Emanzipation, Öffentlichkeit und Demokratie standen seit Anbeginn der Frauenbewegungen in einem engen Zusammenhang. Frauen gründeten Vereine und ihre eigenen Zeitungen gleich mit, weil ihre Ideen, Forderungen und Aktionen in der Männerpresse verschwiegen oder polemisch bekämpft wurden. Auch der Deutsche Frauenrat startete als „Informationsdienst für Frauenfragen“. Im April 1952 erschien das erste Heft der „Informationen für die Frau“. Dieser Band analysiert die fünfzig Jahrgänge dieser Zeitschrift. Am Beispiel einzelner Politikfelder dokumentiert er wichtige Etappen im Kampf um die Gleichberechtigung der Bürgerinnen, die zwar seit 1949 Verfassungsgrundsatz ist – aber noch lange nicht gelebte Wirklichkeit.

Irene Stoehr / Rita Pawlowski Die unfertige Demokratie 50 Jahre „Informationen für die Frau“ Irene Stoehr / Rita Pawlowski: Die unfertige Demokratie – 50 Jahre „Informationen für die Frau“ Pawlowski:die Rita für / „Informationen Stoehr Irene Jahre 50 – Demokratie unfertige Die Impressum Herausgeber Deutscher Frauenrat – Lobby der Frauen – Bundesvereinigung von Frauenverbänden und Frauengruppen gemischter Verbände in Deutschland e.V. (DF) Axel-Springer-Str. 54a 10117 Berlin Fon (030) 20 45 69-0 Fax (030) 20 45 69-44 [email protected] www.frauenrat.de

Finanzierung

Gestaltung Michael Pickardt Druck agit-druck Erscheinungsdatum April 2002 Bestellungen Deutscher Frauenrat Schutzgebühr 5 EUR / Exemplar Irene Stoehr Rita Pawlowski Die unfertige Demokratie

50 Jahre „Informationen für die Frau“

Grußwort 3

Ich gratuliere dem Deutschen Frauenrat herzlich zu seinem 50. Geburtstag und verbinde damit meinen Glückwunsch zum fünfzigjährigen Bestehen der Zeitschrift „Informationen für die Frau“, die heute unter dem Titel „Frauenrat“ erscheint. Angefangen hat alles im Dezember 1951, als 14 Frauenverbände und Frauen aus dem Deutschen Gewerkschaftsbund den „Informationsdienst für Frauenfragen e.V.“ gründeten. Sie verfolgten das Ziel, sich über frauenpolitisch relevante Fragen auszutauschen und Einfluss zu nehmen. Aus dem gemeinsamen Büro der anfänglich 14 Mitgliedsverbände wuchs der Deutsche Frauenrat. Die Zeitschrift „Informationen für die Frau“ war von Beginn an ein wichtiges Kommunikationsinstrument in diesem Netzwerk, das mit den Jahren immer weiter gewachsen ist. Inzwischen repräsentiert der Deutsche Frauenrat 57 Frauenverbände und -organisationen und vertritt damit die Interessen von rund 11 Millionen Frauen auf bundespolitischer Ebene. Wenn das keine Erfolgsgeschichte ist. Der Deutsche Frauenrat hat Gewicht. Er hat sich in seiner fünfzigjährigen Geschichte zu einem zentralen und unverzichtbaren Bestandteil der gleichstellungs- und gesellschaftspolitischen Landschaft in Deutschland entwickelt und hat wesentlich dazu beigetragen, Frauen- und Gleichstellungspolitik zu einem Thema der politischen Agenda in unserem Land zu machen. Genau wie die Zahl der Mitgliedsverbände immer weiter gewachsen ist, haben sich auch die Themen und Aufgaben des Verbandes erweitert. Waren es zu Beginn der Fünfzigerjahre Fragen der Kriegsrückkehr der Männer, der Sicherung des Lebensunterhalts der Familien oder auch der Friedenssicherung, kamen bald konkrete gleichstellungspolitische Forderungen hinzu wie die Einrichtung eines Frauenministeriums, die gleichberechtigte Vertretung von Frauen in den Parlamenten und eine bessere soziale Absicherung von Frauen. Der Deutsche Frauenrat kämpfte von Beginn an dafür, die im Grundgesetz geforderte Gleichberechtigung in Politik und Gesellschaft und vor allem auch im Berufsleben durchzusetzen. Der Deutsche Frauenrat hat sich zu einer Lobby der Frauen entwickelt. Er bezieht in allen gleichstellungspolitischen Fragen Stellung und nimmt Einfluss auf gleichstellungspolitische Entscheidungen. Es ist schon eine große Leistung, dass sich im Deutschen Frauenrat 57 ganz unterschiedliche Frauenverbände und Frauengruppen auf konkrete gemeinsame Forderungen verständigen und dann auch zusammen dafür kämpfen. Aus diesen gebündelten Interessen erwächst Kraft und Durchsetzungsvermögen. Für mich ist der Deutsche Frauenrat ein wichtiger Kommunikationspartner, weil hier Sachverstand, vielfältige Erkenntnisse und Erfahrungen gebündelt und artikuliert werden. Der Deutsche Frauenrat hat schon vieles bewegt und maßgeblich zur Entwicklung der Frauen- und Gleichstellungspolitik in unserem Land beigetragen. Dafür gebührt der Dank den Frauen im Deutschen Frauenrat, die mit ihrer Arbeit – viel davon wurde und wird ehrenamtlich erbracht – in den 50 Jahren zum Erfolg beigetragen haben. Wir Frauen haben uns schon vieles erobert und erkämpft, aber noch fehlt ein ganzes Stück, bis die Gleichstellung der Frauen in allen Bereichen unserer Gesellschaft erreicht ist. Deshalb ist Engagement auch weiterhin gefragt. Noch immer gilt, was Elisabeth Selbert gesagt hat, die Frau, die dafür gekämpft hat, dass Artikel 3 Absatz 2 in unser Grundgesetz gekommen ist: „Das Werk der Befreiung muss in erster Linie das Werk der Frauen selbst sein.“ In diesem Sinne wünsche ich dem Deutschen Frauenrat für die Zukunft weiterhin Kampfesgeist und viel Erfolg bei der Arbeit.

Dr. Christine Bergmann Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 4 Inhalt

Grußwort Dr. Christine Bergmann 3

Vorwort Dr. Inge v. Bönninghausen Mit demokratischem Elan 5 Die Rolle der politischen Frauenpublizistik

Einleitung

Das Gedankengut der Frauenbewegung wird weiter wirken 7 Vom Bund Deutscher Frauenvereine zum Deutschen Frauenrat

1

Ein Neubeginn mit Verwirrungen 15 Der „Informationsdienst für Frauenfragen“ und seine Publikation

2

Der Gesetzgeber reagiert als Mann! 27 Rechtliche Stärkung der Frauen im Geschlechterverhältnis

Vorsitzende des Deutschen Frauenrates von seinen Anfängen bis heute 54

3

Zwischen politischer Partizipation und Gesellschaftsveränderung 57 Der Kampf um Einfluss in der Öffentlichkeit

4

Über Ländergrenzen hinweg 81 Die Integration in internationale Frauennetzwerke

Anhang

Anmerkungen 87 Die Mitgliedsverbände des Deutschen Frauenrates 89 Verantwortliche und Redakteurinnen der „Informationen“ 91 Autorinnen und Bildnachweis 92 Vorwort

Mit demokratischem Elan 5

Die Rolle der politischen Frauenpublizistik

Emanzipation, Öffentlichkeit und Demokratie wie z.B. von Anita Augspurg und Lida Gusta- stehen für Frauen seit gut 150 Jahren in einem va Heymann Die Frau im Staat. engen Zusammenhang. „Dem Reich der Frei- Die Selbstauflösung des Bundes Deutscher heit werb’ ich Bürgerinnen“ – unter dieses Frauenvereine 1933, die Emigration vieler Ak- Motto stellte Luise Otto ihre Frauen-Zeitung, tivistinnen und der Zweite Weltkrieg setzten die im April 1849 mit der ersten Nummer er- der Frauenbewegung das vorläufige Ende. schien. An ihr lässt sich der demokratische Elan Die Nachkriegsjahre dann absorbierten alle der Frauen in der 48er Revolution ebenso ab- Kräfte der Frauen für die Bewältigung des All- lesen wie deren Scheitern. Wöchentlich infor- tags in zerstörten Städten und hungernden mierte die Frauen-Zeitung mit Nachrichten, Familien. Dennoch bildeten sie kommunale politischen Kommentaren und Neuigkeiten Frauenausschüsse, belebten alte Kontakte aus den Frauenvereinen und -initiativen in vie- und schufen eine neue Basis für Vereine und len Städten des Deutschen Bundes. Nur drei Verbände. Jahre konnte sich die Zeitung gegen Repressa- Dass sich der bundesweite Zusammenschluss lien und Verbote durch die herrschende Reak- von 14 Organisationen im Jahre 1951 den Na- tion behaupten. men „Informationsdienst für Frauenfragen“ 13 Jahre später gründeten Luise Otto und gab, macht sehr deutlich, dass es nach 12 Jah- Auguste Schmidt auf der ersten deutschen ren nationalsozialistischer Propaganda ein im- Frauenkonferenz in Leipzig den „Allgemeinen menses Bedürfnis nach ungefilterter Informati- Deutschen Frauenverein“ und mit ihm die Ver- on gab als Voraussetzung freier Meinungsbil- einszeitschrift Neue Bahnen, die bis 1920 vier- dung. Und wie schon Luise Otto und ihre Nach- zehntägig erschien. folgerinnen sahen sie in der Geschlechterfrage Seitdem entwickelte sich mit dem blühen- ein Kernproblem jeder Demokratie. den Vereinswesen eine ebenso vielfältige ei- Im Januar 1952 erteilte der amerikanische genständige Frauenpublizistik. Das ist kein Zu- High Commissioner die Druckerlaubnis für die fall, denn ebenso wie das Preußische Vereins- Informationen für die Frau. Sie sollen „die Par- gesetz den Frauen von 1850 bis 1908 jegliche lamente, Presse, Rundfunk etc. über den Stand Aktivität in politischen Vereinen verbot, wur- der Frauenarbeit und der Frauen überhaupt den ihre Ideen und Aktionen in der Männer- unterrichten“, so die erste Geschäftsführerin presse verschwiegen oder polemisch und Redakteurin Annelise Glaser. bekämpft. Mit diesem Band nun legen Irene Stoehr So gründete Minna Cauer den Verein „Frau- und Rita Pawlowski erstmals eine kritische enwohl“ und die Zeitschrift Die Frauenbewe- Analyse der 50 Jahrgänge der Zeitschrift des gung, Helene Lange den „Allgemeinen Deut- DEUTSCHEN FRAUENRATES vor. Am Beispiel schen Lehrerinnenverein“ und das Organ der einzelner Politikfelder dokumentieren sie wich- gemäßigten Bürgerlichen Die Frau. Sprachrohr tige Etappen im Kampf um die Gleichberechti- des „Bundes Deutscher Frauenvereine“ war gung der Bürgerinnen, die zwar seit 1949 Ver- Die Frauenfrage . Die Vorsitzende des „Bundes fassungsgrundsatz, aber noch lange nicht ge- für Mutterschutz“, Helene Stöcker, redigierte lebte Wirklichkeit ist. Die Neue Generation und Anita Augspurg die Wir danken dem Bundesministerium für Fa- Zeitschrift für Frauenstimmrecht. milie, Senioren, Frauen und Jugend für seine Nach dem Ersten Weltkrieg und der Durch- Unterstützung und danken vor allem den Her- setzung des Frauenwahlrechts hatten Vereine ausgeberinnen und Redakteurinnen der Infor- und Verbände es zunehmend schwer, die mationen für die Frau. „Neue Frau“ der goldenen Zwanziger für ihre Arbeit zu gewinnen. Neue Zeitschriften wur- Inge v. Bönninghausen den jetzt von einzelnen Frauen herausgegeben Vorsitzende des DEUTSCHEN FRAUENRATES

Einleitung

Das Gedankengut der 7 Frauenbewegung wird weiter wirken

Vom Bund Deutscher Frauenvereine zum Deutschen Frauenrat

Als im Jahre 1994 die gängigste Briefmarke im deshalb dieses wichtige Datum als Beginn der Wert von 1 DM an das hundertjährige Jubi- politischen Frauenbewegung werten, obwohl läum des Deutschen Frauenrates (DF) erinner- Frauen sich nach der damaligen Gesetzeslage te, wunderten sich einige Zeitgenossinnen. gerade nicht politisch betätigen durften. Des- Denn sie wussten, dass der DF erst nach der halb schlossen sich die Beteiligten ausdrücklich Entstehung der Bundesrepublik Deutschland unter dem Motto „Gemeinnützigkeit“ zusam- gegründet worden war, nämlich im Dezember men. 1951 als „Informationsdienst für Frauenfra- Unter dem Vorsitz der Leipziger Schulvor- gen“. Tatsächlich hatten sich die Jubiläumsfei- steherin Auguste Schmidt1 (alle Anmerkungen ern des Deutschen Frauenrats bisher an dieser S. 87-88) versammelten sich am 28. März Zeitrechnung orientiert: die zehnjährige 1962, 1894 Vertreterinnen von 34 Frauenvereinen im die dreißigjährige 1982 und die vierzigjährige Berliner Lettehaus, um die Gründung einer Or- 1992. ganisation vorzubereiten, die die unterschied- Mit dem Briefmarkentext „100 Jahre Bund lichen Frauenbestrebungen im Deutschen Deutscher Frauenvereine – Deutscher Frauen- Reich unter ihrem Dach vereinen sollte. Das rat“ stellte sich der DF 1994 ausdrücklich als di- Spektrum reichte von kleinen Vereinen wie rekter Nachfolger des Dachverbandes der or- dem „Verein zur Unterstützung armer Wöch- ganisierten „bürgerlichen“ Frauenbewegung nerinnen“ oder dem „Verein zur Ausstattung (von 1894 bis 1933) der Öffentlichkeit vor. Ein- jüdischer Bräute“ bis zu großen, überregiona- leitend soll versucht werden, die hier bean- len Organisationen wie dem seit 1865 beste- spruchte Kontinuitätslinie nachzuzeichnen henden Allgemeinen Deutschen Frauenverein und zu diskutieren. (ADF)2 und dem Allgemeinen Deutschen Leh- rerinnenverein (ADLV), der 1890 als erste na- Die Gründung des Bundes Deutscher Frauen- tionale Frauenberufsorganisation von Helene vereine (BDF) 1894 markierte nicht den Beginn Lange gegründet wurde. Die Vorsitzende der der Frauenbewegung in Deutschland. Späte- mitgliederstarken „Vaterländischen Frauenver- stens seit Mitte der 1860er Jahre können wir eine“ hingegen hatte die Einladung dankend von einer sich organisierenden und langsam abgelehnt, während die politischen Arbeite- über das Land ausbreitenden Frauenbewe- rinnenvereine gar nicht erst eingeladen wur- gung sprechen, deren Wurzeln in die 1848er den, eine Entscheidung, die zu heftigen Aus- Revolution und den deutschen Vormärz zurück einandersetzungen zwischen dem „radikalen“ reichen. Aber der BDF war Ausdruck eines neu- Flügel und der gemäßigten Mehrheitsfraktion en Selbstbewusstseins der deutschen Frauen- im BDF führte.3 bewegung. Mit seinen zentralen Organen, Die Idee eines solchen Frauenbundes hatten dem Vorstand und den Fachkommissionen, drei Vertreterinnen der deutschen Frauenbe- war der Dachverband die erste Organisation, wegung 1893 von der Weltausstellung in Chi- die 40 Jahre lang mit zunehmendem Stim- cago mitgebracht. Dort hatten sie den ameri- mengewicht im Namen der deutschen Frauen- kanischen „National Council of Women“ ken- bewegung sprechen sollte. Mit einem gewis- nen gelernt und trugen den Vorschlag, die sen Sinn für historische Paradoxien lässt sich deutsche Frauenbewegung nach diesem Mo- Das Gedankengut der Frauenbewegung wird weiter wirken

dell zu organisieren, erfolgreich den führenden ten, bedeutete kein Desinteresse gegenüber 8 Vertreterinnen der großen Frauenorganisatio- der Arbeiterinnenfrage, sondern war eher Be- nen vor. 1897 wurde der BDF in den ICW (In- denken gegenüber den Sozialisten geschuldet. ternational Council of Women), die Internatio- Der BDF setzte von Anfang an den Arbeiterin- nale Dachorganisation der Frauenbewegung, nenschutz auf sein Programm. Die Kommissi- als „National Council of Women of “ on zur Förderung der weiblichen Gewerbein- aufgenommen. spektion (später: für Arbeiterinnenschutz) war erfolgreich bei der Einrichtung von – wie wir In den ersten beiden Jahrzehnten seines Be- heute sagen würden – Frauenbeauftragten in stehens, die allgemein als seine Blütezeit an- Betrieben. Sie sollten darauf hinwirken, dass gesehen werden4, war der BDF das Forum zen- die Arbeitsbedingungen die Gesundheit der Arbeiterinnen nicht gefährdeten und ihnen er- laubten, für ihre Kinder zu sorgen.5 Bemerkenswert langfristig und flexibel agi- tierte die 1895 eingesetzte Rechtskommission des BDF gegen die geplante Neuregelung des Familienrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), die Ehefrauen und Mütter noch mehr als zuvor benachteiligen sollte. Mit Massende- monstrationen und insgesamt 100.000 Unter- schriften unter drei Petitionen an den Deut- schen Reichstag wurde zunächst ein „Frauen- landsturm“ entfesselt, wie die Presse mit spöt- tischem Unterton berichtete. Als der Erfolg ausblieb, verlagerten die Akteurinnen ihren Schwerpunkt auf subtilere Formen der Öffent- lichkeitsarbeit: Rechtsschutzvereine und ande- re Lokalvereine organisierten dezentral Kurse und Beratungen, mit deren Hilfe Frauen vor Vorstandsmitglieder Ort langfristig befähigt wurden, selbstbewusst des BDF, 1921 (V.l.n.r.): traler frauenpolitischer Auseinandersetzun- vorhandene Rechte zu nutzen und für weitere Marie Elisabeth Lüders, gen. Kontrovers verhandelt wurden neben der einzutreten. Gertrud Bäumer, Position zur Arbeiterinnenbewegung u.a. fol- Weiterhin machte der neue Frauenbund die Marie Baum, gende Fragen: Waren „gemeinnützige“ Frau- „Sittlichkeitsfrage“ zum Politikum. Auch wenn Luise Kiesselbach, Elisabeth Altmann-Gottheiner, envereine die geeignete Basis für diesen Dach- einige der damaligen Forderungen aus heuti- Dorothee von Velsen, verband oder nicht vielmehr zielgerichtete In- ger Sicht fast reaktionär erscheinen – wie die Emma Ender, teressenorganisationen? Sollte die Frauenbe- Einstellung von „Polizeimatronen“ oder die sitzend: Alice Bensheimer wegung alle Kräfte zur Durchsetzung des Frau- sittliche Besserung „gefallener Mädchen“ –, so enwahlrechts einsetzen, oder damit lieber war schon das öffentliche Sprechen über Pro- noch warten, bis dafür bestimmte Vorausset- stitution, Geschlechtskrankheiten und doppel- zungen geschaffen waren? War soziale Arbeit te Moral vor 1900 eine Provokation. Der eines der wichtigsten Aufgabengebiete der Kampf gegen öffentliche Bordelle bedeutete Frauenbewegung, oder hatten Frauensozialar- ebenso wie der gegen das Familienrecht eine beit und Frauenbewegung überhaupt nichts direkte Konfrontation mit dem Staat. Zugleich miteinander zu tun? Sollte es primär um die berührten beide die intimsten Bereiche des pri- Durchsetzung gleicher Rechte für Frauen ge- vaten Lebens. Augenzeuginnen einer der er- hen oder darum, den „Kultureinfluß der Frau“ sten Frauenkonferenzen des BDF 1895 berich- bzw. die „organisierte Mütterlichkeit“ in die teten von der atemlosen Betroffenheit, mit der männlich geprägte Welt einzubringen? das Auditorium dem Vortrag der Vorsitzenden Trotz der heterogenen Zusammensetzung der Sittlichkeitskommission Hanna Bieber- und trotz des vom amerikanischen Vorbild Böhm folgte, die ihre Zuhörerinnen als Mütter übernommenen Grundsatzes, nur solche For- und Gattinnen von Bordellbesuchern an- derungen aufzunehmen, denen alle „von Her- sprach. Nach einer zeitgenössischen Schät- zen“ ihre Zustimmung geben konnten, erwies zung waren das ca. 95 Prozent aller Männer! sich der BDF als erstaunlich handlungsfähig. 1908 fand die erste große Auseinanderset- Dass ihm keine Arbeiterinnenvereine angehör- zung um den § 218 statt, bei der sich beinahe Einleitung

die Forderung nach dessen ersatzloser Strei- Menschheit einmal ein halbes Jahrhundert ver- chung durchgesetzt hätte. leugnet oder mißachtet werden mögen, ohne 9 dadurch eine Wertminderung zu erfahren, (...) so wird auch das Gedankengut der Frauenbe- Neue Konstellationen wegung weiter wirken, und zwar auch in den Männern und Frauen, die es heute ablehnen Im Ersten Weltkrieg wandelte sich der BDF als oder für überwunden halten.“ „Nationaler Frauendienst“ zur effektiven Agnes von Zahn-Harnack war es auch, die Dienstleistungsorganisation an der „Heimat- bereits im Sommer 1945 mit 30 Frauen aus der front“. Darin arbeiteten nunmehr zwar auch alten Frauenbewegung versuchte, in den die meisten sozialdemokratischen Frauenverei- Trümmern Berlins einen „Deutschen Frauen- ne mit; dafür verabschiedeten sich aber die bund“ zu gründen, der offensichtlich als Nach- „radikalen“ Frauen, von denen sich viele ab folger des BDF konzipiert war. Die angestrebte 1915 in der internationalen Friedensbewe- Reichweite wurde durch alliierte Vorbehalte al- gung organisiert hatten. lerdings stark eingeschränkt: Auf einen deut- Nach der Durchsetzung des Frauenstimm- schen Staat bezogene Organisationen wurden rechts 1918 versuchte der BDF, ein frauenpoli- von den westlichen Besatzungsmächten noch tisches Gegengewicht zu den Parteipolitiken nicht zugelassen. Der Frauenbund musste sich zu setzen. Zugleich wurde er nun vor allem ein auf einen Berliner Stadtteil beschränken, und Das „Centralblatt“ Dachverband für Frauenberufsorganisationen, es dauerte drei Jahre, bis sich der „Wilmers- des Bundes deutscher die die alten Frauenbewegungs-Organisatio- dorfer Frauenbund“ wenigstens in einen „Ber- Frauenvereine, 1899 nen dominierten, was zu seiner Entpolitisie- liner Frauenbund“ umtaufen durfte.8 Dass er rung beitrug. Mit seinen über zwei Millionen anschließend nicht mehr auf dem Titel „Deut- Mitgliedern wurde der BDF teilweise auch Op- scher Frauenbund“ insistierte, hatte vor allem fer seines äußeren Erfolges, weil sich eine ge- damit zu tun, dass es seit 1947 zunehmend Be- wisse bürokratische Erstarrung einschlich, was strebungen gab, die Westberliner mit den in- vor allem die jungen Frauen fernhielt.6 zwischen überall in den Westzonen Deutsch- Andererseits stritt und petitierte der Bund lands entstandenen Frauenorganisationen zu- u.a. für eine Reform des Familienrechts auf der sammenzuschließen. Grundlage der Gleichberechtigung, für die Zu- Dieses Bedürfnis nach Zusammenschluss lassung der Frauen zu juristischen Berufen und entstand nicht zuletzt als Reaktion auf die für die Ämter des Schöffen und Geschwore- Gründung des Demokratischen Frauenbundes nen, für das Recht auf Fortführung des Deutschland (DFD) in Ost-Berlin im März 1947. Mädchennamens, für die Gleichstellung un- Der Anspruch des DFD, eine gesamtdeutsche ehelicher Kinder, die gleiche Besoldung weib- Einheitsorganisation der Frauenbewegung zu licher Beamter und schließlich gegen die sein, wurde von den meisten Repräsentantin- Zwangsentlassung verheirateter Beamtinnen.7 nen westlicher Frauenorganisationen bestrit- In den Jahren 1932 und 1933 gab der Bund ten. Deshalb wurde eine alternative zentrale regelmäßig „Gelbe Blätter“ heraus, die über alle Organisation im Westen anvisiert, die allerdings frauenfeindlichen Schritte politischer Instanzen nicht „von oben nach unten“ (wie dem DFD und Organisationen berichteten und sie an- unterstellt wurde), sondern „von unten nach prangerten. Dieses Blatt wurde zunehmend zur oben“ aufgebaut werden sollte. Der im Okto- Kampfschrift gegen den aufkommenden Natio- ber 1949 in Bad Pyrmont gegründete Deutsche nalsozialismus. Im Frühjahr 1933 vor die Alter- Frauenring trat als Dachverband der bereits be- Die erste Nummer, native einer von den Nazis geforderten Gleich- stehenden, regionalen (nicht-kommunisti- April 1952 schaltung gestellt, löste sich der BDF „freiwillig“ schen) Frauenbewegung der Westzonen im auf. In ihrem in der Zeitschrift Die Frau veröf- Selbstverständnis der Beteiligten nunmehr die fentlichten Schlussbericht antizipierte die letzte Nachfolge des alten BDF an.9 An der Spitze des BDF-Vorsitzende Agnes von Zahn-Harnack die Verbandes standen die Hannoveraner Regie- vor ihr liegende Zeit der nationalsozialistischen rungspräsidentin Theanolte Bähnisch und die Herrschaft lediglich als eine Unterbrechung der Berlinerin Agnes von Zahn-Harnack als ihre Frauenbewegung von vielleicht 10 oder 50 Jah- Stellvertreterin.10 Mit seiner Aufnahme in den ren, die nicht deren Ende bedeuten würde: „Die „International Council of Woman“ (ICW) als Grundgedanken der Frauenbewegung sind ein „National Council of Women in Germany“ Menschheitsgut (...) So wie Reformation oder 1951 wurde der Deutsche Frauenring auch in- Aufklärung oder manches andere Besitztum der ternational als Nachfolger des BDF anerkannt. Das Gedankengut der Frauenbewegung wird weiter wirken

Information und Aufklärung Dass sich der Deutsche Frauenring neben 10 dem Informationsdienst für Frauenfragen be- Am Ende des gleichen Jahres wurde der spä- haupten konnte, ist durchaus bemerkenswert, tere Deutsche Frauenrat als „Informations- wenn man bedenkt, dass die politische Öf- dienst für Frauenfragen“ (ID) gegründet. Er fentlichkeit gerade in den Fünfziger- und den war in seinen ersten Jahren ein Bündnis über- frühen Sechzigerjahren mehr als einen zentra- regionaler Frauenverbände zum Zweck der ge- len Ansprechpartner für „Frauenfragen“ nur genseitigen Information und der Aufklärung schwer zu akzeptieren vermochte, zumal bei- einer politisch qualifizierten Öffentlichkeit über de Zusammenschlüsse die staatsbürgerliche Frauenfragen; als Mittel dazu diente die Her- Bildung der Frauen anstrebten. ausgabe der Zeitschrift Informationen für die Frau ab April 1952.11 Trotz dieser zunächst begrenzten Zielset- Vom Informationsdienst zum zung, und obwohl der Deutsche Frauenring Aktionsbündnis sowie zwei seiner Mitgliedsverbände selbst zu den 14 Gründerverbänden des ID gehörten,12 Die Geschichte des Deutschen Frauenrings bestand zwischen den beiden Zusammen- muss noch geschrieben werden, so dass hier schlüssen im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens nur zwei Hinweise zum Verständnis dieses sta- ein problematisches, latent konkurrierendes bilen Ungleichgewichts beitragen können: Verhältnis. So beklagte sich 1953 die langjähri- Zum einen hat die Tatsache, dass die meisten ge Geschäftsführerin des ID, Annelise Glaser, Vertreterinnen der Nachkriegsfrauenbewe- dass ihre Organisation von Else Ulich-Beil, der gung sich nicht in Frauenring und späteren neuen Vorsitzenden des Deutschen Frauen- Frauenrat spalten ließen, und einige darüber 23 Jahre später, 1975 rings, bei Einladungen zu offiziellen Veranstal- hinaus ausgleichend und vermittelnd wirk- tungen „konstant“ übergangen werde.13 ten15, nicht nur den ID, sondern auch den Frau- Ulich-Beil gründete außerdem bereits 1952 enring gestärkt. Zum anderen hat sich eine eine „Arbeitsgemeinschaft der überparteili- tragfähige Arbeitsteilung zwischen beiden Or- chen und überkonfessionellen Frauenorgani- ganisationen durchgesetzt, die in den jeweili- sationen“ im Bundesgebiet, die nicht Mitglied gen Gründungsgeschichten bereits angelegt des ID wurde. Die Tatsache, dass die Grün- war: Der Frauenring wurde mehr zum Netz- dungspräsidentin des Deutschen Frauenrings werk lokaler und regionaler Gruppen, in ihrem Vortrag zu dessen 10jährigem Beste- während der ID/DF als Dachverband bundes- hen 1960 mit dem immerhin sehr allgemeinen weit orientierter Interessenverbände agierte. Titel „Vom Wiederaufbau der Frauenarbeit Anfangs war mit diesem Unterschied verbun- nach dem Zusammenbruch 1945“ zwar diese den gewesen, dass der Frauenring die staats- Arbeitsgemeinschaft würdigte, den ID aber bürgerliche Bildung von Frauen aktiv (in Kursen nicht erwähnte14 ist ein weiteres Indiz für das und Seminaren) organisierte, während der „In- gespannte Verhältnis der beiden Organisatio- formationsdienst“ die staatsbürgerliche Bil- nen. dung ausschließlich durch den Austausch und Der Konflikt entschärfte sich allerdings mit die Weitergabe von Informationen fördern der wachsenden politischen Bedeutung des In- wollte (Satzung des ID von 1954). Schon vier formationsdienstes für Frauenfragen (ID), der Jahre später änderte sich aber diese Zielset- ein Verlust an Aufmerksamkeit für den Deut- zung mit dem Beschluss, künftig „gemeinsa- schen Frauenring entsprach, ohne dass dieser me Aktionen anregen und für deren Organisa- aber in seinem Bestand gefährdet war. Mögli- tion Sorge tragen“ zu wollen. Damit war aus che Gründe für diese Entwicklung können hier dem „Informationsdienst“ ein Aktionsbündnis nur angedeutet werden: Der ID war einerseits geworden. „bescheidener“ in der Zielsetzung und ande- Erstaunlicherweise hat weder dieser Wan- rerseits auf ein breiteres Spektrum der Beteili- del vom Informationsdienst zu einem „Infor- gung angelegt als der Deutsche Frauenring, mationsdienst und Aktionskreis deutscher der sich mehr als Zusammenschluss der „alten Frauenverbände und Frauengruppen ge- Frauenbewegung“ verstand und deshalb nicht mischter Verbände“ (1958) noch die Umbe- allen Frauenverbänden offen stand. Dem ID nennung in „Deutscher Frauenrat“ (1969) die gelang es, über mehr als zwei Jahrzehnte eine Rückbesinnung der Beteiligten auf die deut- immer größere Handlungs- und Machtkompe- sche Frauenbewegung vor 1933 mobilisiert. tenz zu erringen. Nicht einmal die Initiative des Deutschen Einleitung

Frauenrates von 1980, die ICW-Mitgliedschaft Beim Vergleich der Themen und Aufgaben vom Deutschen Frauenring auf ihn zu über- fallen weitere Parallelen bzw. Kontinuitäten ins 11 tragen, wurde mit dem Gedanken verbunden, Auge. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass in sich als Nachfolger des Bundes Deutscher den Fünfzigerjahren die Aktivitäten nur von Frauenvereine zu platzieren.16 Erst das 100- den einzelnen Mitgliedsvereinen ausgehen jährige Gründungsjubiläum des BDF (1994) konnten und erst ab 1958 zunehmend vom In- war der Anlass, diese historische Verbindung formationsdienst für Frauenfragen bzw. vom zu knüpfen. Deutschen Frauenrat getragen wurden. Eine Dass aus dem Deutschen Frauenring Protest mit dem BDF organisatorisch vergleichbare Ein- gegen diese Darstellung erhoben wurde, kann richtung ist er also frühestens ab diesem Zeit- nicht verwundern.17 Aber auch von den Ver- punkt. Unter diesem Vorbehalt lässt sich zei- treterinnen des Deutschen Frauenrates wurde gen, dass der DF seit Beginn der Fünfziger- bis seine Geschichte bis 1993 als ein Neubeginn in die Siebzigerjahre hinein den Kampf des BDF nach dem Zweiten Weltkrieg interpretiert, der um Reformen des Ehe- und Familienrechts von den Amerikanerinnen (wenn auch unter fortsetzte und dazu beitrug, dass einige von aktiver Beteiligung von Frauen aus der Frauen- dessen Anliegen schließlich durchgesetzt wur- bewegung der Weimarer Republik) initiiert den. 1977 wurde das Entscheidungsrecht des worden war. Vor diesem Hintergrund ist es Ehemannes/Vaters in Familien- und Erzie- reizvoll zu fragen, in welchen Punkten und mit hungsangelegenheiten endgültig abgeschafft, welchen Veränderungen der Deutsche Frau- im gleichen Jahr auch das Schuldprinzip bei enrat sich als Nachfolger des BDF setzen kann. Scheidungen. Die bereits vom BDF in der Wei- Hinsichtlich der Ziele und Aufgaben und der marer Republik geforderte Beibehaltung des 43 Jahre später, 1995 Repräsentation (welche Frauen werden vertre- Mädchennamens nach der Eheschließung ten?) werden im Folgenden solche Konti- wurde ebenfalls wieder aufgenommen und bis nuitätslinien skizziert. 1975 zu Teilerfolgen geführt. Mit seinem Ein- treten für die soziale Sicherung der verheirate- ten, nicht außerhäuslich tätigen Ehefrau (z.B. Organisiertes Zusammenwirken... Anrechnung der Erziehungszeiten für die Ren- te, ab 1986 in Kraft) konkretisierte der DF ein Der Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) und prominentes Anliegen des BDF, der für eine der Deutsche Frauenrat (DF) waren vor allem Aufwertung von Haus- und Mütterarbeit ge- Gremien zur Durchsetzung frauenpolitischer stritten hatte, ohne für eine gesetzliche Rege- Forderungen. Um so bemerkenswerter ist es, lung zu plädieren. dass in ihren frühen Zielbestimmungen davon keine Rede ist. So formulierte die erste Satzung In der Politik des DF setzte sich ein Trend der des BDF von 1894, dass die „gemeinnützigen Verrechtlichung der Frauenfragen fort (Steuer- Frauenverbände (...) durch organisiertes Zu- recht, Rentenrecht, Antidiskriminierungsge- sammenwirken (...) erstarken (sollten), (...) um setz), der vom BDF der Weimarer Republik be- ihre Arbeit erfolgreich in den Dienst des Fami- gonnen worden war. Die Diskussionen über lien- und Volkswohls zu stellen“. eine Frauenenquete der Bundesregierung in Als Zweck des späteren Deutschen Frauen- den Sechziger- und Siebzigerjahren, die alle rates legt die Satzung von 1954 die „Förderung Frauenfragen in Bezug auf Beruf, Bildung, Po- der staatsbürgerlichen Bildung zur Sicherung litik, Recht und Familie umfassen sollte, visier- der Demokratie“ und die „Förderung von Tole- ten ebenfalls gesetzliche Regelungen an. ranz und Völkerverständigung“ fest. Bei völlig Das Verständnis der Frauenfragen als Ge- unterschiedlicher zeitgenössischer Sprach- setzesfragen war aber vor 1933 intern gebro- regelung wurden also jeweils die Frauenbelan- chen und umstritten, während nach 1951 Kri- ge hinter den Interessen der Allgemeinheit ver- tik daran eher von außen kam, vor allem von borgen – und zwar aus durchaus analogen Teilen der autonomen Frauenbewegung. Gründen, nämlich um Frauen erst einmal den Außerdem ging es bei den Gesetzen, die im Zugang zum „Allgemeinen“ zu sichern, bevor BDF vorbereitet und von Parlamentarierinnen Jetzt mit Titelfoto, 1999 Fraueninteressen als „allgemeine“ erkannt unterschiedlicher Parteien auf den Weg ge- werden konnten. In den ersten Zielbestimmun- bracht wurden, nicht notwendig um Gleich- gen wurde auch der überverbandlichen Kom- stellung, sondern z.B. um weibliche Verant- munikation (Gedanken- bzw. Informationsaus- wortung für die Gesellschaft. Beispiele dafür tausch) eine große Bedeutung beigemessen. sind das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (1924) Das Gedankengut der Frauenbewegung wird weiter wirken

und das „Gesetz zur Bekämpfung der Ge- Beschlüsse von allen Mitgliedsverbänden nach 12 schlechtskrankheiten“(1927). außen vertreten werden müssen. Von führen- den Vertreterinnen des DF wird betont, dass Der Kampf um die Zulassung von Frauen zu be- weder die geforderte Einstimmigkeit noch die stimmten Erwerbsberufen (z.B. juristischen) Vertretungspflicht nach außen die Aktivitäten oder Ehrenämtern (Schöffen, Geschworenen), des Dachverbandes auf den „kleinsten ge- der noch zu den wichtigen Aufgaben des BDF meinsamen Nenner“ reduziert habe, sondern in der Weimarer Republik gehörte, spielte in der dass zu allen wichtigen frauenpolitischen An- Bundesrepublik keine Rolle mehr. Er wurde ab- liegen eindeutige Beschlüsse gefasst worden gelöst durch eine engagierte Öffentlichkeitsar- seien, obwohl das Spektrum der Mitgliedsver- beit für die Erhöhung des Anteils von Frauen in bände weltanschaulich und in der Aufgaben- politischen Funktionen bis hin zur Lobby-Arbeit stellung so groß sei wie nie zuvor. für eine Bundesministerin. Das alltägliche, zähe Ringen um die Erweiterung der politischen Teil- Beim Rekurs auf den historischen Vorläufer habe hat aber auch ein anderes Markenzeichen wird immer wieder auf ein entscheidendes No- der Frauenbewegung vor 1933 abgelöst: ihr vum hingewiesen. Im Unterschied zum BDF sei heute bestenfalls altmodisch anmutendes der DF kein Zusammenschluss nur der „bür- Selbstverständnis als politische Frauengemein- gerlichen“ Frauenbewegung, sondern er habe schaft. Vor dem Hintergrund einer zerrissenen den Gegensatz von bürgerlicher und proletari- Parteienlandschaft verband der BDF die (par- scher bzw. sozialistischer Frauenbewegung un- Die Informationen tei)politisch aktiven Frauen immer wieder mit- ter seinem Dach überwunden.19 Diese Aussa- heißen nun Frauenrat, einander, sei es in interfraktionellen Arbeitsge- ge bezieht sich auf die Einbindung der organi- 2001 meinschaften (auch mit SPD-Abgeordneten) sierten Arbeitnehmerinnen, die durch die Mit- oder in der jahrelangen Kontroverse um eine gliedschaft von Frauengruppen gemischter Frauenpartei. Für eine solche politische Frauen- Verbände (also z.B. Gewerkschaften) möglich gemeinschaft fand sich zwar keine Mehrheit, wurde. aber die Vorstellung, dass Frauen mehr Die BDF-Gründerinnen hatten 1894 bei ihrer Menschlichkeit in die Politik einzubringen hat- Einladungsstrategie die organisierten Arbeite- ten, war als Hintergrund dieses Gemeinschafts- rinnen tatsächlich ausgespart, weil sie schlicht- bewusstseins noch lebendig. Diese Idee wurde weg ein Verbot des BDF befürchteten. Trotz der von einigen Vertreterinnen der alten Frauenbe- politischen Liberalisierung in den 1890er Jahren wegung in die Neu- und Wiedergründungs- nach Jahrzehnten der Restauration war es den phase der Frauenorganisationen, auch des deutschen Frauen nämlich immer noch gesetz- Deutschen Frauenrates, transportiert, verlor lich verboten, sich politisch zu betätigen.20 Aus- aber ihre Bedeutung für die Formulierung frau- geschlossen werden sollten deshalb nur die Ar- enpolitischer Konzepte.18 beiterinnenvereine mit (partei-)politischen Ziel- setzungen, während „gemeinnützige“ Arbei- terinnenvereine willkommen waren. ... und Einstimmigkeit Allerdings gab es zu diesem Zeitpunkt fast nur noch politische Vereine, denn seit dem Er- Der organisatorische Ausdruck dieser Gemein- furter Programm der SPD von 1891, das aus- schaftsidee war der Grundsatz der Einstimmig- drücklich das Frauenwahlrecht aufgenommen keit bei der Beschlussfassung. Der BDF hatte hatte, formierte sich die gesamte Arbeiterin- dem noch die verstärkende Formel hinzuge- nenbewegung unter Clara Zetkin als sozial- fügt, es sollten nur solche Beschlüsse gefasst demokratisch. Und die hätte ihrerseits einer werden, denen alle Mitglieder „von Herzen“ Einladung des „bürgerlichen“ Frauenbundes ihre Zustimmung geben könnten. Aber auch kaum Folge geleistet. Zetkins Reaktion auf die der spätere Deutsche Frauenrat hat festgelegt, Gründung des BDF war unmissverständlich ge- Das neue Heft, dass öffentliche Aktionen, die er sich 1958 ins wesen: „Die bürgerliche Frauenrechtelei ist April 2002 Programm geschrieben hatte, einstimmig be- nicht mehr als Reformbewegung, die proleta- schlossen werden mussten. Erst viel später, rische ist revolutionär und muss revolutionär nämlich 1983, wurde ein gestuftes Vetorecht sein. Die proletarischen Frauen werden durch eingeführt, das einen Mehrheitsbeschluss nur ihre Klassenlage in das Lager der Revolution dann verhindern kann, wenn ein Verband in geführt, die bürgerlichen Frauen in das der Re- seinen Grundsätzen tangiert wird. Dazu aktion (...) Hoffentlich haben nun die Versuche kommt, dass auch die mehrheitlich gefassten ein Ende, die Kluft zwischen bürgerlicher und Einleitung

proletarischer Frauenbewegung durch den WFFB in Auflösung begriffen war. Die Brei ideologischer und frauenrechtlerischer W.O.M.A.N wurde 1970 in den Deutschen 13 Schlagworte von der Schwesternschaft aller Frauenrat aufgenommen. Frauen überkleistern zu wollen.“21 So scharf stellten sich die Klassengegensät- Knapp zehn Jahre später begann wieder eine ze schon bald nicht mehr dar. Bereits im Ersten Phase, in der der Deutsche Frauenrat die Frau- Weltkrieg hatten ja die Sozialdemokratinnen enöffentlichkeit in der Bundesrepublik offen- mit den „bürgerlichen“ Frauen zusammenge- sichtlich nicht vollständig repräsentierte. Die arbeitet. Sie begegneten ihnen anschließend sich seit 1968 verbreitende autonome Frauen- nicht nur in den Parlamenten der Weimarer Re- bewegung passte nicht unter sein Dach – vor publik bei gelegentlicher interfraktioneller allem wegen ihrer zu den Frauenvereinen und Frauenarbeit, sondern auch in Frauenvereinen, -verbänden querliegenden offenen Organisati- vor allem dem Allgemeinen Deutschen Frau- onsformen. Aber auch politisch bestand zu- enverein. Diese erste große Frauenbewe- mindest während der Siebzigerjahre eine be- gungs-Organisation hatte sich seit 1921 mit trächtliche Zurückhaltung den Feministinnen dem Untertitel „Deutscher Staatsbürgerinnen- gegenüber, deren grundsätzliche Opposition Verband“ auch als Interessenverband für Kom- zum bundesrepublikanischen Staat vom DF munalpolitikerinnen aller politischer Parteien nicht geteilt wurde. Umgekehrt blieben auch neu formiert. In beiden Dachorganisationen die autonomen zu den „traditionellen“ Frau- war dieser Verband (1952 als „Staatsbürgerin- enorganisationen lange Zeit auf Abstand. Die- nen-Verband“) eines der prominentesten se Distanz hat sich allerdings seit Ende der Sieb- Gründungsmitglieder. zigerjahre verringert u.a. mit Hilfe frauenpoliti- scher Bündnisse und infolge von Ausdifferen- zierungsprozessen der feministischen Bewe- aus: Das Parlament, Vertretung aller organisierten gung in alle gesellschaftliche Bereiche hinein. Nr. 11/94 vom 18. 3. 1994 Frauen

