Universität und Öffentlichkeit Das Beispiel der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 1945-1975

Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.

vorgelegt von

Sebastian Brandt aus Illingen/Hüttigweiler

WS 2013/14 Erstgutachterin: Prof. Dr. Sylvia Paletschek Zweitgutachterin: Prof. Dr. Livia Prüll

Vorsitzender des Promotionsausschusses der Gemeinsamen Kommission der Philologischen, Philosophischen und Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät: Prof. Dr. Felix Heinzer

Datum der Disputation: 21.11.2014 Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis V

Abkürzungsverzeichnis VII

1 Einleitung 1 1.1 Gegenstand und Ziel der Arbeit ...... 1 1.2 Forschungsstand ...... 5 1.3 Quellen ...... 14 1.4 Aufbau der Arbeit ...... 16

2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945- 1957 19 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität 21 2.1.1 Schlüsseltexte und Mediendiskurs ...... 23 2.1.2 Akademische Traditionen in der öffentlichen Selbstdarstellung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ...... 35 2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit ...... 65 2.2.1 Die unmittelbare Nachkriegszeit: Improvisation und Notmaßnah- men (1945-1948) ...... 67 2.2.2 Geplanter Wiederaufbau (1947-1957) ...... 73 2.3 Institutionelle Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit . . . 90 2.3.1 Der Universitätsbeirat ...... 91 2.3.2 Pressestelle und Öffentlichkeitsarbeit ...... 98 2.3.3 Der Verband der Freunde der Universität Freiburg ...... 104

3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 111 3.1 Universitäten und Massenmedien in den 1960er Jahren: Eine Skizze . . . 112 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit ...... 115 3.2.1 Das „akademische Gedränge“: Massenbetrieb und Überfüllung im deutschen Hochschulwesen ...... 116 3.2.2 Bildung für alle? Mobilisierung von Begabungsreserven in der Bun- desrepublik ...... 120 3.2.3 Ausbau der Hochschulkapazitäten ...... 129 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten ...... 145 3.3.1 Universität als Berufsschule? Studienreform in den 1960er Jahren 145

I Inhaltsverzeichnis

3.3.2 Wie demokratisch ist die Universität? Demokratie und Demokra- tisierung im westdeutschen Hochschulwesen ...... 154 3.3.3 Kritik an der Ordinarienuniversität und die demokratische Reform der akademischen Selbstverwaltung ...... 166 3.4 „Wer kauft schon die Katze im Sack?“: Akademische Öffentlichkeitsarbeit in den 1960er Jahren ...... 181 3.4.1 Grundzüge der Diskussion ...... 182 3.4.2 PR an der Universität Freiburg ...... 188

4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) 197 4.1 Unruhige Universität: Protest und Gewalt im Blick der Öffentlichkeit . . 199 4.1.1 Universität im Ausnahmezustand: Mediale Beschreibungen des Auf- ruhrs ...... 200 4.1.2 Freizeituniversität? Die Öffentlichkeit der 68er-Proteste in Freiburg 204 4.1.3 „Unter den Talaren...“: Die Rektoratsübergabe als Ziel studenti- scher Protestaktionen ...... 209 4.1.4 Ruhe und Ordnung wiederherstellen: Öffentliche Debatten über den politischen Umgang mit den unruhigen Universitäten . . . . . 211 4.2 Hochschuldemokratisierung und Öffentlichkeit 1968 ...... 216 4.2.1 Drittelparität: Ein Modell zur Demokratisierung der Universität . 216 4.2.2 Öffentlichkeit als demokratisches Prinzip: Auf dem Weg zu einer transparenten Universitätsverwaltung ...... 228 4.3 Rote Universität? Hochschulpolitisierung in der öffentlichen Diskussion . 234 4.3.1 „Wider die Untertanenfabrik“: Konzeptionen der politischen Uni- versität in der Studentenbewegung ...... 235 4.3.2 „Marx an die Uni!“: Politisierung von Wissenschaft und Universität nach dem Zerfall der Studentenbewegung ...... 243 4.4 Akademische Öffentlichkeitsarbeit um 1970 ...... 252 4.4.1 Hochschulpressestellen um 1970: Expansion, „Etatisierung“, Pro- fessionalisierung ...... 253 4.4.2 „dpa ihrer Universität“? Konzepte akademischer Öffentlichkeitsar- beit und das Selbstverständnis der Freiburger Pressestelle . . . . . 256 4.4.3 PR in der Praxis: Die Universität Freiburg um 1970 ...... 258

5 Fazit und Ausblick 267 5.1 Themen des öffentlichen Universitätsdiskurses ...... 267 5.1.1 Aufgaben der Universität: Bildung, Ausbildung, gesellschaftliche Veränderung ...... 267 5.1.2 Krisen und Katastrophen ...... 268 5.1.3 Demokratie und Demokratisierung ...... 270 5.2 Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit ...... 271 5.2.1 Architektur ...... 271 5.2.2 Institutionen ...... 272 5.2.3 Akademische Festkultur ...... 273

II Inhaltsverzeichnis

5.2.4 Massenmedien ...... 274 5.2.5 Akteure ...... 275 5.3 Ausblick: Universität und Öffentlichkeit nach 1975 ...... 276

6 Quellen- und Literaturverzeichnis 279 6.1 Quellen ...... 279 6.1.1 Archivalien ...... 279 6.1.2 Zeitungen, Zeitschriften, Reihen ...... 280 6.1.3 Parlamentsprotokolle ...... 281 6.1.4 Sonstige Quellen ...... 281 6.2 Literatur ...... 287

Bildnachweis 301

III

Abbildungsverzeichnis

1 Rektor Ernst von Caemmerer; Jahresfeier, 12. Mai 1956 ...... 40 2 Zepter der Universität Freiburg (1512) ...... 41 3 Amtskette mit Maria-Theresia-Taler ...... 42 4 Rektoren im Festzug, 25. Juni 1957 ...... 49 5 Studentischer Fackelzug, 25. Juni 1957 ...... 50 6 Pharmazeutisches Institut ...... 73 7 Physiologisch-chemisches Institut ...... 75 8 Zoologisches Institut ...... 78 9 Anatomisches Institut ...... 79 10 Frauenklinik ...... 82 11 Tuberkulose-Klinik ...... 83 12 Modell des KG II, Ausschnitt ...... 85 13 Kollegiengebäude I ...... 86 14 Pharmazeutisches Institut, Aufenthaltsraum ...... 87 15 Chemisches Institut ...... 89

16 Zimmersuche von Studenten, 30. Oktober 1963 ...... 121 17 Freiburg, „Aktion 1. Juli“ ...... 125 18 Kollegiengebäude III ...... 138 19 Chemisches Institut ...... 139 20 Physikalisches Institut ...... 140

V

Abkürzungsverzeichnis

AStA Allgemeiner Studentenausschuss BFW Bund Freiheit der Wissenschaft BZ Badische Zeitung CDU Christlich Demokratische Union DDR Deutsche Demokratische Republik FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FDP Freie Demokratische Partei FSZ Freiburger Studentenzeitung FU Freie Universität Berlin GOV Grundordnungsversammlung GUW Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte HPI Hochschulpolitische Informationen HSU Humanistische Studentenunion KG Kollegiengebäude MSB Marxistischer Studentenbund Spartakus OSI Otto-Suhr-Institut PR Public Relations RCDS Ring Christlich Demokratischer Studenten SDR Süddeutscher Rundfunk SDS Sozialistischer Deutscher Studentenbund SHB Sozialdemokratischer Hochschulbund SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SWF Südwestfunk SWR Südwestrundfunk VDF Verband der Freunde der Universitat Freiburg VDS Verband Deutscher Studentenschaften WRK Westdeutsche Rektorenkonferenz ZDF Zweites Deutsches Fernsehen

VII 1 Einleitung

Im Jahr 2010 erschien der vierte und letzte Band eines fast drei Jahrzehnte zuvor von der Europäischen Rektorenkonferenz ins Leben gerufenen historiographischen Großprojekts zur „Geschichte der Universität in Europa“.1 Als Herausgeber des Gesamtwerks firmier- te der Schweizer Soziologe Walter Rüegg, der sich während seiner Zeit als Rektor der Universität Frankfurt zwischen 1965 und 1970 u.a. eingehend mit dem Verhältnis von „Hochschule und Öffentlichkeit“ auseinander gesetzt hatte.2 Das Problem beschäftigte Rüegg in der Folgezeit ganz offensichtlich weiter. Immerhin kam er im Abschlussband des von ihm betreuten Forschungsvorhabens mehr als 40 Jahre später erneut ausführlich auf die Thematik zu sprechen. Denn nach Ansicht des Soziologen war die Geschich- te der europäischen Universitäten nach 1945 – speziell seit den “dynamischen“ 1960er Jahren – maßgeblich durch Veränderungsprozesse in den Beziehungen von Universität und Öffentlichkeit gekennzeichnet, von einer „Sprengung des Elfenbeinturms“, wie er es nannte.

1.1 Gegenstand und Ziel der Arbeit

Der von Walter Rüegg hier angedeutete Wandel der Beziehungen von Hochschule und Öffentlichkeit im Zeitraum zwischen 1945 und ca. 1975 ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Im Mittelpunkt steht der Fall der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der vor dem Hintergrund der allgemeinen Entwicklung von Universität und Öffentlich- keit in der Bundesrepublik erkundet und in der westdeutschen Hochschullandschaft nach dem Krieg verortet werden soll.3 Die Untersuchung nähert sich ihrem Gegenstand von

1Zur Geschichte des Publikationsprojekts Walter Rüegg (2010): Vorwort. In: Ders. (Hg.): Geschichte der Universität in Europa. Band IV: Vom Zweiten Weltkrieg bis zum Ende des zwanzigsten Jahr- hunderts. München, S. 13-17 und Andris Barblan (2010): Epilog. Von der „Universität in Europa“ zu den Universitäten Europas. In: Rüegg (Hg.) 2010 – Geschichte der Universität in Europa, S. 485-506. 2Vgl. Walter Rüegg (1965): Hochschule und Öffentlichkeit. Rede beim Antritt des Rektorats am 9. November 1965. Frankfurt (Frankfurter Universitätsreden, 40). Der Vortrag wurde einige Tage später ausschnittsweise in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ abgedruckt: Ders. (1965): Hochschule und Öffentlichkeit. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.11.1965. 3Die Dissertation ist im Kontext des Freiburger DFG-Projekts „Universität, Wissenschaft und Öf- fentlichkeit“ entstanden, das die „Repräsentation (Selbstbild und Fremdbild) von Universität und Wissenschaft in verschiedenen Teilöffentlichkeiten sowie die Interaktion zwischen Universität, Wis- senschaft und Öffentlichkeit im Zeitraum zwischen ca. 1945-1970 untersucht“. Neben der „Gesamtu- niversität“ in meinem Projekt werden außerdem die Geisteswissenschaften (Christa Klein) und die Medizin (Nadine Kopp) untersucht.

1 1 Einleitung zwei Seiten. Sie möchte zum einen Themen der öffentlichen Selbstdarstellung und Au- ßenwahrnehmung von Universitäten identifizieren, dominierende Universitätsbilder oder -diskurse offenlegen. Auf der anderen Seite fragt sie aber auch nach den Akteuren, In- strumenten, Institutionen und Medien, die zwischen Hochschule und öffentlichem Raum vermittelten. Durch den Fokus auf Freiburg rückt eine der ältesten und renommiertesten Universi- täten Deutschlands ins Blickfeld.4 Mithilfe der Fallstudie soll ein möglichst detailreiches, lebhaftes und differenziertes Bild von den akademischen Öffentlichkeitsbeziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg entstehen. So wird etwa die Arbeitspraxis von Institutionen wie der Hochschulpressestelle ebenso Berücksichtigung finden wie die Beziehungen zwischen Universität, Stadt und Region oder Beiträge einzelner Freiburger Hochschullehrer bzw. Studenten zur Außendarstellung der Universität. Die eingehende Auseinandersetzung mit der „Albertina“ verspricht zudem Aufschluss darüber, inwieweit öffentliche Diskus- sionen über das Hochschulwesen in der Bundesrepublik an einem konkreten Ort rezipiert und in der Praxis zu Expansions- oder Reformmaßnahmen umgesetzt worden sind.

Ein zentrales Thema der Dissertation bildet der überaus vielschichtige und im Laufe seiner Geschichte zahlreichen Bedeutungsverschiebungen unterworfene Begriff „Öffent- lichkeit“, der in seinem Kern jedoch auf die allgemeine Zugänglichkeit oder „Offenheit“ von Räumen verweist.5 Diese zugegebenermaßen abstrakte Definition ignoriert keineswegs, dass sich der Zu- gang zu Öffentlichkeiten je nach Bildungsgrad, Einkommen und Vermögen, Geschlecht, beruflicher Stellung sowie anderen sozialen, politischen oder kulturellen Kriterien erheb- lich unterscheiden kann. Öffentliche Räume sind in der Realität eben oft nicht für alle gleichermaßen, in manchen Fällen sogar faktisch überhaupt nicht oder zumindest nur schwer zugänglich.6 Mir geht es hier darum, dass Öffentlichkeit die Abwesenheit formaler

4Vgl. etwa Bernd Martin (2007): 550 Jahre Universität Freiburg: 1457-2007. Ein historischer Über- blick. Freiburg. 5Eine soziologische Definition von „Öffentlichkeit“ entwickeln Jürgen Gerhards; Friedhelm Neid- hardt (1990): Strukturen und Funktionen moderner Öffentlichkeit. Fragestellungen und Ansätze. Berlin (Veröffentlichungsreihe der Abteilung Öffentlichkeit und soziale Bewegung des Forschungs- schwerpunkts Sozialer Wandel, Institutionen und Vermittlungsprozesse des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung), besonders S. 15-17. Vgl. zur Begriffsgeschichte Lucian Hölscher (1978): Öffentlichkeit. In: Otto Brunner u.a. (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Band 4. Stuttgart, S. 413-467 sowie Peter Uwe Hohen- dahl (2000): Öffentlichkeit – Geschichte eines kritischen Begriffs. Stuttgart. Zur Verwendung von „Öffentlichkeit“ in der Geschichtswissenschaft Jörg Requate (1999): Öffentlichkeit und Medien als Gegenstände historischer Analyse. In: Geschichte und Gesellschaft 25, S. 5-32; Karl Christian Füh- rer u.a. (2001): Öffentlichkeit – Medien – Geschichte. Konzepte der modernen Öffentlichkeit und Zugänge zu ihrer Erforschung. In: Archiv für Sozialgeschichte 41, S. 1-38 und Axel Schildt (2001): Das Jahrhundert der Massenmedien. Ansichten zu einer künftigen Geschichte der Öffentlichkeit. In: Geschichte und Gesellschaft 27, S. 177-206. 6Vgl. dazu Gerhards, Neidhardt 1990 – Strukturen und Funktionen, S. 33-37 sowie die Arbeiten des Soziologen Bernhard Peters, gesammelt in Bernhard Peters (2007): Der Sinn von Öffentlichkeit. Frankfurt a. M., besonders das titelgebende Kapitel 2 (S. 55-101). In den zitierten Arbeiten stehen v.a. die sozialen Strukturen der modernen Massenkommunikation im Fokus.

2 1.1 Gegenstand und Ziel der Arbeit oder rechtlicher Zugangsschranken bedeutet. Wie bereits mehrfach angedeutet basiert meine Arbeit auf einem räumlichen Öffent- lichkeitsverständnis.7 Allerdings geht sie nicht von der Fiktion einer einzigen, alles um- fassenden, “universalen“ Öffentlichkeit aus. Der in der Forschungsliteratur häufig anzu- treffende Begriff der „Teilöffentlichkeiten“8 soll hier ebenfalls keine Verwendung finden, eben weil er ja gerade voraussetzt, dass ein wie auch immer geartetes „Ganzes“ exi- stiert, das dann in seine “Teile“ zerlegt werden kann. Vielmehr bezeichnet „öffentlich“ eine Qualität oder ein Attribut, das bestimmte Räume auszeichnet – und andere nicht. Öffentliche Räume lassen sich nach unterschiedlichsten Kriterien voneinander abgren- zen: nach Vermittlungsmedien; nach Themenfeldern und Berufsgruppen; nach Kompe- tenz oder Bildungsgrad; nach Sprache und nationaler Zugehörigkeit; nach politischer Ausrichtung oder sozialem Status. Für das wissenschaftliche Feld hat der Historiker Arne Schirrmacher kürzlich ein Modell vorgeschlagen, das öffentliche Räume der Wis- senschaften nach ihrer Distanz zu den jeweiligen „Spezialisten“ differenziert. In Anleh- nung an Überlegungen des polnischen Biologen und Wissenschaftstheoretikers Ludwik Fleck unterscheidet er drei “Stufen“ von Öffentlichkeit: erstens die hochspezialisierte “Fachwissenschaft“ sowie „Fachkreise außerhalb des engeren Forschungsgebiets“, die sich um disziplinspezifische Zeitschriften und Handbücher gruppieren; zweitens „Fachöffent- lichkeiten“, in denen sich Wissenschaftler fachübergreifend austauschen. Schirrmacher spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „Öffentlichkeit der Wissenschaft“, die sich historisch beispielsweise in den Foren der Naturforscherversammlungen manifestiert habe; schließlich drittens jene öffentlichen Räume, die von den „nicht in der Wissenschaft Tätigen“ bevölkert werden und die Schirrmacher noch einmal in „gebildete / interessier- te Öffentlichkeit“, „gelegentlich interessierte Öffentlichkeit“ sowie eine „breite“, vor allem über die Massenmedien vermittelte Öffentlichkeit differenziert.9 Insbesondere die zweite und dritte Stufe dieses Konzepts – „Fachöffentlichkeit“ und „nicht-wissenschaftliche“ Öffentlichkeit – sind für die vorliegende Arbeit von Belang. Zwei Arten von öffentlichen Räumen sollen im Fokus stehen: Ich werde zum einen die Öffent- lichkeitsbeziehungen der Universität nach außen untersuchen, auf der anderen Seite aber auch die „Innenräume“ akademischer Öffentlichkeiten besichtigen. Auf diesem Weg soll ein möglichst umfassendes Bild des Verhältnisses von Universität und Öffentlichkeit ent- stehen. Mit der Analyse von „Außenräumen“ begibt sich die Dissertation auf die dritte Stufe von Schirrmachers Modell. So geht es in diesem Kontext beispielsweise nicht um die Fachdebatte, die von der in den 1960er Jahren entstehenden Bildungs- und Hochschul- forschung geführt wurde10; auch nicht so sehr um die Gutachten und Papiere, die von den

7Vgl. etwa Requate 1999 – Öffentlichkeit und Medien, S. 8 f. 8So bspw. bei ebd., S. 11 f. 9Vgl. Arne Schirrmacher (2008): Nach der Popularisierung. Zur Relation von Wissenschaft und Öffentlichkeit im 20. Jahrhundert. In: Geschichte und Gesellschaft 34, S. 53-75, hier: S. 84-88. 10Vgl. dazu jetzt Wilfried Rudloff (2014): Der politische Gebrauchswert der Hochschulforschung. Zum Verhältnis von Hochschulforschung und Hochschulpolitik in den Jahren von Bildungsboom und Hochschulexpansion (1960 bis 1975). In: Sebastian Brandt u.a. (Hg.): Universität, Wissenschaft und Öffentlichkeit in Westdeutschland (1945 bis ca. 1970). Stuttgart, S. 161-193.

3 1 Einleitung

Hochschulabteilungen der Kultusministerien oder hochschulpolitischen Gremien wie dem Wissenschaftsrat zur Diskussion gestellt wurden. Im Fokus stehen stattdessen Öffentlich- keiten, die gewissermaßen von „professioneller Distanz“ zur Universität gekennzeichnet sind. Dazu gehören etwa: massenmediale Diskurse über Hochschulpolitik und Hochschul- reform; öffentliche Vorträge von Akademikern, die ein wissenschaftliches Laienpublikum ansprachen; studentische Demonstrationszüge, die öffentliche Räume der Stadt in Be- schlag nahmen; oder auch akademische Feiern, die neben der städtischen Bevölkerung – ähnlich wie die Einrichtung des „Universitätsbeirates“ – immer auch „Repräsentanten des gesellschaftlichen Lebens“ aus Politik, Wirtschaft, Kirche usw. adressiert haben. Auf der anderen Seite werde ich öffentliche Räume innerhalb der Universität betrach- ten, d.h. Räume, die für sämtliche Universitätsangehörigen zugänglich waren bzw. zum größten Teil von Universitätsangehörigen genutzt worden sind. In diesem Kontext werde ich u.a. die Frage der „Öffentlichkeit der akademischen Selbstverwaltung“ diskutieren, mich aber auch mit der Universitäts- und Studentenpresse oder dem sogenannten studi- um generale befassen, das als interdisziplinäres und zwischen den verschiedenen „Status- gruppen“ vermittelndes Diskussionsforum konzipiert worden war. Diese Räume kommen Schirrmachers Vorstellung von „Fachöffentlichkeiten“ insofern nahe, als die handelnden Akteure – Studierende, Assistenten, Professoren – alle Mitglieder einer „akademischen Gemeinschaft“ und damit natürlich auch sehr direkt von Universitätsfragen betroffen wa- ren. Dennoch handelte es sich im Gegensatz etwa zu professionellen Hochschulforschern zumindest nicht unbedingt um Spezialisten im engeren Sinn. Neben dem Stufenmodell knüpft meine Dissertation schließlich in einem weiteren Punkt an Modellbildungen der jüngeren Wissenschaftsgeschichtsschreibung an. Seit ei- nigen Jahren hat dort ein Konzept an Prominenz gewonnen, das Wissenschaft und Öf- fentlichkeit als „Ressourcen füreinander“ beschreibt. Im Zentrum dieses Modells steht die Einsicht, dass die Beziehung von Wissenschaft und Öffentlichkeit keine „Einbahnstraße“ darstellt – der Wissenschaftler vermittelt, ein rein passives Publikum nimmt auf –, son- dern einen wechselseitigen Prozess der Kommunikation, einen ständigen Austausch. Es geht also davon aus, dass Ressourcen „gegenseitig mobilisierbar“ sind. „Ressourcen“ kön- nen finanzielle Mittel sein oder eine gute Laborausstattung, aber auch weniger „greifba- re“ Dinge wie wissenschaftliche Reputation oder Unterstützung von Forschungsprojekten durch die „öffentliche Meinung“.11 Dieses Modell möchte im Rahmen dieser Arbeit aufgreifen und auf den Universitäts- sektor beziehen. D.h. ich werde immer wieder danach fragen, wie Universitäten einerseits öffentliche Räume für die eigenen Interessen zu nutzen versuchten, welche Leistungen man Hochschulen und Hochschullehrern auf der anderen Seite aber auch in unterschied- lichen Öffentlichkeiten abverlangte bzw. wie Journalisten, Politiker und andere von Uni-

11Vgl. Sybilla Nikolow; Arne Schirrmacher (Hg.) (2007): Wissenschaft und Öffentlichkeit als Res- sourcen füreinander. Studien zur Wissenschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert. Frankfurt a. M., insbe- sondere die Einleitung der Herausgeber (S. 11-36); Schirrmacher 2008 – Nach der Popularisierung, S. 88-90. Das Konzept basiert auf Überlegungen von Mitchell G. Ash (2002): Wissenschaft und Politik als Ressourcen füreinander. In: Rüdiger vom Bruch; Brigitte Kaderas: Wissenschaften und Wissen- schaftspolitik. Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Stuttgart, S. 32-51.

4 1.2 Forschungsstand versitäten und ihrer öffentlichen Präsenz profitieren konnten.

Der Untersuchungszeitraum der Dissertation erstreckt sich über die ersten drei Nach- kriegsjahrzehnte zwischen 1945 und ca. 1975. Die Arbeit setzt am Ende des Zweiten Weltkriegs ein, als in Freiburg wie an vielen anderen deutschen Hochschulen nicht nur ein materieller Wiederaufbau, sondern v.a. auch eine ideelle Neuorientierung bevorstand. Die Rückbesinnung auf spezifisch deutsche und “abendländische“ Universitätstraditionen, die in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielte, wurde seit Ende der 1950er Jah- re und dem beginnenden Zeitalter der „Massenuniversität“ zunehmend von Rufen nach tiefgreifenden Neuerungen abgelöst. Das Hochschulrahmengesetz von 1975/76 steht sym- bolisch für das Ende dieser ersten großen Reformphase nach dem Krieg und markiert eine wichtige Zäsur in der westdeutschen Universitätsgeschichte nach 1945.12. Sie markiert auch den Abschluss dieser Arbeit.

1.2 Forschungsstand

Universitätsgeschichtsschreibung fristete lange Zeit ein Nischendasein in der deutschen Geschichtswissenschaft. Die Auseinandersetzung von Hochschulen und Universitäten mit der eigenen Vergangenheit bildete meist kein systematisch oder nachhaltig bearbeitetes Forschungsfeld, sondern blieb in der Regel an konkrete Anlässe gebunden. Insbesondere Jubiläumsfeiern stellten nicht selten einen wichtigen Kontext und einen entscheidenden Motor universitätsgeschichtlicher Forschung dar.13

12Vgl. Christoph Oehler (1998): Die Hochschulentwicklung nach 1945. In: Christoph Führ; Carl- Ludwig Furck (Hg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Band VI: 1945 bis zur Gegenwart. Erster Teilband: Bundesrepublik Deutschland. München (Handbuch der deutschen Bildungsgeschich- te), S. 412-446 sowie Anne Rohstock (2010): Von der „Ordinarienuniversität“ zur „Revolutionszen- trale“? Hochschulreform und Hochschulrevolte in Bayern und Hessen 1957-1976. München (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, 78), S. 4. 13Vgl. Sylvia Paletschek (2011): Stand und Perspektiven der neueren Universitätsgeschichtsschrei- bung. In: NTM 19, S. 169-189 und jüngst Notker Hammerstein (2013): Alltagsarbeit. Anmerkungen zu neueren Universitätsgeschichten. In: Historische Zeitschrift 297, S. 102-125. Hammerstein hatte auf den engen Bezug zwischen Universitätsgeschichtsschreibung und Universitätsjubiläum bereits in den frühen 1980er Jahren hingewiesen, siehe Ders. (1983): Jubiläumsschrift und Alltagsarbeit. Tendenzen bildungsgeschichtlicher Literatur. In: Historische Zeitschrift 236, S. 601-633. Alleine in den letzten zehn Jahren feierten die Universitäten in Greifswald, Gießen, Freiburg, Jena, Leipzig und Berlin ihr Jubiläum. Der feierliche Anlass wurde überall von einer Erkundung der eigenen Universi- tätsgeschichte begleitet. Für Greifswald: Dirk Alvermann (Hg.) (2008): Bausteine zur Greifswalder Universitätsgeschichte. Vorträge anlässlich des Jubiläums „550 Jahre Universität Greifswald“. Stutt- gart. Für Gießen: Horst Carl (Hg.) (2007): Panorama 400 Jahre Universität Giessen. Akteure, Schauplätze, Erinnerungskultur. Frankfurt a. M. Zum Jubiläum der Universität Jena wurde im Verlag IKS Garamond eine Publikationsreihe mit dem Titel „Lichtgedanken – Texte zum Jenaer Universitätsjubiläum“ mit zahlreichen historischen Beiträgen ins Leben gerufen, etwa: Helmut G. Walther (Hg.) (2010): Wendepunkte in viereinhalb Jahrhunderten Jenaer Universitätsgeschichte. Jena. Leipzig veröffentlichte eine neue mehrbändige Geschichte der Universität: Franz Häuser (Hg.) (2009-2010): Geschichte der Universität Leipzig 1409-2009. 5 Bände. Leipzig. Ebenso Berlin: Rüdiger vom Bruch; Heinz-Elmar Tenorth (Hg.) (2010-2012): Geschichte der Universität Unter den Lin- den 1810-2010. 6 Bände. Berlin. Über die Bände zu Leipzig und Berlin informiert die Rezension von

5 1 Einleitung

Dieser Befund trifft heute durchaus immer noch zu. Doch trotz der weiterhin engen Verbindung zeichnete sich in den vergangenen Jahrzehnten eine langsame Ablösung der Universitätsgeschichte vom „Verwertungskontext“ Jubiläum ab, sowohl in Deutschland als auch auf internationaler Ebene.14 Bereits im Jahr 1960 nahm die sogenannte Inter- national Commission for the History of Universities ihre Arbeit auf. Die Kommission unterstützt Forschungsvorhaben, organisiert Tagungen und möchte generell die inter- nationale Kooperation zwischen Universitätshistorikern fördern.15 Neue internationale Fachzeitschriften sind in der Zwischenzeit ebenfalls entstanden.16 Obwohl an deutschen Hochschulen bis heute keine Professur mit Schwerpunkt Universitätsgeschichte existiert, lassen sich in jüngerer Zeit auch hier Bemühungen für eine stärkere Institutionalisierung der Disziplin beobachten. So sind etwa verschiedene universitäts- und wissenschaftshisto- rische Publikationsreihen – nicht selten im Zusammenhang mit Jubiläen – neu eingeführt bzw. wieder aufgelegt worden.17 Darüber hinaus wurde im Jahr 1995 eine „Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte“ gegründet, die seit 1998 eine Fachzeit- schrift – das sogenannte „Jahrbuch für Universitätsgeschichte“ – herausgibt und zudem regelmäßig Tagungen veranstaltet, deren Ergebnisse einer größeren Öffentlichkeit über Sammelbände zugänglich gemacht werden.18

Hammerstein 2013 – Alltagsarbeit. In Freiburg schließlich erschien eine fünfbändige Jubiläumsfest- schrift: Dieter Speck (2007): Bilder – Episoden – Glanzlichter. Freiburg (550 Jahre Albert-Ludwigs- Universität Freiburg, 1); Dieter Mertens (Hg.) (2007): Von der hohen Schule zur Universität der Neuzeit. Freiburg (550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 2); Bernd Martin (Hg.) (2007): Von der badischen Landesuniversität zur Hochschule des 21. Jahrhunderts. Freiburg (550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 3); Christoph Rüchardt (Hg.) (2007): Wegweisende natur- wissenschaftliche und medizinische Forschung. Freiburg (550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Frei- burg, 4) und Bernd Martin (Hg.) (2007): Institute und Seminare seit 1945. Freiburg (550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 5). Im Umfeld von Universitätsjubiläen sind darüber hinaus immer wieder Forschungsprojekte wie die Erstellung von „Professorenkatalogen“ angestoßen worden, jüngst beispielsweise in Leipzig, Rostock und Kiel. Ausgehend von diesen drei Katalogprojekten haben in der Zwischenzeit außerdem die Arbeiten an einem übergreifenden „Deutschen Professoren- katalog“ begonnen, siehe: http://www.deutscher-professorenkatalog.uni-kiel.de/, zuletzt geprüft am 1.2.2015). 14Vgl. Paletschek 2011 – Stand und Perspektiven der neueren Universitätsgeschichtsschreibung, S. 169- 172 sowie Hammerstein 2013 – Alltagsarbeit, S. 103 f. 15Siehe die Informationen auf der Website der ICHU: http://www.cihu-ichu.org/, zuletzt geprüft am 1.2.2015. 16Dazu gehören u.a. die seit 1981 erscheinende History of Universities, die belgisch-niederländische Zeitschrift Studium: Revue d’histoire des sciences et des universités, deren universitätsgeschichtliche Vorläufer Lettre d’information sur l’histoire des universités sowie Batavia academica bis ins Jahr 1983 zurückgehen, sowie seit 1997 die Annali di storia delle università italiane. 17Besonders der Franz Steiner-Verlag ist in diesem Zusammenhang zu nennen. So wurde hier etwa schon in den 1970er Jahren anlässlich des Tübinger Universitätsjubiläums die Reihe Contubernium gegründet, wo aber v.a. seit den 1990er Jahren auch zahlreiche Beiträge jenseits der Eberhard- Karls-Universität aufgenommen wurden. Bisher sind 75 Titel erschienen. Die Reihe Pallas Athene versammelt seit dem Jahr 2000 ebenfalls zahlreiche Titel zur Universitätsgeschichte, insbesondere zum 19. und 20. Jahrhundert. Daneben erscheinen im Steiner-Verlag mehrere Publikationsreihen zur Geschichte einzelner Universitäten wie Mainz, Greifswald oder Jena. 18Die Bände erscheinen im Basler Schwabe-Verlag in der Reihe „Veröffentlichungen der Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte“.

6 1.2 Forschungsstand

Universitätsgeschichtliche Forschung konzentriert sich geographisch überwiegend auf den europäischen und nordamerikanischen Raum, während das Hochschulwesen in Afri- ka, Asien, Südamerika oder Australien ebenso wie Transferprozesse und internationale bzw. transnationale Verflechtungen bislang eher unterbelichtet geblieben sind.19 Defizite bestehen außerdem in der Verknüpfung von Institutionen-, Sozial- und Kulturgeschichte der Universität mit der Erforschung der wissenschaftlichen Arbeit im “Gehäuse“. Zeitlich stehen das Mittelalter und die Frühe Neuzeit im Mittelpunkt, während die Moderne und besonders das 20. Jahrhundert insgesamt weniger gut aufgearbeitet sind. Das gilt nicht zuletzt für die westdeutsche Universitätsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg, die den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bildet. Übergreifende Darstellungen, die zentrale Entwicklungen im Hochschulwesen der Bun- desrepublik identifizieren und den aktuellen Forschungsstand zusammenfassen, sind bis- lang weitgehend Mangelware geblieben. In den epochenübergreifenden Synthesen zur deutschen und europäischen Universitätsgeschichte wird die westdeutsche Nachkriegszeit – dem Anspruch solcher „Meistererzählungen“ entsprechend – in der Regel nur kursorisch oder beispielhaft abgehandelt.20 Einführende Skizzen stammen meist aus dem Umfeld der Erziehungswissenschaften sowie der sozialwissenschaftlich ausgerichteten Bildungs- und Hochschulforschung.21 Auffällige Forschungslücken tun sich im Bereich der Sozialgeschichte auf.22 Zwar hat sich etwa die Studentengeschichte schon vor einiger Zeit aus dem Umfeld des Verbin- dungsmilieus und seiner „Laienhistoriker“ gelöst, und ist mittlerweile zu einem „profilier- ten Forschungsfeld“ herangewachsen.23 Im Vergleich zu anderen Epochen ist die Zeitge-

19Ansätze finden sich etwa im 7. Jahrgang des „Jahrbuchs für Universitätsgeschichte“, das sich mit dem Thema „Universitäten und Kolonialismus“ beschäftigt. 20Vgl. Thomas Ellwein (1992): Die deutsche Universität. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 2. Aufl. Frankfurt a. M.; Hartmut Boockmann (1999): Wissen und Widerstand. Geschichte der deutschen Universität. Berlin; Wolfgang Weber (2002): Geschichte der europäischen Universität. Stuttgart; Hans-Albrecht Koch (2008): Die Universität. Geschichte einer europäischen Institution. Darmstadt; Rüegg (Hg.) 2010 – Geschichte der Universität in Europa. 21So bspw. die Arbeiten des Kasseler Hochschulforschers Christoph Oehler (1989): Hochschulentwick- lung in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945. Frankfurt a. M. und Ders. 1998 – Die Hochschul- entwicklung nach 1945. Einen knappen Überblick über die Geschichte der westdeutschen Hochschu- len und Universitäten nach 1945 bieten auf der Grundlage von Bildungsstatistiken auch die Bände des Datenhandbuchs zur deutschen Bildungsgeschichte: Peter Lundgreen; Jana Scheunemann (2008): Berufliche Schulen und Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland 1949-2001. Göt- tingen (Datenhandbuch zur deutschen Bildungsgeschichte, 8) sowie Peter Lundgreen u.a. (2009): Das Personal an den Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland: 1953-2005. Göttingen (Daten- handbuch zur deutschen Bildungsgeschichte, 10). Beide hier zitierten Handbücher sind aus dem fach- lichen Kontext der Erziehungswissenschaften hervorgegangen. Zur Entstehung des Handbuchs der Bildungsgeschichte siehe das Vorwort in: Christa Berg (Hg.) (1987): Handbuch der deutschen Bil- dungsgeschichte. Band III: 1800-1870. München. 22Hans-Werner Prahl (1978): Sozialgeschichte des Hochschulwesens. München ist der frühe Versuch einer Synthese. Die Arbeit ist allerdings eher soziologisch ausgerichtet 23So Matthias Asche; Stefan Gerber (2008): Neuzeitliche Universitätsgeschichte in Deutschland: Ent- wicklungslinien und Forschungsfelder. In: Archiv für Kulturgeschichte 90, S. 159-202, hier S. 191-198. Eine umfassende Darstellung der deutschen Studentengeschichte in der Neuzeit liefert Konrad Ja- rausch (1984): Deutsche Studenten. 1800-1970. Frankfurt a. M.

7 1 Einleitung schichte allerdings auch hier nur spärlich vertreten. Abgesehen von einigen Einzelfall- studien, die sich in der Regel auf die studentische Nachkriegsgeneration konzentrieren24, existieren grundlegende Arbeiten v.a. zum politischen Verhalten bzw. zur politischen Kultur von Studierenden.25 Ebenfalls kaum erforscht ist die Situation von Professoren, Assistenten, Dozenten und sonstigen Angestellten an den Universitäten der Bundesre- publik.26 Thematische Schwerpunkte der westdeutschen Universitätsgeschichtsschreibung nach 1945 liegen v.a. in den Bereichen Hochschulpolitik und Hochschulreform.27 Ein zen- trales Thema ist in diesem Zusammenhang die Erforschung des „Humboldt-Mythos“, der auch in der zweiten Jahrhunderthälfte ein wichtiger Bezugspunkt für akademische Selbstverständigungs- und Reformdiskurse blieb.28 Hochschulpolitik und Universitätsre-

24So etwa Rainer Maaß (1998): Die Studentenschaft der Technischen Hochschule Braunschweig in der Nachkriegszeit. Husum (Historische Studien, 453); Karin Kleinen (2005): Ringen um Demokratie. Studieren in der Nachkriegszeit. Die akademische Jugend Kölns (1945-1950). Köln u.a.; Christian George (2010): Studieren in Ruinen. Die Studenten der Universität Bonn in der Nachkriegszeit (1945-1955). Göttingen; Waldemar Krönig; Klaus-Dieter Müller (1990): Nachkriegs-Semester. Studium in Kriegs- und Nachkriegszeit. Stuttgart legen einen deutlichen Schwerpunkt auf Göttingen. 25Vgl. bspw. Helge Kleifeld (2002): „Wende zum Geist?“. Bildungs- und hochschulpolitische Aktivitä- ten der überkonfessionellen studentischen Korporationen an Westdeutschen Hochschulen 1945-1961. Köln; Boris Spix (2008): Abschied vom Elfenbeinturm? Politisches Verhalten Studierender 1957- 1967. Berlin und Nordrhein-Westfalen im Vergleich. Essen oder Uwe Rohwedder (2012): Kalter Krieg und Hochschulreform. Der Verband Deutscher Studentenschaften in der frühen Bundesrepublik (1949-1969). Essen. Kulturgeschichtlich auf Konstruktion und Bedeutung „katholischer Identitäten“ ausgerichtet ist die Dissertation des Theologen Christian Schmidtmann (2006): Katholische Stu- dierende 1945-1973. Ein Beitrag zur Kultur- und Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Paderborn (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, 102). 26Ansätze für eine Sozialgeschichte der Hochschullehrer in Westdeutschland sind bei Lundgreen u.a. 2009 – Das Personal an den Hochschulen zu finden. Vgl. auch schon Klaus Dieter Bock (1972): Strukturgeschichte der Assistentur. Personalgefüge, Wert- und Zielvorstellungen in der deutschen Universität des 19. und 20. Jahrhunderts. Düsseldorf. 27Zu Hochschulpolitik und Hochschulreform nach 1945 siehe Andreas Franzmann; Barbara Wolbring (Hg.) (2007): Zwischen Idee und Zweckorientierung. Vorbilder und Motive von Hochschulreformen seit 1945. Berlin (Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel, 21) und George Turner (2001): Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit. Zur Geschichte der Hochschulreform im letz- ten Drittel des 20. Jahrhunderts. Berlin (Abhandlungen zu Bildungsforschung und Bildungsrecht, 7). Zeitlich übergreifende Arbeiten mit Beiträgen zur Zeitgeschichte sind: Michael Grüttner u.a. (Hg.) (2010): Gebrochene Wissenschaftskulturen. Universität und Politik im 20. Jahrhundert. Göt- tingen sowie Rainer Pöppinghege; Dietmar Klenke (Hg.) (2011): Hochschulreformen früher und heute. Zwischen Autonomie und gesellschaftlichem Gestaltungsanspruch. Köln (Abhandlungen zum Studenten- und Hochschulwesen, 18). 28Vgl. u.a. Konrad Jarausch (1999): Das Humboldt-Syndrom. Die westdeutschen Universitäten 1945- 1989. In: Mitchell G. Ash (Hg.): Mythos Humboldt. Vergangenheit und Zukunft der deutschen Universitäten. Wien, S. 58-79; Sylvia Paletschek (2002): Die Erfindung der Humboldtschen Uni- versität. Die Konstruktion der deutschen Universitätsidee in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: Historische Anthropologie 10, S. 183-205; Olaf Bartz (2005): Bundesrepublikanische Universi- tätsleitbilder. Blüte und Zerfall des Humboldtianismus. In: Die Hochschule 14, S. 99-113; Peter Uwe Hohendahl (2011): Humboldt Revisited. Liberal Education, University Reform, and the Oppositi- on to the Neoliberal University. In: New German Critique 38, S. 159-196; Martin Eichler (2012): Die Wahrheit des Mythos Humboldt. In: Historische Zeitschrift 294, S. 59-78.

8 1.2 Forschungsstand form während der Besatzungszeit sowie in den frühen Jahren der Bundesrepublik sind vergleichsweise gut aufgearbeitet. So steht für den Zeitraum zwischen 1945 und ca. 1955 nicht nur eine reichhaltige Forschungsliteratur zur Verfügung.29 Darüber hinaus wur- den schon früh Quelleneditionen erarbeitet, die Reformdiskurse und hochschulpolitische Aktivitäten ausführlich dokumentieren.30 Als in der deutschen Geschichtswissenschaft eine intensivere Auseinandersetzung mit den „dynamischen Zeiten“ der bundesrepubli-

29Übergreifend: Manfred Heinemann (Hg.) (1981): Umerziehung und Wiederaufbau. Die Bildungspo- litik der Besatzungsmächte in Deutschland und Österreich. Stuttgart; Corine Defrance (2000): Deutsche Universitäten in der Besatzungszeit zwischen Brüchen und Traditionen 1945-49. In: Diet- rich Papenfuß (Hg.): Deutsche Umbrüche im 20. Jahrhundert. Köln, S. 409-428; Andreas Malycha (2009): Hochschulpolitik in den vier Besatzungszonen Deutschlands. Inhalte und Absichten der Alli- ierten und der deutschen Verwaltungen 1945 bis 1949. In: Sabine Schleiermacher; Udo Schagen (Hg.): Wissenschaft macht Politik. Hochschule in den politischen Systembrüchen 1933 und 1945. Stuttgart (Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, 3), S. 29-48; sowie jüngst ausführlich Barbara Wolbring (2013): Trümmerfeld der bürgerlichen Welt. Universität in den gesellschaftlichen Reformdiskursen der westlichen Besatzungszonen (1945-1949). Göttingen (Schriftenreihe der Historischen Kommis- sion bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 87). Zu den einzelnen Besatzungszonen: Großbritannien: David Phillips (1995): Pragmatismus und Idealismus. Das „Blaue Gutachten“ und die britische Hochschulpolitik in Deutschland seit 1948. Köln (Studien und Dokumentationen zur deutschen Bildungsgeschichte, 56). USA: Stefan Paulus (2010): Vorbild USA? Amerikanisierung von Universität und Wissenschaft in Westdeutschland 1945-1976. München (Studien zur Zeitgeschichte, 81), besonders Kap. II und III; Konstantin von Freytag-Loringhoven (2012): Erziehung im Kol- legienhaus. Reformbestrebungen an den deutschen Universitäten der amerikanischen Besatzungszone 1945-1960. Stuttgart (Pallas Athene). Frankreich: Grundlegend sind die Arbeiten der französischen Historikerin Corine Defrance: Corine Defrance (1995): L’enseignement supérieur en zone française d’occupation en Allemagne, 1945-1949. In: Francia 22 (3), S. 43-64 und v.a. Dies. (2000): Les Alliés occidentaux et les universités allemandes: 1945-1949. Paris (CNRS histoire). Vgl. außerdem Stefan Zauner (1993): Demokratischer Neubeginn? Die Universitäten in der französischen Besatzungszone (1945-1949). In: Cornelia Rauh-Kühne; Michael Ruck (Hg.): Regionale Eliten zwischen Diktatur und Demokratie: Baden und Württemberg, 1930-1952. München (Nationalsozialismus und Nachkriegs- zeit in Süddeutschland), S. 333-361 und Ders. (1994): Erziehung und Kulturmission. Frankreichs Bildungspolitik in Deutschland 1945-1949. München; sowie Wolfgang Fassnacht (2000): Univer- sitäten am Wendepunkt? Die Hochschulpolitik in der französischen Besatzungszone (1945-1949). Freiburg (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte, 43). Speziell die Anstrengungen der Besatzungsmächte zur „Entnazifizierung“ der Universitäten sind häufig behandelt worden. Mitchell G. Ash (1995): Verordnete Umbrüche – konstruierte Kontinuitäten: Zur Entnazifierung von Wissen- schaftlern und Wissenschaften nach 1945. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 43, S. 903-924 bietet einen guten Überblick. Vgl. auch die Beiträge in Schleiermacher, Schagen (Hg.) 2009 – Wissen- schaft macht Politik. Aus den zahlreichen Spezialstudien etwa Silke Seemann (2002): Die politische Säuberung des Lehrkörpers der Freiburger Universität nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (1945- 1957). Freiburg. 30Hier sind v.a. die vom Erziehungswissenschaftler Manfred Heinemann herausgegebenen Bände zu nen- nen: Manfred Heinemann (Hg.) (1990-1991): Hochschuloffiziere und Wiederaufbau des Hochschul- wesens in Westdeutschland 1945-1952. 3 Bände. Hildesheim (Edition Bildung und Wissenschaft). Der vierte Band zur sowjetischen Zone erschien erst im Jahr 2000: Ders. (Hg.) (2000): Hoch- schuloffiziere und Wiederaufbau des Hochschulwesens in Deutschland 1945-1949. Die sowjetische Besatzungszone. Berlin. Siehe ebenfalls Ders. (1996): Vom Studium generale zur Hochschulreform. Die „Oberaudorfer Gespräche“ als Forum gewerkschaftlicher Hochschulpolitik 1950-1968. Berlin und Ders.; Klaus-Dieter Müller (Hg.) (1997): Süddeutsche Hochschulkonferenzen 1945-1949. Berlin (Edition Bildung und Wissenschaft, 3). Eine frühe Dokumentation der Reformdiskussion nach dem Krieg bietet Rolf Neuhaus (1961): Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959. Wiesbaden.

9 1 Einleitung kanischen Geschichte während der „langen 1960er Jahre“31 einsetzte, stießen auch hoch- schulpolitische Entwicklungen und Hochschulreformdebatten dieser Zeit vermehrt auf Interesse in der Forschung.32 Dabei sind Studien zur Bildungs- und Hochschulplanung im Zeitalter der „Planungseuphorie“ entstanden.33 Die Bedeutung der 68er-Bewegung für Hochschulpolitik und Universitätsreform wurde näher untersucht.34 Darüber hinaus sind zwei Dissertationen zum Hochschulrahmengesetz von 1976 mit eher politikwissen- schaftlicher Ausrichtung entstanden.35 Die vorliegende Arbeit soll an die genannten Forschungen zu Hochschulpolitik und

31Axel Schildt u.a. (Hg.) (2000): Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesell- schaften. Hamburg. 32Vgl. zum Überblick Turner 2001 – Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit sowie Alfons Kenkmann (2000): Von der bundesdeutschen „Bildungsmisere“ zur Bildungsreform in den 1960er Jahren. In: Schildt u.a. (Hg.) 2000 – Dynamische Zeiten, S. 402-423. Das Jahrbuch der Universi- tätsgeschichte von 2005 widmet seinen thematischen Schwerpunkt Hochschulpolitik und Hochschul- reform in den 1960er Jahren: Ralph Jessen; Jürgen John (Hg.) (2005): Universität im geteilten Deutschland der 1960er Jahre. Stuttgart (Jahrbuch für Universitätsgeschichte, 8). 33Die Beiträge von Wilfried Rudloff sind in diesem Kontext anzusiedeln: Wilfried Rudloff (2003): Bildungsplanung in den Jahren des Bildungsbooms. In: Matthias Frese (Hg.): Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Paderborn (Forschungen zur Regionalgeschichte, 44), S. 259-282; Ders. (2005): Ansatzpunkte und Hindernisse der Hochschulreform in der Bundesrepublik der sech- ziger Jahre. Studienreform und Gesamthochschule. In: Jahrbuch für Universitätsgeschichte 8, S. 71-90 und Ders. (2007): Die Gründerjahre des bundesdeutschen Hochschulwesens. Leitbilder neuer Hochschulen zwischen Wissenschaftspolitik, Studienreform und Gesellschaftspolitik. In: Franzmann, Wolbring (Hg.) 2007 – Zwischen Idee und Zweckorientierung, S. 77-102. Vgl. auch Stefanie Lechner (2007): Gesellschaftsbilder in der deutschen Hochschulpolitik. Das Beispiel des Wissenschaftsrats in den 1960er Jahren. In: Franzmann, Wolbring (Hg.) 2007 – Zwischen Idee und Zweckorientierung, S. 103-120 und Dies. (2008): Der Planungsbeirat für die Entwicklung des Hochschulwesens – (k)ein ineffektives „Professorenparlament“? In: Geschichte im Westen 23, S. 119-147 sowie Olaf Bartz (2007): Der Wissenschaftsrat. Entwicklungslinien der Wissenschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1957-2007. Stuttgart. Bartz’ Dissertation ist zwar keine universitätsgeschichtliche Ar- beit im engeren Sinn. Da sich der Wissenschaftsrat aber in den ersten 10-15 Jahren seines Bestehens überwiegend mit Hochschulpolitik befasst hat, ist die Studie hier dennoch von großer Bedeutung. 34Vgl. Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale. Rohstock geht es in ih- rer Studie darum, den Beitrag der 68er-Bewegung für die Hochschulreform der 1970er Jahre neu zu vermessen. Nikolai Wehrs beschäftigt sich in seinem mittlerweile abgeschlossenen Forschungsprojekt zum „Bund Freiheit der Wissenschaft“ mit der konservativen Wende in bildungs- und hochschulpoliti- schen Fragen, die eine Gruppe von Hochschullehrern nach 1970 in Reaktion auf die Studentenproteste vollzog. Siehe Nicolai Wehrs (2008): „Tendenzwende“ und Bildungspolitik. Der „Bund Freiheit der Wissenschaft“ (BFW) in den 1970er Jahren. In: Potsdamer Bulletin für Zeithistorische Studien (42), S. 7-17 sowie Ders. (2010): Protest der Professoren. Der Bund Freiheit der Wissenschaft und die Tendenzwende der 1970er Jahre. In: Massimiliano Livi u.a. (Hg.): Die 1970er Jahre als schwarzes Jahrzehnt. Politisierung und Mobilisierung zwischen christlicher Demokratie und extremer Rechter. Frankfurt a. M., S. 91-112. Seine Dissertation ist jüngst erschienen: Nicolai Wehrs (2014): Protest der Professoren. Der „Bund Freiheit der Wissenschaft“ in den 1970er Jahren. Göttingen (Geschichte der Gegenwart, 9). 35Siehe Tobias Hoymann (2010): Der Streit um die Hochschulrahmengesetzgebung des Bundes. Poli- tische Aushandlungsprozesse in der ersten großen und der sozialliberalen Koalition. Wiesbaden und Philipp B. Bocks (2012): Mehr Demokratie gewagt? Das Hochschulrahmengesetz und die sozial- liberale Reformpolitik, 1969-1976. Bonn (Reihe: Politik- und Gesellschaftsgeschichte/Archiv der So- zialen Demokratie, 94).

10 1.2 Forschungsstand

Hochschulreform anschließen, sie konkretisieren und ergänzen. So werde ich mich nicht nur wie bereits angedeutet mit der Frage befassen, wie man die Diskussionen um Hoch- schulreform an einem bestimmten Ort – der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg – aufnahm und wie sich hochschulpolitische Entscheidungen hier manifestierten. Ich wer- de v.a. auch die massenmediale Reformdebatte – Tages- und Wochenpresse, Rundfunk und Fernsehen – in den Mittelpunkt stellen und erstmals systematisch über einen län- geren Zeitraum erkunden, während sich viele Arbeiten bislang eher auf politische oder akademische Räume im engeren Sinn konzentriert haben.36 Die Aufarbeitung der Freiburger Universitätsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg muss insgesamt noch immer als lückenhaft gelten, obwohl insbesondere das 550-jährige Jubiläum von 2007 neue Forschungen angestoßen hat. Neben der Entwicklung einzelner Disziplinen bzw. Fakultäten37 sind bisher in erster Linie einzelne Aspekte oder konkrete Ereignisse thematisiert worden.38 Daneben steht in der Zwischenzeit eine Sammlung von Erlebnisberichten zur Verfügung, die Forschung und Lehre an der Nachkriegsuniversität

36Analysiert wurden in diesem Zusammenhang etwa die von Wissenschafts- und Standesorganisationen sowie von politischen Gremien produzierten Texte, aber auch der in akademischen Fachblättern wie der Deutschen Universitätszeitung und direkt an den Universitäten geführte Diskurs. Das gilt beispielsweise für Bartz 2007 – Der Wissenschaftsrat, Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale sowie die Beiträge von Wilfried Rudloff, um nur einige Beispiele zu nennen. Eine Ausnahme bildet die jüngst erschienene Habilitationsschrift von Wolbring 2013 – Trümmerfeld der bürgerlichen Welt. Wolbring beschäftigt sich darin eingehend mit öffentlichen Diskursen über Universitäten nach dem Zweiten Weltkrieg. Dabei konzentriert sie sich auf „Kulturzeitschriften“ wie „Die Wandlung“ oder „Der Ruf“. Vgl. auch bereits Barbara Wolbring (2007): „Ein wirklich neuer Anfang“. Öffentliche Kritik an den Universitäten und Reformforderungen in der Besatzungszeit (1945-1949). In: Franzmann, Wolbring (Hg.) 2007 – Zwischen Idee und Zweckorientierung, S. 61-75. 37Siehe bspw: Eckhard Wirbelauer (Hg.) (2006): Die Freiburger Philosophische Fakultät 1920-1960. Mitglieder, Strukturen, Vernetzungen. Freiburg; Eduard Seidler; Karl-Heinz Leven (2007): Die Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Grundlagen und Ent- wicklungen. Freiburg (Freiburger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, Neue Fol- ge, 2); Rüchardt (Hg.) 2007 – Wegweisende naturwissenschaftliche und medizinische Forschung; Alexander Hollerbach (2007): Jurisprudenz in Freiburg. Beiträge zur Geschichte der Rechtswis- senschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität. Tübingen (Freiburger rechtswissenschaft- liche Abhandlungen, 1). Alle Bände befassen sich auch mit der Zeit nach 1945. 38Vgl. v.a. den Jubiläumsband Martin (Hg.) 2007 – Von der badischen Landesuniversität, der zahlrei- che, allerdings mehr oder weniger unverbunden nebeneinander stehende Aufsätze zur Nachkriegszeit versammelt. Abgesehen von den Jubiläumsbänden befassen sich einige Beiträge mit der unmittelba- ren Nachkriegszeit: Dieter Speck (1995): Die Freiburger Universität am Kriegsende. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 143, S. 384-441; Seemann 2002 – Die politische Säuberung des Lehrkörpers; Simon Gonser (2010): Der studentische Arbeitseinsatz an der Universität Freiburg. Mitarbeit beim Wiederaufbau einer zerstörten Hochschule 1945 bis 1949. München. Eine besonders dramatische Episode in der Nachkriegsgeschichte der Freiburger Medizin untersucht Simon Reuter (2011): Im Schatten von Tet. Die Vietnam-Mission der Medizinischen Fakultät Freiburg (1961-1968). Frankfurt a. M. u.a. (Medizingeschichte im Kontext, 16). Schließlich die Abschlussarbeiten: Meike Steinle (2001): Das Universitätsjubiläum 1957. Die 500-Jahrfeier der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. (Magisterarbeit). Freiburg; Anne Ruprecht (2004): „Auf der Suche nach einer neuen Universität“. Die Studentenbewegung in Freiburg 1967-1969 (Magisterarbeit). Freiburg; und Alex- ander Boschert (2009): Das Studium generale in den 1950er Jahren. Konzeption und Umsetzung an der Universität Freiburg (Zulassungsarbeit). Freiburg.

11 1 Einleitung aus der Sicht ihrer Professoren darstellen.39 Eine umfassende Synthese steht dagegen noch aus.40 Überhaupt mangelt es an Einzelstudien, die der Entwicklung der Freibur- ger Universitätsgeschichte nach 1945 über einen längeren Zeitraum nachgehen.41 Mit ihrem Blick über die ersten drei Nachkriegsjahrzehnte soll die vorliegende Studie daran mithelfen, diese Forschungslücke zu schließen – ohne jedoch mit dem Anspruch einer „Gesamtdarstellung“ aufzutreten. Die historische Entwicklung von Universität und Öffentlichkeit in Deutschland ist schließlich ebenfalls nur im Ansatz erforscht. Dies betrifft insbesondere die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Am Beispiel der Albert-Ludwigs-Universität möchte die vorliegende Arbeit deshalb – gemeinsam mit den anderen, von Nadine Kopp und Christa Klein betreuten Beiträgen des Freiburger Projekts – eine gründliche und zeitlich umfassende Auseinandersetzung mit dem Thema leisten. Anregungen zur historischen Aufarbeitung der Beziehungen von Universität und Öf- fentlichkeit liefert zum einen ein kürzlich publizierter Sammelband, der aus einer Tagung der Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte hervorgegangen ist.42 In jüngster Zeit hat sich außerdem die Frankfurter Historikerin Barbara Wolbring mit der Thematik befasst. Wolbrings Habilitationsschrift untersucht öffentliche Diskurse über Universität und Hochschulreform in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihr Erkennt- nisinteresse richtet sich dabei auf die „Rolle und die Bedeutung von öffentlicher Meinung im gesellschaftlichen Transformationsprozess“.43 Eine wichtige „Brücke“ zwischen Hochschule und öffentlichem Raum bildeten seit je- her akademische Rituale und akademische Festkultur. Dieser Aspekt ist in den letzten Jahren gerade für die mittelalterliche und frühneuzeitliche Universität in einigen kultur- historischen Studien aufgegriffen worden.44 Das 20. Jahrhundert und besonders die Zeit

39Gottfried Schramm (Hg.) (2008): Erzählte Erfahrung. Nachdenkliche Rückblicke Freiburger Pro- fessoren aus den Jahren 1988 bis 2007. Freiburg. Der Band versammelt Beiträge der langjährigen Freiburger Vortragsreihe „Erzählte Erfahrung“. 40In zeitlich übergreifenden Überblicksdarstellungen ist die Darstellung der Zeitgeschichte naturgemäß knapp bemessen: Vgl. etwa Martin 2007 – 550 Jahre Universität Freiburg oder Speck 2007 – Bil- der. Martin (Hg.) 2007 – Institute und Seminare seit 1945 versucht die institutionelle Entwicklung der Freiburger Universität von 1945 bis heute in allen Fakultäten festzuhalten. Dabei wurden die einzelnen Abschnitte meist von Vertretern der jeweiligen Disziplin verfasst.. 41Eine gewisse Ausnahme bildet Seemann 2002 – Die politische Säuberung des Lehrkörpers, deren Dissertation die Entnazifizierung an der Albert-Ludwigs-Universität bis zum Jubiläum im Jahr 1957 verfolgt. 42Vgl. Rainer Christoph Schwinges (Hg.) (2008): Universität im öffentlichen Raum. Basel (Veröffent- lichungen der Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, 10). Vgl. jetzt zudem unter stärkerer Einbeziehung der wissenschaftsgeschichtlichen Dimension die Beiträge in Brandt u.a. 2014 – Universität, Wissenschaft und Öffentlichkeit. 43Vgl. Wolbring 2013 – Trümmerfeld der bürgerlichen Welt, besonders S. 22-34. Im Gegensatz zur vorliegenden Arbeit ist Wolbrings Untersuchung zeitlich deutlich stärker eingegrenzt, kann deshalb aber auch eine „dichtere“ Beschreibung der Nachkriegsjahre liefern. Darüber hinaus konzentriert sie sich v.a. auf „Kulturzeitschriften„, die hier keine entscheidende Rolle spielen. 44Vgl. besonders die Beiträge von Marian Füssel und Richard Kirwan: Marian Füssel (2006): Gelehr- tenkultur als symbolische Praxis. Rang, Ritual und Konflikt an der Universität der Frühen Neuzeit. Darmstadt; Ders. (2006): Die inszenierte Universität. Ritual und Zeremoniell als Gegenstand der frühneuzeitlichen Universitätsgeschichte. In: Jahrbuch für Universitätsgeschichte 9, S. 19-33; Ders.

12 1.2 Forschungsstand nach dem Zweiten Weltkrieg sind weniger gut aufgearbeitet.45 Dies gilt nicht zuletzt für die Universität Freiburg.46 Neben der akademischen Festkultur eröffnet die Architektur- und Baugeschichte eine weitere Schnittstelle zwischen Hochschule und Öffentlichkeit. Allerdings konzentrieren sich die in diesem Feld publizierten Beiträge häufig auf technische oder kunsthistori- sche Fragen, auf Planungsprozesse oder städtebauliche Aspekte des Hochschulbaus.47 Nur selten wird die Bedeutung der baulichen Entwicklung für Selbstdarstellung und Wahrnehmung von Universitäten im öffentlichen Raum explizit thematisiert.48 Die Entwicklung akademischer Öffentlichkeitsarbeit im westdeutschen Hochschulwesen

(2010): Akademische Solennitäten. Universitäre Festkulturen im Vergleich. In: Michael Maurer (Hg.): Festkulturen im Vergleich. Inszenierung des Religiösen und Politischen. Köln, S. 43-60; Richard Kirwan (2009): Empowerment and Representation at the University in Early Modern . Helmstedt and Würzburg, 1576-1634. Wiesbaden (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 46); Ders. (2011): Scholarly Reputations and Institutional Prestige. The Fashioning of the Public Image of the University of Helmstedt, 1576-1680. In: History of Universities 25 (2), S. 51-79. Speziell zu Universitätsjubiläen in der Frühen Neuzeit: Winfried Müller (1998): Erinnern an die Gründung. Universitätsjubiläen, Universitätsgeschichte und die Entstehung der Jubiläumskultur in der frühen Neuzeit. In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 21, S. 79-102. 45Hier ist das von Rainer Schwinges und Dieter Langewiesche geleitete Forschungsprojekt zu Rektorats- reden zu nennen, die ja meist im Zusammenhang mit öffentlichen akademischen Feiern gehalten wur- den: Dieter Langewiesche (2006): Rektoratsreden – Ein Projekt in der Abteilung Sozialgeschichte. In: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften / Jahresbericht, S. 47-60. Im Rahmen dieses Projekts soll sich die Dissertation von Christina Schwartz mit den deut- schen Rektoratsreden der Nachkriegszeit befassen. Siehe jetzt bereits Christina Schwartz (2007): Erfindet sich die Hochschule neu? Selbstbilder und Zukunftsvorstellungen in den westdeutschen Rektoratsreden 1945-1950. In: Franzmann, Wolbring (Hg.) 2007 – Zwischen Idee und Zweckorientie- rung, S. 47-60. Darüber hinaus die Einzelfallstudie von Mathias Kotowski (1999): Die öffentliche Universität. Veranstaltungskultur der Eberhard-Karls-Universität Tübingen in der Weimarer Re- publik. Stuttgart (Contubernium, 49). Allerdings beschränken sich diese Studien weitgehend auf die Textanalyse und gehen anders als die Arbeiten zur Frühen Neuzeit weniger auf den „performati- ven“ Charakter akademischer Rituale ein. Kürzere, zeitlich übergreifende Beiträge zur akademischen Festkultur: Sylvia Paletschek (2010): Festkultur und Selbstinszenierung deutscher Universitäten. In: Ilka Thom; Kirsten Weining (Hg.): Mittendrin. Eine Universität macht Geschichte. Ausstellung anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der Humboldt-Universität zu Berlin. Berlin, S. 88-95 sowie aus dem oben zitierten GUW-Band Thomas Becker (2008): Jubiläen als Orte universitärer Selbstdar- stellung. Entwicklungslinien des Universitätsjubiläums von der Reformationszeit bis zur Weimarer Republik. In: Schwinges (Hg.) 2008 – Universität im öffentlichen Raum, S. 77-107 und Reinhildis van Ditzhuyzen (2008): Selbstdarstellung der Universität. Feiern und Zeremoniell am Beispiel der Doktorpromotionen. In: Schwinges (Hg.) 2008 – Universität im öffentlichen Raum, S. 45-75. 46Für die Zeit nach 1945 steht lediglich eine Magisterarbeit zum 500-jährigen Jubiläum zur Verfügung: Steinle 2001 – Das Universitätsjubiläum 1957. 47Mit starkem kunsthistorischen Fokus Hans-Dieter Nägelke (2000): Hochschulbau im Kaiserreich. Historistische Architektur im Prozess bürgerlicher Konsensbildung. Kiel. Außerdem die Beiträge in Klaus Gereon Beuckers (Hg.) (2010): Architektur für Forschung und Lehre. Universität als Bauaufgabe. Kiel, die vom Mittelalter bis zur Gegenwart reichen. 48Vgl. aber Marc Schalenberg (2008): Zum größeren Ruhme der Wissenschaft oder der Fürsten? Universitätsbauten und Urbanistik in deutschen Residenzstädten im 19. Jahrhundert. In: Schwinges (Hg.) 2008 – Universität im öffentlichen Raum, S. 175-195. Teilweise auch Astrid Hansen (2001): Die Frankfurter Universitätsbauten Ferdinand Kramers. Überlegungen zum Hochschulbau der 50er Jahre. Weimar sowie für die Frühe Neuzeit Kirwan 2009 – Empowerment and Representation.

13 1 Einleitung ist schließlich bislang nur in knappen Skizzen nachgezeichnet worden49, während für die Albert-Ludwigs-Universität immerhin eine wichtige Vorarbeit zur Verfügung steht, die in dieser Untersuchung noch ergänzt und kontextualisiert werden soll.50

1.3 Quellen

Meine Untersuchung basiert sowohl auf umfangreichem Archivmaterial, als auch auf einer großen Zahl veröffentlichter Quellen. Wichtige Bestände stammen zunächst aus dem Freiburger Universitätsarchiv. So in- formieren die Protokolle der akademischen Senatssitzungen nicht nur über Entwicklungs- linien der Universität nach 1945. Sie geben darüber hinaus Auskunft darüber, wie die Beziehungen zur Öffentlichkeit in einem zentralen Gremium der Hochschule verhandelt worden sind. Neben den Senatsprotokollen habe ich Bestände zu den für meine Fragestel- lung relevanten Institutionen, Medien oder Veranstaltungen verwertet. Dazu gehören die Pressestelle, der Freiburger Universitätsbeirat, das studium generale, der „Verband der Freunde“ (VDF) sowie verschiedene Vortragsveranstaltungen bzw. Vortragsreihen, die Jahresfeiern der Universität und das 500-jährige Jubiläum, die „Hochschulwoche“ vom Beginn der 1970er Jahre, und nicht zuletzt Publikationen wie die „Freiburger Universi- tätsblätter“. Hinzu kommen noch Akten aus den Beständen der Universitätsverwaltung zum Stellen- und Lehrstuhlausbau in Freiburg, besonders seit Ende der 1950er Jahre, als Expansion zu einer zentralen Forderung des öffentlichen Hochschuldiskurses avancier- te.51 Material aus der Überlieferung einzelner Fakultäten, Institute oder Kliniken konnte dagegen nicht berücksichtigt werden. Eine zweite Anlaufstelle boten das Historische Archiv und die Dokumentationsabtei- lung des Südwestrundfunks in Baden-Baden. Dort habe ich Material zu Radiosendun- gen des ehemaligen „Südwestfunks“ über die Universität Freiburg und das westdeutsche Hochschulwesen gesichtet. In diesem Kontext stand v.a. die heute noch „aktive“ Sende- reihe „Die Aula“ im Fokus, die nicht nur selbst als eine Art „Funkuniversität“ konzipiert war und oftmals Hochschulprobleme thematisierte, sondern an der auch viele Freibur- ger Hochschullehrer mitwirkten und so eine größere Öffentlichkeit ansprechen konnten. Darüber hinaus war es in Baden-Baden möglich, einzelne Fernsehberichte anzusehen, beispielsweise einen längeren Beitrag zum Jubiläum der Albert-Ludwigs-Universität aus dem Jahr 1957. Sie sollen die Analyse der massenmedialen Hochschuldiskurse ergänzen. Schließlich habe ich die Überlieferung des Kultusministeriums im Staatsarchiv Frei- burg bzw. – für die Zeit nach der Gründung Baden-Württembergs 1952 – im Haupt- staatsarchiv Stuttgart genutzt. Im Mittelpunkt stand dabei zum einen der bereits er-

49So bspw. in Walter Rüegg (2008): Die Sprengung des Elfenbeinturms. In: Schwinges (Hg.) 2008 – Uni- versität im öffentlichen Raum, S. 469-485; Paulus 2010 – Vorbild USA, S. 438-448; Henning Escher (2001): Public Relations für wissenschaftliche Hochschulen. Systemtheoretische Grundlegung und exemplarische Modellierung im Wettbewerbsumfeld. München, Kap. 1. 50Jan Egenberger (2005): „Wir sind keine Kritik-Muffel“. Die Entwicklung professioneller Öffentlich- keitsarbeit und die Einrichtung der Pressestelle an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Magi- sterarbeit). Freiburg. 51Ich danke Josefine Polz für die Hilfe bei Durchsicht und Kopie der Akten.

14 1.3 Quellen wähnte Stellenausbau, der in den Akten der Hochschulabteilung zu Lehrstuhlplanung und -entwicklung nicht nur für den Freiburger Fall gut dokumentiert ist. Darüber hin- aus lagern hier aufschlussreiche Dokumente zum Wiederaufbau und generell zur bauli- chen Entwicklung der Albert-Ludwigs-Universität, die in der vorliegenden Arbeit eine wichtige Rolle einnimmt. Bei den veröffentlichten Quellen ist an erster Stelle die Tages- und Wochenpresse zu nennen. Mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ), dem „Spiegel“ und der „Zeit“ habe ich drei der bedeutendsten Zeitungen bzw. Nachrichtenmagazine der Bundesre- publik über den gesamten Untersuchungszeitraum systematisch auf die Entwicklung des westdeutschen Hochschuldiskurses, aber auch auf die Repräsentation der Freiburger Uni- versität untersucht. Die Auswahl sollte nicht zuletzt einen Vergleich zwischen politisch unterschiedlich ausgerichteten Blättern ermöglichen. Um die mediale Repräsentation der Albert-Ludwigs-Universität in ihrem näheren Umfeld verfolgen zu können, wurde mit der „Badischen Zeitung“ (BZ) die wichtigste regionale Zeitung durchgesehen. Die BZ stellt außerdem eine ertragreiche Informationsquelle für die allgemeine Entwicklung der Hochschule dar.52 Neben der Tages- und Wochenpresse bilden Publikationen der Universität Freiburg den zweiten großen Quellenbestand. Dazu gehören Zeitungen und Zeitschriften wie die Freiburger Studentenzeitung, die Universitätsblätter und die seit Ende der 1960er Jahre vom Rektor herausgegebene „uni-presse“, aber auch Publikationsreihen wie Jahresberich- te und Rektoratsreden oder Buchveröffentlichungen wie die zum 500-jährigen Jubiläum erarbeiteten Sammelbände. Graue Literatur – im Selbstverlag publizierte studentische Denkschriften etwa – wurde vereinzelt berücksichtigt. Neben seiner Funktion als „Fak- tenquelle“ gibt dieses Material Aufschluss über die öffentliche Kommunikation zwischen den Mitgliedern der Hochschule, teilweise – etwa im Fall der Freiburger Universitäts- blätter oder der Jahresberichte – auch über die Interaktion der Universität mit ihren „Umwelten“ und die akademische Selbstdarstellung. Ergänzendes Material habe ich herangezogen, um Entwicklungslinien der Hochschul- debatte zwischen 1945 und 1975 nachvollziehen zu können. So lieferten Protokolle von Landtags- und Bundestagssitzungen nicht nur Informationen über die hochschulpoliti- sche Entwicklung in Baden-Württemberg und der Bundesrepublik. Sie dokumentieren darüber hinaus die Universitätsdiskussion an einem für demokratische Gesellschaften zentralen Ort der öffentlichen Auseinandersetzung.53 Für die Nachkriegszeit und die 1950er Jahre stellt die von Rolf Neuhaus im Jahr 1961 herausgegebene Materialsamm- lung zur Hochschulreform noch immer ein unverzichtbares Kompendium dar.54 Eine wichtige Quelle bildet außerdem die „Deutsche Universitätszeitung“, die als Fachorgan der westdeutschen Hochschulen gegründet worden war, sich aber nicht nur an Akademi-

52Ich danke Sonja Sauter für die Hilfe bei der Durchsicht der Mikrofilme. 53Zur Öffentlichkeitsfunktion von Parlamenten siehe die knappe Zusammenfassung von Suzanne S. Schüttemeyer (2004): Parlament. In: Dieter Nohlen; Rainer-Olaf Schultze (Hg.): Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe. Aktualisierte und erweiterte Auflage. 2 Bände. München, hier Bd. 2, S. 622-623. 54Neuhaus 1961 – Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959. Der Band wurde im Auftrag der Rek- torenkonferenz erstellt.

15 1 Einleitung ker, sondern besonders auch an Akteure in der Politik richtete.55 Aus dem hochschul- und wissenschaftspolitischen Umfeld wurden schließlich insbesondere Publikationen der Westdeutschen Rektorenkonferenz und des Wissenschaftsrats verwertet.

1.4 Aufbau der Arbeit

Meine Arbeit ist chronologisch in drei Abschnitte gegliedert. Der erste Teil widmet sich den Jahren zwischen 1945 und 1957, die vom materiellen Wiederaufbau der zerstörten Hochschulen ebenso geprägt waren wie von Bemühungen um eine geistige Rückbesinnung auf Traditionen der deutschen und europäischen Uni- versitätsgeschichte. Mit dieser Suche und ihrer Rezeption in den Massenmedien wird sich das erste Kapitel näher befassen. Insbesondere möchte ich zeigen, wie auch die Interaktion der Freiburger Universität mit ihren Öffentlichkeiten von dem Blick in die Vergangenheit geprägt war. Im zweiten Kapitel steht der materielle Wiederaufbau im Fokus. Die bauliche Entwicklung – nach den verheerenden Kriegszerstörungen präsen- tierte sich die Albert-Ludwigs-Universität bald mit einem neuen „modernen“ Gesicht aus Stahl, Beton und Glas – soll dabei als Schnittstelle zwischen Hochschule und öffentli- chem Raum untersucht werden. Nach den stärker diskurs- bzw. architekturgeschichtlich ausgerichteten Abschnitten geht das dritte Kapitel abschließend auf drei Institutionen ein, die nicht nur in Freiburg für die Interaktion zwischen Universität und Öffentlichkeit zuständig sein sollten, sondern auch im Reformdiskurs der Nachkriegszeit eine wichtige Rolle spielten: den Universitätsbeirat, die Pressestelle und den Verband der Freunde. Mit dem zweiten Teil rücken Expansion und Erneuerung der westdeutschen Hoch- schulen zwischen 1957 und 1967 in den Mittelpunkt der Untersuchung. Seit Mitte der 1950er Jahre begann sich die Entwicklung von Universitäten zu Masseneinrichtungen abzuzeichnen. Zur gleichen Zeit wurden nicht nur Rufe nach einem massiven Ausbau, sondern immer häufiger auch Forderungen nach tiefgreifenden Reformen wie einer Er- neuerung des Studiums oder einer Demokratisierung der Hochschulen laut. Als symbo- lische Zäsur ragt dabei v.a. das Jahr 1957 heraus.56 In diesem Jahr wurde der Wissen- schaftsrat gegründet, der den notwendigen Ausbau des Hochschulwesens steuern sollte und die hochschul- und wissenschaftspolitische Debatte in der Folgezeit entscheidend mitbestimmte. Für Freiburg markierte 1957 mit dem 500-jährigen Jubiläum in gewis- ser Weise ebenfalls einen Einschnitt, einen symbolischen Abschluss der Nachkriegszeit und den Beginn neuer Herausforderungen im Zeitalter der Massenuniversität. Das erste Kapitel soll zunächst in knapper Form skizzieren, wie sich Massenmedien – allen voran die Tages- und Wochenpresse – vor diesem Hintergrund als entscheidende Schnittstel- le zwischen Hochschule und Öffentlichkeit etablierten. Die beiden folgenden Abschnitte

55Die Bände der DUZ sind zudem über Jahresregister und -inhaltsverzeichnisse erschlossen und deshalb auch bei langen Untersuchungszeiträumen gut benutzbar. Bis 1949 lief die DUZ noch unter dem Titel „Göttinger Universitätszeitung“. 56Dies gilt nicht nur für den Universitäts- und Wissenschaftssektor, vgl. Alexander Gallus (Hg.) (2010): Sonde 1957. Ein Jahr als symbolische Zäsur für Wandlungsprozesse im geteilten Deutschland. Berlin (Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung, 98).

16 1.4 Aufbau der Arbeit befassen sich dann näher mit den zentralen Themen Expansion und Erneuerung und – unter besonderer Berücksichtigung der Universität Freiburg – ihrer Repräsentation in verschiedenen Öffentlichkeiten. Zum Abschluss werde ich auf die Entwicklung und die wachsende Bedeutung akademischer Öffentlichkeitsarbeit während der 1960er Jahre eingehen. Der letzte Teil der Arbeit soll die Beziehungen von Universität und Öffentlichkeit im Schatten der 68er-Proteste dokumentieren. Er setzt mit der Radikalisierung der Studen- tenbewegung 1967 ein und endet mit der Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes in den Jahren 1975/76. Im ersten Kapitel werde ich zeigen, wie sich öffentliche Wahrneh- mung und Selbstdarstellung von Universitäten im Kontext studentischer Protestaktionen veränderten – nicht wenige Beobachter riefen nun etwa den „Ausnahmezustand“ aus oder sprachen gar von „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ – und welche Rolle Freiburg in die- sem Zusammenhang zukam. Der darauf folgende Abschnitt wird die nun häufig unter den Schlachtrufen „Drittelparität“ und „Öffentlichkeit der akademischen Selbstverwal- tung“ geführte Diskussion um Demokratisierung weiter verfolgen und auf die Umsetzung solcher Forderungen an den Hochschulen eingehen. Neben Demokratisierung trat am En- de der 1960er Jahre zunehmend eine „Politisierung“ der Universitäten auf die Agenda, die – wie das dritte Kapitel zeigen soll – als Chance, aber auch als Gefahr verstanden werden konnte. Gerade im Umfeld der Studentenbewegung setzte man sich für ein neues akademisches Selbstverständnis ein, das Hochschulen zu Agenten der gesellschaftlichen Veränderung und des politischen Umbruchs bestimmte, während andere vor einer Unter- wanderung durch radikale Linke warnten. Zum Abschluss der Untersuchung werde ich mich noch einmal der akademischen Öffentlichkeitsarbeit widmen, wo jetzt unter dem Eindruck der Protestbewegung ein Professionalisierungsprozess einsetzte, auf den man an den Universitäten und in Wissenschaftsinstitutionen, aber auch vonseiten der Medi- en bereits seit Beginn der 1960er Jahre hingearbeitet hatte. Die Zeit um 1970 markiert daher eine wichtige Weichenstellung auf dem Weg zu heutigen Ausprägungen von Public Relations im Hochschulbereich.

17

2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

Am 17. September 1945 versammelten sich Hochschullehrer und Studenten der Univer- sität Freiburg im Gemeindesaal der Kirchengemeinde „Maria Hilf“ im Osten der Stadt. Gemeinsam mit Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kirche beging die Albert- Ludwigs-Universität an diesem Tag ihre feierliche Wiedereröffnung, nachdem sie den Lehrbetrieb bei Kriegsende hatte einstellen müssen. In seiner Ansprache führte Rektor Sigurd Janssen den Zuhörern die prekäre Lage der Freiburger Hochschule vor Augen. Die Universität, begann Janssen seine Rede, eröffnete „ihre Pforten in ernster Stunde“. Zwölf Jahre nationalsozialistischer Herrschaft, betonte der Rektor, hatten die Universität und ihre Mitglieder nicht nur in einem Zustand geistiger „Verwirrtheit“ zurückgelassen.1 Darüber hinaus lagen Institute, Kliniken, Hörsäle und Kollegiengebäude nach Kriegsende weithin in Trümmern. Am Abend des 27. November 1944 hatte die britische Royal Air Force unter dem Decknamen Operation Tigerfish einen Luftangriff auf Freiburg ausgeführt. Während das Wahrzeichen der Stadt, das Münster, nahezu unbeschädigt blieb – nicht wenige Frei- burger sprachen von einem „Wunder“ – führte die Attacke im gesamten Stadtgebiet zu Verlusten und Zerstörungen von erheblichem Ausmaß. So hatte der Luftangriff der Alli- ierten auch die Albert-Ludwigs-Universität schwer in Mitleidenschaft gezogen. Ungefähr 80 Prozent des gesamten Baubestands waren zerstört oder beschädigt worden. Im Uni- versitätszentrum hatten das 1911 eingeweihte Kollegiengebäude, die Universitätsbiblio- thek – deren Südseite eingestürzt war – und die sogenannte „Alte Universität“ schwere Schäden davon getragen. Am schlimmsten hatte es jedoch die Kliniken und die Institu- te im naturwissenschaftlichen Bezirk getroffen. Abgesehen von der Psychiatrie und der Nervenklinik waren dort sämtliche Einrichtungen zerstört. Das gleiche Schicksal hatte die theoretischen Institute der Medizinischen Fakultät ereilt.2 Nach dem Luftangriff musste der Lehrbetrieb in den naturwissenschaftlichen und me- dizinischen Fächern größtenteils eingestellt werden. Die übrigen Fakultäten führten den Unterricht zwar fort, allerdings nicht selten in angemieteten Räumlichkeiten oder in den Privatwohnungen der Dozenten. Viele Einrichtungen der Hochschule wurden an vermeintlich sichere Orte in der Region „ausgelagert“. So zog sich der Mathematiker

1Johannes Vincke (Hg.) (1948): Hochschule und Wiederaufbau. Ansprachen zur Wiedereröffnung der Universität 1945/46. Freiburg, S. 12. 2Ebd., S. 7 f. Vgl. Speck 1995 – Die Freiburger Universität am Kriegsende.

19 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

Wilhelm Süss, zu dieser Zeit auch Rektor der Universität, mit einigen seiner Kollegen nach Oberwolfach im Schwarzwald zurück. Die Juristen hielten sich in Konstanz auf und die philosophische Fakultät führte ihre Arbeit in Beuron bzw. auf der Burg Wildenstein im oberen Donautal fort. Die Kommunikation zwischen den verschiedenen Professoren, Instituten und anderen Einrichtungen der Universität gestaltete sich unter diesen Um- ständen überaus schwierig, nicht zuletzt weil die Telefonverbindungen vielerorts nicht mehr funktionierten. Am 21. April 1945 marschierte die französische Armee in der Stadt ein. Die Albert- Ludwigs-Universität wurde von der Besatzungsmacht umgehend geschlossen. Nur wenige Tage später traten 24 Ordinarien der Universität in einer „Plenarversammlung“ zusam- men, um eigenmächtig die Rückkehr von der Führer- zur alten Universitätsverfassung von 1919 zu beschließen und die Universität damit als autonome Körperschaft neu zu begründen. Zum neuen Rektor wurde der Pharmakologe Sigurd Janssen bestimmt. Erste Bemühungen um eine Wiederaufnahme des Universitätsbetriebs bei Repräsentanten der Stadt und bei der Besatzungsmacht brachten zunächst aber noch keinen Erfolg. Senats-, Fakultäts- und Kommissionssitzungen fanden zwar regelmäßig statt. Eine Wiederauf- nahme des Lehrbetriebs blieb jedoch bis auf weiteres untersagt. Im Sommer des Jahres 1945 setzte eine längere Diskussion über eine Verlegung der Universität Freiburg, insbesondere ihrer naturwissenschaftlichen und medizinischen Res- sourcen, nach Tübingen ein. Zudem kamen immer wieder Gerüchte über eine mögliche Schließung auf, so dass zumindest einige Beobachter sogar die Existenz der Albert- Ludwigs-Universität bedroht sahen. Im August – eine französische Untersuchungskom- mission hatte sich in der Zwischenzeit gegen die Umzugspläne ausgesprochen, u.a. weil viele Professoren nicht zu einem Wechsel nach Tübingen bereit waren und sich der Trans- port als zu umständlich erwies – erteilte die Besatzungsregierung dann aber grünes Licht für die Wiedereröffnung. Allerdings galt dies zunächst nur für die theologische Fakultät. Dort schien die Belastung durch den Nationalsozialismus, wie die Franzosen glaubten, am geringfügigsten zu sein. In den übrigen Fakultäten wurde der Betrieb erst im Oktober und November wieder aufgenommen.3 Mit der feierlichen Eröffnung der Universität am 17. September 1945 wurde symbo- lisch ein neuer Abschnitt in der Freiburger Universitätsgeschichte eingeläutet. Der Rektor sprach von einer „Tat des Friedens“. In seiner Festrede rief Janssen außerdem dazu auf, nicht mehr „klagend oder anklagend“ auf die Geschehnisse während der nationalsozia- listischen Zeit zurückblicken. Von diesem Tag an wollte man stattdessen entschlossen nach vorne schauen und „für die Zukunft planen“.4

3Vgl. für die Entwicklungen an der Universität Freiburg zwischen November 1944 und Ende 1945 Fass- nacht 2000 – Universitäten am Wendepunkt, S. 56-62 sowie Speck 1995 – Die Freiburger Universität am Kriegsende. 4Vincke (Hg.) 1948 – Hochschule und Wiederaufbau. Die Entnazifizierung der Freiburger Universität muss im großen und ganzen als gescheitert gelten. Vgl. Seemann 2002 – Die politische Säuberung des Lehrkörpers sowie Silke Seemann (2007): Die gescheiterte Selbstreinigung. Entnazifizierung und Neubeginn. In: Martin (Hg.) 2007 – Von der badischen Landesuniversität, S. 536-554. Zur Entnazifizierung auch Bernd Grün (2010): Der Rektor als Führer? Die Universität Freiburg i.Br. von 1933 bis 1945. Freiburg (Freiburger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, Neue Folge, 4), S. 585-606.

20 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

Janssens Worten zum Trotz richtete sich der Blick von Studierenden und Professoren bald eher zurück als nach vorne. Die vom Freiburger Rektor in seiner Rede angekün- digte Zukunftsplanung deutscher Universitäten orientierte sich meist sehr eng an der akademischen Vergangenheit vor der „Machtergreifung“ – nicht nur in Freiburg. Überall, zumindest in den Westzonen bzw. später in der Bundesrepublik, bemühte man sich nun um den Wiederaufbau vertrauter Strukturen und den Anschluss an vermeintlich bewähr- te Ideen. Das betraf nicht zuletzt die Beziehungen von Universität und Öffentlichkeit. Die Selbstdarstellung der westdeutschen Nachkriegsuniversität in der Öffentlichkeit war von einer Wiederentdeckung „abendländischer“ und „humboldtscher“ Wurzeln ge- prägt, was in Janssens Ansprache bei der Wiedereröffnung deutlich zum Ausdruck man. Darin plädierte der Rektor eindringlich für eine Rückbesinnung auf akademische Tra- ditionen, die das nationalsozialistische Regiment an den Hochschulen abgebrochen und verschüttet hatte.5 Akademische Feiern, in der NS-Zeit teilweise abgeschafft oder im Sin- ne der Machthaber umgestaltet, wurden als zentrale Schnittstelle zwischen Hochschule und öffentlichem Raum wieder eingeführt. Wie schon zu Zeiten der Weimarer Repu- blik organisierte der Verband der Freunde Vortragsreisen Freiburger Hochschullehrer in der Region. Selbst neu geschaffene Einrichtungen wie das studium generale entsprangen nicht selten dem Geist der wieder entdeckten Universitätstradition. Trotz allem machten sich in den Beziehungen zwischen Hochschule und Öffentlichkeit durchaus auch Veränderungen bemerkbar. So plädierten v.a. Amerikaner und Briten für die Einführung von „Hochschulbeiräten“ oder die Etablierung einer akademischen Öf- fentlichkeitsarbeit in Form von Pressestellen, wobei selbst auf diesem Feld – u.a. auch in Freiburg – Vorläufer existierten. Darüber hinaus präsentierte sich die schwer getroffene Albert-Ludwigs-Universität ihrer städtischen Öffentlichkeit schon bald mit einem neuen, dezidiert „modernen“ Gesicht, insbesondere im Bereich der Kliniken und der naturwissen- schaftlichen Institute, die während des Kriegs besonders stark in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Die folgenden Abschnitte werden näher auf die hier skizzierten Entwicklungen einge- hen. Das erste Kapitel behandelt die Tendenz zur Rückbesinnung, die öffentliche Selbst- darstellung und Außenwahrnehmung von deutschen Hochschulen nach 1945 so stark dominierte. Anschließend geht es um die architektonische Modernisierung der Universi- tät. Der letzte Abschnitt wird sich schließlich mit drei wichtigen Institutionen zwischen Hochschule und Öffentlichkeit – Universitätsbeirat, Pressestelle, Verband der Freunde – befassen, die nach dem Krieg neu geschaffen bzw. wieder aufgebaut wurden.

2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

Im Frühjahr 1945 – amerikanische Truppen hatten gerade die Stadt besetzt – begann der bekannte Philosoph Karl Jaspers in Heidelberg mit der Arbeit an einer Neufassung seiner bekannten Schrift über die „Idee der Universität“, die bereits im Jahr 1923 in der

21 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 ersten Auflage erschienen war.5 Die Zukunft der deutschen Universität, betonte Jaspers im Vorwort zur 1946 veröffentlichten Neuauflage seines Werks, das in der Nachkriegszeit erheblichen Einfluss erlangte, beruhte auf der „Wiedererneuerung ihres ursprünglichen Geistes“. Die Zeit des „Dritten Reichs“ habe zur „moralischen Vernichtung“ der hohen Schulen geführt. Jetzt sei der Augenblick gekommen, in dem „Dozenten und Studenten zur Besinnung auf ihr Tun“ gezwungen seien. Ob es tatsächlich gelang, bei der „Wieder- errichtung“ der Universität zu den „besten Überlieferungen“ zurückzukehren, stellte in den Augen von Jaspers eine „Schicksalsfrage unseres geistigen Lebens“ dar.6

Rückbesinnung auf traditionelle Werte, wie sie der Philosoph hier pathetisch beschwor, dominierte die Universitätsbilder, die nach Kriegsende in Denkschriften, Vorträgen, Zeit- schriftenaufsätzen oder – wie im Fall von Jaspers – im Rahmen größerer Werke entworfen wurden.7 Die Auseinandersetzung über die Frage, was im neuen Deutschland mit den Hochschulen geschehen sollte, wurde darüber hinaus intensiv in den Massenmedien re- zipiert und auf diese Weise einem größeren Publikum zugänglich gemacht. Der Aufruf zur Besinnung auf die lange akademische Tradition in Deutschland fand auch in diesem Umfeld breiten öffentlichen Rückhalt. Das Wiederanknüpfen an die Vergangenheit sollte dabei eine „Rückversicherung“ gegen ein erneutes Aufleben des Nationalsozialismus bie- ten bzw. eine „Immunisierung“ gegen totalitäre Ideologien garantieren8, galt nach 1945 jedoch gleichzeitig als „geistiges Bollwerk“ und als Mittel zur Abgrenzung gegen die Neuordnung des Hochschulwesens in Ostdeutschland.

Vor dem Hintergrund der omnipräsenten Suche nach den eigenen Wurzeln möchte ich im folgenden Kapitel zeigen, dass sich auch die Universität Freiburg bzw. ihre Vertreter in der Öffentlichkeit für eine Rückkehr zum „gesunden Kern“ der Universität einsetzten und sich selbst als Sachwalter dieses Erbes zu präsentieren versuchten. Mithilfe von In- strumenten wie akademischen Feiern oder öffentlichen Vorträgen versuchte man die so oft geforderte Rückbesinnung zu realisieren und die traditionelle Idee der Universität auf diese Weise durch Interaktion mit einer größeren Öffentlichkeit nach außen zu tragen. Bevor ich mich aber mit dem konkreten Fall der Albert-Ludwigs-Universität befasse, werde ich in einem kurzen Überblick die wesentlichen Elemente der universitätshistori- schen Meistererzählung skizzieren und deren Rezeption in den Massenmedien zwischen 1945 und 1957 untersuchen.

5Vgl. Barbara Wolbring (2004): Die Idee der Universität im Dienst einer Erneuerung der Gesellschaft – Vorstellungen und Planungen zur Rolle der wissenschaftlichen Hochschule nach dem Ende des Dritten Reiches in Heidelberg. In: Carsten Kretschmann u.a. (Hg.): Wissen in der Krise. Institutionen des Wissens im gesellschaftlichen Wandel. Berlin, S. 177-196. 6Karl Jaspers (1946): Die Idee der Universität. Berlin, Vorwort. 7Vgl. etwa Jarausch 1999 – Das Humboldt-Syndrom; Bartz 2005 – Bundesrepublikanische Univer- sitätsleitbilder; Sylvia Paletschek (2006): Die deutsche Universität im und nach dem Krieg. Die Wiederentdeckung des Abendlandes. In: Bernd Martin (Hg.): Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen. Freiburg, S. 231-249. 8So Paletschek 2002 – Die Erfindung der Humboldtschen Universität, S. 201.

22 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

2.1.1 Schlüsseltexte und Mediendiskurs Das Erbe, auf das sich Karl Jaspers im Vorwort zu „Idee der Universität“ berufen hatte, umfasste einen Komplex verschiedener Elemente, die häufig auf die mit Namen wie Wil- helm von Humboldt oder Friedrich Schleiermacher verbundene neuhumanistische Uni- versitätsidee des 19. Jahrhunderts9, aber auch auf die stärker europäisch konnotierte „abendländische“ Universität des Mittelalters10 zurückgeführt wurden: die Universität als Ort einer „zweckfreien“ oder „reinen“ Wissenschaft; die Einheit von Forschung und Lehre; die persönlichkeits- oder charakterbildende Funktion von Wissenschaft; die von einem immer weiter fortschreitenden Prozess der „Spezialisierung“ bedrohte Einheit der Wissenschaften; sowie die akademische Freiheit.11 Bevor ich auf ihre Rezeption in den Massenmedien eingehe, werde ich die verschiede- nen Elemente der traditionellen Universitätsidee zunächst an zwei Schlüsseltexten des Universitätsdiskurses nach 1945 näher illustrieren: Der „Idee der Universität“ von Jaspers und dem sogenannten „Blauen Gutachten“ zur Hochschulreform.

Schlüsseltexte

Im Vorwort zu seiner Schrift über die „Idee der Universität“ hatte Jaspers von der Not- wendigkeit gesprochen, zu den „besten Überlieferungen“ der Universitätstradition zu- rückzukehren. Auf den ersten Seiten des Textes führte der Philosoph näher aus, was seiner Meinung nach unter diesem Erbe zu verstehen war. Die Aufgabe der Universität bestand für ihn zunächst darin, die „Wahrheit in der Gemeinschaft von Forschern und Schülern zu suchen“, wie Jaspers gleich im ersten Satz der Einleitung feststellte, und „bedingungslose Wahrheitsforschung“ zu betreiben. Die Universität war durchaus eine „Schule“, sollte in den Augen des Philosophen aber „nicht nur unterrichten“. Der „Schü- ler“ musste stattdessen – getreu dem Glaubenssatz über die „Einheit von Forschung und Lehre“ – „an der Forschung teilnehmen“, um so zu einer „sein Leben bestimmenden wissenschaftlichen Bildung“ zu gelangen. Charakterliche „Erziehung“, nicht nur „Über- lieferung von bloßen Kenntnissen und Fertigkeiten“, füllte demnach den „Sinn von Un- terricht und Forschung“ aus. Die wissenschaftliche Wahrheitssuche, so Jaspers weiter, war zudem ein ganzheitliches Unternehmen. Im „Zusammenspiel der Wissenschaften“ verwirkliche sich ein „Kosmos“, bis hin zur „universalen Weltorientierung und bis zur Theologie und Philosophie“. Trotz Tendenzen zur Spezialisierung bestehe diese Einheit

9Paletschek 2002 – Die Erfindung der Humboldtschen Universität, S. 201. 10Vgl. dazu v.a. Axel Schildt (1999): Zwischen Abendland und Amerika. Studien zur westdeut- schen Ideenlandschaft der 50er Jahre. München (Ordnungssysteme, 4). Das „Abendland“ war in der Nachkriegszeit sowie in den 1950er Jahren ein zentraler Begriff zeitgenössischer Diskurse und ein nahezu omnipräsentes Schlagwort – nicht nur im Universitätsbereich. Es kennzeichnete u.a. ei- ne bewusste Abkehr von diskreditierten nationalistischen Vorstellungen. Vor dem Hintergrund des sich zuspitzenden Kalten Kriegs wurde das „Abendland“ aber auch zum Kampfbegriff gegen den „bolschewistischen“ Osten stilisiert. 11Siehe Paletschek 2002 – Die Erfindung der Humboldtschen Universität, S. 184. Vgl. auch Jarausch 1999 – Das Humboldt-Syndrom; Bartz 2005 – Bundesrepublikanische Universitätsleitbilder; Palet- schek 2006 – Die deutsche Universität; Hohendahl 2011 – Humboldt Revisited.

23 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 zumindest in der „Wissenschaftlichkeit“, die alle Forscher in einer „Grundhaltung“ ver- binde. Ihren wissenschaftlichen Auftrag konnte die Universität schließlich nur erfüllen, so lange sie Wahrheitsforschung unabhängig von äußeren und inneren „Wünschen und Weisungen“ betreiben durfte. Deshalb, so Jaspers, musste der Staat – gerade auch zu seinem eigenen Vorteil – Forschung und Lehre ein „Eigenleben“ gewähren. Nur so konnte die Universität wirklich zu der Stätte werden, an der sich das „hellste Bewußtsein des Zeitalters“ entfaltete.12 Neben Jaspers Arbeit zur „Idee der Universität“ erlangte in der Nachkriegszeit ein Text großen Einfluss auf den Universitätsdiskurs, der auf eine hochschulpolitische Initia- tive der britischen Besatzungsregierung im deutschen Nordwesten zurückgegangen war. Im Januar 1948 hatten die Briten mit den Vorbereitungen zur Einrichtung eines „Stu- dienausschusses“ begonnen, der mit der Aufgabe betraut werden sollte, ein Gutachten über „Notwendigkeit und Möglichkeit einer Hochschulreform“ zu erarbeiten. In dem Gre- mium unter Vorsitz von Henry Everling, Generaldirektor der „Großeinkaufs-Gesellschaft deutscher Konsumgenossenschaften“ in Hamburg, waren nicht nur zahlreiche deutsche Hochschullehrer, sondern auch Repräsentanten der politischen Parteien, der Gewerk- schaften und der Kirchen vertreten. Der Ausschuss begann seine Arbeit im April 1948 und veröffentlichte schließlich im November desselben Jahres einen der wichtigsten Re- formtexte der Nachkriegszeit, der wegen seines farbigen Einbands schnell als „Blaues Gutachten“ bekannt wurde.13 Die Kommission sah ihre Aufgabe keineswegs nur in einer kritiklosen Aneignung der deutschen Universitätstradition. Stattdessen grenzte man sich ausdrücklich gegen eine „zu weit gehende Zufriedenheit mit der Hochschule“ ab, welche die „Notwendigkeit ei- ner tiefgehenden Reform“ leugnete. Zur gleichen Zeit wehrten sich die Mitglieder des „Studienausschusses“ entschieden gegen Bestrebungen , einen wirklichen „Umsturz“ im deutschen Hochschulwesen einzuleiten. Universitäten, das machten sie gleich zu Beginn ihres Berichts klar, waren „Träger einer alten und im Kern gesunden Tradition“. Die „europäische Universität“, heißt es in dem Text weiter, hatte schon seit dem Mittelalter die „geistig und vielfach politisch führenden Schichten“ ausgebildet. In ihren Mauern sei das „Erbe des christlichen Humanismus“ lebendig. Die deutsche Universität wiederum, fuhren die Autoren fort, durfte v.a. auf ihre „von Humboldt herrührende Tradition“ stolz sein, die in erster Linie durch Einheit und Freiheit von Forschung und Lehre gekenn- zeichnet war.14 „Aufgabe der Hochschule von heute“, glaubten die norddeutschen Hochschulreformer, war der „Dienst am Menschen durch die in wissenschaftlicher Erforschung der Wirklich- keit zu gewinnende Lehre der Wahrheit“. Wissenschaftliche Forschung, „um ihrer selbst willen getrieben“, galt in ihren Augen als „eines der größten Erziehungsmittel der Mensch- heit“. Wenn Lehre nicht nur „Wissensvermittlung“, sondern „Erziehung“ sein sollte, und

12Jaspers 1946 – Die Idee der Universität, S. 9-11. 13Der britische Pädagoge und Historiker David Phillips hat sich ausführlich mit dem „Blauen Gutachten“ und der britischen Hochschulpolitik in Deutschland befasst, bspw. in: Phillips 1995 – Pragmatismus und Idealismus. Das Gutachten ist abgedruckt bei Neuhaus 1961 – Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, S. 289-368. 14Neuhaus 1961 – Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, S. 290 f.

24 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität die „aktive Beziehung des Lehrers zur neu zu findenden Wahrheit“ das „mächtigste Er- ziehungsmittel“ der Universität darstellte, lag für die Ausschussmitglieder auf der Hand, dass Forschung und Lehre untrennbar zusammen gehörten. Nicht nur Forschung und Lehre verstand das „Blaue Gutachten“ allerdings als Einheit. An dem Gedanken der universitas wollte man ebenfalls unbedingt festhalten. Die Universität, hieß es, sei kei- ne Ansammlung von „Fachschulen“. Die „Einheit des Wirklichen“ in einer Institution abbilden zu wollen, unterscheide sie vielmehr von anderen Hochschultypen. Das Gut- achten unterstützte deshalb Pläne wie das sogenannte studium generale15, mit denen die „Einheit“ der Universitäten in Deutschland gestärkt werden sollte.16 Eine Verwirklichung dieser hier formulierten Universitätsidee setzte voraus, dass „wis- senschaftliche Arbeit in Freiheit“ geschehen konnte. Nur in Freiheit, hieß es im „Blauen Gutachten“, sei die Universität in Forschung und Lehre dazu in der Lage, sich an die „alleinige Norm der Wahrheit“ zu binden. Eine Hochschule musste unabhängig sein von jeder „vorgegebenen politisch-weltanschaulichen Marschroute“. Keine Instanz sei dazu berechtigt, das Ergebnis wissenschaftlicher Arbeit anhand wissenschaftsfremder – poli- tischer, wirtschaftlicher oder religiöser – Kriterien willkürlich vorzugeben oder mitzube- stimmen.17

Diskurse in Presse und Rundfunk

Die in Schlüsseltexten wie Karl Jaspers’ „Idee der Universität“ oder dem „Blauen Gut- achten“ formulierten Universitätsbilder stießen im massenmedialen Kontext auf breite Unterstützung und wurden auf diesem Weg in größere Öffentlichkeiten vermittelt. Zunächst stellte gerade der Rundfunk – in den ersten zehn Jahren nach dem Zwei- ten Weltkrieg so etwas wie das Leitmedium in der westdeutschen Medienlandschaft18 – ein besonders wichtiges öffentliches Forum für Universitäten bzw. die Universitätsde- batte dar. So bot der Südwestfunk im Rahmen seines Jugendprogramms Studierenden die Gelegenheit, die eigenen Anliegen einem größeren Publikum nahe zu bringen und allgemeine Hochschulfragen zu diskutieren. Studenten der Albert-Ludwigs-Universität wie Hans Magnus Enzensberger, Margherita von Brentano oder Kurt Sontheimer wa- ren an zahlreichen Sendungen beteiligt.19 In vielen westdeutschen Rundfunkanstalten

15Siehe dazu den Abschnitt zum Freiburger studium generale im Kapitel 2.1.2 dieser Arbeit. 16Neuhaus 1961 – Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, S. 296-298. 17Ebd., S. 297 f. 18Vgl. etwa Axel Schildt; Detlef Siegfried (2009): Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik – 1945 bis zur Gegenwart. Bonn, S. 29-31 und S. 57-59 sowie Edgar Wolfrum (2007): Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Bonn, S. 155-160 19So etwa Kurt Sontheimer (06.06.1951): Die Universität und das öffentliche Leben. Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, 36/I/51 oder Margeritha von Brentano (01.08.1948): Zur Situation der Universität. Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, 21/I/48. Brentano studierte in Freiburg und promovierte 1948 bei Martin Heidegger. Von 1950 bis 1956 war sie dann selbst Leiterin von Schul- und Jugendfunk im Südwestfunk. Vgl. zum Jugendfunk allgemein Sabine Friedrich (1991): Rundfunk und Besatzungsmacht. Organisation, Programm und Hörer des Südwestfunks 1945 bis 1949. Baden-Baden, S. 138-140.

25 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 wurden jetzt zudem Formate entwickelt, die sich als „intellektuelle Foren“ anspruchs- voller Themen annahmen und dabei nicht zuletzt auch Wissenschaft und Universität als Sprachrohr dienen sollten.20 Im „Einzugsgebiet“ der Universität Freiburg führte der Südwestfunk im Jahr 1947 das Programm „Die Aula“ ein, das überwiegend Vorträge von Hochschullehrern aus Tübingen, Mainz und Freiburg – den Universitäten der fran- zösischen Zone – versammelte und einen „möglichst umfassenden Querschnitt durch die wissenschaftliche Diskussion der Zeit“ vermitteln wollte.21 Die Sendereihe stellte also einerseits einen Versuch dar, den Bildungsauftrag der Universitäten auch jenseits der akademischen Gemeinschaft zu realisieren und den Hörern die Universalität der Wis- senschaften zu demonstrieren. Auf diese Art und Weise unterstützte sie bereits in ihrer Konzeption das Unternehmen einer Rückbesinnung auf die akademische Tradition.22 Darüber hinaus standen Wesen und Aufgabe der Universität häufig im Fokus einzelner Beiträge zur „Aula“-Reihe. Das galt u.a. gleich für den Auftakt des neuen Sendeformats im September 1947, für den die Verantwortlichen beim Südwestfunk einen Vortrag des bekannten und während der 1950er Jahre immer wieder in der öffentlichen Hochschul- diskussion engagierten Freiburger Historikers Gerhard Ritter zur Rolle der Universität im „öffentlichen Leben“ auswählten.23 Von den überregionalen deutschen Zeitungen beschäftigten sich in den Nachkriegs- jahren v.a. das Wochenblatt „Die Zeit“ und nach ihrer Gründung im Jahr 1949 die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ mit dem Projekt einer geistigen Rückbesinnung, wäh- rend das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in den ersten zehn Jahren seines Bestehens

20Vgl. Monika Boll (2004): Nachtprogramm. Intellektuelle Gründungsdebatten in der frühen Bundes- republik. Münster, S. 50-55. 21Hans Baldung (1948): Die Aula. In: Funkwelt (40). Vgl. zur „Aula“ Friedrich 1991 – Rundfunk und Besatzungsmacht, S. 131 f., Boll 2004 – Nachtprogramm, S. 116-119 und Miriam Mörtl (2007): Deutsche Europabilder im Spiegel der Radiosendung „Aula“ (Masterarbeit). Karlsruhe. Andere Sen- dereihen entstanden bspw. im „Süddeutschen Rundfunk“ („Lebendige Wissenschaft“) oder im RIAS. Dort existierte eine Abteilung „Hochschul-Funk“, die von Gerhard Löwenthal geleitet wurde und „Sendungen über das akademische Leben und die Entwicklung der Wissenschaft und Forschung“ durchführen wollte. Die Sendungen sollten „Sprachrohr der Universitäten“ sein und Studenten wie Wissenschaftlern die Möglichkeit geben, ihre „Probleme der Öffentlichkeit zu unterbreiten“, siehe: RIAS an den Rektor der Universität Freiburg (20.06.1949). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1700. Die Sendung lief seit 1950 und wurde als „Funk-Universität“ betitelt. Der RIAS übermittelte auch an die Universität Freiburg Material, siehe: RIAS an Universität Freiburg ([1951]). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1700. 22Zu den Zielen der „Aula“ v.a.: Welche Ziele verfolgt der Südwestfunk mit seiner Sendereihe „Die Aula“? ([1947]). Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, P 1442. Vgl. auch die Einleitung des Redak- teurs Hans Baldung zur ersten Ausstrahlung der Sendereihe in: Gerhard Ritter (14.09.1947): Der Wahrheit verpflichtet. Die Rolle der Universitäten im öffentlichen Leben („Die Aula“). Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, 27/I/47, S. 1 f. sowie Baldung 1948 – Die Aula oder die Abschnitte zur „Aula“ in: Südwestfunk (01.12.1952): Programmgliederung und Programmanalyse. Beitrag für Herrn Ministerialdirektor Dr. Magnus zum Bundesrundfunkgesetz. Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, DS 601. 23Ritter 14.9.1947 – Der Wahrheit verpflichtet. Weitere Beispiele allein aus den ersten Jahren der „Aula“ umfassen u.a.: Josef Schmid (21.09.1947): Die Mission des Akademikers („Die Aula“). Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, 27/I/47 oder: Hans Klumb (10.10.1948): Aufgaben und Probleme der modernen Universität. Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, 29/I/48.

26 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität kaum in diese Diskussion einstieg. Insgesamt war die Berichterstattung der Presse über Probleme der Universitäten allerdings noch stark an konkrete Anlässe – Tagungen etwa oder Publikationen zur Hochschulreform – gebunden.24

Der Geist der Universität: Bildung und Universalismus Die „Einheit der Wissen- schaft“ und die Bildungsfunktion der Universität gehörten zu den thematischen Schwer- punkten der westdeutschen Debatte über Hochschulreform.25 Das galt nicht zuletzt für die Diskussion in Presse und Rundfunk. In den Jahren zwischen 1945 und 1949, angesichts der noch frischen Erinnerung an die Katastrophe des Nationalsozialismus, stieß die politische Bedeutung der akademischen Bildungsfunktion dabei auf besonders starkes Interesse. Die Bildungsmacht der Univer- sität sollte eine Wiederholung der politischen Katastrophe von 1933 verhindern helfen. Die „beste unmittelbare Erziehung zum Menschen“ galt zur gleichen Zeit als „beste mit- telbare Erziehung zur Politik“, wie es der Publizist und stellvertretende Chefredakteur der „Zeit“ Ernst Friedlaender in einem Beitrag vom 12. Februar 1948 formulierte.26 Nicht zuletzt aus diesem Grund stand mit der Studentenschaft häufig die künftige Führungselite des Landes im Fokus der massenmedialen Diskussion. Am 29. August des Jahres 1946 erschien in der „Zeit“ etwa ein Artikel mit dem Titel „Ein Wort an die aka- demische Jugend“. Sein Verfasser Walther Heyn befasste sich in dem Beitrag mit einem kurz zuvor erschienenen Buch des Pädagogen Fritz Blättner mit dem gleichen Titel.27 Die Nationalsozialisten, hieß es in der Rezension, hatten den „Akademiker nur noch als Spezialisten gebraucht, oder, richtiger gesehen, mißbraucht“. Die Männer auf den führenden Positionen in Politik und Verwaltung seien lediglich „Leiter“ gewesen, keine wirklich gebildeten „Wisser und Könner“. Deutschland, betonte Heyn, konnte nur „gesun- den“, wenn es die „christlich-humanistische Tradition des europäischen Geistes“ wieder aufnahm und weiterführte. Dazu gehörte u.a. die Vorstellung einer Bildungs- und Erzie- hungsfunktion der Universität. Blättner, so Heyn, hatte dies erkannt, denn er zeigte in seiner Schrift Wege auf, „wie die durch unsere Universitäten gebildeten Menschen“ er- neut „wirkliche Führer unseres Volkes“ werden konnten.28 Der Pädagoge Heinz-Joachim Heydorn sekundierte am 13. März 1947, ebenfalls in der „Zeit“, mit einem Artikel zur

24Vgl. allgemein zur Situation der Presse in der Nachkriegszeit Konrad Dussel (2011): Deutsche Ta- gespresse im 19. und 20. Jahrhundert. 2. Aufl. Berlin u.a., Kap. 9 sowie Schildt, Siegfried 2009 – Deutsche Kulturgeschichte, S. 31 f. und 59-61. 25Vgl. etwa Wolbring 2013 – Trümmerfeld der bürgerlichen Welt, Kap. III. 26Ernst Friedlaender (1948): Reformen ohne Weisheit. In: Die Zeit, 12.02.1948. 27Fritz Blättner (1946): Ein Wort an die akademische Jugend. Hamburg. 28Walther Heyn (1946): Ein Wort an die akademische Jugend. In: Die Zeit, 29.08.1946. Vgl. auch: Paul Leverkühn (1946): Studenten und politische Erziehung. Ein Vorlesungsverzeichnis und eine Betrachtung. In: Die Zeit, 29.08.1946; Adolf Grimme (1948): Die Diktatur der leeren Kassen. In: Die Zeit, 12.08.1948. Grimme plädierte in diesem Artikel für die Förderung auch von sog. „Luxus- Fächern“. Diese Fächer seien dazu nötig, den „Geist der Humanitas“ zu vermitteln und den gesamten Menschen zu formen. Auf diese Art und Weise, meinte Grimme, konnte eine erneute politische Katastrophe verhindert werden. Vgl. aus dem Rundfunk bspw.: Karl Lodemann (21.11.1948): Die Universität zwischen Gestern und Morgen. Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, 6/I/48, S. 1 f.

27 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

„geistigen Situation der Studentenschaft“. Die Universität, meinte Heydorn, besaß nicht nur eine „quantitative Funktion der Wissensvermittlung“. In erster Linie sei ihr eine „er- zieherische Aufgabe“ gestellt. Heydorn war der Ansicht, dass Hochschulen ihre Studenten zu „selbstverantwortlichen Staatsbürgern“ erziehen mussten, um eine „hochqualifizierte Führungsschicht“ heranzuziehen. Dies sei eine der „entscheidenden Voraussetzungen für eine funktionierende Demokratie“.29 In seinem Appell an die akademische Jugend vom August 1946 hatte Walther Heyn die Hoffnung ausgesprochen, dass die Universität nach dem Ende des Nationalsozialis- mus wieder „echte“ Führungspersönlichkeiten ausbilden würde. Eine solche Kehrtwen- de, wandte er ein, sei aber nur möglich, wenn sich die deutschen Universitäten auf die „großen Reformmaßnahmen“ von Humboldt und Schleiermacher besannen. In Heyns Au- gen meinte dies in erster Linie eine Rückkehr zur wahren universitas literarum, die nicht von den „positivistischen“ Naturwissenschaften, sondern allein von den „Geisteswissen- schaften“ und insbesondere auch der Theologie zusammengehalten werden konnte.30 Dass eine Rückkehr zur universitas notwendig war und dass geisteswissenschaftlichen Fächern – insbesondere Philosophie und Theologie – in diesem „Kosmos der Wissenschaf- ten“ eine bevorzugte Rolle zukommen sollte, wurde in Presse und Rundfunk vielfach kolportiert. Am 27. November 1947 sprach Erich Raederscheidt in der „Zeit“ bspw. von einer „Krise“ der Universität. Die „Einheit der wissenschaftlichen Arbeit“, das „Zusam- menwirken der Kräfte“ und das Wissen darüber, dass das eigene Spezialgebiet immer „im Zusammenhang mit dem Ganzen“ stehen musste, waren seiner Meinung nach „verloren gegangen“. Die „Solidarität in der Erforschung der Wahrheit“ sei nicht mehr vorhanden. Als besonders schlimm, so Raederscheidt, empfand er die Tatsache, dass „im Augenblick nicht mehr die Philosophie, sondern die Technik die Wissenschaft beherrscht“. Denn das – man habe es in der jüngsten Vergangenheit erleben müssen – trieb „Zucht und Diktatur des Spezialisten“ weiter voran. Nicht die Technik, fügte Raederscheidt hinzu, sondern der „philosophische Geist“ sollte „alle Wissenschaft durchdringen, verbinden und einbet- ten“.31

In den ersten Jahren nach dem Krieg begleiteten Presse und Rundfunk den Reform- prozess im deutschen Hochschulwesen mit Optimismus und trugen damit selbst zu einer gewissen Aufbruchstimmung bei. Seit Beginn der 1950er Jahre änderte sich der Tenor

29Heinz-Joachim Heydorn (1947): Zur geistigen Situation der Studentenschaft. In: Die Zeit, 13.03.1947. Vgl.: Die politische Hochschule (1948). In: Badische Zeitung, 27.02.1948. 30Heyn 29.8.1946 – Ein Wort an die akademische Jugend. 31Erich Raederscheidt (1947): Studententage. In: Die Zeit, 27.11.1947. Vgl. Wilhelm Peters (1948): Bedrohte Universalität. Synthese der Wissenschaft – Synthese der Bildung. In: Die Zeit, 26.02.1948. Peters plädiert für eine Verbindung von Naturwissenschaft und Technik mit Philosophie und Theo- logie; Berthold Lammert (1948): Das Gesetz der Wissenschaft. In: Die Zeit, 15.07.1948; Die letz- ten Kriegsstudenten (1951). In: Badische Zeitung, 04.03.1951. Der Verfasser beschreibt eine Ver- änderung in der „geistigen Rangordnung“ der Fakultäten. Die theologische und die philosophische Fakultät hatten in seinen Augen nach dem Krieg an Bedeutung gewonnen. Vgl. aus dem Rund- funk etwa: August Reatz (21.03.1948): Völkergemeinschaft und Universität. Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, 9/I/48, S. 14; Wilhelm Weischedel (25.09.1951): Zersplitterung der Fä- cher und Allgemeinbildung an der Universität. Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, 56/I/51.

28 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität der Berichterstattung. Ertrag und Erfolgsaussichten der nach 1945 begonnenen Universi- tätsreform, die eine Rückkehr zu traditionellen Idealen der Universität ausgerufen hatte, wurden zunehmend in Zweifel gezogen. Besonders die Leistungen des studium generale, das im „Blauen Gutachten“ nachdrücklich gefordert und in der Zwischenzeit an verschie- denen Universitäten eingeführt worden war, nahm man überaus kritisch unter die Lupe. Spätestens zur Mitte des Jahrzehnts wurde das Unternehmen von vielen Beobachtern für gescheitert erklärt. Erste Anzeichen dafür, dass der Reformeifer der Nachkriegszeit zu Beginn der 1950er Jahre abgekühlt war, offenbarte die Berichterstattung über zwei Hochschulkonferenzen aus dem Jahr 1952. So informierte der junge Journalist Paul Hühnerfeld am 7. August 1952 in der „Zeit“ über die Tagung der Westdeutschen Rektorenkonferenz, die in die- sem Jahr in Kiel stattgefunden hatte. Die Rektoren, berichtete Hühnerfeld, hatten offen zugegeben, dass die Bemühungen um ein studium generale an den meisten Orten „ge- scheitert“ waren. Der Journalist konnte den Rektoren nur resigniert beipflichten. Denn auch in seinen Augen war es den Universitäten bislang nicht gelungen, die „verlorene Ein- heit der Wissenschaften“ wiederherzustellen. Versuche, den Studenten wieder eine „echte Bildung“ zu vermitteln und sie damit zu „Antipoden der Funktionäre“ zu machen, seien ebenfalls fehlgeschlagen. Als Forschungs- und Bildungsstätte hing die Universität nach Ansicht des „Zeit“-Redakteurs vollkommen „in der Luft“.32 Nur kurze Zeit nach der Kieler Tagung der westdeutschen Rektoren lief in Hinterzarten eine von Hochschulverband, Rektorenkonferenz und der amerikanischen Hohen Kommis- sion gemeinsam veranstaltete Konferenz, deren Leitung der hochschulpolitisch überaus engagierte Freiburger Historiker Gerd Tellenbach übernommen hatte.33 Die „Badische Zeitung“ veröffentlichte am 13. September 1952 einige Abschnitte aus einem Aufsatz von Wolfgang Clemen, in dem der Münchner Anglist die Ergebnisse der Tagung zusam- menfasste. Die Hochschulreform der Nachkriegszeit, erklärte Clemen gleich zu Beginn des Artikels, war bisher „unbefriedigend“ verlaufen. Denn an der „Wirklichkeit“ der deut- schen Universitäten habe sich bislang kaum etwas verändert. Die „brennende Sorge“ um diesen Zustand, berichtete Clemen, hatte man aus vielen Gesprächen in Hinterzarten heraushören können. Den Teilnehmern der Tagung sei völlig klar gewesen, dass man aus der „Sphäre theoretischer Erörterung und prinzipieller Besinnung“ endlich zu konkreten Vorschlägen vorstoßen musste. „Großes Kopfzerbrechen“, so Clemen, habe jedoch gerade in diesem praktischen Zusammenhang das studium generale bereitet, das Rückschläge hatte einstecken müssen und bisher kaum vorangekommen war. Beispielsweise sei der Besuch der Veranstaltungen in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. In Hinterzarten rückte man keineswegs vom Anspruch auf „Einheit der Wissenschaften“ ab. Die Teilnehmer entwickelten auch Vorschläge zu einer Erneuerung des in die Kritik

32Paul Hühnerfeld (1952): Rektorenkonferenz. In: Die Zeit, 07.08.1952. Hühnerfeld hatte schon einige Wochen zuvor seinen Unmut über die Entwicklung der Universitäten und der Hochschulreform geäußert: Ders. (1952): Die Väter zahlen wieder. In: Die Zeit, 10.07.1952. Vgl. auch.: Wolfgang Clemen (1952): Was wird aus der Hochschulreform? In: Badische Zeitung, 13.09.1952. 33Die Hinterzartener Reformvorschläge sind veröffentlicht in: Gerd Tellenbach (Hg.) (1953): Proble- me der deutschen Hochschulen. Die Empfehlungen der Hinterzartener Arbeitstagungen im August 1952. Göttingen (Schriften des Hochschulverbandes, 3).

29 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 geratenen studium generale. Der Verweis auf die universelle Tradition der Universität erschien aber bei weitem nicht so überzeugt und so enthusiastisch wie noch in den ersten Jahren nach dem Krieg.34 Eine geradezu polemische Abrechnung mit dem studium generale lieferte wenige Mo- nate später der bekannte Tübinger Theologe Helmut Thielicke, der im Jahr 1951 Vor- sitzender der Westdeutschen Rektorenkonferenz gewesen war. In der „Frankfurter Allge- meinen Zeitung“ veröffentlichte Thielicke am 13. Dezember 1952 eine „kleine Kritik am unendlichen Gerede vom studium generale“. Diese „große Idee“, behauptete der Theologe, war schon seit einiger Zeit ins Stadium der „Verwesung“ eingetreten. Forderungen nach „Einheit des Wissens“ sei zwar vorbehaltlos zuzustimmen. Die andauernde Diskussion um das studium generale hielt Thielicke jedoch für kontraproduktiv. In den letzten Jah- ren, gab der Tübinger Hochschullehrer bereitwillig zu, waren er selbst und viele Kollegen in ihren Reformbemühungen zu sehr „Schwärmer“ gewesen, die Hindernisse auf dem Weg zur „Einheit der Wissenschaften“ nicht hatten sehen wollen. Deshalb sei bei diesen Un- ternehmungen bisher auch so wenig herausgekommen. Der Theologe machte dabei v.a. zwei kritische Aspekte aus. Zum einen existierten nicht nur in Deutschland eine ganze Reihe von Hochschullehrern, die selbst nur „Fachgelehrte“ seien und damit gar nicht das „geistige Existenzminimum“ aufwiesen, um eine Einordnung der eigenen Disziplin in die universitas leisten zu können. Das „menschliche Problem“, schrieb Thielicke, war im Kontext der Hochschulreform also „unvergleichlich größer als das sachliche oder gar das organisatorische“.35 Auf der anderen Seite verstanden viele Studenten das studium gene- rale als zusätzliche Belastung, weil sie aufgrund der enormen „Stoffülle“ schon durch ihr reguläres Studium oft überlastet waren. Angesichts der „Stoffmassen“ wollte Thielicke nicht einmal von einer Krise des studium generale, sondern eher von einer „Krise des Fachstudiums“ sprechen. Sich auch nur in den Einzeldisziplinen mit „Horizontfragen“ zu beschäftigen, sei in dieser Lage oft purer „Luxus“, den sich nur eine „kleine Elite von Überfliegern“ leisten konnte. Vor diesem Hintergrund forderte Thielicke eindring- lich eine „Schwerpunktbildung“ in Studiums- und Examensordnungen. Damit sollte die „geistige Existenz“ – darunter fiel auch die universelle Ausrichtung des Studiums – vor den immer größer werdenden „Stoffmassen“ geschützt werden. Ein wirkliches allgemein- bildendes Studium, schloss der Theologe, konnte dann nur ein „Abfallprodukt“ dieser „eigentlichen“ Reform darstellen.36 In den Folgejahren mehrten sich im massenmedialen Diskurs die Stimmen, die insbe- sondere dem Bemühen um Einheit der Wissenschaften und um Reaktivierung der uni-

34Was wird aus der Hochschulreform 13.9.1952. 35Diese Vorstellung, dass eine Reform der Universität nicht so sehr bei institutionellen Neuerungen, sondern in erster Linie beim „Menschen“ ansetzen musste, war nach dem Krieg sehr verbreitet. Vgl. etwa Hühnerfeld 7.8.1952 – Rektorenkonferenz, der die Hochschulrektoren dazu aufforderte, sich nicht so sehr als Amtsträger, sondern als „Menschen“ für die Reform der Universitäten einzusetzen. Ähnlich auch Heyn 29.8.1946 – Ein Wort an die akademische Jugend; Minister und Studenten (1947). In: Die Zeit, 13.11.1947; Raederscheidt 27.11.1947 – Studententage; oder Walther Merck (1949): Hochschulreform. In: Die Zeit, 27.01.1949. 36Helmut Thielicke (1952): Das Schlagwort von der Hochschulreform. Kleine Kritik an dem unend- lichen Gerede vom studium generale. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.12.1952. Ähnlich auch einige Jahre später: Am Ende der Bildung? (1956). In: Die Zeit, 29.11.1956.

30 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität versitären Bildungsfunktion endgültig den Stempel des Scheiterns aufdrückten. Einen gewissen Endpunkt der Reformdiskussion in der Nachkriegszeit bildete schließlich die Nachfolgetagung der Hinterzartener Hochschulgespräche, zu der man 1955 in Bad Hon- nef zusammengekommen war. Der Bezug auf traditionelle Aufgaben der Hochschule – die Einheit der Wissenschaften wiederherzustellen oder Menschenbildung zu betreiben – wurde im Lauf der Konferenz zwar aufrechterhalten, hatte aber offenbar an Zugkraft verloren. Das Programm der Honnefer Tagung zur Hochschulreform, schrieb die Journa- listin Brigitte Beer in einem Leitartikel auf der Titelseite der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 17. Oktober 1955, war im Vergleich zur Konferenz in Hinterzarten drei Jahre zuvor viel „bescheidener“ geworden. Fragen einer „inneren“ Reform – dazu zählten laut Beer u.a. die Diskussion um „Fachschule oder Universitas litterarum, Spezialisten- tum oder Einheit der Wissenschaft“, aber auch der „Erziehungsauftrag“ der Universität – stünden nicht einmal mehr auf der Tagesordnung. Stattdessen habe man sich ausführlich mit Studentenförderung, der Nachwuchsfrage oder einer Neugliederung des Lehrkörpers befasst.37 In der „Zeit“ versuchte der Journalist Christian Lewalter seinen Lesern einen Eindruck von der niedergeschlagenen Stimmung unter den Konferenzteilnehmern zu vermitteln. Wer ein „Freund pessimistischer Zeitdiagnosen“ sei, begann Lewalter seinen Artikel, dem dürfte es in Bad Honnef nicht schwer gefallen sein, „Argumente für seine düsteren Per- spektiven zu sammeln“. Keiner der Teilnehmer hatte sich mit der Situation an den deut- schen Universitäten zufrieden gezeigt. Jeder sei sich der Notwendigkeit einer Reform bewusst. Seit „geraumer Zeit“, so Lewalter, war aber nun auch schon die „frohgemute Unbefangenheit“ der Nachkriegsjahre verschwunden, mit der allein „durchgreifende Re- formen“ umgesetzt werden konnten. Die Stimmung der Hochschulreformer, zitierte der Verfasser den Tagungsleiter Hermann Heimpel, war „verdrossen und resigniert“. Ähnlich wie Beer stellte Lewalter fest, dass das Wort „praktikabel“ während der Honnefer Tagung auffallend oft zu hören gewesen sei. Die „geistige“ Reform der Nachkriegszeit war offenbar gescheitert. Nun wollte man wenigstens das umsetzen, was eine Chance auf „Realisie- rung“ besaß und gleichzeitig neuen Herausforderungen wie dem immer problematischer werdenden Massenstudium begegnen.38

37Brigitte Beer (1955): Wie hilft man den Studenten? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.10.1955. Einige Tage später wiederholte Beer ihre Einschätzung. Am 5. November schrieb sie, dass „geistige“ Fragen in Honnef zugunsten von „organisatorischen“ Problemen in den Hintergrund getreten waren, siehe: Dies. (1955): Im Dienste von Forschung und Lehre. Die Dozentenschaft an den Universitä- ten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.11.1955. Brigitte Beer publizierte zwei weitere Beiträge zur Honnefer Tagung in der FAZ: Dies. (1955): Sicherung von Forschung und Lehre. Vorschläge der Honnefer Konferenz zur Hochschulreform. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.10.1955 und Dies. (1955): Der lange Weg zum Lehrstuhl. Reiz und Risiko der Universitätslaufbahn. In: Frank- furter Allgemeine Zeitung, 17.11.1955. Vgl. ähnlich resignative Einschätzungen über das Projekt einer „geistigen Rückbesinnung“ gegen Mitte der 1950er Jahre bei: Hans Magnus Enzensberger (01.12.1953): Dachgarten der Wissenschaften. Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, 84/I/53, S. 1 f. und Peter Haselberg (1954): Zwischen den Fakultäten. Engpässe der wissenschaftlichen For- schung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.09.1954. 38Christian E. Lewalter (1955): Die akademischen Bildungsstätten in unserer Zeit. In: Die Zeit, 27.10.1955. Heimpels Eröffnungsrede in Honnef wurde von der FAZ in Ausschnitten abgedruckt, siehe: Hermann Heimpel (1955): Probleme und Problematik der Hochschulreform. In: Frankfurter

31 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

Akademische Freiheit: Das Verhältnis von Universität und Staat und die Hoch- schulen in der „Zone“ Neben dem Komplex um universitas und Bildungsfunktion stand mit dem Verhältnis von Universität und Staat auch das Problem der akademi- schen Freiheit im Fokus massenmedialer Hochschuldiskurse. Wenig überraschend wurde eine Autonomie der Hochschulen vom Staat allseits begrüßt. Lediglich um das Aus- maß der Unabhängigkeit entwickelten sich Meinungsverschiedenheiten. Insbesondere die Frage, ob auch wirtschaftliche und finanzielle Verwaltung der Universität in Eigenregie geführt werden sollten, rief in diesem Zusammenhang Diskussionen hervor.39 Auffällig an der massenmedialen Debatte um das Verhältnis von Universität und Staat war jedoch v.a. der ständige Blick in Richtung Osten, wo man das Hochschulwesen in der sowjetischen Zone bzw. in der DDR nach Vorgaben umgestaltete, die so gar nicht der deutschen oder abendländischen Universitätstradition zu entsprechen schienen, der man sich in Westdeutschland verschrieben hatte. Insbesondere die starken Eingriffe des Staa- tes in den Bereich von Hochschule und Wissenschaft befremdeten viele Kommentatoren in den bundesrepublikanischen Medien. Durch die Konfrontation mit den ostdeutschen Hochschulen traten die Vorzüge der „eigenen“ Universitätsidee allerdings besonders deut- lich hervor. Im Jahr 1948 wurde die Situation an den ostdeutschen Hochschulen in der überregio- nalen Presse zum ersten Mal ausführlich zum Thema gemacht. Anlass war die bedrängte Lage der Berliner Universität, die immer mehr unter den politischen Druck der sowjeti- schen Besatzungsregierung geraten war. Am Ende dieses Prozesses stand die Etablierung der „Freien Universität“ im Dezember 1948.40 Seit dem Tag ihrer Gründung galt die neue Berliner Hochschule als „geistiges Bollwerk“ gegen den kommunistischen Osten, als Vorposten des wissenschaftlichen Geistes und der Wahrheitssuche. Die Neugründung war notwendig geworden, hieß es etwa in einem Bei-

Allgemeine Zeitung, 08.11.1955. Vgl. auch den Bericht der „Badischen Zeitung“ über einen Vortrag des Freiburger Rektors Bernhard Welte, der vor Studierenden über die Ergebnisse der Honnefer Kon- ferenz gesprochen hatte: Zum Stand der Hochschulreform (1956). In: Badische Zeitung, 21.02.1956. In Honnef, sagte Welte, habe man eher „praktische“ Fragen diskutiert, während man in den Jahren zuvor doch eher die „geistige Krise der Universität“ erkannt und „schonungslos“ darüber gesprochen habe. In diesem Sinn ebenfalls: Das „Honnefer Modell“ (1957). In: Die Zeit, 06.06.1957. Zum Pro- blem des Massenstudiums und den Lösungen, die der öffentliche Diskurs bereithielt, werde ich mich in Teil 3 der vorliegenden Arbeit ausführlich äußern. 39Erich Dombrowski, einer der Gründungsherausgeber der FAZ, gehörte zu den lautstärksten Verfech- tern einer möglichst weitgehenden Autonomie, die auch eine unabhängige Finanz- und Wirtschafts- verwaltung durch die Universität einschloss. Siehe: Erich Dombrowski (1954): Der Staat und die Universitäten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.11.1954; Ders. (1954): Selbstverwaltung un- ter Vormundschaft. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.12.1954; Ders. (1956): Der Metternich in uns. Staat und Universität. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.12.1956. Ähnlich auch Hel- mut Coing (19.09.1949): Der Hamburger Plan zur Hochschulreform. Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, 36/I/49 oder J. A. von Rantzau (1948): Universität und Staat. Zur Diskussion über die Hochschulreform. In: Die Zeit, 29.07.1948. Andere äußerten sich zurückhaltender, bspw.: Rupert Gießler (1953): Universität oder Staatsanstalt? In: Badische Zeitung, 05.02.1953; Universität ge- gen Ministerium (1948). In: Die Zeit, 10.06.1948. 40Vgl. Siegward Lönnendonker (1987): Freie Universität Berlin – Gründung einer politischen Uni- versität. Berlin und Karol Kubicki (Hg.) (2008): Die Freie Universität Berlin 1948-2007. Von der Gründung bis zum Exzellenzwettbewerb. Göttingen, besonders Kap. 1 und 2.

