ..., Oral History und Historische Frauenforschung, Heft 4, 7–38. Forschungsgemeinschaft „Geschichte des Kampfes der Arbeiterklasse um die Befreiung der Frau“, 1974, Die Frau und die Gesellschaft, Verlag für die Frau, Leipzig. Forschungsgemeinschaft „Geschichte des Kampfes der deutschen Arbeiterklasse um die Be- freiung der Frau“ (Hrsg.), 1975, Dokumente der revolutionären deutschen Arbeiterbewe- gung zur Frauenfrage 1848–1974, Verlag für die Frau, Leipzig. Forschungsgemeinschaft „Geschichte des Kampfes der Arbeiterklasse um die Befreiung der Frau“, (Hrsg.), 1980, 70 Jahre Internationaler Frauentag, Verlag für die Frau, Leipzig. Forschungsgemeinschaft „Geschichte des Kampfes der deutschen Arbeiterklasse um die Befreiung der Frau“ (Hrsg.), 1984, Zur Rolle der Frau in der Geschichte des Deutschen Volkes, (1830 bis 1945), Eine Chronik, Marxistische Blätter, Frankfurt/Main. Frankenthal, Käte, 1980, Der dreifache Fluch: Jüdin, Intellektuelle, Sozialistin, Hrsg. von Kat- helyn M. Pearle und Stefan Leibfried, Frankfurt/Main. Franzke, Astrid/Nagelschmidt, Ilse (Hrsg.), »Ich kann nicht gegen meine Überzeugung han- deln« – Clara Zetkin zum 150. Geburtstag, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Leipzig. Frauenhandbuch Nr. 1, 1972, Hrsg. Gruppe Brot und Rosen, Berlin. Frauenjahrbuch 1975, Herausgegeben und hergestellt von Frankfurter Frauen, Verlag Roter Stern, Frankfurt/Main. Frauenjahrbuch 1976, Verlag Frauenoffensive, München. Frederiksen, Elke, 1981, Die Frauenfrage in Deutschland 1865–1915, Texte und Dokumente, Philipp Reclam Jun., Stuttgart. Frei, Norbert, 2008, 1968, Jugendrevolte und globaler Protest, dtv, München. Frevert, Ute, 1986a, Frauen-Geschichte. Zwischen bürgerlicher Verbesserung und neuer Weib- lichkeit, Suhrkamp, Frankfurt am Main. Frevert, Ute, 1986b, „Frau und Arbeiter haben gemein, Unterdrückte zu sein“. Proletarische Frauenbewegung, in: Ruppert, Wolfgang (Hrsg.), Die Arbeiter: Lebensformen, Alltag und Kultur von der Frühindustrialisierung bis zum „Wirtschaftswunder“, C.H. Beck, München, 435–451. Frevert, Ute, 1995, Mann und Weib und Weib und Mann. Geschlechter-Differenz in der Mo- derne, C.H. Beck, München. Fricke, Dieter, 1976, Die deutsche Arbeiterbewegung 1869–1914, ein Handbuch über die Organisation und Tätigkeit im Klassenkampf, Verlag das europäische Buch, Berlin. Friese, Marianne, 1991, Frauenarbeit und soziale Reproduktion. Eine Strukturuntersuchung zur Herausbildung des weiblichen Proletariats im Übergangsprozeß zur bürgerlich-kapita- listischen Gesellschaft – dargestellt an der Region Bremen, Universität Bremen, Bremen. 402 Anhang

Fröhlich, Paul, 1924, 10 Jahre Krieg und Bürgerkrieg, Bd. I/Krieg, Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten, Berlin. Fuchs-Heinritz, Werner, 2005, Biographische Forschung, Einführung in Praxis und Methoden, VS Verlag, Wiesbaden. Fülberth, Georg, 1990, KPD und DKP 1945–1990. Zwei kommunistische Parteien in der vier- ten Periode kapitalistischer Entwicklung, Diestel, Heilbronn. Gerhard, Ute, 1978, Verhältnisse und Verhinderungen. Frauenarbeit, Familie und Rechte der Frauen im 19. Jahrhundert, Mit Dokumenten, Suhrkamp, Frankfurt/Main. Gerhard, Ute/Hannover, Elisabeth/Krahé, Frauke/Mohrmann, Monika/Schmitter, Romina, 1991a, Mädchen und Frauen heraus aus der Finsternis! Bremer Frauen in der Weimarer Republik 1919–1933, Staatsarchiv Bremen, Bremen. Gerhard, Ute, 1999, Atempause. Feminismus als demokratisches Projekt, Fischer, Frankfurt/ Main. Götze, Dieter, 1977, Zur Entwicklung der internationalen kommunistischen Frauenbewegung zwischen dem III. und IV. Weltkongreß der Komintern, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 19. Jg., 253–265. Grebing, Helga, 1966, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung: Ein Überblick, Nymphen- burger Verlagsanstalt, München. Grebing, Helga, 1983, Die Parteien, in: Die Bundesrepublik Deutschland, Band 1: Politik, Fischer Taschenbuch, Frankfurt/Main, 126–191. Grebing, Helga, 1994, Frauen in der deutschen Revolution 1918/19, Stiftung Reichspräsident- Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Heidelberg. Grossmann, Atina/Meyer-Renschhausen, Elisabeth, 1982, Frauen- und Arbeiterbewegung in Deutschland, 1914-1938, in: Bornemann, Ernest, Arbeiterbewegung und Feminismus, Be- richte aus vierzehn Ländern, Ullstein, Frankfurt/Main, Berlin, Wien, 54–61. Gruppe MAGMA, 2001, „… denn Angriff ist die beste Verteidigung“. Die KPD zwischen Revo- lution und Faschismus, Pahl-Rugenstein, Bonn. Gutmann, Hermann/Hollanders, Sophie, 1987, Bremen zu Kaisers Zeiten 1900–1910, Bremer illustrierte Geschichte, Johann Heinrich Döll, Bremen. Haag, Lina, 2004, Eine Hand voll Staub. Widerstand einer Frau 1933 bis 1945, Silberburg. Tübingen. Haan, Francisca de, 2009, Hoffnungen auf eine bessere Welt: Die frühen Jahre der Interna- tionalen Demokratischen Frauenföderation (IDFF/WIDF) (1945–1950), in: feministische studien, 27. Jhg., November 2009, Nr. 2, 241–257. Hagemann, Karen, 1990a, Frauenalltag und Männerpolitik, Alltagsleben und gesellschaftli- ches Handeln von Arbeiterfrauen in der Weimarer Republik, J.H.W. Dietz Nachf. Bonn. Hagemann, Karen, 1990b, »Ich glaub‘ nicht, daß ich wichtiges zu erzählen hab‘ … «. Oral History und historische Frauenforschung, in: Vorländer, Herwart, Oral history: mündlich erfragte Geschichte; acht Beiträge, Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen, 29–48. Hagemann, Karen/Kolossa, Jan, 1990, Gleiche Rechte – Gleiche Pflichten? Der Frauenkampf für staatsbürgerliche Gleichberechtigung, VSA, Hamburg. Hanna, Gertrud, 1922, Die Arbeiterin in der Gewerkschaft, in: Sozialistische Monatshefte, 15. Mai 1922, 506–511. Hannover-Drück, Elisabeth, 1991, Die Ausübung des Frauenwahlrechts in Bremen 1918–1933. Kleine Schriften des Staatsarchivs Bremen, Heft 20, Bremen. Hannover-Drück, Elisabeth, 1996, Hausgehilfinnen, Angestellte und Arbeiterinnen. Frauener- werbsarbeit in Bremen zur Zeit der Weimarer Republik 1919-1933, Selbstverlag Staatsar- chiv Bremen, Bremen. Haug, Frigga, 1978, Für eine sozialistische Frauenbewegung, Argument Studienheft 15, Argu- ment-Verlag, Berlin/West. Anhang 403