Im Vergleich zum BDF der Weimarer Republik war die organisatorische Einbindung von Ar- beiterinnen und Sozialdemokratinnen in den Deutschen Frauenrat bzw. den Informations- dienst seit 1951 tatsächlich neu. Dieses Novum ist aber nicht nur von der parteiübergreifenden Zusammenarbeit der BDF-Mitglieder vor 1933 gründlich vorbereitet worden, sondern muss außerdem vor dem Hintergrund veränderter Die Sondermarke zum politischer Gegnerschaften in der frühen Bun- hundertjährigen Jubiläum (1994), Hanne Pollmann (l.), desrepublik Deutschland gesehen werden. In Geschäftsführerin des den Fünfzigerjahren wurden nämlich die Klas- Deutschen Frauenrates, und sengegensätze von den politischen Konflikten die Grafikerin Corinna des Kalten Krieges überlagert. Das waren bei Rogger präsentieren den den Frauen solche zwischen den Frauenorga- Entwurf der Öffenlichkeit nisationen, die sich politisch eindeutig zum „Westen“ bekannten auf der einen Seite, und Nach der Vereinigung der Bundesrepublik den Frauenfriedensorganisationen auf der an- mit der DDR trat die einstige DDR-Massenor- deren Seite: der Westdeutschen Frauenfrie- ganisation der Frauen, der Demokratische densbewegung (WFFB), der Internationalen Frauenbund Deutschland (DFD), in den Dach- Liga für Frieden und Freiheit (IFFF), des DFD- verband ein. Organisatorisch war das aufgrund West und der Weltorganisation der Mütter al- ähnlicher Verbandsstrukturen sogar leichter als ler Nationen (W.O.M.A.N.). Alle diese Organi- bei den westlichen Feministinnen, aber auch sationen waren im DF nicht vertreten, weil sie politisch gab es keine gravierenden Hindernis- als „kommunistische Tarnorganisationen“ gal- se. Erst seitdem erfüllt diese große Dachorga- ten. Als der Ost-West-Konflikt sich während nisation mit heute 57 Mitgliedsverbänden und der Sechzigerjahre entschärfte, trat diese poli- insgesamt 11 Millionen Mitgliedern tendenzi- tische Abgrenzung in den Hintergrund, zumal ell den Anspruch, die organisierten deutschen der DFD-West seit 1957 verboten und die Frauen zu repräsentieren. Das Gedankengut der Frauenbewegung wird weiter wirken

14 Frauen der deutschen Geschichte

Diese Briefmarkenserie wurde Ende der Acht- zigerjahre in Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Frauenrat und dem damaligen Bun- despostminister, Dr. Christian Schwarz-Schil- ling begonnen. Sie hat zum Ziel „das Bewusst- sein für die Leistungen der Frau in der Gesell- schaft zu stärken“. Seit Januar 1989 sind re- gelmäßig und inzwischen mehrere Dutzend Briefmarken mit den Porträts von Frauen des öffentlichen Lebens erschienen (hier eine Aus- wahl). Kapitel 1

Ein Neubeginn mit Verwirrungen 15

Der „Informationsdienst für Frauenfragen“ und seine Publikation

Im April 1952 wurde die Nummer 1 des ersten möglich die dabei treibenden Kräfte, die wich- Jahrgangs der Informationen für die Frau, vom tigsten Akteurinnen, ihre Motive und Zielset- Informationsdienst für Frauenfragen (ID) in zungen sowie einige Hintergründe aufzei- Bonn herausgegeben. Mehr als ein Jahr zuvor, gen.22 Anschließend wird die Publikation des im Februar 1951, war bereits eine Zeitschrift ID, die Informationen für die Frau im Wandel mit gleichem Titel und fast identischer Aufma- der letzten 50 Jahre vorgestellt. chung zum ersten Mal erschienen, allerdings herausgegeben vom Büro für Frauenfragen der „Gesellschaft zur Gestaltung des öffentli- Eine US-amerikanische Initiative chen Lebens“ in Wiesbaden. Diese Gesell- schaft war 1950 von der hessischen Abteilung Zwischen dem Beginn und dem Ende des Jah- der US-amerikanischen Militärregierung (Hoch- res 1951 hatte sich das Konzept der geplanten kommissariat), der High Commission for Ger- Einrichtung nicht unerheblich verändert. Die ur- many (HICOG), als Beitrag zur Demokratisie- sprüngliche Idee kam von Ruth Woodsmall aus rung des besetzten Landes eingerichtet wor- den. Das Frauenbüro hatten Amerikanerinnen und deutsche Frauen gemeinsam aufgebaut. Das Wiesbadener Blatt erschien monatlich bzw. zweimonatlich bis zum März 1952 in ei- ner Auflage von 6000 – 10.000 Exemplaren vor allem für hessische Frauenverbände, und wurde dann vom Informationsdienst über- nommen und mit etwas verändertem Konzept weitergeführt. Der neue Zählbeginn war für Außenstehen- de der einzige Hinweis darauf, dass es sich um das wichtigste Produkt des neu geschaffenen Informationsdienstes auf Bundesebene han- delte. Diese Übernahme, die sich nicht rei- bungslos vollzog, ist ein wichtiger Bestandteil der kurzen, aber komplexen Gründungsge- schichte des Deutschen Frauenrats, bei der un- terschiedliche alliierte Vorgaben, sachliche Dif- ferenzen und persönliche Rivalitäten auf dem Hintergrund eines neu zu besetzenden frau- enpolitischen Feldes eine schwer zu entschlüs- Ruth Woodsmall, Leiterin der selnde Mischung eingingen. Die folgende Ski- Frauenabteilung zze des Ablaufs der Ereignisse, die zur Grün- des U.S. High dung des ID und zur Realisierung der Bonner Commissioner Informationen für die Frau führten, will soweit for Germany Ein Neubeginn mit Verwirrungen

der US-HICOG für die amerikanischen Zonen in schaffen, sondern in einer zweiten Funktion 16 Deutschland, deren 1948 eingerichtete Frauen- eine „Verteilungsstelle für Frauenorganisatio- abteilung (Women’s Affairs Branch) sie leitete. nen zwecks Austeilung von Material und Un- Woodsmall, die auch während des weiteren Ab- terstützung“ bei deren staatsbürgerlichen Bil- laufs entscheidenden Einfluss behielt, schweb- dungsmaßnahmen werden. te zunächst eine Forschungs- und Informations- Bis zum Ende des Jahres 1951 wurde die stelle zu Frauenfragen auf trilateraler Grundla- Planung insbesondere in vier Punkten konkre- ge vor. tisiert und dabei erkennbar modifiziert. Zu der Besprechung am 25. Januar 1951 mit 1. Als Träger des Projektes traten schrittweise den beiden anderen Frauenreferentinnen Miss die überregionalen deutschen Frauenorga- Ostermann (britisches Hohes Kommissariat) und nisationen in Erscheinung. Mme Carrez (französisches Hohes Kommissari- 2. Die Einrichtung sollte nicht mehr in Frank- at) sowie den Landesfrauenreferentinnen der furt am Main (dem Sitz der US-HICOG), son- drei Militärregierungen wurde als einzige Ver- dern in der neuen Bundeshauptstadt Bonn treterin einer deutschen Einrichtung Dorothea etabliert werden. Karsten hinzugezogen. Die promovierte Volks- 3. Es bildete sich ein Konzept heraus, das wirtin war Leiterin des seit Februar 1950 beste- schließlich mit dem Titel „Informations- henden Frauenreferates im Bundesministerium dienst für Frauenfragen“ überschrieben des Innern und blieb für die Amerikanerinnen wurde. die bevorzugte Ansprechpartnerin in dieser An- 4. Die von dem Büro zu leistenden Informati- gelegenheit. Sie wird später den Informations- onsaufgaben sollten in erster Linie mit Hilfe dienst von ihrer Position aus tatkräftig unter- einer regelmäßig erscheinenden Publikation stützen und auch für seine finanzielle Förde- erfüllt werden. rung sorgen. Nach ihrer Meinung in der Januar- Sitzung 1951 befragt, gab sie sich allerdings eher zurückhaltend. Mit ihrer Skepsis hinsicht- Hilfe zur Selbsthilfe lich der Schaffung einer zusätzlichen Einrich- tung und ihrem Plädoyer für eine „Konzentrati- Das Jahr 1951 war für die amerikanische Mi- on der Stellen (...) , die sich mit Frauenfragen be- litärregierung in Deutschland die Zeit der „Hil- fassen“ argumentierte sie zunächst in eine ähn- fe zur Selbsthilfe“. Nach ihrem Rückzug (1952) liche Richtung wie später die Leiterin des Wies- sollten die Deutschen darauf vorbereitet sein, badener Büros für Frauenfragen Antje Lemke, ihre sozialen und kulturellen Angelegenheiten die lange gegen die Neugründung des Bonner selbst in die Hand zu nehmen. Bei der Frauen- Büros kämpfte. abteilung (Women’s Affairs Branch) der HICOG kam noch hinzu, dass bis zu ihrer Schließung Im Februar 1951 legte Ruth Woodsmall ein ein größerer Geldbetrag nicht aufgebraucht Konzept für das geplante Projekt vor. Sie be- sein würde, mit dem ein Projekt in Deutschland gründete es nun mit der Notwendigkeit, in gefördert werden sollte. Westdeutschland ein Informationsbüro für Dieser Hintergrund trägt zum Verständnis Frauenorganisationen zu schaffen, das ihnen der Ambitionen bei, von denen Ruth Woods- in erster Linie den Blick über die Grenzen mall bei der Planung geleitet war. Es ging ihr Deutschlands ermöglichen würde. Die deut- offenbar darum, dass mit diesem Geld die Ar- schen Frauenorganisationen hätten „einen Be- beit der Women’s Affairs in erkennbarer Wei- darf an grundlegenden Informationen über se fortgesetzt werde. Dafür sollte eine neue Frauenbewegungen in anderen Ländern, über Einrichtung geschaffen werden, anstatt eine Methoden der Bürgerrechtsausbildung (...) in bereits vorhandene, die ihre eigene Geschich- England und Amerika und über andere Ar- te und ihr eigenes Profil mitbringen würde, beitsgebiete in Westeuropa“ sowie über zwi- auszubauen oder umzufunktionieren. schenstaatliche Organisationen. Das nunmehr Als zentrale Einrichtung sollte sie die Arbeit vertretene Informationskonzept hatte For- der ebenfalls zentralen Frauenabteilung des schungsambitionen durch Bildungsinteressen US-Hochkommissariates gewissermaßen fort- im Sinne der Reeducation-Programmatik der setzen und ihre politische Aufgabe überregio- amerikanischen Militärregierung ersetzt. Das nal wahrnehmen. Unter dem Eindruck des geplante Büro sollte nicht nur Unterlagen über Kalten Krieges wurden Bestrebungen west- demokratische Methoden der Organisation deutscher Frauengruppen, sich zusammenzu- und Quellenmaterial über Frauenprobleme be- schließen, von den amerikanischen und briti- Kapitel 1

schen Militärregierungen ohnehin unterstützt. Vor der Gründung des Informationsdienstes Denn die neue (auch frauenpolitische) Funkti- für Frauenfragen lud Ruth Woodsmall am 26. 17 on der Abwehr des Kommunismus war nach Oktober einen „Ausschuss deutscher Frauen“ Auffassung der beiden Women’s-Affairs-Ab- zu einer Vorbesprechung ein, an der außerdem teilungen von einer zentralen staatsbürgerlich ihre Stellvertreterin Mildred Allport, die Leite- orientierten Frauenbewegung besser zu erfül- rin der britischen Women’s Affairs Bertha Bra- len als von lokal oder regional begrenzten cey und zum ersten Mal auch die Leiterin der Frauengruppen. hessischen Abteilung der US-Women’s Affairs Es spricht einiges dafür, dass die Unterstüt- Betsy Knapp teilnahmen. Darüber hinaus wa- zungsphase im Konzept der „Hilfe zur Selbst- ren eine Journalistin, eine Dolmetscherin und hilfe“ bei der zentralen Frauenarbeit ur- eine Stenographin anwesend. Mit insgesamt sprünglich etwas länger dauern sollte, als es schließlich der Fall war. So war zunächst ge- plant, dass zwar die Verwaltung des Informa- tionsbüros in deutscher Hand liegen, aber das Personal „durch ausländische Autoritäten aus Amerika, England und Westeuropa ergänzt werden“ sollte. Außerdem war vorgesehen, die Arbeitsplanung einem gemischten deutsch-ausländischen Beratungskomitee vor- zulegen. Nachdem aber die britische Wo- men’s-Abteilung noch 1951 aufgelöst werden sollte und die Französinnen sich aus dem Pro- jekt zurückzogen, begann Ruth Woodsmall, unter den deutschen Frauen Kooperations- partnerinnen zu suchen. Nach Dorothea Kar- sten brachte sie im September 1951 zwei Ve- teraninnen der alten Frauenbewegung an den Verhandlungstisch: Die Hamburger Schulrätin und Vorsitzende des Deutschen Akademike- rinnenbundes Emmy Beckmann und die Vor- sitzende des südbayerischen Frauenrings Doro- thee von Velsen. Beide waren in der Weimarer Republik un- mittelbare Nachfolgerinnen der legendären Helene Lange gewesen: Beckmann als Vorsit- zende des Allgemeinen Deutschen Lehrerin- nenvereins von 1921 bis 1933 und v. Velsen als Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Frau- envereins/Deutscher Staatsbürgerinnen-Ver- band, ebenfalls von 1921 bis 1933. Die beiden Frauen sollten nun Aufschluss geben über die Einstellung der Frauenorganisationen dem ge- 16 deutschen Frauen waren die 14 späteren Gründungsprotokoll planten Projekt gegenüber. Gründungsvereine vertreten: Deutscher Aka- des „Informationsdienst In der Vierer-Runde Woodsmall, Karsten, demikerinnenbund, Staatsbürgerinnen-Ver- für Frauenfragen“ vom 8. Dezember 1951 Beckmann, von Velsen wurde auch bald die band (Berlin), Deutscher Frauenring, Arbeits- tragende Rolle der deutschen Frauenorganisa- gemeinschaft der Wählerinnen (München); Jü- tionen für das Projekt herausgearbeitet. Die discher Frauenbund, Deutscher Verband be- Verbände sollten einen Verein gründen, aus rufstätiger Frauen, Verband Weiblicher Ange- dessen Mitte ein Vorstand zu wählen sei. Ein stellter (VWA), Arbeitsgemeinschaft für eingetragener Verein wurde vor allem zur Ent- Mädchen- und Frauenbildung (Verband der gegennahme der finanziellen Förderung ge- Lehrerinnen aller Schulgattungen), Evangeli- braucht. Er sollte an die Stelle des ursprünglich sche Frauenarbeit in Deutschland, Arbeitsge- geplanten internationalen Beratungskomitees meinschaft Katholischer Frauen23, Deutscher treten und die Richtlinien für die Arbeit ausar- Hausfrauen-Bund, Deutscher Landfrauenver- beiten. band; Deutsche Angestellten-Gewerkschaft Ein Neubeginn mit Verwirrungen

glieder des Gründungsvorstands waren: Dr. 18 Gertrud Ehrle (Katholischer Deutscher Frauen- bund), Irmgard Hornig (DGB), Agnes Arndt (DAG) und Dorothee von Velsen (Deutscher Frauenring).

Ruth Woodsmall hatte eine gänzlich andere Besetzung der leitenden Funktionen empfoh- len. Ihre Wunschkandidatin für den ersten Vor- sitz, Emmy Beckmann, stellte sich wegen an- derweitiger Verpflichtungen gar nicht zur Wahl. Die anderen von der amerikanischen In- itiatorin für den Vorstand vorgeschlagenen Frauen nahmen an den beiden entscheiden- den Sitzungen nicht teil: Frau Dr. Mommsen aus Frankfurt, die Münchener Stadtverordnete Dr. Hildegard Brücher, die Berliner SPD-Bun- destagsabgeordnete Annedore Leber, und Dr. Helene von Bila sowie Antje Lemke aus Wies- baden. Offensichtlich wollte Woodsmall mit den letzten beiden Vorschlägen das Wiesba- dener Büro personell einbinden, denn die per- sönliche Referentin des hessischen Minister- präsidenten Helene von Bila war stellvertre- tende Vorsitzende der „Gesellschaft zur Ge- staltung öffentlichen Lebens“ und Antje Lem- Drucklizenz – ke leitete deren Frauenbüro. Auch ihre ande- ausgestellt vom (DAG – Frauenabteilung), Deutscher Gewerk- ren Vorschläge vom September 1951 zeigen, „U.S. High Commissioner for schaftsbund (DGB – Hauptabteilung Frauen). dass es der Amerikanerin vor allem um be- Germany“ Ruth Woodsmall gab nach einer kurzen Ein- stimmte Persönlichkeiten ging und um die Ein- am 29. Januar 1952 führung die Leitung der Konferenz an Emmy bindung junger Frauen (Brücher war 30, Lem- Beckmann weiter. ke 31 Jahre alt). Je mehr aber die Vorbereitung Die Beteiligung der deutschen Frauenorga- der ID-Gründung in die Hände der deutschen nisationen an der konstituierenden Sitzung am Frauen gelegt wurde, desto stärker traten die 8. Dezember 1951 war ähnlich. Ruth Woods- Organisationen und deren Vertreterinnen in mall hatte wieder nach Frankfurt eingeladen, den Vordergrund. aber dieses Mal ließ sie die deutschen Frauen So wurde die Arbeitsgemeinschaft der bei ihren Beratungen allein. Weitere ausländi- Wählerinnen (AdW) nicht von Hildegard sche Vertreterinnen waren nicht anwesend. Brücher, sondern von Olga Amann und Else Das in der Oktobersitzung gewählte fünf- von Reventlow vertreten, während Annedore köpfige Vorbereitungskomitee unter der Lei- Leber Frauenorganisationen ohnehin ablehn- tung von Emmy Beckmann legte einen Sat- te. Und wenn von Helene von Bila und Antje zungsentwurf vor, dem im wesentlichen zuge- Lemke sich auch aus anderen Gründen an der stimmt wurde. Er enthielt u.a. eine Gewich- Vorbereitung der neuen Einrichtung nicht be- tung der 14 vertretenen Gründungsverbände teiligt haben mögen, so spielte dabei eine durch die Anzahl der ihnen zustehenden Sitze Rolle, dass sich das Wiesbadener Frauenbüro, in der Mitgliederversammlung. Die beiden das sie vertraten, ausdrücklich nicht als Orga- großen christlich-konfessionellen Frauenver- nisation verstand, sondern als Dienstlei- bände, der DGB und der Deutsche Frauenring stungseinrichtung für hessische Frauenorga- sollten je drei Sitze, die DAG, der Hausfrauen- nisationen. Ihr stark regionaler Bezug, der Bund und der Landfrauenverband je zwei und durch die „Gesellschaft zur Gestaltung des alle übrigen Organisationen je einen Sitz er- öffentlichen Lebens“ und deren Finanzierung halten. Schließlich wurde in geheimer Wahl ein durch die hessische US-Frauenabteilung vor- fünfköpfiger Vorstand gewählt, der Nora Mel- gegeben war, war ein weiteres Hindernis für le vom Staatsbürgerinnen-Verband zur 1. Vor- die Beteiligung am überregionalen „Informa- sitzenden bestimmte. Die vier anderen Mit- tionsdienst“. Kapitel 1

Die Bundesbasis Die zunehmende Bundesbezogenheit hat frag- los mit dazu beigetragen, dass auch in der spä- 19 Der Standortwechsel der geplanten Einrich- teren Planungsphase, als sich das inhaltliche tung von Frankfurt nach Bonn war auch eine Konzept der geplanten zentralen Einrichtung Konsequenz aus der dargestellten Entwick- an die Aufgabenstellung des Wiesbadener lung. Frankfurt am Main wurde in der An- Büros annäherte, die hessische Einrichtung fangsphase der Planung „wegen seiner zen- nicht übernommen wurde. Noch in der Grün- tralen Lage, dem in deutschen Instituten zur dungsversammlung am 8. 12. 1951 fragten Verfügung stehenden Quellenmaterial und die Vertreterinnen der DAG (Agnes Arndt), des wegen der durch HICOG gestellten techni- Katholischen Frauenbundes (Dr. Helene We- schen Hilfe“ für besonders geeignet gehalten ber), der AdW (Olga Amann) und des Deut- (Woodsmall-Plan vom Februar 1951). Aber im schen Hausfrauen-Bundes (Finni Pfannes) nach Zuge des Rückzugs der in Frankfurt stationier- der Möglichkeit einer Fusion mit dem Wiesba- ten Women’s-Affairs-Abteilung der zentralen dener Büro. Diese wurde von der Versamm- US-Militärregierung aus dem Projekt verlor die- lungsleiterin Emmy Beckmann allerdings mit ser Ort an Attraktivität. Wenn man außerdem dem Hinweis auf alliierte Vorgaben ausge- bedenkt, dass sowohl den Amerikanerinnen schlossen. Nicht zu übersehen sei, sagte sie, wie den beteiligten deutschen Frauen daran „dass HICOG das Geld nicht Wiesbaden zur Er- gelegen war, eine zentrale deutsche Einrich- weiterung seines Informationsblattes gibt, tung zu schaffen – wenn auch aus unter- sondern uns, und das ist das Wesentliche.“ schiedlichen Gründen und mit unterschiedli- Offensichtlich existierte eine Bedingung die- cher Interpretation – so lag es nahe, die neue ser Art. Wie eng sie gefasst war und ob sie ver- Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland handelbar gewesen wäre, ist allerdings schwer Bonn als Standort ins Auge zu fassen. Schließ- aufzuklären. Dem Anschein nach hat es von lich folgte auch aus den politischen Konzepten deutscher Seite keine Versuche gegeben, ei- der verantwortlichen deutschen Frauen, in de- nen solchen Verhandlungsspielraum auszulo- nen der Gesetzgebung und dem Staat hohe ten. Ein Neubeginn in Bonn lag wohl auch Bedeutung zukamen, dass die Nähe zu Parla- durchaus im Eigeninteresse der meisten betei- ment und Regierung in der Bundeshauptstadt ligten Verbände, so z.B. des Berliner Staats- gesucht wurde. bürgerinnen-Verbandes. Er konnte in der Pla- Mit dieser Orientierung auf den Bund hin nungsphase und in den ersten Jahren des In- ging einher, dass die für eine Trägerschaft der formationsdienstes eine dominante Stellung geplanten Einrichtung infrage kommenden einnehmen und die erste Vorsitzende sowie Organisationen bundesbezogen bzw. „auf die Geschäftsführerin stellen. Möglich ist auch, Bundesbasis“ arbeiten sollten. Auf zwei der dass Differenzen zwischen Ruth Woodsmall 14 Gründungsverbände traf das 1951 aller- und der Leiterin der hessischen Women’s Af- dings noch nicht zu: Die Arbeitsgemeinschaft fairs Betsy Knapp – die das Wiesbadener Frau- der Wählerinnen (AdW) und der Staatsbürge- enbüro unterstützte – dafür mit verantwortlich rinnen-Verband waren auf Bayern bzw. Berlin waren, dass Woodsmall ihrerseits die formale begrenzt. Beide Organisationen strebten je- Auflage eines institutionellen Neubeginns so doch eine Ausweitung ihrer Aktivitäten auf das eng auslegte, dass eine Fusion mit der hessi- gesamte Bundesgebiet an (was Ende der Fün- schen Einrichtung verhindert wurde. fzigerjahre zu einer regionalen Fusion der bei- den Gruppierungen in Baden-Württemberg führte). Sie wurden aber auch deshalb einbe- Das erste Büro zogen, weil auf Bundesebene keine rein staats- bürgerlich – d.h. politisch – arbeitende Frau- Für eine arbeitsteilige Zusammenführung des enorganisationen existierten, so dass AdW und bestehenden hessischen und des neuen Bon- Staatsbürgerinnen-Verband gemeinsam mit ner Büros kämpfte die Leiterin des Wiesba- dem Deutschen Frauenring (der teilweise poli- dener Frauenbüros Antje Lemke noch bis weit tisch arbeitete) für eine angemessene Reprä- in das Jahr 1952 hinein. Nach der Gründung sentanz staatsbürgerlicher Frauenarbeit ge- des Informationsdienstes im Dezember 1951 genüber wirtschaftlichen, beruflichen und fand sie allerdings dafür keine Unterstützung konfessionellen Interessenvertretungen im „In- von Vertreterinnen der Gründungsverbände formationsdienst für Frauenfragen“ sorgen mehr – auch nicht für ihren Vorschlag, das mussten. Wiesbadener Büro teilweise nach Bonn zu ver- Ein Neubeginn mit Verwirrungen

legen. Möglicherweise hatte sie sich auch Sym- lassen werden“ konnte, wie Dorothea Karsten 20 pathien verscherzt, als sie ein Angebot, die Lei- in ihrem Rückblick auf „10 Jahre Informati- tung der neuen Geschäftsstelle zu überneh- onsdienst“ 1962 schrieb. men, ablehnte. Die neue Vorsitzende Nora Das Büro wurde als Auskunftsstelle in allen Melle hatte am 10. Dezember 1951, gedrängt Frauenfragen konzipiert, die Material für ein von der Spitzenvertreterin des Deutschen Frau- Archiv sammeln, Statistiken bearbeiten, Über- enrings Theanolte Bähnisch und der Frauenre- setzungen herstellen, Material mit ausländi- ferentin im Bundesinnenministerium Dorothea schen Frauenorganisationen austauschen so- Karsten, Antje Lemke als erste gefragt, ob sie wie Presse und Rundfunk unterrichten sollte. den Posten übernehmen wolle. Sie hatte aber Vor allen diesen bei der Gründung festgeleg- die Bedingung gestellt, dass die neue Ge- ten Aufgaben und auch zu ihrer Erfüllung soll- schäftsführerin am 1. Januar 1952 in Bonn an- te das Büro ein Informationsblatt herausge- fangen und sich für ein ganzes Jahr verpflich- ben. ten müsse und durchblicken lassen, dass es Im Vergleich mit der ursprünglichen Idee noch andere Bewerberinnen gebe. Lemke von Ruth Woodsmall fällt auf, dass die hohe wollte sich darauf nicht einlassen – auch des- Priorität des westlichen Auslands in diesem halb, weil sie einen längeren USA-Aufenthalt Konzept zurückgedrängt und erheblich modi- plante. fiziert worden ist. Es war nicht mehr das Hauptziel dafür zu sorgen, dass die deutschen Am 1. Februar 1952 nahm dann Annelise Gla- Frauen über ihre Landes- und Sprachgrenzen ser vom Berliner Staatsbürgerinnen-Verband hinausblicken und insbesondere von den west- in Bonn-Bad Godesberg ihre Arbeit als Ge- lichen Demokratien lernen sollten. Im Vorder- schäftsführerin auf. Das Wiesbadener Frauen- grund standen jetzt die gegenseitige Informa- büro fand nach der ungewollten Übergabe tion über die Arbeit der Frauenorganisationen seiner Zeitschrift an den Informationsdienst sowie Information und Austausch über frau- für Frauenfragen im April 1952 bald eine an- enbezogene Politik und Gesetzgebung im In- dere Koordinationsaufgabe. Nach einer kur- land und Ausland. Interessanterweise wurde zen Unterbrechung wurde es als Geschäfts- aber 1954 durch Satzungsänderung jenes stelle der neu gegründeten Arbeitsgemein- Grundanliegen wieder hervorgehoben, das ein schaft hessischer Frauenverbände von der hes- wichtiges Motiv der Neugründung gewesen sischen Landesregierung finanziell gefördert. ist. Als erster Zweck des Vereins wurde nun Unter dem 1953 angenommenen Titel „Büro nicht mehr die Errichtung eines Informations- für staatsbürgerliche Frauenarbeit“ besteht es dienstes für Frauenfragen genannt (wie in der bis heute. Satzung von 1951), sondern die Förderung der staatsbürgerlichen Bildung zur Sicherung der Demokratie und die Förderung von Toleranz Auskunftsstelle für Frauenfragen und Völkerverständigung. Ob der Verzicht auf die Benennung eines Erst in der konstituierenden Sitzung einigten politisch pädagogischen Zweckes in der Grün- sich die Gründungsmitglieder auf den Namen dungssatzung auch als Emanzipation der deut- der neuen Einrichtung: „Informationsdienst schen Frauen von ihren amerikanischen „Lehr- für Frauenfragen“. In den Monaten zuvor wa- meisterinnen“ einzuschätzen ist, sei dahinge- ren verschiedene Titel im Gespräch gewesen, stellt. Mit Sicherheit ist dieser Verzicht aber im u.a. „Frauen-Zentrale“, „Zentrale für Frauen- Zusammenhang mit dem Prinzip der „Objekti- dienst“, „Deutsche Auskunftsstelle für Frau- vität“ zu sehen, das bei der Vorbereitung und enfragen“, „Zentralbüro der deutschen Frau- in der ersten Phase des Projektes eine kaum zu enorganisationen“. Mit der gefundenen Be- unterschätzende gemeinsame Orientierung zeichnung wurde deutlich zum Ausdruck ge- für die beteiligten Frauen bedeutete. Es han- bracht, dass die zu schaffende Stelle keine delte sich dabei um einen anderen Ausdruck selbständige Forschung betreiben, aber auch für „parteipolitische Neutralität“, die für das nicht selbst politisch aktiv werden, sondern Selbstverständnis der staatsbürgerlichen Frau- Dienstleistungen für die Frauenorganisationen enverbände zentral, aber den Frauengruppen erbringen sollte. Nur auf diese Weise galt als si- gemischter Verbände möglicherweise nicht zu- chergestellt, dass in dem neuen Bündnis den zumuten war. Darüber hinaus war eine me- einzelnen Mitgliedsverbänden „völlig freier thodische Forderung gemeint, die vor allem an Raum für ihre eigene spezielle Zielsetzung ge- die Berichterstattung gestellt wurde: Heraus- Kapitel 1

21

Das erste Büro in Bonn: Annelise Glaser (r., l. unbekannt), Geschäftsführerin und Redakteurin bis 1974 geberin und Redaktion der Monatszeitschrift musste (z. B. Wahl zur Sozialversicherung: sollten sich jeder eigenen Stellungnahme ent- März 1953). Dennoch reichten diese Mittel für halten und außerdem möglichst alle unter- die Aufgaben des Büros so wenig aus, dass es schiedlichen Meinungen zu Wort kommen las- in den ersten Jahren immer wieder in seinem sen. Bestand gefährdet war. In einer dritten Bedeutung, nämlich als Un- abhängigkeit, wurde das Prinzip der Objekti- vität auch im Verhältnis zur künftigen Finan- Hohe Wertschätzung zierung heftig diskutiert. Denn es war klar, dass der Informationsdienst für Frauenfragen nach Mit seinem – auf Frauenorganisationen bezo- Verbrauch der Anschubfinanzierung durch HI- genen – Dienstleistungscharakter sowie mit der COG eine kontinuierliche staatliche Förderung hohen Priorität einer regelmäßig erscheinen- brauchen würde. Gegen einige Skeptikerin- den Publikation hatte sich der Informations- nen, die befürchteten, dass eine staatliche Un- dienst 1951 auch konzeptionell an die Stelle terstützung auch eine „staatliche Lenkung“ des Wiesbadener Büros gesetzt. Auf diese Wei- nach sich ziehen und deshalb die objektive Be- se wurden einerseits Fragen nach einer Fusion richterstattung gefährden würde, setzte sich heraufbeschworen, wie sie z.B. in der Grün- die Meinung durch, es müsse beides mitein- dungsversammlung gestellt wurden. Anderer- ander verbunden werden: die staatliche För- seits war das Konzept selbst Ergebnis eines of- derung und die politische Unabhängigkeit. Sei fenen Entscheidungsprozesses, in dem die es, dass argumentiert wurde, eine objektive Übernahme der Wiesbadener Zeitschrift Infor- Berichterstattung liege selbst im staatlichen In- mationen für die Frau durch das neue Bonner teresse oder weitergehend von einer Identität Büro bereits festgelegt worden war. Die Zeit- mit dem Staat (von Velsen: „Der Staat sind schrift wurde in der Frauenöffentlichkeit sehr wir!“) ausgegangen wurde. Tatsache ist je- geschätzt, und selbst ihre Verbreitung im Bun- denfalls, dass der ID in den folgenden Jahren desgebiet konnte sich sehen lassen: In Hessen weiterhin amerikanische Zuschüsse erhielt und wurden 4000 Exemplare (kostenlos) verteilt, außerdem vom Bundesinnenministerium regel- nach Bayern gingen fast 3000, nach Württem- mäßig gefördert wurde. Diese Förderung wur- berg 2000 und in die restlichen Bundesländer de gelegentlich auch an Auflagen gebunden, ca. 1000 Stück. In der vorbereitenden Oktober- z.B. dass eine Ausgabe des Informationsblattes Sitzung 1951 wurde sie bereits als „Muster“ für auf ein bestimmtes Thema abgestellt werden das Bonner Informationsblatt verhandelt, wenn Ein Neubeginn mit Verwirrungen

dieses auch „stofflich und geographisch erwei- Bonn herausgegebene Zeitschrift auch genau 22 tert“ werden müsse. den gleichen Namen trug wie das Wiesba- dener Blatt, nämlich Informationen für die Es traf sich, dass die Weiterführung des Wies- Frau, wurde erst kurz vor Erscheinen der ersten badener Musters gefährdet war, weil für das Ausgabe festgelegt. Bis dahin sollte ihr Titel Geschäftsjahr Juli 1951 bis Juni 1952 für Ver- mit dem der neuen Bonner Einrichtung iden- öffentlichungen keine Mittel mehr von der tisch sein, nämlich „Informationsdienst für hessischen US-HICOG zur Verfügung gestellt Frauenfragen“. wurden. Nachdem die (zentrale) Frauenabtei- Mit dem unveränderten Titel, unter dem die lung der HICOG für die Doppelnummer Zeitschrift nun seit über 50 Jahren erscheint, Juli/August 1951 eine einmalige Unterstüt- hat sich die Leiterin der Wiesbadener Informa- zung von 6.170 DM gegeben hatte, beantrag- tionen Antje Lemke dann doch noch in die Ge- te Antje Lemke beim Bundesinnenministerium schichte des neuen Informationsdienstes für eine Unterstützung für drei weitere Nummern Frauenfragen eingeschrieben. In den abschlie- in Höhe von 18.600 DM. ßenden Übergabeverhandlungen zwischen Dieser Antrag wurde von der Frauenrefe- den Vorständen des ID und der Wiesbadener rentin im BMI wärmstens befürwortet und am „Gesellschaft“ wurde Antje Lemkes Vorschlag, 30. November 1951 in voller Höhe gewährt. den alten Titel beizubehalten, übernommen. Allerdings hatten die beiden Frauen mit dieser Ihre Begründung, dass sich das Blatt zwar an Überbrückungsfinanzierung ganz verschiede- Frauen richten, aber nicht nur „Frauenfragen“ ne Strategien verfolgt: Antje Lemke wollte (nach damaligen Vorstellungen) behandeln anschließend die Zeitschrift auf eigene Füße sollte, scheint in das neue Konzept allerdings stellen, und zwar mit Hilfe eines Bezugspreises eher nicht eingegangen zu sein. Die Auffas- von 0,80 DM, den sie ab März 1952 erheben sung, dass im Prinzip alle gesellschaftlichen wollte. Dorothea Karsten wollte dagegen den Themen auch Frauen- bzw. Geschlechterfra- Zeitraum bis März überbrücken, um eine gen seien, hat sich erst viel später durchge- lückenfreie Übergabe des Wiesbadener Blattes setzt. an das Bonner Büro sicherzustellen, welches In ihrer Unterstützung des Wiesbadener eine Anlaufphase brauchen würde, um selbst Antrags auf Überbrückungsfinanzierung ge- die Zeitschrift weiterführen zu können. So ge- genüber ihrem Minister hatte Dorothea Kar- schah es schließlich auch. sten betont, dass die Informationen so unbe- Die Zeitschrift wurde also nicht abgeschafft dingt im öffentlichen Interesse lägen, dass das und durch eine neue ersetzt, sondern sie wur- Frauenreferat des BMI sich eigentlich selbst de auf Bundesebene fortgeführt, wobei die dieser Aufgabe hätte unterziehen müssen. neuen Herausgeberinnen Wert darauf legten, Diese Wertschätzung und Unterstützungsbe- dass die Identität des Blattes erhalten blieb und reitschaft wird die Frauenreferentin im BMI keine Abonnentinnen durch den Wechsel ver- auf das Bundesblatt uneingeschränkt über- loren gingen. Dass die vom ID ab April 1952 in tragen.

„Informationen für die Frau“ – eine Publikation im Wandel

Im April1952 teilten die Informationen für die tung sind, Veröffentlichung einer Übersicht Frau ihren Leserinnen mit, dass nunmehr der über die wichtigsten Erscheinungen der ein- neu gegründete „Informationsdienst für Frau- schlägigen Weltliteratur“.24 enfragen“ (ID) die Zeitschrift übernehmen und Die Vollmachten der Redaktion sollten sich auf Bundesebene weiterführen werde. auf die Weiterleitung von Informationen be- Die neuen Herausgeberinnen hatte als Sinn schränken, eigene Stellungnahmen hatten zu und Zweck des Blattes festgelegt: „Sammlung unterbleiben. Es wurde per Vorstandsbe- und Weitergabe von Informationen, Nach- schluss im Oktober 1952 festgelegt, dass die richten und Statistiken des In- und Auslandes, Informationen weder ein Vereinsblatt noch ein Berichte aus Parlamenten, die für die Arbeit Aufklärungsblatt für die Massen sein sollten, des vorgesehenen Bezieherkreises von Bedeu- was als Qualitätsanspruch verstanden wurde. Kapitel 1

Das Blatt sollte nicht nur Frauenorganisatio- um ein Bulletin. Die Rubriken Gesetzgebung nen, sondern auch Behörden und Presse über und Verwaltung, Politische Informationen, 23 alle anstehenden Frauenfragen informieren Verbände und Institutionen sowie Internatio- und gleichzeitig als Diskussionsforum unter- nale Arbeit und Auslandsnachrichten blieben schiedlicher Meinungen dienen.