32 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität trag der „Zeit“ vom 18. November 1948, nachdem die Linden-Universität eine „Position der kommunistischen Zentralverwaltung für Volksbildung und der sie lenkenden Sowjet- behörden“ geworden war. Überhaupt seien die „Ostzonenuniversitäten“ jetzt durchweg von Maßnahmen der sowjetischen Besatzungsregierung bedroht, die unausweichlich zur Auflösung der omnipräsenten universitas führen musste. Als „wissenschaftliches Proviso- rium“ und als Institution der „geistigen Selbstbehauptung“, so der Verfasser des Artikels weiter, stellte die Freie Universität fraglos ein „Novum in der wissenschaftlichen Tra- dition Deutschlands“ dar. Schon jetzt besitze die neue Hochschule aber eine größere „geistige und moralische Bedeutung“ als die Linden-Universität, die sich angeblich zur „kommunistischen Lehrschule“ entwickelt hatte. Zwar habe die ostdeutsche bzw. sowjeti- sche Regierung zweifellos die größeren Mittel eingesetzt. Trotzdem hatte sich der Westen in den Augen des Verfassers als die „wirklich fortschrittliche“ Seite erwiesen, weil sie dem „Geist und der Freiheit“ zugewandt war.41 Als die DDR-Führung zu Beginn der 1950er Jahre mit der „zweiten Hochschulreform“ systematisch an eine „sozialistische Umgestaltung“ des ostdeutschen Hochschulwesens heranging42, flammte die Diskussion über die Universitäten im „anderen Deutschland“ in den westdeutschen Medien erneut auf. Auch in diesem Fall ging es vielen Beiträgen um einen zumindest impliziten Vergleich mit dem Projekt der geistigen Rückbesinnung in der Bundesrepublik. Die oft besonders grell ausgemalte Unfreiheit an den Hochschulen der „Zone“ sollte die moralische und wissenschaftliche Überlegenheit der freien Universitäten im Westen umso deutlicher vor Augen führen. Im Jugendfunk des Südwestfunks wurden im November und Dezember 1951 beispiels- weise zwei Sendungen ausgestrahlt, die sich mit den hochschulpolitischen Maßnahmen der DDR-Führung beschäftigten. Die im Wintersemester in Kraft tretende Hochschul- reform, erklärte der verantwortliche Redakteur Heinz Garber am 6. November 1951, bringe eine „vollständige Umgestaltung der alten deutschen Universitäten der Sowjetzo- ne“ mit sich, die „jahrhundertelang hervorragende Vertreter echten wissenschaftlichen Geistes“ gewesen seien. Die „volle Tragweite“ der Pläne sei noch nicht zu übersehen, das Ziel sei allerdings „allzu klar“: Die „Herauslösung der ostdeutschen Universitäten aus der internationalen Gemeinschaft all jener Bildungsstätten“ – Garber meinte damit natürlich auch die Universitäten in der Bundesrepublik – „denen die Pflege des christlich- abendländischen Erbes und einer humanen Wissenschaft auf der Grundlage von Freiheit

41Freie Universität Berlin (1948). In: Die Zeit, 18.11.1948. Vgl. auch schon: Hinter Humboldts Rücken. Seinem Gewissen und der SMA (1948). In: Der Spiegel, 24.04.1948; Freiheit der Meinung. Kampf der Berliner Studenten (1948). In: Die Zeit, 13.05.1948. Zur Freien Universität als „geistiger Basti- on“ gegen den kommunistischen Osten weiterhin: Martin Stiebing (1951): Das wissenschaftliche Abenteuer. Der Weg der Freien Universität Berlin. In: Die Zeit, 13.12.1951; Hochschule des geisti- gen Protests (1953). In: Die Zeit, 03.12.1953; Paul Hühnerfeld (1955): Kultur im Länderwinkel. Glanz und Elend der Berliner Hochschulen. In: Die Zeit, 19.05.1955; Sabina Lietzmann (1958): Ein dauerhafter Protest. Zehn Jahre Freie Universität Berlin. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.11.1958. 42Vgl. Siegfried Baske (1998): Das Hochschulwesen. In: Christoph Führ (Hg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Band VI: 1945 bis zur Gegenwart. Zweiter Teilband: Deutsche Demokratische Republik und neue Bundesländer. München (Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte), S. 202- 228, hier: S. 207-211.

33 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 der Lehre und Forschung edelste Selbstverpflichtung“ sei.43 Einige Wochen später folg- te eine zweite Sendung im Südwestfunk, die sich näher mit einem konkreten Problem der ostdeutschen Hochschulreform auseinandersetzte. Das neu eingeführte System der „gesellschaftswissenschaftlichen Zwischenprüfungen“, hieß es, habe mit „Wissenschaft in Wahrheit nicht mehr das geringste zu tun“, erst recht nicht mit dem „freien Geist“, der ein „integrierender Bestandteil einer echten Hochschule“ sei. Der Autor plädierte ein- dringlich für Unterstützung von Kommilitonen im Osten, die sich der „Umwandlung der Hochschulen in Bekenntnisschulen des Stalinismus“ widersetzten.44

In einer Bilanz über die Hochschulreformen in Ostdeutschland nach 1945 hielt Kurt Sontheimer – der zu diesem Zeitpunkt noch in Freiburg studierte – am 3. Januar 1956 in einer Sendung des Südwestfunks fest, dass die „großen Prinzipien der deutschen Hoch- schultradition seit Wilhelm von Humboldt“ in der DDR „praktisch nicht mehr zu erken- nen“ seien. Es sei geradezu erschreckend, „wie tief der geistige Riß ist, der sich zwischen dem Westen und dem Osten unseres Landes aufgetan hat“. Nachdem es schon zwischen 1945 und 1949 zu Kontrollmaßnahmen gekommen war, seien die Zügel nach Gründung der DDR noch fester angezogen worden. Noch mehr als bisher, betonte Sontheimer, hat- ten staatliche Organe „direkten Einfluß auf die Hochschulen“ erhalten, so dass die „vom Staate gewünschten Maßnahmen an den Universitäten ohne Schwierigkeiten durchge- führt werden konnten“. Mit der Studienreform aus dem Jahr 1951 sei die „Sowjetisierung“ der ostdeutschen Hochschulen dann „nahezu vollkommen“ gewesen. Die „mitteldeutschen Hochschulen der Gegenwart“, schloss Sontheimer, hatten mit den Universitäten der Bun- desrepublik „nur noch den Namen gemein“.45

Sontheimers eigene Universität, die Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, war nach 1945 stets darauf bedacht gewesen, die „großen Prinzipien der deutschen Hochschultra- dition seit Wilhelm von Humboldt“ zu ehren, aber auch ihre „abendländischen“ Wurzeln im Kontext der europäischen Universitätsentwicklung seit dem Mittelalter herauszustel- len. Im folgenden Abschnitt möchte ich auf die öffentlichen Orte eingehen, an denen sich die Freiburger Hochschule dieses Erbes versicherte, geistige Rückbesinnung und Kon- tinuität akademischer Tradition öffentlichkeitswirksam zur Schau stellte, und die alte „Idee der Universität“ einem größeren Publikum nahezubringen versuchte.

43Heinz Garber (06.11.1951): Hochschulreform in der sowjetischen Zone. Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, 64/I/51. 44Die Hochschulreform in der Sowjetzone. Die Zwischenprüfungen (11.12.1951). Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, 70/I/51. Vgl.: Universitäten als Parteischulen (1951). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.11.1951; Stalin lehrt Deutsch (1951). In: Die Zeit, 29.03.1951; Freiheit als Aufgabe (1951). In: Badische Zeitung, 24.11.1951. 45Kurt Sontheimer (03.01.1956): Die Sowjetisierung der mitteldeutschen Universitäten seit 1945. Hi- storisches Archiv des SWR Baden-Baden, 01/I/56. Vgl.: Pankow gibt den Geist auf (1958). In: Die Zeit, 28.08.1958.

34 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

2.1.2 Akademische Traditionen in der öffentlichen Selbstdarstellung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Nach dem Ende des Krieges hatte man an der Albert-Ludwigs-Universität sehr bald damit begonnen, die Rückkehr der Hochschule auf die Bühne der Öffentlichkeit vorzu- bereiten. Das Projekt einer Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln spielte in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Bereits unmittelbar nach dem Krieg liefen Planungen für eine große Vortragsreihe über das „Menschenbild“ an, an der sich zahl- reiche Größen der Universität beteiligten und mit deren Hilfe sich die Hochschule nach der Zeit des Nationalsozialismus wieder als wissenschaftliche Bildungsinstitution posi- tionieren sollte. Mit dem dies universitatis und dem studium generale gründete man zwei Einrichtungen, die sich ebenfalls v.a. durch öffentliche Vorträge an einer Wieder- belebung des universitas-Gedankens versuchten. Beginnen möchte ich jedoch mit einem klassischen Ort der öffentlichen Selbstdarstellung von Universitäten: den akademischen Feiern.

Akademische Feiern

Akademische Feiern werden von Universitäten bereits seit dem Mittelalter dazu ge- nutzt worden, um Kontakt mit Öffentlichkeiten jenseits der Hochschule aufzunehmen.46 Akademikern bot sich in diesem Kontext eine Gelegenheit, mit Vertretern politischer, wirtschaftlicher und kirchlicher Eliten zu kommunizieren. Die Festkultur eröffnete einen Raum, in dem Anliegen und Wünsche vorgetragen, aber auch Kritik an der Obrigkeit bzw. der politischen Führung geübt werden konnte. Nicht zuletzt vollzog sich im Medium der öffentlichen akademischen Feier auch nach 1945 vielerorts die Selbstdarstellung der Universität als Erbin humboldtscher oder abendländischer Traditionen. Diesem Zweck dienten Reden und Ansprachen von Hochschullehrer oder Studenten während der Feier- lichkeiten. Festschriften oder sonstige Publikationen, die von der Universität begleitend bzw. im Anschluss an die Feierlichkeiten herausgegeben wurden. Aber auch symbolische Praktiken, die den Zuschauern im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen führten, dass sich die Hochschule ihrer Geschichte und der klassischen Universitätsidee verpflichtet sah. Zu den akademischen Feiern, die ich im Folgenden untersuchen möchte, gehörte zum einen die Universitätsfeier bzw. die Rektoratsübergabe, die in Freiburg seit 1949 je- des Jahr im festlichen Rahmen öffentlich zelebriert wurde. Eine Bühne nicht nur der Freiburger, sondern auch der deutschen Universität insgesamt stellte das Jubiläum der Albert-Ludwigs-Universität dar, die im Juni 1957 unter Anteilnahme nationaler und in- ternationaler Öffentlichkeiten ihren 500. Geburtstag beging. Obwohl zu diesem Zeitpunkt

46Für die Frühe Neuzeit hat Marian Füssel zahlreiche Beiträge zu diesem Themenkomplex veröffent- licht: Füssel 2006 – Die inszenierte Universität; Ders. 2010 – Akademische Solennitäten; und seine Dissertation: Ders. 2006 – Gelehrtenkultur als symbolische Praxis, insbes. Kap. IV. Die akademi- sche Festkultur ist für die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Universitäten insgesamt besser aufgearbeitet als für die Universitäten des 20. Jahrhunderts. Vgl. dazu bspw. Kotowski 1999 – Die öffentliche Universität.

35 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 bereits neue Entwicklungen und v.a. neue Probleme an die Oberfläche drängten, standen die Feierlichkeiten immer noch überwiegend im Zeichen der traditionellen Universitäts- idee. Beginnen möchte ich jedoch mit der Eröffnung der Universität im September 1945, die der Freiburger Hochschule erstmals nach 1945 wieder den Schritt in die Öffentlichkeit gestattete.

Die Wiedereröffnung der Universität Freiburg In seiner Ansprache zur Wiedereröff- nung der Universität Freiburg am 17. September 1945 stellte Rektor Sigurd Janssen den Entwurf zu einem Programm vor, das Gestalt und Aufgabe der deutschen Universität nach der „Katastrophe“ skizzieren sollte. Janssens Ideen waren gleichzeitig als Leitlinie für die Zukunft der Freiburger Hochschule zu verstehen. Der Rektor knüpfte dabei an Traditionsbestände an, die er in erster Linie der neuhumanistischen Universitätsidee des 19. Jahrhunderts entnommen hatte. Demzufolge sollte an der Albert-Ludwigs-Universität die alte „Gemeinschaft von Schü- lern und Lehrern“ wiederhergestellt werden. Besonders wichtig schien Janssen in diesem Zusammenhang die „Gemeinschaft der Fakultäten“ zu sein: die universitas. Die Univer- sität, so der Rektor, sei nämlich keine „Fachschule“. Von den Studierenden wünschte sich Janssen, dass sie „wie früher“ auch die „Vorlesungen anderer Fakultäten“ besuchten. Man benötige jetzt „fachlich gute“, v.a. aber „allgemein gebildete Akademiker“. Ein weiteres Anliegen des Rektors betraf Wiederherstellung, Schutz und Ausbau der akademischen Freiheit. Die Universität, begann Janssen, war zuallererst der „Wahrheit“ verpflichtet. Wissenschaft konnte nur in einer „Atmosphäre der Wahrheit und Freiheit“ gedeihen. In den vergangenen Jahren – Janssen meinte natürlich die Zeit des National- sozialismus – sei diese Wahrheit aber von der staatlichen Zensur „unterdrückt“ worden. Propaganda habe die wissenschaftlichen Sinne „umnebelt“. Während Janssen hier noch eher indirekt von der akademischen Freiheit gesprochen hatte, wurde er kurz darauf deutlicher. Die „Freiheit“ von Wissenschaft und Universität zu schützen, erklärte der Rektor nun unmissverständlich, gehörte ebenso wie das Gebot der „Wahrheit“ zu den „Pflichten“ des Akademikers. Energisch warnte er vor der Gefahr, sich „Tagesschwan- kungen des partei- und wirtschaftspolitischen Getriebes“ auszusetzen. Um sein Anliegen zu unterstreichen, verwies der Rektor auf die große universitätshistorische Tradition in Deutschland. Selbst im Ausland, meinte Janssen, hatte man die „Verfassung der deut- schen Universität mit ihrer Selbstständigkeit und Selbstverwaltung“ schon immer „als die beste Form der Universitätsorganisation“ angesehen. Diese Freiheit „auf jeden Fall“ zu erhalten, das sei der Wunsch der Universität.47 Akademische Feiern stellten immer auch einen Ort dar, an dem die Universität ih- re Anliegen und Probleme mit Vertretern aus Wirtschaft, Kirche oder Politik verhan- deln konnte, auch wenn dieser Austausch dem feierlichen Anlass entsprechend oft sub- til vonstatten ging. Nachdem Janssen seine Ansprache beendet hatte, trat mit Gene- ral Schwartz beispielsweise der Chef der französischen Militärregierung in Baden ans Rednerpult. Der General hielt sich rhetorisch zwar zurück, ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass die französische Regierung entschlossen war, ihren Einfluss auf die Univer-

47Vgl. den Beitrag von Janssen in: Vincke (Hg.) 1948 – Hochschule und Wiederaufbau.

36 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität sitäten im südwestdeutschen Raum aufrechtzuerhalten. Er respektiere die „Freiheit des Geistes“, betonte Schwartz, die jedoch gleichzeitig stets mit dem „moralischen Gesetz“ verbunden sein sollte. Die „starke Hand“ der französischen Besatzungsmacht sollte die Arbeit der Universität stets „beschützen“ – eine Aussage, die man an der Albert-Ludwigs- Universität durchaus als versteckte Drohung interpretieren konnte. Trotz der Vorbehalte schien Schwartz Janssens Programm im Grundsatz zu akzeptieren. Die lange Tradition der Freiburger Hochschule behandelte er mit großem Respekt. Janssen sei zurecht „stolz“ auf die Geschichte seiner alma mater. Die Albert-Ludwigs-Universität, so Schwartz, be- stand schon „seit Ende des Mittelalters“ und hatte immer dann in voller „Blüte“ gestan- den, solange sie „frei“ gewesen war. Die „hohe Bedeutung“ der Wiedereröffnung, schloss der General, lag darin, dass „hiermit die Befreiung des so lange unterdrückten Geistes besiegelt“ worden war.48

Die Eröffnung der Universität Freiburg im September 1945 bedeutete zunächst v.a. einen Neuanfang für die theologische Fakultät. Denn nur dort sollte vorerst der Lehrbetrieb wieder aufgenommen werden. Der besonderen Rolle der Theologie im Rahmen der Fei- erlichkeiten und ihrer Bedeutung für die Universität, die ja im zeitgenössischen Diskurs immer wieder hervorgehoben wurde, widmete sich der katholische Publizist Karl Fär- ber, der zu dieser Zeit das Freiburger Katholische Kirchenblatt herausgab49, einige Tage später mit einem Beitrag in den Freiburger Nachrichten. Um Färber hatte sich in Freiburg bereits vor 1933 ein akademisch geprägter „Freundes- kreis“ gebildet. Mitglieder waren u.a. der badische Schriftsteller Reinhold Schneider, der Philosoph Max Müller oder der spätere Ministerpräsident Baden-Württembergs Hans Filbinger. Nach dem Krieg hatte Färber aktiv in der sogenannten „Christlichen Arbeits- gemeinschaft“ mitgewirkt, die vom Freiburger Mediziner Franz Büchner begründet wor- den war. Nicht zuletzt durch solche Aktivitäten stand der Publizist in engem Kontakt mit zahlreichen Freiburger Hochschullehrern wie Büchner, Constantin von Dietze, Max Müller, Erik Wolf oder Bernhard Welte.50 Später machte er sich in erster Linie als lang- jähriger Chefredakteur und Herausgeber der renommierten katholischen Wochenschrift Der „Christliche Sonntag“ bzw. deren Nachfolgepublikation „Christ in der Gegenwart“ einen Namen.51 Die Sonderstellung der Theologen bei der Wiedereröffnung der Albert-Ludwigs-Uni- versität bedeutete für Färber nicht nur einen Bruch mit der nationalsozialistischen Wissenschafts- und Hochschulpolitik. Seiner Meinung nach erinnerte sich die Freiburger Hochschule auf diese Weise gleichermaßen einer „abendländischen“ Tradition der Univer- sität, was der Publizist ausdrücklich begrüßte. In den letzten 150 Jahren, schrieb Färber, habe sich die Wissenschaft vom „Vorrang der Theologie“ zwar „total emanzipiert“. Pietät-

48Siehe Vincke (Hg.) 1948 – Hochschule und Wiederaufbau. 49Clemens Siebler (1990): Färber, Karl. In: Bernd Ottnad (Hg.): Badische Biographien, Neue Folge. Band 3. Stuttgart, S. 76-84. 50Vgl. Byong-Chol Lee (2000): Wirtschaftspolitische Konzeption der Christlichen Demokraten in Süd- baden 1945-1952 (Dissertation). Freiburg, insbesondere S. 73-99 zu Färbers Rolle bei der Entstehung der „Christlichen Arbeitsgemeinschaft“. 51Siebler 1990 – Färber, Karl.

37 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 voll habe man an den hohen Schulen aber zumindest an der „äußeren Vorrangstellung“ der Theologen festgehalten. Erst das „traditionslose“ Regime der Nationalsozialisten, so Färber, hatte diese „Etikette“ endgültig abgeschafft. Bei öffentlichen Kundgebungen der Universität habe man die Theologen vom Anfang an den Schluss gestellt. Lehrstühle seien „gestohlen“ worden, um sie anderen Fakultäten und Fächern zuzusprechen. Den „grundfesten Männern“ der Universität, betonte der Journalist, sei sofort klar gewesen, dass hier nicht nur die Theologie, sondern die „abendländische Humanitas“ insgesamt in Gefahr geraten war. Die Universität nach „uralten Grundsätzen der Selbstverwaltung“ neu zu gründen und mit der theologischen Fakultät zu eröffnen, war für Färber vor diesem Hintergrund alles andere als „reaktionär“, sondern bedeutete einen Dienst am „echten Geist“ und an der „wahren Freiheit“. Es handelte sich um eine „neue, wenn auch zunächst nur formal und äußerlich erscheinende Fühlungnahme mit den alten Kräften“, die das „Abendland gestaltet“ hatten.52

Mit ihren Stellungnahmen im Umfeld der feierlichen Wiedereröffnung hatten Janssen und Färber bereits wenige Monate nach Kriegsende vor den Augen der Öffentlichkeit deutlich gemacht, dass die Universität Freiburg nach dem Ende der NS-Herrschaft wie- der zu den Werten zurückkehren wollte – bedingungslose Wahrheitssuche, akademische Freiheit, Universalität – die sie in der Vergangenheit ausgezeichnet und zu wissenschaft- licher Größe geführt hatten. Die dunkle Vergangenheit des Nationalsozialismus sollte auf diese Art und Weise überwunden, der Anschluss an die geistige Welt des „Abendlands“ wieder geschafft werden. Die jährlichen Universitätsfeiern, die seit 1949 auch wieder die Übergabe des Rektorats mit einschlossen (Abb. 1), eröffneten der Albert-Ludwigs-Universität in den folgenden Jahren dann eine weitere Möglichkeit, sich in regelmäßigen Abständen ihres Erbes zu versichern und die so oft eingeforderte „Rückbesinnung“ zu verwirklichen.

Die Jahresfeiern der Universität Am 12. Mai des Jahres 1873 kündigte der Jurist Wilhelm Behaghel in der Aula der Universität Freiburg eine Premiere an. „Ich beschliesse die Funktionen des mir für das Studienjahr 1872/73 anvertraut gewesenen Prorectorates damit“, eröffnete Behaghel seinen Zuhörern, „dass ich eine Feierlichkeit erstmals eröffne, welche hinfort alljährlich wiederkehren soll“. Das Professorenplenum der Albert-Ludwigs- Universität hatte kurz zuvor beschlossen, den Wechsel des Rektorats künftig mit einer Feier zu begehen, die einen Bericht des scheidenden Rektors über die Ereignisse des vergangenen Jahres und danach einen Vortrag des neuen Rektors über ein wissenschaft- liches Thema aus seinem Fachgebiet oder eine „Angelegenheit der Hochschule“ beinhalten sollte.53

52Karl Färber (1945): Nachtrag zur Universitäts-Eröffnung. In: Freiburger Nachrichten, 21.09.1945. Vgl. auch eine Ansprache des damaligen Prorektors Franz Büchner an die Studenten bei der Uni- versitätsfeier 1946: Wissenschaft und Leben. Reden zur Universitätsfeier am 1. Juni 1946 (1948). Freiburg, S. 22-26. Der Mediziner forderte dort den „Heimgang“ aller Wissenschaften – insbesondere der Naturwissenschaft und der Medizin – zur Philosophie und zur Theologie (S. 24 f.). 53Wilhelm Behaghel; Otto Funke (1873): Reden, bei der öffentlichen Feier der Uebergabe des Pro- rectorats der Universität Freiburg in der Aula am 12. Mai 1873. Freiburg, S. 5.

38 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

Im Lauf des 19. Jahrhunderts hatten zahlreiche deutsche Universitäten eine solche Jahresfeier mit Rechenschaftsbericht, Rektoratsübergabe und Rektoratsrede eingeführt, wie sie Behaghel im Mai 1873 vorgestellt hatte.54 In Freiburg blieb die in diesem Jahr begründete Tradition mit kurzen Unterbrechungen – zwischen 1933 und 1945 erfolgten Rektoratsrede und Jahresbericht nur unregelmäßig – bis zum Ende der 1960er Jahre bestehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Jahresfeier bis 1949 allerdings zunächst ohne Rektoratsübergabe durchgeführt, weil die Rektoren der Nachkriegszeit für mehrere Jahre eingesetzt worden waren.55 Der Freiburger Rektor des akademischen Jahres 1873/74, der Professor für Physiolo- gie und Zoologie Otto Funke, charakterisierte den Sinn der damals neuen Einrichtung in seiner Antrittsrede so: Sie sollte der Universität eine Gelegenheit bieten, „alljährlich einmal vor das Forum der Öffentlichkeit zu treten“, um als „oberste geistige Culturstätte“ von ihrem „Leben und Treiben“, ihren „Entwicklungsphasen“ sowie „Wünschen und An- sprüchen, Hoffnungen und Befürchtungen für die kommenden Epochen“ zu berichten.56 Wie Funke angedeutet hatte, handelte es sich bei den Jahresfeiern um „rituell wieder- kehrende Anlässe“57, die von der Universität in der Tat dazu genutzt wurden, um öf- fentlich Rechenschaft abzulegen oder Verständnis für die eigenen Anliegen einzuwerben. Gleichzeitig entwarfen Hochschulen hier aber auch Selbstbilder, die in diesem Kontext an ein größeres Publikum außerhalb des „Elfenbeinturms“ vermittelt werden konnten. In der Nachkriegszeit standen dabei meist Elemente des traditionellen Ideals im Mittel- punkt, das beispielsweise Karl Jaspers so prominent formuliert hatte. Die Feier bot der Universität eine Bühne, auf der sie sich zum Teil ganz demonstrativ um Abgrenzung zu anderen Bereichen der Gesellschaft, um „Autonomie“ und „Freiheit“ bemühte. Auf der anderen Seite diente sie ebenso dem Ziel, der Hochschule einen Zugang zu Repräsen- tanten aus Politik, Wirtschaft, Justiz oder Kirche zu eröffnen, so dass eine regelmäßige Kommunikation mit der Universitätsumwelt etabliert werden konnte.58 Neben den Studierenden der Universität wurden Vertreter aus den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft zu den Universitätsfeiern eingeladen. Das Publikum umfasste lokale und regionale Politprominenz, Industrielle und Unternehmer aus der Region oder Abgesandte der Kirchen. Letzten Endes stand die Veranstaltung jedoch allen Interes- sierten offen, wobei die Räumlichkeiten in Freiburg – die Feier fand in der Aula des 1911

54Vgl. Dieter Langewiesche (2007): Zur untergegangenen Tradition der Rektoratsrede. In: Akademie Aktuell. Zeitschrift der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (2), S. 47-49. 55Siehe die Ausführungen von Constantin von Dietze in: Constantin von Dietze; Wolfgang Gentner (1949): Reden gehalten bei der Universitätsfeier am 16. April 1948. Freiburg sowie Constantin von Dietze (1949): Jahresbericht des Prorektors Prof. D. Dr. Constantin von Dietze vorgetragen bei der Universitätsfeier am 30. April 1949. Freiburg, S. 5. 56Behaghel, Funke 1873 – Reden, bei der öffentlichen Feier, S. 21-23. 57So die Formulierung in verschiedenen Publikationen von Dieter Langewiesche, der ein Forschungs- projekt zur Geschichte der Rektoratsrede betreut, bspw.: Langewiesche 2006 – Rektoratsreden, S. 48. 58Vgl. ebd., hier S. 48-50; Langewiesche 2007 – Zur untergegangenen Tradition der Rektoratsrede; Ders. (2010): Die „Humboldtsche Universität“ als nationaler Mythos. Zum Selbstbild der deutschen Universitäten in ihren Rektoratsreden im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. In: Historische Zeitschrift 290, S. 53-91, hier S. 53 f.

39 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 erbauten Hauptgebäudes statt – wenigstens bis zum Bau des zweiten Kollegiengebäudes 1961 nicht sonderlich viel Platz boten.59 Der Öffentlichkeitsgrad konnte darüber hinaus noch durch den Umstand gesteigert werden, dass die regionale Presse regelmäßig und ausführlich über die Universitätsfeier berichtete. Der Rechenschaftsbericht und insbeson- dere die Rektoratsrede wurden in der „Badischen Zeitung“ mit umfassenden Beiträgen bedacht, so dass auch diejenigen, die nicht dabei gewesen waren, an den Ausführungen der Freiburger Professoren teilhaben konnten.

Symbolische Kommunikati- on in den Jahresfeiern „In jedem Jahr fesselt das Schauspiel aufs neue, das die Universität zur Übergabe des Rektorats sich selbst und denen gibt, mit denen sie ir- gendwie verbunden ist“, begeisterte sich ein Au- tor der „Badischen Zei- tung“ in einem Beitrag vom 16. Mai 1955. Hin- ter den Pedellen mit den mittelalterlichen Univer- sitätszeptern60 (Abb. 2) Abbildung 1: Rektor Ernst von Caemmerer; Jahresfeier, 12. hielt der Lehrkörper der Mai 1956 Universität Freiburg fei- erlich Einzug, der – wie der Verfasser bemerkte – „von Jahr zu Jahr größer“ wurde. An der Spitze des Zuges marschierten der Freiburger Rektor mit der Amtskette (Abb. 3) und sein Stellvertreter, gemeinsam mit den Magnifizenzen aus Basel, Tübingen, Mainz, Karlsruhe, Stuttgart, Mannheim und Hohenheim, die man zur Feier der Rektoratsübergabe eingeladen hatte.61 Der von Klängen eines Kammerorchesters begleitete Einzug der im festlichen Talar gekleideten Professoren bildete wie immer den Eröffnungsakt der universitären Jahres- feier. Ähnlich wie die Präsentation der Zepter, die Sitzordnung im Festsaal oder das von einer symbolischen Übergabe der Amtskette markierte Ritual der Rektoratsüber- gabe gehörte die Prozession zu den Möglichkeiten symbolischer Kommunikation, die im Rahmen dieser akademischen Feste eine durchaus wichtige Rolle spielten. Die Klei-

59Dies scheint nicht nur ein Freiburger Problem gewesen zu sein, vgl. bspw. für die Universität Tübingen der Weimarer Zeit: Kotowski 1999 – Die öffentliche Universität, S. 25. 60Die Zepter stammten aus den Jahren 1466 bzw. 1512. Das jüngere Zepter sollte dem Rektor bei öffent- lichen Auftritten vorangetragen werden. Vgl. Inge Schroth (1957): Die Szepter der Universität. In: Kunstwerke aus dem Besitz der Albert-Ludwig-Universität Freiburg im Breisgau. 1457-1957. Berlin, S. 43-46. 61Die Hochschule im Mittelpunkt allen Lebens (1955). In: Badische Zeitung, 16.05.1955.

40 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

Abbildung 2: Zepter der Universität Freiburg (1512) dung, die Amtskette und die Präsentation der Universitätszepter, die nach dem Einzug vor dem Rednerpodium platziert wurden, verknüpften die Universität nicht nur mit ih- ren mittelalterlichen Ursprüngen und ihrer langen Geschichte. Auf diese Art und Weise sollte gleichzeitig dem Autonomiestreben der Universität Ausdruck verliehen und eine Abgrenzung zu anderen Bereichen der Gesellschaft wie Politik oder Kirche vollzogen werden.62 So stellte die „Badische Zeitung“ in einem Artikel vom 27. Mai 1955 fest, dass die Universität Freiburg bei der Rektoratsübergabe „ihr Recht auf Selbstverwaltung“ zelebrierte. Ein zentrales Element bei diesem Unternehmen stellten die Zepter dar, die der Freiburger Universität einst als Zeichen ihrer „Souveränität“ in der „Wahrnehmung ihrer wissenschaftlichen Aufgaben“ verliehen worden seien.63 Nicht zuletzt stellte man so die Autorität der Universität als Stätte der Wissenschaft heraus und präsentierte sich als geschlossene Korporation, die zwar verschiedene Glieder – repräsentiert durch die Dekane und die Mitglieder der verschiedenen Fakultäten – umfasste, aber dennoch eine einzige geschlossene universitas bildete. Zu den Abgrenzungsstrategien der Universität gehörte neben einer spezifischen Klei- dung oder Symbolen wie den beiden Zeptern auch eine bestimmte Sitzordnung, die den Akademikern eine herausgehobene Stellung im Festsaal verschaffte. Dekane und Lehr- körper der Universität Freiburg waren direkt neben dem Rednerpodium untergebracht. Auf der anderen Seite des Podiums saßen die eingeladenen Rektoren auswärtiger Uni- versitäten. Die übrigen Gäste – beispielsweise auch die Ehrensenatoren der Universität

62Vgl. zur Frühen Neuzeit: Füssel 2006 – Gelehrtenkultur als symbolische Praxis, Kap. IV. Am Beispiel der „Gelehrtenkleidung“: Ders. (2009): Talar und Doktorhut. Die akademische Kleiderordnung als Medium sozialer Distinktion. In: Barbara Krug-Richter (Hg.): Frühneuzeitliche Universitätskulturen. Kulturhistorische Perspektiven auf die Hochschulen in Europa. Köln, S. 245-271. 63Die Szepter der Universität (1955). In: Badische Zeitung, 27.05.1955.

41 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

– saßen in den hinteren Reihen oder frontal zum Rednerpodium.64 Nachdem der Prorektor seinen Rechenschaftsbericht abgeschlossen hatte, voll- zog sich das Ritual der Amtsübergabe, in dessen Verlauf der bisherige Rek- tor seinem Nachfolger die goldene Amtskette über- gab. Es handelte sich um einen symbolischen Akt, schließlich führte der neue Rektor die Amtsgeschäfte in diesem Augenblick schon seit einiger Zeit. Ähnlich wie die Talare oder die Zep- ter der Universität stellte das Ritual zum einen ei- ne Verbindung mit der Hi- storie der Universität her. Die Amtskette der Univer- sität Freiburg war im 18. Jahrhundert von der öster- reichischen Kaiserin Ma- ria Theresia gestiftet wor- den, unter deren Regie- Abbildung 3: Amtskette mit Maria-Theresia-Taler rung die Albert-Ludwigs- Universität, wie die „Badi- sche Zeitung“ meinte, „erst eigentlich ihr Format“ erhalten habe.65 Die Übergabe der Amtskette bedeutete in diesem Sinn Erinnerung und Rückbindung an eine formative Epoche in der Geschichte der Universität. Der symbolische Akt sollte auf der anderen Seite vor den Augen der Öffentlichkeit unter Beweis stellen, dass Bestand und Handlungs- fähigkeit der Korporation gewährleistet und die Kontinuität der akademischen Selbst- verwaltung gesichert waren. Die Amtskette, erklärte Constantin von Dietze, als er die Insignien des Rektors am 30. April 1949 an seinen Nachfolger Tellenbach übergab, konn- te als „Ausdruck dessen angesehen werden, was eine aus freien, in sich selbst, im eigenen Gewissen gehaltenen Männern gebildete Korporation bedeutet“.66

64Genaue Pläne zu den Sitzordnungen finden sich in den Akten des Universitätsarchivs zu den Jahres- feiern. 65Die Szepter der Universität 27.5.1955. 66Dietze 1949 – Jahresbericht des Prorektors Prof, S. 28.

42 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

Rechenschaftsberichte Den ersten „textlichen“ Teil der Universitätsfeier bildete ein Re- chenschaftsbericht des abtretenden Rektors, der dem Genre des „Berichts“ gemäß in einem sehr sachlichen Ton gehalten war. Mancher Hochschullehrer sprach offen vom „langweiligen“ Part der Veranstaltung.67 Zu Beginn wurden in der Regel die anwesenden Gäste förmlich begrüßt. Der Bericht lieferte dann meist einen Überblick über die per- sonellen Veränderungen an der Universität und die Entwicklung der Studentenzahlen. Daraufhin wurden die wichtigsten Entwicklungen des letzten Jahres in knapper Form abgehandelt: Lehrstuhlausbau, bauliche Tätigkeit, wichtige Veranstaltungen, schließlich Entwicklungen in Lehre und Forschung sowie in der Hochschulpolitik, im Bereich der akademischen Selbstverwaltung und der Universitätsverfassung.68 Die Formalität der Jahresberichte ließ den beteiligten Hochschullehrern nicht viel Raum zu wortreichen Selbstentwürfen. Dennoch versuchten Professoren auch diese Ge- legenheit zu nutzen, um ihren Vorstellungen vom „Wesen“ der Universität in der Öffent- lichkeit Ausdruck zu verleihen. Gerade in Anwesenheit von Gästen aus Parlamenten und staatlichen Verwaltungen war die akademische Freiheit ein Problem, das die Freiburger Rektoren in den Jahres- berichten gerne thematisierten. Naheliegenderweise kam in diesem Zusammenhang v.a. das Verhältnis von Universität und Staat zur Sprache. Man versicherte sich der Un- terstützung durch die Politik und sprach Dank für erbrachte Leistungen aus, erinnerte aber genauso an Grenzen staatlicher Einflussnahme. Dass Universitäten den „Regierun- gen ihrer Länder“ unterstehen, erklärte Friedrich Oehlkers in seinem Bericht über das Rektoratsjahr 1950/51, sei eine „sattsam bekannte Tatsache“. Dass diese Regierungen ein Aufsichtsrecht besaßen und dass Hochschulen ohne Zweifel auf Gelder angewiesen waren, die Parlamente zu bewilligen hatten. Trotzdem, merkte Oehlkers an, bildete die Universität immer noch eine „Korporation, deren Mitglieder einen Selbstverwaltungskör- per“ darstellten. Um zwischen Selbstverwaltung und staatlichem Entscheidungsrecht zu vermitteln, bedurfte es zwar einer „ständigen Fühlungnahme und sorgfältig wohlabgewo- gener Haltung“ zwischen Hochschule und Politik. Aber auf dem „Gebiet der Wissenschaft selbst“ konnte nur die Universität selbst „souverän“ sein. In Forschung und Lehre, schloss Oehlkers, durfte nicht der Staat, sondern nur das „Gewissen des einzelnen Universitäts- lehrers“ entscheiden.69 67So berichtet Constantin von Dietze, siehe: Dietze, Gentner 1949 – Reden gehalten bei der Universi- tätsfeier, S. 6. 68Die Jahresberichte erschienen seit 1952 in der Reihe „Annalen der Albert-Ludwigs-Universität Frei- burg im Breisgau“. Der erste, 1958 erschienene Band umfasste die Berichte zwischen 1952 und 1957: Gerd Tellenbach (Hg.) (1958): Annalen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Band 1: 1952-1957. Freiburg. Danach wurden die „Annalen“ als Einzelhefte publiziert. 69Friedrich Oehlkers (1951): Jahresbericht über das Rektoratsjahr 1951 (15. April 1950-14. April 1951). Vorgetragen bei der Rektoratsübergabe am 28. April 1951. Freiburg, S. 6 f. Vgl. Dietze, Gentner 1949 – Reden gehalten bei der Universitätsfeier, S. 18 f.; Sigurd Janssen (1958): Jahresbe- richt über das Rektoratsjahr 1952/53. In: Tellenbach (Hg.) 1958 – Annalen der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg im Breisgau, S. 7-19, hier S. 13 f.; Max Pfannenstiel (1958): Jahresbe- richt über das Rektoratsjahr 1954/55. In: Tellenbach (Hg.) 1958 – Annalen der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg im Breisgau, S. 31-48, hier S. 42 f.; Bernhard Welte (1958): Jahresbericht über das Rektoratsjahr 1955/56. In: Tellenbach (Hg.) 1958 – Annalen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, S. 49-70, hier S. 59 f.; Ernst von Caemmerer (1958): Jahresbericht über

43 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

Einen Schwerpunkt der Selbstbeschreibung in den Jahresberichten bildete die Rück- versicherung über die Aufgaben und das „Wesen“ der Universität. Verpflichtung zur bedingungslosen Wahrheitssuche durch Wissenschaft stand in diesem Zusammenhang an erster Stelle. Das vergangene Jahr, hieß es etwa im Bericht des Freiburger Ökonomen Constantin von Dietze vom 30. April 1949, sei in der langen Geschichte der Albert- Ludwigs-Universität sicher kein „durchschnittliches“ gewesen. Mit „besonderer Eindring- lichkeit“ hätten die letzten Monate gezeigt, dass die Universität „in täglicher Kleinarbeit“ alle Anstrengungen bündeln müsse, um die „materiellen Nöte“ zu beheben, die zu dieser Zeit in der Tat noch existierten. Von Dietze erinnerte seine Zuhörer aber auch daran, dass die eigentliche Bestimmung der hohen Schule auf einem völlig anderen Gebiet zu finden war. Über den materiellen Sorgen durfte man die „Hingabe an die edlen, in die Zukunft weisenden Aufgaben“ nicht vergessen. Ovid zitierend versuchte von Dietze den wirklichen Kern der Universität freizulegen: Im „Forschen nach der Wahrheit“ liege die „Tugend“ der Universität, im „Suchen nach neuen Wegen und Zielen“, aber auch in der „getreuen Bewahrung dessen, was frühere Generationen geschaffen“ hatten.70

Rektoratsreden Der symbolisch in sein Amt eingeführte Rektor bestritt den zweiten Teil der Jahresfeier mit einem Vortrag, der gleichzeitig den Abschluss der Veranstaltung markierte. Seit dem 19. Jahrhundert hatten sich verschiedene Typen von Rektoratsreden herausgebildet. Manche Beiträge versuchten die Universität, die Wissenschaft insgesamt oder ein spezifisches Fach in die „großen Entwicklungen in Staat und Gesellschaft“ der jeweiligen Zeit einzuordnen. Rektoren beschäftigten sich in den Rektoratsreden zum Teil ganz direkt mit der „Universität als Institution“, mit ihrer Verfassung beispielsweise oder der baulichen Entwicklung. Ein dritter Typus behandelte ein wissenschaftliches Thema aus dem Fachgebiet des jeweiligen Rektors, um die Bedeutung seiner Disziplin für die verschiedenen Wissenschaften, die Universität oder die Gesellschaft insgesamt deutlich zu machen.71

das Rektoratsjahr 1956/57. In: Tellenbach (Hg.) 1958 – Annalen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, S. 71-96, hier S. 73. Eine sehr markante Formulierung, um den autonomen Status der Universität zum Ausdruck zu bringen, hatte Sigurd Janssen gefunden, als er nach seinem zweiten Jahr im Rektorat 1953 den obligatorischen Jahresbericht ablieferte. Die Freiburger Hoch- schule, betonte Janssen gleich zu Beginn des Berichts, stellte eine „geschlossene Körperschaft“ dar, „bereit zum Lernen, Lehren und Forschen, eine Einheit, die alle Stürme der Zeit“ und, was besonders wichtig schien, „alle Regierungen überlebt“ habe. Die Albert-Ludwigs-Universität stehe „wuchtig und unerschüttert“ da, genauso „wie das Freiburger Münster“, siehe Janssen 1958 – Jahresbericht über das Rektoratsjahr 1952/53, S. 9. 70Dietze 1949 – Jahresbericht des Prorektors Prof, S. 26. Vgl. die Ansprache von Franz Büchner bei der Jahresfeier 1946 in: Wissenschaft und Leben 1948, S. 22-26; Oehlkers 1951 – Jahresbericht über das Rektoratsjahr 1951, S. 6.; Welte 1958 – Jahresbericht über das Rektoratsjahr 1955/56, S. 64; Der Archäologe Walter-Herwig Schuchhardt machte im Jahr 1954 darauf aufmerksam, dass sich die Aufgabe der Wahrheitssuche auch auf die Studierenden erstreckte, dass Forschung und Lehre also zusammengehörten. Der „stolze Wahlspruch“ der Albert-Ludwigs-Universität – „die Wahrheit wird euch frei machen“ – sei Lehrenden und Lernenden gleichermaßen „vorgeschrieben“. Siehe Walter- Herwig Schuchhardt (1958): Jahresbericht über das Rektoratsjahr 1953/54. In: Tellenbach (Hg.) 1958 – Annalen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, S. 21-30, hier S. 23. 71Vgl. Langewiesche 2006 – Rektoratsreden, S. 48 f.

44 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

Die Freiburger Rektoratsreden zwischen 1945 und 1957 waren letztlich alle dem letzt- genannten Typ zuzuordnen. Lateinische Psalmenübersetzung, Schwankungen des Mit- telmeerspiegels als Folge der Eiszeit oder Personenforschung in der Mediävistik gehörten zu den Themen, mit denen die Rektoren ihre Zuhörer erfreuten. Es handelte sich um wissenschaftliche Fachvorträge. Obwohl die Universität also selten direkt ins Blickfeld rückte, halfen auch solche Vorträge ein Bild von der Hochschule zu erzeugen, das auf den „gesunden Kern“ ihrer Tradition verwies. Erfolgte die Rektoratsrede in Form eines wissenschaftlichen Vortrags, dann sollte das zum einen demonstrieren, dass sich die Universität stets ihrer Bestimmung verpflich- tet sah, Wahrheitssuche durch Wissenschaft zu betreiben und auf diesem Wege zur umfassenden Bildung des Menschen beizutragen.72 „Jedes gesprochene Wort in unsern Hörsälen“, sagte der Geologe Max Pfannenstiel während der Jahresfeier 1954 über den „Sinn der Rektoratsrede“, stand im Dienst der „Erkenntnis“. Jede akademische Vorlesung, ausdrücklich auch die Rektoratsrede, bemühte sich darum, in „lauterer Wissenschaftlich- keit“ eine „Klärung der Dinge“ zu erreichen und in unserer Welt Ordnung zu schaffen.73 Dies galt nicht zuletzt für den Rektor selbst, der – auch das sollten die Vorträge zeigen – weiterhin Lehrer und Forscher blieb, obwohl er als Leiter der Selbstverwaltung nun für ein Jahr Verwaltungs- und Repräsentationsaufgaben zu übernehmen hatte. „Auch der Rektor von heute“ sei nicht einfach „Geschäftsträger“ oder „Verwaltungsbeamter“, der „in der Erledigung von tausend kleinen und größeren Anliegen“ aufgehe, betonte der Theologe Arthur Allgeier am 1. Juni 1946 in einem kurzen Prolog zu seiner Rektoratsre- de über „Lateinische Psalmenübersetzung in alter und neuer Zeit“. Er selbst wehrte sich jedenfalls dagegen, in Geschäftstätigkeit dieser Art zu „versinken“. Für Allgeier schien es selbstverständlich, dass man ihm anlässlich der Jahresfeier bereitwillig „in seine geistige Welt“ folgte, „so abgelegen und fremd“ sie anderen auch vorkommen mochte.74 Wenn sich Freiburger Hochschullehrer in ihren Rektoratsreden vorzugsweise den ei- genen Forschungsschwerpunkten zuwandten, folgten sie jedoch in erster Linie dem laut- starken Ruf nach Wiederbelebung der universitas. Die Vorträge brachten auf der einen Seite die Vielfalt der wissenschaftlichen Tätigkeit an der Albert-Ludwigs-Universität zum Ausdruck.75 In zahlreichen Fällen versuchten die Rektoren aber auch ganz expli- zit Verbindungen zwischen der eigenen Disziplin und anderen Fächern aufzuzeigen und Erkenntnisse aus einem speziellen Fachbereich in den universalen „Kosmos der Wissen- schaften“ einzuordnen. Der Vortrag des Ökonomen Constantin von Dietze über „Wege und Aufgaben wis- senschaftlicher Agrarpolitik“ aus dem Jahr 1947 bot ein Beispiel dafür, wie eine Rek- toratsrede in die universitäre Arbeit an der eigenen Tradition – insbesondere an der universitas-Idee – eingebunden werden konnte. Der Albert-Ludwigs-Universität, leitete

72Die Rektoratsreden „beschworen Forschung als Bildungsmacht“, schreibt etwa Langewiesche 2006 – Rektoratsreden, S. 49. 73Max Pfannenstiel (1954): Die Schwankungen des Mittelmeerspiegels als Folge der Eiszeiten. Frei- burger Rektoratsrede am 15. Mai 1954. Freiburg, S. 5. Vgl. Gerd Tellenbach (1949): Goethes geschichtlicher Sinn. Freiburger Rektoratsrede vom 30. April 1949. Freiburg, S. 5. 74Wissenschaft und Leben 1948, S. 7-20, hier S. 8. 75Vgl. Langewiesche 2006 – Rektoratsreden, hier S. 48 f.

45 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 von Dietze seinen Vortrag ein, sei keineswegs daran gelegen, eine „erstarrte Überliefe- rung zu konservieren“. Allerdings pflegte sie eine „der ratio entsprungene und stets aus der ratio zu belebende traditio im Bewußtsein der Verantwortung vor Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“. Dieser Traditionspflege sollte von Dietzes Vortrag dienen. Der Wirtschaftswissenschaftler versuchte seinen Zuhörern nämlich nicht nur Einzelheiten aus dem Feld der Agrarpolitik nahezubringen. Mit seiner Rede verfolgte er vielmehr das Ziel, die Entwicklung seines Fachs zu skizzieren, um so schlussendlich zu einer „Klärung des rechten Verhältnisses zwischen Spezialdisziplin, Fachwissenschaft und Universitas Lit- terarum“ beizutragen. Diese Aufgabe, gab der Freiburger Ökonom zu, erforderte die „Arbeit von Generationen“. Dennoch musste sie „tagtäglich bedacht und angegangen werden“. Nicht nur die „rechte Ausgestaltung der Lehrtätigkeit“, sondern nahezu das „ganze Universitätsleben“ hing davon ab. Das „Zusammengehörigkeitsgefühl“ der Uni- versität, das auf einem „Ethos selbstlosen Forschens nach erweisbarer Wahrheit und der unbeirrbaren Wahrhaftigkeit in der Lehre“ beruhte, konnte nach von Dietzes An- sicht nur profitieren, wenn Professoren in ihrer täglichen Arbeit über das Verhältnis von Spezialisierung und universitas reflektierten. Die Hochschule sollte in seinen Augen auf „Bewahrung und Wiedergewinnung einer echten Universitas Litterarum“ hinarbeiten und zu diesem Zweck „gründlich durchdachte Reformen“ ins Werk setzen.76 Andere Rektoratsreden griffen das Spannungsverhältnis Spezialisierung und universi- tas in den folgenden Jahren ebenfalls auf. Der Atomphysiker Wolfgang Gentner sprach bei der Jahresfeier 1948 beispielsweise über das Problem der Radioaktivität, das im „Atombombenzeitalter“ auch in populären Medien überaus intensiv diskutiert wurde und ein „Machtmittel der hohen Politik“ geworden war. Gentner ging das Thema aus- drücklich nicht nur aus der Perspektive des Physikers an. Sein Vortrag sollte vielmehr zeigen, was die Radioaktivität für „verschiedene Zweige der Naturwissenschaften ge- leistet“ habe und „welche Probleme mit der radioaktiven Methode“ bearbeitet werden konnten. Gentner ging in diesem Zusammenhang u.a. auf die Möglichkeit ein, Alters- bestimmungen mit Hilfe von Halbwertszeiten der radioaktiven Elemente durchzuführen. Seiner Meinung nach konnte diese Methode sowohl für geologische, als auch für kosmo- logische Forschungen von großer Bedeutung sein. Der Vortrag, fasste Gentner am Ende zusammen, hatte demonstrieren sollen, wie „fruchtbar eine Forschungsrichtung für weite Nachbargebiete werden kann“. Die „allzu große Einseitigkeit des Fachmannes auf einem schmalen Spezialgebiet“ werde von „Außenstehenden“ oft überschätzt. Der Erfolg eines Wissenschaftlers, schloss der Freiburger Atomphysiker, konnte nur dann „von Dauer“ sein, wenn er „die Gabe besitzt, die Zusammenhänge seiner eigenen neuen Ergebnisse mit anderen Forschungseinrichtungen zu überblicken“.77

76Constantin von Dietze (1948): Wege und Aufgaben wissenschaftlicher Agrarpolitik. Rektoratsrede vom 23. Mai 1947. Freiburg, S. 5 und 24 f. 77Siehe den Beitrag von Gentner in: Dietze, Gentner 1949 – Reden gehalten bei der Universitätsfeier, S. 24-38. Weitere Beispiele: Arthur Allgeiers Rektoratsrede in: Wissenschaft und Leben 1948, S. 7-20, hier S. 20; Tellenbach 1949 – Goethes geschichtlicher Sinn, S. 5; Bernhard Welte (1955): Die Wesensstruktur der Theologie als Wissenschaft. Freiburger Rektoratsrede am 14. Mai 1955. Freiburg; Gerd Tellenbach (1957): Zur Bedeutung der Personenforschung für die Erkenntnis des frühen Mittelalters. Freiburger Rektoratsrede am 4. Mai 1957. Freiburg, S. 21. Ein weiteres Beispiel

46 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

Die Besinnung auf den „gesunden Kern“ der Universitätstradition, der bei den Jah- resfeiern also eine ganz entscheidende Bedeutung zukam, verlagerte sich im Jahr 1957 auf eine größere Bühne, als die Albert-Ludwigs-Universität ihren 500. Gründungstag mit einem großen Festakt beging. Auch in diesem Kontext spielte das deutsche und v.a. das „abendländische“ Erbe der hohen Schulen eine zentrale Rolle. Während die jährliche Universitätsfeier v.a. auf lokale und regionale Öffentlichkeiten ausgerichtet war, erreich- te die Öffentlichkeitswirkung während des großen Jubiläums der Freiburger Hochschule ganz andere Dimensionen. Zumindest die akademische Welt schaute in diesen Tagen nach Freiburg.

Das Jubiläum der Universität Freiburg 1957 In der Frühen Neuzeit hatte sich eine akademische Jubiläumskultur heraus gebildet, von der viele Elemente bis ins 20. Jahr- hundert erhalten geblieben waren. Besinnung auf die Geschichte der eigenen Universität und die großen universitätshistorischen Traditionslinien war von Beginn an integraler Bestandteil dieser Kultur gewesen. Noch in viel stärkeren Maß als die Jahresfeiern der Hochschule übernahmen Jubiläen dabei die Funktion von „Öffentlichkeitsgeneratoren“. So gab man beispielsweise große universitätsgeschichtliche Festschriften heraus, berei- tete Ausstellungen zur Historie der Universität vor oder ließ sogar historische Szenen nachstellen. Ähnlich wie bei den jährlichen Universitätsfeiern bot sich hier eine Möglich- keit, mit der Umwelt der Hochschule zu kommunizieren, indem man zahlreiche Gäste aus Politik, Wirtschaft oder Kirche einlud. Während der oft mehrtägigen Feierlichkei- ten wurde zudem die städtische Bevölkerung eingebunden, beispielsweise durch große akademische Festumzüge. Im 19. Jahrhundert entwickelten sich Jubiläen so zu Veran- staltungen mit „Volksfestcharakter“. Nicht zuletzt war die Beteiligung der Massenmedien bei einem Universitätsjubiläum sehr viel intensiver, weil anders als bei den Jahresfeiern nicht nur Journalisten der Lokal- und Regionalzeitungen, sondern Berichterstatter aus dem ganzen Land, zum Teil sogar aus dem Ausland anreisten.78 Das alles traf mehr oder weniger auch für das Freiburger Jubiläum zu.

Jubiläum und Öffentlichkeit Bereits im Vorfeld der 500-Jahr-Feier zwischen dem 24. und 29. Juni 195779 waren in der Universitätsbibliothek und dem Augustinermuseum zwei Ausstellungen zu sehen, von denen eine die frühe Geschichte der Hochschule behan- delte, während die andere den Freiburger Wiederaufbau nach dem Krieg darzustellen

stellt die Rektoratsrede von Sigurd Janssen aus dem Jahr 1952 dar, die nicht gesondert veröffentlicht wurde. Aus dem Bericht der „Badischen Zeitung“ geht aber hervor, dass Janssen in seinem Vortrag ausdrücklich auf die „tiefen Beziehungen“ zwischen Medizin, Chemie und Biologie eingegangen war, vgl.: Der Dank der Universität an Baden. Die feierliche Rektoratsübergabe – Der Prorektor gab Rechenschaft (1952). In: Badische Zeitung, 09.05.1952. 78Zu Geschichte und Bedeutung des Universitätsjubiläums u.a.: Müller 1998 – Erinnern an die Grün- dung; Becker 2008 – Jubiläen als Orte universitärer Selbstdarstellung sowie Paletschek 2010 – Fest- kultur und Selbstinszenierung deutscher Universitäten. 79Vgl.: Festprogramm für die 500 Jahrfeier der Universität Freiburg 1957 ([1957]). Freiburg.

47 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 versuchte.80 Das massenmediale Interesse an der Albert-Ludwigs-Universität reichte in den Ta- gen des Jubiläums über den regionalen Raum hinaus, was sonst nur selten der Fall war. Südwestfunk und „Süddeutscher Rundfunk“ bemühten sich um eine Übertragung der Feierlichkeiten, insbesondere der Festreden.81 Der Sender aus Baden-Baden erhielt schließlich den Zuschlag.82 Außerdem produzierte der SWF einen halbstündigen Film, der am 2. Juli 1957 im deutschen Fernsehen gezeigt wurde. Darin ging es um Wieder- aufbau und Modernisierung der Universität nach dem Krieg, Studium und studentisches Leben, wissenschaftliche Leistungen, aber eben auch um die Geschichte der Albertina und die großen Traditionslinien, in die sie sich einfügte.83 Die Presse war ebenfalls stark involviert. Neben der „Badischen Zeitung“ und anderen Blätter aus der Region berich- teten v.a. auch die überregionalen Tages- und Wochenzeitungen ausführlich über das Freiburger Jubiläum.84 Nicht zuletzt demonstrierten die Feierlichkeiten die engen Verbindungen zwischen Uni- versität und Stadt bzw. der städtischen Bevölkerung, die regen Anteil am Jubiläum

80Siehe: Ausstellung über den Wiederaufbau (1957). In: Badische Zeitung, 03.03.1957. 81Der „Süddeutsche Rundfunk“ wollte einige Festvorträge in seine Sendereihe „Lebendige Wissenschaft“ aufnehmen, siehe bspw.: J. Schlemmer, SDR an Erik Wolf. Jubiläumsvorträge in der Reihe „Lebendi- ge Wissenschaft“ (20.02.1957). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1608. Demnach hatte Hugo Friedrich dem SDR bereits zugesagt. Für die Ausstrahlung seines Vortrags über „Das Recht des Nächsten“ wurde dem Freiburger Juristen Erik Wolf ein Honorar von 400 DM angeboten. 82Siehe: Der Rektor der Universität Freiburg an die Professoren Bergsträsser, Fr. Büchner, H. Friedrich, Heidegger, Oehlkers, Tellenbach, Welte und Wolf. Ausstrahlung der Jubiläumsvorträge im Rundfunk. (04.03.1957). Universitätsarchiv Freiburg, B 26/19. Der Rektor bat die Festredner, die Rechte an ihrem Vortrag vorzugsweise an den Südwestfunk zu geben, weil sich dessen Intendant Friedrich Bischoff in „außerordentlich großzügiger Weise“ für die „kulturelle Ausgestaltung“ der Jubiläumsfeier eingesetzt habe. Einen Überblick über die Direktübertragungen des Südwestfunks im Rahmen des Jubiläums bietet: Der Südwestfunk in der Jubiläumssendung der Universität Freiburg ([22.06.1957]). Universitätsarchiv Freiburg, B 26/19. 83Der Film kann bei der Informations- und Dokumentationsabteilung des SWR in Baden-Baden angese- hen werden. Siehe auch die kritische Besprechung: Jubiläum – von ferne gesehen. Zur Fernsehsendung des Südwestfunks (1957). In: Freiburger Studentenzeitung 7, 1957 (5). 84Insbesondere die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ tat sich in diesem Zusammenhang hervor: Hochschul-Jubiläum. 500 Jahre Freiburger Universität (1957). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.06.1957; Freiburg im Fahnenschmuck (1957). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.06.1957; Ur- sula Binder-Hagelstange (1957): 500 Jahre Alma Mater Friburgensis. Marginalien zu dem Uni- versitätsfest. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.06.1957; Der Mensch als Thema. Wissenschaft- liche Referate der Freiburger Jubiläumsfeier (1957). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.06.1957; Paul Noack (1957): Die Gelehrtenrepublik. Die 500-Jahr-Feier der Albert-Ludwigs-Universität Frei- burg. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.06.1957. Die einflussreiche evangelische Wochenzei- tung „Christ und Welt“ publizierte ebenfalls mehrere umfangreiche Beiträge zum Freiburger Jubilä- um: Habsburger Hochschule am Rhein. Fünfhundert Jahre Universität Freiburg (1957). In: Christ und Welt, 30.05.1957; Stefan Teodorescu (1957): Das Freiburger Gelehrtentreffen. Jubiläum der Albert-Ludwigs-Universität. In: Christ und Welt, 04.07.1957; Die Zeitung druckte auch einen Teil von Arnold Bergstraessers Festvortrag ab: Arnold Bergstraesser (1957): Wissen, Urteil und Ver- antwortung. In: Christ und Welt, 08.08.1957. Anlässlich des Jubiläums begann die „Zeit“ eine Serie von Universitätsporträts mit der Universität Freiburg: Rudolf Walter Leonhardt (1957): Freiburgs Albertina Ludoviciana. Porträts deutscher Universitäten (1). In: Die Zeit, 04.07.1957. Zahlreiche weitere Beiträge finden sich in den Zeitungsausschnittssammlungen im Universitätsarchiv Freiburg.

48 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

„ihrer“ Hochschule nahm. „Was bleibt uns zu tun“, fragte wenige Monate vor dem Fest beispielsweise ein Autor des kleinen „Freiburger Stadtanzeigers“. Das Jubiläum der Uni- versität war für ihn nicht nur eine Sache des Rektorats. Nach Meinung des Verfassers konnte das „Verhalten der Freiburger Bevölkerung“ wesentlich zum Gelingen der Feier beitragen. Die Mitarbeit begann bei der „Quartierbeschaffung“. Darüber hinaus sollten sich die Freiburger darum bemühen, eine „würdige Szenerie für die internationale Be- gegnung der geistigen Welt“ zu schaffen, etwa durch „Planung und Vorarbeit in den Vorgärten“, um die Gäste mit gefälligem „Blumenschmuck“ begrüßen zu können. In er- ster Linie werde es aber darauf ankommen, dass „die Öffentlichkeit regen Anteil an dem Jubiläum nimmt“ und so „Verbundenheit mit ihrer alma mater“ demonstriert.85 Schon im Vorfeld des Jubiläums hat- te die „Badische Zei- tung“ einen Festzug gefordert, um so den Freiburgern eine Ge- legenheit zu bieten, die Rektoren aus dem In- und Ausland „in ihren stolzen Tala- ren“ zu bewundern. Ein großer Teil der Bevölkerung, hieß es, konnte an dem Fest- akt in der Stadthalle schließlich nicht teil- nehmen.86 Der Fest- Abbildung 4: Rektoren im Festzug, 25. Juni 1957 zug der Rektoren fand während der Festwoche dann tatsächlich statt und brachte trotz regnerischen Wetters zahlreiche Menschen auf die Straße (Abb. 4), ähnlich wie ein Fackelzug der Studenten am selben Abend (Abb. 5).

85Freiburgs größtes Ereignis wirft seine Schatten voraus. Die Vorbereitungen zur 500-Jahrfeier der Universität sind in vollem Gange (1957). In: Freiburger Stadtanzeiger, 04.04.1957. Vgl.: Ein Schau- fensterwettbewerb im Jubiläumsjahr (1956). In: Badische Zeitung, 14.12.1956. Oberbürgermeister Brandel, hieß es dort, hatte auch die „Freiburger Geschäftswelt“ zu einer Beteiligung am Jubiläum zu bewegen versucht, u.a. durch einen Schaufensterwettbewerb über die gelungenste Jubiläums- dekoration. Die Beteiligung der Bevölkerung am Jubiläum und das „Zusammengehörigkeitsgefühl“ zwischen Universität und Stadt thematisieren auch: Blau – weiß – blau (1957). In: Badische Zeitung, 22.06.1957 sowie: Fontänen leuchten zum Fest (1957). In: Badische Zeitung, 25.06.1957. 86Die Bevölkerung erwartet ein Schauspiel (1957). In: Badische Zeitung, 26.04.1957. Subtile Kritik an einer vermeintlichen „Ausgrenzung“ der „normalen“ Bevölkerung übt auch: Statisten und Zaungäste (1957). In: Badische Zeitung, 24.06.1957. Offenbar wurden viel mehr Karten nachgefragt, als für den Festakt zur Verfügung standen. Deshalb wurde die Veranstaltung in verschiedene Hörsäle der Universität und auch ins Mösle-Stadion in der Nähe der Stadthalle übertragen, siehe: 11000 Karten und 3500 Plätze (1957). In: Badische Zeitung, 24.06.1957.

49 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

Selbst das Colombi-Hotel, das viele der prominenten Gäste beherbergte, wurde von Schaulustigen belagert. Die „Feier der Universität“, konstatierte ein Autor der „Badischen Zeitung“, hatte sich „beinahe“ zu einem „Volksfest“ entwickelt. Das eigentliche Zentrum des Jubiläums sei aber trotzdem die „Wissenschaft“ gewesen.87 Tatsächlich maßen die Planer an der Hochschule gerade diesem Punkt große Bedeutung bei.

Vorbereitung und Pla- nung des Jubiläums Die Universität Frei- burg bereitete sich bereits seit Beginn der 1950er Jahre auf ihr großes Jubi- läum vor.88 Der akademische Senat hatte zwei Kommissionen mit der Planung der Feierlichkeiten be- traut. Ein erstes Gremium, das 1952 unter Leitung des Abbildung 5: Studentischer Fackelzug, 25. Juni 1957 Theologen Johan- nes Vincke zum er- sten Mal zusam- mentrat, war für die universitätshistorischen Publikationen verantwortlich, die anläs- slich der 500-Jahr-Feier herausgegeben werden sollten. Die Arbeit der Kommission führte zur Begründung einer Schriftenreihe, den sogenannten „Beiträgen zur Freibur- ger Wissenschafts- und Universitätsgeschichte“, in der schon in den Jahren vor 1957 zahlreiche Arbeiten zur Entwicklung der Fakultäten an der Albert-Ludwigs-Universität erschienen.89 Darüber hinaus wurden viele weitere Aspekte der Universitätsgeschichte abgedeckt. So veröffentlichte man im Rahmen dieser Serie zum Beispiel Beiträge, die über das „Frauenstudium“ an der Universität oder die Geschichte des Privatdozenten in Freiburg informierten.90 Als „Festgabe“ der einzelnen Fakultäten zum Jubiläum er-

87Siehe den Bericht in: Dreitausend Ochsenhappen im Hörsaal (1957). In: Badische Zeitung, 26.06.1957. Vgl. Noack 29.6.1957 – Die Gelehrtenrepublik. Auch Noack hatte beobachtet, dass die Universitäts- feier von den eigentlich „ruhigen Badenern“ zu einer echten „Volksfeier“ gemacht worden war. 88Im akademischen Senat befasste man sich Ende des Jahres 1950 zum ersten Mal mit dem bevor- stehenden Jubiläum, siehe: Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, den 6. Dezember 1950 ([Dezember 1950]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/7. 89Der erste Band handelte etwa von der „Vertretung der Kirchengeschichte“ an der Freiburger Hochschu- le: Eugen Säger (1952): Die Vertretung der Kirchengeschichte in Freiburg. Von den Anfaengen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Schulgeschichte der Aufklärung. Freiburg (Beiträge zur Freiburger Wissenschafts- und Universitätsgeschichte, 1). 90Ernst Theodor Nauck (1953): Das Frauenstudium an der Universität Freiburg i. Br. Freiburg (Beiträ-

50 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität schien dann seit 1957 eine ganze Reihe weiterer Bände in den „Beiträgen zur Freiburger Wissenschafts- und Universitätsgeschichte“.91 Die zweite Jubiläumskommission befasste sich seit 1955 mit der Programmgestaltung im engeren Sinn.92 Sie wurde zunächst von Franz Büchner, später von dem Politikwis- senschaftler Arnold Bergstraesser geleitet. Im Fokus der Jubiläumsplaner stand eine Besinnung auf die vermeintlich „gesunde Tradition“ der deutschen oder – wie es im Umfeld der Jahrhundertfeier in Freiburg mei- stens hieß – der „abendländischen“ Universität. Die Freiburger Hochschule sollte sich während der Festwoche als Sachwalterin dieses Erbes präsentieren, gerade auch vor dem Hintergrund der Hochschulentwicklung in Osteuropa und Ostdeutschland. Schon die er- sten Programmentwürfe, die der Senatsbeauftragte Franz Büchner im Dezember 1955 präsentiert hatte, ließen eine solche Ausrichtung erkennen.93 Die Universität versuchte nicht nur „bloß symbolisch“ 500 Jahre ihrer Geschichte darzustellen, wie Jubiläumsrektor Gerd Tellenbach die Idee hinter den Feierlichkeiten zusammenfasste. Die Albertina, be- tonte Tellenbach rückblickend in seinem Rechenschaftsbericht vom 21. Juni 1958, hatte nach dem Willen der Verantwortlichen als Beispiel für die „in der abendländischen Ge- schichte entstandenen freien Stätten der Forschung und der Bildung“ in Szene gesetzt werden sollen. Ziel der Jubiläumswoche war demnach nicht nur gewesen, „eine große Feier“ zu organisieren, sondern mehr noch an einer „intensiven Verwirklichung der Uni- versität Freiburg“ zu arbeiten. Im Mittelpunkt sollte das stehen, was ohnehin Aufgabe der Universität war und immer schon ihrem „Wesen“ entsprochen hatte: Wissenschaft.94

ge zur Freiburger Wissenschafts- und Universitätsgeschichte, 3); Ders. (1956): Die Privatdozenten der Universitaet Freiburg i. Br. 1818-1955. Freiburg (Beiträge zur Freiburger Wissenschafts- und Universitätsgeschichte, 8). 91Über die Anlage der Jubiläumspublikationen informierte auch die „Badische Zeitung“, siehe: Die Geschichte der Fünfhundertjährigen. Ein dreifaches historisches Werk zur 500-Jahr-Feier der Uni- versität Freiburg (1953). In: Badische Zeitung, 26.03.1953. Außerdem: Die Universität schreibt ihre Geschichte (1955). In: Badische Zeitung, 21.05.1955 92Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, 23. Februar 1955 ([Februar 1955]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/11. 93Protokoll der Sitzung der Jubiläumskommission II am Freitag, den 2. Dezember 1955 ([1955]). Uni- versitätsarchiv Freiburg, B 26/24; Protokoll der Sitzung der Senatskommission zur Vorbereitung der 500-Jahrfeier (Jubiläumskommission II) am Dienstag, den 20.12.1955 ([1955]). Universitätsarchiv Freiburg, B 26/24. Vgl. auch Meike Steinle (2007): Das Universitätsjubiläum 1957. Die wiederge- fundene Identität. In: Martin (Hg.) 2007 – Von der badischen Landesuniversität, S. 609-622, hier S. 612. Steinle bezeichnet Rückbesinnung auf die „abendländische Universität“ treffend als „Leitmotiv“ der Jubiläumsfeier. 94Gerd Tellenbach (1958): Jahresbericht über das Rektoratsjahr 1957/58. Freiburg (Annalen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, 2), S. 5 f. Vgl.: Das Fest der Fünfhundertjähri- gen (1956). In: Badische Zeitung, 09.02.1956. Der damalige Rektor Welte hatte vor dem Beirat der Universität angekündigt, die Jubiläumswoche solle nicht nur eine „Serie von Festveranstaltungen“ werden, sondern sei darum bemüht, die „universitas litterarum in die Gegenwart mit ihren Forde- rungen“ hineinzustellen. Vgl. auch: Protokoll über die Senatssitzung am 17. Juli 1957 ([Juli 1957]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/14. Es handelte sich um die erste Senatssitzung nach dem Jubi- läum. Das Jubiläum, merkte Friedrich Oehlkers in einem kurzen Rückblick an, hatte zur Besinnung auf das „Wesen und die Aufgabe der deutschen Universität überhaupt“ führen sollen. Außerdem hät- ten „die Kollegen, die das Jubiläum geplant haben, (. . . ) mit vollem Bewusstsein die Wissenschaft

51 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

Wahrheit, Universitas, Bildung: Jubiläum und Rückbesinnung Das Anliegen der Planer, den traditionellen Kern der Universität – Wahrheitssuche, Universalität, Bildungsanspruch – in den Mittelpunkt zu stellen, machte sich während der Jubiläumswoche selbst auf vielfältige Art und Weise bemerkbar. Durch Insignien, Kleidung oder Sprache wurden zum einen Bilder und Töne produ- ziert, die ein „audiovisuelles“ Zeugnis vom abendländischen Erbe der Universität ablegen sollten. Wie im Fall der jährlichen Universitätsfeier konnten solche Elemente der Aka- demikerschaft dabei helfen, sich von anderen sozialen Gruppen abzugrenzen und sich symbolisch als Einheit zu konstituieren, die politische bzw. nationalstaatliche Grenzen überschritt und die Autorität der Wissenschaft für sich in Anspruch nehmen konnte.95 So traten Akademiker bei zahlreichen Gelegenheiten im Talar auf. Während der Ehren- promotionen und während des Empfangs von Vertretern in- und ausländischer Universi- täten am ersten Festtag erschienen die Beteiligten im traditionellen Ornat. „Talarzwang“ herrschte ebenfalls beim Festzug zur Stadthalle am zweiten Tag, dem sogenannten „Tag der Universität“, und während des großen Festakts, der sich daran anschloss. Wie bei den Jahresfeiern präsentierten Pedelle auch zu den Ehrenpromotionen, dem Empfang und dem großen Festakt die Zepter der Universität.96 In den Tagen des Jubiläums sprach man Latein, die universelle Wissenschaftssprache der „abendländischen“ Universitäten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Die Glückwunschadressen an die Freiburger Universität waren in der Regel auf Latein verfasst. Auch die Ehrenpromotionen erfolgten nicht selten in lateinischer Sprache – wobei der von der philosophischen Fakultät geehrte Bundespräsident Theodor Heuss zugab, er habe seine eher dürftigen „Schulkenntnisse“ noch durch einen Ordinarius auf „akademischen Hochglanz“ bringen müssen.97 Für manchen Beobachter avancierte das Jubiläum auf diesem Weg zu einem regel- rechten „Universitätserlebnis“. Der Freiburger Student Achim Hager zeigte sich in der Freiburger Studentenzeitung geradezu begeistert über das „große Schauspiel“, das er hat- te miterleben dürfen. Erst mit dem Jubiläum hatte die Idee der Universität für ihn und viele seiner Kommilitonen ein bestimmtes „Aussehen“, ein Profil erhalten. „Theoretische“ Ausführungen oder „Beschwörungen des Alten“, fuhr Hager fort, waren eben nicht im- mer dazu geeignet, den Geist der Universitätsidee zu erfassen. Mehr noch bedurfte es der „Anschauung“ und genau dort lag für ihn die große Bedeutung des Jubiläums. Die Fei- erlichkeiten hatten die akademische Tradition „erlebbar“ gemacht. Hager schwärmte von der „traditionellen Gewandung“ der Würdenträger, dem „immer noch mittelalterlichen Zeremoniell“ oder den „lateinischen Huldigungen“. Während der Festtage im Juni 1957 sei die Geschichte „wieder auferstanden“, um von „dem weltweiten Reich des Geistes der

in den Mittelpunkt gestellt“. 95Ihm biete sich ein „buntes Bild“ der auf „nationalen Boden erwachsenen Universitäten“, kommen- tierte bspw. ein Gast aus Finnland, die sich in Freiburg aber alle „im Geiste der Wissenschaften“ begegneten, siehe: Glückwünsche und Gaben aus aller Welt (1957). In: Badische Zeitung, 25.06.1957. 96Siehe die Anweisung an den Lehrkörper der Universität Freiburg: Mitteilung des Akademischen Rek- torats an die Mitglieder des Lehrkörpers für die Feierlichkeiten der 500-Jahrfeier der Universität (20.06.1957). Universitätsarchiv Freiburg, B 26/52. Vgl.: Festprogramm für die 500 Jahrfeier [1957]. 97Siehe Gerd Tellenbach (Hg.) (1961): Die Ansprachen, Glückwünsche und Ehrungen bei der Jubi- läumsfeier. Freiburg. Vgl. zu Heuss: Ehrungen durch die Universität Freiburg (1957). In: Badische Zeitung, 25.06.1957 und Binder-Hagelstange 27.6.1957 – 500 Jahre Alma Mater Friburgensis.

52 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

Universität Kunde zu geben“.98

Nach dem Willen der Jubiläumsplaner sollte das vom Studenten Hager beschworene „Reich des Geistes“ in erster Linie durch konkrete wissenschaftliche Praxis sicht- und spürbar werden. Während der Festtage fanden deshalb zahlreiche Kolloquien statt, die allerdings in der Regel nicht für die Öffentlichkeit zugänglich waren, sondern nicht sel- ten sogar nur auf besondere Einladung hin besucht werden konnten. So veranstaltete jede Fakultät Seminare oder Vortragsveranstaltungen, die sich Themen wie „Kriminolo- gie und Strafrechtsreform“, Problemen der „forstlichen Forschung“ oder – zusammen mit Martin Heidegger – dem „Satz vom Grunde“ widmeten.99 Die beiden „Tage der Fakultäten“ am Mittwoch und Donnerstag der Jubiläumswoche boten dann aber auch einem größeren Publikum Einblicke in die Welt der Freiburger Forschung. Auf dem Programm standen akademische Vorträge von hochrangigen Gelehr- ten der Albertina, die bei den Freiburgerinnen und Freiburgern auf lebhaftes Interesse stießen. Das Jubiläum der Universität, hieß es in einem Artikel der „Frankfurter All- gemeinen Zeitung“, hatte den Hochschullehrern eine „Resonanz“ verschafft, „die sonst nur von populären Rednern“ erreicht wurde. Nach Angaben der FAZ hatten sich unter den „Neonlichtern der Stadthalle“ an diesen Tagen weit mehr als 3000 Zuhörer an das Abenteuer Wissenschaft gewagt.100 Universität und Universitätsidee standen ähnlich wie bei den Rektoratsreden nicht direkt im Mittelpunkt der Festvorträge, obwohl die Redner durchaus Verweise auf die Bedeutung der „abendländischen“ Traditionslinien einstreuten.101 Es handelte sich tat- sächlich um wissenschaftliche Reflexionen aus dem jeweiligen Fachgebiet des Referenten. Dennoch verkörperten die Vorträge das in den ersten zehn Jahren nach dem Krieg vor- herrschende Universitätsbild und verliehen ihm auf diese Art und Weise eine öffentliche Bühne. Die Ausführungen der Professoren illustrierten die Vielfalt der Freiburger For- schung. Einmal mehr wurde die Universität als universale Stätte der Wissenschaft und der Wahrheitssuche, als Bildungsmacht präsentiert. Jede der fünf Fakultäten steuerte einen Festvortrag zu den Freiburger „Tagen der Fa- kultäten“ bei. Der Beitrag des Theologen Bernhard Welte handelte von der „Philosophie in der Theologie“. Erik Wolf, ein Jurist, sprach über „Das Recht des Nächsten“ und der Zoologe Friedrich Oehlkers über die „Mutabilität des Lebendigen“. Am nächsten Tag widmete sich der Mediziner Franz Büchner „Person und Natur in der modernen Medi- zin“. Zum Schluss hielt der Romanist Hugo Friedrich einen Vortrag über „Dichtung und die Methoden ihrer Deutung“.102

98Achim Hager (1957): Post Festum. In: Freiburger Studentenzeitung 7 (5), S. 1 f. Vgl. Binder- Hagelstange 27.6.1957 – 500 Jahre Alma Mater Friburgensis. 99Festprogramm für die 500 Jahrfeier [1957]. Die Veranstaltungen waren im Festprogramm markiert, je nach dem, ob sie allen Interessierten offenstanden, ob Karten erworben werden mussten oder ob eine gesonderte Einladung notwendig war. 100Der Mensch als Thema 28.6.1957. 101So etwa Bernhard Welte (1957): Die Philosophie in der Theologie. In: Gerd Tellenbach (Hg.): Die Festvorträge bei der Jubiläumsfeier. Freiburg, S. 27-41, hier S. 27. 102Festprogramm für die 500 Jahrfeier [1957]. Die Vorträge sind abgedruckt in: Tellenbach (Hg.) 1957 – Die Festvorträge bei der Jubiläumsfeier.

53 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

Umstritten – gerade im Hinblick auf die Repräsentation der Universität in der Öf- fentlichkeit – war ein sechster Beitrag zum „Satz der Identität“, den Martin Heidegger übernommen hatte. Der berühmte Philosoph war im Januar 1956 von Franz Büchner in einer Sitzung der Jubiläumskommission als Festredner ins Spiel gebracht worden. Büchners Vorschlag sorgte zunächst bei den Universitätsmitgliedern selbst für Un- stimmigkeiten. Angesichts von Heideggers NS-Vergangenheit und dem zu befürchtenden Echo in der Öffentlichkeit meldeten unter anderem die Theologen Vincke und Welte – zu diesem Zeitpunkt Rektor – Bedenken an. Der Zoologe Oehlkers, dessen (teils jüdische) Familie zwischen 1933 und 1945 von den nationalsozialistischen Machthabern schikaniert worden war und der die Wiedereingliederung belasteter Hochschullehrer nach dem Krieg kritisiert hatte, drohte seinen Redebeitrag zurückzuziehen. Andere, wie Gerd Tellenbach oder der Archäologe Walter Herwig Schuchardt, sprachen sich für Heidegger aus. Grund war v.a. die weltweite Reputation des Philosophen. Das Jubiläum bot der Universität die seltene Gelegenheit, sich vor einer internationalen Öffentlichkeit zu präsentieren. Gera- de das ausländische Publikum reiste aber nach Ansicht von Tellenbach und Schuchardt mit der Erwartung bzw. der Hoffnung an, den großen Intellektuellen Heidegger „live“ zu hören. Dass der am „Tag der Fakultäten“ dann gewissermaßen „außerhalb“ der Fa- kultäten sprechen musste, war ein Kompromiss zwischen den verschiedenen „Lagern“ im Lehrkörper. Heideggers Auftritt traf jedoch nicht nur innerhalb der Universität, sondern auch in einer größeren Öffentlichkeit auf teils heftige Kritik. So demonstrierten Studierende am Tag des Vortrags vor der Stadthalle und verteilten Flugblätter, die satirisch auf die braune Vergangenheit des Freiburger Philosophen und seine Rechtfertigungsversuche nach 1945 anspielten. Die Presse griff das Thema ebenfalls auf, u.a. das renommierte Wochenblatt „Die Zeit“, dessen Feuilletonchef Rudolf Walter Leonhardt103 am 4. Juli 1957 anlässlich des Jubiläums über die Albertina berichtete.104 Für Leonhardt war Hei- deggers Auftritt während der Festwoche nicht nur ein „gespenstisches“ Ereignis, das die berüchtigte Rektoratsrede des Philosophen von 1933 in Erinnerung rief, sondern auch Symbol einer mangelhaften Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit. Dass Universitäten zwischen 1933 und 1945 „versagt“ hatten, so der „Zeit“-Journalist, stellte eine „Einsicht“ dar, die gerade von Akademikern selbst „gern hinter den großen Worten “Freiheit“ und “Wahrheit“ verborgen gehalten“ wurde.105

Neben den wissenschaftlichen Vorträgen bot die Jubiläumswoche den Freiburger Hoch- schullehrern schließlich die Möglichkeit, einem größeren Publikum grundlegende Refle- xionen über die Idee der Universität zu unterbreiten. In einem programmatischen Vor- trag über „Tradition und Neugestaltung der Universität“ während des Festakts am 25. Juni 1957 ging Jubiläumsrektor Tellenbach auf das große akademische Erbe ein und

103Zur Biographie siehe: Eintrag „Rudolf Walter Leonhardt“ (Munzinger Online). Online verfügbar unter http://www.munzinger.de/document/00000008250, zuletzt geprüft am 01.02.2015. 104Vgl. Leonhardt 4.7.1957 – Freiburgs Albertina Ludoviciana. 105Vgl. zum „Fall Heidegger“ im Kontext des Jubiläums von 1957: Steinle 2007 – Das Universitätsjubi- läum 1957, hier S. 619-621, sowie Steinle 2001 – Das Universitätsjubiläum 1957, Kap. 5, besonders S. 81-86.

54 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

versuchte die Albertina in diese Traditionslinie einzuordnen. Einem ähnlichen Unter- nehmen widmete sich wenig später auch Arnold Bergstraesser, der am 29. Juni – dem sogenannten „Tag der Studenten“ – über die „Aufgabe der Universität in Gesellschaft und Staat“ referierte.106 Die Beiträge zeichneten historische Entwicklungsprozesse nach und analysierten nicht nur die Verwandlungen der Albert-Ludwigs-Universität, sondern v.a. auch Umbrüche im europäischen Universitätswesen insgesamt. Dennoch kamen Tel- lenbach und Bergstraesser immer wieder auf das Erbe der „abendländischen“ und der deutschen Universität zurück, das in ihren Augen weiterhin den Kern der hohen Schulen ausmachte, das es trotz aller Schwierigkeiten zu bewahren galt und für das sich auch die Freiburger Hochschule einsetzen musste. Tellenbach stellte sich in seinem Festvortrag zu Beginn die Frage, was die Universität als „höchste Bildungsanstalt des abendländischen Kulturkreises“ trotz aller offensichtli- chen Brüche über die Jahrhunderte hin charakterisieren könnte. Diese Problemstellung, so der Mediävist, führte gleichzeitig zur „wesentlichen Signatur unserer Freiburger Uni- versität“, zu dem „allgemeinen historischen Zusammenhang, in den sie hineingehört“.107 Wie alle anderen deutschen Hochschulen sei auch die Albert-Ludwigs-Universität offen „für die geistigen Strömungen und die Lebensmächte ihrer Zeit“. In der gegenwärtigen Welt stünden die Hochschulen nämlich vor „neuen, an ihre Existenz rührenden Aufga- ben“.108 Arnold Bergstraesser stellte eine ähnliche Diagnose. Angesichts der „besonderen Probleme der Gegenwart und der vorhersehbaren Zukunft“, so der Politikwissenschaft- ler, musste die Universität ihre Stellung und Aufgabe im zwanzigsten Jahrhundert neu denken.109 Zu den Herausforderungen, von denen die Freiburger Professoren sprachen, gehörten eine zunehmende Ausdifferenzierung der Wissenschaften schon seit dem 19. Jahrhundert. Neue Anforderungen im Bereich der Berufsausbildung, die sich aus gestie- genen Ansprüchen in Wirtschaft und Industrie ergeben hatten. Bildungsexpansion und soziale Öffnung der Universitäten. Zunehmende finanzielle Abhängigkeit wissenschaftli- cher Forschung von staatlichen Geldern. Oder das zahlenmäßige Missverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden und dessen Folgen für das Studium.110 Trotz der Probleme, die im Jahr 1957 bereits überdeutlich zu erkennen waren und auch in der Presse schon diskutiert wurden, hielten beide Redner eine Rückbesinnung weiterhin für notwendig und sinnvoll. Bergstraesser sprach von „währenden Normen des Geistes“, die an der Universität beheimatet waren und von „Grundmomenten ihres We- sens“, die sich jeder Veränderung entzogen. Für ihn war die Universität ein Ort, an dem „reine“ Wissenschaft betrieben wurde, fernab vom „tätigen Leben“. Das „wissen- schaftliche Denkvermögen“, so Bergstraesser, sollte deshalb weiter Vorrang gegenüber

106Festprogramm für die 500 Jahrfeier [1957]. Die Vorträge sind abgedruckt in: Tellenbach (Hg.) 1957 – Die Festvorträge bei der Jubiläumsfeier. 107Gerd Tellenbach (1957): Tradition und Neugestaltung der Universität. In: Ders. (Hg.) 1957 – Die Festvorträge bei der Jubiläumsfeier, S. 7-21, hier S. 10 f. 108Ebd., S. 15. 109Arnold Bergstraesser (1957): Die Aufgabe der Universität in Gesellschaft und Staat. In: Tellenbach (Hg.) 1957 – Die Festvorträge bei der Jubiläumsfeier, S. 111-124, hier S. 111. 110Ebd., S. 115-117 und S. 120-123. Teil 3 dieser Arbeit wird sich ausführlich mit diesem Themenkomplex befassen.

55 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 der „beruflichen Zweckausbildung“ besitzen. Immer schon sei die hohe Schule eine „Ge- meinschaft von Lehrenden und Lernenden“ gewesen, die allein „durch die Sache des Wissens“ verbunden waren. Dabei musste die Universität den Anspruch verfolgen, fuhr der Politikwissenschaftler fort, dieses Wissen als Einheit zu begreifen und sich seinem „ganzen Umfang“ zu öffnen. Nicht zuletzt, schloss Bergstraesser, sollte die „erzieherische Arbeit“ einen zentralen Platz an der Hochschule zurückgewinnen.111 Dass die Universität „ihr eigenes Erbe ernst“ nahm, wollte auch Gerd Tellenbach sei- nen Zuhörern klar machen. Selbst die vordergründig so „fremdartig“ erscheinende mit- telalterliche Universität hatte seiner Meinung nach Spuren im zwanzigsten Jahrhundert hinterlassen. Der Mediävist führte die „Hochschulautonomie“ an, die „Form des wis- senschaftlichen Gesprächs“ und den „Spannungsreichtum eines zur Diskussion bereiten Geistes“. Wer sich heute auf die Tradition berief, so Tellenbach weiter, spielte aber in der Regel auf die Universitätsidee des 19. Jahrhunderts an, auf die ja letztlich auch Bergstraesser in seinem Vortrag verwiesen hatte. Denker wie Fichte, Schelling, Schleier- macher oder Humboldt hatten damals eine Tradition begründet, der man in Deutschland heute nicht nur „kühle Ehrerbietung“, sondern sogar „Liebe“ entgegen brachte. Der Frei- burger Historiker war sich der Tatsache bewusst, dass diese Idee nicht nur als „kostbare Antiquität“ behandelt werden durfte. Es ging darum, sie immer wieder neu zu erfinden. Die traditionelle Idee der Universität, schloss Tellenbach seinen Vortrag, sollte stets „ins gegenwärtige und künftige Leben“ integriert werden. Trotz der augenscheinlichen Verän- derungsprozesse ließ sich in der Vergangenheit immer noch „Vertrautes und Verwandtes“ finden. Daraus bezog die Universität in Tellenbachs Augen ihre Zuversicht, den „Stür- men des Jahrhunderts schließlich doch nicht wurzellos preisgegeben zu sein“.112

Wie die Albert-Ludwigs-Universität mit dem jüngsten „Sturm“ des deutschen 20. Jahr- hunderts – den Schrecken der NS-Zeit – umgehen sollte und welche Schlüsse für das eigene Selbstverständnis daraus zu ziehen waren, das hatten die Freiburger Professoren bereits im ersten Nachkriegssemester mit einer groß angelegten Vortragsreihe themati- siert. Ihr Titel: „Das Menschenbild“.

„Das Menschenbild“: Eine akademische Vortragsreihe und die Neuorientierung der Universität Freiburg nach dem Krieg Am 7. August 1945 fand sich der Rektor der Albert-Ludwigs-Universität Sigurd Janssen zu einer Unterredung bei Oberst Arnald von der französischen Besatzungsregierung ein. Das Gespräch drehte sich in erster Linie um die bevorstehende Wiedereröffnung der theologischen und der medizinischen Fakultät. Zum Ende der Unterhaltung trug Janssen aber noch ein besonderes Anliegen vor. Er setzte Arnald davon in Kenntnis, dass in den Reihen der Freiburger Hochschullehrer ein „dringendes sachliches Bedürfnis“ vorlag, sobald wie möglich „Fragen des Rechts und der Erneuerung des Staatslebens“ sowie der

111Bergstraesser 1957 – Die Aufgabe der Universität, S. 111 f., S. 113 f., S. 117-119 und S. 121-123. 112Tellenbach 1957 – Tradition und Neugestaltung der Universität, S. 21. Rudolf Walter Leonhardt lobte in der „Zeit“, dass Tellenbach diese „Synthese zwischen alt und neu“ in seiner Rede gut gelungen sei, siehe: Leonhardt 4.7.1957 – Freiburgs Albertina Ludoviciana.

56 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

„sozialen politischen Ordnung“ in der Öffentlichkeit zur Sprache zu bringen. Die „deutsche Jugend“ müsse endlich „über das Ausmaß der Rechtszerstörer und der Zerrüttung aller Ordnungsgrundlagen während der letzten 12 Jahre“ aufgeklärt werden. Dies sollte, wie es sich für eine Universität gehörte, in streng „wissenschaftlichem Geiste“ geschehen. Arnald hielt dieses Anliegen ebenfalls für außerordentlich wichtig und sprach sich insbesondere dafür aus, dass sich die Deutschen selbst um Aufklärung bemühten. Die Universität, schlug er vor, konnte zu diesem Zweck eine öffentliche Vortragsreihe ins Leben rufen, um ein möglichst großes Publikum anzusprechen.113 Schon in den Monaten zuvor hatte man im akademischen Senat darüber diskutiert, auf welche Art und Weise die Albert-Ludwigs-Universität zur nationalsozialistischen Vergangenheit Stellung beziehen sollte. Am 15. Juni 1945 schlug der Anglist Friedrich Brie beispielsweise vor, mit einem entsprechenden „Aufruf“ an die Öffentlichkeit zu tre- ten. Nach einer lebhaften Diskussion entschlossen sich die Senatoren jedoch, von einem solchen Appell abzusehen. Politische Proklamationen passten nicht zum Selbstbild der Universität. Durch wissenschaftliche Vorträge glaubten die Freiburger Hochschullehrer in der Öffentlichkeit mehr bewirken zu können als mit einem Aufruf, der, wie die Sena- toren befürchteten, von der Bevölkerung möglicherweise nicht richtig verstanden wurde. In den folgenden Wochen beratschlagte der Senat deshalb über die Ausgestaltung einer großen Vortragsreihe. Nachdem eine Kommission unter dem Vorsitz des Musikwissen- schaftlers Wilibald Gurlitt ein Konzept ausgearbeitet hatte, erteilte der Senat Prorektor Franz Böhm am 19. September 1945 den Auftrag, bei der französischen Militärregierung um eine Genehmigung für die geplante Veranstaltung zu ersuchen.114 Einige Tage später traf die Erlaubnis im Rektorat ein.115 Die Freiburger Hochschullehrer, die sich an dem Zyklus über das „Menschenbild“ be- teiligten, hatten auf der einen Seite einen Versuch unternommen, Universität und Wis- senschaft nach dem Krieg wieder als Bildungsmächte in der Gesellschaft zu etablieren. Die „zunehmende Entstellung, ja Zerstörung des Menschenbildes“, hieß es in der Ankün- digung der Vortragsreihe, sei „gleichermaßen eine entscheidende Ursache und Folge der Nöte unserer Zeit“. Eines der wichtigsten Anliegen der Gegenwart bestehe deshalb darin, das „Wesen des Menschen neu zu bestimmen“. Die Freiburger Universität wollte bei die- sem Projekt Unterstützung leisten. Im Medium des wissenschaftlichen Vortrags glaubten die Protagonisten der Reihe einen „unmittelbaren Beitrag“ zur „Erweckung einer neuen geistigen Haltung des deutschen Volkes“ leisten zu können. Bildung durch Wissenschaft war der Beitrag, hieß das übersetzt, den die Universität zu einer demokratischen poli- tischen Kultur in Deutschland beisteuern konnte. Auf diese Art und Weise, davon war man überzeugt, würden die Ausführungen der Freiburger Professoren auch in der Lage

113Aktennotiz über die Besprechung des Rektors mit Oberst Arnald von der Militärregierung Baden am 7. August 1945 ([August 1945]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/1. 114Protokoll über die Senatssitzung vom 27. August 1945 ([August 1945]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/1; Protokoll über die Senatssitzung vom 14. September 1945 ([September 1945]). Universi- tätsarchiv Freiburg, B 12/1;Protokoll über die Senatssitzung am 19. September 1945 ([September 1945]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/1. 115General Schwartz, oberster Beauftragter für die Militärregierung von Baden an den Rektor der Uni- versität Freiburg (20.09.1945). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1580.

57 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 sein, zur „aufbauenden Überwindung des Nationalsozialismus“ beizutragen.116 Auf der anderen Seite arbeiteten die beteiligten Hochschullehrer in ihren Beiträgen explizit an einer Rückbesinnung auf die traditionelle deutsche Universitätsidee. Die Vor- tragsreihe umfasste eine Vielzahl von Beiträgen aus den unterschiedlichsten Disziplinen, die jedoch nicht Fachvorträge im engeren Sinne darstellten, sondern sich in der Regel dem Projekt einer theologischen und philosophischen Besinnung verschrieben hatten.117 Darunter befanden sich v.a. zwei Vorträge, die sich speziell mit Wesen und Aufgabe der Universität auseinandersetzten. Rückbesinnung auf die traditionelle deutsche Universi- tätsidee bildete dabei wie so oft den entscheidenden Ansatzpunkt. Die ersten drei Vorträge der Reihe widmeten sich der jüngsten Vergangenheit im „Dritten Reich“ und dem „Zerfall“, den die nationalsozialistische Zeit auf vielen Gebieten verursacht hatte. Franz Böhm und Theodor Müncker sprachen zunächst über das Recht bzw. über das Schicksal, dem die „Menschlichkeit“ zwischen 1933 und 1945 zum Opfer gefallen war. Danach folgte ein Beitrag des Ökonomen Constantin von Dietze über den „Zerfall der Wahrheit im Dritten Reich“, in dem er sich u.a. mit der Rolle der Univer- sität unter Hitler befasste. Die Hochschulen, hob von Dietze hervor, seien „durch ihre Überlieferung und durch staatlichen Auftrag“ ganz besonders dazu „verpflichtet“ gewe- sen, die Wahrheit „zu pflegen und zu verteidigen“. Dennoch hatten sie versagt, wie der Wirtschaftswissenschaftler unumwunden zugab. An den deutschen Universitäten habe sich nach 1933 eine „organisierte Verlogenheit“ breit gemacht, was durch die „Beseiti- gung ihrer freiheitlichen republikanischen Verfassungen“ begünstigt worden sei. An die Stelle der „alten, zur Verwirklichung unbestechlicher Wahrhaftigkeit dienenden Selbst- verantwortlichkeit der Hochschulen“ war das Führerprinzip gesetzt worden. Besonders an der Universität Freiburg – die den Ruf genossen habe, dass dort noch „wahrhaf- tige Wissenschaft gelehrt“ wurde – sei es aber selbst den „raffinierten Methoden des dritten Reiches nicht gelungen, den wahrheitsliebenden Geist unserer Hochschulen, un- serer Gelehrten und Studierenden, ganz auszurotten“. Eine Erneuerung der Universität nach 1945, meinte von Dietze, durfte nur in dem besagten „Geist“ und nach bewährten

116Das Menschenbild. Eine Vortragsreihe der Universität Freiburg im Gemeindesaal Maria-Hilf zu Gun- sten des Aufbaufonds der Universität ([1945]). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1580. Vgl.: „Das Menschenbild“. Eine Vortragsreihe der Universität (1945). In: Freiburger Nachrichten, 25.09.1945. Im Sommersemester 1946 rief die Universität Freiburg eine weitere Vortragsreihe ins Leben, die sich noch dezidierter als die Ausführungen zum „Menschenbild“ um die politische Bildung bemühten: Mit der Reihe zu „Geschichte und Formen der Demokratie“, hieß es da, bekenne sich die Universi- tät zu ihrem Auftrag aus ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit „Beiträge zur Formung und Festigung eines neuen freiheitlichen politischen Denkens zu liefern“. Siehe: Gerechtigkeit und Maß. Beginn der Freiburger Universitäts-Vortragsreihe „Geschichte und Formen der Demokratie“ (1946). In: Badische Zeitung, 28.05.1946. 117Eine Liste findet sich in: Universitätsarchiv Freiburg [1945] – Das Menschenbild. Einige der Vorträge sind als Einzelschriften veröffentlicht worden: Karl Büchner (1945): Der Schicksalsgedanke bei Ver- gil. Freiburg; Constantin von Dietze (1946): Der Zerfall der Wahrheit im Dritten Reich. Freiburg; Gerhard Ritter (1946): Die Idee der Universität und das öffentliche Leben. Freiburg; Franz Büch- ner (1946): Das Menschenbild der modernen Medizin. Freiburg; Max Müller (1946): Die Krise des Geistes. Das Menschenbild in der Philosophie seit Pascal. Freiburg. Die Vorträge wurden auch in der „Badischen Zeitung“ und ihrem Vorgängerblatt, den „Freiburger Nachrichten“, ausführlich besprochen.

58 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

Leitbildern erfolgen. Gerade „nach den Jahren, in denen unsere Jugend systematisch in Rechtlosigkeit, Unmenschlichkeit und Unwahrhaftigkeit hineingelockt und -gezwungen“ worden sei, könne auch die Universität „unserem geliebten deutschen Volke und seiner Zukunft keinen besseren Dienst erweisen als durch die Erziehung zur Menschlichkeit in wissenschaftlicher Wahrhaftigkeit und in ehrfurchtsvollem Blick auf die höchste, auf die ewige Wahrheit“.118 Die ersten drei Vorträge in der Reihe hatten sich der nationalsozialistischen Vergangen- heit zugewandt. Im vierten Beitrag, der sich mit den Beziehungen von Universität und „öffentlichem Leben“ befasste, blickte der Historiker Gerhard Ritter auf die Aufgaben von Hochschulen und Wissenschaft im neuen Deutschland. In seinem Vortrag skizzierte er zudem eine Art „Programm“, das die Freiburger Vortragsreihe einlösen sollte.119 Um eine Antwort auf die Frage zu finden, welche Rolle die hohen Schulen in der „praktischen Lebensgestaltung“ einnehmen konnten, bemühte sich Ritter zunächst um eine „grundsätzliche Besinnung auf die Idee der Wissenschaft und der Universität“, wie sie sich in Deutschland seit dem „späten Mittelalter“ entwickelt habe. Ihm zufolge sollte sich die Universität in erster Linie auf ihre neuhumanistischen Wurzeln aus dem 19. Jahrhundert besinnen, die von Humboldt, Fichte oder Schleiermacher angelegt worden waren. Aufgabe der Hochschulen blieb für Ritter v.a. die bedingungslose „Wahrheitser- forschung“. Nur auf dieser Grundlage konnte sich die erzieherische Funktion der Universi- tät entfalten. „Wahre Geistesbildung“ – die unabhängige, vorurteilslose und wahrhaftige „Charaktere“ heranziehen sollte, wie sie gerade das „öffentliche Leben“ benötigte – war in Ritters Augen ohne „akademische Bildung“ überhaupt nicht denkbar. Die Universität, so der Historiker weiter, dürfe sich aber auch nicht „mutlos“ von der Aufgabe abwenden, die „dunkle Wirklichkeit unserer politischen und wirtschaftlich-sozialen Zustände mit vernünftiger Einsicht zu durchdringen“, um auf diesem Weg eine „gesunde Neuordnung“ zu ermöglichen. Niemals, warnte Ritter zur gleichen Zeit, durfte sich ein Hochschullehrer dazu hinreißen lassen, die „reine Erkenntnis des Wahren und Rechten durch tagespoliti- sche Leidenschaften“ zu trüben. „Echte und reine“ Wissenschaft sei nicht „lebensfremd“, musste aber notwendigerweise „lebensabgewandt“ bleiben.120

Als im Sommersemester 1946 die zweite große Vortragsreihe der Universität Freiburg über „Geschichte und Formen der Demokratie“ realisiert werden konnte121, feierte mit dem dies universitatis zur gleichen Zeit eine Veranstaltung Premiere, die sich ebenfalls dem Projekt verschrieben hatte, der traditionellen Idee der Universität neues Leben ein-

118Der Zerfall der Wahrheit im Dritten Reich. Universitätsvortrag von Prof. C. v. Dietze, Freiburg, 11. Oktober 1945 ([1945]). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1580. Der Vortrag wurde wenig später auch publiziert: Dietze 1946 – Der Zerfall der Wahrheit. 119So auch Th. Ueberdick (1945): Die Universität und das öffentliche Leben. Prof. G. Ritter in der Vortragsreihe der Universität. In: Freiburger Nachrichten, 23.10.1945, der von einer „Grundlage“ für die weiteren Vorträge spricht. 120Ritter 1946 – Die Idee der Universität. In leicht veränderter Form bildete Ritters Vortrag knapp zwei Jahre später auch den ersten Beitrag in der Sendereihe „Die Aula“, die der Südwestfunk 1947 begründet hatte und die bis heute einen festen Platz im Programm des Südwestrundfunk besitzt. Vgl.: Ders. 14.9.1947 – Der Wahrheit verpflichtet. 121Vgl.: Gerechtigkeit und Maß 28.5.1946.

59 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 zuhauchen. Während die Vortragsreihen der Nachkriegszeit allerdings v.a. die Bildungs- funktion der Universität unter Beweis stellen sollten, widmete sich der dies universitatis eher einer anderen Aufgabe. Gemeinsam mit dem einige Jahre später gegründeten stu- dium generale sollte er dabei helfen, die vielbeschworene „Einheit der Wissenschaften“ in eine Zeit zu übertragen, die so sehr von wissenschaftlicher „Spezialisierung“ gekenn- zeichnet zu sein schien.

Wiederbelebung der universitas: Dies universitatis und studium generale an der Universität Freiburg Am 12. Juni 1946 erschien in der „Badischen Zeitung“ ein Artikel, dessen Überschrift den Leserinnen und Lesern „Wege zum echten Akademikertum“ versprach. Der Verfasser, ein Freiburger Student der Rechtswissenschaften, berichtete über die ersten Veranstaltungen des sogenannten dies universitatis, der an der Albert-Ludwigs-Universität zu Beginn des Semesters zum ersten Mal nach dem Krieg stattgefunden hatte.122 An jedem Donnerstag sollten nachmittags die regulären Vorlesungen und sonstigen Veranstaltungen an der Universität entfallen. Im Gemeindesaal „Maria Hilf“, wo die Albert-Ludwigs-Universität schon ihre Wiedereröffnung nach 1945 gefeiert hatte, wurden in dieser Zeit öffentliche Vorlesungen aus sämtlichen Fachbereichen für Studierende aller Fakultäten und, wenn genügend Platz zur Verfügung stand, für „Hörer aus der ganzen Bevölkerung“ angeboten. Der erste dieser „Universitätstage“ war am Donnerstag zuvor, dem 9. Mai 1946, über die Bühne gegangen.123 Die Organisation des dies – Terminierung, Frequenz der Vorträge, verantwortliche Personen – unterlag in den folgenden zehn Jahren immer wieder kleineren Veränderungen. Nach einer kurzen Unterbrechung zu Beginn fanden die Veranstaltungen aber seit 1947/48 regelmäßig in jedem Wintersemester statt.124 Das Programm des dies universitatis sollte in erster Linie ein studentisches Publikum ansprechen. Allerdings hatte der Adressatenkreis von Beginn an, wenn auch unter Vor- behalt, „Hörer aus der ganzen Bevölkerung“ umfasst. In den 1950er Jahren gewann dieses außeruniversitäre Publikum an Bedeutung. Seit 1954 konnten die Vorträge regelmäßig in Sammelbänden veröffentlicht und damit einer größeren Öffentlichkeit zugänglich ge- macht werden. Eine Publikation hatte die Universität zwar auch in den Jahren zuvor schon angestrebt. Dies war jedoch in erster Linie an den zu hohen Kosten gescheitert.125

122Wege zum echten Akademikertum. Der „dies universitatis“ der Universität (1946). In: Badische Zei- tung, 12.06.1946. 123Dies universitatis (1946). In: Badische Zeitung, 14.05.1946. Eine Übersicht über die Vorträge im Sommersemester 1946 findet sich in: Dies universitatis. Donnerstag-Vorlesungen für Hörer aller Fa- kultäten im Saale von „Maria Hilf“ ([1946]). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1580. 124Informationen zu den Vorträgen und zur Organisation des dies universitatis finden sich v.a. in den Akten B 1/1583 und B 1/1584 im Universitätsarchiv Freiburg. 125Siehe: Hans Ruffin an den Rektor der Universität Freiburg. Veröffentlichung der dies-Vorträge (04.03.1954). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1584. Demnach war in diesem Jahr ein entsprechen- der Druckkostenzuschuss gewährt worden. Infolgedessen hatte der Freiburger Verlag Hans Ferdinand Schulz zugesagt, die Vorträge des dies universitatis in einer Auflage von 1200 Stück zu drucken. Schulz wollte zudem auf seinen „Reingewinn“ verzichten und einem „Fonds“ zur Verfügung stellen, der zur Publikation künftiger dies-Vorträge genutzt werden konnte. Vgl. auch: Protokoll über die Senatssitzung vom Mittwoch, 21. Januar 1953 ([1953]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/9. Eine

60 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

Dass eine Veröffentlichung der dies-Reihe nicht nur eine Form von Wissensvermittlung darstellte, sondern auch das öffentliche Bild der Universität schärfen konnte, legte u.a. ein Autor der „Badischen Zeitung“ nahe. Zu einer bereits „stattlichen Reihe“ von Publi- kationen der Freiburger Hochschule, hieß es in dem Beitrag vom 2. Mai 1955, sei nun eine weitere Reihe hinzugetreten, die „noch deutlicher das Gesicht der Universität Freiburg in der Öffentlichkeit zeigt“. In einer derart „repräsentativen“ Form traten nach Ansicht des Verfassers nur noch wenige wissenschaftliche Arbeiten aus Freiburg an die Öffentlichkeit, heute noch weniger als „früher“.126 Im Jahr 1955 setzten auch Bemühungen ein, den dies universitatis für eine städti- sche Öffentlichkeit attraktiver zu gestalten. Am 14. Juli 1955 berichtete der Jurist Hans Thieme in einem Brief an den akademischen Senat der Albert-Ludwigs-Universität, er habe sich kürzlich mit dem Theologen Anton Vögtle und „einigen Kollegen“ über „Glanz und Elend“ des dies universitatis unterhalten. Die Runde um Thieme und Vögtle, die im Jahr zuvor zu Senatsbeauftragten für den dies ernannt worden waren127, hatte den Ent- schluss gefasst, die Fortsetzung der Veranstaltungsreihe „in etwas veränderter Gestalt“ vorzuschlagen. Thieme und seinen Kollegen lag es besonders am Herzen, den Vorträgen „größere Publizität“ zu verschaffen. Der dies universitatis sollte u.a. zu einer Abend- veranstaltung umgestaltet werden, die nicht mehr so sehr den Charakter einer „regulä- ren“ Universitätsvorlesung trug, sondern eher einem akademischen Festvortrag ähnelte. Außerdem empfahlen die Professoren, die Vorträge nicht mehr nur in der Lokalpresse anzukündigen, sondern auch durch Plakatierung in der Stadt „jedermann zugänglich zu machen“.128 Nur wenige Tage später konnten die Initiatoren ihre Vorschläge zur Reform des dies universitatis im Senat vertreten. Die Universität, betonte Hans Thieme dort, musste sich an „interessierte Kreise in der Stadt wenden, um eine größere Beteiligung zu erzielen“. Eine „stärkere Verbindung mit der Öffentlichkeit“, ergänzte Anton Vögtle, sei gerade im Hinblick auf das Jubiläum nötig. Die Senatoren schienen von der Bedeutung der Sache überzeugt. Ab dem Wintersemester 1955/56, lautete ihr Beschluss, sollte der dies nicht nur als Abendveranstaltung durchgeführt, sondern als „allgemeine öffentliche Vorlesung“ zudem ausdrücklich allen Interessierten offen stehen.129 Das große Anliegen des dies universitatis richtete sich darauf, einen Beitrag zur Wie- derbelebung der traditionellen Universitätsidee zu leisten. Im Mittelpunkt stand die Vor- stellung von einer „Einheit der Wissenschaften“. Studierende konnten hier einen „Über- blick über die wichtigsten Gebiete der anderen Fakultäten“ erhalten, betonte Prorektor Franz Büchner130 im Vorfeld der ersten Austragung im Jahr 1946, um so an die „Gesamt- heit der Wissenschaften herangeführt“ zu werden. Der dies hatte sich zum Ziel gesetzt,

Ausnahme bildete der dies universitatis vom Wintersemester 1947/48: Franz Büchner (Hg.) (1949): Kosmos, Tier und Mensch. Vorträge. Freiburg (Freiburger dies universitatis, 1). 126Freiburger Universitäts-Schriften (1955). In: Badische Zeitung, 02.02.1955. 127Protokoll über die Senatssitzung am 30. Juni 1954 ([Juni 1954b]). Universitatsarchiv Freiburg, B 12/11. 128Hans Thieme (14.07.1955): Hans Thieme an den akademischen Senat der Universität Freiburg. Dies Universitatis. Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1584. 129Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, 20. Juli 1955 ([Juli 1955]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/12. Der Termin der Vorträge wurde auf Mittwoch um 20 Uhr festgesetzt. 130Büchner war nach dem Krieg mit der Organisation des dies betraut.

61 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 den „wissenschaftlichen Standort“ der einzelnen Disziplinen zu klären und die „vielfälti- gen Wechselbeziehungen“ mit anderen Fächern aufzuzeigen.131 Nicht selten stellte man Veranstaltungen des dies universitatis unter ein spezielles Oberthema. Wahre Erkenntnis über ein bestimmtes Wissensgebiet konnte nur entstehen, das stellten die Verantwortli- chen an der Universität mit diesem Schritt besonders deutlich heraus, wenn der Forscher seinen Blick für angrenzende Fächer öffnete und sich mit Kollegen aus anderen Diszi- plinen ins Gespräch begab. Philosophische und theologische Besinnung, typisch für die Zeit nach 1945, hielt Büchner dabei für ganz entscheidend. Studenten sollten erkennen, dass sich die „Ergebnisse der Einzelwissenschaften in der Philosophie sammelten“. Sie allein sei dazu in der Lage, die vielfältige Forschung in den unterschiedlichen Fächern zusammenzuführen. Die „Wechselwirkungen“ zwischen Philosophie und Theologie sollten schließlich ebenfalls zur Sprache kommen.132

Nach 1950 wurde der dies universitatis in das sogenannte studium generale eingeglie- dert, das in der Nachkriegszeit nicht nur bei Hochschulreformern hoch im Kurs stand, sondern auch in den Massenmedien eine erhebliche Resonanz finden konnte.133 An der Albert-Ludwigs-Universität war die Einrichtung aus den propädeutischen Kur- sen hervorgegangen, die man in Freiburg bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit dem Studium obligatorisch vorgeschaltet hatte, um „Wissenslücken“ von Kriegsteilnehmern mit „Notabitur“ zu schließen. Auf Anregung von Gerd Tellenbach erfolgte im Sommer- semester 1949 die Umbenennung in studium generale, das aber vorerst weiterhin als Pflichtveranstaltung firmierte. Erst im Sommersemester 1951 entschieden sich die Ver- antwortlichen an der Universität dazu, das Prinzip der Freiwilligkeit einzuführen, das bis heute Grundlage der Einrichtung geblieben ist.134 Die Leitung des studium generale übernahm ein Ordinarius der Universität, dem für jedes Teilgebiet – dies universitatis, Kolloquien, sonstige Vorträge usw. – jeweils ein eigener Referent und ein sogenannter „Tutor“ zur Seite standen.135 Zu Beginn der 1950er Jahre hatte das allgemeinbildende Studium in Freiburg somit eine stabile Form und eine klare Ausrichtung gefunden. Das studium generale diente einer Besinnung auf den „gesunden Kern“ der Univer- sität. Gerade weil die akademische Freiheit ein wichtiges Element dieser traditionellen Universitätsidee bildete, hatte man sich dafür entschieden, die Teilnahme an den Veran-

131Wege zum echten Akademikertum 12.6.1946. 132Wege zum echten Akademikertum 12.6.1946. Vgl. außerdem das Vorwort des Herausgebers in: Büchner (Hg.) 1949 – Kosmos, Tier und Mensch. Außerdem: Rede von Magnifizenz Professor Dr. Oehlkers bei Eröffnung des 1. Dies-Universitatis-Vortrags, Winter-Semester 1950/51 am Mittwoch, den 8. November, 9.30 ([November 1950]). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1583. 133Vgl. übergreifend zu Idee und Wirklichkeit des studium generale: Ulrich Papenkort (1993): „Stu- dium generale“. Geschichte und Gegenwart eines hochschul-pädagogischen Schlagwortes. Weinheim (Blickpunkt Hochschuldidaktik, 96), besonders Kap. IV über die Zeit nach 1945. Zu Freiburg: Bo- schert 2009 – Das Studium generale sowie Günter Schnitzler (2002): Die Anfänge des Studium Generale der Universität Freiburg und Leo Wohleb. In: Hans Schadek (Hg.): Badens Mitgift. 50 Jahre Baden-Württemberg. Freiburg, S. 295-329. Zur medialen Rezeption siehe Kap. 2.1.1 dieser Arbeit. 134Vgl. Boschert 2009 – Das Studium generale, S. 25-30. 135Ebd., S. 33 f.

62 2.1 „Im Kern gesund“: Geistige Rückbesinnung an der deutschen Universität

staltungen frei zu stellen. „Beleg- und Testierzwang“, wie es der Jurist Franz Wieacker nannte, war mit der hochgeschätzten Freiheit nicht vereinbar.136 Ähnlich wie dem dies universitatis ging es allerdings auch dem studium generale in erster Linie um die „Einheit der Wissenschaften“, die es nach dem Krieg wieder zu finden und neu zu interpretieren galt. „Grundlagen, Grenzen und Wechselbeziehungen der Fächer“, hieß es etwa im Vor- lesungsverzeichnis vom Wintersemester 1954/55 über das studium generale, sollten der „Idee und dem Wesen der Universität“ entsprechend sichtbar gemacht werden, um so eine „neue Gemeinsamkeit der von der Vereinzelung bedrohten Fachrichtungen anzustreben“. Studierende, glaubte man, würden auf diese Art und Weise Gelegenheit erhalten, ihr Fachstudium „in sinnvoller Weise zu erweitern und zu vertiefen“. Auf diese Ziele war auch das Programmangebot ausgerichtet. So hatte sich das Freiburger studium generale explizit auf die Fahnen geschrieben, nicht ausschließlich Vorträge anzubieten – wie bspw. im Rahmen des dies universitatis – sondern viel stärker noch auf dialogische Formen wie Kolloquien, Übungen oder „Arbeitskreise“ zu verschiedensten Themen zurückzugreifen. Auf diese Art und Weise sollte das wissenschaftliche Gespräch zwischen den unterschied- lichen Disziplinen in Gang gehalten bzw. erst wieder in Gang gebracht werden.137 Die Freiburger Variante des studium generale übernahm nach 1945 eine Vorbildfunk- tion. Das zeigten u.a. die zahlreichen Anfragen von anderen deutschen Hochschulen, die im Rektorat der Albert-Ludwigs-Universität zu diesem Thema eintrafen. Das Freiburger Beispiel wurde auch auf Reformtagungen immer wieder positiv hervorgehoben.138 Eine Besonderheit des studium generale an der Albert-Ludwigs-Universität bestand darin, dass es im Vergleich zu anderen Varianten eine selbständige Einrichtung war, die Gel- der aus dem Landeshaushalt erhielt. Das Freiburger Modell, urteilte bspw. ein Autor der Stuttgarter Zeitung, nehme unter den vielfältigen Bemühungen zur Hochschulre- form in Deutschland eine „besondere Stellung“ ein. Von anderen Realisierungen eines studium generale unterscheide sich diese Variante bereits dadurch, dass sie eine „mit klar umrissenen Aufgaben betraute Einrichtung“ sei, die im Haushaltsplan einen eige- nen Titel besitzt.139 Nicht zuletzt waren es Professoren der Universität Freiburg selbst, die dem studium generale an der eigenen Hochschule selbstbewusst eine Führungsrol- le zuerkannten. So berichtete der Theologe Bernhard Welte am 2. April 1952 in der „Badischen Zeitung“ über eine Stuttgarter Konferenz, die sich schwerpunktmäßig mit dem Problem des studium generale beschäftigt hatte. In Stuttgart habe man deutlich erkannt, vermerkte Welte stolz, dass die Albert-Ludwigs-Universität „eine gewisse Füh- rung in diesen Dingen erlangt hat“. Für viele andere Hochschulen stelle Freiburg ein „Vorbild“ dar. Die Konferenzteilnehmer, fuhr Welte fort, hatten diesen Umstand v.a. ei- ner „seit Jahren kontinuierlichen Reihe von Rektoren“ zugeschrieben, die „alle am selben Strang gezogen“ und zudem „in der Freiburger Regierung einen verständnisvollen und

136Ebd., S. 29 f. 137Personen- und Vorlesungsverzeichnis der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Wintersemester 1954/55 (1954). Freiburg, S. 58. Vgl. auch die Programmhefte für das studium generale sowie: Boschert 2009 – Das Studium generale, S. 15-17. 138Boschert 2009 – Das Studium generale, S. 4-6 und S. 33 f. 139Hochschulreform von innen heraus. Aufgaben und Ziele des Freiburger „Studium generale“ (1954). In: Stuttgarter Zeitung, 29.04.1954. Vgl. Boschert 2009 – Das Studium generale, S. 33 f.

63 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 tatbereiten Partner gefunden“ hätten.140 Als Bernhard Welte im Jahr 1952 stolz die Freiburger Führungsrolle rühmte, mehr- ten sich an der Albert-Ludwigs-Universität jedoch bereits die Stimmen, die Zweifel am Erfolg von studium generale und dies universitas anmeldeten.141 Die Freiburger Stu- denten, lautete eine häufig zu hörende Klage, brachten nicht genügend Interesse für das studium generale auf. Die Teilnahme an den Veranstaltungen fiel enttäuschend niedrig aus.142 Besonders in der seit 1951 existierenden Freiburger Studentenzeitung wurde die Entwicklung des studium generale kritisch verfolgt. Ein Tutor sprach im Jahr 1952 von einer „Krise“ des allgemeinbildenden Studiums in Freiburg. Schweren Herzens musste er zugestehen, dass „wir mit unserem hoffnungsvollen Studium Generale nicht vorankom- men“. Vieles schien in „Papier und Organisation“ zu ersticken. In erster Linie, und das war für ihn der beunruhigendste Part, sei aber das studentische Interesse zu gering. Eine „lebendige universitas litterarum“ konnte der Autor nicht ausmachen. Die „Leidenschaft des sich Bildens und des Denkens“ fehlte. Stattdessen interessierten sich die Kommilito- nen vorzugsweise für „technische Fragen“.143 Der dies universitatis der Universität Freiburg hatte mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen wie das studium generale. Im Augenblick war die Hochschule „mit den Dies- Veranstaltungen ebenso wie mit allem, was zum Studium generale gehört, sozusagen in die Alltagsarbeit“ eingetreten, schrieb Friedrich Oehlkers am 9. April 1952 an seinen Kollegen Wieacker. Der „erste Schwung“ der unmittelbaren Nachkriegsjahre schien ver- flogen. Erschwerend kam nach Ansicht des ehemaligen Rektors der Umstand hinzu, dass alle „großen Redner“ der Universität bereits Vorträge übernommen hatten und man jetzt „auch an die Rhetoriker zweiten Grades“ geriet. In dieser Situation, warnte Oehlkers, be- stand die Gefahr, dass der dies universitatis sang- und klanglos „versandete“.144

Obwohl also die Aufbruchstimmung der Nachkriegszeit gegen Mitte der 1950er Jahre bereits wieder abflaute, spielte die Rückbesinnung auf akademische Traditionen während

140Bernhard Welte (1952): Bewegung in der Universität. Eine Tagung über das Studium Generale und die Universitätsreform. In: Badische Zeitung, 02.04.1952. 141Zu diesem Zeitpunkt war das studium generale insgesamt in die Kritik geraten. Vgl. zur massenme- dialen Diskussion Kap. 2.1.2 dieser Arbeit. 142Siehe bspw.: Um die Idee der Universität (1951). In: Badische Zeitung, 12.05.1951. Dort wird über eine Studentenversammlung berichtet, die vom Allgemeiner Studentenausschuss (AStA) wegen des „mangelnden Interesses“ vieler Kommilitonen am studium generale einberufen worden war. 143G. Freudenberg (1952): Krise im Studium Generale? In: Freiburger Studentenzeitung 2 (7), S. 7. Vgl.: Viel Lärmen um nichts? (1953). In: Freiburger Studentenzeitung 3 (5), S. 2; Vollendete Tatsachen? (1954). In: Freiburger Studentenzeitung 4 (6), S. 1; Walter Fehling (1956): Keine Zeit für das Interessante. In: Freiburger Studentenzeitung 6, 1956 (1), S. 3. 144Prorektor Oehlkers an Prof. Dr. Wieacker. Dies universitatis (09.04.1952). Universitätsarchiv Frei- burg, B 1/1584. Vgl. das Vorwort von Hans Ruffin in: Clemens Bauer (Hg.) (1954): Gestaltende Kräfte im 19. Jahrhundert. Vorträge. Freiburg (Freiburger dies universitatis, 2). Das „Anliegen“ des dies, heißt es darin, war zwar geblieben. Die „beschwingte Beteiligung“ aus der Nachkriegszeit sei aber „verloren gegangen“. Ein „vertieftes Interesse“ bestehe nur noch in einem „begrenzten Hörerkreis“. Ähnlich skizzierten Hans Thieme und Anton Vögtle die Lage im Vorwort zum Sammelband, der ein Jahr später erschien: Max Müller; Hugo Friedrich (Hg.) (1955): Europa als Idee und Wirklichkeit. Vorträge. Freiburg (Freiburger dies universitatis, 3).

64 2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit

der ersten Dekade nach Kriegsende in Freiburg wie letztlich in der gesamten Universi- tätslandschaft der Bundesrepublik eine ganz entscheidende Rolle. Große Denker machten sich öffentlich für eine Renaissance von Humboldt und Abend- land im deutschen Hochschulwesen stark. Karl Jaspers tat sich mit der Neuauflage seines in den 1920er Jahren entstandenen Textes zur „Idee der Universität“ besonders hervor. Vorstöße zur Hochschulreform wie das von den Briten mit initiierte „Blaue Gutachten“ schlossen sich an. Nicht zuletzt wurde die Tendenz zur geistigen Rückbesinnung auch im massenmedialen Kontext unterstützt, etwa durch Sendereihen wie die „Aula“ im Süd- westfunk. In Freiburg verortete man sich nach dem Krieg ebenfalls immer wieder demonstrativ in den langen Linien deutscher und „abendländischer“ Universitätsgeschichte. Die Vergan- genheit und ihre Gegenwart wurden u.a. bei akademischen Feiern öffentlich zelebriert, mit dem Höhepunkt des großen Jubiläums im Jahr 1957. Doch auch Vortragsreihen oder Einrichtungen wie das studium generale zeugten nach außen hin von einem stark ausgeprägten Geschichtsbewusstsein und dem Willen, die Kontinuität der traditionellen Universitätsidee nach dem schmerzhaften Einschnitt der NS-Zeit fortzuführen. Geistige Rückbesinnung gehörte also zweifellos zu den wichtigsten Imperativen der westdeutschen Universitätsgeschichte während des ersten Nachkriegsjahrzehnts. Zur glei- chen Zeit trat allerdings auch eine völlig andere, scheinbar gegenläufige Entwicklung auf den Plan, der gerade für die Beziehungen von Hochschule und Öffentlichkeit große Bedeutung zukam. Die deutsche Universität schlug nach 1945 einen dezidierten Moder- nisierungskurs ein – zumindest auf dem Feld der Architektur. Mit diesem Aspekt wird sich das folgende Kapitel beschäftigen.

2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit

Am 24. Dezember 1959 erschien in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ eine Reportage über die Freiburger Albert-Ludwigs-Universität und ihre Entwicklung nach dem Krieg. Günther Gillessen, der Verfasser des Beitrags, war in Freiburg geboren worden, hatte dort studiert und promoviert. Als er jetzt nach einigen Jahren wieder in seine Heimat zu- rückkehrte, fand Gillessen eine „veränderte Stadt“ vor. Verantwortlich für diesen Wandel war in seinen Augen v.a. die Universität, die nicht nur eine „kräftige physische Aus- dehnung“ erfahren hatte und immer deutlicher das Stadtbild zu „dominieren“ begann. Die äußere Gestalt der Hochschulbauten war im Vergleich zum Vorkriegszustand und den massiven Zerstörungen der Nachkriegszeit auch kaum wiederzuerkennen.Von einem trostlosen Trümmerfeld hatte sich die Albert-Ludwigs-Universität in der Zwischenzeit zu einer modernen Hochschule entwickelt.145 Der Wandlungsprozess, den Gillessen bei seinem Besuch in der Heimat ausgemacht hatte, und seine Bedeutung für die Beziehungen zwischen Universität und Öffentlichkeit

145Günther Gillessen (1959): Eine Universität voll Kraft und Leben. Freiburg unter dem Eindruck seiner aufstrebenden Hochschule. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.12.1959.

65 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 ist Thema des folgenden Kapitels.

Die bauliche Entwicklung, das zeigte u.a. das Freiburger Beispiel, bildete ein Schar- nier zwischen Universität und Öffentlichkeit.146 Die Außenwahrnehmung der Hochschu- le wurde nicht nur von Forschungsleistungen, öffentlichen Vorträgen der Professoren oder akademischen Feiern, sondern zu einem guten Teil auch von ihrer Architektur und „städtebaulichen Arrangements“ geprägt. Kollegien- und Verwaltungsgebäude, Instituts- bauten oder Kliniken verliehen Universitäten in der Öffentlichkeit ein Gesicht und ein spezifisches Profil. Teilweise nutzten Hochschulen die bauliche Entwicklung auch gezielt zur öffentlichen Selbstdarstellung.147 An einer typischen „Stadtuniversität“ wie Freiburg kam die Bedeutung der baulichen Entwicklung als Scharnier zwischen Universität und Öffentlichkeit besonders deutlich zum Ausdruck. Die Freiburger Hochschule residierte nicht isoliert in einem abgeschlos- senen Komplex – einem „Campus“ – an der Peripherie. Stattdessen demonstrierte sie seit jeher „physische“ Präsenz im Stadtgebiet und wurde zum Teil ganz bewusst in den öffentlichen Raum der Stadt integriert. Dies sorgte nicht nur für eine erhöhte Sicht- barkeit, sondern machte die Universität außerdem für Außenstehende zugänglicher und erleichterte eine rege Interaktion mit der Bevölkerung. Die Öffentlichkeitswirkung der Freiburger Hochschulbauten wurde zusätzlich durch eine ausführliche Berichterstattung der Massenmedien über den Wiederaufbau der Uni- versität nach dem Ende des Kriegs verstärkt. Die bauliche Entwicklung der Hochschu- le war gerade in der Lokal- und Regionalpresse ein ganz zentrales Thema, tauchte zu bestimmten Anlässen – dem Jubiläum von 1957 etwa – aber auch in den überregio- nalen Blättern auf. Die „Badische Zeitung“ als bedeutendste Tageszeitung der Region informierte regelmäßig über Planung und Fortgang der Aufbauarbeiten. Insbesondere publizierte sie immer wieder Fotomaterial, das Leserinnen und Lesern einen plastischen Eindruck von abgeschlossenen und laufenden Bauarbeiten an der Freiburger Universität vermittelte.

Das Erscheinungsbild der Albert-Ludwigs-Universität wurde in der unmittelbaren Nach-

146Siehe Schalenberg 2008 – Zum größeren Ruhme der Wissenschaft, S. 176 f. Die Literatur zur Ge- schichte des Hochschulbaus ist allerdings meist von einem primär architektur- bzw. kunsthistorischen Interesse geleitet. Zu den wichtigsten Publikationen gehören: Konrad Rückbrod (1977): Universi- tät und Kollegium. Baugeschichte und Bautyp. Darmstadt. Rückbrods Arbeit zum mittelalterlichen Hochschulbau war im Kontext der verstärkten Bemühungen um Hochschulplanung in den 1960er und 1970er Jahren entstanden. Für das 19. und frühe 20. Jahrhundert: Sabine Marschall (1993): Das Hauptgebäude der Deutschen Universität und Technischen Hochschule im 19. Jahrhundert. Tü- bingen und Nägelke 2000 – Hochschulbau im Kaiserreich. Hansen 2001 – Die Frankfurter Universi- tätsbauten Ferdinand Kramers konzentriert sich zwar auf die Situation an der Universität Frankfurt. Die Arbeit enthält aber auch aufschlussreiche Passagen zum Hochschulbau in der Bundesrepublik insgesamt. Der Sammelband von Beuckers (Hg.) 2010 – Architektur für Forschung und Lehre tritt mit dem Anspruch auf, einen Überblick über die internationale Entwicklung des Hochschulbaus vom Mittelalter bis heute zu bieten. Die Zeit nach 1945 ist mit Beiträgen zu Stuttgart, Frankfurt und Kiel, aber auch zu den neuen Universitäten in Konstanz und Bochum vertreten. 147Vgl. Schalenberg 2008 – Zum größeren Ruhme der Wissenschaft, S. 176 f.; Hansen 2001 – Die Frank- furter Universitätsbauten Ferdinand Kramers, Kap. 5.

66 2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit

kriegszeit zunächst von den schwerwiegenden Zerstörungen bestimmt, die der Luftangriff im November 1944 an den Hochschulbauten verursacht hatte. Wegen der schwierigen äu- ßeren Bedingungen verliefen die Arbeiten am Wiederaufbau zumindest in den ersten zwei bis drei Jahren nach Kriegsende äußerst schleppend. Die Reparaturarbeiten waren oft notdürftig, improvisiert und provisorisch angelegt, demonstrierten aber trotzdem den Lebenswillen der Hochschule und konnten in der Öffentlichkeit so durchaus als Signal für einen Neuanfang interpretiert werden. Seit Ende der 1940er Jahre wurden die Notmaßnahmen der unmittelbaren Nachkriegs- zeit von einem geordneten und planvollen Wiederaufbau abgelöst, der sich sowohl an ausgefeilten architektonischen Konzepten, als auch an städtebaulichen Planungen orien- tierte. Nach 1948 wurde ein enormes Bauprogramm umgesetzt, das der Universität ein vollkommen neues Gesicht verleihen sollte. Wie viele andere Hochschulen in der Bundes- republik präsentierte sich die Albert-Ludwigs-Universität nun als „moderne“ Einrichtung, die sich durch ihre transparente, leichte und nüchterne Bauweise vom „pathetischen“ und nicht selten monumentalen Stil der vergangenen 100 Jahre unterschied.148 Als Günther Gillessen am Ende der 1950er Jahre seine Heimatstadt besuchte, war die Phase des Wiederaufbaus bereits zu einem gewissen Abschluss gekommen.149 Die Universität, hielt Gillessen bewundernd fest, steckte wieder voller „Vitalität“, ihr „mo- dernes Bauen“ hatte das gesamte Stadtbild neu geprägt.150 Kaum noch etwas in Freiburg erinnerte jetzt an die „schwere, an Zerstörung grenzende Beschädigung fast aller Universi- tätsgebäude“, die sich dem Beobachter bei Kriegsende geboten hatte. Unter schwierigsten Bedingungen waren damals, im Jahr 1945, die ersten organisatorischen Weichenstellun- gen für den notwendigen Wiederaufbau erfolgt.

2.2.1 Die unmittelbare Nachkriegszeit: Improvisation und Notmaßnahmen (1945-1948) Die Gründung des Universitätsbaubüros Am 1. Februar 1946 erschien in der allerersten Ausgabe der „Badischen Zeitung“ ein um- fassender Beitrag über den „Wiederaufbau an der Universität“. Der Artikel machte den Versuch, „einmal den Umfang des notwendigen Wiederaufbaus an der Freiburger alma mater zu umreißen“, der von „Außenstehenden“ bisher „kaum übersehen“ werden konnte. Von allen Gebäuden, die dem Lehr- und Forschungsbetrieb dienten, waren nur zwei ohne Schaden geblieben. Selbst die Einrichtungen, die nicht vollständig zerstört worden wa- ren, hatten so schwere Schäden erlitten, dass „ihre Nutzungsmöglichkeit kaum 30 Proz.“ erreichte, wie es in dem Beitrag hieß. Die Betreuung eines „so umfangreichen Wieder- aufbaues“, fuhr der Autor fort, verlangte „zwangsläufig eine einheitliche Bauleitung“ für

148Vgl. Hansen 2001 – Die Frankfurter Universitätsbauten Ferdinand Kramers, S. 23 und 26, sowie insbesondere Kap. 5; Vgl. für den Hochschulbau um die Jahrhundertwende ausführlich: Nägelke 2000 – Hochschulbau im Kaiserreich. 149So bspw. zeitgenössisch bereits Hans Detlev Rösiger (1957): Der Wiederaufbau seit 1945. Freiburg (Die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 1457-1957, 1), S. 121. 150Gillessen 24.12.1959 – Eine Universität voll.