Hausen, Karin, 1982, Mütter zwischen Geschäftssinn und kultischer Verehrung. Der Deutsche Muttertag in der Weimarer Republik, in: Huck, Gerhard (Hrsg.), Sozialgeschichte der Frei- zeit, Peter Hammer, Wuppertal, 249–280. Hausen, Karin, 1984, Mütter, Söhne und der Markt der Symbole und Waren: Der deutsche Muttertag 1923-1933, in: Medick, H. /Sabean, D. (Hrsg.), Emotionen und materielle Inte- ressen. Sozialanthropologische und historische Beiträge zur Familienforschung, Vanden- hoeck & Rupprecht, Göttingen, 473–523. Hausen, Karin, 1992, Arbeitsort Fabrik, »… in unmittelbarer Vereinigung mit den Männern«, in: Hausen, Karin/Wunder, Heide (Hrsg.), Frauengeschichte – Geschlechtergeschichte, Campus, Frankfurt/Main/New York, 74–78. Heimann, Siegfried, 1983, Die Deutsche Kommunistische Partei, in: Stöss, Richard (Hrsg.), Parteien-Handbuch: Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945–1980, Westdeut- scher Verlag, Opladen, 901–981. Held, Monika, 1979, Tschüß du – wir streiken. 16 Frauen streiken einen Monat lang um mehr Lohn, in: Doormann, Lottemi (Hrsg.), 1979, Keiner schiebt uns weg. Zwischenbilanz der Frauenbewegung in der Bundesrepublik, Beltz, Weinheim und Basel, 112–116. Helwig, Gisela/Nickel, Hildegard Marie, (Hrsg.), 1993, Frauen in Deutschland, 1945–1992, Bundeszentrale für politische Bildung, Berlin/Bonn. Herbert, Ulrich, 1986, Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, 1986, J.H.W. Dietz Nachf., Berlin/Bonn. Herrmann, Ursula, 1985, Sozialdemokratische Frauen in Deutschland im Kampf um den Frie- den vor und während des ersten Weltkrieges, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, ZFG, 33. Jahrgang, Heft 2, 213–230. Herrmann, Ursula, 1999, Frauen und Sozialdemokratie 1871 bis 1910. Zum Ringen der deut- schen Sozialdemokratie und der II. Internationale um Frauenemanzipation, In: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 41. Jahrgang, 2/99, 59–71. Hervé, Florence, 1978, Die Novemberrevolution und die Frauen, in: Marxistische Blätter, Heft 5, 61–66. Hervé, Florence, (Hrsg.), 1979, Brot & Rosen. Geschichte und Perspektive der demokratischen Frauenbewegung, Marxistische Blätter, Frankfurt/Main. Hervé, Florence (Hrsg.), 1981, Frauenbewegung und revolutionäre Arbeiterbewegung. Texte zur Frauenemanzipation in Deutschland und in der BRD von 1848 bis 1980, Marxistische Blätter, Frankfurt am Main. Hervé, Florence (Hrsg.), 1983, Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Pahl-Rugenstein, Köln. Hervé, Florence (Hrsg.), 2007, Clara Zetkin oder: Dort kämpfen wo das Leben ist, Karl Dietz, Berlin. Hoecker, Renate, 1988, Frauenerwerbsarbeit in den Nachkriegsjahren, in: Höcker, Beate/ Meyer-Braun, Renate (Hrsg.), 1988, Bremerinnen bewältigen die Nachkriegszeit, Frauen; Alltag; Arbeit; Politik; Steintor, Bremen, 86–106. Hofmann, Werner, 1970, Stalinismus und Antikommunismus. Zur Soziologie des Ost-West- Konflikts, Suhrkamp, Frankfurt/Main. Hofschen, Heinz-Gerd, Schwerd, Almut (Hrsg.), 1989, Zeitzeugen berichten: Die Bremer Arbei- terbewegung in den fünfziger Jahren, Verlag Arbeiterbewegung und Gesellschaftswissen- schaften, Marburg. Hofschen, Heinz-Gerd, 1991, Bremer Arbeiterbiographien auf Video, Begleitheft zur Videofilm- Reihe, Universität Bremen, Kooperation Universität – Arbeitnehmerkammer. Holland-Cunz, Barbara, 2003, Die alte neue Frauenfrage, Suhrkamp, Frankfurt/Main. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), 1958, Dokumente und Materia- lien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Reihe II, Bd. 3, Dietz, Berlin. 404 Anhang

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), 1985, Protokoll des Gründungs- parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands, Dietz, Berlin. Institut für Marxistische Studien und Forschungen (IMSF), 1973, Arbeiterbewegung und Frauenemanzipation 1889 bis 1933, Marxistische Blätter, Frankfurt/Main. Institut für Marxistische Studien und Forschungen (IMSF), 1978, Wirtschaftskrise und Frau- enemanzipation in der BRD, Marxistische Blätter, Frankfurt/Main. Internationale Demokratische Frauenföderation, (IDFF), 1965, 1945–1965 Internationale Demokratische Frauenföderation, Berlin. Jahrbuch 1925 des allgemeinen deutschen Gewerkschaftsbundes, 1926, Verlagsgesellschaft des ADGB, Berlin. Jansen, Hans/Meyer-Braun, Renate, Bremen in der Politik. Nachkriegszeit, Wirtschaft, Gesell- schaft, 1990, Steintor, Bremen. Jansen, Mechtild, (Hrsg.), Frauen Widerspruch, Alltag und Politik, Pahl-Rugenstein, Köln. Jelpke, Ulla (Hrsg.), 1981, Das höchste Glück auf Erden. Frauen in linken Organisationen, Buntbuch, Hamburg. Jochimsen, Luc (Hrsg.), 1971, § 218, Dokumentation eines 100jährigen Elends, Konkret Buch- verlag, Hamburg. Joosten, Astrid, 1990, Die Frau, das „segenspendende Herz der Familie“. Familienpolitik als Frauenpolitik in der „Ära Adenauer“, Centaurus-Verlagsgesellschaft, Pfaffenweiler. Kachulle, Doris (Hrsg.), 1982, Die Pöhlands im Krieg. Briefe einer Arbeiterfamilie aus dem ersten Weltkrieg, Pahl-Rugenstein, Köln. Kassel, Brigitte, 2001, … letztlich ging es doch voran! Zur Frauenpolitik der Gewerkschaft ÖTV 1949–1989. Kerstein, Ursula, 1998, 30 Jahre danach – Erinnerungen an die 60er, in: Dinné, Olaf/Grün- wald, Jochen/Kuckuk, Peter, anno dunnemals in Bremen, WMIT, Bremen, 237–240. Klee, Ernst, 1993, „Euthanasie“ im NS-Staat, die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, Fischer Taschenbuch, Frankfurt/Main. Kniemeyer, Detlef/Syring, Eberhard, 2008, Stadtentwicklung und Architektur, 1945–1954, in: Barfuß, Karl Marten/Müller, Hartmut/Tilgner, Daniel (Hrsg.), Die Geschichte der Freien Hansestadt Bremen von 1945 bis 1969, Edition Temmen, Bremen, 243–283. Knoblich, Susanne, 1999, „Mit Frauenbewegung hat das nichts zu tun“, Gewerkschafterinnen in Niedersachsen 1945 bis 1960, J.H.W. Dietz Nachf., Bonn. Kocka, Jürgen, 1973, Klassengesellschaft im Krieg 1914–1918, Vandenhoeck .& Ruprecht, Göttingen. König, Johann-Günther, 1981, Die streitbaren Bremerinnen, Brockkamp, Bremen. Koepke, Cordula, 1984, Frauen zeigen Flagge, Gesellschaftspolitische Arbeit in Deutschland, Herausgegeben vom Deutschen Frauenring, Leske+Budrich, Opladen. Koepcke, Cordula, 1997, Frauen verändern die Welt, hrsg. vom Deutschen Frauenring, Les- ke+Budrich, Opladen. Konetzka, Ulrich, 2002, Anmerkungen zum Buch von Hendrik Bunke, Die KPD in Bremen 1945 bis 1968, hrsg. im Eigendruck, Bremen. Kongreßprotokolle der zweiten Internationale, 1976, Bd. 2, Stuttgart 1907 – Basel 1912, un- veränderter Nachdruck, Detlev Avermann KG, Glashütten, Taunus. Kontos, Silvia, 1979, Die Partei kämpft wie ein Mann. Frauenpolitik der KPD in der Weimarer Republik, Stroemfeld/Roter Stern, Basel/Frankfurt/Main. Koonz, Claudia, 1991, Mütter im Vaterland, Kore, Freiburg i.Br. Koschnick, Hans, 1991, Der „kalte Krieg“ – Phänomen oder realistische Beschreibung?, in: Butterwegge/Brock/Dressel/Voigt (Hrsg.), Bremen im Kalten Krieg, Zeitzeug(inn)en be- richten aus den 50er und 60er Jahren, Steintor, Bremen, 24–29. Anhang 405