Es handelt sich dabei um eine Publikation, die sich mit keinem der anderen Frauenblätter in der Bundesrepublik vergleichen lässt25, und die wie keine andere überregionale Frauenzeit- schrift heute auf eine fünfzigjährige Erschei- nungsdauer zurückblicken kann. In der Augustastraße 42 in Bad Godesberg befand sich das erste Redaktionsbüro der In- formationen, das mit der Geschäftstelle des ID identisch war und vorübergehend auch das Zuhause der Geschäftsführerin wurde, die in einem 6 qm großen Raum ihr Schlafzimmer einrichtete und dafür von ihren 650 DM Ge- halt 25 DM Miete bezahlte. Mit den Umzügen der Geschäftsstelle in die Bonner Südstraße (1981), die Simrockstraße (1990) und schließlich in die Berliner Axel- Springer-Straße (2001) zog auch die Redakti- on mit. Kein Redaktionsstab, sondern in der Regel eine Ein-Frau-Besetzung, produzierte zehn Ausgaben im Jahr. Diverse Sondernummern und Beilagen z.B. zur Ehe- und Familienreform 1952 oder „Frauen in Afrika“ 1978 und die Sonderausgabe „40 Jahre Artikel 3 GG“ 1989 erschienen entweder zusätzlich oder – vor al- lem in den ersten Jahren – anstelle eines Mo- 11/57 natsheftes. Mindestens 20 Seiten im DIN A 4-Format, bis Ende der Siebzigerjahre ebenso unverän- ohne Illustrationen und festen Umschlag, dert wie die Präsentation: Fließtext mit gleich- ohne Abonnentenwerbung – so präsentierte gewichtigen Überschriften ohne weitere Her- sich das Blatt monatlich bis 1975, über Jahr- vorhebungen und Unterbrechungen, keine zehnte hergestellt in der Bonner Druckerei Fotos oder andere Illustrationen. Das Blatt Schmitz. stellte sich damit auch äußerlich als ein Forum dar, in dem alle Beiträge als gleichwertig gel- Die Aufmachung – z.B. mit dem Inhaltsver- ten sollten – ein gestalterischer Ausdruck der zeichnis auf der Titelseite – unterstreicht, dass Selbstverpflichtung zur Objektivität. Es er- die Redaktion keine Unterhaltung anbot, son- staunt heute, dass eine solche inhaltliche und dern informieren und aufklären wollte. Das gestalterische Kontinuität über 20 Jahre über- Einzelheft kostete 1952 eine DM, ein Preis, der haupt möglich war. ab 1954 mehrmals erhöht werden musste, da Hier ist an die erste und lange Jahre einzige Re- das Startkapital aus den Händen der Amerika- dakteurin der Informationen für die Frau, An- ner und später die finanziellen Zuwendungen nelise Glaser, zu erinnern. Sie setzte den vom aus Bundesministerien die Herausgabe der Informationsdienst für Frauenfragen (ID) 1951 Zeitschrift nur minimal sicherten. bestimmten Sinn und Zweck der Zeitschrift mit Unter journalistischem Gesichtspunkt einem Engagement um, das über die Redakti- könnten die Informationen für die Frau bis onsarbeit weit hinausging, aber andererseits 1975 eher langweilig genannt werden. Das ihre Person nie selbst in Erscheinung treten Genre Nachricht beherrschte die Seiten. Es ließ. Für die Informationen erfand sie ein in- handelte sich weniger um eine Zeitschrift als teressantes journalistisches Genre: Anmer- Ein Neubeginn mit Verwirrungen

kungen zu den Nachrichten. Ohne die von der haltlich und gestalterisch zu verändern. Her- 24 Satzung auferlegte Zurückhaltung der Redak- vorstechendes Merkmal der Informationen für tion zu verletzen, bot sie ihrer Leserschaft mit die Frau in den Jahren 1952 bis 1975 war, dass solchen oft ausführlichen, kleingedruckten Fol- die im Informationsdienst für Frauenfragen getexten eine Fülle von Hintergrundinforma- bzw. im Deutschen Frauenrat (ab Ende 1969) tionen, Quellen, Querverweisen und Literatur- vertretenen Frauenverbände und -gruppen mit hinweisen an und legte damit nicht selten eine ihren Meinungen, Aktivitäten und Standpunk- Spur in die Geschichte der deutschen Frauen- ten den Inhalt der Zeitschrift bestimmten. Die bewegung. in den Organisationen geführten Debatten Erst in den siebziger Jahren veränderte sich und die Vorschläge der Verbände zur Umset- das äußere Bild der Informationen. 1975 er- zung des Gleichberechtigungsartikel im GG schien erstmals das heute noch gültige Signet bei unterschiedlichen Gesetzesreformen fan- des Deutschen Frauenrates, das vier Frauen in den hier ihr öffentliches Forum. unterschiedlichen (Haut)-Farben – weiß, gelb, Die Informationen für die Frau erfüllten so- rot und schwarz – im Profil darstellt.26 Layout, mit zwei wichtige Funktionen: die Mitglieds- Papier und Titelgestaltung wechselten mehr- verbände erfuhren untereinander von ihrer Ar- mals. Mit der November/Dezember-Ausgabe beit und hatten gleichzeitig ein Medium, über 1977 entfielen die Rubriken und in den Acht- das sie die Stellungnahmen der Frauenverbän- zigerjahren fanden Illustrationen Eingang in de zu gesetzgeberischen Aktivitäten öffentlich das Blatt. Erst 1996 kamen erstmals Titelfoto verbreiten konnten. und ein Leitartikel der Herausgeberinnen hin- Auch aus heutiger Sicht stellt die Zeitschrift zu. 2000 beschloss der Vorstand des Deut- eine einzigartige Quelle für die Auseinander- schen Frauenrates den neuen Titel FrauenRat setzungen, die unterschiedlichen oder über- unter Beibehaltung von informationen für die einstimmenden Standpunkte der Frauenver- frau als Untertitel, um die Kontinuität zu wah- bände in den Fünfziger-, Sechziger- und Sieb- ren. Gleichzeitig wurde das gesamte äußerli- zigerjahren dar. Dokumentiert wurden Positio- che Erscheinungsbild einheitlich neu gestaltet. nen zur Reform des Ehe- und Familienrechts Das Internationale Jahr der Frau 1975 mar- und des Renten- und Steuerrechts, zum Na- kierte nicht nur für den ID eine wichtige Zäsur, mensrecht, die Debatten zur Frauen-Enquete auch sein Informationsblatt begann sich in- der Bundesregierung, zur Atompolitik und 12/54 Notdienstgesetzgebung der BRD, zum Ver- braucherschutz, dem sozialen Pflichtjahr für Mädchen und vor allem zu der immer wieder gestellten Frage, ob und wie weibliche Er- werbsarbeit und Hausarbeit vereinbart, gleich- bewertet und gleichgewichtet werden können oder nicht. Fachverbände wie die der Akademikerin- nen, Juristinnen, Ärztinnen nutzten das Blatt ebenso als Forum wie konfessionelle Frauen- verbände, Gewerkschaftsfrauen, Wählerin- nengemeinschaften, die Verbände der Land- frauen, der Hausfrauen und der berufstätigen Frauen. So bieten die Informationen für die Frau ab 1952 einen repräsentativen Überblick über Frauenforderungen und Frauenstand- punkte jener Jahre, wobei bei den Veröffentli- chungen auf Fachkompetenz besonderer Wert gelegt wurde. Unter Annelise Glasers redak- tioneller Leitung bis 1974 dominierte die In- formation und die Sachdiskussion der Frauen- verbände über gesetzgeberische Aktivitäten der Bundesregierung. Mit zahllosen Stellun- gnahmen, Vorschlägen und Petitionen misch- ten sich die Frauenverbände in die öffentlichen Debatten ein. Kapitel 1

Einen hohen Stellenwert in den Informationen Für die Informationen für die Frau schien es der Fünfzigerjahre hatten die Meldungen über auch keinen Ost-West-Konflikt gegeben zu ha- 25 die ersten internationalen Schritte der Frauen- ben, denn auf ihren Seiten finden sich dazu nur verbände nach 1945 sowie über Frauenakti- einzelne Meldungen offizieller Regierungsstel- vitäten in anderen Ländern. Hier wählte die len und Nachrichtenagenturen. Zeitschrift als journalistisches Genre die Zwar beteiligten sich die politischen – d.h. Kongressberichterstattung und gewann ein- die sogenannten staatsbürgerlichen – Frauen- zelne Teilnehmerinnen als Autorinnen. Die Öf- verbände unter den Mitgliedsorganisationen fentlichkeit und die eigenen Mitgliedsverbän- durchaus an den Auseinandersetzungen mit de erfuhren so von der schrittweisen, zurück- dem Kommunismus, doch hatte das für den ID haltenden und letztlich doch erfolgreichen festgelegte Prinzip der parteipolitischen Neu- Aufnahme bzw. Wiederaufnahme der deut- tralität und „Objektivität“ seine Zeitschrift of- schen Frauen in die unterschiedlichsten inter- fenbar zu einer besonderen Zurückhaltung ge- nationalen Frauenorganisationen und Frauen- genüber „politischen“ Themen im engeren fachverbände. Sinne veranlasst. Nur einige wenige Male rea- Ein Jahrzehnt später, als die Mitgliedschaft gierten die Informationen auf ein aktuelles Er- der deutschen Frauenverbände in internatio- eignis: Das Blatt veröffentlichte 1960 in meh- nalen Organisationen und Fachverbänden kei- reren Ausgaben die empörten Reaktionen der ne Ausnahme mehr war, verlagerte sich die in- Frauenverbände auf antisemitische Ausschrei- ternationale Berichterstattung auf die Proble- tungen Ende des Jahres 1959 in Köln. Und ein me und Aktivitäten der Frauen in der Europäi- Jahr später, 1961, bezogen der ID und seine schen Gemeinschaft. UNO-Aktionen und Be- Mitgliedsverbände Stellung gegen die neuerli- richte über Frauen der Dritten Welt ergänzten chen Atombombenversuche. regelmäßig die Auslandsinformationen. In dem Maße, wie sich der Deutsche Frauenrat Unter der Rubrik „Verbände und Institutio- ab 1970 schrittweise durch eigene Stellung- nen“ – in der Zeitschrift weder umfangreich nahmen und Aktionen präsentierte, so verän- noch gut platziert – verbirgt sich eine wahre derten sich auch die Informationen für die Frau Fundgrube von Informationen aus dem „In- und spiegelten dieses neue Selbstbewusstsein nenleben“ der Mitgliedsverbände. Wahlen der des DF wider. Verbandsvorstände und Vorstellungen ihrer Seit 1975, dem Internationalen Jahr der Frau, Mitglieder, Veranstaltungen und Ausstellun- verlor sich auch der Bulletin-Charakter in den gen, Publikationen der Frauenverbände, Gra- Heften. Gestaltung, Schriftarten und Papier- tulationen, Auszeichnungen, Nachrufe – all qualität orientierten sich immer stärker am zeit- dies fand seinen Platz. Solche akribischen und gemäßen „Zeitungsmachen“. Zwar dominierte ausführlichen Informationen über Verbände noch immer die weibliche Fachkompetenz zu und Personen werden in den späteren Jahr- gesetzgeberischen Reformen wie der des Ehe- gängen der Zeitschrift nicht mehr den gleichen und Familienrechts, des Arbeitsrechts, des Ren- Platz einnehmen. Nach und nach gaben die tenrechts und des ungeschützten Beschäfti- Mitgliedsverbände ihre eigenen Publikationen gungsverhältnisses, doch vertraten nicht mehr heraus, und die Informationen konzentrierten die Einzelverbände, sondern einzelne, namhaf- sich stärker auf Fragen, die der Dachverband te Verbandsfrauen, Politikerinnen und Wissen- im Auftrag seiner Mitgliedsverbände zu lösen schaftlerinnen als Autorinnen mehrseitiger hatte. Beiträge diese Fachkompetenz. Und anders als in den ersten Jahren griffen die Informationen Auffällig an den Informationen für die Frau in in ihrer Berichterstattung verstärkt und konkret ihren ersten zwei Jahrzehnten ist eine unaus- aktuelle gesellschaftliche Bewegungen auf und gesprochene Grenzsetzung bei den politischen setzten sich damit auseinander, z. B. ab 1971 Informationen. Die sogenannte große aktuel- mit der Neuen Frauenbewegung und le Politik war nicht Gegenstand der staatsbür- 1989/1990 mit dem deutsch-deutschen Eini- gerlichen Meinungsbildung der Frauen und gungsprozess. Seit Beginn der Achtzigerjahre spiegelte sich in der Zeitschrift kaum wider. So werden auch Gewalt gegen Frauen und Kinder, fanden z.B. die Kriege in Korea und Vietnam, Vergewaltigung in der Ehe, Homosexualität, die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik und frauenfeindliche Sprache und Quoten regel- deren NATO-Beitritt, Wirtschaftswunder und mäßig thematisiert, Gesetzesinitiativen und GastarbeiterInnen kaum Eingang in das Blatt. Frauenprojekte vorgestellt und unterstützt. Ein Neubeginn mit Verwirrungen

Die strenge Gliederung der Hefte wurde Parallel dazu ist in den Informationen ein 26 durch wechselnde Rubriken abgelöst, in denen Trend festzustellen, sich auf die eigene Ge- eine große Vielfalt von Themen unter frau- schichte zu besinnen. Dazu gehört eine aus- enspezifischen Perspektiven abgehandelt wird, führliche biographische Vorstellung jener Frau- u.a. das Technologiezeitalter, Arbeitswelt im en, die ab 1986 in einer Briefmarkenserie Umbruch, Wissenschaft und Forschung, Frau- „Frauen in der Geschichte“ dargestellt wur- en in den neuen und alten Bundesländern, den, sowie 1989 eine Leserinnen-Aktion Frauen in der Männergesellschaft. „Frauenschicksale aus der Kriegs- und Nach- Während die Nachrichten aus den Mit- kriegszeit“. gliedsverbänden in den Achtzigerjahren rarer wurden, veröffentlicht das Blatt seitdem regel- mäßig Nachrichten aus dem Vorstand des Im Zeitalter des Internets Deutschen Frauenrat, der nunmehr gegenüber Parlament, Regierung und auf internationaler 2002 begann für die Informationen eine neue Ebene die Mitgliedsverbände vertritt. Entwicklung hin zu einer „frauenpolitischen Fachzeitschrift“, die „möglichst umfassend, differenziert und durchaus auch kontrovers wichtige Themen bearbeitet“ (1-2/02). Da vie- le Informationen inzwischen schneller über das Internet verbreitet werden können, soll das neue Heft die Funktion einer fundierten Mate- rialsammlung, einer Argumentationshilfe für Multiplikatorinnen übernehmen. Jedes Heft hat nun einen erweiterten Schwerpunkt mit Einweihung der neuen Hintergrundinformationen zu aktuellen Vor- Geschäftsstelle des Deutschen Frauenrates in haben und Diskursen. Statt 10 Hefte pro Jahr Berlin am Vorabend des (8 Monatshefte mit 24 Seiten, 2 Doppelnum- Internationalen mern mit 32 Seiten) erscheinen die Informa- Frauentages 2001: tionen nun alle zwei Monate. Die sechs Hefte Bundesfrauenministerin mit je 40 Seiten sollen zusammen mit dem In- Christine Bergmann (r.) und ternetauftritt des Deutschen Frauenrates die Vorsitzende, (www.frauenrat.de) seit 2001 und dem darin Inge v. Bönninghausen, „besuchen“ als erste Gäste integrierten innerverbandlichen „Xtranet“ die neue Website des DF: eine umfassende Kommunikation nach innen www.frauenrat.de und außen sicherstellen. Kapitel 2

Der Gesetzgeber reagiert als Mann! 27

Rechtliche Stärkung der Frauen im Geschlechterverhältnis

Mit seiner Entscheidung für den Standort Bonn fortgeschrieben. Die Informationen vermitteln, hatte der Informationsdienst für Frauenfragen welche Bedeutung der Mitsprache bei allen 1951 bewusst die Nachbarschaft des Bundes- gesetzgeberischen Maßnahmen, die Auswir- parlaments gewählt und damit signalisiert, kungen auf das Alltagsleben hatten, beige- dass der Gesetzgebung die größte Bedeutung messen wurde. Zu nennen sind hier neben für frauenpolitische Fragen beigemessen wur- dem Familienrecht und dem § 218 u.a. das de. Für diese Wertschätzung, die vielen femi- Steuer- und Rentenrecht, Arbeitsrecht, Kind- nistischen oder auch jüngeren Frauen heute schaftsrecht, Hausarbeitstag, Ladenschlussge- schwer verständlich sein mag, lassen sich zwei setz, Notstandsgesetz, Baföggesetz, Verbrau- Gründe anführen. Einmal verstanden sich die cher- und Umweltschutzgesetze. Frauenorganisationen in der Nachkriegszeit all- An der Reform des besonders komplexen gemein nicht als oppositionell, sondern als Teil Ehe- und Familienrechts haben sich die Frau- einer Wiederaufbaugemeinschaft auf einer enverbände über Jahrzehnte beteiligt. Es um- „Tabula Rasa“, die die bisher geltenden Ge- fasst die Regelung der ehelichen und fami- setze ungültig gemacht zu haben schien. Vor liären Entscheidungsprozesse, des Güter- allem aber fühlten sich die meisten dieser Or- rechts, des Namensrechts, des Scheidungs- ganisationen nach ihrem Engagement für die rechts einschließlich der Scheidungsfolgen Aufnahme einer uneingeschränkten Gleich- (u.a. Unterhaltsrecht und Versorgungsaus- berechtigungsgarantie in die Verfassung der gleich), sowie der Staatsangehörigkeit der Ehe- Bundesrepublik 1949 (Art. 3 GG) mitverant- frauen ausländischer Männer. Rechnet man die wortlich für die Umsetzung dieses Grundsatzes Steuergesetzgebung und die Rentenreform im in alle Gesetze, die den weiblichen Alltag be- weiteren Sinne diesem Komplex zu, u.a. weil trafen. Sie konnten sich dabei auf Artikel 117 beide ökonomische und soziale Probleme auf- GG berufen, mit dem der Parlamentarische Rat greifen mussten, die bei der Ehe- und Schei- erheblichen Druck auf den Gesetzgeber aus- dungsgesetzgebung auftraten (z. B. die eigen- übte: Alle Gesetze, die dem Artikel 3 GG wi- ständige soziale Sicherung von Müttern), so ist dersprachen, mussten bis zum 21. März 1953 noch lange kein Ende dieser Reformgeschich- geändert werden. Andernfalls wurden sie te abzusehen, die bereits begonnen hatte, be- außer Kraft gesetzt. vor der Informationsdienst seine Arbeit auf- nahm. Diese Gesetzesorientierung hatte zur Folge, dass die meisten Frauenorganisationen „Rechts- ausschüsse“ bildeten und sich von Juristinnen Rechtsstaat: vertreten ließen. Das spiegelt sich in den Infor- Glaube und Wirklichkeit mationen für die Frau wider, die bis in die Sieb- zigerjahre hinein – zugespitzt formuliert – ein Die Ausführungen zum Ehe- und Familienrecht Forum von (und für) Rechtsexpertinnen wa- im ersten Teil dieses Kapitels stellen das soge- ren. Dieses „Juristinnenmonopol“ hat wieder- nannte Gleichberechtigungsgesetz von 1957 um umgekehrt die Priorität der Gesetzgebung und das Familien- und Ehescheidungsgesetz im Politikverständnis der Frauenorganisationen von 1976 in den Mittelpunkt. Stand in den Der Gesetzgeber reagiert als Mann!

Fünfzigerjahren die Auflösung des Ehepatriar- tikverständnis von Teilen der Neuen Frauenbe- 28 chats um der Erhaltung der Familie willen für wegung zunehmend parlamentarische und die Frauen im Vordergrund, so ging es in den gesetzgeberische Mittel einschloss. Siebzigerjahren vor allem um die Absicherung Tatsächlich hatte an der „Wiege“ der Neu- der Eigenständigkeit der (geschiedenen) Frau. en Frauenbewegung bereits ein Gesetz ge- Eine logische und reale Weiterführung dieser standen. Mit dem Kampf gegen den § 218 hatten die autonomen, feministischen Frauen- gruppen ihre Geschichte begonnen. Allerdings ließen Feministinnen sich damals auf keinerlei juristische oder moralphilosophische Ausein- andersetzung ein, sondern verwahrten sich ge- gen jegliche Eingriffe in das Selbstbestim- mungsrecht der Frau über ihren Körper. Ob- wohl sie bei der Ablehnung der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs über weite Strecken mit den liberalen Frauenorganisatio- nen an einem Strang zogen, zeigte sich eine tiefe Kluft zwischen den beiden Typen von Frauenbewegung. Sie bestand weniger in der unterschiedlichen Zielsetzung – Straffreiheit versus Fristenregelung – als in den Methoden – Demonstration und Provokation versus fach- liches Widerlegen der gegnerischen Argumen- te. Die Dokumentation der Aktivitäten von Frauenorganisationen und Deutschem Frauen- rat zur Liberalisierung des § 218 in den Infor- mationen für die Frau ist Gegenstand des 3. Teils dieses Kapitels. Hier wird auch deutlich, 1952 wie der Rechtsstaatsglaube der Frauen (u. a. Linie einer – wenn man so will – langsamen De- Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht) sillusionierung der Lebensform Ehe aus Frau- zur Rechtsstaatswirklichkeit in einen Wider- ensicht kann hier (aus Platzgründen) nicht ver- spruch geriet. folgt werden: Die Anerkennung der Vergewal- Spätestens während der bumerangartigen tigung in der Ehe als Straftatbestand wurde Abtreibungs„reform“ haben wohl auch viele unter dem Druck der Neuen Frauenbewegung Vertreterinnen der Frauenverbände begonnen, – mit Unterstützung des Deutschen Frauenrats die Bedeutung des Rechts für die Lösung von seit Ende der Achtzigerjahre – 1997 endlich Frauenfragen zu relativieren. Die Gesellschaft durchgesetzt. entwickelt sich und die Gesetzgebung reagiert „als Mann“27, hatte , Im Einsatz der Frauenverbände und des Deut- die erste Bundesministerin (für Gesundheit schen Frauenrates für eine „Frauenenquete“ 1961-1966) und Vorsitzende des Deutschen seit den Sechzigerjahren, der im 2. Teil darge- Frauenrats (1970-1972), einmal gesagt. stellt wird, kam nicht zuletzt das Bedürfnis der Grundsätzliche Zweifel an der Bedeutung der Frauen nach einer „Gesamtschau“ der Situati- Rechtsgleichheit der Geschlechter als ausrei- on der Frau zum Ausdruck, deren Defizite auf chende Lösung des „mit der Frauenfrage ge- Abhilfe durch gesetzliche Maßnahmen zielten. stellten Problems“ machte Jutta Limbach, die Folgerichtig mündeten die mit der Enquete spätere Präsidentin des Bundesverfassungsge- verfolgten Bemühungen der Frauen einerseits richts (1994-2002) bereits 1987 geltend.28 in einem zweiten Gleichberechtigungsgesetz von 1994, das auf den Bereich der öffentlichen Verwaltung begrenzt wurde, andererseits in Gegen Ehepatriarchat – einer auf Bundesebene ergebnislosen Debatte für Scheidungsgerechtigkeit um ein Antidiskriminierungsgesetz in den 80er und frühen Neunzigerjahren, die vor allem von Als der Informationsdienst für Frauenfragen Feministinnen und Frauen der Grünen geführt im Frühjahr 1952 seine Arbeit aufnahm, war wurde. Hier zeigte sich auch, dass das Poli- der Streit um die Reform des Familienrechts be- Kapitel 2

reits in vollem Gange. Gleich die zweite Num- kirchliche Würdenträger – zu Wort kommen mer seiner Informationen für die Frau (Mai ließen. Das relative Ungleichgewicht der Re- 29 1952) widmete sich vollständig den Stellun- präsentation der beiden Lager in der Zeitschrift gnahmen verschiedener Organisationen zu war weniger dem Umstand der ungleichen drei Denkschriften über das Ehe- und Famili- Sympathieverteilung geschuldet als mehr dem enrecht, welche die Oberlandesgerichtsrätin ungleich größeren Spektrum an aktiver Mit- Dr. Maria Hagemeyer 1951 im Auftrag des sprache und Begründungsvielfalt auf Seiten Bundesjustizministeriums ausgearbeitet hatte. der Frauenrechte-Fraktion, die in einem auffäl- Das Thema Ehe und Familie und ihre rechtliche ligen Gegensatz zu ihrer zahlenmäßigen Un- Regelung nimmt in der Zeitschrift bis heute ei- terlegenheit in den gesetzgeberischen Ent- nen vorrangigen Platz ein. scheidungsgremien ( und Bundes- rat) stand. Entsprechend der Aufgabenbe- Dieser Rechtsbereich wurde von Regierung schreibung der Informationen wurden aller- und Parlament deshalb als erster verhandelt, dings die Stellungnahmen der Frauenorgani- weil er von der mit Artikel 117 GG gesetzten sationen besonders berücksichtigt. Frist bis zum 31. März 1953 besonders betrof- fen war. Nach diesem Stichtag traten alle der Gleichberechtigung widersprechenden Geset- ze außer Kraft. Deshalb wird das erste Famili- engesetzwerk, das nach zum Teil eindrucks- vollen öffentlichen Debatten mit vierjähriger Verspätung endlich am 18. Juni 1957 verab- schiedet wurde, auch als Gleichberechti- gungsgesetz in die Geschichte der Bundesre- publik eingehen. Von 1900 bis zum April 1953 galten jene patriarchalischen Bestimmungen des Bürgerli- chen Gesetzbuches (BGB), die von einer kraft- vollen Frauenbewegung in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts bereits vergeblich be- kämpft worden waren: u.a. das Entschei- dungsrecht des Ehemannes „in allen das ge- meinschaftliche Leben betreffenden Angele- genheiten“, das Recht des Mannes, den Ar- beitsvertrag seiner Ehefrau ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, das Verfü- gungsrecht des Ehemanns über das Vermögen seiner Frau und das letzte Entscheidungsrecht des Vaters in allen die Kinder betreffenden Fra- gen. Die Abschaffung dieser „dauernden Bevor- mundung der Ehefrau und Mutter“, wie es ein Aufruf der Rechtskommission des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF) 1896 formu- liert hatte29, war mehr als ein halbes Jahrhun- dert später alles andere als selbstverständlich. Die Informationen für die Frau räumten in den ersten Jahren ihres Erscheinens der Frauen- rechte-Fraktion einen breiten Argumentati- Gleichberechtigungsgesetz, onsraum ein (zu der neben den meisten Frau- Die Informationen gaben aber nicht nur Posi- Juni 1957 enorganisationen auch Gewerkschaften, Bür- tionen wieder, sondern bemühten sich auch gerrechtsorganisationen und Teile der SPD und um Darstellungen der Rechtslage. So wurden FDP gehörten). Sie brachten aber auch ihr Ver- die Leserinnen vor allem über den einmaligen ständnis einer „objektiven“ Berichterstattung „rechtsfreien“ Zustand hinsichtlich des Arti- zum Ausdruck, indem sie gelegentlich die an- kels 3 Grundgesetz (GG) informiert, der dere Seite – Regierungsvertreter und hohe tatsächlich am 1. April 1953 eintrat, weil es Der Gesetzgeber reagiert als Mann!

den streitenden Fraktionen bis dahin nicht ge- Etappe der Familienrechtsreform ab 1968 ver- 30 lungen war, eine neue Familiengesetzgebung handelt wurde. durch Bundestag und Bundesrat zu bringen. Noch im Januar 1953 hatten 18 bundesweite Frauenorganisationen in einem offenen Brief Der doppelte Stichentscheid u.a. an den Präsidenten und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und das Bun- Am heftigsten umstritten waren in den Fünfzi- desinnenministerium vergeblich eine „fristge- gerjahren das Entscheidungsrecht des Ehe- rechte und verfassungsgemäße Verabschie- mannes über alle gemeinschaftlichen Angele- dung des neuen Familienrechtsgesetzes“ ge- genheiten (§1354 BGB) und das letzte Ent- fordert (2/53, Anlage C, alle Angaben betref- scheidungsrecht des Vaters über die Kinder fen die Informationen für die Frau). Über vier (§1628 BGB). Hier traten die weltanschauli- Jahre lang, nämlich bis zur Verabschiedung des chen Gegensätze am deutlichsten hervor: Auf der einen Seite standen die Verfechter – und wenigen Verfechterinnen – der patriarchali- schen Familie, die diese als Garantin des christ- lichen Abendlandes bewahren wollten. Sie for- derten offen, der Geltung des staatlichen Schutzes der Familie, der durch den Art. 6 GG festgelegt war, den Vorrang vor dem Artikel 3 GG (Gleichberechtigung) einzuräumen. Es wa- ren Regierungsvertreter sowie vor allem die Hauptsprecher des weltanschaulichen Lagers der Reformgegner: der katholische Kardinal Joseph Frings als Präsident der Fuldaer Bi- schofskonferenzen sowie der Vorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) Bi- schof Otto Dibelius. Auf der anderen Seite standen die Befür- worterinnen und Befürworter der Gleichbe- rechtigung von Ehefrauen und Müttern, die sich zusätzlich gegen den Vorwurf zur Wehr setzen mussten, dass sie den von Artikel 6 GG garantierten Schutz der Familie der von Artikel 3 garantierten Gleichberechtigung opfern wollten. In ihrer Abwehrargumentation kam zögernd der Begriff der partnerschaftlichen Ehe auf, die als Basis einer durch das GG ge- schützten Familie angesehen werden müsse. Dies waren die großen Gewerkschaften und 1/53 die SPD, für die in den Informationen stets „Gesetz über die Gleichberechtigung von weibliche Vertreter zu Wort kamen. Durch die Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerli- FDP ging in diesen Fragen ein Riß, und zwar chen Rechts“ im Juni 1957 im Deutschen Bun- auch zwischen den Geschlechtern. Prominen- destag, war die Entscheidung über Familien- te liberale Frauen wie Marie-Elisabeth Lüders und Ehestreitigkeiten der Rechtspraxis, also (seit 1953 Abgeordnete und Alterspräsidentin den Gerichten, überlassen worden, die ange- des Deutschen Bundestages) und die Bundes- wiesen waren, im Sinne des Art. 3 GG zu ent- tagsabgeordnete Herta Ilk gehörten zu den scheiden. entschiedensten Gegnerinnen jedweder Vor- Die in den Informationen dargelegten Posi- rangstellung des Ehemanns und Vaters, tionen zur Familienrechtsreform bis 1959 wer- während ein Teil ihrer Parteifreunde sich nicht den am Beispiel des doppelten Entscheidungs- vom letzten Entscheidungsrecht – zumindest rechts in ehelichen und elterlichen Angelegen- des Vaters – trennen wollte. Fast alle Frauen- heiten vorgestellt. Daran schließt sich eine kur- organisationen sprachen sich in den beiden ze Zusammenfassung der Positionen zum Ehe- Entscheidungstatbeständen gegen den Vor- und Scheidungsrecht an, die in der zweiten rang des Mannes aus. Kapitel 2

Zu Beginn der Debatte beeilten sich aller- von der konservativen Bundesregierung zwei- dings nahezu alle Beteiligten, die grundsätzli- mal wieder in die Vorlagen eingeführt, wie 31 che Verschiedenheit von Männern und Frauen Frauenorganisationen 1952 und 1954 „mit zu betonen, die aber in einem unterschiedli- Bestürzung“ feststellen mussten. Das Argu- chen Verhältnis zum Artikel 3 GG gesehen ment, dass dieser §1354 dem Artikel 3 GG wi- wurde. So freute sich der Arbeitskreis katholi- derspreche und mithin verfassungswidrig sei, scher Frauenorganisationen, dass dieser Artikel wurde in vielen verschiedenen Facetten aus- „nicht die gleiche Behandlung ungleicher Tat- gemalt, die sich oft an den Aufgabenschwer- bestände fordert, sondern Raum lässt für eine punkten der Verbände orientierten: Der Lan- differenzierte Behandlung der tatsächlichen desfrauenrat Schleswig-Holstein stellte beson- Verschiedenheit von Mann und Frau“. Es han- ders die daraus folgende Gehorsamspflicht der dele sich dabei „nicht nur“ um eine biologi- Frau heraus (6/52), während der Deutsche sche Verschiedenheit, sondern um eine, die Akademikerinnenbund (DAB) es als „absurd“ „durch alle Schichten der menschlichen Natur bezeichnete, dass eine „im Berufsleben selbst- hindurch“ gehe (2/52). ändig gewordene Frau“ sich in „ihren eigenen Wenn auch die anderen Organisationen die Angelegenheiten“ dem Entscheidungsrecht Geschlechterdifferenz so stark nicht betonten, des Mannes fügen sollte (6/52). Der Deutsche so sprach die Arbeitsgemeinschaft hessischer Landfrauenverband verwies auf das selbstver- Frauen für die meisten der Gleichberechti- ständliche Zusammenwirken von Mann und gungsvertreterinnen, wenn sie feststellte, dass Frau im ländlichen Betrieb und Familienleben, die Anwendung des Artikels 3 GG „nicht in so dass „eine einseitige gesetzliche Unterord- eine schematische Gleichmacherei ausarten nung der Frau unter die Entscheidung des dürfe“ (2/52). Solche Statements waren getra- Mannes geradezu als absurd angesehen wer- gen vom Pathos eines Spannungsverhältnisses den“ müsse (6/52). Der Deutsche Frauenring zwischen den „natürlichen“ bzw. „biologi- sah sich als „staatsbürgerliche Spitzenorgani- schen“ Verschiedenheiten auf der einen Seite sation der deutschen Frauen“ in eine „gera- und dem „gleichen Recht“ auf der anderen dezu groteske Lage“ gebracht, weil jeder Ehe- Seite, das dieses Unterschiedliche wie Gleiches mann mit Hilfe eines solchen Paragraphen sei- behandeln müsse. In diesem Zusammenhang ner Frau „die Teilnahme am politischen Leben war für alle Beteiligten Anfang der Fünfziger- 1/53 jahre der Hinweis auf die „Gleichwertigkeit“ des Verschiedenen bedeutsam, für deren Legi- timation auch gestandene CDU-Prominenz bemüht wurde. Unter den GegnerInnen einer männlich- weiblichen Hierarchie in der Familie war zunächst der Begriff der „funktionellen Ver- schiedenheit“ gebräuchlich, um die vorausge- setzte Geschlechterdifferenz zu bezeichnen. Der Begriff wurde in den Informationen vom Deutschen Frauenring in seiner Stellungnahme vom 15. Oktober 1951 eingeführt (2/52). Im Laufe der folgenden Jahre besetzten die Bewahrer der familiären Hierarchie die Rede von der „funktionellen Verschiedenheit“, wäh- rend die Frauenrechte-Fraktion auf grundsätz- liche Differenzbekundungen zunehmend ver- zichtete.

„Einseitige Unterordnung“

Das Entscheidungsrecht des Mannes in ge- meinschaftlichen Eheangelegenheiten wurde in den Referentenentwürfen des Justizministe- riums zunächst zur Disposition gestellt, aber Der Gesetzgeber reagiert als Mann!

verbieten“ und sie damit „ihrer verfassungs- lich ‚aufgezwungen‘” sei (1/1953, Anlage C). 32 mäßigen staatsbürgerlichen Rechte berauben“ Der Deutsche Frauenring, der in Zusam- könne (6/52). menarbeit mit der Gesellschaft für Bürger- Verschiedene andere Frauenorganisationen rechte im Dezember 1952 eine Denkschrift zur kritisierten vor allem die Missachtung des Familienrechtsreform vorlegte, wandte als ei- Grundgesetzes, die darin zum Ausdruck kom- ner der ersten von vielen Organisationen ge- me, dass Artikel 3 GG und Artikel 6 GG (Schutz gen das ehemännliche Entscheidungsrecht ein, der Familie) gegeneinander ausgespielt wür- dass dieses erst wirksam werde, wenn die Ehe den. Die Vereinigung weiblicher Juristen und bereits „zerstört oder erheblich zerrüttet“ sei. Volkswirte (die sich 1957 in Deutscher Juristin- Gerade dann bedürfe aber die Ehefrau eines Artikel 3 nenbund umbenannte) behauptete allerdings Rechtes, „das sie von einer Gehorsamspflicht einen klaren Vorrang des Artikel 3 gegenüber gegenüber einem häufig nicht mehr loyal (Gleichheit vor dem dem Artikel 6, der sich daraus ergebe, dass laut empfindenden und urteilenden Ehemann frei- Gesetz) Artikel 117 die der Gleichberechtigung – und stellt“. Im Konfliktfall erweise sich die „patri- (1) Alle Menschen sind nicht die dem Familienschutz – widerspre- archalische Ordnung“ für die Frau geradezu als vor dem Gesetz gleich. chenden Gesetze außer Kraft träten. Die Juri- „Fallstrick“, für den Mann hingegen als „will- (2) Männer und Frauen stinnen- und Volkswirtinnen-Organisation hielt kommene Fundgrube für rechtlich sanktio- sind gleichberechtigt. sich ansonsten vergleichsweise wenig mit all- nierte Schikanen“ (6/52). Der Ehemann könne (3) Niemand darf wegen gemeinen Rechtsprinzipien auf, sondern zeig- durch „Zermürbungstaktik“ oder indem er die seines Geschlechtes, te geschickt die negativen Folgen des gesetz- Ehefrau formal ins Unrecht setze, die Schei- seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner lich gestützten Ehepatriarchats für den Be- dung erzwingen, ergänzte eine Stellungnah- Sprache, seiner Heimat stand von Ehe und Familie auf, mit dem vor al- me des Frauenverbandes Hessen (6/52, Anla- und Herkunft, seines lem die Gegenseite operierte: U.a. verwies sie ge B). Der Vorsitzende der Gesellschaft für Bür- Glaubens, seiner auf die Schweiz als Land mit einer starken ge- gerrechte, Rechtsanwalt Dr. Waldemar Wolle, religiösen oder setzlichen „Vormachtstellung des Mannes“ warnte in einem Schreiben an Bundeskanzler politischen Anschauungen und zugleich den „meisten Ehescheidungen“ Adenauer, dass Ehefrauen auf diese Weise in benachteiligt oder (2/52, Anlage C) Auch mit ihrem Plädoyer ge- den Selbstmord getrieben werden könnten bevorzugt werden. gen den Eingriff des Staates in die Familie grif- (5/52, Anlage E). Grundgesetz für die fen die Juristinnen und Volkswirtinnen eines Mit ironischem Unterton warb Marie-Elisa- Bundesrepublik der wichtigsten Argumente ihrer Gegner auf, beth Lüders in ihrer Antwort auf die Stellung- Deutschland vom um es gegen eine patriarchalische Gesetzge- nahme der katholischen Fuldaer Bischofskon- 23. Mai 1949 bung zu wenden. Es stünde dem Staat nicht ferenzen für die Gleichberechtigung: „Wir zu, argumentierten sie, „Bestimmungen da- glauben nicht“, schrieb die bekannte FDP-Po- rüber zu treffen, wer in der Ehe die Entschei- litikerin und Altfeministin am 30. März 1953 dung zu fällen hat.“ Ob die Frau ihren Mann noch vor ihrer Wahl in den Deutschen Bun- entscheiden ließe, oder der Mann die Frau, sei destag, „daß Männer ganz allgemein so es „aus Bequemlichkeit“ oder weil er „seine schwach sind, dass sie einer besonderen ge- Frau für lebensklüger hält“, oder ob beide setzlichen Stütze der Art bedürfen, daß even- „von Fall zu Fall nach gemeinsamer Bespre- tuell fehlende Vernunft durch autoritativen Be- chung entscheiden, das haben allein die Ehe- fehl ersetzt werden muß“. Die Redaktion der gatten zu bestimmen.“ Der Staat habe kein Informationen glaubte bei diesem Statement Recht, „das Patriarchat zwingend vorzuschrei- der bekannten Autorin ausdrücklich darauf ben.“ hinweisen zu müssen, dass es sich bei dem aus Solche Erläuterungen deuten an, dass die den „Bonner Kommentaren“ übernommenen noch fehlende Selbstverständlichkeit der Gleich- Artikel um eine „persönliche Meinungsäuße- berechtigung in der Öffentlichkeit zu einer be- rung“ der Politikerin handelte (4/53, Anlage B) trächtlichen Virtuosität alltagssoziologischer Die massive Beteiligung der katholischen und sozialpsychologischer Argumentation und evangelischen Kirche an der Debatte hat- zwang. Die Informationen druckten z.B. aus te nicht nur Frauenorganisationen der beiden dem Rheinischen Monatsblatt ein „Wort zur Konfessionen veranlasst, sich auf eine theolo- Besinnung im Streit über die Gleichberechti- gische Erörterung der ehelichen und elterliche gung von Mann und Frau“ des christlich-de- Hierarchiefrage einzulassen. Die immanente mokratischen Ministerialrats Dr. Wilhelm Poet- Kritik der Evangelische Frauenarbeit an Bischof ter nach, der die Meinung vertrat, dass im Dibelius, dem Vorsitzenden der Evangelischen Ehealltag eine „Führung“ der Frau meistens Kirche Deutschlands (EKD), lief darauf hinaus, „angesichts des Versagens des Mannes förm- dass durch ein gesetzliches Entscheidungs- Kapitel 2

recht dem Mann sogar die Möglichkeit ge- Zeit musste die Rechtsprechung bei Ehe- und nommen werde, sein „Haupt-Sein im bibli- Familienkonflikten den Grundsatz der Gleich- 33 schen Sinne“ zu erfüllen. Dieses sei etwas völ- berechtigung ohne Ausführungsbestimmun- lig anderes als Herrschaftsbefugnis, sondern gen erproben. Verschiedene Bilanzen hatten realisiere sich in der Hingabe, „also auch einer nun ergeben, dass die Gerichte dabei ohne Form der Unterordnung.“ (1/57). Aber auch den inzwischen so genannten Stichentscheid die Juristinnen und Volkswirtinnen versuchten des Mannes in beiden Bereichen – den „eheli- durchaus bibelfest die Bedenken der EKD und chen“ und den „elterlichen“ – ausgekommen der Katholischen Bischöfe gegen die Gleichbe- waren (11/56). rechtigung zu zerstreuen, die mit dem „neu- Während aber bei den folgenden Abstim- testamentarischen Gebot der Unterordnung mungen im Rechtsausschuss des Bundestages Artikel 3 der Frau unter den Mann“ begründet wurden die Befürworter einer Hierarchie der Ehegatten (2/52). Diese Bibelstelle könne ebenso wenig in der Minderheit waren, so wurde an dem vä- (Gleichheit vor dem eine Forderung an den heutigen Gesetzgeber terlichen „Stichentscheid“ als der letzten Ba- Gesetz) sein wie die folgenden Verse, in denen die stion der patriarchalischen Familie erbittert (1) Alle Menschen sind Ehemänner verpflichtet würden, ihre Frauen festgehalten. Um so heftiger war andererseits vor dem Gesetz gleich. bis zur Selbstaufopferung zu lieben. Ähnlich der Widerstand vor allem der Frauenorganisa- (2) Männer und Frauen argumentierten auch einige Vertreterinnen des tionen, für die eine Zweitrangigkeit der Mutter sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die Katholischen Deutschen Frauenbundes, der in bei der Kindererziehung noch weniger ak- tatsächliche der Frage des ehemännlichen Entscheidungs- zeptabel war als die der Ehefrau in allen ande- Durchsetzung der rechts gespalten war (Maria Krauss-Flaten, ren gemeinschaftlichen Angelegenheiten. Mit Gleichberechtigung von 1/53, Anlage C). Nachdruck wiesen u.a. die Arbeitsgemein- Frauen und Männern Nur am Rande wurde die eheliche (und el- schaft für Mädchen- und Frauenbildung und und wirkt auf die Beseitigung terliche) Entscheidungsfrage auch historisch der deutsche Berufsverband der Sozialarbeite- bestehender Nachteile reflektiert. Die bayerischen Frauenorganisatio- rinnen auf die faktisch größere Kompetenz der hin. nen machten in einem Schreiben an den Bun- Mütter bei der Beurteilung des Kindeswohls (3) Niemand darf wegen destag geltend, dass sich die Stellung der Frau hin, weil sie „länger und stärker mit den Kin- seines Geschlechtes, und Mutter seit der Zeit, in der das BGB 1900 dern zusammenlebt“, während der zuneh- seiner Abstammung, in Kraft trat, völlig verändert habe (7/52). Auch mend außerhäuslich agierende Vater (hier seiner Rasse, seiner die katholische ehemalige Zentrumsabgeord- wurde die Argumentation bereits vom Phäno- Sprache, seiner Heimat nete gab im Bundestag zu be- men des „Wirtschaftswunders“ geprägt) als und Herkunft, seines Glaubens, seiner denken, dass der „im Gesetz erhobene Vor- „müder Manager“ und „erschöpfter Über- religiösen oder rechtsanspruch des Mannes“ eine Position vor- stundenarbeiter“ kaum besser wissen könne politischen aussetze, „die er in der Mehrzahl der Familien als die Mutter, was für die Kinder gut und Anschauungen heute nicht mehr habe“ (9/52, Anlage B). Der wichtig sei. benachteiligt oder Frauenring Hamburg erinnerte in einem Der Heidelberger Frauenring empörte sich bevorzugt werden. Schreiben an Bundeskanzler Adenauer daran, über die gesellschaftliche Doppelzüngigkeit, Grundgesetz für die dass bereits in der Weimarer Republik die man- mit der einerseits die Frau „in ihrem ureigen- Bundesrepublik Deutschland vom gelnde Verwirklichung der Gleichberechtigung sten Wesen, dem Muttertum“ unterbewertet 16. Juli 1998 auf familienrechtlichem Gebiet Enttäuschun- und ihr andererseits die „heilige Pflicht“ auf- gen und öffentliche Kritik zur Folge hatte erlegt werde, ihren Beruf aufzugeben, um (7/52, Anlage B). „ihre ganze Zeit und Kraft Haushalt und Kin- Die FDP-Abgeordnete Friederike Mulert dern zu widmen“, wobei ihr überdies noch „in machte auf die Opfer und die Leistungen der Wort und Schrift” geraten werde, „den mü- Frauen „für die Familie und die Gesellschaft“ den Heimkehrenden mit den Angelegenhei- aufmerksam (8/52, Anlage C), und Marie-Elis- ten der Kinder zu verschonen“ (1/57). Auch die abeth Lüders wies darauf hin, dass Millionen beginnende öffentliche Besorgnis über den Ehefrauen im Krieg und in der unmittelbaren „unsichtbaren Vater“ und die „vaterlose Ge- Nachkriegszeit alle Entscheidungen treffen sellschaft“ (Mitscherlich 1955 und 1963) deu- mussten, „weil der angeblich jederzeit unent- tet sich in den Argumenten der Kritikerinnen behrliche Vertreter der ‚natürlichen Ordnung‘ an: Die verantwortliche und verantwortungs- abwesend war und ist“ (4/53, Anlage B). bewusste Stellung des Vaters in der Familie sei nicht „über eine gesetzliche Vorrangstellung“ Am Ende der „gesetzlosen“ Jahre 1954 bis zu stützen, ließ sich der Frauenverband Hessen 1957 wurde von vielen eine Liberalisierung der vernehmen, sondern dazu bedürfe es „ganz umstrittenen Paragraphen erwartet. In dieser anderer sozialpädagogischer Mittel“ (2/57). Der Gesetzgeber reagiert als Mann!