67 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 die Universität.151 Tatsächlich hatte die Verantwortung für den Wiederaufbau der Hochschule nach Kriegs- ende zunächst in den Händen des Freiburger Bezirksbauamts gelegen. An der Universität – wo bereits am 28. April 1945 wieder eine akademische Baukommission gegründet wor- den war152 – stieß die Tätigkeit des Amtes allerdings schon bald auf scharfe Kritik. In einer „Beschwerdeschrift“ behauptete der Dekan der Medizinischen Fakultät Franz Büch- ner im Juni 1945, dass die Arbeiten unter Federführung des Bezirksbauamts – insbeson- dere an den Kliniken – „viel zu langsam“ voran gingen. Er empfahl, die Verantwortung für den Wiederaufbau einer eigenen Bauleitung um den Ingenieur Heinrich Henning zu übertragen, der kurz zuvor von der Freiburger „Wissenschaftlichen Gesellschaft“ enga- giert worden war.153 Der akademische Senat und Rektor Sigurd Janssen teilten Büchners Einschätzung. Das Bezirksbauamt, behauptete Janssen, hatte nach dem Krieg auf „allen Gebieten der Instandsetzung der Universitäts- und Klinikbauten“ kläglich versagt. Wegen der nach- lässigen Arbeit der Beamten seien an den Hochschulgebäuden neben den ohnehin schon schwerwiegenden Kriegszerstörungen sogar noch weitere „schwere Schäden“ und zusätz- liche Kosten entstanden.154 Aus diesem Grund beantragte Janssen am 23. August 1945 beim Kultusministerium die Installierung eines eigenen „Universitätsbauamts“. Die neue Behörde sollte Wiederherstellung und Instandsetzung aller durch den Luftangriff zer- störten Universitätsgebäude, Ausführung sämtlicher Bau- und Instandsetzungsarbeiten, sowie Planung und Durchführung von Neubauten der Hochschule übernehmen.155 Der Gründungsprozess des „Universitätsbauamts“ war von Konflikten und Kompe- tenzstreitigkeiten insbesondere mit dem Bezirksbauamt geprägt.156 Am 13. September 1945 konnte man sich schließlich auf einen Kompromiss einigen. Zwar kam tatsächlich eine eigene „Universitätsbauleitung“ unter Führung von Heinrich Henning zustande. Al- lerdings wurde die neue Einrichtung der Aufsicht des Bezirksbauamts unterstellt, das weiterhin alle entscheidenden Fäden in der Hand behalten sollte.157 So beschwerte sich Henning nach der Entscheidung nicht nur über die schwache Stel-

151Wiederaufbau an der Universität (1946). In: Badische Zeitung, 01.02.1946 152Ortwin Müller (1994): Zukunftsorientierte Universitätsplanung statt reiner Wiederherstellung des oft nur zufällig entstandene Alten. In: Ulrich P. Ecker (Hg.): Freiburg 1944-1994. Zerstörung und Wiederaufbau. Waldkirch, S. 133-142. 153Adolf Lorenz (30.08.1945): Bericht des Badischen Bezirkbauamts. Errichtung eines Üniversitäts- bauamtesïn Freiburg. Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/283; Aktenvermerk des Badischen Finanz- und Wirtschaftsministeriums. Errichtung eines „Universitätsbauamtes“ in Freiburg (13.09.1945). Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/283. 154Siehe: Staatsarchiv Freiburg 13.9.1945 – Aktenvermerk des Badischen Finanz- und Wirtschaftsmini- steriums. 155Sigurd Janssen (23.08.1945): Der Rektor der Universität Freiburg an das Badische Kultusministeri- um. Antrag auf Errichtung eines Universitätsbauamtes. Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/283. 156Siehe den Bericht von Lorenz 30.8.1945 – Bericht des Badischen Bezirkbauamts. Lorenz war seit 1914 im Bezirksbauamt tätig gewesen. Seit 1945 leitete er die Hochbauabteilung im badischen Finanzmi- nisterium. 157Kurt Beringer (18.09.1945): Der Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg Berin- ger an Rektor Sigurd Janssen. Einrichtung einer Universitätsbauleitung. Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/283.

68 2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit

lung der neuen Universitätsbauleitung, sondern auch über die Geringschätzung, die seiner Person aus dem Bezirksbauamt entgegenzuschlagen schien. Die Existenz seiner Dienststelle werde dort schlichtweg ignoriert, klagte der Ingenieur am 15. September 1945 in einem Schreiben an den Rektor, nachdem er das Gespräch mit Vertretern des Amtes gesucht hatte. Offenbar hatte man Henning klar zu verstehen gegeben, dass er lediglich als subalterner „Bauleiter“ zu betrachten sei, der „keinerlei Anordnungen und Anweisungen zu treffen“ habe. Die „gesamte Planung und Organisation des Universi- tätskomplexes“ reklamierte das Bezirksbauamt für sich. Er selbst habe sich demnach lediglich um die Beschaffung von Material und Arbeitskräften zu kümmern, dem Bau- amt „Vortrag zu halten“ und über die eigenen „Ideen“ zu berichten.158 Unter diesen Bedingungen, drohte Henning, würde er seine Tätigkeit in der Universi- tätsbauleitung gar nicht erst aufnehmen.159 Erst nachdem ihm „weitgehende Handlungs- freiheit“ zugesichert worden war, erklärte sich der Ingenieur dazu bereit, seine Stelle anzutreten. Trotzdem wurde die Arbeit am Wiederaufbau auch in den nächsten Jahren immer wieder von Kompetenzstreitigkeiten zwischen Hennings Universitätsbauleitung und dem zuständigen Amt begleitet.160 Die ständigen Auseinandersetzungen mit den staatlichen Stellen stellten allerdings nur eines der vielen Hindernisse dar, die sich dem Wiederaufbau der Universität in den ersten Nachkriegsjahren entgegenstellten.

Schwierige Anfänge im Wiederaufbau

Die Arbeit der Universitätsbauleitung war in den ersten zwei bis drei Jahren nach dem Krieg durch einen ständigen Zwang zur Improvisation gekennzeichnet.161 Die Maßnah- men des Baubüros folgten noch keinem langfristigen Plan, sondern beschränkten sich zunächst auf notdürftige Reparaturarbeiten und provisorische Lösungen. Man versuchte beschädigte Gebäude zu überdachen, um weiteren Zerstörungen durch Witterungsein- flüsse vorzubeugen, dringendste Aufräumarbeiten zu leisten und die Arbeitsfähigkeit von Bibliotheken, Instituten und Kliniken so gut es eben ging wieder herzustellen, um die Fortsetzung des Lehrbetriebs zu garantieren.162 Wegen der schwierigen äußeren Bedingungen schritten die Arbeiten nur mühsam vor- an. Zwar konnten einige Gebäude – wie u.a. bis Januar 1948 die chirurgische Klinik – wiederhergestellt werden. Es gab also durchaus Erfolge im Wiederaufbau. Die Schä- den, die der Luftangriff im November 1944 verursacht hatte, waren aber auch Jahre nach dem Krieg noch deutlich sichtbar. Zumindest bevor seit dem Jahr 1948 mehr und mehr Bauprojekte umgesetzt werden konnten, wurde das Erscheinungsbild der Albert-

158Heinrich Henning (15.09.1945): Heinrich Henning an den Rektor der Universität Freiburg. Univer- sitätsbauleitung. Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/283. 159Henning (15.09.1945) – Heinrich Henning an den Rektor 160Heinrich Henning (1947): Improvisation auf weite Sicht. In: Die neue Stadt 1, S. 25-27, hier S. 25. 161Ebd., S. 26 sprach selbst von einem „System der Systemlosigkeit“. Vgl. Müller 1994 – Zukunftsorien- tierte Universitätsplanung statt reiner Wiederherstellung, S. 133 f.; Wiederaufbau an der Universität 1.2.1946. 162Henning 1947 – Improvisation auf weite Sicht; Müller 1994 – Zukunftsorientierte Universitätsplanung statt reiner Wiederherstellung; Speck 1995 – Die Freiburger Universität am Kriegsende, S. 417.

69 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

Ludwigs-Universität von zerstörten, beschädigten oder bestenfalls halbfertigen Gebäu- den dominiert.163 Die schwierige Lage dokumentierte u.a. ein Bericht des Baubüros zum „Stand der Wie- deraufbauarbeiten“, der im September 1947 von dem Architekten Horst Linde angefertigt worden war. Linde, der die bauliche Entwicklung der Albert-Ludwigs-Universität in den nächsten zehn Jahren maßgeblich bestimmen sollte, hatte kurz zuvor den erkrankten Heinrich Henning in der Leitung des Freiburger Wiederaufbaus abgelöst. Über den Zu- stand der Hochschule und das Bild, das die Universität in der Öffentlichkeit abgab, fällte sein Bericht ein geradezu niederschmetterndes Urteil. Um die Verantwortlichen in Stadt und Land vom Ernst der Lage zu überzeugen und zu größerem finanziellem Engagement zu bewegen, hatte der Leiter des Baubüros die Situation der Universität zwar auf sehr „dramatische“ Art und Weise ausgeschmückt. Im Grundsatz war seine Diagnose aber zutreffend. Mehr als alle anderen Universitäten, stellte Linde fest, krankte Freiburg noch immer „an den fast totalen Zerstörungen der elementarsten Einrichtungen“. Andere Landes- regierungen und Universitätsstädte in Deutschland nutzten jede Möglichkeit, um den „baulichen Rahmen für die wissenschaftliche Arbeit“ wiederherzustellen. Freiburg stehe dagegen erst „an einem schwächlichen Anfang“. Am Kollegiengebäude, führte Linde näher aus, war u.a. die Dachfläche des Nordflü- gels noch immer nicht überdeckt, so dass weiterhin die Gefahr von Witterungsschäden bestand. Die Anatomie befand sich in einem „trostlosen Zustand“. Zahlreiche Baustellen der Universität – Zoologie, physikalisches Institut oder Augenklinik beispielsweise – la- gen völlig brach, weil Arbeitskräfte fehlten, weil kein Unternehmen zu finden war, das die anstehenden Aufgaben umsetzen konnte oder weil die Firmen unzuverlässig arbeiteten. Insgesamt bot die Universität in Lindes Augen den Anblick eines „baulichen Krüp- pels“, vor dem auswärtige Hochschullehrer schon jetzt regelmäßig zurückschreckten, wenn sie einen Ruf nach Freiburg erhielten. Ihm zufolge war es nur eine Frage der Zeit, bis diese Ablehnung auch die Studentenschaft bzw. die Abiturienten erreichte. Die Albert- Ludwigs-Universität, das behauptete zumindest der Leiter ihres Baubüros, lief wegen der noch immer katastrophalen baulichen Situation Gefahr, ihre Anziehungskraft und damit auch ihren Stellenwert zu verlieren, den sie sich in ihrer langen Geschichte erwor- ben hatte.164

Einen zügigeren Wiederaufbau verhinderten u.a. Schwierigkeiten bei der Finanzierung. Horst Linde bemängelte in seinem Bericht die Unzulänglichkeit der bisher aufgewandten Mittel, die nicht ansatzweise ausreichten, um einen „systematischen Aufbau“ unter den „jetzigen Hemmnissen“ durchführen zu können. In der Tat war der Wiederaufbau der Albert-Ludwigs-Universität in den ersten Jahren nach dem Krieg zu guten Teilen aus einem „Wiederaufbaufonds“ der „Wissenschaftlichen Gesellschaft“ in Freiburg bestritten

163Vgl. Vincke (Hg.) 1948 – Hochschule und Wiederaufbau, S. 28 f.; Speck 1995 – Die Freiburger Uni- versität am Kriegsende, S. 416-424. 164Horst Linde (17.09.1947): Bericht zum Wiederaufbau der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Brg. Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/281, S. 1. Vgl.: Wer die Alma mater liebt (1947). In: Badische Zeitung, 04.11.1947.

70 2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit

worden.165 Die „höchsten Regierungsstellen“, fuhr Lindes Bericht fort, seien jetzt end- lich dazu verpflichtet, eine „materielle Basis“ für den Wiederaufbau bereitzustellen. Die Bemühungen der Badischen Regierung für das „erste Kulturinstitut des Landes“ mus- sten „grundsätzlicher“ Natur sein. Sämtliche Ministerien, aber „vor allem“ auch die Stadt Freiburg sollten sich entschlossener am Wiederaufbauwerk beteiligen.166 Neben der Finanzierung identifizierte Linde v.a. Transportwesen, Materialbeschaf- fung und Arbeitskräfte als „Kernprobleme“ des Wiederaufbaus an der Albert-Ludwigs- Universität.167 Der „grundsätzliche Mangel an Firmen und Arbeitskräften“ – insbesondere Facharbei- tern – bereiteten der Hochschule und ihrem Baubüro besonders große Sorgen. Weil nicht genügend Personal zur Verfügung stand, hatte die Universität schon im Mai 1945 zum Mittel der Selbsthilfe gegriffen und eigene „Bautrupps“ eingesetzt, die v.a. mit Studen- ten, zum Teil aber auch mit Dozenten, Mitarbeitern aus Technik und Verwaltung oder – im Fall der Kliniken – mit Krankenschwestern besetzt waren. Nach seiner Gründung übernahm das Baubüro die Koordination dieses Arbeitseinsatzes. Im Sommersemester 1946 wurde für Studenten eine siebentägige Arbeitspflicht pro Semester eingeführt.168 Das Engagement der Studierenden war zwar gerade zur Zeit des freiwilligen Einsatzes durchaus beachtlich, konnte aber den Mangel an Fachkräften nicht aufwiegen.169 Eine Instandsetzung der Universitätsruinen wurde nach dem Krieg darüber hinaus durch Probleme im Transportwesen – es gab zu wenig „fahrbereite Fahrzeuge“ und zu wenig Treibstoff – sowie bei der Materialversorgung immer wieder verzögert.170 Wie Heinrich Henning im Oktober 1947 in der Zeitschrift „Die neue Stadt“ berichtete, hatte das Baubüro der prekären Lage zum Teil mit „Tauschhandel“ und dem in der Nachkriegs- zeit bei allen Volksschichten beliebten „Organisieren“ zu begegnen versucht. Größtenteils wurden Backsteine, Dachziegel oder Bleche jedoch aus den Trümmern geborgen und zur Wiederverwendung aufbereitet. Selbst Nägel, bemerkte Henning, hatte man aus den Ruinen aufsammeln und wieder „gerade klopfen“ müssen. Niemand konnte wirklich zu- verlässig abschätzen, welches Material in der nächsten Woche oder im nächsten Monat zur Verfügung stehen würde. Die Leitung des Wiederaufbaubüros musste deshalb immer wieder „umdisponieren und umorganisieren“, musste „auf steter Jagd nach Transport- mitteln“ und in der Lage sein, „mit verfügbarem Bargeld sofort wo nötig zuzugreifen und zu handeln, ohne den behördlichen Instanzenweg zu beanspruchen“.171

Die Lage der Universität war also zweifellos schwierig, aber auch nicht hoffnungslos.

165Vgl. etwa Speck 1995 – Die Freiburger Universität am Kriegsende, S. 419. 166Linde 17.9.1947 – Bericht zum Wiederaufbau der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Brg, S. 1. 167Ebd., S. 1 f. 168Gonser 2010 – Der studentische Arbeitseinsatz, Kap. 3.1. Henning 1947 – Improvisation auf weite Sicht, S. 26 beschreibt das vom Baubüro angewandte „Erfassungssystem“. 169So bspw. Heinrich Henning (25.10.1945): Henning an den Rektor der Universität Freiburg. Tätig- keitsbericht über den Wiederaufbau der Universität Freiburg. Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/283 oder Linde 17.9.1947 – Bericht zum Wiederaufbau der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Brg, S. 4 f. 170Linde 17.9.1947 – Bericht zum Wiederaufbau der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Brg, S. 1 f. 171Henning 1947 – Improvisation auf weite Sicht, S. 26 f. Vgl. Wiederaufbau an der Universität 1.2.1946.

71 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

Gerade die Initiative der akademischen „Selbsthilfe“ sorgte dafür, dass das Bild der Zer- störung in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder von dem optimistischen Ein- druck eines Neuanfangs aufgehellt wurde. Die fiebrige Aktivität der studentischen „Bautrupps“, vermerkte die „Badische Zei- tung“ beispielsweise in der Ausgabe vom 7. Mai 1946, hatte das vollkommen zerstörte Institutsviertel der Universität in einen regelrechten „Ameisenhaufen“ verwandelt. „Un- ter fachkundiger Leitung“ setzten sich die Studenten jeden Tag leidenschaftlich für „ihre“ Hochschule ein. Der Beitrag lieferte eine fast „impressionistische“ Darstellung des Wie- deraufbaus, die Leserinnen und Lesern die Atmosphäre auf den Trümmerfeldern – „auf- einander splitternde“ Backsteine, zu Boden schmetternde Röhren – plastisch vor Augen führte. In einigen Passagen beschwor der Text geradezu den Eindruck eines Freibur- ger „Wiederaufbauidylls“ herauf. Auf neuen Dachstühlen leuchteten „weiße Schindeln“ in der Sonne. Studenten pfiffen ein „lustiges Lied“ bei der schweren körperlichen Arbeit, die „noch mal so viel“ Freude bereitete, weil der „entblößte Oberkörper ein Sonnenbad“ nehmen konnte.172 Teilweise wurden die Aufbauarbeiten der Nachkriegszeit schon von den Zeitgenossen regelrecht heroisiert. Der Stolz auf die Leistungen, die man den widrigen Bedingungen abgetrotzt hatte, und die daraus erwachsende Zuversicht kamen in einem Beitrag der „Badischen Zeitung“ vom 20. August 1946 deutlich zum Ausdruck. In dem Artikel berich- tete der Autor über den kurz vor dem Abschluss stehenden Wiederaufbau des chemischen Laboratoriums im Institutsviertel der Universität. Bei Kriegsende, erinnerte sich der Ver- fasser, hatte es noch so ausgesehen, als ob hier „jede Aufräumungs- und Aufbauarbeit hoffnungslos wäre“. Trotzdem und gegen alle Widerstände hatten die Betroffenen kurz entschlossen und voller Mut selbst „zugepackt“. Die zum Teil unter regelrechten „Gewalt- anstrengungen“ wiederhergestellten Räume seien zwar sehr „schlicht“, aber immerhin mit der notwendigen Einrichtung versehen. Mit ihrem Einsatz, erklärte der Verfasser voller Pathos, hatten die Beteiligten stellvertretend für „jede Wiederaufbauarbeit“ bewiesen, was „Selbsthilfe leisten kann, wenn zäher Wille und Fleiß sie führen und nie erlahmen“.173

Improvisierte, notdürftige und provisorische Arbeit, die – wie in den beiden Artikeln der „Badischen Zeitung“ voller Bewunderung beschrieben – auch häufig auf „Selbsthilfe“ zurückgreifen musste, dominierte also die ersten beiden Jahre des Freiburger Wieder- aufbaus nach Kriegsende. Bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 1947 kündigten sich allerdings entscheidende Veränderungen an. Mit der personellen Veränderung im Bau- büro – Henning zu Linde – setzte auch bald eine Art „Paradigmenwechsel“ im Wieder- aufbau ein. Seit dieser Zeit folgte die bauliche Entwicklung ausgefeilten und langfristig angelegten Plänen, die Horst Linde und seine Mitarbeiter erarbeitet hatten. Als sich die Wirtschafts- und Versorgungslage nach der Währungsreform im Jahr 1948 langsam zu entspannen begann, war das Baubüro dann auch in der Lage seine Konzepte in die

172Die 56 Stunden der Studenten. Notdürftige Wiederherstellung der Universitätsinstitute (1946). In: Badische Zeitung, 07.05.1946. 173Ein Institut half sich selbst. Wissenschaftliche Arbeit zwischen Ruinen und unter Ruinen (1946). In: Badische Zeitung, 20.08.1946. Ähnlich: Wiederaufbau an der Universität (1948). In: Südwestdeutsche Volkszeitung, 01.10.1948.

72 2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit

Praxis umzusetzen und den Wiederaufbau zügiger voranzubringen.

2.2.2 Geplanter Wiederaufbau (1947-1957) Im Sommer des Jahres 1952 veröffentliche Horst Linde einen kurzen Aufsatz im Mit- teilungsblatt des Verbands der Freunde der Universität Freiburg. Linde blickte auf fünf Jahre Wiederaufbau zurück und berichtete über den aktuellen Stand der Arbeiten. „Au- ßenstehende“, gestand er zu, mochten durchaus den Eindruck gewinnen, dass es den Bemühungen an „vernünftiger Planung und innerer Ordnung“ mangelte. Doch dieser Eindruck täuschte. Unter seiner Regie, so Linde, habe man in den vergangenen fünf Jahren „sinnvoll und systematisch gearbeitet“, auch dort, wo es heute nach außen hin noch nicht in Erscheinung trat.174 Schon der „Impro- visator“ Heinrich Hen- ning hatte im Sep- tember 1946 gefor- dert, möglichst bald mit der technischen und organisatorischen Planung eines „wirkli- chen“ Neuaufbaus zu beginnen. Auf Dau- er, hielt der Inge- nieur fest, durfte man sich nicht damit be- gnügen, die „Ruinen“ der zerstörten Univer- sitätsbauten nur not- Abbildung 6: Pharmazeutisches Institut dürftig wiederherstel- len zu wollen. Das „teure Improvisieren“ sollte „nach Erledigung der dringendsten Not- maßnahmen dem geplanten Wiederaufbau weichen“.175 Henning selbst war es nicht mehr vergönnt gewesen, seine Vorstellungen eines geordneten Neuaufbaus in die Tat umzuset- zen. Dies sollte seinem Nachfolger Horst Linde vorbehalten bleiben.

Das Universitätsbaubüro wird selbstständig (1947-1950) In der Hochbauabteilung des badischen Finanzministeriums hatte man bereits im Som- mer 1947 die Notwendigkeit einer „geordneten Gesamtplanung“ gesehen und über die Aufstellung eines „Generalbebauungsplans“ nachgedacht, der auch die „Möglichkeit der

174Horst Linde (1952): Stand des Wiederaufbaus der Universität und Ausblick. In: Mitteilungen des Verbandes der Freunde der Universität Freiburg 3, S. 5-9, hier S. 5. 175Heinrich Henning (14.09.1946): Bericht über die bisherige Tätigkeit des Wiederaufbaubüros der Universität Freiburg, über den Studenteneinsatz, sowie Zukunftsaussichten. Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/283. Vgl. Ders. 1947 – Improvisation auf weite Sicht, S. 27.

73 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

Weiterentwicklung der Universität im künftigen baulichen Organismus der Stadt“ be- rücksichtigen sollte.176 Auf Anregung von Horst Linde wurde nur wenig später eine „Planungsabteilung“ im Baubüro eingerichtet, um die „engere und weitere Planung auf organischer Grundlage durchzuführen“.177 Lindes Idee von einem planvollen Vorgehen entsprach zudem der Versuch, sich nun endgültig vom Einfluss des Bezirksbauamts zu lösen und die Zuständigkeit für das Bau- wesen an der Universität in einer Institution zu bündeln. Zwar waren dem Baubüro durch einen Erlass des Finanzministeriums schon im Oktober 1947 sämtliche Kompetenzen im Bereich des Wiederaufbaus übertragen worden.178 Für die Universitätsgebäude, die keine Instandsetzung erforderten, war aber noch immer das Bezirksbauamt zuständig. Einmal fertiggestellt, sollten die Bauten dem Amt „zurückgegeben“ werden. Eine solche Konstellation hielt Linde nicht für zweckmäßig, weil sie einer „einheitlichen Bau- und Ge- staltungsauffassung“ zuwider liefen, wie er sie in seinen „auf Jahre“ angelegten Planun- gen vorgesehen hatte. Selbst „fertige“ Gebäude befanden sich seiner Meinung nach stets im „Entwicklungszustand“, waren „laufenden Veränderungen“ unterworfen oder mussten schon in „absehbarer Zeit“ wieder erweitert werden. Um eine „einheitliche Lenkung und Planung“ garantieren zu können, plädierte Linde deshalb eindringlich dafür, sämtliche Kompetenzen in seinem Büro zusammenzufassen.179 Nicht zuletzt wegen Lindes Intervention erlangte die Universitätsbauleitung im Jahr 1950 endgültig den Status einer „selbständigen Baudienststelle“, die nun vollständig vom Bezirksbauamt gelöst, direkt der Hochbauabteilung im Finanzministerium unter- stellt und allein für sämtliche Bauaufgaben an der Albert-Ludwigs-Universität zuständig war.180 Auch das seit 1946 existierende städtische Klinikbaubüro, das zunächst eigen- ständig gearbeitet hatte, wurde nun hier eingegliedert. Beide Planungszentralen führte man schließlich im Jahr 1965 zu dem noch heute bestehenden „Universitätsbauamt Frei- burg“ zusammen.181 Unter Lindes Verantwortung erfolgte die Arbeit im Baubüro zunehmend „nach großen Richtlinien“ und „immer mit dem Blick auf das Ganze“.182 Die Planer beschäftigten sich mit der architektonischen Entwicklung der Universität, wobei hier eine bauliche Modernisierung das wichtigste Ziel darstellte.183 Sie widmeten sich aber auch intensiv

176Badisches Finanzministerium an das Badische Kultusminister. Wiederaufbau der Universität Freiburg (29.07.1947). Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/283. 177Linde 17.9.1947 – Bericht zum Wiederaufbau der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Brg, S. 5. 178Horst Linde (21.10.1949): Schreiben an das Badische Finanzministerium, Hochbauabteilung. Orga- nisation der Bezirksbauämter. Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/283. Die Dienststelle trug jetzt den offiziellen Titel „Wiederaufbaubüro der Universität Freiburg“, firmierte aber weiterhin als „Neben- stelle“ des Bezirksbauamtes. 179Ebd. 180Hochbauabteilung des Badischen Finanzministeriums an das Wiederaufbaubüro der Universität Frei- burg. Organisation des Hochbauwesens (17.11.1949). Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/283; Horst Lin- de (05.01.1950): Tätigkeitsbericht des Wiederaufbaubüros der Universität Freiburg für die Zeit vom 1.10.1949 bis 31.12.1949. Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/281, S. 6. 181Universitätsbauamt Freiburg (Hg.) (2007): Bauen für Forschung und Lehre 1957-2007. Freiburg, S. 11. 182Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 20. 183Siehe die Abschnitte zu Planungsarbeiten in den Tätigkeitsberichten des Wiederaufbaubüros. Zum

74 2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit den Beziehungen zwischen Universität und Stadt.

Die Universität in der Stadt

Als die Albert-Ludwigs-Universität im Jahr 1957 ihr großes Jubiläum beging, erschien im Rahmen der großen Festschrift auch ein schmaler Band, der sich mit dem Wiederauf- bau nach 1945 auseinandersetzte. Der Architekt Hans-Detlev Rösiger, der die Aufgabe des Chronisten übernommen hatte, blickte darin zunächst auf die städtebauliche Ent- wicklung der Hochschule in den vergangenen Jahrhunderten zurück. Mit dem Wachstum der naturwissenschaftli- chen Disziplinen im 19. Jahrhundert war der Ge- ländebedarf der Freibur- ger Universität erheblich angestiegen. Am Dreisa- mufer, im Norden und Westen der Stadt such- te und fand die Al- bertina neue Quartie- re. Rösiger begegnete der städtebaulichen Ent- wicklung des 19. Jahr- hunderts allerdings mit einer überaus kritischen, fast schon polemischen Haltung. Die Expansion der Universität war in seinen Augen vollkom- men „planlos“ und oh- ne die notwendige „Weit- sicht“ verlaufen. Die Men- schen des 19. Jahrhun- derts, behauptete Rösi- ger, hatten die „Kunst des Städtebaus“ nicht mehr beherrscht. Zu „wei- tausschauenden Plänen“ sei man zu dieser Zeit gar nicht in der Lage ge- Abbildung 7: Physiologisch-chemisches Institut wesen. Ganz anders verhielt

„modernen“ Erscheinungsbild siehe Kap. 2.2.2 dieser Arbeit.

75 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 es sich offenbar mit den jüngsten Entwicklungen. Von den Fehlern des 19. Jahrhun- derts, lobte Rösiger, hob sich die städtebauliche Planung des Freiburger Wiederaufbaus nach 1945 „umso deutlicher“ ab.184

Campus- oder Stadtuniversität? Die Planer im Baubüro, erinnerte sich Horst Lin- de in seinem Bericht aus dem Jahr 1952, hatten zunächst von der Tatsache ausgehen müssen, dass die Lage der Albert-Ludwigs-Universität in der Stadt aus einer langen historischen Entwicklung resultierte. In nahezu fünf Jahrhunderten sei die Freiburger Hochschule „gewachsen“ und „geformt“ worden. Dies kam in den „Grundstücksverhält- nissen“ zum Ausdruck. Wie alle „historischen Universitäten“ sei auch Freiburg nicht in einem „geschlossenen Komplex“ zusammengefasst, sondern „in vielen Einzelgebieten über den Gesamtraum unserer Stadt verteilt“. Die drei wichtigsten Bereiche bildeten das Universitätszentrum am Rand der Altstadt mit der „Alten Universität“ und dem Kollegiengebäude, die naturwissenschaftlichen Institute im Norden und die Kliniken im Nordwesten der Stadt.185 Angesichts der großflächigen Zerstörungen hatten Linde und seine Mitstreiter im Bau- büro schon bald die grundsätzliche Frage diskutiert, ob sich eine Wiederherstellung der Hochschule überhaupt noch lohnte. Auf den ersten Blick schien es sinnvoller zu sein, die Universität an einem Platz außerhalb bzw. am Rand der Stadt als zusammenhängen- de Einheit völlig neu zu errichten. In diesem Kontext kamen u.a. Vorstellungen einer „Campus-Universität“ nach angloamerikanischem Vorbild zur Sprache. Architekten und Stadtplaner sahen in den Kriegsschäden also durchaus eine Chance. Mit einem Neubau vor den Toren der Stadt hätte man „Mängel und Unzulänglichkeiten“ der Vergangenheit korrigieren und die Hochschule „modernen Bedürfnissen“ anpassen können.186 Die Universität blieb schließlich im Stadtgebiet, trotz aller Bedenken. Die Planer be- gründeten ihre Entscheidung mit der historisch gewachsenen Verflechtung zwischen Uni- versität und Stadt, die, wie sie meinten, nicht nur ein typisches Kennzeichen der Albert- Ludwigs-Universität, sondern der deutschen und europäischen Universitätsentwicklung insgesamt darstellte.187 Linde und seinen Mitarbeitern war es ein ganz zentrales Anlie-

184Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 20-22. Vgl. zur baulichen Expansion der Univer- sität in der Stadt während des 19. Jahrhunderts Gustav Hirsch ([1957]): Die Universität in der Baugeschichte der Stadt Freiburg von der Französischen Revolution bis zum ersten Weltkrieg. In: Stadtverwaltung Freiburg (Hg.): Freiburg und seine Universität. Festschrift der Stadt Freiburg im Breisgau zur Fünfhundertjahrfeier der Albert-Ludwigs-Universität. Freiburg, S. 80-99. 185Linde 1952 – Stand des Wiederaufbaus der Universität, S. 5. Die Albert-Ludwigs-Universität stellt somit ein typisches Beispiel für eine „Stadtuniversität“ dar, vgl. Alois Mayr (1979): Universität und Stadt. Ein stadt-, wirtschafts- und sozialgeographischer Vergleich alter und neuer Hochschul- standorte in der Bundesrepublik Deutschland. Paderborn, S. 63-68. 186Linde 1952 – Stand des Wiederaufbaus der Universität, S. 5; Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 15-19. 187Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 19. Vgl. Konrad Rückbrod (1969): Das bauliche Bild der Universität im Wandel der Zeit. In: Horst Linde (Hg.): Hochschulplanung. Beiträge zur Struktur- und Bauplanung. Band 1. Düsseldorf, S. 24-37. Zum Verhältnis von Universität und Stadt in Freiburg: Stadtverwaltung Freiburg (Hg.) [1957] – Freiburg und seine Universität, insbe- sondere: Maximilian Kollofrath ([1957]): Stadtverwaltung und Universität in der Vergangenheit. In: Ebd., S. 18-29.

76 2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit

gen, Präsenz, Sichtbarkeit und Zugänglichkeit der Freiburger Hochschule in der Stadt zu bewahren und den regen Kontakt mit der städtischen Bevölkerung nicht abreißen zu lassen. Aus dieser Perspektive spielte das Verhältnis von Universität und Öffentlichkeit in den städtebaulichen Planungen des Baubüros eine wichtige Rolle. Die Vorstellung einer „Campus-Universität“ mochte zwar den Gegebenheiten in Eng- land oder in den USA entsprechen, konnte aber, wie Horst Linde in seinem Bericht aus dem Jahr 1952 betonte, nicht ohne weiteres auf die Situation in Deutschland übertragen werden. Im „mitteleuropäischen Universitätswesen“ durfte die Beziehung zwischen dem „Studenten und dem Bürger der Stadt“ nicht durch eine „räumliche Isolierung der aka- demischen Jugend“ gefährdet werden. Dem Akademiker sollte der „Weg in die Theater und Konzerte der Stadt“ ebenso wenig erschwert werden wie dem Bürger der „Gang in einen wissenschaftlichen Vortrag“ der Universität. Nur auf diesem Weg, fuhr der Leiter des Wiederaufbaubüros fort, konnte man das „kulturelle Leben unserer alten Universi- tätsgebäude in seiner traditionellen Eigenart“ erhalten. Wenn das „kommerzielle Leben“ die Kultur – und dazu zählte Linde auch die Hochschule mit ihren Leistungen – in die „Außenbezirke“ verdrängen würde, würde Freiburg seinen in Jahrhunderten erworbenen „Charakter als Universitätsstadt mehr und mehr verlieren“.188

Die Einheit der Wissenschaften als Leitlinie der städtebaulichen Entwicklung Die Integration der Universität in die Stadt stellte in den Planungen des Baubüros ein entscheidendes Kriterium dar. Einen zweiten wichtigen Leitgedanken bildete die Idee der wissenschaftlichen universitas. Mit dem Gedanken eines kompletten Neuaufbaus der Freiburger Hochschule hatte sich den Planern nicht nur eine Chance zur Beseitigung historischer Fehlentwicklungen geboten. Auf diesem Weg schien sich zudem eine Mög- lichkeit zu eröffnen, die nach dem Krieg so oft beschworene Einheit der Wissenschaften städtebaulich und architektonisch umzusetzen.189 Nun hatten sich die Verantwortlichen gegen einen „Campus“ am Stadtrand entschie- den. Trotzdem hielt man in der städtebaulichen Planung an dem Gedanken einer „Ein- heit der Wissenschaften“ fest. Dabei ging es um ein doppeltes Ziel: Dem Ideal einer wissenschaftlichen universitas erstens in der Praxis von Forschung und Lehre näher zu kommen, und diese Vorstellung zweitens mithilfe des Städtebaus in der Öffentlichkeit zum Ausdruck zu bringen, also öffentliche Selbstdarstellung zu betreiben. Um dieses doppelte Ziel zu erreichen, versuchten die Planer einerseits die verschie- denen, weit auseinanderliegenden Bezirke der Hochschule städtebaulich miteinander zu verbinden. Die Beziehung zwischen den Geisteswissenschaften im Universitätszentrum und den naturwissenschaftlichen Instituten in der Nordstadt sollte im Stadtbild durch einen „breiten Grüngürtel“ sichtbar gemacht werden, dessen Anlage zum Teil erst durch die Kriegszerstörungen und die Neuplanung der Stadt nach dem Krieg ermöglicht wor- den war. Zwischen dem Institutsbereich und den im Westen liegenden Kliniken hatte man einen „Zug von locker gebauten Gartenräumen“ zur städtebaulichen Vermittlung

188Linde 1952 – Stand des Wiederaufbaus der Universität, S. 5. 189Ebd.; Außerdem: Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 15-19.

77 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 vorgesehen.190 Auf der anderen Sei- te bemühte sich das Bau- büro nach 1945 darum, einzelne Gebiete in der Stadt „ganz in den Dienst der Universität zu stel- len“ und bestimmte Ein- richtungen der Hochschu- le in geschlosseneren Be- reichen zusammenzufas- sen.191 So glaubte man der Idee einer „Einheit der Wissenschaften“ zu- mindest im Rahmen ein- zelner Fachbereiche ge- Abbildung 8: Zoologisches Institut recht werden zu können. Unter Lindes Regie be- mühte sich das Baubüro seit 1947 intensiv um das Grundstück zwischen Kollegiengebäude und Alter Univer- sität, das bis zu den Pogromen im Jahr 1938 Standort der Freiburger Synagoge gewesen war. Nach Ansicht des Chronisten Hans-Detlev Rösiger hatte sich ein solcher Schritt geradezu mit „zwingender Gewalt“ aufgedrängt. Die schweren Kriegszerstörungen deck- ten städtebauliche Zusammenhänge auf, die wegen der dichten Bebauung zuvor nicht zu erkennen gewesen waren. Die Verhandlungen zwischen dem badischen Staat bzw. dem Land Baden-Württemberg als Träger der Universität und der Stadt wurden im Jahr 1955 zum Abschluss gebracht.192 Mit dem Erwerb des Grundstücks und dem Bau des neuen Hauptgebäudes, der hier seit 1957 erfolgte, sollten die Standorte der Universität am Rand der Altstadt zusammengefasst und so auch für die Öffentlichkeit als kompaktes „geisteswissenschaftliches Zentrum“ kenntlich gemacht werden. Man versuchte also nicht nur einen wissenschaftlichen Austausch zwischen den verschiedenen geisteswissenschaft- lichen Fächern zu ermöglichen, sondern auch „das Bild Freiburgs als einer der bedeu- tendsten Universitätsstädte Deutschlands“ zu schärfen und „in lebendiger Synthese die

190Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 23-25. 191Linde 1952 – Stand des Wiederaufbaus der Universität, S. 5. Die Verhandlungen über die städte- bauliche Anlage der Hochschule begannen im Frühjahr 1948, siehe: Joseph Schlippe ([März 1948]): Schreiben an das Bürgermeisteramt – Abt. I der Stadt Freiburg. Wiederaufbau der Universität, hier: Grundstücksfragen. Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/283. Es handelt sich um das Protokoll einer Sitzung, auf der am 15. März 1948 die städtebaulichen „Wünsche und Bedürfnisse“ der Hochschule verhandelt wurden. Neben Universität und Universitätsbaubüro nahmen Vertreter von Stadt und Land an der Besprechung teil. 192Linde 1952 – Stand des Wiederaufbaus der Universität, S. 5 f.; Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 23 f. Um das Gelände weiter abzurunden erwarb man wenig später auch den sogenannten „Peterhof“ von der Stadt sowie einen Teil der „Hochallee“, einer Grünanlage, die seit Beginn der 1960er Jahre die Mensa beherbergt.

78 2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit

verschiedenen Entwicklungsphasen der Universität über 500 Jahre hinweg“ zusammen- zufassen.193 Die Kliniken waren nach einem von Adolf Lorenz in den 1920er Jahren erarbeiteten Plan schon in der ersten Jahrhunderthälfte zu einem kompakten Bezirk zusammenge- fasst worden. Der „Arbeitsbereich der Medizin“ hatte damals zu einer „Einheit im Geiste der Wissenschaft“ formiert werden sollen.194 Auch nach 1945 galt eine „bauliche Zusam- menfassung“ der Medizin als Leitlinie für den Wiederaufbau und als „Voraussetzung für die Einheit der Medizinischen Fakultät“.195 Um dem wachsenden Raumbedarf der Me- dizin gerecht zu werden, der sich aus der wissenschaftlichen Entwicklung, aber auch aus dem Bevölkerungswachstum und dem steigenden Bedarf an Krankenbetten ergeben hat- te, waren jetzt allerdings erhebliche Geländeerweiterungen vonnöten. Aus diesem Grund wurde der alte Plan gegen Mitte der 1950er Jahre aufgegeben, die Klinikanlage nach Süden wie Osten deutlich erweitert und die Bebauung – im Gegensatz zur früheren strengen Anlage – deutlich aufgelockert.196 Im Institutsbereich er- gaben sich nach 1945 schließlich die wohl auf- fälligsten Veränderungen. Zwar hatten sich die verschiedenen naturwis- senschaftlichen Institu- te seit dem 19. Jahr- hundert meist im Nor- den der Stadt angesie- delt, waren aber eher lo- se über das Gebiet ver- teilt und durch Stra- ßenzüge voneinander ge- trennt. Wie bei den an- Abbildung 9: Anatomisches Institut deren „Inseln“ der Uni- versität wollten die Pla- ner den „inneren Zusammenhang“ der naturwissenschaftlichen Fächer nun klarer nach außen sichtbar machen, interdisziplinäre Forschung befördern und der immer weiter fort- schreitenden „Spezialisierung“ der Wissenschaften entgegentreten.197 Schon im Jahr 1948

193Universitätsbaubüro (1957): Der Wiederaufbau der Universitätsviertel. In: Freiburger Studenten- zeitung 7 (4 (Jubiläumsausgabe)), S. 16-19, hier S. 17. 194Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 28 f. 195Albrecht Haas (1958): Der Wiederaufbau der Freiburger Universitätskliniken nach dem Kriege. In: Mitteilungen des Verbandes der Freunde der Universität Freiburg, S. 3-7, hier S. 4. 196Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 24 f. und S. 35-37. Siehe auch die Ausführungen zum Wiederaufbau der Kliniken in Nadine Kopp (2015): Die Medizinische Fakultät Freiburg 1945 bis 1969/1970. Entwicklungslinien und Protagonisten im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Frankfurt a. M. 197Linde 1952 – Stand des Wiederaufbaus der Universität, S. 7. Der Neuplanung im Institutsviertel, heißt es hier, wurde die „Zusammenfassung der Wissenschaft im Sinne der Universitas“ zugrunde

79 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 wurde im Baubüro ein erster Bebauungsplan erarbeitet. Durch Geländezukäufe und Auf- hebung von Straßen konnte das Institutsviertel dann im Lauf der 1950er Jahre – die Ver- handlungen waren durchaus langwierig198 – zu einer geschlossenen Parklandschaft mit „lockerer Bebauung“ umgestaltet werden. Die neue Anlage sollte nicht nur Studieren- den und Dozenten zum „freien Atemholen nach angestrengter Arbeit“ dienen, sondern explizit auch der Allgemeinheit zur freien Verfügung stehen.199 Die allgemeine Zugänglichkeit des Viertels machte die Vorstellung einer wissenschaft- lichen universitas auch für Nicht-Akademiker erfahrbar und – auf eine gewisse Art und Weise – „begehbar“. Nicht zuletzt war die Umgestaltung des Institutsbereich zu einem öffentlichen Park aber ein weiteres Indiz dafür, dass eine Integration in die städtische Umwelt und Interaktion mit der städtischen Bevölkerung große Bedeutung für die Hoch- schule besaßen.200 Von den Freiburgerinnen und Freiburgern jedenfalls schien die neue Grünanlage gut angenommen worden zu sein. Selbst an „kalten Spätherbsttagen“, hieß es in einem Artikel der „Badischen Zeitung“ vom 22. November 1957, schlenderten noch täglich Spaziergän- ger durch das Viertel um den „gemächlich dahinfließenden Gewerbebach“. Schon jetzt sei die Anlage zu einem „zweiten Freiburger Stadtgarten“ geworden.201

Modernisierung: Die bauliche Entwicklung der Universität Freiburg seit Ende der 1940er Jahre Kurz vor Beginn der Feierlichkeiten zum 500. Jubiläum der Universität Freiburg erschien im Juni 1957 eine Sonderausgabe der Freiburger Studentenzeitung. Unter den zahlrei- chen Beiträgen der Festschrift befand sich auch ein Aufsatz des Theologen Bernhard Welte, der sich mit der neuzeitlichen Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität ausein- andersetzte. Darin widmete sich Welte unter anderem der Baugeschichte der Freiburger Hochschule seit der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Die jüngste Zeit nach dem Krieg erzählte der Theologe als Geschichte eines triumphalen Wiederaufbaus und ei- ner geglückten Modernisierung. Nach dem „Niederbruch“ des Krieges und dem scheinbar „tödlichen“ Schlag des Bombenangriffs im November 1944 hatten nicht nur die „ererb- ten geistigen Kräfte“ wieder einmal über „Zerstörung und Entmutigung“ triumphiert. Darüber hinaus machte Welte einen „gewaltigen Erneuerungsprozeß“ aus, der v.a. durch die „neuen und neuesten Bauten“ der Universität „nach außen sichtbar“ geworden sei.202

gelegt. 198Insbesondere die Aufhebung der damaligen Hebelstraße als Hauptverkehrsader sorgte für Schwierig- keiten zwischen Universität und Stadt, siehe: Horst Linde (20.10.1949): Denkschrift über die Auf- hebung der Hebelstraße im Institutsviertel der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/283 199Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 63. 200Linde 1952 – Stand des Wiederaufbaus der Universität, S. 7. 201Ein idealer Spielplatz im Institutsviertel. Der „kleine Stadtgarten“ in der Nordstadt findet viel Aner- kennung (1957). In: Badische Zeitung, 22.11.1957. Vgl. auch: Ein neues Hochhaus im Institutsviertel (1957). In: Badische Zeitung, 03.07.1957. 202Bernhard Welte (1957): Die Albert-Ludwigs-Universität. In: Freiburger Studentenzeitung 7 (4/Ju- biläumsausgabe), S. 10-11; Hochschul-Jubiläum 19.6.1957; Hans Gerber (09.11.1958): Struktur-

80 2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit

Tatsächlich begann an der Albert-Ludwigs-Universität seit Ende der 1940er Jahre ein äußerer Modernisierungsprozess, der das Gesicht der Hochschule erheblich veränderte. Insgesamt taten sich für die Wiederaufbaupraxis nach der Währungsreform im Jahr 1948 erfreulichere Perspektiven auf.203 Die Situation von Transportwesen, Materialbe- schaffung und Arbeitskräften begann sich nun langsam zu entspannen. Wenigstens „man- che Baustoffe“ konnten nach der Währungsumstellung auf dem freien Markt bezogen werden, wie Horst Linde in seinem Tätigkeitsbericht über das zweite Quartal des Jahres 1948 festhielt.204 Insgesamt standen mehr Arbeitskräfte zur Verfügung, deren Leistungs- fähigkeit und Arbeitsmoral sich darüber hinaus verbesserte.205 Nach Aussage des Leiters achtete das Baubüro jetzt zudem vermehrt darauf, dass auf den Baustellen der Univer- sität „nur noch Qualitätsarbeit und keinerlei Behelfe“ mehr ausgeführt wurden.206 Im Jahr 1949 schien sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt dann so weit entspannt zu haben, dass die Universität auf den „studentischen Arbeitseinsatz“ verzichten konnte.207 Selbstverständlich waren die Zerstörungen des Krieges noch auf Jahre zu sehen. Trotz- dem ragten aus den Trümmern seit 1948 in immer größerer Zahl die neuen Universi- tätsgebäude hervor, die nach den Plänen des Baubüros errichtet worden waren. Von einem „baulichen Krüppel“ entwickelte sich die Albert-Ludwigs-Universität wieder zu einer „vitalen“ Hochschule, wie es Günther Gillessen im Dezember 1959 ausdrückte. Der Schwerpunkt dieses „geplanten Wiederaufbaus“ lag zunächst auf den Instituts- und Kli- nikbezirken, wo seit Ende der 1940er Jahre zahlreiche Neubauten entstanden. Erst gegen Mitte der 1950er Jahre bewegte sich die Bautätigkeit stärker in Richtung Universitäts- zentrum. Während Hochschullehrer nach 1945 in Reden, wissenschaftlichen Vorträgen und Aufsätzen immer wieder die Bindung an akademische Traditionen beschworen, kün- dete die jetzt entstehende Universitätsarchitektur zumindest äußerlich von einem klaren Bekenntnis zur Erneuerung.

veränderungen der Universität. Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, 76/I/58, S. 4 f. Schon das äußerliche Erscheinungsbild der Hochschule, stellte der Freiburger Jurist hier fest, hatte sich in den letzten Jahren v.a. durch die Neubauten im medizinischen und naturwissenschaftlichen Bereich erheblich verändert. Dieses Bild werde mittlerweile nicht mehr durch die akademischen Hörsäle be- stimmt, sondern durch den „Kranz von wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen“, dessen Ausbau gerade im letzten Jahrzehnt eine „sprunghafte Entwicklung“ genommen habe. 203Vgl. Bauabteilung der Oberfinanzdirektion Freiburg (Hg.) (1960): Staatliche Hochbauten Baden-Württemberg. Bauabteilung Südbaden. Ein Jahrzehnt Wiederaufbau in Südbaden 1948-1958. Stuttgart, S. 34; Gonser 2010 – Der studentische Arbeitseinsatz, S. 97-99. Noch im September 1947 sah sich das Universitätsbaubüro wegen Problemen mit Arbeitskräfte- und Materialbeschaffung vor schier „unüberwindliche Schwierigkeiten“ gestellt, siehe Linde 17.9.1947 – Bericht zum Wiederaufbau der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Brg, S. 2-5. 204Horst Linde (21.07.1948): Tätigkeitsbericht des Wiederaufbaubüros für die Zeit vom 1. April bis 30. Juni 1948. Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/281, S. 7. 205Ders. (06.10.1948): Tätigkeitsbericht für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1948. Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/281, S. 9. 206Ders. (20.01.1949): Tätigkeitsbericht für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1948. Staatsarchiv Freiburg, C 25/3/281, S. 6. 207Gonser 2010 – Der studentische Arbeitseinsatz, Kap. 3.3.

81 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

Moderne im Wie- deraufbau: Das Bei- spiel der Universität Freiburg In der er- sten Jahrhunderthälf- te war der Hochschul- bau in Deutschland ei- ne „feste Burg des traditionellen, teilwei- se auch monumentalen Bauens“ gewesen.208 Die alte Universitätsbiblio- thek, das erste Kolle- giengebäude, das aus der Zeit vor dem Er- Abbildung 10: Frauenklinik sten Weltkrieg stamm- te, aber auch die zahlreichen Institutsbauten, die an der Albert-Ludwigs-Universität seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstanden waren, standen in Freiburg stellvertretend für diese Tendenz.209 In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden nicht nur insgesamt sehr wenige neue Hochschulgebäude errichtet. Insbesondere das moderne Bauen konnte nicht Fuß fassen. Nach 1945 gewann die Moderne aber nicht nur im Industrie- oder Verwaltungsbau, sondern auch an den deutschen Universitäten zunehmend an Akzeptanz. Das galt für Kiel, Stuttgart oder Frankfurt, seit den 1960er Jahren dann natürlich umso mehr für die westdeutschen Universitätsneugründungen in Konstanz, Bielefeld oder Bochum.210 Auch in Freiburg entstand seit Beginn der 1950er Jahre eine Hochschularchitektur, die sich Techniken und Formen des modernen Bauens bediente.211 Formale Schlichtheit und Nüchternheit, flache Dächer, Offenlegung von Konstruktionselementen und Baustoffen, Skelett- statt Massivbauweise, Rasterfassaden oder Verwendung von Stahl, Glas und Beton stellten typische Merkmale dieser neuen Hochschulgebäude, Institute und Kliniken dar. Im naturwissenschaftlichen Institutsviertel wurden Elemente moderner Architektur wohl am entschlossensten verwendet. Praktisch alle Bauprojekte, die man nach 1948 in Angriff nahm, trugen zur äußerlichen Modernisierung der Albert-Ludwigs-Universität bei. Dazu gehörten neue Gebäude wie u.a. das pharmazeutische (Abb. 6) und das physiologisch-chemische Institut (Abb. 7), aber auch die Erweiterungen an Pathologie, Zoologie (Abb. 8) oder Anatomie (Abb. 9). Die Architekten setzten konsequent auf Skelettbauweise und Flachdachbauten. Auf-

208Hansen 2001 – Die Frankfurter Universitätsbauten Ferdinand Kramers, S. 218 209Vgl. für einen knappen Überblick Nägelke 2000 – Hochschulbau im Kaiserreich, S. 310-322. 210Hansen 2001 – Die Frankfurter Universitätsbauten Ferdinand Kramers, S. 222 spricht von einem „formalen Paradigmenwechsel“. Vgl. Beuckers (Hg.) 2010 – Architektur für Forschung und Lehre. 211Kennzeichen moderner Architektur bei Roman Hillmann (2011): Die erste Nachkriegsmoderne. Äs- thetik und Wahrnehmung der westdeutschen Architektur 1945-63. Petersberg, Kap. 1.3.

82 2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit

fällig waren auch die typischen „Rasterfassaden“.212 Neben Beton avancierte v.a. Glas zu einem bevorzugten Baumaterial, das bei zahlreichen Gebäuden zum Einsatz kam.213 Im Klinikbereich hatten die Verantwortlichen nach Abschluss der notdürftigsten Auf- bauarbeiten in der Nachkriegszeit zunächst den Plan eines „geschlossenen Versorgungs- rings“ wieder aufgenommen, der schon in den 1920er Jahren vom badischen Oberbaudi- rektor Adolf Lorenz ersonnen worden war. Chirurgische und Medizinische Klinik konnten noch in den ersten Nachkriegsjahren bis 1950 in ihrer alten Form wiederhergestellt wer- den.

Mit der Rekonstrukti- on der Frauenklinik im Jahr 1953 (Abb. 10) hatte man den Vor- kriegszustand wieder er- reicht. Aus verschiede- nen Gründen rückten die Verantwortlichen da- nach von Lorenz’ städte- baulichem Plan ab und folgten seit Mitte der 1950er Jahre außerdem mehr und mehr einer modernen Architektur- Abbildung 11: Tuberkulose-Klinik sprache. Dies kam u.a. in der neuen Tuberkulose- klinik aus dem Jahr 1957 zum Ausdruck (Abb. 11).214 Im Universitätszentrum hatte sich das Baubüro zunächst der Wiederherstellung von Kollegiengebäude, Bibliothek und „Alter Universität“ gewidmet, die als Kultur- und Baudenkmal aus dem Mittelalter zumindest in Teilen originalgetreu rekonstruiert wer- den sollte.215 Eine äußerlich sichtbare Modernisierung erfolgte hier erst in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre. Modernität verkörperte v.a. der Entwurf von Otto Ernst Schwei- zer für die Gestaltung eines zweiten Kollegiengebäudes, mit dem der Architekt im Jahr 1955 als Sieger aus einem von der Universität ausgeschriebenen Wettbewerb hervorge- gangen war (Abb. 12).216 Die Bauarbeiten, die man im Rahmen des Jubiläums 1957

212Vgl. für das Bild der „Rasterfassade“ in der Architektur der 1950er Jahre ebd., S. 268-273. 213Zur baulichen Entwicklung im Freiburger Institutsviertel Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 70-99. 214Näheres zu der Klinikentwicklung in der Dissertation von Kopp 2015 – Die Medizinische Fakul- tät Freiburg. Außerdem Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 30-37 und speziell zur Tuberkulose-Klinik Bühler (Hg.) 2007 – Bauen für Forschung und Lehre, S. 100 f. 215Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 100-118. 216Otto Freese; Walter Müller (1961): Die bauliche Entwicklung der Freiburger Universität im Be- reich der Geisteswissenschaften. In: Johannes Vincke (Hg.): Festschrift der Universität Freiburg zur Eröffnung des zweiten Kollegiengebäudes. Freiburg, S. 1*-5*, hier S. 4*. Die Motive für den Neubau lagen in erster Linie in der verbreiteten Raumnot, die vor dem Hintergrund des jetzt schon spürbar

83 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 mit der symbolischen Grundsteinlegung aufgenommen hatte, konnten erst im Jahr 1961 abgeschlossen werden. Sein Gebäude, hielt Schweizer nach der Fertigstellung fest, sei in allen Bereichen „mit dem Streben der heutigen Zeit verbunden“.217 In der Tat war das neue Kollegiengebäude mit seiner Stahlskelett-Konstruktion, den verwendeten Bauma- terialien – Glas, Beton, Leichtmetall – oder dem Ziel „äußerster Klarheit“ als erster Bau im Freiburger Universitätszentrum konsequent der modernen Architektur verpflichtet.

Außenwirkung und öffentliche Rezeption Die äußere Modernisierung der Univer- sität setzte auffällige Kontraste zu den Gebäudekomplexen, die aus der Vorkriegszeit erhalten geblieben bzw. im alten Stil wiederaufgebaut worden waren. Für nicht wenige Beobachter bot die Universität deshalb ein durchaus merkwürdiges, beinahe zerrissenes Bild. Im Zentrum lag Otto Ernst Schweizers moderner Bau direkt neben dem „burgen- haft schweren“ und „jugendstilartig verzierten“ ersten Kollegiengebäude (Abb. 13), wie sich der Architekturkritiker Eberhard Schulz in einem Artikel aus der „Frankfurter All- gemeinen Zeitung“ ausdrückte. Nicht nur sei die Gestalt der beiden Bauwerke „völlig verschieden“. Obwohl sie zeitlich nur „eine Generation“ auseinander lagen, tue sich auch „geistig“ ein gewaltiger Graben zwischen den beiden Kollegiengebäuden auf.218 Die alten Kliniken im „streng geschnittenen Barockkleid“ 219 – Gillessen hatte in seiner Reportage aus dem Jahr 1959 von einer „langweiligen Anlage“ gesprochen220 – trafen auf Bauten wie die Tuberkulose- oder die Neurochirurgische Klinik, die sich neuartiger Konstruktionsprinzipien und Stilelemente bedienten. Im Institutsviertel waren Neubauten im modernen Stil direkt an erhalten gebliebene Teile aus der Zeit der Jahrhundertwende221 „angereiht“ worden, wobei gläserne Treppen- häuser oder Brücken als Verbindungsglieder fungierten. Dies war u.a. beim chemischen, anatomischen und botanischen Institut der Fall. Moderne Gebäude mit „riesigen Schei- benfronten“, hielt ein Autor der Freiburger Studentenzeitung im Jahr 1953 verwundert fest, wuchsen im Institutsviertel direkt neben „halb repräsentativen, mittelalterlich be- wehrten Kästen mit Fenstern wie Schießscharten“ aus dem Boden.222 Die Ergänzung der „bewehrten Kästen“ mit zahlreichen Elementen moderner Architek- tur mochte auf den ersten Blick einen Stilbruch darstellen, ließ die Freiburger Universität in den 1950er Jahren aber weniger schwer, abweisend und einschüchternd erscheinen. So sprach ein Bericht des Baubüros aus dem Jahr 1961 durchaus treffend von der „Weltoffenheit“ des neuen Kollegiengebäudes223, gerade im Vergleich mit dem „burgen-

anziehenden Wachstums der Studentenzahlen noch drängender geworden war. Siehe dazu Teil 3 dieser Arbeit. 217Otto Ernst Schweizer (1961): Zweites Kollegiengebäude. In: Johannes Vincke (Hg.): Festschrift der Universität Freiburg zur Eröffnung des zweiten Kollegiengebäudes. Freiburg, S. 6*-15*, hier S. 14*. 218Eberhard Schulz (1960): In diesen heil’gen Hallen. Bauten der Universität in Freiburg und anderswo. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.02.1960. 219So Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 36. 220Gillessen 24.12.1959 – Eine Universität voll. 221Einen Eindruck von der älteren Institutsarchitektur bietet Nägelke 2000 – Hochschulbau im Kaiser- reich, S. 310-321. 222Wissenschaft im Schatten der Betonmaschine (1953). In: Freiburger Studentenzeitung 3 (5). 223Freese, Müller 1961 – Die bauliche Entwicklung der Freiburger, S. 4*.

84 2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit

artigen“ Bau nebenan. Diesen Eindruck von Leichtigkeit und Freiheit ließen die neuen Instituts- und Klinikbauten noch deutlicher hervortreten. Fast schon „betroffen“, ge- stand Eberhard Schulz in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, sei er als Beobachter von dem „graziösen und ein wenig nervösen Stil“ dieser „Pavillonbauten“, der sich in „freischwebenden“ Treppen, Balkonen und Terrassen oder dem „lichten Sprossenwerk der Fenster“ äußere. Der gesamten Anlage fehlte die „Festigkeit“ und stellte stattdessen die „heiteren“ und „launischen“ Elemente in den Vordergrund. Die meisten Bauten, so Schulz weiter, seien hier zudem „im Zeichen des Glases und seiner Transparenz“ errichtet worden. In der Tat wirkte die Albert-Ludwigs-Universität gerade durch die großflächige Verwendung von Glas nach außen hin offener und zugänglicher. Die vielen transparen- ten Flächen stellten symbolische Verbindungen zwischen drinnen und draußen, zwischen Universität und Öffentlichkeit her.224 Modernes Bauen wur- de von Architekten und Beobachtern in den 1950er Jahren häufig mit einer „de- mokratischen“ Bauwei- se assoziiert. Trans- parenz, Offenheit und Leichtigkeit in der Ar- chitektur symbolisier- ten den Aufbruch in eine demokratische Ge- sellschaft und konn- ten mit dem scharfen Kontrast zur schwe- ren, massigen und stren- Abbildung 12: Modell des KG II, Ausschnitt gen „Baukunst“ des Nationalsozialismus Di- stanz zum NS-Regime suggerieren. In diesem Sinn war der Freiburger Hochschulbau zwi- schen 1945 und 1957, gerade bei den Instituts- und Klinikbauten, ein typisches Beispiel für die Architektur der 1950er Jahre.225

Moderne Universitätsarchitektur als Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses? Dass sich die Albert-Ludwigs-Universität mit ihren modernen Bauten ein neues „demo- kratisches“ Haus schuf, dass sie sich damit entschieden für die neue politische Ordnung

224Vgl. Hansen 2001 – Die Frankfurter Universitätsbauten Ferdinand Kramers, S. 141-146. 225Vgl. Werner Durth (1998): Kontraste und Parallelen. Architektur und Städtebau in West- und Ost- deutschland. In: Axel Schildt; Arnold Sywottek (Hg.): Modernisierung im Wiederaufbau. Die west- deutsche Gesellschaft der 50er Jahre. Bonn, S. 596-611, hier S. 604. Hillmann 2011 – Die erste Nachkriegsmoderne, S. 248-250. Am Beispiel der Parlamentsarchitektur Deborah Ascher Barnsto- ne (2005): The Transparent State. Architecture and Politics in Postwar Germany. London. Für den Hochschulbau Hansen 2001 – Die Frankfurter Universitätsbauten Ferdinand Kramers, Kap. 5.2.

85 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 aussprach: Dieser Eindruck drängte sich beim Anblick der leichten und transparenten Hochschularchitektur durchaus auf. Auch der Architekturkritiker Eberhard Schulz ver- mutete in seinem Beitrag aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ein politisches An- liegen hinter der „bewegten und freiheitlichen Form“, in der sich die Universität seit 1945 präsentierte. Er glaubte einen „Architekturprotest“ auszumachen, der sich in erster Linie gegen die „abgelaufene Diktatur“ des Nationalsozialismus richtete. Architektur, so Schulz, entfaltete an der Albert-Ludwigs-Universität eine „befreiende und reinigende Wirkung“.226 In den Planungen von Universität und Baubüro hatten sol- che Gedanken jedoch bestenfalls eine unter- geordnete Rolle ge- spielt. Mit der ar- chitektonischen Mo- dernisierung versuch- te man dort kein neu- es Selbstbild – wie etwa das einer „de- mokratischen Univer- sität“ – zum Aus- druck zu bringen. Zu- mindest lässt sich eine Abbildung 13: Kollegiengebäude I solche Intention nicht belegen.227 Die Planer um Horst Linde schienen sich in erster Linie an funktionalen Aspekten zu orientieren.228 Konstruktion, Formen oder Materialien der Hochschulbauten sollten sich – auch das im übrigen ein typisches Merkmal moderner Architektur – aus ihrer Zweckbestimmung, d.h. aus den Anforderungen von Forschung und Lehre ergeben. Der Freiburger Hochschulbau wurde nach 1945 gerade im Instituts- und Klinikviertel von den allgegenwärtigen Skelettbauten mit ihren offen sichtbaren Konstruktionselemen- ten geprägt. Allerdings hatte sich diese Bauweise nicht aus ästhetischen oder repräsenta- tiven Gründen durchgesetzt, sondern weil sie wegen der nicht tragenden Innenwände eine flexible Raumaufteilung und – das spielte im Institutsviertel eine entscheidende Rolle

226Schulz 9.2.1960 – In diesen heil’gen Hallen. 227Im Fall der Universität Frankfurt war das zum Beispiel anders, vgl. Hansen 2001 – Die Frankfurter Universitätsbauten Ferdinand Kramers, Kap. 5. 228Als Horst Linde kürzlich seinen 100. Geburtstag feiern konnte, betonte er nochmals seine funktionale Herangehensweise an Architektur: „Ich hatte Häuser zu bauen, in denen Menschen gut leben und arbeiten können. Das war der damalige Zeitgeist. Architektur, um sich selbst zu verwirklichen und bewundern zu können, war nie meine Aufgabe oder mein Anliegen“. Zitat in: Jürgen Ruf (2012): Der Baumeister Baden-Württembergs. Der Architekt Horst Linde feiert seinen 100. Geburtstag. In: Schwäbisches Tagblatt, 03.04.2012.

86 2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit

– schnellen Zugang zu Installationsleitungen für die Laborarbeitsplätze ermöglichte. Im Universitätszentrum spielte die räumliche Flexibilität ebenfalls eine ganz entscheidende Rolle. So hatte die Ausschreibung für das neue Kollegiengebäude im Jahr 1955 von den Wettbewerbsteilnehmern ganz ausdrücklich verlangt, dass ihre Entwürfe in allererster Linie „jeder späteren Veränderung der Raumbedürfnisse“ Rechnung tragen mussten.229 Großzügige Fensterflächen und die Verwendung von Glas als Baumaterial konnten Betrachter leicht als Symbol für Offenheit, Zugänglichkeit und Demokratie interpretie- ren. In den Planungen des Baubüros dienten solche Mittel jedoch eher dazu, geeignete Arbeitsbedingungen und eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Ausreichende Lüftung und Belichtung war den Freiburger Hochschularchitekten ein überaus wichtiges Anliegen. Die „großen Fensteröffnungen“, die man für die naturwissenschaftlichen Insti- tutsbauten vorgesehen hatte, sollten beispielsweise nicht so sehr demokratische Transpa- renz symbolisieren, sondern vielmehr für „günstige Lichtverhältnisse“ an den Arbeitsplät- zen im Innern sorgen.230 Ausblicke aus verglasten Labors, Gängen, Treppenhäusern oder Dachaufbauten ermöglichten zudem Entspannung und Erholung von „Auge und Geist“, die man als Ausgleich zur „angespannten geistigen Arbeit“ für unbedingt notwendig er- achtete (Abb. 14).231 Ein typisches Bei- spiel für die funk- tionale Ausrichtung des Bauprogramms war das im Jahr 1953 fertig gestell- te pharmazeutische Institut (Abb. 6), das nicht nur den ersten vollständigen Neubau im Insti- tutsviertel darstell- te, sondern auch ein Vorbild für die In- stitutsbauten abgab, die in den Jahren Abbildung 14: Pharmazeutisches Institut, Aufenthaltsraum danach folgen soll- ten.232 Wie beim verglasten Anbau an das Chemische Institut (Abb. 15), hieß es in einem Artikel der „Badischen Zeitung“ vom 6. Mai 1952, waren die Architekten aus dem Baubüro hier von dem Gedanken ausgegangen, dass man „solche Institutsbauten nicht anders als eine Fabrik bauen dürfe, in der die besten Licht- und Luftverhältnisse

229Vgl. Hansen 2001 – Die Frankfurter Universitätsbauten Ferdinand Kramers, S. 189; Freese, Müller 1961 – Die bauliche Entwicklung der Freiburger, S. 4*. 230Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 63-68. Für das Kollegiengebäude vgl. Schweizer 1961 – Zweites Kollegiengebäude, S. 12*. Zu den Kliniken Kopp 2015 – Die Medizinische Fakultät Freiburg. 231Rösiger 1957 – Der Wiederaufbau seit 1945, S. 97 und S. 122 f. 232So ebd., S. 88.

87 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 herrschen müssen“. Darüber hinaus sollte eine moderne Wissenschaftsarchitektur immer die Möglichkeit bieten, „durch Ausreißen alter und Einziehen neuer Wände rasch neue Raumbedürfnisse zu befriedigen“. Aus diesen Vorgaben habe sich als quasi selbstver- ständliche Lösung ein „Betonskelettbau“ angeboten, der „gleichsam von einer Glashaut überzogen“ zu sein schien. Das neue pharmazeutische Institut, schloss der Autor, war „ganz aus der künftigen Zweckbestimmung heraus konstruiert“ worden.233 Gesichtspunkte der Repräsentation spielten am ehesten noch in den Entwürfen und Planungen zum neuen Kollegiengebäude im Universitätszentrum eine Rolle. Auch hier sollten zwar, wie das Baubüro erklärte, „vor allem die betrieblichen Wünsche innerhalb des Raumprogramms in wirtschaftlicher Weise“ erfüllt werden. Allerdings bemühte man sich ebenfalls darum, die Universität in ihrem „neuen baulichen Mittelpunkt“ mit der ihr zukommenden „Würde“ zu präsentieren und für eine „geistige Welt“ einen „architektoni- schen Ausdruck“ zu finden.234 Bezeichnenderweise waren es hier nicht moderne, sondern gerade traditionelle Elemente, von denen die Repräsentationslast getragen werden sollte. Eine „monotone“ Fassade aus Glas und Beton, die an jedes „normale Verwaltungsgebäu- de“ erinnerte, kam für den Architekten Otto Ernst Schweizer nicht in Frage. Stattdessen wurde mit Sandstein ein „traditionelles Baumaterial“ verwendet. Modernes Bauen war zwar offenbar funktional, konnte aber zumindest in den Augen des Architekten der Be- deutungsschwere oder der „Würde“ eines Universitätsgebäudes nicht gerecht werden.235

Die Grundsteinlegung zum zweiten Kollegiengebäude während der Jubiläumswoche im Jahr 1957 markierte in gewisser Weise einen Wendepunkt in der baulichen Entwicklung der Albert-Ludwigs-Universität und stand symbolisch für den Abschluss der Wiederauf- bauphase am Ende der 1950er Jahre.236 Es handelte sich zum einen um das erste große Bauprojekt, das nicht mehr in erster Linie auf die Bewältigung von Kriegsschäden und -verlusten ausgerichtet war, sondern auf neue Herausforderungen – vor allen Dingen die schnell wachsenden Studentenzahlen – reagierte.237 Darüber hinaus setzte im Zuge des Jubiläums eine erste Historisierung der baulichen Entwicklung nach dem Krieg ein, vor- angetrieben etwa durch den hier häufig zitierten baugeschichtlichen Band im Rahmen der Festschrift, aber auch durch die Ausstellungen zur Geschichte des Neuaufbaus nach dem Krieg.238 Auf diese Art und Weise wurde die Zeit zwischen 1945 und 1957 als eine abgeschlossene Epoche des „Wiederaufbaus“ porträtiert, die man nun hinter sich lassen konnte. In diesem Zeitraum zwischen Kriegsende und Jubiläum hatte die Universität einen

233Das neue Pharmazeutische Institut (1952). In: Badische Zeitung, 06.05.1952 234Freese, Müller 1961 – Die bauliche Entwicklung der Freiburger, S. 4*. Schweizer 1961 – Zweites Kollegiengebäude, S. 6*. 235Schweizer 1961 – Zweites Kollegiengebäude, S. 6*. 236Vgl. etwa Gillessen 24.12.1959 – Eine Universität voll, der in seinem Artikel ja von einem Abschluss des Wiederaufbaus gesprochen hatte. 237Vgl. dazu Teil 3 der vorliegenden Arbeit. Die Bauprojekte, die folgten – Mensa oder Studentensiedlung beispielsweise – standen bereits im Kontext dieser neuen Entwicklung. 238Vgl. Alte Gedanken – neu gestaltet. Eine Ausstellung vom Wiederaufbau der Universität (1957). In: Badische Zeitung, 01.06.1957; Um das fünfhundertfache gewachsen. Der Wiederaufbau der Univer- sität im Spiegel einer Ausstellung (1957). In: Badische Zeitung, 15.06.1957.

88 2.2 Vom Trümmerfeld zur modernen Universität: Hochschularchitektur und Öffentlichkeit langen Weg zurückgelegt und gerade in ihrem äußeren Erscheinungsbild erhebliche Ver- änderungen vollzogen. Zwar hielt die Freiburger Hochschule nach 1945 trotz der schwer- wiegenden Kriegszerstörungen an ihren Standorten im Stadtzentrum fest. Auf diesem Weg wollte man die enge Beziehung zwischen der Albert-Ludwigs-Universität und ihrer städtischen Öffentlichkeit festigen. Allerdings fassten die Planer jetzt nicht nur einzel- ne Gebiete der Hochschule zu städtebaulichen „Inseln“ zusammen, sondern versuchten auch städtebauliche Verbindungen zwischen den verschiedenen Bezirken zu etablieren, um so ein zentrales Anliegen der Nachkriegszeit – die Rückkehr zur universitas – in der wissenschaftlichen Praxis zu realisieren und im öffentlichen Raum zu visualisieren.

An den unterschied- lichen Standorten hat- te man nach 1945 un- ter schwierigsten Be- dingungen mit dem Wiederaufbau begon- nen. Die bauliche Ent- wicklung der Universi- tät war zunächst von Improvisation und pro- visorischen Notmaßnah- men geprägt, erst seit dem Jahr 1948 zuneh- mend von einem ge- ordneten und planvol- Abbildung 15: Chemisches Institut len Vorgehen. Aus dem Trümmerfeld, das die Hochschule bei Kriegsende gewesen war, entwickelte sich im Lauf der nächsten zehn Jahre eine Universität, die ihre wiedergewonnene „Vitalität“ v.a. durch ihre Architek- tur in der Öffentlichkeit zur Schau stellte. In allen großen Bezirken – Zentrum, Institute, Kliniken – vermittelte die Albert-Ludwigs-Universität jetzt das Bild einer modernen Ein- richtung, die sich nicht nur an den aktuellen Anforderungen von Forschung und Lehre orientierte, sondern zumindest nach außen hin auch das neue freiheitliche, demokratische Deutschland zu repräsentieren schien.

Bauwesen und Architektur bildeten also wichtige Verbindungsglieder zwischen Universi- tät und Öffentlichkeit. Zum Ende des ersten Teils wird das folgende Kapitel schließlich noch drei institutionelle Schnittstellen genauer unter die Lupe nehmen, die ebenfalls eine zentrale Rolle für die Kommunikation der Freiburger Hochschule mit ihren Umwel- ten spielte: den Verband der Freunde, den Universitätsbeirat und die Pressestelle der Albert-Ludwigs-Universität.

89 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

2.3 Institutionelle Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit

Im Sommer 1952 veröffentlichte der Freiburger Historiker Gerd Tellenbach einen kurzen Beitrag zum Thema „Hochschule und Öffentlichkeit“ im Mitteilungsblatt des „Verbands der Freunde der Universität Freiburg“.239 Eine „idyllisch-abseitige Existenz“, hielt der Freiburger Mediävist dort fest, stand für die deutschen Universitäten nach Ende des Krieges und nach den Erfahrungen des NS-Zeit nicht mehr zur Debatte. In Forschung, Lehre und „Beratungstätigkeit“, führte Tellenbach weiter aus, waren Hochschulen so viel- fältig mit „fast allen wesentlichen Lebensbereichen“ verflochten, dass man „Mangel an Kontakt“ und an „fruchtbarem Austausch mit der Öffentlichkeit“ nur als „ungesund“ be- zeichnen konnte. Westdeutsche Rektorenkonferenz und Hochschulverband, die zur Zeit verschiedene „Referate und Kommissionen für Hochschulreformfragen“ einrichteten, be- absichtigten deshalb auch einen Ausschuss zu gründen, der das „Verhältnis der Hoch- schulen zur Öffentlichkeit“ untersuchen und entsprechende Empfehlungen aussprechen sollte. Die Bemühungen der einzelnen Hochschulen, so Tellenbach, nahmen sich bisher „recht verschieden“ aus. Mancherorts existierten „Universitäts- oder Hochschulbeiräte“. Anderswo war eine „wertvolle Zusammenarbeit mit Volkshochschulen und entsprechen- den Einrichtungen der Erwachsenenbildung“ ins Leben gerufen worden. „Gute Pressestel- len“, die eine große Öffentlichkeit „planmäßig und zuverlässig“ über das „Hochschulleben“ informieren könnten, gab es nach Meinung des Freiburger Historikers dagegen noch zu selten.240 Das folgende Kapitel wird sich am Beispiel der Albert-Ludwigs-Universität damit be- schäftigen, wie solche von Tellenbach erwähnten Institutionen zwischen Hochschule und Öffentlichkeit in der Reformdebatte der ersten Nachkriegsjahre diskutiert und mit wel- chem Erfolg sie umgesetzt werden konnten.

Wie der Freiburger Mediävist in seinen Überlegungen aus dem Jahr 1952 angedeutet hatte, waren bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit verschiedene Reformgutach- ten gegen eine „idyllisch-abseitige Existenz“ und für eine Verbesserung der Kontakte zwischen Universität und Öffentlichkeit eingetreten. Als Initiatoren und Antreiber tra- ten dabei zunächst häufig die Alliierten in Erscheinung, insbesondere Amerikaner und Briten, nach deren Einschätzung die Abschottung deutscher Hochschullehrer im aka- demischen „Elfenbeinturm“ den Aufstieg des Nationalsozialismus mit ermöglicht hatte. Eine Neujustierung des Verhältnisses von Universität und Öffentlichkeit sollte eine solche Entwicklung in Zukunft verhindern und beim Aufbau eines demokratischen Staatswesens mithelfen.241 So machte etwa der gemeinsame Hochschultag des britischen und amerikanischen Be- satzungsgebiets in einer Resolution vom 18. Juli 1947 deutlich, dass deutsche Universi-

239Näher zum VDF Kap. 2.3.3 der vorliegenden Arbeit. 240Gerd Tellenbach (1952): Hochschule und Öffentlichkeit. In: Mitteilungen des Verbandes der Freun- de der Universität Freiburg, S. 14-15. 241Vgl. dazu Paulus 2010 – Vorbild USA, S. 120 f. und S. 433 f.

90 2.3 Institutionelle Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit

täten keineswegs eine „Isolierung“ von Öffentlichkeit und Gesellschaft anstrebten. Statt- dessen schlug man vor, bereits vorhandene Einrichtungen zur „Verbindung zwischen Öf- fentlichkeit und Hochschule“ auszubauen und „Vertreter der Öffentlichkeit“ überall dort „verantwortlich“ an der Arbeit der Universität zu beteiligen, wo sie „mit ihrer Arbeit über den eigenen Rahmen hinauszielen“. Es ging darum, die „Hochschule in ihren Ausstrah- lungen auf die Öffentlichkeit wirksam zur Entfaltung zu bringen“, auf der anderen Seite aber auch die „Einstrahlung der Öffentlichkeit in die Hochschule“ nutzbar zu machen – von „kritischer Stellungnahme“ bis hin zu „Verständnis und Hilfe“.242 In demselben Jahr unterbreitete ein Sachverständigenausschuss ähnliche Vorschläge, die bald unter dem Titel „Schwalbacher Richtlinien“ bekannt werden sollten. Das Gut- achten plädierte eindringlich dafür, das Verhältnis der deutschen Hochschulen zur Öf- fentlichkeit zu „pflegen“, die „Anteilnahme“ der Öffentlichkeit an den Leistungen der Hochschulen zu „intensivieren“, das „gegenseitige Verständnis“ zu verbessern und der Hochschule eine „reine Resonanz in der Öffentlichkeit“ zu verschaffen. Diesem Ziel soll- ten Hochschulgesellschaften, Freundeskreise, Alumni-Vereinigungen oder ähnliche Ein- richtungen dienen. Solche Institutionen, erklärten die Autoren, waren bereits vielerorts vorhanden oder zumindest im Entstehen begriffen.243

In der Tat hatte sich u.a. auch die Universität Freiburg nach Ende des Krieges früh mit der Thematik auseinandergesetzt und entsprechende Anstrengungen unternommen. Mit der Pressestelle 1946, dem Universitätsbeirat 1949 und dem Verband der Freunde im selben Jahr waren drei Institutionen neu- bzw. wieder gegründet worden, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die Beziehungen zwischen Universität und Öffentlichkeit zu verbessern. Die Pressestelle vermittelte regelmäßig Nachrichten von der Hochschule v.a. an die lokalen und regionalen Zeitungen. Der Beirat fungierte als Forum, das die Universität dazu nutzte, Anliegen und Probleme einem größeren Publikum bekannt zu machen. Und der VDF vermittelte öffentliche Vorträge von Freiburger Hochschullehrern in Städten des badischen Umlands. Obwohl nicht alle Erwartungen erfüllt werden konnten, demonstrierte die Gründung dieser Institutionen in Freiburg doch eine grundsätzliche Bereitschaft, Ideen von Hoch- schulreformern für die Beziehungen von Universität und Öffentlichkeit anzuhören, Neue- rungen einzuleiten oder wenigstens alte Pfade wiederaufzunehmen.

2.3.1 Der Universitätsbeirat Der Universitätsbeirat in der Reformdebatte der Nachkriegszeit Im November 1948 erschien mit dem sogenannten „Blauen Gutachten“ einer der wichtig- sten Texte zur Hochschulreform der Nachkriegszeit.244 Zu den zahlreichen Fragen, mit

242Neuhaus 1961 – Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, S. 28. 243Der Text der „Schwalbacher Richtlinien“ ist abgedruckt in ebd., S. 262-288, hier: S. 286-288. 244Zur Entstehung des Gutachtens siehe oben. Vgl. ausführlicher Phillips 1995 – Pragmatismus und Idealismus. Das Gutachten ist abgedruckt bei Neuhaus 1961 – Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, S. 289-368.

91 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 denen sich die Mitglieder der von den Briten eingesetzten Reformkommission befasst hatten, gehörte neben den Beziehungen von Hochschule und Staat, der Struktur des Lehrkörpers oder dem Prüfungswesen auch das Verhältnis von Universität und Öffent- lichkeit. Das „Blaue Gutachten“ setzte sich in diesem Zusammenhang für ein Ratsmodell ein, das die Vermittlung zwischen Universität und Öffentlichkeit zwei Institutionen an- vertraute. Der sogenannte Hochschulrat orientierte sich stark an den sogenannten boards, die man v.a. aus dem angloamerikanischen Universitätsraum kannte.245 Seine Mitglieder sollten „wesentliche administrative Funktionen im Sinne eines Verwaltungsrates„ besit- zen, insbesondere im Bereich des Haushaltswesens und in der Berufungspolitik. Der Rat war als „höchstes Organ der Selbstverwaltung“ vorgesehen und sollte die Interessen der Hochschule gegenüber „Staat und Öffentlichkeit“ wahrnehmen.246 Der Hochschulbeirat war dagegen als rein beratendes Gremium, als „Bindeglied“ zwi- schen Universität und Öffentlichkeit entworfen worden, das mit „Vertretern von verschie- denen unpolitischen Körperschaften“ wie Kirchen, Gewerkschaften oder Berufsverbänden besetzt werden sollte. Eine wesentliche Aufgabe dieses neuartigen Gremiums, hieß es im Gutachten, liege darin, eine Mitverantwortung „derjenigen Kreise der Bevölkerung“ zu erreichen, die „an der Hochschule Kritik üben“ und ihr „Exklusivität“ oder „Abschlie- ßung von der Öffentlichkeit“ vorhalten. Außerdem hoffte man auf diese Weise, „weite Kreise der Bevölkerung“ und insbesondere die Wirtschaft für eine „finanzielle Unterstüt- zung“ der Hochschule gewinnen zu können. Über die Mitglieder eines solchen Beirats, so die Gutachter weiter, würden die „Anliegen der Hochschule“ schließlich in „verschiedene Kreise der Bevölkerung getragen“. Umgekehrt bringe der Beirat womöglich „Gesichts- punkte in die Diskussion der Hochschulangelegenheiten“ ein, die den „vorwiegend mit den Fragen der Forschung beschäftigten akademischen Lehrern oft fremd“ seien.247 Unter den verschiedenen Reformvorschlägen des Gutachtens genoss das Ratsmodell bei den Mitgliedern der Kommission besonders große Wertschätzung.248 Dennoch wur- den solche Vorstellungen an den deutschen Hochschulen insgesamt eher zwiespältig auf- genommen.249 Gerade der Idee eines Hochschulrats mit eigenen Kompetenzen in der akademischen Selbstverwaltung stand man hier nicht selten mit großem Misstrauen ge- genüber, schon bevor sie durch das „Blaue Gutachten“ an prominenter Stelle beworben worden war. Sorge bereitete den Kritikern des Hochschulrats in erster Linie die durch eine solche Institution womöglich gefährdete Autonomie der Universität. Für ihre „eigene Verwaltung“, hatte der gemeinsame Hochschultag des britischen und amerikanischen Besatzungsgebiets bereits im Juli 1947 erklärt, musste die Hochschule die Verantwortung „selbst tragen“. Zwar habe man den Hochschulsystemen in „außerdeut-

245Siehe bspw. den Lexikonbeitrag von Cheryl D. Lovell (2002): Governing Boards. In: James F. Forest; Kevin Kinser (Hg.): Higher Education in the United States. An Encyclopedia. Santa Barbara, S. 284- 286, der auch Auskunft über die historische Entwicklung der boards an amerikanischen Hochschulen liefert. Eine umfassende Darstellung bietet Edwin Duryea (2000): The Academic Corporation. A History of College and University Governing Boards. New York. 246Neuhaus 1961 – Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, S. 320-324. 247Ebd., S. 318 f. 248Ebd., S. 316: „Unter den verschiedenen Vorschlägen, die der Studienausschuß zur Reform der Hoch- schule vorzubringen hat, legt er großen Wert auf diese Institution“. 249So auch die Einschätzung von Paulus 2010 – Vorbild USA, S. 436-438.

92 2.3 Institutionelle Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit

schen Ländern“ durchaus „wertvolle Anregungen“ entnehmen können. Man versprach sich aber „keinen Fortschritt“ davon, wenn sich Universitäten von neuen Organen wie et- wa einem Hochschulrat „abhängig“ machten.250 Die Aufgaben der Selbstverwaltung, hieß es auch in den „Schwalbacher Richtlinien“ aus demselben Jahr, eigneten sich nicht „zur Übertragung auf ein solches Organ“. Universitäten müssten sich mit „wissenschaftlichen“ Fragen auseinandersetzen, die allein von denen bearbeitet werden könnten, die in der La- ge seien, die „Verantwortung“ dafür zu tragen – also von Akademikern.251 Selbst nachdem sich auch zahlreiche deutsche Hochschullehrer im „Blauen Gutachten“ so eindringlich für das Ratsmodell ausgesprochen hatten, waren die Reaktionen in deutschen Hochschul- kreisen weiterhin von Ablehnung geprägt. In Heidelberg hatte sich ein mit Assistenten und Studenten besetzter Ausschuss direkt mit dem berühmten Gutachten auseinander- gesetzt. Die am 8. März 1949 veröffentlichte „Stellungnahme“ lehnte die Einrichtung von Hochschulräten rundheraus ab, da Senat und Rektor damit „ihre Funktionen ent- zogen“ und stattdessen „universitätsfremden Einflüssen“ geradezu „nicht überschaubare Möglichkeiten“ in der akademischen Selbstverwaltung eingeräumt würden. Autonomie der Hochschule und Freiheit der Wissenschaft könnten noch immer am besten von den Repräsentanten der Universität selbst gewahrt werden.252 Die Einrichtung von Hochschulbeiräten wurde ebenfalls nicht uneingeschränkt be- grüßt. Die Bedeutung eines rein beratenden Gremiums, hieß es etwa in den „Schwalba- cher Richtlinien“, sei so gering, dass nicht nur kein „wesentlicher Gewinn“ mehr zu er- warten sei, sondern man auch „kaum Persönlichkeiten von irgendwelchem Gewicht“ zur Mitarbeit werde überreden können. Wenn man zudem die Gegenstände einer solchen Beratungstätigkeit und den damit verbundenen Anspruch bedenke, werde man man die Mitglieder des Beirats nach Kriterien fachlicher Qualifikation auswählen müssen, die dem „ursprünglichen Sinn der ganzen Einrichtung als Verbindungsorgan zur Öffentlichkeit“ zuwiderlaufen würde.253 Ähnlich wie schon bei der Debatte um den Hochschulrat befürchtete mancher Hoch- schullehrer gleichzeitig einen „Autonomieverlust“ oder gar eine „Politisierung“ der Uni- versität durch einen zu starken Beirat. Nach Veröffentlichung des „Blauen Gutachtens“ warf der Mainzer Rektor August Reatz während des Münchener Hochschultag am 22. April 1949 – einem Treffen westdeutscher Hochschulrektoren mit Vertretern der Kultus- ministerien – die Frage auf, ob die dort vorgesehenen Beiräte wirklich nur zur „gegen- seitigen Fühlungnahme“ mit der Öffentlichkeit geschaffen werden sollten, oder ob hier nicht auch ein „moralisches Aufsichtsrecht der Hochschule gegenüber“ existierte. Darin meinte er eine Gefährdung der Autonomie der Hochschule zu erkennen. Insbesondere vonseiten der Gewerkschaften, die ja ebenfalls Vertreter in die Beiräte entsenden sollten, fürchtete Reatz eine „Politisierung“ der Universität.254

250Neuhaus 1961 – Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, S. 28. 251Ebd., S. 286-288. 252Ebd., S. 129. 253Neuhaus 1961 – Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, S. 287 f. 254Protokoll der Hochschul-Tagung in München am 22. April 1949 (04.07.1949). Hauptstaatsarchiv Stutt- gart, EA 3/907-402/1, S. 26 f. In eine ähnliche Richtung äußerte sich der Rektor der Universität Erlangen, Friedrich Baumgärtel, siehe ebd., S. 28 f.

93 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

Im Gegensatz zum wenig beliebten Hochschulrat fand die Idee eines Hochschulbeirats allerdings auch zahlreiche Fürsprecher. So prüfte der „erweiterte Verfassungsausschuss“ der Rektorenkonferenz in der amerikanischen Zone bereits im April 1947 eine Übernah- me des „Board of Trustees des amerikanischen Universitätswesens“. Man empfahl zwar keine „schematische Übertragung“, war aber sehr wohl der Auffassung, dass amerikani- sche Ideen nutzbar gemacht werden konnten, indem „bestehende deutsche Beziehungen zur Öffentlichkeit“ vertieft wurden. Die Rektoren dachten dabei nicht zuletzt an „eine Art beratendes Verwaltungsgremium“ wie den Hochschulbeirat.255 Nachdem sie der Idee eines Hochschulrats nur wenig hatten abgewinnen können, begrüßten die Heidelberger Studenten in ihrer „Stellungnahme“ zum „Blauen Gutachten“ ebenfalls die Einrichtung von Hochschulbeiräten, um damit „den Rat und die Hilfe (vor allem auch die finanzi- elle Unterstützung) weiterer Kreise der Öffentlichkeit für die Hochschule fruchtbar zu machen“.256 Trotz der Kritik von August Reatz machten sich schließlich auch während des Hoch- schultags in München 1949 viele Teilnehmer für die Einführung von Beiräten stark. Die nordrhein-westfälische Kultusministerin Christine Teusch und der Gastgeber der Tagung, der Münchener Rektor Walther Gerlach, betonten die Notwendigkeit von Ge- sprächsforen, wie sie u.a. ein Hochschulbeirat bieten konnte. Die Universität müsse „mit der Allgemeinheit in Kontakt kommen“, da „weiteren Kreisen“ nämlich das „Verständnis für die Hochschulen“ abgehe, und viele Problem nur „in gemeinsamer Unterhaltung“ ge- klärt werden könnten. Das sei besonders wichtig vor dem Hintergrund der „zahlreichen Angriffe gegen die Hochschulen“, ohne dass Teusch und Gerlach aber genauer ausführten, worin diese vermeintlichen Attacken bestanden. Der Tübinger Jurist Walter Erbe und der Physiologe Emil Lehnartz aus Münster pflichteten dieser Auffassung bei. Hochschul- beiräte waren ihrer Meinung nach dazu geeignet, „Angriffe“ von außen zu absorbieren und in konstruktive Kritik umzuwandeln. Der „Grundgedanke“ eines solchen Beirats, meinte Erbe, liege ja gerade darin, ein Forum zu bieten, in dem die „Öffentlichkeit ihre Kritik anbringen“ konnte. Die „Möglichkeit zur Kritik“ zwinge die „Gegenseite“ dann zur Ausformulierung ihrer Bedenken, was bereits als Erfolg verbucht werden könne. Und Lehnartz hielt es für besonders wichtig, dass in den Beiräten nicht nur „Freunde“ der Universitäten saßen, sondern auch die „Zweifelnden“ oder gar die „feindlich Gesinnten“. Durch ihre Einbindung in den Beirat könnten diese Kritiker für die Universität „gewon- nen“ werden.257

Der Freiburger Universitätsbeirat Teilnehmer des Münchner Hochschultags und Zeuge der besagten Diskussion über Vor- und Nachteile von Hochschulbeiräten war auch der Freiburger Historiker Gerd Tellenbach gewesen, der zu diesem Zeitpunkt als Rektor der Albert-Ludwigs-Universität amtierte. Nur wenige Wochen später brachte Tellenbach im Freiburger Senat den Vorschlag ein, auch für die Universität Freiburg einen Beirat zu schaffen, wie er im Gutachten für Hoch-

255Neuhaus 1961 – Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, S. 30. 256Ebd., S. 129 f. 257Hauptstaatsarchiv Stuttgart 4.7.1949 – Protokoll der Hochschul-Tagung in München, S. 25-29.

94 2.3 Institutionelle Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit

schulreform vorgeschlagen und in München diskutiert worden war. Das Gremium, hieß es, sollte „Missverständnisse“ über die Albert-Ludwigs-Universität aufklären, die nach Meinung der Senatsmitglieder noch zu häufig in der „breiten Öffentlichkeit“ zirkulier- ten.258 Der Senatsausschuss für Hochschulreform, der 1948 im Anschluss an verschiedene Hochschultagungen gegründet worden war, entwickelte einen maßgeblich von Tellenbach gestalteten Entwurf259, der schließlich wenige Wochen später im Senat vorgestellt und ohne längere Debatte verabschiedet wurde.260 Im „Gefühl ihrer Verbundenheit mit allen Schichten und Ständen des Landes“, hieß es in dieser kurzen „Denkschrift“, hatte der Freiburger Senat die „Bildung eines Uni- versitätsbeirates“ beschlossen. Das Gremium sollte sich aus „allen Kreisen des Volkes“ zusammensetzen, die „am Leben der Universität besonderen Anteil“ nahmen. Die Uni- versität Freiburg, so die Denkschrift weiter, versuchte mit dem Beirat „des Rates weiter Volkskreise teilhaftig (zu) werden“, sich aber auch Kritik zu stellen. Außerdem sollte er die Möglichkeit zur Bildung und Vertiefung persönlicher Kontakte bieten. Der Entwurf sah mindestens zwei jährliche Sitzungen des Beirats vor, der bei dieser Gelegenheit je- weils einen „Bericht über die Lage der Universität“ entgegennehmen und „alle gemeinsam interessierenden Fragen“ diskutieren konnte. Die Mitglieder des Beirats, die vom akademischen Senat der Universität zunächst auf zwei Jahre bestimmt wurden, stammten aus Politik, Kirche und Wirtschaft, aus Ju- stiz, Medien sowie Bildung und Erziehung. Zur ersten Sitzung am 15. Juli 1949 waren beispielsweise der Freiburger Oberbürgermeister, der Präsident der badischen Landwirt- schaftskammer oder der Feuilletonchef der „Badischen Zeitung“ Rupert Gießler einge- laden worden.261 Während sich die Mitgliedschaft zunächst weitgehend auf die süd- badische Region beschränkte, berief der Senat seit der Gründung des „Südweststaats“ Baden-Württemberg 1952 zunehmend Mitglieder aus den weiteren Landesteilen.262 In den ersten Jahren beschäftigte sich der Beirat schwerpunktmäßig mit dem Wie- deraufbau der Universität, mit dem studentischen Gemeinschaftsleben und hier v.a. mit dem Problem studentischer Verbindungen, aber auch mit der schwierigen wirtschaftli- chen Lage vieler Studenten. Die Universität nutzte ihren Beirat als Forum, um Probleme zu artikulieren, Verständnis für ihre Anliegen zu generieren und Unterstützung von au- ßen zu erlangen. Das neue Gremium war außerdem dazu in der Lage, Entscheidungen

258Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, den 18. Mai 1949 ([18.05.1949]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/6. 259Diese kurze „Denkschrift“ wurde später auch in einer Sammlung von Tellenbachs Schriften veröffent- licht: Gerd Tellenbach (1963): Der sibyllinische Preis. Schriften und Reden zur Hochschulpolitik 1946-1963. Freiburg. 260Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, den 15. Juni 1949 ([15.06.1949]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/6. 261Liste der Instanzen und Persönlichkeiten, die zur Teilnahme an der Sitzung des Universitätsbeira- tes am 15. Juli 1949 eingeladen werden ([Juli 1949]). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/3695. Vgl.: Ein Beirat für die Universität (1949). In: Badische Zeitung, 17.07.1949. Zu Gießler siehe Ansgar Fürst (1987): Gießler, Rupert. In: Bernd Ottnad (Hg.): Badische Biographien, Neue Folge. Band 2. Stuttgart, S. 360-363. 262Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, 9. Juli 1952 ([1952]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/9.

95 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 der Universität Freiburg Legitimation und gesellschaftlichen Rückhalt zu verleihen. So sprachen sich die Mitglieder in der dritten Sitzung am 30. Juni 1950 einstimmig dafür aus, dass man neue Formen studentischen Gemeinschaftslebens finden und ein „Wiederaufleben“ überkommener Praktiken in studentischen Verbindungen verhindern oder zumindest eindämmen musste. Farbentragen in der Öffentlichkeit und Mensurfech- ten dürften „unter keinen Umständen“ geduldet werden. Der Beirat verabschiedete eine entsprechende Entschließung und unterstützte damit die „feste Haltung“ der Universi- tätsleitung, die sich von einem Wiederaufleben studentischer Verbindungen in Freiburg distanzierte und u.a. das öffentliche Tragen der Verbindungsfarben verboten hatte.263 In nicht wenigen Sitzungen standen Besichtigungen von Instituten, Kliniken und anderen Gebäuden der Universität auf der Tagesordnung, um den Beiratsmitgliedern Baufällig- keit und Renovierungsbedarf zu demonstrieren. Vor Beginn der Sitzung am 10. Februar 1950 fand beispielsweise ein Rundgang durch die Augenklinik und das physiologisch- chemische Institut in der neuen chirurgischen Klinik statt. Anschließend diskutierten die Mitglieder ihre Eindrücke im Plenum des Beirats und verabschiedeten eine Resolution an die badische Landesregierung, in der sie die „unwürdigen“ Zustände in der Augenklinik anprangerten und auf zusätzliche Finanzmittel für eine Renovierung drängten.264 Die Beratungen des Universitätsbeirats informierten nicht nur dessen Mitglieder über Probleme und Anliegen der Universität, sondern erreichten auf dem Weg der Massenme- dien auch ein größeres Publikum in der Region. Jede Sitzung wurde in der „Badischen Zeitung“ mit einem längeren Artikel bedacht, der die wichtigsten Themen und Dis- kussionen des Beirats zusammenfasste.265 Vor der ersten Sitzung hatte Rektor Tellen- bach verschiedene regionale Zeitungen wie die „Badische Zeitung“, die „Südwestdeutsche Volkszeitung“ oder den „Südkurier“ über die Gründung informiert, und die bereits zitier- te „Denkschrift“, die Tagesordnung der ersten Sitzung sowie die Liste der eingeladenen Personen beigelegt. Darüber hinaus lud er die Pressevertreter zu einer Pressekonferenz nach der geplanten Sitzung ein, um sie über den Verlauf der Diskussionen im Detail zu unterrichten.266 Daraufhin sprachen einige der anwesenden Journalisten – u.a. von der „Badischen Zeitung“ – den Wunsch aus, an den kommenden Beiratssitzungen direkt als „Hörer“ teilnehmen zu können. Das sei für sie „praktischer und übersichtlicher“ als eine Information durch Pressekonferenzen der Universität.267 Zunächst ging dieser Wunsch

263Protokoll der dritten Sitzung des Universitätsbeirats am Freitag, den 30. Juni 1950 (16.08.1950). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/3696. Vgl. zu den Studienbedingungen und zum Problem studenti- scher Korporationen nach dem Krieg Ute Christ (2007): Studieren in Freiburg unter französischer Besatzungsherrschaft 1945-1949. In: Martin (Hg.) 2007 – Von der badischen Landesuniversität, S. 555-574 sowie Sebastian Kurtenacker (2007): Studentische Korporationen. Zwischen Neuanfang und Restauration. In: Martin (Hg.) 2007 – Von der badischen Landesuniversität, S. 592-608. 264Protokoll über die 2. Sitzung des Freiburger Universitätsbeirats am Freitag, den 10. Februar 1950 ([1950]). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/3695. 265Vgl. die beiden Artikel über die erste Sitzung des Universitätsbeirats: Ein Beirat für die Universität 17.7.1949 und Die Sorgen der Universität. Aus der ersten Sitzung des Universitätsbeirats (1949). In: Badische Zeitung, 19.07.1949. 266Der Rektor der Universität Freiburg Gerd Tellenbach an die Vertreter der Presse (13.07.1949). Uni- versitätsarchiv Freiburg, B 1/3695. 267Aktennotiz über eine Pressekonferenz am 16.7.1949 (20.07.1949). Universitätsarchiv Freiburg, B

96 2.3 Institutionelle Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit

nicht in Erfüllung. Stattdessen betonte der akademische Senat in seiner Sitzung vom 11. Juli 1951 noch einmal ganz ausdrücklich, dass bei den Sitzungen des Universitätsbeirats keine Pressevertreter zugelassen werden sollten. Der Bericht über die Sitzung sollte vom Leiter der Pressestelle angefertigt, dem Rektor vorgelegt und dann an die Presse weiter- geleitet werden.268 Erst als im Juni 1954 verschiedene Maßnahmen zur Intensivierung der Pressearbeit an der Universität Freiburg in die Wege geleitet werden sollten269, ent- schloss sich der Senat auf Vorschlag des Rektors, Journalisten zu den Beiratssitzungen einzuladen.270 Die massenmediale Vermittlung von Informationen über die Universität Freiburg und ihre Sorgen wurde auf diese Weise noch einmal erleichtert. Während der Beirat also über Probleme der Freiburger Universität informieren, de- ren Anliegen unterstützen und Entscheidungen Legitimation verschaffen konnte, wur- den andere Ziele nicht erreicht. Das Gremium entwickelte sich weder zu einem kreativen Zentrum, das frische Ideen von außen an die Universität herantrug und dort neue Ent- wicklungen vorantrieb. Ebenso wenig übernahm der Beirat die Rolle einer kritischen Instanz, wie man sich das ja nicht nur in Freiburg von dem neuen Instrument eigentlich erhofft hatte. Dass Gerd Tellenbach die Mitglieder des Universitätsbeirats in der vierten Sitzung am 2. Februar 1951 beinahe verzweifelt zu kritischeren Stellungnahmen zu ani- mieren versuchte, war bezeichnend. Diese Komponente hatte ihm bisher fast vollkommen gefehlt. Der Freiburger Historiker machte deutlich, dass er mehr „Kritik hören, Klagen und Vorschläge vernehmen“ wollte. Seiner Meinung nach war die Universität Freiburg in der Diskussion „zu gut weggekommen“. Die Mitglieder des Beirats müssten der Uni- versität auch „unangenehme Dinge“ sagen, auf die man dann „angeregt eingehen“ und so am Ende womöglich eine bessere Lösung finden könne.271 Obwohl Tellenbach ganz offenbar und zurecht das kritische Engagement fehlte, über- wog bei den Beteiligten eine alles in allem positive Beurteilung des Universitätsbeirats. Stets betonte man, wie wichtig der Beirat für die Universität als „Bindeglied zur Öf- fentlichkeit“ bereits nach kurzer Zeit geworden war272, wie die Freiburger Gründung auch für viele andere Hochschulen zum Vorbild wurde273 und welche Unterstützung die Albert-Ludwigs-Universität durch ihren Beirat erfuhr.274 Allerdings spielte sich die Bei-

1/3695. 268Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, den 11. Juli 1951 ([Juli 1951]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/8. 269Siehe Kapitel 2.3.2 dieser Arbeit. 270Protokoll über die Senatssitzung am 30. Juni 1954 ([Juni 1954a]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/11. 271Protokoll über die vierte Sitzung des Freiburger Universitätsbeirats am Freitag, den 2. Februar 1951 ([1951]). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/3696. 272Sorgen und Probleme der Universität (1953). In: Badische Zeitung, 30.07.1953. Es handelt sich um einen von der Universität übermittelten Bericht; Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, den 9. Mai 1951 ([1951]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/8, S. 2 f.: Tellenbach erklärte hier, Freiburg sei bisher die einzige Universität, bei der „durch Bildung und Aktivierung des Universitätsbeirats eine gute Verbindung mit interessierten Kreisen der weiteren Öffentlichkeit“ hergestellt worden sei; Die Universität im öffentlichen Leben (1955). In: Badische Zeitung, 09.07.1955. 273Universitätsarchiv Freiburg [1951] – Protokoll über die vierte Sitzung. 274Der Rektor der Universität Freiburg Oehlkers an den Rektor der Universität Bonn Friesenhahn (12.12.1950). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/3696; Universitätsarchiv Freiburg 16.8.1950 – Proto-

97 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 ratstätigkeit bald zunehmend ein, entwickelte sich zur Routinesache und wurde in den 1960er Jahren sogar für kurze Zeit ausgesetzt. Insgesamt bildete das Gremium ein gutes Forum für die Anliegen und Probleme der Hochschule, entwickelte aber wenig Initiative oder Reformdruck.

2.3.2 Pressestelle und Öffentlichkeitsarbeit Nachdem die Bedeutung von Hochschulräten bzw. -beiräten also schon in der unmit- telbaren Nachkriegszeit intensiv diskutiert worden war, tauchte die Einrichtung von Pressestellen erst am Beginn der 1950er Jahre vermehrt auf der hochschulpolitischen Reformagenda auf.275 Zum ersten Mal explizit thematisiert wurde das Problem im Kontext einer „Arbeitsta- gung“ im südbadischen Hinterzarten, die im Jahr 1952 unter Vorsitz von Gerd Tellenbach gemeinsam von Rektorenkonferenz, Hochschulverband und der amerikanischen Militär- regierung, die u.a. finanzielle Mittel zur Verfügung stellte, organisiert worden war. Die Arbeitsgruppe „Hochschule und Öffentlichkeit“ wurde dabei vom Heidelberger Romani- sten und Wissenschaftspolitiker Gerhard Hess geleitet.276 Im Sommer des Jahres 1954 beschäftigte sich die WRK dann noch einmal näher mit der Problematik. Von ihrer Presseabteilung wurde eine Umfrage unter den wissenschaft- lichen Hochschulen in der Bundesrepublik durchgeführt, die Aufschluss darüber geben sollte, wie sich die „Zusammenarbeit zwischen den wissenschaftlichen Hochschulen und den Publizitätsmittlern in Presse, Rundfunk und Film“ seit 1945 entwickelt hatte. Auf dieser Basis legte Werner Stephan, ein Mitarbeiter der WRK-Presseabteilung, Ende April 1955 einen ins Detail gehenden „Erfahrungsbericht“ über Universitätspressestellen in Deutschland vor. Der Rapport lieferte nicht nur zum ersten Mal einen Überblick über den Stand der Dinge auf diesem Feld, sondern versuchte gleichzeitig Kriterien für die Ausgestaltung universitärer Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln.277

In Freiburg hatte man sich schon unmittelbar nach Wiederaufnahme des Lehrbetriebs darum bemüht, Öffentlichkeitsarbeit an der Universität in Gang zu bringen. Dahinter standen v.a. zwei Motive. Auf der einen Seite ging es darum Vertrauen zurückzuge- winnen, das – wie nicht wenige Freiburger Hochschullehrer glaubten – während der NS-Herrschaft verloren gegangen war. Darüber hinaus befand sich die Universität nach Kriegsende in einer schwierigen materiellen Lage, für die man die Öffentlichkeit zu sen- sibilisieren und auf diesem Weg öffentliche Unterstützung zu generieren versuchte.278

koll der dritten Sitzung; vgl. Weg von den alten Formen. Der Universitätsbeirat über das studentische Leben (1950). In: Badische Zeitung, 03.07.1950. 275Vgl. insgesamt zu akademischer Öffentlichkeitsarbeit in der Nachkriegszeit Paulus 2010 – Vorbild USA, S. 438-440. Paulus betont insbesondere den amerikanischen Einfluss auf die Entwicklung von Öffentlichkeitsarbeit in der Bundesrepublik, nicht nur im Hochschulbereich. 276Vgl. dazu das Vorwort von Tellenbach in Tellenbach (Hg.) 1953 – Probleme der deutschen Hochschu- len, S. 7 f. sowie die die Tagesordnung der Konferenz in ebd., S. 17-19. 277Werner Stephan ([29.04.1955]): Die Pressestellen der Universitäten und wissenschaftlichen Hoch- schulen (Bericht für die Westdeutsche Rektorenkonferenz). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1663. 278Vgl. für Öffentlichkeitsarbeit an der Universität Freiburg nach dem Krieg Egenberger 2005 – Wir sind

98 2.3 Institutionelle Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit

Bereits am 31. Oktober 1945, nur wenige Monate nach der Neukonstituierung der Universität, sprach sich der akademische Senat deshalb für die Einrichtung einer Pres- sestelle aus. Eigentlich handelte es sich sogar eher um eine „Wiederbelebung“. Denn bereits zwischen 1938 und dem „Zusammenbruch“ 1945 hatte es an der Albert-Ludwigs- Universität eine solche Einrichtung gegeben, geleitet von dem Kunsthistoriker Werner Körte. Das „Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung“ hatte damals darauf gedrängt, die deutschen Hochschulen stärker in das nationalsozialistische Propagandasystem einzubinden und insbesondere die Leistungen einer spezifisch natio- nalsozialistischen Wissenschaft einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren.279 Diesen Zielen ordnete sich auch die Pressestelle der Albert-Ludwigs-Universität explizit unter. Nach Auskunft von Körte wollte man über die „Arbeit der Universität und ihre Bedeu- tung im völkischen Aufbau“ informieren, den Stellenwert „echter Wissenschaft für den Neubau des Reiches“ hervorheben und darüber hinaus die Kontakte zwischen Hochschu- le und örtlichen Parteistellen intensivieren.280 Obwohl die parteipolitischen Ambitionen nach dem Krieg natürlich keine Rolle mehr spielten, standen so Erfahrungen mit insti- tutionellen Strukturen und Tätigkeitsfeldern im Bereich Öffentlichkeitsarbeit zu Buche, an die man in Freiburg jetzt anknüpfen konnte. Im Oktober 1945 wurde Rektor Sigurd Janssen damit beauftragt, wegen konzeptio- neller Fragen und zwecks Übernahme der Pressestelle zunächst mit Karl Harald Harling- hausen vom kurz zuvor aufgelösten Institut für Zeitungswissenschaften sowie mit dem Anglisten Ernst Theodor Sehrt zu verhandeln.281 Die Bemühungen verliefen allerdings schleppend. Ein Entwurf von Harlinghausen über den Aufbau der künftigen Pressestel- le, den Janssen am 28. November 1945 im Senat verlas, schien dort wenig Anklang zu finden. Der Rektor wurde gebeten, erneut mit dem Zeitungswissenschaftler zu sprechen, um, wie es im Senatsprotokoll hieß, die „Angelegenheit einfacher zu gestalten“.282 Erst im Sommer 1946 gerieten die Dinge wieder in Bewegung. Am 21. Juni versuchte Ar- thur Allgeier, der inzwischen Janssen als Rektor abgelöst hatte, den für die Universität zuständigen Besatzungsoffizier Jacques Lacant in einem Brief für die Einrichtung einer Pressestelle zu gewinnen. Er schlug nun den Historiker Johannes Spörl als Leiter vor, der den neu geschaffenen Posten schließlich auch wenige Wochen später übernahm.283 Spörl wurde eine Hilfskraft zur Seite gestellt, eine Sekretärin, die halbtags arbeiten sollte. Den

keine Kritik-Muffel, S. 44-46. 279Siehe u.a. Bernhard Rust (13.01.1939): Der Reichsminister Wissenschaft, Erziehung und Volksbil- dung an die Rektoren der deutschen Hochschulen und Universitäten. Hochschulpressestellen. Univer- sitätsarchiv Freiburg, B 1/1662. Hochschulpressestellen, betonte Rust etwa in diesem Rundschreiben, sollten die „wesentliche Wandlung des Gesichts und der Haltung der Hochschule auch für die nicht näher mit der Hochschule verbundenen Volksgenossen aufzeigen“. 280So Werner Körte (28.06.1939): Bericht über die Tätigkeit der Pressestelle der Universität Freiburg. Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1662. Vgl. zur „Vorgeschichte“ der Freiburger Pressestelle auch Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 42-44. 281Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, 31. Oktober 1945 ([31.10.1945]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/1. 282Protokoll über die Senatssitzung vom 28. November 1945 ([28.11.1945]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/1. Der besagte „Schriftsatz“ war leider nicht mehr aufzufinden. 283Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 45.

99 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 jährlichen Etat veranschlagte man zunächst auf 500 Reichsmark.284 Die Aufgaben der Freiburger Pressestelle richteten sich nach innen und nach außen. Zur „Informierung und Unterstützung“ der Universitätsleitung, was „bei der gegenwärti- gen Diskussion über die Universität im allgemeinen wie über die Freiburger Universität im Besonderen“ dringend geboten schien, war die Einrichtung eines Presse-Archivs vorge- sehen.285 Auf der anderen Seite, betonte Spörl im Oktober 1946 in einem Rundschreiben an den Lehrkörper der Universität, hatte es sich die Pressestelle in erster Linie zum Ziel gesetzt, die Universität Freiburg nach außen zu vertreten und „Rundfunk und Presse über die laufenden, eine breite Öffentlichkeit interessierenden Universitäts-Angelegenheiten“ zu unterrichten.286 Die konkreten Anstrengungen, die von der Freiburger Pressestelle zu diesem Zweck unternommen wurden, nahmen sich zunächst jedoch eher bescheiden aus. Die durchaus ambitionierten Leitbilder, die man in Hinterzarten und im oben zitierten „Erfahrungsbe- richt“ der Rektorenkonferenz entwickelt hatte, waren in dem Zeitraum zwischen Kriegs- ende und Ende der 1950er Jahre in Freiburg – und nicht nur dort – ein gutes Stück von der Realität entfernt.287

In seiner Untersuchung für die WRK hatte Werner Stephan ausdrücklich betont, dass die Leitung einer Universitätspressestelle „Eignung und Interesse in besonderem Maße“ erforderte. Gerade die „Fühlung“ mit Journalisten verlangte demnach eine „gewisse Fä- higkeit“, sich auf die Bedürfnisse, aber v.a. auch auf den „Verkehrston“ der Presseleute einzustellen.288 Die Konferenz in Hinterzarten hatte eine ähnliche Linie verfolgt und sich dafür ausgesprochen, möglichst eine „erfahrene Persönlichkeit“ mit der Repräsentation der Hochschule in der Öffentlichkeit zu betrauen.289 Die Pressestelle der Albert-Ludwigs-Universität erfüllte diese Kriterien nicht. Die Ab- teilung wurde vielmehr „ehrenamtlich“ von Mitgliedern des Lehrkörpers geführt, die in der Regel nicht zur ordentlichen Professorenschaft, sondern als Dozenten oder Assisten- ten meist zum akademischen Nachwuchs gehörten und nur wenig Erfahrung mit jour- nalistischer Arbeit vorweisen konnten. Die Leitung wechselte in den ersten zehn Jahren der Pressestelle aus verschiedenen Gründen zudem sehr häufig, so dass eine kontinuierli-

284Johannes Spörl (03.08.1946): Besprechung mit Professor Dr. Kilchling, Syndikus der Universität Freiburg vom 3. August 1946. Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1663. 285Spörl 3.8.1946 – Besprechung mit Professor Dr. Vgl. Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 45. 286Johannes Spörl (21.10.1946): An die Mitglieder des Lehrkörpers. Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1663. 287So urteilt u.a. Klaus-Peter Möller (1970): Die Pressestellen der deutschen Hochschulen. Heidelberg (Schriftenreihe der Hochschulgesellschaft, 3), S. 223. Bis zum Jahr 1962, so Möller, seien in Freiburg „keine wesentlichen Initiativen in der Öffentlichkeitsarbeit“ entwickelt worden. Diese Einschätzung traf Möller auch für die Pressestellen an den meisten anderen Hochschulen. Peter Dehn; Ekkehard Nuissl (1973): Organisationsmodell Hochschulpressestellen. München, S. 33-37 sprechen selbst für die späten 60er Jahre noch von einem „desolaten“ Zustand der Öffentlichkeitsarbeit an deutschen Hochschulen. 288Stephan [29.4.1955] – Die Pressestellen der Universitäten, S. 12. 289Neuhaus 1961 – Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, S. 405.

100 2.3 Institutionelle Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit

che Arbeit praktisch unmöglich war. Zwischen 1949 und 1951 blieb die Abteilung sogar zwei Jahre lang unbesetzt. Trotz geradezu verzweifelter Suche war die Universität in dieser Zeit nicht in der Lage, einen Mitarbeiter zu finden, der bereit war, den Posten als Leiter der Pressestelle zu übernehmen.290 Nicht wenige Dozenten schienen eine Betä- tigung im Bereich der Pressearbeit als „lästige Zusatzaufgabe“ zu empfinden, die kaum mit Aussicht auf akademische Anerkennung verbunden war und sie „lediglich von ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit abhielt“.291 Die Arbeit der Freiburger Pressestelle war vorerst überwiegend nachrichtlicher Natur. Es ging in erster Linie darum, aktuelle Meldungen von der Universität an die lokale und regionale Presse, an Nachrichtenagenturen, oder auch an den Südwestfunk in Baden- Baden zu übermitteln. Zu diesem Zweck sollten Rektorat und Senat, Fakultäten und Instituten der Presseabteilung alle „für die Öffentlichkeit wichtigen Fragen möglichst in der zu publizierenden Formulierung“ zuleiten.292 Besonders häufig handelte es sich hierbei um Personalnachrichten – Ehrungen, Todesfälle, Rufe an andere Hochschulen – aber durchaus auch um Informationen zu Veranstaltungen an der Universität oder zum Fortgang des Wiederaufbaus.293 „Schon die Berufung auf einen Lehrstuhl“, hatte Werner Stephan über diese doch eher unspektakuläre Form der Öffentlichkeitsarbeit in seinem Bericht für die Rektorenkonferenz vermerkt, war eine Nachricht, die nicht nur „Fachgenossen“, sondern auch eine „breite Öffentlichkeit“ anging und sogar „über den Bereich der Hochschulstadt hinaus“ Anteilnahme finden konnte. Auch Todesfälle und Emeritierungen, Studienreisen ins Ausland oder Vorträge, die sich an einen „breiteren Kreis“ wenden – all das sei eine Pressemitteilung wert. „Alle Zeitungen“ hätten einen „außerordentlich starken, niemals voll befriedigten Bedarf an Lokalnachrichten“, der von der „örtlichen Hochschule“ so gut wie möglich ausgenutzt werden sollte. Selbst die „großen Blätter“, so Stephan weiter, verfügten in den Kulturteilen über ausreichend Platz für „alle bedeutsamen Vorgänge des akademischen Lebens“.294 Journalisten der Lokal- und Regionalpresse zeigten sich mit den Leistungen der Frei- burger Pressestelle auf diesem Feld häufig nicht zufrieden und teilten das den Verant- wortlichen auch mit. So fand am 2. August 1955 an der Universität eine Pressekonferenz über die „Möglichkeiten einer guten Zusammenarbeit zwischen Universität und Presse und Rundfunk“ statt, die vom damaligen Pressereferenten Karl Ulmer organisiert worden war.295 Rektor Bernhard Welte, ein Theologe, hatte die Veranstaltung angeregt, nach-

290Die Protokolle der Senatssitzungen dokumentieren die Schwierigkeiten: Protokoll über die Senats- sitzung am Mittwoch, den 26. Juli 1950 ([1950]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/7; Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, den 11. April 1951 ([1951]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/7. In dieser Sitzung wurde der Senat darüber informiert, dass die Pressestelle nun „schon mehr als zwei Jahre verwaist“ sei; Universitätsarchiv Freiburg [1951] – Protokoll über die Senatssitzung; Universitätsarchiv Freiburg [Juli 1951] – Protokoll über die Senatssitzung. 291So urteilt treffend Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 51. 292Spörl 3.8.1946 – Besprechung mit Professor Dr. 293Im Bestand der Pressestelle im Universitätsarchiv Freiburg sind noch zahlreiche dieser in aller Regel sehr kurzen Mitteilungen vorhanden, vgl. bspw. die Akten im Universitätsarchiv Freiburg, B 39/21 und B 39/22. 294Stephan [29.4.1955] – Die Pressestellen der Universitäten, S. 14. 295Karl Ulmer (21.09.1955): Ulmer an den Rektor der Universität Freiburg Welte. Bericht über die

101 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 dem er zuvor mit Rupert Gießler, dem Feuilletonchef der „Badischen Zeitung“, ein länge- res Gespräch über die „Gestaltung der akademischen Pressestelle“ geführt hatte.296 Die bei der Pressekonferenz anwesenden Journalisten forderten nun u.a., den „Nachrichten- gang“ innerhalb der Universität und die Weiterleitung von Informationen an die Presse zu beschleunigen. Zu diesem Zweck, hieß es, sollte nicht zuletzt stärker von der „fern- mündlichen Nachrichtenübermittlung“ Gebrauch gemacht werden. Von den Meldungen der Pressestelle erwartete man sich zudem ausführlichere Informationen. Bei Todesnach- richten sollten z. B. Lebensdaten, Berufungen, Werke und Ehrungen angegeben werden. Traten Professoren der Freiburger Universität auf wissenschaftlichen Konferenzen – ins- besondere im Ausland – auf, wollten die Presseleute Art und Dauer der Tagung erfahren, aber auch, welche Vorträge gehalten und welche Orte „bereist“ worden waren.297

Das Nachrichtenwesen stellte also einen wichtigen Aspekt universitärer Öffentlichkeits- arbeit dar. Allerdings blieb die Tätigkeit von Hochschulpressestellen dort nicht stehen. Nicht nur Nachrichten über personelle Veränderungen oder Veranstaltungen der Uni- versität, hieß es etwa in den Hinterzartener Empfehlungen, sollten an die Vertreter der Presse weitergeleitet werden. Stattdessen seien auch „kommentierende Artikel in der Lokalpresse sowie grundsätzliche Aufsätze“ geeignet, das „Interesse der Öffentlichkeit an den Hochschulen zu intensivieren“.298 An der Albert-Ludwigs-Universität versuchte man solchen Forderungen von Hochschulreformern durchaus nachzukommen. Einen be- sonderen Stellenwert nahm in diesem Kontext Berichterstattung über wissenschaftliche Aktivität der Freiburger Institute ein. Allerdings war diesen Anstrengungen insgesamt nur wenig Erfolg beschieden. Schon im Juli 1950 hatte der akademische Senat die Frage diskutiert, ob man sich intensiver um eine Veröffentlichung von „Aufsätzen über die Freiburger Universitäts- Institute in der Tagespresse“ bemühen sollte. „Verstärkte Publizität“ der Universität und ihrer Institute, gab Rektor Friedrich Oehlkers zu bedenken, konnten sich als „sehr zweck- mäßig“ erweisen. Seine Senatskollegen bat er darum, eine entsprechende „Anregung“ an die Fakultäten weiterzugeben.299 Als sich Oehlkers mehr als ein Jahr später, am 5. Okto- ber 1951, mit einem Brief an Rupert Gießler von der „Badischen Zeitung“ wandte, hatte sich die Situation jedoch nicht entscheidend zum guten verändert. Die Funktionsfähig- keit der Freiburger Pressestelle, räumte der Botaniker in diesem Schreiben ein, war im Hinblick auf „Referate und Aufsätze“ noch immer als „verbesserungswürdig“ zu bezeich- nen.300 Nachdem sich die Rektorenkonferenz mit dem Problem der Öffentlichkeitsarbeit befasst hatte, stand das Thema im Juni 1954 auch im Freiburger Senat erneut auf der

Pressekonferenz der Universität am 2. August 1955. Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1608. Vgl. Ders. (26.07.1955): Schreiben der Pressestelle der Universität Freiburg an Vertreter der Presse. Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1608. 296Aktennotiz über die Gestaltung der akademischen Pressestelle ([Juli 1955]). Universitätsarchiv Frei- burg, B 1/1608. 297Universitätsarchiv Freiburg 21.9.1955 – Karl Ulmer an den Rektor. 298Neuhaus 1961 – Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, S. 405. 299Universitätsarchiv Freiburg [1950] – Protokoll über die Senatssitzung. 300Friedrich Oehlkers an Herrn Hauptschriftleiter Dr. R. Gießler (05.10.1951). Universitätsarchiv Frei- burg, B 1/1748.

102 2.3 Institutionelle Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit

Tagesordnung. Unter anderem, beschloss der Senat, sollten die einzelnen Fakultäten dazu bewegt werden, unter Vermittlung von Rektorat und Pressestelle „in gewissen Zeitab- ständen“ jeweils abwechselnd Artikel über „Angelegenheiten der Fakultäten“, darunter auch Beiträge zu wissenschaftlichen Problemen, an die Presse weiterzuleiten , die „für die Öffentlichkeit von Interesse sind“.301 Vertreter der Presse erwarteten von der Uni- versität Freiburg ebenfalls mehr Informationen über die wissenschaftliche Arbeit in den Instituten. So äußerten die anwesenden Journalisten während der bereits zitierten Pres- sekonferenz über die „Möglichkeiten einer guten Zusammenarbeit zwischen Universität und Presse und Rundfunk“ am 2. August 1955 u.a. den Wunsch, dass Institute „wichtige Forschungsergebnisse“ häufiger der Presse mitteilten, um so „die Öffentlichkeit über die geleistete Arbeit orientieren“ zu können.302 Alles in allem trugen die Bemühungen um eine verbesserte Wissenschaftsberichterstat- tung in der Lokal- und Regionalpresse jedoch nicht die erhofften Früchte. So erschienen in der „Badischen Zeitung“ über den gesamten Untersuchungszeitraum der vorliegenden Arbeit hinweg nur äußerst wenige längere Beiträge, die über die Forschungstätigkeit in einzelnen Fächern informierten. Insbesondere Texte aus der Feder von Freiburger Hoch- schullehrern waren kaum zu finden.

So selten wie solche Beiträge in der Tagespresse waren zumindest bis Mitte der 1950er Jahre auch die von der Universität Freiburg und ihrer Pressestelle veranstalteten Pres- sekonferenzen. Im Rahmen der Umfrage der WRK aus dem Jahr 1954 hatte die Albert- Ludwigs-Universität angegeben, dass es „keine regelmäßigen Pressekonferenzen“ gab und man auf dieses Mittel höchstens „fallweise“ zurückgriff.303 Gerade in dem Erfahrungs- bericht der Rektorenkonferenz war diese Form der öffentlichen Kommunikation jedoch als unverzichtbares Instrument aufgeführt worden. Regelmäßige Pressekonferenzen, hieß es dort, boten die Möglichkeit der „persönlichen Fühlungnahme“ mit Redakteuren der örtlichen Blätter, aber auch mit Journalisten der „mittleren Provinzzeitungen“ und wo- möglich sogar mit Vertretern der „großen zentralen Blätter“. Der Kontakt mit „einzelnen führenden Journalisten“ sei besonders wichtig und werde bewirken, dass die „Wünsche der Hochschule in der Presse in richtiger, die zentralen Stellen des Landes nicht verärgern- der, sondern ansprechender Form veröffentlicht werden“. Regelmäßige Pressekonferenzen, die mindestens zweimal im Semester stattfinden sollten, stellten eine „fundamentale Not- wendigkeit“ dar und trügen insgesamt dazu bei, dass sich eine „Gewohnheit des Fragens und Antwortens zwischen Presse und Hochschule“ entwickelt.304 Möglicherweise lag es tatsächlich auch an den fehlenden Pressekonferenzen, dass sich die hier zitierte „Gewohnheit“305 nicht recht einstellen mochte, und dass das Verhält-

301Universitätsarchiv Freiburg [Juni 1954] – Protokoll über die Senatssitzung, S. 2 f. 302Universitätsarchiv Freiburg 21.9.1955 – Karl Ulmer an den Rektor. 303An das Pressereferat der Westdeutschen Rektorenkonferenz (08.06.1954). Universitätsarchiv Freiburg, B1/1663; vgl. Stephan [29.4.1955] – Die Pressestellen der Universitäten. 304Stephan [29.4.1955] – Die Pressestellen der Universitäten, S. 15 f. und S. 19. Auch die „Hinterz- artener Empfehlungen“ sprachen sich für regelmäßige Pressekonferenzen aus, vgl. Neuhaus 1961 – Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, S. 405. 305In den Hinterzartener Empfehlungen findet sich ein ganz ähnlicher Gedanke: Hochschulen, heißt

103 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 nis zwischen Universität und Presse stattdessen – dies galt durchaus auch noch für die 1960er Jahre – eher von Misstrauen und Missverständnissen gekennzeichnet war. Teilwei- se witterte man regelrechte „Pressekampagnen“ gegen die eigene Hochschule.306 Häufig beschwerten sich Angehörige der Universität Freiburg über angeblich „verzerrte“ oder „unrichtige“ Berichterstattung in den lokalen Zeitungen. Journalisten wurden regelmä- ßig dazu aufgefordert, vor der Publikation zunächst „Informationen bei der Universität einzuholen“, gewissermaßen also Beiträge „gegenprüfen“ zu lassen. Am 26. Oktober 1955 diskutierte der akademische Senat etwa über die nun schon mehrfach angesprochene Pressekonferenz im August desselben Jahres, die sich mit den Möglichkeiten der Öffent- lichkeitsarbeit an der Universität befasst hatte. Nachdem Pressereferent Ulmer seinen Bericht verlesen hatte, insistierte der Jurist Hans Gerber, dass „nur von uns aus formu- lierte Veröffentlichungen an die Presse gegeben werden“ durften. Der Anglist Hermann Heuer pflichtete ihm bei. Es „dürfe nicht vorkommen“, so Heuer, dass „Pressenotizen um- gebogen oder verstümmelt werden“. Die Redaktionen, ergänzte der Rektor, sollten sich außerdem bei der Universität informieren, bevor sie Beiträge Dritter veröffentlichen.307

Die zu Beginn dieses Kapitels zitierte Einschätzung von Gerd Tellenbach aus dem Jahr 1952, dass „gute Pressestellen“ an deutschen Universitäten rar gesät waren, traf durchaus zu, wie nicht zuletzt das Beispiel der Albert-Ludwigs-Universität demonstrierte. Aller- dings, so hatte Tellenbach seinen Aufsatz fortgesetzt, existierten vielerorts „Förderer- und Freundesverbände, deren Lebendigkeit und Vielseitigkeit freilich nicht überall gleich“ sei. Zu den „lebendigsten“ gehörte laut Tellenbach eine Institution, in der er selbst seit Beginn der 1950er Jahre engagiert mitarbeitete und die sich wie Universitätsbeirat und Presse- stelle auf die Fahnen geschrieben hatte, die Beziehungen der Albert-Ludwigs-Universität zur Öffentlichkeit zu verbessern: der Verband der Freunde der Universität Freiburg.308

2.3.3 Der Verband der Freunde der Universität Freiburg Im Jahr 1973 wurde Gerd Tellenbach, der gerade seinen 70. Geburtstag gefeiert hatte, mit einer Festschrift bedacht. Die Festgabe befasste sich nicht mit Tellenbachs wissen- schaftlichen Leistungen oder seinen hochschulpolitischen Aktivitäten. Im Mittelpunkt stand vielmehr das Engagement des Freiburger Mediävisten auf einem „kleinen Neben- feld“, dem sogenannten Verband der Freunde der Universität Freiburg, dem Tellenbach zwischen 1951 und 1965 als stellvertretender Vorsitzender angehört hatte. „Man stelle sich vor“, schrieb der unbekannte Verfasser309 zu Beginn seiner Ausführun-

es dort, würden „Verbindungen mit der Öffentlichkeit“ in der Zukunft „immer mehr als selbstver- ständlich und im öffentlichen Charakter ihrer Institution gelegen ansehen“, siehe Neuhaus 1961 – Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, S. 405. 306Siehe bspw. Protokoll über die Senatssitzung am Montag, den 10. Oktober 1949 ([Oktober 1949]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/6. 307Protokoll über die Senatssitzung vom 26. Oktober 1955 ([1955]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/12; vgl. Protokoll über die Senatssitzung am 10. Oktober 1953 ([1953]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/10, sowie Universitätsarchiv Freiburg [Juni 1954] – Protokoll über die Senatssitzung. 308Tellenbach Sommer 1952 – Hochschule und Öffentlichkeit. 309Theophil Herder-Dorneich und Carl-Theodor Kromer, zwei bestimmende Figuren des Verbands nach

104 2.3 Institutionelle Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit

gen, „es käme heute einer (...) auf die Idee, einen Verband von Universitätsfreunden zu gründen“. Auf Unverständnis würde ein solcher Vorschlag stoßen, denn zweifellos han- delte es sich mittlerweile um eine „unzeitgemäße Idee“. In der Zeit unmittelbar nach dem Krieg war das offenbar noch anders gewesen. Tellenbach, hieß es im Vorwort der Festschrift, hatte sich damals im VDF besonders engagiert, weil er darin „einen der We- ge vom Innern der Universität in die Öffentlichkeit“ gesehen hatte. Stets habe er seine Kollegen mit großem Einsatz dazu angetrieben, an den Veranstaltungen des Verbands „draußen im Land“ teilzunehmen, um so die gegensätzlichen Prinzipien „aristokratischer“ Wissenschaftlichkeit und „demokratischer“ Öffentlichkeit miteinander zu verbinden.310 Der Verband der Freunde der Universität Freiburg war bereits im Herbst 1925 auf In- itiative des Mathematikers Lothar Heffter gegründet worden. Ursprünglich von Heffter als lose „Arbeitsgemeinschaft“ geplant, vereinte der Verband verschiedene Gesellschaften, die sich der Universität „verbunden“ fühlten: die „Akademische Gesellschaft“, die „Dozen- tenhilfe“, die „Freiburger Studentenhilfe“ und die Volkshochschule in Freiburg. Nachdem Rektor und Senat der Albert-Ludwigs-Universität den neuen Verein zunächst nur wider- willig akzeptierten, konnten die Freunde“ schließlich am 27. Januar 1926 in der Aula der Universität ihren „feierlichen Eröffnungsakt“ begehen. Nach 1933 wurden die einzelnen Bestandteile des Verbunds nach und nach „gleichgeschaltet“, bis spätestens 1938 nur noch ein Dachverband existierte. Nachdem der Kriegsausbruch die Arbeit der „Freunde“ bereits erheblich eingeschränkt hatte, wurde der Verband, den zu diesem Zeitpunkt der Mathematiker Wilhelm Süss führte, im Jahr 1942 ganz aufgelöst.311 Schon bald nach dem „Zusammenbruch“, spätestens im Jahr 1947312, setzten Bemü- hungen ein, den Verband der Freunde neu zu begründen. Treibende Kräfte waren der Verleger Theophil Herder-Dorneich vom bekannten Freiburger Herder-Verlag, der bereits in den 1920er Jahren als Student für den Verband gearbeitet hatte, aber auch der „Kriegs- vorsitzende“ Wilhelm Süss und der Atomphysiker Wolfgang Gentner.313 Nach „Über- windung mancher besatzungsrechtlicher Schwierigkeiten“314 – die leider weder aus den Verbandsakten noch aus Nachlässen der Protagonisten genauer erschlossen werden konn- ten – führten die Anstrengungen im Jahr 1949 schließlich zum Erfolg. Herder-Dorneich und Gentner wurden als Vorsitzender bzw. als stellvertretender Vorsitzender eingesetzt. Daneben gehörten Wilhelm Süß, der Ingenieur Carl-Theodor Kromer, der Freiburger

1945 und zu diesem Zeitpunkt Verbandsvorsitzende, bezeichnen den Autor als „einen der Freunde der Universität“, der ihr „nahe stehe“, siehe das Vorwort in: Verband der Freunde der Universität Freiburg (1973): Die Nächsten einer Universität. Der Verband der Freunde der Universität Freiburg im Breisgau 1949-1965. Gerd Tellenbach zum 70. Geburtstag am 17. September 1973. Freiburg. 310Ebd. 311Vgl. Hans-Joachim Bente (1970): Der Verband der Freunde der Universität Freiburg 1925-1970. In: Freiburger Universitätsblätter 9 (28), S. 49-57, hier S. 50-52. 312In den Akten des Verbands im Universitätsarchiv Freiburg findet sich das erste „Lebenszeichen“ nach dem Krieg im Juli 1947, vgl.: Protokoll über eine Besprechung im Zimmer des Rektors am 21. Juli 1947 in der Angelegenheit des „Verbandes der Freunde“ der Universität Freiburg ([1947]). Universitätsarchiv Freiburg, E 1/3. 313Ebd.; Siehe auch: Wilhelm Süß an den Rektor der Universität Freiburg (05.11.1948). Universitätsar- chiv Freiburg, B 1/115. Vgl. Bente 1970 – Der Verband der Freunde, S. 52 f. 314So Bente 1970 – Der Verband der Freunde, S. 52;

105 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

Bankier Adolf Krebs als Schatzmeister, der Bürgermeister der Stadt Freiburg, Rektor und Prorektor der Universität sowie ein Vertreter des AStA zur neuen Führungsriege.315 Im Jahr 1951, nachdem Gentner sein Amt abgegeben hatte, übernahm Gerd Tellenbach schließlich den freien Platz im Vorstand. Die Aufgaben des Verbands der Freunde waren im Grunde unverändert geblieben, seit er im Herbst 1925 seine Tätigkeit aufgenommen hatte.316 Auf der einen Seite ging es darum, die Universität und insbesondere ihre Studierenden finanziell zu unterstützen. Der Freundeskreis, hieß es im ersten Heft der Verbandsmitteilungen nach dem Krieg, griff „nach seinem Vermögen dort ein, wo im Bereich der Universität Not ist, besonders unter den Studenten“.317 Der „Hauptzweck“ des Verbands lag allerdings darin, „in weiten Volkskreisen Verständnis und Sympathie für die Universität Freiburg zu erwecken“.318 Dies galt besonders in einer Zeit, hob Gerd Tellenbach während der Gründungsversamm- lung im August 1949 hervor, in der die „wissenschaftlichen Aufgaben und Funktionen der Hochschulen (...) ganz anders in das materielle Leben des Menschen einbezogen (sind) als in der Zeit des Musensohnes“.319 Die „Freunde“, fuhr Tellenbach fort, hatten es sich außerdem zur Aufgabe gemacht, „dem geistigen Leben der Stadt und des Landes (zu) dienen“320, oder, wie es Rektor Friedrich Oehlkers auf der ersten Jahresversammlung des Verbands ein Jahr später ausdrückte, „die Bildung des Volkes zu fördern“.321 Der Realisierung dieser Ziele diente in erster Linie ein umfangreiches Vortragspro- gramm, das zahlreiche Freiburger Hochschullehrer dazu nutzten, um aus dem wissen- schaftlichen „Leben“ der Albert-Ludwigs-Universität zu berichten. Zur gleichen Zeit wa- ren die Vorträge „in entscheidendem Maße“ dafür verantwortlich, dass neue Mitglieder gewonnen, Mitgliedsbeiträge gesteigert und Spenden eingeworben werden konnten.322 Die Bemühungen des Verbands um finanzielle Unterstützung von Studenten und Uni- versität profitierten offenbar von dem Engagement, das Freiburger Hochschullehrer als Vortragsredner an den Tag legten. Beide Aufgaben des Verbands, betonte auch der un- bekannte Autor der oben zitierten Festschrift aus dem Jahr 1973, hingen „in gewisser Weise“ miteinander zusammen: Wer sich nicht „entsprechend präsentiert“, meinte er, konnte auch „keine Spenden kassieren“.323 Ganz in diesem Sinne galt das Vortragspro- gramm an der Universität Freiburg nicht nur als selbstloser Dienst an der Allgemeinheit, sondern wurde ausdrücklich auch als Ressource verstanden, von der man sich in abseh-

315Die Freunde der Universität. . . . dem geistigen Leben der Stadt und des Landes zu dienen (1949). In: Badische Zeitung, 11.08.1949. Der Artikel berichtet über die Gründungsversammlung des Verbands der Freunde. Statt „Gentner“ schreibt der Verfasser hier fälschlicherweise „Gerstner“. 316Vgl. Bente 1970 – Der Verband der Freunde, S. 50. 317Warum Verband der Freunde der Universität Freiburg? (1950). In: Mitteilungen des Verbandes der Freunde der Universität Freiburg (Berichtsstand Sommer 1950), S. 2. 318Ebd. 319Die Freunde der Universität 11.8.1949. 320Ebd. 321Universität und Volk (1950). In: Badische Zeitung, 20.07.1950. 322Verband der Freunde, Arbeitsbericht für das Jahr 1950/51 ([Juni 1951]). Universitätsarchiv Freiburg, E 1/3; vgl. Protokoll über die Vorstandssitzung am Mittwoch, den 2. Juli 1952 ([1952]). Universi- tätsarchiv Freiburg, E 1/77. 323Verband der Freunde der Universität Freiburg 1973 – Die Nächsten einer Universität, S. 3.