Krause, Hartfried, 1976, Kontinuität und Wandel. Zur Geschichte der Unabhängigen Sozial- demokratischen Partei Deutschlands, in: Protokolle der Parteitage der USPD Bd. V, Auver- mann, Glashütten Ts., 1–103. Krieger, Verena, 1988, »… rühmen sich öffentlich ihrer Verbrechen«, Vom Kampf der Frauenbewegung gegen den § 218, in: Soden, Kristine von (Hrsg.), Der große Unter- schied, Die neue Frauenbewegung und die siebziger Jahre, Elefanten Press Verlag, Berlin, 31–38. Krinn, Carsten, 2007, Zwischen Emanzipation und Edukationismus. Anspruch und Wirklich- keit der Schulungsarbeit der Weimarer KPD, Klartext, Essen. Kuckuk, Peter (Hrsg.), 1969, Revolution und Räterepublik in Bremen, Suhrkamp, Frankfurt/ Main. Kuckuk, Peter, 1970, Bremer Linksradikale bzw. Kommunisten von der Militärrevolte im No- vember 1918 bis zum Kapp-Putsch im März 1920, Ihre Politik in der Hansestadt und in den Richtungskämpfen innerhalb der KPD, Universität Hamburg, Hamburg. Kuckuk, Peter, 1986, Bremen in der deutschen Revolution 1918/1919. Revolution, Räterepub- lik, Restauration, Steintor, Bremen. Kübler, Sabine/Kuhn, Annette/Wirtz, Wilma, 1980, Frauen im deutschen Faschismus, 1933–1945, Materialsammlung Frauenalltag und Frauenbewegung im 20. Jahrhundert, Bd. III, Stadt Frankfurt, Frankfurt am Main. Kuhn, Annette/Schubert, Doris, 1980, Frauen in der Nachkriegszeit und im Wirtschaftswun- der 1945–1960, Materialsammlung Frauenalltag und Frauenbewegung im 20. Jahrhun- dert, Bd. IV, Stadt Frankfurt, Frankfurt/Main. Kuhnhenne, Michaela, 2005, Frauenleitbilder und Bildung in der westdeutschen Nachkriegs- zeit. Analyse am Beispiel der Region Bremen, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. Langer, Ingrid, 1988, Familienpolitik – Ein Kind der 50er Jahre, in: Delille, Angela (Red.) Perlonzeit: Wie die Frauen ihr Wirtschaftswunder erlebten, Elefanten Press Verlag, Berlin, 109–119. Laqueur, Renata, 1992, Schreiben im KZ, Tagebücher 1940–1945, Donat, Bremen. Laudowicz, Edith, 1991, Bardenheuer, Rita, in: Cyrus u.a. (Hrsg.) Bremer Frauen von A – Z, W. Geffken, Bremen, 275–277. Lee, W. Robert/Marschalck, Peter, 2004, Die Zuwanderung weiblicher Dienstboten nach Bre- men im 19. Jahrhundert, in: Bremisches Jahrbuch Band 83, 112–126. Lenz, Ilse, 2004, Frauenbewegungen, Zu den Anliegen und Verlaufsformen von Frauenbewe- gungen als soziale Bewegungen, in: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hrsg.), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung, VS Verlag, Wiesbaden, 665–675. Lenz, Ilse (Hrsg.), 2008, Die neue Frauenbewegung in Deutschland. Abschied vom kleinen Unterschied. Eine Quellensammlung, VS Verlag, Wiesbaden. Lenz, Ilse, (Hrsg.), 2009, Die neue Frauenbewegung in Deutschland. Abschied vom kleinen Unterschied. Ausgewählte Quellen, VS Verlag, Wiesbaden. Lerner, Gerda, 1995, Frauen finden ihre Vergangenheit. Grundlagen der Frauengeschichte, Campus, Frankfurt/Main/New York. Limmer, Hans, 1970, Die deutsche Gewerkschaftsbewegung, Olzog, München. Lion, Hilde, 1926, Zur Soziologie der Frauenbewegung. Die sozialistische und die katholische Frauenbewegung, F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung, Berlin. Lösche, Peter/Walter, Franz, 1992, Die SPD: Klassenpartei – Volkspartei – Quotenpartei. Zur Entwicklung der Sozialdemokratie von Weimar bis zur deutschen Vereinigung, Wissen- schaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt. Lokalkomitee der sozialdemokratischen Partei Bremen (Hrsg.), 1904, Bremen und die Sozial- demokratie, Festschrift zum Parteitag der sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auer & Co. Filiale Bremen, Bremen. 406 Anhang

Losseff–Tillmanns, Gisela, 1978, Frauenemanzipation und Gewerkschaften, Peter Hammer, Wuppertal. Losseff-Tillmanns, Gisela, 1982, Frau und Gewerkschaft, Einleitung, Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main, 15–47. Losseff–Tillmanns, Gisela, 1985, Geschichte des Internationalen Frauentages von 1910 bis 1933, in: Industriegewerkschaft Metall (Hrsg.), Internationaler Frauentag, Tag der Frauen seit 75 Jahren, Union-Druckerei, Frankfurt am Main, 26–59. Lucas, Erhard, 1969, Die Sozialdemokratie in Bremen während des Ersten Weltkrieges, Schü- nemann, Bremen. Luxemburg, Rosa, 1912, Frauenwahlrecht und Klassenkampf, in: Luxemburg, Rosa, Gesam- melte Werke, Bd. 3, Dietz, Berlin, 1984, 159–165. Maier, Friederike, 1993, Zwischen Arbeitsmarkt und Familie – Frauenarbeit in den Alten Bundesländern, in: Helwig, Gisela/Nickel, Hildegard Maria (Hrsg.), Frauen in Deutschland, 1945–1992, Bundeszentrale für politische Bildung, Berlin, 257–279. Mallmann, Klaus-Michael, 1996, Kommunisten in der Weimarer Republik. Sozialgeschichte einer revolutionären Bewegung, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt. Maltry, Karola, 1993, Die neue Frauenfriedensbewegung. Entstehung, Entwicklung, Bedeu- tung, Campus, Frankfurt/Main, New York. Marßolek, Inge/Ott, René, 1986a, Bremen im Dritten Reich. Anpassung – Widerstand – Ver- folgung, Carl Schünemann, Bremen. Marßolek, Inge, 1999, Liebe und Politik im ersten Weltkrieg: Der Briefwechsel Helene und Wilhelm Kaisen, in: Grüttner, Michael/Hachtmann, Rüdiger/Haupt, Heinz-Gerhard (Hrsg.), Geschichte und Emanzipation, Campus, Frankfurt/Main, New York. Mehring, Franz, 1923, Deutsche Geschichte vom Ausgang des Mittelalters, J.H.W. Dietz Nachf., Berlin/Stuttgart. Menschik, Jutta, 1972, Gleichberechtigung oder Emanzipation? Die Frau im Erwerbsleben der Bundesrepublik, Fischer, Frankfurt/Main. Menschik, Jutta (Hrsg.), 1976, Grundlagentexte zur Frauenemanzipation, Pahl-Rugenstein, Köln. Menschick, Jutta, 1983, Rolle und Situation von Frauen in der deutschen Sozialdemokratie 1900–1933, in: Bornemann, Ernest (Hrsg.), Der Neanderberg. Vom Aufstieg der Frauen aus dem Neandertal, Beiträge zur Emanzipationsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Ullstein, Frankfurt/Main, Berlin, Wien, 47–57. Menschick, Jutta, 1985, Feminismus, Geschichte, Theorie, Praxis, Pahl-Rugenstein, Köln. Meyer, Birgit, 1991, Frauenbewegung und politische Kultur in den 80er Jahren, in: Süß, Werner (Hrsg.), Die Bundesrepublik in den achtziger Jahren, Leske+Budrich, Opladen, 219–234. Meyer-Braun, Renate, 1982, Die Bremer SPD 1949–1959, Eine lokal- und parteigeschichtliche Studie, Campus, Frankfurt/Main. Meyer-Braun, Renate, 1988, Der Bremer Frauenausschuss (BFA), Frauen und politische Par- teien, in: Höcker, Beate/Meyer-Braun, Renate (Hrsg.), Bremerinnen bewältigen die Nach- kriegszeit, Frauen; Alltag; Arbeit; Politik; Steintor, Bremen, 107–143. Meyer-Braun, Renate, 1991, Anna Stiegler (1881–1963), in: Meyer-Braun, Renate (Hrsg.), Frau- en ins Parlament! Porträts weiblicher Abgeordneter in der Bremischen Bürgerschaft, H. M. Hauschild GmbH, Bremen, 238–266. Meyer-Braun, Renate, 2008a, Gesellschaft 1945–1951, in: Barfuß, Karl Marten, Müller, Hart- mut, Tilgner, Daniel (Hrsg.), Die Geschichte der Freien Hansestadt Bremen von 1945 bis 2005, Edition Temmen, Bremen, 132–215. Meyer-Braun, Renate, 2008b, 1968: Schülerbewegung und Straßenbahnunruhen, in: Barfuß, Karl Marten, Müller, Hartmut, Tilgner, Daniel (Hrsg.), Die Geschichte der Freien Hanse- stadt Bremen von 1945 bis 2005, Edition Temmen, Bremen, 481–489. Anhang 407