Dass der Vorrang des Vaters in Erziehungsan- sein, wenn diese nicht dem „wohlverstande- 34 gelegenheiten dennoch in das „Gleichberech- nen Interesse“ der Familie bzw. der Kinder ent- tigungsgesetz“ von 1957 eingeschrieben wur- spräche. Damit hatte aber die Regierungsseite de, hatte nicht zuletzt mit der Überzeugungs- das Vormundschaftsgericht – wenn auch indi- kraft des Arguments zu tun, dass „der Staat“ rekt – ebenfalls einbezogen, allerdings ganz keinesfalls in die Familie eingreifen dürfe. An- einseitig zu Lasten der Frau. Denn sie war es spielungen auf die totalitäre Herrschaft des Na- immer, die diese außerfamiliäre Instanz ein- tionalsozialismus und des Kommunismus schalten musste, wenn sie eine definitive vä- stärkten zudem die Plausibilität des Argu- terliche Entscheidung ihres Mannes nicht mit- ments, dass besser eine innerfamiliäre Auto- tragen konnte oder wollte. rität das letzte Wort haben sollte als eine außerfamiliäre Instanz, wenn von ehelichen Bei der Verabschiedung des „Gleichberechti- Streitigkeiten die Kinder betroffen waren. Dass gungsgesetzes“ im Bundestag am 3. Mai 1957 diese Autorität etwa die Mutter sein könnte, folgte der Bundestag nach heftiger Debatte wagten auch die Kritikerinnen, die ja schließ- mit einer Mehrheit von 12 Stimmen dem Vo- lich für die Gleichberechtigung kämpften, tum des Unterausschusses Familienrecht, den nicht vorzuschlagen. Als letzte Entscheidungs- § 1356, d.h. das letzte Entscheidungsrecht des instanz bei elterlichen Konflikten, die man Mannes bei Fragen des gemeinschaftlichen auch ihrer Meinung nach nicht unentschieden Ehelebens, zu streichen, während er mit einer lassen durfte, empfahlen sie meistens das Vor- Mehrheit von 20 Stimmen den in § 1628 vor- mundschaftsgericht. Allerdings wiesen sie da- gesehenen „Stichentscheid“ des Vaters absi- rauf bezogene Befürchtungen durch Hinweise cherte. auf Erfahrungen der Gerichte mit dem Gleich- Die Informationen berichteten in äußerster berechtigungsgrundsatz seit dem 1.4.1953 Knappheit über dieses Ereignis (5/57), ohne zurück. „Alle düsteren Prognosen, dass man- dass die Leserinnen über den Hintergrund der gels der Entscheidungsbefugnis des Vaters die Stimmenverhältnisse informiert wurden, z.B. Kinder ohne Einschreiten der Staatsgewalt we- darüber, dass sich fünf FDP-Abgeordnete über der einen Vornamen erhalten noch operiert einen Fraktionsbeschluss ihrer Partei gegen werden könnten, sind nicht eingetreten“, kon- den „Stichentscheid“ des Vaters hinwegsetz- statierte die Vereinigung weiblicher Juristen ten.30 Auch die „Verkündung“ des Gesetzes und Volkswirte. Es habe sich nämlich gezeigt, nach der Verabschiedung im Bundesrat am 18. dass „Eltern in einer normalen Ehe sich über Juni 1957 fand so gut wie keine Beachtung. Erziehungsfragen ihrer Kinder einigen, wobei Lediglich kurz vor seinem Inkrafttreten am 1. sich mal die Meinung des einen, mal des an- Juli 1958 brachten die Informationen eine Re- deren Elternteils durchsetzt.“ Dem entspricht zension eines 900-Seiten-Kommentars zum die lapidare Feststellung der Arbeitsgemein- Gleichberechtigungsgesetz, der von jener in- schaft der überkonfessionellen und überpar- zwischen zur Landgerichtsdirektorin aufgestie- teilichen Frauenorganisationen, dass die frühe- genen Maria Hagemeyer verfasst wurde, von ren Beratungen um das neue Familienrecht der die ersten Denkschriften zum Familienrecht „den Automatismus in der Ehe völlig unter- stammten. Die Leserin erfuhr dabei, dass die schätzt haben“ (2/57). Ein formalistischer Streit einzige Frau unter den drei Verfassern, die Ver- über die Entscheidungsbefugnis in der Familie, waltungsrichterin Hildegard Krüger, die „als fügte die Juristinnen- und Vorkswirtinnenver- mutige und kompromißlose Kämpferin für die einigung hinzu, „bagatellisiert das Wohl des Gleichberechtigung bekannt“ sei, in ihrem Teil Kindes und überbewertet das Elternrecht in des Kommentars „eine scharfe Klinge“ führe formaler Hinsicht“ (2/57). und „bisweilen über das Ziel hinaus“ schieße (5/58). Selbst gegen den Vorwurf, sie wollten den Staat qua Vormundschaftsgerichte in die Fa- Besonders erstaunlich ist aber aus heutiger milie hineinregieren lassen, hatten die Kritike- Sicht, dass es die Informationen für kaum der rinnen des Vater-Vorrangs einen Trumpf in der Rede wert hielten, dass das Bundesverfas- Hand. Wegen der massiven öffentlichen Kritik sungsgericht ein Jahr später, am 29. Juli 1959, hatten auch die Regierungsentwürfe den vä- den „Stichentscheid“ des Vaters für verfas- terlichen „Stichentscheid“ modifizieren müs- sungswidrig erklärte und die §§ 1628 ff auf- sen. Danach sollte die Mutter von der Befol- hob. Unter dem Vorsitz und dem entschei- gung der väterlichen Entscheidung entbunden denden Einfluss der ersten deutschen Verfas- Kapitel 2

sungsrichterin Erna Scheffler hatte das BVG ei- ner Klage von vier Müttern minderjähriger 35 Kinder stattgegeben, derzufolge die gesetz- lich verankerte väterliche Gewalt ihre verfas- sungsmäßigen Rechte verletze. Die jungen Frauen wurden in ihrem Musterprozess von den staatsbürgerlichen Frauenverbänden un- terstützt.31 Mit dem kommentarlosen Ab- druck des Urteils unter dem neutralen Titel „Das Urteil des Bundesverfassungsgericht über die Gleichberechtigung der Eltern“ (7- 8/59) mussten sich die Leserinnen zufrieden geben. Über die Gründe für die Zurückhal- tung der Informationen gegenüber diesem schließlich doch noch für die Frauen erfolgrei- chen Ende der ersten spektakulären Geset- zesdebatte in der Bundesrepublik lässt sich nur spekulieren. Vor der Urteilsverkündung wollten die Frauenorganisationen ihre diesbe- züglichen Aktivitäten wahrscheinlich geheim halten, um ihren Erfolg nicht zu gefährden, zumal sie in ihrer grundsätzlichen Kritik vor der Bundestagsentscheidung immer wieder erschienen 1958 davor gewarnt hatten, dass die gesetzliche Fi- xierung des „Stichentscheids“ eine Verfas- Die Scheidungsreform: sungsklage zur Folge haben werde. Nach der Urteilsverkündung wollte sich von Seiten der Schutz und Emanzipation Verbände möglicherweise niemand noch ein- mal mit der jahrelang erörterten Frage be- Nach einer zehnjährigen Pause, während der schäftigen. Da die Redaktion aber zu diesem vor allem die Frauenenquete im Mittelpunkt Zeitpunkt die Auflage sehr ernst genommen des öffentlichen Interesses der Frauen stand, hat, nicht selbst zu informieren oder zu kom- wurden die offen gebliebenen Fragen einer mentieren, sondern nur ein Informationsfo- Reform des Ehe- und Familienrechts offiziell in rum bereitzustellen, wurden solche Lücken of- Angriff genommen. Unter dem neuen Bundes- fenbar in Kauf genommen. justizminister (SPD) in der CDU-SPD-Koalition trat am 11. März 1968 In den folgenden Jahren trat in den gesetzes- eine Eherechtskommission zu ihrer konstitu- freien Raum des vom BVG aufgehobenen vä- ierenden Sitzung zusammen. Die Informatio- terlichen „Stichentscheides“ wiederum wie nen referierten ausführlich die Begrüßungsan- von 1953 bis 1957 die Rechtsprechung, um im sprache des Ministers, der die „Selbstver- Einzelfall bei Meinungsverschiedenheiten der ständlichkeit“ betonte, „in großem Umfang Eltern jeweils praktikable Lösungen für die Be- sachkundige Damen zur Kommissionsarbeit teiligten zu finden. Erst 20 Jahre nach dem heranzuziehen“. Tatsächlich waren unter den BVG-Urteil wurde die seitdem gewachsene insgesamt 16 Kommissionsmitgliedern aus Überzeugung gesetzlich festgelegt, dass nur Wissenschaft, Rechtsprechung und Kirche nur Vater und Mutter gemeinsam das Kind vertre- 5 Frauen (3/68), die Bundestagsabgeordneten ten können. Das am 24. Juli 1979 verabschie- Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU) und Dr. Die- dete „Gesetz zur Neuregelung des Rechts der mer-Nicolaus (FDP), die Oberlandesgerichts- elterlichen Sorge“ brachte durch seine Formu- rätin Dr. Anneliese Cuny, die Rechtsanwältin lierung – „Sorge“ statt „Gewalt“ – darüber Dr. Fettweis und die Regierungsdirektorin Hel- hinaus zum Ausdruck, „daß die Eltern-Kind- ga-Christa Partikel. Beziehung eine durch Verantwortung gepräg- te Schutzbeziehung ist“. Außerdem wird in Der Schwerpunkt des am 14. Juni 1976 verab- der Neuregelung erstmalig das Kind als selbst- schiedeten „Gesetz zur Reform des Ehe- und ständiges Rechtssubjekt verstanden (Anneliese Familienrechts“(Eherechtsgesetz), das 1977 in Cuny, 5/80). Kraft trat, war die Umgestaltung des Schei- Der Gesetzgeber reagiert als Mann!

dungsrechts, in dem das „Schuldprinzip“ vom dung gesucht, die nach der Abschaffung des 36 „Zerrüttungsprinzip“ abgelöst wurde, und die Schuldprinzips die Gefahr der „einseitigen darauf abgestimmte Scheidungsfolgenrege- Kündbarkeit der Ehe“ bzw. der „Verstoßungs- lung, insbesondere die Unterhaltsregelung scheidungen“ (1/70) verhindern sollten. Von und schließlich der „Versorgungsausgleich“. allen an der Debatte beteiligten Frauenorgani- In den Stellungnahmen der Frauenorganisatio- sationen wurde dafür u.a. die Einführung einer nen während der Vorbereitung dieser Geset- „Härteklausel“ gefordert, mit der das Schei- zesreform überwog eine sozial-protektionisti- dungsbegehren eines Partners abgewiesen sche gegenüber einer egalitär-emanzipatori- werden konnte, wenn die Scheidung für den schen Argumentation. anderen nicht zumutbar sei (Evangelische Frau- In realistischer Einschätzung der damaligen enarbeit, Arbeitsgemeinschaft der katholischen Eheverhältnisse hielten sich die Vertreterinnen deutschen Frauen, Deutscher Frauenring, Deut- der Fraueninteressen nicht lange mit der be- scher Hausfrauen-Bund, W.O.M.A.N., Juristin- freienden Wirkung auf, die eine Erleichterung nenbund). Als Kriterien einer solchen Härte- der Scheidung von „zerrütteten“ Ehen prinzi- klausel nannte der Rechtsausschuss der Evan- piell für Männer und Frauen bringen mochte. gelischen Frauenarbeit 1970 die ungesicherte Die Ablösung des Schuldprinzips durch das wirtschaftliche Stellung des scheidungsunwil- Zerrüttungsprinzip wurde von ihnen zwar als ligen Ehegatten, die Dauer der Ehe, das Alter Tribut an veränderte – oder zu verändernde – sowie „den Verbrauch der gesundheitlichen gesellschaftliche Wertmaßstäbe begrüßt, ihre Kräfte“ in der Regel der Ehefrau (1/70). Der Hauptaufgabe sahen sie aber darin, die Ehe- Rechtsausschuss des Deutschen Frauenrings frauen vor den negativen Folgen solcherart er- und die Weltorganisation der Mütter aller Na- leichterter Scheidungen zu schützen bzw. die- tionen (W.O.M.A.N) befürworteten einen ähn- se Erleichterungen auch zurückzunehmen. Sie lich breitgefächerten Kriterienkatalog für die gingen von den Tatsachen aus, dass die mei- Härteklausel (3/70 und 11-12/70). sten betroffenen Ehefrauen erstens nicht er- Demgegenüber wollte der Deutsche Haus- werbstätig und zweitens die Scheidungsopfer frauen-Bund in seinem Schreiben an Bundes- waren. justizminister (SPD) vom 30. Ok- Dass die Ehe- und Scheidungsreform tober 1970 nur extreme Notlagen nichtwirt- grundsätzlich auf die Durchsetzung einer part- schaftlichen Charakters für eine solche Härte- nerschaftlichen Ehe gerichtet war, spielte für klausel geltend machen: „Gebrechlichkeit in die Frauenorganisationen anscheinend kaum hohem Alter, sehr schwere oder unheilbare eine Rolle. In der Tat trugen aber unter den psychische oder physische Krankheit, gemein- herrschenden gesellschaftlichen Bedingungen sames körperlich oder geistig sehr schwer oder ihre Vorschläge zur materiellen Absicherung unheilbar krankes Kind“(11-12/70). der geschiedenen Frauen, die schließlich weit- Damit bereiteten die organisierten Haus- gehend in das Gesetz eingingen, entscheidend frauen den Weg zu einer liberaleren Haltung zur „Scheidungsgerechtigkeit“ und damit gegenüber diesem Scheidungshindernis. An- auch zur Gleichberechtigung in der Ehe bei. derthalb Jahre später formulierte der Juri- Aber mit dieser Begründung wurden sie – stinnenbund eine entsprechend gemilderte möglicherweise aus taktischen Gründen – „immaterielle Härteklausel“ (5/72), die nicht vorgebracht. Erst in einem späteren schließlich vom Gesetzgeber übernommen Rückblick ist die „partnerschaftliche Beziehung wurde. Sie zielte darauf, die Lösung ökono- zwischen den Geschlechtern“ hervorgehoben mischer Scheidungsfolgen nicht an die Auf- worden, die das Gesetz „langfristig“ fördern rechterhaltung der Lebensgemeinschaft zu werde (Gisela Becker, 9/78). Noch später hat binden, sondern dafür gesonderte Regelun- Jutta Limbach die „Offenheit für jede einver- gen zu finden, die als Unterhaltsrecht und ständliche Organisation des Familienlebens“ Versorgungsausgleich in die Scheidungsre- als das entscheidende „Charakteristikum des form einbezogen wurden. Dass auf diese neuen Rechts“ bezeichnet (11-12/87). Dass Weise langfristig den finanziell schwächeren damit auch von der „Hausfrauenehe“ als Leit- Ehepartnern – also in der Regel den Ehefrau- bild Abschied genommen wurde, erschien den en – ermöglicht wurde, eine gescheiterte Le- Frauenorganisationen während der Auseinan- bensgemeinschaft nicht aus ökonomischen dersetzungen kaum erwähnenswert. Gründen aufrecht erhalten zu müssen, wur- Zwischen 1969 und 1972 wurde vielmehr de wiederum von den Frauenorganisationen nachdrücklich nach Erschwernissen der Schei- kaum erwähnt. Kapitel 2

Der Streit um die Trennungszeiten drei Jahre vor – die Ehe als „unheilbar zerrüt- tet“ anzusehen sei. Weil sie eine Rückkehr zu 37 Ein weiteres Erschwernis der zukünftigen Ehe- dem „Scheidungskrieg“ des geltenden Rechts scheidungen, für das sich neben anderen Or- verhindern wollten, lehnten sie auch den in ganisationen die meisten Frauenorganisatio- dem Regierungsentwurf vorgesehenen Zusatz nen stark machten, war eine mehr oder weni- ab, der die Annahme der unheilbaren Zerrüt- ger extensive Trennungsfristenregelung, an der tung davon abhängig machen wollte, dass die die „Zerrüttung“ der Ehe unabhängig vom Wiederherstellung der ehelichen Lebensge- Scheidungsbegehren eines oder auch beider meinschaft nicht erwartet werden könne Ehegatten festgemacht werden sollte. Die ge- (5/72). Das Gesetz hat diese Vorschläge im we- forderten Fristen variierten in den Stellung- sentlichen realisiert. nahmen, sie reduzierten sich aber tendenziell im Verlaufe der Debatte. So forderte der Als unmittelbare Folge des Zerrüttungsprinzips Rechtsausschuss des Deutschen Frauenrings wurde in allen Stellungnahmen anerkannt, Anfang 1970 die „Aufhebung der häuslichen dass auch die Unterhaltsansprüche nach der Gemeinschaft seit fünf Jahren“ bei einseitigem Scheidung vom Verschulden gelöst, und statt Scheidungsbegehren und „seit einem Jahr, dessen an soziale Kriterien bzw. „objektive Ge- wenn beide Ehegatten die Scheidung beantra- sichtspunkte“ wie Sorge für minderjährige gen und die Ehe mindestens zwei Jahre be- Kinder, Alter, Krankheit, fehlende Berufsaus- standen hat“ (3/70). Ein knappes Jahr später bildung etc. gebunden werden müssten. Die stellt die gleiche Organisation zur Diskussion, Debatte um die Unterhaltsregelung war in be- die geforderten Fristen bei einseitigem Schei- sonderem Maß geprägt durch das Spannungs- dungsbegehren nach der Ehedauer zu staffeln, verhältnis zwischen einem tendenziell ega- „beginnend mit zweijähriger Trennungsfrist litären Ansatz und einem sozialen Schutzinter- bei einer Ehedauer bis zu fünf Jahren“ bis zu esse gegenüber Frauen. Die Gesetzentwürfe fünfjähriger Trennung bei Ehen über 15 Jahren gingen grundsätzlich davon aus, dass beide (2/71). Während gemischte Organisationen Ehegatten nach der Scheidung in der Regel für wie die Evangelische Akademikerschaft in sich selber sorgen sollten. Dieser Grundsatz Deutschland und der Deutsche Juristentag die wurde von den meisten Frauenorganisationen Frist auf drei bzw. zwei Trennungsjahre ge- zwar nicht bestritten, wurde aber auch selten senkt wissen wollten, tendierten die Frauenor- als besondere emanzipatorische Errungen- ganisationen vor allem, um ältere weibliche schaft erwähnt. Der Deutsche Frauenring er- Scheidungsopfer zu schützen, zunächst zu län- klärte sogar, die Unterhaltsregelung dürfe geren obligatorischen Trennungszeiten. nicht einseitig von dem Prinzip ausgehen, „daß jeder nach der Scheidung für sich selbst zu sor- Auch bei den Erörterungen des Themas Tren- gen hat.“ Es sei vielmehr „gleichwertig zu nungsfristen in den Informationen erschließt berücksichtigen, dass die Ehe das gesamte Le- sich nicht ohne weiteres, dass es sich dabei ben der Ehegatten, ihre Fähigkeiten und Er- nicht nur um eine Scheidungsbremse, sondern werbsmöglichkeiten in eine bestimmte Rich- zugleich um ein Medium der schrittweisen tung gelenkt hat, die entscheidenden Einfluss Modernisierung des Eherechts handeln sollte. auf die Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Erst die umfassende Stellungnahme des Juri- Erwerbstätigkeit nach Auflösung der Ehe hat“ stinnenbundes vom Mai 1972, in der auch aus- (2/71). drücklich auf eine „materielle Härteklausel“ verzichtet wurde, stellte diese Funktion der Die Idee der Selbstversorgung stand im Zu- Trennungszeitregelung in den Vordergrund. Es sammenhang mit einer anderen Änderung wird dabei klar, dass diese Regelung den Tat- des Eherechts, nach der die alleinige Zustän- bestand „Zerrüttung“ so formalisieren sollte, digkeit der Ehefrau für die Haushaltsführung dass im Gegensatz zum Schuld-Scheidungs- aufgehoben werden sollte, die im Gleichbe- recht weder die Ehegatten gezwungen sein rechtigungsgesetz von 1958 noch enthalten würden, den Zustand ihrer Ehe öffentlich dar- war. Anfang der Fünfzigerjahre hatten auch zustellen, noch die Richter darüber zu befinden die meisten Frauenorganisationen die Auffas- hätten. Aus diesem Grund bestanden die Juri- sung vertreten, dass sich die unterschiedli- stinnen auch vehement auf der „Unwiderleg- chen Pflichten der Ehegatten aus dem Wesen lichkeit der Vermutung“, dass nach einer be- der Ehe ergäben (2/52), andererseits waren stimmten Trennungszeit – sie selbst schlugen aber wenig später Politikerinnen und die Der Gesetzgeber reagiert als Mann!

Juristinnenvereinigung den öffentlichen mischen Eigenverantwortlichkeit der Frau ent- 38 Äußerungen des Bundesfamilienministers gegenstellten (7-8/71). Diese Kritik richtete Franz Josef Wuermeling (CDU) vehement ent- sich vor allem gegen bestimmte Stellungnah- gegengetreten, dass die außerhäusliche Er- men zum Unterhaltsrecht und zum Versor- werbstätigkeit von Ehefrauen ehezerstörend gungsausgleich. wirke (3/56). Nur der Rechtsausschuss der Evangelischen In das Gesetz von 1977 wurde ohne Dis- Frauenarbeit hatte ohne Umschweife erklärt, kussion die Übertragung der Haushalts- dass „in der Regel jeder Ehegatte anstreben führung in die gemeinschaftliche Verantwor- sollte, sich wirtschaftlich unabhängig zu ma- tung beider Ehegatten aufgenommen. Auch chen“, um anschließend als Einschränkungen die einseitige Einschränkung der weiblichen Er- dieses Grundsatzes die Fälle für Unterhaltsan- werbsberechtigung – sie musste nach dem Ge- sprüche nur kurz zu benennen (1/70). Dem Ju- setz von 1958 mit den Familienpflichten ver- ristinnenbund war beim Thema Unterhalt vor einbar sein – wurde ohne Kontroversen aufge- allem daran gelegen, das Anliegen, den sozial hoben. schwächeren Ehegatten zu schützen, in ein re- lativierendes Verhältnis mit dem Ausgleich ehe- bedingter Nachteile zu setzen. Am deutlichsten malten der Deutsche Hausfrauen-Bund und die W.O.M.A.N. in ihren Ausführungen zum Un- terhaltsrecht ausschließlich und ausführlich die Schwierigkeiten für ältere, nicht erwerbstätige Ehefrauen aus, sich nach der Scheidung wirt- schaftlich eine eigene Existenz aufzubauen (11- 12/70). In dieser Debatte deutet sich jedoch bereits an, dass einem egalitären Verständnis von öko- nomischer Unabhängigkeit der Frau, dem das neue Scheidungsrecht den Weg bereiten soll- te, von Seiten der Frauenorganisationen nicht nur schutzorientierte Hemmnisse in den Weg gestellt wurden. Indem vielmehr die Unter- haltsansprüche der Frauen mit ihren Leistun- gen in der Ehe begründet wurden, schien ein anderes Emanzipationsverständnis auf, das sich aus der geschlechtsspezifischen Arbeits- teilung herleitete. Das Argument, dass Hausarbeit und Kin- dererziehung der Erwerbsarbeit als Beitrag für 7-8/84 die Familie gleichwertig seien, erhielt später Jutta Limbach resümierte 1987, dass diese eine zentrale Bedeutung für die Position der widerspruchslose Verabschiedung von der Frauenorganisationen zu allen größeren „Hausfrauenehe“ dem „Einfluß sozio-ökono- Rechtsreformen: sowohl bei der Steuerreform, mischer Verhältnisse, gesellschaftlicher Erwar- die sich seit Mitte der Fünfzigerjahre bis in die tungen und individueller Wünsche“ geschul- Neunzigerjahre hineinzog, wie auch bei der det gewesen sei (11-12/87). unendlichen Diskussion um eine eigenständi- Als Vorwegnahme eines Frauenbildes der ge Sicherung der Frau in der Rente, für die sich selbstbestimmten und gleichberechtigten der Deutsche Frauenrat seit 1970 besonders „Frau von morgen“ hatte 1971 die Konstanzer stark machte. Bereits bei der Familienrechts- Sozialwissenschaftlerin Barbara Mettler die ge- reform der Fünfzigerjahre hatte das Postulat plante Scheidungsreform gefeiert. In ihrem der Gleichwertigkeit der Haus- und Erzie- umfangreichen Beitrag zum Ehescheidungs- hungsarbeit eine nicht nur ideologische Rolle recht „unter familiensoziologischen Aspek- gespielt, sondern es war in die Konzeption ten“ kritisierte Mettler die Frauenorganisatio- des ehelichen Güterstand als „Zugewinnge- nen, die sich ihrer Meinung nach unverständ- meinschaft“ eingegangen, die einen „Zuge- licherweise der Aufhebung geschlechtsspezifi- winnausgleich“ bei Auflösung der Ehe zur Fol- scher familialer Arbeitsteilung und der ökono- ge hatte. Kapitel 2

Zugewinngemeinschaft nisationen zitierte: „Wir lehnen es grundsätz- lich ab, dass über die Veränderung von Geset- 39 und Versorgungsausgleich zen die Veränderung der Gesellschaft eingelei- Dieses seit 1958 geltende Rechtsinstitut, nach tet wird“ (11-12/70). dem alles in der Ehe erworbene Vermögen bei der Scheidung unter den Ehegatten aufgeteilt In der Stellungnahme des Deutschen Frauen- werden musste, wurde mit dem „Versor- rates fünf Jahre später war der Einwand, „daß gungsausgleich“ in den Siebzigerjahren ge- der Versorgungsausgleich zu Minirenten danklich fortgeführt. Durch dieses Instrument, führen kann“, immer noch aktuell, wurde aber das nicht nur der Rechtsausschuss der Evange- bei weitem nicht als so grundsätzlich angese- lischen Frauenarbeit als „eine außerordentlich hen. Zwei Gründe wurden angeführt, die den- begrüßenswerte Neuerung“ empfand (4/73), noch für den Versorgungsausgleich sprachen: wurde schließlich qua Gesetz die Hälfte der Der DF zeigte zum einen auf, dass die „an die Differenz der beiden Rentenanwartschaften Frau zu übertragenen Versorgungsanrechte dem Ehegatten übertragen, der selbst weniger oder Anwartschaften in zunehmendem Maße Ansprüche begründet hat, also in den meisten Fällen der Frau (9/78).

Das Thema „Versorgungsausgleich“ bildete Mitte der Siebzigerjahre das Zentrum der Scheidungsreform. Auf Seiten der Frauenver- bände trat in dieser Debatte der Deutsche Frauenrat stark hervor. Er legte im Juni 1975 eine „generelle Stellungnahme“ vor, die „auf dem einstimmigen Votum der Mitgliedsver- bände für eine eigenständige soziale Siche- rung der Frau“ aus dem Jahre 1970 basierte. Unter Berufung auf die ehemalige Bundesver- fassungsrichterin Dr. Erna Scheffler, die sich bereits 1968 für einen Versorgungsausgleich eingesetzt hatte, wurde klargestellt, „daß die Rente eine aufgesparte Unterhaltssicherung sei und dem Vermögen gleichkomme und da- her wie dieses nach dem Prinzip des Zuge- winnausgleichs zu behandeln sei“. Häufig sei auch die Rentenanwartschaft „der einzige 3/95 während der Ehe erworbene Vermögens- wert.“(6/75). mit eigenen Rentenansprüchen“ zusammen- träfen. Dies wurde u.a. mit einer Statistik be- Die Gleichstellung der geschiedenen Ehefrau- legt, derzufolge der Anteil der verheirateten en über den Versorgungsausgleich enthielt je- unter den erwerbstätigen Frauen zwischen doch einen Wermutstropfen, dessen Bewer- 1968 und 1980 von 53 Prozent auf 59 Prozent tung sich in den Jahren vor der Verabschie- steigen werde. Zum anderen sei nicht einzuse- dung der Scheidungsreform auf interessante hen, „daß auch weiterhin nur die geschiedene Weise veränderte. So hatte die W.O.M.A.N. Frau, nicht aber auch einmal der Mann, zum Ende 1970 den Ausgleichsanspruch des nicht Sozialamt gehen soll.“ Eine Ehereform ohne ei- altersversorgten Ehegatten als „wenig befrie- nen Versorgungsausgleich, so fasste der DF digend“ bezeichnet, „weil die Renten für 2 seine Ausführungen zusammen, werde sich Personen, die nicht gemeinsam wirtschaften“, „insbesondere im Jahr der Frau“ nicht sehen zu gering seien. Sie fand es „empörend“, dass lassen können (6/75). als „Gleichberechtigung“ gelten solle, wenn „beide zur ‚Fürsorge‘” gehen müssten. Dieser Gut ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Kritik hatte die W.O.M.A.N. ein Statement hin- Scheidungsrechts, verteidigte Gisela Becker in zugefügt, das die Sozialwissenschaftlerin Bar- den Informationen dieses „1. Gesetz zur Än- bara Mettler 1971 als besonders kennzeich- derung des Ehe- und Familienrechts“ gegen nend für die Rückständigkeit der Frauenorga- seine Kritiker. Die Einführung des Versor- Der Gesetzgeber reagiert als Mann!

gungsausgleichs beurteilte sie besonders posi- schnittlichen Rentensteigerung der betroffenen 40 tiv: Damit habe der Gesetzgeber „mit der von ca. 56,- DM führte (2/90). Gegen die dabei Gleichberechtigung bei der Alterssicherung zugrundegelegte Bemessungsgrundlage der der nicht berufstätigen Hausfrau Ernst ge- Anrechnung von Erziehungszeiten (75 Prozent macht“. Der erste Schritt zur eigenständigen des Durchschnittsentgeltes aller Versicherten) sozialen Sicherung der Hausfrau sei damit ge- und gegen den Ausschluss bestimmter Frauen- tan (9/78). gruppen, vor allem der vor 1921 geborenen Der Versorgungsausgleich wurde in einem Mütter, klagten zwei 1920 geborene Frauen – Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) Mütter von 10 bzw. 5 Kindern – mit Unterstüt- vom 28. Februar 1980 gegen eine große Zahl zung des DF vor dem BVG. Das Urteil vom 7. Juli von Verfassungsbeschwerden betroffener 1992 gab, so wurde festgestellt, den Klägerin- Männer verteidigt. Einen prominenten Für- nen nur teilweise recht. Für sich selbst hatten sprecher fanden die Kläger im Chefredakteur sie keinen Erfolg, weil die Richter dem Gesetz- des „Spiegel“, , der den ge- geber gewisse Stichtagsregelungen zubilligten. setzlichen Versorgungsausgleich im Dezember Immerhin befand das Gericht, dass die bisheri- 1979 als „eine Karikatur, einen Hohn auf Recht ge Regelung nicht ausreiche, um die Benach- und Billigkeit“ brandmarkte. teiligung von „nicht berufstätigen Erziehungs- Das BVG entschied gegen den Hauptvor- personen“ bei der Alltagsvorsorge abzubauen wurf der Beschwerdeführer, der Ausgleich ver- (9/92). letze den verfassungsmäßig garantierten Schutz des Eigentums (Artikel 14 GG) – es war Für Annelies Kohleiss lag die entscheidende sogar von einer „unzulässigen Enteignung“ und zukunftsweisende Bedeutung der BVG- (des Kontoinhabers!) die Rede – mit dem Ar- Entscheidung vom 7. Juli 1992 in dem Hinweis, gument, dass Renten und Rentenanwartschaf- dass zur Finanzierung dieser Altersvorsorge der ten zwar durchaus zum durch das GG zu nichterwerbstätigen Mütter nicht nur Bundes- schützenden Eigentum gehörten, dass aber mittel heranzuziehen, „sondern auch Um- „diese Positionen (...) in einem ausgeprägten schichtungen bei den Ansprüchen aus der ge- sozialen Bezug“ stünden. „Die Berechtigung setzlichen Rentenversicherung vorzunehmen des einzelnen Eigentümers lässt sich von den seien.“ Der Schutz des Eigentums stehe einer Rechten und Pflichten anderer nicht lösen“, „maßvollen Umverteilung zu Lasten Kinderlo- wird die Urteilsbegründung weiter zitiert. Die- ser nicht entgegen“. Für Kolhleiss bedeutete se Berechtigung sei vielmehr „eingefügt in ei- dies das „Aus“ für die „von den Sozialpoliti- nen Gesamtzusammenhang, der auf dem Ge- kern vertretene – wenn auch nicht immer laut danken der Solidargemeinschaft und des Ge- geäußerte – Auffassung, eine umfassende Ver- nerationenvertrags beruht.“ (5/80). sorgung auch der ganz jungen Witwe nach Das Zitat ist einem sachkundigen Artikel von wenigen Ehetagen müsse Vorrang vor einer Annelies Kohleiss über das BVG-Urteil ent- gerechten Behandlung kinderreicher Mütter nommen. Die Stuttgarter Richterin, die in den genießen“ (9/92). folgenden 15 Jahren für die Informationen den Stand der Rentenreform durchgängig darstel- Der Deutsche Frauenrat begrüßte das Urteil et- len und kommentieren wird32, hob die zitierte was verhaltener. Er wusste auch schon wie der Passage des Urteils über die „besonders be- Auftrag des BVG an den Gesetzgeber erfüllt deutsame soziale Funktion“ von Renten und werden könne, nämlich durch „Anrechnung Rentenanwartschaften als wegweisend für die von Zeiten der Kindererziehung von minde- künftige Rentengesetzgebung hervor. stens drei Jahren mit 100 Prozent des Durch- schnittsverdienstes sowie beitragsäquivalenter, In der Debatte, die bis heute andauert und auch kumulativer Anrechnung von Kindererzie- nach dem Urteil der Expertinnen für Laien im- hungszeiten bei Müttern, die nach der Geburt mer undurchschaubarer wird, hat der Deutsche eines Kindes erwerbstätig geblieben sind.“ (7- Frauenrat immer wieder für die eigenständige 8/92). soziale Sicherung der Frau und die Anrechnung Für die Berücksichtigung erwerbstätiger von Kindererziehungszeiten Position bezogen. Mütter setzte sich der DF u.a. bei der Renten- Mit einer geringfügigen Anerkennung von Er- reformdebatte zunehmend ein. In seiner Stel- ziehungszeiten im Hinterbliebenen- und Erzie- lungnahme zur Anhörung vor dem BVG am hungszeitengesetz (HEZG) wurde 1986 ein klei- 28. April 1992 hatte er gefordert, dass die ner Durchbruch erzielt, der zu einer durch- „Anerkennung von Kindererziehungszeiten Kapitel 2

den erwerbstätigen Eltern nicht vorenthalten familienrelevante Reformen eingetreten wa- werden“ dürfe. Zugleich machte er darauf auf- ren, wurde erst seit Ende der Achtzigerjahre 41 merksam, dass Kindererziehungszeiten „in der zögernd von der Anerkennung einer entspre- früheren DDR einen weit höheren Stellenwert chenden geschlechtsspezifischen Arbeitstei- hatten als heute in der Bundesrepublik lung gelöst. Die Familienarbeit aufzuwerten, Deutschland“. Dies sei „für die Frauen in den wird seitdem zunehmend nicht mehr als ein neuen Bundesländern auch im Hinblick auf die Gebot der Aufwertung von Frauen gesehen, Absichten des Einigungsvertrages ein unver- sondern durchaus auch als Mittel, um diese Ar- ständlicher Rückschritt“(5/92). beit für Männer attraktiver zu machen. Deutlicher als vielen lieb sein mag, hat die Ob der Blick nach Osten die erwerbstätigen spätere Präsidentin des Bundesverfassungsge- Mütter zusätzlich in den Vordergrund gerückt richts Jutta Limbach die Richtung dafür bereits hat, sei dahingestellt. Auf jeden Fall deutete in ihrem Fazit von 1987 vorgegeben: „Was die sich hier eine Werteverlagerung an. Das Po- künftig im Haus wirkenden Männer an Berufs- stulat der Gleichwertigkeit von Hausarbeit und arbeit und gesellschaftlicher Macht einbüßen, Erwerbsarbeit, für das die Mitgliedsverbände werden sie dann möglicherweise als Familien- des Deutschen Frauenrats seit Anfang der Fün- arbeiter, als tätig liebende Ehemänner und Vä- fzigerjahre in allen Auseinandersetzungen um ter gewinnen“ (11-12/87).