106 2.3 Institutionelle Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit

barer Zeit eine „Dividende“ erwartete. Nicht immer, schrieb etwa der damalige Rektor Max Pfannenstiel in einem Rundschreiben am 24. Mai 1954 an seine Kollegen, sei zwar sofort im einzelnen erkennen, wie sich die die Vortragstätigkeit „für unsere Universität lohnt“. Der Verband der Freunde war ihm zufolge allerdings sehr wohl dazu imstande, der Albert-Ludwigs-Universität eine „gute Resonanz“ zu verschaffen, die ihr „irgendwann einmal als ein Plus zugutekommt“.324 Wie Pressestelle oder Hochschulbeirat waren Aktivitäten dieser Art schon in vielen Texten zur Hochschulreform nach dem Krieg empfohlen worden, um die Beziehungen zwischen Universität und Öffentlichkeit zu verbessern. Es sei zwar selbstverständlich, aber trotzdem überaus wichtig, hieß es etwa im „Blauen Gutachten“ unter der Rubrik „Erwachsenenbildung“, dass „Universitätsprofessoren von Zeit zu Zeit öffentliche Vorträ- ge halten“ und sich „bemühen, den Interessierten den Plan ihrer Forschungen zu erklä- ren“. Diese Konstellation ließ sich nach Ansicht der Hochschulreformer noch dadurch erweitern, dass die „Universität eine Organisation aufbaut, um zu ermöglichen, daß sol- che Vorträge auch in anderen Städten und nicht nur in Universitäts-Städten gehalten werden“. Schauplatz der Vorträge waren tatsächlich viele verschiedene, auch und gerade klei- nere Städte in Baden von Rastatt und Offenburg über Lörrach bis nach Konstanz, in denen sich „Ortsvereine“ des Verbands der Freunde gebildet hatten. Organisiert wurden die Veranstaltungen häufig in Zusammenarbeit mit Institutionen der Erwachsenen- und Volksbildung, mit örtlichen Volkshochschulen oder Volksbildungswerken, die „Universi- tätsvorträge“ in ihre Semesterprogramme aufnahmen, Werbung betrieben, oder Räum- lichkeiten zur Verfügung stellten.325 Nicht selten existierten auch personelle Verflech- tungen, wenn etwa die Ansprechpartner in den Ortsvereinen der „Freunde“ gleichzeitig auch Positionen in den lokalen Institutionen der Erwachsenen- und Volksbildung beklei- deten.326 Gerd Tellenbach war seit 1951 als stellvertretender Vorsitzender für das Vortragspro- gramm zuständig. Er fungierte als „Koordinator“ zwischen Verbandszentrale, den Orts- verbänden und insbesondere den Hochschullehrern der Albert-Ludwigs-Universität, die er immer wieder für eine Mitarbeit im Vortragsprogramm des Verbands zu begeistern versuchte.327 Tellenbachs Freiburger Kollegen sollten Themenvorschläge einreichen, die man dann in einer umfangreichen Liste zusammenfasste und an die „Außenposten“ in der Region übermittelte. Mitglieder der Ortsgruppen wählten für sie interessante Themen aus und meldeten Vortrags- und Terminwünsche an die Geschäftsstelle des Verbands. Die Verbandszentrale setzte sich daraufhin mit den Hochschullehrern in Verbindung,

324Der Rektor an den Lehrkörper der Universität Freiburg (24.05.1954). Universitätsarchiv Freiburg, E 1/38. Im Jahr zuvor hatte Rektor Schuchhardt den Verband als „echten Umschlaghafen geistiger und materieller Güter“ bezeichnet, „gewillt und berufen, nach beiden Seiten hin zu geben“, siehe das Editorial der Mitteilungen des Verbandes der Freunde der Universität Freiburg (Sommer 1953), S. 1. 325Tellenbach Sommer 1952 – Hochschule und Öffentlichkeit, S. 15. 326Vgl. die Listen der Ortsvereine und ihrer Leiter in den jährlich erscheinenden „Mitteilungen des Verbands der Freunde der Universität Freiburg“, bspw. im Heft vom Sommer 1954, S. 7. 327Verband der Freunde der Universität Freiburg 1973 – Die Nächsten einer Universität, S. 6.

107 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957 sprach die Termine ab und leitete die Vereinbarungen an die Ortsverbände weiter. Die Mitglieder vor Ort nahmen schließlich persönlich mit den Rednern Kontakt auf, um die Termine zu bestätigen und evtl. „technische Fragen“ zu klären.328 Allein zwischen 1949 und 1957 wurden unter Federführung des Verbands der Freunde mehrere hundert Vorträge aus allen Fakultäten und Fachgebieten in mindestens zwanzig Städten gehalten. Ein starker thematischer Schwerpunkt lag dabei gerade in den ersten Jahren auf der europäischen „Geistesgeschichte“ bzw. auf der in den 1950er Jahren ja wieder äußerst gegenwärtigen Idee des „Abendlands“.329 Gerd Tellenbach – um nur we- nige Beispiele zu nennen – referierte über „sittliche Prinzipien im Zusammenleben der Völker des Abendlandes“, der Jurist Franz Wieacker über „gemeinsame Elemente der eu- ropäischen Rechtsordnung“. Der Philologe Hermann Gundert sprach über „Philosophie und Staat im Anfang des abendländischen Denkens“, der Theologe Johannes Vincke über „Bonifatius und das Abendland“. Dazu kamen zahlreiche Beiträge zur griechischen und römischen Antike, die ja ebenfalls stets eng mit dem Abendland-Begriff in Verbin- dung standen, sowie Vorträge zum klassischen Kanon der abendländischen Literatur von Homer über Dante bis Goethe.330 Zumindest in den ersten Jahren konnte das Vortragsprogramm die Erwartungen er- füllen, die man bei den „Freunden“ damit verbunden hatte. Im Verband zeigte man sich jedenfalls überaus zufrieden, und auch die Reaktionen der Lokal- und Regionalpresse waren größtenteils positiv.331 In vielen Städten der Region, hieß es schon in einem Ar- beitsbericht aus dem Jahr 1951, seien Vorträge und „Universitätstage“ des Verbands aus dem „kulturellen Leben“ nicht mehr wegzudenken. Das Vortragsprogramm hatte dem- nach vielerorts „Verständnis“ für die Arbeit der Universität, ihrer Professoren und Stu- denten vermitteln können.332 Im Jahr darauf berichtete der Vorsitzende Herder-Dorneich in den Verbandsmitteilungen von einem immer größer werdenden Interesse an den Vor- trägen. Demnach war der Verband schon nach kurzer Zeit zum „Künder des Gedankens

328Für das „Prozedere“, das sich über den gesamten Untersuchungszeitraum nicht veränderte, siehe bspw. Verband der Freunde der Universität Freiburg. Vortragsliste Wintersemester 1961/62 (16.03.1962). Universitätsarchiv Freiburg, E 1/38. 329Vgl. Schildt 1999 – Zwischen Abendland und Amerika, besonders Kap. 1. 330Das Vortragsprogramm lässt sich über die Mitteilungshefte des Verbands verfolgen. 331Vgl. zu letzterem die zahlreichen Berichte der „Badischen Zeitung“: Ein Jahr „Freunde der Universität“ (1950). In: Badische Zeitung, 18.07.1950; Das Werk der Fünfzehn. Vier Jahre „Wiederaufbau“ im Ver- band der Freunde der Universität (1953). In: Badische Zeitung, 18.06.1953; Südbaden hilft seinen Studenten (1953). In: Badische Zeitung, 22.06.1953; Universität soll Heimatgeschichte treiben. Die „Provinz“ hat verschiedene Wünsche an ihre Universität (1955). In: Badische Zeitung, 16.06.1955; Die Universität hat neue Freunde (1956). In: Badische Zeitung, 28.05.1956; Die Bio-Elektrizität als Lebensprinzip. Ein Bericht zur Jahresversammlung der „Freunde der Universität“ (14.u.1958). In: Badische Zeitung, 14.u.15.06.1958; Zehn Jahre Verband der Freunde (1959). In: Badische Zeitung, 27.05.1959. Der Bestand des Verbands der Freunde im Universitätsarchiv Freiburg enthält außerdem Zeitungsartikel über Veranstaltungen der „Freunde“ aus kleineren Zeitungen, bspw.: Bilanz der Ra- dolfzeller Hochschulwoche. Außergewöhnlicher Erfolg – interessante Vorträge (1951). In: Südkurier, 05.06.1951; Allmählich heilen wieder die Wunden. Ein Besuch des Institutsviertels der Freiburger Universität (1953). In: Das Volk, 23.06.1953. 332Universitätsarchiv Freiburg [Juni 1951] – Verband der Freunde; vgl. Universitätsarchiv Freiburg [1952] – Protokoll über die Vorstandssitzung.

108 2.3 Institutionelle Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit

der universitas im Lande“ geworden und verhalf der Universität Freiburg zu der „heute mehr als je notwendigen Popularität in breiten Bevölkerungsschichten“. Die Universität, so Herder-Dorneich weiter, entwickelte sich auf diese Weise immer mehr zur „Träge- rin einer geistigen Sendung“, die „das ganze Volk in allen seinen Schichten“ angeht.333 Die Vorträge, vermerkte schließlich ein Bericht aus dem Jahr 1953 zufrieden, hatten dem „Universitätsgedanken auch außerhalb der Universitätsstadt selbst Eingang“ ver- schafft.334 Seit Mitte der 1950er Jahre ließ die Begeisterung der Nachkriegsjahre dann jedoch langsam nach. Im Verband brachte man dies häufig damit in Verbindung, dass der „gei- stige Hunger“, der sich nach der kulturellen Dürre im Dritten Reich und angesichts der materiellen Schwierigkeiten der Nachkriegszeit offenbart hatte, vorerst gestillt war.335 So stellte Gerd Tellenbach bereits im Juni 1955 während einer Vorstands- und Mitglieder- versammlung eine „gewisse Vortragsmüdigkeit“ fest. Der Verband, meinte der Historiker, sei heute „vor ganz andere Situationen“ gestellt als in seiner Anfangszeit nach dem Krieg. Seiner Ansicht nach musste man sich deshalb überlegen, ob nicht eine „neue Form der Tätigkeit“ in den Ortsverbänden gefunden werden konnte. Zwar waren die Hörerzahlen „allgemein zurückgegangen“, entgegneten Mitglieder aus den Ortsverbänden. Dennoch gab es noch immer eine „ganze Reihe von wirklich interessierten Menschen“, denen sehr daran lag, von „den Fortschritten der wissenschaftlichen Arbeit an der Universität“ zu erfahren. Gerade wegen dieser Interessenten galt es, die Vortragstätigkeit „im bisherigen Rahmen und Umfang“ aufrecht erhalten.336 Tatsächlich führte der Verband der Freunde sein Vortragsprogramm trotz der besagten Schwierigkeiten über den gesamten Untersuchungszeitraum dieser Arbeit und darüber hinaus fort. Heute sehen die Freunde der Universität ihre Aufgabe vorrangig auf dem Gebiet der Studien- und Forschungsförderung. Die Ausflüge von Freiburger Professoren „auf’s Land“ sind in der Zwischenzeit eingestellt worden.337

333Mitteilungen des Verbands der Freunde, Berichtsstand Sommer 1952, S. 2. 334Markwardt (1953): Arbeitsbericht für das Jahr 1952/53. In: Mitteilungen des Verbandes der Freun- de der Universität Freiburg, S. 10-11. 335Tatsächlich wird auch in der Forschungsliteratur nicht selten von einem „Kulturhunger“ der Nach- kriegszeit gesprochen, davon, dass Kultur im weitesten Sinne – und dazu gehörten auch wissen- schaftliche Vorträge – als „unverzichtbares moralisches Lebens- und Überlebensmittel“ angesehen wurde.Siehe dazu etwa Schildt, Siegfried 2009 – Deutsche Kulturgeschichte, S. 28 f. 336Protokoll über die erweiterte Vorstandssitzung des Verbands der Freunde am 14. Juni 1955 ([1955]). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1419. Vgl. auch Protokoll über die Vorstandssitzung des Verbandes der Freunde der Universität Freiburg am 20. Februar 1956 ([1956]). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1419. Ähnlich urteilen noch 10 Jahre später erneut Tellenbach: Protokoll über die Sitzung des erweiterten Vorstands und Beirats des Verbandes der Freunde der Universität Freiburg am Dienstag, 1. Juni 1965 ([1965]). Universitätsarchiv Freiburg, E 1/116 sowie Hans-Joachim Bente (1966): Bericht über das Geschäftsjahr 1965. In: Mitteilungen des Verbandes der Freunde der Universität Freiburg, S. 12-15, hier S. 14, der davon spricht, dass die Universität nicht mehr demselben „Bildungshunger“ begegne, der in den „ersten Nachkriegsjahren“ geherrscht habe. 337Siehe den Internetauftritt des Verbands: http://www.freunde.uni-freiburg.de, zuletzt geprüft am 1.2.2015. Vgl. zudem: Verband der Freunde der Universität Freiburg 1973 – Die Nächsten einer Universität sowie Ders. (Hg.) ([2002]): 75 Jahre Verband der Freunde der Universität Freiburg i. Br. Freiburg.

109 2 Rückbesinnung und Wiederaufbau: Universität und Öffentlichkeit 1945-1957

Zur gleichen Zeit, als der Verband der Freunde gegen Mitte der 1950er Jahre in eine Art „Sinnkrise“ geriet, traten nicht nur in Freiburg, sondern im gesamten Hochschulwe- sen der Bundesrepublik andere Fragen auf den Plan, von denen die öffentliche Diskussion über Universitäten im kommenden Jahrzehnt maßgeblich bestimmt wurde. Wie sollte man dem sich beschleunigenden Wachstum der Studierendenzahlen begegnen? Wie auf die lautstarken Rufe nach einer demokratischen Erneuerung der Universität reagieren? Wie die akademische Ausbildung an veränderte gesellschaftliche Realitäten und Erwar- tungen anpassen? Diese Fragen stehen im Zentrum des nächsten Kapitels.

110 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Am 31. Dezember 1960 blickte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ mit einer Reihe von Artikeln auf die Kulturgeschichte der 1950er Jahre in Westdeutschland zurück. Neben Musik, Kunst, Architektur, Literatur und Film behandelte die historische Collage der FAZ auch die Entwicklung des Bildungswesens im ausgehenden Jahrzehnt. Bildungspolitik, behauptete Brigitte Beer, die Verfasserin des Artikels, war nach dem Krieg lange Zeit disparat und unsystematisch geblieben. Nur langsam habe sich auf die- sem Feld der politische Wille abgezeichnet, „zu ordnen, zu planen, in die Zukunft zu wirken“. Nun schien allerdings Bewegung in die Sache gekommen zu sein. Das öffentliche Interesse an „Fragen der Schule, der Hochschule, des gesamten Bildungswesens“ hatte sich seit einiger Zeit „in erfreulicher Weise belebt“, wie Beer in ihrem Beitrag festhielt. Erst wenige Wochen zuvor hatte der im Jahr 1957 gegründete Wissenschaftsrat einen umfassenden und detaillierten Plan zum Ausbau des deutschen Hochschulwesens publi- ziert. Gerade diese „Empfehlungen“ verstand Beer als Symbol, als „sichtbares Zeichen“ für einen bildungs- und v.a. hochschulpolitischen Aufbruch in der Bundesrepublik.1 Tatsächlich setzte im letzten Drittel der 1950er Jahre eine erste große Expansions- und Reformphase im bundesdeutschen Hochschulwesen ein, die bis Mitte der 1970er Jahre andauerte.2 Und wie Brigitte Beer in ihrem Beitrag aus der FAZ ja bereits angedeutet hatte, veränderte sich vor diesem Hintergrund auch das Verhältnis von Hochschule und Öffentlichkeit in der Bundesrepublik. Diesem Wandel werden die folgenden Kapitel am Beispiel der Albert-Ludwigs-Universität nachgehen.

Die Veränderungen äußerten sich zum einen darin, dass die öffentliche Auseinanderset- zung über das Hochschulwesen in der Bundesrepublik nun sehr stark auf die Themenfel- der Expansion und Reform fokussierte. Wahrnehmung und Selbstdarstellung von Uni- versitäten wurden von Klagen über wachsende Studierendenzahlen, überfüllte Hörsäle und Akademikermangel ebenso geprägt wie von ständigen Forderungen nach personellem wie infrastrukturellem Ausbau. Neben dem „quantitativen“ spielte auch das „qualitative“ Element eine wichtige Rolle. Der Reformdiskurs der 1960er Jahre behandelte zahlreiche Probleme und Streitfragen, zwei Aspekte standen jedoch besonders im Rampenlicht

1Brigitte Beer (1960): Das Jahrzehnt hinter uns. Das Fundament der Bildung. In: Frankfurter Allge- meine Zeitung, 31.12.1960. 2Vgl. Oehler 1998 – Die Hochschulentwicklung nach 1945; Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniver- sität zur Revolutionszentrale, S. 3-7 spricht von einer Epoche des „Bildungsbooms“.

111 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 der Öffentlichkeit: Studienreform und Demokratisierung der Hochschulen. Die folgenden Abschnitte werden die Debatten um Expansion und Erneuerung aufarbeiten und dabei insbesondere die Frage stellen, inwiefern sich Freiburger Professoren, Dozenten und Stu- dierende in die Auseinandersetzung einschalteten, wie die Albert-Ludwigs-Universität in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, aber auch was man hier in Freiburg unter- nahm, um Anliegen und Probleme nach außen zu tragen und zu welchem Zweck man das tat. Die Veränderungen im Verhältnis von Universität und Öffentlichkeit betrafen zweitens nicht nur die thematischen Schwerpunkte des Hochschuldiskurses, sondern auch seine mediale Vermittlung. Im Vergleich zu den ersten zehn Jahren nach dem Krieg wurde die Diskussion über Gegenwart und Zukunft des deutschen Hochschulwesens jetzt auch in den großen Tages- und Wochenblättern der Republik wie „Zeit“, „Spiegel“ oder „Frank- furter Allgemeine Zeitung“ überaus intensiv geführt. Die überregionale Presse avancierte zu einem zentralen Ort der öffentlichen Auseinandersetzung über Universitätsfragen und auf diesem Weg durchaus zu einem Motor für Expansion und Reform. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund verstärkten Universitäten am Beginn der 1960er Jahre schließlich ihre Bemühungen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Ich werde diese Entwicklung aufzeigen und die dahinter stehenden Motive offenlegen. Dabei werde ich besonders auf die Situation an der Albert-Ludwigs-Universität eingehen, die ein typisches Beispiel für den Wandel akademischer Öffentlichkeitsarbeit nach 1960 darstellte.

3.1 Universitäten und Massenmedien in den 1960er Jahren: Eine Skizze

Am 9. Oktober 1958 kündigte die Redaktion der „Zeit“ ihren Leserinnen und Lesern den Start einer neuen Artikelserie an. Es sollte darin um die Lage an den deutschen Universitäten gehen, genauer: um die Situation der westdeutschen Germanistik. Nach Meinung von Rudolf Walter Leonhardt, Feuilletonchef beim Hamburger Wochenblatt, war es „an der Zeit“, den Blick der Öffentlichkeit verstärkt auf das Hochschulwesen in der Bundesrepublik zu lenken. Schließlich, so Leonhardt, handelte es sich bei der Universität um eine „Institution unseres öffentlichen Lebens“, nicht um eine „Tabu-Zone“, vor der ein „berechtigtes Informationsbedürfnis“ haltmachen müsste.3 Mit dem Wissensdrang, der in dem Artikel vom Oktober 1958 offenbar wurde, und ihrem Ruf nach mehr Transparenz stand die Redaktion der „Zeit“ in diesen Jahren nicht alleine da. Vielmehr waren Universitäten und das Bildungswesen generell seit dem letzten Drittel der 1950er Jahre zu einem nahezu allgegenwärtigen Thema im öffentlichen Dis- kurs der Bundesrepublik avanciert.4 Das war nicht zuletzt mit einer verstärkten Präsenz in Landesparlamenten und v.a. auch im verbunden, der sich nun mehr und mehr auch für „kulturpolitische“ Fragestellungen wie etwa Bildung und Wissenschaft zu-

3Rudolf Walter Leonhardt (1958): Was treibt die deutsche Germanistik? Eine Zeit-Frage wird an- geschnitten. In: Die Zeit, 09.10.1958. 4Vgl. dazu etwa Kenkmann 2000 – Von der bundesdeutschen Bildungsmisere zur Bildungsreform.

112 3.1 Universitäten und Massenmedien in den 1960er Jahren: Eine Skizze ständig fühlte.5 Darüber hinaus entwickelte sich das westdeutsche Hochschulwesen zum Gegenstand einer intensiven Diskussion in der überregionalen Presse, die besonders auf diesem Weg in weite Teile der bundesrepublikanischen Gesellschaft ausstrahlen konnte. Die gesteigerte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und speziell der Massenmedien – neben den Printmedien ist hier durchaus auch das Fernsehen zu nennen, das nach 1960 generell eine größere Bedeutung erlangte6 – sind in erster Linie auf Zeitdiagnosen zu- rückzuführen, die Wissenschaft und Bildung in der Gegenwart eine immer größere Be- deutung für sämtliche Lebensbereiche einräumten.7 Das Schicksal des Hochschulwesens und die Schwierigkeiten, an denen Forschung und Lehre vielerorts laborierten – chroni- scher Massenbetrieb, überfüllte Hörsäle, zu lange Studienzeiten, zu wenig Demokratie – entwickelten sich vor diesem Hintergrund zu entscheidenden Zukunftsfragen des Landes, und damit auch zu beliebten Themen der Medien. Im Vergleich zur Berichterstattung in der Nachkriegszeit nahm die Zahl der einschlä- gigen Beiträge nun erheblich zu. Man setzte vermehrt auf Artikelserien und ausführliche Reportagen, um die Thematik – zum Teil über längere Zeiträume hinweg – eingehend durchleuchten und den Problemen der Universitäten auf den Grund gehen zu können. So publizierte die „Zeit“ seit 1957 zwei parallel laufende, auf mehrere Jahre angeleg- te Artikelserien, die einzelne Hochschulen in der Bundesrepublik „porträtierten“ und die Studienbedingungen in unterschiedlichsten Fächern wie Germanistik, Medizin oder Chemie unter die Lupe nahmen. Auf diese Art und Weise sollte im Lauf der Jahre eine umfassende „Dokumentation“, eine Art „Panorama“ über die Lage der Universitäten in Deutschland entstehen.8

5Siehe etwa: Große Anfrage der Abgeordneten Moersch, Frau Funcke (), Dr. Heilige und der Fraktion der FDP betr. Wissenschaftsplan zum Wissenschaftsbericht (1965). In: Verhandlungen des Deutschen Bundestages/Stenographischer Bericht, 21.05.1965 (4. Wahlperiode, 186. Sitzung), S. 9342-9372. Die FDP-Politikerin führte in der Begründung der Großen Anfrage aus, dass „Bildung und Forschung“ nicht weniger als „Angelpunkte der Politik“ darstellten, dem sich die Bundespolitik nicht länger entziehen durfte. Größere Debatten über hochschulpolitische Fragen fanden u.a. am 12. Juni 1959 (3. WP, 75. Sitzung, S. 4065-4092), am 12. Februar 1960 (3. WP, 101. Sitzung, S. 5449-482) oder am 15. März 1962 (4. WP, 20. Sitzung, S. 711-755) statt. Im baden- württembergischen Landtag zog sich die Diskussion über ein neues Hochschulgesetz praktisch über die gesamten 1960er Jahre hin. 6Schildt, Siegfried 2009 – Deutsche Kulturgeschichte, S. 197-202 sprechen vom beginnenden „Fernseh- zeitalter“ in der Bundesrepublik. 7Vgl. Margit Szöllösi-Janze (2004): Wissensgesellschaft. Ein neues Konzept zur Erschließung der deutsch-deutschen Zeitgeschichte? In: Hans-Günter Hockerts (Hg.): Koordinaten deutscher Geschich- te in der Epoche des Ost-West-Konflikts. München, S. 277-305, insbesondere S. 284-299; Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 18-23. 8So die Einführung zu: Wie man in Deutschland Landwirtschaft studiert? (1960). In: Die Zeit, 04.03.1960; und die Vorschau für das Jahr 1960: Rudolf Walter Leonhardt (1960): Was erwartet Sie? In: Die Zeit, 08.01.1960. Die „Universitätsporträts“ begannen mit einem Beitrag zur Universität Freiburg: Ders. 4.7.1957 – Freiburgs Albertina Ludoviciana. Die Serie über das Studium in der Bundesrepublik setzte im Jahr 1958 mit einer Folge zur Germanistik ein: Was treibt die deutsche Germanistik 9.10.1958. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und der „Spiegel“ begannen um 1960 ebenfalls mit größeren Artikelserien. Einen Höhepunkt bildete in diesem Zusammenhang die Reihe „Mit dem Latein am Ende“ zu „Krise und Zukunft der deutschen Hochschulen“, die der „Spiegel“ im Jahr 1969 angesichts der Studentenproteste und der fortwährenden Probleme im deutschen Hoch-

113 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Die wachsende Bedeutung der Hochschulthematik wurde durch die Platzierung der Beiträge im Blatt unterstrichen. Nach dem Krieg zunächst v.a. im Kulturteil oder im Feuilleton beheimatet, fanden sich Artikel zu den Universitäten nach 1955 immer häufi- ger im Politikressort, in den Kommentarspalten und auf den Titelseiten der Zeitungen.9 Journalisten traten jetzt zunehmend als hochschulpolitische Experten in Erscheinung oder entwickelten wenigstens Themenschwerpunkte in diesem Bereich. Neben Rudolf Walter Leonhardt von der „Zeit“, der für die besagten Artikelserien verantwortlich zeich- nete, gehörten dazu u.a. Nina Grunenberg10, seit 1961 ebenfalls beim bekannten Ham- burger Wochenblatt, oder die eingangs zitierte Brigitte Beer von der FAZ, die als eine der Ersten „systematisch und kontinuierlich über Themen der Schulen und der Hochschulen berichtete“ und bald als „Nestor der Bildungsjournalisten“ in der Bundesrepublik galt.11 Journalisten übernahmen in zahlreichen Fällen die Rolle von hochschulpolitischen „Lobbyisten“. Aber auch Hochschullehrer, Studierende oder Politiker, die sich auf die- sem Gebiet betätigten, konnten Zeitungen als öffentlichkeitswirksame Foren nutzen, um Anliegen vorzubringen, Ideen zu popularisieren, und Unterstützung für die eigenen Vor- stellungen zu generieren.12 Mediale Aufmerksamkeit setzte man häufig ganz bewusst dazu ein, um Handlungsdruck auf die Verantwortlichen an den Universitäten und in der Politik zu erzeugen. Öffentlichkeit wurde als hochschulpolitische „Ressource“ genutzt. Die Berichterstattung sollte ein großes Publikum für die schwierige Lage der deutschen Universitäten sensibilisieren und ihr die Notwendigkeit entschlossenen Gegensteuerns vor Augen führen.13

schulwesen in 16 Folgen publizierte. Siehe die Titelgeschichte zum Start: Mit dem Latein am Ende (1969). In: Der Spiegel, 23.06.1969. 9So erschien der „Spiegel“ vom 22. August 1962 bspw. mit einem Titel über das Medizinstudium und am 1. Dezember 1965 über die neuen Universitäten in Westdeutschland. In der „Frankfurter All- gemeinen Zeitung“ fungierten Beiträge zu Hochschulfragen v.a. seit Ende der 1950er Jahre häufig als Leitartikel der jeweiligen Ausgabe, etwa bei: Brigitte Beer (1958): Noch Gelehrtenrepublik? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.01.1958; Dies. (1959): Die Nöte der Hochschulen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.11.1959; Jürgen Tern (1959): Für den Ausbau der Universitäten. In: Frank- furter Allgemeine Zeitung, 20.11.1959; Bruno Dechamps (1960): Die Universität zehrt ihre Substanz auf. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.01.1960; Brigitte Beer (1960): Die Wissenschaft darf nicht darben. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.04.1960 oder Michael Freund (1960): Eine gewonnene Schlacht für die Wissenschaft. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.11.1960. 10Vgl. Eintrag „Nina Grunenberg“ (Munzinger Online). Online verfügbar unter http://www.munzinger.de/document/00000026112, zuletzt geprüft am 1.2.2015. 11Brigitte Beer ausgezeichnet (1989). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.05.1989. Vgl.: Brigitte Beer 80 (1984). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.08.1984. 12Bekannte Intellektuelle wie oder der Verkünder der „deutschen Bildungskatastrophe“ Georg Picht mischten sich immer wieder in die Debatte ein. Zu den auffälligen Protagonisten zählten aber auch heute jenseits von Fachkreisen eher weniger bekannte Wissenschaftler wie der Münchner Anglist Wolfgang Clemen. Zu Clemens Biographie vgl.: Eintrag „Wolfgang Clemen“ (Munzinger Online). Online verfügbar unter http://www.munzinger.de/document/00000016511, zuletzt geprüft am 1.2.2015. 13Rudolf Walter Leonhardt von der „Zeit“ sprach beispielsweise von dem „Druck der informierten öf- fentlichen Meinung“, den seine Zeitung zum Nutzen der Universitäten auszuüben versuchte: Rudolf Walter Leonhardt (1963): Was gehen uns die Universitäten an? In: Die Zeit, 22.02.1963. Ähnlich Ders. (1961): Was gehen uns die Universitäten an? In: Die Zeit, 10.02.1961.

114 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit

Inhaltlich war die Debatte überwiegend von Berichten über die schwerwiegenden Pro- bleme des Hochschulwesens, von Krisendiagnosen und Katastrophenmeldungen geprägt: Der Anstieg der Studierendenfrequenz hatte vielerorts für Massenbetrieb und überfüllte Hörsäle gesorgt. Gleichzeitig – und obwohl die Universitäten der Bundesrepublik be- reits an schwerwiegenden Überlastungserscheinungen krankten – wurde von allen Seiten der Ruf nach Fortsetzung und Beschleunigung der Bildungsexpansion laut, um „brachlie- gende Bildungsreserven“ besser auszuschöpfen.14 Der Hochschuldiskurs war nicht zuletzt durch eine ständige Suche nach möglichen Wegen aus der Krise gekennzeichnet. Viele Beiträge setzten sich für einen personellen und infrastrukturellen Ausbau der Universi- täten, aber auch für eine tiefgreifende Erneuerung des akademischen Studiums oder eine Demokratisierung der Hochschulen ein. Zwar ist der Einfluss der massenmedialen Debatte auf die Universitätsentwicklung in den 1960er Jahren schwer zu beziffern. Aber gerade der in den großen Presseorganen geführte Diskurs war mit Sicherheit ein Faktor, der Reform und Ausbau der Hochschulen nicht nur begleitet oder illustriert, sondern auch aktiv vorangetrieben hat.

3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit

In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts vollzog sich in Deutschland ein beispielloser Prozess der Bildungsexpansion. Neben den weiterführenden Schulen waren davon auch die lange Zeit einer kleinen geistigen Elite vorbehaltenen Hochschulen und Universitäten betroffen, deren bereits im späten 19. Jahrhundert langsam einsetzende Transformation zu Masseneinrichtungen15 sich nach dem Zweiten Weltkrieg fortsetzte und massiv beschleunigte. So wurde die „Massenuniversität“ bald zur allgegenwärtigen Realität für Lehrende und Lernende.16 Die Studierendenfrequenz wuchs in den zehn Jahren nach Gründung der Bundesrepublik um nahezu das Doppelte, wobei seit Mitte der 1950er Jahre eine deutliche Beschleunigung des Wachstums zu erkennen war. Im Jahr 1960 wurde die Marke von 200.000 Studierenden erreicht. Bis Mitte der 1960er Jahre

14Vgl. Rudloff 2007 – Die Gründerjahre des bundesdeutschen Hochschulwesens, S. 79 f. 15Vgl. dazu Konrad Jarausch (1991): Universität und Hochschule. In: Christa Berg (Hg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Band IV: 1870-1918. Von der Reichsgründung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, S. 313-345 (Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte); Hartmut Titze (1995): Wachstum und Differenzierung der deutschen Universitäten 1830-1945. Göttingen (Datenhandbuch der deutschen Bildungsgeschichte, 1/2); sowie am Beispiel Tübingen: Sylvia Paletschek (2001): Die permanente Erfindung einer Tradition. Die Universität Tübingen im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Stuttgart (Contubernium), S. 66-74. 16Vgl. Christoph Führ (1998): Zur deutschen Bildungsgeschichte seit 1945. Einleitung. In: Ders., Furck (Hg.) 1998 – Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, S. 1-24, hier S. 2; Wolfrum 2007 – Die geglückte Demokratie, S. 241-246. Es handelte sich nicht nur um eine (west-)deutsche, sondern letztlich um eine globale Entwicklung, die in vielen europäischen Staaten bzw. in Industriestaaten weltweit zu beobachten war. Vgl. für das Hochschulwesen in Europa nach 1945 Guy Neave (2010): Grundlagen. In: Rüegg (Hg.) 2010 – Geschichte der Universität in Europa, S. 47-75, insbesondere S. 54-58.

115 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 wuchs diese Zahl noch einmal um ein Viertel an und lag jetzt bei ungefähr 250.000.17 Diese Entwicklung war zum einen auf demographische Faktoren zurückzuführen: Die geburtenstarken Jahrgänge der 1930er Jahre drängten nun an die Hochschulen und Uni- versitäten. Zweitens war die Nachfrage nach weiterführender Bildung bis zu Abitur und Hochschulstudium u.a. bedingt durch wirtschaftliche Konsolidierung und Formierung eines „neuen Mittelstands“, durch die häufig diagnostizierte „Verwissenschaftlichung der Gesellschaft“, aber auch durch gezielte Bildungswerbung in vielen Schichten der Bevöl- kerung gestiegen. Drittens manifestierten sich in der Zunahme der Studierendenfrequenz ein verstärkter Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften und eine „Akademisierung“ der Berufswelt. Nicht zuletzt trieb die Umsetzung des sogenannten „Honnefer Modells“ zur Studienförderung im Jahr 1957 den Zulauf zu den Hochschulen weiter an.18

3.2.1 Das „akademische Gedränge“: Massenbetrieb und Überfüllung im deutschen Hochschulwesen Der Prozess der Bildungsexpansion führte schon in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre zu einer „Überlastungskrise des gesamten Hochschulsystems“.19 Der Ausbau von Perso- nalstellen und Infrastruktur konnte mit der Entwicklung der Studierendenfrequenz nicht Schritt halten. So war es im Lauf der 1950er Jahre wenigstens in „Massenfächern“ wie Germanistik oder Medizin zu einem erheblichen Missverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden gekommen, das um 1960 seinen Höhepunkt erreichte und erst mit dem Beginn einer planvollen Expansion der Hochschulen in den 1960er Jahren zumindest ansatzweise korrigiert werden konnte.20 Die Folgen der „Überfüllungskrise“ betrafen Forschung und Lehre gleichermaßen. In Seminaren mit 50 oder mehr Besuchern war der Anspruch, Forschung und Lehre sinnvoll zu verbinden, kaum mehr zu realisieren. Der persönliche Kontakt zwischen Professoren und Studenten ging mehr und mehr verloren. Für nicht wenige Studierende – insbeson- dere in den Anfangssemestern – war die berühmte akademische Freiheit oft mit einem Gefühl der Orientierungslosigkeit verbunden. Aufseiten der akademischen Lehrer führ- te der Massenbetrieb u.a. dazu, dass wegen der gestiegenen Lehrverpflichtungen immer weniger Zeit für Forschungsarbeiten blieb.

Die Entwicklung zur Massenuniversität wurde seit ungefähr 1955 immer häufiger in der Presse thematisiert, auf diesem Weg in eine große Öffentlichkeit vermittelt und dabei nicht selten dramatisierend zugespitzt, um eine möglichst große Mobilisierungswirkung zu erzielen.

17Vgl. die Angaben zu „Unterricht und Bildung“ in: Statistisches Bundesamt (Hg.) (1952 ff.): Sta- tistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart. Siehe darüber hinaus die in den entsprechenden Bänden des „Datenhandbuchs“ bzw. des „Handbuchs der deutschen Bildungsge- schichte“ angegebenen Zahlen. 18Vgl. Oehler 1998 – Die Hochschulentwicklung nach 1945, S. 414 f. und Rudloff 2005 – Ansatzpunkte und Hindernisse der Hochschulreform, hier S. 72. 19Vgl. Führ 1998 – Zur deutschen Bildungsgeschichte seit 1945, S. 2. 20Vgl. Lundgreen u.a. 2009 – Das Personal an den Hochschulen, S. 38.

116 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit

So berichtete etwa der Publizist Christian Lewalter am 4. Februar 1954 unter dem Titel „Das akademische Gedränge“ in der „Zeit“ von einer bedrohlichen Situation an den Hochschulen in der Bundesrepublik. Das schnelle Wachstum der Studentenzahlen, be- tonte Lewalter, hatte vielerorts einen Massenbetrieb ausgelöst, der nur noch wenig an das traditionelle akademische Studium und die deutsche Universität der alten Zeit erin- nerte. Bei den ständig überbelegten Bibliotheken und Seminaren sei die für Deutschland so typische akademische Freiheit nicht viel mehr als eine „Freiheit der Karpfen im Bassin des Fischhändlers“. Professoren, fuhr Lewalter fort, fanden kaum noch Zeit für ihre For- schung, weil viel mehr Studierende zu unterrichten waren als früher. Nach Meinung des Publizisten war der ehrwürdige Ordinarius von einst zu einem „Verwaltungsbeamten“ und „Oberstufenlehrer“ mutiert. Mit der „personalen Einheit“ von Forscher und Leh- rer, hieß es weiter, ging mehr und mehr auch der „Stolz der deutschen Universitäten“ verloren. Lewalter zufolge hatte der Niedergang der deutschen Universitätstradition mit der Bildungsexpansion nach dem Krieg begonnen. Während die Studentenzahlen scheinbar unaufhörlich anwuchsen, ging es – wie er meinte – an anderer Stelle stetig bergab: Mit der „Intensität und Zuverlässigkeit der Arbeit, mit der Tradition der akademischen Bildung, mit der Funktion der Hochschule als nährender Mutter“. Überall, behauptete Lewalter, herrschte eine „Dauerkalamität“, von der die Öffentlichkeit allerdings nur „ungern“ Notiz nahm, weil sonst „das Bild des Wiederaufstiegs getrübt“ wurde.21 Davon, dass die Öffentlichkeit den Problemen der Hochschulen nicht genügend Auf- merksamkeit schenkte, konnte in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre beim besten Willen nicht mehr die Rede sein. Immer häufiger war nun ganz unverhohlen von Notständen und Katastrophen die Rede. Der Münchner Anglist Wolfgang Clemen sprach in der „Zeit“ vom 20. März 1958 beispielsweise von einer „Massenlawine“, die über die Hochschulen hereingebrochen war. Zumindest in einigen Massenfächern wie der Germanistik schien ihm das Studium so dermaßen „überflutet“, dass von „normalen Arbeitsbedingungen“ kei- ne Rede mehr sein konnte. Nach dem Krieg, klagte der Anglist, hatte man „Schleusen“ geöffnet, „durch die sich nun Fluten in ein nicht aufnahmefähiges und nicht vorbereitetes Strombett“ ergossen.22 Die Stuttgarter Zeitung veröffentlichte am Ende des Jahres 1959 gleich eine ganze Ar- tikelfolge, die in ganz ähnlichem Ton vor einer „Sturzflut der Studierenden“ warnte.23 Der Zustand der deutschen Hochschulen, erklärte der Tübinger Jurist Ludwig Raiser zum Auftakt der Serie, sei für Studenten und Professoren „unerfreulich“, für die Öffentlichkeit „beunruhigend“. Der „akute Notstand“ bestand demnach nicht mehr in den materiellen Auswirkungen des Kriegs – die im großen und ganzen behoben seien – sondern darin, dass der „Zustrom der Studenten zur Hochschule in den letzten vier bis fünf Jahren wie ein Sturzbach jäh angeschwollen“ war. In diesem Zustand, behauptete Raiser, konnten

21Christian E. Lewalter (1954): Das akademische Gedränge. Woran es bei den Universitäten fehlt. In: Die Zeit, 04.02.1954. 22Wolfgang Clemen (1958): Die Massenlawine über den Universitäten. In: Die Zeit, 20.03.1958 23Abgedruckt in: Unter der Sturzflut der Studierenden. Eine Artikelfolge zum Thema der Hochschul- reform und zur Situation der Studentenschaft. Sonderdruck aus der Stuttgarter Zeitung ([1959]). Stuttgart.

117 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 die Hochschulen den Ansprüchen von „Staat und Gesellschaft“ ebenso wenig genügen wie den Anforderungen, die sie selbst an die eigene Leistungsfähigkeit in Forschung und Lehre richteten.24

Die Universität Freiburg bot ein typisches Beispiel für den Massenbetrieb, der an deut- schen Hochschulen in der Zwischenzeit – wenigstens in einigen Fächern – den Alltag bestimmte. Während im Sommersemester 1953 noch knapp 5000 Studenten eingeschrie- ben waren, vermeldete die Albert-Ludwigs-Universität im Sommersemester 1960 bereits 9000 und fünf Jahre später mehr als 11.000 Studierende.25 Die Betreuungsrelation ver- schlechterte sich im Lauf der 1950er Jahre deutlich und konnte durch die Expansion nach 1960 zunächst auch nur geringfügig verbessert werden.26 Die Universität war durchaus bestrebt, ihre Probleme mit dem Massenbetrieb einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Neben Erörterungen im Universitätsbeirat, Pressekonferenzen – wo neue Lehrstuhlinhaber beispielsweise auf die „Raumnot“ in ihren Fächern verwiesen27 – oder Filmaufnahmen vollbesetzter Hörsäle durch den Südwest- funk28 nutzte man zu diesem Zweck in erster Linie das Forum der öffentlichen Rekto- ratsübergabe. Hier war die Überfüllungskrise der Hochschule seit 1956 stets präsent. Der Theologe Bernhard Panzram funktionierte den traditionellen Jahresbericht 1965 sogar zu einem „Bericht über die Notlage der Universität“ um. Darin rief Panzram einen all- gemeinen „Hochschulnotstand“ aus, der sich in seinen Augen auch für Freiburg „leicht zur Katastrophe ausweiten“ konnte, solange das „Massenproblem“ nicht „gemeistert“ wurde.29 Die großen deutschen Zeitungen wie FAZ oder „Zeit“ beschäftigten sich überwiegend mit der Krise des Hochschulwesens insgesamt. Nur selten gelangte die Albert-Ludwigs- Universität ins Blickfeld einer überregionalen Öffentlichkeit. Eine Ausnahme bildete eine Artikelserie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, wo neben Heidelberg oder Mün- chen im Dezember 1959 auch Freiburg mit zwei umfangreichen Artikeln bedacht wur-

24Ludwig Raiser ([1959]): Die Hochschulen drohen vor ihrer Bildungsaufgabe zu versagen. In: Unter der Sturzflut der Studierenden [1959], S. 3-8, hier S. 3. Beiträge wie diese zogen sich auch durch die 1960er Jahre, vgl. u.a.: Die Bundesrepublik – ein unterentwickeltes Land. Studenten ohne Universität (1961). In: Der Spiegel, 13.09.1961, oder Günther von Lojewski (1965): Das Studium – ein paar graue Jahre? Eine kühl rechnende Generation. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.12.1965, der Mitte der 1960er Jahre feststellte, dass die Universitäten „aus allen Nähten platzen“. 25Vgl. die Angaben zu „Unterricht und Bildung“ in: Statistisches Bundesamt (Hg.) 1952 ff. – Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik und in Lundgreen, Scheunemann 2008 – Berufliche Schulen und Hochschulen. Für Freiburg auch die Zahlen in den Annalen der Universität Freiburg. 26Bernhard Panzram (1965): Bericht über die Notlage der Universität. Aufgezeigt an der Entwicklung der Albert-Ludwigs-Universität in den Jahren 1960 bis 1965. Freiburg (Annalen der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg im Breisgau, 9), S. 9. 27Bspw.: Achtzehn neue Lehrstuhlinhaber. Der Rektor stellte die neuen Mitglieder des Lehrkörpers vor (1962). In: Badische Zeitung, 05.12.1962. 28Heinz Laubenthal (18.05.1958): An seine Magnifizenz Herrn Prof. Dr. Tellenbach. Filmaufnahmen an der Universität Freiburg. Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1748; Gerd Tellenbach (20.05.1958): Tellenbach an Heinz Laubenthal (Mitarbeiter des Südwestfunks). Filmaufnahmen an der Universität Freiburg. Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1748. 29Panzram 1965 – Bericht über die Notlage, S. 9.

118 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit de. Wie der Politikredakteur Günther Gillessen berichtete, hatten die Probleme dort wie an vielen anderen Hochschulen dramatische Ausmaße angenommen. Der Druck der wachsenden Studentenzahlen, schrieb Gillessen, sei auch hier „ungeheuer“. Die in den 1950er Jahren erfolgte „physische Ausdehnung“ der Freiburger Hochschule stehe in einem „frappierenden Kontrast zu den inneren, personellen Nachwuchsnöten“. Die Universität, warnte der Journalist, der einst selbst an der Albert-Ludwigs-Universität studiert hatte, drohte geradezu „an sich selbst zu ersticken“.30 Insgesamt blieb die Situation an der Freiburger Universität jedoch eher ein Thema der Lokal- und Regionalpresse. So dokumentierte die „Badische Zeitung“ seit dem letzten Drittel der 1950er Jahre das schier unaufhörliche Wachstum der Hochschule, indem sie u.a. immer wieder neue Studentenrekorde vermeldete.31 Lokaljournalisten führten ihren Leserinnen und Lesern darüber hinaus das problematische Missverhältnis zwischen Stu- dierenden und Lehrenden sowie die beengten Raumverhältnisse an der Albert-Ludwigs- Universität vor Augen. In Freiburg fehlte es an Arbeits- und Laborplätzen, an Geldern, an Instituten, Hörsälen und Seminarräumen, v.a. aber an Lehrstühlen und Professoren, wie sich ein Beitrag der „Badischen Zeitung“ vom 22. Juni 1965 ausdrückte. Besonders dramatisch, so der Verfasser des Artikels, hatte sich die Lage in den Massenfächern der philosophischen Fakultät entwickelt. In der Germanistik standen 1300 Studierenden gerade einmal drei Lehrstühle gegenüber, von denen einer lediglich durch einen Gast- professor vertreten wurde. In der Romanistik war die Lage noch schlimmer. Die Folgen von Überfüllung und „Professorenmangel“ hatten dem Autor des Artikels zufolge v.a. in der philosophischen Fakultät nahezu „groteske Formen“ angenommen. Einführungsver-

30Gillessen 24.12.1959 – Eine Universität voll; und Günther Gillessen (1959): Bedrängnisse einer auf- strebenden Universität. Wachstumsnöte in Freiburg. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.12.1959. 31Über 7500 Studenten in Freiburg (1958). In: Badische Zeitung, 04.06.1958; Der 8000ste ist eine jun- ge Dame (1958). In: Badische Zeitung, 24.07.1958; Freiburgs Universität ist die größte des Landes (1958). In: Badische Zeitung, 03.10.1958; Über 8000 Studenten im Wintersemester (1958). In: Badi- sche Zeitung, 26.11.1958; Der Massenandrang noch stärker (1959). In: Badische Zeitung, 09.05.1959; Mit 8800 Studenten ins Sommersemester (1959). In: Badische Zeitung, 16.05.1959 (Pfingsten); Die Universität wächst weiter. Feierliche Immatrikulation der jungen Studenten (1959). In: Badische Zeitung, 01.06.1959; Fast 1000 Studenten mehr. Ein neuer Semesterrekord im Spiegel der Zahlen (1960). In: Badische Zeitung, 15.06.1960; Die Universität an der Grenze. Die traditionelle golde- ne Uhr der Stadtverwaltung für den 9000. Studenten (23. u. 1960). In: Badische Zeitung, 23. u. 24.07.1960; Mehr Ausländer als je zuvor. Die Zahl der Studierenden in Freiburg ist um 550 gegen- über dem letzten Wintersemester gewachsen (1960). In: Badische Zeitung, 21.12.1960; „Bis auf den letzten Platz“. Man wartet auf den Hörsaal im neuen Kollegiengebäude (1961). In: Badische Zeitung, 20.01.1961; Erschrocken über die Zahl. Die traditionelle goldene Uhr der Stadtverwaltung für den 10000 Studenten. Auch die Kräfte des Lehrkörpers sind nicht unerschöpflich (1961). In: Badische Zeitung, 21.07.1961; Wieder fast zehntausend Studierende (1961). In: Badische Zeitung, 20.12.1961; Freiburg erwartet mehr als 10000 Studenten (1962). In: Badische Zeitung, 03.05.1962; 10800 Studen- ten in Freiburg. Für viele fehlten Zimmer und Arbeitsplätze (1962). In: Badische Zeitung, 23.06.1962; Der Druck hat nachgelassen. In Freiburg wird ein etwas geringerer Zustrom zum akademischen Studi- um erwartet (1962). In: Badische Zeitung, 02.11.1962; Die philosophische Fakultät als Ventil (1962). In: Badische Zeitung, 15.12.1962; Über 11000 Studierende in Freiburg (1963). In: Badische Zeitung, 12.06.1963; Freiburg an der Spitze. Mehr als 47000 Studierende an den Hochschulen des Landes im Sommersemester 1963 (1963). In: Badische Zeitung, 06.08.1963; Doch fast 11000 Studierende. Die Universität Freiburg wieder die größte im Lande (1964). In: Badische Zeitung, 04.01.1964.

119 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 anstaltungen und Seminare mit 200 und mehr Teilnehmern seien „an der Tagesordnung“. Ein Pädagogik-Seminar mit mehr als 800 Studierenden musste sogar ins Audimax des neuen Kollegiengebäudes verlegt werden. Anonymität, Ratlosigkeit, Passivität, „überha- stetes Scheinesammeln“ bei den Studenten, aber auch Überlastung und Verschleiß bei den Professoren waren das Resultat.32 Durch den Anstieg der Studierendenfrequenz hatte sich in Freiburg zudem eine ver- breitete „Wohnungsnot“ bemerkbar gemacht bzw. im Vergleich zu früheren Zeiten weiter zugespitzt (Abb. 16). Die Lokalpresse berichtete nicht nur regelmäßig über die Schwierig- keiten von Studenten bei der Wohnungssuche – ein Beitrag der „Badischen Zeitung“ vom 6. Mai 1960 sprach von „akademischen Clochards“33 – sondern versuchte die Freiburger auch aktiv zur Bereitstellung von günstigem Wohnraum zu bewegen und übernahm so durchaus eine „mobilisierende“ Funktion.34

3.2.2 Bildung für alle? Mobilisierung von Begabungsreserven in der Bundesrepublik

32Überfüllung, Raumnot und Professorenmangel (1965). In: Badische Zeitung, 22.06.1965. Vgl. bereits: Neubauten ohne Einrichtung und Personal. Wünsche der Freiburger Universität an Regierung und Landtag (1955). In: Badische Zeitung, 11.01.1955. Speziell zur Freiburger Romanistik: Appell an das Kultusministerium. Studenten fordern in einer Resolution Maßnahmen gegen den „Notstand“ in der Freiburger Romanistik (1965). In: Badische Zeitung, 18.12.1965. 33Akademische Clochards. Zwischen Freiburg und Breisach auf Zimmersuche (1960). In: Badische Zei- tung, 06.05.1960. 34Verzweifelte Suche nach Zimmern. Die Universität rechnet mit 7000 Studenten (1957). In: Badische Zeitung, 03.05.1957; Sie suchen wieder (1957). In: Badische Zeitung, 06.11.1957; Auch Studenten brauchen Betten (1958). In: Badische Zeitung, 27.03.1958; Über 7500 Studenten in Freiburg 4.6.1958; 7000 fanden eine „Bude“ in der Stadt (23.u.1958). In: Badische Zeitung, 23.u.24.08.1958; Studenten suchen Zimmer (1958). In: Badische Zeitung, 07.10.1958; Die Preise für Studentenbuden klettern (1958). In: Badische Zeitung, 12.10.1958; Die überhöhten Mietpreise für Studentenzimmer (1958). In: Badische Zeitung, 13.11.1958;Die Stadt will den Studenten helfen (1958). In: Badische Zeitung, 21.11.1958; Vermietung an Studenten erleichtert (1958). In: Badische Zeitung, 03.12.1958; Studen- ten in Gasthöfen und Hotels. Nur etwa fünf Prozent der Studierenden im Wintersemester wohnten auswärts. Mit Eisenbahn und Kraftfahrzeug täglich zur Vorlesung nach Freiburg gefahren (28.2. u. 1959). In: Badische Zeitung, 28.2. u. 01.03.1959; Studenten ohne Zimmer (30.4. u. 1960). In: Badische Zeitung, 30.4. u. 01.05.1960; „Bitt-Prozession“ obdachloser Studenten. Ein Appell an das „gastliche Freiburg“ – Stellt Zimmer und Unterkünfte zur Verfügung (1960). In: Badische Zeitung, 03.05.1960; ; Helft den Studenten! (14. u. 1960). In: Badische Zeitung, 14. u. 15.05.1960; Studentennöte heute und einst. Unterkunftssorgen gab es schon im mittelalterlichen Freiburg (1960). In: Badische Zei- tung, 14.10.1960; Zimmernachweise am Nullpunkt. Nur das hilfsbereite Verständnis der Freiburger kann das Dilemma der zimmersuchenden Studenten noch mildern (1961). In: Badische Zeitung, 22. und 23.04.1961; Eine mögliche Lösung für die Studenten. Fünf eineinhalbstöckige Häuser stehen leer auf einem Grundstück in der Schwarzwaldstraße (1961). In: Badische Zeitung, 13. und 14.05.1961; Zimmer werden wieder rar (1961). In: Badische Zeitung, 18.10.1961; Wieder an die zehntausend (1961). In: Badische Zeitung, 27.10.1961; Die Studierstube auf dem Campingplatz. Gegen acht Pro- zent der Freiburger Studenten müssen pendeln (1962). In: Badische Zeitung, 09.01.1962; Zimmer für Studenten (1962). In: Badische Zeitung, 17.04.1962; Freiburg erwartet mehr als 10000 3.5.1962; 10800 Studenten in Freiburg 23.6.1962; Der Druck hat nachgelassen 2.11.1962; Für jedes Zimmer dankbar (1963). In: Badische Zeitung, 19.04.1963.

120 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit

Die deutschen Uni- versitäten waren mit den wachsenden Stu- dierendenzahlen seit Mitte der 1950er Jahre häufig über- fordert. Dennoch zeigten sich nicht wenige Zeitgenos- sen davon über- zeugt, dass die Bil- dungsexpansion wei- ter vorangetrieben werden musste – auch und ganz be- sonders im Hoch- Abbildung 16: Zimmersuche von Studenten, 30. Oktober 1963 schulsektor. Gera- de im internationalen Vergleich, so eine verbreitete Auffassung, blieben in der Bundes- republik zu viele „Begabungsreserven“ ungenutzt. Neben dem omnipräsenten Massenbe- trieb trat den Hochschulen hier ein zweites „Expansionsproblem“ gegenüber. Aus einem gesellschaftspolitischen Blickwinkel manifestierten sich in dem brachliegenden Poten- tial ungleich verteilte Bildungschancen und damit soziale Ungerechtigkeit. Volkswirt- schaftliche Perspektiven sorgten sich dagegen eher um die Bedeutung von Bildung und Wissenschaft für die ökonomische Entwicklung des Landes und seine internationale Kon- kurrenzfähigkeit. Wie bereits erwähnt waren viele Zeitgenossen um 1960 davon überzeugt, in einer immer mehr auf Wissen und Wissenschaft gründenden Gesellschaft zu leben. Begrif- fe wie „wissenschaftlich-technische Zivilisation“ oder „technisches Zeitalter“ avancierten zu gängigen Beschreibungen der eigenen Gegenwart. Nahezu jeder wusste, schrieb der Journalist Joachim Schwelien in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 27. Februar 1957, dass die „Existenz des modernen Gemeinwesens und insbesondere der hochentwickelten Industrienationen von den Leistungen ihrer Wissenschaft und der Ausbildung ihrer Jugend“ abhängig war.35 Wissenschaft, Bildung und damit auch den Hochschulen wurde also eine immer größere Bedeutung für die Wirtschaftsentwicklung des Landes, seine Konkurrenzfähigkeit im internationalen Vergleich – nicht zuletzt im Kontext des Ost-West-Konflikts – und die „Zukunft der Nation“ schlechthin zugeschrie- ben.36

35Joachim Schwelien (1957): Die Wissenschaft, der Staat und das Geld. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.02.1957. Ähnlich u.a. Hellmut Becker (1957): Bildung in der modernen Industriegesell- schaft. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.03.1957. Vgl. Rohstock 2010 – Von der Ordinarienu- niversität zur Revolutionszentrale. 36Vgl. Margit Szöllösi-Janze (2004): Wissensgesellschaft in Deutschland. Überlegungen zur Neube- stimmung der deutschen Zeitgeschichte über Verwissenschaftlichungsprozesse. In: Geschichte und Gesellschaft 30, S. 277-313. Zeitgenössisch u.a.: Schwelien 27.2.1957 – Die Wissenschaft; Becker

121 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Obwohl die Zahl der Studenten in Westdeutschland während der vergangenen Jahre enorm angewachsen war, schienen die Universitäten nicht in der Lage, den Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften zu decken, den eine solche „Wissensgesellschaft“ erfor- derte. Die Probleme des Bildungs- und Hochschulwesens ließen die Bundesrepublik nach Meinung zahlreicher Beobachter auf eine nationale „Katastrophe“ zusteuern, wie es der Pädagoge Georg Picht im Jahr 1964 unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit in der Wochenzeitung Christ und Welt formulierte. Nach Meinung von Picht gab es in der Bundesrepublik viel zu wenige Abiturien- ten und Studierende. In „allen Bereichen des öffentlichen Lebens“, prognostizierte der Pädagoge, war ein „beängstigender Mangel an Akademikern und höher qualifizierten Nachwuchskräften“ zu erwarten. Insbesondere im Bereich der Lehrer schien bereits jetzt ein Notstand eingetreten zu sein. Der erstaunliche Wirtschaftsaufschwung in der Bun- desrepublik werde ein „rasches Ende“ nehmen, warnte Picht, wenn die „qualifizierten Nachwuchskräfte“ fehlten, auf die man „im technischen Zeitalter“ nicht mehr verzichten konnte. Versagte das Bildungswesen, sei „die ganze Gesellschaft in ihrem Bestand be- droht“. In einem „Notstandsprogramm“ forderte Picht deshalb die Erschließung zusätzli- cher „Begabungsreserven“ aus den Reihen der Landbevölkerung oder der Arbeiterschaft, um u.a. die Zahl der Abiturienten verdoppeln und mehr Lehrer an den Hochschulen ausbilden zu können.37 Die Notwendigkeit eines solchen Programms ließ sich nicht allein aus ökonomischen Gründen ableiten. Neben die prominent von Georg Picht vertretene volkswirtschaftlich argumentierende Position trat besonders in den Beiträgen des Tübinger Soziologen Ralf Dahrendorf ein gesellschaftspolitischer Ansatz. Aus dieser Perspektive bot das deutsche Bildungswesen v.a. deshalb ein krisenhaftes Bild, weil es an sozialer Ungerechtigkeit krankte. Noch immer, schrieb Dahrendorf im November 1965 in der „Zeit“, waren große Teile der deutschen Gesellschaft praktisch von den Möglichkeiten weiterführender Bil- dung abgeschnitten. Zu den unterprivilegierten Gruppen gehörten nach Auffassung des Soziologen v.a. Landkinder, Arbeiterkinder, Frauen und Katholiken, die bei Abiturienten und Studierenden deutlich unterrepräsentiert waren.38 Ähnlich wie Picht trat Dahrendorf für „mehr Bildung“ ein, für eine Erhöhung von

14.3.1957 – Bildung in der modernen Industriegesellschaft. 37Vgl. den ersten und vierten Beitrag der Artikelserie, siehe Georg Picht (1964): Die deutsche Bil- dungskatastrophe. Analyse und Dokumentation. Olten, S. 16-42 („Der Tatbestand“) und S. 65-87 („Entwurf eines Notstandsprogramms“). Pichts Artikelserie erfährt häufig – und zurecht – besondere Beachtung in der Forschung. Allerdings war er keineswegs der erste, der solche Zusammenhänge herstellte und der Bundesrepublik wegen seines Bildungswesens eine düstere Zukunft prophezeite. Der „Spiegel“ sah etwa schon 1961 den Abstieg zu einem „unterentwickelten Land“ voraus, siehe: Die Bundesrepublik 13.9.1961. 38Ralf Dahrendorf (1965): Die Schulfeindlichkeit der Praktiker. Eine aktive Bildungspolitik für Deutschland (2). In: Die Zeit, 19.11.1965. Vgl. auch Franziska Meifort (2014): Liberalisierung der Gesellschaft durch Bildungsreform. Ralf Dahrendorf zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit in den 1960er Jahren. In: Brandt u.a. (Hg.) 2014 – Universität, Wissenschaft und Öffentlichkeit, S. 141-159. Auch Picht hatte die Frage der Chancengleichheit angesprochen. Allerdings stand in seinen Beiträgen die volkswirtschaftliche Problematik deutlich im Vordergrund.

122 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit

Abiturienten- und Studentenzahlen.39 Seine Motive unterschieden sich jedoch deutlich von den um 1960 weit verbreiteten „ökonomistischen“ Vorstellungen. Dahrendorf wand- te sich ausdrücklich von einer Denkweise ab, die Menschen, so seine Kritik, lediglich als „Material“ für vermeintlich höhere Zwecke vereinnahmte. Ihm ging es vielmehr darum, durch die „Ausbreitung effektiver Bürgerrechte“ – die Verwirklichung von Chancengleich- heit im Bildungswesen – den „Grund für eine moderne Gesellschaft in der Verfassung der Freiheit“ zu legen. Bildung war für Dahrendorf, so seine bekannte Formulierung, ein „Bürgerrecht“, ohne dessen Realisierung eine freie Gesellschaft auf Dauer nicht bestehen konnte.40

Studentische Initiativen in Freiburg: „Aktion 1. Juli“ Die schwierige Situation des deutschen Bildungswesens wurde nicht nur in den Massen- medien lebhaft diskutiert. Auch an den Hochschulen selbst stießen die von Dahrendorf, Picht und anderen vorgebrachten Probleme auf reges Interesse. Gegen Mitte der 1960er Jahre inspirierte die verfahrene Lage gerade Studierende dazu, aus dem „Elfenbeinturm“ der Universität herauszutreten, dem so oft zitierten Notstand größere Aufmerksamkeit zu verschaffen, und sich in der Öffentlichkeit für bildungspolitische Belange einzusetzen.41 Die Freiburger Studentenschaft spielte in diesem Zusammenhang eine ganz entscheiden- de Rolle. An der Albert-Ludwigs-Universität hatten sich studentische Gruppen im Winterseme- ster 1964/65 intensiv mit George Pichts Thesen auseinander gesetzt und u.a. selbst mit dem Pädagogen darüber diskutiert. Dabei waren die Studenten nicht zuletzt der Frage nachgegangen, was sie selbst tun konnten, um den Bildungsproblemen in Deutschland eine größere Öffentlichkeit zu verschaffen und auf diesem Weg die drohende Katastrophe einzudämmen. In diesem Zusammenhang entstand bald die Idee einer bundesweiten De- monstrationskampagne. Die studentische Initiative sollte eine vermeintlich indifferente Bevölkerung über den Notstand des deutschen Bildungswesens und die Notwendigkeit ei- ner Mobilisierung von „Begabungsreserven“ informieren, die gesellschaftliche, wirtschaft- liche und politische Bedeutung von Bildungsfragen deutlich machen, aber auch die – wie man glaubte – tatenlose Politik aus ihrem bildungspolitischen Tiefschlaf erwecken.42

39Dahrendorf 19.11.1965 – Die Schulfeindlichkeit der Praktiker. 40Ralf Dahrendorf (1965): Eine aktive Bildungspolitik für Deutschland. In: Die Zeit, 12.11.1965; Ders. 19.11.1965 – Die Schulfeindlichkeit der Praktiker. Vgl. zu Dahrendorfs bildungs- und hoch- schulpolitischer Aktivität Meifort 2014 – Liberalisierung der Gesellschaft durch Bildungsreform. 41Bereits seit Ende der 1950er Jahre war es in der Bundesrepublik zu einer Politisierung der Stu- dentenschaft gekommen. Der Studententag des VDS hatte im Jahr 1960 beispielsweise unter der Losung „Abschied vom Elfenbeinturm“ gestanden. Siehe Verband Deutscher Studentenschaf- ten (Hg.) (1960): Abschied vom Elfenbeinturm. Einheit der Bildungswege, Nachwuchs und Förde- rung, Studium im Ausland, Mut zur Politik. 6. Deutscher Studententag, Berlin vom 4. bis 8. April 1960. Bonn. Vgl. zum politischen Verhalten der westdeutschen Studenten Spix 2008 – Abschied vom Elfenbeinturm sowie jüngst die Studie über den VDS von Rohwedder 2012 – Kalter Krieg und Hochschulreform, besonders Kap. 4 und 5. 42Reiner Geulen (1965): Bildungskatastrophe. In: Freiburger Studentenzeitung 15 („Bildungsnot- stand“), S. 3; Thorwald Knappstein (1965): „Tatenarm und gedankenvoll“. In: Freiburger Studen- tenzeitung 15 (3), S. 3-4; Ignaz Bender (1965): Warum demonstrieren? Die Gründe des Mainzer

123 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Die Initiatoren der Aktion nutzten Öffentlichkeit ganz bewusst als bildungs- und hoch- schulpolitische Ressource. Den Freiburger Studenten war klar, dass die „differenzierten Probleme“ im deutschen Bildungswesen mit einer solchen Demonstrationskampagne nur oberflächlich darzustellen waren. Es ging ihnen darum, wie es in einem Beitrag der Frei- burger Studentenzeitung hieß, die Katastrophe „überhaupt erst einmal zu zeigen“. Der Notstand sollte für ein großes Publikum sichtbar gemacht werden, um auf diesem Weg Verständnis und Unterstützung für effektive Gegenmaßnahmen zu mobilisieren.43 Im März 1965 schloss sich der VDS auf seiner Mitgliederversammlung dem Freiburger Vorschlag an und beauftragte die Studentenschaft der Albert-Ludwigs-Universität mit der Geschäftsführung. An deren Spitze stand der ehemalige AStA-Vorsitzende Ignaz Bender, der durch Zeitungs-, Rundfunk- und Fernsehbeiträge bald als „Gesicht“ der Juli-Aktion hervortrat.44 Die Westdeutsche Rektorenkonferenz hatte das studentische Vorhaben ebenfalls früh unterstützt und die Universitätsleitungen von der Bedeutung der Aktion zu überzeugen versucht.45 Die „offizielle“ Anerkennung durch die wichtigste Vertretung der Hochschulen in der Bundesrepublik verlieh der studentischen Initiative zusätzliches Gewicht. Wie in anderen Universitätsstädten stellten sich der Senat der Albert-Ludwigs-Univer- sität, aber auch ein Teil der Professoren und Dozenten wie Prorektor Bernhard Panzram ausdrücklich hinter die Demonstration und ihre Ziele. Panzram hatte den Studierenden bereits während der Feier zur Rektoratsübergabe im Mai 1965 öffentlich seine Sympathie ausgesprochen. Wenn „Exzesse“ vermieden würden – einige Professoren hatten wegen der Form des studentischen Engagements Bedenken vorgebracht, das der Akademikerschaft in ihren Augen nicht würdig war – dann könnten die Kundgebungen tatsächlich etwas be- wirken.46 Panzram repräsentierte die Professorenschaft der Albert-Ludwigs-Universität darüber hinaus mit einer Rede während der Abschlusskundgebung am 1. Juli.47 Ob- wohl Rektor Hans-Heinrich Jescheck das Engagement der Studierenden nicht persönlich unterstützte, firmierte die Demonstration somit nicht nur als rein studentische Veran- staltung, sondern konnte durchaus auch als Stellungnahme der Universität insgesamt gedeutet werden. Im Mai 1965 lief die Aktion an. An den Hochschulen wurden 250.000 Flugblätter und Sonderdrucke der Freiburger Studentenzeitung verteilt. 3000 Plakate machten auf die bevorstehende Demonstration aufmerksam. Zur Vorbereitung veranstaltete man außer- dem Informationsvorträge und Diskussionsrunden.48 Die Demonstration selbst stieß auf

Beschlusses der Studentenschaften. In: Freiburger Studentenzeitung 15 (3), S. 5-7; Hanno Kühnert (1965): Auf die Barrikaden! In: Freiburger Studentenzeitung 15 (4), S. 1-2. 43Knappstein 1965 – Tatenarm und gedankenvoll. 44Siehe etwa: Heißer Sommer (1965). In: Der Spiegel, 19.05.1965; Freiburg ist das „Revolutionszentrum“ der Studenten (1965). In: Badische Zeitung, 28.05.1965. 45Vgl. für die Entstehung der Aktion: Thomas Bütow (1965): Eine Lawine kommt ins Rollen. Eine Chronik des 1. Juli. In: Freiburger Studentenzeitung 15 (4), S. 3-5. 46Vgl. Panzram 1965 – Bericht über die Notlage. 47Ders. (1965): Rede zum 1. Juli. In: Freiburger Studentenzeitung 15 (5), S. 11-12. 48In Freiburg lud man Bundestagsabgeordnete zu einer Podiumsdiskussion ein: Offener Brief (1965). In: Freiburger Studentenzeitung 15 (3). Von den angeschriebenen Abgeordneten erklärte sich aber nur der FDP-Politiker Karl Moersch zur Teilnahme bereit, siehe: Die Abgeordneten aufmerksam

124 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit eine durchaus erfreuliche Resonanz bei den Studentenschaften. Am 1. Juli 1965 gingen insgesamt mehr als 100.000 Studierende in fast allen Hochschulstädten des Landes auf die Straße.49 In Freiburg zogen zwischen 3000 und 4000 Studenten in einem von zahl- reichen interessierten Zuschauern verfolgten Sternmarsch Richtung Karlsplatz, wo eine große Abschlussveranstaltung stattfand. Transparente und Spruchbänder machten auf die schwierige Lage im deutschen Bildungswesen aufmerksam, zeigten u.a. für die Bun- desrepublik wenig schmeichelhafte Statistiken über den Anteil der „Arbeiterkinder“ an westdeutschen Hochschulen im Vergleich zu den USA oder Großbritannien. Auf großen Plakaten forderten studentischen Demonstranten stattdessen „gleiche Bildungschancen für alle“ (Abb. 17). 50 Die von den Demonstra- tionen in den verschiede- nen Städten erzielte öf- fentliche Wirkung wurde durch die Resonanz in den Massenmedien erheb- lich verstärkt.51 Dabei fiel die Rezeption der Juli-Ak- tion durchaus zwiespältig aus. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hat- te der Journalist Friedrich Karl Fromme den Studen- ten schon im März 1965 nicht nur parteipolitische Abbildung 17: Freiburg, „Aktion 1. Juli“ Motive vorgeworfen – im Jahr der Bundestagswahl erschien ihm die Aktion wie eine Wahlkampfveranstaltung zugunsten der SPD – sondern äußerte auch rechtliche Bedenken. Das politische Mandat der Studentenvertretungen –

machen (1965). In: Badische Zeitung, 23.06.1965. 49Studenten in Aktion. Demonstrationszüge und Kundgebungen gegen den Bildungsnotstand in der Bundesrepublik (1965). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.07.1965; Deutsche Studenten de- monstrieren. Die „Aktion 1. Juli“ in den Hochschulstädten der Bundesrepublik (1965). In: Die Zeit, 09.07.1965. Der VDS zeigte sich ebenfalls zufrieden über die Beteiligung der Studenten, siehe: Die „Aktion 1. Juli“ wird fortgesetzt – Planungskompetenz in der Bildungspolitik auf Bundesebene ge- fordert. Beschluß der a. o. Mitgliederversammlung des VDS, Hamburg 17./18. Juli 1965 (1965). In: WRK: Empfehlungen, Entschließungen und Nachrichten (Schwarze Hefte) (Stücke 54-318), S. 365-366. 50Auftakt mit 250000 Flugblättern. Die studentische Aktion gegen Bildungsnotstand läuft an (1965). In: Badische Zeitung, 11.05.1965; Der Demonstrationszug der Studenten (1965). In: Badische Zeitung, 30.06.1965. 51Neben den Artikeln in der Presse war die „Aktion“ auch im Fernsehen präsent. Der Südwestfunk produzierte mehrere Beiträge zu den studentischen Demonstrationen, die in der Reihe Abendschau ausgestrahlt wurden: Dieter Schickling (1965): Studenten-Demonstration gegen Bildungsnotstand (Abendschau). Südwestfunk, 30.06.1965 und Michael Kalmus (1965): „Studentenaktion“ 1. Juli an verschiedenen Hochschulen (Abendschau). Südwestfunk, 01.07.1965.

125 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Korporationen mit Zwangsmitgliedschaft – deckte in seinen Augen nur „studentische Angelegenheiten“ bzw. Anliegen der Hochschulen im engeren Sinn ab. Da sich die Juli- Aktion allgemein mit Bildungsfragen befassen sollte, sei diese Grenze übertreten worden. Fromme zweifelte außerdem daran, dass die Studierenden ihre hoch gesteckten Ziele tat- sächlich erreichen konnten. Nur ein kleiner Teil der Studentenschaft, prophezeite der Journalist, werde sich an der Aktion beteiligen. Viele Kommilitonen würden der Aktion allein aus „Bequemlichkeit“ fernbleiben.52 Insgesamt trafen das öffentliche Engagement und die kritische Haltung der Studieren- den jedoch auf eine positive Resonanz in den Massenmedien. Nicht wenige Kommenta- toren hoben die Tatsache hervor, dass die Studentenschaft keineswegs wie ein „Interes- senverband“ ausschließlich zum eigenen Nutzen agierte – u.a. Bundeskanzler Erhard war mit solchen Vorwürfen an die Öffentlichkeit getreten53 – sondern sich aus ehrlicher Sorge und mit sachbezogenen Gründen um die Zukunft der Bildungspolitik in Deutschland bemühten.54 Sogar die ausländische Presse zeigte sich von den Demonstrationsplänen beeindruckt. So hatte die Londoner Times bereits im März 1965, als die ersten Pläne bekannt geworden waren, davon gesprochen, dass die „Aktion“ ein Zeichen für die An- kunft einer neuen, kritischen und demokratischen Generation von Studenten in West- deutschland darstellte. Ihre „Bereitschaft zu kritisieren, ihre Mißachtung eingefahrener Realitäten und ihr Glaube an demokratische Spielregeln“ seien „ermutigend“.55 Der Freiburger Anteil an den Studentendemonstrationen wurde in den überregionalen Medien nur selten zum Thema gemacht. Lediglich ein „Spiegel“-Beitrag vom 19. Mai 1965 äußerte sich ausführlicher zur Entstehungsgeschichte der Aktion an der Albert-Ludwigs- Universität und porträtierte insbesondere das „Gesicht“ der studentischen Initiative in Freiburg, Ignaz Bender.56 Dass der Universität Freiburg so wenig Aufmerksamkeit zu- kam, wurde in der Lokalpresse lautstark bemängelt. Selbst der „Spiegel“, empörte sich ein Redakteur der „Badischen Zeitung“ in der Ausgabe vom 28. Mai 1965, hatte lediglich von „bescheidener Mithilfe“ gesprochen. In Wirklichkeit, hieß es weiter, hätte ohne den

52Friedrich Karl Fromme (1965): Der Spielraum der Studentenschaften in der Politik. Zu dem Beschluß des VDS, für eine bessere Bildungspolitik zu demonstrieren. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.03.1965. Vgl. Günther von Lojewski (1965): Am 1. Juli auf die Straße. In: Frankfurter Allge- meine Zeitung, 09.06.1965. Auch von Lojewski meldete Zweifel daran an, ob die Studentenschaft zu einem solchen Schritt berechtigt und ob sie dazu „qualifiziert“ sei. Gerade vor dem Hintergrund der politischen Enthaltsamkeit der Studenten nach dem Krieg sei zu bezweifeln, ob das gelingt, was der VDS in Bewegung gesetzt hatte. 53Vgl. Bütow 1965 – Eine Lawine kommt ins Rollen, S. 5. Erhard sprach von einem angeblichen „Er- pressungsversuch“ eines „Interessenverbands“. 54Siehe u.a.: Peter Hemmerich (1965): Wenn Studenten rebellieren. In: Die Zeit, 30.04.1965; Heißer Sommer 19.5.1965; Schickling 30.6.1965 – Studenten-Demonstration gegen Bildungsnotstand; Stu- denten auf der Straße (1965). In: Badische Zeitung, 01.07.1965; Korrigiert (1965). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.07.1965; Peter Hemmerich (1965): Die Studenten und der 1. Juli. Offener Brief an einen deutschen Hochschulrektor. In: Die Zeit, 02.07.1965; Deutsche Studenten demonstrie- ren 9.7.1965. Die „Zeit“ war „überzeugt von der Berechtigung dieser Demonstration, die zum ersten Mal nach langer Zeit einen großen Teil der deutschen Studentenschaft zu einer nicht eigensüchtigen politischen Aktion vereinte“. 55Zitat bei: Bütow 1965 – Eine Lawine kommt ins Rollen, S. 4 56Heißer Sommer 19.5.1965.

126 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit

Freiburger AStA-Chef Bender „auch nicht ein einziger Student“ gegen die Bildungssitua- tion in der Bundesrepublik protestiert. Nach Ansicht des BZ-Redakteurs war Freiburg nicht weniger als das „Revolutionszentrum der Studenten“.57 Der Ertrag der Juli-Demonstrationen wurde durchaus unterschiedlich beurteilt. Der Verband der Deutschen Studentenschaften war überzeugt, die „Bildungsfrage“ stärker in das „öffentliche Bewußtsein“ gerückt und damit das wichtigste Ziel der Aktion erreicht zu haben.58 Von außen stellte sich die Situation zum Teil anders da. Der „Funke“ der De- monstrationen, vermerkte beispielsweise Günther von Lojewski in der „Frankfurter All- gemeinen Zeitung“, war nicht in „anhaltende Energie“ umgesetzt worden. Die Studenten, behauptete der FAZ-Redakteur, hatten sich wieder „verlaufen“. Auch die Mobilisierung der Öffentlichkeit sei nur teilweise gelungen, der studentische „Ruf“ nach bildungspo- litischer Initiative schon fast wieder „verhallt“. Immerhin hatte die Demonstration im Juli 1965 seiner Meinung nach jedoch unter Beweis gestellt, dass die „deutsche Stu- dentenschaft“ aktionsfähig war. Mit einer neuen Initiative zur Bildungswerbung, so von Lojewksi, bot sich den Studierenden eine weitere Chance. Der „ehrgeizige“ Plan trug den Titel „Student auf’s Land“.59

Studentische Initiativen in Freiburg: „Student auf’s Land“ Noch während der Vorbereitungen auf die Juli-Aktion hatte an der Albert-Ludwigs- Universität die Arbeit an einem nächsten großes Projekt begonnen.60 Die Studierenden wollten es nicht bei „Mahnungen und Protesten“ belassen, wie der Freiburger AStA- Vorsitzende Peter Schönefuß in seiner Rede bei der Freiburger Abschlusskundgebung am 1. Juli 1965 ankündigte, sondern dem Notstand im Bildungswesen auch durch ei- gene konkrete Aktivitäten entgegen treten.61 Der öffentlichkeitswirksame Protest der Großdemonstration sollte durch eine eher „praktische“ Maßnahme ergänzt werden. In dem Sonderheft der Freiburger Studentenzeitung, das anlässlich der Juli-Aktion an Hochschulen in der gesamten Bundesrepublik verteilt worden war, rief die Studenten- schaft der Albert-Ludwigs-Universität deshalb zur Teilnahme an einem Projekt mit dem Arbeitstitel „Student auf’s Land“ auf. Es handelte sich um eine „Bildungswerbekampa- gne“, die durch öffentliche Informationsvorträge „in Kleinstädten, Arbeitervierteln und auf den Dörfern“ dabei helfen sollte, die „Begabungsreserven“ zu mobilisieren, von denen in dieser Zeit so häufig die Rede war. Mit dem Projekt wollten die Freiburger Studenten außerdem dazu beitragen, die Diskussion über Bildungsfragen „noch anhaltender und wirksamer in der Öffentlichkeit fortzuführen“.62

57Freiburg ist das Revolutionszentrum der Studenten 28.5.1965. 58Die Aktion 1. Juli wird fortgesetzt 1965. 59Günther von Lojewski (1965): Ein ehrgeiziger Plan aus Freiburg. In: Frankfurter Allgemeine Zei- tung, 15.07.1965. 60Siehe: Ein studentisches Experiment (1965). In: Badische Zeitung, 23.09.1965; Ignaz Bender (1965): Student aufs Land. Was können wir für die Bildung tun? In: Freiburger Studentenzeitung 15 („Bil- dungsnotstand“), S. 7. 61Peter Schönefuß (1965): Nicht am 2. Juli vergessen. In: Freiburger Studentenzeitung 15 (5), S. 13-14. 62Bender 1965 – Student aufs Land.

127 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Der „Verband Deutscher Studentenschaften“ hatte sich der Initiative aus Freiburg bereits im Juli 1965 angeschlossen und sämtliche Kommilitonen in der Bundesrepublik zur Teilnahme aufgefordert.63 Nur an der Albert-Ludwigs-Universität erfolgte jedoch zunächst eine Umsetzung in die Praxis. Ermuntert durch den Freiburger Erfolg kam es an anderen Hochschulen erst einige Monate später zu ähnlichen Unternehmungen. Wie schon bei der „Aktion 1. Juli“ übernahmen die Studierenden aus Freiburg also auch in diesem Fall eine Vorreiterrolle. Nachdem man sich während der Semesterferien gründlich vorbereitet und die Wer- betrommel gerührt hatte64, konnte das Projekt „Student auf’s Land“ schließlich am 27. September 1965 beginnen. Unter großem persönlichen Einsatz besuchten studentische „Bildungsprediger“65 der Albert-Ludwigs-Universität in den folgenden Wochen und Mo- naten zahlreiche Dörfer und Kleinstädte des südbadischen Umlands.66 Die Veranstal- tungen fanden meist in Gemeindehäusern oder den örtlichen Volksschulen statt, wurden zum Teil aber auch in Dorfgasthäuser verlegt. Bis Mitte März 1966 hatten 120 Studie- rende in 400 Landgemeinden vor ca. 18.000 Zuhörern Bildungsvorträge gehalten.67 Im Juli 1966 fand bereits die fünfhundertste Veranstaltung der Aktion „Student auf’s Land“ in Hinterzarten statt.68 Später wurde die studentische Bildungswerbung – allerdings mit weniger Erfolg – auf Industriebetriebe ausgeweitet. Die Veranstaltungen liefen immer nach dem gleichen Muster ab. Freiburger Studie- rende hatten einen „Rahmenvortrag“ ausgearbeitet, der mit zahlreichen in Grafiken und „Diapositiven“ aufbereiteten Statistiken über die „Bildungsmisere“ in der Bundesrepu- blik unterrichtete, in erster Linie aber die Chancen weiterführender Bildung bis hin zum Hochschulbereich aufzeigen wollte. Wichtig war den studentischen Bildungswerbern au- ßerdem die Möglichkeit zur Diskussion, die von den Teilnehmern ganz offensichtlich auch „temperamentvoll“ und „undiplomatisch“ genutzt wurde.69 So wurde „Student auf’s Land“ von den Verantwortlichen bereits nach wenigen Wo- chen zu einem durchschlagenden Erfolg erklärt. Die „nicht ungefährliche Begegnung von Kartoffelhacke und Füllfederhalter“ war „geglückt“, wie Thomas Bütow – einer der stu- dentischen Initiatoren des Projekts – in der Freiburger Studentenzeitung vom November 1965 zufrieden vermerkte.70 Der Besuch der Vorträge – im Durchschnitt kamen etwa 45 Besucher71 – entsprach den Erwartungen der Studenten. Die Menschen in Südbaden nahmen die Bildungswerber von der Albert-Ludwigs-Universität offenbar an. Skepsis oder gar Feindseligkeit vonsei-

63Die Aktion 1. Juli wird fortgesetzt 1965. 64Ignaz Bender (1966): Student aufs Land. In: Die Zeit, 25.03.1966. 65So die Formulierung in: Ein „Bildungsreport“ von Südbaden (1965). In: Badische Zeitung, 23.07.1965. 66„Student aufs Land“ beginnt (1965). In: Badische Zeitung, 20.09.1965; Ein studentisches Experiment 23.9.1965. 67Bender 25.3.1966 – Student aufs Land. 68Jubiläum bei „Student aufs Land“ (1966). In: Badische Zeitung, 04.07.1966. 69Thomas Bütow (1965): Bauern, Pfarrer und Studenten. Unterwegs mit „Student aufs Land“. In: Freiburger Studentenzeitung 15 (6), S. 17-18; Erfolge bei der Bildungswerbung. Die Aktion „Student auf’s Land“ gibt einen ersten Erfahrungsbericht (1965). In: Badische Zeitung, 13.11.1965. 70Bütow 1965 – Bauern, Pfarrer und Studenten. 71Bender 25.3.1966 – Student aufs Land.

128 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit ten der Landbevölkerung, wie im Vorfeld von journalistischen Beobachtern72 und auch von den Beteiligten selbst durchaus befürchtet, waren weitestgehend ausgeblieben. Pfar- rer, Lehrer und Bürgermeister fungierten als Vermittler zwischen den studentischen Bil- dungswerbern und den Menschen vor Ort. Dass sie dem Freiburg Projekt größtenteils aufgeschlossen gegenüber standen, trug ebenfalls zum Erfolg der Aktion „Student auf’s Land“ bei. Nur vereinzelt war man auf größeren Widerstand gestoßen, etwa vonseiten „konservativer Geistlicher“, die „Kinder nicht der festgefügten dörflichen Gemeinschaft durch den Besuch entlegener Schulen entfremdet wissen“ mochten.73 Zu den Erfolgen der Kampagne zählten die Freiburger Studierenden ganz ausdrücklich die öffentliche Resonanz, die „Student auf’s Land“ – und damit auch die Bildungsproble- matik in der Bundesrepublik – weit über Südbaden hinaus in Presse, Funk und Fernsehen erzielt hatte.74 Tatsächlich waren nicht nur Artikel in wichtigen überregionalen Blättern wie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“75 oder der „Zeit“76 erschienen. Auch das Fern- sehen interessierte sich für die Freiburger Kampagne. Nachdem der Südwestfunk bereits am 29. September 1965 einen kurzen Beitrag in seiner Nachrichtensendung „Abendschau“ platziert hatte77, beschäftigte sich wenig später auch das ZDF mit dem Projekt „Student auf’s Land“. Im Januar 1966 produzierte der Mainzer Sender einen Filmbericht für die Reihe „Drehscheibe“.78 Das Engagement der Freiburger Studenten führte schließlich bald auch zu „zählbaren“ Erfolgen. So stiegen etwa die Anmeldungen zu weiterführenden Schulen in Südbaden – dem langjährigen Schlusslicht in diesem Bereich – deutlich an, besonders in den Ge- meinden, wo die studentischen Informationsvorträge stattgefunden hatten. Nicht nur die Initiatoren von „Student auf’s Land“79, sondern auch Journalisten oder Politiker schrieben diese Entwicklung in vielen Fällen den Bildungskampagnen der Freiburger Studentenschaft zu.80

3.2.3 Ausbau der Hochschulkapazitäten

Während der 1960er Jahre hatte das Hochschulwesen der Bundesrepublik also mit ei- ner doppelten Krise zu kämpfen. Auf der einen Seite vollzog sich ein deutlicher Anstieg der Studierendenfrequenz, der mit den verfügbaren Kapazitäten nicht aufzufangen war. Trotz der omnipräsenten „Überfüllungskrise“ verlief dieser Wachstumsprozess nach An- sicht vieler Beobachter jedoch nicht schnell genug, um den Bedingungen der sich for- mierenden „Wissensgesellschaft“ gerecht werden zu können. Aus diesem Grund sollte der

72So etwa bei Lojewski 15.7.1965 – Ein ehrgeiziger Plan aus Freiburg. 73Erfolge bei der Bildungswerbung 13.11.1965. 74Vgl. Erwin Friedrich (1966): Die Erfolge. In: Freiburger Studentenzeitung 16 (3), S. 5-6. 75Lojewski 15.7.1965 – Ein ehrgeiziger Plan aus Freiburg. 76Hier konnte Ignaz Bender das Projekt selbst vorstellen: Bender 25.3.1966 – Student aufs Land. 77Rössle (1965): Studenten auf’s Land (Abendschau). Südwestfunk, 29.09.1965. 78„Student aufs Land“ im Fernsehen (1966). In: Badische Zeitung, 18.01.1966. 79So etwa Bender 25.3.1966 – Student aufs Land. 80Siehe bspw.: Die Freiburger Initialzündung (1966). In: Badische Zeitung, 28.04.1966; Das „Freiburger Schulwunder“ (1966). In: Badische Zeitung, 25.10.1966.

129 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Prozess der Bildungsexpansion weiter aktiv vorangetrieben werden. Genau dafür hatten sich ja nicht zuletzt die studentischen Bildungswerber aus Freiburg eingesetzt. Trotz des offensichtlichen Missverhältnisses zwischen Studierenden und Dozenten stell- te die Einführung eines allgemeinen numerus clausus in den Jahren um 1960 keine ernsthafte Alternative dar. Angesichts der krisenhaften Situation an den Universitä- ten formierte sich bereits in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre stattdessen eine breite öffentliche Unterstützung für den infrastrukturellen und personellen Ausbau des deut- schen Hochschulwesens. In den Massenmedien, insbesondere in den großen überregiona- len Zeitungen, machten Journalisten, Hochschullehrer oder Politiker jetzt immer wieder eindringlich auf die Notwendigkeit einer expansiven Politik aufmerksam. Schließlich ging es nicht nur darum, die akute Überfüllungskrise der Hochschulen zu bewältigen, sondern auch für die veränderten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingun- gen der Gegenwart gewappnet zu sein. Die Etablierung von Zulassungsbeschränkungen wurde lediglich als Not- oder Übergangsmaßnahme in Betracht gezogen, bis der dringend benötigte Ausbau die notwendige Dimension erreicht hatte.81 Auf längere Sicht schien eine Erweiterung der Hochschulkapazitäten unumgänglich. Wurden zunächst nur vereinzelt neue Stellen geschaffen, begann in den 1960er Jahren tatsächlich ein systematischer Ausbau der deutschen Universitäten. Bestehende Ein- richtungen wurden erweitert, neue Hochschulen – in Konstanz, Bochum oder Bielefeld – gegründet. Ein Schlüssel für diese Entwicklung war neben einer hochschulpolitisch sensibilisierten Öffentlichkeit v.a. die Arbeit des sogenannten Wissenschaftsrats, dessen „Empfehlungen“ zu einer entscheidenden Richtschnur für die Expansion des Hochschul- wesens avancierten. Doch obwohl die Pläne des Gremiums in der Folge weitgehend um- gesetzt wurden, reichte die Erweiterung der Kapazitäten nicht aus, um die Probleme des Massenbetriebs und die Anforderungen der Bildungsexpansion nachhaltig bewältigen zu können.82

„Für den Ausbau der Universitäten“: Öffentliche Unterstützung für die Expansion des Hochschulwesens in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre Vor dem Hintergrund wachsender Studentenzahlen, zunehmend überfüllter Universitäten und der von vielen Beobachtern empfohlenen Forcierung der Bildungsexpansion ertönte in der deutschen Presse seit Mitte der 1950er Jahre also immer häufiger der Ruf nach einem Ausbau des Hochschulwesens. Bereits im März 1956 hatte sich in der FAZ beispielsweise der Frankfurter Rechts- wissenschaftler Helmut Coing zu Wort gemeldet, der zu diesem Zeitpunkt Rektor der Goethe-Universität war und in den kommenden Jahren zu einem der renommiertesten Wissenschaftspolitiker in der Bundesrepublik aufsteigen sollte. Coing forderte eine Er- weiterung des Lehrkörpers um „nahezu das Doppelte“. Denn nur auf diesem Weg ließ sich die Zahl der Lehrenden in seinen Augen wieder in ein „vernünftiges Verhältnis“ zur

81So bspw. Wolfgang Clemen (1959): Das Dilemma des numerus clausus. In: Die Zeit, 11.12.1959. 82Vgl. Oehler 1998 – Die Hochschulentwicklung nach 1945, S. 414-416; Lundgreen u.a. 2009 – Das Personal an den Hochschulen, S. 30-45; Rudloff 2005 – Ansatzpunkte und Hindernisse der Hoch- schulreform; Bartz 2007 – Der Wissenschaftsrat, S. 50-69.

130 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit

Zahl der Studenten bringen. Neben dem Lehrstuhlausbau war nach Ansicht des Juristen außerdem eine „große Vermehrung der Assistenten- und Dozentenstellen“ geboten.83 Am Ende des Jahrzehnts erreichte die mediale Debatte um eine Expansion des Hoch- schulwesens einen vorläufigen Höhepunkt. Im Oktober 1959 war eine Denkschrift aus dem Bundesinnenministerium zur „Überfüllung“ der Universitäten erschienen, die sich u.a. für die Einführung von Zulassungsbeschränkungen und das „Herausprüfen“ unge- eigneter Studenten ausgesprochen hatte. Die Publikation sorgte nicht nur dafür, dass der Universitätsbereich im Jahr 1960 insgesamt noch stärker in den Mittelpunkt des massenmedialen Diskurses rückte als zuvor. Die Vorschläge der Denkschrift zum Um- gang mit dem Massenproblem wurden in der Öffentlichkeit zudem überwiegend kritisch aufgenommen und mobilisierten v.a. auch die Fürsprecher eines entschlossenen Hoch- schulausbaus.84 Nicht zuletzt weckten die Äußerungen des Innenministeriums den journalistischen Kampfeswillen. So kündigte beispielsweise die FAZ nun an, die Möglichkeiten der Pu- blizistik offensiv für eine Expansion der Universitäten einsetzen zu wollen. Statt eines öffentlichen Streits über Denkschriften, der sich ohnehin nur in Nebensächlichkeiten ver- zettelte, bedurfte es endlich „gemeinsamer und gesammelter Bemühungen“, schrieb Jür- gen Tern – Politikredakteur und Mitherausgeber des Blattes – in einem Kommentar vom 20. November 1959. Für den Ausbau der deutschen Hochschulen musste in sei- nen Augen deutlich „mehr als bisher“ getan werden – und zwar am besten „rasch und konkret“. Gerade angesichts der kontroversen Diskussionen um die Denkschrift aus dem Innenministerium fühlte sich sein Blatt dazu verpflichtet, der Forderung nach einem Hochschulausbau den „ganzen Nachdruck der öffentlichen Meinung zu gewinnen“. Das, so Tern, war zweifellos ein „mühseliges Werk“, bei dem immer wieder „geistige Träg- heit“ und „moralische Indolenz“ überwunden werden mussten. Seine Zeitung sei jedoch bereit, gegen diese Hindernisse anzutreten, „unverdrossen, hartnäckig und gelegentlich unbekümmert um die Füße, auf die man dabei treten“ mochte.85 Zwölf Monate nach Erscheinen der Denkschrift bilanzierte die FAZ ihre hochschulpo- litischen Aktivitäten des vergangenen Jahres. „Monat für Monat“, hieß es dort, hatte das Blatt unablässig für den Ausbau der Hochschulen geworben. Auf diese Art und Weise hoffte die „Frankfurter Allgemeine“ die „gute und notwendige Sache“ ein gutes Stück

83Helmut Coing (1956): Entwicklungsprobleme der deutschen Hochschule. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.03.1956. Ähnlich u.a.: Ein Rat am rechten Platz (1956). In: Die Zeit, 14.06.1956; Die Professoren und ihre Studenten (1957). In: Badische Zeitung, 31.12.1957; Wolfgang Clemen (1959): Was bei einer Hochschulreform nicht vergessen werden sollte. In: Die Zeit, 29.05.1959; Raiser 1960 – Die Hochschulen drohen vor ihrer. 84Vgl. etwa: Das aktuelle Forum. Eine Studie – und ihr Echo (1960). In: Deutsche Universitätszeitung 15, S. 7-33. Dort sind Reaktionen zusammengestellt. 85Tern 20.11.1959 – Für den Ausbau der Universitäten. Vgl. die redaktionellen Einleitungen zu: Gilles- sen 24.12.1959 – Eine Universität voll; Gerhard Ritter (1960): Die Universität darf nicht Berufs- schule werden. Ein Aufsatz zur Krisis des deutschen Universitätswesens. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.10.1960; und Bruno Dechamps (1959): Professoren sind keine Verwaltungsbeamten. Beobachtungen und Überlegungen an der überfüllten Heidelberger Universität. In: Frankfurter All- gemeine Zeitung, 12.12.1959. Außerdem: Aus dem Redaktionsprogramm der Frankfurter Allgemei- nen Zeitung (1959). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.12.1959.

131 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 vorangebracht zu haben. Man werde außerdem darauf „bestehen“, dass die für die „Zu- kunft der Nation“ entscheidende Reform nicht in „schönen Vorsätzen“ stecken bleibt. Ihre „Bemühungen um die Hochschulen“ wollte die Redaktion der „Frankfurter Allge- meinen Zeitung“ zu diesem Zweck „beschreibend, wertend und verlangend unverzagt fortsetzen“.86 Das massenmediale Bemühen um einen Ausbau des deutschen Hochschulwesens riss in den folgenden Jahren in der Tat nicht ab.87 Allerdings fand die Diskussion seit 1960 unter veränderten Vorzeichen statt. Im November dieses Jahres hatte der sogenann- te Wissenschaftsrat ein lang erwartetes Gutachten veröffentlicht, auf dessen Grundlage jetzt erstmals ein systematischer, zentral geplanter Ausbau der Hochschulen in der Bun- desrepublik in Angriff genommen wurde.

Geplanter Hochschulausbau: Der Wissenschaftsrat und die Expansion des deutschen Hochschulwesens in den 1960er Jahren

Dem Wissenschaftsrat kam eine entscheidende Bedeutung für die Hochschulentwicklung in der Bundesrepublik nach 1960 zu.88 Durch ein Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern vom 5. September 1957 ins Leben gerufen, bestand seine Aufgabe darin, einen „Gesamtplan für die Förderung der Wissenschaften zu erarbeiten“ und die „Pläne des Bundes und der Länder aufeinander abzustimmen“. Darüber hinaus sollte das neue Gremium jedes Jahr ein „Dringlichkeitsprogramm“ aufstellen und Empfehlungen für die Verwendung der Mittel abgeben, die in den Haushaltsplänen von Bund und Ländern zur „Förderung der Wissenschaft“ zur Verfügung standen. Seine Mitglieder – darunter u.a. der Freiburger Historiker Gerd Tellenbach – kamen aus Politik, Wissenschaft und „öffentlichem Leben“.89 Die Gründung des Wissenschaftsrats stand im Kontext einer beginnenden Hochkon- junktur politischer Planung, die das Jahrzehnt zwischen 1960 und 1970 entscheidend prägen sollte. Die neue wissenschaftspolitische Institution war lediglich eines von unzähli- gen „Sachverständigengremien“, die während der 1960er Jahre in großer Zahl eingerichtet wurden mit dem Ziel, politische Entscheidungsprozesse zu „versachlichen“, zu „rationa- lisieren“ und durch wissenschaftliche Beratung zu unterstützen. Damit verbanden sich nicht selten ein ausgeprägtes Machbarkeitsdenken und die Überzeugung, Zukunft durch

86Aus dem Redaktionsprogramm der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (1960). In: Frankfurter Allge- meine Zeitung, 30.12.1960. 87Siehe u.a. Hugo Moser (1962): Universitäten mit Mammutinstituten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.04.1962; Jürgen Tern (1964): Ein Jahr für die Innenpolitik. In: Frankfurter Allge- meine Zeitung, 03.01.1964; Kurt Rudzinski (1964): Griff nach den Forschungsmitteln. Gefährliche Kürzungen des Wissenschaftsetats. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.02.1964; Brigitte Beer (1964): Schulen und Hochschulen müssen gleichzeitig ausgebaut werden. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.03.1964; Rudolf Walter Leonhardt (1964): Feierliches Weiterwurschteln. In: Die Zeit, 12.06.1964; Forschungshilfe unter Druck (1965). In: Die Zeit, 19.02.1965; Überfüllung 22.6.1965. 88Bartz 2007 – Der Wissenschaftsrat, S. 45 f. 89Vgl. zum Gründungsprozess Bartz 2007 – Der Wissenschaftsrat, S. 23-49 und für die Ziele ebd., S. 279-281. Siehe auch: Die Mitglieder des Wissenschaftsrates. Erste Sitzung Anfang Februar (1958). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.01.1958.

132 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit wissenschaftliche Planung politisch gestalten zu können.90 Gerade im Bereich der Bildungspolitik entfalteten Planer bereits in den Jahren um 1960 eine bemerkenswerte Aktivität.91 Dazu trug u.a. die Arbeit des Wissenschaftsrats bei. In dessen „Gesamtplan“ sollten neben den Hochschulen zwar auch die außeruniversi- tären Forschungseinrichtungen berücksichtigt werden. Im November 1960 legte der Wis- senschaftsrat jedoch zunächst die Empfehlungen für den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen vor, weil hier nach Überzeugung der Mitglieder ein „besonderer Notstand“ herrschte.92 Mithilfe des Gutachtens wollte man die „zunehmend in Frage stehende Ar- beitsfähigkeit“ der deutschen Universitäten durch eine expansive Politik wiederherstel- len.93

Rezeption des Gutachtens in der Öffentlichkeit Die Empfehlungen des Wissen- schaftsrats wurden in der deutschen Öffentlichkeit begeistert aufgenommen, das Gremi- um vielerorts als Hoffnungsträger und nicht selten geradezu als „Retter“ des deutschen Hochschulwesens gepriesen. Der Plan von 1960 galt nicht nur als Orientierungshilfe und Diskussionsgrundlage, sondern v.a. auch als Ressource oder als „Hebel“, mit dessen Hilfe die Politik auf eine verstärkte Förderung der Universitäten verpflichtet werden konnte. Der durchschlagende Erfolg der „blauen Bibel“ – wie die Publikation wegen ihres farbigen Einbands bald genannt wurde – begründete das hohe Ansehen, das der Wissen- schaftsrat bei Hochschullehrern, Wissenschaftspolitikern und einem interessierten Publi- kum in den 1960er Jahren genoss.94 Dieser Vertrauensvorschuss, der nicht zuletzt durch die positive Rezeption des Gutachtens in den Massenmedien entstanden war, erleichterte die Umsetzung der Ausbau-Empfehlungen nach 1960 ungemein. Stimmen, die den Plan des Wissenschaftsrats und das planerische Denken im Bil- dungsbereich grundsätzlich ablehnten, waren in der Öffentlichkeit nur selten zu verneh- men. Zu diesen Ausnahmen gehörte der bekannte Freiburger Medizinordinarius Franz Büchner. Die Verantwortlichen für die deutsche Hochschulpolitik – Parlamente, Hoch- schulabteilungen der Kultusministerien, Fakultäten – seien durch die Planungen des Wissenschaftsrats zu einer „grundsätzlichen Besinnung auf das Wesen der Wissenschaf- ten“ aufgerufen, schrieb Büchner in der Kulturzeitschrift „Stimmen der Zeit“. In den

90So Gabriele Metzler (2002): Am Ende aller Krisen? Politisches Denken und Handeln in der Bun- desrepublik der sechziger Jahre. In: Historische Zeitschrift 275, S. 57-103, S. 63. Vgl. auch Dies. (2005): Konzeptionen politischen Handelns von Adenauer bis Brandt. Politische Planung in der plu- ralistischen Gesellschaft. Paderborn; Anselm Doering-Manteuffel (2008): Ordnung jenseits der politischen Systeme. Planung im 20. Jahrhundert. In: Geschichte und Gesellschaft 34, S. 398-406; 91Metzler 2002 – Am Ende aller Krisen, S. 89 f.; Rudloff 2003 – Bildungsplanung in den Jahren. 92Wissenschaftsrat (1960): Empfehlungen zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen. Teil 1: Wissenschaftliche Hochschulen. Bonn, S. 7 f. 93Rudloff 2003 – Bildungsplanung in den Jahren, S. 263-265. 94Zeitgenössisch Nina Grunenberg (1966): Empfehlungen, von denen wir leben. Ein Porträt des Wis- senschaftsrates. In: Die Zeit, 01.07.1966. Ähnlich Rudolf Walter Leonhardt (1960): Siegt die Ver- nunft? In: Die Zeit, 13.05.1960 und Brigitte Beer (1965): Die nächsten Aufgaben des Wissenschafts- rates. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.10.1965. Vgl. Bartz 2007 – Der Wissenschaftsrat, S. 50. In den folgenden Jahren sollte sich die öffentliche Haltung gegenüber dem Wissenschaftsrat dann allerdings zum schlechten verändern. Ebd., S. 113-119 spricht für die Zeit um 1970 bspw. von einer „schweren Krise“.

133 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

„Schatzkammern des deutschen Geistes“, so Büchner weiter, lagen „Werte“ verborgen, die in „Planungsbesprechungen von Spitzengremien“ leicht „übersehen und vergessen“ wur- den. Gegen die Tendenz des Wissenschaftsrats zu Planung und „Zentralismus“ vertraute er zur Bewältigung der Krise auf die Initiative der Wissenschaftler, unter bestenfalls „geburtshelferischen Händen der Hochschulreferenten“. Der Mediziner von der Albert- Ludwigs-Universität setzte nicht auf ein „geplantes“, sondern auf ein quasi „organisches“ Wachstum der Hochschulen aus der „Keimschicht der Fakultäten“.95 Büchners Vorstoß stieß in der Freiburger Studentenzeitung auf scharfe Kritik. In ei- nem ausführlichen Beitrag vom Mai 1961 versuchte man die Attacken des Freiburger Pathologen zu entkräften. Andere Länder, hieß es dort, besaßen seit langem ähnliche Gremien und waren bisher keineswegs in eine „wissenschaftlich-chaotische Sackgasse“ gefahren. „Koordination“ im Bereich der Wissenschaft sei überaus wünschenswert.96 Be- reits einige Monate zuvor hatte sich der Redakteur Wolf Marchand in der Freiburger Studentenzeitung beinahe schwärmerisch über die jüngst publizierten Empfehlungen des Wissenschaftsrats geäußert. Für ihn war das Gutachten eine „große Tat“ und hatte einen „unübersehbaren Anstoß zur Hochschulreform“ gegeben. Der Wissenschaftsrat, so Mar- chand, habe „ganze Arbeit in bemerkenswert jungem Geist“ geleistet. Würden die Pläne verwirklicht, dann brächen für Studenten und Professoren „vergleichsweise paradiesische Zustände“ an.97 Auch in den Massenmedien erntete das Gutachten des Wissenschaftsrats fast aus- schließlich positive Kritiken. So feierte der Politikwissenschaftler Michael Freund die Publikation des Wissenschaftsrats in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ pathetisch als „gewonnene Schlacht für die Wissenschaft“. Die Empfehlungen zum Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen, schrieb Freund in einem Beitrag vom 28. November 1960, stellten ein „Manifest“ gegen die „tyrannische Tatenlosigkeit“ in der Bildungs- und Hochschulpolitik dar. Allein die Existenz des Wissenschaftsrats komme bereits einer „öf- fentlichen Anerkennung“ der Tatsache gleich, dass die „Förderung der Wissenschaft ein Anliegen des ganzen Gemeinwesens“ sei und dass sich bei den anstehenden Reformen Aufgaben stellten, für die der Bund „gerade noch groß genug“ war. Im Einzelnen, so Freund, waren die Empfehlungen zwar eher „konservativ“. Von den Reformvorschlägen, die u.a. in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ diskutiert worden waren, sei dort nur wenig zu finden. Dennoch blieb ein „unverlierbares Verdienst“. Der Wissenschaftsrat, lobte Freund, hatte das deutsche Universitätswesen mit seinen Empfehlungen „über den Abgrund gestoßen“, hatte dem dringend notwendigen Ausbau der Hochschulen wichtige Impulse verliehen.98

95Franz Büchner (1960/61): Bedarf die Wissenschaft der zentralen Planung? Zu den Empfehlungen des Wissenschaftsrates am Beispiel der medizinischen Wissenschaften. In: Stimmen der Zeit 167, S. 264-272. Freiburger Studenten versuchten Büchners Argumente zu entkräften, siehe: Mit Sinn und Kraft zur Wissenschaft (1961). In: Freiburger Studentenzeitung 11 (3), S. 1-2. 96Mit Sinn 1961. 97Wolf Marchand (1961): Vergleichsweise paradiesisch. Zu den „Empfehlungen des Wissenschaftsra- tes“. In: Freiburger Studentenzeitung 11 (1), S. 16. 98Freund 28.11.1960 – Eine gewonnene Schlacht. Ähnlich: Hans Wenke (1960): Die deutschen Hoch- schulen heute und morgen. Der große Plan des Wissenschaftsrates. In: Die Zeit, 02.12.1960; Beer 31.12.1960 – Das Jahrzehnt hinter uns; Bruno Dechamps (1961): Die Chance der Universitäten. In:

134 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit

In den folgenden Jahren wurde dieser Anstoß in eine personelle und infrastrukturelle Erweiterung der Universitäten überführt, die den Massenerscheinungen und der „Über- füllungskrise“ allerdings insgesamt kein Ende bereiten konnten.

Ausbau der Infrastruktur Im Mittelpunkt der „Empfehlungen“ von 1960 stand zweifel- los die Erweiterung des Lehrkörpers. Gemeinsam mit den Hochschulen hatte der Wissen- schaftsrat aber auch ein umfassendes, zunächst auf vier Jahre ausgerichtetes Programm mit „förderungswürdigen Projekten“ zum Ausbau der Infrastruktur entwickelt. Man ver- suchte den Bauverwaltungen ein „festes Planungsschema“ an die Hand zu geben, das die „kontinuierliche und sachliche Vorbereitung“ der Vorhaben sicherstellte.99 Um das „ge- samte Bauverfahren vom Beginn an soweit wie möglich zu rationalisieren“, wurden vier Jahre später zudem detaillierte Empfehlungen zur „Aufstellung von Raumprogrammen“ für den infrastrukturellen Ausbau der Hochschulen erarbeitet.100 Das Bauprogramm des Wissenschaftsrats war nur teilweise erfolgreich. Zwar fand tat- sächlich ein beachtlicher Erweiterungsprozess statt. Die Länder hatten ihre Ausgaben für den Hochschulbau in den 1960er Jahren beträchtlich erhöht, wie das Gremium in einer Bilanz aus dem Jahr 1967 festhielt. Auch der Bund hatte sich demnach zwar auf niedrigerem Niveau, aber doch mit „jährlich wachsenden Beiträgen“ an der Finanzie- rung des Hochschulbaus beteiligt. Das ursprüngliche Programm konnte nach Auskunft des Wissenschaftsrats bis Mitte der 1960er Jahre größtenteils erfüllt oder zumindest in Angriff genommen werden.101 Trotzdem rissen die Sorgen nicht ab. Die „Raumnot“, bilanzierte der Wissenschafts- rat in seinem Bericht aus dem Jahr 1967, war trotz der baulichen Expansion „in vielen Bereichen immer noch beträchtlich“.102 Die mangelnden Fortschritte waren zum Teil auf finanzierungsbedingte Verzögerungen zurückzuführen, die v.a. seit Mitte der 1960er Jahre auftraten, als der Bundestag unter heftigem öffentlichem Protest einen bildungs- und wissenschaftspolitischen Sparkurs einschlug. Verantwortlich war in erster Linie je- doch das unerwartet schnelle Wachstum der Studentenzahlen, das die Prognosen der Bildungsplaner deutlich überstieg und die erreichte Kapazitätserweiterung gleich wieder „neutralisierte“.103 Dies galt auch für die Universität Freiburg. An der Albert-Ludwigs-Universität hatte man bereits in den späten 1950er Jahren mit verschiedenen Bauprojekten auf Bildungsexpansion, Massenbetrieb und „Raumnot“ zu reagieren versucht. Nachdem im Jahr 1960 die „Empfehlungen zum Ausbau der wissen- schaftlichen Hochschulen“ erschienen waren, wurden diese Bemühungen verstärkt und mithilfe der vom Wissenschaftsrat durchgeführten Erhebungen auf eine langfristigere

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.01.1961. Vgl. auch die bei Bartz 2007 – Der Wissenschaftsrat, S. 62-64 gesammelten Reaktionen der Presse. 99Wissenschaftsrat 1960 – Empfehlungen zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen, S. 70-77, hier S. 160-164 und S. 375-407. 100Ders. (1964): Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Aufstellung von Raumprogrammen für Bau- vorhaben der wissenschaftlichen Hochschulen. Tübingen. 101Wissenschaftsrat (1967): Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau der wissenschaftli- chen Hochschulen bis 1970. Tübingen, S. 28 f. 102Ebd., S. 29. 103Ebd., S. 29 und S. 151-155.

135 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Planungsgrundlage gestellt. Die vom Freiburger Universitätsbauamt 1963 in einer Denk- schrift zusammengefassten Überlegungen gipfelten in der Forderung, die räumlichen Ka- pazitäten der Albert-Ludwigs-Universität zu „verdoppeln“.104 Zwischen 1957 und 1967 vollzog sich in Freiburg tatsächlich ein beachtlicher Erwei- terungsprozess.105 Auf das zweite Kollegiengebäude und die neue Mensa folgte im Uni- versitätszentrum ein großer Erweiterungsbau – das „Kollegiengebäude III“ – der nach mehrjähriger Planungs- und Bauzeit im Jahr 1968 bezogen werden konnte.106 Zu den größeren Projekten im naturwissenschaftlichen Institutsviertel zählten das physikalische (1960)107 und das chemische Institut108. Eine lebhafte Bautätigkeit war schließlich auch im Klinikbereich zu beobachten. Bereits im Februar 1960 war dort die neue Zahn- und Kieferklinik eingeweiht worden.109 Im Lauf der 1960er Jahre kam u.a. die neue Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten hinzu.110

Die bauliche Entwicklung der Nachkriegszeit hatte der Freiburger Hochschule ein neues Gesicht verliehen, das sich durch architektonische Modernisierung und eine städtebauli- che Konzeption mit drei relativ geschlossenen, aber miteinander verbundenen Bezirken auszeichnete. Die Expansion der 1960er Jahre half dieses Profil zu verstärken, verlieh dem Erscheinungsbild der Albert-Ludwigs-Universität in der städtischen Öffentlichkeit aber auch neue Akzente. Eine Erweiterung der räumlichen Kapazitäten machte zunächst die Erschließung neuer Bauplätze erforderlich. Dabei versuchten die Planer an die bereits existierenden Hoch- schulbezirke anzuschließen und die „Universitätsinseln“ in der Stadt abzurunden. Auf diese Art und Weise sollte nicht nur der disziplinäre Zusammenhang gewahrt werden. Auch die enge Verknüpfung zwischen Universität und Stadt wollte man so erneut sicht- bar machen. Im Stadtzentrum kamen neben den bereits in den 1950er Jahren erworbenen und zum Teil bebauten Flächen – der alten Synagoge, der Hochallee, dem Peterhof – das Gelände des Rotteck-Gymnasiums, später Standort der Universitätsbibliothek, sowie das Gebiet an der Ostseite der beiden Kollegiengebäude hinzu.111 Dort wurde der 1968 vollendete

104J. Heinz Müller (1963): Die langfristige Bauplanung der Universität. In: Freiburger Universitäts- blätter 2 (3), S. 53-55.Vgl. Müller 1994 – Zukunftsorientierte Universitätsplanung statt reiner Wie- derherstellung, S. 142 f. 105Bühler (Hg.) 2007 – Bauen für Forschung und Lehre bietet einen guten Überblick über die bauliche Entwicklung der Universität Freiburg seit 1957. 106Ortwin Müller (1969): Der Neubau des Kollegiengebäudes III der Universität Freiburg. In: Freibur- ger Universitätsblätter 8 (23), S. 57-64. 107Vgl. Otto Freese (1962): Der Neubau des Physikalischen Instituts. In: Freiburger Universitätsblätter 1 (1), S. 15-16. 108Weitere Dominante im Institutsviertel (1964). In: Badische Zeitung, 11.04.1964; Das neue chemische Institut (1964). In: Badische Zeitung, 10.10.1964. 109Noch über fünfzig Millionen Mark nötig. Zum weiteren Ausbau der Freiburger Kliniken – Die Über- gabe der neuen Zahn- und Kieferklinik (27. u. 1960). In: Badische Zeitung, 27. u. 28.02.1960. 110Alles für Auge und Ohr. Hals-, Nasen-, Ohren- und Augenklinik für voraussichtlich 19,3 Millio- nen Mark. Richtfest an Freiburgs höchstem und teuerstem Klinikbau (1960). In: Badische Zeitung, 17.12.1960. 111Müller 1963 – Die langfristige Bauplanung der Universität, S. 53 f.

136 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit

Erweiterungsbau platziert. Die Bebauung des Grundstücks erwies sich als schwierig, wur- de von der Bauleitung allerdings ganz bewusst dazu genutzt, um die Beziehung zwischen Universität und städtischer Öffentlichkeit zu stärken. Schließlich besaß die historisch ge- wachsene Bindung zu der Stadt und ihren Bewohnern für die Hochschule weiterhin große Bedeutung.112 Durch den Bau des neuen Kollegiengebäudes waren nicht nur passagenartige Ver- bindungen zu Altstadt und Rotteckring geschaffen worden. Im Kern der Universität entstanden auf diesem Weg auch neue Plätze, die jedermann zugänglich sein sollten und die, wie es ein Redakteur der „Badischen Zeitung“ ausdrückte, eine „Oase der Ruhe“ im Herzen der Stadt bildeten. Die neu geschaffenen Räume und Beziehungen seien ein „Zeichen der selbstverständlichen Öffentlichkeit der Universität“.113 Im Klinikbaubüro hatte man schon 1956 beschlossen, den von Adolf Lorenz in den 1920er Jahren erarbeiteten Plan eines „geschlossenen Versorgungsrings“ aufzugeben und das Klinikgelände zu erweitern. Bereits um 1960 waren östlich des ursprünglich avisierten Gebiets Tuberkuloseklinik, Neurochirurgie sowie Zahnklinik entstanden. Die geplante Ausrichtung nach Süden wurde im Jahr 1964 mit der neuen HNO-Klinik eingeläutet.114 Das Institutsviertel machte sich in den 1960er Jahren schließlich ebenfalls auf die Suche nach Erweiterungsmöglichkeiten. Nach Berechnungen des Universitätsbauamts mussten nicht weniger als 56.000 Quadratmeter Nutzfläche geschaffen werden, damit alle anstehenden „Raumforderungen“ erfüllt werden konnten und die Zukunft der na- turwissenschaftlichen Bezirks gesichert war. Das Baugelände sollte dabei im „direkten Zusammenhang“ mit den anderen Institutsbauten stehen, um die Einheit der Naturwis- senschaften nicht auseinanderzureißen und Kontakte zwischen den einzelnen Fächern zu ermöglichen.115 Eine Verlegung von Instituten auf das Flugplatzgelände, die ebenfalls in Erwägung gezogen worden war, hielten Vertreter der Universität v.a. aus diesem Grund für nicht vertretbar. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte aber auch die große Entfernung zum Stadtzentrum, die nach Meinung der Verantwortlichen zu Isolation und Ausgrenzung führen konnte.116

112Ebd., S. 55. 113Müller 1969 – Der Neubau des Kollegiengebäudes III; Eine Oase in der Freiburger Innenstadt (1968). In: Badische Zeitung, 01.03.1968. 114Albrecht Haas (1963): Die bauliche Entwicklung der Freiburger Universitätskliniken. In: Freiburger Universitätsblätter 2 (4), S. 19-23; Bühler (Hg.) 2007 – Bauen für Forschung und Lehre, S. 13 f. und S. 92-110. 115Otto Freese (1965): Die bauliche Situation der Universität. Ein Bericht des Universitätsbauamts I. In: Freiburger Universitätsblätter 4 (8), S. 47-54, hier S. 49-51; Müller 1963 – Die langfristige Bauplanung der Universität, S. 54 f. Die Zahlen entstammten einer Denkschrift, die im Jahr 1963 während einer Sitzung des Universitätsbeirats der Öffentlichkeit übergeben worden war, vgl.: Die Universität braucht den doppelten Raum (1963). In: Badische Zeitung, 29.07.1963. 116Der Rektor der Universität Freiburg an das baden-württembergische Kultusministerium. Gelände der Landesstrafanstalt (30.11.1964). Hauptstaatsarchiv Stuttgart, EA 3/907-1013; Sitzung des Un- terausschusses „Bauvorhaben“ des Finanzausschusses im baden-württembergischen Landtag vom 4. Februar 1964 in der Landesstrafanstalt Freiburg ([Februar 1964]). Hauptstaatsarchiv Stuttgart, EA 3/907-1013. Siehe auch: Universität und Flugplatz (1965). In: Badische Zeitung, 18.12.1965. Erst seit den 1990er Jahren wurden hier die „Angewandten Wissenschaften“ – Informatik und Mikrosy- stemtechnik – untergebracht, vgl. Bühler (Hg.) 2007 – Bauen für Forschung und Lehre, S. 167-179.

137 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Als „einzig sinnvolles Grundstück“ für eine „organische Erweiterung“ der Naturwis- senschaften identifizierte das Universitätsbauamt das Gelände der Landesstrafanstalt im Norden des Institutsviertels.117 Seit Beginn der 1960er Jahre fanden Verhandlungen und Diskussionen mit dem Land Baden-Württemberg statt118, die aber am Ende zu kei- nem Ergebnis führten. Die Justizvollzugsanstalt befindet sich noch heute an dieser Stelle.

Der bauliche Modernisierungskurs der Nachkriegszeit wurde nach 1960 grundsätzlich fortgesetzt. Im Vergleich zur Architektur der 1950er Jahre lassen sich dennoch signifi- kante Veränderungen erkennen. Insbesondere in den Instituts- und Klinikvierteln kam es vermehrt zur Errichtung von Hochhausbauten. Der leichte, „schwebende“ Stil vieler Universitätsbauten wurde zudem durch eine eher massive Bauweise ersetzt. Mit Beginn der 1960er Jahre begann in Deutsch- land – und nicht nur dort – ein „neuer Abschnitt in der architektonischen Entwicklung“. Von dem „beschwingten“ Baustil der „Wirtschaftswunder- Jahre“ bewegte man sich jetzt insgesamt zum Mas- siven, zum „Ungeschlif- fenen, Kompakten, Ele- mentaren“, zu einer „Bru- talisierung der gestalte- rischen Mittel“.119 Diese Tendenz zu ei- Abbildung 18: Kollegiengebäude III ner „geschlossenen har- ten Architektur“ machte sich an der Universität Freiburg bereits um 1960 in einzelnen Bauten bemerkbar, die der Architekturkritiker Eberhard Schulz in der FAZ despektier- lich als „Bunker-Hörsäle“ oder „Betonkammern“ bezeichnete.120 Schulz nannte explizit den „völlig mit Aluminiumfolie ummantelten“ Hörsaal der neuen Zahnklinik. Er spielte aber vermutlich ebenso auf das 1959 im Institutsviertel fertiggestellte Hörsaalgebäude für Pharmazie, Physiologie und Biochemie an, dessen äußeres Erscheinungsbild in der

117Freese 1965 – Die bauliche Situation der Universität, S. 49-51. 118Vgl. Müller 1963 – Die langfristige Bauplanung der Universität, S. 54 und Freese 1965 – Die bauli- che Situation der Universität, S. 49 f. Siehe ebenfalls: Hauptstaatsarchiv Stuttgart [Februar 1964] – Sitzung des Unterausschusses Bauvorhaben; Hauptstaatsarchiv Stuttgart 30.11.1964 – Der Rek- tor der Universität Freiburg; Angelpunkt einer größeren Universität (1964). In: Badische Zeitung, 03.12.1964; Das breite Fundament der Wissenschaften. Raumprobleme der Universität Freiburg (1965). In: Badische Zeitung, 06.03.1965. 119Siehe Ralf Lange (2003): Architektur und Städtebau der sechziger Jahre. Planen und Bauen in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR von 1960 bis 1975. Bonn, S. 14. 120Schulz 9.2.1960 – In diesen heil’gen Hallen.

138 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit

Tat von massiven, „fensterlosen Betonkörpern“ bestimmt wurde. 121 Der Einsatz des „Unge- schliffenen“ und „Elementa- ren“ war nun selbst im re- präsentativen Universitäts- zentrum nicht mehr ver- pönt. Otto Ernst Schwei- zer, der Architekt des zwei- ten Kollegiengebäudes, hat- te sich Mitte der 1950er Jahre v.a. aus Gründen der Repräsentativität noch energisch gegen eine rei- ne Betonfassade gewehrt und stattdessen den tradi- tionellen Freiburger Sand- stein verwenden lassen. Der neue Erweiterungsbau im Zentrum nahm auf solche Bedenken keine Rücksicht mehr. Das Gebäude setzte nicht nur im Innenraum, son- dern v.a. auch außen flä- chendeckend Rohbeton ein. Flankiert von zwei Bau- Abbildung 19: Chemisches Institut ten mit charakteristischer Sandsteinfassade wirkte das dritte Kollegiengebäude wie ein Fremdkörper und wurde in der Bevölkerung wegen seiner „kalten“ Betonmauern durchaus kritisch beurteilt (Abb. 18).122 Während der Einsatz von Sichtbeton bei Planern und Architekten seinen Schrecken verloren zu haben schien, stellte der Hochhausbau zumindest im Universitätszentrum v.a. aus städtebaulichen Gründen weiterhin keine Option dar. Schon bei dem Archi- tektenwettbewerb für das zweite Kollegiengebäude war die „Einhaltung der städtischen Dachsilhouette“ eines der wichtigsten Auswahlkriterien gewesen. Gerade im Altstadtbe- reich mit der traditionellen Dominante des Münsterturms spielte dieser Gedanke eine entscheidende Rolle.123 Aus diesem Grund ordnete sich auch der Erweiterungsbau im Universitätszentrum der „städtebaulichen und baugeschichtlichen Einheit“ in Freiburg

121Bühler (Hg.) 2007 – Bauen für Forschung und Lehre, S. 58 f. 122So: Eine Oase in der Freiburger 1.3.1968. 123Otto Ernst Schweizer (1956): Der Neubau eines zweiten Kollegiengebäudes am Werthmannplatz. In: Mitteilungen des Verbandes der Freunde der Universität Freiburg (Frühjahr), S. 4-7, hier S. 4 f.

139 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 unter.124 Wie an anderen Hochschulen der Bundesrepublik125 gewann das „unvermeidliche Hoch- haus“, die – so der Architekturkritiker Eberhard Schulz – „charakteristische und doch nichtssagende Baugestalt unserer Zeit“126 trotzdem auch an der Albert-Ludwigs-Univer- sität schon seit Ende der 1950er Jahre zunehmend an Präsenz. In den Instituts- und Klinikbereichen entstanden nun mehrere Bauten, die der Hochschule und der Stadt eine völlig neue „Silhouette“ verliehen, wie es ein Beitrag aus der „Badischen Zeitung“ vom 5. Mai 1964 ausdrückte. 127 Dazu gehörten die neuen physikalischen (Abb. 19) und che- mischen Institute (Abb. 20), aber v.a. auch die im Jahr 1964 fertiggestellte Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. In der Lokalpresse, wo die bauliche Entwick- lung der Hochschule in Text und Bild begleitet wurde, bekam die Hoch- hausarchitektur der Al- bert-Ludwigs-Universität meist gute Kritiken. Das neue physikalische Insti- tut sei „Mittelpunkt und Blickfang“ der Natur- wissenschaften, hieß es etwa in einem Artikel der „Badischen Zeitung“ vom 11. März 1960. Als „Zweckbau“ vielleicht et- Abbildung 20: Physikalisches Institut was „nüchtern“, füge sich das Gebäude dennoch gut in die „Gesamtkonzeption“ des Institutsviertels ein.128 Besondere Aufmerksamkeit in der Presse erlangte zu Beginn der 1960er Jahre der Neu- bau der HNO-Klinik. Schon in einem sehr frühen Stadium sprach die „Badische Zeitung“ im November 1960 von einer „kühnen Konzeption“ und der „eleganten Linienführung“.129 Die neue Klinik war, wie die Lokalpresse nicht müde wurde zu erwähnen, nicht nur das bisher teuerste Bauvorhaben der Universität, sondern mit 50 Metern auch das „höch- ste weltliche Gebäude“ der Stadt und damit schlicht das „Haus der Superlative“.130 Am

124Freese 1965 – Die bauliche Situation der Universität, S. 54. 125Hochhausbauten prägten zum Beispiel das Bild der neugegründeten Hochschulen. Vgl. etwa die Bei- träge in Beuckers 2010 – Architektur für Forschung und Lehre. Speziell über Bochum hatte auch der Architekturkritiker Schulz in seinem Beitrag gesprochen: Eberhard Schulz (1963): Universität nach Maß. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.03.1963. 126Ebd. 127Das neue Gesicht des Klinikviertels (1964). In: Badische Zeitung, 05.05.1964. 128Im Freiburger Institutsviertel (1960). In: Badische Zeitung, 11.03.1960. 129Ein neuer stattlicher Klinikbau (1960). In: Badische Zeitung, 12.11.1960. 130Alles für Auge und Ohr 17.12.1960; Das Haus mit den Superlativen (1961). In: Badische Zeitung, 20.06.1961.