Meyer–Renschhausen, Elisabeth, 1989, Weibliche Kultur und soziale Arbeit. Eine Geschichte der Frauenbewegung am Beispiel Bremens 1810–1927, Böhlau, Köln/Wien. Michalka, Wolfgang/Niedhart, Gottfried (Hrsg.), 2002, Deutsche Geschichte, 1918–1933, Do- kumente zur Innen- und Außenpolitik, Fischer Taschenbuch, Frankfurt/Main. Miller, Susanne (Hrsg.), 1966, Eduard David, Das Kriegstagebuch des Reichstagsabgeordneten Eduard David 1914–1918, Droste, Düsseldorf. Miller, Susanne, 1974a, Burgfrieden und Klassenkampf. Die deutsche Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg, Droste, Düsseldorf. Miller, Susanne, 1974b, Die SPD vor und nach Godesberg, Neue Gesellschaft GmbH, Bonn- Bad Godesberg, Miller, Susanne, 1978, Frauenfrage und Sexismus in der Sozialdemokratie, in: Horn, Hannelo- re/Schwan, Alexander/Weingartner, Thomas, Sozialismus in Theorie und Praxis, Fest- schrift für Richard Löwenthal zum 70. Geburtstag, de Gryuter, Berlin/New York, 542–571. Miller, Susanne, 1984a, Der erste Weltkrieg und die Spaltung der Arbeiterbewegung, in: Meyer, Thomas (Hrsg.), Lern- und Arbeitsbuch deutsche Arbeiterbewegung, Bd. II, Neue Gesellschaft, Bonn, 301–333. Miller, Susanne, 1984b, Die Parlamentarierinnen der ersten Generation sind ihren Lebenszie- len treu geblieben, Seewald, Stuttgart, Herford, 41–79. Ministerin für die Gleichstellung von Frau und Mann NRW (Hrsg.), 1993, Der Internationale Frauentag, Düsseldorf. Mohrmann, Monika, 1991, § 218, Ehe- und Sexualberatung, in: Staatsarchiv Bremen, Mey- er-Braun, Renate (Hrsg.), Bremer Frauen in der Weimarer Republik 1919–1933, Bremen, 107–135. Mommsen, Wolfgang J., 2009, Deutschland, in: Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd/Renz, Irina, Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Ferdinand Schöningh, Paderborn, München, Wien, Zürich, 13–30. Mommsen, Wolfgang J., 1993, Der Erste Weltkrieg und die Krise Europas, in: Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd, Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch ..., Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Klartext, Essen, 25–44. Moring, Karl-Ernst, 1968, Die Sozialdemokratische Partei in Bremen 1890–1914, Verlag für Literatur und Zeitgeschehen, Hannover. Müller, Hartmut (Hrsg.), 1983, Bremer Arbeiterbewegung 1918–1945, »Trotz alledem«, Doku- mente und Materialien zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Bremen, Katalogbuch zur Ausstellung, Elefanten Press Verlag, Berlin. Müller, Hartmut, 1989, Sozialdemokratische Arbeiterkulturbewegung, in: Meyer-Braun, Renate u.a. (Hrsg.), Jahrgang 1864 aber nicht von gestern, Geschichts-, Geschichten-, Bilder- und Lesebuch der SPD Bremen und Bremerhaven, Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bre- merhaven, 60–71. Müller, Karsten, 1984, Zu den frauenpolitischen Aktivitäten der Kommunistischen Interna- tionale unter den neuen Kampfbedingungen während der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre, in: Mitteilungsblatt der Forschungsgemeinschaft „Geschichte des Kampfes der deutschen Arbeiterklasse um die Befreiung der Frau“, Heft 1, 1984, 21–49. Nave-Herz, Rosemarie, 1993, Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, Niedersächsi- schen Landeszentrale für politische Bildung, Hannover. Niermann, Charlotte, 1982, Die Bedeutung und sozialökonomische Lage Bremer Kleinhänd- lerinnen zwischen 1890 und 1914, in: Drechsel, Wiltrud Ulrike/Gerstenberger, Heide/ Marzahn, Christian, Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens, Heft 4, Geschäfte, Teil 1: Der Bremer Kleinhandel um 1900, Universität Bremen, Bremen, 84–109. Niggemann, Heinz, 1981a, Emanzipation zwischen Sozialismus und Feminismus. Die sozial- demokratische Frauenbewegung im Kaiserreich, Peter Hammer, Wuppertal. 408 Anhang

Niggemann, Heinz (Hrsg.), 1981b, Frauenemanzipation und Sozialdemokratie, Fischer, Frank- furt/Main. Nödinger, Ingeborg, 1983, Für Frieden und Gleichberechtigung. Der Demokratische Frauen- bund Deutschlands, in: Hervé, Florence (Hrsg.), Geschichte der deutschen Frauenbewe- gung, Pahl-Rugenstein, Köln, 187–205. Notz, Gisela, 2008a, „Her mit dem allgemeinen, gleichen Wahlrecht für Mann und Frau!“. Die internationale sozialistische Frauenbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der Kampf um das Frauenwahlrecht, Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn. Notz, Gisela, 2008b, Clara Zetkins Rolle in der internationalen sozialistischen Frauenbewe- gung und der Kampf um das Frauenrecht, in: Franzke, Astrid/Nagelschmidt, Ilse, „Ich kann nicht gegen meine Überzeugung handeln“, Clara Zetkin zum 150. Geburtstag, Rosa- Luxemburg-Stiftung Sachsen, Leipzig, 41–58. Oertzen, Christine von, 1999, Teilzeitarbeit und die Lust am Zuverdienst, Geschlechterpolitik und gesellschaftlicher Wandel in Westdeutschland 1948–1969, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Ohlhoff, Bärbel, 1965, Die KP-Presse in Bremen 1918–1923, Hausarbeit für die erste Lehrer- prüfung, Universität Bremen, Kopierexemplar in der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen. Osterroth, Franz/Schuster, Dieter, 1978, Chronik der deutschen Sozialdemokratie, Bd. III, Dietz, Berlin/Bonn. Osterroth, Franz/Schuster, Dieter, 2005, Chronik der deutschen Sozialdemokratie, Bd. II, 1945–1974, Dietz, Berlin/Bonn. Paulmann, Christian, 1964, Die Sozialdemokratie in Bremen 1864–1964, hrsg. von Sozialde- mokratische Partei Deutschlands, Ortsverein Bremen, Schmalfeldt, Bremen. Pausch, Wolfgang, 1985, Die Entwicklung der sozialdemokratischen Frauenorganisationen. Anspruch und Wirklichkeit innerparteilicher Gleichberechtigungsstrategien in der Sozial- demokratischen Partei Deutschlands, aufgezeigt am Beispiel der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main. Peters, Fritz, 1938, Zwölf Jahre Bremen 1921–1932, Eine Chronik, Geist, Bremen. Peters, Fritz, 1976, Zwölf Jahre Bremen 1945–1956, Eine Chronik, Hauschild, Bremen. Pinl, Claudia, 1977, Das Arbeitnehmerpatriarchat. Die Frauenpolitik der Gewerkschaften, Kiepenheuer & Witsch, Köln. Plewe, Reinhard/Köhler, Jan Thomas, 2000, Baugeschichte Frauen-Konzentrationslager Ra- vensbrück, Edition Hentrich, Berlin. Pohl, Käte, 1924, Ebert oder Lenin? Der Bankrott der sozialdemokratischen Politik, Vereini- gung Internationaler Verlagsanstalten, Berlin. Pollmann, Dorlies/Laudowicz, Edith, (Hrsg.), 1981, Weil ich das Leben liebe … Aus dem Leben engagierter Frauen, Pahl-Rugenstein, Köln. Popall, Käthe, 1985, Ein schwieriges Leben. Erzählte Geschichte bearbeitet von Peter Alheit und Jörg Wollenberg, Atelier im Bauernhaus, Fischerhude Protokoll der Reichskonferenz, der Sozialdemokratie Deutschlands vom 21., 22. und 23. Sep- tember 1916 in Berlin, Verlag Detlev Auvermann KG, Glashütten im Taunus, 1974. Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutsch- lands, Dresden vom 13.–20. September 1903, Expedition der Buchhandlung Vorwärts, Berlin. Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutsch- lands, 1896, Gotha, 11.–16. Oktober 1896, Reprints zur Sozialgeschichte, 1984, bei J.H.W. Dietz Nachf., Berlin, Bonn. Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutsch- lands, 1911, Jena, 10.–16. September 1911, Bericht über die 6. Frauenkonferenz am 8. und Anhang 409