Die Frauen-Enquete und die „unfertige Emanzipation“

Das Gleichberechtigungsgesetz aus dem Jah- für die Teilhabe an den politischen Entschei- re 1957 hatte die Diskussionen um die recht- dungen.34 Eine schriftliche Befragung der Ab- liche und gesellschaftliche Stellung der Frau geordneten aller Bundestagsfraktionen über nicht verstummen lassen. Der Vorrang des ihre frauenpolitischen Vorstellungen im Vor- Mannes in Ehe und Familie war zwar mit dem feld der Wahlen scheinen diese Forderungen Gesetz im wesentlichen beseitigt, doch ge- des ID noch bestätigt zu haben. Es ist wohl blieben waren die Festschreibung der Frauen auch diesem „Wahlkampf“ der Frauenver- auf die traditionelle Hausfrauenrolle, ihre Be- bände zu verdanken, dass dem Bundestag im lastungen durch Familienaufgaben und außer- Dezember 1962 ein Antrag der SPD-Fraktion häusliche Funktionen mit all ihren Konse- vorlag, in dem ein Bericht der Bundesregie- quenzen. Probleme wie die Lohndiskriminie- rung zur Situation der Frau in Beruf, Familie rung für Frauen, die ungleiche Alterssicherung und Gesellschaft gefordert wurde. und die geringe Präsenz der Frauen in Parla- Der parlamentarische Weg bis zur Ent- menten und Parteien führten immer wieder zu scheidung benötigte ganze zwei Jahre. Erst öffentlichen Debatten. Durch den wirtschaft- am 16. Dezember 1964 beauftragte der Bun- lichen Aufschwung veränderten sich die Le- destag die Regierung mit der Ausarbeitung ei- benssituation und die Lebensformen von Frau- nes Berichtes „Zur Situation der Frau in Beruf, en und Männern schnell und tiefgreifend, was Familie und Gesellschaft“. die Defizite in den bestehenden Rechtsnor- Bereits ein Jahr vorher, im November 1963, men noch deutlicher machte. Im übrigen hat- hatten die im Informationsdienst und Akti- te zu eben dieser Zeit die DDR eine frauenpo- onskreis zusammengeschlossenen Frauenver- litische Offensive eingeleitet und mit ihrem bände, die nach eigenen Angaben 80 Bun- neuen Konzept Überlegenheit gegenüber der desorganisationen mit sechs Millionen weibli- BRD propagiert.33 chen Mitgliedern repräsentierten, in einer Ent- In Vorbereitung der Bundestagswahlen schließung dringend darum gebeten, „die Be- 1961 thematisierten die Frauenverbände er- arbeitung der Enquete mit allen Mitteln zu be- neut die Stellung der Frauen in Beruf, Familie schleunigen, weil ihre Ergebnisse von ent- und Politik: Sie forderten Veränderungen vor scheidender Bedeutung für den gesellschaftli- allem für erwerbstätige Frauen, für die soziale chen Beitrag der Frau schon in nächster Zu- Sicherung der nichterwerbstätigen Frauen und kunft sein werden.“ (1/64). Der Gesetzgeber reagiert als Mann!

Im Sommer 1964 versuchte der Informati- schrieb im Gegensatz dazu, dass der Werde- 42 onsdienst mit einer anderen Methode, die Öf- gang der Enquete-Erarbeitung hauptsächlich fentlichkeit für die Frauen-Enquete zu mobili- in die Hände der Frauenreferentinnen der Mi- sieren und auf die bevorstehende Debatte im nisterien gelegt wurde und infolge des vorge- Bundestag aufmerksam zu machen: Die Infor- gebenen knappen Zeitrahmens Forschungs- mationen veröffentlichten den Bericht der Son- aufträge nicht mehr möglich waren (9/97). Bis derkommission von Präsident Kennedy „Ame- Juni 1965 sollten die zehn interministeriellen rican Women“ mit seinem einleitenden Motto Arbeitsgruppen ihre Arbeit beendet haben. „an invitation to action“ als Heft 7/8 1964. Der mit Spannung erwartete Bericht lag erst Die Frauenreferentin im Bundesinnenmini- am 14. September 1966 dem neugewählten sterium Dorothea Frandsen schrieb in ihrem Bundestag vor, umfasste stattliche 600 Seiten Vorwort, dass der Bundestag mit einem baldi- und sollte einen möglichst umfassenden gen Enquete-Beschluss diesem amerikani- Überblick über die Lage der Frauen ermögli- schen Vorbild und den „verständlichen Wün- chen. Nahezu die gesamte Tagespresse wür- schen breiter Frauenkreise“ Rechnung tragen digte den Bericht mehr oder weniger ausführ- möge. Ebenfalls im Laufe des Jahres 1964 lich. führte der Vorstand Gespräche mit Vertrete- Dorothea Frandsen fasste in den Informa- rinnen der Bundesfrauenausschüsse der drei tionen für die Frau ihren Eindruck folgender- Bundestagsparteien, mit dem Vorsitzenden maßen zusammen: Nahezu alle Teilberichte des Ausschusses für Familien und Jugendfra- ließen „den Bruch zwischen Verfassungsrecht gen im Deutschen Bundestag Linus Memmel und Verfassungswirklichkeit – die nichtvollzo- und mit weiblichen Bundestagsabgeordneten, gene Gleichberechtigung nach Artikel 3 Abs. 2 um für die Frauen-Enquete Zustimmung zu ge- des Grundgesetzes – erkennen (...) , eine Si- winnen (9/64). tuation, die gelegentlich schon mit Recht als Nachdem der Bundestag am 16. Dezember ‘unfertige Emanzipation’ bezeichnet wurde“. 1964 den Beschluss zur Erarbeitung eines En- Gleichzeitig verteidigte sie den Bericht gegen- quete-Berichtes verabschiedet hatte, meldeten über der heftigen und widersprüchlichen Kri- die Informationen die ersten Reaktionen der tik, er sei zu lang, zu viel, zu unübersichtlich, Frauenverbände (1/65). Die Arbeitsgemein- zu wenig, zu restaurativ, zu unklar, zu begrenzt schaft der katholischen deutschen Frauenver- und zu wenig auf Veränderungen orientiert bände wies auf die Reformbedürftigkeit der (11-12/66). Berufsausbildung und -weiterbildung sowie Der Informationsdienst und seine Verbände der Studentenförderung hin. Die Situation der wählten eine andere Form der Auseinander- alleinstehenden Frau und verheirateten Beam- setzung mit der Enquete als die meisten Kriti- tin wollte die Arbeitsgemeinschaft für ker: Sie erarbeiteten eine Fülle von Vorschlä- Mädchen- und Frauenbild behandelt wissen. gen. Der Deutsche Akademikerinnenbund Der Deutsche Akademikerinnenbund forderte schlug ergänzende wissenschaftliche Studien eine genauere Zielbestimmung der Enquete vor und rückte die Teilzeitarbeit für Beamtin- ein: „Sie muß aber weiter zeigen, woran es nen und eine auf das Berufsleben orientierte fehlt und wie der Gesetzgeber helfen könnte. Universitätsausbildung ins Blickfeld der Debat- Wir haben den Eindruck, dass dieser Seite der te (10/66). Konkrete Vorstellungen über Bil- Enquete bisher nicht die überragende Bedeu- dung und Weiterbildung der Frauen ent- tung beigemessen worden ist, die ihr zukommt wickelte die Arbeitsgemeinschaft der katholi- – um so mehr zukommt, als es hier an Vorar- schen deutschen Frauen auf ihrer Jahresta- beiten weitgehend fehlt.“ (1/65). Ein weiteres gung im Januar 1967 und wies in diesem Zu- Defizit stellte die Evangelische Frauenarbeit sammenhang auf die zunehmende Berufsar- fest: es fehlten soziologische Forschungen, vor beit der Frauen und den damit verbundenen allem der Motivforschung, um qualifizierte Bildungsanspruch hin (2/67). Auch der DGB- Aussagen treffen zu können. Die Forderung Bundes-Frauenausschuss sah die Erwerbs- nach umfassenden Forschungen und einem arbeit der Frauen unzureichend analysiert und Expertenteam für die Ausarbeitung der En- kündigte detaillierte Vorschläge an (6/67). quete erhob auch der DAG-Bundesvorstand Der Deutsche Verband berufstätiger Frauen (1/65). legte neun Ergänzungen vor, die sich vor allem Dorothea Frandsen – von 1963 bis 1974 als auf die Mädchenbildung und -ausbildung be- Nachfolgerin von Dorothea Karsten Frauenre- zogen. In ihrem Statement tauchten Forderun- ferentin im Bundesinnenministerium – be- gen nach Veränderungen der männlich ge- Kapitel 2

prägten Arbeitswelt und ganztägiger Kinder- Frau sprach, verwies auf die staatsbürgerliche betreuung auf. Bildung und Gesundheit stell- Bildungsarbeit für Frauen und deren notwen- 43 ten der Landesfrauenrat und der Landfrauen- dige Mitarbeit in der Politik. „Die Frauen wol- verband Schleswig-Holstein in den Mittelpunkt len die Männer nicht verdrängen, aber die ihrer umfangreichen Stellungnahmen zur Frau- künftige Gesellschaft wird nur durch gemein- en-Enquete (7-8/67). same Anstrengungen von Männern und Frau- Die Informationen stellten alleine im Jahr en zum Lebensraum für alle werden“, appel- 1969 vier ganze Ausgaben für den Enquete- Bericht zur Verfügung und veröffentlichten un- ter dem Motto „Die Frau in unserer Zeit“ Schwerpunkte aus dem Bericht. Unter das glei- che Thema stellte der Deutsche Hausfrauen- Bund 1968 seine Bundesausstellung in Berlin zur Enquete (7-8/68). Höhepunkt und Abschluss der Diskussionen über den Frauenbericht der Bundesregierung bildeten die Expertenanhörungen vor dem fe- derführenden Bundestagsausschuss Familien- und Jugendfragen 1968 und 1969. Am 2. Ok- tober 1968 wurden die Frauenverbände gehört, die zuvor ihre Themen abgestimmt hatten. Hier formulierten der Deutsche Frau- enring, die Arbeitsgemeinschaft der katholi- schen deutschen Frauen, die Evangelische Frauenarbeit in Deutschland, der Deutsche Ärztinnenbund und der Deutsche Landfrauen- verband sowohl ihre Kritik wie ihre Ergänzun- gen in ausführlichen Stellungnahmen (10/68). Während Marianne Gatzke für den Deut- Diese Broschüre wurde 1972 schen Frauenring sich auf das Bild der Frau in von der Niedersächsischen der Öffentlichkeit konzentrierte, dessen Wirk- Landeszentrale für politische lichkeitsferne sie bemängelte und Verände- Bildung herausgegeben. rungen anregte, kritisierte Hanna-Renata Lau- rien für die Arbeitsgemeinschaft der katholi- lierte sie. Als Vertreterin des Deutschen Ärztin- schen deutschen Frauen in ungewöhnlicher nenbundes behandelte Lena Ohnesorge die Schärfe das Frauenbild der Frauenenquete. Ins- Fragen der Gesundheitsfürsorge einschließlich gesamt träte „die Gesellschaftsbezogenheit Mutterschutz, Familienplanung und Sexualer- häufig erschreckend zurück: Man charakteri- ziehung; die Situation der nicht berufstätigen siert einen ‘familienentfremdenen Berufsfrau- behinderten Hausfrau und das Gefälle zwi- entyp’, dessen extremes Gegenüber aber be- schen Stadt und Land im Gesundheitsdienst. zeichnet man friedlich als ‘Hausmuttertyp’, Damit brachte sie bisher vernachlässigte The- nicht etwa als ‘berufs- oder gesellschaftsent- men in die Debatte, wie auch Regina Franken- fremdeten Hausfrauentyp’; der Auftrag des feld, die im Namen des Deutschen Landfrau- Bundestages an die Bundesregierung setzt als enverbandes die Situation der Frauen auf dem Reihenfolge: Beruf, Familie, Gesellschaft; die Lande ausführlich analysierte. Enquete beginnt mit der Familie und – wie selbstverständlich – mit den Heiratsaussichten. Mit den Anhörungen 1968/1969, bei denen Öfter werden die Verhältnisse als gegeben, Frauenverbände, Gewerkschaften, Arbeitge- nicht aber als veränderungsdürftig angesehen berverbände, Wissenschaftler, Pädagogen und (...)“. Ein breitgefächerter Katalog von Verbes- Familienverbände ihre Stellungnahmen abga- serungsvorschlägen wurde von den katholi- ben, endeten die öffentlichen Diskussionen schen Frauen vorgetragen. zum Regierungsbericht. 1971 mahnte der Hildegard Lenze von der Evangelischen Deutsche Frauenring zwar noch einmal bei der Frauenarbeit, die vor allem zum Themenkreis SPD-FDP-Koalitionsregierung die Fortsetzung Hausfrau, „zweite“ und „dritte“ Frauenle- der Frauen-Enquete an, weitere Verbände bensphase und alleinstehende berufstätige schlossen sich dieser Bitte nicht mehr an (4/71). Der Gesetzgeber reagiert als Mann!

Aus den Informationen lässt sich jedoch Jahren einen regelmäßigen Gedankenaus- 44 entnehmen, dass die Frauenverbände ihr En- tausch mit einzelnen Fachministerien und ent- gagement durchaus nicht beendeten und die wickelte seine mühsame Lobbyarbeit für Frau- von ihnen aufgeworfenen Fragen im einzelnen en in den Institutionen. weiter verfolgten. Andererseits wurde ab 1971 Konkret zum Enquete-Bericht meldeten sich von der entstehenden neuen Frauenbewe- die Frauenverbände 1977 zu Wort. Auf einem gung mit radikalen Forderungen und Tabu- Seminar des Deutschen Frauenrates vom 12. brüchen die Diskussion über die gesellschaftli- bis 14. Juni 1977 in Königswinter war der Be- che Diskriminierung der Frauen in der Bundes- richt das einzige Thema. Neben dem kritischen republik erneut angefacht. Das von der UNO Fazit, dass trotz aller positiven Veränderungen für 1975 proklamierte „Jahr der Frau“ und der der vergangenen zehn Jahre die Benachteili- damit zu erwartende Ost-West-Vergleich gungen von Frauen nicht aufgehoben seien, weckte auch in politischen Kreisen neues In- konzentrierte sich die Kritik auf das im Bericht teresse am Thema „Frauen“. vermittelte Familienbild, das wiederum Män- Der Deutsche Frauenrat forderte auf seiner ner und Väter aus der Verantwortung nehme, Mitgliederversammlung im Februar 1973 die und auf die darin enthaltene Unterbewertung SPD-FDP-Koalition auf, eine Kommission ein- von Frauenerwerbsarbeit, die u.a. als Zuver- zusetzen, um die immer noch vorhandenen dienst mit Niedriglohn ausgewiesen werde. Ein Benachteiligungen der Frauen in der Gesell- ganzes Jahr später, im Juni 1978, lud die En- schaft zu benennen und zu beheben. Zeit- quete-Kommission den DF zu einer Anhörung gleich mit diesem Vorstoß beantragte auch die ein, um nun die Stellungnahmen der Frauen- CDU-Fraktion im Bundestag eine Enquete- verbände einzuholen. Kommission. Im Unterschied zum ersten Frau- enbericht 1966 reagierte der Bundestag relativ schnell und beschloss noch im November 1973 „Brauchen wir ein die Einsetzung einer Enquete-Kommission Antidiskriminierungsgesetz?“ „Frau und Gesellschaft“ mit dem Auftrag, die Benachteiligung der Frauen, ihre Ursachen und Eine neue Dynamik erhielt die Diskussion im Folgen zu erforschen, um dann dem Bundes- Jahre 1979, als bei einer weiteren Anhörung tag konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Da- der Enquete-Kommission erstmals die Mög- mit wurden auch jene Forderungen erfüllt, die lichkeit eines Antidiskriminierungsgesetzes zur die Frauenverbände bereits bei der ersten En- Sprache kam. Dieses Mittel zur Durchsetzung quete gestellt hatten: Beteiligung von For- der Gleichberechtigung der Frau war vor allem schung und Experten. von Vertreterinnen der neuen Frauenbewe- Im Juni 1974 begann die Kommission unter gung und der grünen Partei aufgebracht wor- Leitung der SPD-Abgeordneten Annemarie den und wurde in deren Reihen bis 1986 wei- Renger ihre Arbeit, die in der nachfolgenden ter diskutiert, um nach der Wende 1990 Wahlperiode von (ebenfalls SPD- nochmals Auftrieb zu erhalten. Hierbei ging es MdB) fortgesetzt wurde. Die Ausarbeitungen um Fragen wie Quotierung, staatliche Maß- zogen sich bis Ende 1977 hin; ein Jahr vorher nahmen gegen Diskriminierung und für eine hatte der Bundestag den Zwischenbericht der „positive Diskriminierung“ von Frauen. Kommission ohne Diskussion an den Aus- Die Enquete-Kommission lehnte allerdings schuss Jugend, Familie und Gesundheit über- in ihrem Bericht am 23. September 1980 ein wiesen. Antidiskriminierungsgesetz ab. Im Deutschen Zwischenzeitlich hatte der Deutsche Frau- Frauenrat übernahm der 1980 gebildete Fach- enrat im UN-Jahr der Frau 1975 mit einem um- ausschuss „Gleichberechtigung“ die Aufgabe, fangreichen Programm auf die Situation der eine Diskussionsgrundlage „Brauchen wir ein Frauen in allen Bereichen aufmerksam ge- Antidiskriminierungsgesetz?“ auszuarbeiten. macht und eine breite Öffentlichkeit gefun- Auf der Mitgliederversammlung vom 16. bis den. In seinen 1976 gebildeten Fachausschüs- 18. Oktober 1981 diskutierten die Vertreterin- sen konzentrierte sich die weitere Diskussion nen der Mitgliedsverbände diese Frage, ohne auf eine Reihe von Detailfragen, wie Steuer- zu einer einheitlichen Auffassung zu gelangen. und Rentenrecht, Ehe- und Familienrecht, Nicht unwesentlich für die Zurückhaltung eini- Frauenarbeit, Teilzeitarbeit im öffentlichen ger Verbände war der Begriff „Antidiskrimi- Dienst und Frauenrechte im europäischen Ver- nierungsgesetz“, der ihnen zu radikal erschien. gleich. Der Vorstand selbst begann in diesen Ein „Gleichberechtigungsgesetz“ hätten sie Kapitel 2

annehmbarer gefunden. Der eigentliche Kon- teiligung der Frauen an der Macht. Das zweite flikt allerdings lag in der Frage, ob die vielfälti- Gleichberechtigungsgesetz blieb wegen seiner 45 ge Diskriminierung der Frau durch ein Gesetz eingeschränkten Geltung weit hinter diesen zu überwinden sei oder vielmehr viele Geset- Forderungen zurück. zesschritte erfordere. Die Erfahrungen der Einen neuen Vorstoß unternahm der Deut- Frauenverbände mit der Umsetzung des Arti- sche Frauenrat 2000 auf seiner Mitgliederver- kel 3 des Grundgesetzes ließen für die meisten sammlung und als Reaktion auf die Regie- nur den Schluss zu, dass ein weiteres rungserklärung des Bundeskanzlers Gerhard grundsätzliches Gesetz nicht zum Erfolg Schröder 1998, derzufolge die neue Regierung führen werde. Der Deutsche Frauenrat stand ein wirksames Gleichstellungsgesetz vorlegen zu diesem Dissens und vertrat ihn im Januar werde. Damit war ein Gesetz gemeint, dass 1982 öffentlich auf einer Anhörung zum En- über die Behörden hinaus auch für die Privat- quete-Bericht. wirtschaft gelten sollte. Im März und im Mai 2001 widmeten sich die Informationen für die Frau ausführlich diesem Thema. Im April des Frauen bewegen das Land gleichen Jahres lud der Vorstand zu einer Fach- tagung und organisierte eine Briefkampagne Die Frauen-Enquete des Jahres 1976 endete „Wir wollen das Gleichstellungsgesetz für die wie die des Jahres 1966: Sie wurde nicht ab- Privatwirtschaft – JETZT“. Der DF unterstützte geschlossen. Ursula Lehr, Bundesministerin für die Anstrengungen der Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (CDU) Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Christi- kündigte zwar auf einem Treffen mit dem ne Bergmann, (SPD) die aber im Sommer 2001 Deutschen Frauenrat am 7. Februar 1989 ei- scheiterten, als die Bundesregierung mit den nen Bericht der Bundesregierung zur Situation Spitzenverbänden der Wirtschaft eine unver- der Frauen an, doch mit dem Entstehen der bindliche Vereinbarung zur Frauenförderung neuen Bundesrepublik 1990 veränderte sich abschloss. Die Mitgliederversammlung des DF die Situation grundlegend. im November 2001 verpflichtete den Vorstand, Die verlorenen Spuren der Frauen-Enquete weiter auf ein Gesetz hinzuarbeiten (3/01). nahmen die Informationen wieder auf, als das Bundeskabinett 1993 und der Bundestag im April 1994 ein zweites Gleichberechtigungs- gesetz verabschiedeten und seine Realisierung zum wichtigsten frauenpolitischen Vorhaben in der Legislaturperiode erklärten (5/93, 10/94, 11-12/94). Frauenförderung in der Bundesverwaltung hieß der Schwerpunkt dieses Gesetzes. Frau- enförderpläne, Frauenbeauftragte, beamten- rechtliche Vorschriften zur Teilzeitbeschäfti- gung, geschlechtsneutrale Stellenausschrei- bung, Schutz vor sexuelle Belästigungen – das zweite Gleichberechtigungsgesetz der Bun- desrepublik nach 1957 setzte damit neue Ak- zente, beschränkte sich aber ausschließlich auf die Bundesbehörden. Der Deutsche Frauenrat hatte bereits im Vorfeld die Initiative ergriffen und zu einer Großdemonstration „Frauen be- wegen das Land“ am 5. März 1994 nach Bonn gerufen, an der nach unterschiedlichen Schät- zungen 25.000 bis 50.000 Frauen teilnahmen. Landesweite Aktionen anderer Frauengruppen zum Frauen-Streik-Tag am 8. März folgten. Die Forderungen der Frauen in Ost und West lau- teten: Gleichstellung von Erwerbs- und Famili- enarbeit, Gleichbehandlung von Frauen bei der Arbeit, bessere soziale Sicherung und Be- Der Gesetzgeber reagiert als Mann!

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(V.l.n.r.): Irmgard Jalowy, Angela Merkel, Hildegard Hamm-Brücher, Rita Süssmuth, Ursula Engelen-Kefer, Heidemarie Wieczorek-Zeul

„Frauen bewegen das Land“ Großkundgebung am 5. März 1994 auf dem Münsterplatz in Bonn, organisiert vom Deutschen Frauenrat

Teilnehmerinnen ... Kapitel 2

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... aller Generationen

Hildegard Hamm-Brücher spricht zu den Massen

Autogramm-Stunde Der Gesetzgeber reagiert als Mann!

48 Der unendliche Streit um den Paragraphen § 218

Die Diskussionen um den Schwangerschafts- Im Heft 5/59 gab Elisabeth Schwarzhaupt abbruch begannen im Deutschen Frauenrat erste Hinweise zu einer Reform des Abtrei- nicht erst in den Siebzigerjahren, sondern bungsrechts. Sie unterschied in ihrem Artikel 1959 (im Informationsdienst für Frauenfragen) zwischen der ärztlich und ethisch gebotenen im Zusammenhang mit der Erarbeitung eines straffreien Schwangerschaftsunterbrechung neuen Strafrechts für die Bundesrepublik. Die und der strafbaren Abtreibung, die nach den Informationen veröffentlichten im Laufe der neuen Vorstellungen des Gesetzentwurfs al- mehrjährigen Diskussion Stellungnahmen der lerdings mit einem milderen Strafmaß geahn- Frauenverbände ebenso wie Informationen det werden sollte. zum Stand der Gesetzesausarbeitung. Viele 1960 legte die Bundesregierung (CDU/CSU- Argumente und Streitpunkte dieser ersten DP-Koalition) einen neuen Gesetzentwurf vor35, großen Debatte um den § 218 werden sich in der die ersten öffentlichen Kontroversen her- den folgenden vierzig Jahren wiederholen und ausforderte, weil er keine ethische Indikation von ihrer Aktualität nichts verlieren. mehr vorsah und den geltenden § 218 favori- sierte. Die maßgebliche männliche Meinung er- Bei der Gesetzreform ab 1959 stand die bishe- kannte eine gewalttätig erzeugte Schwanger- rige Fassung und Nachkriegspraxis des § 218 schaft nicht als „übergesetzlichen Notstand“ – zur Debatte, die (nach kurzfristiger Liberalisie- wie bei der medizinischen Indikation – an. rung infolge der Massenvergewaltigungen Aus Bremen kam der erste veröffentlichte nach Kriegsende) nur medizinischen Indikatio- Protest gegen die Streichung des § 160. Auf ei- nen Straffreiheit gewährte. In das neue Geset- ner Frauenversammlung im Bremer Rathaus, zeswerk sollte nun auf Vorschlag des Justizmi- einberufen von der FDP-Frauengruppe, forder- nisteriums die straffreie ethische Indikation (Ab- ten nicht näher genannte Vertreter aller Bevöl- kerungsschichten, dass der § 160 wieder in den Entwurf aufgenommen werde „Diese Frei- heit der Entscheidung ist für eine konfessionell neutrale und freiheitliche Demokratie die ein- zig mögliche Haltung!“, heißt es in der Bremer Resolution (9/62). Der Juristinnenbund und der Deutsche Ärz- tinnenbund spitzten diesen Argumentations- strang zu: Eine gesetzliche Lösung müsse die freie Gewissensentscheidung der Frau ge- währleisten (10/62 und 7-8/63). Für die Evan- gelische Frauenarbeit im Rheinland, die sich in einer ausführlichen Stellungnahme ebenfalls für die ethische Indikation aussprach, musste die freie Gewissensentscheidung der Frau mit einer ernsten Gewissensprüfung vor Gott ver- bunden werden (11-12/62). Sowohl Befürworterinnen wie auch Gegne- rinnen der straffreien Abtreibung aus ethi- schen Gründen beriefen sich auf Artikel 1 des Stern-Aktion 1971 Grundgesetzes: „Die Würde der Frau verlangt in Anlehnung an den in § 1 des Grundgeset- treibung nach Vergewaltigung) als § 160 zu- zes verankerten Schutz der Menschenwürde, sätzlich aufgenommen werden, während die ihr die freie Entscheidung über ihr Schicksal in Abtreibung grundsätzlich unter Strafe stehen diesen Fällen zu ermöglichen“, erklärte der sollte. Damit hätte die Rechtsprechung der Deutsche Verband berufstätiger Frauen; ähn- Bundesrepublik auch gegenüber der DDR, die lich formulierte die W.O.M.A.N ihre Position ab 1950 die Abtreibung mit Ausnahme der me- (10/62). Demgegenüber bezeichnete die Ar- dizinischen Indikation wieder unter Strafe ge- beitsgemeinschaft der katholischen deutschen stellt hatte, eine liberalere Richtung erhalten. Frauen im Namen ihrer 17 Mitgliederverbände Kapitel 2

ihre Ablehnung des § 160 als „Verteidigung unschuldigen Lebens, das niemals direkt getö- 49 tet, d.h. gemordet werden darf.“ Es ginge hier um ein allgemeingültiges Menschenrecht: „Dieses ist ausdrücklich im Artikel 1 und 2 GG garantiert. Die Einführung einer Straffreiheit der Tötung des Lebens durch den Gesetzgeber verletzt das GG. Das Recht auf Leben ist das höchste Menschenrecht, dem sich das Recht auf Freiheit unterordnen muß“ (1/63).

Der Deutsche Frauenring übergab im Januar 1963 dem Justizministerium seine Forderung nach Wiederaufnahme des § 160 in den Ent- wurf des Strafgesetzes mit folgender Bemer- kung: „Der Staat kann das vorliegende Pro- blem nicht mit Strafrechtsnormen lösen. Die ganze Rechtsordnung könnte einen Stoß erlei- den, wenn sie Einzelnormen enthält, die dem Rechtsempfinden eines großen Bevölkerungs- teils nicht entsprechen.“ (2/63). Dieses Argu- 6/74 ment, mit dem über den engeren Bereich der Ethik hinaus ein Blick in die gesellschaftliche Empfängnis ohnehin straffrei bleiben, und von Wirklichkeit riskiert wurde, wird auch bei der der 5. bis zum Ende der 12. Woche dann nicht späteren Debatte um das gesamte Abtrei- bestraft werden, wenn der Abbruch von einem bungsgesetz (§ 218) eine große – wenn auch Arzt vorgenommen wird. erfolglose – Rolle spielen. Die ungeklärte Re- Damit begann in den Frauenverbänden er- form des Strafrechts und damit der gesetzli- neut eine jahrelange Auseinandersetzung mit chen Regelung des Schwangerschaftsab- dem Strafrecht in der Bundesrepublik. Im Un- bruchs verschwand 1963 aus den Seiten der terschied zu den Diskussionen ab 1959 dräng- Informationen. Auch als 1969 das Erste und ten viele Frauen nun auf eine weitergehende Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts vom Liberalisierung des § 218 in Richtung Fristen- Bundestag verabschiedet und damit der § 218 regelung, für deren Durchsetzung 1972 echte mit einem milderen Strafrahmen festgeschrie- Chancen gesehen wurden. ben wurde, vermeldeten die Informationen Die Informationen für die Frau gaben den diesen Fakt nicht mehr. Positionen der Frauenorganisationen Raum, die selbst zu keiner einheitlichen Auffassung Fast zeitgleich mit Gruppen der neuen Frauen- fanden. Im März 1971 lud der Deutsche Frau- bewegung traten aus dem Kreis des Deutschen enring zu einer Bundesfachtagung in Münster Frauenrates die Juristinnen im Januar 1971 an ein. Hier kamen bereits alle Fragen zur Spra- die Öffentlichkeit und stellten die Festschrei- che, die in den kommenden Monaten die Dis- bung des § 218 im 1969er Strafgesetz in Fra- kussion beherrschten: Ja zur medizinischen ge (2/71). Sie argumentierten vor allem mit der und ethischen Indikation, ja und nein zur Fri- geschätzten Zahl von jährlich weit über stenregelung und erste Überlegungen zur so- 500.000 illegalen Schwangerschaftsunterbre- genannten kindlichen bzw. eugenischen Indi- chungen, die einerseits zeigten, „daß diese kation. Außerdem wurde dem referierenden Vorschrift keine abschreckende Wirkung mehr Moraltheologen Dr. Kramer ein klares Votum hat“, und die andererseits oft unsachgemäß für die Anwendung empfängnisverhütender durchgeführt würden und gesundheitliche Mittel – gegen die Entscheidung der obersten Schäden verursachten. Während die autono- katholischen Kirchenleitung – abgerungen und men Frauen die ersatzlose Streichung des § „sehr progressiven Vertreterinnen, die ihre For- 218 forderten, plädierte der Juristinnenbund derungen nach ersatzloser Streichung des für eine Fristenlösung, verbunden mit Hilfsan- § 218 StGB begründeten“, Gehör geschenkt geboten für werdende Mütter und Väter. Da- (3/71). Zwar kam der Rechtsausschuss des nach sollte eine Schwangerschaftsunterbre- Frauenrings ein Jahr später zu keiner einheitli- chung in den ersten vier Wochen nach der chen Meinung bezüglich der Fristenregelung – Der Gesetzgeber reagiert als Mann!

eines der vier Mitglieder hielt an einer Indika- eine Indikationslösung ermöglichen sollten (1- 50 tionslösung fest – aber die Gründe gegen die- 12/71). Der Katholische Deutsche Frauenbund se Lösung wurden als der Würde der Frau wi- schloss sich dem Zentralkomitee der Deut- dersprechend und als sozial ungerecht aus- schen Katholiken an, das am 3. Februar 1971 führlich dargestellt. Einig waren sich die vier die medizinische Indikation mit einer einzigen Expertinnen, dass soziale Gegebenheiten ver- Ausnahme abgelehnt hatte. Nur bei einem ändert werden müssten, um Schwanger- Konflikt zwischen dem ungeborenen Leben schaftsabbrüche zu verhindern, und dass emp- und dem Leben der Mutter durfte danach die fängnisverhütende Mittel kostenlos zur Verfü- Mutter gerettet werden. gung zu stellen seien (3/72). Die aufsehenerregende – von Alice Schwar- Als der Deutsche Frauenrat zum ersten Mal in zer initiierte – Stern-Aktion „Ich habe abgetrie- seiner Geschichte in einer öffentlichen An- ben“ im Juni 1971, in der sich 374 zum Teil pro- hörung des Sonderausschusses für die Straf- minente Frauen zu ihrem illegalen Schwanger- rechtsreform im März 1972 zum § 218 Stel- schaftsabbruch bekannten, bestärkte – wie lung nahm, erklärte die Vorsitzende Elisabeth möglicherweise auch die gesetzliche Fristenre- Schwarzhaupt (CDU) für den Dachverband: gelung in der DDR ab März 1972 – viele bun- Die Mehrheit der Mitgliedsverbände ziehe die desdeutsche Frauenverbände in ihrem Bedürf- Fristenregelung der Indikationslösung vor, und nis nach Liberalisierung des § 218. Nur eine Fri- in allen Organisationen gäbe es zu der einen stenregelung sei geeignet, ließ sich z.B. der oder anderen Lösung wiederum abweichende Deutsche Akademikerinnenbund Ende 1971 Meinungen. Bei allen Organisationen bestehe vernehmen, „die große Unwahrheit, Ungleich- eine starke Abneigung dagegen, dass Frauen heit und den bestehenden Zwang zur illegalen sich einem fremden Gremium stellen müssten, Abtreibung mit seiner starken Gesundheitsge- das über die Fortsetzung ihrer Schwanger- fährdung für die Frau zu beseitigen“ (11- schaft entscheide. Schließlich würden von allen 12/71). Der Deutsche Hausfrauen-Bund kriti- umfassende Beratungen, die Familienplanung, sierte die „ungenügende Liberalisierung“ im Sexualfragen, Verhütungsmethoden und so- neuen Referentenentwurf des Justizministeri- ziale Hilfe einschlössen, gewünscht (7-8/72 ums und forderte zusätzlich zur Fristenlösung und 3/74). „eine kinderfreundlichere Gesellschaft, mehr Mit dem Fünften Gesetz zur Reform des Ehe- und Mütterberatungen, vor allem für Strafrechts vom 18. Juni 1974 akzeptierte der schwangere Frauen, mehr Hilfen für erwerb- Gesetzgeber die auch von den Frauenverbän- stätige und alleinstehende Mütter und für jedes den mehrheitlich favorisierte Fristenregelung. Kind die Betreuung, die es zu seiner gedeihli- chen Entwicklung braucht.“ (11-12/71). Die Informationen berichteten im Juni-Heft er- Der Deutsche Staatsbürgerinnen-Verband staunlich reserviert und lakonisch über diesen berief sich bei seiner Begründung der Fristen- errungenen Erfolg, wofür der angehängte lösung erstmals auf die Menschenrechtser- kleingedruckte Text eine Erklärung gab: Das In- klärung der Vereinten Nationen (3/72), krafttreten des neuen § 218a wurde auf An- während eine Fragebogenaktion im Deutschen trag des Landes Baden-Württemberg durch Ärztinnenbund eine Zweidrittelmehrheit für eine einstweilige Anordnung des Bundesver- die Indikationslösung brachte. Dabei müsse al- fassungsgerichtes vom 21. Juni 1974 aufge- lerdings, beeilte sich die Berichterstatterin zu hoben. Das Ende der so heftig und auch er- erläutern, berücksichtigt werden, dass eine folgversprechend geführten Auseinanderset- Reihe von Kolleginnen hier nur deshalb für die zung für eine Fristenregelung brachte das Bun- Indikationslösung votiert habe, „damit über- desverfassungsgericht mit seinem seitdem – haupt etwas geschieht.“ (7-8/72). nicht nur in der Frauenöffentlichkeit – berüch- Konsequent bei ihrer Ablehnung von Refor- tigten Urteil vom 25. Februar 1975. Der § 218a men des § 218 blieben die christlich-konfes- wurde als unvereinbar mit dem GG und für sionellen Frauenorganisationen. Die Evangeli- nichtig erklärt. Die Kläger waren 193 Mitglie- sche Frauenarbeit in Deutschland wiederholte der des Deutschen Bundestages, die Landesre- ihre in den Jahren 1959/1960 geäußerte Über- gierungen Baden-Württemberg, des Saarlan- zeugung, dass aus christlicher Verantwortung des, des Freistaates Bayern, Schleswig-Holstein das Selbstbestimmungsrecht der Frau nicht und Rheinland-Pfalz. Die Fristenlösung schei- höher zu bewerten sei als der Schutz des un- terte an der Rechtsauffassung, dass das unge- geborenen Lebens, doch Konfliktsituationen borene Leben ein selbständiges Rechtsgut sei Kapitel 2

und damit nicht vom Belieben eines anderen Mit Informationen zum „Gesetz über ergän- abhänge – auch nicht von der Schwangeren. zende Maßnahmen zum Fünften Strafrechtsre- 51 Unter den im Märzheft der Informationen formgesetz“ vom 30. August 1975, das den abgedruckten Reaktionen war die der Katholi- Anspruch auf Versicherungsleistungen bei nicht schen Frauengemeinschaft Deutschlands die rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch re- einzige, die das Urteil begrüßte (3/75). Resi- gelte, endete für über 10 Jahre die Berichter- gniert reagierte der Deutsche Frauenring: Die stattung zum Abtreibungsrecht in der Bundes- Entscheidung des „höchsten deutschen Ge- republik. Dieses Schweigen entspricht der spä- richts“ sei insbesondere für einen staatsbür- gerlichen Verband bindend, „wie immer der Einzelne dazu stehen mag.“ (3/75). Die Ar- beitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frau- en und die Frauenausschüsse von DGB und Einzelgewerkschaften brachten deutlich ihre „tiefe Betroffenheit“ bzw. Enttäuschung über das als unverständlich und widersprüchlich empfundene Urteil zum Ausdruck und be- kannten sich politisch noch einmal zu der vom BVG als verfassungswidrig deklarierten Fri- stenlösung. Im Gegensatz zu den autonomen Frauengruppen der Neuen Frauenbewegung fühlten sie sich jedoch allesamt wie der Deut- sche Frauenring an das Urteil gebunden. Der Deutsche Frauenrat appellierte an die Bundes- regierung und den Bundestag, unverzüglich einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen und Kongress 1989, zu verabschieden, „der im Rahmen der vom organisiert vom Bundesverfassungsgericht gezogenen Gren- Bundesministerium für zen eine klare Rechtssituation schafft“ (3/75). Jugend, Familie, Frauen und Im April 1975 nutzte der Vorstand ein Ge- Gesundheit und dem spräch mit Justizminister Hans-Jochen Vogel Deutschen Frauenrat (SPD) für die gleiche Forderung (4/75). Das Schwergewicht des Interesses der Verbände teren Beobachtung von Jutta Limbach, dass richtete sich nun vor allem auf die Ausgestal- „die Reformdiskussion seit der Entscheidung tung der „flankierenden“ – ergänzenden – des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1975 Maßnahmen des Gesetzes (obligatorische Be- nach einer kurzen, wenn auch heftigen Urteils- ratung, soziale Hilfen etc.), die seine Auswir- schelte nur mehr vor sich hin schwelte“ (9/90).36 kungen mildern sollten. Im März 1980 wurde die Pause mit einem Er- Der Respekt vor dem Bundesverfassungs- fahrungsbericht unterbrochen, den eine unab- gericht hielt die Informationen übrigens nicht hängige Sachverständigen-Kommission nach davon ab, auf Reaktionen der autonomen dreijähriger Arbeit vorgelegt hatte. Und 1988 Frauen aufmerksam zu machen, die nun ge- entbrannte kurzzeitig eine Diskussion zum § 218 wissermaßen stellvertretend für die gesetzlich an einem geplanten Gesetz, das die obligatori- gebundenen Staatsbürgerinnen agierten. sche Beratung der Frauen einführen und regeln „Unterschriftensammlung“ lautete der Titel ei- sollte, die ihre Schwangerschaften abbrechen ner Meldung im März-Heft 1975, die über den wollen (Beratungsgesetz). In den Informationen Willen zum Rechtsbruch, einer Aktion des Bon- legten drei weibliche Bundestagsabgeordnete ner Frauenforums für den gesetzwidrigen dazu ihre kontroversen Positionen dar. Leni Fi- Schwangerschaftsabbruch als Antwort auf das scher (CDU) plädierte für eine „Beratung zu- BVG-Urteil, informierte. Darunter wurde eine gunsten des Lebens“ und warb für ihre „Aktion andere Meldung platziert, die kommentarlos kleine Hände“, während Uta Würfel (FDP) und ein Umfrageergebnis zum BVG-Urteil wieder- Marliese Dobberthien (SPD) eine solche Bera- gab. Danach lehnten 50 Prozent der Bevölke- tung als „Bevormundung“ kritisierten (4/88). rung das Urteil ab, 32 Prozent begrüßten es Doch bevor ein erneuter Meinungsstreit in und 18 Prozent mochten sich nicht entschei- Gang gekommen war, erhielt die unendliche den (3/75). Diskussion um den § 218 eine völlig neue und Der Gesetzgeber reagiert als Mann!