140 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit

Ende der 1960er Jahre wurde die Klinik vom neuen Chemie-Hochhaus in dieser Rolle abgelöst.131 Bei der Freiburger Bevölkerung forderten die neuen Wissenschaftshochhäuser offen- bar größeren Widerstand heraus. Diese Art des Bauens, hieß es in der „Badischen Zei- tung“, sei in Freiburg bislang nicht sonderlich beliebt, weil sie nach Ansicht nicht weniger Freiburger den „Charakter“ der Stadt „verfälschte“.132 Tatsächlich hatten Anwohner bei- spielsweise zu Beginn der 1960er Jahre versucht, den Bau des Physik-Hochhauses zu verhindern.133 Ästhetische oder gestalterische Aspekte, wie sie bei der Kritik aus der Bevölkerung im Mittelpunkt standen, spielten bei den Planungen der Albert-Ludwigs-Universität nur eine sehr untergeordnete Rolle. Es ging auch nicht darum, eine dezidiert „neuzeitliche Baugesinnung“ zu demonstrieren.134 Der Hochhausbau war für die Verantwortlichen im Universitätsbauamt in erster Linie ein Mittel, um den enormen Raumbedarf der Hoch- schule bei einer zunehmenden Knappheit an Baufläche möglichst effektiv zu bewälti- gen.135

Ausbau der Personalstellen Neben der baulichen Entwicklung stand vor allen Dingen die Expansion des Lehrkörpers im Fokus des Wissenschaftsrats. Insbesondere im Bereich des Stellenausbaus waren die „Empfehlungen“ eine wichtige Richtschnur, an der sich Hochschulen und Politik beinahe peinlich genau orientierten. Die personelle Expansion sollte nach Ansicht des Wissenschaftsrats zwar auch den Bereich des Mittelbaus umfassen, zielte jedoch in erster Linie auf eine Vermehrung der Professuren ab.136 Das Erweiterungsprogramm war dabei nicht ausschließlich auf die Be- wältigung des Massenproblems ausgerichtet. Es ging ebenso darum, auf die Entwicklung zu einer zunehmend „arbeitsteiligen“ und personalintensiveren Forschung zu reagieren und der wissenschaftlichen Spezialisierung Rechnung zu tragen. Im Mittelpunkt stand dennoch der Versuch, das schwerwiegende Missverhältnis zwischen Lehrenden und Ler- nenden zu korrigieren.137 Die Empfehlungen von 1960 rechneten mit einem Bedarf von ca. 1200 zusätzlichen Lehrstühlen an den Hochschulen der Bundesrepublik. Für die Albert-Ludwigs-Universität hatte man 47 neue Professuren vorgesehen. Der Wissenschaftsrat entwickelte keinen ge- nauen Zeitplan, ging aber davon aus, dass seine Vorschläge bis 1964 weitgehend umge- setzt werden konnten.138 Gemessen an diesem Programm verlief die Expansion des Hochschulwesens in der Tat erfolgreich. Wie der Wissenschaftsrat in einer ersten Bilanz 1967 festhielt, hatte man die

131Die Chemiker ziehen in ihr Hochhaus. Mit fast 53 Metern das größte Hochhaus und mit 28 Millionen Mark das teuerste im Institutsviertel (1968). In: Badische Zeitung, 17.01.1968. 132Das neue Gesicht des Klinikviertels 5.5.1964. 133Freese 1962 – Der Neubau des Physikalischen Instituts. 134Das neue Gesicht des Klinikviertels 5.5.1964 135Freese 1962 – Der Neubau des Physikalischen Instituts. Vgl. bereits: Ein neues Hochhaus im Insti- tutsviertel 3.7.1957 (über das geplante physikalische Institut). 136Wissenschaftsrat 1960 – Empfehlungen zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen, S. 61 f. 137Ebd., S. 40-45, S. 49-51 und S. 59-61. 138Ebd., S. 157-160, für Freiburg S. 208-215.

141 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 ursprünglichen Ziele sogar deutlich übertroffen. Zwischen 1960 und 1966 waren demnach mehr als 1700 ordentliche Professuren entstanden. Das entsprach einem Wachstum von über 50 Prozent. Das wissenschaftliche Personal an den Hochschulen hatte sich nach den statistischen Angaben des Wissenschaftsrats insgesamt mehr als verdoppelt.139 An der Albert-Ludwigs-Universität wurden allein zwischen 1960 und 1966 nicht weni- ger als 45 Professuren neu errichtet. Nimmt man die Positionen im Mittelbau hinzu, hat sich die Zahl der Stellen in diesem Zeitraum auch in Freiburg mehr als verdoppelt.140 Ein besonderer Schwerpunkt lässt sich in diesem Zusammenhang nur schwer ausmachen. Die Expansion betraf sämtliche Fakultäten und Fachgebiete. Viele Disziplinen wurden in erster Linie deshalb mit zusätzlichen Stellen versorgt, um die aufgrund der wachsenden Studierendenfrequenz deutlich gestiegene Lehrbelastung besser auffangen zu können. Eine solche Motivation lässt sich für zahlreiche sprach- und literaturwissenschaftliche Fächer (insbesondere Germanistik) ebenso nachweisen wie für die Medizin, die großen naturwissenschaftlichen Disziplinen (Physik, Chemie, Biologie, Geographie), die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Mathematik, Jura, oder auch für die Geschichtswissen- schaft. Zur gleichen Zeit entstanden aber auch neue Professuren in Kleinstfächern bzw. Spezialgebieten wie Orientalistik, Kristallographie, Forstwissenschaft oder Limnologie – als Resultat wissenschaftlicher Ausdifferenzierungsprozesse oder gesellschaftlicher Ent- wicklungen etwa sowie zur Stärkung traditioneller Freiburger Schwerpunkte.141

Neugründungen Neben dem Ausbau der bestehenden Hochschulen rückte seit den frühen 1960er Jahren auch die Gründung neuer Universitäten ins Visier von westdeut- schen Bildungsplanern.142 Diese Projekte waren immer wieder Gegenstand lebhafter und durchaus kontroverser öffentlicher Diskussionen. Schon in seinem ersten großen Gutachten von 1960 hatte der Wissenschaftsrat die Möglichkeit von Neugründungen – drei Universitäten und eine technische Hochschule – erwogen, um den Studienbetrieb in Massenfächern zu entlasten und eine zusätzliche „Erweiterung der Ausbildungskapazität“ zu erzielen. Zur gleichen Zeit bot der Aufbau neuer Universitäten nach Ansicht der Bildungsplaner allerdings auch die große Chance, ambitionierte Reformmodelle mehr oder weniger ungestört von „hinderlichen“ Traditio- nen realisieren zu können.143 Als der Wissenschaftsrat wenig später, im Jahr 1962, seine „Anregungen zur Gestalt neuer Hochschulen“ publizierte, stellte er diesen Aspekt der

139Wissenschaftsrat 1967 – Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau, S. 21-25 und die Tabellen auf S. 320-345. 140Ebd., S. 325-332 (Tabelle 16). 141Vgl. zur Expansion die Staatshaushaltspläne des Landes Baden-Württemberg, wo die Zu- und Ab- gänge bei den Stellen an Hochschulen und Universitäten des Landes im Detail aufgeführt sind: Baden-Württemberg / Finanzministerium (Hg.) (1954 ff.): Staatshaushaltsplan des Landes Baden-Württemberg. Stuttgart. Informationen erhält man außerdem aus den Annalen der Univer- sität Freiburg. Stellenanträge der Albert-Ludwigs-Universität und deren Begründung finden sich in den Haushaltsakten des Universitätsarchivs Freiburg. 142Vgl. insbesondere Rudloff 2007 – Die Gründerjahre des bundesdeutschen Hochschulwesens. 143Wissenschaftsrat 1960 – Empfehlungen zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen, S. 51-56. Rudloff 2007 – Die Gründerjahre des bundesdeutschen Hochschulwesens bezeichnet die Neugrün- dungsprojekte zurecht als entscheidendes „Experimentierfeld“ der Hochschulreform.

142 3.2 Hochschulexpansion und Öffentlichkeit

strukturellen Erneuerung sehr viel stärker in den Vordergrund.144 Hochschulausbau und Hochschulreform wurden von zeitgenössischen Beobachtern häu- fig in ein Spannungsverhältnis gestellt. In der Diskussion um Neugründungsprojekte war diese Tendenz besonders auffällig.145 Nach Ansicht des Tübinger Soziologen Ralf Dah- rendorf bildete die schwierige Verbindung von Expansion und „innerer Reform“ nicht weniger als das „Grundproblem moderner Bildungspolitik“, wie er in einem Beitrag für die „Zeit“ vom 2. Oktober 1964 betonte. An einer integrative Lösung führte in seinen Au- gen zwar auf lange Sicht kein Weg vorbei. Vor die Wahl zwischen „Ausbau oder Reform“ gestellt, gab der Soziologe allerdings zunächst einer quantitativen Entwicklung den Vor- zug. Schließlich verstand Dahrendorf gerade Hochschulexpansion als zentrale „öffentliche Aufgabe“, nicht nur vor dem Hintergrund der Überfüllungskrise, sondern auch wegen ihrer Bedeutung für die Verwirklichung sozialer Grundrechte.146 An der Albert-Ludwigs-Universität sorgten zu dieser Zeit v.a. die Pläne für eine Uni- versität im nicht weit entfernten Konstanz für Gesprächsstoff. Dabei stieß das Projekt in Freiburg von Anfang an auf ein zwiespältiges Echo. Eine entscheidende Rolle spielte auch hier die Spannung zwischen Expansion und Reform. Die Chance auf ein großes Reformprojekt am Bodensee wurde an der Albertina zwar durchaus begrüßt.147 Immerhin stand die Erneuerung der deutschen Universität bei Leh- renden und Lernenden schon seit Jahren auf der Agenda. Dennoch kamen gerade in studentischen Kreisen auch kritische Stimmen auf, die in erster Linie auf die Bedeutung der Konstanzer Pläne im Zeitalter der Massenhochschule verwiesen. So vermisste der Theologiestudent Emil Nutz beispielsweise eine „Harmonisierung der Bestrebungen um Hochschulreform und Kapazitätserweiterung“. Dass die Landesregierung den Bau einer neuen Universität ausdrücklich nicht mit der Überfüllung der alten Hochschulen rechtfer- tigen wollte und scheinbar „jede Begegnung mit dem Massenproblem“ beinahe ängstlich zu vermeiden suchte, hielt Nutz schlicht für realitätsfremd. Jedes Reformprojekt musste in den Zeiten der Massenuniversität gleichzeitig auch „Entlastungshochschule“ sein.148

144Siehe Wissenschaftsrat (1962): Anregungen des Wissenschaftsrates zur Gestalt neuer Hochschu- len. Tübingen. 145Vgl. etwa Helmut Schelsky (1961): Wie gründet man Universitäten? Konstruktives und Kritisches zu den Hochschulneugründungen in Westdeutschland. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.10.1961 und Ludwig Raiser (1961): Mut zur Gründung neuer Hochschulen. Eine Entgegnung. In: Frank- furter Allgemeine Zeitung, 15.11.1961 146Ralf Dahrendorf (1964): Expansion oder Reform. In: Die Zeit, 02.10.1964. Ähnlich u.a. Moser 27.4.1962 – Universitäten mit Mammutinstituten oder Ernst Laurenze (28.05.1962): Wohin mit den Studenten? Das Dilemma der Hochschulreform. Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, P 01993. Vgl. auch die Stellungnahme von Ignaz Bender (03.11.1962): Die Studenten und die neue Universität. Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, P 3320 UKO. Der in der Hochschulpolitik überaus engagierte Freiburger Student Bender forderte hier die „sofortige“ Planung von „minde- stens zehn neuen Hochschulen“, um das Massenproblem in den Griff zu bekommen, den „Bedarf an wissenschaftlich Ausgebildeten“ zu decken und auf diesem Weg Gefahren für die „Staats- und Ge- sellschaftsordnung“ abzuwenden. 147Siehe u.a. Hanno Kühnert (1959): K. u. K. Universitätspläne. In: Freiburger Studentenzeitung 9 (6) oder: Zur Gestaltung der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Konstanz (1965). In: Freiburger Universitätsblätter 4 (7), S. 55-58. 148Emil Nutz (1963): Reformmodell oder Extravaganz. Zur Hochschulneugründung in Baden-

143 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Besonders im Visier der Kritik stand die in Konstanz geplante Beschränkung auf 3000 Studierende – für den Freiburger Studenten Hans Born reine „Utopie“. Das „Problem der Überfüllung“, so Born in der Februarausgabe 1964 der FSZ, bereitete den westdeut- schen Hochschulen seit Jahren mit Abstand am meisten Sorgen. „Zwerguniversitäten“ wie Konstanz konnten zur Lösung dieses Problems keinen Beitrag leisten und waren deshalb nicht nur hochschulpolitisch „unsinnig“, sondern auch ein Schlag ins Gesicht für andere Universitäten wie Freiburg. Die baden-württembergischen Hochschulgründer um Ministerpräsident Kiesinger, resümierte Born, flüchteten sich vor den „drängendsten Problemen“ in „idyllische Schöngeisterei“. Aus diesem Grund war das Bodensee-Projekt für ihn weniger „vorbildliches Modell“ denn „abschreckendes Beispiel“.149 Die Universität Konstanz nahm schließlich im Jahr 1966 den Lehr- und Forschungs- betrieb auf.150 Tatsächlich blieben die Studentenzahlen zunächst gering. Erst gegen En- de der 1970er Jahre wurde die Marke von 3000 Studierenden erstmals übertroffen.151 Auch jenseits von Konstanz trugen die Bemühungen um neue Universitäten in der Bun- desrepublik bald Früchte. Bis zum Ende des Jahrzehnts konnten neben Konstanz u.a. Bochum, Bielefeld, Regensburg und Augsburg die ersten Studierenden begrüßen. Nach 1970 folgten dann zahlreiche weitere Hochschulen, zum Beispiel Kaiserslautern, Bremen, Bamberg oder Passau.

Die Erweiterung der Hochschulkapazitäten machte im Lauf der 1960er Jahre also durch- aus beachtliche Fortschritte. Trotzdem reichten die Maßnahmen nicht aus, um der nahezu omnipräsenten „Überfüllungskrise“ entscheidend entgegensteuern zu können, insbeson- dere in den großen Massenfächern.152 Dass man „der Unordnung im Studienbetrieb unse- rer Hochschulen“ mit einer quantitativen Entwicklung allein nicht angemessen begegnen konnte, musste auch der damalige Vorsitzende des Wissenschaftsrats Ludwig Raiser bald eingestehen. Um die Probleme in den Griff zu bekommen, formierte man im Jahr 1964 einen neuen Ausschuss, der sich – jenseits der ursprünglich formulierten Aufgabenfelder des Gremiums – mit den Möglichkeiten einer Studienreform beschäftigen sollte.153 Die nun verstärkt einsetzende Debatte über eine Erneuerung des akademischen Studi- ums gehörte zu den zentralen Aspekten eines weit verzweigten Reformdiskurses, der die

Württemberg. In: Freiburger Studentenzeitung 13 (5), S. 8-9. 149Hans Born (1964): Die Utopie von Konstanz. In: Freiburger Studentenzeitung 14 (2), S. 5-6. Vgl. Carl-Christian Kaiser (09.03.1963): Universitäten von morgen. Eine Reise zu den „Projekten“. Hi- storisches Archiv des SWR Baden-Baden, P 3325 UKO, besonders S. 18-22. Der Journalist Kaiser warf hier die Frage auf, ob mit der Konstanzer Reformkonzeption nicht der „Ansatz zu einer Zweitei- lung des deutschen Universitätssystems“ in Forschungs- oder Eliteuniversitäten auf der einen, reinen Ausbildungshochschulen für die breite Masse auf der anderen Seite gelegt werden könnte. 150Vgl. zur Konstanzer Universitätsgeschichte Hans Robert Jauß (Hg.) (1977): Gebremste Reform. Ein Kapitel deutscher Hochschulgeschichte, Universität Konstanz 1966-1976. Konstanz sowie Ralf Dahrendorf (2007): Gründungsideen und Entwicklungserfolge der Universität. Zum 40. Jahrestag der Universität Konstanz. Konstanz (Konstanzer Universitätsreden, 227). 151Siehe die entsprechenden Bände in Statistisches Bundesamt (Hg.) 1952 ff. – Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik. 152Wissenschaftsrat 1967 – Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau, S. 12 f. und S. 49. 153Bartz 2007 – Der Wissenschaftsrat, S. 82.

144 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

deutschen Hochschulen, die Politik und die massenmediale Öffentlichkeit während der 1960er Jahre in Atem hielt. Die Diskussion um Erneuerung der Universität ist Thema des folgenden Kapitels.

3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

Seit Ende der 1950er Jahre entfaltete sich in der westdeutschen Öffentlichkeit eine leb- hafte Diskussion über eine Erneuerung der Hochschulen. Die Auseinandersetzung kreiste um zwei Leitbegriffe: Rationalisierung und Demokratisierung.154 Die langen 1960er Jahre waren von Demokratisierungsprozessen in allen Bereichen der Gesellschaft geprägt.155 Vor diesem Hintergrund geriet auch die Verfassung der deutschen Hochschulen zunehmend auf den Prüfstand. Immer lautstärker artikulierte sich nun Kri- tik an der vermeintlich „undemokratischen“ Struktur der alten „Ordinarienuniversität“. Forderungen nach Demokratisierung des westdeutschen Hochschulwesens – durch erwei- terte Mitspracherechte für Studierende etwa oder eine Neuorganisation von Forschung und Lehre – bestimmten die öffentliche Universitätsdebatte in den 1960er Jahren maß- geblich mit. Rationalisierung bezog sich im Zeitalter der „Planungseuphorie“ auf ein rational- planvolles Vorgehen in der Hochschulpolitik, aber auch auf die inhaltliche Ausrichtung der Reform. Beispielsweise sollte die „aufgeblähte“ Selbstverwaltung in den Fakultäten effizienter, das traditionelle Rektorat durch eine professionelle und langfristig operieren- de Universitätsspitze abgelöst werden. Im Brennpunkt des öffentlichen Interesses stand jedoch das Problem der Studienreform, das man in dieser Zeit ebenfalls vorwiegend un- ter dem Gesichtspunkt der Rationalisierung diskutierte. Dabei gerieten Grundpfeiler des klassischen Universitätsideals wie der universale Bildungsauftrag oder die akademische Freiheit ins Wanken.

3.3.1 Universität als Berufsschule? Studienreform in den 1960er Jahren Der Wissenschaftsrat hatte seine Empfehlungen aus dem Jahr 1960 fast ausschließlich dem quantitativen Ausbau des deutschen Hochschulwesens gewidmet. Zwar äußerte man sich zu einzelnen Reformaspekten. Mit der beabsichtigten Verstärkung des Mittelbaus bereitete das Erweiterungsprogramm außerdem durchaus einen Strukturwandel an den Universitäten vor. Trotzdem stellte das Gutachten keinen Reformplan im eigentlichen Sinn dar. Der Wissenschaftsrat verzichtete ausdrücklich darauf, ein „eigenes System einer

154Vgl. Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 4-6. 155Vgl. Moritz Scheibe (2002): Auf der Suche nach der demokratischen Gesellschaft. In: Ulrich Herbert (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945-1980. 2. Aufl. Göttingen, S. 245-277.

145 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Hochschulreform zu entwickeln“, und konzentrierte sich zunächst ganz bewusst auf das, was in seinen Augen „machbar“ erschien. Wie seine Vorgänger in der Nachkriegszeit hielt das Gremium an der hergebrachten Struktur der deutschen Universität und des akademischen Studiums fest.156 Nach dem Krieg waren Bemühungen um Hochschulreform von einer Suche nach „geisti- ger Rückbesinnung“ gekennzeichnet gewesen. Praktisch alle Beteiligten – Hochschulleh- rer, Studierende, Politiker – plädierten eindringlich für die Reaktivierung einer deutschen Universitätstradition, die man in der Regel auf die Berliner Universitätsgründung zu Be- ginn des 19. Jahrhunderts zurückführte und die – wie es hieß – im Nationalsozialismus verschüttet worden war. Ein wissenschaftliches Studium sollte demnach nicht nur fach- liches Wissen vermitteln, sondern auch eine breit gefächerte Allgemeinbildung ermög- lichen und zur charakterlichen Formung der Studierenden beitragen. Wissenschaftliche universitas, Einheit von Forschung und Lehre, oder Bildung durch Wissenschaft waren Leitbegriffe dieser Rückbesinnungsdiskussion.157

Studienreform: Die Debatte in den Medien In den Jahren um 1960 geriet diese Konzeption eines allgemein- und menschenbildenden Studiums zunehmend unter Druck. Während der Wissenschaftsrat seine reformerischen Ambitionen vorerst noch zurückstellte, erhielt das Problem der Studienreform spätestens seit dem letzten Drittel der 1950er Jahre gerade in der Tages- und Wochenpresse ein öffentlichkeitswirksames Forum. Neben den Redaktionsmitgliedern selbst kamen dabei immer wieder auch Hochschullehrer oder Politiker zu Wort. Ohne die Idee der „Hum- boldtschen Universität“ grundsätzlich in Frage zu stellen, setzten sich viele Beiträge in der „Zeit“, dem „Spiegel“ oder der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ für eine – mal mehr, mal weniger radikale – Erneuerung des akademischen Studiums ein. In diesem Sinn fungierte die Presse als „Reformmotor“. Die Notwendigkeit einer Studienreform wurde auf der einen Seite mit der Überfüllung der Hochschulen begründet. So stellte etwa der Frankfurter Jurist Helmut Coing am 23. März 1956 in der „Zeit“ desillusioniert fest, dass der Massenbetrieb das „Unterrichts- system der deutschen Universitäten weitgehend gesprengt“ hatte. In den überfüllten Seminaren und Übungen ging der persönliche Kontakt zwischen Lehrenden und Lernen- den – ein zentraler Baustein dieses „Systems“ – immer mehr verloren. An der anonymen Massenuniversität, wo nur noch „wenig persönliche Anleitung“ durch den Professor ge- boten wurde, schienen viele Studierende von der oft gerühmten akademischen Freiheit überfordert.158 In erster Linie hielt man eine Reform des Studiums allerdings deshalb für notwendig, weil sich gesellschaftliche Anforderungen und Erwartungen gegenüber den Hochschulen verändert hatten. Die Universität wurde nun viel stärker als „Ausbildungsanstalt“ denn

156Vgl. Wissenschaftsrat 1960 – Empfehlungen zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen, S. 37 f.; Bartz 2007 – Der Wissenschaftsrat, S. 62-69. 157Zeitgenössisch bspw. Jaspers 1946 – Die Idee der Universität, S. 9-11. Vgl. Paletschek 2002 – Die Erfindung der Humboldtschen Universität. Siehe auch Kap. 2.1 dieser Arbeit. 158So Coing 23.3.1956 – Entwicklungsprobleme der deutschen Hochschule.

146 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

als universale Bildungsstätte verstanden, als „Produktionsort“ hochqualifizierter Kräfte für eine sich im Wandel befindliche Gesellschaft. Gerade vor diesem Hintergrund stellten die oft beklagte Orientierungslosigkeit an der Massenuniversität und die daraus resul- tierenden langen Studienzeiten eine Herausforderung dar. Denn so verschärfte sich nicht nur die ohnehin schon problematische Überfüllung der Hochschulen. Dem Arbeitsmarkt wurden zudem dringend benötigte Kräfte vorenthalten.159 Zwar blieben die alten Ideale weiterhin eine wichtige Referenz der Universitätsdiskussion. Dennoch plädierten viele Beobachter für Verschiebungen im Spannungsfeld zwischen Bildung und Ausbildung.160 So proklamierte der Münchner Anglist Wolfgang Clemen am 12. Juni 1959 in der „Zeit“, dass die Universität zwar eine „schlechte Fachschule“ darstellte und das alte Bil- dungsverständnis auch in der Zukunft seine Berechtigung behalten würde. Allerdings ging ein großer Teil der Studierenden heute, wie er glaubte, tatsächlich „mit anderer Zielsetzung“, aus anderen Motiven und mit anderen „geistigen Voraussetzungen“ an das Studium heran. So geriet die Universität nach Meinung von Clemen immer mehr in einen „Zwiespalt“ zwischen unterschiedlichen Erwartungshaltungen, zwischen „Bildung“ und „Ausbildung“. Die große Aufgabe bestand in seinen Augen darin, diese verschiede- nen Anforderungen miteinander in Einklang zu bringen. Laut Clemen ging es darum, die Ausbildung zu „verbessern“ und „neuen Gegebenheiten“ anzupassen, gerade „im Hin- blick auf die Berufserfordernisse“. Trotzdem sollte auch im „jetzigen Universitätsbetrieb“ ein „Stück der echten Universität“ nicht nur „bewahrt“, sondern sogar „intensiviert“ wer- den.161 Um dem Massenbetrieb, den veränderten gesellschaftlichen Anforderungen und den Rufen nach kürzeren Studienzeiten Rechnung zu tragen, bemühten sich Reformer in er- ster Linie um eine „Rationalisierung“ des Studiums.162 Die Auseinandersetzung drehte

159In der Diskussion über Studienzeiten erregten insbesondere die Beiträge des CDU- Bundestagsabgeordneten in Massenmedien und Parlamentsdebatten öffentliche Aufmerksamkeit, bspw. Hans Dichgans (1963): Erst mit Dreißig im Beruf. Das Ärgernis der langen akademischen Ausbildung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.10.1963. Zu Dichgans’ Biographie: Wolfgang Löhr (1993): Dichgans, Hans. In: Siegfried Koss; Wolfgang Löhr (Hg.): Biographisches Lexikon des KV. Band 2. Schernfeld (Revocatio Historiae, 3), S. 265-270. Vgl. Rudloff 2007 – Die Gründerjahre des bundesdeutschen Hochschulwesens, S. 80 sowie Lechner 2007 – Gesellschaftsbilder in der deutschen Hochschulpolitik, S. 112-118. 160Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 33-42; Vgl. Lechner 2007 – Gesellschaftsbilder in der deutschen Hochschulpolitik, S. 114. 161Wolfgang Clemen (1959): Universitäten sind schlechte Fachschulen. Was bei einer Hochschulreform nicht vergessen werden sollte (III). In: Die Zeit, 12.06.1959 und Ders. (1959): Welchen Ansprü- chen können Universitäten genügen? Was bei einer Hochschulreform nicht vergessen werden sollte (IV). In: Die Zeit, 19.06.1959. Ähnlich u.a. Helmut Schelsky (1957): Die Universitäten als Be- rufsvorbereitungsanstalten. In: Die Zeit, 24.10.1957; Ritter 19.10.1960 – Die Universität darf nicht Berufsschule; Bruno Lenz (30.01.1962): Die innere Reform der Universität. Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, 4/I/62; Wolfgang Clemen (1962): Für und wider die akademische Freiheit. In: Die Zeit, 26.10.1962; Der weiße Traum (1962). In: Der Spiegel, 22.08.1962; Hans Wenke (1963): Er verbindet Theorie und Praxis. Ein Porträt des „Akademikers“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.05.1963; Georg Picht u.a. (1964): Dauern Schule und Schulzeit zu lange? Eine Frage und ih- re Beantwortung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.12.1964; Günther von Lojewski (1965): Student auf Zeit. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.07.1965; Ders. 4.12.1965 – Das Studium. 162Die Diskussion hochschuldidaktischer Fragen nahm erst in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre an

147 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 sich einerseits um Studieninhalte. So klagten nicht wenige Beobachter über eine kaum mehr zu bewältigende „Stoffülle“ in vielen Disziplinen und den mangelnden Praxisbezug des Studiums. In gewisser Weise sollten Lehrpläne also „entrümpelt“ und mit genauem Blick auf das Ausbildungsziel neu ausgerichtet werden.163 Im Mittelpunkt der öffentli- chen Diskussion standen jedoch v.a. Probleme der Studienorganisation. Dabei liefen die nicht selten von den angloamerikanischen Hochschulsystemen inspirierten Erneuerungs- vorschläge auf eine Beschränkung der akademischen Freiheit, aber auch auf eine stärkere Trennung von Forschung und Lehre an der Universität heraus.164 Typisch für den zeitgenössischen Reformdiskurs war eine Umstrukturierung des Studi- ums, wie sie der überaus aktiv an der öffentlichen Diskussion beteiligte Wolfgang Clemen am 19. Juni 1959 in der „Zeit“ präsentierte. Clemen schlug dort vor, die akademische Ausbildung in verschiedene Phasen zu gliedern. Dazu gehörte zunächst ein Grundstudi- um, das unter stärkerer „Anleitung“ und „Kontrolle“ stehen, festen Studienplänen folgen und durch eine Zwischenprüfung abgeschlossen werden sollte. In diesem Abschnitt des Studiums, so zumindest der Plan des Anglisten, würde die Ausbildung überwiegend in den Händen einer großen „Mittelschicht“ von Lehrkräften liegen, die tatsächlich nur „Lehrer“ waren, und nicht „Forscher“.165 Clemen machte sich also in gewisser Weise für eine bislang stets verpönte „Verschulung“ der Universität stark. Nach dem Grund- folgte das Hauptstudium, wo eine „selbständige Begegnung mit der Wissenschaft“ angestrebt wurde. Die „große Masse“ der Studenten sollte dabei v.a. den „zukünftigen Berufsnot- wendigkeiten“ nachgehen und sich lediglich mit einem sehr begrenzten Teilgebiet ihrer wissenschaftlichen Disziplin befassen Überhaupt plädierte Clemen für eine stärkere Pra- xisorientierung der akademischen Ausbildung. Nur eine kleine geistige Elite sollte die Möglichkeit erhalten, an anspruchsvollen „Oberseminaren“ teilzunehmen und auf die Promotion hinzuarbeiten.166

Fahrt auf – u.a. im Zusammenhang mit studentischen Vorlesungskritiken – und spielte dann gerade auch im Kontext der Studentenproteste eine wichtige Rolle. Vgl. etwa Peter Hemmerich (1966): Die akademische Vorlesung. In: Die Zeit, 20.05.1966 sowie Kap. 4.3.1 dieser Arbeit. 163Studieninhalte wurden z. B. von den verschiedenen Artikelserien der „Zeit“ zum Studium in der Bundesrepublik thematisiert. Vgl. etwa zur Medizin: Eigentliche Ausbildung erst nach dem Staats- examen. Wie man in Deutschland Medizin studiert (Schluß) (1959). In: Die Zeit, 24.07.1959; zur Chemie: Wie man in Deutschland Chemie studiert (1960). In: Die Zeit, 10.06.1960 sowie: Über die Kunst sich durchzuschwindeln. Wie man in Deutschland Chemie studiert (II) (1960). In: Die Zeit, 17.06.1960; zu den Rechtswissenschaften: Helmut Donau (1961): Wie man in Deutschland Rechts- wissenschaften studiert. In: Die Zeit, 10.02.1961. Immer wieder klagten die Verfasser der Beiträge über unnötigen „Ballast“ in den Studiengängen und die „Stoffülle“, von der Studenten geradezu „erschlagen“ wurden. Vgl. außerdem Der weiße Traum 22.8.1962. 164Rudloff 2005 – Ansatzpunkte und Hindernisse der Hochschulreform, S. 74 f.; Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 39-42. 165Diese „Mittelschicht“ hatte Clemen in einem früheren Beitrag der Artikelserie vorgestellt: Wolfgang Clemen (1959): Nicht jeder Universitätslehrer muß Professor sein. Was bei einer Hochschulreform nicht vergessen werden sollte (II). In: Die Zeit, 05.06.1959. Er orientierte sich dabei ausdrücklich an den lecturers und readers der amerikanischen bzw. britischen Hochschulen. 166Clemen 19.6.1959 – Welchen Ansprüchen können Universitäten genügen. Vergleichbare Ideen finden sich bei: Raiser 1959 – Die Hochschulen drohen vor ihrer; Für wen sind unsere Universitäten da? (1960). In: Badische Zeitung, 12. und 13.11.1960; Wolfgang Clemen (1961): Warnung vor Fiktionen. Idee und Wirklichkeit auf der Universität. In: Die Zeit, 08.12.1961; Heinz Theodor Jüchter (1963):

148 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

Selbst der bekannte Freiburger Historiker Gerhard Ritter, der nach dem Krieg in der Öffentlichkeit als leidenschaftlicher Verfechter der deutschen und abendländischen Universitätstradition hervorgetreten war, machte sich nun für eine Rationalisierung des akademischen Studiums stark. Seine Gedanken stellte Ritter in einem schmalen Buch mit dem Titel „Die Krisis des deutschen Universitätswesens“ vor. Eine gekürzte Fassung erschien jedoch bereits im Oktober 1960 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, die mit dem Abdruck des Aufsatzes einen Beitrag zur „längst überfälligen“, aber „so unge- mein schwierigen Reform“ der Hochschulen leisten wollte. Zu diesem Zweck hatte sie dem „bedeutenden Gelehrten“ und „erfahrenen Lehrer“ aus Freiburg das Wort erteilt. Wie vielen anderen ging es Ritter darum, die Universität den Anforderungen der Gegen- wart anzupassen und gleichzeitig als Schutzraum für das traditionelle Bildungsideal zu bewahren. So plädierte auch der Freiburger Historiker mit Blick auf die amerikanischen Hochschulen für eine Trennung zwischen Grund- und Hauptstudium, für die Einführung von Zwischenprüfungen, eine „straffere Führung“ der „Durchschnittsstudenten“ und die Schaffung einer allein in der Lehre tätigen „Mittelschicht“ von Hochschullehrern, die er als „wissenschaftliche Räte“ bezeichnete. Entlastet von der großen Masse der Studie- renden konnten die exklusiven „Oberseminare“ laut Ritter wieder zu „Pflanzstätten der lebendigen Forschung“ werden.167 Die zahlreichen Vorschläge zur Umstrukturierung des Studiums hatten u.a. auf eine höhere „Durchlaufgeschwindigkeit“ der Studierenden abgezielt. Gegen Mitte der 1960er Jahre diskutierte man dann zunehmend auch unmittelbare Möglichkeiten der Studien- zeitverkürzung. Die Rektorenkonferenz plädierte 1965 sogar für die Zwangsexmatrikula- tion von Langzeitstudenten, was natürlich besonders im studentischen Umfeld mit Em- pörung aufgenommen wurde, aber auch in der massenmedialen Diskussion insgesamt auf ein fast durchweg negatives Echo stieß. Vielen Beteiligten drängte sich der Eindruck auf, dass die WRK hier lediglich ein „Symptom“ – die überlangen Studienzeiten – bekämpfte, eine Auseinandersetzung mit dessen tieferen Ursachen aber scheute. Auf dem Weg der Bürokratie, schrieb der Journalist Dieter E. Zimmer in der „Zeit“, versuchte man ein Ziel zu erreichen, das eigentlich nur das Ergebnis einer ganzen Reihe von Reformschritten sein konnte. Dazu gehörten laut Zimmer u.a. eine „straffere Anlage“ des Studiums oder eine „realistische Abgrenzung des Prüfungsstoffs“.168 Trotzdem wurden Studienzeitbe-

Der Einstieg in die Wissenschaft. Studienreform nach den Vorstellungen des Verbandes Deutscher Studentenschaften. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.04.1963; Reform der Studien. Worüber zur Zeit debattiert wird (1964). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.03.1964; Karl Korn (1965): Forschung und Lehre trennen? Vorstoß gegen ein geheiligtes Prinzip der deutschen Universitäten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.02.1965; Gerhard Weise (1965): „Weltrekorde“ deutscher Bildungspolitik. In: Badische Zeitung, 20.11.1965; Lojewski 4.12.1965 – Das Studium. 167Ritter 19.10.1960 – Die Universität darf nicht Berufsschule. 168Vgl. Dieter E. Zimmer (1965): Ein Symptom wird verboten. In: Die Zeit, 23.07.1965. Ähnlich Lo- jewski 29.7.1965 – Student auf Zeit. Siehe auch den Überblick über die Pressestimmen zum WRK- Vorschlag: Operation am Symptom (1965). In: Freiburger Studentenzeitung 15 (6), S. 9-10. Als Beispiel für studentische Kritik Hanno Kühnert (1965): Studenten raus! Wie manche Professoren Hochschulprobleme lösen möchten. Neue Blüte des Bildungsnotstandes: Zwangsexmatrikulation. In: Freiburger Studentenzeitung 15 (6), S. 5-7 sowie v.a. Wolfgang Heinz; Heinz Theodor Jüchter (1965): Studienreform 1965. Die aktuelle Diskussion; Perspektiven. Bonn (Schriften des Verbandes

149 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 grenzungen mancherorts tatsächlich eingeführt, beispielsweise an den theologischen und philosophischen Fakultäten der Albert-Ludwigs-Universität.169

„Empfehlungen zur Neuordnung des Studiums“: Der Beitrag des Wissenschaftsrats Gegen Mitte des Jahrzehnts begann sich der Wissenschaftsrat intensiver mit dem Pro- blem der Studienreform zu beschäftigen. Nach mehrjähriger Arbeit legte das zu diesem Zeitpunkt vom späteren Bundeswissenschaftsminister Hans Leussink geführte Gremium seine Ideen im Juni 1966 der Öffentlichkeit vor. Wie schon das Gutachten von 1960 stie- ßen auch die neuen Empfehlungen auf großes Interesse. Damit rückte die Debatte über eine Erneuerung des Studiums noch stärker als zuvor in den Fokus von Universitäten und Öffentlichkeit. Der Wissenschaftsrat nahm in seinem Gutachten viele der Ideen auf, die bereits seit Ende der 1950er Jahre in der öffentlichen Diskussion zirkulierten. Im Zentrum stand er- neut der Versuch, einen Mittelweg zwischen dem traditionellen allgemein- und menschen- bildenden Studium auf der einen, sowie der Universität als reiner „Berufsbildungsstätte“ auf der anderen Seite zu finden. Das „leitende Prinzip“ des Wissenschaftsrats bildete wie bei vielen anderen Diskussionsbeiträgen zuvor eine „Differenzierung des Ausbildungszie- les in gestuften Studiengängen“.170 Das „Studium für alle Studenten“ sollte durch Stu- dienpläne, Studienberatung oder Zwischenprüfungen stärker gegliedert sein, mit einer berufsqualifizierenden Prüfung nach acht Semestern abschließen und die Studierenden zu „selbständigen, kritischem Denken“ erziehen. Es ging dem Wissenschaftsrat also aus- drücklich nicht nur um „bloße Wissensvermittlung“ und „Einübung in die Berufsarbeit“. Das zweijährige „Aufbaustudium“ orientierte sich an dem kleinen Teil der Studierenden, die „an der Forschung interessiert und für sie befähigt“ waren. Dieser Abschnitt entsprach dem bisherigen Anspruch des wissenschaftlichen Studiums. Ein sogenanntes „Kontakt- studium“ sollte Absolventen schließlich die Möglichkeit geben, ihre „wissenschaftliche Ausbildung in Abständen aufzufrischen“ und „entsprechend dem Stand der Forschung zu ergänzen“.171 Anders als seine „Empfehlungen“ aus dem Jahr 1960 wurden die neuen Vorschläge des Wissenschaftsrats durchaus kritisch aufgenommen. Teilweise kam es sogar zu po- lemischen Reaktionen. Insbesondere bekannte Geisteswissenschaftler wie Alfred Heuß deutscher Studentenschaften, 4). Bald wurden derartige Regelungen auch als „Bummelantenpara- graph“ bekannt, vgl. etwa Peter Hemmerich (1966): Studenten in Acht und Bann. In: Die Zeit, 08.04.1966. 169Studiendauer auf 14 und 16 Semester begrenzt (1965). In: Badische Zeitung, 04.08.1965. 170Wissenschaftsrat (1966): Empfehlungen zur Neuordnung des Studiums an den wissenschaftlichen Hochschulen. Bonn, S. 13-15. 171Ebd., S. 16. Vgl. zum Gutachten des Wissenschaftsrats auch Rudloff 2005 – Ansatzpunkte und Hin- dernisse der Hochschulreform und v.a. Bartz 2007 – Der Wissenschaftsrat, S. 81-90. In den folgenden Jahren wurden dann zunehmend „Kurzstudiengänge“ gefordert, die einen berufsqualifizierenden Ab- schluss nicht nach acht, sondern schon nach vier oder sechs Semestern ermöglichen sollten. Diesem Modell folgte etwa der sogenannte „Hochschulgesamtplan“ in Baden-Württemberg, vgl. Turner 2001 – Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, S. 130. Siehe zur Rezeption des Gesamtplans bei Hochschullehrern und Studierenden auch Kap. 4.3.1 dieser Arbeit.

150 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

oder Hans-Joachim Schoeps sorgten sich um die traditionellen Werte der „Humboldt- schen Universität“, befürchteten eine Aushöhlung der akademischen Freiheit und eine unzulässige „Verschulung“ des Hochschulstudiums.172 Nicht nur bei Rektoren- und Kultusministerkonferenz, sondern auch in den Massen- medien stießen die Empfehlungen dagegen weitgehend auf Zustimmung. Dem Wissen- schaftsrat sei es zu verdanken, schrieb etwa Karl Korn in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 23. Juni 1966, dass es nach Jahren nun endlich zur „entscheidenden Ausein- andersetzung“ um eine Studienreform kam. „Kern der Diskussion“ werde die Frage sein, ob eine stärker auf Berufsausbildung ausgerichtete und „verschulte“ Lehre den „Geist der Wissenschaft“ aus der Universität vertreiben würde. Korn behauptete das Gegenteil. Gerade durch eine „sinngemäße“ Umsetzung der Wissenschaftsrats-Ideen ließ sich diese Gefahr in seinen Augen abwenden. Es hing allerdings von den Professoren selbst ab, so Korn weiter, das „Normalstudium nicht in ödem Paukbetrieb versacken und versanden zu lassen“. Der Vorteil der „Radikalkur“ des Wissenschaftsrats liege v.a. darin, dass sie eine „Regeneration der Hochschule aus eigener Kraft und in eigener Machtvollkommenheit“ darstellte.173

Die Reformdiskussion an der Universität Freiburg

Durch die Publikation des Wissenschaftsrats wurde die öffentliche Diskussion über Stu- dienreform auch an der Albert-Ludwigs-Universität erneut angeheizt. Die beiden Histori- ker Gerd Tellenbach und Reinhard Mielitz hatten sich kritisch mit den Ideen des Gremi- ums befasst und unmittelbar nach dem Erscheinen des Gutachtens eigene Empfehlungen zum Studium in der philosophischen Fakultät veröffentlicht. Die Denkschrift von Mielitz und Tellenbach stieß über die Freiburger Grenzen hinaus auf Interesse und wurde u.a. von den großen deutschen Zeitungen rezipiert. So veröffentlichte die „Frankfurter Allgemei- ne Zeitung“ beispielsweise eine gekürzte Fassung des Gutachtens. „Im Grundsätzlichen“ stimmten beide mit den Vorschlägen des Wissenschaftsrats überein. Tellenbach und Mie- litz waren ebenfalls davon überzeugt, dass die Lehre in der philosophischen Fakultät zumindest während der ersten Semester bis zur Zwischenprüfung „strenger geplant“ wer- den musste, um die „Studienziele schneller und mit besseren Ergebnissen zu erreichen“. Dennoch übten die Freiburger Historiker wie ihre Kollegen Schoeps oder Heuß teilweise scharfe Kritik an dem Reformgutachten, sprachen u.a. von seiner potentiell „schädlichen Wirkung“, einer „Rosskur“, oder einem „gefährlichen Gewaltakt“. Mit den vorgesehenen Einschränkungen der akademischen Freiheit sowie der sehr weitgehenden Trennung von Forschung und Lehre im gesamten „Basisstudium“ war der Wissenschaftsrat in ihren

172Vgl. Lechner 2007 – Gesellschaftsbilder in der deutschen Hochschulpolitik, S. 115-118; Rudloff 2005 – Ansatzpunkte und Hindernisse der Hochschulreform. 173Karl Korn (1966): Studienreform durch Planung. Zu den neuen Empfehlungen des Wissenschafts- rats. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.06.1966. Vgl. u.a.: Hilke Schlaeger (1966): Der Wis- senschaftsrat schlägt vor. In: Die Zeit, 24.06.1966; Grunenberg 1.7.1966 – Empfehlungen; Rudolf Walter Leonhardt (1967): Am Wissenschaftsrat festhalten. In: Die Zeit, 20.01.1967; Peter Hem- merich (1967): Als nächstes die Prüfungsreform. In: Die Zeit, 03.03.1967; Wolfram Henckel (1967): Geordnetes Studium oder Paukschule? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.05.1967.

151 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Augen trotz vielversprechender Ansätze über das Ziel hinausgeschossen.174 Im Wintersemester nach der Veröffentlichung des Gutachtens im Sommer 1966 wurde an der Albert-Ludwigs-Universität darüber hinaus eine Veranstaltungsreihe zur „Neu- organisation der Lehre“ ins Leben gerufen, die „Probleme der Hochschulreform“ in eine „breitere Öffentlichkeit“ tragen sollte. In den vom Freiburger AStA veranstalteten „Podi- umsgesprächen“ setzten sich Professoren, Dozenten und Studierende verschiedener Fä- cher gemeinsam mit Reformmöglichkeiten in ihren jeweiligen Disziplinen auseinander.175 Dabei begegnete man den Vorschlägen des Wissenschaftsrat gerade in der philosophi- schen Fakultät mit Kritik. Der Germanist Bruno Boesch behauptete, dass die Profes- sorenschaft die vom Wissenschaftsrat vorgeschlagenen Reformschritte und tiefgreifende Veränderungen am „Humboldtschen Modell“ weitgehend ablehnte. Das, so Boesch, war nicht nur seine persönliche Einschätzung, sondern drückte im großen und ganzen sogar die Meinung der „Gesamtfakultät“ aus.176 Schließlich entwickelte sich eine lebhafte Debatte im Rahmen der Freiburger Universi- täts- und Studentenpresse. Bei den Geisteswissenschaftlern fanden die Ideen des Wissen- schaftsrats zur Studienreform auch in diesem Kontext nur selten Zustimmung. So sprach der Germanist Gerhard Baumann abschätzig von einem Modell für „Studenten ohne Ei- genschaften“. Das Konzept des Wissenschaftsrats, so Baumann, bot eine „eigentümliche Mischung von pedantischer Reglementierung und eigentümlicher Schein-Freiheit“. Der Germanist plädierte eindringlich für weniger „Planung“ und weniger „Fachschule“. Denn das akademische Studium stellte in seinen Augen vor allen Dingen ein „geistiges Wagnis“ dar.177 Naturwissenschaftler standen den Ideen des Wissenschaftsrats zur Studienreform in der Regel aufgeschlossener gegenüber als Philosophen und Historiker, das machte die Freiburger Diskussion erneut deutlich. Der Widerstand vieler Professoren gegen die Emp- fehlungen sei nicht gerechtfertigt, schrieb etwa der Physikprofessor Christoph Schlier in der Freiburger Studentenzeitung vom Februar 1967. Nicht wenige Ordinarien hingen an alten Traditionen der Universität, die mit den gegenwärtigen Aufgaben der Universität in seinen Augen aber nur noch schwer zu vereinbaren waren. Schlier machte aus seiner Unterstützung für den Wissenschaftsrat keinen Hehl und setzte sich für eine „vernünftige“ Umsetzung seiner Vorschläge ein.178 Bei den Studierenden fand das Gutachten eine gemischte Aufnahme. Die Abneigung

174Vgl. Gerd Tellenbach; Reinhard Mielitz (1966): Empfehlung zur Neuordnung des Studiums in den philosophischen Fakultäten. Mit einer Stellungnahme zu den Empfehlungen des Wissenschaftsrates. Göttingen und Reinhard Mielitz (1966): Rosskur für die philosophische Fakultät. Die Reform des Studienganges für Gymnasiallehrer. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.05.1966. 175Freiburger Wege zur Studienreform (1966). In: Badische Zeitung, 26.11.1966; Das Vorphysikum soll bleiben (1966). In: Badische Zeitung, 10.12.1966; Chemiker rennen offene Türen ein (1967). In: Ba- dische Zeitung, 13.02.1967; „Neuordnung noch längst nicht begonnen“ (1967). In: Badische Zeitung, 16.02.1967; Ist Papas Universität tot? (1967). In: Badische Zeitung, 21.02.1967. 176Ist Papas Universität tot 21.2.1967. 177Gerhart Baumann (1966): „Eigenschaften eines Modells für Studenten ohne Eigenschaften“. In: Frei- burger Studentenzeitung 16 (6), S. 4-5. Vgl.: Freiburger Empfehlungen zur Studienreform. Ist die akademische Zwischenprüfung unnötig? (1966). In: Freiburger Studentenzeitung 16 (6), S. 5 über die Vorschläge von Tellenbach und Mielitz. 178Christoph Schlier (1967): Logik der Studienreform. In: Freiburger Studentenzeitung 17 (2), S. 11.

152 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

mancher studentischer Gruppen – SDS, Sozialdemokratischer Hochschulbund, Humani- stische Studentenunion – gegen eine „Rationalisierung“ des Studiums, wie sie in Reaktion auf die Vorschläge des Wissenschaftsrats jetzt zum Vorschein kam179, verwies bereits auf ein gesellschaftskritisches Hochschulverständnis, das v.a. von der sogenannten „Neuen Linken“ beeinflusst worden war und das im Kontext der sich in den nächsten Monaten radikalisierenden Studentenbewegung große Bedeutung gewinnen sollte.180

Umsetzung der Studienreform Trotz der lebhaften Reformdebatte wurden von den Ideen zur Erneuerung des akade- mischen Studiums nach 1960 lediglich einzelne Elemente umgesetzt. Zu einem „großen Wurf“ in der Studienreform kam es nicht. Dies galt auch für die Albert-Ludwigs-Univer- sität Freiburg. Bereits in den frühen 1960er Jahren wurde hier die Einführung von Zwischenprüfungen zur „Straffung“ des Studiums erwogen – u.a. hatten sich Studierende in einer Umfrage mit großer Mehrheit für einen solchen Schritt ausgesprochen – und in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts dann v.a. in den Fächern der philosophischen Fakultät verwirklicht, wo solche Maßnahmen bis dahin unüblich gewesen waren. Darüber hinaus gab es Experi- mente mit kleineren Studiengruppen und vertiefter Studienberatung, um so gerade den frühen Semestern mehr Orientierung an der Massenuniversität zu bieten. Zur Verkürzung der Studienzeit verlegte man Kurse und Praktika zunehmend in vorlesungsfreie Zeiten. Wie auch der Wissenschaftsrat in seinem Gutachten vorgeschlagen hatte, fiel das obliga- torische „Philosophikum“ für Lehramtsstudierende im Fachbereich Naturwissenschaften weg.181 Der größte Reformeifer war in den naturwissenschaftlichen Disziplinen zu verzeichnen. Im Bereich der Physik hatte man sich etwa schon seit Beginn der 1960er Jahre gezielt darum bemüht, die Lehre für die Anfangssemester zu „verschulen“. Diese Entscheidung, so die Physikprofessoren Christoph Schlier und Theodor Schmidt im Mai 1968, habe den „Charakter der Universität als einer Hohen Schule keineswegs beeinträchtigt“, sondern eher noch befördert. Die „wesentlichen Vorschläge“ des Wissenschaftsrats waren in der Physik demnach schon seit Jahren realisiert worden.182

179Vgl. die Darstellungen der „Humanistischen Studentenunion“ und des „Sozialdemokratischen Hoch- schulbunds“: Verschulung der Universitäten? (1967). In: Freiburger Studentenzeitung 17 (3), S. 8-9; Stellungnahme zum Gutachten des Wissenschaftsrates (1967). In: Freiburger Studentenzeitung 17 (3). 180Siehe dazu Kap. 4.3.1. 181Vgl. Gerhard Mitscherlich (1965): Jahresbericht über das Rektoratsjahr 1963/64. Freiburg (Anna- len der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, 8), S. 9 f.; Panzram 1965 – Bericht über die Notlage, S. 20; Hans- Heinrich Jescheck (1966): Jahresbericht über das Rektoratsjahr 1965/66. Freiburg (Annalen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, 10), S. 15 f.; Freiburger Wege zur Studienreform 26.11.1966. 182Christoph Schlier; Theodor Schmidt (1968): Das Physikalische Institut der Universität Freiburg. In: Freiburger Universitätsblätter 7 (20), S. 51-55, hier: S. 54 f. Vgl. Bernhard Hassenstein (1968): Wissenschafts- und bildungspolitische Bestrebungen Freiburger Biologen. Vortrag zum 100jährigen Jubiläum des Zoologischen Instituts der Uni Freiburg. In: Freiburger Universitätsblätter 7 (19), S. 45-61, hier: S. 50-52.

153 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Trotz solch vereinzelter Maßnahmen erwarben sich deutsche Universitäten wegen des insgesamt doch schleppenden Reformprozesses frühzeitig den Ruf einer reformunfähi- gen und reformunwilligen Institution. Das Vertrauen in die Erneuerungsfähigkeit der Hochschulen schien bereits in der ersten Hälfte der 1960er Jahre aufgebraucht. „Eine Erneuerung der bestehenden Universitäten von innen her (Hervorhebung im Original)“, stellte Rudolf Walter Leonhardt von der „Zeit“ am 22. Februar 1963 etwa resigniert fest, war nicht mehr realistisch.183 Auch Leonhardts Kollege Karl Korn von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatte die Hoffnung aufgegeben, dass sich die Hochschulen „auf das Notwendige besinnen“, wie er in einem Beitrag vom 24. Februar 1965 bekannte. Schließ- lich seien nun schon „an die zwanzig Jahre“ ohne wirkliche Reform verstrichen. Nicht nur hatte man offenbar die Chance auf einen Neuanfang nach dem Krieg verpasst. Auch die jüngsten Diskussionen um Studienreform schienen wirkungslos zu verpuffen. Nach einigen hoffnungsvollen „Anläufen“ in der letzten Zeit drohe die „innere“ Erneuerung der Universitäten schon wieder zu „versanden“. Auf Vorschläge zur Studienreform, so Korn, reagierten nicht wenige Hochschullehrer mittlerweile mit einer beinahe reflexhaften Ab- wehrhaltung.184 Selbst nachdem sich mit dem Wissenschaftsrat im Jahr 1966 eines der angesehen- sten wissenschaftspolitischen Gremien zur Erneuerung der akademischen Ausbildung geäußert und damit die öffentliche Diskussion noch einmal angeschoben hatte, blieb die Bilanz der Studienreform in Westdeutschland alles in allem bescheiden. Das Hochschul- rahmengesetz von 1975/76 setzte zwar neue Impulse, indem es Hochschulen nicht nur auf einen Umbau des Studiums bzw. seine Anpassung an gesellschaftliche Entwicklun- gen verpflichtete, die Bildung von „Studienreformkommissionen“ durch die Länder vor- schrieb und auch Forderungen des Wissenschaftsrats – berufsqualifizierender Abschluss nach acht Semestern, Aufbaustudium und Weiterbildung – aufnahm. Zu bahnbrechenden Veränderungen an den Universitäten führte dies jedoch nicht.185

3.3.2 Wie demokratisch ist die Universität? Demokratie und Demokratisierung im westdeutschen Hochschulwesen In der Zeit zwischen Ende der 1950er und Anfang der 1970er Jahre vollzog sich in der Bundesrepublik ein tiefgreifender sozialer und kultureller Wandel, der nicht zuletzt mit einer „Demokratisierung“ der westdeutschen Gesellschaft und mit der Entwicklung einer demokratischen politischen Kultur verbunden war.186 Forderungen nach mehr Teilhabe

183Leonhardt 22.2.1963 – Was gehen uns die Universitäten. 184Korn 24.2.1965 – Forschung und Lehre trennen. Siehe auch: Hans Dichgans (1964): Die akade- mischen Tabus. In: Die Zeit, 16.10.1964. Dichgans attestierte hier vielen Hochschullehrern einen „archaischen Konservativismus“ und „emotionale Tabus“. 185Vgl. zur Umsetzung der Studienreform v.a. die Ausführungen von Turner 2001 – Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, S. 111-141 sowie Rudloff 2005 – Ansatzpunkte und Hindernisse der Hochschulreform, S. 77 und Bartz 2005 – Bundesrepublikanische Universitätsleitbilder, S. 108 f. 186Vgl. Klaus Schönhoven (1999): Aufbruch in die sozialliberale Ära. Zur Bedeutung der 60er Jah- re in der Geschichte der Bundesrepublik. In: Geschichte und Gesellschaft 25, S. 123-145 sowie die Beiträge in Schildt u.a. (Hg.) 2000 – Dynamische Zeiten; Ulrich Herbert (Hg.) (2002): Wandlungs- prozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945-1980. 2. Aufl. Göttingen

154 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

und Mitbestimmung in allen Bereichen der Gesellschaft wurden laut, traditionelle Hier- archien und Autoritäten zunehmend hinterfragt, öffentliche Diskussion und Kritik mehr und mehr als integrale Bestandteile demokratischer Gesellschaften akzeptiert.187 Universitäten gerieten seit Ende der 1950er Jahre ebenfalls zu einem wichtigen Schau- platz von Demokratisierungsdebatten. Vor dem Hintergrund der soziokulturellen Wand- lungsprozesse in der Bundesrepublik formierte sich nun eine öffentliche Diskussion über Demokratie im deutschen Hochschulwesen. Die Auseinandersetzung wurde an den Uni- versitäten selbst intensiv geführt, wobei v.a. junge Wissenschaftler sowie die in den Jahren um 1960 politisch aktiver werdende Studentenschaft zu den treibenden Kräf- ten zählten.188 Demokratie an den Hochschulen war zudem ein großes Thema in den Massenmedien. Fernsehen, Rundfunk und insbesondere die überregionale Presse boten ein öffentlichkeitswirksames Forum für Kritik an den verkrusteten Strukturen der deut- schen Universität und Demokratisierungsbestrebungen. Die Debatte, die in den folgen- den Abschnitten untersucht werden soll, drehte sich um die herrschende Stellung von „Ordinarien“ in Forschung und Lehre – beispielsweise um die Mitsprachemöglichkeiten in der akademischen Selbstverwaltung – aber auch um demokratische Grundrechte wie Informations-, Presse- und Meinungsfreiheit an der Universität.

Demokratische Grundrechte: Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit an der Universität In der Ausgabe vom 17. August 1960 veröffentlichte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ einen Leserbrief des Stuttgarter Architekturstudenten Peter Conradi189. Der Beitrag – von der Redaktion mit dem Titel „Studentenzeitungen unter Druck“ betitelt – befasste sich mit einem Text des bekannten Publizisten Friedrich Sieburg, der am 30. Juli des- selben Jahres als Leitartikel in der FAZ erschienen war und der Studierenden u.a. einen Mangel an politischem Engagement zum Vorwurf gemacht hatte.190 Gerade in diesem Punkt fühlte sich Conradi zum Widerspruch herausgefordert. Sie- burgs Beitrag, so der Stuttgarter Student, litt an einer antiquierten Vorstellung von politischem Engagement, das letzten Endes auf die Empfehlung hinaus lief, sich Vor- träge zu politischen Themen anzuhören und anschließend – ohne weitere Diskussion – „nach Hause zu gehen“. Im besten Fall dürften sich Studierende noch zum „freien We- sten, zur Wiedervereinigung und zum christlichen Abendland“ bekennen. Wagten sie jedoch, „liebgewordene politische und gesellschaftliche Erscheinungen unserer Republik“ zu kritisieren, sei der studentische „Mut zur Politik“ plötzlich unerwünscht. An vielen

sowie Matthias Frese (Hg.) (2003): Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Paderborn (Forschungen zur Regionalgeschichte, 44). 187Vgl. Scheibe 2002 – Auf der Suche. 188Vgl. zum politischen Verhalten sowie zur „Politisierung“ der Studierenden seit Ende der 1950er Jahre Spix 2008 – Abschied vom Elfenbeinturm. 189Zwischen 1972 und 1998 war Conradi Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion. Von 1999 bis 2004 war er Präsident der Bundesarchitektenkammer. Siehe: Eintrag „Peter Conradi“ (Munzinger Online). Online verfügbar unter http://www.munzinger.de/document/00000012953, zuletzt geprüft am 1.2.2015. 190Vgl. Friedrich Sieburg (1960): Freiheit, die wir meinen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.07.1960.

155 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Hochschulen – Conradi nannte Mainz, Bremerhaven und auch Freiburg – setzte man Studentenzeitungen disziplinarrechtlich unter Druck. Das Recht von Studierenden, sich politisch zu äußern, wurde seiner Meinung nach auf eine Art und Weise eingeschränkt, die mit der demokratischen Verfassung von Staat und Gesellschaft in der Bundesrepublik nicht zu vereinbaren war.191 Conradi hatte mit seinen Ausführungen einen wunden Punkt getroffen. Denn tatsäch- lich gerieten Studentenzeitungen in den Jahren um 1960 wegen kritischer Beiträge häufig ins Kreuzfeuer von Kontrolle und Zensur.192 Zur gleichen Zeit setzten sich Studierende aber gerade hier offen gegen repressive Maßnahmen zur Wehr und traten entschlossen für ein demokratisches Leben an der Hochschule ein. Die Albert-Ludwigs-Universität, die Conradi in seinem Leserbrief ja eigens erwähnt hatte, bot ein gutes Beispiel für diese Entwicklungen. Insbesondere in der ersten Hälfte der 1960er Jahre übten Redak- teure der Freiburger Studentenzeitung immer wieder lautstark Kritik an vermeintlichen Einschränkungen von Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit. Der Einsatz für die Verwirklichung solcher Grundrechte an der Universität offenbarte Sensibilität für de- mokratische Werte, zeugte aber auch von einem erneuerten Demokratieverständnis, das öffentliche Kritik ausdrücklich als legitimes und konstruktives, nicht als „zersetzendes“ oder „vernichtendes“ Mittel betrachtete. Die Auseinandersetzungen um Presse-, Informations- und Meinungsfreiheit in Freiburg wurden in einzelnen Fällen von überregionalen Medien aufgegriffen. Dabei erhielten die Studierenden zumindest von Teilen der Presse Unterstützung in ihren demokratiepo- litischen Anliegen, insbesondere von eher linksliberal orientierten Blättern wie „Zeit“ oder „Spiegel“. Besonders im Brennpunkt des medialen Interesses stand gegen Mitte der 1960er Jahre jedoch v.a. die Auseinandersetzungen um den Publizisten Erich Kuby und den Politikwissenschaftler Ekkehart Krippendorff an der Freien Universität Berlin, die nicht nur ortsspezifische Themen berührten, sondern sich zu einer allgemeinen Debatte über Demokratie an den deutschen Hochschulen auswuchsen.

„Kritisch und unruhig im besten Sinne des Wortes“: Die Freiburger Studenten- zeitung und der Kampf um demokratische Freiheiten an der Albert-Ludwigs- Universität Der Konflikt über demokratische Freiheiten an der Universität Freiburg brach im Jahr 1960 erstmals offen aus. Seit Ende der 1950er Jahre waren in der Freibur- ger Studentenzeitung zahlreiche Beiträge erschienen, die sich kritisch und zunehmend respektlos mit Autoritäten an der Hochschule, in der Politik oder der Kirche auseinan- dersetzten. Einige dieser Artikel erregten den Unmut der Betroffenen. Verantwortliche Redakteure wurden nicht nur dazu aufgefordert, sich öffentlich für ihre Beiträge zu ent- schuldigen. In manchen Fällen leitete die Universität auch disziplinarrechtliche Verfahren ein oder drohte den studentischen Autoren sogar mit strafrechtlichen Schritten.

191Peter Conradi (1960): Studentenzeitungen unter Druck. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.08.1960. 192Siehe etwa: Heinz Klotz (1959): Ärgerliche junge Männer und verbotene Studentenzeitungen. In: Freiburger Studentenzeitung 9 (1), S. 1; Der immer neue Ärger. Streit um Studentenzeitungen in Köln, Tübingen, Marburg, Aachen (1961). In: Freiburger Studentenzeitung 11 (3), S. 9.

156 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

In den Reihen der Studentenschaft – bei der FSZ, im AStA und im Studentenrat beispielsweise – sah man in den repressiven Maßnahmen eine eminente Gefahr für Presse- und Meinungsfreiheit an der Hochschule. Nach reiflicher Überlegung entschloss sich die Redaktion der Studentenzeitung ganz bewusst zur Offenlegung der Geschehnisse. Im Frühjahr 1960 erschien eine großangelegte „Dokumentation in eigener Sache“, die Zensur- und Kontrollmaßnahmen öffentlich zu machen versuchte und dabei eine grundlegende Debatte über Demokratie an der Universität in Gang setzte. Auf drei Vorfälle ging die Dokumentation der FSZ näher ein. Im Juni 1959 war dort ein glossenhafter Beitrag erschienen, der sich kritisch mit dem alljährlichen Ritual der Rektoratsübergabe befasste. Der Autor monierte nicht nur das „mittelalterliche“ Zere- moniell, sondern in erster Linie die mangelnde Aufmerksamkeit, die der Rektor in seinem Jahresbericht der Studentenschaft schenkte, obwohl ja auch die Studierenden untrennbar zur „Korporation“ der Universität gehörten. Die „Studenten gleich gar nicht einzuladen“, schloss der Artikel missmutig, sei unter diesen Umständen wohl die beste Lösung.193 In diesem vergleichsweise harmlosen Text erblickte das Rektorat um Friedrich Merz ei- ne „Beleidigung“ des alten Rektors Anton Vögtle und forderte den Verfasser dazu auf, sich „in aller Form“ für die „beleidigenden Äußerungen“ zu entschuldigen. Nachdem die Universitätsleitung ihre Forderungen in einem weiteren Schreiben nachdrücklich bekräf- tigte und den Chefredakteur der FSZ sogar zu einem Gespräch mit dem akademischen Disziplinarbeamten geladen hatte, publizierte die Studentenzeitung in ihrer nächsten Ausgabe tatsächlich eine Entschuldigung. Man habe sich dem ehemaligen Rektor gegen- über „schlecht benommen“, hieß es dort, und ihn „schwer gekränkt“. Die Redaktion sprach von einer „bedauerlichen Entgleisung“ und bat Vögtle „achtungsvoll um Verzeihung“.194 Ein zweiter Fall betraf keinen Angehörigen der Hochschule, sondern den südbadischen Regierungspräsidenten Anton Dichtel, der sich seit dem Jubiläum von 1957 allerdings Ehrensenator der Albert-Ludwigs-Universität nennen durfte. Bei der Einweihung eines Studentenwohnheims im November 1959 hatte Dichtel die Zerstörung der Stadt im Zwei- ten Weltkrieg explizit als Chance bzw. als „Glück“ für Freiburg, seine Universität und deren Wiederaufbau bezeichnet. Ein Beitrag in der Studentenzeitung warf dem Poli- tiker daraufhin mangelndes Fingerspitzengefühl gegenüber den Opfern des Bombenan- griffs vor. Dichtels Ausführungen, hieß es in dem Artikel, seien „taktlos“ und „peinlich“ gewesen. Nach Erscheinen des Beitrags dauerte es nicht lange, bis mit dem Philoso- phieprofessor Max Müller – zu diesem Zeitpunkt auch Vorsitzender des Studentenwerks – ein Angehöriger der Universität kritisch zu dem Beitrag in der FSZ Stellung bezog. Müller sprach von einem „unverschämten“ und „unsachlichen“ Angriff auf den Regie- rungspräsidenten. Weil die Sache in seinen Augen zudem „Interesse und Ansehen“ von Universität und Studentenwerk berührte, forderte der Philosoph nicht nur eine umge- hende Entschuldigung des AStA, sondern auch den Rücktritt des Chefredakteurs. Der Studentenausschuss wies Müllers Kritik zurück. Sein Vorsitzender Hermann Eisele stellte in einem Brief an den Philosophen klar, dass eine Studentenzeitung selbstverständlich

193Eine Kette wird umgehängt (1959). In: Freiburger Studentenzeitung 9 (4), S. 1-2. 194Dokumentation in eigener Sache (1960). In: Freiburger Studentenzeitung 10 (4); „Eine Kette wird umgehängt“ (1959). In: Freiburger Studentenzeitung 9 (5).

157 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 das Recht besaß, „berechtigte Kritik an Äußerungen zu üben, auch wenn sie von höhe- rer Stelle gemacht werden“. Der AStA sah deshalb keine Veranlassung, die von Müller geforderten Schritte zu unternehmen.195 Ein dritter Vorfall drehte sich schließlich um die traditionelle „Autonomie“ der deut- schen Universität und das Verhältnis von Hochschule und Staat. Im Februar 1960 hatte ein Beitrag der Freiburger Studentenzeitung beklagt, dass Hochschulen die eigene Au- tonomie nicht „sinnvoll“ nutzten und v.a. nicht zur Realisierung notwendiger Reformen einsetzten. Dem Verfasser ging es dabei in erster Linie um Auswüchse der „Ordinarienu- niversität“. Hinter einer „Fassade der Selbstbestimmung“, hieß es in dem Artikel, wurden an Universitäten in Deutschland „eigensüchtige Kämpfe um Institutseinrichtungen und Lehrstühle“ geführt. Statt das alte „Kolleggeldsystem“ endlich abzuschaffen, setze sich der Streit um die „Pfründe der Großvorlesung“ unverändert fort. An den Hochschulen, so der Verfasser, fehlte es insgesamt an „Mut und Phantasie“. Das „überlebte“ Prinzip einer „Alleinherrschaft der Professoren“ werde stur aufrechterhalten. Während jedoch die Erneuerung an der Hochschule systematisch verschleppt wurde, ging das „Zepter der Autonomie“ nach Meinung des Autors „hinter den verschlossenen Türen der Ministerien“ verloren. Die Reaktion der Universitätsleitung folgte auf dem Fuß: Der Chefredakteur der Studentenzeitung Werner Müller wurde vom akademischen Disziplinarbeamten zum Rapport ins Amtsgericht bestellt. Kurz darauf trat er zurück. In der nächsten Ausgabe der FSZ druckte die Redaktion eine „Erklärung“ ab, in der sie sich für den umstritte- nen Beitrag entschuldigte. Der Beitrag habe „in der Verallgemeinerung“ einen „sachlich unrichtigen Eindruck“ hinterlassen und sei auch „in der Form angreifbar“ gewesen.196 Obwohl die FSZ auch noch in diesem Fall eine Entschuldigung veröffentlichte, hatte das von der Universität gegen Chefredakteur Müller angestrengte Disziplinarverfahren das Fass offenbar zum Überlaufen gebracht. Während sich die Studierenden dem Druck von oben bis zu diesem Zeitpunkt meist gebeugt hatten, entschlossen sie sich jetzt, im Frühjahr 1960, zur Offensive. Nachdem die Maßnahmen gegen den Chefredakteur der FSZ bekannt geworden waren, stimmte der Studentenrat fast einstimmig für eine Resolution, in der man u.a. festhielt, dass eine „zu enge“ Auslegung der Grundordnung zu einer Einschränkung der Pressefrei- heit führen konnte. Dieses demokratische Recht musste nach Meinung der Ratsmitglie- der jedoch selbstverständlich auch innerhalb der Universität und nicht zuletzt für die studentische Presse seine Gültigkeit behalten. „Die Arbeit der Redakteure“, schloss die Resolution des Studentenrats, sollte deshalb „nicht durch mittelbare oder unmittelbare Androhung eines Disziplinarverfahrens behindert werden“.197 In einem begleitenden Artikel zu ihrer „Dokumentation in eigener Sache“ vom Juni 1960 machte die Redaktion der Freiburger Studentenzeitung deutlich, dass sie Kontrolle und Zensur nicht mehr länger klaglos hinnehmen wollte und bereit war, für Presse- und Meinungsfreiheit an der Universität einzustehen. Studentenzeitungen, hieß es in dem Bei- trag, sollten nicht nur als „nettes Käseblättchen“ mit Preisausschreiben, Glossen, Klatsch

195Dokumentation in eigener Sache 1960, S. 3 f. 196Ebd., S. 4. 197Liebe FSZ-Leser! (1960). In: Freiburger Studentenzeitung (4), S. 1-2.

158 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

und „literarischen Veilchen“ firmieren, sondern – als „legitimes Forum studentischer Mei- nung“ – „kritisch und unruhig im besten Sinne des Wortes“ sein. Ihrer Verantwortung gegenüber der „Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden“ und ihrer Verpflichtung als „vollimmatrikulierte akademische Bürger“ waren sich die Studierenden vollends bewusst. Aber, und darauf kam es ihnen hier besonders an, man war eben nicht nur „akademi- scher Bürger“, sondern auch „Bürger eines Staates“, der das „Möglichste an persönlicher Freiheit in Denken und Handeln“ garantierte. Dazu gehörte auch das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Grundrecht, so die Redakteure weiter, stehe keinesfalls „im Gegensatz zu Würde und Ansehen der Universität“. Meinungs- und Pressefreiheit stellte vielmehr einen „integrierenden Bestandteil“ der Hochschule dar.198 Politischer Einsatz und kritische Haltung von Studierenden fanden in der Presse wie bereits angedeutet durchaus Unterstützung. Gerade angesichts der Rufe nach mehr „Mut zur Politik“ durch den im April 1960 stattfindenden Studententag199 appellierten Jour- nalisten an das demokratische Engagement von Studenten und drückten ihr Befremden über repressive Reaktionen der Universitäten aus. Der Journalist Thilo Koch forderte am 15. April in der „Zeit“ zu einer „Protestreso- lution“ auf, um die „zehn ärgerlichsten Fälle“ anzuzeigen, wo Studenten ihr Mut zur Politik „abgekauft“ oder sogar „wegverhaftet“ worden war. Die Kritik aus dem Lager der Studentenschaft an dieser verbreiteten Praxis war ihm bisher zu „zahm“ ausgefallen.200 Sein Kollege bei der „Zeit“ Rudolf Walter Leonhardt warnte einen Monat später vor po- litischer „Resignation“. In seinen Augen ließen sich Studenten noch zu leicht entmutigen, wenn sie wegen ihres politischen Engagements „zurückgepfiffen“ wurden, wie es ja u.a. in Freiburg geschehen war. Leonhardt forderte die Studentenschaft ausdrücklich dazu auf, Missstände lautstark zu kritisieren. „Widersprechen und protestieren“ sei in jedem Fall besser als „heimlich verachten“ und „kuschen“.201 Die eher konservative „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ wagte sich zwar nicht so weit vor. Offiziell vom AStA herausgegebene Publikationen, erklärte der Journalist Dettmar Cramer am 9. November 1960, unterlagen nämlich sehr wohl „größeren Einschränkungen in ihrer Meinungsfreiheit als die übrige Presse“. Doch auch Cramer empfahl den Uni- versitätsleitungen ein behutsameres Vorgehen. Studenten musste man in seinen Augen durchaus zugestehen, „auch einmal über das Ziel hinauszuschießen“. Mit Verständnis auf allen Seiten sollten die „Meinungsverschiedenheiten auf ein fruchtbares Maß beschränkt

198Ebd. Ganz ähnlich begründete der neue Chefredakteur der Freiburger Studentenzeitung Horst Breier die Haltung der Studierenden auch während einer studentischen Vollversammlung, die im Juli 1960 unter Anwesenheit von Rektor Thieme stattfand, siehe: Die Pressefreiheit in der Universität. Stu- denten setzen sich für freien Betrieb ihrer Publikationen ein (1960). In: Badische Zeitung, 07.07.1960 und: Studenten-Rebellion in Freiburg (1960). In: Die Zeit, 15.07.1960 199Verband Deutscher Studentenschaften (Hg.) 1960 – Abschied vom Elfenbeinturm. 200Thilo Koch (1960): Der VI. Deutsche Studententag. Sie traben brav im demokratischen Geschirr. In: Die Zeit, 15.04.1960. 201Rudolf Walter Leonhardt (1960): Freiheit – nur akademisch? Von der studentischen Pflicht, sich unbeliebt zu machen. In: Die Zeit, 13.05.1960. In einem weiteren Artikel wandte sich Leonhardt konkret der studentischen Kritik am „Kolleggeldsystem“ aus Freiburg zu, die von der Universität, wie er es ausdrückte, „zurückgepfiffen“ worden war, siehe Ders. (1960): Sind in Freiburg Heilige Professoren? In: Die Zeit, 03.06.1960. Ähnlich auch: Studenten-Rebellion in Freiburg 15.7.1960.

159 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 werden“ können.202

Als die Redaktion der Studentenzeitung im Juni 1960 ihre Sorge um Presse- und Mei- nungsfreiheit mit einer umfassenden „Dokumentation in eigener Sache“ offengelegt hat- te, kündigte sich an der Albert-Ludwigs-Universität bereits der nächste Konflikt über die Geltung demokratischer Grundrechte im Raum der Hochschule an. Die Freiburger Studentenzeitung und die studentische Presse insgesamt standen dabei wieder im Mit- telpunkt des Geschehens. Im Kern drehte sich die neue Auseinandersetzung um den Vertrieb von Presseerzeugnissen an der Universität Freiburg und die Frage, ob eine Einschränkung dieses Vertriebs eine unzulässige Beschneidung von Presse- und Informa- tionsfreiheit bedeutete. Die erneuten Unstimmigkeiten zwischen Studentenschaft und Universitätsleitung wa- ren zu Beginn der 1960er Jahre ein großes Thema im hochschulöffentlichen Raum – in der FSZ und auf Flugblättern, im Rahmen von Diskussionsveranstaltungen oder Vollver- sammlungen – sowie in der Lokalpresse. Weil sich Blätter wie die „Frankfurter Allgemei- ne“ oder die „Zeit“ ebenfalls lebhaft für den bald so betitelten „Freiburger Zeitungsstreit“ interessierten, gelangte die Sache aber auch über Stadt- und Landesgrenzen hinaus zu Prominenz und rückte die Albert-Ludwigs-Universität am Anfang der 1960er so in den Fokus einer massenmedialen Öffentlichkeit. Der Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften auf dem Hochschulgelände war in Frei- burg bereits am 14. Januar 1959 durch einen Senatsbeschluss verboten worden. Ausge- nommen von dieser Regelung war lediglich die hauseigene FSZ. Mehr als ein Jahr lang wurde der Beschluss sehr locker gehandhabt. An der Albert-Ludwigs-Universität konnte man studentische Publikationen wie civis oder colloquium weiterhin erwerben. Dasselbe galt für die einschlägigen Titel der Tages- und Wochenpresse. Als ein Student – Mitglied von AStA und FSZ-Redaktion – im Mai 1960 auf dem Universitätsgelände mit dem Verkauf der wegen ihrer „Linkslastigkeit“ berüchtigten Hamburger Zeitschrift „konkret“ begann, erinnerten sich Rektor und Senat an ihren fast schon vergessenen Beschluss. Der Verkauf wurde untersagt, zunächst nur von „konkret“, wenig später von sämtlichen Publikationen. Zumindest bei einigen Studierenden ließ die Entscheidung sofort die demokratischen Alarmglocken schrillen. Der Freiburger Studentenrat sah in den Schritten der Universi- tätsleitung eine empfindliche Einschränkung der „Informationsfreiheit“ an der Hochschu- le. Die Maßnahmen von Rektor und Senat empfand man als Beschneidung eines elemen- taren demokratischen Rechts. Im Anschluss an eine Resolution des „Verbands Deutscher

202Dettmar Cramer (1960): Ärger mit Studentenzeitungen. Wie weit geht die studentische Meinungs- freiheit? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.11.1960. Cramer promovierte wenig später mit ei- ner Arbeit zu Zensur bei Schüler- und Studentenzeitungen: Ders. (1961): Inhalt und Grenzen der Zensur bei Schüler- und Studentenzeitungen (Dissertation). Kiel. Zu Cramers Biographie: Eintrag „Dettmar Cramer“ (Munzinger Online). Online verfügbar unter: http://www.munzinger.de/docu- ment/00000018065, zuletzt geprüft am 1.2.2015. Kritisch zu Cramers Artikel: Thomas Leppien (1960): Freie Studentenzeitungen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.12.1960. Für Leppien, den AStA-Vorsitzenden der Universität Saarbrücken, unterlag die Studentenpresse keinen größeren Einschränkungen der Meinungsfreiheit als die „übrige Presse“. Eine Studentenzeitung musste seiner Meinung nach immer „Fanfare des Angriffs“ sein.

160 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

Studentenschaften“ vom 2. März 1960 sprach sich der Freiburger Studentenrat folge- richtig dafür aus, den Vertrieb sämtlicher studentischer Publikationen im Bereich der Universität zuzulassen, sofern es sich nicht um „gerichtlich als verfassungswidrig“ fest- gestellte Veröffentlichungen handelte. Dies war bei konkret trotz aller Verdächtigungen wegen „kommunistischer Unterwanderung“ nicht der Fall. Unter dem Eindruck der Proteste befasste sich der akademische Senat erneut mit dem Problem, war aber nicht bereit, seinen Entschluss zu ändern. Das „strikte Vertriebs- und Werbeverbot“ sollte unbedingt aufrecht erhalten werden. Nach eigener Aussage wollten Senat und Rektor damit einer „Kommerzialisierung“ der Universität entgegen wirken und die „Informationsbequemlichkeit“ der Studenten nicht unterstützen. Viele Studierende kauften der Hochschulleitung diese Begründung nicht ab. Tatsächlich gab Rektor Hans Thieme wenig später zu, dass sich die Maßnahmen ausschließlich gegen die „radikale“ Zeitschrift „konkret“ richteten, man aber der „administrativen Vereinfachung“ wegen gleich den Vertrieb überhaupt verboten habe.203 Die sture Haltung der Universitätsführung rief erneut Proteste hervor. Neben zahlrei- chen Beiträgen in der Studentenzeitung zirkulierten nun beispielsweise auch Flugblätter, die vor einer Erosion demokratischer Rechte warnten. Freiburg, hieß es auf einem da- von, sei nach dem Senatsbeschluss vom 15. Juni 1960 die „einzige deutsche Universität“, an der Auslage und Vertrieb sämtlicher Studentenzeitungen verboten waren. Die Un- terzeichner des Flugblatts forderten vehement ihr Recht auf „Informationsfreiheit“ ein, protestierten gegen das Vorgehen der Hochschulleitung und äußerten ihre tiefe Sorge um die „Pressefreiheit“ an der Universität. Der Senatsbeschluss sei gegen die „fast ein- stimmige Forderung“ des VDS nach freiem Vertrieb aller nicht gerichtlich verbotenen studentischen Publikationen gefasst worden. „Vertreter der Freiburger Studentenschaft“ zeigten sich über diese Entwicklung „bestürzt“ und „ratlos“.204 Das Vertriebsverbot stand schließlich auch im Mittelpunkt einer studentischen Vollver- sammlung, die am 6. Juli 1960 unter Anwesenheit von Rektor Hans Thieme und großem Publikumsinteresse stattfand. Selbst vielen Studierenden, erklärte der stellvertretende AStA-Vorsitzende Klaus Dammann im Rahmen dieser Veranstaltung, sei es mittlerweile fast „peinlich“, sich ausgerechnet für radikale Zeitungen wie „konkret“ einsetzen zu müs- sen, mit deren politischer Ausrichtung man oft selbst nicht übereinstimmte. „Presse- und Informationsfreiheit“ erwies sich in seinen Augen allerdings eben gerade daran, ob an der Hochschule auch „extreme Meinungen“ öffentlich artikuliert werden konnten. Obwohl sich Rektor Thieme in seiner Stellungnahme explizit für Presse- und Informationsfreiheit an der Albert-Ludwigs-Universität aussprach, stellte er eine Aufhebung des Vertriebs- verbots nicht in Aussicht. Er wollte „undemokratischen Blättern“ wie „konkret“ keine Publikationsplattform bieten. Die Studierenden konnten Thiemes Argumenten nicht fol-

203Vgl. zur Entwicklung des Konflikts: Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, 15. Juni 1960 ([1960]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/16; „Konkret“-es (1960). In: Freiburger Studentenzeitung 10 (4), S. 6; „Konkret“-es II (1960). In: Freiburger Studentenzeitung 10, 1960 (5), S. 7; Das „Freiburger Modell“. „Unsere freiheitliche demokratische Ordnung“ (1960). In: Freiburger Studentenzeitung 10 (6), S. 10-11. 204Studentisches Flugblatt, betr. Vertriebsverbot an der Univ. Freiburg ([Juni/Juli 1960]). Universitäts- archiv Freiburg, B 1/1738.

161 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 gen. Mit großer Mehrheit stimmte die Versammlung stattdessen einem studentischen Antrag auf Revision des Senatsbeschlusses zu.205 Seit Anfang Juli 1960 begann der „Freiburger Zeitungsstreit“ dann zunehmend wei- tere Kreise zu ziehen. Der Konflikt wurde im Lauf der nächsten Monate lebhaft in den Massenmedien rezipiert, und zwar nicht nur im regionalen Raum.14 Dabei erhielten die Studierenden insbesondere von linksliberalen Blättern wie der „Zeit“ Unterstützung. Zei- tungen mit anderer politischer Ausrichtung übten dagegen zum Teil vernichtende Kritik. In seiner Ausgabe vom 16. Dezember 1960 bezeichnete der christlich-konservative Rhei- nische Merkur die FSZ wegen ihres Engagements für Pressefreiheit an der Universität beispielsweise als „linksmanipulierte“ Publikation im Stil der „Ideologie und Phraseologie der deutschen Ultra-Linken“. Chefredakteur Peter Böttcher stellte daraufhin Strafanzei- ge wegen Beleidigung und Verleumdung.206 Neben seiner Präsenz in den Massenmedien wurde der Freiburger Konflikt im Lauf des Jahres auch vor dem Forum des baden-württembergischen Landtags diskutiert. In einer kleinen Anfrage konfrontierte der FDP-Abgeordnete Hermann Saam am 13. Juli 1960 Kultusminister Gerhard Storz mit dem Vorwurf einer „angeblichen Einschränkung der Pressefreiheit an der Universität Freiburg“. Storz wies die Anschuldigungen zurück und machte sich dabei die Argumentation der Freiburger Universitätsleitung zu eigen. Rektor und Senat, so der Kultusminister, hatten lediglich verhindern wollen, dass sich die Hochschule in ein „Warenhaus“ verwandelte. In dem Vertriebsverbot ließ sich in seinen Augen keine Einschränkung der Informations- und Pressefreiheit erkennen.207 Die Antwort des Kultusministers konnte die Freiburger Studenten ebenso wenig be- sänftigen wie die Rechtfertigungsversuche des Rektors auf der studentischen Vollver- sammlung einige Tage zuvor. Der Streit um das Vertriebsverbot schwelte deshalb in den nächsten Monaten weiter. Im Lauf des Jahres 1961 verwandelte sich die „politische“ De- batte über demokratische Grundrechte an der Universität allerdings mehr und mehr in eine juristische Auseinandersetzung. Bereits im Februar hatte der bekannte Stuttgarter Presserechtler Martin Löffler208 in einem Gutachten behauptet, dass ein Vertriebsverbot wie an der Albert-Ludwigs- Universität „eindeutig verfassungswidrig“ sei. Professoren der rechts- und staatswissen- schaftlichen Fakultät in Freiburg sprachen sich ebenfalls gegen die Maßnahmen von Rek- tor und Senat aus und machten sich für die Einrichtung eines „Zeitungskiosks“ auf dem Hochschulgelände stark, wo nicht nur die einschlägige Tages- und Wochenpresse, son- dern v.a. auch sämtliche Studentenzeitungen – inklusive „konkret“ – vertrieben werden sollten. Diese Idee scheiterte jedoch am Widerstand des Senats.209

205Die Pressefreiheit in der Universität 7.7.1960; Studenten-Rebellion in Freiburg 15.7.1960. 206In eigener Sache (1961). In: Freiburger Studentenzeitung 11 (1), S. 2. 207Universität als Warenhaus 23.9.1960. 208Löffler gilt als „Nestor“ des Presserechts in der Bundesrepublik. Bereits im Jahr 1955 hatte er einen großen Kommentar zum Presserecht publiziert, wurde einer größeren Öffentlichkeit aber v.a. durch seine Mitwirkung am sogenannten „Spiegel-Urteil“ aus dem Jahr 1966 bekannt. Vgl.: Ein- trag „Martin Löffler“ (Munzinger Online). Online verfügbar unter http://www.munzinger.de/docu- ment/00000008464, zuletzt geprüft am 1.2.2015. 209Vertriebsverbot verfassungswidrig (1961). In: Freiburger Studentenzeitung 11 (2), S. 1; Zeitungskiosk (1961). In: Freiburger Studentenzeitung 11 (4), S. 7; Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch,

162 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

In der verfahrenen Situation fassten AStA und Studentenzeitung bald konkrete ju- ristische Schritte ins Auge. Im November 1961 schlug ein Beitrag in der FSZ vor, den „leidigen Streit ohne Ressentiment einem neutralen Gremium vorzulegen“. Als Vorbild diente ein ähnlicher Fall an der Technischen Hochschule in Stuttgart, wo ein Vertriebs- verbot aufgrund des bereits erwähnten Rechtsgutachtens von Löffler aufgehoben worden war. Nach den hitzigen, aber ergebnislosen öffentlichen Debatten sollte nach Meinung des Verfassers nun ein Gericht darüber entscheiden, was das „Grundrecht der Presse- und Vertriebsfreiheit“ wert war und ob sich der Student auch an der Universität weiterhin als „Demokrat und Staatsbürger“ betätigen durfte.210 Der AStA drohte im Februar 1962 mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht, um eine „Wiederherstellung der Presse- und Informationsfreiheit auf dem Universitätsgelände“ herbeizuführen.211 Die Ankündigung von rechtlichen Schritten blieb letztlich ohne Folgen. Die Freibur- ger Studenten strengten keinen Prozess an. Deshalb blieb es bis auf weiteres bei dem Kompromiss, auf den sich der Senat der Albert-Ludwigs-Universität bereits im Janu- ar 1961 geeinigt hatte. Das Gremium genehmigte lediglich einen kleinen, von einem Privatunternehmer betriebenen Verkaufsstand im Bereich der Mensa, der – wie sich später herausstellte – wegen der geringen Gewinnspanne fast keine studentischen Pu- blikationen anbot.212 Ziel des studentischen Engagements war immer die „volle Presse- und Informationsfreiheit“213 auf dem Universitätsgelände – insbesondere im Bereich der Hauptgebäude – gewesen. Angesichts dieser Forderungen hatten die Studenten in ihrem Bemühen um demokratische Grundrechte an der Hochschule bestenfalls einen Teilerfolg erringen können.214

Testfall für Demokratie?: Kuby, Krippendorff und die FU Berlin 1965 Die Aus- einandersetzung um Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit an deutschen Univer- sitäten entzündete sich häufig im Zusammenhang mit der Studentenpresse. Das hatte u.a. das Freiburger Beispiel gezeigt. Politische Veranstaltungen – Vorträge, Podiumsdis- kussionen, Gesprächsforen – waren ein anderer Schauplatz dieses Konflikts. Die Frage, wie Universitäten die Diskussion politischer Themen auf ihrem „Territorium“ regulier- ten – insbesondere wenn ihnen Protagonisten oder politische Ausrichtung nicht genehm waren – und was dies über ihre demokratische „Qualität“ aussagte, gelangte v.a. durch eine Reihe von Vorfällen an der FU Berlin im Mai 1965 ins Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit. Dabei handelte es sich keineswegs nur um eine Provinzposse. Im Um-

25. Januar 1961 ([1961]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/16 210Vertriebsverbot (1961). In: Freiburger Studentenzeitung 11 (6), S. 2. 211Kommt es zu einem Prozeß? Freiburger Studenten wollen vor dem Verwaltungsgericht auf „Wieder- herstellung der Presse- und Informationsfreiheit auf dem Universitätsgelände“ klagen (1962). In: Badische Zeitung, 08.02.1962; Vgl. AStA-Tod (1962). In: Freiburger Studentenzeitung 12 (2), S. 2. 212Universitätsarchiv Freiburg [1961] – Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch. 213So etwa: Kommt es zu einem Prozeß 8.2.1962. 214Die Freiburger Studentenzeitung sprach sogar von „Augenwischerei“. Durch die Lösung des Senats bleibe das Vertriebsverbot „de facto“ bestehen. Schließlich könne niemand den Privatunternehmer dazu zwingen, sämtliche Studentenzeitungen – insbesondere die begehrte „konkret“ – zu verkaufen. Außerdem sei die Gewinnspanne für Studentenpresse ohnehin so gering, dass der Kiosk vermutlich kaum Titel anbieten werde. Siehe: Vertriebsverbot verfassungswidrig 1961.

163 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 feld der Berliner Ereignisse entwickelte sich – gerade in den Massenmedien – auch eine generelle Debatte über Demokratie und „obrigkeitsstaatliche“ Tendenzen an deutschen Hochschulen.215 Alles begann mit einer von der Studentenvertretung der Freien Universität geplan- ten Podiumsdiskussion zum 20. Jahrestag der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945, zu der u.a. auch der Publizist Erich Kuby eingeladen worden war. Kuby war in Berlin persona non grata, seitdem er sich Jahre zuvor kritisch über die FU geäußert und ihr dabei u.a. ein „äußerstes Maß an Unfreiheit“ vorgeworfen hatte. Dem Publizisten war damals Hausverbot erteilt worden, das Rektor Herbert Lüers nun um jeden Preis durch- zusetzen gedachte. Die Veranstaltung durfte also nicht wie geplant im Audimax der FU stattfinden und musste schließlich an die Technische Universität ausweichen. Nur we- nige Tage später veröffentlichte der junge Politikwissenschaftler Ekkehart Krippendorff einen Zeitungsbeitrag, der die ohnehin schon erhitzte Stimmung in Berlin weiter an- heizte. Krippendorff kritisierte in seinem Artikel nicht nur den Umgang mit Kuby. Er behauptete außerdem, dass noch eine andere Veranstaltung an der FU von der Univer- sitätsleitung aus politischen Gründen verhindert worden war. Auf Einladung von Kurt Sontheimer, des Senatsbeauftragten für politische Bildung, hatte auch Karl Jaspers zum 8. Mai in Berlin sprechen sollen. Der Rektor der FU, behauptete Krippendorff, war mit der Haltung von Karl Jaspers zur „deutschen Frage“ nicht einverstanden und hatte dem bekannten Philosophen deswegen eine Absage erteilt. Diese Behauptung ließ sich letztlich nicht einwandfrei nachweisen. Dennoch hielt sich der Verdacht einer politisch motivierten Maßnahme hartnäckig.216 Obwohl der Politologe die Anschuldigungen schnell relativier- te und sich öffentlich entschuldigte, wurde sein Vertrag an der FU wegen der kritischen Äußerungen in der Presse gekündigt.217 Die Maßnahmen von Rektor und akademischem Senat sorgten v.a. in der Berliner Studentenschaft für große Empörung. Man sah darin eine nicht zu rechtfertigende Ein- schränkung von Informations- und Meinungsfreiheit an der Universität. Der studenti- sche Konvent forderte den Senat zu einer Resolution auf, die feststellen sollte, dass die Raumvergabe für politische Veranstaltungen an der FU weder vom Thema noch von den politischen Ansichten der Teilnehmer abhängig gemacht werden durfte. Eine Delegation der Studentenschaft verlangte vom Rektor, „jede Person zu jedem Thema und zu jeder Zeit hören und mit ihr diskutieren zu können“. Es kam zu Protestversammlungen und Demonstrationen, wobei man hier erstmals in größerem Maßstab Strategien der „direkten Aktion“ einsetzte, die wenig später im Kontext der 68er-Unruhen eine große Rolle spielen

215Einen kurzen Überblick zu den Berliner Ereignissen im Sommer 1965 bieten Tilman P. Fichter; Siegward Lönnendonker (2007): Kleine Geschichte des SDS. Der Sozialistische Deutsche Studen- tenbund von bis Rudi Dutschke. Essen, S. 135-137 sowie Ingrid Gilcher-Holtey (2001): Die 68er Bewegung. Deutschland – Westeuropa – USA. München, S. 29-35. 216So etwa bei Ernst Mann (1965): Freie Universität? In: Freiburger Studentenzeitung 15 (6), S. 11-14, hier: S. 12. Ähnlich aber auch Dieter E. Zimmer (1965): Die schwere Verfehlung. Ein notwendiger Nachtrag zum „Fall Krippendorff“. In: Die Zeit, 06.08.1965, der die Absage an Jaspers ebenfalls auf politische Motive zurückführte, sowie Gert von Eynern (1965): Die hoffentlich produktive Unruhe. Ein Nachwort zum „Fall Krippendorff“. In: Die Zeit, 30.07.1965. 217Krippendorff wird entlassen. Dem Berliner Rektor beliebt, Exempel zu statuieren (1965). In: Die Zeit, 02.07.1965.

164 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

sollten.218 Slogans wie „Warten auf Demokratie“ oder „Freie Universität ohne Maulkorb“ zierten Transparente und Plakate der Demonstranten. Darüber hinaus wurden unzählige Flugblätter publiziert und eine Unterschriftensammlung ins Leben gerufen.219 Die Universitätsleitung reagierte auf das studentische Engagement für Informations- und Meinungsfreiheit unbeeindruckt und mit harter Hand. Der Rektor bzw. sein Stellver- treter Ernst Heinitz wollten weiterhin von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und droh- ten, die politischen Hochschulgruppen bei weiteren „Störungen des Lehrbetriebs durch Demonstrationen“ von der Universität zu verbannen. Nach Ansicht von Lüers waren die Flugblätter der Studierenden „kommunistische Machwerke“, ihr politisches Engagement ein „Krebsgeschwür“. Die Freiheit an der Hochschule zu schützen begriff er allein als Aufgabe des Rektors, nicht der Studenten.220 Trotz der harten Linie der Universitätsspitze stimmten einige Berliner Professoren in den studentischen Protest ein, gerade im besonders betroffenen Otto-Suhr-Institut. Der Politikwissenschaftler Gilbert Ziebura, dessen Assistent Krippendorff gewesen war, hielt die Affäre für einen „Präzedenzfall“ mit potentiell weitreichenden Folgen. Rektor und Senat, vermutete Ziebura, hatten hier ein „Exempel statuieren“ wollen, das sich in ganz grundsätzlicher Form gegen politisches Engagement von Hochschullehrern richte- te.221 Der kritischen Haltung des Berliner Politikwissenschaftlers schlossen sich zahlreiche Kollegen aus Marburg – darunter etwa Wolfgang Abendroth oder Reinhard Kühnl – in einem offenen Brief an. Krippendorffs Entlassung schien den Marburgern in Anbetracht der Umstände nicht nur unverhältnismäßig. Sie hielten die Entscheidung des Rektors v.a. für einen schweren Schlag gegen die Entwicklung einer demokratischen politischen Kultur an den Universitäten der Bundesrepublik. In der Öffentlichkeit, so die Berliner Hochschullehrer, musste der Eindruck entstehen, „als ob hier durch autoritäre Maßnah- men jedes politische Engagement junger Wissenschaftler verhindert werden soll“.222 Zu den profiliertesten Unterstützern des studentischen Protests unter den Professoren der FU gehörte der Politologe Otto Heinrich von der Gablentz. Am 23. Juli 1965 veröffent- lichte er in der „Zeit“ einen umfassenden Beitrag zu der Affäre um Kuby und Krippen- dorff. Dort warf von der Gablentz dem Rektor u.a. „Anbetung des Obrigkeitsstaates“ und „Überschätzung der Autorität“ gegenüber einem „freiheitlichen Lebens- und Um- gangsstil“ vor, wie ihn die protestierenden Studenten und ihre Unterstützer im Berliner Kollegium propagierten. Die „undemokratische“ Haltung der Universitätsleitung sei nicht nur typisch für jenes deutsche „Staatsbewusstsein“, das vor nicht allzu langer Zeit dem Nationalsozialismus den Weg geebnet hatte, sondern auch „unvereinbar“ mit dem offenen

218Vgl. etwa Gilcher-Holtey 2001 – Die 68er Bewegung, S. 30 f. 219Vgl. Mann 1965 – Freie Universität, S. 11 f. Der in der FSZ abgedruckte Bericht stammte von einem „Aktivisten“, der an der Organisation der Berliner Proteste direkt beteiligt gewesen war. Außerdem: Berliner Blockade (1965). In: Der Spiegel, 26.05.1965 und Dieter Hildebrandt (1965): Vorlesungsstreik, Flugblätter und Resolutionen. Ein Streit an der Freien Universität. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.05.1965. 220Berliner Blockade 26.5.1965; Vom Fall Kuby zum Fall FU. Die Fehde zwischen Rektor und Studenten geht weiter (1965). In: Die Zeit, 04.06.1965; Eynern 30.7.1965 – Die hoffentlich produktive Unruhe. 221Krippendorff wird entlassen 2.7.1965. 222Offener Brief an den Rektor der FU (1965). In: Die Zeit, 16.07.1965.

165 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 und dialogischen „Charakter einer Hochschule“.223 Die Entwicklung, die die Affäre um Kuby und Krippendorff genommen hatte, verur- sachte jedoch nicht nur bei Studierenden und Hochschullehrern, sondern auch bei jour- nalistischen Beobachtern sichtliches Unbehagen. Angesichts der Maßnahmen von Rektor und Senat kamen hier vielerorts Zweifel an der Existenz einer verwurzelten demokra- tischen Kultur im Hochschulbereich sowie in der westdeutschen Gesellschaft insgesamt auf. Was sich an der Freien Universität hier „zu Wort meldet“, vermerkte Sebastian Haff- ner etwa am 8. August 1965 im Stern, war die „alte, tiefsitzende deutsche Vorstellung vom Obrigkeitsstaat“, die vor Akademikern offenbar nicht halt machte. Der angesehene Publizist warnte vor dem „Unheil“, den ein solch „dumpfer Geist“ aus „Reaktion und Intoleranz“ in Zukunft anrichten konnte. Einen gefährlichen Hang zu „obrigkeitsstaat- lichem Denken“ im Universitätsbereich diagnostizierte auch Dieter E. Zimmer von der „Zeit“. Die Geschehnisse an der FU, schrieb Zimmer in der Ausgabe vom 6. August 1965, waren mit Sicherheit viel mehr als nur ein „persönlicher Fall“ um einen unerwünschten Publizisten oder einen vorlauten Assistenten. Seiner Meinung nach hatten die Berliner Ereignisse vielmehr die grundsätzliche Frage aufgeworfen, „bis zu welcher Grenze den Angehörigen einer Hochschule politische Aktivität erlaubt“ war und ob Universitätsmit- glieder in kritisch-demokratischer Manier „gegen Maßnahmen der Universitätsbehörden aufmucken“ durften, wenn sie ihnen „gefährlich“ erschienen. Zimmer ging sogar noch weiter. Für ihn reichte die Bedeutung des FU-Konflikts über die Grenzen des Hoch- schulsektors hinaus. Die Situation an der Freien Universität, behauptete der Journalist, hatte sich zu einem regelrechten „Testfall“ darüber entwickelt, „was man sich hierzulande unter Demokratie“ vorstellte: das „Recht aufs Jasagen“ oder das „Recht auf Kritik“.224

3.3.3 Kritik an der Ordinarienuniversität und die demokratische Reform der akademischen Selbstverwaltung Wie die Vorfälle in Berlin oder die Aktivitäten der Freiburger Studenten demonstrierten, war die Sensibilität für demokratische Freiheiten im Hochschulbereich in den Jahren um 1960 gewachsen. Zur gleichen Zeit entwickelte sich eine zunehmende Unzufriedenheit mit der tradierten Verfassung der deutschen Universität, die von einer klaren Domi- nanz der ordentlichen Professoren in Forschung und Lehre gekennzeichnet war. Immer mehr Stimmen machten sich jetzt für eine weitreichende Umgestaltung der Hochschulen

223Otto Heinrich von der Gablentz (1965): Die Überschätzung der Autorität. In: Die Zeit, 23.07.1965. Ähnlich Eynern 30.7.1965 – Die hoffentlich produktive Unruhe. Gert von Eynern war ebenfalls Pro- fessor für Politische Wissenschaften am Berliner Otto-Suhr-Institut. Selbstverständlich gab es auch Stimmen, die sich eher auf der Linie von Rektor und Senat bewegten, beispielsweise Ernst Fraen- kel; Kurt Sontheimer (1965): Kein Testfall der Meinungsfreiheit. In: Die Zeit, 23.07.1965. Fraenkel und Sontheimer verteidigten das Verhalten des Rektors, insbesondere die Kündigung von Krippen- dorff. Durch seine Anschuldigungen gegen Lüers habe der Politologe das Recht auf freie Meinungs- äußerung „missbraucht“. Gerade eine freiheitliche Demokratie, die auf der „moralischen Macht der öffentlichen Meinung“ beruhte, musste aber entschieden gegen „jede Vergiftung des Prozesses der Meinungsbildung“ vorgehen. Genau das war in ihren Augen im Fall Kuby/Krippendorff geschehen. 224Zimmer 6.8.1965 – Die schwere Verfehlung. Der Beitrag von Haffner wird bei Zimmer zitiert.

166 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

stark. Dabei gewannen Kritiker der „Ordinarienuniversität“ nicht nur an den Universi- täten selbst an Zulauf. Bereits seit Ende der 1950er Jahre avancierten demokratische Mängel im deutschen Hochschulwesen und notwendige Umbaumaßnahmen auch zu ei- nem massenmedialen Dauerthema. Nach einem Überblick über die öffentliche Kritik an der Ordinarienuniversität werde ich in den darauf folgenden Abschnitten auf zwei der zahlreichen Reformvorschläge näher eingehen: Die Frage der Mitbestimmung in akademischen Gremien, die um 1960 v.a. von Studenten thematisiert wurde, und die Rezeption des angloamerikanischen „Department- Systems“ in der Bundesrepublik. Die Situation an der Albert-Ludwigs-Universität soll dabei besonders im Fokus stehen.

„Jedem Ordinarius sein Königreich“: Öffentliche Kritik an der Ordinarienuniversität

Die Verfassung der deutschen Universität stand seit dem letzten Drittel der 1950er Jah- re im Fadenkreuz der öffentlichen Kritik. Der kritische Diskurs entfaltete das Panorama einer von Ordinarien dominierten, streng hierarchisch gegliederten und autoritär geführ- ten Universität. Persönliche Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse – dieses Bild wurde dem Betrachter zumindest vermittelt – erzeugten ein nahezu unerträgliches Betriebs- klima an der Hochschule, das sich u.a. in einem Mangel an Diskussionskultur äußerte und nicht zuletzt für die Abwanderung talentierter Nachwuchskräfte ins Ausland mit verantwortlich gemacht wurde.225 Kritische Stimmen kamen zum einen im Bereich der Universitäten selbst sowie in hochschul- und wissenschaftspolitischen Zirkeln auf. Studierende beteiligten sich beson- ders aktiv an der Debatte.226 Während des Studententags von 1960 – Motto: Abschied vom Elfenbeinturm und Mut zur Politik – war die „Ordinarienuniversität“ beispielswei- se ein wichtiges Thema. Dort übte man Kritik am „Obrigkeitsdenken“ an deutschen

225Vgl. allein für die Diskussion in der Tages- und Wochenpresse etwa: Gillessen 28.12.1959 – Bedräng- nisse einer aufstrebenden Universität; Peter Hemmerich (1961): Warum nicht die Hochschulen? In: Die Zeit, 02.06.1961; Ders. (1961): Akademische Abhängigkeit abbauen. In: Die Zeit, 23.06.1961; Platz für Ellenbogendozenten. Die Universitätsklinik und ihre hierarchische Struktur (1962). In: Der Spiegel, 22.08.1962; Studenten-Mut vor Professoren-Thronen (1962). In: Die Zeit, 31.08.1962; Tho- mas von Randow (1963): Der goldene Westen lockt. In: Die Zeit, 15.03.1963; Peter Hemmerich (1963): Nur nicht dramatisieren? Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Forschung steht auf dem Spiel. In: Die Zeit, 26.07.1963; Ders. (1963): Flucht von den deutschen Universitäten? In: Die Zeit, 25.10.1963; Napoleon in der Klinik (1964). In: Der Spiegel, 05.02.1964; Robert Strobel (1964): Zensuren für die deutsche Wissenschaft. Humboldt-Stipendiaten sagen ihre Meinung. In: Die Zeit, 06.03.1964; Professoren und Dozenten (1965). In: Badische Zeitung, 17.07.1965; Peter Hemmerich (1966): Stellvertreter des großen Bruders. Das Dritte Reich und die Ordinarien-Universität. In: Die Zeit, 11.02.1966; „Professor müsste man sein“ (1966). In: Die Zeit, 03.06.1966; Zartes Blümchen (1966). In: Der Spiegel, 17.10.1966; Gustav Gustav (1967). In: Der Spiegel, 09.01.1967; Hilke Schlae- ger (1967): Die Selbständigkeit lockt. In: Die Zeit, 21.07.1967. 226Vgl. zur studentischen Kritik an der Ordinarienuniversität besonders Rohstock 2010 – Von der Ordi- narienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 42-62. Die Perspektive der Hochschullehrer findet sich bei ebd., S. 62-72, wobei die Verfasserin hier vorwiegend die Fachdiskussion im engeren Sinn (etwa über Fachpublikationen wie die Deutsche Universitätszeitung oder Hochschultagungen) untersucht.

167 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Hochschulen, an ihrer „autoritären“ Organisation und insbesondere an der beinahe un- umschränkten Machtposition der Ordinarien, wie etwa ein in der Freiburger Studenten- zeitung publizierter Protokollauszug zeigte.227 Auch an der Albert-Ludwigs-Universität verwiesen Studenten seit ungefähr 1960 immer wieder auf die „überlebte Alleinherrschaft der Professoren“228 oder das eingespielte „System“ der persönlichen Abhängigkeiten zwi- schen Lehrenden und Lernenden, das mit den „Grundtugenden des demokratischen Staa- tes“ kaum in Einklang zu bringen war.229 Darüber hinaus war die Kritik an der Ordinarienuniversität seit Ende der 1950er Jah- re auch in den Massenmedien stets präsent. Die zahlreichen Beiträge in Presse, Funk und Fernsehen trugen zur Verbreitung des kritischen Diskurses bei und informierten ein Publikum jenseits des engeren Hochschulsektors über die demokratischen Mängel der deutschen Universität. Reformer konnten Massenmedien als „Ressource“ nutzen, um ein großes Publikum für die Problematik zu sensibilisieren, und öffentliche Meinung als Druckmittel für demokratische Veränderung an den Hochschulen einsetzen. Wenigstens in einzelnen Fällen lässt sich eine solche Intention bei den Protagonisten belegen. So rezensierte der junge Biologe Peter Hemmerich, der in den 1960er Jahren eine ganze Reihe von Beiträgen für die „Zeit“ verfasste, am 25. Oktober 1963 eine Fernsehsendung des Hessischen Rundfunks, die u.a. die hierarchische Struktur der deutschen Universität ins Bild gesetzt hatte. Hemmerich war von dem „Fernsehversuch“ begeistert und hoffte auf Fortsetzungen oder ähnliche Experimente in der Zukunft. Denn nur so, durch eine „drastische Steigerung des öffentlichen Interesses“, konnte die dem modernen Wissen- schaftsbetrieb nicht mehr angemessene undemokratische Struktur der Hochschulen in seinen Augen überwunden werden.230

Stellvertretend für die mediale Repräsentation der deutschen Ordinarienuniversität stand eine Reihe von Artikelserien, die das Hamburger Wochenblatt „Die Zeit“ im November 1958 zu publizieren begann und die im Verlauf der kommenden drei Jahre ausführlich die Situation von Forschung und Lehre in verschiedenen Fächern wie Germanistik, Medi- zin, Rechtswissenschaft, oder Chemie sezierten. Demokratische Defizite der Universität und ihre Folgen bildeten dort einen ganz entscheidenden Schwerpunkt. Die „Zeit“ hatte

227Autonomie und Obrigkeitsdenken. Auszüge aus einem Studententagsprotokoll (1960). In: Freiburger Studentenzeitung 10 (3), S. 3. 228So: Werner Müller (1960): Fassade „Autonomie“. In: Freiburger Studentenzeitung 10 (2), S. 1. 229Ignaz Bender (1960): Gemeinsam an einem Strick ziehen? Aus einer Rede des 1. ASTA-Vorsitzenden Ignaz Bender. In: Freiburger Studentenzeitung 10 (7), S. 2. Vgl. u.a.: Christian Toepffer (1965): Autonomie der Ordinarien. In: Freiburger Studentenzeitung 15 (1) oder Herbert Lempka (1965): „et monstro simile“. In: Freiburger Studentenzeitung 15 (4). Der Beitrag von Lempka verglich die Universität der Gegenwart mit einem vormodernen „Ständestaat“. 230Hemmerich 25.10.1963 – Flucht von den deutschen Universitäten. In einem Leserbrief vom 6. Dezem- ber 1963 signalisierte der nach Kanada ausgewanderte Mediziner Wilhelm Josenhans Zustimmung. Er sei damals emigriert, so Josenhans, weil er das „Bevormundetwerden“ nicht mehr ertragen hatte. Die Betroffenen, das habe er mittlerweile verstanden, müssten sich allerdings selbst helfen. Die „As- sistenten“ an den Hochschulen der Bundesrepublik mahnte er ausdrücklich, die eigenen Anliegen in aller Öffentlichkeit und „nicht nur hinter der Bühne“ zu bekennen, siehe: W. T. Josenhans (1963): Rat vom „Sauerkrauthügel“. In: Die Zeit, 06.12.1963.

168 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

die Problematik nach eigener Auskunft aufgegriffen, um eine öffentliche Diskussion über die hierarchische und autoritäre Verfassung der Hochschulen zu entfachen, die in der Bundesrepublik – so zumindest die Auffassung der Redaktion – bislang nicht existiert hatte.231 Die Verwendung von Polemik wurde dabei nicht nur in Kauf genommen. Als fruchtbares Mittel der „geistigen Auseinandersetzung“ war dieses Stilmittel sogar aus- drücklich erwünscht – und zwar „von beiden Seiten“. Die Artikelserie sollte Leserinnen und Leser aufrütteln.232 Als studierter Philologe hatte der Feuilletonchef der „Zeit“ Rudolf Walter Leonhardt die erste Folge der großen Hochschuldokumentation über die Lage der Germanistik selbst übernommen. Wie Leonhardt am Beispiel seiner Disziplin ausführte, war das „patriarcha- lische akademische System“, das er aus der eigenen Studienzeit an deutschen Hochschulen kannte, noch immer „weitestgehend“ intakt. Von den Seminaren während des Studiums über Promotion und Habilitation bis zum Einstieg in die Universitätslaufbahn war der akademische Nachwuchs stets vom Wohlwollen einer einzigen Person, des Professors, ab- hängig. Leonhardt bezweifelte, dass man auf diese Art und Weise freie, selbständige und kritische Wissenschaftler heranziehen konnte. Unter den gegebenen Umständen, betonte Leonhard, durfte es im Gegenteil niemanden überraschen, wenn sich der einst „Unter- drückte“ bald selbst „zum Diktator in seinem kleinen Reich des Geistes“ aufschwang.233 Die zweite Folge der großen „Zeit“-Dokumentation wurde im Juli 1959 publiziert. Nach der Germanistik wandte sich das Blatt nun der Medizin zu. Die neue Serie ging mit der „Ordinarienuniversität“ noch sehr viel schärfer ins Gericht, als es der Feuilletonchef der „Zeit“ wenige Monate zuvor getan hatte. An einer deutschen Hochschule, vermerkte der anonyme Verfasser bereits im ersten Beitrag vom 3. Juli 1959, hielt ein ordentlicher Professor in „seinem“ Fach nicht nur die volle „Entscheidungsgewalt“ über den Haushalt, sondern auch über Anstellung, Arbeitseinteilung und Förderung von Mitarbeitern in der Hand. Studierende oder Assistenten besaßen dagegen „keinerlei Mitspracherechte“ in den Fakultäten. Keine Publikation – selbst wenn der Professor aufgrund der fortschreitenden Spezialisierung in den Wissenschaften kaum in das Thema eingearbeitet war – erblickte ohne Zustimmung des Ordinarius das Tageslicht. Der Autor sprach von einer „muse- umsreifen Universitätsverfassung“, von einer „absolutistisch regierten Insel“ im „weiten Meer moderner, demokratischer Lebensformen“, von einem „hierarchisch gegliederten“ und geradezu „diktatorisch geleiteten Universitätsbetrieb“. Eine solche anachronistische Struktur war, wie der Verfasser glaubte, nicht nur mit dafür verantwortlich, dass die deutsche Medizin ihre „Weltgeltung“ in der Forschung verloren hatte. Sie beförderte außerdem ein Arbeitsklima, das kritische Diskussion – der anonyme Autor sprach vom „agonalen Prinzip“ – praktisch unmöglich machte und stattdessen von einem „Zwang zur geistigen Konformität“ gekennzeichnet war. Wäh- rend die „Chefs“ aufgrund ihrer Machtstellung häufig zur „Kritikempfindlichkeit“ neig-

231So Rudolf Walter Leonhardt (1959): Wie empfindlich sind wir eigentlich? Ein Schlußwort zur Medizin-Serie. In: Die Zeit, 21.08.1959. Vgl. Ders. (1960): Was sollen diese Hochschul-Serien? In: Die Zeit, 15.07.1960 sowie die Vorrede zu: Wie man in Deutschland Medizin studiert (I) (1959). In: Die Zeit, 03.07.1959. 232Siehe etwa den Vorspann zu: Wie man in Deutschland Medizin 3.7.1959. 233Rudolf Walter Leonhardt (1958): Wozu studiert man Germanistik? In: Die Zeit, 27.11.1958.

169 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 ten und einen Anspruch auf „fachliche Unfehlbarkeit“ entwickelten, so die Beobachtung des jungen Mediziners, bildeten sich bei allen anderen Klinikmitgliedern die typischen Phänomene einer „Untertanen-Psychologie“ heraus.234 Anders als bei den Artikeln zur Germanistik entfaltete sich im Umfeld der Medizin- Beiträge eine hitzige Debatte, in der sich nicht zuletzt viele betroffene Ordinarien selbst zu Wort meldeten, darunter die Freiburger Koryphäen Ludwig Heilmeyer und Franz Büchner.235 Die Kritik des anonymen Autors an der „museumsreifen“ Struktur der deut- schen Universitätsmedizin wurde in der Regel scharf zurückgewiesen. So stellte Heilmeyer etwa schlicht fest: „Die beste Universitätsverfassung ist diejenige, welche den fähigsten und fruchtbarsten Persönlichkeiten der Wissenschaft die größte Machtfülle gibt“.236 In einem „Schlusswort“ zu der ausufernden Diskussion drückte Rudolf Walter Leon- hardt dagegen erneut sein Unbehagen über die „patriarchalische“ Struktur der Fakultäten an deutschen Hochschulen aus. Viele Professoren beriefen sich für seinen Geschmack zu Unrecht auf den „großen Humboldt“. Diese Ordinarien, meinte der Feuilletonist, hatten offenbar noch immer nicht begriffen, dass das „Zeitalter der konstitutionellen Monarchie“ endgültig vorüber war. Selbst einem „wohlwollenden Absolutismus“ stand er mit „eini- gen Bedenken“ gegenüber. Denn neben sehr wenigen Vorteilen, so Leonhardt, brachte das an deutschen Universitäten noch immer vorherrschende „Patriarchat“ doch in erster Linie Nachteile mit sich, wie in den Beiträgen der „Zeit“-Reihe schließlich zur Genüge ausgeführt worden war.237 Die Untersuchungen der „Zeit“ zu den Problemen der Ordinarienuniversität wurden in den nächsten Jahren mit Beiträgen zur Chemie und zu den Rechtswissenschaften in Deutschland fortgesetzt. Die Artikel zur Chemie erschienen zwar anonym, entstammten aber – wie später bekannt wurde – der Feder von Peter Hemmerich.238 Die Artikelfolge zu den Rechtswissenschaften hatte der Jurist Helmut Donau verfasst, der als Landge- richtsrat in Freiburg eine gesicherte Stellung vorweisen konnte und sich keine Sorgen um eine akademische Karriere machen musste. Als Repetitor war Donau allerdings sehr wohl mit den Sorgen von Studierenden und Hochschulen vertraut. Hemmerich beschrieb die soziologische Struktur der deutschen Hochschulchemie als System der „Apartheid“ und „perfekte Klassengesellschaft“. Ganz unten standen in die- sem Modell die Praktikanten, ungefähr in der Mitte Doktoranden und Assistenten und ganz oben die Ordinarien, die – wie der junge Autor in Anspielung auf ein geflügeltes Wort unter Studenten meinte – nicht einmal mehr „einen Tag pflichtschuldigst in Demo-

234Wie man in Deutschland Medizin 3.7.1959; Viele Begabte wandern von der Universität ab. Wie man in Deutschland Medizin studiert (II) (1959). In: Die Zeit, 10.07.1959; Verschleiß an Zeit, Begabung und Freudigkeit. Wie man in Deutschland Medizin studiert (III) (1959). In: Die Zeit, 17.07.1959; Eigentliche Ausbildung erst nach dem Staatsexamen 24.7.1959. 235Große Gelehrte nehmen Stellung (1959). In: Die Zeit, 03.07.1959; Berühmte Mediziner antworten (1959). In: Die Zeit, 10.07.1959 (mit einem Beitrag von Büchner); Bedeutende Ordinarien antworten (1959). In: Die Zeit, 17.07.1959 (Beitrag von Heilmeyer); Maßgebliche Mediziner äußern sich (1959). In: Die Zeit, 24.07.1959; Ein offenes Wort der Ordinarien (1959). In: Die Zeit, 31.07.1959; Leonhardt 21.8.1959 – Wie empfindlich sind wir eigentlich. 236Bedeutende Ordinarien antworten 17.7.1959. 237Leonhardt 21.8.1959 – Wie empfindlich sind wir eigentlich. 238So der Nachruf: Peter Hemmerich (1981). In: Die Zeit, 09.10.1981.

170 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

kratie machten“, sondern sich konsequent die ganze Woche über „autoritär gebärdeten“. „Menschliche Beziehungen“ zwischen den verschiedenen „Kasten“ existierten nicht. Jede Gruppe, so Hemmerich, war der jeweils übergeordneten „hörig“ und allesamt befanden sich in vollkommener Abhängigkeit zu den machtvollen Ordinarien.239 Donau konnte Hemmerichs Ausführungen aus eigener Erfahrung im großen und gan- zen bestätigen. Wie jede andere Fakultät zerfiel die rechtswissenschaftliche Abteilung nach Meinung des Freiburger Juristen in zwei „Menschengruppen“. Auf der einen Seite standen die ordentlichen Professoren. Auf der anderen Seite all jene, die es noch nicht waren, aber es in der Regel einmal werden wollten. Um den Weg zum eigenen Lehrstuhl jedoch erfolgreich bestreiten zu können, empfahl Donau einen wenigstens zurückhalten- den „Konformismus“ gegenüber dem ordentlichen Professor, dessen Wohlwollen allein für einen gelungenen Einstieg in die Universitätslaufbahn verantwortlich war. Nach außen hin bildeten die Ordinarien eine „monolithische Einheit“ – die Fakultät – die in „kollek- tiver Autokratie“ über die Universität herrschte. Demokratische Spielregeln, so lautete das Fazit des Freiburger Juristen, besaßen an der Hochschule schlicht keine Gültigkeit.240

Die große Dokumentation der „Zeit“ machte deutlich, dass die antiquierte Struktur der deutschen Ordinarienuniversität um 1960 bereits unter erheblichen Rechtfertigungsdruck geraten war, nicht zuletzt im Kontext einer massenmedialen Öffentlichkeit. Neben der gerade hier oft polemischen Kritik wurde in den 1960er Jahren jedoch ebenfalls die Frage diskutiert, mit welchen konkreten Maßnahmen sich die Hochschule zu einem demokra- tischeren Ort umgestalten ließ. Unter den verschiedenen Vorschlägen konnten v.a. zwei Ideen größere Publizität gewinnen: die studentische Forderung nach Mitspracherechten in der akademischen Selbstverwaltung und der Aufbau sogenannter „Departments“ nach amerikanischem Vorbild.

Demokratisierung durch „Departments“? Reform von Lehrstuhl, Institut und Fakultät Der scheidende Rektor der Albert-Ludwigs-Universität Bernhard Panzram hatte sei- nen Bericht über die „Notlage“ der Freiburger Hochschule im Rahmen der öffentlichen Rektoratsübergabe am 8. Mai 1965 fast hinter sich gebracht. Der Theologe hatte über den unaufhörlichen Anstieg der Studentenzahlen und die gefährliche „Überfüllung“ der Universität berichtet, hatte eine notwendige Kapazitätserweiterung angemahnt und die Möglichkeiten einer Studienreform sondiert. Gegen Ende seines Vortrags kam Panzram dann noch auf eine „Frage der inneren Reform“ zu sprechen, die ihn offenbar beson- ders beschäftigte und die während der letzten Jahre zudem immer wieder in der Presse „ventiliert“ worden war, wie er es ausdrückte. Es ging um die Rezeption eines angloameri-

239Wie man in Deutschland Chemie studiert 10.6.1960; Über die Kunst sich durchzuschwindeln 17.6.1960; Die Flucht aus dem schmutzigen Labor. Wie man in Deutschland Chemie studiert (III) (1960). In: Die Zeit, 24.06.1960; Rette, wer kann. Wie man in Deutschland Chemie studiert (IV. und letzte Folge) (1960). In: Die Zeit, 01.07.1960. 240Helmut Donau (1961): Der mühsame Weg zu einem Lehrstuhl. Wie man in Deutschland Rechtswis- senschaft studiert (IV. und letzte Folge). In: Die Zeit, 03.03.1961.

171 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 kanischen Modells zur Organisation von Forschung und Lehre in der Bundesrepublik, das der Freiburger Rektor seinen Zuhörern aus Wissenschaft, Politik, Kirche und Wirtschaft als „department system“ vorstellte.241 In der Reformdebatte der 1960er Jahre spielte dieses Modell in vielerlei Hinsicht eine bedeutende Rolle.242 Die Organisation von Fachbereichen nach amerikanischem Vor- bild verband man zum einen mit einer „Rationalisierung“ der Wissenschaftsorganisa- tion. Durch die Zusammenfassung verschiedener Lehrstühle und Institute unter einem gemeinsamen Dach wurden Hochschullehrer von Verwaltungsaufgaben entlastet. Mit- glieder von Fachbereichen konnten auf Ressourcen wie Labore, Geräte oder Bibliothe- ken gemeinsam zugreifen. Auf diesem Weg sparte man „nicht nur Raum, sondern auch Personal“, wie Panzram in seinem Bericht vermerkte.243 Das Department sollte zweitens den Anforderungen einer gerade in den Naturwissenschaften zunehmend arbeitsteiligen und spezialisierten Forschung entgegen kommen, indem es interdisziplinäre Kooperation und Teamwork förderte. Der an deutschen Hochschulen noch immer dominierende „wis- senschaftliche Individualismus“ wurde vielerorts als nicht mehr zeitgemäß empfunden und häufig für den Rückstand der Bundesrepublik im internationalen Vergleich verant- wortlich gemacht. Das Department schien hier einen Ausweg zu bieten. Drittens war die Rezeption des Modells für die Demokratisierung der deutschen Hochschulen von großer Bedeutung. Während Lehrstühle oder Institute an einer deutschen Universität oftmals streng hierarchisch gegliedert waren, basierten Departments auf einem kollegia- len Prinzip, das sämtlichen Beteiligten – wenigstens in der Theorie – Verantwortung und Mitsprachemöglichkeiten einräumte, die Machtstellung einzelner Ordinarien beschränk- te und Hierarchien abschwächte. Forschung und Lehre in den Fachbereichen sollten hier durch einen ständigen offenen Austausch über Alters- und Statusgrenzen hinweg geprägt sein. In seinem Rechenschaftsbericht vom 8. Mai 1965 ging der Freiburger Rektor den Impli- kationen des Department-Modells für eine Demokratisierung der deutschen Hochschulen nach. Der traditionellen „hierarchischen Struktur der deutschen Universitätsinstitute“ stellte Panzram explizit die von „kollegialer Koordination“ geprägten „Kooperationsge- meinschaften“ jenseits des Atlantiks gegenüber. Dem Gedanken einer Demokratisierung durch Departments stand der Theologe überaus positiv gegenüber. Von einer Auflocke- rung der „streng hierarchisch gegliederten“ Universität erhoffte er sich u.a. eine Verbesse- rung des „Arbeitsklimas“ im deutschen Hochschulwesen, das ja damals schon seit einiger Zeit zum Gegenstand lautstarker öffentlicher Kritik geworden war. Panzram mahnte zu einer konsequenten Umsetzung der Department-Struktur in der Bundesrepublik, da- mit die demokratisierenden Effekte des Modells auch wirkungsvoll zur Geltung kommen konnten. In die „legere Kollegialität“ der Fachbereiche mussten in seinen Augen unbe- dingt alle „Statusgruppen“ einbezogen werden, insbesondere die Mitglieder des „Mittel- baus“ wie akademische Räte oder Assistenten. Die bisherige „Institutsmonarchie“ durch ein „Triumvirat“ ordentlicher Professoren oder ähnliches zu ersetzen reichte nicht aus,

241Panzram 1965 – Bericht über die Notlage, S. 17 f. 242Vgl. für das Folgende Paulus 2010 – Vorbild USA. S. 393-397. 243Panzram 1965 – Bericht über die Notlage, S. 18.

172 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

wenn die Strukturen unterhalb dieser „Führungsschicht“ unangetastet blieben. Auf die- sem Weg erreichte man nach Auffassung von Panzram keine demokratische Universität mit einem „typisch amerikanischen Arbeitsklima“, sondern bestenfalls ein „oligarchisches“ System.244 Selbstverständlich standen nicht alle Hochschullehrer der Department-Idee so offen gegenüber wie der Freiburger Theologe. Gerade aus dem Umfeld der philosophischen und medizinischen Fakultäten waren durchaus Stimmen zu vernehmen, die dem Team- Gedanken in der Wissenschaft mit Skepsis gegenüberstanden und stattdessen die Not- wendigkeit eines starken Mannes an der Spitze betonten. Dennoch fanden sich nicht nur bei Studierenden und Angehörigen des Mittelbaus, sondern auch innerhalb der Professo- renschaft – besonders bei den Naturwissenschaftlern – zahlreiche Befürworter. Darüber hinaus hatte sich der einflussreiche Wissenschaftsrat bereits im Jahr 1962 in seinen „An- regungen zur Gestalt neuer Hochschulen“ für die Umgestaltung von Lehrstühlen und Instituten zu Departments nach angloamerikanischem Muster ausgesprochen. Während der zweiten Hälfte des Jahrzehnts stieß das Modell dann bei staatlichen Entscheidungs- trägern – Ministerialverwaltungen der Länder, Kultusministerkonferenz, Ministerpräsi- denten – zunehmend auf Interesse.245 Unterstützung fand das neuartige Strukturprinzip zumeist auch in den Massenmedien, nicht zuletzt wegen seiner Bedeutung für eine Demokratisierung des Hochschulwesens in der Bundesrepublik. So war Anfang April 1965 in der „Zeit“ ein großer zweiteiliger Artikel erschienen, in dem der Kernphysiker H. Jürgen Rose über seine persönlichen Erfahrungen mit der Department-Struktur berichtete. Angetan zeigte sich Rose v.a. von dem demokratischen Geist, den er während seiner Zeit in Oxford erlebt hatte. Als „demo- kratische Institution“ war das Department nach seiner Erfahrung v.a. durch das Prinzip der „balance of power“ gekennzeichnet. Dieses Gleichgewicht, so Rose weiter, resultierte in erster Linie aus der „Gleichberechtigung vieler Fachleute auf demselben Spezialgebiet“, die zusammen an Forschungsprojekten arbeiteten, sich ständig der gegenseitigen Kritik aussetzten und alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam trafen. Liberalität und de- mokratische Gesinnung, betonte Rose, waren in der Struktur des Departments angelegt. An deutschen Hochschulen galten diese Werte dagegen noch immer als persönliches „Ver- dienst“ des Lehrstuhlinhabers. So lange sich das nicht änderte, sei es an Universitäten in der Bundesrepublik um die Demokratie „schlecht bestellt“.246 Gerade wegen solcher Mängel hatten sich viele junge Wissenschaftler wie Rose für den Schritt ins Ausland entschieden. Zahlreiche Beobachter sprachen damals von einem brain drain, v.a. in Richtung der Vereinigten Staaten. Einer dieser Emigranten, der Physiker Rudolf Mössbauer, hatte die Diskussion um das Department-Modell einige

244Panzram 1965 – Bericht über die Notlage, S. 18 f. 245Vgl. zur westdeutschen Diskussion um das Department-System Paulus 2010 – Vorbild USA, S. 393- 409. 246Siehe H. Jürgen Rose (1965): Die zweite Emigration von den deutschen Universitäten. In: Die Zeit, 02.04.1965 und Ders. (1965): Jedem Ordinarius sein Königreich. In: Die Zeit, 09.04.1965. Vgl. u.a. Hans Dichgans (1965): Der Staat und seine Hochschulen. In: Die Zeit, 05.03.1965; Rudolf Walter Leonhardt (1965): Was steht zur Wahl? Neunmal sechs Antworten auf sechs kulturpolitische Fragen. In: Die Zeit, 10.09.1965; Schlaeger 21.7.1967 – Die Selbständigkeit lockt.

173 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Monate zuvor in den Mittelpunkt der massenmedialen Aufmerksamkeit gerückt.247 Im März 1964 nahm Mössbauer einen Ruf der Technischen Hochschule in München an. Seit 1960 hatte er in den USA am California Institute of Technology geforscht und für seine Arbeiten 1961 den Nobelpreis erhalten. Sein Entschluss, nach Deutschland zurückzukehren, verknüpfte der junge Physiker mit einer Bedingung: Mössbauer forderte den Aufbau eines Physik-Departments nach amerikanischem Vorbild in München. Die Zustimmung der Technischen Hochschule in dieser Sache war letztlich entscheidend für seine Zusage.248 In der Presse wurde Mössbauers Rückkehr gefeiert, der Physiker zu einer „Symbol- Figur für die bedrängte Forschung“ in der Bundesrepublik stilisiert. Seine Berufung nach München deutete man optimistisch als Startschuss für eine vermehrte Remigration deut- scher Wissenschaftler aus den Vereinigten Staaten oder Großbritannien. Einen Anschub erhofften sich Beobachter zudem für eine Demokratisierung der Universität. Bei seinen Kollegen, schrieb der Wissenschaftsjournalist Robert Gerwin am 10. April 1964 in der „Zeit“, habe der junge Physiker mit seiner Forderung nach einer „Physik-Abteilung neuen Stils“ geradezu „offene Türen“ eingerannt. Trotz mancher Anfeindung aus Kollegenkrei- sen konnten es viele Naturwissenschaftler demnach kaum erwarten, der „Autorität“ des deutschen Ordinarius endlich „das Grab zu schaufeln“. Mit dem neuen Department für Physik in München war nach Ansicht von Gerwin ein erster Schritt getan: Hier sollte der Professor nicht mehr als „unumschränkter König in seinem Instituts-Reich“ herrschen.249 Der „Spiegel“ berichtete in ganz ähnlicher Form von einer „revolutionären Neuerung im bundesdeutschen Hochschulbetrieb“. Mit der Einführung des Department-Systems, hieß es in einem Beitrag vom 13. Mai 1964, rückte man in München von einer „Lehr- und Forschungsweise“ ab, die seit dem „Zeitalter der Geheimratswissenschaft“ durch eine „uneingeschränkte Machtposition des Lehrstuhlinhabers“ bestimmt worden war.250 Bernhard Panzram ging in seinem Jahresbericht 1965 ebenfalls auf den „Fall Mössbau- er“ ein. Dass der Nobelpreisträger und die Technische Hochschule in München derma- ßen in den Fokus des öffentlichen Interesses geraten waren, sagte Panzram allerdings überhaupt nicht zu. In seinen Augen wurde der Beitrag der Albert-Ludwigs-Universität zur Etablierung des Department-Modells in Deutschland nicht hinreichend gewürdigt. Entgegen vieler Berichte, erklärte der Theologe seinen Zuhörern, hatte Mössbauer mit der physikalischen Abteilung in München keineswegs eine Pionierleistung vollbracht. An der Freiburger Hochschule existierten solche „Kooperationsgemeinschaften“, wie Panz- ram behauptete, nämlich schon seit den frühen 1960er Jahren. Den Anfang hatten wie in München die Physiker gemacht. Mittlerweile, so Panzram, waren ähnliche Struktu- ren aber auch bei den Historikern, in der Mathematik, der Biologie, der Germanistik und zum Teil bei den Juristen geschaffen worden. Der Theologe war außerdem davon

247Vgl. Paulus 2010 – Vorbild USA, S. 397 f. 248Vgl. Paulus 2010 – Vorbild USA, S. 397-402. 249Robert Gerwin (1964): Der zweite Mössbauer-Effekt. Eine Berufung und ihre segensreichen Folgen. In: Die Zeit, 10.04.1964. Vgl.: „Zweiter Mößbauer-Effekt“ (1964). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.04.1964. 250Zweiter Effekt (1964). In: Der Spiegel, 13.05.1964.