9. September 1911, Reprints zur Sozialgeschichte, 1984, bei J.H.W. Dietz Nachf., Berlin, Bonn. Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutsch- lands, 1912, Chemnitz, vom 15. bis 21. September 1912, Reprints zur Sozialgeschichte, 1984, bei J.H.W. Dietz Nachf., Berlin, Bonn. Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutsch- lands, 1913, Jena, vom 14. bis 20. September 1913, Reprints zur Sozialgeschichte, 1984, bei J.H.W. Dietz Nachf., Berlin, Bonn. Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutsch- lands, Würzburg, vom 14. bis 20. Oktober 1917, Reprints 1973, bei J.H.W. Dietz Nachf., Berlin, Bonn, Bad Godesberg. Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutsch- lands, Weimar, vom 14. bis 20. Oktober 1919, Frauenkonferenz vom 15. bis 16. Juni 1919, Reprints 1973, bei J.H.W. Dietz Nachf., Berlin, Bonn, Bad Godesberg. Protokolle der Parteitage der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, 1975, Bd. I, 1917–1919; Bd. II, 1919–1920; Bd. III, 1920; Bd. IV, 1922–1923; Auvermann, Glashütten Ts. Protokolle der Sitzungen des Parteiausschusses der SPD 1912–1921, 1980, Bd. 1, Nachdrucke, J.H.W. Dietz Nachf., Berlin, Bonn. Queisser, Hannelore, Chmielus-Aderhold, Karin, Dippelhofer-Stiem, Barbara, 1995, Die Arbeitsmarktsituation von Frauen in Niedersachsen und Bremen. Ein Beitrag zur Regio- nalen Berichterstattung, Kleine, Bielefeld. Recker, Marie-Luise, 2001, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, C.H. Beck, München. Reineke, Karl, 1929, Das bremische Bürgerrecht, in: Bremisches Jahrbuch, Band 32, 195–232. Richebächer, Sabine, 1982, Uns fehlt nur eine Kleinigkeit. Deutsche proletarische Frauenbe- wegung 1890–1914, Fischer Taschenbuch, Frankfurt/Main. Rosenberg, Alfred, 1941, Der Mythos des 20. Jahrhunderts, Hoheneichen, München. Ruge, Wolfgang, 1980, Weimar Republik auf Zeit, Pahl Rugenstein, Köln. Rudtke, Roswita, 1985, Die Europäische Kommunistische Frauenberatung der Kommunis- tischen Internationale im August 1930, in: Mitteilungsblatt der Forschungsgemeinschaft „Geschichte des Kampfes der deutschen Arbeiterklasse um die Befreiung der Frau“, Heft 2, 1982, 47–56. Rußland, Rita, 1985, Widerbelebung in der Krise, in: Industriegewerkschaft Metall (Hrsg.), Internationaler Frauentag, Tag der Frauen seit 75 Jahren, Union-Druckerei, Frankfurt/Main, 83–142. Sandkühler, Thomas/Schmidt, Hans-Günter, 1988, Frau oder Geschichte?, Zur histori- schen Kontinuität einer verkehrten Alternative, in: Becher, Ursula A. J./Rüsen, Jörn (Hrsg.), Weiblichkeit in geschichtlicher Perspektive, Fallstudien und Reflexionen zu Grundproblemen der historischen Frauenforschung, Suhrkamp, Frankfurt/Main, 339–363. Scharinger, Manfred, 2009, Proletarische Frauenbewegung, kritische Bilanz und politische Lehren, Revolutionär sozialistische Organisation, Riegelnik, Wien. Schenk, Herrad, 1983, Die feministische Herausforderung, 150 Jahre Frauenbewegung in Deutschland, C.H. Beck, München. Schlüter, Bernd, 1993, Staat, Lebensmittelversorgung und Krieg. Die kommunale Ernäh- rungswirtschaft in Bremen 1914–1918, Dissertation Universität Oldenburg, Oldenburg. Schmidt, Dorothea, 1985, Keine schützende Hand. Die Bedeutung staatlicher Regelungen für die Frauenarbeit in Bremen in der Zeit des Kaiserreichs, in: Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens, Heft 8 – „Strikes“ und Staat. Zur öffentlichen Regelung von Arbeitsverhältnis- sen, 1873–1914, 10–44. 410 Anhang

Schmidt, Elli, 1950, 40 Jahre Internationaler Frauentag, Deutscher Frauenverlag, Berlin. Schmitter, Romina, 1991a, Der lange Weg zur politischen Gleichberechtigung der Frauen in Bremen, Staatsarchiv, Bremen. Schmitter Romina, 1991b, Auguste Bosse, in: Cyrus, Hannelore (Hrsg.), Bremer Frauen von A – Z, Kurzbiographien, Verlag in der Sonnenstraße, Bremen, 286–289. Schmitter, Romina, 1996, Dienstmädchen, Jutearbeiterinnen und Schneiderinnen. Frauener- werbsarbeit in der Stadt Bremen 1871–1914, Selbstverlag Staatsarchiv Bremen, Bremen. Schmitter, Romina, 1998, Zur neuen Frauenbewegung in Bremen, Staatsarchiv Bremen, Bremen. Scholze, Siegfried, 1985, Zur Geschichte des 8. März als Datum des Internationalen Frauen- tages, in: VIII. Clara-Zetkin-Kolloquium der Forschungsgemeinschaft „Geschichte des Kampfes der deutschen Arbeiterklasse um die Befreiung der Frau“, Frauen im Kampf für den Frieden, zum 75. Internationalen Frauentag, 32–38. Scholze, Siegfried, 1991, Die Sozialistinnen der USA – Initiatorinnen der Einführung des Internationalen Frauentages, in: BzG, Nr. 2, 255–258. Scholze, Siegfried, 2000, Der Internationale Frauentag zur Zeit der Weimarer Republik in Deutschland und anderen Ländern – zu seinem 90. Jubiläum, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 42. Jhg. 1, 11–32. Scholze, Siegfried, 2001, Der Internationale Frauentag einst und heute. Geschichtlicher Abriß und weltweite Tradition vom Entstehen bis zur Gegenwart, trafo, Berlin. Schrader-Klebert, Karin, 1969, Die kulturelle Revolution der Frau, in: Kursbuch 17, 1–46. Schröder, Wilhelm, 1910, Handbuch der sozialdemokratischen Parteitage von 1863 bis 1909, G. Birk & Co. m. b. H., München, Fotomechanischer Neudruck der Originalausgabe, Zent- ralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik, Leipzig 1974. Schulz, Kristina, 2002, Der lange Atem der Provokation. Die Frauenbewegung in der Bundes- republik und in Frankreich, 1968–1976, Campus, Frankfurt/Main, New York. Schunter-Kleemann, Susanne, 1982, Frauenarbeit in Bremen, Schriftenreihe des Fachbereichs Wirtschaft der Hochschule Bremen, Bremen. Schunter-Kleemann, Susanne, 1991a, Bremer Frauen in der Weimarer Zeit und der § 218, in: Meyer-Braun, Renate (Hrsg.), Frauen – Geschichte – Bremen, WEFF Verlag, Bremen, 81–140. Schunter-Kleemann, Susanne, 1991b, Gesine Becker (1888–1968), in: Meyer-Braun, Renate (Hrsg.), Frauen ins Parlament! Porträts weiblicher Abgeordneter in der Bremischen Bür- gerschaft, H. M. Hauschild GmbH, Bremen, 53–76. Schunter-Kleemann, Susanne, 1992, Die neue Frauenbewegung in Bremen (1970–1992), in: Butterwegge, Christoph/Jansen, Hans G. (Hrsg.), Neue soziale Bewegungen in einer alten Stadt, Steintor, Bremen, 128–142. Schwarz, Gudrun, 1996, Die nationalsozialistischen Lager, Fischer, Frankfurt/Main. Schwarz, Salomon, 1930, Handbuch der deutschen Gewerkschaftskongresse, (Kongresse des ADGB), Verlagsanstalt der deutschen Holzarbeitergewerkschaft, Berlin. Schwarzwälder, Herbert, 1976, Geschichte der Freien Hansestadt Bremen, Bd. 2, Von 1810 bis zum ersten Weltkrieg (1918), Friedrich Röver, Bremen. Schwarzwälder Herbert, 1983, Geschichte der Freien Hansestadt Bremen, Bd. 3, Hans Chris- tians Verlag, Hamburg. Schwarzwälder Herbert, 1985, Geschichte der Freien Hansestadt Bremen, Bd. 4, Hans Chris- tians Verlag, Hamburg. Schwarzwälder, Herbert, 1995a, Geschichte der Freien Hansestadt Bremen, Bd. 1, Von den Anfängen bis zur Franzosenzeit: (1810), Edition Temmen, Bremen. Schwarzwälder, Herbert, 1995b, Bremer Geschichte, Johann Heinrich Döll, Bremen. Seiler, Bernd W., 1993, Es begann in Lesmona. Auf den Spuren einer Bremer Liebesgeschich- te, Johann Heinrich Döll, Bremen. Anhang 411