bilisierte, dass alle Frauenverbände interve- 52 nierten und in Bonn mit Nachdruck für den Gleichheitssatz eintraten. „Auch heute gilt es“, leitete die Autorin zur Gegenwart über, „die Gunst der Stunde zu nutzen. Schließlich steht die gesamtdeutsche Wahl vor der Tür, und die Frauen stellen immerhin rund 50 Pro- zent des Wahlvolkes.“(9/90). Mit ihrem Artikel unterstützte Limbach zu- gleich eine „Konzertierte Aktion“ zum § 218, die von Herta Däubler-Gmelin (SPD-MdB) initi- iert worden war. Die stellvertretende Vorsit- zende des Bundestagsausschusses „Deutsche Einheit“ hatte Parlamentarierinnen aus Ost und West, einige Landesministerinnen, den Ju- ristinnen-, Ärztinnen-, und Akademikerinnen- bund, sowie den Deutschen Frauenrat zusam- mengetrommelt, um ein gemeinsames Vorge- Unterschriftenaktion des hen zu verabreden.37 Deutschen Frauenrates,1999 Auf seiner Mitgliederversammlung im No- bisher nicht einkalkulierte Dimension: Mit dem vember 1990 forderte der Deutsche Frauenrat Fall der Mauer im November 1989 steuerten Mitspracherecht bei der Beratung des künfti- die Bundesrepublik Deutschland und die Deut- gen gesamtdeutschen Gesetzes zum Schutz sche Demokratische Republik auf die staatliche des ungeborenen Lebens und eine Mehrheit Einheit zu. Artikel 31 des Einigungsvertrages von Frauen in den Vorbereitungsgremien des vom 31. August 1990 verpflichtete den ge- Gesetzgebers (1/91). Das waren neue und samtdeutschen Gesetzgeber, bis zum 31. 12. selbstbewusste Töne, und die Mitsprache-For- 1992 eine neue Regelung zum Schwanger- derungen gingen weit über vergangene De- schaftsabbruch zu treffen. Bis dahin sollten die batten hinaus. unterschiedlichen deutsch-deutschen Rege- Im März 1991 folgte eine interne Anhörung lungen in Kraft bleiben. Damit standen sowohl zur Problematik des Schwangerschaftsab- die Fristenregelung der DDR als auch die Indi- bruchs, um die Meinungen der damals rund 50 kationenlösung der BRD zur Disposition. Mitgliedsverbände einzuholen. Konsens konn- Im September 1990 versuchte die populäre te in dem großen Dachverband auch diesmal Rechtsprofessorin Jutta Limbach – zu der Zeit nicht erreicht werden. Strafe wurde allerdings Berliner Justizsenatorin – mit starken Worten einhellig als das am wenigsten geeignete Mit- und einer eindrucksvollen historischen Analo- tel angesehen, um Schwangerschaftsabbrüche gie die Frauen noch einmal zum Kampf gegen zu vermeiden. Auf eine gemeinsame Erklärung den § 218 zu mobilisieren, der „zu einem Top- wurde verzichtet, weil der kleinste gemeinsa- Thema der bevorstehenden deutschen Einheit me Nenner öffentlich kaum wirksam gewesen avanciert“ sei: „Der Ruf nach Straffreiheit für wäre. Die Mitgliedsverbände konnten also ei- den Schwangerschaftsabbruch ist dabei, zu ei- genständig ihre Positionen vertreten. nem lautstarken Chor anzuschwellen. Und so In der Berichterstattung der Informationen manche Politikerin hofft, dass er ein Echo aus- werden deren Standpunkte zwar nicht sicht- lösen möge, wie es im Jahr 1949 dem Appell bar, doch sind sie aus der dreißigjährigen De- Elisabeth Selberts für den Gleichheitsartikel be- batte unschwer zu erschließen. Angesichts die- schieden war“. Elisabeth Selbert, eine der vier ser pluralistischen Situation mag der eindring- weiblichen Mitglieder des Parlamentarischen liche Appell der damaligen Vorsitzenden Brun- Rates zur Ausarbeitung des Grundgesetzes, hilde Fabricius bei manchen Anwesenden auch hatte dafür gesorgt, dass der Artikel 3, Abs. 2 Zweifel hinterlassen haben: „Wenn wir Frauen – „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ nicht Mittel und Wege finden, uns nachdrück- – gegen massiven männlichen Widerstand lich zu Wort zu melden, besteht die Gefahr, ohne Einschränkungen in die Verfassung der dass wieder einmal über unsere Köpfe hinweg Bundesrepublik aufgenommen wurde. Jutta entschieden wird.“ (1/92). Limbach erinnerte nun daran, dass Selbert da- Im Jahre 2001 gewann die neue Vorsitzen- mals die Frauen im ganzen Bundesgebiet mo- de Inge v. Bönninghausen der damaligen Un- Kapitel 2

einigkeit durchaus Positives ab: „Hatte der gebotenen Hilfen und Mitsprache-Forderun- Deutsche Frauenrat versagt, oder stand er viel- gen des Deutschen Frauenrates von Ende 1990 53 mehr zur Differenz und damit zur Klarheit? Ich nicht im Konzept der Ministerin auftauchten. denke, es war Letzteres.“ (7-8/01). Fraglich bleibt auch, ob auf die Flut der unterschiedli- chen und gegensätzlichen Gesetzesinitiativen Fristenregelung mit und unter dem Zeitdruck des Einigungsvertra- Beratungspflicht ges überhaupt noch mit einer klaren Mei- nungsbildung reagiert werden konnte.38 Nach vielen Auseinandersetzungen, zu denen als neue Komponente eine ostdeutsche Sicht Die Informationen brachten in jener Zeit hinzu kam, beschloss der Bundestag eine Fris- Beiträge, in denen die Autorinnen (und Auto- tenregelung mit Beratungspflicht für die ge- ren) ihre eigenen Positionen zum Thema vor- samte, neue Bundesrepublik. Das Gesetz vom stellen konnten. Neben Jutta Limbach gehör- 27. Juli 1992 erhielt den Titel „Gesetz zum te die Wiesbadener Rechtsanwältin Ingrid Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Le- Claas zu den streitbaren Autorinnen dieser bens, zur Förderung einer kinderfreundlichen Zeit, die die Schwangerschaftsverhütung, und Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschafts- diese auch durch den Mann, vor dem Schwan- konflikt und zur Regelung des Schwanger- gerschaftsabbruch stellte und Verantwortung schaftsabbruches“. Ebenso schnell wie vor 20 von Frau und Mann einforderte (7-8/90). Prof. Jahren in der alten Bundesrepublik wurde auch (CDU), dessen Artikel aus der dieses Gesetz durch ein Urteil des Bundesver- Zeit vom 17. August 1990 von den Informa- fassungsgerichtes wieder in Punkto Schwan- tionen übernommen wurde, vermittelte etwas gerschaftsabbruch aufgehoben. Das BVG er- weniger geläufige Aspekte zum Thema. Ein- klärte am 28. Mai 1993 die Bestimmungen des mal widersprach er vehement der Ansicht sei- § 218a Absatz 1 als nichtig, nachdem es bereits ner Parteifreundin Gertrud Höhler, die „im am 4. August 1992 das Inkrafttreten des Ge- Verzicht auf den Strafanspruch die Bankrot- setzes verhindert hatte. Wieder wurde die Frau terklärung unserer Wertegemeinschaft“ sähe. verpflichtet, die Schwangerschaft auszutragen, Ein solcher Bankrott läge, „wenn überhaupt, weil dem Ungeborenen Rechtsschutz auch vor dann in der Unfähigkeit, den elementaren Wi- der Mutter gebühre. Beratungen sollen ihr da- derspruch zu erkennen, der die Auseinander- bei helfen, auch eine ungewollte Schwanger- setzung kennzeichnet. Er liegt darin, mit dem schaft anzunehmen. Strafrecht ein Verhalten zu erzwingen, das Die Informationen lieferten im September- nach allen sonstigen relevanten Orientierun- Heft 1993 eine mehrseitige „Argumentati- gen unserer realen Wertegemeinschaft unver- onshilfe zum Urteil des BVG“. Doch bereits im nünftig erscheinen muß.“ Unter Berufung auf Sommerheft hatten sie einen Beitrag der femi- eine andere Parteifreundin, Rita Süssmuth, nistischen Professorin Ute Gerhard veröffent- vertrat Biedenkopf außerdem die These: licht, die das Urteil aus Karlsruhe als eine „Mutter und Kind passen nicht in unsere Wirt- „Mißgeburt“ bezeichnete: „Es hat – wie ich schaftsgesellschaft, die auf ökonomische Effi- aus vielen Zuschriften weiß – nicht nur mein zienz und sozialen Schutz des Arbeitnehmers Rechtsbewusstsein und Gerechtigkeitsgefühl, ausgerichtet ist.“ Dass die alleinstehende Mut- sondern das vieler Frauen und Männer verletzt ter „gesellschaftlich und sozialpolitisch uner- und wird dem Ansehen des Rechts, der wünscht“ sei, bezeichnete er als „das eigent- Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in diesem liche Dilemma“, das durch die strafrechtliche Land erheblichen Schaden zufügen“ (7-8/93). Diskussion des Schwangerschaftsabbruchs Im gleichen Heft kamen auch die Befürworte- nicht erfasst werde und deren „Unehrlichkeit“ rinnen des Urteils noch einmal zu Wort: Das bzw. „Verlogenheit“ ausmache (9/90). Präsidium der Katholischen Frauengemein- Der Bundesministerin des neu geschaffenen schaft Deutschlands begrüßte, dass das Urteil (und kurzzeitig vom Frauenministerium ge- des Bundesverfassungsgerichtes „noch einmal trennten) Ministeriums für Familie und Senio- in aller Klarheit festgestellt hat, dass unser GG ren Hannelore Rönsch (CDU) räumten die In- den Staat verpflichtet, menschliches Leben in formationen mehrere Seiten ein, um u.a. ihr allen seinen Phasen zu schützen“ (7-8/93). Konzept zum Schutz des ungeborenen Lebens 1995 endete vorerst die Debatte um den vorzustellen. Dieses Konzept wurde ebenso § 218 mit dem neuen Schwangeren- und Fa- wenig kommentiert wie der Fakt, dass die an- milienhilfsgesetz. Vorsitzende

54 Vorsitzende des Deutschen Frauenrates

Nora Melle Dr. Gertrud Ehrle Dr. Elisabeth Schwarzhaupt Deutscher Staatsbürgerinnen- Arbeitsgemeinschaft Evangelische Frauenarbeit in Verband Katholischer Frauen Deutschland / Deutscher Vorsitzende 1951-1959 Vorsitzende 1960-1970 Akademikerinnenbund im Vorstand 1951-1959 im Vorstand 1951-1960 Vorsitzende 1970-1973 im Vorstand 1968-1970

Maria Weber Irmgard von Meibom Dr. Helga Thieme DGB Evangelische Frauenarbeit in Deutscher Ärztinnenbund Vorsitzende 1973-1974 und Deutschland Vorsitzende 1980-1984 1976-1978 Vorsitzende 1974-1976 und im Vorstand 1978-1980 und im Vorstand 1958-1973, 1978-1980 1984-1986 1974-1976 und 1978-1980 im Vorstand 1973-1974 und 1976-1978 Vorsitzende von seinen Anfängen bis heute 55

Irmgard Blättel Brunhilde Fabricius Irmgard Jalowy DGB Evangelische Frauenarbeit in Arbeitsgemeinschaft Vorsitzende 1984-1988 Deutschland Katholischer Frauen im Vorstand 1980-1984 Vorsitzende 1988-1992 Vorsitzende 1992-1996 im Vorstand 1984-1988 im Vorstand 1989-1992

Helga Schulz Dr. Inge v. Bönninghausen Deutscher Beamtenbund Journalistinnenbund Vorsitzende 1996-2000 Vorsitzende seit 2000 im Vorstand 1988-1994 im Vorstand 1998-2000 56 Kapitel 3

Zwischen politischer Partizipation 57 und Gesellschaftsveränderung

Der Kampf um Einfluss in der Öffentlichkeit

Neben der Einflussnahme auf die Gesetzge- Begründungen und den zur Behebung des bung stand die Umsetzung des passiven Wahl- Mangels vorgeschlagenen Methoden wird be- rechts der Frauen – also ihre zunehmende Ver- sondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die in tretung in allen politischen Entscheidungs- den Informationen immer wiederkehrenden funktionen – jahrzehntelang im Zentrum der Wahlinformationen und Wahlanalysen, die Aktivitäten nicht nur der im engeren Sinne Präsentationen weiblicher Abgeordneter und staatsbürgerlichen Frauenverbände. Die For- Kandidatinnen werden hier nicht im einzelnen derung nach mehr weiblichen Kandidaten auf dargestellt, ebenso wird auf Aktivitäten zu sicheren Listenplätzen der Parteien zieht sich Landtags- und Kommunalwahlen nur aus- durch die Geschichte des Deutschen Frauenra- nahmsweise verwiesen. tes und seiner Vorläufer; etwas später kamen Forderungen nach politischen Ämtern in Par- teien und in der Regierung hinzu. Waren die- Politische Mandate für Frauen se Forderungen zunächst auch mit Vorstellun- gen einer „anderen“ Politik verknüpft, die frau Als eine der ersten Organisationen kritisierte sich von frau versprach, so wurde dieses Ver- die Arbeitsgemeinschaft der Wählerinnen sprechen seit den Sechzigerjahren – teils aus (AdW), die 1950 nach dem Vorbild der ameri- Resignation, teils infolge steigenden Selbstbe- kanischen „League of Women Voters“ (Liga wusstseins – langsam durch Ansätze einer In- der weiblichen Wähler) in München gegründet teressenvertretung für Frauen ersetzt. Die worden und Gründungsmitglied des Informa- Neue Frauenbewegung, mit der sich der Deut- tionsdienstes für Frauenfragen war, „daß die sche Frauenrat und einige seiner Mitgliedsver- weiblichen Bewerber bei den Wahlen der letz- bände in den Siebzigerjahren auseinander- ten Jahre völlig ungenügend berücksichtigt setzten, verunsicherte deren Strategie durch wurden“. Nach der ersten Wahl 1949 betrug ihre Radikalisierung der Partizipationsforde- der Anteil der Frauen im Deutschen Bundestag rungen einerseits und durch eine qualitative gerade einmal 7 Prozent. Das waren ca. fünf Veränderung der frauenpolitischen Öffentlich- Prozent weniger als der Frauenanteil in der Na- keit andererseits. Kaum hatten sich im Verlau- tionalversammlung 1919, dem ersten demo- fe der Achtzigerjahre diese „ungleichen kratischen deutschen Parlament nach der Schwestern“ einander angenähert, tat sich mit Durchsetzung des Frauenstimmrechts. Die dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik AdW richtete im Oktober 1952 an die Bun- Deutschland nicht nur eine neue Kluft zwi- desvorstände der Parteien „die dringende Bit- schen West- und Ost-Frauen auf, sondern te, bei der Aufstellung der Kandidaten für die musste Frauenpolitik unter veränderten Rah- Bundestagswahlen genügend Frauen an er- menbedingungen neu verhandelt werden. folgversprechenden Plätzen zu nominieren“ Die Argumentation der Frauenorganisatio- (8/52). Drei Monate vor der zweiten Bundes- nen zur politischen Beteiligung wird im fol- tagswahl am 6. September 1953 konkretisier- genden nachgezeichnet. Dabei wird der te die AdW ihre Bitte mit der Forderung, dass Schwerpunkt auf die Aktivitäten zu den Bun- die Parteien „einen der Zahl ihrer weiblichen destagswahlen gelegt. Den unterschiedlichen Mitglieder gerechten Anteil der Listenplätze Zwischen politischer Partizipation und Gesellschaftsveränderung

für weibliche Kandidaten reservieren und die- an aussichtsreicher Stelle als Kandidaten für 58 se (...) nach einem angemessenen Turnus, bei- den Bundestag aufgestellt worden sind“. Ihre spielsweise auf jedem vierten oder fünften Zahl entspräche „weder dem Gesamtanteil der Platz berücksichtigen.“ Außerdem sei es „ein Frauen in der Wählerschaft noch ihrem Anteil Gebot politischer Fairness, jenen Frauen, die an den Aufgaben in Volk und Staat“ (7-8/57). sich bereits durch vierjährige Arbeit im Bun- Dieselben 19 Verbände, die in diesem Auf- destag bewährt haben, (...) eine der ersten ruf u.a. darum gebeten hatten, Frauen bei der Stellen auf der Liste einzuräumen“ (6/53). Besetzung leitender Stellen in den Ministerien zu berücksichtigen, forderten nach der Wahl Ende September in einem offenen Brief an Bundeskanzler Adenauer energisch minde- stens eine Bundesministerin mit einem „ech- ten Ressort“. Die Forderung nach sogar zwei „echten Ressorts“ für Frauen im neuen Bun- deskabinett war schon vor der Wahl von der Vorsitzenden des Deutschen Staatsbürgerin- nen-Verbandes Nora Melle erhoben worden (7-8/57). Sie hatte damit auf ein Wahlverspre- chen Adenauers reagiert, der den mehrheitlich weiblichen Wählern angekündigt hatte, eine Frau in seine Regierung zu holen, aber offen- bar für diese Frau ein „Sonderministerium für Frauenfragen“ einrichten wollte. Als deutlich wurde, dass der wiedergewählte Bundeskanz- ler dann doch „keine Experimente“39 mit auch nur einer einzigen Ministerin wagen wollte, hagelte es heftige Proteste von Seiten der Frau- enverbände, dem sich u.a. auch männliche Journalisten anschlossen. So wurde etwa Wal- ter Dirks zitiert, der in der Neue Rhein-Zeitung Wahlkampf 1957 Obwohl sich der Anteil der Frauen im zwei- vom 2. November 1957 seinen Ärger über das ten Bundestag 1953 gegenüber 1949 nur um „Kabinett ohne Frauen“ folgendermaßen re- ein Prozent (von 7,2 Prozent auf 8,2 Prozent) sümierte: „Wir Männer haben einige Jahrtau- erhöhte, fand nach der Wahl keine Parteien- sende lang den tragischen Beweis geführt, kritik in den Informationen statt. Hervorgeho- dass unsere frauenlose Politik in die Sackgasse ben wurde vielmehr, dass das Wahlergebnis führt. Wir sollten es nach so viel Männlichkeit eine Festigung der Demokratie bedeute, und endlich mit der Menschlichkeit probieren. Und dass das aktive Frauenwahlrecht dazu ent- das heißt: mit dem Zusammenwirken von scheidend beigetragen habe. Nur Eingeweihte Mann und Frau“ (11/57). Man habe „die konnten der ausführlichen Wahlanalyse von Staatsbürgerinnen nur als Stimmvolk be- Olga Amann (AdW) entnehmen, dass sie von müht“, war die Reaktion der Stuttgarter Zei- den Parteien ein größeres Engagement für tung, und aus „Lehrerkreisen“ wurde vermel- Frauen forderte, etwa mit dem Hinweis, dass det, dass „solche gebrochenen Wahlverspre- die „tatsächlichen Erfolgschancen der weibli- chen“ es ihnen so schwer machten, „unsere chen Kandidaten (...) erheblich über ihrem An- Mädchen zu aktiver politischer Betätigung zu teil an den Gesamtkandidaturen“ lägen erziehen“. Nicht, dass „sie etwa Minister wer- (10/53). den wollen oder sollen“, aber es käme darin Umso deutlicher wurde der kritische Unter- eine solche Nichtachtung der Arbeit von Frau- ton in den Aufrufen der Frauen zur nächsten en zum Ausdruck, „daß die Heranwachsenden Bundestagswahl. Unter der Überschrift „Wir entmutigt werden, bevor sie überhaupt an- fordern“ schlossen sich Ende Juni 1957 zum fangen“ (11/57). ersten Mal 19 bundesweit agierende Frauen- Einige Frauenverbände unterzeichneten ge- verbände zusammen (die zum größten Teil mit meinsame Protestschreiben und verfassten den Mitgliedsorganisationen des Informati- noch zusätzlich eigene Stellungnahmen, wie onsdienstes identisch waren), um „mit Be- z.B. der Verband Weiblicher Angestellter fremden“ festzustellen, „daß zu wenig Frauen (VWA). Er gehörte zu den 19 bundesweiten Kapitel 3

Frauenverbänden, die am 29. Oktober 1957 Der Aufruf war diesmal an die Vorsitzenden ihrer gemeinsamen „tiefen Enttäuschung und der Parteien (CDU, CSU, SPD, FDP, DP, GB/BHE) 59 Empörung“ in einem Schreiben an Adenauer und der Bundestagsfraktionen sowie an sämt- Ausdruck gaben und ihm eine „Nichtachtung liche Bundestagsabgeordnete gerichtet wor- des staatsbürgerlichen Bemühens und des Ein- den. Er wurde erstmals mit einer Praxis ver- satzes der Frauen aus allen Kreisen der Bevöl- bunden, die bei den folgenden Wahlen beibe- kerung“ vorwarfen, die eine Bereitschaft zur halten bzw. ausgebaut werden sollte: Die weiteren staatsbürgerlichen Betätigung stark Adressaten wurden aufgefordert, zu den er- gefährde. In einem gesonderten Schreiben ließ hobenen – zwar schon nicht mehr neuen aber der VWA wissen, dass unter den Frauen „ein breiter gefächerten – Partizipationsforderun- hoher Grad von Erbitterung herrscht, der sich gen Stellung zu nehmen, als da waren: mehr u.E. nicht so schnell überwinden lassen wird“ aussichtsreiche Wahlkreise und sichere Listen- (11/57). Selbst der Bundesfrauenausschuss der plätze für weibliche Kandidaten, Beteiligung CDU mit der Adenauer-Vertrauten Dr. Helene von Frauen an der Regierung und ihre Berück- Weber an der Spitze (die gleichzeitig in der Fa- sichtigung bei der Besetzung von leitenden milienrechtsdebatte den „Stichentscheid“ des Stellen in Ministerien und im Auswärtigen Vaters befürwortete – s. Kap. 2), warnte den Dienst, Berufung in Beiräte, Ausschüsse, Auf- Vereidigung von Bundeskanzler vor einem reinen Männerkabi- sichts- und Verwaltungsgremien des Bundes, Elisabeth Schwarzhaupt als Bundesgesundheits- nett. Dies gefährde nicht zuletzt die gute Zu- Beteiligung an der Mitarbeit in den Weltorga- ministerin am 14. 11. 1961 sammenarbeit zwischen den CDU-Politikerin- nisationen, europäischen Gemeinschaften und nen und den Frauenorganisationen, deren Er- offiziellen Regierungsdelegationen (4/61). folg sich schließlich im Wahlausgang gezeigt In ihren mehr oder weniger ausführlichen habe. (Die CDU/CSU hatte die absolute Mehr- Stellungnahmen bemühten sich die jeweiligen heit der Wählerstimmen erhalten.) Fraktions- oder Parteivorsitzenden vor allem Erst nach der nächsten Bundestagswahl darum, keine konkreten Antworten zu geben. 1961 wurde die erste Frau in das neue Ade- Dieses Wechselspiel aus klaren Forderungen nauer-Kabinett berufen. Nachdem für Dr. Elisa- und abwiegelnden Antworten entwickelte sich beth Schwarzhaupt (CDU) ein Bundesministe- zum Ritual für zukünftige Wahljahre. Kenn- rium für Gesundheitswesen geschaffen wor- zeichnend für die Ausführungen der CDU- den war, beeilten sich die Informationen, eine Fraktion (Dr. ) war eine Mi- Erklärung der neuen Ministerin abzudrucken, derzufolge es sich nicht um ein Sonderminis- terium für eine Frau „auf Kosten des Steuer- zahlers“ handele. Das Gesundheitsministerium sei vielmehr notwendig, „um die bisher von verschiedenen Stellen wahrgenommenen Auf- gaben auf diesem Gebiet zu konzentrieren und durch einen Minister im Kabinett wirkungsvol- ler vertreten zu können.“ Auf der gleichen Sei- te der Informationen waren Stellungnahmen verschiedener Organisationen gegen ein „Son- derministerium für Frauenfragen“ zu lesen, das als „Neugründung eines nicht notwendi- gen Ministeriums“ abgelehnt wurde, wie der Juristinnenbund schrieb. Ähnlich äußerten sich der Deutsche Frauenring, der Deutsche Ver- band berufstätiger Frauen und der Informa- tionsdienst, der nach seiner Satzungsänderung 1958 als „Informationsdienst und Aktionskreis Allein unter Männern: deutscher Frauenverbände und Frauengrup- schung aus Anbiederung an die „führenden Das erste Kabinett pen gemischter Verbände“ zu gemeinsamem Damen aus Ihrem Aktionskreis“, auf deren Ludwig Erhards 1963 Handeln legitimiert war (11-12/61). In seinem Meinung und Anregung „der allergrößte (links neben Wahlaufruf im April 1961 hatte sich der Infor- Wert“ gelegt werde, und Abschieben der Ver- Elisabeth Schwarzhaupt: mationsdienst und Aktionskreis als Repräsen- antwortung auf die Landesverbände der Par- und Heinrich Lübke) tant von 79 Bundesorganisationen vorge- tei, die der Vorstand der CDU „des öfteren stellt.40 und stets sehr eindringlich gebeten“ habe, Zwischen politischer Partizipation und Gesellschaftsveränderung

Frauen in Wahlkreisen und auf aussichtsrei- dienst und Aktionskreis diese Briefe zur Kennt- 60 chen Listenplätzen zu berücksichtigen. Der nis genommen und einstimmig beschlossen Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende habe, „sich erneut an die Parteien zu wen- der SPD begnügte sich damit, den“, um die Forderungen der Frauen zu ver- selbstgefällig auf die im Vergleich zu den an- deutlichen (4/65). deren Parteien bereits erreichte Frauenpräsenz Als mit den Wahlergebnissen von 1965 und in Fraktion und Verwaltungen (der SPD-regier- 1969 der Anteil der Frauen im Deutschen Bun- ten Länder) zu verweisen und das Versprechen destag wieder auf den Stand von 1949 sank

50 Jahre Frauenwahlrecht – Erfahrungen und Konsequenzen: Zu diesem Thema hatte der Informationsdienst und Aktionskreis (ab 1969 Deutscher Frauenrat) am 26. November 1968 in die Bonner Beethovenhalle ParlamentarierInnen und Vertreterinnen der Mitgliedsorganisationen geladen. (V.l.n.r.): Gertrud Ehrle, , Käte Strobel,

des Kanzlerkandidaten zu zitie- (6,9 Prozent und 6,6 Prozent), machte sich bei ren, „tüchtige Frauen“ in die Regierung und den Frauen eine zeitweilige Resignation be- andere „führende Stellen“ bringen zu wollen. merkbar. Die Informationen spiegeln die zwei- Die FDP wiederum schmückte sich durch ihren te Hälfte der Sechzigerjahre eher als eine Zeit Partei- und Fraktionsvorsitzenden Dr. Erich der Reflexionen und Analysen über die Grün- Mende mit einer „langen Reihe leuchtender de für die geringe politische Repräsentanz und Frauennamen von Helene Lange über Gertrud Beteiligung von Frauen. Dass in diesen Jahren Bäumer, Marianne Weber, Marie Baum, Agnes die Ära Adenauer zu Ende ging und auch die von Zahn-Harnack, Alice Salomon, Marie Stritt CDU-FDP-Regierung von Bundeskanzler Lud- (...).“ Mende zählte insgesamt 15 Frauen aus wig Erhard (CDU) über den Kanzler der großen der alten Frauenbewegung auf, die „ihr Leben Koalition, Kurt-Georg Kiesinger (CDU) von der und Lebenswerk politisch im liberalen Raum SPD-FDP-Koalition mit SPD-Bundeskanzler Wil- angesiedelt hatten oder aktiv in ihm stehen“, ly Bandt (1969-1972) abgelöst wurde, konnte und die der FDP „ein verpflichtendes Erbe“ nur den Listen der Regierungsmitglieder ent- seien, um „in ihrem Geiste den Frauen die nommen werden, die nach den Wahlen abge- Möglichkeit zu geben, an der Vermenschli- druckt wurden. chung der Politik in allen Bereichen mitzuwir- Nicht ohne Stolz brachten aber die Infor- ken“ (7-8/61). mationen zum Jahresende 1968 einen aus- Mit kleinen Verschiebungen in der Rollen- führlichen Bericht über eine offizielle Festver- verteilung unter den Parteien wurde diese Pro- anstaltung ihres Verbandes zum Thema „50 zedur vor der 1965er Wahl wiederholt. Die Jahre Frauenwahlrecht – Erfahrungen und Herren Adenauer (CDU), Jaumann (CSU), Konsequenzen“. Sie fand in der Bonner Beet- Mende (FDP) und Erler (SPD) lobten sich selbst, hovenhalle mit mehr als 300 Repräsentantin- beteuerten und wichen aus. Die Informationen nen „verantwortlicher Frauenarbeit“ aus allen veröffentlichten diese Antworten im Wortlauf Teilen der Bundesrepublik und zahlreichen Eh- und berichteten, dass eine außerordentliche rengästen statt, u.a. den beiden in der großen Mitgliederversammlung des Informations- Koalition unter Bundeskanzler Kiesinger am- Kapitel 3

tierenden Bundesministerinnen Aenne Brauk- siepe (Familie, CDU) und Käthe Strobel (Ge- 61 sundheit, SPD). Unter der Leitung der Vorsit- zenden des Informationsdienstes Dr. Gertrud Ehrle wurden die Ansprachen von den Frakti- onsvorsitzenden der drei größten Parteien ge- halten: Rainer Barzel (CDU), Helmut Schmidt (SPD) und (FDP) (11-12/68). Ein weiterer Höhepunkt in der Geschichte des Dachverbandes dürfte die öffentliche Großveranstaltung „Frauen fragen Politiker“ gewesen sein, die der Deutsche Frauenrat (so der kurze und prägnante Name seit 1969) am 26. April 1976 in der Bad Godesberger Stadt- halle organisierte. Zum Auftakt des Wahl- kampfes für den 8. Deutschen Bundestag, der Helmut Schmidt als Bundeskanzler bestätigen sollte, beantworteten Spitzenvertreter der vier im Bundestag vertretenen Parteien nach kur- zen Statements Fragen aus dem etwa 1000- köpfigen überwiegend weiblichen Auditori- Großveranstaltung 1975 um, das aus Delegierten der Mitgliedsverbän- de, VertreterInnen des öffentlichen Lebens und den Jahren eine eigene Rubrik in den Informa- der Medien sowie Publikum aus dem Bonn- tionen erhielt, fragten Spitzenvertreterinnen Kölner Raum, darunter einige Schulklassen be- des Deutschen Frauenrates verstärkt bei den stand. Die Veranstaltung wurde „moderiert“ Bundesparteien nach und verschafften sich (nicht mehr „geleitet“) von der Vorsitzenden Gesprächstermine beim Bundespräsidenten, des DF, Irmgard von Meibom. Für die SPD Bundeskanzler und den Parteivorsitzenden. sprach deren Schatzmeister Wilhelm Dröscher Bemerkenswert an dieser „Wahlstrategie“ (stellvertretend für den erkrankten Vorsitzen- war aber vor allem, dass sich der Deutsche den); für die CDU ihr Vorsitzender und Kanz- Frauenrat nun verstärkt an die Frauen selbst lerkandidat , für die CSU der wandte. Für die Aktivitäten seiner Mitglieds- bayerische Arbeits- und Sozialminister Fritz verbände bereitete er drei Arbeitspapiere vor: Pirkl und für die FDP ihr Fraktionsvorsitzender ein „Politisches 1x1 für Frauen“, eine „Anlei- Wolfgang Mischnick (5/76). Unter den doku- tung für die Vorbereitung und Durchführung mentierten Fragen, die sämtlich von promi- von Veranstaltungen unter dem Thema ‚Mehr Irmgard von Meibom mit nenten Vertreterinnen der Frauenverbände ge- Frauen in die Parlamente’“ und ein „Katalog den Politikern Wilhelm stellt wurden, tauchte zum ersten Mal das von Schwierigkeiten“, die Frauen bei der Über- Dröscher, Helmut Kohl, Fritz Pirkl, Wolfgang Mischnick Stichwort „Quotierung“ auf, das Grete Borg- mann vom Deutschen Frauenring Freiburg als möglichen Weg zur Verbesserung des Frau- enanteils in wichtigen Entscheidungsgremien und Spitzenpositionen nach angelsächsischem Vorbild in die Debatte warf. Doch die Zeit für solche Ideen war für alle Parteisprecher, selbst für den SPD-Vertreter, noch lange nicht reif (5/76). Diese Großveranstaltung war Teil einer „Wahlstrategie“, die der Deutsche Frauenrat am 15. September 1975 verabschiedet hatte. Sie sah „sowohl kurz- als auch langfristige Maßnahmen zur Aktivierung der Frauen vor“ (9/75). Die Frauenverbände sollten mit ihren mehr als sechs Millionen Mitgliedern auf allen Ebenen aktiv werden. Unter dem Motte „Mehr Frauen in die Parlamente“, das in den folgen- Zwischen politischer Partizipation und Gesellschaftsveränderung

nahme eines politischen Amtes zu erwarten mit einem stärker ausgeprägten Tenor der 62 hätten. Außerdem entwarf der DF einen „Of- weiblichen Selbstverantwortlichkeit einher, fenen Brief an eine Bürgerin“, in dem diese ge- sondern auch mit der Taktik, männliche Spit- fragt wurde, ob sie es richtig fände, „daß zenpolitiker eher zu bestärken als zu kritisie- kaum Frauen an den Schalthebeln sitzen“, ren. Nach der 1976er Wahl lobte z.B. die DF- dass „von 518 Bundestagsabgeordneten nur Vorsitzende Maria Weber den wiedergewähl- 35 Frauen sind“ und dass überhaupt Männer ten Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) die Szene beherrschten. Die angesprochenen dafür, dass er drei Frauen in die Bundesregie- Bürgerinnen wurden aufgefordert, mitzuma- rung berufen hatte und dass zwei Frauen Vi- chen und Verantwortung zu übernehmen – zepräsidentinnen des deutschen Bundestages „in der Gemeinde, in Verbänden, in Elternver- geworden waren. Sie nannte darüber hinaus tretungen, in Betriebs- und Personalräten, in sechs Punkte in Schmidts Regierungser- Gewerkschaften und vor allem in den politi- klärung, mit denen er auf Forderungen des schen Parteien“ (1/76). Außerdem veranstalte- Deutschen Frauenrats eingegangen sei. Die te der DF Seminare mit Journalistinnen, Lan- Tatsache, dass nach dieser Wahl immer noch desfrauenräten und weiblichen Politikern (11- lediglich 7 Prozent Frauen im Bundestag sa- 12/75). ßen, war offenbar kein Thema mehr für den Die Informationen berichteten auch über Bundeskanzler, sondern ging vor allem die eine Aktion „Wählt Frauen“ mit ähnlicher Ziel- Frauen etwas an (1/77). Der fordernde Ton, den z.B. die Arbeitsge- meinschaft hessischer Frauenverbände anläss- lich der hessischen Landtagswahlen 1978 aus- drücklich an die „Männer-Parteien“ richtete, damit sie die Frauen bei der Kandidatenauf- stellung besser platzierten (4/78), war auf der Bundesebene des Deutschen Frauenrats in die- sen Jahren eher obsolet. Wohlwollend inter- pretiert lässt sich darin auch ein neues Selbst- bewusstsein entdecken, das zum Ausdruck bringen wollte, dass die Frauen sich nun nicht mehr auf die Männer verlassen wollten, son- dern ihre Sache selber in die Hand zu nehmen gedachten. Mit dem Titel „Nun klag nicht – tu was!“ überschrieben die Informationen 1982 ein Interview mit der Bundestagsabgeordneten Rita Fromm (FDP) zum Thema „Frauen im Par- lament“ (1/82). In den hier skizzierten Trend passt auch der verbindliche Ton, mit dem im Vorfeld der Bun- Sonderheft destagswahl 1980 wieder eine öffentliche Ver- zum Wahlkampf, 1980 anstaltung mit Spitzenvertretern der Parteien und Regierungen organisiert wurde. Im Unter- richtung. Sie wurde gleichzeitig mit der „Wahl- schied zu vergleichbaren Veranstaltungen vor- strategie“ des Deutschen Frauenrats von der her und nachher wurde kein konkreter Fra- Frauenzeitschrift Brigitte ausgerufen, die ihren genkatalog vorgegeben, sondern die Vorsit- Leserinnen konkrete Anregungen für ihre po- zende des Deutschen Frauenrats Irmgard von litische Aktivierung gab (10/75). Die Zeitschrift Meibom machte den ParteienvertreterInnen hatte in Zusammenarbeit mit der ersten Frau das „Angebot“, eine grundsätzliche Stellung- im Amt des Bundestagspräsidenten Annema- nahme zum Thema „Mehr Chancen von Frau- rie Renger und dem Institut für Demoskopie en in der Politik“ abzugeben. Diese Chance er- eine Leserinnenbefragung durchgeführt, u.a. griffen Dr. Heiner Geißler, CDU; Dr. Mathilde auch zu der Frage, warum so wenig Frauen in Berghofer-Weichner, CSU; , SPD, die Politik gingen (11-12/75). und Günter Verheugen, FDP. Das Ergebnis, das Der mit der „Wahlstrategie“ von 1975 ein- in einem Sonderheft der Informationen doku- geleitete individualisierende Trend, sich vor- mentiert wurde, zeigte sich in z.T. beachtlichen wiegend an Frauen zu wenden, ging nicht nur Fortschritten bei der allgemeinen Reflexion der Kapitel 3