174 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

überzeugt, dass bald noch weitere Departments in Freiburg folgen würden.251 Die Albert-Ludwigs-Universität war sehr darauf bedacht, ihre reformerische Haltung öffentlich bekannt zu machen und selbst eine Art „Pionierstatus“ zu reklamieren. Das legte nicht erst der Bericht von Panzram nahe. Bereits unmittelbar nach den ersten Reportagen über den „zweiten Mössbauer-Effekt“ hatte das Rektorat Pressemeldungen herausgegeben, die über die eigenen Experimente mit dem Department-Modell in der Physik informierten und die angeblichen Münchener Verdienste relativierten.252 Dar- über hinaus lancierte man einen Artikel in der „Badischen Zeitung“, der die Tatsache beklagte, dass das Freiburger Beispiel in den einschlägigen Presseveröffentlichungen zur Hochschulreform „nie zitiert oder gar diskutiert“ wurde, obwohl es sich doch so gut „be- währt“ hatte und in „Fachkreisen“ durchaus bekannt sei.253 Wie der Physiker H. Jürgen Rose in seinen „Zeit“-Artikeln vom April 1965 bekannte, wurde die Freiburger Entwicklung für seine eigene Disziplin in der Tat oft als Vorbild zitiert. Rose selbst hegte als Fachmann allerdings Zweifel, ob das Physik-Department an der Albert-Ludwigs-Universität diesen Status wirklich verdiente. Neben München, Karlsruhe sowie „ein oder zwei“ weiteren Orten waren in Freiburg nach seiner Einschät- zung zwar erste Schritte in die richtige Richtung unternommen worden. Noch sei aber der „endgültige Durchbruch“ zu einem „neuen deutschen Stil“ nicht gelungen. Das, was u.a. in Freiburg als „Department nach angelsächsischem Vorbild“ beworben wurde, bil- dete nach Roses Auffassung lediglich eine „verwaltungsvereinfachende Zusammenfassung verschiedener Parallel-Lehrstühle in einem Institut“. Weil jede einzelne Professur wei- terhin ihren „eigenen“ Stab von wissenschaftlichen Mitarbeitern unterhielt und auch im Forschungsprozess noch immer weitgehend „Interferenzfreiheit“ zwischen den Vertretern unterschiedlicher Spezialfächer herrschte, hatte die gerühmte demokratische Kollegiali- tät des amerikanischen Vorbilds bisher nicht realisiert werden können. Im Vergleich zum bisherigen „Eingott-Institutsstil“ sah Rose aber trotz allem einen Fortschritt.254 Tatsächlich war das Physik-Department, das gaben seine Initiatoren selbst offen zu, noch um einiges von den amerikanischen Vorbildern entfernt. Das lag nicht nur an den von Rose angesprochenen Problemen, sondern auch daran, dass die Kooperationsge- meinschaft – wie letztlich bei allen Freiburger Departments der 1960er Jahre – in keiner Satzung fixiert und nicht institutionalisiert war, sondern lediglich auf einer freiwilligen Übereinkunft der beteiligten Professoren beruhte. Der Zusammenschluss sorgte durchaus für gewisse Demokratisierungseffekte. So wurden etwa Entscheidungen über die Ausge- staltung der Lehre zumindest teilweise gemeinsam getroffen.255 Insgesamt handelte es

251Panzram 1965 – Bericht über die Notlage, S. 18 f. 252Ein Physikdepartment (1964). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.04.1964; Physikdepartment in Freiburg (1964). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.05.1964. Der „Spiegel“ fügte in seinen Mössbauer-Artikel vom 13. Mai 1964 – nachdem das Rektorat der Albert-Ludwigs-Universität seine Pressemeldung versendet hatte – einen Verweis auf das Freiburger Physikdepartment ein, siehe: Zweiter Effekt 13.5.1964. 253Gut bewährt – aber zu wenig bekannt. Ein „Physikdepartment“ an der Universität Freiburg schon seit vier Jahren (1964). In: Badische Zeitung, 27.04.1964. 254Rose 2.4.1965 – Die zweite Emigration. 255Vgl. Schlier, Schmidt 1968 – Das Physikalische Institut der Universität sowie Paulus 2010 – Vorbild USA, S. 401 f.

175 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 sich allerdings nicht nur bei den Departments der 1960er Jahre, sondern auch bei dem in der neuen Grundordnung von 1969 beschlossenen Umbau der traditionellen Fakultäten in kleinere und handlungsfähigere Einheiten eher um Ansätze zur Rationalisierung als zur Demokratisierung der Albert-Ludwigs-Universität. Anders als in Baden-Württemberg, wo sich der Gesetzgeber nicht näher zur inneren Organisation von Forschung und Lehre äußerte, versuchte man eine Reform der klassi- schen Fakultäten und eine Neuordnung in „Fachbereiche“ seit 1970 durch verschiedene Hochschulgesetze in den Ländern sowie später auch durch das Hochschulrahmengesetz voranzutreiben. Einzelne Elemente des Department-Systems konnten dabei umgesetzt werden. Der „große Wurf“ kam jedoch – wie schon im Fall der Studienreform – nicht zustande.256

„Aus dem Sandkasten heraus“: Mitbestimmung in der akademischen Selbstverwaltung Das Department-Modell bot also einen möglichen Weg in Richtung einer demokratische- ren Universität. Ein anderer, in der Zeit um 1960 ebenfalls an Popularität gewinnender Ansatz zur Demokratisierung der Hochschulen kreiste um erweiterte Mitspracherechte für Studierende und Vertreter des Mittelbaus in der akademischen Selbstverwaltung. „Partizipation“ entwickelte sich während der langen 1960er Jahre generell zu einem zentralen Schlüsselbegriff für die Auseinandersetzungen um eine demokratische Umge- staltung der Gesellschaft. Die Frage der Mitbestimmung – im Betrieb und am Arbeits- platz, in der Kirche oder im Militär – wurde jetzt intensiv diskutiert. Schauplatz bzw. Gegenstand solcher Debatten waren nicht zuletzt auch Schulen, Hochschulen und Uni- versitäten.257 Schon im letzten Drittel der 1950er Jahre hatten Studierende hier und da Forderungen nach mehr Mitsprache in den akademischen Gremien erhoben.258 Neben verschiedenen studentischen Gruppen an einzelnen Hochschulen setzte sich u.a. der „Verband Deutscher Studentenschaften“ als „offizielle“ Vertretung der westdeutschen Studierenden bereits zu einem frühen Zeitpunkt für erweiterte Teilhaberechte ein. Allerdings rückte die Proble- matik erst seit 1960 stärker in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. So wurde die Frage jetzt nicht nur intensiver in der Studentenpresse und auf den Studententagen des VDS diskutiert, sondern tauchte auch im hochschulöffentlichen Raum – bei Podi- umsdiskussionen etwa oder in Vortragsveranstaltungen – und in den Massenmedien auf. Darüber hinaus entstanden v.a. in studentischen Kreisen nun erstmals ausführliche Gut- achten über Mitbestimmung in der akademischen Selbstverwaltung, die Argumente für eine Demokratisierung der Hochschule bündelten.259 Ein typisches Beispiel für diese Ent-

256Vgl. Paulus 2010 – Vorbild USA, S. 409-411. 257Vgl. Scheibe 2002 – Auf der Suche, S. 258-264. 258Vgl. zu den frühen studentischen Mitbestimmungsforderungen insgesamt Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 42-50. 259So hatten Rektorenkonferenz und Stifterverband im Jahr 1958 ein Preisausschreiben über das Thema „Die Beteiligung der Studenten an den Selbstverwaltungsaufgaben der Universität“ veranstaltet. Der Münchner Harm Rösener ging als Sieger aus dem Wettbewerb hervor. Sein Text wurde allerdings erst 1961 als Gemeinschaftsveröffentlichung von WRK und Stifterverband publiziert: Harm Röse-

176 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

wicklung war die Universität Freiburg.

Wie an vielen anderen Hochschulen nahm die Diskussion über Mitbestimmung an der Albert-Ludwigs-Universität im Frühjahr 1960 an Fahrt auf. Anlass war ein Vorfall, der sich in Bonn zugetragen hatte. Im Januar war dort die Studentenvertretung demonstrativ zurückgetreten, weil man ihr im Rahmen der Beratungen zu einer neuen Hochschulsat- zung keine Mitspracherechte in den akademischen Gremien zugestanden hatte.260 Über die vermeintliche „Krise der studentischen Selbstverwaltung“ in der Bundes- hauptstadt wurde in der überregionalen Presse berichtet.261 Wie der Freiburger Jura- Student Hanno Kühnert in einem Brief an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ erklärte, hatte der Bonner „Eklat“ aber auch an „süddeutschen Universitäten“ eine Debatte über Demokratisierung der Hochschulen in Gang gesetzt.262 In Freiburg forderten studenti- sche Flugblätter nun „gleichberechtigte Mitbestimmung“ in den Selbstverwaltungsgremi- en. Darüber hinaus riefen Studierende zur Unterzeichnung einer Resolution an den Senat auf. Die Unterschriftenaktion im Hauptgebäude der Universität wurde von Rektor Merz umgehend gestoppt, eine weitere Verteilung der besagten Flugblätter verboten. Nach Meinung des Rektors brachte das Engagement der Studenten nur „Sand ins Getriebe“ von Forschung und Lehre. Daraufhin rief der AStA zu einer Vollversammlung auf, wo die offizielle Studentenvertretung am 27. Januar 1960 von einer großen Mehrheit der anwesenden Kommilitonen zur verstärkten Aktivität für studentische Mitspracherechte aufgefordert wurde und sich hinter die Forderung nach Demokratisierung der Universität stellte.263 Wenige Wochen später erstellten Studierende der Albert-Ludwigs-Universität eine umfassende Denkschrift, wo sie Argumente für erweiterte Mitspracherechte kompakt zusammenfassten und die eigenen Forderungen näher begründeten. Nach Auskunft der Verfasser – Ignaz Bender, Hanno Kühnert und Werner Müller – erhob der Text zwar keinen Anspruch auf eine „vollständige Erörterung der problemreichen Frage“. Allerdings diente das Gutachten durchaus als Bezugspunkt und bot Studierenden in der gesamten Bundesrepublik eine wichtige Basis für die Diskussion um Mitwirkungschancen.264 So

mann (1961): Die Beteiligung der Studenten an den Selbstverwaltungsaufgaben der Universität. Essen. In diesem Jahr entstand auch eine später berühmte Denkschrift des SDS über „Hochschule in der Demokratie“, die das im Kontext der Studentenproteste von 1968 so bedeutsame Konzept der „Drittelparität“ vorweg nahm. Diese Idee spielte zu Beginn der 1960er Jahre allerdings nur eine untergeordnete Rolle. 260Die Studenten fordern Sitz und Stimme in Universitätsgremien (1960). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.01.1960. 261Siehe etwa Eberhard Bitzer (1960): Die Studenten wollen Sitz und Stimme im Senat. Die studenti- sche Selbstverwaltung in der Krise. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.01.1960. 262Hanno Kühnert (1960): Mitbestimmung der Studenten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.03.1960. 263Sand im Getriebe (1960). In: Freiburger Studentenzeitung 10 (2); Aus dem Sandkasten heraus (1960). In: Freiburger Studentenzeitung 10 (2), S. 1; Studentenvollversammlung in Freiburg (1960). In: Ba- dische Zeitung, 27.01.1960; Studenten wünschen Mitbestimmung. Für Stimmen in den akademi- schen Gremien – ein Flugblatt fand Widerhall (1960). In: Badische Zeitung, 29.01.1960. 264Ignaz Bender u.a. (1960): Die Mitwirkung der Studenten in der akademischen Selbstverwaltung. Eine Denkschrift Freiburger Studenten. Freiburg, S. 1 f.; Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität

177 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 wurde der Text beispielsweise von einer Arbeitsgruppe des 1960 in Berlin stattfinden- den Studententags als „Arbeitsunterlage“ empfohlen und auf diesem Weg zumindest in studentischen Kreisen bekannt gemacht.265 Die Autoren der Freiburger Denkschrift stellten gleich zu Beginn ausdrücklich fest, dass es im deutschen Hochschulwesen an Partizipationsmöglichkeiten mangelte. Dass an der Selbstverwaltung der Universität „alle Glieder“ – Professoren, Dozenten, Assisten- ten, Studenten – mitwirken sollten, das wurde „in der Theorie“ zwar von niemandem bestritten. In der Praxis, so Bender, Kühnert und Müller, waren diese Teilhaberechte aber nur „in sehr seltenen Fällen“ realisiert worden.266 Die Forderung nach mehr Mitsprache fußte im Kern auf der Vorstellung von der Universität als „Korporation“ und auf einer Kritik an dem Begriff der „studentischen Angelegenheiten“, der die Beteiligung von Studierenden in der akademischen Selbstver- waltung bislang regelte. Der Terminus konnte nach Ansicht von Bender, Kühnert und Müller nahezu beliebig ausgelegt werden. Er teilte die Universität zudem „in Angele- genheiten verschiedener Glieder“ ein und missachtete so ihren „korporativen Charakter“. Die Idee von der Hochschule als „Korporation“ oder „Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden“ brachte es mit sich – so argumentierten Bender und seine Mitstreiter –, dass praktisch jedes Problem der akademischen Selbstverwaltung gleichzeitig auch ein stu- dentisches Problem darstellte. Die Autoren bezogen sich in diesem Zusammenhang u.a. explizit auf die Verfassung der FU Berlin, die Studierenden volles Stimm- und Rederecht in allen Angelegenheiten einräumte. Studentische Mitsprache in Senat, Senatskommis- sionen und Fakultäten sollte nach dem Willen von Bender, Kühnert und Müller endlich auch an den anderen westdeutschen Hochschulen ein „festes institutionell gesichertes Fundament“ in der Universitätssatzung erhalten.267 Akademische Mitbestimmung war für die Freiburger Studenten wie für ihre Kommi- litonen in der gesamten Bundesrepublik eine Frage der demokratischen Kultur bzw. der demokratischen Bildung. Den Verfassern der Freiburger Denkschrift ging es nicht nur um den „Bestand der Universität“, sondern auch um eine „Grundfrage des Staatswesens“ und der deutschen Gesellschaft überhaupt. Die Studenten ihrer Generation, hieß es, erlebten Demokratie noch nicht als „gesicherte Institution“, sondern als „immer anfälli- gen nasciturus“. Gleichzeitig verbrachte die zukünftige „Elite“ des Landes „entscheidende Jahre ihrer Entwicklung“ auf einer „obrigkeitlichen Insel im demokratischen Staat“, wo sie „weitgehend von der Mitverantwortung ausgeschlossen“ war. Man musste Studenten also nicht zuletzt deshalb Mitspracherechte übertragen, um demokratische Verfahren einzuüben und die demokratische Haltung der künftigen Führungskräfte zu festigen. Neben den Flugblättern und Gutachten griff seit Beginn des Jahres 1960 schließlich auch die Freiburger Studentenzeitung vermehrt in die Debatte um studentische Mit-

zur Revolutionszentrale, S. 43. 265Eine Freiburger Denkschrift. Die Mitwirkung der Studenten in der akademischen Selbstverwaltung (1960). In: Badische Zeitung, 25.04.1960. 266Bender u.a. 1960 – Die Mitwirkung der Studenten, S. 4. 267Ebd., S. 10-15. Ausgenommen von den Mitspracherechten sollten lediglich „persönliche Angelegen- heiten“ und Disziplinarverfahren von Professoren sein. Ein konkreter Schlüssel, wie später beim Konzept der „Drittelparität“, wurde aber noch nicht entwickelt.

178 3.3 Erneuerung: Rationalisierung und Demokratisierung an westdeutschen Universitäten

spracherechte und Demokratisierung der Hochschule ein. So war beispielsweise schon in der Februar-Ausgabe ein Beitrag mit dem Titel „Aus dem Sandkasten heraus“ publi- ziert worden, der die Einführung „demokratischer Spielregeln“ an der Albert-Ludwigs- Universität und die Verankerung von Partizipationsmöglichkeiten in der Satzung forder- te.268 Die Freiburger Studenten und insbesondere die FSZ setzten ihr Engagement für mehr Mitsprache in den nächsten Jahren fort. Allerdings wurde das Problem einer De- mokratisierung der Universität bald nicht mehr nur in studentischen Foren aufgegriffen, sondern stieß nun auch in einem größeren hochschulöffentlichen Kontext auf zunehmen- des Interesse.

Für das Sommersemester 1960 hatten Studierende und Professoren der Albert-Ludwigs- Universität eine gemeinsame Gesprächsreihe zum Thema „Universität als Körperschaft“ geplant. Im Rahmen dieser Reihe diskutierten Ignaz Bender und der Freiburger Jurist Hans Gerber am 24. Mai 1960 in der Aula des Kollegiengebäudes über eine „studenti- sche Mitwirkung in akademischen Gremien“. Während Bender die Thesen der von ihm mitverantworteten Denkschrift zu verteidigen versuchte, vertrat Gerber – zu diesem Zeitpunkt u.a. Leiter des Hochschulrechtsausschusses bei der Rektorenkonferenz – eine zurückhaltendere und kritischere Position. Wie Bender berief sich zwar auch der Jurist auf den korporativen Charakter der Uni- versität als „Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden“. Allerdings handelte es sich in seine Augen um eine „Zweieinheit“, die auf Unterschiede an „wissenschaftlicher Reife und Leistung“ zurückzuführen war. Ohne im politischen Sinn „obrigkeitsstaatlich“ organisiert zu sein – so lautete ja ein Vorwurf der Studenten – war die „akademische Genossenschaft“ für den Freiburger Juristen aus ihrem „Dienst an der Wahrheit“ heraus immer in Lehren- de und Lernende „gestuft“. Vor diesem Hintergrund wehrte sich Gerber nicht nur gegen eine Übertragung des demokratischen Gleichheitsprinzips von Politik und Staatswesen auf die Universität, sondern auch gegen die Einführung formal demokratischer Verfahren in der „institutionalisierten Wissenschaftspflege“.269 Die Debatte über studentische Mitwirkung an der Albert-Ludwigs-Universität wur- de am nächsten Tag fortgesetzt. Im Kontext der sogenannten „Mittwochsgespräche“ – eines im Jahr 1959 begründeten Gesprächsforums270 – tauschten sich Studierende und Lehrende unter Vorsitz des Rechtsprofessors Hans-Heinrich Jescheck über die Referate des Vorabends aus. Auf welchem Weg eine erweiterte studentische Beteiligung in der

268Aus dem Sandkasten heraus 1960. 269Studenten fordern Mitwirkung. Hochschulpolitische Diskussion als Auftakt zu einer Auseinanderset- zung (1960). In: Badische Zeitung, 27.05.1960. Vgl. Hans Gerber (1963): Die Mitwirkung der Stu- denten in der akademischen Selbstverwaltung. In: Freiburger Universitätsblätter 2 (3), S. 11-18 sowie den Artikel des in diesem Jahr an der Albert-Ludwigs-Universität habilitierten Kurt Sontheimer (1960): Die „Demokratisierung“ der Universität. Was manche Studenten mißverstehen. In: Frank- furter Allgemeine Zeitung, 14.10.1960, der sich direkt auf die Argumente der Freiburger Denkschrift bezog. Die von Gerber und Sontheimer vertretene Position war in der deutschen Professorenschaft zu dieser Zeit weit verbreitet, vgl. Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutions- zentrale, S. 44. 270Vgl. Mittwoch-Gespräche in der Alten Universität (1959). In: Freiburger Studentenzeitung 9 (3), S. 5.

179 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 akademischen Selbstverwaltung erreicht werden konnte, war dabei durchaus nicht un- umstritten. Eine verstärkte Mitwirkung von Studierenden in Universitätsgremien, wie sie Bender, Kühnert und Müller in ihrer Denkschrift vorgeschlagen hatten, war sicherlich das favorisierte Modell. Allerdings meldeten sich auch Stimmen, die für die Gründung einer „Studentengewerkschaft“ votierten oder eine „Demokratisierung der gesamten aka- demischen Verwaltung“ forderten, was – wie ein Kommentator der „Badischen Zeitung“ betonte – einer „totalen Revolutionierung“ gleich kam.271 Im Anschluss an die beiden Veranstaltungen im Mai 1960 wurde an der Albert- Ludwigs-Universität eine von Studenten und Professoren besetzte „Arbeitsgemeinschaft Mitwirkung“ gebildet. Aufseiten der Professorenschaft nahmen u.a. Gerd Tellenbach, Arnold Bergstraesser, der Jurist Hans Thieme und der Theologe Anton Vögtle an dem Austausch teil.272 Dennoch kam eine Demokratisierung der Hochschule in den nächsten Monaten und Jahren kaum voran. Noch im November 1965 wiederholte Hans-Heinrich Jescheck – jetzt Rektor – fast wortwörtlich die Argumente, die sein Kollege Gerber fünf Jahre zuvor gegen erweiterte studentische Mitsprache ins Feld geführt hatte: Die Universität war kein „politisches Gemeinwesen“. Die „Spielregeln der Demokratie über das Verhältnis von Mehrheit und Minderheit“ waren dort nicht „ohne weiteres anzuwen- den“.273 Erst im Kontext der Studentenproteste von 1968 kam es an der Albert-Ludwigs- Universität – und an vielen anderen westdeutschen Hochschulen – zu einer vorsichtigen Erweiterung studentischer Mitspracherechte.

Die demokratische Universität war während der „dynamischen Zeiten“ in den 1960er Jahren also sowohl im studentischen Umfeld und an den Hochschulen, als auch in der massenmedialen Diskussion ein stets präsentes Thema. Dabei ging es zum einen um die Gültigkeit demokratischer Rechte wie Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit im aka- demischen Raum. Auf der anderen Seite geriet das System der „Ordinarienuniversität“ zunehmend unter Druck. Autoritäres Verhalten von Professoren und undemokratische Strukturen wurden in der Presse offengelegt, das angelsächsische Department als Alter- native zum traditionellen Lehrstuhl empfohlen. Studierende forderten mehr Mitsprache- rechte in der akademischen Selbstverwaltung. Demokratisierung der Universitäten rückte bald noch stärker in den Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Schließlich handelte es sich um eines der zentralen Anliegen der vom SDS angeführten Studentenbewegung, deren Aktivitäten das Bild des deutschen Hochschulwesens in den folgenden Jahren maßgeblich bestimmten. Diskussionen um Ex- pansion und Studienreform liefen weiter – die Probleme waren ja auch keineswegs gelöst

271Studenten fordern Mitwirkung 27.5.1960. Tatsächlich gab es in Freiburg gerade angesichts der ent- täuschten Hoffnungen auf erweiterte Mitspracherechte Diskussionen um einen studentischen Syndi- kalismus, siehe etwa: Das Ende des Miteinander (1962). In: Freiburger Studentenzeitung 12 (2), S. 5 oder Horst Breier (1961): Syndikalismus? In: Freiburger Studentenzeitung 11 (1), S. 1-2. 272Studenten fordern Mitwirkung 27.5.1960; Das neunte Jahr (1961). In: Freiburger Studentenzeitung 11 (1), S. 3. 273Vgl. Hans-Heinrich Jescheck (1966): Gedanken zu einem Hochschulgesetz für Baden-Württemberg. Akademische Rede bei der Immatrikulationsfeier, 24. November 1965. In: Freiburger Universitäts- blätter 5 (11), S. 25-33.

180 3.4 „Wer kauft schon die Katze im Sack?“: Akademische Öffentlichkeitsarbeit in den 1960er Jahren

– wurden jedoch in der Öffentlichkeit mehr und mehr von „1968“ und seinen Folgen überlagert.

Insgesamt wurde die westdeutsche Öffentlichkeit während der 1960er Jahre – das haben die vorangegangenen Abschnitte gezeigt – von schier endlosen Diskussionen über Expan- sion und Erneuerung des Hochschulwesens in Beschlag gehalten. Zur gleichen Zeit – und nicht zuletzt unter dem Eindruck des verstärkten medialen Interesses – bemühten sich Universitäten ihrerseits darum, neue Zugänge zur Kommunikation mit ihren Umwelten zu finden: Man begann mit dem Aufbau von „PR-Abteilungen“ und einer professionellen Öffentlichkeitsarbeit. Mit dieser Entwicklung wird sich das folgende Kapitel befassen.

3.4 „Wer kauft schon die Katze im Sack?“: Akademische Öffentlichkeitsarbeit in den 1960er Jahren

Am 24. Februar 1967 wartete der Journalist Rudolf Walter Leonhardt in der „Zeit“ mit neuen Belegen zu einer alten Erkenntnis auf. Schulen und Universitäten, behauptete Leonhardt, litten an einem „gebrochenen Verhältnis“ zur Presse. Das hing in seinen Au- gen zum einen damit zusammen, dass Journalisten oft viel zu wenig über die „besonderen Schwierigkeiten“ in diesem Bereich wussten. Auf der anderen Seite herrschten im Bil- dungswesen zur gleichen Zeit recht „sonderbare“ Vorstellungen von den „Möglichkeiten und Aufgaben der Publizistik“, wie Leonhardt glaubte. Der Feuilletonchef der „Zeit“ be- mängelte v.a. eine verbreitete Neigung zur Abschottung. Kritische Stimmen von außen wurden an Schulen und Universitäten nach seiner Erfahrung oft ignoriert, der Kontakt mit Kritikern aus den Medien nicht selten schlicht eingestellt.274 Vorfälle in der jüngsten Vergangenheit hatten diese Haltung nach Auffassung von Leonhardt erneut bestätigt. Im Jahr 1966 war in der „Zeit“ ein ausführliches Portrait der Rektorenkonferenz publiziert worden. Nina Grunenberg warf der WRK, ihren Mit- gliedshochschulen und Professoren darin u.a. „Angst sich zu profanieren“ vor und sprach von einer „esoterischen Gemeinschaft“.275 Den – wie Leonhardt meinte – nicht einmal übermäßig kritischen Beitrag hatte die Rektorenkonferenz zum Anlass genommen, die Hamburger Wochenzeitung von ihrem Verteiler zu streichen, keine Informationen mehr an das Blatt zu schicken und seine Mitarbeiter nicht mehr zu Tagungen einzuladen. Ähnliches, stellte der Journalist mit einer Mischung aus Verwunderung und Belustigung fest, sei ihm bisher nur in der DDR widerfahren.276 Mit dem schwierigen Verhältnis von Universität und Presse hatte Leonhardt eine Thematik angerissen, die bereits seit den frühen 1960er Jahren immer wieder lebhaft

274Rudolf Walter Leonhardt (1967): Unerwünscht. Rektoren wollen, Schüler sollen uns Informationen verweigern. In: Die Zeit, 24.02.1967. 275Nina Grunenberg (1966): Mit Humboldt im Herzen. Ein Porträt der Westdeutschen Rektorenkon- ferenz. In: Die Zeit, 14.10.1966. 276Leonhardt 24.2.1967 – Unerwünscht.

181 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 diskutiert worden war: Public Relations im deutschen Hochschulwesen. Gerade von jour- nalistischer Seite – Leonhardts Artikel bildete keine Ausnahme – wurden jetzt immer häufiger Klagen über eklatante Mängel in diesem Feld an die Universitäten herangetra- gen. Obwohl die mediale Diskussion oft ein anderes Bild vermittelte, war man allerdings auch im Hochschulbereich selbst nicht nur schon während der ersten Hälfte des Jahr- zehnts in diese Debatte eingestiegen, sondern hatte sich gleichermaßen – wenn auch ohne durchschlagenden Erfolg – um eine verbesserte Praxis bzw. eine institutionelle Etablie- rung akademischer Öffentlichkeitsarbeit bemüht. Die Entwicklung von Public Relations an deutschen Universitäten während der 1960er Jahre ist Gegenstand des folgenden Kapitels. Nach einem Überblick über die Grundzüge der öffentlichen Debatte in Hochschulwesen und Massenmedien werde ich mich näher mit der Situation an der Albert-Ludwigs-Universität beschäftigen, die ein typisches Bei- spiel für die besagte Entwicklung bot. Zwei Einrichtungen stehen dabei im Mittelpunkt: Der Ausbau der akademischen Pressestelle und die Gründung der Freiburger Universi- tätsblätter.

3.4.1 Grundzüge der Diskussion Seit ungefähr 1960 wuchs das Interesse an Öffentlichkeitsarbeit bei Universitäten und Wissenschaftsinstitutionen erkennbar an. Bereits in der ersten Hälfte der 1960er Jahre widmeten sich der Hochschulverband277, der Verband Deutscher Studentenschaften278 und insbesondere die Westdeutsche Rektorenkonferenz im Rahmen von Tagungen oder Publikationen mehrfach diesem Fragenkomplex. In der WRK, der wichtigsten Interes- senvertretung der deutschen Hochschulen, stand das Problem der Öffentlichkeitsarbeit zwischen 1963 und 1965 regelmäßig auf der Tagesordnung. Unter anderem konstituierten sich dort verschiedene Arbeitsgruppen, die sich mit den Beziehungen von „Universität und Presse“ oder „Universität, Rundfunk und Fernsehen“ befassen sollten. Darüber hinaus stieß das Thema in den 1960er Jahren zunehmend auch außerhalb des engeren Hochschulbereichs auf Interesse. So veranstaltete das Presse- und Informations- amt der Bundesregierung in den Jahren 1966 und 1967 zwei Tagungen zur „Öffentlich- keitsarbeit an den deutschen Hochschulen“.279 Darüber hinaus erschienen nun zahlreiche Beiträge in den Massenmedien, die sich für eine Verbesserung von Public Relations im Universitätsbereich stark machten und Hochschulen mit publizistischen Mitteln gehörig

277Ferdinand Ernst Nord (1961): Die Unterrichtung über die Belange der Wissenschaft durch die Presse. In: Mitteilungen des Hochschulverbandes 9, S. 8-18; Hans-Walter Flemming (1961): Das Verhältnis von Wissenschaft und Presse. In: Mitteilungen des Hochschulverbandes 9, S. 19-27; Werner Thieme (1961): Das Verhältnis von Wissenschaft und Presse. In: Mitteilungen des Hochschulverbandes 9, S. 28-31; W. Block (1961): Noch einmal „Wissenschaft und Presse“. In: Mitteilungen des Hochschul- verbandes 9, S. 57-61. 278Vgl. Escher 2001 – Public Relations für wissenschaftliche Hochschulen, S. 14; sowie Dehn, Nuissl 1973 – Organisationsmodell Hochschulpressestellen, S. 35-37. 279Siehe: Zur Öffentlichkeitsarbeit an den deutschen Hochschulen. Zweite Tagung des Presse- und Infor- mationsamtes der Bundesregierung mit Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Hoch- schulen (1968). In: Deutsche Universitätszeitung 23 (1), S. 29-33. Vgl. Paulus 2010 - Vorbild USA, S. 444.

182 3.4 „Wer kauft schon die Katze im Sack?“: Akademische Öffentlichkeitsarbeit in den 1960er Jahren

unter Druck setzten. Gerade in den Beiträgen der Presse fiel immer wieder der starke Bezug zum amerikanischen Vorbild auf, wo akademische Öffentlichkeitsarbeit – wie man glaubte – deutlich besser ausgebaut war und größere Akzeptanz zu genießen schien als in der Bundesrepublik.280 Nicht zuletzt durch die mediale Erwartungshaltung sahen sich Hochschulen während der 1960er Jahre der Herausforderung gegenüber, die altbekannten Personal- und Ver- anstaltungsnachrichten um zusätzliche Aktivitäten zu ergänzen. Abteilungen für Public Relations sollten nicht nur zuverlässig und aktuell über hochschulpolitische Entwicklun- gen informieren. Als besonders wichtige Aufgabe galt nun v.a. eine engagiertere Popu- larisierung des an den Universitäten erzeugten wissenschaftlichen Wissens. Das vermehrte Interesse an den Beziehungen zwischen Universität und Öffentlichkeit bzw. Universität und Massenmedien seit Beginn der 1960er Jahre war im großen und ganzen auf drei Kontexte zurückzuführen. Der oftmals sehr kritische Hochschuldiskurs in den Massenmedien forderte Universitäten erstens zur öffentlichen Gegenoffensive heraus. Zweitens sollte Öffentlichkeitsarbeit die wachsenden staatlichen Ausgaben im Bereich der höheren Bildung rechtfertigen bzw. finanzielle Unterstützung generieren helfen. Ein wich- tiger Faktor war drittens aber auch die sich zu dieser Zeit verändernde gesellschaftliche Bedeutung von Wissenschaft.

Wissensgesellschaft Seit dem letzten Drittel der 1950er Jahre begannen Zeitdiagno- stiker einen tiefgreifenden sozialen Wandel auszumachen. Nicht wenige Beobachter ver- wiesen nun darauf, dass man in einem „wissenschaftlich-technischen Zeitalter“ lebte, in dem wissenschaftlichen Wissen eine ganz entscheidende und bis dahin ungekannte Be- deutung für sämtliche Lebensbereiche zukam.281 Vor diesem Hintergrund standen Uni- versitäten und Hochschulen als zentrale Stätten für Wissensproduktion und -vermittlung ebenfalls vor neuen Herausforderungen. In Anbetracht des gestiegenen Bedarfs bzw. der erhöhten Nachfrage nach Wissen wurde nicht zuletzt erwartet, dass sich Akademiker mehr als bisher für ein „außer-akademisches“ Publikum öffneten und dabei v.a. ihre Aktivitäten auf dem Gebiet der „Wissenschaftspopularisierung“ intensivierten. So sprach sich etwa Ferdinand Ernst Nord, Geschäftsführer des Stifterverbands, in einem 1961 erschienenen Aufsatz dafür aus, die öffentliche Präsenz der deutschen Uni- versitäten sichtbar zu erhöhen. Dass die Öffentlichkeit mehr über den Hochschulbereich und insbesondere über die dort betriebene Forschung erfuhr, war Nord v.a. deshalb ein so großes Anliegen, weil er hier wie so viele Zeitgenossen die „Kardinalfragen“ der „na- tionalen und internationalen Zukunft“ erblickte. Als „unsere Existenz tragende Kraft“

280Siehe u.a.: Hans Magnus Enzensberger (1960): Muß Wissenschaft Abrakadabra sein? In: Die Zeit, 05.02.1960; Rudolf Walter Leonhardt (1960): Wer macht Wissenschaft begreifbar? In: Die Zeit, 06.05.1960; Thomas von Randow (1962): Wer kauft schon die Katze im Sack? In: Die Zeit, 14.12.1962; Ders. 15.3.1963 – Der goldene Westen lockt; Hans Paul Bahrdt (1964): Gelehrte müssen sich verständlich machen. Wo Spezialisten ihre eigene Sprache haben, versagt die Demokra- tie. In: Die Zeit, 13.03.1964; Peter Hemmerich (1964): Wer dient wem in der Populärwissenschaft. In: Die Zeit, 18.09.1964; Thomas von Randow (1965): Klagen bringt kein Geld ein. Unsere Univer- sitäten vernachlässigen die Öffentlichkeitsarbeit. In: Die Zeit, 08.10.1965; Schweigsame Universität (1967). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.12.1967. Vgl. Paulus 2010 – Vorbild USA, S. 438-445. 281Vgl. insbesondere Szöllösi-Janze 2004 – Wissensgesellschaft.

183 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 sollte Wissenschaft seiner Meinung nach nicht nur im „öffentlichen Bewusstsein veran- kert“ werden, sondern geradezu dessen „geistigen Mittelpunkt“ bilden. In der Pflicht sah Nord die Vertreter der Massenmedien, aber v.a. auch Wissenschaftler und Hochschulen selbst. So forderte er mehr Raum für Berichterstattung über Forschung in der Pres- se und eine Professionalisierung des Wissenschaftsjournalismus. Gleichzeitig erwartete Nord von Hochschulen und Hochschullehrern, dass sie sich den Medien künftig „vorbe- haltlos“ zur Verfügung stellten und zu einem regelmäßigen Austausch mit Journalisten bereit waren.282 Nicht wenigen Beobachtern galt Wissenschaftsberichterstattung im „wissenschaftlich- technischen Zeitalter“ darüber hinaus als zentrales Element bzw. als Voraussetzung de- mokratischer Gesellschaften. „Wo Spezialisten ihre eigene Sprache haben, versagt die Demokratie“, schrieb der Soziologe Hans Paul Bahrdt beispielsweise am 13. März 1964 in der „Zeit“. Seine Kollegen forderte er zu mehr Engagement für die „Popularisierung wis- senschaftlicher Erkenntnisse“ auf. Denn in einer Expertenherrschaft, so Bahrdt, musste sich das „souveräne Volk“ mit einer „Scheinöffentlichkeit“ begnügen, wo nur noch „po- litisch belanglose Sensationen“ zur Verhandlung standen. Über die „wirklich wichtigen Fragen“ konnte sich unter diesen Umständen keine „öffentliche Meinung“ mehr bilden. Damit sei aber auch die Demokratie am Ende. Deshalb, warnte der Soziologe, durfte man es nicht zulassen, dass allein die „Exekutive in Gestalt von Beiräten und Gutach- tern einen direkten Draht zur Wissenschaft“ verfügte. Um demokratische Vitalität auch in Zeiten der Wissensgesellschaft zu bewahren, schien es Bahrdt unbedingt notwendig, Wissenschaftspopularisierung zu einer neuen „Blüte“ zu verhelfen. Verantwortlich da- für waren ihm zufolge nicht nur Journalisten oder Publizisten, sondern gerade auch die Wissenschaftler an den Hochschulen selbst.283

Hochschul- und Wissenschaftsfinanzierung Neben den wachsenden Ansprüchen ei- ner zunehmend wissensbasierten Gesellschaft hing das neu erwachte Interesse an Öf- fentlichkeitsarbeit auch mit dem Problem der Hochschul- und Forschungsfinanzierung zusammen. Intensivere Bemühungen auf dem Feld der Public Relations sollte dabei hel- fen, die wachsenden Bildungsausgaben – allein der große Plan des Wissenschaftsrats zur Expansion des Hochschulwesens hatte ja für einen gewaltigen Anstieg gesorgt – zu rechtfertigen bzw. Forderungen nach mehr Geld – sei es aus öffentlichen oder privaten Quellen – zu begründen. Der enge Zusammenhang zwischen Hochschulfinanzierung und Öffentlichkeitsarbeit

282Nord 1961 – Die Unterrichtung über die Belange, S. 8-10 und S. 17 f. 283Bahrdt 13.3.1964 – Gelehrte müssen sich verständlich machen. Ähnlich bspw. Leonhardt 6.5.1960 – Wer macht Wissenschaft begreifbar und Hemmerich 18.9.1964 – Wer dient wem. Leonhardt zeigte sich bestürzt darüber, wie wenig die meisten Menschen über Wissenschaft und Technik wussten, wo es sich doch um die „kulturbestimmenden Kräfte unserer Zeit“ handelte. Auch Leonhardt rief die Wissenschaftler auf, die „Popularisierung“ ihrer Forschungen selbst zu übernehmen. Bisher sei es nämlich noch v.a. die in die Publizistik abgewanderte „zweite oder dritte Garnitur“, die solche Aufga- ben übernahm und nicht eben zum „Prestige“ der Wissenschaftspublizistik beitrug. Die Hochschulen, Forschungsinstitute und ihre Mitarbeiter, behauptete Hemmerich, trugen noch immer sehr wenig zur „Erzeugung jener öffentlichen Wissenschaftsmeinung“ bei, die das „einzig mögliche Fundament für Forschung und Lehre in einem demokratischen Staatswesen“ darstelle.

184 3.4 „Wer kauft schon die Katze im Sack?“: Akademische Öffentlichkeitsarbeit in den 1960er Jahren

wurde beispielsweise während der Tagung des Presseamts im Jahr 1967 deutlich. Wie der damalige Bundespressechef Günter Diehl feststellte, war der Anteil von Bildungsaus- gaben an den „Länderbudgets“ in den letzten Jahren stetig angewachsen. Gerade unter diesen Umständen, meinte Diehl, hatten Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht darauf zu erfahren, zu welchem Zweck und mit welchem Ertrag diese öffentlichen Gelder ein- gesetzt wurden. Im Moment sei es für Außenstehende allerdings geradezu „unmöglich zu durchschauen“, was sich im Innern der deutschen Hochschulen abspielte. Aus diesem Grund musste die „Kommunikation zwischen Universität und Öffentlichkeit“ unbedingt verbessert werden.284 Der bekannte Kölner Ökonom Günter Schmölders, ebenfalls Tagungsteilnehmer in Bonn, näherte sich dem Problem von einer anderen Seite. Schmölders ging es nicht dar- um, bestehende Ausgaben zu rechtfertigen, sondern um die Frage, wie sich zusätzliche Gelder aufbringen ließen. Öffentlichkeitsarbeit an Hochschulen sollte ihm zufolge nicht länger als „herkömmliche Pressearbeit“ mit den altbekannten Personal- und Veranstal- tungsnachrichten praktiziert werden. Stattdessen, so Schmölders, mussten Universitäten die Öffentlichkeit endlich besser über ihre vielfältige Forschungstätigkeit informieren. Nur auf diese Art und Weise konnte man seiner Meinung nach die „Politik“ überzeugen, mehr Geld für das Hochschulwesen locker zu machen. Schmölders plädierte deshalb eindring- lich für eine „arbeitsfähige Institutionalisierung“ von akademischer Öffentlichkeitsarbeit und – zu diesem Zweck – für die Einsetzung professioneller Pressereferenten.285 Dass die Einnahmen von Hochschulen mit ihren Anstrengungen auf dem Gebiet der Public Relations korrelierten, konnte nicht nur auf den öffentlichen Sektor, sondern auch auf private Finanzierungsquellen bezogen werden. So stellte der Wissenschaftsjournalist Thomas von Randow in der „Zeit“ vom 14. Dezember 1962 desillusioniert fest, dass die private Förderung von Forschung und Lehre in den Vereinigten Staaten oder Großbritan- nien deutlich besser funktionierte als in der Bundesrepublik. Eine neue Untersuchung, die vom Stifterverband erst kürzlich unter dem Titel „Wissenschaft verkauft sich schwer“ publiziert worden war, habe diese Einsicht noch einmal untermauert. Der Durchschnittsbetrag, den deutsche Fördergesellschaften für jede Hochschule auf- brachten, mutete nach Meinung des Wissenschaftsjournalisten im Vergleich zu anderen Nationen nachgerade „lächerlich“ an. Der Grund für die erheblichen Unterschiede lag für ihn nicht zuletzt in der viel ausgeprägteren Öffentlichkeitsarbeit an den Universitäten im angloamerikanischen Raum. Jede bessere Hochschule, so von Randow, besaß dort eine Abteilung für Public Relations, um auf diesem Weg eine größere Öffentlichkeit über Forschungsarbeit auf dem laufenden zu halten. In Deutschland war dies nicht der Fall. Den Wirtschaftsunternehmen in der Bundesrepublik, die sich nicht in der Forschungs- förderung engagierten, konnte man vor diesem Hintergrund überhaupt keinen Vorwurf machen. Denn: Wer war schon bereit, die „Katze im Sack“ zu kaufen? Wenn sich die deutsche Forschung der Öffentlichkeit gegenüber weiterhin in Schweigen hüllte, prophe- zeite der Wissenschaftsjournalist, dann dürften in naher Zukunft auch noch die letzten

284Zur Öffentlichkeitsarbeit an den deutschen 1968, S. 29 f. 285Ebd., S. 30 f.

185 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 privaten Förderungsquellen versiegen.286 Drei Jahre später wiederholte von Randow seine Argumentation in einem weiteren „Zeit“-Artikel, erörterte nun aber noch die Möglichkeiten für konkrete Gegenmaßnah- men. Der Journalist, der in den 1950er Jahren selbst längere Zeit als Gastprofessor am Massachusetts Institute of Technology in Boston verbracht hatte, plädierte eindringlich für die Einrichtung von „Public Relations-Abteilungen“ nach amerikanischem Muster an deutschen Universitäten. Denn nicht mit Klagen über den „Bildungsnotstand“ lockte man in seinen Augen „den Leuten das Geld aus der Tasche“, sondern mit „Erfolgsmel- dungen“.287

Der Hochschuldiskurs in den Massenmedien Das neu erwachte Interesse an Public Relations hing also maßgeblich mit dem Problem der Hochschul- und Forschungsfinan- zierung zusammen. Die Reformbemühungen waren aber auch eine Reaktion auf den nahezu omnipräsenten Universitätsdiskurs, der sich in den Jahren um 1960 entwickelt hatte. Initiativen von Hochschulen und Hochschullehrern für eine Verbesserung der Öf- fentlichkeitsarbeit zielten nicht zuletzt darauf ab, der neuen Sensibilität von Presse, Funk und Fernsehen für Universitätsprobleme zu begegnen und v.a. auch dem kriti- schen Bild entgegenzutreten, das die Berichterstattung in den Massenmedien zu dieser Zeit bestimmte.288 Die Aktivitäten der Westdeutschen Rektorenkonferenz nach 1960 ließen diesen Zu- sammenhang besonders deutlich erkennen. Während der 50. Versammlung der WRK im Jahr 1963 stand die Problematik erstmals auf der Tagesordnung. Das „öffentliche publizistische Urteil“ über die deutschen Hochschulen, hielten die Rektoren bei ihrem Treffen in München fest, hatte sich bereits „seit geraumer Zeit“ verschlechtert. Unter an- derem wurde den Universitäten dort eine chronische „Reformunwilligkeit“ zum Vorwurf gemacht.289 Eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit sollte dabei helfen, diese Wahrnehmung zu ändern, vermeintlich falsche oder verzerrte Darstellungen zu korrigieren, aber auch eigene Anliegen besser zur Geltung zu bringen. Es komme „sehr viel darauf an“, beton- te WRK-Präsident Sieverts im Jahr 1965, den in der Öffentlichkeit weit verbreiteten Eindruck zu „zerstören“, als ob die Hochschulen „vollkommen stagnierten“ und sich „gar nicht darum kümmerten“, was die „ununterrichteten Repräsentanten der Öffentlichkeit“

286Randow 14.12.1962 – Wer kauft schon die Katze. Vgl. Bahrdt 13.3.1964 – Gelehrte müssen sich ver- ständlich machen. Nach Meinung des Soziologen Bahrdt war die „knickerige“ Forschungsförderung in der Bundesrepublik u.a. auf eine mangelnde Außendarstellung der Wissenschaft und der Wissen- schaftler zurückzuführen. 287Randow 8.10.1965 – Klagen bringt kein Geld. 288Vgl. Paulus 2010 – Vorbild USA, S. 440 f. 289Westdeutsche Rektorenkonferenz (1964): Universität und Presse. 50. WRK, München, 12. Juli 1963. In: WRK: Empfehlungen, Entschließungen und Nachrichten (Schwarze Hefte) (Stück 10-266/1964), S. 172. Ähnlich: Dies. (1965): Pressemandat des Präsidenten der WRK. 40. Län- derausschuß der WRK, 20. 11. 1964. In: WRK: Empfehlungen, Entschließungen und Nachrichten (Schwarze Hefte) (Stück 54-318), S. 292. Walter Rüegg machte einige Jahre später ebenfalls auf die in seinen Augen übermäßig kritische Haltung der Öffentlichkeit gegenüber den deutschen Hochschulen aufmerksam: Rüegg 1965 – Hochschule und Öffentlichkeit.

186 3.4 „Wer kauft schon die Katze im Sack?“: Akademische Öffentlichkeitsarbeit in den 1960er Jahren

uns vorwerfen.290 Um den beschädigten Ruf der Hochschule in der Öffentlichkeit zu verbessern, appel- lierte die Rektorenkonferenz an den persönlichen Einsatz aller Kollegen für ein offenes und aufgeschlossenes Verhältnis gegenüber interessierten Journalisten und ihren Fragen. Präsident Sieverts mahnte die Mitglieder im Juli 1965 beispielsweise eindringlich an, bei „Pressegesprächen“ die Contenance zu bewahren und besser keine „zu apologetische“ Hal- tung an den Tag zu legen. Als Rektor einer Hochschule musste man solche Begegnungen seiner Meinung nach v.a. „mit Gelassenheit“ bestreiten und selbst dann nicht „affektvoll“ reagieren, wenn ein „junger Journalist“ den aus akademischer Sicht „richtigen Ton“ nicht finden konnte.291 Trotz dieser versöhnlichen Worte machten sich Sieverts und die WRK durchaus weiter- hin für eine „robuste“ Vorgehensweise stark, sobald sich Hochschulen und ihre Vertreter in der Öffentlichkeit unverhältnismäßigen Attacken ausgesetzt sahen. In solchen Fällen war eine Universität selbstverständlich dazu berechtigt, sich „öffentlich zur Wehr setzen“, wie es eine Empfehlung vom 20. November 1964 ausdrückte. War die „Gesamtheit“ der Hochschulen von unberechtigten Vorwürfen betroffen, konnte sogar die Rektorenkonfe- renz selbst eingreifen. Im Visier der WRK stand in diesem Zusammenhang besonders der CDU-Bundestagsabgeordnete Hans Dichgans, der nicht nur im Parlament, sondern auch in zahlreichen Zeitungsartikeln teils scharfe Kritik an der Situation der deutschen Uni- versitäten und ihrem mangelnden Reformeifer geäußert hatte.292 Der WRK-Präsident, so die Empfehlung weiter, sollte die Hauptvorwürfe von Dichgans im Rahmen einer „Bro- schüre“ prüfen und der Öffentlichkeit eine „Gegendarstellung“ liefern, außerdem eine „Fernsehdiskussion“ mit dem CDU-Mann anstreben.293 Das institutionelle Zentrum akademischer Öffentlichkeitsarbeit sollten die Hochschul- pressestellen sein, die zu dieser Zeit fast überall schon bestanden, die man allerdings erheblich ausbauen und besser ausstatten wollte. So brachte die WRK in den Jahren 1964 und 1965 mehrfach die Forderung vor, Planstellen für „qualifizierte“, d. h. jour- nalistisch oder publizistisch geschulte Pressereferenten zu schaffen. Zur Verstärkung der Öffentlichkeitsarbeit hielt es die Konferenz darüber hinaus für notwendig, die „personelle Besetzung der Rektorate“ zu erweitern. Diese Forderungen sollten den Kultusministerien nahe gebracht und in die neuen Empfehlungen des Wissenschaftsrats einbezogen wer- den. Die Rektoren wollten sich außerdem darum bemühen, die Parlamente ebenso wie die Gründungsausschüsse der neuen Hochschulen von der „Dringlichkeit des Ausbaues der Öffentlichkeitsarbeit“ zu überzeugen.294

290Westdeutsche Rektorenkonferenz (1965): Bericht des Präsidenten, Professor Dr. jur. R. Sie- verts, Prorektor der Universität Hamburg, über seine Amtszeit vom 16. Oktober 1964-Februar 1965 vor der 53. Plenarversammlung der WRK in Würzburg am 3. 2. 1965. In: WRK: Empfehlungen, Entschließungen und Nachrichten (Schwarze Hefte) (Stücke 54-318/1965). 291So etwa: Westdeutsche Rektorenkonferenz 1965 – Bericht des Präsidenten 3.2.1965; und: Dies. (1965): Bericht des Präsidenten, Professor Dr. R. Sieverts, Prorektor der Universität Hamburg, vor der 54. Plenarversammlung der WRK in Clausthal am 7. 7. 1965. In: WRK: Empfehlungen, Entschließungen und Nachrichten (Schwarze Hefte) (Stück 54-318/1965), S. 19-31. 292So bspw. Dichgans 16.10.1964 – Die akademischen Tabus. 293Westdeutsche Rektorenkonferenz 1965 – Pressemandat des Präsidenten der WRK. 294Dies. (1965): Einrichtung von Pressestellen an den Wissenschaftlichen Hochschulen. In: WRK: Emp-

187 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Die Wünsche der Rektorenkonferenz gingen wenigstens teilweise in Erfüllung. Eine Pro- fessionalisierung akademischer Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland und ihre Berücksich- tigung in staatlichen Haushalten begann sich zwar erst einige Jahre später, im Schatten der Studentenproteste von „1968“ abzuzeichnen. Trotzdem setzte an den Hochschulen der Bundesrepublik schon in der ersten Hälfte der 1960er Jahre ein zumindest vorsich- tiger Ausbau von Pressestellen und ähnlichen Einrichtungen ein. Bemühungen auf dem Feld der Öffentlichkeitsarbeit wurden auch in der Praxis intensiviert.295 Die Universität Freiburg ist ein typisches Beispiel für diese Entwicklung.

3.4.2 PR an der Universität Freiburg

So wie im deutschen Hochschulwesen insgesamt gewann Öffentlichkeitsarbeit zu Beginn der 1960er Jahre auch in Freiburg v.a. unter dem Eindruck des verstärkten massen- medialen Interesses und durch den zunehmenden öffentlichen Rechtfertigungsdruck an Bedeutung. An der Albert-Ludwigs-Universität wurde jetzt eine Vielzahl von Aktivi- täten ins Leben gerufen, die darauf abzielten, den Kontakt zwischen Hochschule und Öffentlichkeit zu verbessern – allerdings nicht mit ungetrübtem Erfolg. So gingen trotz allem immer wieder Klagen von Lokaljournalisten ein, die sich ganz direkt über die man- gelnde Pressearbeit der Universität beschwerten und auf mehr Informationen aus dem „Elfenbeinturm“ drängten.296 Dennoch war das Bemühen um eine aktivere Öffentlich- keitsarbeit nicht zu übersehen.297 Seit 1960 veranstaltete die Albert-Ludwigs-Universität regelmäßig Pressekonferenzen zur Vorstellung der neuen Lehrstuhlinhaber und ihrer Forschungsgebiete. Von den Wis- senschaftlern selbst wurden diese Veranstaltungen aber auch immer wieder gerne dazu genutzt, um öffentlichkeitswirksam für finanzielle Unterstützung oder Stellenausbau zu werben bzw. auf Mängel wie die damals verbreitete „Raumnot“ aufmerksam zu ma- chen.298 Professoren und Dozenten der Universität nahmen an „Kontaktgesprächen“ mit Journalisten teil, um Chancen und Probleme im Verhältnis zu den Massenmedien aus-

fehlungen, Entschließungen und Nachrichten (Schwarze Hefte) (Stücke 54-318/1965), S. 291-292. 295Zeitgenössisch bereits Möller 1970 – Die Pressestellen der deutschen Hochschulen und Dehn, Nuissl 1973 – Organisationsmodell Hochschulpressestellen. Vgl. den kurzen historischen Abriss bei Escher 2001 – Public Relations für wissenschaftliche Hochschulen, S. 9-20 sowie Paulus 2010 – Vorbild USA, S. 441-446. 296Siehe etwa: Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, den 24. Januar 1962 ([1962]). Universi- tätsarchiv Freiburg, B 12/17. Der Feuilletonchef der „Badischen Zeitung“, Rupert Gießler, hatte dem damaligen Rektor Clemens Bauer nach dessen Aussage mehrfach mitgeteilt, dass die „Pressepolitik der Universität Freiburg . . . im Vergleich mit anderen Universitäten zu wünschen übrig“ ließ – auch nach den Anstrengungen der vergangenen beiden Jahre. 297Vgl. insgesamt Gerd Hildebrand (1968): Freiburger Pressestelle nicht selbstzufrieden. In: Hochschul- Dienst 5, S. 5. Es handelt sich um den Bericht des Freiburger Pressereferenten zwischen 1964 und 1969 über seine Amtszeit. Außerdem Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 51-55. 298Vgl. über die erste Auflage dieser Pressekonferenzen: Neue Männer – neue Aufgaben. Die moder- ne Wissenschaft verlangt neue Einrichtungen an der Universität (1960). In: Badische Zeitung, 17.10.1960.

188 3.4 „Wer kauft schon die Katze im Sack?“: Akademische Öffentlichkeitsarbeit in den 1960er Jahren

zuloten.299 Einer Empfehlung der Rektorenkonferenz folgend entschloss sich der aka- demische Senat im Mai 1965 außerdem dazu, eine „hochschulstatistische Arbeitsstelle“ zu gründen, um „eine verstärkte Nutzbarmachung von statistisch aktuellem Material in der gegenwärtigen Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit über Hochschulfragen zu erreichen“.300 Im Mittelpunkt der Freiburger Öffentlichkeitsarbeit standen während der 1960er Jah- re jedoch zwei andere Entwicklungen, mit denen ich mich im Folgenden näher befassen werde. Als institutionelle Schaltzentrale wurde zum einen die darbende Pressestelle wie- derbelebt und ausgebaut. Darüber hinaus etablierte die Albert-Ludwigs-Universität mit den sogenannten Freiburger Universitätsblättern ein neues repräsentatives Publikations- organ.

„Verstärkung der Pressepolitik“: Die Pressestelle der Universität Freiburg

Am 24. Januar 1962 beschloss der akademische Senat der Universität Freiburg, die Pres- sestelle der Hochschule mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Für diesen radikalen Schnitt hatte man sich v.a. deshalb entschieden, weil die kleine Abteilung nicht nur unterbesetzt und unterfinanziert war, sondern weil ihre Tätigkeit zu diesem Zeitpunkt schlicht für entbehrlich gehalten wurde. Das Rektorat erledigte die „wesentlichen Aufgaben“ ohne- hin selbst, hatte der damalige Pressereferent Ruprecht dem Rektor – dem Historiker Clemens Bauer – einige Wochen zuvor brieflich mitgeteilt.301 So beschloss der Senat, Ruprecht von seiner Tätigkeit zu entbinden und die Aufgaben der Pressestelle künftig direkt dem Rektorat zu übertragen.302 Auf den ersten Blick mochte die Auflösung der Pressestelle wie eine Grundsatzent- scheidung gegen Öffentlichkeitsarbeit an der Albert-Ludwigs-Universität aussehen. Doch die Mitglieder des Senats, das zeigte sich gerade während der angesprochenen Sitzung im Januar 1962, waren sich der gestiegenen Bedeutung und der höheren Ansprüche an Public Relations im Hochschulwesen – denen die bisherige Pressestelle eben nicht gerecht werden konnte – sehr wohl bewusst. Es ging um eine Neuausrichtung der akademischen Öffentlichkeitsarbeit, nicht um deren Abwicklung. In diesem Zusammenhang tat sich ein Senator besonders hervor: Carl Friedrich Curtius, Jurist und seit 1959 als „Universitäts- rat“ so etwas wie die rechte Hand des Rektors an der Freiburger Universität. Curtius gab

299Siehe bspw.: Universität und Presse. Ein Mittwochgespräch in der Alten Universität (1960). In: Ba- dische Zeitung, 20. u. 21.02.1960. Teilnehmer der Diskussion waren der Freiburger Historiker Gerd Tellenbach und Walter Görlitz von der „Welt“. Unmittelbar nach seiner Ernennung zum Pressere- ferenten der Universität tauschte sich Gerd Hildebrand auf Anregung des Rektors ausführlich mit Vertretern der Lokalpresse aus: Gerd Hildebrand (17.12.1963): Niederschrift über eine Bespre- chung zwischen Vertretern der Presse und dem Leiter der Pressestelle der Universität Freiburg am 11.12.1963. Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1608. 300Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, den 26. Mai 1965 ([1965]). Universitätsarchiv Freiburg, B 2/2966. Die „hochschulstatistische Arbeitsstelle“ wurde von Erich Streißler, Professor für Statistik und Ökonometrie in Freiburg, geleitet. 301Ruprecht an den Rektor der Universität, Clemens Bauer (02.11.1961). Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1663. 302Universitätsarchiv Freiburg [24.1.1962] – Protokoll über die Senatssitzung.

189 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 seinen Kollegen sehr deutlich zu verstehen, dass er eine „Verstärkung der Pressepolitik“ für unbedingt erforderlich hielt – schließlich seien die Aktivitäten der Pressestelle bislang vor allen Dingen „technischer“, und nicht „politischer“ Natur gewesen.303 Der Jurist setzte sich auch in den kommenden Jahren immer wieder für eine Ver- besserung der Öffentlichkeitsarbeit und insbesondere für einen Ausbau der Freiburger Pressestelle ein. Sein außerordentliches Engagement hing nicht zuletzt mit mehreren Besuchen an britischen und amerikanischen Hochschulen während der 1960er Jahre zu- sammen. Dort hatte Curtius mit eigenen Augen gesehen, welchen Nutzen Universitäten aus einer gelungenen Öffentlichkeitsarbeit ziehen konnten. Seine Erfahrungen gab er di- rekt an die Kollegen in Freiburg weiter, veröffentlichte aber auch mehrere Beiträge in den Freiburger Universitätsblättern über seine Erlebnisse. Amerikanische Universitäten, berichtete Curtius nach einem Besuch im Mittleren Westen der USA, verfügten in aller Regel über hervorragend ausgebaute Pressestellen, die „der Öffentlichkeit tagtäglich ein- hämmern, wie lebensnotwendig die Wirksamkeit der Universitäten ist“. Auf diese Weise konnten etwa zusätzliche Gelder ergattert werden. Curtius schlug deshalb vor, Public Relations auch an deutschen Hochschulen zu erweitern und ganz nach amerikanischem Vorbild stärker zu „institutionalisieren“.304 Als das Plädoyer des Freiburger Universitätsrats in den hauseigenen Universitätsblät- tern erschien, hatte sein Arbeitgeber bereits einige Schritte in die von ihm gewünschte Richtung – Ausbau und Institutionalisierung von Öffentlichkeitsarbeit – unternommen. Das Experiment, dem Rektorat die Verantwortung für Public Relations zu übertragen, war bereits nach etwas mehr als einem Jahr für gescheitert erklärt und beendet, die Pressestelle der Hochschule wiederbelebt und ausgebaut worden. Nach Ansicht des neuen Rektors Gerhard Mitscherlich war deutlich geworden, dass die Aufgaben im Bereich Öffentlichkeitsarbeit weder ehrenamtlich durch Mitglieder der Universität, noch vom Rektorat „in entsprechendem Umfang und mit entsprechender Wirksamkeit“ durchgeführt werden konnten. Dass die Westdeutsche Rektorenkonferenz nur einige Wochen zuvor, im Juli 1963, das Verhältnis von „Universität und Presse“ erst- mals in größerem Maßstab aufgegriffen hatte305, spielte für Mitscherlichs Engagement womöglich ebenfalls eine Rolle. Kontakte zwischen Presse und Fakultäten bzw. Institu- ten, betonte der Rektor jedenfalls, mussten intensiviert werden, um Journalisten einen Einblick in die „Forschungsarbeiten und den Lehrbetrieb der Universität“ zu ermögli- chen. Örtliche Pressevertreter hatten Mitscherlich offenbar mehrfach darauf angespro- chen, dass ein solcher Kontakt bisher „kaum vorhanden“ war und dass man sie „von den Dingen, die an der Universität geschehen“ nur „in unzureichendem Umfang unterrichte- te“. Aus diesem Grund wollte er nun einen jungen Dozenten gewinnen, der „durch eine entsprechende Vergütung“ auch die Verpflichtung übernahm, sich „dieser für die Uni- versität wichtigen Aufgabe zu widmen“, so dass die in Forschung und Lehre geleistete

303Ebd. Curtius schlug beispielsweise vor, die Institute der Universität auf „Initiative des betroffenen Institutsdirektors hin“ in „regelmäßigen Abständen“ der Presse „vorzuführen“ 304Carl Friedrich Curtius (1966): Midwestern Universities. Wisconsin, Michigan, Wayne State. In: Freiburger Universitätsblätter 5 (14), S. 37-50. 305Westdeutsche Rektorenkonferenz 1964 – Universität und Presse.

190 3.4 „Wer kauft schon die Katze im Sack?“: Akademische Öffentlichkeitsarbeit in den 1960er Jahren

Arbeit „auch nach außen hin stärker zur Geltung“ kam.306 Den Posten des Pressereferenten übernahm im Dezember 1963 der gerade in Freiburg habilitierte Forstwissenschaftler Gerd Hildebrand, der von seinem älteren Fachkollegen tatsächlich mehr oder weniger in das Amt „hineingeredet“ worden war, wie Hildebrand später selbst zugab.307 Trotzdem und obwohl die Tätigkeit nur schwer mit seinen Ver- pflichtungen in Forschung und Lehre zu verbinden war, blieb er der Pressestelle immerhin sechs Jahre lang treu. Wie an anderen Hochschulen des Landes – die WRK hatte einen solchen Schritt ja ebenfalls empfohlen – bemühte man sich in Freiburg bald darum, den Posten des Pres- sereferenten von einer ehrenamtlichen in eine reguläre Etatstelle zu verwandeln. Seit 1964 wurden solche Anstrengungen im Rahmen der Landesrektorenkonferenz in Baden- Württemberg koordiniert.308 Obwohl die Versuche einer „Etatisierung“ vorerst schei- terten – erst um 1970 traten hier entscheidende Fortschritte ein – konnte dem Leiter der Pressestelle immerhin zum ersten Mal ein Gehalt ausgezahlt werden, was die ge- stiegene Wertschätzung für Öffentlichkeitsarbeit an der Universität widerspiegelte. Für die Personalkosten in Höhe von jährlich 3600 DM kam der Verband der Freunde der Albert-Ludwigs-Universität mehr als sechs Jahre lang auf – provisorisch, wie man dem Verbandsvorsitzenden stets versicherte.309 Der Aufgabenbereich der Pressestelle wurde in den 1960er Jahren schließlich ebenfalls erweitert, der Pressereferent mit umfassenderen Gestaltungsmöglichkeiten ausgestattet. War seine Tätigkeit bis dahin v.a. „technischer“ Natur gewesen, konnte er als Mitheraus- geber der im Jahr 1962 gegründeten Freiburger Universitätsblätter nun beispielsweise in der Wissenschaftspublizistik der Hochschule aktiv werden.310

„Stimme der Alma Mater“: Die Freiburger Universitätsblätter Freiburg: eine „Stadt ohne literarischen Ehrgeiz“? Zumindest für manche Freiburgerinnen und Freiburger traf diese Einschätzung offenbar genau ins Schwarze. Wie die „Badische Zeitung“ am 21. Oktober 1961 in ihrer Lokalausgabe berichtete, wurde im Breisgau näm- lich schon seit Jahren immer wieder die Frage aufgeworfen, warum Freiburg im Gegensatz zu anderen Städten in Baden-Württemberg nicht mit einer „repräsentativen Zeitschrift an die Öffentlichkeit“ trat – beispielsweise durch eine Publikation der Universität. Dass so etwas möglich war, zeigte das Beispiel Heidelberg. Mit der seit 1949 erschei-

306Gerhard Mitscherlich (19.08.1963): Der Rektor der Albert-Ludwigs-Universität an den Verband der Freunde. Antrag auf Gewährung einer Beihilfe zur Bezahlung eines Pressereferenten der Universi- tät. Universitätsarchiv Freiburg, B 2/436. Vgl. auch: Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, den 27. November 1963 ([November 1963]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/17. 307Siehe das Interview mit Hildebrand in Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, Anhang III. 308Hermann Diem (1965): Etatisierung des Aufwands für die Pressearbeit der Wissenschaftlichen Hochschulen. Schreiben des Rektors der Universität Tübingen an den Vorsitzenden der Baden- Württembergischen Rektorenkonferenz vom 8. Oktober 1964. In: WRK: Empfehlungen, Entschlie- ßungen und Nachrichten (Schwarze Hefte) (Stücke 54-318/1965). 309Siehe etwa: Helmut Baitsch (14.12.1967): Der Rektor der Universität Freiburg an den Vorsitzenden des Verbands der Freunde der Universität Freiburg Kromer. Universitätsarchiv Freiburg, B 2/437. 310Vgl. insgesamt Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 51-55.

191 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967 nenden Ruperto Carola existierte dort nach Ansicht des Verfassers eine „großartige Halb- jahresschrift“, die den guten Namen der Stadt am Neckar „bis in überseeische Länder“ trug. In Freiburg, befürchtete der Autor, war ein solches Modell allerdings kaum umzu- setzen. Ruperto Carola wurde von der Freundesgesellschaft der Heidelberger Universität herausgegeben und zu einem großen Teil durch Anzeigenverkäufe finanziert. Im „Wirt- schaftsraum Freiburg“, hieß es in dem Artikel weiter, würde eine Organisation wie der Verband der Freunde vermutlich nicht genügend „zahlungskräftige Inserenten“ finden.311 Während der Verfasser also dringend von einem solchen Unternehmen abriet, befanden sich die Planungen für eine repräsentative Freiburger Universitätszeitschrift zu diesem Zeitpunkt, im Oktober 1961, bereits in einem weit fortgeschrittenen Stadium. Es war der Politikwissenschaftler Arnold Bergstraesser, der den Plan fast zwei Jahre zuvor ersonnen und der Universitätsleitung nahe gebracht hatte. In einem Brief an Rektor Hans Thieme, einen Juristen, schlug Bergstraesser im Juli 1960 vor, eine größere „Veröffentlichung der Universität“ mit „drei oder vier Nummern pro Jahr“ vorzubereiten.312 Nachdem man schnell einen Verlag – den Rombach-Verlag in Freiburg – gefunden und das wohl größte Hindernis – die Frage der Finanzierung – nach komplizierten Verhandlungen mit dem Verband der Freunde und der „Wissenschaftlichen Gesellschaft“ aus dem Weg geräumt hatte, stimmte der akademische Senat ziemlich genau zwölf Monate später der Her- ausgabe einer neuen Hochschulzeitschrift zu.313 Im Mai 1962 konnte das erste Heft der Freiburger Universitätsblätter erscheinen.314 Hinter der Gründung stand zum einen der Versuch, Bedeutung und Leistungen der Albert-Ludwigs-Universität ins rechte öffentliche Licht zu rücken, um auf diesem Weg politische und finanzielle Unterstützung zu gewinnen. Die Universität, betonte Initiator Bergstraesser in seinem Schreiben an Rektor Thieme, sollte durch die neue Zeitschrift in „sichtbarer Form“ als eine „geistig-orientierte Körperschaft“ in Erscheinung treten, deren „gesunde Entwicklung“ aus „hochschul- und erziehungspolitischen Gründen“ unbedingt gefördert werden musste.315 Darüber hinaus ging es aber auch darum, die – in einem von Wissenschaft geprägten Zeitalter – gestiegene Nachfrage nach Informationen aus Forschung und Lehre zu befriedigen. So richteten sich die Universitätsblätter explizit nicht nur an die akademische Gemeinde, sondern an ein möglichst großes Publikum. Ge- rade in der heutigen Zeit, schrieb Rektor Clemens Bauer in einem Geleitwort zur ersten Ausgabe, gehörte es zu den „Verpflichtungen“ einer Hochschule, „nicht nur esoterisch Wissenschaft zu pflegen, sondern eine Anteil nehmende, zum Verständnis aufgeschlosse- ne Öffentlichkeit über Forschungsvorhaben und Forschungsergebnisse zu informieren“. In diesem Zusammenhang, so Bauer, erfüllte die neue Zeitschrift die Funktion einer „offenen

311Eine Stadt ohne literarischen Ehrgeiz (1961). In: Badische Zeitung, 21.10.1961. 312Arnold Bergstraesser (16.07.1960): Arnold Bergstraesser an den Rektor der Universität Freiburg, Hans Thieme. Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1691. 313Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, 26. Juli 1961 ([1961]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/16. 314Siehe bspw.: Die „Freiburger Universitätsblätter“. Etwas geschaffen, was lange vermißt worden ist (1962). In: Badische Zeitung, 09.05.1962. 315Bergstraesser 16.7.1960 – Arnold Bergstraesser an den Rektor der Universität. Vgl. auch Bergstraes- sers Ausführungen in: Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, 20. Juli 1960 ([Juli 1960]). Universitätsarchiv Freiburg, B 12/16.

192 3.4 „Wer kauft schon die Katze im Sack?“: Akademische Öffentlichkeitsarbeit in den 1960er Jahren

Tür“.316 Die Universitätsblätter wurden offiziell vom jeweils amtierenden Rektor herausgege- ben. Die redaktionelle Arbeit lag zunächst in den Händen von Arnold Bergstraesser und Fritz Hodeige vom Rombach-Verlag, die den inhaltlichen Aufbau der Hefte allerdings stets eng mit der Universitätsspitze abstimmten. Nach Bergstraessers Tod im Jahr 1964 trat der neue Leiter der Freiburger Pressestelle, Gerd Hildebrand, neben Hodeige in die Schriftleitung ein. Zur gleichen Zeit erschien die Zeitschrift jetzt viertel- statt halbjähr- lich. Die Auflage der Universitätsblätter bewegte sich in den 1960er Jahren bei rund 2000 Exemplaren, von denen jedoch nur ein geringer Teil im freien Verkauf über den Buchhandel vertrieben wurde. Viele Hefte wurden an die Angehörigen des Lehrkörpers verteilt, an andere Hochschulen und Wissenschaftsinstitutionen bzw. deren Bibliotheken verschickt oder zu vergünstigten Konditionen an Mitglieder des Verbands der Freunde und der Wissenschaftlichen Gesellschaft abgegeben.317 Inhaltlich, das hatte sich schon in der Frühphase der Planung abgezeichnet318, um- fassten die Universitätsblätter drei Schwerpunkte. Eine erste Sektion widmete sich den Angelegenheiten der Freiburger Universität, von Personalnachrichten über Veranstal- tungsinformationen bis hin zu Berichten über die bauliche Entwicklung der Hochschu- le. Die Zeitschrift fungierte zweitens als Forum für hochschulpolitische Diskussionen319 und sollte schließlich insbesondere Aufgaben im Bereich der Wissenschaftsvermittlung übernehmen. So wurden von der ersten Ausgabe an immer wieder Berichte aus den In- stituten der Universität publiziert, die sich nicht nur mit berühmten Lehrstuhlinhabern der Vergangenheit oder der institutionellen Entwicklung einer Disziplin, sondern auch mit wissenschaftlichen Schwerpunkten und aktuellen Forschungsprojekten auseinander- setzten.320 Darüber hinaus druckte man seit 1965 die Antrittsvorlesungen der neuen

316Clemens Bauer (1962): Geleitwort. In: Freiburger Universitätsblätter 1 (1). Ähnlich Gerhard Mit- scherlich (1963): Universität und Umwelt. In: Freiburger Universitätsblätter 2 (3), S. 9-10. Der Forstwissenschaftler Mitscherlich war zu diesem Zeitpunkt Rektor der Universität und setzte sich engagiert für die Wiederbelebung der Pressestelle ein. Die „Welt“, schrieb er in diesem Beitrag, for- derte „in immer stärkerem Maße die Stellungnahme der Wissenschaft zu den Problemen des täglichen Daseins“. Trotz aller „Zurückgezogenheit“, die für die Wissenschaft notwendig sei, wollte die Univer- sität die „Welt“ suchen und sich ihr öffnen. Das sei nicht zuletzt Aufgabe der Universitätsblätter. 317Vgl. Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 54 sowie die Informationen bei Möller 1970 – Die Pressestellen der deutschen Hochschulen, S. 221. 318Siehe bspw. einen Entwurf, den Bergstraesser im Juli 1960 angefertigt hatte: Arnold Bergstraes- ser ([Juli 1960]): Gedanken zur Thematik etwa zu publizierender Freiburger Universitäts-Blätter. Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1691 319So wurden hier etwa die verschiedenen Empfehlungen des Wissenschaftsrats begutachtet und aus Freiburger Sicht kommentiert: Gerd Tellenbach (1962): Die Gestalt und der Ausbau der alten Hochschulen. In: Freiburger Universitätsblätter 1 (2), S. 11-14; Über die Errichtung eines Bildungs- rates und seine Angliederung an den Wissenschaftsrat (1965). In: Freiburger Universitätsblätter 4 (7), S. 39-44; Herbert Nesselhauf (1966): Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Neuglie- derung des Lehrkörpers an den wissenschaftlichen Hochschulen. In: Freiburger Universitätsblätter 5 (12), S. 45-50. 320Dazu gehörten etwa: Friedrich Bauer (1962): Die Forstwissenschaft. In: Freiburger Universitätsblät- ter 1 (1); Karl-Otto Kiepenheuer (1963): Zwanzig Jahre Sonnenforschung in Freiburg. In: Freibur- ger Universitätsblätter 2 (3), S. 41-49. Hans Langendorff; Hans-Joachim Melching (1964): 50 Jahre Radiologisches Institut der Universität Freiburg. In: Freiburger Universitätsblätter 3 (5), S.

193 3 Expansion und Erneuerung: Universität und Öffentlichkeit 1957-1967

Freiburger Professoren in den Universitätsblättern ab, um Leserinnen und Lesern ein noch lebendigeres Bild des „vielfältigen geistigen und wissenschaftlichen Lebens an un- serer Alma mater“ vermitteln zu können.321

Die Freiburger Universitätsblätter erwiesen sich insgesamt als Erfolg. Ob das ausgemach- te Ziel, mit der neuen Zeitschrift ein großes Publikum jenseits des engeren Hochschul- und Wissenschaftssektors anzusprechen, wirklich erreicht werden konnte, erscheint in Anbetracht der vergleichsweise geringen Auflage bzw. des speziellen Verteilungsschlüs- sels zwar fraglich.322 Darüber hinaus kam aus der Presse zum Teil scharfe Kritik an der Gestaltung der neuen Zeitschrift. Die „Spanne zwischen dem, was die Universität für mitteilenswert ansieht, und dem, was die Öffentlichkeit an der Universität interessiert“, hieß es etwa in einer Rezension der Stuttgarter Zeitung, war „noch immer recht groß“. Nach Meinung des Rezensenten konnten das auch die Universitätsblätter zumindest in ihrer aktuellen Form nicht ändern.323 Dennoch wurde die Publikation alles in allem gut angenommen. Nach einem schleppen- den Verkaufsstart324 hatte man im August 1964 laut einem Bericht des Geschäftsführers im Rombach-Verlag Fritz Hodeige etwa 500 Abonnenten gewinnen können, was zu die- sem Zeitpunkt praktisch der im freien Verkauf verfügbaren Auflage entsprach.325 Die „Aufnahme“ der Universitätsblätter bei Abonnenten und Inserenten, hatte Hodeige dem Rektor bereits einige Tage zuvor mitgeteilt, war „außerordentlich gut“. Seiner Meinung nach durfte man auch künftig mit der Unterstützung der „Industrie und des Handels“ rechnen.326

39-45; Hans-Joachim Elster (1965): Das Limnologische Institut (Walter-Schlienz-Institut) der Uni Freiburg in Falkau/Schwarzwald. In: Freiburger Universitätsblätter 4 (9), S. 45-53; Hans-Heinrich Jescheck (1965): Das Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg. In: Frei- burger Universitätsblätter 4 (8), S. 27-37; Johanne Autenrieth (1966): Lateinische Philologie des Mittelalters. In: Freiburger Universitätsblätter 5 (14), S. 51-54; Helmut Baitsch (1966): Das Insti- tut für Humangenetik und Anthropologie in Freiburg. In: Freiburger Universitätsblätter 5 (12), S. 33-42; Walter Keiderling; Peter Pfannenstiel (1966): Nuklear-Medizin. In: Freiburger Univer- sitätsblätter 5 (11), S. 43-52; Alois Madre (1966): Das Raimundus-Lullus-Institut der Universität Freiburg. In: Freiburger Universitätsblätter 5 (13), S. 59-67; Kurt Wiemers (1967): Entwicklung und Aufgaben des Instituts für Anästhesiologie an der Universität Freiburg. In: Freiburger Univer- sitätsblätter 6 (16), S. 33-42. 321Siehe: Antrittsvorlesungen (1965). In: Freiburger Universitätsblätter 4 (7), S. 23-26 sowie: Antritts- vorlesungen (1967). In: Freiburger Universitätsblätter 6 (15), S. 23-31. Ein Beispiel: Gottfried-Karl Kindermann (1965): Theorie und Struktur der Synoptischen Wissenschaft von der Politik. In: Freiburger Universitätsblätter 4 (10), S. 63-73. 322Vgl. auch die zeitgenössische Einschätzung der Öffentlichkeitswirkung bei Möller 1970 – Die Presse- stellen der deutschen Hochschulen, S. 222 f. 323Hie Universität – hie Öffentlichkeit. Zu dem neuen Heft der „Freiburger Universitätsblätter“ (1965). In: Stuttgarter Zeitung, 02.03.1965. 324Fritz Hodeige (13.11.1962): Fritz Hodeige an Arnold Bergsträsser. Universitätsarchiv Freiburg, B 1/1691. 325Ders. (18.08.1964): Fritz Hodeige an den Rektor der Universität Freiburg, Bernhard Panzram. Frei- burger Universitätsblätter. Universitätsarchiv Freiburg, B 2/506. 326Ders. (14.08.1964): Fritz Hodeige an den Rektor der Universität Freiburg, Bernhard Panzram. Frei- burger Universitätsblätter. Universitätsarchiv Freiburg, B 2/506.

194 3.4 „Wer kauft schon die Katze im Sack?“: Akademische Öffentlichkeitsarbeit in den 1960er Jahren

Insgesamt demonstrierten Gründung und Entwicklung der Zeitschrift nicht nur, dass man das zunehmende öffentliche Interesse an Forschung und Lehre in Freiburg regi- strierte und insbesondere den Rufen nach Wissenschaftsberichterstattung entgegenkom- men wollte. Man hatte sich auch eine „Stimme“ geschaffen, die Mitgliedern der Albert- Ludwigs-Universität bis heute ein Forum zur Diskussion und zur Selbstdarstellung bietet.

195

4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975)

Am 2. Juni 1967 wurde in Berlin der Student Benno Ohnesorg vom Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras erschossen. Die Tat sorgte für eine Ausweitung und Radikalisierung der westdeutschen Studentenbewegung, die sich im Lauf der 1960er Jahre im Umfeld des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds und der sogenannten „Neuen Linken“ formiert hatte. Während sich an der Freien Universität Berlin bereits seit 1965 Radikalisierungs- tendenzen abgezeichnet hatten, wurde nach den verhängnisvollen Geschehnissen im Juni 1967 ein großer Teil der Universitäten in der Bundesrepublik von einer Welle des Pro- tests und von verschärften Auseinandersetzungen zwischen Professoren und Studenten, kurz: von einer fiebrigen Unruhe erfasst.1 Die Dynamisierung der Studentenbewegung am Ende der 1960er Jahre veränderte die Beziehungen von Universität und Öffentlichkeit erneut. Das möchte ich in diesem Kapitel am Beispiel der Universität Freiburg zeigen. Bildung avancierte seit 1968 zu einem der am stärksten ideologisierten Politikfelder in der politischen Landschaft der Bundesrepublik.2 In der westdeutschen Presse, während der 1960er Jahre noch mehr oder weniger vereint für Expansion und Erneuerung der Universitäten im Einsatz, zeichnete sich eine politische Polarisierung der Hochschulde- batte ab. Konservative Blätter wie die „Welt“ oder die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ traten nun als scharfe Kritiker der Studentenbewegung und der – wie man glaubte – maßgeblich von ihr vorangetriebenen Entwicklung an den Hochschulen auf. Dagegen zeigten sich liberale Publikationen wie die „Zeit“ oder der „Spiegel“ nicht nur gelassener gegenüber einer vermeintlichen Bedrohung durch linke Studenten. Hier war man durch- aus auch bereit, die Berechtigung studentischer Protestaktionen anzuerkennen und der Situation an den Hochschulen positive Aspekte abzugewinnen. Die Protestbewegung von „1968“ war ein großes „Medienereignis“3 und rückte neue

1Zu Geschichte und Vorgeschichte der Studentenbewegung sowie der verschiedenen Protestbewegun- gen in den 1960er Jahren vgl. u.a. Gilcher-Holtey 2001 – Die 68er Bewegung; Thomas Etzemül- ler (2005): 1968 – Ein Riss in der Geschichte? Gesellschaftlicher Umbruch und 68er-Bewegungen in Westdeutschland und Schweden. Konstanz; Norbert Frei (2008): 1968. Jugendrevolte und globa- ler Protest. München. Mit besonderem Fokus auf der „Neuen Linken“ Michael Schmidtke (2003): Der Aufbruch der jungen Intelligenz. Die 68er Jahre in der Bundesrepublik und den USA. Frankfurt a. M. 2Vgl. Wehrs 2008 – Tendenzwende und Bildungspolitik, S. 8 f. 3Vgl. Wolfgang Kraushaar (2001): 1968 und Massenmedien. In: Archiv für Sozialgeschichte 41, S. 317-347; Bernd Weisbrod (2001): Medien als symbolische Form der Massengesellschaft. Die me- dialen Bedingungen von Öffentlichkeit im 20. Jahrhundert. In: Historische Anthropologie 9 (3), S. 270-283, hier: S. 281 f.; Martin Klimke; Joachim Scharloth (Hg.) (2007): 1968. Handbuch zur Kultur- und Mediengeschichte der Studentenbewegung. Stuttgart.

197 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975)

Universitätsbilder in den Fokus der Öffentlichkeit. Besonders auf dem Höhepunkt der Revolte zwischen 1967 und 1969 machten Presse, Funk und jetzt zunehmend auch Fern- sehen die Vorstellung von Universitäten im „Kriegs-“ oder „Ausnahmezustand“ populär. Drittelparität avancierte zu einem Schlüssel- und Reizbegriff der Hochschuldebatte, nicht zuletzt in den Massenmedien. Studierende – auch in Freiburg – identifizierten die Uni- versität jetzt immer häufiger als Herrschaftsinstrument von Staat und Industrie, das mit politischem Anspruch umgestaltet und in den Dienst des gesellschaftlichen Fort- schritts gestellt werden musste. Eine steile mediale Karriere machte nach 1970 das Wort von der „roten Universität“, demzufolge eine Unterwanderung der Hochschulen durch verfassungsfeindliche Kräfte drohte. Öffentlichkeit war ein Schlüsselbegriff der studentischen Protestbewegung.4 Nicht nur versuchte man – zum Beispiel mit Demonstrationen – den öffentlichen Raum der Städ- te zu besetzen und zur Popularisierung der eigenen Anliegen zu nutzen. Es ging den Studierenden auch darum, neue öffentliche Räume an den Universitäten zu erstreiten. Um die Hochschule demokratischer zu machen, sollten Sitzungen von Senat, Fakultäten oder Institutsgremien für jedermann zugänglich sein. Die Forderung nach mehr Trans- parenz in der akademischen Selbstverwaltung stieg am Ende der 1960er Jahre zu einem verbreiteten studentischen Schlachtruf auf. Die Interaktion von Universitäten mit ihren „Umwelten“ machte im Kontext von 1968 ebenfalls einen Wandel durch. Akademische Öffentlichkeitsarbeit wurde professionali- siert, Hochschulpressestellen in vielen Bundesländern mit Etatstellen ausgestattet. Un- ter dem Eindruck der Revolte wurde die festliche Rektoratsübergabe, ein traditionelles Instrument akademischer Außendarstellung, an vielen Universitäten abgeschafft, nach- dem die Feiern immer wieder Ziel studentischer „Aktionen“ gewesen waren. Im Jahr 1970 gründete sich mit dem „Bund Freiheit der Wissenschaft“ (BFW) schließlich ein einflussreicher Professorenverband, der sich nicht nur als Fundamentalopposition gegen die Studentenbewegung positionierte, sondern zu diesem Zweck auch ganz gezielt Öf- fentlichkeitsarbeit betrieb. Die Etablierung konservativer Gegenpositionen in der hochschulpolitischen Debat- te, wie sie u.a. der BFW verkörperte, verwies auf eine beginnende „Tendenzwende“ in der Bundesrepublik, auf eine zunehmende Abwendung von einem vermeintlich „linken Zeitgeist“.5 Im Bereich des Hochschulwesens richtete sich diese Bewegung gegen den militanten Protest der Studenten, gegen Demokratisierung und gegen Politisierung der Universitäten. An diesen drei thematischen Komplexen wird sich das folgende Kapitel zunächst orientieren, bevor die Entwicklung der akademischen Öffentlichkeitsarbeit zum Schluss noch einmal in den Fokus rückt.

4Vgl. Kraushaar 2001 – 1968 und Massenmedien, S. 336 f. 5Vgl. Wehrs 2008 – Tendenzwende und Bildungspolitik. Zur konservativen Tendenzwende allgemein Axel Schildt (2004): „Die Kräfte der Gegenreform sind auf breiter Front angetreten“. Zur konser- vativen Tendenzwende in den Siebzigerjahren. In: Archiv für Sozialgeschichte 44, S. 449-478 sowie die Beiträge in Livi u.a. (Hg.) 2010 – Die 1970er Jahre.

198 4.1 Unruhige Universität: Protest und Gewalt im Blick der Öffentlichkeit

4.1 Unruhige Universität: Protest und Gewalt im Blick der Öffentlichkeit

Am 7. März 1968 verabschiedete der baden-württembergische Landtag ein neues Hoch- schulgesetz. Die Reform der Universitäten war während der 1960er Jahre auch im Südwe- sten der Republik nur schleppend vorangekommen, und nun versuchte die Politik dem stagnierenden Erneuerungsprozess neue Impulse zu verleihen. Nach der erfolgreichen Abstimmung im März 1968 kündigte Kultusminister Wilhelm Hahn umgehend weitere Reformschritte an. Das Hochschulgesetz sollte nämlich ausdrücklich kein „Abschluss“, sondern ein „Anfang“ sein und dem „Fortgang der Reform“ wenn nötig angepasst wer- den.6 Tatsächlich tauchten die Universitäten nur wenig später erneut auf der Agenda der Stuttgarter Abgeordneten auf. Etwas mehr als ein Jahr nach der erfolgreichen Abstim- mung brachte die baden-württembergische Landesregierung einen Entwurf zur Änderung des Hochschulgesetzes im Parlament ein. Am 26. Juni 1969 begründete der Kultusmini- ster den Vorstoß im Stuttgarter Landtag. Hahn führte rechtliche Motive an, der Haupt- grund für die hochschulpolitische Aktivität der Regierung war jedoch ein anderer: Die Revolte der Studenten. Hahn machte einen „beginnenden Zerfall des Forschungs- und Lehrbetriebs unserer Universitäten“ durch „systematische Störaktionen“ aus, die den „großen Organismus“ der Hochschule in seinen Augen von innen zu zerstören drohten.7 Welche Bedeutung jene vom Kultusminister angesprochenen „Störaktionen“ für die Be- ziehungen von Universität und Öffentlichkeit besaßen, diese Frage steht im Mittelpunkt des folgenden Kapitels. Hahns Ausführungen im Landtag waren einerseits ganz typisch für ein Bild, das sich unter dem Eindruck der Protestbewegung seit Ende der 1960er Jahre v.a. durch massen- mediale Darstellungen in einer großen Öffentlichkeit festzusetzen begann: das Szenario einer Universität im Ausnahmezustand. Freiburg gehörte zwar zu den ruhigeren Hoch- schulen der Republik. Doch auch hier spitzte sich die Lage 1968 merklich zu. Zumin- dest für kurze Zeit wurden Wahrnehmung und Selbstdarstellung der Albert-Ludwigs- Universität also ebenfalls vom nahezu allgegenwärtigen Aufruhr bestimmt. Die Protestaktionen von 1968 sorgten auf der anderen Seite dafür, dass eine lange Tradition der öffentlichen Selbstdarstellung von Universitäten zum Erliegen kam. Zu den bevorzugten Zielen studentischer Proteste gehörten akademische Feiern und Ritua- le. So wurde insbesondere die festliche Rektoratsübergabe, seit Jahrzehnten eine wich- tige Schnittstelle zur Öffentlichkeit, an vielen Hochschulen von Studenten gestört, zu Happenings oder Diskussionsveranstaltungen umfunktioniert und unter diesem Druck schließlich vielerorts schlicht abgeschafft. In Freiburg gab es zwar keine Zwischenfälle. Allerdings genügte hier bereits die Aussicht auf mögliche Aktionen während der Rek- toratsübergabe, um Senat und Universitätsleitung zu einem Verzicht auf die Feier zu

6Hochschulgesetz vom Landtag verabschiedet (1968). In: Badische Zeitung, 08.03.1968. 7Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Hochschulgesetzes (1969). In: Verhand- lungen des Landtags von Baden-Württemberg, Protokollband (5. WP, 36. Sitzung), S. 1965-2020, hier S. 1965 f.

199 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) bewegen. Mit der sich verschärfenden Konfrontation an den Hochschulen setzte in Politik und Medien nicht zuletzt eine öffentliche Debatte über den richtigen Umgang mit den un- ruhigen Universitäten ein, die stark polarisierte und in deren Mittelpunkt die Einfüh- rung eines „Ordnungsrechts“ stand. Tatsächlich wurden solche Bestimmungen in einigen Bundesländern, u.a. in Baden-Württemberg, eingeführt und schließlich im Hochschul- rahmengesetz festgeschrieben – allerdings schienen die Regelungen eher neue Proteste zu entfachen, als die Situation zu entschärfen.

4.1.1 Universität im Ausnahmezustand: Mediale Beschreibungen des Aufruhrs Am 27. Dezember 1968 präsentierte die Publizistin Hilke Schlaeger ihren Leserinnen und Lesern neueste „Informationen von der Hochschulfront“. Der kurze Artikel in der „Zeit“ – eine „ziemlich willkürliche Auswahl von Nachrichten der letzten Tage“ – bot dem „Nor- malbürger“ erschreckende Einblicke in das Innenleben der bundesdeutschen Universitä- ten. Die „ehrwürdigen Stätten deutscher Lehre und Forschung“ schienen „blindwütigen Zerstörern und irrationalen Happenings“ ausgesetzt: In Berlin hatten Unbekannte einen „Brandkörper“ ins Rektorat geworfen. Im beschaulichen Marburg hatten Studierende ei- ne Dekanatssitzung gesprengt, in Heidelberg das akademische Ausländeramt gestürmt. In Kiel war die Sitzung des „satzungsgebenden Konsistoriums“ geplatzt, weil Studenten die Öffentlichkeit der Verhandlungen mit Gewalt zu erzwingen versucht hatten. Und in Frankfurt rückten Polizeikräfte in das Institut für Sozialforschung ein, das zuvor mehrere Tage lang von studentischen Aktivisten besetzt worden war.8 Nachrichten wie diese hatte der „Normalbürger“ nun schon seit mehr als einem Jahr in schöner Regelmäßigkeit über sich ergehen lassen müssen. Seit den Schüssen von Berlin im Juni 1967 konfrontierten Presse, Funk und Fernsehen die westdeutsche Öffentlichkeit nahezu unablässig mit dem Szenario von Universitäten im Ausnahmezustand. Zwar lie- ßen sich durchaus Bemühungen um eine differenzierte Darstellung erkennen.9 Trotzdem dominierte in massenmedialen Beschreibungen bald die Vorstellung einer allgemeinen

8Hilke Schlaeger (1968): Professoren wurden abgeschrieben. Warum in Frankfurt die Studenten streiken. In: Die Zeit, 27.12.1968. 9Über Berlin, „Hauptstadt der radikalen Studenten“, erklärte Rudolf Walter Leonhardt am 10. No- vember 1967 in der „Zeit“, konnte man leicht vergessen, dass die Freie Universität ja nur eine von mehr als 30 deutschen Hochschulen mit „Universitätsrang“ darstellte. Die Mitarbeiter des Hambur- ger Wochenblatts hatten deshalb selbst nachgefragt. Die Umfrage der „Zeit“ machte deutlich, dass keineswegs alle Hochschulen gleichermaßen von den Unruhen betroffen und mancherorts überhaupt keine Störungen zu verzeichnen waren. Einen „heißen Winter“ sagte Leonhardt nur zehn Universi- täten voraus, siehe Rudolf Walter Leonhardt (1967): Die Revolution der Studenten. In: Die Zeit, 10.11.1967 und Hilke Schlaeger; Heinz Josef Herbort (1967): Unruhe an den Universitäten. Eine Umfrage an deutschen Hochschulen. In: Die Zeit, 10.11.1967. Ähnlich: Die Rebellen sind müde. Das Fazit einer Demonstrationswoche (1968). In: Die Zeit, 07.06.1968. Auch die FAZ beklagte „ungerech- te Verallgemeinerungen“ in der Diskussion um die Konflikte an den Hochschulen, siehe Wolfgang Seel (1967): Bedrängte Väter einer rebellierenden Jugend. Warum Studenten protestieren – Sie sind besser als ihr derzeitiger Ruf. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.12.1967.

200 4.1 Unruhige Universität: Protest und Gewalt im Blick der Öffentlichkeit

Krisensituation. Durch zahllose Beiträge über studentische Vorlesungssprengungen, Sitzstreiks, Rekto- rats- und Institutsbesetzungen, Störungen von akademischen Feiern, aber auch „Gege- nattacken“ von Dozenten und Professoren, Handgreiflichkeiten oder Polizeieinsätze an Hochschulen entfaltete sich in den Massenmedien auf der einen Seite ein weites Panorama über die explosive Situation in den verschiedenen Universitätsstädten des Landes.10 Als Vorposten des studentischen Protests stand die FU Berlin dabei ganz besonders im Fokus des massenmedialen Interesses.11 Darüber hinaus neigten journalistische Beobachter da- zu, die Situation an den Universitäten zu verallgemeinern. Dass das Hochschulwesen der Bundesrepublik in seiner Gesamtheit außer Kontrolle geraten war oder zumindest außer Kontrolle zu geraten drohte, wurde in massenmedialen Beschreibungen häufig explizit festgehalten.12 Kommentatoren bedienten sich gerne Begriffen wie „Unruhe“, „Unordnung“, „Chaos“ oder „Tollhaus“, um ihren Lesern die Zustände an den westdeutschen Universitäten pla- stisch vor Augen zu führen. Die „Fahrt der Hochschulen ins Chaos“, stellte Günter Gil- lessen etwa im Dezember 1968 in einem Leitartikel der FAZ fest, beschleunigte sich zusehends und schien mittlerweile kaum noch aufzuhalten. Er sprach von revolutionären Vorgängen. Optimisten mochten an eine Entspannung an den Universitäten glauben. Für Gillessen war die „radikale Welle“ aber noch lange nicht gebrochen.13 In vielen Beiträ-

10Vgl. für die Printmedien u.a.: Muff im Talar (1967). In: Der Spiegel, 20.11.1967; „Aufgeblickt, himm- lische Heerscharen!“. Peter Brügge bei der Rektoratsübergabe in der Münchner Universität (1967). In: Der Spiegel, 04.12.1967; Irre geworden (1967). In: Der Spiegel, 18.12.1967; Haug von Kuenheim (1967): Sprengen oder reden? In: Die Zeit, 22.12.1967; Rolf Zundel (1967): Professorenbeschimp- fung. In: Die Zeit, 29.12.1967; Ernst Wolf (1968): Auch in Marburg. . . In: Die Zeit, 12.01.1968; Licht aus (1968). In: Der Spiegel, 02.05.1968; Professoren: Berthold Rubin (1968). In: Der Spiegel, 10.06.1968; Rolf Zundel (1968): Keine Trauer an der Bonner Universität. Zwei Auffassungen: Inseln der Ruhe oder Keimzellen der Empörung. In: Die Zeit, 28.06.1968. Studentische „Unruhe“ war am Ende der 1960er Jahre zudem ständiges Thema von Fernsehberichten. Im Mittelpunkt des Interesses standen zwar die großen Straßendemonstrationen gegen Vietnamkrieg oder Notstandsgesetzgebung. Aber auch studentische Aktionen an den Hochschulen selbst bzw. hochschulpolitische Themen wur- den in diesem Kontext behandelt. Vgl. Meike Vogel (2010): Unruhe im Fernsehen. Protestbewegung und öffentlich-rechtliche Berichterstattung in den 1960er Jahren. Göttingen, S. 176-199. 11Siehe u.a.: Leonhardt 10.11.1967 – Die Revolution der Studenten; Friedrich Karl Fromme (1967): Die Unruhe der Berliner Studenten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.06.1967; Kai Hermann (1968): Bürgerkrieg in Berlin? In: Die Zeit, 09.02.1968. Speziell zu den Konflikten um das sogenannte Otto-Suhr-Institut: Würstchen im Rektorat (1968). In: Der Spiegel, 15.07.1968. 12So u.a.: Universitäten im Aufruhr. Von Oxford bis Dakar: Rebellierende Studenten provozieren das Establishment (1968). In: Die Zeit, 07.06.1968; Hochschulen: Verhalten des Maikäfers (1968). In: Der Spiegel, 22.07.1968; Günther Gillessen (1968): Die ohnmächtige Universität. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.12.1968; Marion Dönhoff (1969): Ohne Gnade. Die Brutalität der Polizisten und der Studenten. In: Die Zeit, 17.01.1969; Hilke Schlaeger (1969): Vernunft gegen Gewalt. Studenten, Professoren, Polizei. In: Die Zeit, 17.01.1969; Magnum facere. Hochschulen, Unruhen (1969). In: Der Spiegel, 20.01.1969; Günther Gillessen (1969): Die Universität als Tollhaus. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.04.1969; Mit dem Latein am Ende 23.6.1969. 13Gillessen 14.12.1968 – Die ohnmächtige Universität. Vgl. etwa Ders. 14.4.1969 – Die Universität als Tollhaus; Bernd Nellessen (1967): Sturm in den Universitäten. In: Die Welt, 18.12.1967. So wie sein Kollege von der FAZ sprach Nellessen von einer „Tollhausatmosphäre“ an den deutschen Universitäten.

201 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) gen fanden sich darüber hinaus begriffliche Verbindungen zu Militär, Krieg und Gewalt. Dass man militärische Vokabeln wie Frontlinien, Bürgerkrieg, Angriff oder Terror mit dem Hochschulwesen assoziierte, war mittlerweile keine Seltenheit mehr. Die erhabene Stätte des Wissens hatte sich, wie der „Spiegel“ im Juni 1969 festhielt, zu einer „Kampf- stätte aller gegen alle“ entwickelt.14

Mit dem schleichenden Auflösungsprozess des SDS begann seit 1969 auch der Zerfall der Studentenbewegung. Verflogen war die große Begeisterung der Anfangszeit. Die Re- volte verschwand zunehmend von den Straßen.15 An den Universitäten zeichnete sich dagegen keine wirkliche Entspannung ab. Hier blieb die Stimmung explosiv. In beinahe regelmäßigen Abständen kam es zu neuen Unruhen, wobei sich Formen und Motive der Proteste durchaus wandelten. Die Studentenrevolte der späten 1960er Jahre war aus einem jugendlichen Aufbegeh- ren gegen Autoritäten entstanden, aus dem Wunsch nach Hochschul- und Studienreform, nach Demokratisierung und gesellschaftlicher Veränderung. Vor dem Hintergrund wirt- schaftlicher Krisenerscheinungen kamen gegen Mitte der 1970er Jahre andere Motive – die soziale Situation von Studierenden, Angst vor Arbeitslosigkeit – hinzu, die eher im „individuellen“ Bereich lagen.16 Die Protestformen veränderten sich ebenfalls. Zum Teil hatten sich die Konflikte in die akademischen Gremien verlagert, war der offene Protest – so zumindest eine damals verbreitete Befürchtung – durch stille Unterwanderungs- taktiken ergänzt bzw. zunehmend abgelöst worden.17 Aktionen der Achtundsechziger hatten sich außerdem noch häufig durch spielerische Elemente, Humor und Ironie ausge- zeichnet. Unter der Regie linksradikaler Studentengruppen, die sich jetzt in großer Zahl formierten, war die Atmosphäre feindseliger, unversöhnlicher, zum Teil sogar regelrecht „hasserfüllt“.18 Während der studentische Protest also Veränderungen unterlag, wurde das öffentliche Bild der deutschen Universität in den 1970er Jahren dennoch weiterhin maßgeblich von Unruhe und Gewalt geprägt.

14Mit dem Latein am Ende 23.6.1969; Vgl. bspw. Rudolf Walter Leonhardt (1967): Studententerror. In: Die Zeit, 29.12.1967; Hochschulen 22.7.1968; „Angriff und Machtkampf“. Wie der SDS im Som- mersemester 1969 den Kampf gegen die Ordinarien-Universität programmierte (1969). In: Der Spie- gel, 23.06.1969. 15Vgl. Frei 2008 – 1968, S. 141-151; Gilcher-Holtey 2001 –Die 68er Bewegung, S. 105-111. 16Diesen Wandel registrierten schon die Zeitgenossen, so etwa: Bernd Guggenberger (1975): Rück- kehr in die Wirklichkeit. Ein neues Biedermeier oder: Wohin treibt die Protestbewegung? In: Frank- furter Allgemeine Zeitung, 15.03.1975; Hayo Matthiesen (1975): Brodeln an der Basis. In: Die Zeit, 12.12.1975; Sibylle Krause-Burger (1976): Nach dem politischen Rausch Angst vor der Zu- kunft. Die neuen Studenten fordern Schutz und Hilfe vom Sozialstaat. Revolutionäre im Abseits. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.11.1976. Krause-Burger berichtete von studentischen Protesten, die an der „Oberfläche“ wie eine Wiederkehr von 1968 aussahen. In Wahrheit steckten hinter den bekannten revolutionären Fassaden jedoch in erster Linie persönliche Motive. Viele Studierende, hieß es, hatten Angst vor der Zukunft. Der „gesellschaftskritische Elan“ der späten 1960er Jahre war verflogen. Die Linken mit ihrem revolutionärem Programm, so Krause-Burger, wirkten bereits wie „politische Saurier“. 17Näher dazu Kap. 4.3.2. 18Mit Schwerpunkt auf Hessen und Bayern Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revo- lutionszentrale, S. 364-378. Zu den neuen linken Studentengruppierungen auch Kap. 4.3.2.

202 4.1 Unruhige Universität: Protest und Gewalt im Blick der Öffentlichkeit

Zur Popularisierung solcher Szenarien trug die umfassende und nicht selten bildgewal- tige Berichterstattung der Massenmedien bei, aber auch die Öffentlichkeitsarbeit des im November 1970 gegründeten Professorenverbands Bund Freiheit der Wissenschaft. Be- reits in den Jahren zuvor hatten sich Hochschullehrer im Kampf gegen Protestaktionen, Störungen und studentische Reformforderungen zu organisieren begonnen. Zunächst be- schränkte man sich noch auf Lobbyarbeit hinter den Kulissen. Nachdem dieser Ansatz zu keinem sichtbaren Erfolg führte, schlugen die Professoren bald einen anderen Weg ein. So verfolgte der neue Bund Freiheit der Wissenschaft von Beginn an eine „offensive Öffentlichkeitsstrategie“, die v.a. auf die Nutzung massenmedialer Instrumente setzte. Man wollte den – so Hans Maier – „abgedunkelten Informationsraum“ der Universi- tät wieder zugänglich machen, einer großen Öffentlichkeit Einblicke in die umkämpften Hochschulen ermöglichen und auf diesem Weg Widerstand mobilisieren.19 Im Verbandsorgan des BFW, den „Hochschulpolitischen Informationen“, wurden stu- dentische Protestaktionen wie Streiks, Vorlesungsstörungen oder Sprengungen von Gre- miensitzungen sorgfältig dokumentiert. Im Sommer 1973 erschien erstmals ein soge- nannter „Krawall-Kalender“, der sich in den folgenden Jahren als feste Rubrik in den HPI etablierte.20 Daneben meldeten sich führende Mitglieder des BFW immer wieder selbst in den Massenmedien zu Wort. Richard Löwenthal, Politikwissenschaftler an der FU Berliner und treibende Kraft hinter der Verbandsgründung, sprach in der „Zeit“ bei- spielsweise von einem „Klima massiver Einschüchterung“ an den Universitäten und von „quälerischen Übergriffen“ von Studierenden gegen Professoren.21 Journalisten riefen ihren Lesern bei praktisch jeder neuen Protestwelle die Ereignis- se von „1968“ ins Gedächtnis. Demnach stand hinter den Aktionen zwar keine so breite Bewegung mehr wie noch vor einigen Jahren. Stattdessen handelte es sich eher um verein- zelte und lokal bedingte Störfeuer. Dennoch warnten journalistische Beobachter immer wieder vor dem explosiven Potential an den Hochschulen, das sich selbst an scheinbar ge- ringfügigen Anlässen entzünden und schnell in eine neuerliche Revolte münden konnte.22

Die Albert-Ludwigs-Universität zählte mit Sicherheit nicht zu den großen „Revolutions-

19Wehrs 2010 – Protest der Professoren, S. 99-102. 20Ebd., S. 104 f. Die Hochschulpolitischen Informationen erschienen in einer Auflage von rund 15000 Exemplaren und wurden an Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Medien geschickt. 21Richard Löwenthal (1971): Farbenblind gegen rote Intoleranz? Über den Bund „Freiheit der Wis- senschaft“ und die Professoren Mitscherlich, Pross und Lepenies. In: Die Zeit, 08.01.1971. Von „Ein- schüchterung“ und „Angst“ sprach auch der Münchner Politologe Hans Maier, siehe: „Professoren sind nicht mutiger als andere“. SPIEGEL-Gespräch mit Politologie-Professor Hans Maier über den „Bund Freiheit der Wissenschaft“ (1970). In: Der Spiegel, 23.11.1970. 22Größere Protestwellen gab es im Sommersemester 1971, im Wintersemester 1972/73, im Winterseme- ster 1973/74 sowie nach Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes: Nina Grunenberg (1971): Studenten-RotZ, Professoren-Trotz. Rückblick am Ende eines Semesters. In: Die Zeit, 16.07.1971; „Das macht alles keinen Spaß mehr“. SPIEGEL-Report über Mitbestimmung an den Hochschulen (1971). In: Der Spiegel, 12.07.1971; Hayo Matthiesen (1972): Es grollt. Proteste und Streiks an mehreren Hochschulen. In: Die Zeit, 15.12.1972. Noch im Jahr 1977 betonte Rudolf Walter Leon- hardt die kontinuierliche Unruhe an den Hochschulen und sprach sogar von einer „zweiten Revolte“, siehe: Rudolf Walter Leonhardt (1977): Die zweite Revolte der Studenten. Was tun gegen die Unruhe an den Universitäten? In: Die Zeit, 27.05.1977.

203 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) zentren“ in der Bundesrepublik oder auch nur in Baden-Württemberg. Im Südweststaat übernahm eher Heidelberg die Rolle des akademischen Unruheherds.23 Wenn Journali- sten ein Gegenmodell zu den umkämpften Hochschulen in Berlin, Frankfurt oder Hei- delberg suchten, führten sie häufig Freiburg als Beispiel an.24 Politisch aktive Studenten der Albert-Ludwigs-Universität sprachen teilweise selbst verächtlich von ihrer „Freizei- tuniversität“. Trotz allem hatte auch die Freiburger Hochschule v.a. am Ende der 1960er Jahre, aber zum Teil auch noch nach 1970 immer wieder mit Unruhen und Protesten zu kämpfen.

4.1.2 Freizeituniversität? Die Öffentlichkeit der 68er-Proteste in Freiburg Am 2. Juli 1968 fand an der Universität Freiburg eine Pressekonferenz statt. Rektor Bruno Boesch informierte über die Aufgaben der sogenannten „Grundordnungsversamm- lung“, die nach der Verabschiedung des baden-württembergischen Hochschulgesetzes ge- bildet worden war und die bald ihre Arbeit an einer neuen Universitätssatzung aufneh- men sollte. Zu Beginn der Pressekonferenz gab Boesch den anwesenden Journalisten einen kurzen Überblick über die Arbeit der Hochschule im vergangenen Semester. Die letzten Monate, verkündete der Germanist nicht ohne Stolz, waren in Freiburg ganz im Gegensatz zu anderen Universitäten „im wesentlichen geordnet“ verlaufen. Trotz „tief- greifender Gegensätze“, die sich auch hier zwischen Studierenden und Professoren auf- getan hatten, waren „Ausschreitungen“ dank des „maßvollen Verhaltens der Freiburger Studenten“ ausgeblieben.25 In der Tat hatten Studierende, Dozenten und Professoren der Albert-Ludwigs-Univer- sität bis dahin weitgehend in Ruhe ihrer wissenschaftlichen Arbeit nachgehen können. Seit dem Tod von Benno Ohnesorg im Juni 1967 war es zwar auch in Freiburg immer wieder zu studentischen Demonstrationen gekommen. So protestierten Schüler und Stu- dierende im Frühjahr 1968 etwa mehrere Tage lang vehement gegen die Erhöhung von Fahrpreisen im öffentlichen Nahverkehr und lieferten sich dabei durchaus auch gewalt- same Auseinandersetzungen mit der Polizei.26 An der Universität selbst fanden jedoch

23Vgl. Nikolas Lang (1971): Eine akademische Kraftprobe. Wird Heidelberg zu einer FU des Westens? In: Die Zeit, 15.10.1971. 24So etwa Jürgen Buschkiel (1967): In Freiburg spricht man noch miteinander. In: Stuttgarter Zei- tung, 28.12.1967. Freiburg stellte nach Ansicht von Buschkiel an der Oberfläche eine „Insel der Ruhe“ dar, während im Untergrund der „Aufstand“ schwelte; Johann Georg Reißmüller (1971): Enkla- ven der Gewalt? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.12.1971. Das Bild war nicht „einheitlich“, betonte Reißmüller. Im deutschen Hochschulwesen habe sich eine Art „Gewaltgeographie“ etabliert. In Freiburg sehe es „viel besser“ aus als in Berlin. Dennoch seien diese Unterschiede „fließend“ und „unsicher“. Matthiesen 15.12.1972 – Es grollt sprach von Freiburg ausdrücklich als „ruhiger“ Univer- sität. Ähnliche Beobachtungen hatte in den 1970er Jahren auch Rudolf Walter Leonhardt gemacht, siehe Rudolf Walter Leonhardt (1973): Auf in den Kampf! Hochschulen in Baden-Württemberg. In: Die Zeit, 16.02.1973. Leonhardt diagnostizierte eine „relative Ruhe“ in Freiburg. An der Albert- Ludwigs-Universität ging es in seinen Augen „einigermaßen friedlich“ zu. 25Bewährungsprobe für die autonome Universität (1968). In: Badische Zeitung, 03.07.1968. 26 Vgl. Ruprecht 2004 – Auf der Suche, S. 52-56.

204 4.1 Unruhige Universität: Protest und Gewalt im Blick der Öffentlichkeit nur wenige Aktionen statt.27 Hier spitzte sich die Lage erst in der zweiten Jahreshälfte zu. Spätestens mit Beginn des Wintersemesters 1968/69 wurde die Albert-Ludwigs-Universität dann aber bis zum Ende des Sommersemesters 1969 fast ununterbrochen von Protesten erschüttert. Aus- schlaggebend für die Radikalisierung waren v.a. die hochschulpolitische Entwicklung in Baden-Württemberg – das nach Ansicht vieler Studenten zu konservative Hochschulge- setz beispielsweise – und der Streit um eine neue Universitätssatzung in Freiburg.28 Rektor und Rektorat, akademischer Senat sowie Grundordnungsversammlung bildeten zunächst die wichtigsten Schauplätze von Unruhen bzw. die zentralen Ziele studentischer Aktionen.29 Im Sommersemester 1969 kam es darüber hinaus vermehrt zu Störungen von Lehrveranstaltungen und zu „Vorlesungsstreiks“, insbesondere in der juristischen wie in der philosophischen Fakultät, während naturwissenschaftliche und medizinische Fächer weniger betroffen waren.30 Obwohl sich in Freiburg insgesamt nur eine Minderheit der Studenten mit den militanten Aktionen identifizierte – für die in erster Linie der SDS verantwortlich zeichnete – und der AStA hier von eher gemäßigten Kräften wie der sogenannten „Demokratischen Mitte“ dominiert wurde, bot auch die Albert-Ludwigs- Universität wenigstens für einige Monate das Bild einer Hochschule im Ausnahmezu- stand. Nach der Eskalation 1968/69 kühlte sich das Protestklima in Freiburg merklich ab.31 Erst 1973 kam es an der Albert-Ludwigs-Universität wieder verstärkt zu studentischen Unruhen, die sich zum Teil bis ins nächste Jahr fortsetzten, danach aber mehr und mehr ausliefen. Nachdem der SDS aufgelöst worden war, taten sich bei den Aktionen verschiedene linke Gruppierungen hervor, insbesondere der gewerkschaftlich ausgerich- tete „Marxistische Studentenbund Spartakus“ (MSB) und die maoistische „Kommunisti- sche Hochschulgruppe“, die sich besonders radikal gebärdete. Das neuerliche Aufflackern des Protests verdankte sich unterschiedlichen Faktoren. Wie am Ende der 1960er Jahre ging es in vielen Fällen um die hochschulpolitische Entwicklung im Land: Das baden- württembergische Hochschulgesetz stand vor einer erneuten Novellierung, die u.a. stu- dentische Mitspracherechte weiter einschränken sollte. Nicht zuletzt richtete sich der studentische Unmut gegen Pläne der rechtswissenschaftlichen Fakultät zur Einführung eines strikten numerus clausus sowie gegen „Berufsverbote“, die vor dem Hintergrund des im Januar 1972 beschlossenen „Radikalenerlasses“ auch Mitglieder der Freiburger Universität getroffen hatten.32

Obwohl die Situation lange nicht so dramatisch war wie in Berlin, Frankfurt oder Hei-

27Bei einem Vorlesungsstreik gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze im Mai 1968 kam es vereinzelt zu „Handgreiflichkeiten“ zwischen Anhängern und Gegnern der Protestaktionen. Alles in allem lief die Veranstaltung aber glimpflich ab. Siehe: Passierscheine für Examenskandidaten (1968). In: Badische Zeitung, 30.05.1968. Vgl. Ruprecht 2004 – Auf der Suche, S. 61-65. 28Vgl. insgesamt Ruprecht 2004 – Auf der Suche, Kap. 5 und 6. 29Vgl. ebd., S. 72-97. 30Vgl. ebd., 98-108. 31Ebd., S. 113-116. 32Über die Geschehnisse der 1970er Jahre informieren v.a. die Jahresberichte des Freiburger Rektors. Siehe auch den Ausblick bei Ruprecht 2004 – Auf der Suche, S. 117-122.

205 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) delberg, prägten studentischer Protest und Unruhe v.a. am Ende der 1960er Jahre das Bild der Albert-Ludwigs-Universität in der Öffentlichkeit, ganz besonders aus der „Bin- nenperspektive“ im lokalen und regionalen Umfeld. Die Konflikte ragten zum Teil direkt in den öffentlichen Raum der Stadt hinein. Ein Beispiel bot die umstrittene Rektorwahl im Dezember 1968. Bruno Boesch, der unge- liebte Rektor, strebte eine weitere Amtszeit an. Gegenkandidaten gab es nicht. Darüber hinaus, und das war letztlich der entscheidende Anlass für den Protest der Studenten, sollte der Wahlakt nach den Bestimmungen der alten Grundordnung unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollzogen werden. Nachdem Studierende einen ersten Versuch vereitelt hatten, sollte die Wahl des neuen Rektors am 19. Dezember im Physiologischen Institut der Universität unter Polizeischutz stattfinden. In der Hermann-Herder-Straße vor dem Institut spielten sich erstaunliche Szenen ab. Aufgebrachte Studenten hatten sich ver- sammelt, um gegen die Wahl zu protestieren. Eine Hundertschaft von Polizisten sicherte das Gebäude ab und versuchte die Professoren durch die aufgebrachten Demonstran- ten hindurch in den Innenraum zu geleiten. In Sichtweite hatte sich demonstrativ eine Spezialtruppe der Polizei postiert. Es kam zu Handgreiflichkeiten, ein Student wurde verhaftet. Zu den befürchteten schweren Ausschreitungen kam es allerdings nicht.33 Wenige Monate später offenbarte sich den Freiburgern erneut auf eindrucksvolle Art und Weise der tiefe Graben, der sich zwischen einem Teil der Studierenden und den Professoren bzw. der Leitung der Universität mittlerweile aufgetan hatte. Nach mehr- monatigen Beratungen legte die Grundordnungsversammlung im März 1969 eine neue Universitätssatzung vor, die Rektor Boesch auf einer kurzfristig anberaumten Pressekon- ferenz der Öffentlichkeit vorstellen wollte – noch bevor er die Studentenschaft informier- te, deren Vertreter bereits im Dezember ihre Mitarbeit in der GOV aufgekündigt hatten. Zu dem am 19. März angesetzten Termin zogen rund 200 Studenten vor das Dekanat der philosophischen Fakultät, wo die Veranstaltung stattfinden sollte. Man wollte Boesch dazu bewegen, die Pressekonferenz für alle interessierten Studierenden zu öffnen. Dazu kam es jedoch nicht. Die Pressekonferenz fand nicht statt, was nicht nur die Studenten, sondern auch die anwesenden Journalisten überraschte. Kurze Zeit später verließ Rektor Boesch das Dekanat. Mehr als 100 Studenten hefteten sich an seine Fersen und verfolgten ihn unter großem Interesse von Schaulustigen – die den Ereignissen meist mit Ärger und Empörung, zum Teil aber auch amüsiert begegneten – durch die halbe Stadt. Sie wollten mit Boesch über die neue Grundordnung „an Ort und Stelle“ diskutieren. Der Rektor – umringt von aufgebrachten Studenten – fühlte sich bedroht und versuchte sich in ein Taxi zu retten, das von den Studierenden jedoch an der Weiterfahrt gehindert wurde. Die in einer Nebenstraße postierten Polizeikräfte griffen nicht ein. Rund zwei Stunden später wurde das Taxi – mit roten Fahnen drapiert – durch die Universitätsstraße auf das Gelände der Hochschule geschoben. Dort fand die gewünschte Diskussion über die neue Grundordnung statt.34 Der Ausnahmezustand an der Universität war für die Freiburger also durchaus sichtbar

33Ruprecht 2004 – Auf der Suche, S. 78-84. 34Vgl. ebd., S. 95-97. Siehe auch: Den Rektor der Universität im Taxi festgehalten (1969). In: Badische Zeitung, 19.03.1969.

206 4.1 Unruhige Universität: Protest und Gewalt im Blick der Öffentlichkeit und „erfahrbar“. Größtenteils spielten sich die Auseinandersetzungen jedoch innerhalb der Universität ab, in Hörsälen und Seminarräumen, in Kollegien-, Verwaltungs- und In- stitutsgebäuden. Für die Präsenz der akademischen Unruhe in einer größeren Öffentlich- keit jenseits der Hochschule sorgte hier zum einen die massenmediale Berichterstattung. In den überregionalen Medien schenkte man den Vorgängen in Freiburg nur wenig Be- achtung. Wie gesagt galt die Albert-Ludwigs-Universität hier meist als Gegenentwurf zu den akademischen „Kampfstätten“ der Republik. Selbst auf dem Höhepunkt der Studen- tenproteste im konfliktreichen Wintersemesters 1968/69 rückte Freiburg nur selten in den Fokus. Lediglich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erschien ein längerer Beitrag, der sich mit den studentischen Protesten in der Grundordnungsversammlung befasste und den Lesern in mittlerweile üblicher Diktion „Szenen eines akademischen Bürger- kriegs“ präsentierte. Ebenfalls bezeichnend für die zeitgenössische „Militarisierung“ von Universitäten in den Massenmedien war die Tatsache, dass Autor Klaus-Peter Greulich seinen Artikel ausdrücklich dem Genre des „Front-Berichts“ zuordnete.35 Die Lokalpresse berichtete dagegen v.a. in der „heißen“ Phase zwischen Herbst 1968 und Sommer 1969 regelmäßig über die Freiburger Konflikte. Auf der einen Seite publizier- te man hier immer wieder Erklärungen der verschiedenen „Streitparteien“ – studentische Gruppen, einzelne Professoren, Rektorat oder Pressestelle der Universität – die auf die- sem Weg versuchten, eine größere Öffentlichkeit über Geschehnisse an der Hochschule – insbesondere die „Verfehlungen“ der Gegenseite – zu informieren und für die eigene Sache zu mobilisieren.36 Darüber hinaus wurden die Frontverläufe des „akademischen Bürger- kriegs“ an der Albert-Ludwigs-Universität gerade von der Badischen Zeitung ausführlich mit eigenen Beiträgen – auch mit Bildmaterial – dokumentiert und kommentiert.37

35Klaus-Werner Greulich (1969): Wo bleiben die gemäßigten Studenten? Aus dem Alltag des akademi- schen Bürgerkriegs. Ein Freiburger „Front-Bericht“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.01.1969. 36Erklärungen der Universitätsleitung: Die Wahl des Rektors verhindert (1968). In: Badische Zeitung, 10.12.1968; Knallkörper im Auditorium maximum (1968). In: Badische Zeitung, 14.12.1968; Die Uni- versität funktionsfähig erhalten. Rektor Boesch: Präventiver Polizeieinsatz ist besser und weniger einschneidend (1969). In: Badische Zeitung, 23.01.1969; Professor Boesch: Einen Zwang lehne ich ab. Eine Erklärung zu den Vorgängen am Dienstag (1969). In: Badische Zeitung, 20.03.1969. Der Studenten bzw. der Studentenvertretung: Gründliche Unordnung in der Grundordnung. Eine Erklä- rung des Allgemeinen Studentenausschusses zu der Verlautbarung des Rektors (1969). In: Badische Zeitung, 21.03.1969; Starker Tobak (1969). In: Badische Zeitung, 19.04.1969. 37Siehe u.a.: Professoren-Strategie gegen SDS-Taktik (1968). In: Badische Zeitung, 14.11.1968; Nach- spiel zum SDS-„Sit-in“ in der Universität (1968). In: Badische Zeitung, 15.11.1968; Grundord- nungsversammlung ohne Studenten (1968). In: Badische Zeitung, 14.12.1968; Freiburger Studen- ten beschließen Störaktionen (1968). In: Badische Zeitung, 16.12.1968; Professor Boesch wiederge- wählt. Rektoratswahl unter Polizeischutz (1968). In: Badische Zeitung, 20.12.1968; Weitere studen- tische Proteste (1969). In: Badische Zeitung, 17.01.1969; Studenten lehnen „Beruhigungsversuche“ ab (1969). In: Badische Zeitung, 22.01.1969; Sitzung der Grundordnungsversammlung verhindert (1969). In: Badische Zeitung, 17.03.1969; Polizeieinsatz in der Universität (1969). In: Badische Zei- tung, 18.03.1969; Keine Gesprächsbasis in der Universität. Eine Diskussion über Hochschulereignisse in den Semesterferien (1969). In: Badische Zeitung, 25.04.1969; Tumulte im Hörsaal. Eine Vorlesung von Professor Kaiser gesprengt (1969). In: Badische Zeitung, 30.04.1969. Rektoratsbesetzung: Kra- wall im Rektorat (1969). In: Badische Zeitung, 15.01.1969. Siehe auch: Rektorat in Freiburg besetzt (1969). In: Badische Zeitung, 15.01.1969; Mit Brecheisen die Türen geöffnet (1969). In: Badische Zeitung, 15.01.1969.

207 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975)

Journalisten bemühten sich nicht zuletzt darum, die „Atmosphäre“ der Hochschulre- volte einzufangen. So präsentierte die „Badische Zeitung“ ihren Lesern am 1. Juli 1969 beispielsweise ein Foto von einem Raum in der „Alten Universität“, den Studierende zu einem „Agitationszentrum“ umgestaltet hatten. Sämtliche Wände waren mit Parolen versehen worden – „revolutionäre und pseudorevolutionäre Slogans“, wie der Autor der BZ meinte. Überhaupt sah der Raum in seinen Augen „recht unordentlich“ aus. Überall lagen zusammengeknüllte Flugblätter, Zigarettenkippen, zerrissene Plakate oder Farb- töpfe herum. Selbst das Audimax im neuen Kollegiengebäude bot ein „ungewohntes Bild“. Mitglieder des SDS entwarfen neue Parolen und diskutierten über politische Fra- gen. Von einem Tonband tönten „Beatmusik und Protestsongs“.38 Schon am nächsten Tag erschien in der BZ ein weiterer Beitrag, der sich mit dem „Alltagsleben“ an der umkämpften Albert-Ludwigs-Universität befasste. Wenn man das neue Kollegiengebäu- de der Universität betrat, das war zumindest der Eindruck des Verfassers, spürte man „mehr als nur eine revolutionäre Brise“. Überall hingen große Transparente, die zum Boy- kott von Vorlesungen aufforderten. Plakate kündigten Veranstaltungen von Basis- und Projektgruppen an. Ein Bücherstand des SDS bot „ausschließlich linksorientierte Lite- ratur“ feil. Der Lehrbetrieb war „weitestgehend lahmgelegt“ worden. An den Anschlägen der Hörsäle fanden sich überwiegend Meldungen über den Ausfall von Veranstaltungen. Was das neue Semester bringen würde, war nach Meinung des Autors völlig ungewiss. Die Situation der Albert-Ludwigs-Universität schien „verworrener als je zuvor“.39 Das Bild von der „unruhigen“ Freiburger Hochschule fand sich schließlich auch in der offiziellen Selbstdarstellung der Hochschule wieder. Nach Ende seiner Amtszeit im Jahr 1970 – die Lage hatte sich in der Zwischenzeit wieder beruhigt – veröffentlichte Rek- tor Boesch den obligatorischen Rechenschaftsbericht über seine Rektoratszeit, die auch den Höhepunkt der studentischen Proteste in Freiburg umfasste. Der Bericht sollte in- teressierten Beobachtern Einblicke in eine – so Boesch selbst – sehr „bewegte“ Phase der Freiburger Universitätsgeschichte ermöglichen. Ausführungen über „Störungen des Lehrbetriebs und Unruhen“ machten dann auch den weitaus größten Teil des Textes aus. Boesch war nicht wohl dabei, die „Wunden“ wieder aufzureißen. Allerdings hielt er es nicht nur für wichtig, die – wie er angesichts der frischen Erinnerung durchaus überra- schend anmerkte – „bereits historisch gewordenen Ereignisse festzuhalten“. Boesch war außerdem der Meinung, dass bestimmte „Tendenzen“ der studentischen Protestbewegung im Verborgenen „weiterwirkten“. Sein Bericht diente also gewissermaßen auch der Prä- vention, als Mahnung und als Warnung – nicht nur vor der kontinuierlichen Untergrund- Arbeit radikaler Studenten, sondern auch vor einem erneuten Ausbruch der gerade erst vergangenen Unruhen.40

38Ein Agitationsraum in der Alten Uni (1969). In: Badische Zeitung, 01.07.1969. Eine ähnlich „impres- sionistische“ Darstellung hatte es bereits von der Rektoratsbesetzung im Januar 1969 gegeben, siehe: Mit Brecheisen die Türen geöffnet 15.1.1969. 39Mehr als eine revolutionäre Brise. Wie das Alltagsleben in der Freiburger Universität zur Zeit aussieht (1969). In: Badische Zeitung, 02.07.1969. 40Vgl. Bruno Boesch (1970): Jahresbericht über die Rektoratszeit 1968-1970. Freiburg (Annalen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, 12), besonders S. 12-36.

208 4.1 Unruhige Universität: Protest und Gewalt im Blick der Öffentlichkeit

Boeschs Bericht über seine Zeit als Rektor war der erste, der nicht mehr wie seit lan- ger Zeit üblich im Kontext eines großen Festakts zur Rektoratsübergabe erstattet, son- dern dem interessierten Publikum nur noch in schriftlicher Form präsentiert wurde. Dieses Schicksal ereilte am Ende der 1960er Jahre keineswegs nur die Albert-Ludwigs- Universität. Im Zuge der Studentenrevolte verschwand das Ritual der feierlichen Rekto- ratsübergabe zusehends von den deutschen Hochschulen und mit ihm eine Institution, die den Kontakt von Universität und Öffentlichkeit über Jahrzehnte hinweg geprägt hatte.

4.1.3 „Unter den Talaren...“: Die Rektoratsübergabe als Ziel studentischer Protestaktionen Bereits in den frühen 1960er Jahren hatte in der westdeutschen Studentenbewegung – insbesondere im SDS – die Rezeption aktionistischer Protestformen wie Go-ins, Sit-ins, Teach-ins oder Happenings begonnen, die im Umfeld der Neuen Linken in den Vereinig- ten Staaten entwickelt worden waren. Im Kontext von „1968“ fanden solche Strategien dann auch in der Bundesrepublik eine immer größere Verbreitung.41 Zu den bevorzugten Zielen der studentischen Aktionen gehörten im akademischen Raum die jährlichen Festakte zur Rektoratsübergabe. Auf der einen Seite bot sich Stu- dierenden hier die erwünschte öffentliche Bühne. Das Programm der „direkten Aktion“ legte schließlich großen Wert auf Nutzung und Herstellung von Öffentlichkeit. Mit den neuen Formen des Protests versuchten Studierende öffentliche Räume zu vereinnahmen, eigene Anliegen öffentlichkeitswirksam vorzutragen und etablierten Regeln „strategisch Un-Ordnung und Chaos“ entgegenzusetzen. Zu diesen Räumen gehörten nicht nur die Straße oder öffentliche Plätze wie bei den großen Demonstrationen gegen Vietnamkrieg oder Notstandsgesetzgebung, sondern insbesondere im Fall der akademischen Festkultur auch Öffentlichkeiten der Universität.42 Mit der feierlichen Übergabe des Rektorats versicherte sich die Universität symbolisch ihrer eigenen Geschichte, ihrer Werte und ihrer Ordnung. Obwohl sie durchaus selbst „neue Ritualisierungen“ hervorbrachte, trat die Studentenbewegung der 1960er Jahre Ritualen wie diesem nicht nur im akademischen Bereich meist mit Skepsis und Kritik gegenüber. Nicht zufällig richteten sich Aktionen der Achtundsechziger besonders häufig gegen Gottesdienste, Gedenkfeiern, Konzerte oder öffentliche Diskussionsveranstaltun- gen. Auch weil man die Ordnung der Universität, die Autorität und die „rituelle Würde“ der Professoren hier wirkungsvoll attackieren, weil man die „vermeintlich unumstößliche Faktizität der gesellschaftlichen Wirklichkeit“ auf diese Art und Weise mit einer „Gegen- wirklichkeit“ konfrontieren konnte, war das Ritual der Rektoratsübergabe ein geeigneter

41Vgl. zu den Konzepten der „direkten Aktion“ Kathrin Fahlenbrach (2007): Protestinszenierungen. Die Studentenbewegung im Spannungsfeld von Kultur-Revolution und Medien-Evolution. In: Klim- ke, Scharloth (Hg.) 2007 – 1968, S. 11-21, hier: S. 12-15. Über den transatlantischen „Transfer“ der neuen Protestformen Martin Klimke (2007): Sit-in, Teach-in, Go-in. Die transnationale Zirkulation kultureller Praktiken in den 1960er Jahren am Beispiel der direkten Aktion. In: Ders., Scharloth (Hg.) 2007 – 1968, S. 119-133. 42Siehe Fahlenbrach 2007 – Protestinszenierungen, S. 12-15.