Sender, Toni, 1981, Autobiographie einer Rebellin, Fischer, Frankfurt/Main. Siepmann, Eckhard/Lusk, Irene, 1986, Bikini, die fünfziger Jahre, Politik, Alltag, Opposition, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg. Soden, Kristine von (Hrsg.), 1988a, Der große Unterschied. Die Neue Frauenbewegung und die siebziger Jahre, Elefanten Press Verlag, Berlin. Soden, Kristine von, 1988b, Frauenarbeit – Frauenarbeitslosigkeit, in: Soden, Kristine von (Hrsg.), 1988, Der große Unterschied, Die Neue Frauenbewegung und die siebziger Jahre, Elefanten Press Verlag, Berlin, 64–75. Sommer, Karl-Ludwig, 1985, Die SPD-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft von 1906– 1921, in: Kuckuck, Peter (Hrsg.), Fachbereich 1 Allgemeinwissenschaftliche Grundlagen- fächer der Hochschule Bremen, Beiträge zur Geschichte der Bremer Arbeiterbewegung (1906 bis 1959), 1–29. Sommer, Karl-Ludwig, 1988, Wiederbewaffnung im Widerstreit von Landespolitik und Partei- linie, Steintor, Bremen. Sommer, Karl-Ludwig, 2008, Die ersten Nachkriegsjahre. Bremen und die Gründung der Bundesrepublik, Wahlen und parteipolitische Entwicklungen, Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit, in: Barfuß, Karl Marten, Müller, Hartmut, Tilgner, Daniel (Hrsg.), Die Geschichte der Freien Hansestadt Bremen von 1945 bis 1969, Edition Temmen, Bremen, 10–89. Sozialdemokratischer Parteitag 1925 in Heidelberg, Protokoll mit dem Bericht der Frauen- konferenz, Verlag Detlev Auvermann KG, Glashütten im Taunus, J.H.W. Dietz Nachf. GmbH, Berlin, Bonn, Bad Godesberg. Sozialdemokratischer Parteitag 1927 in Kiel, 1974, Protokoll mit dem Bericht der Frauen- konferenz, Verlag Detlev Auvermann KG, Glashütten i.T., J.H.W. Dietz Nachf. GmbH, Berlin, Bonn, Bad Godesberg. Sozialdemokratischer Parteitag 1927 in Magdeburg, 1974, Protokoll, Verlag Detlev Auver- mann KG, Glashütten im Taunus, J.H.W. Dietz Nachf. GmbH, Berlin, Bonn, Bad Godesberg. Staude, Fritz, 1985, Der Internationale Frauentag – Mittel zum Kampf gegen Militarismus und Krieg – für den gesellschaftlichen Fortschritt, in: VIII: Clara-Zetkin-Kolloquium der Forschungsgemeinschaft „Geschichte des Kampfes der deutschen Arbeiterklasse um die Befreiung der Frau“, Frauen im Kampf für den Frieden, zum 75. Internationalen Frauen- tag, 5–15. Stöckle, Frieder, 1990, Zum praktischen Umgang mit Oral History, Vorländer, Herwart, Oral history: mündlich erfragte Geschichte; acht Beiträge, Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen, 131–158. Stoehr, Irene, 1987, Organisierte Mütterlichkeit. Zur Politik der deutschen Frauenbewegung um 1900, in: Hausen, Karin (Hrsg.), Frauen suchen ihre Geschichte, C.H. Beck, München. Strecker, Gabriele, 1970, Gesellschaftspolitische Frauenarbeit in Deutschland, 20 Jahre Deut- scher Frauenring, hrsg. vom Deutschen Frauenring, Leske, Opladen. Strebel, Bernhard, 1994, Die „Lagergesellschaft“. Aspekte der Häftlingshierarchie und Gruppenbildung in Ravensbrück, in: Füllber-Stollberg, Claus u.a. (Hrsg.), 1994, Frauen in Konzentrationslagern, Bergen-Belsen, Ravensbrück, Temmen, Bremen, 79–88. Thönnessen, Werner, 1969, Frauenemanzipation, Politik und Literatur der deutschen Sozial- demokratie zur Frauenbewegung 1863–1933, EVA, Frankfurt am Main. Tüne, Anna/Olfe-Schlotthauer, Rina, 1980, FrauenBilder, LeseBuch, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt/Main, Wien, Zürich. Turnau, Ottilie, 1892, Über die Notwendigkeit eines österreichischen Frauentages, Josef Schwarzinger, Wien. Ullrich, Volker, 2008, Die halbe Revolution. Warum der demokratische Aufbruch von 1918 sein Scheitern bereits in sich trug, in: ZEIT, Geschichte 3/1918, 16–30. 412 Anhang

Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands (Hrsg.), 1921/Reprint 1971, Bericht über die Verhandlungen des Vereinigungsparteitages der USPD (Linke) und der KPD (Spartakus- bund), abgehalten in Berlin, 4. bis 7. Dezember 1920, Leipzig. Vogelheim, Elisabeth, 1985, Nachkriegszeit und Wiederaufbau, in: Industriegewerkschaft Metall (Hrsg.), Internationaler Frauentag, Tag der Frauen seit 75 Jahren, Union–Druckerei, Frankfurt am Main, 60–82. Vormschlag, Elisabeth, 1970, Inhalte, Leitbilder und Funktionen politischer Frauenagitation der SPD, USPD, der KPD in den Jahren 1890–1933 und der NSDAP 1932–1945, Georg- August-Universität, Göttingen. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.) o.O., o.J., Die Frau in der Politik und im Beruf. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.), 1927, Jahrbuch der Deut- schen Sozialdemokratie für das Jahr 1926, J.H.W. Dietz Nachf., Berlin. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.), 1928, Jahrbuch der Deut- schen Sozialdemokratie für das Jahr 1927, J.H.W. Dietz Nachf., Berlin. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.), 1929, Jahrbuch der Deut- schen Sozialdemokratie für das Jahr 1928, Vorwärts, Berlin. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.), 1930, Jahrbuch der Deut- schen Sozialdemokratie für das Jahr 1929, Vorwärts, Berlin. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.), 1931, Jahrbuch der Deut- schen Sozialdemokratie für das Jahr 1930, Vorwärts, Berlin. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.), 1932, Jahrbuch der Deut- schen Sozialdemokratie für das Jahr 1931, Vorwärts, Berlin. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.), Jahrbuch der Deutschen So- zialdemokratie für das Jahr 1946, Göttinger Druckerei- und Verlagsgesellschaft, Göttingen. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.), Jahrbuch der Deutschen Sozialdemokratie für das Jahr 1948/49, Hannoversche Presse, Druck- und Verlagsgesell- schaft, Hannover. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.), Jahrbuch der Deutschen Sozialdemokratie für das Jahr 1950/51, Westfalendruck, Dortmund. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.), Jahrbuch der Deutschen Sozialdemokratie für das Jahr 1952/53, Presse-Druck, Bielefeld. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.), Jahrbuch der Deutschen Sozialdemokratie für das Jahr 1954/55, Neuer Vorwärts, Hannover-Bonn. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.), Jahrbuch der Deutschen Sozialdemokratie für das Jahr 1956/57, Neuer Vorwärts, Hannover-Bonn. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.), Jahrbuch der Deutschen Sozialdemokratie für das Jahr 1958/59, Neuer Vorwärts, Hannover-Bonn. Voß, Angelika/Büttner, Ursula/Weber, Hermann, 1983, Vom Hamburger Aufstand zur poli- tischen Isolierung. Kommunistische Politik 1923–1933 in Hamburg und im Deutschen Reich, Lütke & Wulff, Hamburg. Wagner, Leonie, 2010, Nationalsozialistische Frauenansichten. Vorstellungen von Weiblichkeit und Politik führender Frauen im Nationalsozialismus, dipa, Frankfurt am Main. Walter, Eva, 1982, „Meine Frau hat keine Zeit!“. Frauen in der KPD während der Weimarer Republik, in: Demokratie und Arbeitergeschichte, Jahrbuch 2, Geschichtsschreibung – Medienkritik – Unterrichtsmaterialien, 96–107. Weber, Hermann, 1969a, Die Wandlungen des deutschen Kommunismus. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik, Bd. 1, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt/Main. Weber, Hermann, 1969b, Der Gründungsparteitag der KPD. Protokoll und Materialien, Euro- päische Verlagsanstalt, Frankfurt/Main. Anhang 413

Weber, Hermann, 1981a, Einleitung, in: Die Generallinie. Rundschreiben des Zentralkomitees der KPD an die Bezirke, 1929–1933, VII–CXI. Weber, Hermann, 1981b, Die Generallinie. Rundschreiben des Zentralkomitees der KPD an die Bezirke, 1929–1933. Weber, Hermann, 1983, Kommunismus in Deutschland, 1918–1945, Wissenschaftliche Ver- lagsanstalt, Darmstadt. Weber, Hermann/Herbst, Andreas, 2004, Deutsche Kommunisten, Biographisches Handbuch 1918 bis 1945, Dietz, Berlin. Weberling, Anja, 1994, Zwischen Räten und Parteien. Frauenbewegung in Deutschland 1918/1919, Centaurus, Pfaffenweiler. Wegehaupt-Schneider, Ingeborg, 1988, Das Private ist politisch. Selbsterfahrungsgruppen, in: Soden, Kristine von (Hrsg.), Der große Unterschied. Die Neue Frauenbewegung und die siebziger Jahre, Elefanten Press Verlag, Berlin, 17–19. Weiland, Daniela, 1983, Geschichte der Frauenemanzipation in Deutschland und Österreich, Biographien, Programme, Organisationen, Hermes Handlexikon, Econ, Düsseldorf. Weyrather, Irmgard, 1993, Muttertag und Mutterkreuz. Der Kult um die »deutsche Mutter« im Nationalsozialismus, Fischer, Frankfurt/Main. Wichterich, Christa, 1996, Wir sind das Wunder, durch das wir überleben. Die 4. Weltfrauen- konferenz in Peking, Heinrich-Böll-Stiftung, Köln. Wickert, Christl, 1982, Weiblicher Lebenszusammenhang und politische Arbeit: zur Politi- sierung von SPD-Frauen der Weimarer Republik. Die Auswirkungen ihrer Arbeit auf das persönliche Leben, in: beiträge zur feministischen theorie und praxis, Nr. 7. Wickert, Christel, 1986, Unsere Erwählten. Sozialdemokratische Frauen im Deutschen Reichstag und im Preußischen Landtag 1919 bis 1933, Bd. I und Bd. II, Sovec, Göttingen. Wieczorek–Zeul, Heidemarie, 1984, Sozialdemokratie und Feminismus, in: Leirer, Irmtraud/ Seidelmann, Reimund/Wieczorek-Zeul, Heidemarie, Sozialistische Fraueninternationale und Feminismus, Verlag und Versandbuchhandlung Europäische Perspektiven, Berlin, 10–19. Wienecke, Jan/Krause, Fritz, 1982, Unser Marsch ist eine gute Sache. Ostermärsche damals – heute, Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt/Main. Wierling, Dorothee, 1987a, Mädchen für alles. Arbeitsalltag und Lebensgeschichte städtischer Dienstmädchen um die Jahrhundertwende, J.H.W. Dietz Nachf., Berlin, Bonn. Wierling, Dorothee, 1987b, „Ich habe eine Arbeit gemacht – was wollte sie mehr?“ Dienstmäd- chen im städtischen Haushalt der Jahrhun dertwende, in: Hausen, Karin (Hrsg.), Frauen suchen ihre Geschichte, Historische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert, C.H. Beck, München, 146–174. Wolff, Kerstin, 2006, Alle Jahre wieder ..., Der Internationale Frauentag – ein Feiertag für die Frauenbewegung?, in: Ariadne, November 2002, Nr. 50, 66–71. Wolfrum, Edgar, 2007, Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutsch- land von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn. Wollenberg, Jörg/Heer-Kleinert, Lore/Müser, Mechtild/Pfliegendörfer, Dieter, 1983, Von der Krise zum Faschismus. Bremer Arbeiterbewegung 1929–33, Cooperative Verlag, Frank- furt/Main. Wottrich, Henriette, 1990, Auguste Kirchhoff, Eine Biographie, Donat, Bremen. Wurms, Renate, 1979a, Frauen im Krieg und gegen den Krieg, in: Hervé, Florence (Hrsg.), Brot und Rosen, Marxistische Blätter, Frankfurt/Main, 82–96. Wurms, Renate, 1979b, Zwischen Gleichberechtigung und Emanzipation – Zur Frauenbewe- gung in der Weimarer Republik, in: Hervé, Florence (Hrsg.), Brot und Rosen, Marxistische Blätter, Frankfurt/Main, 125–135. 414 Anhang