Frauenfrage41 bei durchgängiger Skepsis ge- Ämtern und Mandaten“ festgestellt (5/86 und genüber der verpflichtenden Einführung eines 7-8/86). 63 festen Frauenanteils (Quotierung). Eine Beson- Bezeichnenderweise hatten die SPD, die derheit dieser Veranstaltung, die im November FDP und die Grünen bereits weibliche Spitzen- 1979 im Kurfürstlichen Schloss in Mainz statt- vertreter geschickt, um die Fragen des Deut- fand, war auch, dass die Gegenüberstellung schen Frauenrates zu beantworten. Nur die von Frauenverbänden und Parteien durch Re- CDU und die CSU ließen Männer für sich spre- debeiträge anderer Herkunft bzw. anderer Art chen.42 Damit zeichnete sich eine Verschie- aufgebrochen war. Neben ParteienvertreterIn- bung der Konfrontationslinie nach außen ab, nen sprachen die Leiterin des neu gegründeten die für ähnliche Veranstaltungen bis heute Arbeitsstab Frauenpolitik im Bundesministeri- kennzeichnend ist: Diejenigen Parteivertrete- um für Jugend, Familie und Gesundheit Mar- rinnen (einschließlich der männlichen), die öf- lies Kutsch und der rheinland-pfälzische fentlich zu „Frauenthemen“ Stellung nahmen, Staatsminister für Soziales, Gesundheit und kämpften meistens auch innerhalb ihrer Par- Umwelt Dr. Georg Gölter. Die Präsidentin des teien für bessere Partizipationschancen für Deutschen Ärztinnenbundes Dr. Hedda Heuser Frauen. Als jeweilige ExpertInnen für „die Frau- hielt das Grundsatzreferat über „Stellung und enfrage“ bildeten sie miteinander und mit den Verantwortung der Frauen in einer sich än- Frauenorganisationen sozusagen eine Partei dernden Welt“ (Sonderheft 4, Februar 1980). gegen die Uneinsichtigen in den eigenen Rei- Erst am Ende der 10. Wahlperiode (1983- hen. 1987) gingen der Deutsche Frauenrat und ein- Noch deutlicher prägte sich dieser neue Ver- zelne Frauenorganisationen mit Kritik und For- anstaltungscharakter in dem öffentlichen Kol- derungen gegenüber der Regierung und den loquium „Bilanz: Chancen der Frauen, Man- Bundestagsparteien wieder in die Offensive. date zu erlangen“ aus, das der DF kurz nach Inzwischen war die Regierungskoalition zwi- der Wahl am 20. Februar 1987 organisierte. schen SPD und FDP zerbrochen und Helmut Dazu hatten die eingeladenen Bundesvorstän- Kohl mit einer CDU/FDP-Koalition neuer Bun- de aller Bundestagsparteien ausschließlich Ver- deskanzler geworden. Die Bundestagswahl treterinnen entsandt. Obwohl das Wahlergeb- von 1983, welche die Kohl-Regierung be- nis einen kleinen Durchbruch für den Frau- stätigte, hatte den Frauenanteil im Deutschen enanteil im Bundestag gebracht hatte – näm- Bundestag weiterhin unter einem Zehntel ge- lich 15,4 Prozent (gegenüber 9,8 Prozent) – halten (9,8 Prozent) – und dies, obwohl zum waren sich die Politikerinnen und Organisati- ersten Mal die Grünen vertreten waren, die da- onsvertreterinnen darüber einig, dass „kein mals bereits ein gutes Viertel ihrer Sitze mit Grund zur Zufriedenheit“ bestehe. Das inzwi- Frauen besetzten. Obwohl diese neue Partei schen von den Grünen eingeführte „Reißver- die Fünf-Prozent-Hürde nur knapp über- schlusssystem“ bei der Verteilung der Listen- sprang, drückten ihre 7 Frauen (von 27) den plätze, das den Frauen alle ungeraden Listen- Frauenanteil des Bundestages um fast ein plätze ab Platz 1 sicherte, wurde von allen an- ganzes Prozent nach oben. wesenden Politikerinnen „neidvoll“ aner- kannt. Von gegenseitiger Unterstützung war Zur Bundestagswahl im Januar 1987 veran- viel die Rede, und das Parteipolitische trat ge- staltete der Deutschen Frauenrat gleich drei genüber den gemeinsamen Anliegen weitge- öffentliche Anhörungen in Bonn-Bad Godes- hend zurück (4/87). berg – zwei vorbereitende und eine bilanzie- rende. Bei der öffentlichen Parteienbefragung am 26. April 1986 machten Teilnehmerinnen Wahlreform für Frauen? aus den Verbänden deutlich, „daß die Unge- duld der Frauen ständig zunehme“ (5/86). Die Zur Offensive des Jahres 1986 gehörte eine Veranstaltung hätte zutage gebracht, bemän- zweite öffentliche Anhörung, die der Deutsche gelten die Informationen, dass die Parteien Frauenrat am 25. August veranstaltete. Nach- „bei der Bewältigung des Problems, mehr dem die PolitikerInnenbefragung im April er- Frauen auf Listen oder gar in Direktwahlkreisen geben hatte, dass die Parteien dem Problem abzusichern, ziemlich hilflos agieren“ (7-8/86). der miserablen Frauenpartizipation in den Par- Es wurde sogar „eine wachsende Aggressivität lamenten „hilflos“ gegenüber standen, wur- innerhalb der Parteien gegenüber Ansprüchen den dieses Mal „Sachverständige“ eingeladen, auf eine größere Beteiligung von Frauen an die Lösungen anbieten sollten. Es wurde ihnen Zwischen politischer Partizipation und Gesellschaftsveränderung

vor allem die Frage vorgelegt, ob möglicher- ordnete Liselotte Funcke (FDP), die neun Ge- 64 weise eine Veränderung des Wahlsystems oder genargumente zusammentrug, darunter nicht des parteiinternen Auswahlverfahrens geeig- zuletzt die „Verstärkung der außerparlamen- nete Mittel sein könnten, um die Wahlchancen tarischen Opposition“, die sich zwangsläufig von Frauen zu verbessern (9/86). Damit griff aus dem Ziel dieses Wahlsystems ergeben der Deutsche Frauenrat unter verändertem würde, Minderheiten aus dem Parlament her- Vorzeichen die Debatte um eine Wahlrechtsre- auszuhalten. Außerdem werde „die Kandida- form wieder auf, in die sich die staatsbürgerli- tur von Frauen, jungen Menschen, konfessio- chen Frauenorganisationen immer wieder ein- nellen oder beruflichen Minderheiten und geschaltet hatten. Zuletzt hatte der DF kurz Neubürgern“, aber auch von „stillen Sachex- nach der 1980er Wahl die „Einführung be- perten“ benachteiligt. Durchsetzen werde grenzt offener Listen für die Abgabe der Zweit- sich „vielmehr der Typ des beruflich freige- stimme“ vorgeschlagen (6/81). stellten Managers, der über alles und mit al- len reden kann und über die Kenntnis moder- Das Thema Wahlsystem stand in der bundes- ner Werbemethoden verfügt“ (3/68). Große republikanischen Öffentlichkeit auch vorher Bedenken gegen das Mehrheitswahlrecht for- wiederholt zur Diskussion, weil das geltende mulierten u.a. auch der Deutsche Frauenring kombinierte Wahlverfahren sich nicht an den (1/68) und der Landesfrauenrat Schleswig- demokratischen Vorbildern USA und England Holstein (5/68). orientierte. Die beiden angelsächsischen Län- Die Bonner Ortsgruppe des Deutschen Aka- der verfahren nach einem reinen Mehrheits- demikerinnenbundes reichte im Frühjahr 1968 wahlsystem, während im bundesdeutschen dem Bundeskanzler und den Fraktionsvorsit- Mischwahlsystem das Verhältniswahlrecht do- zenden einen Vorschlag ein, nach dem die Ein- miniert. Die Einführung des Mehrheitswahlsy- führung des Mehrheitswahlrechts derart mit stems in der Bundesrepublik wurde von vielen einer Liste verbunden werden sollte, dass jede Politikern gefordert, um den Trend zum Zwei- Partei für einen oder zwei direkt gewählte(n) parteiensystem und zur Entscheidung für „Per- Kandidaten zusätzlich ein Listenmandat erhiel- sönlichkeiten“ zu stärken. Die Frauenvertrete- te. Eine solche Regelung habe auch den Vor- rinnen hatten sich bereits in der ersten Diskus- teil, wurde vorsichtig hinzugefügt, dass sionsphase zwischen 1953 und 1956 (Bundes- „gleichzeitig auch Sachverständige ins Parla- wahlgesetz) vorsichtig gegen die Einführung ment berufen werden (können), die bei einer des Mehrheitswahlrechts ausgesprochen und Direktwahl unter Umständen wenig Chancen taten dies nachdrücklicher in der zweiten Wel- hätten“ (3/68). Mit diesem nicht realisierten le der Auseinandersetzung, nachdem Bundes- Vorschlag (das Mehrheitswahlrecht wurde be- kanzler Kiesinger in seiner Regierungser- kanntlich nicht eingeführt) schlugen die Bon- klärung Ende 1966 eine Wahlrechtsänderung ner Expertinnen aus der Defensive heraus eine angekündigt hatte. gedankliche Brücke zu einem viele Jahre spä- Gegen das Mehrheitswahlrecht, das nur ter neu einsetzenden öffentlichen Nachden- noch die Wahlkreissieger ins Parlament brin- ken der Frauen über mögliche Reformen des gen und die Parteilisten abschaffen sollte, wur- Wahlrechts, bei denen es nunmehr ausschließ- de unter anderem eingewendet, dass es die lich darum ging, die Wahlchancen von Frauen Unterrepräsentation der Frauen verstärken zu verbessern. würde, weil die Parteien für die Wahlkreise Die Informationen veröffentlichten die aus- eher „zugkräftige“ Direktkandidaten einset- führlichen Beiträge, in denen bei der erwähn- zen würden. Dass diese Neigung zu einem ten Sachverständigen-Anhörung vom 15. Au- „Parlament der Schützenkönige“ führe, sei gust 1986 die Wahlsysteme auf die ge- „natürlich übertrieben“, versicherte zwar Dr. wünschten Veränderungen abgeklopft wur- Antonia Freifrau von Süßkind aus Bonn, eine den (9/86; 11-12/86).43 Besonders eingehend Expertin des Deutschen Akademikerinnenbun- prüfte Dr. Marliese Dobberthien (seitdem eine des, in einem längeren Beitrag zu Beginn des ständige Autorin der Informationen) u.a. die Jahres 1968, fand aber die Verhältniswahl „Freien Listen“ der Landes- und Kommunal- letztlich gerechter, weil jede Stimme zähle und wahlsysteme in Baden Württemberg und Bay- „auch Minderheiten zum Zuge kommen“ ern, die den WählerInnen Stimmenhäufungen (1/68). und Veränderungen der Listenplätze („Kumu- Zu den schärfsten Kritikerinnen des Mehr- lieren“ und „Panaschieren“) ermöglichen. Sie heitswahlrechts gehörte die Bundestagsabge- stellte aber auch Doppel- und sogenannte Tan- Kapitel 3

demkandidaturen sowie Doppelbesetzungen ohne politische Erfahrung von einem Lehrstuhl von Wahlkreisen mit Frauen und Männern als weggeholt wurde (1/89). 65 mögliche Lösungen vor (9/86). Zwar neigte sich in der Anhörung 1986 die Einmal abgesehen von der Tatsache, dass die ExpertInnenmeinung mehr der Veränderung Quotenregelungen der beiden größten Partei- innerparteilicher Aufstellungsverfahren (Quo- en für die Vergabe von Ämtern und Mandaten tierung!) als geeigneteres Mittel zu, um mehr in der Realität lange nicht erreicht wurden, wie Frauen in die Parlamente zu bringen (9/68), die Informationen-Autorin Rosemary Call- aber das Thema Wahlrechtsreform blieb weiter mann kritisierte, schärften die real ansteigen- in der Diskussion. Die Informationen brachten den Frauenquoten auch den Blick dafür, dass noch im Februar 1995 ein Plädoyer für eine das Partizipationsproblem mit der wachsenden Änderung des Bundeswahlgesetzes, die eine Zahl von Frauen allein nicht gelöst sei. Dass die geschlechterparitätische Besetzung des Bun- Frauen bei den Grünen die Hälfte der Plätze destages durch Doppelbesetzung der Wahl- einnähmen, wurde z.B. die prominente Grüne kreise nach dem Mehrheitswahlrechtsmodell Politikerin Waltraud Schoppe 1994 zitiert, be- garantieren sollte, das die Bonner Akademike- deute keineswegs, „daß sie auch die Hälfte der rinnengruppe 1968 vorgeschlagen hatte Macht haben“ (10/94). Die Verknüpfung von (2/95). quantitativer mit qualitativer politischer Frau- Der immer wieder aufkommende Zweifel enpartizipation hatte in der von den Informa- an der Geschlechtergerechtigkeit des beste- tionen gespiegelten Nachkriegspolitik aller- henden Wahlsystems übte neben anderen Fak- dings bereits eine eigene Geschichte, wie im toren – vor allem der von den Grünen (und ab folgenden gezeigt wird. 1990 auch von der PDS) praktizierten über fünfzigprozentigen Frauenquote – einen zu- sätzlichen Druck auf den Fortschritt der Quo- Weibliche Repräsentanz tierungsakzeptanz bei den großen Parteien und demokratische Werte aus. Die SPD fasste 1988 ihren Beschluss, ein Drittel aller Ämter und Mandate mit Frauen zu Bei den ersten beiden Bundestagswahlen, die besetzen – mit der Selbstverpflichtung, diesen von den Informationen für die Frau begleitet Anteil in den Neunzigerjahren auf 40 Prozent wurden, 1953 und 1957, wurde in vielen Stel- zu erhöhen. Die CDU folgte nach vielen ver- lungnahmen hervorgehoben, wie bedeutend geblichen Versuchen mit einem in die Partei- das aktive und passive Frauenwahlrecht für die statuten aufgenommenem 30-Prozent-Quo- Institutionalisierung einer demokratischen Ge- rum erst 1996. Der Frauenanteil des Bundes- sellschaft sei. Dies ist auch deshalb bemer- tags stieg bei den folgenden Wahlen sichtbar kenswert, weil damit die „reinen“ Informatio- und kontinuierlich: 1990 auf 20,5 Prozent, nen über die gesetzlichen Grundlage und das 1994 auf 26,3 Prozent und 1998 auf 30,8 Pro- Procedere der Bundestagswahlen, die in den zent. Fünfzigerjahren einen großen Raum einnah- Auch das Bundeskabinett verlor allmählich men, aus dem Status einer eng verstandenen seinen Charakter des „Gruppenbild mit Dame“. staatsbürgerlichen Bildungsarbeit herausgeho- Mit der langsam ansteigenden Zahl der Bun- ben werden. Aufgeklärt wurde eben nicht desministerinnen (1994 waren es erstmals (nur) wegen vorausgesetzter politischer Defizi- fünf) kamen die Frauenverbände allerdings in te der Frauen, sondern weil diesen eine be- die ungewohnte Situation, dass ihnen nicht stimmte Rolle bzw. besondere Aufgaben für mehr jede Frau in einer politischen Spitzenpo- das politische Gemeinwohl zugewiesen wur- sition recht sein konnte – z.B. dann nicht, den. wenn die Vergabe eines wichtigen Amtes das An erster Stelle fühlten sich die Frauen für von ihnen immer wieder propagierte Prinzip eine Verbesserung der politischen Umgangs- des Einsatzes an der politischen (Parteien-)Ba- formen und einen Ausgleich der Gegensätze sis nicht honorierte. Über die Ablösung von verantwortlich. Sie müssten „mehr denn je Prof. Rita Süssmuth (CDU) durch Prof. Ursula Mittler zwischen denen sein (...) , die sich noch Lehr (CDU) als Frauenministerin 1988 zeigte nicht zusammengefunden hätten“, forderte sich der Deutsche Frauenrat z.B. deshalb ver- z.B. die Vorsitzende der Frauenarbeitsgruppen ärgert, weil keine jüngere parteipolitisch en- in Baden-Württemberg. Dass die Frauen „die gagierte Nachfolgerin ausgewählt worden Demokratie zu hüten“ haben, bedeutete für war, sondern (wieder!) eine Seiteneinsteigerin Elisabeth Haberkorn dementsprechend, dafür Zwischen politischer Partizipation und Gesellschaftsveränderung

zu sorgen, dass „weder ein Übergewicht nach enorganisationen schon aufgrund ihrer Über- 66 rechts noch nach links entstünde“ (6/53). Die- parteilichkeit eine besondere moralische Be- se Rollenzuweisung versuchte, den zeitgenös- deutung bei der Zivilisierung der politischen sischen öffentlichen Konsens, die Weimarer Auseinandersetzungen zugewiesen wurde, Republik sei vor allem am Parteiengezänk zu- versteht sich von selbst (z.B. 4/57). grunde gegangen, für eine Popularisierung der politischen Partizipation der Frauen zu nutzen. Die angedeuteten Zuordnungen tragen teil- weise noch den Stempel der politischen Frau- enbewegung der Weimarer Republik, die Zivilisierung der Politik Frauen für die Erhaltung des „Gemeinwohls“ verantwortlich machte. Ein von den Informa- Ähnlich wurde mit anderen parteiübergreifen- tionen abgedruckter Rundfunkbeitrag der den politischen Grundüberzeugungen verfah- Hamburger Frauenpolitikerin Fides Krause-Br- ren, z.B. der Ablehnung von links- und rechts- ewer zur Bundestagswahl 1957 zeigte das be- radikalen Gruppierungen und von „Splitter- sonders deutlich. Ausgehend von der Be- parteien“, die ebenfalls für den Zusammen- fürchtung, dass durch die zunehmende Kom- bruch der Republik 1933 verantwortlich ge- plexität der Gesetzgebung die Vertretung von macht wurden (z.B. D. v. Velsen, 7-8/53). Als Einzelinteressen im Parlament wieder verstärkt das Wahlergebnis von 1953 für viele unerwar- würde, machte Krause-Brewer geltend, dass tet eine Konzentration auf wenige Parteien der Politikerinnen eindeutig „weniger anfällig für politischen Mitte bzw. sogar einen Trend zum diese Gefahren“ seien und deshalb „in unse- Zweiparteiensystem sichtbar machte44, scheu- rer Demokratie eine wichtige Funktion erfül- te sich Else Ulich-Beil, die damalige Vorsitzen- len“ könnten. Die Hausfrauen im Bundestag de des Deutschen Frauenrings nicht, ihn als ein seien „an sich schon immun gegen die An- Zeugnis politischer Reife zu interpretieren und fechtung, nur für irgendeine Sondergruppe ihn gleich in doppelter Weise den Frauen zu- politisch zu streiten“, aber selbst die außer- gute zu halten. Das Wahlergebnis sei eine „kla- häuslich berufstätigen Frauen im Parlament re Ablehnung des Kommunismus und jeder entschieden politische Fragen mehr nach Art von Neo-Faschismus“ und außerdem eine ihrem Gewissen „oder – wenn man so will – politische – nicht ideologische! – Entscheidung nach ihrer Weltanschauung als nach den für eine regierungsfähige Mehrheit. Ulich-Beil Wünschen irgendeiner bestimmten Interes- machte geltend, dass dieses als „Wahlwun- sengruppe“ (5/57). der“ (analog zum „Wirtschaftswunder“ und Die prominente CDU-Politikerin Margot Ka- „Fräuleinwunder“) gehandelte Ergebnis nicht linke forderte zur gleichen Zeit, dass Frauen als nur von 3 1/2 Millionen mehr Frauen als Män- Mandatsträgerinnen „Kämpferinnen für einen nern „geschaffen“, sondern in hohem Maße neuen politischen Stil“ werden sollten. Sie for- von den „staatsbürgerlich arbeitenden Frau- mulierte sogar einen breitgefächerten Auftrag enverbänden“ vorbereitet worden sei. Denn an die weiblichen Politiker, zu dem das „muti- diese seien es vor allem gewesen, die sich „in ge Aussprechen unbequemer Wahrheiten“ den vergangenen Jahren um die politische Bil- ebenso gehöre „wie das Ausströmen mensch- dung der Nichtorganisierten, der Frauen und licher Wärme, von Vertrauen und liebevoller der Jugend, gekümmert“ hätten (10/53). Hinwendung auch zu den kleinen Dingen“ (5/57). Zu einer Verbesserung der politischen Kultur, Derartige moralische Verknüpfungen von für die sich die Frauenverbände in der frühen politischen Aufgaben mit weiblichen Eigenar- Bundesrepublik verantwortlich fühlten, sollte ten, die unausgesprochen an die Frauenbewe- auch ein „fairer Wahlkampf“ ohne „persönli- gung vor 1933 anknüpften, wurden allerdings che Schärfe“ bzw. „persönliche Diffamierun- immer seltener. Das schloss jedoch nicht aus, gen“ beitragen (2/57, 3/57, 4/57). Noch ein- dass viele Politikerinnen und Verbandsvertre- mal 1972 appellierte der Deutsche Hausfrau- terinnen weiterhin – wenn auch pragmatischer en-Bund an alle Parteien, den angekündigten – davon ausgingen, dass Frauen einen beson- harten Wahlkampf mit „Sauberkeit in den Mit- deren Beitrag zu demokratischer Politik leisten. teln“ zu führen. Er argumentierte, dass Frauen Ein Beispiel dafür ist die langjährige Vorsitzen- „wenig Verständnis für die Spiegelfechtereien de des Bundestags-Petitionsausschusses Liese- mit Worten und die gegenseitigen Verun- lotte Berger (CDU), die 1976 mit ihrer Erfah- glimpfungen“ hätten (7-8/72). Dass den Frau- rung zitiert wurde, Frauen seien in der Politik Kapitel 3

„diplomatischer, instinktsicherer, lebensnäher, Verfassung“ zu verzichten. Mit ihrem Plädoyer weniger ideologisch und kompromißbereiter“ für eine moderne Interessenpolitik, die nicht 67 als ihre männlichen Kollegen. Aber keines- mehr auf Überzeugung durch die besseren Ar- wegs, fügte sie hinzu, „breche der ewige Frie- gumente setze, sondern Druck auszuüben be- de und die hehre Menschlichkeit allein schon reit und imstande sei, zielte die Referentin ins dadurch aus, dass mehr Frauen in die Parla- Zentrum des traditionellen Demokratiever- mente kommen.“ Berger stellte sogar in Frage, ständnisses gerade auch des Deutschen Frau- dass eine Umkehrung des zahlenmäßigen Ge- enrates.45 schlechterverhältnisses im Bundestag – also „Gegen den Frauenrat und seine Verbände 483 Frauen und nur 35 Männer (entsprechend spricht, dass es eine zweite, eine neue Frauen- der Zahlen von 1976!) – „allein schon eine Ga- bewegung gibt und geben musste“. Diese rantie für eine bessere Politik“ wäre (9/76). Worte richtete die Journalistin Ulrike Holler vom Hessischen Rundfunk im März 1976 auch An den Wahlaufrufen des Deutschen Frauen- an vier Vorstandsmitglieder und die Ge- rates lässt sich ablesen, dass sich seit Ende der schäftsführerin des Deutschen Frauenrates. Sie Siebzigerjahre die frauenpolitische Begrün- waren Teilnehmerinnen eines Journalistinnen- dung für die politische Partizipation der Frau- seminars des DF, auf dem zu dem Thema „Der en grundlegend wandelte. Setzte der „Offene Deutsche Frauenrat – eine schlagkräftige Lob- Brief an eine Bürgerin“ von 1976 noch auf die by?“ zwei kontroverse Referate gehalten wur- weibliche Verantwortung – „Kann eine Gesell- den. Die Informationen veröffentlichten so- schaft weiterhin auf die Ideen, die besonderen wohl den kritischen Impuls von Ulrike Holler, Erfahrungen und die Mitverantwortung der wie den eher bestätigenden Beitrag der ZDF- Frauen verzichten (...)?“ (1/76), so wurden be- Redakteurin Dr. Marianne Brink (5/76). Holler reits in dem zu den 1980er Wahlen verteilten hielt dem Frauenrat vor, dass er „den An- Wählerinnen-Flugblatt erstmals allgemeine schluss verpasst“ habe. Die Frauenverbände Fraueninteressen – die Aufhebung der Be- seien „allzu integriert in die Gesellschaft“. Die nachteiligung „in Beruf und Gesellschaft“ – Frauen, die sich jetzt in der neuen Bewegung mit der unzureichenden politischen Vertretung zusammenschlössen, fühlten sich – von einem in Parteien und Parlamenten zusammenge- anderen Denkansatz kommend – von ihnen bracht (Sonderheft 4/80). nicht vertreten.

Die Neue Frauenbewegung war zu diesem Anschluss verpasst? Zeitpunkt in ihrer ersten selbstbewussten Ent- faltungsphase und ihr Verhältnis zu den Frau- Dass die Frauenverbände heute immer noch enverbänden war – wie auch umgekehrt – ge- viel zu wenig als Interessenverbände agierten, spannt. Ulrike Holler sprach von einer „Front- machte die feministische Professorin Heide stellung“, und auch die Informationen hatten Pfarr vor wenigen Jahren für ihre geringe poli- über die beiden Treffen des Deutschen Frau- tische Macht verantwortlich (10/98). Die Ham- enrats mit Feministinnen 1974 und 1975 un- burger Juristin und ehemalige hessische Frau- ter dem Titel „Emanzipation zwischen den enministerin kritisierte in ihrem Referat auf der ‚Fronten“ berichtet (8/74 und 4/75). Doch 50-Jahr-Feier des Deutschen Juristinnenbun- spiegeln die Informationen seit 1971 ein kon- des im Herbst 1998 unter anderem, dass die tinuierliches Interesse des DF an Argumenten Frauenverbände es nie versäumten, „zu über- und Aktivitäten der Neuen Frauenbewegung prüfen, ob das, was den Frauen nützen soll, wieder. Bis zum erstmaligen Erscheinen der auch gut ist für diese Gesellschaft.“ Sie kriti- beiden bundesweiten feministischen Frauen- sierte außerdem, dass alle Frauenverbände für zeitschriften Courage im September 1976 und sich in Anspruch nähmen, „die Frauen“ zu ver- Emma im Januar 1977 war interessanterweise treten. Aber „diese Vertretung von allem in al- die Zeitschrift des Deutschen Frauenrats die lem, diese Diffusität schwächt die Bewegung“. einzige überregionale und kontinuierliche In- Pfarr forderte die Frauenverbände dazu auf, formationsquelle über die autonome Frauen- ganz bewusst nur die Interessen eines Teils der bewegung aus Frauensicht. Das Interesse des Frauen zu formulieren und damit nicht nur Frauenrats war zunächst von einer kritischer „massiv das Harmoniebedürfnis von Frauen“ Distanz bestimmt, die aber bald in eine punk- zu verletzen, sondern auch „auf das Pathos tuell unterstützende Haltung überging. Dabei des allgemeinen Gleichheitsgebotes unserer wird allerdings deutlich, dass nach kontinuier- Zwischen politischer Partizipation und Gesellschaftsveränderung

lichen und gewissermaßen ebenbürtigen Ge- nicht zum Ausdruck kam. Zu Beginn der Acht- 68 sprächspartnerinnen gesucht wurde (der Alice- zigerjahre lässt sich die gegenseitige Annähe- Schwarzer-Effekt), so dass notwendigerweise rung daran erkennen, dass die Informationen wichtige Bereiche der Frauenbewegung aus- auch feministische Themen und Autorinnen geblendet wurden und ihre Heterogenität „übernahmen“.

„Frauenemanzipationsbewegung“

Der erste Beitrag, der sich ausführlich mit stellen, zumal die Veränderung der männli- „Frauenemanzipation“ auseinander setzte, chen Rolle „nicht einmal in Erwägung gezo- behandelte im Sommer 1971 die anstehende gen“ werde. Damit werde der „Gebrauchs- Reform des Ehescheidungsrechts unter der wert der Frau“ erhöht und die „Emanzipati- Fragestellung, ob diese eine „Chance für die on“ sei zur Ware verkommen. Die Frauenver- Emanzipation der Frau“ bedeute. In ihrem fa- bände hätten darin versagt, die „Verbrau- miliensoziologischen Originalbeitrag beurteil- cher“ aufzuklären und die „tatsächlichen In- te Barbara Mettler den Gesetzentwurf positiv, teressenkonflikte, die die Emanzipation der wobei sie – den sozialistisch-humanistischen Geschlechter verhindern“, zu artikulieren. Die Emanzipationsbegriff der Kritischen Theorie oft gestellte Frage, „ob Frauenverbände heu- Horkheimers und Adornos zugrundelegend – te noch berechtigt“ seien, sei umzuformulie- die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in ren in die Frage, ob sie aufklärend wirkten der Familie und die daraus folgende ökono- oder der Anpassung dienten, ob sie „Motor mische Abhängigkeit der Ehefrau vom Mann oder Alibi der Emanzipation“ seien (11- als entscheidendes Emanzipationshindernis 12/71). ausmachte. Zugleich kritisierte sie, dass Frau- enorganisationen die Reform oft nicht unter Es ist auffällig, dass bis etwa 1973 beim The- dem Gesichtspunkt der Emanzipation behan- ma „Emanzipation“ in die Informationen vor- delten. Von der „Zeit der Frauenrechtskämp- wiegend sozialistische Ansätze Eingang fan- ferinnen“ fühlte sich die junge Autorin jeden- den, die auch in den neu entstehenden Frau- falls „weit entfernt“ (7-8/71). engruppen dominierten. Eine eigene Position Noch im gleichen Jahr druckten die Infor- der Frauenverbände hatte sich noch nicht her- mationen unter dem Stichwort „Emanzipation ausgebildet; und erst später stellten sie sich gestern und heute“ zwei Vorträge auf einer bestimmten radikalfeministischen Vertreterin- öffentlichen Arbeitstagung des Deutschen nen der Frauenbewegung entgegen. Akademikerinnenbundes (DAB), die anschlie- Von einer sozialistischen Position aus wur- ßend besonders unter dem Gesichtspunkt dis- de 1972 und 1973 auch die Neue Frauenbe- kutiert wurden, wie die „heute unter dem Ein- wegung wahrgenommen, analysiert und – fluss von Marx und Marcuse entwickelten An- kritisiert. In ihrem Aufsatz „Gedanken zur stöße für gesellschaftspolitische Veränderun- ‚Neuen Frauenemanzipationsbewegung‘ in gen“ in die emanzipatorischen Bewegungen Deutschland“ (4/72) gab Ursula Linnhoff den des 19. und 20. Jahrhunderts eingeordnet Leserinnen erstmalig einen Überblick über die werden könnten (11-12/71). Kontrovers dis- verschiedenen Ansätze, Herkünfte und Ziel- kutiert wurde das Referat der Diplom-Soziolo- setzungen der „Neuen Frauenemanzipations- gin Mechthild Fülles, die von einem sozialisti- bewegung“, in der – analog zur anglo-ame- schen Emanzipationsbegriff her die drei zeit- rikanischen „Women’s Liberation“-Bewe- genössischen „Emanzipationsvorstellungen gung – sozialistische Ideen der Neuen Linken der Parteien“ scharf kritisiert hatte: Die „Drei- mit progressiv-liberalen und radikal-feministi- Phasen-Theorie“; die „Doppelrolle der Frau“ schen Vorstellungen zusammenträfen. Linn- und das Modell der „Wahlfreiheit“ wurden als hoff zeigte die Heterogenität der damaligen Maßnahmen entlarvt, die „der besseren Inte- Bewegung an den unterschiedlichen Grup- gration der Frauen in die Gesellschaft, in die pen, die sich entweder als Reaktion auf den Wirtschaft, in die Politik“ dienen sollten, ohne Antifeminismus der Männer der „Neuen Lin- die herkömmliche Rollenverteilung infrage zu ken“ an Universitäten gebildet hatten oder Kapitel 3

z.B. aus Volkshochschul-Gesprächskreisen für Knapp drei Jahre später nannte die Vorsitzen- Hausfrauen entstanden waren. Sie wies auf de des Deutschen Frauenrats, Irmgard von 69 feministisch-antikapitalistische Gruppen be- Meibom, den Tagungstitel „Emanzipation der rufstätiger Frauen hin sowie auf die in sich be- Frau“ „ein ‚überstrapaziertes‘, für viele leidi- sonders heterogenen Aktionsgruppen für die ges, dabei unvermindert brennendes und un- Abschaffung des § 218 StGB, denen es ge- gelöstes Thema“ (7-8/74). lungen sei, „Frauen in Deutschland zum er- Im Sommer1976 übernahmen die Informa- stenmal seit langer Zeit bundesweit zu orga- tionen die genervte Glosse einer Frau, die „das nisieren.“ Im Gegensatz zur amerikanischen Wort Emanzipation nicht mehr hören“ konn- und französischen Frauenemanzipationsbe- te, unter dem alle, die es so inflationär ver- wegung hätten allerdings die deutschen Frau- wendeten, Unterschiedliches verstünden, und en „bis jetzt wenig theoretisch-analytische das von denen, die „die Sache“ praktizierten, Beiträge, bzw. eigenständige publizistische nicht gebraucht werde (7-8/76). Arbeit zu den Fragen der Frauenemanzipation Trotz solcher Abnutzungserscheinungen geleistet.“ (4/72). haftete der „Emanzipation“ im Vergleich zu Der Bericht über die erste „Delegiertenkon- anderen für „die Sache“ gebräuchlichen Be- ferenz deutscher Frauenemanzipationsgrup- griffen offenbar eine gewisse Forschheit an. pen“ von der gleichen Autorin fiel ein Jahr spä- Das kam z.B. in dem Statement der Theologin ter erheblich kritischer aus. Die von der Sozia- Dr. Elisabeth Moltmann-Wendel zum Aus- listischen Frauengruppe München organisierte druck, die 1975 auf einer Studientagung über Konferenz „konnte den Eindruck des bevor- „Emanzipation – Frau im Konflikt“ vor 150 stehenden Endes der Männerherrschaft nicht Teilnehmerinnen die „vielzitierte Partner- vermitteln“. Insgesamt hätten die Gruppen die schaft“ als eine „Einschlafpille der Emanzipa- Gelegenheit zur eigenen Selbstdarstellung er- tion“ bezeichnete (3/75). Auch die kritische griffen, anstatt eine übergreifende Kooperati- Referentin der DAB-Tagung von 1971 Mecht- on in Gang zu bringen. „Intensive Abwehr jed- hild Fülles hatte auf einem positiven Emanzi- weder Autoritätsstrukturen“ und Verfahrens- pationsbegriff bestanden, den sie mit „Mün- regeln sowie fehlende Anträge hätten nicht digkeit“ gleichsetzte und sowohl gegen die nur bindende Beschlüsse, sondern auch not- von Politikern, Boulevardpresse und Frauen- wendige Diskussionen verhindert – z.B. über gruppen „zur Ware“ degradierten „Emanzi- ein „gemeinsames Publikationsorgan der Neu- pation“ als auch gegen „Gleichberechti- en Frauenbewegung“, die „Schaffung wenig- gung“ und „Partnerschaft“ abgrenzte (11- stens regionaler Kommunikationszentren“ 12/71). und eine „bundesweite Frauenorganisation Die Informationen richteten zwischen 1974 mit einheitlichem Thema im kommenden Früh- und 1976 zum Thema „Emanzipation der jahr“. Wenn die Frauengruppen aber so auf Frau“ eine unregelmäßig erscheinende Rubrik sich bezogen blieben und kein realistischer po- ein. Darunter wurde z.B. im September 1974 litischer Ansatz entwickelt würde, sah Ursula der ausführliche Bericht über eine „ökumeni- Linnhoff „schwarz für das Überleben einer sche Konsultation“ des Weltkirchenrates in Neuen Frauenbewegung in Deutschland“ West-Berlin veröffentlicht, in der sich 170 Teil- (4/73). nehmerinnen aus 49 Staaten mit dem Thema Der Sprachgebrauch in Linnhoffs Bericht „Sexismus in den Siebzigerjahren“ auseinan- vom April 1973 deutet an, dass um diese Zeit der setzten. In dem Konferenzbericht kam das der Begriff „Neue Frauenbewegung“ auf- Wort „Emanzipation“ allerdings nicht vor; tauchte, der den Ausdruck „Frauenemanzipa- statt dessen war von der „Herrschaft des Man- tionsbewegung“ bald ganz ersetzte, während nes“, von „Diskriminierung“, von der Not- das Stichwort „Emanzipation“ auch in den In- wendigkeit, „radikal“ zu sein, und dem Kon- formationen vorerst gebräuchlich blieb. Auf ferenzthema „Sexismus“ die Rede. Der Gene- der erwähnten Arbeitstagung des Deutschen ralsekretär des Weltkirchenrats, Rev. Dr. Philip Akademikerinnenbundes im Herbst 1971 hat- Potter, wurde als einziger männlicher Referent te Marianne Gatzke in ihrem Vortrag zum The- u.a. mit folgendem Sätzen zitiert: „Wir sind ma „Emanzipation – ein kultur- und geistes- unfähig zu begreifen, was Sexismus bedeutet, geschichtliches Phänomen“ von einer „erupti- weil wir selbst die Unterdrücker sind und die ven Plötzlichkeit“ gesprochen, mit der der Be- Hauptverantwortung für die Diskriminierung griff in den letzten Jahren „zum Allgemein- der Frau tragen. Die Frauen dagegen haben die gut“ geworden sei (11-12/71). Einstellungen und Verhaltensweisen der Män- Zwischen politischer Partizipation und Gesellschaftsveränderung

ner allzulange widerspruchslos hingenommen nen für die Sache der Frauen, die Ihnen und 70 und sie dadurch perpetuiert“ (9/74). uns den Weg geebnet haben“, zu verkennen. Obwohl der Begriff „Sexismus“ – neben Sie warnte vor der „irrigen Ansicht (...), ‚auf dem Begriff „Feminismus“ – in der Neuen der Straße‘ könnten offene Frauenfragen Frauenbewegung fortan die Rede von der gelöst werden“. Mit dem Slogan „mein Bauch Emanzipation weitgehend verdrängte, tauch- gehört mir“ sei „viel Bereitschaft zu partner- te er in den Informationen später kaum noch schaftlichem Gespräch verspielt worden“. Im auf. Die Rubrik „Zum Thema Emanzipation“ übrigen ließ Lemke wissen, dass sie „zur Zeit wurde dort zum letzten Mal im Oktober 1976 wenig von der Forderung nach paritätischer für einen Originalbeitrag der Pädagogin Prof. Vertretung beider Geschlechter im Parlament“ Maria Pauls verwendet. Sie nahm darin das Er- halte, da sie „wegen ihrer irrealen Zielvorstel- scheinen des Buches von Alice Schwarzer „Der lung keinen Ansatzpunkt für echte erfolgver- ‚kleine Unterschied‘ und seine großen Folgen“ sprechende Gespräche mit dem Ziel ‚ange- sowie die Fernsehdiskussion zwischen Schwar- messener‘ Vertretung der Frauen in den Parla- zer und Esther Vilar über deren Kritik der Neu- menten“ bilde (10/73). en Frauenbewegung zum Anlass, sich in einer Die Informationen brachten im gleichen wissenschaftlichen Arbeit mit der Frauenbe- Heft auch den öffentlichen Antwortbrief von wegung auseinander zu setzen (10/76). Ihre Ti- Hannelore Mabry: Sie habe „‚etablierte‘ oder telfrage: „Eine neue Phase der Frauenbewe- ‚nicht-etablierte‘ Frauen oder Frauengruppen“ gung?“ wäre für die Autorin positiv beant- nur dann angegriffen, „wenn sie unseren wah- wortet, wenn es nun gelänge, „die Zweige- ren Gegner – das Patriarchat – entweder bis schlechtlichkeit in ihrer Bedeutung für unsere jetzt nicht erkannt oder unterbewertet oder Kultur zu unterstreichen, wirksam werden zu wenn sie gar geholfen haben und weiterhin lassen und auszuwerten“. Mit ihrem Versuch, dabei helfen, dass unsere weibliche Arbeits- die Neue Frauenbewegung an den Maßstäben kraft zur Erhaltung des Patriarchats ‚abge- der alten Frauenbewegung vor 1933 zu mes- schöpft‘ wird“. Im übrigen wolle das Frauen- sen, war Maria Pauls eine der wenigen (über forum München gerne wissen, „was der Deut- die berichtet wird), die dem Feminismus mit ei- sche Staatsbürgerinnen-Verband unter einer ner Position aus den Frauenverbänden entge- ‚angemessenen‘ Vertretung der Frauen für gentrat. mehr als 50 v. H. der Wählerschaft versteht“ (10/73). Die Tatsache, dass Mabry, die Autorin des Konflikt und Kooperation Buches „Unkraut ins Parlament“ (1971), als Erste Vorsitzende eines Vereins, des Münche- Die erste Spitzenvertreterin der Frauenverbän- ner Frauenforums, auftrat, dürfte die Kontakt- de, die eine in den Informationen dokumen- aufnahme für eine „Etablierte“ erleichtert ha- tierte Auseinandersetzung mit feministischen ben. In den Frauengruppen der Neuen Frau- Positionen suchte, war Johanna Lemke, die enbewegung gab es zu dieser Zeit noch keine Vorsitzende des Deutschen Staatsbürgerinnen- – schon gar nicht formal – herausgehobenen Verbandes in Berlin. Sie schrieb im September Persönlichkeiten – und es sollte sie auch nicht 1973 einen offenen Brief an die Münchener geben. Es war also gerade dieser Umstand, der Feministin Hannelore Mabry, über deren frau- Hannelore Mabry trotz ihrer radikalfeministi- enpolitische Forderungen – z.B. 50 Prozent schen Argumentation zu einer Außenseiterin weibliche Bundestagsabgeordnete! – die in der Neuen Frauenbewegung machte.46 Stuttgarter Zeitung berichtet hatte. Ein Anlass des Schreibens, das auch den weiblichen Mit- Unter dem Dach der Evangelischen Akademie gliedern des Bundestages und der Geschäfts- Loccum kam es im Juni 1974 zu einer ersten stelle des DF zugeleitet wurde, war eine Be- dokumentierten Begegnung zwischen Vertre- merkung Mabrys, sie wolle „sich nicht mit ‚eta- terinnen der „neuen“ und „alten“ Frauenbe- blierten Frauenverbänden‘ über einen Kamm wegung. Unter dem Titel „Emanzipation zwi- geschert wissen“. Lemke rechtfertigte aus- schen den Fronten“ berichtete die Vorsitzende führlich den beschwerlichen Weg, den diese des Deutschen Frauenrats Irmgard von Mei- Verbände gingen, „auf dem viele kleine Schrit- bom über „Tage voller Spannung“ mit 120 te über einen langen Zeitraum getan werden Teilnehmerinnen: „Man wollte und mußte sich müssen“ und forderte Mabry auf, „bitte nicht der ‚Beunruhigung‘ stellen“. Die Themen der die Leistung der älteren wirklichen Kämpferin- sieben Gesprächskreise wurden aus dem Ple- Kapitel 3

num heraus „durch spontane Zurufe“ formu- beiden Seiten“ eine negative Bilanz der Kon- liert und spiegelten eine diesem Verfahren ent- takte „zwischen den unterschiedlichen Frau- 71 sprechende gewisse Dominanz feministischer engruppen“ gezogen. „Diskriminierung und Themen: Traditionelle Frauenverbände – Femi- Diffamierung, mangelnde Bereitschaft zur In- nistinnen – Abbau von Hierarchie; Frauenpar- formation, Urteile ohne den Versuch vorheri- tei – Feministinnenpartei?; Emanzipation ger Information, verhindern z. Zt. noch ‚echte‘