209 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975)

Ort für studentische Protestaktionen.43 Störungen wurden im Kontext von „1968“ von zahlreichen Universitäten und Hoch- schulen – TU Berlin, Gießen, Aachen, München, Hamburg – gemeldet. Die Hamburger Rektoratsübergabe im November 1967 produzierte eines der berühmtesten Bilder der Revolte, als zwei Studenten dem Einzug der Professoren ein großes Transparent mit der Aufschrift „Unter den Talaren, Muff von 1000 Jahren“ vorantrugen, um damit nicht nur hochschulpolitische Unbeweglichkeit, sondern auch die weitgehend ausgebliebene Beschäftigung von Universitäten mit der eigenen nationalsozialistischen Vergangenheit anzuprangern. In München wurde die Feier von Studenten mit Luftschlangen, Konfetti, Seifenblasen und Luftballons zu einer „Karnevalsveranstaltung“ umgewidmet, die Pro- fessoren im Talar als „närrischer Elferrat“ tituliert.44 An der Albert-Ludwigs-Universität blieben Rektor und Professoren von solchen Ak- tionen verschont. Trotzdem wurde die Rektoratsübergabe in Freiburg wie auch an vielen anderen Hochschulen seit 1968 nicht mehr in der traditionellen Form vorgenommen. Das lag zum einen daran, dass Studierende hier seit Anfang des Jahres 1968 ganz offen Kritik am bisherigen Prozedere äußerten und für eine radikale Umgestaltung der Feier eintraten. Statt einen wissenschaftlichen Vortrag aus seinem Fachgebiet zu halten, sollte der Rektor ein „hochschulpolitisches Programm“ vorstellen und darüber während der Veranstaltung öffentlich diskutieren lassen. Demnach zeigte sich an der Rektorats- übergabe, „wie weit Professoren bereit sind, aus ihrem Elfenbeinturm herauszukommen und sich in der Öffentlichkeit der Diskussion (zu) stellen“. Darüber hinaus forderte man, auf das gesamte akademische Zeremoniell – Talare, feierlicher Einzug des Lehrkörpers usw. – zu verzichten.45 Zwar drohten Freiburger Studenten nicht mit Protestaktionen. Konkrete Hinweise auf planmäßige Störungen der Rektoratsfeier gab es nicht. Doch vor dem Hintergrund der Geschehnisse in München oder Hamburg befürchtete Rektor Boesch, dass es auch an der Albert-Ludwigs-Universität zu Tumulten kommen könnte. Zumindest schloss er die „Möglichkeit einer Störung der Feier“ nach seinen Gesprächen mit Studentenvertretern nicht völlig aus. Unter keinen Umständen wollte Boesch Studierenden die Chance bieten, Universität und Professoren vor Publikum der Lächerlichkeit preiszugeben, wie es an- dernorts geschehen war. Deshalb beschloss der Senat in einer außerordentlichen Sitzung vom 17. April 1968, die feierliche Rektoratsübergabe „im Hinblick auf die politische und hochschulpolitische Lage“, wie es offiziell hieß, „nicht stattfinden zu lassen“. Im Kontext der um sich greifenden Studentenrevolte sei eine „akademische Feier nicht am Platze“.46

43Vgl. Joachim Scharloth (2007): Ritualkritik und Rituale des Protests. Die Entdeckung des Perfor- mativen in der Studentenbewegung der 1960er Jahre. In: Klimke, Scharloth (Hg.) 2007 – 1968, S. 75-87, besonders S. 75 und S. 86 f. 44Aufgeblickt 4.12.1967; Tumulte bei Münchener Rektoratsfeier (1967). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.11.1967. 45Siehe: So weit möchte ich nicht gehen. FSZ-Interview mit Professor Dr. Bruno Boesch (1968). In: Freiburger Studentenzeitung 18 (1), S. 21-23 und: Rektoratsübergabe - ein Gespräch mit dem Rektor electus (1968). In: Freiburger Studentenzeitung 18 (3), S. 2 u. 16. 46Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, den 14. Februar 1968 ([1968]). Universitätsarchiv Freiburg, B 2/2968 und: Protokoll über die außerordentlichen Senatssitzungen am Mittwoch, 17. April 1968 ([1968]). Universitätsarchiv Freiburg, B 2/2969.

210 4.1 Unruhige Universität: Protest und Gewalt im Blick der Öffentlichkeit

4.1.4 Ruhe und Ordnung wiederherstellen: Öffentliche Debatten über den politischen Umgang mit den unruhigen Universitäten

Die Radikalisierung der Studentenbewegung seit Juni 1967 und die anhaltende Unruhe an den deutschen Universitäten setzte in Politik und Massenmedien schon bald eine Debatte über mögliche Gegenmaßnahmen in Gang.47 Die Polarisierung des zeitgenössischen Universitätsdiskurses trat in diesem Zusammen- hang deutlich zutage. So waren es v.a. die Unionsparteien, die sich besonders nachdrück- lich für ein entschlossenes Vorgehen gegen studentische Störer engagierten, publizistisch stets lautstark unterstützt von konservativen Blättern wie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ oder der „Welt“. Angesichts der vielzitierten „chaotischen“ Zustände wurden gerade in diesem Umfeld immer wieder Rufe nach disziplinarischen Schritten und staat- lichen Eingriffen laut, um „Ruhe und Ordnung“ an den Universitäten wiederherzustel- len.48 Sozial- oder Freidemokraten sperrten sich keineswegs grundsätzlich gegen restrikti- ve Maßnahmen. Das zeigte sich beispielsweise im sozialdemokratisch regierten Hessen. Dennoch standen FDP und SPD alles in allem eher für einen moderaten Kurs, der viel stärker auf Reform und Dialog als auf Repression setzte. Law and Order an den Uni- versitäten stand man hier in der Regel mit Skepsis gegenüber. Ordnung, hieß es, konnte nur aus einer Erneuerung der Hochschulen entstehen, nicht umgekehrt. Protestaktionen und „Störern“ flächendeckend mit disziplinarischen oder gar polizeilichen Maßnahmen zu begegnen, hielt man für den falschen Weg. In einem durch Gesetz und Verfassung abgesteckten Rahmen galten studentische Militanz und Unruhe sogar als durchaus „heil- same“, weil reformbeschleunigende Elemente. Wenn Studierende tatsächlich einmal die Grenzen überschritten, ließ sich das mit den vorhandenen Mitteln des Strafrechts regeln. Publizistische Rückendeckung für eine solche Haltung kam v.a. aus liberalen Medien wie dem „Spiegel“ oder der „Zeit“, die ihre reformorientierte Haltung der 1960er Jahre auch im Angesicht des „Ausnahmezustands“ weitgehend beibehielten.49

Im Brennpunkt dieser Diskussion über den richtigen Umgang mit der Unruhe an deut-

47Vgl. Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 213-224 und S. 231- 236. 48Die Haltung der Unionsparteien offenbarte sich beispielsweise in der großen Bundestagsdebatte zu Studentenprotesten und Hochschulreform im Mai 1968, siehe: Fortsetzung der Beratung über den Bericht der Bundesregierung zur innenpolitischen Situation . . . (1968). In: Verhandlungen des Deut- schen Bundestages/Stenographischer Bericht, 07.05.1968 (5. WP, 170. Sitzung), S. 9055-9107. Auch der Berichterstatter der „Zeit“ identifizierte den großen Unterschied zwischen CDU/CSU auf der einen, FDP und SPD auf der anderen Seite in ihrer Haltung zu staatlichen Eingriffen an den Uni- versitäten, siehe: Probezeit für den Föderalismus. Fazit der Bundestagsdebatten: Der Schwarze Peter kreist schneller (1968). In: Die Zeit, 10.05.1968. Vgl. für die publizistische Debatte etwa Reißmül- ler 1.12.1971 – Enklaven der Gewalt sowie als Reaktion auf Reißmüllers Kommentar Ernst Wolf (1971): Schützt die Justiz die rechtliche Ordnung an der Universität? Erfahrungen in Marburg. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.12.1971. 49Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 213-224.

211 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) schen Universitäten stand während der nächsten Jahre vor allen Dingen die Einführung eines „Ordnungsrechts“ im Hochschulbereich, mit dem das alte und häufig kritisierte akademische Disziplinarrecht abgelöst werden sollte.50 Seit Ende des Jahres 1968 tauchten v.a. in konservativen Blättern immer wieder Kom- mentare auf, die sich für einen solchen Schritt aussprachen. Wiederherstellung der Ord- nung, schrieb FAZ-Autor Günter Gillessen im Dezember 1968, durfte selbstverständlich nicht das „Ende“, sondern lediglich ein „sichtbarer Anfang liberaler Universitätsreform“ sein. Allerdings räumte Gillessen dem Sicherheitsaspekt einen klaren Vorrang ein. So- lange Ruhe und Ordnung an den Hochschulen nicht wiederhergestellt waren, schien ihm Reform schlichtweg undenkbar. Nach Meinung von Gillessen konnte man nicht länger darauf bauen, dass sich die vernünftige Mehrheit unter den Studenten irgendwann ge- gen die kleine Gruppe der „Revolutionäre“ durchsetzen würde. Die Strategie, „Unrecht zu dulden, um größeres Unheil zu vermeiden“ – d.h. eine zusätzliche Radikalisierung der Studentenschaft heraufzubeschwören – war in seinen Augen gescheitert. Bestehende Disziplinarausschüsse der Hochschulen wurden zudem häufig von Studierenden boykot- tiert und auf diese Art und Weise beschlussunfähig gemacht. Deshalb forderte Gillessen ein neues Ordnungsrecht, das im Gegensatz zum alten Disziplinarrecht dort ansetzen sollte, „wo das Strafrecht nicht hinreichte“. Die Universität musste ihren Forschungs- und Lehrbetrieb unter allen Umständen aufrechterhalten, wenn nötig auch mithilfe von Zwangsmaßnahmen, „mit Tadel, mit Warnungen und mit Aussperrungen“.51 Gillessens Plädoyer wurde bald erhört. Nur wenig später setzten in der Politik erste Bemühungen zur Umsetzung eines Ordnungsrechts für die Hochschulen ein. Zusammen mit den Ministerpräsidenten beschloss Bundeskanzler im Februar 1969 die Gründung einer Bund-Länder-Kommission, der u.a. Bundesinnenminister und der bayrische Kultusminister Ludwig Huber angehörten und die mit der Ko- ordinierung der hochschulpolitischen Entwicklung in der Bundesrepublik betraut wurde. Dort vereinbarte man nicht nur gemeinsame Grundsätze für die Reform der Universi- täten, sondern entwickelte auch das Projekt eines bundeseinheitlichen Ordnungsrechts, um damit eine Grundlage für die Wiederherstellung von „Ruhe und Ordnung“ im Hoch- schulbereich zu legen.52 Dieses ambitionierte Vorhaben wurde in den Massenmedien – gerade in der überregionalen Presse – aufmerksam verfolgt. Im liberalen bzw. linksliberalen Umfeld stieß die Arbeit der Kommission auf ein fast durchweg negatives Echo. Typisch war ein Artikel von Hilke Schlaeger, der am 7. Februar 1969 in der „Zeit“ publiziert wurde. Schlaeger warf den Initiatoren der Bund-Länder- Kommission vor, aus der nun schon so lange tobenden Diskussion um die „Unruhe“ an den

50Vgl. Turner 2001 – Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, S. 88-92; Bodo Pieroth (1976): Störung, Streik und Aussperrung an der Hochschule. Ein Beitrag zur Konkretisierung von Grundrechten und zum Hochschulverwaltungsrecht. Berlin (Schriften zum öffentlichen Recht, 289), S. 53-71 sowie S. 236-246. 51Gillessen 14.12.1968 – Die ohnmächtige Universität. Ähnlich Walter Görlitz (1968): In der Praxis aber herrscht Anarchie. Zunächst müssen Recht und Freiheit an den Universitäten wiederhergestellt sein. In: Die Welt, 20.12.1968. 52Der Kanzler dringt auf Bundesrechte an den Universitäten (1969). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.02.1969. Vgl. Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 231-236; Hoymann 2010 – Der Streit um die Hochschulrahmengesetzgebung, S. 73.

212 4.1 Unruhige Universität: Protest und Gewalt im Blick der Öffentlichkeit

Universitäten nichts gelernt zu haben. Der Vorstoß für ein einheitliches Ordnungsrecht sei vielleicht hilfreich im Wahlkampf, leiste jedoch keinen Beitrag zu Befriedung und „Neuordnung“ der Hochschulen. Der Arbeit der Kommission, so Schlaeger, mangelte es zum einen am nötigen Unter- scheidungsvermögen. Ihre Mitglieder waren offenbar nicht in der Lage, zwischen revo- lutionärem „Terror“ und berechtigtem, auf radikale Reform ausgerichteten Protest zu differenzieren. „Kanzler und Kommission“ hielten jede Störung des akademischen Lehr- und Forschungsbetriebs – dieser Eindruck drängte sich der Publizistin zumindest auf – für „gleichermaßen kriminell“. Darüber hinaus standen die Politiker laut Schlaeger im Begriff, das „Grundübel aller bisherigen Universitätsversuche“ zu wiederholen: Man bekämpfte lediglich die Symptome, nicht die Wurzel des Problems. Nur Reform konnte „Ordnung herstellen“ und die Ursachen des studentischen Protests nachhaltig beseitigen. Zwangsmaßnahmen wie ein verschärftes Ordnungsrecht, betonte Schlaeger, würden die Unruhe lediglich weiter verschärfen.53 Wenig überraschend stieß die Arbeit an einem bundeseinheitlichen Ordnungsrecht bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und v.a. bei ihrem Hochschulexperten Günter Gillessen auf größere Zustimmung. Noch sehr viel deutlicher als in seinem Artikel vom Dezember 1968 machte sich Gillessen nun für ein entschlossenes Durchgreifen an den Uni- versitäten stark. Falsch verstandene „Nachgiebigkeit“ identifizierte er als entscheidende Triebkraft für die zunehmende Radikalisierung an den Hochschulen. Erst die Tatsache, dass geltendes Recht im akademischen Raum so oft nicht durchgesetzt worden war, hatte nach Ansicht des FAZ-Redakteurs bei vielen Studenten den Eindruck von der Universität als „rechtsfreiem Raum“ entstehen lassen, den man durch „Besetzungen“ oder Störungen für sich in Anspruch nehmen konnte. Gillessen hielt den geplanten Staatsvertrag über das Ordnungsrecht deshalb für eine gute Sache, zumindest für einen ersten Schritt auf dem Weg zur Konsolidierung der Hochschulen – selbst wenn es Mitglieder der Universität wie „Benutzer einer Badeanstalt“ behandeln musste.54 Obwohl der angestrebte Vertrag am 27. März 1969 besiegelt und der Öffentlichkeit „mit großem Aplomb“55 präsentiert wurde56, scheiterte das Projekt eines bundeseinheit-

53Hilke Schlaeger (1969): Erst Ordnung schaffen? In: Die Zeit, 07.02.1969. Ähnlich: Augenmaß (1969). In: Die Zeit, 07.03.1969; Ordnung ist noch nicht Ruhe (1969). In: Die Zeit, 04.04.1969; Carl-Christian Kaiser (1969): Ordnung – um welchen Preis? Fragwürdige Drohungen im Länder-Staatsvertrag. In: Die Zeit, 02.05.1969; Ders. (1969): Droht ein heißer Sommer? In: Die Zeit, 16.05.1969. Der „Spiegel“ reagierte mit ähnlichem Unverständnis auf die Bemühungen um ein neues Ordnungsrecht, siehe: Athener Format (1969). In: Der Spiegel, 03.03.1969. In derselben Ausgabe versuchte der hessische Justizminister Johannes Strelitz – ebenfalls Mitglied der Kommission – den Entwurf für ein neues Ordnungsrecht in einem längeren Interview zu verteidigen. Die Fragen und die Gesprächsführung der „Spiegel“-Redakteure offenbarten ebenfalls eine überaus kritische Haltung: „Das ist nun mal Juristerei“. SPIEGEL-Gespräch mit dem hessischen Justizminister Johannes Strelitz (SPD) über Ordnungsrecht an den Universitäten (1969). In: Der Spiegel, 03.03.1969. 54Günther Gillessen (1969): Die Ordnung an den Universitäten. Der Staatsvertrag schafft erst einmal die Voraussetzungen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.03.1969. 55So die Formulierung bei: Nina Grunenberg (1969): Toter Hund. Unordnung mit dem Ordnungsrecht. In: Die Zeit, 27.06.1969. 56Siehe: Allen Beteiligten ein Mitspracherecht. Der Staatsvertrag über die Neuordnung der Universitä- ten im Wortlaut (1969). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.04.1969.

213 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) lichen Ordnungsrechts. Zwei Ministerpräsidenten der SPD – Heinz Kühn in Nordrhein- Westfalen, Georg Diederichs in Niedersachsen – verweigerten die Unterschrift. Darüber hinaus zeichnete sich schon bald ab, dass in einigen Landesparlamenten keine Mehrheit für eine Ratifizierung des Gesetzeswerks zustande kommen würde. Die einheitlichen Re- gelungen wurden still und leise begraben, zum Teil aber auch wiederverwendet und als Landesrecht in die jeweiligen Parlamente eingebracht.57 Während der nächsten Jahre verabschiedeten mehrere Bundesländer – Berlin, Bayern, Schleswig-Holstein und Hamburg – ein eigenes Ordnungsrecht.58 Baden-Württemberg übernahm in diesem Zusammenhang eine Vorreiterrolle. Hier brachte die Regierung bereits im Juni 1969 einen vom Kultusministerium unter Wilhelm Hahn erarbeiteten Entwurf ins Parlament ein, der staatlichen Stellen einen weitreichenden Zugriff auf die Universitäten verschaffen sollte. Die Hochschulen, betonte Hahn im Stuttgarter Land- tag, konnten ihre schwierige Situation nicht mehr alleine bewältigen. Ein „hilfsweises Eingreifen des Staates“ war in seinen Augen unbedingt notwendig. Zu diesem Zweck sah der Regierungsantrag u.a. vor, einen sogenannten „Ordnungsbeauftragten“ an den Hochschulen des Landes zu installieren, der Störer ermitteln, sie anklagen und Strafen verhängen sollte.59 Nachdem die umstrittensten Passagen – v.a. der besagte „Ordnungsbeauftragte“ – gestrichen worden waren, wurden die neuen Regelungen gegen die Stimmen der FDP- Fraktion sowie vereinzelte Gegenstimmen von SPD-Abgeordneten im Juli 1969 verab- schiedet. An jeder Universität musste demnach ein „Ermittlungsbeamter“ eingesetzt wer- den, der Ordnungswidrigkeiten feststellte sowie belastendes bzw. entlastendes Material zusammentrug. Die Entscheidungsgewalt lag nun jedoch bei vom Senat bestellten „Dis- ziplinarausschüssen“, denen auch Studierende angehörten. Kamen solche Gremien nicht zustande oder trafen sie innerhalb einer bestimmten Frist keinen Beschluss, konnte der ermittelnde Beamte das zuständige Verwaltungsgericht anrufen. Ordnungswidrig waren nach dem neuen Gesetz u.a. Störungen des Lehr- und Forschungsbetriebs, Beschädigung bzw. Zerstörung von Hochschuleigentum sowie Angriffe auf Mitglieder der Universität. Als Höchststrafe sah es einen zweijährigen Ausschluss vom Studium an sämtlichen Hoch- schulen des Landes vor.60 Während man in den Bundesländern seit Ende der 1960er Jahre eigene Regelungen entwickelte, spielte das Problem des Ordnungsrechts auch für die parallel laufende Arbeit an einem Hochschulrahmengesetz eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt weil Koordinierungs- versuche zwischen Bund und Ländern – etwa der oben erwähnte Staatsvertrag – zuvor gescheitert waren, bemühte sich der Bund im Kontext einer umfassenden Föderalismus- und Finanzreform nun verstärkt um eine Rahmenkompetenz für „allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens“. Mit Erfolg: Im Mai 1969 wurde eine entsprechende Verfassungs-

57Vgl. Pieroth 1976 – Störung, Streik und Aussperrung, S. 55 f.; Hoymann 2010 – Der Streit um die Hochschulrahmengesetzgebung, S. 73 und S. 94-97. 58Pieroth 1976 – Störung, Streik und Aussperrung, S. 236 f. 59Siehe: Erste Beratung des Entwurfs 26.6.1969. Vgl. auch Peter Jochen Winters (1969): Vertrau- enskrise wegen des Ordnungsrechts. In Baden-Württemberg findet die Regierung mit ihren Plänen wenig Unterstützung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.07.1969. 60Winters 18.7.1969 – Vertrauenskrise wegen des Ordnungsrechts.

214 4.1 Unruhige Universität: Protest und Gewalt im Blick der Öffentlichkeit

änderung von Bundestag und Bundesrat beschlossen.61 Bald darauf begannen die Beratungen über das Hochschulrahmengesetz.62 Während die Union ihre Zustimmung zum Rahmengesetz gerade von der Aufnahme ordnungs- rechtlicher Bestimmungen abhängig machte, standen Liberale und Sozialdemokraten der Aussicht auf ein einheitliches Ordnungsrecht insgesamt eher reserviert gegenüber.63 So enthielten die Entwürfe der sozialliberalen Bundesregierung zunächst noch keine Para- graphen zum Ordnungsrecht. Im Lauf der 1970er Jahre kamen aber auch innerhalb der SPD zunehmend Stimmen auf, die restriktive Maßnahmen befürworteten. Die Frage, ob das Rahmengesetz ein Ordnungsrecht beinhalten sollte, sorgte nicht nur zwischen den Parteien, sondern jetzt auch bei den Sozialdemokraten intern für heftige Spannungen. Um die Chance auf einheitliche Regelungen im Hochschulwesen nicht zu verspielen, ging die SPD – auch vor dem Hintergrund neuer Krawalle im Wintersemester 1973/74 – zum Missfallen ihres Koalitionspartners mehr und mehr auf Forderungen der Union ein. So fixierte das schließlich im Dezember 1975 verabschiedete Gesetz u.a. ein verschärftes Ord- nungsrecht, nach dem Studierende exmatrikuliert werden konnten, wenn sie Forschung und Lehre durch „Anwendung von Gewalt, durch Aufforderung zur Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt“ störten.64 Die konkrete Ausgestaltung der rechtlichen Verfahren blieb den Ländern vorbehalten. Am 26. Januar 1976 trat das Hochschulrahmengesetz inklusive des neuen Ordnungsrechts in Kraft.65 Der Versuch der Politik, die Ruhe an den Universitäten mithilfe von ordnungsrechtli- chen Maßnahmen wiederherzustellen, erwies sich letzten Endes als nur wenig erfolgreich. In Baden-Württemberg hatte die Diskussion um eine Novellierung des Hochschulgeset- zes am Ende der 1960er Jahre zu einer umfassenden Mobilisierung der Studentenschaft geführt. Als die Regierung 1969 ihren Entwurf mit dem neuen Ordnungsrecht vorstellte, sorgte dies selbst an bislang eher ruhigen Hochschulen für einen Radikalisierungsschub und beschwor an den Universitäten des Landes neuerliche, zum Teil gewalttätige Ak- tionen herauf.66 Die Verabschiedung des Rahmengesetzes brachte u.a. wegen des darin enthaltenen Ordnungsrecht erneut zahlreiche Studenten auf die Straße.67 Wie von nicht wenigen Kritikern prognostiziert, sorgte das Bemühen des Gesetzgebers nicht für Ruhe und Ordnung, sondern rief im Gegenteil bei Studierenden – und nicht nur dort: zum

61Vgl. Hoymann 2010 – Der Streit um die Hochschulrahmengesetzgebung, S. 77-83. 62Der Gesetzgebungsprozess erstreckte sich zwischen Mai 1969 und Januar 1976. Vgl. ausführlich ebd., Kap. 4 sowie Bocks 2012 – Mehr Demokratie gewagt, Kap. 3 und 4. 63Hoymann 2010 – Der Streit um die Hochschulrahmengesetzgebung, S. 129-131. 64Der Bundestag beschließt ein einheitliches Ordnungsrecht (1975). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.12.1975. 65Hochschulrahmengesetz (HRG) (1976). In: Bundesgesetzblatt, 29.01.1976, S. 185-206, hier: S. 192 f. 66Siehe Winters 18.7.1969 – Vertrauenskrise wegen des Ordnungsrechts. Vgl. den Fernsehbericht von Hanns-Joachim Kocks (1969): Hochschulgesetz I (Abendschau). Süddeutscher Rundfunk, 25.06.1969. 67Siehe bspw. Leonhardt 27.5.1977 – Die zweite Revolte der Studenten; Ders. (1977): Die Unlust, Stu- dent zu sein. Der Vorlesungsboykott hat auch seine guten Gründe. In: Die Zeit, 09.12.1977. „Manche versprechen sich etwas davon“, kommentierte Leonhardt das Ordnungsrecht im HRG, „den Studen- ten den Knüppel zu zeigen. Sie müssen sich dann nicht wundern, wenn die Studenten den Knüppel nicht gern sehen. Hier hat der Gesetzgeber ganz überflüssigerweise ein rotes Tuch produziert. Wo es nur um Gewalttätigkeiten ginge (wie nun allenthalben versichert wird), reichte die ordentliche Justiz völlig aus“.

215 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975)

Teil schlossen sich Dozenten oder Professoren dem Widerstand an – immer wieder neue Proteste hervor.

4.2 Hochschuldemokratisierung und Öffentlichkeit 1968

Demokratie an der Universität war schon seit Beginn der 1960er Jahre ein zentrales Thema des öffentlichen Hochschuldiskurses gewesen. Demokratisierung der Hochschu- le gehörte aber auch zu den wichtigsten Anliegen des studentischen Protests am Ende der 1960er Jahre.68 Im folgenden Kapitel möchte ich mich v.a. mit zwei Aspekten be- fassen. Auf der einen Seite thematisierten gerade Studierende nun immer häufiger die Zusammenhänge von Demokratie und Öffentlichkeit an der Universität. Die Debatte um erweiterte Mitspracherechte spitzte sich im Kontext von „1968“ zudem auf Forderungen nach „Drittelparität“ zu, das bald zu einem Schlüssel- und Reizbegriff der öffentlichen Hochschuldiskussion avancierte.

4.2.1 Drittelparität: Ein Modell zur Demokratisierung der Universität

Die Forderung nach gleichberechtigter Mitbestimmung von Studierenden, Mittelbau und Professoren in der akademischen Selbstverwaltung war am Ende der 1960er Jahre kei- neswegs neu. Der SDS hatte bereits in seiner 1961 veröffentlichten Denkschrift über „Hochschule in der Demokratie“ die paritätische Mitsprache aller Gruppen gefordert. Allerdings erzielte das Modell zunächst keine größere Resonanz. Eine zweite, stark über- arbeitete Auflage der Denkschrift aus dem Jahr 1965 erhielt den Vorschlag einer gleich- berechtigten Mitbestimmung dann nur noch in verwässerter Form.69 Erst am Ende der 1960er Jahre begann der Begriff der „Drittelparität“ seine erfolg- reiche Karriere. Die paritätische Mitbestimmung aller Gruppen avancierte seit 1967 zu einem zentralen Element der Reformdebatte, in einer engeren hochschulpolitisch inter- essierten Öffentlichkeit, aber auch im massenmedialen Diskurs und – verbunden u.a. mit der Hochschulgesetzgebung in Bund und Ländern – in der politischen Auseinanderset- zung.70 Mit der öffentlichen Diskussion über das drittelparitätische Modell und mit der Ver- ankerung des Mitbestimmungskonzepts in der Hochschulgesetzgebung von Bund und Ländern wird sich das folgende Kapitel befassen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei erneut auf der Universität Freiburg, wo wie an vielen anderen Hochschulen der Bundes- republik intensiv und kontrovers über Drittelparität gestritten wurde.

68Vgl. Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 167-171. 69Vgl. ebd., S. 48-50. 70Der Journalist Jürgen Buschkiel bezeichnete Drittelparität etwa als „Fetisch“ und „Zauberschlüssel“ der Hochschulreform, siehe Buschkiel 28.12.1967 – In Freiburg spricht man noch

216 4.2 Hochschuldemokratisierung und Öffentlichkeit 1968

„Das heiß begehrte Drittel“: Drittelparität in der öffentlichen Diskussion

Die „Erfindung“ der Drittelparität Zu den frühesten und einflussreichsten Stellung- nahmen, die sich für „Drittelparität“ an den Hochschulen einsetzten, gehörte eine vom AStA der Universität Hamburg im Juli 1967 erarbeitete Denkschrift. Autor war Detlev Albers, Mitglied des Sozialdemokratischen Hochschulbunds und zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender der Hamburger Studentenvertretung.71 Die Schrift erschien 1968 im Bon- ner „Verlag Studentenschaft“72, erlangte aber zumindest im Kreis einer hochschulpolitisch interessierten Öffentlichkeit bereits größere Publizität, als Kernargumente 1967 in der Dezember-Ausgabe der „Deutschen Universitätszeitung“ veröffentlicht wurden.73 Albers begründete hier zunächst die Notwendigkeit einer Hochschul-Demokratisierung, skiz- zierte dann die gegenwärtige Situation der Mitbestimmung, um schließlich das „Modell einer demokratischen Selbstverwaltung“ sowie konkrete Vorschläge zur Umsetzung zu entwickeln. Der Hamburger AStA-Vorsitzende führte seine Demokratie-Forderung zum einen auf die „Expansion des Bildungswesens“ während der letzten Jahre zurück. Die Entwicklung zur Massenuniversität hatte Studierende in seinen Augen mit einer „tiefgreifenden Verän- derung der Studiensituation“ konfrontiert, aber auch die Ausbildung eines „selbständigen Mittelbaus“ erforderlich gemacht. Um neben den Ordinarien auch die berechtigten Inter- essen dieser Gruppen angemessen „zur Geltung zu bringen“, so Albers, schien ihm ihre „demokratische Beteiligung an den Entscheidungsgremien“ der Hochschule „immer drin- gender notwendig“. Auf der anderen Seite wies der Hamburger AStA-Vorsitzende darauf hin, dass die „Entscheidungsgewalt“ an der Universität denselben demokratischen Prin- zipien wie die „staatliche Gewalt“ unterliegen musste, wenn der Staat den Hochschulen „Autonomie“ zugestand und auf die „Ausübung seiner Gewalt durch demokratisch legi- timierte Gesetze“ verzichtete.74 Die gegenwärtige Situation, betonte Albers, wurde den Anforderungen einer demo- kratischen Universität nicht gerecht. Die Entscheidungen an den Hochschulen wurden seiner Ansicht nach ausschließlich von Lehrstuhlinhabern getroffen. Die „Unübersicht- lichkeit“ der Gremienstruktur, insbesondere auf Fakultäts- und Institutsebene, ließ den Entscheidungsprozess „undurchsichtig“ werden. Gleichzeitig verkümmerten „demokra- tisch angelegte Organe“ wie Voll- und Fakultätsversammlungen, weil man sie jeglicher Entscheidungsgewalt beraubt und die wichtigsten Kompetenzen in den „Bereich vertrau- licher Beratungen“ verlagert hatte.75 Albers’ Ausführungen zu einer demokratischen Selbstverwaltung der Universität nahm zwei Dimensionen von Mitbestimmung unter die Lupe. Wie viele Texte zur Demokratisie- rung der Hochschule in den frühen 1960er Jahren sprach sich die Hamburger Denkschrift dagegen aus, das „inhaltliche Ausmaß“ der Mitsprache auf „studentische Angelegenhei-

71Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 168 f. schreibt Albers die „Erfindung“ des Begriffs „Drittelparität“ zu. 72Detlev Albers (1968): Demokratisierung der Hochschule. Argumente zur Drittelparität. Bonn. 73Ders.: Demokratisierung der Universität. In: Deutsche Universitätszeitung 22 (12), S. 18-26. 74Ebd., S. 18. 75Ebd., S. 18 f.

217 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) ten“ zu beschränken. Vertreter „aller Universitätsmitglieder“ sollten grundsätzlich an „allen Fragen“ beteiligt werden. Für das „quantitative Ausmaß“ der Mitbestimmung entwickelte Albers wiederum drei verschiedene Modelle. Ausgangspunkt war auch in diesem Fall die „gleichberechtigte Mit- wirkung“ aller Mitglieder der Hochschule, das Prinzip der „Parität“. Der Mann vom SHB schlug zunächst vor, die Stimmrechte gleichgewichtig zwischen dem gesamten Lehrkör- per einerseits und der Studentenschaft andererseits zu verteilen. Eine zweite Möglichkeit – Albers sprach von „Schachtelparität“ – bestand darin, einen Block der Lehrstuhlin- haber einem zweiten Block aus Studierenden und Vertretern des Mittelbaus gegenüber zu stellen. Beide Vorschläge befand der Hamburger AStA-Vorsitzende letztlich für un- geeignet. Die Schachtelparität schied aus, weil sie den Ordinarien – mit der Stimme des Vorsitzenden – immer noch Mehrheitsbeschlüsse in den akademischen Gremien ermög- lichte. Das quantitative Übergewicht der Lehrstuhlinhaber blieb im Grunde erhalten. Die erste Lösung – Lehrende versus Lernende – genügte dem studentischen Hochschulrefor- mer ebenfalls nicht, obwohl sie den Studierenden zu einer „besonders starken Stellung“ verhelfen konnte. Albers favorisierte einen dritten Weg. Er bevorzugte das Modell der „Drittelparität“, das ordentlichen Professoren, Mittelbau und Studentenschaft gleichberechtigte Reprä- sentation in den akademischen Gremien – und zwar auf allen Ebenen: Gesamtuniversi- tät, Fakultäten, Institute – versprach. Laut Albers bewahrte das Konzept die Mitglieder des Mittelbaus vor „Zwangskoalitionen“ mit den Ordinarien und sicherte ihnen ein „be- sonderes Maß an Selbständigkeit“. Darüber hinaus konnte Drittelparität in seinen Augen verhindern, dass eine Gruppe der anderen ihren Willen aufzwang und garantierte auf diesem Weg ein „Höchstmaß an Offenheit für sachliche Entscheidungen“. Die Umsetzung seines Konzepts bedeutete für Albers in der Konsequenz die Veranke- rung des „Repräsentationsprinzips“ an der Universität. Nicht nur die Studentenschaft, sondern auch Mittelbau und Professoren mussten sich organisieren und eigene „Verei- nigungen“ bilden – Albers sprach auch von „Gruppenorganen“ –, aus denen sie dann Vertreter in die akademischen Gremien entsandten. Die Vorstellung von der „Gruppenu- niversität“, die v.a. in den 1970er Jahren von sich reden machen sollte, klang in diesen Passagen bereits an.76

Drittelparität wurde zunächst in erster Linie von politisch linken Gruppierungen wie dem SDS oder dem Sozialdemokratischen Hochschulbund propagiert, die sich teilweise allerdings schon im Lauf des Jahres 1968 wieder von dem Konzept distanzierten, weil es ihnen nicht radikal genug war. Zur gleichen Zeit übernahmen jetzt immer größere Teile der Studentenschaft die Forderung nach paritätischer Gremienbesetzung: neben zahl- reichen lokalen Studentenvertretungen insbesondere der Dachverband VDS, aber auch konservative und eigentlich nicht für ihre Reformgesinnung bekannte Gruppen wie der „Kartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen“.77

76Albers 1967 – Demokratisierung der Universität, S. 20 f. 77Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 168 f.; Turner 2001 – Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, S. 76-88.

218 4.2 Hochschuldemokratisierung und Öffentlichkeit 1968

Während sich in den Kultusverwaltungen der Länder bzw. bei Vertretern der politi- schen Parteien durchaus Fürsprecher für die neuartigen Mitbestimmungsformen fanden – was sich u.a. in einigen Hochschulgesetzen zeigte – schlugen dem Konzept der Drittelpari- tät bei journalistischen Beobachtern und vor allen Dingen vonseiten der Hochschullehrer häufig Kritik und Skepsis entgegen.78

Professoren gegen Drittelparität In den Reihen der Professorenschaft stieß das in Hamburg erfundene Mitbestimmungskonzept von Anfang an auf eine breite Front der Ablehnung. In Buchpublikationen, Denkschriften oder Vorträgen, aber auch in Zeitungs- artikeln und Interviews machten Hochschullehrer immer wieder öffentlich gegen das Mo- dell der Drittelparität und – wenigstens in manchen Fällen – gegen verstärkte Mitspra- cherechte für Studierende überhaupt mobil.79 Zu den lautstärksten, streitbarsten und profiliertesten Widersachern gehörte mit dem Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis auch ein Freiburger Professor, der sich am Ende der 1960er Jahre mit Kritik am demokratischen Umbau der Hochschulen und an den Rufen nach gesellschaftlicher Demokratisierung einen Namen machte.80 Hennis war zu- dem Gründungsmitglied und Führungsfigur des Bundes Freiheit der Wissenschaft, einer Professorenvereinigung, die sich nach ihrer Formierung im Jahr 1970 schnell als institu- tionelle Basis der Demokratisierungs-Kritiker etablierte.81 Der Politologe von der Albert-Ludwigs-Universität war nicht nur ein gefragter Vor- tragsredner – der „Erfinder“ der Drittelparität Albers bezeichnete ihn einmal als „pro- fessoralen Wanderprediger“ – sondern zeigte auch in den Massenmedien große Präsenz. Er war in Rundfunkinterviews zu hören, trat in Fernsehdiskussionen auf und publizierte in der Tagespresse, insbesondere in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Am 30. Januar 1968 erschien hier unter dem Titel „Die Stunde der Studenten“ ein aus- führlicher Artikel, in dem sich Hennis eingehend mit studentischen Konzepten für eine

78Vgl. Turner 2001 – Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, S. 79-84; Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 263-275. 79Vgl. etwa: Walther Killy (1967): Keiner hört auf den anderen. In: Die Zeit, 08.12.1967; Peter Hem- merich (1967): Das Jahr Null der deutschen Hochschulen. Wenn aus Studenten, Assistenten und Dozenten Parteien werden. In: Die Zeit, 29.12.1967; Kurt Sontheimer (1968): Akademische Demo- kratisierung. In: Die Zeit, 15.03.1968. 80Zeitgenössisch bspw. Alexander Schwan (1969): Demokratisierung – Ende der Freiheit? Eine neue Streitschrift des Politologen Wilhelm Hennis. In: Die Zeit, 07.11.1969. Vgl. zu Hennis’ Biographie und seiner Bedeutung für Politik-, Ideen- und Wissenschaftsgeschichte der Bundesrepublik: Stephan Schlak (2008): Wilhelm Hennis. Szenen einer Ideengeschichte der Bundesrepublik. München. 81Vgl. Nicolai Wehrs (2014): Aufstieg und Niedergang der Demokratisierung. Der Bund Freiheit der Wissenschaft und die Hochschulreform der frühen 1970er Jahre. In: Brandt u.a. (Hg.) 2014 – Uni- versität, Wissenschaft und Öffentlichkeit, S. 195-217, hier: S. 196 f.; Ders. 2008 – Tendenzwende und Bildungspolitik, S. 10-13. Viele der in der Öffentlichkeit besonders präsenten Widersacher von studentischer Mitbestimmung und Drittelparität – neben Hennis etwa Richard Löwenthal, Walter Rüegg oder Hans Maier – gehörten dem Bund an. Siehe etwa folgende Zeitungsbeiträge bzw. In- terviews: „War Max Planck ein Fachidiot?“. SPIEGEL-Gespräch mit Professor Dr. Walter Rüegg, Rektor der Universität Frankfurt und Präsident der Rektorenkonferenz (1968). In: Der Spiegel, 12.02.1968; Professoren sind nicht mutiger 23.11.1970; Richard Löwenthal (1970): Lernprozeß in der Hochschulpolitik? In: Die Zeit, 11.12.1970;

219 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) demokratische Universität auseinandersetzte.82 Die Idee der Drittelparität spielte dabei eine entscheidende Rolle. In dem Wunsch nach „Demokratisierung“ der Hochschule und drittelparitätischer Besetzung von akademischen Gremien konzentrierten sich nach An- sicht von Hennis „Ziel und Weg“ der studentischen „Bewegung“. Der Freiburger Politologe setzte sich durchaus für eine verstärkte Beteiligung von Studierenden und Mitgliedern des Mittelbaus ein, plädierte für eine „Durchlüftung“ der alten Ordinarienuniversität, lehnte die Einführung der Drittelparität jedoch vehement ab. Das Modell galt Hennis einerseits als Beispiel für die in seinen Augen verhängnisvolle Tendenz, demokratische Prinzipien wie Repräsentation und Gewaltenteilung vom staatli- chen auf andere gesellschaftliche Bereiche – Kirche, Betrieb, Universität – zu übertragen. Detlev Albers’ Argumentation, wonach der Staat an den Hochschulen auf die Ausübung seiner Macht „verzichtete“ und deshalb hier – in einem „Bereich zugestandener Autono- mie“ – die gleichen Mechanismen der Demokratie einzuführen seien, hielt der Politologe für unzulässig. Der Unabhängigkeit der Universität lag seiner Meinung nach der „genau gegenteilige Gedanke“ zugrunde, nämlich Respekt des Staates vor einer spezifischen Lo- gik und Funktionsweise bestimmter gesellschaftlicher Bereiche. Der durchaus berechtigte Wunsch nach mehr Demokratie, schloss der Freiburger Ordinarius, durfte also nicht das Ergebnis einer Anwendung „staatlicher Demokratiemodelle“ sein. Ein zweites Argument von Hennis gegen die Einführung von Drittelparität betraf die Arbeitsweise der akademischen Selbstverwaltung. Wenn Studierende forderten, Univer- sitätsgremien in „repräsentative Delegiertenversammlungen“ zu verwandeln, offenbarte sich in seinen Augen darin nicht nur ein „beklagenswertes Mißverständnis der Gewal- tenteilung“, sondern auch „völlige Unkenntnis“ über die „Aufgaben akademischer Ver- waltung“. Senat, Fakultäten oder Prüfungskommissionen übernahmen demnach nicht in erster Linie die Rolle eines „Gesetzgebers“, sondern waren v.a. „verwaltend“ und „richter- lich“ tätig. Nahezu alle Beratungen betrafen nicht allgemeine Regelungen – wo Hennis eine gleichberechtigte studentische Mitsprache durchaus begrüßte – sondern „Einzelfall- entscheidungen“. Damit fehlte dem Konzept der Drittelparität nach seiner Ansicht jede Grundlage. Über Einzelfälle von paritätisch besetzten „Repräsentativgremien“ bestim- men zu lassen, widersprach nach Meinung des Politologen Hennis nahezu allem, was „seit Montesquieu über Gewaltenteilung gedacht worden ist“. Die einzige Garantie für ein „Höchstmaß an Rechtlichkeit“, Berücksichtigung aller wesentlichen Interessen und wechselseitige Kontrolle bot für ihn unter diesen Bedingungen ein Prinzip, das man nicht nur schon seit Jahrhunderten an den Universitäten praktizierte, sondern das überall dort zum Einsatz kam, wo „etwas verwaltet“ wurde: Kollegialität. Wilhelm Hennis’ Demokratisierungskritik entzündete sich schließlich an den Konse- quenzen, die er von einer Umsetzung des drittelparitätischen Modells erwartete. Wie viele andere Gegner der Drittelparität setzte er in erster Linie bei dem vermeintlich mangelnden Sachverstand der studentischen „Abgeordneten“ im Bereich Forschung und Wissenschaft an. Personelle Selbstergänzung durch Habilitation und Berufung bildete in

82Wilhelm Hennis (1968): Die Stunde der Studenten? Kritische Gedanken zur Demokratisierung der Universität. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.01.1968. Ähnliche Ideen äußerte Hennis in einem „Spiegel“-Interview, das einige Wochen später veröffentlicht wurde: „Haben sie aufgemuckt, Herr Professor?“. SPIEGEL-Interview mit Professor Wilhelm Hennis (1968). In: Der Spiegel, 19.02.1968.

220 4.2 Hochschuldemokratisierung und Öffentlichkeit 1968 seinen Augen die wichtigste Aufgabe der Fakultäten. Studierende, behauptete Hennis, waren aber zum großen Teil nicht in der Lage, die wissenschaftliche Befähigung eines Hochschullehrers korrekt einzuschätzen. Womöglich konnten Studenten die didaktischen Kompetenzen eines Dozenten beurteilen. Das, so Hennis, spielte jedoch zumindest bei der Berufung ordentlicher Professoren eine „absolut nachrangige“ Rolle. Mit Einführung der Drittelparität, prognostizierte der Freiburger Politikwissenschaftler, würde unaus- weichlich eine „phantastische Senkung“ des wissenschaftlichen Niveaus und ein „Mas- senexodus“ von „Spitzenkräften“ einsetzen.83

Nicht nur bei Hennis, sondern auch bei vielen seiner Kollegen forderte das studenti- sche Modell der Drittelparität schon in der ersten Hälfte des Jahres 1968 lautstarken Widerstand heraus. Im Frühjahr wurde von Marburg aus eine große Kampagne gegen mehr Demokratie und paritätische Mitbestimmung an den deutschen Universitäten ein- geleitet, die zur Mobilisierung der öffentlichen Meinung u.a. gezielt auf die Unterstützung der Massenmedien setzte. Weit mehr als 1000 Professoren84 schlossen sich den in einem „Marburger Manifest“ formulierten Thesen an. Hennis gehörte trotz seiner entschlos- senen Gegnerschaft zu Demokratisierung und Drittelparität überraschenderweise nicht dazu. Zumindest hatte er im Vergleich zu zahlreichen Freiburger Kollegen – unter ih- nen bspw. Friedrich von Hayek, Karl Büchner, Hugo Friedrich oder Hans Mohr – nicht unterzeichnet. Begonnen hatte alles mit einem Zeitungsartikel des angesehenen Marburger Kirchen- historikers Ernst Benz, der am 26. Februar 1968 – also nur einige Wochen nach dem viel beachtetem FAZ-Beitrag des Freiburger Politologen – in der „Welt“ erschienen war. Benz zeigte sich tief besorgt und wollte nicht mehr länger schweigen. Der Theologe hielt es für seine Pflicht, eine vermeintlich ahnungslose Öffentlichkeit über die Probleme der deutschen Universitäten aufzuklären. Es war in erster Linie die seit einiger Zeit im Gang befindliche „Demokratisierung“ der Hochschule, die aus Sicht von Benz nicht nur zu einem „Niedergang“ des „hohen Standards der Wissenschaft“ in Deutschland führen, sondern auch eine regelrechte „Vernichtung der Freiheit von Forschung und Lehre“ nach sich ziehen musste. Im Mittelpunkt seiner Kritik stand ähnlich wie bei Hennis die Idee der Drittelparität, oder allgemeiner: die Einführung eines aus dem Bereich der „Partei- politik“ bekannten „Proporzsystems“.85 Angeregt durch Benz und seinen Beitrag in der Welt entstand im Kreis einer „Ar- beitsgemeinschaft zum Schutz der Freiheit von Lehre und Forschung“ an der Universität Marburg wenig später, im April 1968, das besagte „Manifest“, das zunächst nur 35 Profes- soren der Universität unterzeichneten. Eine umfassendere öffentliche Wirkung entfaltete die Erklärung erst, als der Text Anfang Juli 1968 als ganzseitige Anzeige in der „Welt“ und der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ mit zahlreichen Unterschriften von Hoch- schullehrern aus der gesamten Bundesrepublik abgedruckt wurde – zum ansehnlichen

83Hennis 30.1.1968 – Die Stunde der Studenten. 84In den Quellen werden unterschiedliche Angaben genannt. Die Zahlen schwanken zwischen 1200 und 1500 Professoren. 85Ernst Benz (1968): „Ich kann nicht länger schweigen...“. Was heißt „Demokratisierung“? Und was bedeutet sie? In: Die Welt, 26.02.1968.

221 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975)

„Stückpreis von 14560 Mark“, wie der „Spiegel“ betonte.86 Ganz im Sinne von Benz’ Artikel wandte sich der Text des öffentlichkeitswirksam präsentierten „Manifests“ vor allen Dingen gegen den Import des „Proporzsystems“, das angeblich die Freiheit von Forschung und Lehre zerstörte, die Universität in ein „Kon- glomerat von Interessenverbänden“ zerfallen ließ, Studierenden Mitspracherechte ohne entsprechende Sachkompetenzen ermöglichte, und das nach Meinung der Autoren zu- dem in keinem anderen „Kulturstaat“ der Erde verwirklicht war. Wenn Studenten allen Ernstes eine „Drittelbeteiligung“ in der akademischen Selbstverwaltung verlangten, dann widerspreche das dem Grundsatz, dass „parlamentarische Verfahrensweisen in einer frei- heitlichen demokratischen Staatsordnung“ sich v.a. auf die Gesetzgebung und nicht auf „sämtliche Lebensbereiche“ bezogen. Das „Manifest“ begrüßte eine Reform, die allen Mit- gliedern der Universität eine ihrer wissenschaftlichen Qualifikation und ihrer Erfahrung entsprechend „abgestufte Mitwirkung“ an den Angelegenheiten der Hochschule sicher- te. Proporzsystem – insbesondere die geläufigste Forderung nach Drittelparität – und studentische Mitspracherechte in Forschung und Lehre lehnte man jedoch „mit Entschie- denheit“ ab.

Mit dem „Marburger Manifest“ hatte sich eine starke „akademische Front“ gegen De- mokratisierung der Hochschulen formiert, wie der „Spiegel“ in der Ausgabe vom 22. Juli 1968 feststellte. Es waren allerdings nicht nur einzelne Professoren, die jetzt als Kritiker eines erweiterten studentischen Mitbestimmungsrechts im allgemeinen und einer drittel- paritätischen Lösung im besonderen hervortraten. Zur gleichen Zeit äußerte sich auch ein „organisierter“ oder „offizieller“ Widerstand gegen die studentischen Demokratisierungs- forderungen, beispielsweise in der Kultusministerkonferenz, dem Hochschulverband oder der Rektorenkonferenz.87 Bereits im Januar 1968 hatte die WRK mit einer Resolution zur Hochschulreform – der sogenannten „Godesberger Erklärung“ – auf sich aufmerksam gemacht. Die kurze Denkschrift, die auf Initiative der Rektoren aus Göttingen und Freiburg – Walther Killy und Helmut Baitsch – entstanden war, wurde von der WRK im Lauf des Jahres in ihren „Dokumenten zur Hochschulreform“ publiziert88, erzielte aber auch ein erhebliches Echo in den Massenmedien. So druckte die „Zeit“ den Text der „Godesberger Erklärung“ in ihrer Ausgabe vom 12. Januar 1968 zusammen mit einem begleitenden Kommentar von Walther Killy im Wortlaut ab und machte die Ideen der Rektoren auf diesem Weg auch einem größeren Publikum jenseits hochschulpolitischer Expertenzirkel zugänglich. Dass sich gerade Killy aktiv für die publizistische Wirkung der Demokratisierungs-

86Hohe Blüte. Marburger Manifest (1968). In: Der Spiegel, 22.07.1968; 1500 Professoren warnen vor Mitbestimmung der Studenten (1968). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.06.1968. 87Vgl. Turner 2001 – Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, S. 78-80. 88Godesberger Rektoren-Erklärung zur Hochschulreform vom 6. Januar 1968 (1968). In: Westdeut- sche Rektorenkonferenz, Dokumente zur Hochschulreform (2), S. 5-11. Offiziell wurde die Erklärung erst von der Plenarversammlung der Rektorenkonferenz am 21. Februar zum Beschluss der WRK erhoben. Die Denkschrift war aber bereits im Januar von 38 – und damit fast allen – Rektoren der wissenschaftlichen Hochschulen unterzeichnet worden und firmierte in der Öffentlichkeit zudem meist als Stellungnahme der WRK.

222 4.2 Hochschuldemokratisierung und Öffentlichkeit 1968 kritik einsetzte, war durchaus keine Überraschung. Der Germanist hatte sich während der 1960er Jahre nicht nur regelmäßig in der Presse mit Artikeln über Hochschulfra- gen zu Wort gemeldet, sondern erst wenige Wochen zuvor auch die „Unsichtbarkeit“ der Rektorenkonferenz in der öffentlichen Reformdebatte beklagt. Fragen wie v.a. die De- mokratisierung der Universitäten standen nun schon seit geraumer Zeit auf der Agenda – „alle reden von Demokratie“ – und trotzdem schien weit und breit keine „gemeinsa- me Antwort“ der Hochschulen in Sicht. Die WRK, so Killys vernichtende Kritik, schlug sich weitgehend mit nebensächlichen Problemen herum, besaß keine Reformkommission, verfügte über keinerlei „meinungsbildende Verfahren“ und konnte die Meinung der Hoch- schulen in einem „öffentlichen Zeitalter“ u.a. deshalb nicht angemessen „artikulieren“.89 Die „Godesberger Erklärung“ sollte hier Abhilfe zu schaffen. Mit ihrer „Deklarati- on“, betonte Killy in seinem einführenden „Zeit“-Beitrag vom 12. Januar 1968, hatten die Rektoren „Prinzipien“ für eine „funktionierende Massenhochschule des zwanzigsten Jahrhunderts“ zu entwickeln und zu popularisieren versucht. Demokratisierung und Mit- bestimmung gehörten zwar zu den zentralen Aspekten einer solchen „modernen“ Univer- sität. Aus seiner Abneigung gegen das Konzept der Drittelparität machte der Göttinger Germanist aber keinen Hehl. Die Resolution der Rektorenkonferenz, so Killy, enthielt niemandem die „tätige Teilnahme am Ganzen der Universität“ vor. Allerdings unterschei- de sie den „Grad dieser Teilhabe“ und hüte sich vor einem „grotesken Demokratiebegriff“, der die „große Zahl“ mit „sachlicher Kompetenz“ verwechselte. Eine mögliche Einführung der Drittelparität barg für Killy nicht nur die Gefahr, dass sich die Hochschule in eine „Räterepublik“ verwandelte. Eine paritätische Besetzung würde die akademischen Gre- mien nach seiner Auffassung darüber hinaus funktionsunfähig machen, sie entweder zu „lahmen Regensburger Reichstagen“ oder zu „plebiszitären Märkten“ transformieren.90 Von solchen Bedenken geleitet hatte die Rektorenkonferenz auf Initiative von Baitsch und Killy ein Gegenmodell zur Drittelparität entwickelt, das auf „qualitativer Reprä- sentation“ und „funktionsgerechter Mitbestimmung“ beruhte. Mitspracherechte für die Mitglieder der unterschiedlichen Gruppen sollten danach bemessen werden, inwieweit sie von Entscheidungen betroffen waren, den nötigen „Sachverstand“ besaßen und wie lan- ge sie an die Universität „gebunden“ waren. Vor „Majorisierung“ sollten Gruppen nicht durch „quantitativen Proporz“ – etwa nach einem drittelparitätischen Schlüssel –, son- dern durch „qualitative Regelungen“ wie Einspruchsrechte, Schlichtungskommissionen oder Appellationsgremien geschützt werden.91

89Killy 8.12.1967 – Keiner hört auf den anderen. 90Ders. (1968): Hochschulen für unser Jahrhundert. Die Resolution der deutschen Rektoren. In: Die Zeit, 12.01.1968. Ähnlich bereits Ders. 8.12.1967 – Keiner hört auf den anderen. 91Godesberger Rektoren-Erklärung zur Hochschulreform 1968. Im Mai 1968, während der Tagung der WRK in Saarbrücken, wurden die Kriterien für „qualitative Repräsentation“ weiter ausgearbeitet, siehe: Kriterien der Qualitativen Repräsentation der Mitglieder der Universität in den Organen der akademischen Selbstverwaltung. Entschließung der 62. Westdeutschen Rektorenkonferenz in Saar- brücken, 22. Mai 1968 (1968). In: Westdeutsche Rektorenkonferenz, Dokumente zur Hochschulreform (2), S. 25-29.

223 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975)

Journalistische Reaktionen Die skeptische und teils offen feindselige Haltung, die dem Modell der Drittelparität und den Forderungen nach erweiterten Mitspracherechten für Studenten überhaupt bei der Professorenschaft entgegenschlug, war in journalistischen Einschätzungen ebenfalls häufig zu finden. Eine „Bastion“ der Kritik bildeten v.a. politisch konservative Blätter wie die Publi- kationen des Springer-Verlags oder die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Dass die Mar- burger Demokratisierungsgegner ihr „Manifest“ gerade in der „Welt“ und der FAZ als großformatige Anzeige platzieren konnten, war mit Sicherheit kein Zufall. Hier erschie- nen nicht nur zahlreiche Gastbeiträge, sondern immer wieder auch Kommentare aus den Reihen der Redaktion, die sich explizit gegen eine Umsetzung des „modischen“ Mitbe- stimmungskonzepts der Studierenden aussprachen. Friedrich Karl Fromme von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ – zu diesem Zeit- punkt noch in der Politikredaktion tätig, wenig später Korrespondent in Bonn – hatte Drittelparität bereits gegen Ende des Jahres 1967 als wichtigste Forderung der rebellie- renden Studenten identifiziert. Gleichgewichtige Besetzung der akademischen Gremien, so seine Einschätzung, forderten jetzt nahezu alle Studentenvertretungen „von Kiel bis Konstanz“. Fromme selbst konnte dem studentischen Konzept nur wenig abgewinnen, wie er in einem Leitartikel über das „heiß begehrte Drittel“ vom 30. November 1967 bekannte. Der politische Journalist betonte zunächst das fehlende „Selbstbewusstsein“ des sogenannten Mittelbaus, der seiner Meinung nach noch keine eigene Identität aus- gebildet hatte. Unter diesen Umständen besaß eine „Drittel-Vertretung“ des Mittelbaus, wie er meinte, „kein Fundament“. Fromme äußerte zudem die Befürchtung, dass sich die „Radikalen“ mithilfe der Drittelparität in die zentralen Gremien der Universitäten „hin- eindrängen“ könnten. Allein aus diesem Grund zweifelte er auch daran, dass Professoren bereit waren, den Studenten das „Drittel der Sitze“ so einfach zuzugestehen.92 Als besonders scharfzüngiger Kritiker von Mitbestimmung und Drittelparität als Mit- tel zur Hochschuldemokratisierung profilierte sich bald Frommes Redaktionskollege Gün- ter Gillessen. In einem Beitrag vom 14. April 1969 erklärte Gillessen die Forderung nach studentischer Mitsprache in der akademischen Selbstverwaltung für „nichts als Humbug“. Studierende mussten mit Entscheidungen leben, die andere für sie getroffen hatten. Das, so Gillessen, traf aber auch und in noch viel größerem Ausmaß für Patienten in ei- nem Krankenhaus oder Flugzeugpassagiere zu. Trotzdem forderte niemand ernsthaft eine „Demokratisierung der Diagnose oder der Navigation“. Nach Meinung von Gillessen konnte es „überhaupt keine studentische Mitbestimmung“ geben, auch und gerade keine drittelparitätische, wie so häufig von Studierenden gefordert. An der Hochschule, beton- te er ganz ähnlich wie sein Kollege Fromme, existierten nämlich überhaupt nicht drei, sondern lediglich zwei „natürliche Gruppen“: Lehrende und Lernende. Letztere sollten in Gillessens Perspektive nicht durch „Mitentscheidung“, sondern lediglich durch „lau- fende Empfehlung, Anregung und Information“ an der akademischen Selbstverwaltung beteiligt werden. Er begründete seine Position mit bekannten Argumenten: Anders als Professoren waren Studenten nicht dauerhaft an die Universität gebunden und mussten

92Friedrich Karl Fromme (1967): Das heiß begehrte Drittel. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.11.1967.

224 4.2 Hochschuldemokratisierung und Öffentlichkeit 1968 deshalb nicht langfristig mit Beschlüssen der akademischen Gremien leben. Studierende besaßen zudem weder den nötigen Sachverstand in Forschung und Lehre, noch waren sie für die Umsetzung von Entscheidungen in diesem Bereich „verantwortlich“.93 Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zeigte sich auch die „Welt“ überwiegend skeptisch gegenüber einer Universitätsreform, die auf verstärkte studentische Mitspra- che und drittelparitätische Besetzung akademischer Gremien hinauslief. Kommentare zu Hochschulfragen stammten dabei meist aus der Feder des Publizisten und Historikers Walter Görlitz, der seit Mitte der 1950er Jahre das kulturpolitische Ressort der Welt leitete. Görlitz lehnte studentische Mitbestimmung nicht grundsätzlich ab, wie er zum Bei- spiel in einem Artikel vom 30. November 1967 betonte. Studierende, hieß es dort, konnten sogar zum „Motor des Fortschritts“ werden, wenn man sie an Personalentscheidungen beteiligte, indem sie etwa die Berufung Nichthabilitierter forderten oder auf „angemes- sene Fristen im Verfahren“ drängten. Ein fundiertes Urteil über die wissenschaftliche Qualifikation von Hochschullehrern traute Görlitz den Studenten aber nicht zu. Auch für ihn lagen hier die quasi „natürlichen“ Grenzen des Mitspracherechts.94 Wie so viele Beobachter zog Görlitz dem Prinzip der Drittelparität darüber hinaus ein abgestuftes Modell vor, das „Funktion und Aufgabenstellung“ der jeweiligen Gruppe gerecht werden konnte. Das studentische Konzept der gleichgewichtigen Beteiligung hielt er nicht nur für zu „schematisch“. Görlitz sah darin außerdem eine Vorstufe für ein „Räte-System“, das „jungakademische Verfechter“ der Drittelparität seiner Meinung nach anstrebten.95 Dem Bemühen um eine Demokratisierung der Hochschulen schlug aus der konservati- ven Presse also insgesamt große Skepsis, in manchen Fällen sogar regelrechte Feindselig- keit entgegen. Insbesondere das studentische Konzept der Drittelparität fand praktisch überhaupt keine Unterstützung. Liberale Blätter waren in diesem Zusammenhang of- fener. So deuteten die „Spiegel“-Redakteure Werner Harenberg und Wolfgang Becker im Interview mit Walter Rüegg durch ihre Gesprächsführung wenigstens Sympathie für das drittelparitätische Modell an: Gleichberechtigte Mitbestimmung, entgegneten sie Rüegg, musste keineswegs den „Untergang der Universität“ bedeuten. So mancher Stu- dent verstand heute mehr von „Hochschulorganisation und Hochschulreform“ als viele Professoren. Und der von Kritikern oft so abschätzig bezeichnete „Proporz“ gehörte doch eigentlich zum „Wesen der Demokratie“.96 Doch von entschlossener Rückendeckung für die studentischen Forderungen konnte auch hier nicht die Rede sein. Die Haltung der liberalen Presse gegenüber Drittelparität blieb alles in allem reserviert. Ein Beispiel dafür war der „Zeit“-Autor Rudolf Walter Leonhardt, der in der Debatte um Hochschulreform während der 1960er Jahre stets für tiefgreifende Veränderungen im Hochschulwesen und nicht zuletzt für Demokratisierung der Universitäten eingetreten war. Der Idee der Drittelparität begegnete er jedoch mit

93Gillessen 14.4.1969 – Die Universität als Tollhaus. 94Walter Görlitz (1967): Mitspracherechte oder Studenten-Räte? In: Die Welt, 30.11.1967. Ähnlich Ders. (1968): Rektoren in der Defensive. In: Die Welt, 23.02.1968. 95Ders. (1968): Anlauf zur Hochschulreform. In: Die Welt, 16.04.1968. Vgl. auch die Glosse: Ders. (1968): Viertelparität. In: Die Welt, 25.09.1968. 96War Max Planck ein Fachidiot 12.2.1968, S. 6.

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Distanz. Nach Ansicht von Leonhardt eignete sich das Modell nicht als Gesetzesgrundla- ge, weil die immer wieder genannten Gruppen – Studenten, Mittelbau und Professoren – in Wirklichkeit so gar nicht existierten. Die Trennlinien, betonte der Journalist, konnten auch viel differenzierter und kleinräumiger gezogen werden. Dass in der Zwischenzeit jedes Bundesland und beinahe jede Universität mehr oder weniger „nach eigenem Gut- dünken vor sich hindrittelte“, hielt Leonhardt deshalb für vollkommen „widersinnig“.97

Drittelparität in der Praxis: Hochschulgesetzgebung, Rechtsprechung, Umsetzung an der Universität Freiburg Wie Rudolf Walter Leonhardt in der „Zeit“ angedeutet hatte, fanden sich in den Jah- ren um 1970 tatsächlich Ansätze zur Umsetzung des drittelparitätischen Modells. Das traf v.a. für die Hochschulgesetzgebung in SPD-regierten Ländern – Hessen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Berlin – zu, obwohl eine gleichberechtigte Mitwirkung der drei Gruppen auch hier nirgendwo durchgängig vorgesehen war.98 Wie später in Rheinland- Pfalz oder Bayern nahmen sich die Regelungen zur Hochschuldemokratisierung in Baden- Württemberg dagegen eher konservativ aus.99 Mit dem Gesetz von 1968 war auch der Kurs für die Freiburger Hochschule vorgezeichnet. An der Albert-Ludwigs-Universität hatte sich die Studentenvertretung das Konzept der paritätischen Mitbestimmung bereits im Herbst 1967 auf die Fahnen geschrieben.100 Auch bei den Beratungen zum neuen Hochschulgesetz in Baden-Württemberg, die zu dieser Zeit im Gange waren, traten Freiburger Studierende u.a. bei Anhörungen im Stutt- garter Landtag immer wieder für mehr Partizipation und speziell für paritätische Mitbe- stimmung in der akademischen Selbstverwaltung ein.101 Die Hoffnungen wurden jedoch enttäuscht. Das schließlich im März 1968 verabschiedete Gesetz und die auf dieser Basis erarbeitete Grundordnung der Universität Freiburg sicherten letztlich die Vormacht- stellung der Professorenschaft in Senat und Fakultäten.102 Zwar sah die neue Satzung

97Rudolf Walter Leonhardt (1969): Drittelparität gibt es nicht wirklich. In: Die Zeit, 18.04.1969. 98Die Gesetzestexte sind abgedruckt in: Westdeutsche Rektorenkonferenz (Hg.) (1971): Hoch- schulgesetze der Länder der Bundesrepublik. Hochschulgesetze der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland. Bonn (Dokumente zur Hochschulreform, 15); Vgl. Turner 2001 – Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, S. 81 und speziell zu Hessen Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 320-331. 99Siehe etwa die Einschätzung von Nina Grunenberg (1972): Hochschulgesetze gibt es viele, aber... In: Die Zeit, 05.05.1972. Zur Frage der Mitbestimmung im bayerischen Hochschulgesetz: Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 337-341. 100Vgl. Ruprecht 2004 – Auf der Suche, S. 44-47. Siehe auch: Für „Demokratisierung“ der Universität. Der Allgemeine Studentenausschuss legte sein Semesterprogramm vor (1967). In: Badische Zeitung, 24.10.1967; Studenten wünschen mehr Mitbestimmung. Forderungen nach paritätischer Besetzung der Universitätsgremien (1967). In: Badische Zeitung, 28.11.1967. 101Vgl. Ruprecht 2004 – Auf der Suche, S. 47-51 sowie aus Sicht der Beteiligten Wolf-Dieter Hasencle- ver (1967): Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen! In: Freiburger Studentenzeitung 17 (6), S. 3. Die „paritätische Besetzung der Entscheidungsgremien der Universität“, betonte der Chefredakteur der FSZ, war eine „entscheidende Forderung der Studentenschaft an das neue Hochschulgesetz“. 102Der Gesetzestext ist abgedruckt in: Westdeutsche Rektorenkonferenz (Hg.) 1971 – Hochschulgesetze der Länder der Bundesrepublik. Während die Mitbestimmungsfrage in den Fakultäten bzw. Fach-

226 4.2 Hochschuldemokratisierung und Öffentlichkeit 1968

erweiterte Mitspracherechte für Studenten und Mittelbau vor. Es kam also durchaus zu einer Demokratisierung der Hochschule. Allerdings entsandten Professoren nicht nur weiterhin die meisten Vertreter in die akademischen Gremien. Insbesondere studentische Mitsprache wurde außerdem durch einen umfassenden „Negativkatalog“ eingeschränkt, der sich u.a. auf Berufungsfragen erstreckte.103 Nach 1970 kündigte sich dann eine allgemeine konservative Trendwende im Demokra- tisierungsprozess der Hochschulen an. Zwar wurde die demokratische „Gruppenuniversi- tät“ mit den Hochschulgesetzen der Länder und dem Hochschulrahmengesetz rechtlich institutionalisiert.104 Doch spätestens gegen Mitte der 1970er Jahre zeichnete sich das Scheitern des drittelparitätischen Modells sehr deutlich ab. Einen wichtigen Meilenstein dieser hochschulpolitischen Tendenzwende setzte das Bundesverfassungsgericht. Im Mai 1973 urteilten die Verfassungsrichter über ein Gesetz, das der niedersächsische Landtag zwei Jahre zuvor als „Vorstufe“ zu seinem geplanten Gesamthochschulgesetz verabschie- det hatte. Das Gericht stellte zunächst die grundsätzliche Vereinbarkeit von Verfassung und demokratischer Gruppenuniversität fest. Es machte aber auch klar, dass Professoren weiterhin eine „herausgehobene Stellung“ an der Hochschule einnehmen sowie maßgeb- lichen Einfluss auf Forschung und Lehre erhalten mussten. Dazu gehörte nach Ansicht des Gerichts eine klare Mehrheit in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung.105 In der Folgezeit schlug dieses Urteil nicht nur auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen in einzelnen Bundesländern durch, wo gerade erst etablierte Mitbestimmungsrechte – et- wa in Hessen, Berlin oder Nordrhein-Westfalen – nun schon wieder stark eingeschränkt wurden. Auch das ursprünglich als großes Reformwerk gestartete Hochschulrahmenge- setz endete nach jahrelangen zähen Verhandlungen mit einem Kompromiss, der einen großen Teil des ursprünglichen Demokratisierungspotentials auf dem Weg verloren hat- te.106 So schrieb das Gesetz zwar die Beteiligung sämtlicher „Mitgliedergruppen“ an der akademischen Selbstverwaltung, aber eben auch die absolute Stimmenmehrheit der Pro- fessorenschaft in allen Gremien mit Entscheidungsbefugnis über Forschung, Lehre und

bereichen offen gelassen wurde, schrieb das Gesetz die Dominanz der Professoren v.a. für den Senat, das zentrale Organ der Universität, faktisch vor. In der GOV wurde daraufhin zum Teil sogar gefor- dert, das gerade erst verabschiedete Gesetz wegen seiner Bestimmungen in der Mitbestimmungsfrage nicht als Grundlage für die neue Satzung zu nehmen bzw. gleich wieder zu novellieren, so etwa der Assistent Klaus Deppermann (1968): Rede an die Grundordnungsversammlung. In: Uni-Presse 1 (4), S. 2-4, hier: S. 3. Ähnlich: Siegfried de Witt (1968): Reform durch die Grundordnung? In: Freiburger Studentenzeitung 18 (5), S. 6 u. S. 11. 103Vgl. Ruprecht 2004 – Auf der Suche, S. 95. Studierenden wurde darüber hinaus kein Sitz in den soge- nannten „Institutsversammlungen“ zugestanden. Ein Grund für die eher konservative Grundordnung war sicher die Tatsache, dass Professoren die absolute Mehrheit in der GOV bildeten. 104Vgl. etwa Turner 2001 – Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, S. 81 f. sowie Wehrs 2014 – Aufstieg und Niedergang, S. 201. Dass die Umsetzung der „Gruppenuniversität“ an den Hochschulen selbst zum Teil unterlaufen wurde und keinesfalls geradlinig verlief, zeigt allerdings Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 341-352. 105Wehrs 2014 – Aufstieg und Niedergang, S. 212 f..; Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 393. 106So Wehrs 2014 – Aufstieg und Niedergang, S. 213 f. Vgl. zur Entstehung des Rahmengesetzes auch Hoymann 2010 – Der Streit um die Hochschulrahmengesetzgebung sowie Bocks 2012 – Mehr Demo- kratie gewagt.

227 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975)

Berufungsfragen fest.107

4.2.2 Öffentlichkeit als demokratisches Prinzip: Auf dem Weg zu einer transparenten Universitätsverwaltung Bereits im letzten Drittel der 1950er Jahre hatte in der Bundesrepublik eine lebhafte Debatte über die Bedeutung von Öffentlichkeit in demokratischen Gesellschaften ein- gesetzt. Intellektuelle wie Ralf Dahrendorf, Jürgen Habermas oder auch der Freiburger Wilhelm Hennis setzten sich eindringlich für eine Überwindung kulturpessimistischer Vorstellungen ein, die in Deutschland lange die Diskussion dominiert hatten. Öffentlich- keit sollte nicht mehr als Bedrohung für die Integrität der „Persönlichkeit“ durch die „Masse“ oder den „Massengeschmack“, sondern endlich als zentrales Prinzip der Demo- kratie, als „Forum der politischen Kommunikation und Kontrollinstanz der Regierung“ anerkannt werden.108 Die Bedeutung von Öffentlichkeit für Demokratie bzw. Demokratisierung der Hoch- schulen wurde in diesem Kontext zunächst nur vereinzelt thematisiert. Als in studenti- schen Kreisen seit ungefähr 1960 verstärkt Bemühungen um erweiterte Mitspracherechte an den Hochschulen einsetzten, spielte die Forderung nach Öffentlichkeit der akademi- schen Selbstverwaltung zwar durchaus eine Rolle, blieb allerdings eher im Hintergrund. Erst im Kontext der Studentenproteste am Ende der 1960er Jahre und v.a. durch die Initiative von Studierenden rückte das Thema – neben den meist unter dem Stichwort „Drittelparität“ laufenden Forderungen nach erweiterten Mitspracherechten – jetzt mehr und mehr in den Fokus der Demokratisierungsdebatte.109

Öffentlichkeit der akademischen Selbstverwaltung: Eckpunkte der Diskussion Öffentlichkeit und Transparenz galten auf der einen Seite als Voraussetzung für politische Meinungs- und Willensbildungsprozesse an der Universität. Darüber hinaus, und das war letztlich der entscheidende Punkt, sollte auf diesem Weg eine demokratische Kontrolle der akademischen Selbstverwaltung – Rektor, Senat, Fakultäten usw. – ermöglicht wer- den. Konkret ließ sich das umsetzen, indem man „Beobachter“ bei Gremiensitzungen zuließ, Verschwiegenheitsklauseln lockerte und die Mitglieder der Hochschule insgesamt besser über Beratungen und Entscheidungen informierte. Radikalere Vorschläge traten dafür ein, die Arbeit der akademischen Gremien allgemein zugänglich zu machen und Sitzungen direkt unter den Augen der Universitätsöffentlichkeit auszutragen. In der Professorenschaft wurden solche Ideen mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Das kam beispielsweise in einer „Empfehlung“ zum Ausdruck, mit der sich die offizi-

107Hochschulrahmengesetz HRG 29.1.1976, S. 196. Die entscheidenden Abschnitte befinden sich in §37 und §38. 108Vgl. Christina von Hodenberg (2006): Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945-1973. Göttingen (Moderne Zeit, 12), S. 43. 109So setzte sich jetzt beispielsweise der studentische Dachverband erstmals im größeren Maßstab für die „Herstellung von Öffentlichkeit“ an den Hochschulen ein und machte dies zu einer seiner zentralen Reformforderungen, siehe Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 169.

228 4.2 Hochschuldemokratisierung und Öffentlichkeit 1968

elle Vertretung der westdeutschen Universitäten – die Rektorenkonferenz – im März 1969 in die Diskussion einschaltete. Zwar befürworteten die Rektoren ausdrücklich ei- ne „Offenlegung der Akte der akademischen Selbstverwaltung“ durch „Mitwirkung aller in der Hochschule vertretenen Gruppen“ sowie Information über „Tagesordnungen und Beschlüsse“ der Selbstverwaltungsorgane. Öffentlichkeit wollte man allerdings nur dort zulassen – in den „großen Senaten“, den Konzilen oder Konventen – wo „vorberatene legislative Entscheidungen“ fielen und über „politisches Handeln Rechenschaft abgelegt“ werden musste. Beratungen von Arbeitsgremien wie Senat oder Fakultäten sollten dage- gen nicht allgemein zugänglich sein. Hier kam es demnach auf offene und „sachorientierte“ Diskussion an, die unter den Bedingungen der Öffentlichkeit angeblich nicht garantiert werden konnte. Die Anwesenheit eines Publikums, so die WRK, beeinflusste massiv den „Verhandlungsstil“. Nicht-öffentlich zu beraten – wie in der „deutschen Parlaments-, Regierungs- und Verwaltungspraxis“ üblich – hielt die Rektorenkonferenz deshalb für ein „elementares Gebot der repräsentativen Demokratie“, das auch auf den Bereich der Universitäten übertragen werden musste.110 Wenn sich einzelne Hochschullehrer zu diesem Problem öffentlich äußerten, verwen- deten sie in der Regel ähnliche Argumente. So sprach sich der bekannte Literatur- und Sprachwissenschaftler Harald Weinrich in der Neuen Rundschau beispielsweise gegen ei- ne Einführung des „tribünalen Prinzips“ aus. „Politische Gruppen“ an der Universität, behauptete der Philologe, machten öffentliche Gremiensitzungen zu einem regelrechten „Tribunal“ gegen Professoren. Um ein „räsonierendes“ Publikum im Sinn der Aufklä- rung, das zur Entscheidungsfindung beitragen wollte und konnte, handelte es sich hier in seinen Augen nicht. Beratungen der Selbstverwaltungsorgane, so Weinrich, durften deshalb zumindest nicht unterschiedslos öffentlich gemacht werden.111 Kurt Sontheimer, Politikwissenschaftler und Demokratieforscher, machte sich in ei- nem großen „Zeit“-Artikel über „akademische Demokratisierung“ vom 15. März 1968 zwar grundsätzlich für die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips an den Universitäten stark. Seiner Ansicht nach war eine Hochschule nämlich nur dann demokratisch, wenn Entscheidungsgremien ihre Beschlüsse öffentlich zugänglich machten und so allen Betrof- fenen gegenüber Rechenschaft ablegten. Wie sein Kollege Weinrich hielt es Sontheimer jedoch für verfehlt, dass Beratungen von Senat oder Fakultäten – wie es studentische Forderungen nahe legten – grundsätzlich für die Allgemeinheit zugänglich sein sollten. Studierende hatten seiner Ansicht nach durchaus ein „wichtiges Prinzip der Demokra- tie“ identifiziert, „strapazierten“ es durch übermäßigen Eifer aber regelrecht „zu Tode“. Selbst in einer demokratischen Staatsordnung, belehrte Sontheimer die studentischen Reformer, mussten manche Gremien wie ein Regierungskabinett oder ein Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen, damit es seine Aufgabe erfüllen konnte.112

Obwohl es wie in Sontheimers Beitrag in der „Zeit“ durchaus zur Sprache gebracht wurde,

110Zur Frage der Öffentlichkeit und zum Prinzip der Offenheit aller Akte der akademischen Selbstverwal- tung. Empfehlung der 71. Westdeutschen Rektorenkonferenz, Bad Godesberg, 18. März 1969 (1969). In: Westdeutsche Rektorenkonferenz, Dokumente zur Hochschulreform (9), S. 69-70. 111Harald Weinrich (1969): Universität und Öffentlichkeit. In: Neue Rundschau 80, S. 195-199. 112Sontheimer 15.3.1968 – Akademische Demokratisierung.

229 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) bildete die Transparenz der Universitätsverwaltung im Vergleich zu der ausufernden De- batte über „Drittelparität“ kein großes Medienthema. An den Hochschulen selbst gehörte Öffentlichkeit der akademischen Gremien im letzten Drittel der 1960er Jahre hingegen zu den am häufigsten diskutierten Streitfragen. Das möchte ich am Beispiel der Universität Freiburg näher ausführen und werde mich dabei v.a. drei „Schauplätzen“ widmen: Der Grundordnungsversammlung und der neuen Universitätssatzung, die dort zwischen Juli 1968 und März 1969 erarbeitet wurde. Dem Protest gegen geheime Senatssitzungen, die im Wintersemester 1968/69 einsetzten. Und der Rektorwahl im Dezember 1968, wo die Öffentlichkeit der akademischen Selbstverwaltung ebenfalls eine wichtige Rolle spielte.

Öffentlichkeit und Demokratie an der Universität Freiburg Rektorwahl und Senatssitzungen Am 9. Dezember 1968 sollte an der Universität Freiburg ein neuer Rektor gewählt werden. Weil der Wahlakt noch nach den Vorschriften der alten Grundordnung erfolgte, war eine Beteiligung von Studierenden und Mitgliedern des Mittelbaus nicht vorgesehen. Verschiedene studentische Gruppen – darunter der Freiburger SDS und die Fachschaft Germanistik – legten Protest ein. Sie kritisierten nicht nur mangelnde Partizipationschancen, sondern auch die Tatsache, dass Studierende nicht einmal als Beobachter zugelassen waren und die Abstimmung demzufolge im Geheimen vollzogen wurde. Der Konflikt, der sich nun vor diesem Hintergrund entwickelte, kreiste zu großen Tei- len um fehlende Öffentlichkeit und Transparenz in der akademischen Selbstverwaltung. Empörte Studenten riefen umgehend zur „Offenlegung“ des „mystischen Aktes“ der Rek- torwahl auf. Am Tag der Abstimmung versammelten sich zahlreiche Kommilitonen im alten Kollegiengebäude, wo die Wahlprozedur stattfinden sollte. Eine Gruppe von SDS- Mitgliedern versuchte in den Versammlungsraum einzudringen und die Öffentlichkeit der Veranstaltung zu erzwingen. Daraufhin wurde die Sitzung vertagt und fand wenige Tage später, am 19. Dezember, im physiologischen Institut der Universität unter Polizeischutz statt. Bei dieser Gelegenheit erstattete der kurz darauf wiedergewählte Rektor Bruno Boesch seinen Kollegen einen umfassenden Bericht über die „gegenwärtige Hochschulsi- tuation“, in dem er auch auf das Problem der Öffentlichkeit zu sprechen kam.113 Boesch prophezeite den anwesenden Hochschullehrern, dass sie den „Ruf nach Öf- fentlichkeit“ während der nächsten Wochen noch sehr häufig vernehmen würden. Nach seiner Auffassung bedrohten die studentischen Forderungen aber nicht nur die „Funk- tionsfähigkeit der Universität und ihrer Selbstverwaltung“, sondern standen zudem für ein verzerrtes Bild von der Demokratie. Die Studierenden, so Boesch, wollten offenbar „plebiszitäre Bedingungen“ herbeiführen, um auf diesem Weg die „institutionellen Zu- ständigkeiten innerhalb der Universitäten zu beseitigen“.114

113Zu den Geschehnissen um die Rektorwahl Boesch 1970 – Jahresbericht über die Rektoratszeit 1968- 1970, S. 15-28. Aus studentischer Perspektive: Klaus Theweleit (1968): Aktionen in Freiburg. In: Freiburger Studentenzeitung 18 (8), S. 3-6, hier: S. 6. Vgl. insgesamt Ruprecht 2004 – Auf der Suche, S. 78-89. 114Boesch 1970 – Jahresbericht über die Rektoratszeit 1968-1970, S. 18 f.

230 4.2 Hochschuldemokratisierung und Öffentlichkeit 1968

Zitate aus diesen Ausführungen des Rektors fanden sich wenig später, im Januar 1969, auf einem studentischen Flugblatt wieder, das erneut die Geheimhaltung in der akade- mischen Selbstverwaltung attackierte, sich nun aber auf ein anderes Ziel richtete: den Senat. In dem zentralen Gremium der Universität, so die Autoren des Flugblatts, besaßen Studierende kein Stimmrecht und waren darüber hinaus nicht einmal als „Zaungäste“ auf der Tribüne zugelassen. Die von Boesch in seiner Rede erneut verteidigte Geheimhaltung der akademischen Gremien hielt in ihren Augen lediglich die „bestehenden Universitäts- verhältnisse“ aufrecht, nämlich die „professorale Alleinherrschaft über die Gesamtuniver- sität“. Um die Verhältnisse zu ändern, blieb nach Ansicht der Verfasser – unterzeichnet hatten u.a. der SDS, der SHB und die sogenannten „Basisgruppen“ – nur noch ein Mittel: Der Senat musste „gesprengt“ werden.115 Tatsächlich waren das Zentralorgan der Uni- versität und seine geheimen Beratungen bereits seit Mitte November 1968 mehrfach Ziel studentischer Proteste geworden. Studierende versuchten immer wieder Senatssitzungen zu verhindern oder – wie in dem Flugblatt gefordert – zu „sprengen“. Die Senatoren kon- terten diese Taktik, indem sie nicht nur Polizeischutz anforderten, sondern sich zudem – wenn auch in der Regel erfolglos – um eine Geheimhaltung der Tagungsorte bemühten.116 Trotz aller Protestaktionen wehrten Rektor und Senat Forderungen nach öffentlichen Beratungen standhaft ab. Man konnte auf die noch geltende Satzung verweisen, die einen solchen Schritt nicht zuließ. Doch selbst die neue Verfassung der Universität Freiburg, an der die Grundordnungsversammlung seit Juli 1968 arbeitete, ging auf die studentischen Forderungen lediglich teilweise ein. Zwar bildete die Öffentlichkeit der akademischen Selbstverwaltung und nicht zuletzt der GOV selbst ein ständiges Diskussionsthema im Umfeld der verfassungsgebenden Versammlung. Letzten Endes wurde die Universität Freiburg durch die neue Grundordnung aber nur geringfügig offener und transparenter.

Grundordnungsversammlung und neue Universitätssatzung Am 15. Juli 1968, die Semesterferien hatten gerade begonnen, fand im neuen Kollegiengebäude der Albert- Ludwigs-Universität um 9 Uhr morgens die konstituierende Sitzung der Grundordnungs- versammlung statt. Gleich der erste Tagesordnungspunkt berührte eine Frage, die den Prozess der Verfassungsgebung vom ersten Sitzungstag im Juli 1968 bis zur Verabschie- dung der neuen Universitätssatzung im März 1969 begleitete: Sollten die Beratungen der Versammlung öffentlich geführt werden oder nicht?117 Bereits im Juni 1968 war der Jurist Konrad Hesse diesem Problem in einem Vortrag vor der „allgemeinen Dozentenversammlung“ der Freiburger Universität nachgegangen. Über die Öffentlichkeit der Beratungen, so sein Fazit, durfte nur die „grundordnungsge- bende Versammlung selbst“ entscheiden.118 Rektor Bruno Boesch schloss sich der Auf- fassung seines Kollegen aus der juristischen Fakultät an. Zu Beginn der ersten Sitzung am 15. Juli rief er die Abgeordneten dazu auf, über die Öffentlichkeit der GOV abzustim-

115Faksimile abgedruckt in ebd., S. 14. 116Vgl. für das Folgende ebd., S. 13-15 sowie Ruprecht 2004 – Auf der Suche, S. 78-89. 117Vgl. für das Folgende Ruprecht 2004 – Auf der Suche, S. 66-78 und S. 93-97. 118Konrad Hesse (1968): Öffentliche Grundordnungsversammlung oder geheime Ausschußberatung? In: Uni-Presse 1 (1), S. 2-3.

231 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) men – und zwar geheim. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich schon zahlreiche interessierte Gäste – insbesondere Studierende – im Sitzungssaal eingefunden, die Boesch nun da- zu aufforderte, den Raum zu verlassen. Die angesprochenen Studenten weigerten sich. Stattdessen quittierten sie die Worte des Rektors mit „Hohngelächter“, wie die Freibur- ger Studentenzeitung berichtete. In ihren Augen war Öffentlichkeit nichts, worüber eine Abstimmung zu entscheiden hatte, nichts was man anderen „zugestehen“ könnte. Viel- mehr handelte es sich um eine „Grundvoraussetzung zur Durchschaubarmachung von Entscheidungs- und Herrschaftsmechanismen“ und um eine „wesentliche Bedingung de- mokratischen Handelns überhaupt“. Ihre Teilhabe an der verfassungsgebenden Versamm- lung der Universität machten die Freiburger Studenten deshalb von der Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips abhängig.119 Weil das studentische Publikum den Saal trotz seiner Anweisung und trotz Androhung von Disziplinarmaßnahmen nicht verließ, entschloss sich Boesch auf Vorschlag des Ver- waltungsrechtlers Martin Bullinger die Sitzung im juristischen Seminar fortzusetzen, das sich ebenfalls im neuen Kollegiengebäude befand. Nicht-Mitglieder wurden von den Be- ratungen ausgesperrt. Von einer Ausnahme abgesehen weigerten sich die studentischen Vertreter in der Grundordnungsversammlung daraufhin an der geheimen Abstimmung teilzunehmen. Zwar sprach sich die Mehrheit der „Rest-GOV“ für die Öffentlichkeit der Sitzungen aus. Allerdings besaß die Regelung einen entscheidenden Haken, so sah es zumindest der Verfasser des oben zitierten FSZ-Berichts: Die Öffentlichkeit der Grund- ordnungsversammlung sollte nämlich „völlig passiv“ bleiben. Ein Antrag der Studen- tenvertreter auf „aktive Öffentlichkeit“ mit „Rede- und Antragsrecht für das Publikum“ wurde von einer großen Mehrheit der Professoren und Assistenten abgelehnt. Missfallens- oder Beifallskundgebungen, Zwischenrufe oder Fragen waren untersagt und konnten zum „Ausschluss der Öffentlichkeit“ führen.120 Als die Verabschiedung der neuen Grundordnung im Frühjahr 1969 näher rückte, wur- de genau dieses Szenario Wirklichkeit. Was war geschehen? Schon während der ersten Lesung des Satzungsentwurfs zwischen Oktober und Dezember 1968 war es immer wie- der zu Störaktionen durch das „studentische Publikum“ gekommen, von Zwischenrufen und „Lärmentwicklung“ bis hin zur Sprengung der Versammlung.121 Als auch die für den 15. März 1969 anberaumte Sitzung von Studierenden „gesprengt“ wurde, beschlossen die verbleibenden Mitglieder der Grundordnungsversammlung – die Studierendenvertreter hatten bereits im Dezember 1968 ihren Rückzug erklärt – den Ausschluss der Öffentlich- keit. So musste die neue Verfassung der Albert-Ludwigs-Universität zwei Tage später in geheimer Abstimmung und unter Polizeischutz verabschiedet werden.

119Die Grund(un)ordnung (1968). In: Freiburger Studentenzeitung 18 (7), S. 3-7, hier: S. 3. Vgl. auch Witt 1968 – Reform durch die Grundordnung, S. 11. Aus Sicht des Rektors: Boesch 1970 – Jahres- bericht über die Rektoratszeit 1968-1970, S. 6. 120Die Grundunordnung 1968, S. 5 und S. 7. 121Siehe Kapitel 4.1.2 dieser Arbeit. Professoren und Mitglieder des Mittelbaus warfen studentischen Vertretern später immer wieder vor, die Öffentlichkeit der Sitzungen für „Störungen“ missbraucht zu haben. Siehe etwas das Statement der Assistenten: K. Brehm u.a. (1969): Unser Drang... In: Freiburger Studentenzeitung 19 (3), S. 6.

232 4.2 Hochschuldemokratisierung und Öffentlichkeit 1968

Die Grundordnung von 1969 begründete durchaus eine vorsichtige Öffnung der akademi- schen Selbstverwaltung. Alles in allem war man jedoch v.a. den weitgehenden Forderun- gen von Studierenden nach einer transparenteren Universität nicht nachgekommen.122 Mit dem sogenannten „großen Senat“ wurde ein neues Gremium geschaffen, das min- destens einmal im Jahr einberufen werden sollte und dessen Beratungen für die Uni- versitätsöffentlichkeit zugänglich waren. Seine Aufgaben bestanden darin, den Rektor zu wählen und dessen jährlichen Rechenschaftsbericht entgegenzunehmen. Darüber hin- aus konnte der große Senat Änderungen der Grundordnung beschließen, allerdings nur mit Zweidrittelmehrheit. Für nicht wenige Studenten war der große Senat wiederum überhaupt kein „politisches Gremium“, Öffentlichkeit hier also mehr oder weniger unbe- deutend. Auf Fakultätsebene – die neue Satzung sah jetzt 15 Fachbereiche vor – entschied sich die Grundordnungsversammlung mit gewissen Einschränkungen ebenfalls für die Verwirklichung des Öffentlichkeitsprinzips: Die Sitzungen der Fachbereichskonferenzen sollten „fakultätsöffentlich“ sein. Dafür hatten sich auch die Ordinarienvertreter in der GOV ausdrücklich eingesetzt, weil Öffentlichkeit, so der Jurist Konrad Hesse, „das beste Mittel zum Abbau von Mißtrauen“ war, Entscheidungsprozesse „durchsichtiger“ mach- te und ein „hervorragendes Mittel der Kontrolle“ darstellte.123 Allerdings wollte man zur gleichen Zeit immer den „Beratungscharakter“ der Konferenzen garantieren, so dass die Zahl der Zuhörer die Zahl der Mitglieder „nicht wesentlich übersteigen“ durfte. Bei Störungen konnte die Öffentlichkeit – wie schon bei den Beratungen der GOV prakti- ziert – „zeitweilig aufgehoben“, die folgenden Sitzungen falls nötig als „nicht öffentliche einberufen“ werden. Am Ende wurde die Fakultätsöffentlichkeit durch eine Novelle des baden-württembergischen Hochschulgesetzes schon 1973 wieder abgeschafft, gegen den Willen nicht weniger Freiburger Professoren.124 Zentrales Beratungs- und Entscheidungsorgan der Universität blieb der Senat. Schon in den Jahren zuvor waren hier auf Initiative von Studierenden und Mittelbau Ver- schwiegenheitspflichten gelockert worden.125 Um Entscheidungen der Universitätsleitung transparenter zu machen und die Information über hochschulpolitische Entwicklungen zu verbessern, führte man im Frühjahr 1969 eine regelmäßige „Fragestunde“ ein, wo der Rektor zuvor schriftlich eingereichte Anfragen im Senat zu beantworten hatte. Der Pres- sereferent wurde zu Senatssitzungen hinzugezogen und sollte künftig über Diskussionen

122Vgl. für das Folgende: Die Grundordnung (1969). In: Uni-Presse 2 (5), S. 1-19. 123Konrad Hesse (1968): Stellungnahme vor der Grundordnungsversammlung am 16. November 1968. In: Uni-Presse 1 (Sonderausgabe), S. 1-2, hier: S. 1. 124Siehe dazu Helmut Engler (1975): Rechenschaftsbericht des Rektors Prof. Dr. Helmut Engler für die Zeit vom 1.8.73 bis 31.12.74. Freiburg, S. 2-4. Der Jurist Engler hielt seinen Ärger über die neuen Bestimmungen des Hochschulgesetzes nicht zurück. Er hielt sie für „überflüssig“ und in ihren Aus- wirkungen „unglücklich“. Die Fakultätsöffentlichkeit hatte schließlich u.a. dabei geholfen, Vorwürfe wie Intransparenz oder „Mauschelei“ in der akademischen Selbstverwaltung zu entkräften. 125Diese Frage wurde in folgenden Senatssitzungen diskutiert: Protokoll über die Senatssitzung am Mitt- woch, den 6. Dezember 1967 ([1967]). Universitätsarchiv Freiburg, B 2/2968; Protokoll über die Se- natssitzung am Mittwoch, den 8. Mai 1968 ([1968]). Universitätsarchiv Freiburg, B 2/2969; Proto- koll über die Senatssitzung am Mittwoch, den 12. Juni 1968 ([1968]). Universitätsarchiv Freiburg, B 2/2969.

233 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) bzw. Beschlüsse in den Publikationsorganen der Hochschule berichten.126 Nach der neu- en Satzung mussten die Sitzungsprotokolle zudem allen Mitgliedern der Hochschule „auf Verlangen zugänglich gemacht werden“. Wie die Grundordnung jedoch ebenfalls aus- drücklich feststellte, tagte der Senat auch weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Damit war eine der zentralen studentischen Forderungen nicht realisiert worden. Deshalb riss der Protest gegen die „geheime“ Universität auch in den nächsten Jahren nicht ab.127

Mit ihren letzten Endes nur im Ansatz erfüllten Forderungen nach Transparenz der akademischen Selbstverwaltung und „Drittelparität“ hatten die Studentenproteste von 1968 die Frage einer demokratischen Umgestaltung der Universität erneut in den Blick- punkt des öffentlichen Interesses gerückt. Ein weiteres Problem, das am Ende der 1960er Jahre in erster Linie durch die Aktivität studentischer Gruppen an Publizität gewann, war die vermeintliche „Politisierung“ der westdeutschen Hochschulen. Mit diesem Thema wird sich das folgende Kapitel beschäftigen.

4.3 Rote Universität? Hochschulpolitisierung in der öffentlichen Diskussion

Am 24. Oktober 1973 präsentierte Hansjürg Steinlin, Forstwissenschaftler und scheiden- der Rektor der Albert-Ludwigs-Universität, den Mitgliedern des großen Senats seinen letzten Rechenschaftsbericht. Gegen Ende des mit fast 100 Schreibmaschinenseiten au- ßergewöhnlich umfangreichen Berichts über die Zeit zwischen Januar und Juni 1973 identifizierte Steinlin vier große „Komplexe“, die das Leben an der Freiburger Hochschu- le seiner Ansicht nach in der näheren Zukunft bestimmen würden. Der Rektor nannte die Überfüllung der Universitäten und den Mangel an Studienplätzen, den Wandel der Lehrkörperstruktur sowie die Veränderung und Verdrängung der Forschung aus der Uni- versität. Im Mittelpunkt stand für ihn aber etwas anderes, was sich nicht zuletzt in der Gestaltung seines Berichts widerspiegelte. Der weitaus größte Teil der Ausführungen widmete sich der „Politisierung“ der Hochschule. Damit meinte Steinlin zum einen die Meinungs- und Willensbildungsprozesse, die sich im Zuge der Entwicklung zur demokra- tischen „Gruppenuniversität“ verändert hatten. Nicht zuletzt sprach er aber auch von einer „außeruniversitären Politisierung“. Nach Meinung von Steinlin boten Hochschulen eine „so günstige Basis für Bestrebungen zur Veränderung der Gesellschaft“, dass letztlich jede „politische Ideologie“ darum bemüht sein musste, sie „mehr oder weniger vollstän- dig unter ihren Einfluss zu bringen“. Im Verdacht hatte er jedoch in erster Linie – und durchaus nicht zu Unrecht – die „neomarxistischen Linken“.128

126Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, den 5. März 1969 ([1969]). Universitätsarchiv Freiburg, B 2/2969. Zu diesen Publikationsorganen gehörte v.a. die erst 1968 gegründete „uni-presse“. Siehe dazu Kap. 3.4 dieser Arbeit. 127Vgl. etwa Hansjürg Steinlin (1973): Rechenschaftsbericht des Rektors für die Zeit vom 1.1. bis 31.7.1973. Freiburg, S. 19-25. 128Vgl. Steinlin 1973 – Rechenschaftsbericht des Rektors. Die zusammenfassenden Ausführungen zur Politisierung der Universität finden sich auf S. 77-83.

234 4.3 Rote Universität? Hochschulpolitisierung in der öffentlichen Diskussion

Bei den Beobachtungen des Freiburger Forstwissenschaftlers setzt das folgende Kapitel an. Denn was Steinlin in seinem Bericht als „außeruniversitäre Politisierung“ bezeichnete, rückte um 1970 zunehmend in den Fokus des öffentlichen Interesses und wurde dabei sowohl als Chance, wie auch als Bedrohung wahrgenommen. Wie der Freiburger Rektor richtig erkannt hatte, kamen am Ende der 1960er Jahre gerade im Umfeld der vom SDS angeführten Studentenbewegung Bestrebungen auf, die Hochschule als politisches Instrument, als „Plattform“ zur kritischen Analyse, Verände- rung und Überwindung der herrschenden Ordnung zu nutzen. Darauf werde ich im ersten Abschnitt am Beispiel der Albert-Ludwigs-Universität eingehen. Nicht nur den Freibur- ger Rektor Steinlin erfüllte diese Entwicklung mit tiefer Sorge. Besonders in den Jahren nach 1970 – damit befasst sich der zweite Teil des Kapitels – wurde die westdeutsche Öffentlichkeit gerade über die Massenmedien regelmäßig von Mahnrufen erschüttert, die vor einer Unterwanderung der Hochschulen durch linksradikale „Elemente“ warnten. Die befürchtete Transformation der hohen Bildungsstätte zur „roten“ Universität sollte um jeden Preis verhindert werden.

4.3.1 „Wider die Untertanenfabrik“: Konzeptionen der politischen Universität in der Studentenbewegung Im Juni 1968 erschien in der Freiburger Studentenzeitung ein Aufsatz mit dem Titel „Entfesselte Wissenschaft“. Der Text, das ließ der studentische Autor Reiner Hofmann seine Leser gleich im ersten Satz wissen, sollte „kein Beitrag zur Hochschulreform“ sein, im Gegenteil: Es handelte sich um ein polemisches Manifest, das nicht nur eine Abrech- nung mit „progressiven“ Reformansätzen, sondern auch ein leidenschaftliches Plädoyer für ein politisches Wissenschaft- und Universitätsverständnis enthielt. Der Aufsatz begann mit einem Rückblick auf das „nachtotalitäre Biedermeier“ im west- deutschen Universitätsdiskurs. Noch Mitte der 1960er Jahre, erinnerte sich Hofmann, war die hochschulpolitische Debatte nicht zuletzt durch den starken Einfluss „positivistischer“ Wissenschaftsbegriffe – er erwähnte u.a. Karl Popper – von einem tief rationalistischen Denken beherrscht worden. Die Vision einer „durchgeplanten“, „stromlinienförmigen“ und straff organisierten „Fließbanduniversität“ hatte auch bei vielen Studenten großen An- klang gefunden. Erst in jüngster Zeit, so Hofmann, begann dieses Gedankengebäude Risse zu zeigen. Verantwortlich dafür war seiner Meinung nach v.a. die allgemeine Poli- tisierung der Studentenschaft in der Bundesrepublik.129 Besonders im studentischen Umfeld gewann nun eine politische Deutung von Wis- senschaft und Universität an Einfluss und Publizität, die bereits in den frühen 1960er Jahren v.a. vom SDS in Umlauf gebracht worden war.130 Demnach verkörperten Univer-

129Vgl. Reiner Hofmann (1968): Entfesselte Wissenschaft. Notwendige Überlegungen vor jeder Hoch- schulreform. In: Freiburger Studentenzeitung 18 (6), S. 3-6. 130„Vorreiter“ war eine bereits 1961 publizierte Denkschrift des SDS: Hochschule in der Demokra- tie. Denkschrift des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (1965). Durchgesehene Neuaufla- ge. Frankfurt a. M. Die Denkschrift des SDS erschien 1965 in einer deutlich erweiterten Fassung: Wolfgang Nitsch u.a. (1965): Hochschule in der Demokratie. Kritische Beiträge zur Erbschaft und Reform der deutschen Universität. Berlin. Im letzten Drittel des Jahrzehnts erschienen dann immer

235 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) sitäten Herrschaftsinstrumente und sorgten für die Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung, indem sie als „Untertanenfabriken“ systemkonforme Fachkräfte für die kapi- talistische Leistungsgesellschaft produzierten. Dieser „Wissensmaschine“ im Dienst von Staat und „Großindustrie“, so die Formulierung von Hofmann, stellten Protagonisten der Studentenbewegung ihrerseits politische Alternativen entgegen. Im Zentrum solcher Gegenmodelle stand der von Ideen der Frankfurter Schule inspirierte Begriff einer „kriti- schen Wissenschaft“, die soziale Kontexte von Forschung und Lehre reflektierte, um kriti- sches Bewusstsein, menschliche Emanzipation und – auf diesem Weg – gesellschaftlichen Fortschritt zu befördern. Universitäten als Orte einer kritischen Wissenschaftspraxis soll- ten also einen Beitrag zur Veränderung bzw. in letzter Konsequenz zur Überwindung der herrschenden Ordnung leisten.131 Wie man solche politischen Deutungen von Hochschule und Wissenschaft an der Frei- burger Universität diskutierte, und welche konkreten Schritte man hier zur Umsetzung einer „kritischen Wissenschaft“ unternahm, möchte ich in diesem Kapitel näher untersu- chen.

Kritik der technokratischen Hochschulreform: Das Beispiel der Universität Freiburg Reiner Hofmanns Fundamentalkritik in der FSZ stand stellvertretend für die Entwick- lung, die der studentische Diskurs über Hochschul- und Studienreform am Ende der 1960er Jahre auch an der Albert-Ludwigs-Universität vollzogen hatte. Die in dem Mani- fest durchaus treffend skizzierte, noch bis zur Mitte des Jahrzehnts sehr verbreitete Be- geisterung für eine „Rationalisierung“ des Studiums132 war weitestgehend verschwunden. An ihre Stelle trat nun offener Widerstand gegen Universitäten als „Untertanenfabrik“ und Herrschaftsinstrument. Zentraler Ort der Freiburger Diskussion war die Studenten- und Universitätspresse, insbesondere die Freiburger Studentenzeitung. Darüber hinaus existierte eine vielfältige „graue“ Literatur wie Broschüren oder Flugblätter. Zwischen Oktober und Dezember 1968 rückte zudem die Grundordnungsversammlung als öffentliches Forum in den Blick- punkt, wo auf Drängen von Studierenden eine – nach Auskunft der Beteiligten allerdings am Ende wenig ergiebige – Kontroverse über die Gültigkeit politischer Wissenschaftsbe- griffe geführt wurde.133 Die Debatte über eine Politisierung von Wissenschaft und Hochschule entzündete sich

mehr solche Publikationen. Zu den bekanntesten gehört Stephan Leibfried (Hg.) (1967): Wider die Untertanenfabrik. Handbuch zur Demokratisierung der Hochschule. Köln. 131Hofmann 1968 – Entfesselte Wissenschaft. Vgl. insgesamt Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuni- versität zur Revolutionszentrale, S. 159-171; Simon Kießling (2006): Die antiautoritäre Revolte der 68er. Postindustrielle Konsumgesellschaft und säkulare Religionsgeschichte der Moderne. Köln, Kap. 4. 132Vgl. bspw. noch Andrea Fülgraff (1966): Symptome der Hochschulkrise. In: Freiburger Studenten- zeitung 16 (7). Dieser Artikel vom Dezember 1966 kritisierte den „uneffektiven“ Einsatz von Geld- mitteln im Hochschulbereich und sprach sich emphatisch für eine „Rationalisierung“ des Studiums aus. 133Ruprecht 2004 – Auf der Suche, S. 72 f.

236 4.3 Rote Universität? Hochschulpolitisierung in der öffentlichen Diskussion

in Freiburg – und nicht nur dort – häufig an den „technokratischen“ Hochschulreformen des politischen und akademischen „Establishments“. Schließlich drohten die auf Effizi- enzsteigerung ausgerichteten Reformbemühungen der 1960er Jahre die systemstabilisie- rende Funktion der Hochschule weiter zu vertiefen. Im Visier der linken Kritiker standen zunächst die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Studienreform von 1966, später dann v.a. die hochschulpolitische Entwicklung in Baden-Württemberg – Hochschulge- setzgebung, Ordnungsrecht, Hochschulgesamtplan – von der Forschung und Lehre an der Albert-Ludwigs-Universität natürlich ganz besonders betroffen waren.

Universitäten unter dem „Joch der Rentabilität“: Die Studienreform des Wissen- schaftsrats Im Mai des Jahres 1966 hatte der Wissenschaftsrat sein lang erwartetes Gutachten zur Studienreform der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Vorschläge wurden in Presse, Funk und Fernsehen eingehend rezipiert und entfachten an den deutschen Hoch- schulen eine kontroverse Debatte. Das war an der Albert-Ludwigs-Universität nicht an- ders.134 Kritik an den Reformempfehlungen kam nicht nur aus den Reihen der Professoren- schaft – insbesondere Geisteswissenschaftler sorgten sich häufig um das Humboldtsche Erbe der deutschen Universität – sondern auch aus dem Umfeld linksgerichteter Stu- dentengruppen. Dort interpretierte man das Gutachten des Wissenschaftsrats als einen Versuch, die Hochschule in eine Stätte zur Produktion unkritischer Arbeitskräfte zu ver- wandeln und Studierende in die kapitalistische Leistungsgesellschaft einzupassen. Das machten Stellungnahmen des Sozialdemokratischen Hochschulbunds und der Humani- stischen Studentenunion deutlich, die im Mai 1967 in der Freiburger Studentenzeitung abgedruckt wurden. Der Wissenschaftsrat, behauptete der SHB, strebte mit seinen Empfehlungen eine „Rationalisierung“ des Studiums an, um so eine „verstärkte Rekrutierung gesellschaftli- cher Führungskräfte“ zu ermöglichen. Einer kritischen Reflexion gesellschaftlicher und politischer Kontexte von Wissenschaft wurde in diesem Konzept nicht genügend Raum gegeben. Die Vorschläge des Wissenschaftsrats, hieß es, drohten den „Trend“ zum „un- politischen“ und deshalb „politisch manipulierbaren Akademiker“ zu verstärken. Ziel des Universitätsstudiums, mahnte der SHB, durfte nicht die Formierung einer gesellschaft- lich „angepassten“ Fachelite sein. Stattdessen musste eine akademische Ausbildung v.a. die „sozialen Zusammenhänge“ der einzelnen Disziplinen durchleuchten und auf diesem Weg „politisch verantwortliche Akademiker“ hervorbringen.135 Noch deutlicher fiel die Stellungnahme der Humanistischen Studentenunion aus. Das Hochschulwesen, hieß es dort, war in jüngster Zeit immer stärker „funktionalisiert“ und auf die „Bedürfnisse“ ausgerichtet worden, die eine „sich formierende und nivellierende Gesellschaft“ verlangte. Bemühungen um eine Reform des Studiums stellten sich am En- de meist als „Einbauversuch der Universität in den Gesamtbetrieb Gesellschaft“ heraus. Hochschulen sollten also in „reibungslos funktionierende Akademikerfabriken“ verwandelt werden. Diesem Pfad folgten auch die Empfehlungen des Wissenschaftsrats. Schließlich

134Vgl. dazu Kap. 3.3.1 dieser Arbeit. 135Stellungnahme zum Gutachten des Wissenschaftsrates 1967.

237 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) stellten sie das akademische Studium „ausschließlich unter das Joch der Rentabilität“. Demgegenüber traten die Vertreter der HSU nicht nur dafür ein, „kritisches Denken“ an den Hochschulen zu befördern, sondern es v.a. „in die Gesellschaft wirken zu lassen“ und auf diese Art und Weise den gesellschaftlichen „Aufklärungsprozess“ voranzutreiben.136 Neben den Vorschlägen des Wissenschaftsrats zur Studienreform und den Bemühun- gen um ein neues Ordnungsrecht137 richtete sich die Kritik der Freiburger Studenten an einer „technokratischen“, systemstabilisierenden Hochschulreform v.a. auf die hochschul- politische Entwicklung in Baden-Württemberg: auf die Hochschulgesetzgebung138 und in erster Linie den sogenannten „Hochschulgesamtplan“, der auch im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen wird.

„Zwangsanpassung ist offener Terror“: Der Hochschulgesamtplan in Baden-Würt- temberg Gegen Mitte des Jahres 1966 war in Stuttgart auf Initiative von Kultusmi- nister Wilhelm Hahn ein Arbeitskreis unter Leitung von Ralf Dahrendorf ins Leben gerufen worden. Seine Aufgabe: Erarbeitung eines „Hochschulgesamtplans“ für Baden- Württemberg.139 Nach nur einem Jahr konnte der Stuttgarter Arbeitskreis seine Ergebnisse präsentie- ren. Neben der von Dahrendorf schon lange propagierten Rationalisierung der akademi- schen Ausbildung – der Soziologe schlug u.a. eine Aufspaltung in Kurz- und Langstudium vor – stand die Zusammenfassung von Universitäten und anderen höheren Bildungsein- richtungen – pädagogische Hochschulen, Ingenieurschulen usw. – in einer „integrierten Gesamthochschule“ im Mittelpunkt. Das ambitionierte Konzept wurde nicht umgesetzt, v.a. weil es den zeitgleich diskutierten Entwürfen für ein neues Hochschulgesetz in Baden- Württemberg in die Quere kam. Erst 1970 verabschiedete der Stuttgarter Landtag einen neu erarbeiteten Hochschulgesamtplan, der zwar teilweise noch auf Dahrendorfs Gedan- ken beruhte, an dem er aber selbst nicht mehr beteiligt war. 1972 folgte eine zweite erweiterte Version.140 Von der Tages- und Wochenpresse wurde der „Dahrendorfplan“ begeistert aufgenom- men. Die Rückmeldung aus der Freiburger Studentenschaft fiel weniger positiv aus, wie eine vom Jura-Studenten Nicolas Becker in der Freiburger Studentenzeitung vom Janu- ar 1968 publizierte Rezension des Gutachtens zeigte. Auf den ersten Blick hatte Becker wenig auszusetzen. Er bescheinigte Dahrendorf sogar eine „große Arbeit“ und innovative

136Verschulung der Universitäten 1967. 137Siehe etwa: [Vorbeugehaft, Ordnungsrecht, Lernmaschine] (1969). In: Freiburger Studentenzeitung 19 (3), S. 16. 138Vgl. die Ausführungen von Steinlin 1973 – Rechenschaftsbericht des Rektors, S. 40-45. 139Damit präsentierte sich der „Südweststaat“ als bildungspolitischer Vorreiter in der Bundesrepublik, siehe Meifort 2014 – Liberalisierung der Gesellschaft durch Bildungsreform, S. 150-155. In den näch- sten Jahren begannen andere Länder und der Bund ebenfalls Hochschul- oder Bildungspläne zu entwickeln. Vgl. Olaf Bartz (2007): Expansion und Umbau. Hochschulreformen in der Bundesre- publik Deutschland zwischen 1964 und 1977. In: Die Hochschule 16 (2), S. 154-170, hier: S. 160 f.; Rudloff 2003 – Bildungsplanung in den Jahren; Ders. 2005 – Ansatzpunkte und Hindernisse der Hochschulreform. 140Bartz 2007 – Expansion und Umbau, S. 160 f.; sowie Meifort 2014 – Liberalisierung der Gesellschaft durch Bildungsreform, S. 156 f.

238 4.3 Rote Universität? Hochschulpolitisierung in der öffentlichen Diskussion

Ideen. Die Sache besaß nur einen Haken: Der Plan, so Becker, war blind für die gesell- schaftlichen Kontexte von Hochschule und Wissenschaft. Dahrendorf, in erster Linie als „Rationalisierungsfachmann“ angetreten, hatte sich darauf beschränkt, das „Großunter- nehmen Universität“ effizienter zu machen. Unter diesen Umständen, warnte der Frei- burger Student, führte das Stuttgarter Modell auf direktem Weg zu einer „autoritär- en Leistungsuniversität“, die kritisches Bewusstsein unterdrückte und systemkonforme „Fachidioten“ produzierte. In seiner jetzigen Form – ohne Sensibilität für die sozialen und politischen Implikationen wissenschaftlicher Arbeit – würde der Plan nach Meinung von Becker also eher schaden als helfen.141 Der Dahrendorfplan wurde nicht realisiert, viele seiner Bestimmungen nicht in das zeit- gleich zur Beratung stehende Hochschulgesetz aufgenommen. Als wenig später die Arbeit an einem neuen Plan einsetzte, formierte sich bei Studierenden der Albert-Ludwigs- Universität jedoch erneut lautstarker Widerstand.142 Die Freiburger Studentenzeitung – mittlerweile ganz in den Händen des SDS – bilde- te das wichtigste Zentrum der Kritik. Ihre erste Ausgabe des Jahres 1969 widmete die FSZ praktisch ausschließlich dem Hochschulgesamtplan und damit verbundenen hoch- schulpolitischen Fragen. Die Redaktion bemühte sich darum, den „in seinen Zielen und Auswirkungen“ bislang wenig bekannten Entwurf zu analysieren und seine wahren Ab- sichten zu entlarven. Demnach ging es den Urhebern des Hochschulgesamtplans um Ma- nipulation, um eine Vertiefung der unpolitischen Grundhaltung, die in großen Teilen der Studentenschaft vorherrschte. Genau diese, für die Verflechtung von Wissenschaft, Poli- tik und Gesellschaft noch nicht sensibilisierten Kommilitonen wollten die studentischen Redakteure mobilisieren. Der Hochschulgesamtplan, betonte Germanistik-Student Johannes Merkel zum Auf- takt der Januar-Ausgabe, „liquidierte“ die Universität als „unabhängiges kritisches Or- gan der Gesellschaft“. Statt die herrschenden Verhältnisse durch wissenschaftliche Er- kenntnis zu verändern, entwickelte sich die Hochschule durch den Entwurf endgültig zu einem „Zulieferungsbetrieb der spätkapitalistischen Industrie“ und zu einer Sozialisati- onsinstanz im Sinne der herrschenden Ordnung. So vermittelte das vom Gesamtplan vorgesehene „Kurzstudium“ nach Ansicht von Merkel gerade genügend Wissen, um „im Wirtschaftsprozess reibungslos zu funktionieren“. Durch ständige Leistungskontrolle in Prüfungen wurde eine kritische Reflexion des Lehrstoffs verhindert. Selbst angehende Forscher durchliefen während des „Langstudiums“ und ihrer Assistenten-Zeit im „Lehr- stab“ einen derart tiefgehenden Anpassungsprozess an die herrschenden Verhältnisse, dass von ihnen weder eine Veränderung bestehender Wissensinhalte, noch Widerstand gegen die Anforderungen von „Wirtschaft und Bürokratie“ zu erwarten war.143 Die Freiburger Studentenzeitung bildete auch in den kommenden Monaten ein stark frequentiertes Forum für kritische Auseinandersetzungen mit dem Hochschulgesamtplan, die in aller Regel auf die politische Funktion der Universität als herrschaftssichernde In- stanz abzielten.144 In diesem Zusammenhang behandelte man einzelne Aspekte des Plans

141Nicolas Becker (1968): Der Dahrendorfplan. In: Freiburger Studentenzeitung 18 (1), S. 13-14. 142Vgl. Ruprecht 2004 – Auf der Suche, S. 104-109. 143Johannes Merkel (1969): HGP. In: Freiburger Studentenzeitung 19 (1), S. 3-4. 144HGP (1969). In: Freiburger Studentenzeitung 19 (5), S. 5; HGP (1969). In: Freiburger Studenten-

239 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) wie Lehrerbildung oder Berufs- und Studienberatung.145 Darüber hinaus versuchten Stu- denten dem Entwurf der Regierung mit juristischen Argumenten beizukommen.146 Trotz aller studentischen Einwände wurde der Hochschulgesamtplan im Jahr 1970 vom baden-württembergischen Landtag verabschiedet. Überhaupt waren solche „technokra- tischen“ Ansätze zur Hochschul- und Studienreform schon während der 1960er Jahre immer mehr in den Universitätsalltag eingedrungen, was u.a. in Form neuer Studien- und Prüfungsordnungen zum Ausdruck kam.147 Nicht wenige Studierende sahen darin jetzt einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur systemkonformen Universität und versuchten ihren Kommilitonen die Folgen einer solchen Entwicklung bewusst zu ma- chen.

„Zwangsanpassung durch Zwischenprüfung“: Neue Studien- und Prüfungsordnun- gen in Freiburg Im Sommersemester 1967 hatte die volkswirtschaftliche Abteilung der Universität Freiburg eine neue Prüfungsordnung zur Genehmigung ins Stuttgarter Kul- tusministerium geschickt. „Verwaltete Gleichgültigkeit statt Emanzipation“ bildete nach Ansicht des VWL-Studenten Rudolf Sinz den Kern der beabsichtigten Reform. Die auch im Entwurf der Freiburger Ökonomen mehr und mehr „verschulte“ Ausbildung verkehr- te die „emanzipatorische Wirkung“ der Wissenschaft in „unnötige Unterdrückung“. Sinz verglich das neue Studium mit der Situation der Arbeiterschaft im „durchrationalisierten Großbetrieb“. Auf diese Art und Weise mutierten die Hochschulen zu „Akademikerfabri- ken“, zu Produktionsstätten von manipulierbaren Fachleuten, die – ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein – zum Umbau der Gesellschaft in einen „nationalen Gesamtbe- trieb mit wirtschaftlicher Höchstleistung“ beitrugen.148 Von „Zwangsanpassung durch Zwischenprüfung“ sprach der Student Hans-Jörg Hager. Die flächendeckende Einführung von Zwischenprüfungen in der philosophischen Fakul- tät während der 1960er Jahre hatte laut Hager noch einmal deutlich gemacht, dass die gesellschaftliche Funktion der Hochschule heute v.a. darin bestand, „Fachleute und verwertbare Forschungsergebnisse zu produzieren“. Orientierungspunkt der Reform wa- ren demnach ausschließlich die Anforderungen der kapitalistischen Leistungsgesellschaft. Vom ersten Semester an, so Hager, fand eine „totale Verplanung“ des Studiums statt, die letzten Endes in der Erziehung des Studierenden zum „kritiklosen Konsumenten“ münde- te. „System-nonkonformes Denken“ wurde bestraft. Die Prüfungsreform, schloss Hager, war darauf ausgerichtet, Studenten bereits in den frühen Semestern mit „Scheuklappen“ zu versehen und in den „Universitätsbetrieb“ einzupassen. In letzter Konsequenz wurde

zeitung 19 (4), S. 6; HGP (1969). In: Freiburger Studentenzeitung 19 (6), S. 2; Zwangsanpassung ist offener Terror (1969). In: Freiburger Studentenzeitung 19 (6), S. 2-3. Außerhalb der FSZ bspw.: Klaus Reibisch (1969): Kritik des Hochschulgesamtplans. In: Uni-Presse 2 (1), S. 3-7. Reibisch gehörte zu den studentischen Vertretern in der Grundordnungsversammlung. 145Michael Crasemann (1969): Lehrerbildung im HGP. In: Freiburger Studentenzeitung 19 (7), S. 3; Nicolas Becker (1969): Berufsberatung. In: Freiburger Studentenzeitung 19 (6), S. 3. 146Was eine Verfassung noch wert ist (1969). In: Freiburger Studentenzeitung 19 (7), S. 4. 147Siehe Kap. 3.3.1 dieser Arbeit. 148Rudolf Sinz (1967): Die Not der Studenten. Zur neuen Prüfungsordnung für Volkswirte. In: Freiburger Studentenzeitung 17 (4), S. 18-20.

240 4.3 Rote Universität? Hochschulpolitisierung in der öffentlichen Diskussion

den jungen Menschen an der Universität so eine „kritiklose Hinnahme der Gesellschaft“ antrainiert.149 Mit dem Entwurf für eine neue Approbationsordnung trafen die Rationalisierungs- versuche im Jahr 1969 schließlich auch die Studenten der Medizin. In der Freiburger Studentenzeitung riefen Kommilitonen daraufhin zum Widerstand auf. Die mittlerwei- le beschlussfertig vorliegende Approbationsordnung, hieß es in dem Text, leistete nicht nur einen weiteren Beitrag zur „Unterdrückung studentischer Emanzipation“, sondern zementierte auch die Stellung der Universität als „Reproduktionsmaschine einer auto- ritären Gesellschaft“. Die Funktion des Arztes in der modernen Medizin bestand nach Ansicht der Verfasser v.a. darin, den „Produktionsfaktor Arbeitskraft“ bei krankheitsbe- dingten Ausfällen möglichst schnell „wieder einsatzfähig“ zu machen. Eine solche Medizin passte sich also bedingungslos der „herrschenden Leistungsgesellschaft“ an und machte sich zum „bewusstlosen Handlanger des jeweils herrschenden Systems“. Die neue Ap- probationsordnung, hieß es, sollte diese Funktion absichern und erste Ansätze zu einer potentiell „systemsprengenden“ kritischen Medizin „zerschlagen“, die sich näher mit den gesellschaftlichen Kontexten von Krankheit befasste.150

In der Tat machten sich Studierende am Ende der 1960er Jahre nicht nur in der Medizin daran, den etablierten Einrichtungen eine „kritische Wissenschaft“ bzw. eine „kritische Universität“ mit politischem Anspruch gegenüberzustellen. Eine solche Entwicklung voll- zog sich auch an der Albert-Ludwigs-Universität.

„Kritische Kurse“: Die politische Universität in der Praxis Der studentische Widerstand gegen technokratische Hochschulreform erschöpfte sich nicht in öffentlicher Kritik, in Manifesten oder polemischen Traktaten. Studierende versuchten sich auch in der akademischen Praxis gegen die Realität der Universität als „Untertanenfabrik“ zu wehren. Während in Berlin, Frankfurt oder Hamburg schon in den vergangenen Monaten ausgewachsene „Gegenuniversitäten“ entstanden waren151, formierten sich in Freiburg seit dem Wintersemester 1968/69 ebenfalls studentische „Ba- sisgruppen“, die den etablierten Hochschulbetrieb kritisch begleiteten und jenseits der regulären Lehrveranstaltungen an einer „Selbstorganisation“ des Studiums arbeiteten.152 Ihr Anspruch war ein politischer. Wissenschaft sollte in den Dienst von Emanzipation und Veränderung bzw. Überwindung der gesellschaftlichen Verhältnisse gestellt werden. Wissenschaft war also Teil eines politischen Projekts. Um diesen Anspruch einzulösen, forderten Basisgruppen auf der einen Seite eine kritische Auseinandersetzung mit eta- blierten Lehrinhalten und ihrer gesellschaftlichen Funktion. Demnach war das an der Universität vermittelte Wissen häufig nicht nur „belanglos“ und „falsch“, sondern diente

149Hans-Jörg Hager (1968): Zwangsanpassung durch Zwischenprüfung. In: Freiburger Studentenzeitung 18 (5), S. 14-15. 150Entschiedener, vorausschauender und solidarischer Kampf gegen die neue Approbationsordnung (1969). In: Freiburger Studentenzeitung 19 (6), S. 4. 151Vgl. dazu Schmidtke 2003 – Der Aufbruch der jungen Intelligenz. 152Vgl. zu den Freiburger Basisgruppen: Ruprecht 2004 – Auf der Suche, S. 89-93.

241 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) v.a. auch den „Interessen der Herrschenden“. Wissenschaftliche Arbeit, die an den be- stehenden Verhältnissen zu rütteln wagte, wurde dagegen systematisch unterdrückt.153 Um das zu ändern, sollten in Zukunft nicht mehr Professoren, sondern Studierende und damit die „Betroffenen“ selbst über Lehrinhalte bestimmen.154 Auf der anderen Seite beschäftigten sich Freiburger Studenten mit alternativen Lehr- formen. Dazu gehörten „autoritätsfreie“ Seminare, Übungen und Kurse. Man trat für eine Abschaffung des verhassten „Leistungsprinzips“ ein, das sich in den zahllosen Prüfungen, Klausuren und Scheinen materialisierte, denen sich Studierende mittlerweile gegenüber sahen. Darüber hinaus sollte das größtenteils „individualistische“ Studium durch kollek- tive Arbeit in Gruppen ersetzt werden. Auf diesem Weg wollte die studentische Basis nicht nur eine Reform von Hochschulstrukturen erreichen, sondern auch die Ordnung der kapitalistischen Leistungsgesellschaft unterlaufen, die ja schließlich auf der stetigen „Pro- duktion“ systemkonformer Arbeitskräfte im normierten und autoritären Lehrbetrieb be- ruhte.155 Erste Erfahrungen mit Gruppenarbeit offenbarten jedoch schnell, dass Macht- strukturen auch ohne die formale Autorität eines „Seminarleiters“, dass Leistungsdruck trotz Abwesenheit von Klausuren oder Prüfungen nicht so einfach zu eliminieren waren. Die Experimente mit alternativen Lehrformen verliefen insgesamt enttäuschend.156 Spätestens seit Mitte des Jahres 1969 beschränkten sich die Aktivitäten der Basisgrup- pen schließlich nicht mehr auf den Raum der Universität. Mitglieder der studentischen Arbeitskreise propagierten nun auch eine direkte Anwendung wissenschaftlichen Wis- sens in der Praxis. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Klaus Theweleit – damals im Freiburger SDS aktiv – spornte seine Kommilitonen dazu an, „praktische Wissenschaft“ zu betreiben und entwarf das Projekt einer „Volksuniversität“ als „sozia- listischer Kampforganisation“. Durch Anwendung in der Praxis sollte Wissen für die Befreiung des Menschen von Herrschaft und Unterdrückung nutzbar gemacht werden. Universität, Wissenschaft und Politik gingen hier also eine besonders enge Verbindung ein. Künftige Lehrer sollten an Schulen gehen, um gemeinsam mit Schülern an „kritischeren Lehrinhalten“ zu arbeiten und sich im „politischen Kampf“ gegenseitig zu unterstützen. Juristen konnten in der Gefangenenfürsorge aktiv werden, Psychologen ihr Wissen in Betrieben zum Nutzen der „unterdrückten“ Arbeiter einsetzen, indem sie etwa Lehrlingen den Umgang mit Leistungs- und Eignungsprüfungen erleichterten. Die Erfahrungen, die Studenten in der Praxis sammelten, konnten dann wiederum in den Basisgruppen oder freien Arbeitskreisen an der Hochschule aufgenommen und wissenschaftlich verarbeitet

153Merkel 1969 – HGP, S. 4. Vgl. zu einzelnen Fächern: Politikwissenschaft: (Bericht der Basisgrup- pe Politik) (1969). In: Freiburger Studentenzeitung 19 (4), S. 4. Germanistik und Soziologie: Klaus Theweleit u.a. (1969): Wozu Basisgruppen? In: Freiburger Studentenzeitung 19 (3), S. 8-9. Psycho- logie: Studienreform oder Institutsrevolte (1968). In: Freiburger Studentenzeitung 18 (8), S. 16-18, hier: S. 17. 154[„Die Basisgruppen fordern...“] (1969). In: Freiburger Studentenzeitung 19 (Februar), S. 1. 155Vgl.: Kritische Kurse. Ein Experiment: Ist wissenschaftliche Arbeit möglich ohne Autorität? (1968). In: Freiburger Studentenzeitung 18 (7), S. 8-11; Studienreform oder Institutsrevolte 1968; [Die Ba- sisgruppen fordern...] 1969. 156Kritische Kurse 1968; Studium und politische Arbeit als Praxis (1969). In: Freiburger Studentenzei- tung 19 (5), S. 2-3.

242 4.3 Rote Universität? Hochschulpolitisierung in der öffentlichen Diskussion

werden. Für Theweleit war auch das ein „konkreter Schritt zur Revolutionierung der Lehrinhalte in der Universität“.157

4.3.2 „Marx an die Uni!“: Politisierung von Wissenschaft und Universität nach dem Zerfall der Studentenbewegung Mit dem langsamen Ende des SDS begann in den Jahren 1969/70 auch der Zerfall der westdeutschen Studentenbewegung. Im Umfeld der studentischen Linken schoss nun ei- ne schier unüberschaubare Zahl von Gruppierungen aus dem Boden, die die entstehende „Leerstelle“ besetzten und an den Universitäten der Bundesrepublik durchaus starken Zuspruch verzeichnen konnten. Neben lokal operierenden Roten Zellen, die v.a. an der FU Berlin eine wichtige Basis besaßen, und dem „Sozialistischen Hochschulbund“ zählte der aus den Resten des SDS hervorgegangene „Marxistische Studentenbund Spartakus“ zu den einflussreichsten Verbänden.158 Obwohl liberale oder konservative Gruppen wie der RCDS hier traditionell stark vertreten waren, spielten Gruppierungen aus dem lin- ken politischen Spektrum nach 1970 auch in der Freiburger Studentenvertretung eine wichtige Rolle. Dazu gehörten die bereits erwähnten „Basisgruppen“, der „Sozialistische Hochschulbund“ sowie v.a. gewerkschaftsnahe Organisationen wie die eher gemäßigte Studentengruppe der „Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft“. Obwohl sie eine Mitarbeit in der akademischen Selbstverwaltung kategorisch ablehnte, machte sich zu- dem die sogenannte „Kommunistische Hochschulgruppe“ – eine Nebenorganisation des „Kommunistischen Bunds Westdeutschland“ – durch aufsehenerregende Protestaktionen einen Namen.159 Die sich neu formierende studentische Linke wies zwar personelle Kontinuitäten zu den „Achtundsechzigern“ auf, markierte in vielerlei Hinsicht – habituell, organisatorisch, ideologisch – jedoch einen deutlichen Bruch mit der antiautoritären Revolte der späten 1960er Jahre. So wich der diffuse Bewegungscharakter einer starken Tendenz zur Organi- sation. Die Arbeiterklasse ersetzte nicht selten wieder die „Intelligenz“ als revolutionäres Subjekt.160 Allerdings griff ein großer Teil der neuen Gruppierungen die gesellschafts- kritische Analyse bzw. die politische Umdeutung der Universität durch die Studenten- bewegung wenigstens im Grundsatz auf. In manchen Fällen verfolgte man mehr oder

157Klaus Theweleit (1969): Warum aktiver Streik? In: Freiburger Studentenzeitung 19 (7), S. 1. 158Einen hilfreichen Überblick über die unterschiedlichen Gruppierungen bietet Gerd Langguth (1983): Protestbewegung. Entwicklung – Niedergang – Renaissance. Die Neue Linke seit 1968. Köln. 159Vgl. speziell zur „Kommunistischen Hochschulgruppe“ in Freiburg Steinlin 1973 – Rechenschaftsbe- richt des Rektors. Allgemein Andreas Kühn (2005): Stalins Enkel, Maos Söhne. Die Lebenswelt der K-Gruppen in der Bundesrepublik der 70er Jahre. Frankfurt a. M., S. 33-38 sowie Langguth 1983 – Protestbewegung, S. 91-100. Die studentische Politik an der Albert-Ludwigs-Universität der 1970er Jahre wird in den Informationsblättern der Studentenvertretung – zunächst „AStA-Press“, dann „AStA-Inform“ –, der Studentenpresse, sowie in den Jahresberichten der Universität dokumentiert. 160Vgl. Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 364-378; Michael Steffen (2002): Geschichten vom Trüffelschwein. Politik und Organisation des Kommunistischen Bundes 1971 bis 1991 (Dissertation). Marburg, S. 14-20 spricht von einer „proletarischen Wende“ seit 1969. Anekdotisch Gerd Koenen (2011): Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine deutsche Kulturre- volution, 1967-1977. 5. Aufl. Frankfurt a. M., S. 257-315.

243 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) weniger offen den Umsturz der herrschenden Ordnung. Unter der Parole „Marx an die Uni“ proklamierte etwa der einflussreiche MSB die Etablierung marxistischer Lehrinhal- te an den Hochschulen und die Berufung überzeugter Marxisten auf akademische Stellen. Auf diese Art und Weise wollte man die „bürgerliche“ Wissenschaft verdrängen und an den Universitäten eine revolutionäre gesellschaftliche „Gegenmacht“ aufbauen.161 Solche Szenarien wurden von vielen Beobachtern sehr ernst genommen und kennzeich- neten das öffentliche Bild des deutschen Hochschulwesens in der ersten Hälfte der 1970er Jahre. Jetzt wurde v.a. auch in der Tages- und Wochenpresse zunehmend die Frage ei- ner möglichen Politisierung der Universität von links diskutiert und welche Gefahren daraus nicht nur für die Hochschulen selbst, sondern auch für die Verfassungsordnung der Bundesrepublik erwuchsen. Mit diesem medialen Diskurs werden sich die folgenden Ausführungen schwerpunktmäßig befassen. Gerade die Aktivität der studentischen Linken stand im Lauf der nächsten Jahre bei- nahe ununterbrochen im Blickfeld der Massenmedien. Durch die Präsenz marxistischer Studentengruppen in der akademischen Selbstverwaltung fürchteten viele Beobachter ei- ne Unterwanderung der Universitäten durch Gegner der demokratischen Ordnung und eine Instrumentalisierung der Wissenschaft für politische bzw. revolutionäre Ziele. Die Gruppenuniversität – Hochschulgesetze hatten Studenten und Mittelbau ja v.a. in sozi- aldemokratisch regierten Bundesländern erweiterte Mitspracherechte eingeräumt – war aus dieser Sicht zum Einfallstor für verfassungsfeindliche Kräfte geworden. Hochschul- lehrer, insbesondere aus dem Umfeld des berüchtigten Bund Freiheit der Wissenschaft, und Journalisten konservativer Blätter sagten der deutschen Universität eine dunkle Zukunft als „Kaderschmieden“ oder „Parteihochschulen“ voraus. Nicht überall stieß die verstärkte Präsenz und die Aktivität marxistischer Studenten- gruppen an den Universitäten jedoch auf Angst oder Feindseligkeit. Gerade in liberalen bzw. linksliberalen Umgebungen – in der „Zeit“ oder dem „Spiegel“ etwa – reagierte man in der Regel gelassen. Berufung marxistischer Hochschullehrer, alternative Forschungs- ansätze oder Lehrveranstaltungen erschienen hier weniger als Vorposten des Umsturzes, sondern eher als willkommener und eigentlich längst überfälliger Schritt zu einem erwei- terten „Wissenschaftspluralismus“ an den Universitäten.

161Vgl. Hartmut Weyer (1973): MSB Spartakus. Von der studentischen Protestbewegung zum Klassen- kampf. Stuttgart, S. 51-57 und Langguth 1983 – Protestbewegung, S. 176 f. Der MSB war auch in den Massenmedien sehr präsent, siehe: Dufter Typ (1971). In: Der Spiegel, 28.06.1971; Sepp Binder (1971): Revolution auf Samtpfoten. Im Marschtritt zur Marx-Universität. In: Die Zeit, 23.07.1971. Zu den Positionen der verschiedenen Gruppen v.a. Langguth 1983 – Protestbewegung. Für Freiburg finden sich zahlreiche Belege in „basis“, dem Nachfolgeblatt der Studentenzeitung, sowie in den Publi- kationsorganen des AStA: Paul Haase (1971): Verhältnis positivistischer Wissenschaftstheorie und Politik. In: Basis 1 (4), S. 2-6; Benno Fouhsel (1971): Einschätzung der Entwicklung von Hoch- schule und Gesellschaft. In: Basis 1 (4), S. 24-26; Asta-Aktionsprogramm (1971). In: AStA-Press Freiburg (1), S. 1-3 oder SHB Freiburg (1971): Kampf gegen das Hochschulrahmengesetz. In: AStA- Press Freiburg (2), S. 1-3. Darüber hinaus etwa: Kommunistische Hochschulgruppe Freiburg (Hg.) (1974): Mathematik im Kapitalismus. Freiburg. Im Vorwort der von der „Zelle Mathematik“ herausgegebenen Broschüre wurde u.a. behauptet, dass sich hinter ihrem „Mantel der Wertfreiheit“ die Anwendung mathematischer Forschung zum „Nutzen der Kapitalisten“ verbarg. „Ausbildung und Wissenschaft im Dienste des Volkes“ sei „gleichzeitig ein Kampf um den Sozialismus unter der Führung der Arbeiterklasse“.