Wurms, Renate, 1980, Wir wollen Freiheit, Frieden, Recht. Der Internationale Frauentag, Marxistische Blätter, Frankfurt/Main. Wurms, Renate, 1983a, Kein einig Volk von Schwestern, Frauenbewegung 1889–1914, in: Hervé, Florence, (Hrsg.), Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Pahl Rugenstein, Köln, 41–83. Wurms, Renate, 1983b, Krieg dem Kriege – Dienst am Vaterland. Frauenbewegung im Ersten Weltkrieg, in: Hervé, Florence (Hrsg.), Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Pahl- Rugenstein, Köln, 84–118. Zentrale der Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands, 1921, Bericht über die Ver- handlungen des Vereinigungsparteitages der U.S.P.D. (Linke) und der K.P.D. (Spartakus- bund), Frankes Verlag, Leipzig/Berlin. Zentrale der Kommunistischen Partei Deutschlands (Hrsg.), 1924, Bericht über die Ver- handlungen des IX. Parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands (Sektion der Kommunistischen Internationale), abgehalten in Frankfurt am Main vom 7. April bis 10. April 1924, Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten, Berlin. Zentral-Komitee der Kommunistischen Partei Deutschlands (Hrsg.), 1926, Bericht über die Verhandlungen des X. Parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands (Sektion der Kommunistischen Internationale), Berlin, vom 12. bis 17. Juli 1925 mit Frauenkonfe- renz, Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten, Berlin. Zetkin, Clara, 1889a, Die Arbeiterinnen- und Frauenfrage der Gegenwart, Volksbühne, Berlin. Zetkin, Clara, 1889b, Für die Befreiung der Frau. Rede auf dem Internationalen Arbeiterkon- greß zu Paris – 19. Juli, in: Arbeiterbewegung und Frauenemanzipation 1889 bis 1933, Marxistische Blätter, Frankfurt/Main, 1973, 7–12. Zetkin, Clara, 1957, Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. I, 1889–1917, Dietz, Berlin. Zetkin, Clara, 1960a, Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. II, 1918–1933, Dietz, Berlin. Zetkin, Clara 1960b, Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. III, 1924–1933, Dietz, Berlin. Zetkin, Clara, 1984, Zur Geschichte der proletarischen Frauenbewegung Deutschlands, Mar- xistische Blätter, Frankfurt/Main. Zietz, Luise, 1911, Die Frau und die Reichstagswahlen, in: Niggemann, Heinz, 1981, Frauen- emanzipation und Sozialdemokratie, Fischer Taschenbuch, Frankfurt/Main, 170–176. Zwaka, Petra/Jäkl, Reingard/Maik, Lef u.a., Bezirksamt Schöneberg/Kunstamt Schöneberg, (Hrsg.), 1991, „Ich bin meine eigene Frauenbewegung“, Frauen-Ansichten aus der Ge- schichte einer Großstadt, Edition Hentrich, Berlin. Anhang 415 6. Internationale Frauentage in Bremen 1911–2010

Die Darstellung folgt dem Schema: Jahr Datum (Veranstalterin) [Seite]

Internationale Frauentage 1911–1933

1911 19. März (SPD) ...... [52] 1912 12. Mai (SPD) ...... [58] 1913 4. März (SPD) ...... [62] 1914 10. März (SPD) ...... [64] 1915 27. April (SPD) ...... [85] 1916 14. März (SPD) ...... [89] 1917 1918 1919 11. April (USPD) ...... [111] 1920 9. Mai (KPD) ...... [157] 14. Mai (USPD) ...... [113] 1921 8. April (KPD) ...... [159] 1922 9. März (KPD) ...... [160] 1923 6. März (KPD) ...... [161] 1924 11. März (KPD) ...... [163] 1925 1.–8. März (KPD) (Stadtteilversammlungen ohne Datum) ...... [165] 1926 5. März (KPD) ...... [167] 10. März (VSPD) ...... [130] 1927 9. März (KPD) ...... [170] 4. April (VSPD) ...... [131] 1928 8. März (KPD) ...... [171] 1929 8. März (KPD) ...... [171] 11. April (SPD) ...... [133] 1930 8. März (KPD) ...... [172] 21. Mai (SPD) ...... [137] 1931 8. März (KPD) ...... [173] 16. April (SPD) ...... [141] 1932 8. März (KPD) ...... [177] 1933 22. Februar (SPD) ...... [144]

Internationale Frauentage 1933–1945

1941–1945 8. März im KZ Ravensbrück ...... [205] 1941, im März Internationale Kundgebung der Sozialdemokratinnen in London ...... [208] 1943, 8. März russische Zwangsarbeiterinnen in Bremen ...... [206] 1943 zum 8. März. Appell der Kommunistinnen aus London: „Deutsche Frauen“ ...... [209] 1945, im März Internationale Frauenkonferenz in London ...... [209] 416 Anhang

Internationale Frauentage 1945–1966 KPD 1948 7. März (KPD) ...... [228] 1949 8. März (KPD) ...... [230] 1950 7. März (KPD) ...... [232] 1951 8. März (KPD) ...... [236] 1952 8. März (KPD) ...... [238] 1953 6. März (KPD) ...... [239] 1954 7. März (KPD) ...... [239] 1955 6. März (KPD) ...... [240] 1956 11. März (KPD) ...... [240]

SPD 1949 14. März (SPD) ...... [244] 1950 27. März (SPD) ...... [251] 1951 16. April (SPD) ...... [252] 1952 21. März (SPD) ...... [252] 1953 16. April (SPD) ...... [252] 1954 13. Mai (SPD) ...... [253] 1955 22. April (SPD) ...... [253] 1956 29. Mai (SPD) ...... [254] 1957 21. Mai (SPD) ...... [255] 1958 2. Juni (SPD) ...... [256] 1959 11. Mai (SPD) ...... [258] 1960 17. Mai (SPD) ...... [259] 1961 1. Juni (SPD) ...... [259] 1962 22. Mai (SPD) ...... [259] 1963 21. Mai (SPD) ...... [259] 1964 2. Juni (SPD) ...... [260] 1965 18. Mai (SPD) ...... [260] 1966 16. Mai (SPD) ...... [260]

Neue Trägerinnen 1976–2010

1979 3. März (DFI) ...... [286] 9. März (DKP) ...... [288] 1980 8. März (DFI) ...... [298] 1981 12. März (DGB) ...... [302] 1982 8. März (DGB) ...... [303] 1983 8. März (DGB) ...... [304] 1984 8. März (DGB) ...... [305] 1985 8. März (DGB) ...... [307] 1986 8. März (Frauenbündnis) ...... [310] 1987 6. März Demonstration, 8. März Frauenkulturfest (Frauenbündnis) ...... [313] 1988 5. März Frauenkulturfest, 8. März Demonstration (Frauenbündnis) ...... [316] Anhang 417

1989 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen vor/nach 8. März ...... [319] 1990 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen vor/nach 8. März ...... [330] 1991 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen vor/nach 8. März ...... [333] 1992 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen vor/nach 8. März ...... [334] 1993 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen vor/nach 8. März ...... [335] 1994 8./11. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen vor/nach 8. März ...... [339] 1995 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen vor/nach 8. März ...... [342] 1996 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen 7.–13. März ...... [344] 1997 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen 26. Februar–19. März ...... [348] 1998 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen 5.–9. März ...... [350] 1999 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen vor/nach 8. März ...... [353] 2000 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen 3.–16. März ...... [355] 2001 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen 2.–25. März ...... [356] 2002 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen 21. Februar–21. März ...... [357] 2003 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen 22. Februar–27. März ...... [359] 2004 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen 28. Februar–24. März ...... [360] 2005 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen 16. Januar–18. März ...... [361] 2006 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen 3.–30. März ...... [364] 2007 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen ...... [365] 2008 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen 1. Februar–13. März ...... [367] 2009 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen 27. Februar–24. März ...... [370] 2010 8. März (Frauenbündnis) weitere Veranstaltungen 24. Februar–26. März ...... [374] 418 Anhang Namensverzeichnis A E Adolf, Hilde 355 Eildermann, Luise 174, 175, 185 Ahrens, Käte 96, 102, 103, 111 Elling, Hanna 214 Akerhielm, Sigrid 256 Enderle, Irmgard 223, 262 Al-Hilali, Huda 333 Esselborn, Else 302, 303, 305, 308, 312, 322, Ankersmit, Helen 51, 76, 100 323 Antesberger, Helga 302, 306, 323 Arnold-Cramer, Ursula 372 Assmann, Aleida 72 F Fischer, Anna-Klara 223, 263 Fischer, Hermine 340 B Fischer, Ruth 156, 164, 165, 181, 183 Baader, Ottilie 30 Focke, Katharina 283 Bahnson, Minna 97 Fuchs, Anke 281 Bardenheuer, Rita 33, 34, 41, 96, 125 Bauer, Edith 358 Baumeister, Hella 365 G Becker, Gesine 96, 103, 159, 160, 161, 163, Gautier, Hermine 190 171, 182 „Genossin Pollit“ 171 Becker-Modersohn, Paula 357 Gerhard, Ute 291, 364 Beck, Marieluise 354 Gläser, Irmtrud 319, 330 Beer, Manuela 341, 379 Gotthelf, Herta 215, 243, 250, 255, 258 Bertold, Hermine 190, 203 Gross, Alma 201 Bock, Maren 344, 370, 382 Günther, Hedwig 138 Bogedan, Claudia 368 Bohm-Schuch, Clara 115, 125 Boschek, Anna 76 H Bosse, Auguste 26, 40, 53, 57, 70 Hackmack, Emmy 131, 136, 147 Brandenburg, Helene 63 Halbe, Erna 164, 165, 166, 169, 183 Braun, Lily 339 Hanna, Gertrud 48, 70, 80, 128 Braunthal, Bertha 113, 114, 117, 155, 156, Hannover-Drück, Elisabeth 348 160, 164, 181 Harder, Hanna 57, 65, 71, 82, 97, 101, 125, Brinkmann, Erna 201 126, 127 Buchmann, Erika 229 Hauffe, Ulrike 344, 345, 347, 352, 358, 361, Bücking, Maria 202 368, 369, 379 Busboom, Ingrid 321 Hebel, Ingrid 355 Heimpel, Elisabeth 256 Heineken, Agnes 223, 262 C Heinemann, Luise 242 Cansever, Cevahir 305 Heiser, Maren 357 Cauer, Minna 55, 57, 70 Helwerth, Ulrike 368 Cengiz, Halima 370, 382 Herzog, Marianne 273, 291 Hoch, Doris 372 Hoffmann, Ottilie 263 D Holzner-Rabe, Christine 342 de Bruyn, Rita 255 Horn, Marion 363 de Saint Phalle, Niki 373 Hülsbergen, Gisela 330, 365, 366, 368, 370, Dohm, Hedwig 339, 340 381 Düby, Gertrud 141 Hüttinger, Zia Gabriele 374 Duncker, Käte 47, 69, 151, 178, 386 Düring, Annette 374, 382 Dürk, Barbara 355 I Düwell 161 Ibler, Ursula 289 Anhang 419

J Motschmann, Elisabeth 372 Juchacz, Marie 81, 82, 100, 101, 120, 122, Müller, Ursula 355 123, 126, 127, 129, 132, 142, 146 Jungmittag, Clara 133, 190 N Nag Chowdhury, Aditee 334 K Nemitz, Anna 114 Kähler, Wilhelmine 58 Niehuis, Edith 354 Kaisen, Helene 71, 144 Nielsen, Marichen 260 Kaiser, Susanne 340, 379 Nolte, Claudia 326 Karakasoglu, Yasemin 368 Karpinski, Paula 253, 254 Karstens, Luise 203 O Otto, Minna 103, 159, 182 Kastens, Henni 201 Overlach, Helene 169, 170, 171, 184 Kellerhoff, Gabi Grete 312, 313, 314, 316, 323, 331, 341, 362, 379, 381 Kerstein, Ursula 272, 291, 296, 306, 307, P 322, 323 Pinl, Claudia 279, 280 Kesselbeck, Else 96, 160 Popall, Käthe 221, 223, 224, 226, 227, 228, Kießler, Kerstin 366 263 Kirchhoff, Auguste 33, 34, 41 Popp, Adelheid 48, 51, 69, 76, 127 Klee, Alida 235, 237, 264 Proft, Gabriele 134 Kocaoglu, Ayten 365 Koczorowski, Kornelia 364, 380, 381 Kollontai, Alexandra 51, 152 R Konetzka, Margot 225, 235, 263, 264 Reischl, Bärbel 379, 380, 381 Konze, Marianne 286 Reiser, Beate 252 Kortmann, Manuela 361 Reitze, Johanna 64, 66, 126 Kranstöver, Anni 251 Renger, Annemarie 253, 277, 278 Krüger, Maria 214 Riemer-Noltenius, Erika 333, 334, 335, 352, Kuhlmey, Emmy 318 370, 378 Kültür, Gülbahar 316, 366 Roth, Karin 289 Kundel, Lu 185 Rüger, Sigrid 272 Rühle-Gerstel, Alice 111 L Rußland, Rita 251, 289, 301 Landwehr, Wilma 259, 260 Lange, Dora 203 S Lange, Helene 339 Sander, Helke 272, 273, 291 Laudowicz, Edith 381 Schanzenbach, Marta 256, 258 Lehr, Ursula 329 Schaub, Käthe 244 Liedtke, Berta 190 Schlechter, Käthe 289 Longman, Mary 76 Schloßmann-Lönnies, Klara 193, 194 Lüders, Marie-Elisabeth 256 Schmidt, Renate 327 Luxemburg, Rosa 37, 53, 77, 153, 181, 300, Schmitter, Romina 348 339, 373, 375 Schmitz, Adèle 34 Scholtz-Klink, Gertrud 198, 212 Schönhagen, Leonie 368 M Schreiber-Krieger, Adele 132, 189, 209, 210, Marks, Marie 300 215 Mautz, Anny 131 Schröder, Louise 142, 252 Merkel, Angela 363 Schunter-Kleemann, Susanne 306 Mevissen, Annemarie 246 Schütte, Marlies 256 Meyer-Braun, Renate 366, 374, 382 Schwartz, Karoline („Lina“) 201 Meyer, Lucie 260 Schwarzer, Alice 274, 385 Michel, Louise 300 420 Anhang

Schweida, Helene 62, 84, 89, 101, 373, 375 Zietz, Luise 32, 40, 41, 46, 50, 51, 55, 60, 61, Sender, Toni 96, 103, 106, 121, 144 70, 71, 76, 78, 80, 81, 82, 85, 88, 89, 91, Sieling, Ingeborg 380 100, 101, 102, 107, 110, 114, 117 Simon, Grete 53, 54, 58, 62 Steinrücke, Margareta 368, 381 Stiegler, Anna 72, 96, 102, 109, 121, 127, 131, 132, 133, 141, 190, 203, 204, 214, 223, 240, 241, 243, 244, 246, 247, 249, 250, 251, 253, 256, 259, 309 Stieglitz, Anna 131 Stolle, Uta 318 Strobel, Käte 259, 260 Stuckmann, Dagmar 375 Sturm, Hertha 164, 182 Süssmuth, Rita 309, 315 Sutherland, Mary 208

T Treptow, Antje 368 Tristan, Flora 340 Troedel, Monique 302, 303, 312, 313, 321, 323, 333, 336, 343, 350, 366, 371

U Uhl, Sabine 343 Ulusoy, Semra 335

V Verkaik, Cor 241 Vöge, Selma 201 von der Leyen, Ursula 327

W Weber, Maria 245, 266, 284 Wessel, Andrea 361 Wieczorek-Zeul, Heidemarie 309 Windler, Annedore 353, 356 Wischer, Christine 344, 347 Wolf, Kerstin 388, 389 Wood-Simons, May 51 Wulff, Barbara 356 Wurm, Mathilde 114, 127

Z Zepler, Wally 120, 145 Zetkin, Clara 14, 22, 28, 29, 31, 32, 39, 40, 44, 45, 47, 48, 51, 55, 56, 60, 61, 69, 70, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 85, 86, 88, 98, 100, 103, 120, 127, 145, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 161, 164, 178, 181, 300, 339, 373, 375, 386