244 4.3 Rote Universität? Hochschulpolitisierung in der öffentlichen Diskussion

Die Universität als „marxistische Kaderschmiede“: Konservative Warnungen

Am 13. Juli 1970 trat der „Spiegel“ mit einer großen Titelgeschichte über „rote Uni- versitäten“ an die Öffentlichkeit. Das Umschlagbild zierte das Portrait eines Universi- tätsprofessors: Die Halskrause des Talars und die akademische Kopfbedeckung – beide ganz in rot gehalten – ließen sich klar erkennen. Anstelle des Gesichts klaffte bei dem Gelehrten jedoch ein schwarzes Loch. Die Gestaltung des Titels erinnerte ein wenig an das berühmte Wahlplakat der Union aus den 1950er Jahren, das die Wähler vor den gefährlichen, weil stets nach „Moskau“ führenden Wegen des Marxismus gewarnt hatte. Im Innern des Hefts fand sich neben Kommentaren und Reportagen auch ein Ge- spräch mit Richard Löwenthal, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin und Führungsfigur des zu diesem Zeitpunkt noch im Aufbau befindlichen Bund Freiheit der Wissenschaft. Löwenthal passte sich der bedrohlichen Stimmung des Titelbilds an und sprach eine eindringliche Warnung an die „Spiegel“-Leser aus. An zahlreichen Hoch- schulen – nicht nur in Berlin – waren ihm zufolge studentische Gruppen am Werk, die sich als „Feinde unseres demokratischen Staates“ verstanden und die Universität ganz gezielt dazu nutzen wollten, um Einflusspositionen zu erlangen und die freiheitliche Ord- nung zu „untergraben“. Dabei kamen ihnen „mißverständlich konzipierte Hochschulgeset- ze“ zur Hilfe. Besonders durch die hier festgeschriebene Mitbestimmung, so Löwenthal, erfolgte die Personalauswahl häufig unter dem Druck „ideologischer Bewegungen“. Lehr- pläne orientierten sich an dem, was „radikalisierten“ Studierenden und Assistenten „in die Richtung passte“. In „keinem anderen modernen Land“, schloss Löwenthal, existier- te eine solche „Emanzipation der Hochschule von den Bedürfnissen der demokratischen Gesellschaft“.162 Besonders Hochschullehrer aus dem Umfeld des Bundes Freiheit der Wissenschaft nutzten wie der Berliner Politologe häufig das Forum der Massenmedien, um eine ver- meintliche Unterwanderung der Hochschulen durch Marxisten zu dokumentieren und gegen die Umwandlung deutscher Universitäten zu „Kaderschmieden“ ins Feld zu zie- hen. Eine aktive Öffentlichkeitsarbeit zählte seit der Gründung im Jahr 1970 zu den wichtigsten Anliegen des BFW. Diesem Zweck dienten das Verbandsorgan Hochschul- politische Informationen und andere Eigenpublikationen, aber eben auch Auftritte ein- zelner Mitglieder in Presse, Funk und Fernsehen.163 Neben Richard Löwenthal gehörten dazu beispielsweise die Politikwissenschaftler Hans Maier und Alexander Schwan, der Romanist Erich Loos, oder der Historiker Ernst Nolte. Maier erklärte am 23. November 1970 in einem Gespräch mit dem „Spiegel“, die Umge- staltung von Hochschulen in „rote Kaderschmieden“ stehe unmittelbar bevor. Die „Roten Zellen“ entwickelten sich immer mehr zu Instrumenten der in ihrer Verfassungstreue zu- mindest fragwürdigen Deutschen Kommunistischen Partei. Ohnehin, so Maier, verfolgte ein großer Teil der linken Studentengruppen eindeutig grundgesetzwidrige Ziele. Selbst

162„Das ist die Abdankung der Demokratie“. SPIEGEL-Interview mit FU-Professor Richard Löwenthal (1970). In: Der Spiegel, 13.07.1970. Ähnlich: Löwenthal 11.12.1970 – Lernprozeß in der Hochschul- politik; Ders. 8.1.1971 – Farbenblind gegen rote Intoleranz. 163Vgl.Wehrs 2014 – Aufstieg und Niedergang, S. 207-211; Ders. 2010 – Protest der Professoren, beson- ders S. 104-107; Rohstock 2010 – Von der Ordinarienuniversität zur Revolutionszentrale, S. 382-384.

245 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) der studentische Dachverband VDS habe kürzlich unter „Hammer und Sichel“ getagt.164 Der Politologe Schwan und der Romanist Loos lehrten an der stets besonders umkämpf- ten Freien Universität Berlin. Beide sahen zumindest für die geistes- und sozialwissen- schaftlichen Fachbereiche der Universität eine kaum noch aufzuhaltende Politisierung, die Entstehung von „Kaderschulen für Revolutionäre“ (Loos) oder „kommunistische Par- teihochschulen“ (Schwan) voraus.165 Ernst Nolte setzte mit einem geharnischten Leser- brief in der FAZ schließlich eine längere Debatte über das Habilitationsverfahren des Politikwissenschaftlers Reinhard Kühnl in Gang. In den von Kühnl eingereichten Arbei- ten sah der Historiker nichts anderes als „politische Streitschriften“. Die Tatsache, dass man die Habilitation trotzdem anerkennen wollte, ließ nach Meinung von Nolte auf die Verwandlung der Marburger politikwissenschaftlichen und soziologischen Seminare in „marxistisch-leninistische Parteihochschulen“ schließen.166

Journalistische Rückendeckung erhielten die Professoren v.a. in politisch konservativer- en Blättern wie der „Welt“ oder der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. In zahlreichen Kommentaren, Berichten und Reportagen wurde hier das Schreckensbild einer marxi- stischen Kaderschmiede verbreitet. Verantwortlich für die Politisierung der deutschen Bildungsstätten waren demnach die sozialdemokratische bzw. sozialliberale Hochschul- politik und die politisch gewollte Demokratisierung der Universitäten, aber auch ein genereller Autoritätsverlust der staatlichen Stellen. So berichtete Peter Jochen Winters, seit 1968 Mitglied der FAZ-Redaktion, am 1. Juni 1971 in einem Leitartikel von einer tiefen „Krise“ der Universität und der Hochschulre- form. Die Institutionalisierung der Gruppenuniversität durch neue Hochschulgesetze, so Winters, wurde von „antidemokratischen“ Gruppen für eine „totale und völlig einseitige Politisierung der Hochschulen“ ausgenutzt. An Universitäten wie Bremen oder Berlin seien Tendenzen zur marxistischen „Kaderbildung“ zu erkennen. Um die „wissenschaft- liche Meinungs- und Methodenvielfalt“ zu sichern, rief Winters nach dem Staat. Die bedrohlich instabile Situation an den Hochschulen berechtigte seiner Meinung zur Ein- schränkung der lange Zeit sakrosankten „Autonomie“ der Universität.167 Fritz Ullrich Fack, seit Anfang 1971 einer der Mitherausgeber der FAZ, sprang den Ansichten seines Redaktionskollegen Winters in einer ganzen Reihe von Leitartikeln bei. Darin bemängelte Fack immer wieder den fehlenden Willen zum Einsatz staatlicher Macht, einen „rapiden Verfall der staatlichen Autorität“, den er v.a. mit der Politik der sozialliberalen Koalition unter in Verbindung brachte. Die Universitäten

164Professoren sind nicht mutiger 23.11.1970 165„Die Roten Zellen sind am Werk“. Politologie-Professor Alexander Schwan über das Otto-Suhr-Institut (1970). In: Der Spiegel, 26.10.1970; und Alexander Schwan (1971): Die Chance gehabt und ver- spielt. Die jüngste Krise an der FU und Präsident Kreibichs Politik. In: Die Zeit, 04.06.1971; Erich Loos (1970): Noch einmal: Die Unterwanderung einer Fakultät. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.01.1970. 166Ernst Nolte (1971): Eine Marburger Habilitation. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.01.1971 und Ders. (1971): Wahlkampfschriften als Habilitationsleistung? In: Frankfurter Allgemeine Zei- tung, 22.01.1971. 167Peter Jochen Winters (1971): Hochschulreform in der Sackgasse. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.06.1971

246 4.3 Rote Universität? Hochschulpolitisierung in der öffentlichen Diskussion

schienen ihm in diesem Zusammenhang besonders betroffen. Denn dort herrschten nicht nur Revolte, Gewalt und „Fanatismus“. Die Hochschulen standen auch kurz vor der Übernahme durch radikale Linke. Nach Meinung des FAZ-Autors wagten die Leidtragenden der Radikalisierungspro- zesse – gemäßigte Studenten, Assistenten, Professoren – aus Angst vor studentischem Terror nicht offen über ihre Situation zu sprechen. Als Journalist hielt er es deshalb für seine Pflicht, dieses Schweigegelübde – Fack nutzte tatsächlich den Begriff „Omertá“ – zu brechen und die wahren Zustände an deutschen Universitäten öffentlich bekannt zu machen. So lenkte er den Blick seiner Leser immer wieder auf Bestrebungen der „auf dem Campus versammelten Linken“, die „Institution Universität“ in einen „Brückenkopf des Klassenkampfes“ zu verwandeln, um von dort aus die demokratische Ordnung der Bun- desrepublik zu bekämpfen. Die Übernahme der Hochschulen durch verfassungsfeindliche Kräfte war demzufolge schon weiter fortgeschritten, als sich das viele Menschen vor- stellten. Verantwortlich für die Misere, so der FAZ-Autor, war die sozialdemokratische Hochschulpolitik, der von ihr mutwillig betriebene „Autoritätsabbau“ und ihre viel zu liberalen Hochschulgesetze in den Ländern.168 In diesem Zusammenhang erwähnte Fack speziell die Bremer Neugründung – von den regierenden Sozialdemokraten angeblich als „marxistische Kaderschmiede“ aufgebaut – die selbst für ein scheinbar unpolitisches Fach wie Mathematik „Gesinnungstüchtigkeit“ verlangte.169 Neben den Meinungsbeiträgen verschafften auch Reportagen und Hintergrundberichte immer wieder tiefere Einblicke in die Realität einer marxistisch dominierten Wissenschafts- und Studienpraxis. Schwerpunkte der Berichterstattung waren die Berliner Hochschulen – insbesondere die Freie Universität170 – aber auch die Universitäten in Hessen171, wo das neue Hochschulgesetz den Studierenden weitgehende Mitspracherechte einräumte, sowie die vermeintliche Radikalenhochburg Bremen172. Die düsteren Prognosen über die Ent-

168Fritz Ullrich Fack (1971): Die gebrochene Autorität. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.10.1971. Ähnlich: Ders. (1971): Warum sie schweigen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.11.1971 so- wie Ders. (1971): Eine öffentliche Anklage. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.11.1971. Vgl. auch folgende Leitartikel: Ders. (1971): Grenzen der Toleranz. In: Frankfurter Allgemeine Zei- tung, 18.01.1971; Ders. (1972): Die bedrohte Lehrfreiheit. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.03.1972; Kurt Reumann (1972): Unsere politisierten Hochschulen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.12.1972; Ders. (1973): Zweite Runde im Hochschulkampf. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.07.1973. 169Fritz Ullrich Fack (1971): Werden wir gut regiert? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.07.1971. Zu Bremen als marxistischer Kaderschmiede auch der Kommentar von Peter Jochen Winters (1970): Das Bremer Universitäts-Debakel. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.07.1970. Winters Beitrag enthielt ebenfalls heftige Kritik an den Sozialdemokraten und stellte angesichts des „Universitäts- Debakels“ sogar Bremens Selbständigkeit als Bundesland in Frage. 170Bspw. Günther Gillessen (1969): Die Unterwanderung einer Fakultät. Beobachtungen aus Instituten der Freien Universität Berlin. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.12.1969. 171Siehe etwa Ders. (1970): Die Politisierung der hessischen Hochschulen. In: Frankfurter Allgemei- ne Zeitung, 08.05.1970 oder Ders. (1971): Auf dem Weg zur ümgedrehten" Universität. Wie die Kommunisten die Lehre übernehmen – Methoden in Frankfurt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.12.1971. 172So bspw. Peter Jochen Winters (1971): In Bremen dominierten die marxistischen Sozialwissen- schaftler. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.03.1971 oder Kurt Reumann (1975): Die politi- sierte Universität. Das Bremer Modell und die Arbeiterkammer. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung,

247 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) stehung von „Kaderschmieden“ oder „Parteihochschulen“ wurden in solchen Beiträgen meist bestätigt. Im Aufstieg der radikalen studentischen Linken sahen die Autoren der FAZ so wie zahlreiche Professoren eine sehr reale Bedrohung für eine freie Wissenschaft und die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik.

„Panische Angst vor Sozialisten“: Liberale Perspektiven auf die rote Universität Die Ängste vor der Universität als „Brückenkopf“ der Revolution wurden keineswegs von allen Beobachtern des deutschen Hochschulwesens geteilt. Besonders in liberalen Foren wie der „Zeit“ oder dem „Spiegel“ warf man den Mahnern nicht selten Hysterie vor und plädierte – ohne die offen revolutionären Absichten der studentischen Linken zu verkennen und ohne sich mit deren Zielen oder Methoden zu identifizieren – für einen zurückhaltenderen Umgang mit dem Problem der „roten Universitäten“.173 Diese moderate Haltung offenbarte sich u.a. in der Rezeption der journalistischen Kon- kurrenz. Die ständigen Warnungen konservativer Medien vor einer Unterwanderung der westdeutschen Hochschulen durch radikale Linke wurden hier mit einer Mischung aus Unverständnis und Belustigung aufgenommen. Nina Grunenberg von der „Zeit“ warf ih- ren Berufskollegen in der Ausgabe vom 10. Juli 1970 etwa eine geradezu „panische Angst vor Sozialisten“ vor. Ihr Artikel handelte von der Bremer Universität, die sowohl in der Welt, als auch in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ heftig ins Kreuzfeuer genom- men worden war, nachdem man den ehemaligen SDS-Mann Thomas von der Vring zum Gründungsrektor ernannt hatte. Um zu beweisen, dass von der Vring den Umbau der Hochschule zu einem „Stützpunkt sozialistischer Klassenkämpfer“ beabsichtigte, hatte die Welt alte Aufsätze aus dem SDS-Zentralorgan Neue Kritik ausgegraben und – mehr oder weniger willkürlich – „hinlänglich radikale Stellen“ zitiert. Grunenberg mahnte zur Gelassenheit. Auch sie fand zahlreiche Kritikpunkte am durchaus „radikalen“ Bremer Gründungskonzept. Der „sozialistische“ Charakter der neuen Universität gehörte aller- dings nicht dazu. Um ihren Leserinnen und Lesern selbst ein Urteil zu erlauben, druckte die „Zeit“ das knappe Konzeptpapier im Wortlaut ab – während die konservative Kon- kurrenz, wie Grunenberg vielsagend anmerkte, nicht einmal näher auf dessen Inhalt eingegangen war.174 Die Aktivität linker Studentengruppen und ihre Forderungen nach „mehr Marx“ wur- den darüber hinaus nicht selten sogar als Chance für die Wissenschafts- und Methoden- vielfalt an den Hochschulen interpretiert.

28.06.1975. 173Vgl. etwa Karl-Heinz Janßen (1971): Habilitation eines Marxisten. Die Wege und Umwege des Marburger Politologen Reinhard Kühnl zur Professur. In: Die Zeit, 05.02.1971; Dietrich Bächler (1971): Die Roten und ihre Zellen. Bilanz einer studentischen Protestbewegung, die ihren Höhepunkt überschritten hat. In: Die Zeit, 05.02.1971; 174Nina Grunenberg (1970): Panische Angst vor Sozialisten. In: Die Zeit, 10.07.1970 und Thomas von der Vring (1970): Die kritische Universität ist Partei. In: Die Zeit, 10.07.1970. Der Journalist Otto Köhler widmete sich im „Spiegel“ ebenfalls der Berichterstattung von FAZ und „Welt“ über die Bremer Universität. Während Grunenberg die konservative Angst vor allem, was nur annähernd sozialistisch aussah, keineswegs „zum Lachen“ fand, begegnete Köhler der Sache mit beißendem Spott, siehe Otto Köhler (1970): Kaderschule Bremen. In: Der Spiegel, 13.07.1970.

248 4.3 Rote Universität? Hochschulpolitisierung in der öffentlichen Diskussion

Ein typisches Beispiel bildete die große Titelgeschichte des „Spiegel“ über „rote Univer- sitäten“ im Juli 1970. Richard Löwenthal hatte in diesem Heft vor den Gegnern der De- mokratie an den Hochschulen gewarnt. Die Beiträge der Redaktionsmitglieder schlugen eine völlig andere Richtung ein. In die von Beobachtern wie Löwenthal verbreitete Un- tergangsstimmung wollte der Verfasser der Titelgeschichte nicht einstimmen. Zwar hatte sich das Klima an den Universitäten der Republik auch in seinen Augen tatsächlich ver- ändert: Keine Hochschule kam heute mehr ohne „rote Fahnen und Parolen“ aus. Doch die „Freiheit der Wissenschaft“ war nicht in Gefahr und die „Alma Mater“ keine “Hebamme der Revolution“. Solche Behauptungen, meinte der „Spiegel“-Autor, entsprangen lediglich der Fantasie von Professoren, Politikern und Journalisten aus dem konservativen Lager. Die Universität als Instrument der gesellschaftlichen Umwälzung mochte eine Utopie radikal linker Studentengruppen sein. Eine unmittelbare Bedrohung war daraus jedoch nicht abzuleiten. Schließlich, so der Verfasser, enthielten alle Hochschulgesetze Klauseln, die dem Staat ein eventuell notwendiges Gegensteuern ermöglichten. Allerdings eröffnete die Aktivität der linken Studenten endlich die Chance, an deutschen Hochschulen „mar- xistische Analyse“ zu betreiben, zu etablieren und in das „Konzept wissenschaftlicher Methoden-Vielfalt“ einzugliedern.175 Dass revolutionärer Anspruch durchaus zu reformistischen Ergebnissen führen konn- te, sollte auch eine längere Reportage über die Situation am Berliner Otto-Suhr-Institut in der gleichen Ausgabe zeigen, die von den „Spiegel“-Redakteuren Wolfgang Malanow- ski und Hermann Meyn verfasst worden war. Nach ihrer Beobachtung hatte sich am OSI ein Nebeneinander von marxistischer und „bürgerlicher“ Wissenschaftspraxis einge- spielt, das weitgehend friedlich vonstatten ging und das durchaus für eine Erweiterung des wissenschaftlichen Horizonts sorgte. Demnach gaben auch liberale oder konservati- ve Mitarbeiter des Instituts zu, durch die Initiative linker Studenten auf Themen und Fragestellungen gestoßen zu sein, die man zuvor nicht gesehen hatte. Eine Übernah- me des Instituts durch radikale Linke, wie von so vielen Professoren befürchtet, hielten die Autoren des „Spiegel“ für unwahrscheinlich. Nicht nur hatten die Marxisten bei den letzten Wahlen zum Fachbereichsrat ein vergleichsweise enttäuschendes Ergebnis erzielt. Das neue Berliner Hochschulgesetz schränkte die Mitspracherechte von Studierenden und Assistenten zudem ohnehin stark ein. Der „Wissenschaftspluralismus“, dessen waren sich Malanowski und Meyn sicher, würde so schnell nicht durch einen „einzigen marxi- stischen Studiengang“ mit revolutionärer Stoßrichtung ersetzt werden. Ein Umbau zur vielzitierten Kaderschmiede war nicht in Sicht.176

Politische Maßnahmen gegen akademische „Verfassungsfeinde“ Trotz solch beschwichtigender Worte ging der Staat – wie von vielen Hochschullehrern und konservativen Medien gefordert – bald verstärkt gegen die vermeintliche Gefahr von links vor.

175Unsere Taten (1970). In: Der Spiegel, 13.07.1970. 176Wolfgang Malanowski; Hermann Meyn (1970): „Nebenan ist Bibelstunde“. SPIEGEL-Report über den Wissenschaftsbetrieb im Otto-Suhr-Institut (OSI) der Freien Universität in Berlin. In: Der Spiegel, 13.07.1970.

249 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975)

Zum einen bedeutete die sich seit Beginn der 1970er Jahre durch die Hochschulgesetze der Länder und das Rahmengesetz vollziehende Einschränkung studentischer Mitspra- cherechte, dass das von Kritikern identifizierte „Einfallstor“ für Marxisten nach und nach geschlossen werden konnte. Mit der studentischen Präsenz in der akademischen Selbst- verwaltung schwand demnach auch die Gefahr einer Politisierung von links. Darüber hinaus griff die Politik zur „Gefahrenabwehr“ immer wieder ganz direkt in Universitätsangelegenheiten ein. Insbesondere die Berufung marxistischer Hochschulleh- rer wurde in zahlreichen Fällen durch politische Intervention verhindert. Dazu gehörte etwa der von der FU Berlin umworbene Ökonom Ernest Mandel, dessen Einstellung der Berliner Senat wegen angeblich verfassungsfeindlicher Tätigkeit ablehnte und den das zu diesem Zeitpunkt von Hans-Dietrich Genscher geführte Innenministerium zudem mit einem Einreiseverbot belegte. Die Berufungsproblematik erlangte große öffentliche Aufmerksamkeit und wurde nicht zuletzt in der Tages- und Wochenpresse kontrovers diskutiert. Auch in diesem Kontext waren es überwiegend liberale Blätter wie „Zeit“ oder „Spiegel“, die nicht nur die politischen Motive bei der Ablehnung marxistischer Hochschullehrer hervorhoben, sondern diese Entwicklung außerdem stets mit kritischem Blick begleiteten.177 Durch den sogenannten „Radikalenerlass“ von Januar 1972 war die Überprüfung po-

177Siehe allgemein u.a.: Kommunisten als Hochschullehrer? SPIEGEL-Gespräch mit dem Berliner Wissenschafts-Senator Professor Werner Stein (1971). In: Der Spiegel, 18.01.1971; Kleine Chance. (Marxisten an der Universität) (1971). In: Der Spiegel, 15.02.1971; Dem Senator graut. (Marxi- sten an der Universität) (1971). In: Der Spiegel, 01.03.1971; Müssen Professoren staatstreu sein? FU-Vizepräsidentin Margeritha von Brentano und Senator Stein diskutieren über Marxisten auf Lehrstühlen (1972). In: Der Spiegel, 14.02.1972; Dieter E. Zimmer (1972): Die Freiheit braucht To- leranz. In: Die Zeit, 10.03.1972; Marion Dönhoff (1972): Das Gesetz garantiert Freiheit. In: Die Zeit, 10.03.1972. Zu Ernest Mandel: Ein Trotzkist in Berlin (1972). In: Der Spiegel, 24.01.1972; Fritz Gründger (1972): Gretchenfrage an den Senator. Mandels Berufung an die FU – Ein Testfall für „Marx an die Uni“. In: Die Zeit, 25.02.1972; Ders. (1972): Sturmbeginn. FU-Streit um Mandel. In: Die Zeit, 03.03.1972; „Besetzung der Fabriken – na klar“. Der von der Bundesrepublik abge- wiesene belgische Hochschullehrer Mandel über Umsturz und Räterepublik (1972). In: Der Spiegel, 06.03.1972; Hartmut Jäckel (1972): Ein Prediger des Klassenkampfes. Der Trotzkist Ernest Mandel macht keinen Hehl aus seinem Willen zur Revolution. In: Die Zeit, 10.03.1972; Eine Art Steckbrief. Mandel (1972). In: Der Spiegel, 13.03.1972; Ernest Mandel (1972): „Ich bin kein Sektierer“. Ei- ne Antwort an die ZEIT. In: Die Zeit, 31.03.1972; Marion Dönhoff (1972): Antwort an Professor Mandel. Das Rätesystem ist verfassungswidrig. In: Die Zeit, 31.03.1972; Peter von Oertzen (1972): Rätesystem – nicht gegen das Grundgesetz. In: Die Zeit, 16.06.1972. Zur Berufungspraxis an der neu- en Universität Bremen, die damals vielerorts als Bastion der Linken galt: Nina Grunenberg (1971): Linke abgelehnt. Erste Berufungen für die Bremer Universität. In: Die Zeit, 23.04.1971; Dies. (1971): Es geht weiter in Bremen. Berufungsprobleme der Universität mit linkem Engagement. In: Die Zeit, 30.04.1971; Um 180 Grad. (Professoren, Bremen) (1971). In: Der Spiegel, 31.05.1971; Zweifelhaf- ter Ruf. (Professoren, Bremen) (1971). In: Der Spiegel, 07.06.1971; Nina Grunenberg (1971): Ein Kommunist in Bremen. In: Die Zeit, 06.08.1971; Keine Perspektive (1971). In: Die Zeit, 20.09.1971. Zur höchst umstrittenen Berufung des in Berlin abgelehnten und schließlich in Marburg eingestell- ten marxistischen Philosophen Hans Heinz Holz: Karl-Heinz Janßen (1971): Fetscher contra Holz. Streit um die Berufung eines Marxisten. In: Die Zeit, 05.03.1971; Karlheinz Renfordt (1971): Läßt Stein sich auf den Holzweg drängen? Streit über eine Berufung an die Freie Universität Berlin. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.03.1971; Berufung abgelehnt. Hans Heinz Holz (1971). In: Die Zeit, 29.03.1971; Karl-Heinz Janßen (1971): Nicht berufen. In: Die Zeit, 02.04.1971.

250 4.3 Rote Universität? Hochschulpolitisierung in der öffentlichen Diskussion

tentieller „Verfassungsfeinde“ im öffentlichen Dienst – insbesondere solcher von links – durch Kanzler Willy Brandt und die Regierungschefs der Länder bereits vor Beginn der Mandel-Affäre noch einmal explizit zum politischen Programm erhoben worden. Darin wurde zudem erstmals festgehalten, dass schon die Mitgliedschaft in „verfassungsfeindli- chen Organisationen“ eine Ablehnung bzw. einen Ausschluss aus dem öffentlichen Dienst begründen konnte. Aufsehen erregte darüber hinaus die sogenannte „Regelanfrage“, die Bewerber für den öffentlichen Dienst quasi einem Generalverdacht aussetzte.178 Selbstverständlich traf der umstrittene Beschluss179 immer wieder auch die Hoch- schulen. An der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg waren es v.a. Angehörige des Mittelbaus, studentische Tutoren und nicht-wissenschaftliche Angestellte, die dem Ra- dikalenerlass zum Opfer fielen. Besonders Studierende versuchten auf das in ihren Au- gen grundgesetzwidrige Vorgehen aufmerksam zu machen – man sprach etwa regelmäßig von „Gesinnungsschnüffelei“, vom „Schieß-Erlaß“ oder „faschistischen“ Methoden – und Kommilitonen wie Hochschullehrer gegen die „Berufsverbote“ zu mobilisieren. Zu die- sem Zweck dokumentierten sie Fälle in den hauseigenen Informationsblättern, entwarfen Flugblätter und Broschüren, betrieben Informationsstände in der Innenstadt, oder or- ganisierten Diskussions- und Protestveranstaltungen.180 Die Freiburger Universitätsleitung hielt sich mit öffentlichen Stellungnahmen zu den vermeintlichen „Berufsverboten“ und den studentischen Protest demonstrativ zurück.181 Trotz aller Kritik wurde die strenge Prüfung der Verfassungstreue jedoch nicht nur hier fortgesetzt. Zwar kündigte die Bundesregierung den „Radikalenerlass“ im Jahr 1976 ein- seitig auf. Seine Anwendung blieb somit den einzelnen Ländern überlassen. Allerdings waren es gerade CDU-geführte Regierungen wie in Baden-Württemberg, die das Instru- ment trotz wachsenden Widerstands auch in der Folgezeit intensiv nutzten.182

178Vgl. zum Radikalenerlass jetzt Dominik Rigoll (2013): Staatsschutz in Westdeutschland. Von der Entnazifizierung zur Extremistenabwehr. Göttingen (Beiträge zur Geschichte des 20. Jahrhunderts, 13), S. 340-371. 179Beispiele für kritische Stimmen: Dieter E. Zimmer (1975): Linke im Gesinnungstest. In: Die Zeit, 06.06.1975, Theo Sommer (1975): Eine Demokratie von Duckmäusern? Verfassungstreue und Ge- sinnungsschnüffelei. In: Die Zeit, 13.06.1975 oder Ralf Dahrendorf (1975): „Radikale“ und „öffent- licher Dienst“. Eine Anmerkung. In: Die Zeit, 08.08.1975. 180Vgl.: Rechenschaftsbericht (1975). In: AStA Inform (2), S. 3-8. Siehe auch: Berufsverbote an der Uni Freiburg (1974). In: AStA Inform (7), S. 11-12; Demokratisch engagierte Studenten weiterhin vom Berufsverbot bedroht. Wettlauf von Regierung und Opposition um Aushöhlung der Grundrechte (1974). In: AStA Info (4), S. 1-2; Berufsverbot verschärft. Auch nichtbeamtete Hochschulangehörige unterliegen Gesinnungsschnüffelei (1974). In: AStA Info (8); Berufsverbote (1974). In: AStA Info (23), S. 5-8; Jetzt hagelt es Berufsverbote (1974). In: AStA Info (25), S. 1-2; Das Kesseltreiben verschärft sich. Ständig neue Berufsverbote (1974). In: AStA Info (26), S. 2-5; Der Kampf gegen die Berufsverbote wird organisiert (1975). In: AStA Info (34), S. 1-2; Aufruf zur Aktionswoche an der Uni Freiburg (1975). In: AStA Info (54), S. 1-3; Die Hexenjagd geht weiter! (1975). In: AStA Info (57), S. 1-2. 181So zum Beispiel Engler 1975 – Rechenschaftsbericht des Rektors Prof, S. 26 f. sowie Ders. (1976): Rechenschaftsbericht des Rektors Prof. Dr. Helmut Engler für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.1975. Freiburg, S. 18-20. 182Vgl. dazu ausführlich Rigoll 2013 – Staatsschutz in Westdeutschland, Kap. IV. Die „Regelanfrage“ wurde teilweise, etwa in Bayern, erst Anfang der 1990er Jahre aufgegeben.

251 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975)

Die aufgeheizte Stimmung, die an den Universitäten der Bundesrepublik um 1970 herrsch- te, trug entscheidend dazu bei, dass Expansion und Professionalisierung akademischer Öffentlichkeitsarbeit weiter voranschritten. Denn in vielen Fällen versuchten sich Hoch- schulen durch verbesserte PR ein Sprachrohr als „Gegengewicht“ zu den öffentlichkeits- wirksamen Aktionen der protestierenden Studenten zu schaffen. Unter dem Eindruck der schwierigen Lage an den Universitäten sagten staatliche Stellen nun erstmals finanzielle Unterstützung für derartige Unternehmungen zu. Dieser Entwicklung widmet sich das abschließende Kapitel.

4.4 Akademische Öffentlichkeitsarbeit um 1970

„Forschungsprojekt über Pressestellen an den Hochschulen vergeben“. Unter dieser Über- schrift verkündete der Pressedienst des Bundesministeriums für Bildung und Wissen- schaft am 13. April 1972 das Ergebnis eines Wettbewerbs, den die Behörde knapp ein Jahr zuvor, im Mai 1971, öffentlich ausgeschrieben hatte. Ziel: „Erarbeitung eines Or- ganisationsmodells für die Tätigkeit der Pressestellen an den Hochschulen“. Das Pro- jekt war im November 1970 vom damaligen Staatssekretär im Wissenschaftsministerium angeregt worden. Dohnanyi hatte den Hochschulpressestellen an- lässlich einer „Informationstagung der Pressereferenten“ in Bonn seine Unterstützung zugesagt und betont, man müsse „neue Wege und Methoden“ finden, um die Arbeit sol- cher Abteilungen „wirksamer“ zu gestalten. Fünf „Bewerbungen“ gingen schließlich im Bundeswissenschaftsministerium ein. Den Zuschlag erhielten die Pressereferenten der FU Berlin und der Universität Heidelberg – Peter Dehn und Ekkehard Nuissl – die einen gemeinsamen Vorschlag eingereicht hatten.183 Die Ergebnisse des mit 21000 DM dotierten Projekts wurden im Jahr 1973 publi- ziert.184 In der vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft herausgegebenen Stu- die entwickelten die Pressereferenten aus Berlin und Heidelberg das geforderte „Organi- sationsmodell“, hielten in einem kürzeren Abschnitt aber zunächst die aktuelle Situation von Öffentlichkeitsarbeit an den Hochschulen der Bundesrepublik fest. Die Ausführun- gen von Nuissl und Dehn ließen erkennen, dass sich die Lage in den zurückliegenden fünf Jahren grundlegend verändert hatte. Akademische Öffentlichkeitsarbeit war in eine neue Phase eingetreten. Hochschulpressestellen wurden jetzt auf der einen Seite zunehmend professionalisiert und immer häufiger mit Geldern aus staatlichen Haushalten ausgestattet. Insgesamt ver- besserten sich Personalsituation sowie finanzielle und technische Ausstattung. Zweitens setzte unter den Pressereferenten der Hochschulen bzw. unter den Mitarbeitern der Pres- sestellen eine lebhafte Debatte über das eigene Selbstverständnis und Konzepte akade- mischer Öffentlichkeitsarbeit ein. Die Auftragsarbeit von Nuissl und Dehn war nur eines von vielen Beispielen. Mit den erweiterten personellen bzw. finanziellen Möglichkeiten sowie dem insgesamt erhöhten Status von Public Relations im Hochschulbereich konnte

183Forschungsprojekt über Pressestellen an den Hochschulen vergeben (1972). In: Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, Pressedienst, 13.04.1972, S. 2. 184Dehn, Nuissl 1973 – Organisationsmodell Hochschulpressestellen.

252 4.4 Akademische Öffentlichkeitsarbeit um 1970

akademische Öffentlichkeitsarbeit schließlich drittens auch in der Praxis ausgebaut und erneuert werden. Mit diesen Entwicklungen wird sich das folgende Kapitel befassen. Der Fokus liegt auf der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, die in vielerlei Hinsicht ein typisches Beispiel für die Entwicklung von Public Relations an deutschen Hochschulen um 1970 darstellte. Auch hier trat Öffentlichkeitsarbeit durch eine verbesserte personelle wie fi- nanzielle Ausstattung, Ansätze zur Professionalisierung und den mittlerweile in der Uni- versitätssatzung festgeschriebenen Status der Pressestelle – wie der scheidende Rektor Bruno Boesch 1970 in seinem Rechenschaftsbericht treffend formulierte – in ein „neues Stadium ihrer Entwicklung“ ein.185

4.4.1 Hochschulpressestellen um 1970: Expansion, „Etatisierung“, Professionalisierung

Am 15. Juni 1967 fand in Freiburg die alljährliche Vorstands- und Beiratssitzung des Verbands der Freunde der Universität statt. Auf der Tagesordnung stand u.a. die Finan- zierung des Pressereferenten der Freiburger Hochschule, die schon seit vielen Jahren aus Mitteln des VDF bestritten wurde. Im Rahmen der Diskussion meldete sich auch der Schatzmeister des Verbands, der Freiburger Privatbankier Adolph Krebs, zu Wort. Krebs hinterfragte die nicht unbeträchtlichen Ausgaben, die der Verband jedes Jahr für die Öf- fentlichkeitsarbeit an der Universität leistete. In seinen Augen gehörte eine solche Stelle „eigentlich vom Staat bezahlt“. Der ebenfalls anwesende Rektor der Universität Helmut Baitsch stimmte Krebs vollen Herzens zu. Auch er bedauerte die zögerliche Haltung der staatlichen Stellen in dieser Frage und versprach sich der Sache anzunehmen.186 In der Tat hatten Hochschulen ihre Kosten für Öffentlichkeitsarbeit bis Ende der 1960er Jahre häufig nur mit Unterstützung Dritter – beispielsweise von Fördergesell- schaften wie dem „Verband der Freunde“ – oder durch interne Umschichtung von Haus- haltsmitteln finanzieren können. Planstellen existierten kaum. Dabei hatte man sich in Freiburg wie auch andernorts durchaus schon seit einiger Zeit um entsprechende Posten in den öffentlichen Haushalten bemüht.187 Noch im Januar 1967 war unter Baitschs Re- gie eine Etatstelle für einen hauptamtlich tätigen Pressereferenten beantragt worden.188 Die Stelle wurde zunächst nicht bewilligt.189 Erst als die Universität ihren Antrag im

185Boesch 1970 – Jahresbericht über die Rektoratszeit 1968-1970, S. 36 f. 186Vorstands- und Beiratssitzung des Verbandes der Freunde der Universität Freiburg am 15.6.1967 (29.06.1967). Universitätsarchiv Freiburg, E 1/110. Übertragung der Stenogramm-Notizen. 187Siehe bspw.: Etatisierung des Aufwands 1965. Diehm, Rektor in Tübingen, setzte sich für eine „Eta- tisierung“ der Hochschulpressestellen ein und schlug vor, die Angelegenheit im Rahmen der baden- württembergischen Landesrektorenkonferenz zu koordinieren. Zu den Freiburger Bemühungen etwa Baitsch 14.12.1967 – Der Rektor der Universität Freiburg. 188Akademisches Rektorat der Universität Freiburg (02.01.1967): Antrag auf Stellenbewilli- gung zum Haushaltsplan für 1968 für einen Pressereferenten der Universität. Universitätsarchiv Freiburg, B 2/1809. 189Universitätsarchiv Freiburg 29.6.1967 – Vorstands- und Beiratssitzung des Verbandes. Dem VDF gegenüber klagte Baitsch, ihm sei die Stelle für den Pressereferenten „vom Staat gestrichen“ worden.

253 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) folgenden Jahr praktisch wortgleich zum zweiten Mal vorlegte190, war die Initiative von Erfolg gekrönt. Im Haushaltsjahr 1969 stand die gewünschte Planstelle zur Verfügung.191 Ihren Vorstoß hatte die Albert-Ludwigs-Universität in erster Linie mit dem seit den 1960er Jahren stark ansteigenden Interesse der Öffentlichkeit an Hochschulfragen be- gründet. Dass nicht nur in Freiburg bzw. in Baden-Württemberg gerade um 1970 erst- mals in größerem Maßstab staatliche Gelder für Öffentlichkeitsarbeit bewilligt wurden, hing jedoch ganz entscheidend mit der Radikalisierung der studentischen Proteste zu- sammen. Insbesondere der geschickte Umgang der Studentenbewegung mit Öffentlichkeit – durch Studentenzeitungen und Flugblätter, durch Demonstrationen und andere publi- kumswirksame Aktionen – hatte viele Akademiker, aber auch Vertreter aus Wirtschaft und Politik davon überzeugt, dass Hochschulen ihren eigenen Positionen in der Öffent- lichkeit nachdrücklicher Gehör verschaffen mussten und dabei nicht zuletzt auf staatliche Hilfe angewiesen waren.192 Seit Universitäten zum „Ort politischer Auseinandersetzungen“ geworden waren, hielt etwa der Stifterverband in einem Brief an das baden-württembergische Kultusministe- rium vom 27. Januar 1969 fest, trat deren oft mangelhafte Öffentlichkeitsarbeit und die daraus resultierende „Isolierung“ in besonders „erschreckendem Maße“ zutage. Einige Tage zuvor hatte der Verband zu einer „Arbeitstagung“ in Bad Godesberg geladen, um eine „Bestandsaufnahme“ über Public Relations im Hochschulbereich durchzuführen. Die Bundesländer, das hatte die Konferenz gezeigt, durften nicht länger zögern, Universitä- ten mit „funktionsfähigen Pressestellen“ auszustatten. Dazu gehörten v.a. „angemessen dotierte Stellen“ und ein „ausreichender Sachetat“.193 In seiner Antwort vom 17. Fe- bruar 1969 bestätigte das Kultusministerium den Stifterverband in seiner Auffassung. Man versprach alles zu tun, damit die Universitäten des Landes ihren „Aufgaben in der Öffentlichkeitsarbeit“ nachkommen konnten.194 Als Ekkehard Nuissl und Peter Dehn im Jahr 1973 ihren Bericht veröffentlichten, verfügten tatsächlich nahezu alle Hochschulen in der Bundesrepublik über Planstellen für hauptamtliche Mitarbeiter. Obwohl, so Nuissl und Dehn, noch immer zu knapp bemessen und nicht immer „sachgerecht vollzogen“, hatte sich die Personalsituation im Vergleich zu den 1960er Jahren und selbst im Vergleich zum Stand von 1970 deutlich verbessert. Nicht zuletzt waren die Sachetats erheblich aufgestockt worden, auch wenn die finanziellen Mittel insgesamt noch immer recht dürftig ausfielen. Im Haushalt des Landes Baden-Württemberg war für das Jahr 1970 beispielsweise zum ersten Mal ein

190Akademisches Rektorat der Universität Freiburg (16.01.1968): Antrag auf Bewilligung einer Angestelltenstelle zum Haushaltsplan für 1969 für einen Pressereferenten der Universität. Universi- tätsarchiv Freiburg, B 116/1014. 191Vgl. Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 63 f. 192Vgl. Möller 1970 – Die Pressestellen der deutschen Hochschulen, S. 20 und S. 56 f. sowie Klaus Viedebantt (1969): Die Öffentlichkeitsarbeit der Universitäten. In: Der Journalist 19 (8), S. 24. Siehe auch Paulus 2010 – Vorbild USA, S. 443. Für Freiburg Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 95-97. 193Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft an den Kultusminister des Landes Baden-Württemberg (27.01.1969). Hauptstaatsarchiv Stuttgart, EA 3/907-23. 194Kultusministerium des Landes Baden-Württemberg an den Stifterverband für die Deutsche Wissen- schaft (17.02.1969). Hauptstaatsarchiv Stuttgart, EA 3/907-23.

254 4.4 Akademische Öffentlichkeitsarbeit um 1970

Posten für „Information und Öffentlichkeitsarbeit“ an der Albert-Ludwigs-Universität in Höhe von 20.000 DM aufgenommen worden.195 Akademische Öffentlichkeitsarbeit wurde am Ende der 1960er Jahre also ausgebaut und „etatisiert“, unterlag darüber hinaus aber auch einem Professionalisierungs- und Aus- differenzierungsprozess. Dass sich Dozenten oder Professoren neben ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit dem Geschäft der Öffentlichkeitsarbeit widmeten, wie es bis zu die- sem Zeitpunkt weithin üblich gewesen war, kam jetzt immer seltener vor. Stattdessen setzte man zunehmend auf Personen mit Erfahrung im journalistischen Bereich bzw. im Feld der Public Relations.196 Darüber hinaus waren erste Ansätze für eine berufliche Or- ganisation im Feld der universitären Öffentlichkeitsarbeit zu erkennen. So formierte sich unter der Bezeichnung „Arbeitsgemeinschaft der Hochschulpressestellen“ im Jahr 1969 ein „Kollegenkreis“, der – zunächst noch eher informell – in jährlichen „Arbeitstreffen“ die gemeinsamen Probleme der akademischen Pressestellen diskutierte.197 Die Tendenz zur Professionalisierung machte sich auch in Freiburg bemerkbar. In den Bewilligungsanträgen von 1967 und 1968 hatte die Albert-Ludwigs-Universität ausdrück- lich einen „journalistisch versierten Mitarbeiter“ bzw. einen „qualifizierten, erfahrenen Praktiker des Journalismus“ für die Leitung der Pressestelle gefordert, die zu diesem Zeit- punkt noch nebenamtlich von dem Forstwissenschaftler Gerd Hildebrand geführt wurde. Tatsächlich konnte man für die in der Zwischenzeit mit einer Planstelle ausgestattete Abteilung einen Mann mit praktischer Erfahrung gewinnen. Jan Rahmelow hatte Ger- manistik und Geschichte in Hamburg und Graz studiert. Seine Promotion behandelte ein publizistisches Thema.198 Danach war Rahmelow mehrere Jahre als Pressereferent für eine Kommunalverwaltung in Westfalen sowie in ähnlicher Funktion für den Bremer Se- nat tätig gewesen. Im September 1969 übernahm er die Leitung der mittlerweile auch in der neuen Grundordnung verankerten Pressestelle der Albert-Ludwigs-Universität. Gerd Hildebrand wurde zum außerplanmäßigen Professor ernannt und widmete sich wieder voll und ganz seiner wissenschaftlichen Tätigkeit.199 Rahmelows Berufung sorgte nicht nur in der Praxis für neue Impulse in der Freibur- ger Öffentlichkeitsarbeit, beispielsweise durch die maßgeblich von ihm gestaltete und weiterentwickelte Hochschulzeitung uni-presse. Der neue Mann in der Pressestelle der Albert-Ludwigs-Universität schaltete sich auch von Beginn an aktiv in die um 1970 er- neut aufkeimende „theoretische“ Diskussion um Public Relations im Hochschulbereich ein.

195Siehe Dehn, Nuissl 1973 – Organisationsmodell Hochschulpressestellen, S. 41-53, S. 102 sowie die Tabellen im Anhang. Für Freiburg: Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 65. 196Vgl. etwa die Angaben zu den einzelnen Hochschulen bei Möller 1970 – Die Pressestellen der deutschen Hochschulen. 197Dehn, Nuissl 1973 – Organisationsmodell Hochschulpressestellen, S. 42. Seit 2008 firmiert der Zusam- menschluss als „Bundesverband Hochschulkommunikation“. Online-Auftritt unter: http://www.bun- desverband-hochschulkommunikation.de, zuletzt geprüft am 1.2.2015. 198Jan Rahmelow (1966): Die publizistische Natur und der historiographische Wert deutscher Volks- lieder um 1530 (Dissertation). Hamburg. 199Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 63-66.

255 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975)

4.4.2 „dpa ihrer Universität“? Konzepte akademischer Öffentlichkeitsarbeit und das Selbstverständnis der Freiburger Pressestelle Vor dem Hintergrund der Professionalisierungs- und Differenzierungsprozesse setzte im Umfeld der Hochschul-Pressereferenten um 1970 eine rege Diskussion über das eigene berufliche Selbstverständnis und Konzepte akademischer Öffentlichkeitsarbeit ein.200 Im Mittelpunkt standen dabei v.a. zwei miteinander verbundene Fragen. Zum einen ging es um das Problem der „Autonomie“: Waren Hochschulpressestellen unabhängige Einrich- tungen oder „Propagandainstrumente“ von Rektor und Universitätsleitung? Eine zweite Frage drehte sich um den politischen Standort akademischer Öffentlichkeitsarbeit: War eine politisch „neutrale“ Öffentlichkeitsarbeit möglich und sinnvoll, oder wollte man mit Public Relations im Hochschulbereich aktiv politische Ziele verfolgen? Ekkehard Nuissl und Peter Dehn, die Sieger der vom Bundeswissenschaftsministerium veranstalteten Ausschreibung zur Entwicklung eines „Organisationsmodells Hochschul- pressestellen“, bekannten sich ausdrücklich zum „politischen Charakter“ ihrer Tätigkeit. Akademische Öffentlichkeitsarbeit war für sie „hochschul- und gesellschaftspolitische Ver- pflichtung“ und nicht zuletzt ein wichtiges Mittel, um „progressive“ Hochschulreformen vorantreiben zu können.201 Wie ein großer Teil seiner Kollegen konnte Jan Rahmelow mit einem politischen Selbst- verständnis, wie es Nuissl und Dehn in ihrem „Organisationsmodell“ formulierten, nicht viel anfangen.202 Der Freiburger Pressereferent vertrat stattdessen eine Position, die Hochschulpressestellen als „objektive“ Informationsmittler nach innen und außen begriff, als eine Art „Nachrichtenagentur“ oder „dpa ihrer Universität“. Im Mittelpunkt seines Programm stand die Forderung nach „politischer Enthaltsamkeit“. Die „hochschulpoliti-

200Die Diskussion wurde in Fachpublikationen wie „Der Journalist“ – dem Organ des „Deutschen Journalisten-Verbands“ – und der „Deutschen Universitätszeitung“, aber auch in der allgemeinen Tages- und Wochenpresse geführt. Siehe Viedebantt 1969 – Die Öffentlichkeitsarbeit der Universitä- ten. Viedebantt war Pressereferent an der Universität Frankfurt; Lutz Franke (1970): Pressestellen der deutschen Hochschulen. Instrument der Rektoren? In: Die Welt, 01.12.1970; Jan Rahmelow (1971): Universitätspressestellen – gibt’s die? In: Deutsche Universitätszeitung 26 (5), S. 147-150; Lutz Franke (1971): Der Hochschulpressereferent. Politischer Sekundant oder Informationsmakler? In: Der Journalist 21; Jürgen Nieraad (1971): Hochschulpressereferenten zwischen den Stühlen – ratlos. In: Deutsche Universitätszeitung 26 (7), S. 215. Nieraad war für die Öffentlichkeitsarbeit der Universität Bielefeld verantwortlich; Peter Dehn (1971): Information und Hochschulreform. Zur Aussprache über die Hochschul-Pressestellen. In: Deutsche Universitätszeitung 26 (8), S. 242-243; Gerhard Dette (1972): „Schon vorab praktisch verzichtbar“? Zu Lutz Frankes Kritik an der Ver- gabe des Forschungsauftrags über Hochschulpressestellen. In: Deutsche Universitätszeitung 27 (12), S. 509-510; Peter Dehn (1972): Einen Dialog konnte die Reform nicht erzwingen. In: Frankfurter Rundschau, 17.08.1972, S. 18; Ekkehard Nuissl (1972): Ziel: Organisationsmodelle. In: Deutsche Universitätszeitung 27 (9), S. 386-387; Ders. (1972): Eine Öffentlichkeit gibt es noch immer nicht. In: Frankfurter Rundschau, 07.09.1972. 201Dehn, Nuissl 1973 – Organisationsmodell Hochschulpressestellen, S. 38-40; Vgl. Dehn 1971 – Infor- mation und Hochschulreform sowie Dette 1972 – Schon vorab praktisch verzichtbar. 202Vgl. Lutz Franke (1972): 20000 Mark von progressiver Großmutter zu Bonn geerbt. In: Univer- sitäts Nachrichten – Mitteilungen der Universität Stuttgart (12). Das „gros“ der Pressereferenten, behauptete Franke, „folgte“ Rahmelows Modell der Pressestelle als Nachrichtenagentur.

256 4.4 Akademische Öffentlichkeitsarbeit um 1970

sche Einstellung“ eines Pressereferenten – ob er beispielsweise die Einführung der Drit- telparität für geboten hielt oder nicht – war in seinen Augen vollkommen uninteressant. Durch „objektive Information“ wollte Rahmelow zu „sachgerechter Meinungsbildung in Hochschulangelegenheiten“ beitragen. Wenigstens dem eigenen Anspruch nach wurde seine Arbeit nicht von politischen, sondern ausschließlich von „journalistischen Gesichts- punkten und Erfordernissen“ bestimmt.203 Nicht zuletzt in diesem Zusammenhang plädierte der Freiburger Pressereferent ein- dringlich für die Eigenständigkeit seiner Abteilung gegenüber der Universitätsleitung, obwohl sie formal dem Rektor unterstellt war. Die Pressestelle sollte eine „selbständige Dienststelle“ sein, keine „Interessenvertretung der Rektoren“.204 Nur vereinzelt erhob sich Widerspruch. So zweifelte etwa Jürgen Nieraad, verantwortlich für Öffentlichkeitsarbeit an der neu gegründeten Universität Bielefeld, die Umsetzbarkeit von Rahmelows Mo- dell in der Deutschen Universitätszeitung an. In seinen Augen konnte eine akademische „Nachrichtenagentur“ nach Freiburger Art keine solide Außendarstellung der Hochschu- le leisten. Einen „Pressesprecher“ als direkte Vertretung der Universitätsleitung hielt Nieraad für unverzichtbar.205 Alles in allem wurde Rahmelows Haltung jedoch von den meisten Kollegen geteilt. So hielten die Pressereferenten 1970 in einer gemeinsamen Be- schlussvorlage für die Rektorenkonferenz fest, dass Öffentlichkeitsarbeit zwar keineswegs „losgelöst von der Universitätsspitze“ betrieben werden, inhaltlich aber auch nicht von deren Weisungen abhängig sein durfte. Eine Pressestelle, hieß es, musste immer in der Lage sein, „unabhängig Nachrichten aus der Hochschule zu verbreiten“.206 Als die WRK ihre „Erklärung zur Öffentlichkeitsarbeit der Hochschulen und zur Einri- chung von Presse- und Informationsstellen“ schließlich im Januar 1971 publizierte, waren die besagten Passagen gestrichen worden. Stattdessen wurden Pressestellen hier sogar explizit als „Instrument der Informationspolitik der Universitätsspitze“ beschrieben.207 Trotz zum Teil stark divergierender Standpunkte in hochschulpolitischen Fragen, klag- ten Eberhard Nuissl und Peter Dehn, verfolgten die Rektoren offenbar zumindest ein gemeinsames Interesse: Öffentlichkeitsarbeit auch in Zukunft „inhaltlich zu kontrollie- ren“.208

Die unterschiedlichen Vorstellungen über die „Autonomie“ und den „politischen Cha- rakter“ akademischer Public Relations-Abteilungen, die sich hier offenbarten, schlugen immer wieder auf die Praxis durch. An der Universität Freiburg trat dieses Problem be- sonders in den Diskussionen um die neue Hochschulzeitung „uni-presse“ in Erscheinung, die im Kontext der Studentenproteste am Ende der 1960er Jahre gegründet worden war

203Rahmelow erläuterte sein Programm in zwei Aufsätzen: Jan Rahmelow (1970): Pressereferent an einer Universität – zum Beispiel in Freiburg. In: Freiburger Universitätsblätter 9 (27), S. 45-54 und Ders. 1971 – Universitätspressestellen. Vgl. auch Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 65-68. 204Rahmelow 1970 – Pressereferent an einer Universität, S. 47. Vgl. Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 63. 205Nieraad 1971 – Hochschulpressereferenten zwischen den Stühlen. 206Dehn, Nuissl 1973 – Organisationsmodell Hochschulpressestellen, Kap. 9.4.1 (Anhang), S. 3. 207Abgedruckt in ebd., Kap. 9.4.2 (Anhang), hier S. 1. Vgl. auch ebd., S. 40. 208Ebd. 1973 – Organisationsmodell Hochschulpressestellen, S. 40.

257 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) und sogleich heftig unter Beschuss geriet.

4.4.3 PR in der Praxis: Die Universität Freiburg um 1970 „Muff-Press“? Die neue Hochschulzeitung „Uni-Presse“ „Die Universitäten sind schon längst keine Öffentlichkeits-Muffel mehr“. Mit diesen Wor- ten wandte sich der Freiburger Pressereferent Jan Rahmelow am 15. Oktober 1969 in der Hochschulzeitung „uni-presse“ an Studierende und Lehrende der Albert-Ludwigs- Universität. Nicht wenige Hochschulen in der Bundesrepublik, so Rahmelow, hatten in- zwischen „Pressestellen, Informationsdienste und Mitteilungsblätter“ ins Leben gerufen. Ein ebensolches „Mitteilungsblatt“ sei auch die „uni-presse“.209 Es war die erste Ausgabe der Hochschulzeitung, die der Freiburger Pressereferent als verantwortlicher Redakteur betreute. Als Herausgeber firmierte offiziell der Rektor der Universität. Zu diesem Zeitpunkt, im Oktober 1969, existierte die Publikation schon seit mehr als einem Jahr. Die erste Ausgabe von uni-presse war am 1. Juli 1968 erschienen, nachdem der Rektor den Verband der Freunde davon hatte überzeugen können, zu- mindest übergangsweise die finanziellen Mittel für einen Redakteur – den promovierten Anglisten Ulrich Cürten – bereitzustellen.210 Rahmelow hatte uni-presse also bei Amts- antritt „vorgefunden“, wie er in einem Beitrag in den Freiburger Universitätsblättern berichtete, engagierte sich aber von Anfang an um einen Ausbau und eine Weiterent- wicklung der Zeitung.211 Im Dezember 1972 wurde die Publikation aufgrund von perso- nellen und finanziellen Schwierigkeiten in der Pressestelle kurzzeitig unterbrochen. Seit Mai 1973 erschien sie dann als lokale Beilage des überregionalen Hochschul-Magazins, an dessen Gründung Rahmelow – gemeinsam mit den Pressereferenten aus Karlsruhe, Stuttgart und Ulm – entscheidend beteiligt gewesen war.212 Profil und Ziele der „uni-presse“ waren nicht eindeutig definiert und wirkten zum Teil geradezu widersprüchlich. Aus diesem Grund stand das Blatt auch von Beginn an im Visier v.a. studentischer Kritik.213 Angesichts der bevorstehenden Beratungen über eine neue Grundordnung wollte Rektor Boesch auf der einen Seite den immer lauter werdenden Rufen nach einem transparenteren Entscheidungsprozess an der Universität entgegen kommen. Uni-presse sollte sich zu einer Informations- und Kommunikations- plattform entwickeln, die ausdrücklich allen Gruppen der Hochschule offen stand.214 So informierte das Blatt eingehend über das „Innenleben“ der Universität, verbreitete Neu- igkeiten aus dem Rektorat, berichtete über die Arbeit der akademischen Gremien auf allen Ebenen, ließ aber durchaus auch Meinungsäußerungen zu. In den ersten Ausgaben

209Jan Rahmelow (1969): Keine Muffel. In: Uni-Presse 2 (7), S. 1. 210Der Rektor der Universität Freiburg Boesch an den Vorsitzenden des Verbands der Freunde der Universität Freiburg Kromer (17.05.1968). Universitätsarchiv Freiburg, B 2/437. 211Siehe Rahmelow 1970 – Pressereferent an einer Universität. 212Vgl. Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 79-81. Zur Entstehung des Hochschul- Magazins ebd., S. 76 f. 213Vgl. ebd., S. 62. 214Vgl. ebd., S. 57-59; Bruno Boesch (1968): . . . vom Schreibtisch des Rektors. In: Uni-Presse 1 (1), S. 1.

258 4.4 Akademische Öffentlichkeitsarbeit um 1970

dokumentierte „uni-presse“ zum Beispiel die Beratungen der GOV und ließ die Beteilig- ten zu Wort kommen. Seit März 1969 wurden regelmäßig Auszüge aus Senatsprotokollen veröffentlicht.215 Auf der anderen Seite machte Boesch unmissverständlich klar, dass er die neue Publi- kation sehr wohl als „Blatt der Exekutive“ verstand und die Hochschulzeitung als eine Art „Gegenspieler“ der Studentenbewegung und ihrer Öffentlichkeitspolitik zu etablieren gedachte. So kündigte der Rektor nicht nur mehrfach an, „unsachliche“ oder „polemi- sche“ Beiträge zu zensieren bzw. ihre Veröffentlichung schlicht zu verweigern – wobei die Einschätzung der „Sachlichkeit“ natürlich allein in seinem Ermessen lag.216 Boesch begründete die Notwendigkeit einer Hochschulzeitung teilweise auch ganz unverblümt mit der starken öffentlichen Präsenz der Studentenbewegung, der die Universität seiner Ansicht nach entgegen treten musste. Die „Verhältnisse an unserer Hochschule“, erklär- te der Rektor beispielsweise in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Verbands der Freunde Krömer vom 17. Mai 1968, hatten sich mittlerweile „so zugespitzt“, dass „die publizistische Aktivierung nicht länger hinausgeschoben“ werden durfte. Ein besonders großes Problem sei die enorme „studentische Presseflut“. Auf die öffentliche Präsenz der Studierenden, so Boesch, musste die Universität „unbedingt rasch . . . antworten können“. Die Veröffentlichung eines „universitären Informationsblattes“ sollte dies ermöglichen.217 Dass der Rektor die vermeintlich neutrale „uni-presse“ offenbar als „Propagandainstru- ment“ der Universitätsleitung einzusetzen versuchte, stieß wenig überraschend besonders bei Studierenden immer wieder auf scharfe Kritik. Als eine Stellungnahme des Freibur- ger AStA zur Grundordnung im April 1969 nicht abgedruckt wurde – die Redaktion sprach von mangelnder Sachlichkeit, „agitatorischen Beimischungen“ und „emotionalen Formen der Meinungsäußerung“ – entwarf die Studentenvertretung unter der Überschrift „muff-press – Mitteilungen der Restuniversität“ ein geharnischtes Flugblatt. Das neue Informationsmedium der Hochschule, hieß es dort, sei in Wahrheit ein „Kampfblatt“ des Rektors, das sich nur den „Anschein eines Organs mit pressefreiheitlichen Grundsätzen“ gab. Uni-presse, so die studentischen Verfasser weiter, konnte sich jederzeit zu einem reinen „Regierungsbulletin“ entwickeln, wenn der Rektor es nur wünschte.218 Einige Mo- nate später ging ein Artikel in der Freiburger Studentenzeitung noch einen Schritt weiter. Demnach verfolgte „uni-presse“ eine politische Agenda. Rektor und Redaktion, behaup- teten die Studenten, waren Erfüllungsgehilfen von Staat und Industrie. Die Hochschul- zeitung sei letztlich ein Instrument der gesellschaftlichen Kräfte, die „das Bestehende bewahren“ und die „kritische Studentenbewegung zerschlagen“ wollten. Die beiden Au- toren schlugen vor, uni-presse von nun an auf „angerauhtem Papier“ zu drucken. Denn

215Universitätsarchiv Freiburg [1969] – Protokoll über die Senatssitzung: Der Pressereferent der Uni- versität soll nach einer Entscheidung des Senats künftig an den Senatssitzungen teilnehmen und über „allgemeine Senatsbeschlüsse in der Uni-Presse berichten“.Vgl. insgesamt zu den inhaltlichen Schwerpunkten der uni-presse Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 61 f. 216Vgl. Boesch 1968 – . . . vom Schreibtisch des Rektors; Protokoll über die Senatssitzung am Mittwoch, den 7. Mai 1969 ([1969]). Universitätsarchiv Freiburg, B 2/2970. 217Universitätsarchiv Freiburg 17.5.1968 – Der Rektor der Universität Freiburg. 218Vgl. Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 59 f.

259 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) dann konnte das Blatt „zumindest auf den Uni-Klos sinnvoll benutzt werden“.219 Pressereferent Rahmelow selbst hatte sich stets für „Neutralität“ und „Selbstständig- keit“ von Hochschulpressestellen ausgesprochen. Die Gefahr einer Indienststellung des Freiburger Mitteilungsblattes durch die Universitätsspitze sah er im Gegensatz zu Teilen der Studentenschaft allerdings nicht. So betonte Rahmelow zumindest öffentlich immer wieder die Unterstützung, die er von Bruno Boesch und dessen Nachfolger im Rektoramt, dem Forstwissenschaftler Hansjürg Steinlin, in seiner Arbeit erhielt. Entgegen der stu- dentischen Kritik hatten Boesch und Steinlin die „redaktionelle Eigenverantwortlichkeit der Pressestelle“ nach seiner Erfahrung sogar „bewußt gefördert“. Die formale Unterstel- lung seiner Abteilung und der Hochschulzeitung unter die Universitätsleitung bedeutete ihm zufolge keineswegs eine „Bindung an die Person“ oder an die „politische Linie“ des jeweiligen Rektors.220 Sowohl Rahmelow als auch Boesch und Steinlin zeigten sich mit der Entwicklung der „uni-presse“ um 1970 also sichtlich zufrieden. In ihren Augen be- fand sich das Blatt tatsächlich auf dem besten Weg zu einem allgemeinen Informations- und Diskussionsforum, das die Universität zu einem transparenteren und damit letzten Endes auch demokratischeren Ort machen konnte.221

Mit Aufbau und Weiterentwicklung der Hochschulzeitung uni-presse hatten sich Univer- sitätsleitung und Pressereferent Rahmelow seit Ende der 1960er Jahre gemeinsam um ei- ne Verbesserung der internen Öffentlichkeitsarbeit an der Hochschule bemüht. Gleichzei- tig traten jetzt Veränderungen in der Außendarstellung der Albert-Ludwigs-Universität ein. Zwei Initiativen waren in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Auf der einen Seite versuchte man im Rahmen einer sogenannten „Hochschulwoche“ gewis- sermaßen die Öffentlichkeit in die Universität zu locken und so einen direkten, nicht über Massenmedien oder sonstige Publikationen vermittelten Kontakt zu etablieren. Darüber hinaus sollte die Wissenschaftsberichterstattung der Freiburger Hochschule v.a. durch die Veröffentlichung umfassender „Forschungsberichte“ weiter ausgebaut werden.

Forschungsberichte Am 25. Januar 1971 wandte sich die Rundfunkjournalistin Rosemarie Bungert vom Süd- westfunk mit einem Brief an den Rektor der Universität Freiburg Hansjürg Steinlin. Bungert, die das SWF-Studio in Freiburg leitete und auch Mitglied im Freiburger Uni- versitätsbeirat war, erinnerte Steinlin an eine Bemerkung aus seinem Eingangsreferat während der letzten Beiratssitzung. Der Rektor hatte dort behauptet, die Presse be- richte „leider“ nur dann über die Universität, wenn „Unruhen oder Demonstrationen“ stattfanden. Der Südwestfunk, ließ Bungert Steinlin wissen, würde es grundsätzlich ja sehr „begrü-

219Müller; Raspe (1969): Muff-Press. In: Freiburger Studentenzeitung 19 (8), S. 8. 220Rahmelow 1971 – Universitätspressestellen, S. 150. Vgl. auch: Der Rektor der Universität Freiburg Boesch an Jan Rahmelow, Pressereferent der Universität (31.07.1970). Universitätsarchiv Freiburg, B 2/43. 221Vgl. Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 77 f.; Boesch 1970 – Jahresbericht über die Rektoratszeit 1968-1970, S. 37.

260 4.4 Akademische Öffentlichkeitsarbeit um 1970

ßen“, über neue Forschungsergebnisse aus Freiburg berichten zu können. In der Regel erhalte man darüber aber schlicht „zu wenig Information“. Journalisten könnten in ihrer „Vermittlerrolle“ nur dann wirksam werden, wenn sie von den Universitäten bzw. den Hochschullehrern mit „allgemein verständlichen Informationen“ versorgt wurden. Bei den Medien selbst sei man „nicht imstande und nicht dazu berufen, wissenschaftliche Berichte aus der Fachsprache zu übertragen“. Bungert machte dem Freiburger Rektor deshalb den Vorschlag, die Pressestelle der Universität möge einen „wissenschaftlichen Pressedienst“ herausgeben, der Journalisten regelmäßig auf verständliche Weise über neue Forschungs- ergebnisse informierte, wie es etwa die FU Berlin seit Beginn des Jahres 1971 bereits tat.222 Steinlin antwortete einige Tage später. Die von Bungert aufgeworfene Frage nach „Ver- breitung von Forschungsergebnissen“, so der Rektor, hatte man an der Universität „in letzter Zeit“ bereits mehrfach diskutiert und die Suche nach „zweckmäßigen Lösungsmög- lichkeiten“ verstärkt. Wissenschaftsberichterstattung war bekanntermaßen die „Problem- zone“ akademischer Öffentlichkeitsarbeit schlechthin, nicht nur an der Universität Frei- burg. Noch Steinlins Vorgänger Boesch hatte im Rückblick auf seine Rektoratszeit zwi- schen 1968 und 1970 betont, die Vermittlung von Forschungsprojekten und -ergebnissen bleibe weiterhin die „große Zukunftsaufgabe“ der Hochschule und ihrer Pressestelle. Nun nahm man in Freiburg einen erneuten Anlauf. Steinlin lud Bungert zu einem persönlichen Gespräch in die Universität ein, um sich über das Problem der Wissenschaftsberichter- stattung auszutauschen. Weitere Teilnehmer waren der „Prorektor für Forschungsfragen“ Hans Mohr und – als Hauptverantwortlicher für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit an der Hochschule – der Pressereferent Jan Rahmelow.223 Das Treffen verlief offenbar erfolgreich. Am Ende stand im Juli 1971 jedenfalls der Entschluss, in Zukunft regelmäßig Berichte über die Forschungstätigkeit an der Albert- Ludwigs-Universität herauszugeben.224 Neben dem von Rektor Steinlin im Universitäts- beirat artikulierten Bemühen, das Augenmerk der Öffentlichkeit von den Unruhen und Konflikten stärker auf das „Kerngeschäft“ der Hochschule zu lenken, wollte die Initia- tive v.a. einem vermeintlichen Bedeutungsverlust der Forschung gegenüber der Lehre entgegenwirken. Sie richtete sich dabei insbesondere an die Adresse der Politik. Forschung, schrieb der Rektor am 9. Dezember 1971 in einem Rundbrief an das Frei- burger Kollegium, gehörte selbstverständlich noch immer zu den wichtigsten Aufgaben der Universität. In der „gegenwärtigen Situation“ – Steinlin spielte auf die weiterhin deutlich ansteigende Studierendenfrequenz an, aber auch auf die Geringfügigkeit der vom Land Baden-Württemberg für Forschungszwecke zur Verfügung gestellten Mittel – bestand seiner Ansicht nach jedoch die Gefahr, dass die Bedeutung der Forschung von „Öffentlichkeit und Politik“ zugunsten der Lehre unterschätzt wurde. Dazu, so Steinlin,

222Rosemarie Bungert, SWF Freiburg, an den Rektor der Universität Freiburg Steinlin (25.01.1971). Universitätsarchiv Freiburg, B 2/44. 223Der Rektor der Universität Freiburg an Rosemarie Bungert, Leiterin des Landesstudios Freiburg des SWF (11.02.1971). Universitätsarchiv Freiburg, B 2/44. 224Hansjürg Steinlin (09.12.1971): Der Rektor an die Empfänger von Mitteln für Lehre und Forschung. Universitätsarchiv Freiburg, B 2/505. Der Rundbrief ist auch abgedruckt in Universität Freiburg (Hg.) (1972): Forschungsbericht 1970/71. Band 1. Freiburg, S. 4 f.

261 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975) trug nicht zuletzt die Tatsache bei, dass die breite Öffentlichkeit zu wenig über wissen- schaftliche Leistungen erfuhr. Aus diesem Grund hielt er die „Empfänger von Mitteln für Lehre und Forschung“ an der Albert-Ludwigs-Universität dazu an, künftig in kurzen Berichten regelmäßig über die eigene Tätigkeit zu informieren. Diese Informationen soll- ten dann in einem großen Konvolut „vereinigt und publiziert“ werden, um auf diese Art und Weise die „Forschungstätigkeit der Universität vermehrt in das Bewußtsein von Öf- fentlichkeit und Politikern“ zu bringen. Es empfehle sich auch, die Art der Finanzierung anzugeben. Auf diese Weise, meinte der Rektor, konnte man der Öffentlichkeit demon- strieren, dass „der Staat zur Forschung nur ungenügend beiträgt und die Universitäten daher in großem Ausmaße auf die Mithilfe Dritter angewiesen sind“.225 Der erste Forschungsbericht der Albert-Ludwigs-Universität wurde im Lauf des Jahres 1972 fertiggestellt und im März 1973 auf einer Pressekonferenz von Rektor Steinlin der Öffentlichkeit präsentiert.226 Die Publikation war nicht spektakulär. Sie enthielt keine Bilder, aufwändig erstellte Diagramme, längere Reportagen oder Interviews mit Freibur- ger Wissenschaftlern. Wie Hans Mohr im Vorwort zur ersten Publikation mitteilte, hatte man sogar auf eine ursprünglich vorgesehene „redaktionelle Bearbeitung“ der Original- berichte verzichtet, um die „Vielfalt“ der wissenschaftlichen Arbeit in Freiburg möglichst „ungeschminkt“ zur Geltung zu bringen.227 Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – ermöglichten die Berichte allen Interessierten einen zentralen Einstieg und einen zuver- lässigen Überblick über die Forschungstätigkeit an der Albert-Ludwigs-Universität. Das hatte es vorher in dieser Form nicht gegeben.

Während man an der Universität in den Vorbereitungen für die Publikation der For- schungsberichte steckte, bahnte sich im Lauf des Jahres 1971 ein weiteres Experiment in der Freiburger Öffentlichkeitsarbeit an, das jedoch nicht nur die Präsentation wis- senschaftlicher Leistungen beabsichtigte, sondern mit Lehre, Selbstverwaltung oder dem Verhältnis zu Stadt und Öffentlichkeit auch viele andere Facetten des Universitätslebens abzudecken versuchte: die sogenannte „Hochschulwoche“.

Hochschulwoche Im Frühjahr 1971 berichtete Jan Rahmelow in der Deutschen Universitätszeitung über eine Veranstaltung, die kurz zuvor – am 3. Februar – an „seiner“ Universität in Freiburg stattgefunden hatte. Ziel des sogenannten „Hochschultags“ war es gewesen, Mitglieder der Universität über den gerade fertiggestellten Regierungsentwurf zum Hochschulrah- mengesetz zu informieren. Die Rektorenkonferenz hatte ausdrücklich zu einem solchen Schritt geraten. So fand im Audimax der Albert-Ludwigs-Universität an diesem Tag zu- nächst eine „Informationsstunde“ statt. Danach konnten Interessierte in „Arbeitskreisen“ über verschiedene Aspekte des Entwurfs diskutieren. Wie Rahmelow ausdrücklich betonte, hatte sich die Hochschule bewusst dazu ent-

225Steinlin 9.12.1971 – Der Rektor an die Empfänger. Vgl. zu den Forschungsberichten der Universität auch Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 69-71. 226Vgl. Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 70. 227Universität Freiburg (Hg.) 1972 – Forschungsbericht 1970/71, S. 3.

262 4.4 Akademische Öffentlichkeitsarbeit um 1970

schlossen, nicht „in die Öffentlichkeit zu gehen“. Man beschränkte sich darauf, den „Informations- und Meinungsbildungsprozess innerhalb der Universität (meine Hervor- hebung)“ zu fördern. Die Veranstaltung war also „kein Spektakel“ gewesen, nach Mei- nung von Rahmelow aber trotzdem ein „Erfolg“. Aufgrund der positiven Erfahrungen, verriet der Pressereferent, spielte man in Freiburg schon jetzt mit dem Gedanken, „im kommenden Semester in ähnlicher Form ein gewichtiges Thema aufzugreifen“.228 Rahmelows Prognose traf ein. Die vom Leiter der Freiburger Pressestelle angekündigte Aktion hatte sich das weitreichende und schwierige Thema „Universität und Gesellschaft“ gestellt. Allerdings umfasste die Veranstaltung im Wintersemester 1971/72 nicht mehr nur einen Tag, sondern eine ganze Woche. Darüber hinaus, und das war entscheidend, bezog man jetzt die allgemeine Öffentlichkeit und insbesondere die städtische Bevölke- rung viel stärker mit ein. Mit dieser „Hochschulwoche“ wird sich der folgende Abschnitt näher beschäftigen.

Die Geschichte der Freiburger Hochschulwoche beginnt im Februar 1971, mit einem Brief von Hans Richter – Vertreter des nichtwissenschaftlichen Personals der Universität – an Rektor Hansjürg Steinlin. Richters Vorschlag, die Beziehungen von „Universität und Gesellschaft“ im Rahmen einer mehrtägigen Veranstaltung zu durchleuchten, stand am 12. Mai erstmals auf der Tagesordnung des Senats. Dort entschloss man sich zwecks Ausarbeitung eines Konzepts zur Gründung einer Kommission, in die alle Statusgruppen der Hochschule je einen Vertreter entsandten. Hans Richter führte den Vorsitz. Anfang Juli legte die Kommission einen ersten Entwurf vor. Der Senat zeigte sich zufrieden und gab grünes Licht für das Projekt. Das endgültige Programm der Hochschulwoche lag im September vor. Der Termin wurde auf die Tage zwischen 22. und 26. November festgelegt.229 Das Ziel der Hochschulwoche lag darin, das „Gespräch zwischen der Universität und der Allgemeinheit zu intensivieren“ und eine „Gelegenheit zum Meinungsaustausch“ zu eröffnen, wie Rektor Steinlin im Vorwort zum Programmheft erklärte. Hochschule und Gesellschaft, so Steinlin weiter, waren „aufeinander angewiesen“ und mussten deshalb unbedingt „in engem Kontakt bleiben“. Die Freiburger Hochschulwoche sollte einer Iso- lation der Universität, der Entstehung eines Grabens zwischen Universität und Gesell- schaft vorbeugen. Auf der einen Seite erhielt eine interessierte Öffentlichkeit hier die Möglichkeit, Erwartungen, Forderungen und Kritik gegenüber der Hochschule zu artiku- lieren. Die Universität sah in der Hochschulwoche ihrerseits ein öffentlichkeitswirksames Forum, um „der Allgemeinheit ihren Standpunkt zu gewissen Problemen darzustellen“.230 Die gewünschte Interaktion zwischen Hochschule und Öffentlichkeit sollte zum einen im Rahmen von „Arbeitskreisen“ erfolgen, die an den ersten beiden Veranstaltungsta- gen auf dem Plan standen. Themen waren Forschung und Lehre sowie die akademische

228Jan Rahmelow (1971): Hochschultag in Freiburg – ein Beispiel. In: Deutsche Universitätszeitung 26, S. 116-117. Die Referate der ?Informationsstunde? sind teilweise dokumentiert in uni-presse (1971), Heft 2, S. 10-13. 229Vgl.: Die Sache mit der Gesellschaft (1971). In: Uni-Presse (7), S. 3. 230Universität und Gesellschaft. Programm Hochschulwoche 22. bis 26. November 1971 (1971). Freiburg, S. 2 f.

263 4 Universität und Öffentlichkeit im Schatten von „1968“ (1967-1975)

Selbstverwaltung, aber auch die Beziehungen zwischen Universität und Öffentlichkeit bzw. zwischen Universität und Stadt. In den Arbeitskreisen sollten Vertreter der Hoch- schule und „Personen des öffentlichen Lebens“ die jeweils aufgerufenen Fragen nach einem kurzen Einführungsreferat im Rahmen von Podiumsgesprächen diskutieren. Die Zuhörer konnten sich ebenfalls aktiv in die Debatte einschalten. Der „Arbeitskreis Öffentlichkeit“ wurde beispielsweise von Jan Rahmelow mit einem Beitrag über die Universität zwischen „Elfenbeinturm“ und „Glashaus“ eingeleitet. Auf dem Podium saßen der ehemalige Rektor Boesch und Gerd Hildebrand, der die Freibur- ger Pressestelle zwischen 1964 und 1969 geleitet hatte. Zur Diskussionsrunde gehörten außerdem ein Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, ein Redakteur der „Badischen Zeitung“, zwei Mitarbeiter vom „Süddeutschen Rundfunk“ (Lutz Franke) bzw. vom Südwestfunk (Rosemarie Bungert) sowie der Geschäftsführer des Freiburger Rombach-Verlags Fritz Hodeige. Die Gesprächsleitung übernahm der Historiker Gott- fried Schramm.231 Danach hatte man für Mittwoch eine öffentliche Pressekonferenz angesetzt. Motto: „Journalisten fragen – Rektor, Prorektoren und Kanzler antworten“. Abends folgte ein Vortrag des bekannten Freiburger Romanisten Hugo Friedrich über Blaise Pascal. Den Abschluss der „Hochschulwoche“ bildete schließlich ein „Tag der offenen Tür“, den inter- essierte Besucher dazu nutzen konnten, um Institute der Universität zu besichtigen oder Lehrveranstaltungen zu besuchen. Abiturienten bzw. angehenden Studenten wurde eine Studienberatung geboten.232 Das Projekt „Hochschulwoche“ entpuppte sich letztlich als Teilerfolg.233 Gerade die Ar- beitskreise an den ersten Tagen wurden von der Bevölkerung schlecht angenommen und waren fast ausschließlich von Universitätsangehörigen besucht. Ein Gespräch zwischen Hochschule und Öffentlichkeit konnte sich in diesem Rahmen deshalb kaum entwickeln. Stattdessen demonstrierten die Arbeitskreise erneut die schwelenden Konflikte zwischen Lehrenden und Lernenden. Während etwa das Podium der Sektion „Öffentlichkeit“ in erster Linie über Möglichkeiten der Wissenschaftsberichterstattung und die Tätigkeit der Pressestelle diskutierte, versuchten insbesondere Studenten das Gespräch auf Öf- fentlichkeiten innerhalb der Universität zu lenken und so in eine Grundsatzdebatte über mangelnde Demokratie an der Hochschule zu verwandeln. Eine Teilnahme an den Po- diumsdiskussionen bzw. an der Besetzung der Podien hatte die Studierendenvertretung bereits im Vorfeld abgesagt. Ihrer Meinung nach waren die Arbeitskreise „ungleich“ be- setzt. Man bemängelte insbesondere eine zu starke Dominanz von Vertretern aus der „Industrie“. Am Ende liefen die Gespräche in den Arbeitskreisen meist darauf hinaus, dass sich die Podiumsteilnehmer gegen kontroverse Beiträge studentischer Zuhörer „soli- darisierten“. Auch hier kam es also zu der an den Universitäten in diesen Jahren beinahe

231Universität und Gesellschaft 1971, S. 6 f. 232Ebd., S. 4-25. 233Die Hochschulwoche, hielt etwa Rektor Steinlin in seinem Rechenschaftsbericht fest, sei nur „teil- weise geglückt“. Siehe: Hansjürg Steinlin ([1972]): Rechenschaftsbericht des Rektors für das Jahr 1971. Erstattet in der Sitzung des Großen Senats vom 26.1.1972. Universitätsarchiv Freiburg, B 2/44.

264 4.4 Akademische Öffentlichkeitsarbeit um 1970

schon gewohnten Frontenbildung.234 Im Vergleich zu den Arbeitskreisen stellten sich andere Veranstaltungen der Hoch- schulwoche durchaus als Publikumsmagneten heraus. Den akademischen Vortrag von Hugo Friedrich über Pascal – nicht eben ein hoch populäres oder besonders massen- taugliches Thema – hatten im Audimax der Universität mehr als 1000 Zuhörer verfolgt, wie Rektor Steinlin im Nachhinein freudig überrascht feststellte.235 Der „Tag der offe- nen Tür“ zum Ende der Hochschulwoche verlief ebenfalls erfolgreich. Selbstverständlich variierten die Erfahrungen von Fach zu Fach. So waren beispielsweise Veranstaltungen der naturwissenschaftlichen Disziplinen dank moderner Institutsgebäude und aufsehen- erregender Experimente in der Regel besser besucht als die der Juristen.236 Doch alles in allem war das Interesse der Bevölkerung an Vorlesungen, Experimentalvorführungen oder Institutsbesichtigungen außerordentlich hoch. Die Angebote der Universität zur Studienberatung wurden von den zukünftigen Studenten ebenfalls ausgiebig genutzt.237 Nach den positiven und negativen Erfahrungen mit der ersten Auflage entschloss man sich an der Universität, die Hochschulwoche zumindest in dieser Form nicht fortzuführen. Der „Tag der offenen Tür“ blieb allerdings auch in den folgenden Jahren bestehen und ist bis heute – allerdings noch viel stärker als im Jahr 1971 auf die Interessen von Abiturienten ausgerichtet – ein wichtiger Teil der akademischen Öffentlichkeitsarbeit in Freiburg geblieben.238

234Siehe: uni-presse fragt: Karl Ebert, AStA-Vorsitzender (1971). In: Uni-Presse 3 (9), S. 10-11; Hoch- schulwoche. Was der Rektor meint (1971). In: Uni-Presse 3 (9), S. 8. Vgl. auch Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 72 f. 235Hochschulwoche 1971. 236Vgl. die Berichte der verschiedenen Fakultäten und Institute in: Universitätsarchiv Freiburg, B 2/448. 237Siehe Universität und Gesellschaft 1971. Außerdem: Hochschulwoche. Der Tag der offenen Tür (1971). In: Uni-Presse 3 (9), S. 7 sowie Steinlin [1972] – Rechenschaftsbericht des Rektors. 238Siehe etwa: Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit im Rektorat der Universität Freiburg (13.11.2012): Stu- dierenden über die Schulter schauen. Zum 40. Mal findet der Tag der offenen Tür für Schülerinnen und Schüler an der Universität Freiburg statt. Freiburg. Online verfügbar unter http://www.pr.uni- freiburg.de/pm/2012/pm.2012-11-13.312/?searchterm=tag%20der%20offenen%20t%C3%BCr, zuletzt geprüft am 1.2.2015. Vgl. Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 73.

265

5 Fazit und Ausblick

In diesem abschließenden Kapitel sollen die Ausführungen aus den Hauptteilen der Un- tersuchung noch einmal aus einem alternativen, systematischen statt chronologischen Blickwinkel zusammengefasst werden. Dabei werde ich zunächst jene Themen aufgrei- fen, die den öffentlichen Hochschuldiskurs in der Bundesrepublik zwischen 1945 und 1975 maßgeblich geprägt haben, um im Anschluss auf die entscheidenden Schnittstellen ein- zugehen, mit deren Hilfe die Beziehungen von Universität und Öffentlichkeit in diesem Zeitraum – auch und gerade in Freiburg – gesteuert wurden. Zum Abschluss folgt ein kurzer Ausblick auf die Zeit nach 1975.

5.1 Themen des öffentlichen Universitätsdiskurses

5.1.1 Aufgaben der Universität: Bildung, Ausbildung, gesellschaftliche Veränderung Die Rolle von Universitäten und Hochschulen in der Gesellschaft war während der drei Jahrzehnte nach dem Krieg ein in der öffentlichen Diskussion stets präsentes Thema. Dabei lassen sich drei „Modelle“ unterscheiden. Die angesichts der Erschütterungen der nationalsozialistischen Epoche von einer Suche nach geistiger Rückbesinnung gekennzeichnete Nachkriegszeit stellte die Bildungsfunk- tion der Universität besonders in den Vordergrund. Als Referenz diente die häufig mit Wilhelm von Humboldt verbundene neuhumanistische Universitätsidee aus dem frühen 19. Jahrhundert, aber auch die europäische oder „abendländische“ Universität des Mit- telalters. Die Hochschule sollte wieder eine universale Bildungseinrichtung sein, die ihren Studenten nicht nur Fachwissen vermittelte, sondern auch eine umfassende Allgemein- bildung und – durch aktive Teilhabe am Forschungsprozess – eine Formung der Persön- lichkeit oder des „Charakters“ versprach. Auf diese Art und Weise sollten kommende Studentengenerationen und damit die künftige Elite des Landes nicht zuletzt gegen ein erneutes Abgleiten in Diktatur und Barbarei „immunisiert“ werden. Dieses zumindest in den ersten zehn Jahren nach Kriegsende vorherrschende Universitätsideal fand in dieser Zeit auch außerhalb des Hochschulsektors Verbreitung. Zu den „Popularisierern“ gehörte neben Presse und Rundfunk v.a. der berühmte Philosoph Karl Jaspers, dessen bereits in den 1920er Jahren erstmals publizierter Text zur „Idee der Universität“ jetzt in einer neuen Auflage erschien und auf großes Interesse beim Publikum stieß. In der öffentli- chen Selbstdarstellung der Freiburger Hochschule – in der akademischen Festkultur bei- spielsweise – spielte die Einordnung in deutsche und europäische Universitätstraditionen ebenfalls eine entscheidende Rolle.

267 5 Fazit und Ausblick

Als sich in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre die Realität der Massenhochschule immer deutlicher abzuzeichnen begann, geriet die Rückbesinnung auf Humboldt und Abendland unter Druck. Der Anspruch auf eine umfassende Allgemein- und Persön- lichkeitsbildung wurde zwar nie vollständig aufgegeben. Dennoch verlagerte sich das Gewicht jetzt stärker auf die Rolle der Universitäten im Bereich der Berufsausbildung. In einer Welt, die eine immer größere Zahl von hochqualifizierten Arbeitskräften mit Hochschulbildung verlangte, schien eine effizientere „Produktion“ von Akademikern, ei- ne stärker auf Berufserfordernisse ausgerichtete Ausbildung und zu diesem Zweck eine Rationalisierung des Studiums angezeigt. Neben hochschul- und wissenschaftspolitischen Institutionen wie dem Wissenschaftsrat schaltete sich nun auch die Tages- und Wochen- presse intensiver in die Reformdebatte ein. Trotz der politischen und publizistischen Unterstützung blieb die Reformbilanz der 1960er Jahre aber letzten Endes bescheiden, auch an der Universität Freiburg. Nicht nur – häufig aus den philosophischen Fakultäten stammende – Verteidiger ei- nes universalen Bildungsideals in der Tradition Humboldts erkannten in den geplanten Studienreformen einen „technokratischen“ Blick auf die gesellschaftliche Rolle der Hoch- schulen. Besonders im Umfeld der „Neuen Linken“ und der Studentenbewegung erhob sich gegen Ende der 1960er Jahre ebenfalls lautstarker Widerstand. Aus dieser Perspekti- ve galt das rationalisierte Hochschulstudium als eine Methode, mit deren Hilfe Staat und Industrie junge Menschen in ihrem Sinne „zurichten“ und als konformistische „Fachidio- ten“ in die Maschinerie der „kapitalistischen Leistungsgesellschaft“ einfügen konnten. Als Gegenentwurf setzten sich die in der Studentenbewegung engagierten Kommilitonen für die Etablierung politischer oder – wie man es damals häufig nannte – „kritischer“ Univer- sitäten ein, die gesellschaftliche Kontexte wissenschaftlicher Tätigkeit analysieren, poli- tische wie soziale Veränderungen herbeiführen und letzten Endes an der Überwindung des „herrschenden“ Systems mitwirken sollten. Bekanntere Umsetzungen fanden sich v.a. in Berlin, Frankfurt und Hamburg. Doch auch an der Albert-Ludwigs-Universität ver- suchten Studierende Lehrveranstaltungen in ihrem Sinn umzugestalten oder boten im Kontext sogenannter Basisgruppen eigene Kurse an. Insgesamt kamen solche Unterneh- mungen allerdings nicht über den Status kurzlebiger Experimente hinaus.

5.1.2 Krisen und Katastrophen Nicht nur im Zusammenhang mit den ständig wiederkehrenden Debatten über die ge- sellschaftliche Aufgabe von Universitäten war die öffentliche Hochschuldiskussion nach 1945 in vielen Phasen von Krisen- und Katastrophenrhetorik geprägt. Nach dem Krieg machten nicht wenige Beobachter zunächst einen „Zerfall“ der Uni- versität in voneinander isolierte „Fachschulen“. Die Einheit der Wissenschaften schien in Gefahr. Der immer weiter fortschreitenden Ausdifferenzierung wissenschaftlicher Spezi- aldisziplinen und dem drohenden Verlust eines universalen Bildungsanspruchs versuch- ten Hochschulreformer nach 1945 in erster Linie mit der Idee eines studium generale zu begegnen, dem u.a. im berühmten „Blauen Gutachten“ eine zentrale Rolle zukam. Auf diesem Weg wollte man Räume für „interdisziplinäre“ Begegnung schaffen, das wis- senschaftliche Gespräch zwischen Angehörigen unterschiedlichster Fachbereiche fördern

268 5.1 Themen des öffentlichen Universitätsdiskurses und die Universität so wieder zu einem wahren „Kosmos“ der Wissenschaften werden lassen. Bei der Umsetzung der Idee gehörte Freiburg zu den Vorreitern und Vorbildern. Allerdings war die große Aufbruchstimmung der Nachkriegszeit spätestens gegen Mitte der 1950er Jahre schon wieder verflogen. Zwar werden studium generale oder ähnliche Einrichtungen auch heute noch angeboten, u.a. an der Albert-Ludwigs-Universität. Die hochfliegenden Erwartungen der ersten Nachkriegsjahre erfüllten sich jedoch nicht. Nur wenig später tauchten im Kontext der nun verstärkt einsetzenden Bildungsex- pansion die nächsten Krisendiagnosen und Katastrophenerzählungen auf. Auf der einen Seite kam es durch den enormen Anstieg der Studierendenfrequenz zu einer teilweise unerträglichen Überfüllung der Universitäten, ihrer Hörsäle, Seminarräume oder Labo- re. Besonders in den Massenmedien wurde diese Entwicklung oft sehr bildhaft darge- stellt und dramatisiert. Mithilfe von Begriffen wie „Studentenlawine“, „Sturzflut“ oder „Überflutung“ rückte man die Situation der Hochschulen gerne in die Nähe von Naturka- tastrophen. Trotz wachsender Studierendenzahlen und Überfüllung gaben nicht wenige Kommentatoren angesichts neuer Herausforderungen in der sich formierenden „Wissens- gesellschaft“ zu bedenken, dass der Bundesrepublik noch immer zahlreiche Studenten und Akademiker fehlten, gerade auch im internationalen Vergleich. Die von dem be- kannten Pädagogen Georg Picht vor diesem Hintergrund in der Wochenzeitung Christ und Welt ausgerufene „Bildungskatastrophe“ entwickelte sich in den 1960er Jahren zu einem beinahe omnipräsenten Schlagwort der öffentlichen Diskussion. Um die doppelte Krise bewältigen zu können, setzte man v.a. auf einen massiven personellen wie infra- strukturellen Ausbau des Hochschulwesens, der durch eine umfassende Planungstätigkeit des Wissenschaftsrats vorbereitet, aber auch durch den Druck der öffentlichen Meinung entscheidend vorangetrieben wurde. Die Radikalisierung der Studentenproteste am Ende der 1960er Jahre verdunkelte das krisenhafte Bild der westdeutschen Hochschulen weiter. Durch die militanten Konflikte insbesondere zwischen Studierenden und Professoren entwickelte sich die Universität in der öffentlichen Wahrnehmung nun zu einem regelrechten „Kriegsschauplatz“, an dem sich die Fronten zwischen den Streitparteien so verhärtet hatten, dass eine Vermittlung kaum noch möglich schien. Freiburg galt im Vergleich zu Berlin, Frankfurt oder Hei- delberg grundsätzlich als einer der ruhigeren Schauplätze, beinahe als eine Art „Oase“, obwohl es auch hier keineswegs an öffentlichkeitswirksamen Protestaktionen mangelte. Neben Berichten über „bürgerkriegsähnliche Zustände“ tauchten seit ungefähr 1970 immer häufiger Warnungen vor der Entstehung „roter Universitäten“ oder „marxistischer Kaderschmieden“ in der Öffentlichkeit auf. Bisweilen wurden Hochschulen zu einem be- drohlichen Hort des politischen Umsturzes stilisiert. Die Gefahr einer Unterwanderung und politischen Umfunktionierung durch radikale Linke wurde besonders von den im Bund Freiheit der Wissenschaft versammelten Hochschullehrern, aber auch von konser- vativen Medien wie der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ oder der „Welt“ popularisiert. Dort setzte man sich zudem für ein entschlossenes Eingreifen der staatlichen Stellen ge- gen „Störer“ und potentielle „Verfassungsfeinde“ an den Hochschulen ein. Dazu gehörte u.a. ein verschärftes Ordnungsrecht, wie es später das Hochschulrahmengesetz formulie- ren sollte.

269 5 Fazit und Ausblick

5.1.3 Demokratie und Demokratisierung

Ein drittes großes Thema der öffentlichen Hochschuldebatte in der Bundesrepublik rück- te mit Beginn der langen 1960er Jahre in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: Demo- kratie und Demokratisierung. Auf der einen Seite kam es in Freiburg wie an anderen Hochschulstandorten v.a. durch studentische Initiativen immer wieder zu Diskussionen über den Stellenwert von Grund- rechten wie Presse-, Meinungs- und Redefreiheit an der Universität. Studierende setzten sich zur Wehr, wenn Rektor und Senat kritische Äußerungen nicht dulden wollten und – wie oft genug geschehen – mit disziplinarischen Maßnahmen zu sanktionieren versuchten. Auch und gerade für die Hochschule reklamierte man nun lautstark das Recht, die eige- ne Meinung offen kundzutun und öffentlich Kritik zu üben. Darin offenbarte sich nicht nur eine schärfere Sensibilität für demokratische Spielregeln. Die Auseinandersetzun- gen verwiesen auch auf die sich verändernde Bedeutung von „Kritik“ für demokratische Gesellschaften. Die unangefochtene Machtstellung der Professoren an der „Ordinarienuniversität“ ge- riet in den von Demokratisierungsprozessen gekennzeichneten langen 1960er Jahren ebenfalls unter Druck. In der Tages- und Wochenpresse stellten große Artikelserien die undemokratische Struktur der westdeutschen Hochschulen, die „autoritäre“ Haltung vie- ler Instituts- und Klinikdirektoren, persönliche Abhängigkeitsverhältnisse und eine gera- de aus diesem Grund bisweilen unerträgliche Arbeitsatmosphäre bloß. Auf dem Weg zu einer demokratischeren Hochschule empfahlen viele Beobachter, das traditionelle Lehr- stuhlprinzip durch sogenannte Departments nach amerikanischem Vorbild zu ersetzen. Schon seit Beginn der 1960er Jahre hatten an der Albert-Ludwigs-Universität entspre- chende Reformbemühungen eingesetzt, insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fä- chern. Allerdings ging es dabei – wie auch bei der Fakultätsreform von 1970 – zumindest nicht in erster Linie um Demokratisierung, sondern eher um eine Rationalisierung der Universitätsverwaltung. Besonders im studentischen Umfeld tauchten in den frühen 1960er Jahren darüber hin- aus Forderungen nach umfassenderen Mitspracherechten auf. So wurde das Recht auf „Mitwirkung in der akademischen Selbstverwaltung“ bereits 1960 in einer auch überregio- nal beachteten Denkschrift von den Freiburger Studenten Ignaz Bender, Hanno Kühnert und Werner Müller begründet. Im Kontext der 68er-Proteste spitzte sich die Diskus- sion dann auf das schnell an Popularität gewinnende Schlagwort der „Drittelparität“ zu, wonach Stimmrechte zu gleichen Teilen auf Studenten, Mittelbau und Professoren verteilt werden sollten. Skeptiker der Hochschuldemokratisierung wie der Freiburger Po- litologe Wilhelm Hennis führten unterschiedliche Argumente gegen die studentischen Forderungen ins Feld. Unter anderem verwies man auf die großen Unterschiede zwi- schen dem politischen und dem akademischen Feld, die eine „analoge“ Übertragung be- kannter demokratischer Prinzipien auf den Hochschulsektor verhinderten. Ebenfalls im Zusammenhang mit 1968 trat schließlich verstärkt die Öffentlichkeit der akademischen Selbstverwaltung als Element einer demokratischen Universität auf den Plan. Der Ertrag der Reformbemühungen war alles in allem enttäuschend, auch und gerade in Freiburg. Die neue Grundordnung, die nach Verabschiedung des Baden-Württember-

270 5.2 Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit gischen Hochschulgesetzes hier am Ende der 1960er Jahre entwickelt worden war, verbes- serte die Mitsprachemöglichkeiten von Studentenschaft und Mittelbau, zementierte aber letzten Endes doch die Vormachtstellung der Professoren in der akademischen Selbstver- waltung. Forderungen nach Öffentlichkeit der Universitätsgremien wurden ebenfalls nur in sehr geringem Maße berücksichtigt und in den frühen 1970er Jahren sogar noch wei- ter zurückgedrängt. Zwar schuf das Hochschulrahmengesetz schließlich eine verbindliche Rechtsgrundlage für Mitspracherechte von Studierenden und Mittelbau und konstituier- te die sogenannte „Gruppenuniversität“. Allerdings fiel auch dieses Gesetz eindeutig zu Gunsten der Professoren aus.

5.2 Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit

Neben den Themen der öffentlichen Hochschuldiskussion hat sich meine Untersuchung auch eingehend mit Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit nach dem Zweiten Weltkrieg auseinandergesetzt.

5.2.1 Architektur Eine Verbindung zum öffentlichen Raum bildete erstens die bauliche Entwicklung der Universität. Kollegiengebäude, Institute oder Kliniken stellten so etwas wie das „Gesicht“ der Hochschule dar und verliehen ihr Profil in der Öffentlichkeit. In der klassischen Uni- versitätsstadt Freiburg war die Universität mit ihren Bauten im Stadtgebiet – teilweise direkt im Zentrum – präsent, somit also sichtbar und zugänglich für die Bevölkerung. In manchen Fällen „verschmolzen“ öffentliche und akademische Räume regelrecht, wie etwa beim naturwissenschaftlichen Institutsviertel, das neben seinen Aufgaben in Forschung und Lehre auch als Parkanlage für die Allgemeinheit offenstehen sollte. Nicht zuletzt berichtete die Lokalpresse ausführlich – auch mit Fotomaterial – über die baulichen Fortschritte an der Albert-Ludwigs-Universität, was für zusätzliche Publizität sorgte. In der unmittelbaren Nachkriegszeit mussten die Bauplaner um den Architekten Horst Linde zunächst unter widrigen Bedingungen dringende Aufräumarbeiten und notdürftige Reparaturen an der stark zerstörten Hochschule leisten. Erst nach der Währungsreform begann ein systematischer Wiederaufbau, bis sich am Beginn der 1950er Jahre dann allmählich das neue „moderne“, durch Stahl, Glas und Beton gekennzeichnete Gesicht der Universität herauskristallisierte. Beschränkte sich die architektonische Modernisierung vorerst weitgehend auf die Ins- tituts- und Klinikviertel, griff sie mit dem zweiten Kollegiengebäude auch auf das für die öffentliche Repräsentation der Universität besonders wichtige Zentrum über. Der von dem bekannten Architekten Otto Ernst Schweitzer seit Mitte der 1950er Jahre geplan- te und 1962 fertig gestellte Bau leitete eine neue Phase der baulichen Entwicklung in Freiburg ein. Das „KG II“ war das erste größere Projekt, das nicht mehr den Notwendig- keiten des Wiederaufbaus nach dem Krieg folgte, sondern auf die neue Herausforderung durch die wachsende Studierendenfrequenz und die Hochschulexpansion reagierte. Darin

271 5 Fazit und Ausblick lag auch der entscheidende Antrieb für die weitere bauliche Entwicklung in den 1960er Jahren. Den Modernisierungskurs behielt man grundsätzlich bei. Allerdings wurde die beina- he „grazile“ und transparente Bauweise der Nachkriegszeit zunehmend durch massivere Konstruktionen und – etwa beim dritten Kollegiengebäude – durch Fassaden aus Rohbe- ton ersetzt. Darüber hinaus begann jetzt auch an der Freiburger Universität der Hoch- hausbau, zunächst v.a. an den Kliniken und bei den naturwissenschaftlichen Instituten, was bei der Bevölkerung häufig auf Ablehnung stieß. In den 1970er Jahren, die ich im Rahmen dieser Arbeit nicht näher behandelt habe, folgte mit der neuen Universitätsbi- bliothek im geisteswissenschaftlichen Zentrum schließlich noch ein Großprojekt, das die architektonische Modernisierung der Hochschule weiter vorantrieb.

5.2.2 Institutionen Die bauliche Entwicklung bildete also ein wichtiges Verbindungsstück zwischen Hoch- schule und öffentlichem Raum. Um die Beziehungen zur Öffentlichkeit zu steuern, wur- den an der Albert-Ludwigs-Universität in den ersten Nachkriegsjahren darüber hinaus verschiedene Institutionen neu geschaffen bzw. wieder aufgebaut. Mit dem Universitätsbeirat existierte seit 1949 ein Gremium, das von ähnlichen Ein- richtungen in den angloamerikanischen Hochschulsystemen inspiriert war und – maßgeb- lich vorangetrieben durch die Besatzungsmächte – eine wichtige Rolle in der deutschen Reformdebatte der Nachkriegszeit spielte. Der Beirat war mit Vertretern aus unter- schiedlichsten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens – Politik, Wirtschaft und Indu- strie, Kirche, Medien, Bildungswesen – besetzt. Die Universität suchte hier Ratschläge und Kritik durch die Öffentlichkeit, nutzte das Gremium aber v.a. als Forum für eigene Probleme und Anliegen. Letzten Endes konnte der Beirat weder der Ideengeber, noch die kritische Instanz sein, die man sich in Freiburg eigentlich erhofft hatte. Der Verband der Freunde war ursprünglich bereits in den 1920er Jahren gegründet worden und nahm nach 1945 bald wieder seine Tätigkeit auf. Die Verbindung zwischen Hochschule und Öffentlichkeit kam in diesem Fall durch eine umfangreiche Vortragstä- tigkeit im badischen Umland zustande. Die Universität ging „auf Wanderschaft“: Von Konstanz bis Rastatt boten Freiburger Professoren und Dozenten einem Laienpubli- kum Einblicke in das eigene Forschungsgebiet. Das Vortragsprogramm des Verbands der Freunde lief über die 1970er Jahre und den Untersuchungszeitraum meiner Studie hinaus weiter. Allerdings lag die große Zeit v.a. in den ersten zehn Jahren nach dem Krieg, als bei vielen Menschen ein starkes Interesse an „geistigen“ Fragen auszumachen war und nicht zuletzt deshalb besonders hohe Besucherzahlen verzeichnet werden konnten. Pressestellen und akademische Öffentlichkeitsarbeit rückten zu Beginn der 1950er Jah- re zunehmend auf die Reformagenda. In Freiburg war schon 1946 eine entsprechende Einrichtung geschaffen worden, die auf Vorläufer aus der nationalsozialistischen Zeit zurückblicken konnte. Die Aktivitäten dieser Pressestelle erschöpften sich wie bei ähnli- chen Institutionen an anderen Universitäten der Bundesrepublik zunächst jedoch weitge- hend in der Weitergabe von Personal- und Veranstaltungsnachrichten an die Lokalpres- se. Erst nach 1960 begann im Kontext der immer lauter werdenden Hochschulkritik in

272 5.2 Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit den Massenmedien, den steigenden öffentlichen Ausgaben für das Hochschulwesen und der wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung von Wissenschaft ein langsamer Ausbau akademischer Öffentlichkeitsarbeit. Dabei ging es ganz besonders um eine verbesserte Berichterstattung über Forschungsprojekte und -ergebnisse, was man in Freiburg u.a. mit der Publikation einer neuen Universitätszeitschrift zu bewerkstelligen suchte. Ob- wohl insbesondere die Rektorenkonferenz schon sehr früh für eine staatliche Finanzierung sowie eine Professionalisierung von Hochschulpressestellen plädierte, setzte eine solche Entwicklung – auch an der Albert-Ludwigs-Universität – erst vor dem Hintergrund der Studentenproteste am Ende der 1960er Jahre ein.

5.2.3 Akademische Festkultur „1968“ bildete nicht nur eine Zäsur in der Entwicklung akademischer Öffentlichkeits- arbeit, sondern auch einen Einschnitt für die akademische Festkultur, die seit vielen Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten eine große Bedeutung für die Interaktion von Universität und Öffentlichkeit eingenommen hatte. Dies galt für die feierliche Rekto- ratsübergabe ebenso wie für die Universitätsjubiläen.1 Beim 500-jährigen Jubiläum der Freiburger Hochschule war die akademische Festkul- tur noch einmal in ihrem vollen Glanz erstrahlt. Die große Feier im Jahr 1957 gehörte sicherlich zu den bedeutendsten öffentlichen Ereignissen der Universitätsgeschichte nach dem Krieg. Das Jubiläum betonte die enge Verbindung zur Stadt und zur Freiburger Be- völkerung, sicherte der Albert-Ludwigs-Universität aber auch – was nur selten geschah – bundesweite und sogar internationale Aufmerksamkeit. Unter anderem zeigte Frei- burg mediale Präsenz, beispielsweise durch einen vom Südwestfunk produzierten Film oder durch Artikel in den großen Tages- und Wochenzeitungen der Bundesrepublik. Zwar wurden neue Herausforderungen für das Hochschulwesen wie die Entwicklung zur Masseneinrichtung und die „Überfüllung“ der Hörsäle während der Festwoche durchaus angesprochen. Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stand jedoch eine Rückbesinnung auf Traditionslinien der Universitätsgeschichte zwischen „Abendland“ und „Humboldt“, als deren Sachwalter sich auch Freiburg präsentieren wollte. Im Gegensatz zum Jubiläum bot die feierliche Rektoratsübergabe den Hochschulen in jedem Jahr die Chance zur Interaktion mit der Öffentlichkeit. Die im späten 19. Jahr- hundert entstandene Tradition war während der NS-Zeit vielerorts unterbrochen oder im Sinn des Regimes umgedeutet worden und wurde nun nach dem Krieg nicht nur in Freiburg möglichst schnell wieder eingesetzt. Universitäten konnten hier öffentlich Re- chenschaft ablegen, Probleme offen legen und für die eigenen Anliegen werben, aber auch Selbstdarstellung betreiben und ein ganz bestimmtes Bild von sich vermitteln. Nicht zu- letzt ermöglichte die Rektoratsübergabe einen engen Kontakt mit größtenteils lokalen bzw. regionalen Vertretern aus Politik, Wirtschaft oder Kirche, die stets zu den Feiern eingeladen wurden. Gegen Ende der 1950er Jahre kam in Freiburg v.a. von studentischer Seite erstmals lautstarke Kritik an den Jahresfeiern auf. Man bemängelte besonders die

1Vgl. für letzteres Paletschek 2010 – Festkultur und Selbstinszenierung deutscher Universitäten, S. 94 f.

273 5 Fazit und Ausblick fehlende Einbindung von Studierenden in das Schauspiel der Rektoratsübergabe, deren „Zauber“ offenbar langsam verloren ging. Dennoch wurden die Feiern in der Folgezeit praktisch unverändert weitergeführt. Erst die Studentenproteste von 1968 führten nicht nur in Freiburg zum Ende der Rektoratsübergabe, die sich nun – als Symbol für ver- krustete Strukturen an der alten „Ordinarienuniversität“ – zu einem bevorzugten Ziel studentischer Aktionen entwickelte.

5.2.4 Massenmedien Während die Presse in den ersten zehn Jahren nach dem Krieg eher sporadisch be- richtete und das Fernsehen keine bzw. nur eine geringfügige Rolle spielte, eröffnete sich den Universitäten zunächst v.a. im Rundfunk ein massenmediales Forum. In zahlrei- chen deutschen Rundfunkanstalten entwarf man anspruchsvolle Sendeformate, die u.a. der Wissenschaft Sendezeit einräumten. So wurde im Südwestfunk mit der „Aula“ eine ausdrücklich als „Stunde der Universitäten“ betitelte Reihe ausgestrahlt, die den Hörern Vorträge von Professoren und Dozenten aus den umliegenden Hochschulen präsentier- te. Das Format sollte einen Querschnitt durch die wissenschaftliche Diskussion der Zeit bieten, den Bildungsauftrag der Universität verwirklichen helfen und einem größeren Publikum die Universalität der Wissenschaften bzw. die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Fächern demonstrieren. Es handelte sich zudem um ein Forum zur Aus- einandersetzung über Gegenwart und Zukunft der deutschen Universitäten. Gegen Ende der 1950er Jahre veränderte sich die massenmediale Rezeption des Hoch- schulwesens in der Bundesrepublik. Insbesondere die überregionale Tages- und Wochen- presse stieg jetzt viel stärker in die Berichterstattung ein und entwickelte sich in der Folgezeit zu einem der wichtigsten Orte der öffentlichen Universitätsdebatte. Freiburg wurde dabei zwar kaum einmal mit größeren Artikeln bedacht. Insgesamt wuchs die Zahl der Beiträge zu Hochschulfragen aber nicht nur an. Ihre Platzierung im Blatt veränderte sich ebenfalls. Artikel über Hochschulen fanden sich zunehmend im Politikressort statt wie früher im Feuilleton oder im Kulturteil, erschienen in den Kommentarspalten und als Leitartikel auf den Titelseiten. Nicht zuletzt ging die Diskussion mehr in die Tiefe. Das zeigte sich u.a. bei umfassenden Dokumentationen und Artikelfolgen, die sich wie die „Spiegel“-Serie „Mit dem Latein am Ende“ aus dem Jahr 1969 teilweise über Mo- nate erstreckten. Die verschärfte Auseinandersetzung in der Tages- und Wochenpresse sprach Missstände schonungslos an, übte bisweilen scharfe Kritik am Zustand des Hoch- schulwesens und stellte letzten Endes auch eine wichtige Triebkraft für Expansion und Erneuerung der deutschen Universitäten seit ungefähr 1960 dar. Hatten politisch unterschiedlich ausgerichtete Blätter wie die „Zeit“, der „Spiegel“ oder die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ in der Ausbau- und Reformdebatte der 1960er Jah- re noch grundsätzlich an einem Strang gezogen, trennten sich die Wege bei der Beur- teilung der 68er-Bewegung und ihrer Konsequenzen. Es kam zu einer politischen Pola- risierung der medialen Hochschuldiskussion, wobei sich konservative Zeitungen wie die FAZ oder auch die Welt als scharfe Kritiker von Studentenbewegung, Demokratisierung und Politisierung der Universität positionierten. Das Schreckbild einer von linksradika- len Elementen unterwanderten und von Terror erschütterten Hochschule war hier über-

274 5.2 Schnittstellen zwischen Universität und Öffentlichkeit aus präsent, genauso wie Forderungen nach radikalen Gegenmaßnahmen. Demgegenüber mahnten liberale Publikationen wie die „Zeit“ oder der „Spiegel“ meist zur Besonnenheit und verwiesen zumindest anfangs auch auf die positiven Effekte, die von den Initiativen der Protestbewegung auf eine Reform der Universität ausgehen konnten.

5.2.5 Akteure Seit dem verstärkten Engagement der Presse in den späten 1950er Jahren gehörten Jour- nalisten neben Hochschullehrern und Studenten zu den wichtigsten Vermittlern zwischen Universität und Öffentlichkeit. Drei Protagonisten ragten dabei besonders heraus. Rudolf Walter Leonhardt rief nach seiner Ernennung zum Leiter des „Zeit“-Feuilletons 1957 verschiedene Artikelserien wie die „Universitätsporträts“ oder die Reihen zu den Studienbedingungen in der Bundesrepublik ins Leben. Darüber hinaus setzte er sich in zahlreichen Kommentaren für Ausbau und Reform der Universitäten ein. Angesichts der 68er-Proteste plädierte der überzeugte Liberale leidenschaftlich für einen Mittelweg zwischen „Revolution“ und „Reaktion“. Nina Grunenberg war 1961 Mitglied der „Zeit“- Redaktion geworden und machte besonders seit Mitte der 1960er Jahren mit größeren Reportagen über Hochschul- und Wissenschaftsinstitutionen wie die Rektorenkonferenz oder den Wissenschaftsrat auf sich aufmerksam. Brigitte Behr von der „Frankfurter All- gemeinen Zeitung“ hatte sich bereits seit Mitte der 1950er Jahre systematisch Hoch- schulfragen gewidmet und gilt nicht wenigen als Wegbereiterin des deutschen Bildungs- journalismus. Studierende engagierten sich von Anfang an in der öffentlichen Auseinandersetzung um Gegenwart und Zukunft der Universität, überwiegend durch eigene Publikationen wie die Studentenpresse oder Flugblätter, zum Teil aber auch mit Rundfunkprogrammen. Allerdings gewannen sie nach 1960 deutlich an Profil, nicht nur durch die immer lauter werdende Kritik an der Ordinarienuniversität und Forderungen nach Demokratisierung der Hochschulen, sondern v.a. auch durch ihre Bereitschaft zur „Aktion“. Dies traf auf die Albert-Ludwigs-Universität in ganz besonderem Maße zu. Von hier aus organisierte eine Gruppe um den Jura-Studenten Ignaz Bender eine bundesweite Demonstrationskampa- gne, um Bevölkerung und Politik für die Probleme des Bildungswesens zu sensibilisieren. Unter dem Titel „Student auf’s Land“ schloss sich wenig später eine vielgelobte Initiative zur Bildungswerbung an. Beinahe zeitgleich formierte sich zunächst in Berlin eine viel radikaler auftretende Protestbewegung, die nach 1967 auf die gesamte Bundesrepublik übergriff. Mit ihren aufsehenerregenden Aktionen prägten die 68er nicht nur die Wahr- nehmung der deutschen Universitäten am Ende der 1960er Jahre, sondern waren auch mit dafür verantwortlich, dass sich die öffentliche Kommunikation von Hochschulen – ihre Festkultur und ihre Öffentlichkeitsarbeit – zu verändern begann. Hochschullehrer haben nach dem Krieg selbstverständlich ebenfalls entscheidend zur Interaktion zwischen Universität und Öffentlichkeit beigetragen: durch Bücher, Aufsätze, Vorträge oder Zeitungsartikel, durch Auftritte in Rundfunk und Fernsehen, aber auch durch besonderes Engagement in der akademischen Selbstverwaltung oder der Hoch- schulpolitik. Herausragende Figuren nach 1945 waren hier etwa der Philosoph Karl Jaspers, der Soziologe Ralf Dahrendorf sowie der Pädagoge Georg Picht, der in den

275 5 Fazit und Ausblick

1960er Jahren mit seiner Schrift über die „deutsche Bildungskatastrophe“ für großes Aufsehen sorgte. Im Zusammenhang mit der Albert-Ludwigs-Universität ist zunächst der einflussreiche Historiker Gerhard Ritter hervorzuheben, der in der Nachkriegszeit immer wieder als Interpret der deutschen und abendländischen Universitätstradition in Erscheinung trat. Dabei thematisierte er in einem vielbeachteten Vortrag u.a. auch selbst das Verhältnis von Hochschule und „öffentlichem Leben“. Ritters Historikerkollegen Gerd Tellenbach kam aus verschiedenen Gründen eine wichtige Rolle zu. Der Mediävist stand nach dem Krieg zweimal an der Spitze der Universität und bekleidete v.a. in seiner Zeit als Jubiläumsrektor während der 500-Jahr-Feier eine exponierte Position. Tellenbach war darüber hinaus ein engagierter Hochschulreformer und setzte sich gerade an der eigenen Universität aktiv für eine Verbesserung der Beziehungen von Universität und Öffent- lichkeit ein. So verdankte sich beispielsweise die Gründung des Universitätsbeirats zu einem großen Teil der Initiative des Historikers. Nicht zuletzt war Tellenbach langjähri- ger Vorsitzender des Verbands der Freunde und gestaltete die öffentliche Kommunikation der Freiburger Hochschule als Verantwortlicher für das Vortragsprogramm entscheidend mit. Seit den späten 1960er Jahren gehörte schließlich der Politikwissenschaftler Wil- helm Hennis mit seinen leidenschaftlichen Plädoyers gegen eine Demokratisierung der Hochschulen, seiner Kritik an der studentischen Protestbewegung und seinem Engage- ment im Bund Freiheit der Wissenschaft zu den öffentlichkeitswirksamsten Professoren der Freiburger Universität.

5.3 Ausblick: Universität und Öffentlichkeit nach 1975

Mit der Verabschiedung des Rahmengesetzes und der formalen Etablierung der „Grup- penuniversität“ war Mitte der 1970er Jahre nach jahrelangen Diskussion eine – für die wenigsten allerdings wirklich befriedigende – Zwischenstation der Hochschul- und Stu- dienreform in Westdeutschland erreicht. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts passten die einzelnen Bundesländer ihre Gesetze nach und nach an die neuen Bestimmungen an. Nur wenig später begann sich dann ein erneuter Wandel abzuzeichnen, der auch für die Entwicklung der Beziehungen von Hochschule und Öffentlichkeit eine bedeutende Rolle spielte. Dabei sind meines Erachtens zwei Aspekte besonders hervorzuheben. Mit Beginn der 1980er Jahre schob sich im anbrechenden Zeitalter des Neoliberalis- mus erstens eine Entwicklung in den Vordergrund der öffentlichen Hochschuldiskussion, die der eingangs dieser Arbeit zitierte Universitätshistoriker Walter Rüegg treffend als „unternehmerische Hochschulreform“ bezeichnet hat.2 Dazu gehörte die Einführung von „Management-Strukturen“ in der Universitätsverwaltung bzw. der Universitätsleitung. Hochschulen sollten also „wie Unternehmen“ geführt werden. Tatsächlich ist das Mo- dell der demokratischen Gruppenuniversität gerade in den letzten Jahren mehr und mehr ausgehöhlt, die Entscheidungsgewalt von den akademischen Senaten zunehmend auf „Hochschulräte“ verlagert worden, die als Aufsichtsgremien fungieren und mit zahl-

2Rüegg (Hg.) 2010 – Geschichte der Universität in Europa, S. 31-37.

276 5.3 Ausblick: Universität und Öffentlichkeit nach 1975 reichen „Externen“ – insbesondere aus der Wirtschaft – besetzt sind.3 Darüber hinaus tauchten nun vermehrt Schlagwörter wie „Konkurrenz“, „Leistung“ oder „Marktorien- tierung“ im Universitätsdiskurs auf. Dahinter standen angesichts knapper Kassen v.a. wirtschaftliche Motive. Politiker aus allen Parteien, aber auch Institutionen wie der Wissenschaftsrat machten sich für mehr Wettbewerbselemente in der deutschen Hoch- schullandschaft, für erhöhte „Leistungstransparenz“, für eine verschärfte Konkurrenz um Studenten, Wissenschaftler oder finanzielle Mittel stark.4 Zur gleichen Zeit wurde Öffentlichkeitsarbeit weiter ausgebaut und professionalisiert. Nahezu überall sind die Beziehungen von Hochschule und Öffentlichkeit heute in größeren Abteilungen für Public Relations zusammengefasst und weithin als wichtiger Bestand- teil des akademischen Lebens akzeptiert. Unter dem Eindruck der zunehmenden Wett- bewerbsorientierung und dem Zwang zur Profilbildung veränderte Öffentlichkeitsarbeit seit den 1980er Jahren aber auch ihren Charakter. Vielerorts entstanden jetzt Initiativen für ein professionelles „Hochschulmarketing“. In diesem Zusammenhang sind beispiels- weise die Bemühungen von Universitäten zur Formierung einer Corporate Identity zu nennen, wie es nun häufig bezeichnet wurde.5 Auch an der Freiburger Hochschule sind die genannten Veränderungen nicht vorüber gegangen. So existiert mittlerweile nicht nur eine eigene Stabsstelle für „Wissensmanagement“, die sich für die „Stärkung der Marke Albert-Ludwigs-Universität Freiburg“ einsetzt.6 Darüber hinaus ist die bescheiden aus- gestattete Pressestelle, die Jan Rahmelow am Ende der 1960er Jahre übernommen hatte, in der Zwischenzeit zu einer Abteilung für „Öffentlichkeitsarbeit und Beziehungsmanage- ment“ mit zahlreichen Mitarbeitern und vielfältigen Aufgabenfeldern angewachsen. Dort werden die Verbindungen zwischen Hochschule und Öffentlichkeit zentral gesteuert.7

Mit der Abgeschiedenheit des sagenumwobenen „Elfenbeinturms“ lassen sich die heu- tigen Universitäten also ganz offenbar nicht mehr ernsthaft vergleichen. Walter Rüeggs zu Beginn dieser Arbeit zitierte Einschätzung trifft zu. Tatsächlich ist die Zeitgeschichte der deutschen und europäischen Universität nicht zuletzt durch so etwas wie eine „Spren- gung des Elfenbeinturms“ geprägt. Einige Stationen auf diesem Weg habe ich hier am Beispiel der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität nachzuzeichnen versucht.

3Vgl. dazu Turner 2001 – Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, S. 219-233. Solche Re- gelungen sind beispielsweise im baden-württembergischen Hochschulgesetz von 2005 im nordrhein- westfälischen „Hochschulfreiheitsgesetz“ von 2007 vorgesehen. Auch in Freiburg existiert seit 2005 ein solcher „Universitätsrat“. 4Vgl. ebd., S. 188-200. In diesem Zusammenhang entstanden in Deutschland auch erste „Hochschul- rankings“. 5Vgl. Escher 2001 – Public Relations für wissenschaftliche Hochschulen, S. 18-22 sowie Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 85-87. 6Siehe den Internet-Auftritt der Stabsstelle: http://www.zuv.uni-freiburg.de/organisation/d1/d1.1/- aufgaben, zuletzt geprüft am 1.2.2015. 7Vgl. Egenberger 2005 – Wir sind keine Kritik-Muffel, S. 90-92. Siehe auch den Internet-Auftritt der Freiburger PR-Abteilung: http://www.pr.uni-freiburg.de, zuletzt geprüft am 1.2.2015.

277

6 Quellen- und Literaturverzeichnis

6.1 Quellen

6.1.1 Archivalien Universitätsarchiv Freiburg B 1 (Rektorat, Sachakten der Universitätsverwaltung) 48-64 (Jahresfeiern mit Rekto- ratsübergabe, 1947-63); 67 (Reden und Ansprachen, Vorträge, 1945-59); 83 (Filmaufnah- men Jubiläum); 115 (Auswärtige Vorträge und Universitätstage); 740, 752, 767, 768, 776, 796, 804 (Haushalt, Stellenentwicklung); 1419 (Verband der Freunde); 1580 (Vortrags- reihe der Universität 1945-46); 1581 (Vortragsreihe der Universität 1946-47); 1583-1584 (dies universitatis); 1608 (Pressekonferenzen); 1662-1663 (Pressestelle); 1666 (Presse); 1690 (Veröffentlichungen der Universität); 1691 (Freiburger Universitätsblätter); 1700 (Rias Berlin und Nordwestdeutscher Rundfunk); 1727 (Publikationen: Die Universitä- ten im Lande Baden-Württemberg einst und jetzt); 1735 (Deutsche Universitätszeitung); 1737-1738 (Freiburger Studentenzeitung); 1748-1749 (Zeitungs- und Rundfunkberichte, Berichte an Zeitungen zur Veröffentlichung); 2362-2365, 2367 (studium generale); 2498, 2567, 2569 (Haushalt, Stellenentwicklung); 3695-3712 (Universitätsbeirat); 4638 (Feiern zur Rektoratsübergabe, 1954-1961)

B 2 (Rektorat, Sachakten der Universitätsverwaltung) 43 (Pressestelle); 44 (Universi- tätsbeirat); 45 (Universitätsbeirat, Sitzungen, 1964-72); 220-223 (Rektoratsübergabe, 1964-68); 436-437 (Verband der Freunde, 1967-76); 445 (dies universitatis); 448 (Hoch- schulwoche „Universität und Gesellschaft“); 456 (Ausstellungen); 505 (Veröffentlichun- gen); 506 (Freiburger Universitätsblätter); 515 (Freiburger Studentenzeitung); 516 (Info- Blatt); 1730, 1766, 1791, 1797, 1809, 1850, 1853 (Haushalt, Stellenentwicklung); 2813 (Lehrstuhlplanung und -verzeichnis, 1958-77); 2964-2970 (Senatssitzungen); 2974-2975 (Pressestelle)

B 12 (Senatssitzungen, 1945-1963)

B 18 (Studium Generale) 8-9 (Veranstaltungen); 36 (Senatskommission für das studium generale, 1950-76)

B 26 (Jubiläumsbüro) 15 (Wiederaufbau- und Jubiläumsausstellung); 19 (Korrespon- denz mit Presse und Funk); 24 (Sitzungsprotokolle der Jubiläumskommission); 40 (Zei- tungsberichte zum Jubiläum); 42 (Festprogramm); 52 (Mitteilungsblatt des Rektorats)

279 6 Quellen- und Literaturverzeichnis

B 39 (Pressestelle)

B 47 (AStA) 159 (Pressereferat); 203, 206-208, 219-222 (Student aufs Land); 230-231 (AStA-Info); 250 Uni-Pressespiegel

B 116 (Rektorat) 1014 (Haushaltsentwurf 1969)

C 100 (Nachlass von Dietze) 674 (Manukripte – Die Universität Freiburg im Dritten Reich, 15.7.1960)

E 1 (Verband der Freunde) 2 (Zeitungsartikel zum Wiederaufbau des Verbandes); 3 (Wiedergründung und Satzungsänderungen); 14 (Vortragstätigkeit Ortsverbände, 1950- 65); 37 (Vortragstätigkeit Ortsverbände, 1961-66); 38 (Vorbereitung für Vorträge, 1952- 71); 41-42 (Vortragstätigkeit Ortsverbände, 1952-58); 57 (Vortragstätigkeit Ortsverbän- de, 1958-62); 74-94 (Mitgliederversammlungen, Vorstands- und Beiratssitzungen, 1950- 1963); 110, 116 (Mitgliederversammlungen, Vorstands- und Beiratssitzungen, 1965-1968)

Staatsarchiv Freiburg

C 25/3 (Badisches Ministerium des Kultus und Unterrichts) 278 (Allgemeine Bauange- legenheiten); 279 (Wiederaufbau und Nutzung der Alten Universität); 281 (Tätigkeits- berichte des Wiederaufbaubüros); 282 (Neubau des Institutsviertels, hier: Aufhebung der Hebelstraße); 283 (Organisation, Planung und Finanzierung des Wiederaufbaus der Universität Freiburg); 284 (Bereitstellung von Haushaltsmitteln für den Wiederaufbau der Universität Freiburg)

Hauptstaatsarchiv Stuttgart

EA 3/907 (Kultusministerium, Hochschulen) 23 (Pressestellen an wissenschaftlichen Hochschulen); 402/1-402/3 (Universitätsreform, Rektorenkonferenz); 429/1-429/7 (Lehr- stuhlplanung); 1013 (Bauvorhaben)

Südwestrundfunk Baden-Baden

Historisches Archiv Sendemanuskripte; Redaktionsakten/Abteilung „Kulturelles Wort“: P 1442; Korrespondenz: 1000/46, 1000/47, 1000/49, DS 601

Abteilung „Information, Dokumentation und Archive“ Fernsehbeiträge von Südwestfunk und Süddeutschem Rundfunk zur Universitätsentwicklung in der Bundesrepublik und zur Universität Freiburg bis 1975.

6.1.2 Zeitungen, Zeitschriften, Reihen Systematisch durchgesehen wurden folgende Zeitschriften, Zeitungen und Reihen

280 6.1 Quellen

Tages- und Wochenpresse Freiburger Nachrichten (1945) / Badische Zeitung (1946- 1975); Frankfurter Allgemeine Zeitung (1949-1975); Der Spiegel (1947-1975); Die Zeit (1946-1975)

Universitäts- und Studentenpresse Freiburger Studentenzeitung (1951-1970) / Basis (1970- 1972); Freiburger Universitätsblätter (1962-1975); Mitteilungen des Verbands der Freun- de der Universität Freiburg (1949-1965); AStA-Press (1969-1972) / AStA-Info (1974- 1975) / AStA-Inform (1974-1975); Uni-Presse (1968-1975); Göttinger Universitätszei- tung (1945-1949) / Deutsche Universitätszeitung (1949-1975)

Jahresberichte der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (1948-1970) / Annalen der Albert- Ludwigs-Universität Freiburg (1952-1970)

Personen- und Vorlesungsverzeichnisse der Albert-Ludwig-Universität Freiburg (1946-1975)

6.1.3 Parlamentsprotokolle Deutscher Bundestag (1949-1975)

Landtag Baden (1946-1952) / Landtag Baden-Württemberg (1952-1975)

6.1.4 Sonstige Quellen Albers, Detlev (1968): Demokratisierung der Hochschule. Argumente zur Drittelpari- tät. Bonn. Allmählich heilen wieder die Wunden. Ein Besuch des Institutsviertels der Frei- burger Universität (1953). In: Das Volk, 23.06.1953. Baldung, Hans (1948): Die Aula. In: Funkwelt (40). Bauabteilung der Oberfinanzdirektion Freiburg (Hg.) (1960): Staatliche Hoch- bauten Baden-Württemberg. Bauabteilung Südbaden. Ein Jahrzehnt Wiederaufbau in Südbaden 1948-1958. Stuttgart. Bauer, Clemens (Hg.) (1954): Gestaltende Kräfte im 19. Jahrhundert. Vorträge. Frei- burg (Freiburger dies universitatis, 2). Behaghel, Wilhelm; Otto Funke (1873): Reden, bei der öffentlichen Feier der Ue- bergabe des Prorectorats der Universität Freiburg in der Aula am 12. Mai 1873. Freiburg. Bender, Ignaz u.a. (1960): Die Mitwirkung der Studenten in der akademischen Selbst- verwaltung. Eine Denkschrift Freiburger Studenten. Freiburg. Benz, Ernst (1968): „Ich kann nicht länger schweigen...“. Was heißt „Demokratisie- rung“? Und was bedeutet sie? In: Die Welt, 26.02.1968. Bergstraesser, Arnold (1957): Die Aufgabe der Universität in Gesellschaft und Staat. In: Gerd Tellenbach (Hg.): Die Festvorträge bei der Jubiläumsfeier. Freiburg, S. 111-124. Ders. (1957): Wissen, Urteil und Verantwortung. In: Christ und Welt, 08.08.1957.

281 6 Quellen- und Literaturverzeichnis

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282 6.1 Quellen

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300 Bildnachweis

Sämtliche Abbildungen werden unter der Lizenz CC BY 3.0 verwendet.

Abb. 1 Freiburg: Prof. von Caemmerer spricht / 12. Mai 1956; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 043567, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-224687-1

Abb. 2 Freiburg: Augustinermuseum, Szepter der Universität Freiburg, spätgotisch 1512 vom Freiburger Goldschmied Peter Sachs, Silber vergoldet / 24. Juni 1957; Fotograf: Willy Pragher, Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 047859a, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv- bw.de/plink/?f=5-224793-1

Abb. 3 Freiburg: Amtskette mit Maria- Theresia-Thaler / 31. März 1958; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 047867c, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-224809-1

Abb. 4 Freiburg: Schützenstraße, Rektoren im Festzug / 25. Juni 1957; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 047975h, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-225010-1

Abb. 5 Freiburg: Fackelzug hinter Publikum / 25. Juni 1957; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 048001c, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-225083-1

Abb. 6 Freiburg: Außenansicht des Pharmazeutischen Instituts, Gesamtsicht von der Gartenseite / 25. Mai 1954; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 027778, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5- 239577-1

Abb. 7 Freiburg i. Br.: Physiologisches, Physiologisch-chemisches und Balneologisches Institut und Bach / 23. März 1956; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 043053a, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5- 130459-1

Abb. 8 Freiburg i. Br.: Naturkundliches Institut / 23. März 1956; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 043052a, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-130457-1

Abb. 9 Freiburg i. Br.: Anatomisches Institut / 23. März 1956; Fotograf: Willy Pragher, Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 043054b, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-130462-1

301 Bildnachweis

Abb. 10 Freiburg: Frauenklinik, Gesamtansicht von HNO-Klinik / 02.1953; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 024449, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-239242-1 Abb. 11 Freiburg: Uni-Bauten, Tuberkulose-Klinik / 16. Oktober 1959; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 047299, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-239765-1 Abb. 12 Freiburg: [Modell des Kollegiengebäudes, Ausschnitt] /; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Ordner 1885 ohneSig 0001, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-240819-1 Abb. 13 Freiburg i. Br.: Universität, Kollegiengebäude I vom Werthmannhaus aus / 28. November 1951; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 019346a, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-128435-1 Abb. 14 Freiburg: Pharmazeutisches Institut, Aufenthaltsraum der Studenten / 25. Mai 1954; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 027782b, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-239586-1 Abb. 15 Freiburg i. Br.: Chemisches Institut / 23. März 1956; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 043055a, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-130463-1 Abb. 16 Freiburg: „Auto zu Verschenken“, Art für Zimmersuche von Studenten / 30. Oktober 1963; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 073321a, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-255949-1 Abb. 17 Freiburg: Studentenkundgebung gegen Bildungsnotstand, Umzug durch die Stadt / 1. Juli 1965; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 072616d, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-343560-1 Abb. 18 Freiburg: Kollegiengebäude III vom Hof aus / 12. März 1980; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 112206b, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-240650-1 Abb. 19 Freiburg: Außenansicht des Chemisches Instituts von Westen (Albertstraße) / 7. Februar 1968; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 082591c, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-240597-1 Abb. 20 Freiburg: Ausblick von oben auf Physik. Institut / 7. Februar 1968; Fotograf: Willy Pragher; Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 082596b, Bild 1; Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-240463-1

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