Workshop in Berlin durch Erwerbstätigkeit? Sexualität und Herr- Gespräche bzw. das Entstehen eines gegen- „Erlebte Geschichte“ mit schaft, Männeremanzipation, Scheidungsrecht seitigen Vertrauens“ (4/75). Es sei aber auch Vertreterinnen des und Kirche für Frauen? deutlich geworden, dass es dem „gemeinsa- Deutschen Frauenrates Die Kontroversen spitzten sich auf dieser Ta- men Anliegen – einer Verbesserung der Situa- und autonomen Frauen im Jahr 1977. gung eher zu. So wurde der Meinung, dass die tion der Frauen im nationalen und internatio- (V.l.n.r.): unbekannt, traditionellen Frauenorganisationen „im eige- nalen Bereich“ – nicht förderlich sei, „beste- Käthe Kuse von L 74, nen Saft schmoren“ und „in Wirklichkeit der hende unterschiedliche, z.T. stark voneinander Hilde Rasch, Verband verlängerte Arm der Männerherrschaft“ seien, abweichende Vorstellungen um eines unreali- weiblicher Angestellter, „leidenschaftlich“ von den Frauen widerspro- stischen ‚Harmoniebildes‘ willen zu verwi- Ingrid Schmidt-Harzbach, chen, für die diese Organisationen „Helfer auf schen“. Die Berichterstatterin und DF-Vorsit- Dozentin der Veranstaltung, dem Weg zu emanzipierter Partnerschaft“ wa- zende benannte diese Unterschiede folgen- Johanna Lemke, Deutscher Staatsbürgerinnen-Verband ren. Dennoch habe man sich „um Offenheit dermaßen: „Veränderungen im Rahmen be- (...) und um Toleranz“ bemüht, „auch wenn es stehender Organisationen und Institutionen, oft nicht leicht fiel“, und sich bestätigt, „daß z.B. mehr Mitarbeit von Frauen in Parteien, Ge- man letztlich aufeinander angewiesen ist und werkschaften, Kirchen und Verbänden“ auf daß das begonnene Gespräch fortgeführt wer- der einen Seite. „Keine ‚Organisierung’ im den muß“ (7-8/74). Rahmen des bestehenden Institutionssystems Zwar ist es nicht zu der „Einrichtung einer – Feministinnenpartei – Veränderungen außer- Clearingstelle (...) zur gegenseitigen Informati- halb der bestehenden Ordnung etc.“ anderer- on und Kommunikation“ gekommen, die im seits. In einer „Anmerkung der Redaktion“ zu Juni 1974 vorgeschlagen wurde, doch hat diesem Bericht wird Der Spiegel mit dem Bon- tatsächlich im April 1975 eine Fortsetzungsta- mot zitiert, dass die „Flitterwochen der un- gung in Loccum stattgefunden. Allerdings gleichen Schwestern (...) nicht lange gedau- wurde bei diesem Treffen – nach dem Bericht ert“ hätten (4/75). Dessen ungeachtet wurde von Irmgard von Meibom – „trotz des positi- die auch auf diesem desillusionierenden Tref- ven Engagements einiger Repräsentanten auf fen erneut eingegangene Selbstverpflichtung, Zwischen politischer Partizipation und Gesellschaftsveränderung

die Kontakte auf Bundesebene und regional vorging, dass die Beschwerde eine Klage beim 72 nicht abreißen zu lassen bzw. aufzubauen, zu- Landgericht Hamburg begleitete. 10 überwie- mindest teilweise eingelöst. gend prominente Frauen hatten sich auf In- Im September des gleichen Jahres berichte- itiative von Emma zusammengetan, um den ten die Informationen über ein „Kontaktge- stern zu verklagen: außer Alice Schwarzer u.a. spräch mit Feministinnen“, das der Vorstand die Schauspielerinnen Inge Meysel und Erika des Deutschen Frauenrates am 15. Juli 1975 Pluhar, die Regisseurin Margarete von Trotta, mit 11 Vertreterinnen autonomer Frauengrup- die Schriftstellerin Luise Rinser und die Psycho- pen, „unter ihnen Alice Schwarzer“, geführt analytikerin Margarete Mitscherlich. Die Frau- habe. In ihren Einführungsworten warben en forderten, dass der stern dazu verurteilt „Frau v. Meibom für den Deutschen Frauenrat werde, „es zu unterlassen, die Klägerinnen da- und Alice Schwarzer für die Feministinnen“ für durch zu beleidigen, dass auf den Titelseiten Toleranz und Respekt gegenüber anderen des Magazins stern Frauen als bloße Objekte Standpunkten, anschließend ließen sich die sexueller Lust abgebildet werden und dadurch Vertreterinnen des DF über die „Aktivitäten beim männlichen Betrachter den Eindruck er- der neuen Frauengruppen“ unterrichten wecken, er könne beliebig über die Frau ver- (9/75). fügen und sie beherrschen“. Dies sei, fügte die In einem Rückblick aus dem Jahr 1995 stell- Emma hinzu, „in der BRD der erste Prozess te sich diese Begegnung für Irmgard von Mei- überhaupt, der wegen ‚Sexismus‘, das heißt bom als der entscheidende Durchbruch zur Ko- wegen der Diskriminierung eines Geschlechts, operation mit der autonomen Frauenbewe- gegen eine Zeitschrift geführt wird“ (7-8/78). gung dar. Nicht nur sei den Mitgliedsverbän- Auch in West-Berlin hatten sich inzwischen den des DF und den autonomen Gruppen mit- die „ungleichen Schwestern“ einander ange- geteilt worden, „daß es bei Respektierung und nähert. Die Informationen übernahmen im Ok- Artikulierung unterschiedlicher Auffassungen tober 1977 einen Bericht aus der Stuttgarter sinnvoll und hilfreich für die Frauen sein könn- Zeitung über eine dreitägige „Berliner Frauen- te, auch Gemeinsamkeiten anzuerkennen und konferenz“ mit 600 Frauen „zwischen acht- zu praktizieren“. Darüber hinaus hätten seit- zehn und achzig“, die anlässlich der 1978 an- dem Alice Schwarzer und sie selbst „in diesem stehenden Europawahlen von der EG und dem Sinne manches Mal gemeinsam gewirkt, Inter- Berliner Senat finanziell gefördert wurde. Un- views gegeben, an Podiumsdiskussionen teil- ter dem weitgefassten Thema „Was erwarten genommen“ und – so fügte sie distanzüber- die Frauen von Europa?“ wurden nach mehre- windend hinzu: „Wir haben das gern getan“ ren einleitenden Referaten von „Vertreterin- (2/95). nen der traditionellen Frauenverbände und der Im Sommer 1978 kam es sogar zu einer autonomen Frauenbewegung“ 20 Arbeits- spektakulären gemeinsamen Aktion: Der gruppen gebildet. Dabei hätten die „sich ge- Deutsche Frauenrat schloss sich ausdrücklich genseitig gern als ‚alte Tanten‘ und ‚Linksradi- einer Beschwerde Alice Schwarzers als Her- kale‘ beschimpfenden Parteien“ einander an- ausgeberin der feministischen Frauenzeit- genähert und erkannt, dass es „bei aller un- schrift Emma gegen die Zeitschrift stern mit ei- terschiedlicher Auffassung (...) doch viele Pro- nem eigenen Schreiben an den Deutschen bleme (gab), die sich gemeinsam besser an- Presserat an. Er forderte den Presserat auf, packen und eher lösen lassen könnten“ dem Herausgeber und dem Chefredakteur we- (10/77). Die Teilnehmerinnen konnten sich auf gen eines Titelbilds zum Farbbericht „St. Pauli mehrere Forderungen an die Europäische Ge- – das deutsche Reich der Sinne“ vom 8. Juni meinschaft einigen, die zur gleichen Zeit für 1978 „eine Rüge zu erteilen“. Das Titelbild sei die Bundesrepublik noch undenkbar waren: „in hohem Maße geeignet, (...) in der Öffent- die „paritätische Besetzung des zu wählenden lichkeit die Würde der Frauen herabzusetzen.“ Europa-Parlaments und der EG-Kommission“ Dabei handele es sich „nicht um eine einmali- sowie „aller Stellen der EG-Behörden“ mit ge Entgleisung“. Der stern trüge „durch die Frauen und Männern; die Einführung eines Herausstellung falscher Leitbilder dazu bei, in Quotenverfahrens für Ämter und Mandate in der Öffentlichkeit das Bild der Frau zu verzer- allen Parteien, Gewerkschaften und Verbän- ren“ (7-8/78). den entsprechend den weiblichen Mitglieder- Die Informationen veröffentlichten diese anteilen; die Verabschiedung eines „sex discri- Meldung zusammen mit einer längeren Presse- mination act“ nach englischem Muster im ge- Mitteilung der Emma-Redaktion, aus der her- samten EG-Bereich und den „Abbau der Frau- Kapitel 3

endiskriminierung bei Berufswahl und Berufs- worten gegeben würden. So sei der „Pro- ausübung“! Zum letzten Punkt wurde die EG blemkreis geschlagene Frauen, der zur Grün- 73 aufgefordert, auf die Bundesregierung Druck dung des ersten Frauenhauses führte“, das auszuüben, „nach dem Beispiel aller anderen „Feministische Frauengesundheitszentrum“ EG-Länder“ endlich „bis August 1978 einen und das Notruf-Telefon für vergewaltigte Frau- Bericht über die Diskriminierung der beruf- en entstanden. Eine Schriftstellerinnengruppe, stätigen Frau“ vorzulegen. eine Karategruppe und eine Gruppe „Offensi- In dem Bericht über diese „Berliner Frauen- ves Altern“ werden erwähnt sowie „Teestuben konferenz“ wurden die Leserinnen der Infor- in den meisten Bezirken“. Vor allem wollte die mationen zum wohl einzigen Mal mit dem Autorin vermitteln, dass sich mit der autono- Slogan „Lohn für Hausarbeit“ konfrontiert, men Frauenbewegung „ein neues Kulturmu- der in diesen Jahren von einem Teil der auto- ster“ ankündige. „Jeden Tag entsteht etwas nomen Frauenbewegung als Radikalforde- Neues und löst sich etwas auf. Frauen geben rung vertreten und von anderen Feministin- Freizeit und Geld, helfen, sorgen sich und tun nen (darunter Alice Schwarzer) als „reak- in der von allen verlästerten modernen Welt tionär“ abgelehnt wurde. Ohne diese Kontro- soziale Werke, die niemand sieht“ (1/79). verse zu erwähnen, brachte der Konferenzbe- Dieser Einblick in das Leben einer neuarti- richt zum Ausdruck, dass die anwesenden jun- gen autonom-feministischen Projektekultur gen Befürworterinnen dieser Forderung of- fenbar nicht nur darüber belehrt wurden, dass ihre „Schwestern von gestern“ bereits 1904 Lohn für Hausarbeit verlangt hätten, sondern dass sie bei den Vertreterinnen der Frauenver- bände auch Unterstützung fanden. Bei den Forderungen, auf die sich beide Seiten einigen konnten, habe „die Anerkennung der Haus- arbeit als gesellschaftlich notwendige Arbeit (...) ganz obenan“ gestanden; „sie sollte ihren Ausdruck zumindest in der rentenrechtlichen Anerkennung von Erziehungszeiten als Bei- tragszeiten finden“. Die „Erste Berliner Frauenkonferenz“ vom September 1977 wurde im Januar 1979 noch einmal gelobt – und zwar in einem „Rückblick auf das ‚Jahr der Frau’“ von Hilde Radusch. Be- merkenswert an diesem Artikel ist die an- schauliche Schilderung der „Erweiterung weiblicher Lebensformen“ in Berlin durch die Irmgard Jalowy, unterschiedlichsten autonomen Frauengrup- blieb in den Informationen singulär. Das war si- Vorsitzende des pen. Sie wurde dem Aufruf Annemarie Ren- cher nicht das Ergebnis von Abwehr oder Des- Deutschen gers an die Frauen im Jahr der Frau entgegen- interesse, sondern vor allem der Tatsache ge- Frauenrates, spricht auf einer gehalten, „sich am eigenen Schopf“ hervor- schuldet, dass Berichte für die „etablierte“ Großkundgebung zuziehen, weil niemand „uns wesentlich dabei Presse nicht in das Verständnis von Öffentlich- des DGB 1996 helfen“ werde. Es werde nicht zur Kenntnis ge- keit dieser Phase der autonomen Frauenbewe- nommen, schreibt Radusch zu dieser Auffor- gung passten, die vor allem die Hochzeit der derung der Bundestagspräsidentin, dass „tau- „Frauenzentren“ war.47 Zur Planung und sende von Frauen schon dabei waren, sich am Gründung des Feministischen Frauen-Gesund- eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen“. heitszentrums, das sich aus dem Berliner Frau- Sie berichtete u.a. von den erstaunlich unter- enzentrum herauslöste, konnten Berichte schiedlichen Aufgaben des West-Berliner Frau- übernommen werden (6/77 und 10/78), und enzentrums, z.B. „Beratungen für Scheidung, über die entstehende Frauenhausbewegung für Mietfragen, Schwangerenberatung, Ver- wie auch über „feministische Theologie“ wur- hütungs- und Sterilisationsberatung“. Außer- den die Leserinnen auch durch Originalbeiträ- dem entstünden durch entsprechende Fragen ge informiert. Dem Thema „Neuer Feminismus von Frauen „immer wieder neue Problemstel- in den USA“ war 1978 ein ganzes Sonderheft lungen“, wozu Fachkräfte organisiert und Ant- gewidmet. Zwischen politischer Partizipation und Gesellschaftsveränderung

Grenzverschiebungen im Mai des gleichen Jahres hatte eine andere 74 (Berliner) Feministin, Cornelia Mansfeld, über Beim Thema Frauenhäuser für geschlagene „Ausländerinnen im Frauenhaus“ berichtet Frauen wurde die kritische Haltung der Frau- (5/78). Die Grenze zwischen „neuer“ und „al- enverbände gegen die Neue Frauenbewegung ter“ Frauenbewegung wurde im folgenden zu- zuerst aufgebrochen. Ein Aufsatz über „Die sätzlich dadurch verwischt, dass die traditio- Frauenhäuser – Zufluchtstätten des weiblichen nellen Frauenverbände sich später auch an Elends“ im Februar 1978 berichtete über Ur- Frauenhausgründungen mit feministischen sachen, Strukturprobleme und unterschiedli- Zielsetzungen beteiligten. che Ansätze der Frauenhäuser oder Frauen- haus-Initiativen in mehreren Großstädten. Die Dass Feministinnen anfingen, für die Informa- Autorin Barbara Bortfeldt bemühte sich in tionen zu schreiben, ohne als solche vorge- ihrem ausführlichen Beitrag für die Informa- stellt zu werden, kann als weiteres Kennzei- tionen, die autonom-feministischen Selbsthil- chen der Grenzüberschreitung zwischen „al- fegruppen und die radikalfeministischen Initia- ter“ und „neuer“ Frauenbewegung gewertet tiven, denen es auch um „Systemüberwin- werden. Zunehmend fanden längere Abhand- dung“ ginge, ohne Wertung neben die nicht- lungen über Themen Eingang in die Zeitschrift, feministischen Ansätze zu stellen, die aus so- die auch in feministischen Zeitschriften behan- zialem Engagement, gesellschaftspolitischem delt wurden: z.B. „Die Emanzipation der Frau Reformwillen oder eigener Erfahrung Frauen in und das Ende der Wachstumsgesellschaft“ von Not helfen wollten (2/78). Als Sozialarbeit fan- Alena K. Wagnerová (3/80 und 5/80). „Frauen- den auch die feministischen Initiativen offen- Studien in den USA“ von Hannelore Schröder sichtlich schneller das Verständnis „etablier- (7-8/80), „Das neue Rollenverständnis der Vä- ter“ Frauen als andere feministische Projekte, ter“ von Ruth Martin (10/80), „Frauenfilm – auch wenn die traditionellen Frauenverbände was ist das?“ von Heide Schlüpmann/Carola zunächst eher nichtfeministische Ansätze der Gramann (2/82), „Richtlinien zur Vermeidung entstehenden Frauenhausbewegung förder- sexistischen Sprachgebrauchs“ von Senta Trö- ten. mel-Plötz/Ingrid Guentherodt/Marlis Hellin- Gretl Rueff war z.B. die erste Vorsitzende ger/Luise F. Pusch (9/82), „Vom Patriarchat zur des Vereins für Fraueninteressen im Frauenring Männergesellschaft“ von Alena K.Wagnerová Bayern, der gemeinsam mit der städtischen (10/82), „Sucht und Emanzipation“ von Sibyl- Sozialverwaltung das Münchener Frauenhaus le Plogstedt (7-8/88), „Neuer Weiblichkeitsmy- errichtete. Die Informationen brachten einen thos? Nein danke“ von Claudia Pinl (5/93). Auszug aus dem Protestbrief Rueffs gegen die München betreffenden Passagen des Artikels Im Jahre 1981 widmeten die Informationen von Bortfeld sowie Auszüge aus deren Ant- ein ganzes Heft der „Situation der Frau als The- wort (7-8/78). Darin erläuterte sie, warum sie ma der Literatur“ (4/81). Die Herausgeberin- behauptet hatte, dass das Münchener Kon- nen der neuen Taschenbuchreihen von eta- zept lediglich von einem fürsorgerischen An- blierten Verlagen, die in der Folge der Neuen satz ausginge und dass die dortige „Autono- Frauenbewegung den „Frauenmarkt“ ent- me Initiative (Aktion Frauenhaus)“ von der deckt hatten, stellten ihre Konzepte vor: An- Münchener Sozialverwaltung umgangen wor- gela Praesent für Rowohlts „neue frau“; Su- den sei. Der relativ breite Raum, den die Re- sanne von Paczensky für Rowohlts „Frauen ak- daktion der offensichtlich feministischen Au- tuell“; Gisela Brinker-Gabler für Fischers „Die torin gegenüber der Kritikerin aus den eigenen Frau in der Gesellschaft“; und Ludwig Muth Reihen einräumte, spricht auch für die Sympa- für die Frauentaschenbuchserie des Herder- thie, mit der das Ringen um „Objektivität“ und Verlags, die von Sonja Schmid-Burgk betreut „Wertfreiheit“ gerade bei einer Vertreterin der wurde. Erika Wisselinck stellte die feministi- anderen Seite honoriert wurde. Mehrfach hat- schen Verlage vor, die als „literarische Frauen- te Bortfeld nämlich in ihrer Antwort darum ge- selbsthilfe“ begonnen hatten. beten, ihre Formulierungen „nicht als Wer- Die gegenseitige Annäherung von Frauen- tung“ zu verstehen – oder „bitte nur in dem verbänden und Neuer Frauenbewegung war Sinne, daß ich der Meinung bin, alle Kräfte, die punktuell und kein kontinuierliches „Zusam- sich des Problems der Misshandlung von Frau- menwachsen“. Grenzen wurden immer wie- en und Kindern, der Gewalt in der Familie an- der sichtbar. Über einen grundlegenden Kon- nehmen, hätten Förderung verdient“. Schon flikt berichtete Rita Süssmuth in ihrem öffent- Kapitel 3

lichen Vortrag auf der Mitgliederversammlung des Deutschen Frauenrates 1983 zum Thema 75 „Frauenforschung für Frauen? Notwendigkei- ten und Fragestellungen der achtziger Jahre“. Die Gründung des landeseigenen Forschungs- instituts „Frau und Gesellschaft“ unter der Lei- tung von Süssmuth in Hannover war 1982 in der „Courage“ und in den „Feministischen Studien“ scharf angegriffen worden. Die Aus- sage der Gründungskommission, dass in dem neuen Forschungsinstitut „Frauenforschung nicht losgelöst von Männerforschung“ betrie- ben werden solle, löste im Zusammenhang mit der Tatsache, dass es sich um „staatlich geför- derte, institutionalisierte“ Forschung handelte, heftige Kritik aus. Es werde unterstellt, so Süs- smuth, „daß die Gründung in einem CDU-re- gierten Land von vornherein beinhaltet, daß Was ist feministisch? die so finanzierte Forschung dem Erhalt der Die Präsidentin des traditionellen Frauenrolle diene“ (11-12/83). Bundesverfassungsgerichtes, Rita Süssmuth reagierte hier nicht mehr auf Jutta Limbach, 1994 die Kritik autonomer Frauengruppen oder -initiativen, sondern auf die offiziellen Vertre- lichen Vortrags zum Thema „Was ist femini- terinnen der 1978 gegründeten „Sektion Frau- stisch?“ wünschte sie dem Frauenrat „für das enforschung in der Deutschen Gesellschaft für kommende Jahrhundert einen ungebrochenen Soziologie“, die eines der ersten Ergebnisse ei- feministischen Geist und eine unermüdliche ner Institutionalisierung der Neuen Frauenbe- feministische Tatkraft, bis dereinst das Gleich- wegung war (1/81). Waren mit dieser Grün- berechtigungsversprechen unseres Grundge- dung die feministischen Wissenschaftlerinnen setzes erfüllt ist“ (11-12/94). der „etablierten“ Wissenschaft institutionell einen Schritt entgegengekommen, so über- raschte Süssmuth ihrerseits mit einem radikal klingenden Fazit ihres Vortrags: Forschung könne „nicht einseitig systemorientiert erfol- gen und die Entfaltungschancen von Frauen in die engen Schranken des Systems verweisen“. Frauenforschung sei „ein wesentliches Ele- ment der politischen Auseinandersetzung mit Frauenfragen“, die im Rahmen ihrer Möglich- keiten „gesellschaftlichen Druck ausüben“ könne (11-12/83). Neben der Institutionalisierung der Neuen Frauenbewegung und der Entstehung von Frauenbündnissen wie der „Fraueninitiative 6. Oktober“ (6/81) sowie der Ausbreitung eines Netzes kommunaler und funktionaler Gleich- stellungsstellen haben solche feministischen Statements von etablierten „Spitzenfrauen“ zur weiteren Annäherung der zunächst so „ungleichen Schwestern“ erheblich beigetra- gen. Einen vorläufigen Höhepunkt markierte die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und bekennende Feministin Jutta Limbach in der Mitgliederversammlung des Deutschen Frauenrats 1994. Zum Abschluss ihres öffent- Zwischen politischer Partizipation und Gesellschaftsveränderung

76 Frauen im deutschen Einigungsprozess

Unter diesem Thema kam es vom 19. bis 21. len Deutschlands unterschiedlich etabliert, April 1990 zum ersten Ost-West-Frauentref- verschieden wahrgenommen und sehr diffe- fen, das vom Deutschen Frauenrat initiiert renziert erlebt. Dasselbe gilt für Benachteili- wurde (6/90). Mit 37 DDR-Frauen reisten 10 gungen von Frauen. Selbst in Punkten, an de- Kinder nach Bad Neuenahr, was die Organisa- nen das Unrecht zum einstimmigen Schreien torinnen vorsorglich eingeplant hatten. Dieser Anlaß geben müsste – sei es auf dem Arbeits- erste offizielle Kontakt – in den Informationen markt, beim Paragraphen 218 oder den Pro- im Juni-Heft dargestellt – war ein Versuch, im blemen ausländischer Frauen – überall kom- deutschen Einigungsprozess die Forderungen men, wenn es heute zur Sache geht, Ver- der Frauen zu bündeln und „ihnen eine Stim- schiedenheiten zum Vorschein, die viele längst me“ zu geben. Deutlich wurde allerdings, dass schon unter der deutschen Einheitsdecke ver- diese und spätere deutsch-deutsche Begeg- schwunden glaubten.“ (6/98). nungen mehr auf Differenzen und Missver- ständnisse als auf Einstimmigkeit hinausliefen. Fast 40 Jahre lang waren offizielle Kontakte Während der DF von Anfang an eine organi- und Informationsaustausch zwischen Ost- und sierte Verbandsarbeit als wichtiges Mittel an- Westfrauen die Ausnahme gewesen bzw. auf sah, um Fraueninteressen in Ost und in West seltene internationale Tagungen beschränkt durchzusetzen, (miss)verstanden viele DDR- geblieben. Die Informationen hatten seit Frauen das als neuerliche Zentralisierung und ihrem Erscheinen 1952 nur unregelmäßig über als Einengung ihrer nun selbstgewählten Pro- die Frauen im anderen deutschen Staat be- jektearbeit, sprich basisdemokratischen Ar- richtet. Nora Melle, 1951 Vorsitzende des ID beit. Andererseits stellten die Frauen aus den und 1947 Mitgründerin des ostdeutschen De- Reihen des DF mit Unverständnis fest, dass die mokratischer Frauenbund Deutschlands Schwestern im Osten vor allem in „Vater (DFD), forderte z.B. im ersten Heft 1952 vom Staat“ den Verantwortlichen für die Durchset- DFD, sich für die Freilassung politischer Ge- zung ihrer Rechte und Wünsche sahen. fangener in der sowjetische Besatzungszone Acht Jahre nach der staatlichen Vereini- einzusetzen. Einen weiteren Kontakt zwischen gung resümierten die Informationen in ihrem ost- und westdeutschen Frauenverbänden ver- Editorial im Juni-Heft 1998: „Gleichberechti- meldeten die Informationen 1955, als die Vor- gung und Gleichstellung wurden in beiden Tei- sitzende des Deutschen Frauenrings ein An- gebot des DFD zur Zusammenarbeit gegen die „Remilitarisierung“ der Bundesrepublik als ein Beilage 1998 propagandistisches und damit undiskutables Angebot ablehnte (5/55). Über „erwerbstäti- ge Frauen in Mitteldeutschland“ (3/65) erfuh- ren die LeserInnen und dass die „Gleichbe- rechtigung (...) auch in der DDR noch nicht er- reicht“ sei (7-8/77). Meldungen aus dem Bun- desinnenministerium informierten und warn- ten in den fünfziger Jahren vor kommunisti- schen Organisationen, ihren Publikationen und Veranstaltungen in der Bundesrepublik. Bis weit in die achtziger Jahre erhielten die Le- serinnen sehr selten sachliche Informationen über den DDR-Frauenalltag. Im Juni 1988 und im Mai 1989 berichteten die Informationen erstmals über zwei Treffen zwischen Frauenverbänden aus Ost und West, nämlich des Deutschen Landfrauen-Verban- des, dessen Vertreterinnen in die DDR fuhren (6/88), und des DF, der in Bonn eine Frauen- delegation aus der DDR empfing (5/89). Die gegenseitigen Informationsdefizite waren eine Kapitel 3

Folge des Kalten Krieges und wurden auch für lerbesuch im November 1989 in die DDR auf- die Frauen offensichtlich, als 1990 die Mauer zunehmen. An den Bundeskanzler richtete sich 77 fiel. im April und Mai 1990 auch die Bitte, den Frauenrat zu einem Gespräch zu empfangen. „Mauer weg – was nun?“ Diese Frage regte Bundesfrauenministerin Ursula Lehr war im 1990 dazu an, die unterschiedlichen Erfahrun- Mai Adressantin eines Vorschlages, gemein- gen und Positionen von Frauen aus Ost und sam mit dem Frauenrat das Thema Frauen und West zur Kenntnis zu nehmen und sich ge- Einigungsprozess zu erörtern. Ebenfalls im Mai genseitig respektieren zu lernen. Auf der Mit- schlug der DF dem Bundestagsausschuss gliederversammlung des Deutschen Frauenra- „Deutsche Einheit“ eine Anhörung mit Exper- tes am 18. und 19. November 1989 wurde be- tinnen aus den Frauenverbänden vor. Mini- reits das gegenseitige Kennenlernen mit der sterpräsidenten der Bundesländer bzw. Bür- „Hoffnung auf neue Impulse“ für die Ver- germeister der Stadtstaaten erhielten vom DF bandsarbeit in West wie Ost (11-12/90) ver- und den Landesfrauenräten die Aufforderung, bunden. Diese auf langsames und behutsames „sich für die Belange der Frauen stark zu ma- „Zusammenwachsen“ orientierte Herange- chen“ (11-12/90). hensweise an den sich rasant entwickelnden Einigungsprozess gibt rückblickend eine Ant- wort auf die Frage, warum sich der DF nicht in Eklatante Missachtung die Wahlkämpfe der beiden einzigen DDR- Frauenverbände Unabhängiger Frauenver- Ein Forderungskatalog des Deutschen Frauen- band sowie DFD48 zu den Wahlen der Volks- rates an die Bundestagspräsidentin vom 14. kammer und den Kommunen im März und August 1990 verlangte die Änderung der Arti- Mai 1990 eingemischt hatte und Zurückhal- kel 3 und 6 des Grundgesetzes, damit „bis zu tung bewahrte. Im übrigen gebot das Selbst- einer tatsächlichen Herstellung gleicher Lebens- verständnis als Frauen-Dachverband dem DF, chancen für Frauen und Männer besondere einen anderen Weg der Einflussnahme auf den Maßnahmen zur Förderung des benachteilig- Einigungsprozess zu nehmen. ten Geschlechts ausdrücklich zugelassen wer- Gleichzeitig warb der DF in seinem Publika- den und eine staatliche Aufgabe darstellen“. tionsorgan Informationen für die Frau für ein Weitere Forderungen waren eine Arbeits- tieferes Verständnis der Probleme der Frauen in marktpolitik mit konkreten Förder-, Fortbil- den neuen Bundesländern und veröffentlichte dungs- und Vermittlungsmaßnahmen vor al- eine Vielzahl von Beiträgen und Meldungen lem für die durch die Kündigungswelle betrof- zum Thema „DDR-Frauen“. Zum Beispiel ver- fenen Frauen und der Erhalt der Kinderbetreu- suchte Virginia Penrose, Politikwissenschaftle- ungseinrichtungen in der DDR. rin aus Berlin, (11-12/91) einen historischen „Die Mitgliedsverbände des Deutschen Rückblick auf die DDR-Frauenpolitik zu geben, Frauenrates haben große Sorge, dass die deut- während die Leipziger Historikerin Petra sche Einheit sich zu Lasten der Lebenssituation Rantzsch im gleichen Heft über die Frauenfor- von Frauen und Kinder auswirken wird, wenn schung in der DDR informierte. Sibylle Plog- nicht von vornherein ihre Belange berücksich- stedt berichtete unter dem Titel „Vom runden tigt werden“, schrieb der DF im August 1990 Tisch in die Volkskammer?“ über den Unab- an den Bundeskanzler, den Chef des Bundes- hängigen Frauenverband (3/90), und 1991 kanzleramtes, den Innenminister, die Frauen- meldeten die Informationen gewissermaßen ministerin und die Vorsitzende des Bundes- als Geburtshelferin die Gründung des Sächsi- tagsausschusses „Deutsche Einheit“ (9/90). schen Frauenforums, des überfraktionellen Von den Politikerinnen und Politikern wurde Frauenbündnisses in Dresden (11-12/91). unmissverständlich verlangt, dass im deutsch- Nach bewährter Strategie wandte sich der deutschen Staatsvertrag die „Gleichstellung Frauenrat nun mit Forderungen und Vorschlä- von Frauen und Männern in allen Bereichen gen an die Machtzentralen der Bundesrepu- des gesellschaftlichen Lebens“ abzusichern sei. blik. Ein interner Fachbeirat „Deutsche Ein- Der Frauenrat hielt öffentliche Kundgebungen heit“ fungierte als Beraterinnengremium des nicht für ausgeschlossen, „um die eklatante Vorstandes (6/90). Mißachtung der Interessen der Hälfte der Be- Bundeskanzler Helmut Kohl wurde der Vor- völkerung anzuprangern“. Doch die ange- schlag unterbreitet, Vertreterinnen der Frau- sprochenen PolitikerInnen reagierten 1990 enverbände in seine Delegation für den Kanz- nicht auf die Forderungen und Vorschläge des Zwischen politischer Partizipation und Gesellschaftsveränderung

größten deutschen Frauendachverbandes. Die antwortungsdefizit der Ostfrauen: „Augen- 78 Briefe, Angebote und Forderungen blieben blicklich ist es weitgehend noch so, dass wir entweder unbeantwortet oder die Reaktionen ‚für’ die Frauen in den neuen Ländern spre- aus der Regierung erfolgten erst nach dem Ei- chen. Unser Ziel muß es sein, dass diese Frau- nigungsvertrag im August 1990. en ihre Angelegenheiten in die eigenen Hände Auf der Mitgliederversammlung im Novem- nehmen.“ (1/92). ber 1990 resümierte der DF in aller Offenheit: Mit Sicherheit hätten die in den neuen Län- „Es ist festzustellen, dass der Deutsche Frau- dern agierenden Frauen aus den neuen Ver- enrat und seine Mitgliedsverbände zu keinem bänden und in den neuen Projekten diese Auf- Zeitpunkt eine reelle Chance hatten, auf die fassung nicht widerspruchslos hingenommen. Beratungen und Verhandlungen über das Zu- Doch noch waren diese Frauen nicht im DF, sammenwachsen der beiden deutschen Staa- wenn auch vereinzelt bereits in den Berufsver- ten entscheidend Einfluß zu nehmen.“ (1/91) bänden, zu finden. Das Thema Einigungsprozess war damit aller- dings für den DF nicht von der Tagesordnung. Die Mobilisierung der Ostfrauen für frauenpo- „Erst im Verband litische und nun gemeinsame Aufgaben wur- ist Frauenarbeit stark“ de als ein nächster Schritt im deutsch-deut- schen Einigungsprozess angesehen. Auf die Suche nach ihnen begaben sich im Juni Die neue und alte ostdeutsche Frauenbe- 1991 die Vorstandsmitglieder Heide Ott und wegung wiederum setzte andere Prioritäten Siglinde Porsch und die Geschäftsführerin Hanne Pollmann. Die Reise führte die Vertre- terinnen des Frauenrates durch acht Städte in den neuen Bundesländern (7-8/91), um „aus erster Hand über ihre [der Frauen] Lebenssi- tuation in den neuen Ländern vor und nach der Vereinigung Informationen zu erhalten“. Das Fazit der Informationsreise in den Osten veröf- fentlichten die Informationen im Sommer-Heft 1991: Die Lage der Frauen ist ernst und Un- terstützung tut not. Nach Auffassung des DF sollte diese Unterstützung durch die Förderung und den Aufbau von Frauenverbandsarbeit in die Tat umgesetzt werden. Drei Informations- seminare in den neuen Ländern im September und Oktober 1991 standen deshalb unter dem Thema „Erst im Verband ist Frauenarbeit stark – wer vertritt eigentlich die Fraueninteressen?“ (11-12/91). Das Sonderprogramm der Bundesregierung „Aufbau und Förderung von Frauenverbän- den, Frauengruppen und -initiativen in den TOP ‘99 in Düsseldorf: neuen Bundesländern“ ermöglichte dem DF Auftritt Dagmar Schipanskis und sah ihre Schwerpunkte in der sozialen Ar- von Februar 1992 bis Dezember 1995 das Pro- (l.), Kandidatin für das beit vor Ort – wie der sich umstrukturierende jekt „Verbindungsbüros“ (1/96), das in jedem Bundespräsidentenamt, Demokratische Frauenbund Deutschlands – neuen Bundesland eine Kontaktstelle zum am Stand des Deutschen und im politischen Widerspruch zur BRD-Do- Aufbau von Frauenverbandsstrukturen vorsah Frauenrates, daneben die Vorsitzende des DF, minanz – wie der Unabhängige Frauenver- (2/92). In Schwerin, Berlin, Potsdam, Halle, Helga Schulz band. Chemnitz und Halle begannen die Büros im „Freiheit ist ohne Verantwortung nicht zu Frühjahr 1992 für vier Jahre ihre Arbeit, perso- haben“, zitierten die Informationen die Bun- nell besetzt jeweils als „Ost-West-Tandem“ desfrauenministerin Angela Merkel (11- und finanziell gefördert vom Bundesministeri- 12/91). Die Vorsitzende des DF, Brunhilde Fa- um für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. bricius, verwies in ihrem Bericht an die Mit- „Ohne die Einbeziehung der gesellschaftspoli- gliederversammlung am 23./24.11.1991 auf tischen Vorarbeit im vorparlamentarischen ein nach ihrer Ansicht noch vorhandenes Ver- Raum bliebe die parlamentarische Arbeit ein Kapitel 3

rein legislativ-normatives Unterfangen ohne zwischen Ost und West erkennen. Auf der Ta- Bezug zu den Lebensräumen und den Erfah- gesordnung stehen heute für das gesamte 79 rungsschätzen der Menschen! Nicht zuletzt Deutschland Themen, um deren Durchsetzung vor diesem Hintergrund erhielt der Deutsche der DF – wie in anderen Kapitel dargestellt – Frauenrat 1992 den Auftrag, am Aufbau und bereits seit vielen Jahren gestritten hat und die an der Zusammenführung von Frauenverbän- heute im Westen wie im Osten aktuell sind. den, -organisationen, -initiativen und -projek- ten in den neuen Bundesländern und Ost-Ber- lin mitzuwirken“, umschrieb Irmgard Jalowy, Vorsitzende des DF, die Aufgabe der Verbin- dungsbüros (Sonderheft 1995). Was diese Jahre für die Ostfrauen und die Verbandsarbeit des DF gebracht haben, veröf- fentlichten die Informationen in einer Sonder- ausgabe unter dem Titel „Frauen finden Bünd- nispartnerinnen in den neuen Bundesländern und Berlin“. Dorotea Lieber, 1994 erste Ost- frau im Vorstand des DF, schrieb 1998 rück- blickend: „Der Prozess des gegenseitigen Wahr- nehmens und Geltenlassens unterschiedlich gelebten Lebens ist lange noch nicht abge- schlossen.“ (6/98). Und die Koordinatorinnen der Verbindungsbüros Anne Leipert und Chri- stel Riedel fassten ihre Erfahrungen mit dem optimistisch-allgemeinen Ausblick zusammen, „in unseren Verbänden neu darüber nachzu- denken, wie wir politisch wirksamer werden Postkarten-Aktion des können“ (1/96). Deutschen Frauenrates 1999: 80.000 Karten wurden Die Zusammenarbeit von ost- und westdeut- an die Bundesregierung versandt. schen Frauen und ihrer Organisationen be- wegte den Deutschen Frauenrat bis in die Ge- genwart und blieb auch nach der Aufnahme der ersten Ostverbände in den DF aktuell. Die Gruppe „Frauenarbeitslosigkeit des Arbeits- losenverbandes Deutschlands“ wurde 1992 erstes Mitglied aus den neuen Ländern, 1993 folgte der aus dem DFD hervorgegangene De- mokratische Frauenbund (dfb). Die 1990 noch vertretene Auffassung, dass die Frauen in Ost und West mit einer Stimme sprechen könnten und diese Stimme der Frauenrat sein könnte, hat sich allerdings nicht realisiert, auch nicht durch die zeitweiligen Verbindungsbüros. Auf der Mitgliederversammlung 1997 plä- dierte die Professorin Ute Gerhard in ihrem Re- ferat zum Thema „Frauenverbände als Motor des Wandels?“ im Hinblick auf die Verwirkli- chung einer „Zivilgesellschaft in Ost und West“ für „Gleichberechtigung und Anerken- nung gerade unserer Differenzen“ und die „Vielfalt möglicher Formen der Selbstbestim- mung“ (6/98).

Die Berichterstattungen in den Informationen lassen gegenwärtig kaum noch Differenzen 80 Kapitel 4

Über Ländergrenzen hinweg 81

Die Integration in internationale Frauennetzwerke

Kein Thema hat in den über 500 Heften der In- kratische Reife der deutschen Frauen beweisen formationen für die Frau seit 1952 so kontinu- und dazu beitragen, ein neues Deutschland zu ierlich seinen Platz eingenommen wie das The- repräsentieren. ma Internationales. Kaum eine Ausgabe er- In der Berichterstattung der Informationen schien ohne Informationen über internationa- nahmen deshalb internationale Kongresse und le Begegnungen deutscher Frauenverbände, Fachtagungen mit deutscher Beteiligung aus über UNO-Aktivitäten, über Frauen in Europa den Reihen der Frauenverbände einen wichti- und der Welt, über Delegationsaustausche gen Platz ein. Als die Internationale Juristin- und internationale Frauenkongresse, über nen-Vereinigung im Juli 1952 in Istanbul tag- Standpunkte des Deutschen Frauenrates zu in- te, vermeldeten die Informationen erstmals die ternationalen Frauenaktivitäten. Das große In- Teilnahme einer deutschen Vertreterin aus der teresse für internationale Begegnungen hatte Vereinigung der weiblichen Juristen und Volks- zu Zeiten der Gründung des Informationsdien- wirte. Der Internationale Ärztinnenbund, der stes für Frauenfragen 1951 einen guten 1976 mit Dr. Helga Thieme erstmals auch eine Grund, denn die deutschen Frauen, bis 1933 in deutsche Präsidentin wählte, ließ ab 1952 wie- zahlreichen internationalen Frauenverbänden der den deutschen Verband an seinen Tagun- vertreten und aktiv, standen mit dem Ende der gen teilnehmen (7-8/78). Der Deutsche Aka- Naziherrschaft isoliert und außerhalb der Welt- demikerinnenbund fand im Juli 1951 wieder frauenbewegung da. Aufnahme in den Internationalen Akademike- Der Bund deutscher Frauenvereine (BDF), rinnenbund und wurde zu den Generalver- seit 1897 Mitglied eines der ersten großen in- sammlungen „neu zugelassen“. Ebenfalls ternationalen Frauenverbände des „Interna- 1952 trat der Verband berufstätiger Frauen tional Council of Women“, und viele seiner sein internationales Debüt an, wie Maria May, Mitgliedsverbände hatten 1933 die Selbstauf- Präsidentin des deutschen Verbandes, in ei- lösung einer Übernahme durch die Nazis vor- nem Briefbericht für die Informationen mitteil- gezogen und die internationalen Kontakte ab- te (8/52 und 7-8/53). brechen müssen. Andere Frauenorganisatio- Ausführlich berichteten die Vorsitzenden nen, konfessionelle wie politische, verloren des Deutschen Frauenrings über die Kongres- ebenfalls 1933 ihre Wirkungsmöglichkeit in se des „International Council of Women“, Deutschland und in internationalen Dachver- dem der Deutsche Frauenring als erster deut- bänden. scher Nachkriegs-Dachverband der Frauen an- Die Frauenbewegung im Nachkriegs- gehörte und noch heute angehört. Der Ver- deutschland stand vor der schwierigen Aufga- band der weiblichen Angestellten gehörte be, internationales Ansehen neu zu erwerben ebenfalls zu den Organisationen, die 1952 er- und die Zusammenarbeit auf dieser Ebene wie- neut in ihren internationalen Verband aufge- der aufzubauen. Anders als für die Frauenbe- nommen wurden (8/52). wegungen vor 1933, die einen regen und Oftmals bis ins Detail informierten die deut- gleichberechtigten Arbeitsdiskurs mit den in- schen Berichterstatterinnen über die Kongress- ternationalen „Schwestern“ pflegten, sollte abläufe, personelle Zusammensetzung der Vor- nun die internationale Reputation die demo- stände und die Begleitprogramme. Die Auto- Über Ländergrenzen hinweg

rinnen hielten es fast immer für erwähnens- es: „Der Antrag der Aufnahme des Deutschen 82 wert, dass die ersten deutschen Frauen nach Akademikerinnenbundes wurde begründet dem Krieg auf den internationalen Verbands- durch die 1. Vizepräsidentin der I.F.U.W., eine tagungen freundliche Aufnahme fanden. „Es Französin, die eng mit dem französischen Er- war für die deutsche Delegation eine Freude, ziehungsministerium zusammenarbeitet. Sie immer wieder feststellen zu dürfen, dass deut- wurde im ersten Weltkrieg als Geisel gefan- sche Menschen und deutsche Leistung volle gengenommen; im zweiten Weltkrieg gehörte Anerkennung und uneingeschränkte persönli- sie zur Widerstandsbewegung“ (1/52). Gewollt che Achtung fanden“, so resümierte Regina oder ungewollt wurde damit eine antifaschisti- Frankenfeld, Geschäftsführerin des Deutschen sche Motivierung für die Aufnahme in den Landfrauenverbandes, in ihrem Bericht über die Weltbund der Akademikerinnen suggeriert. Konferenz des Weltlandfrauenbundes im Au- Eine wichtige Rolle wurde den amerikani- gust 1953 in Toronto (10/53). Als ein „Zeichen schen Frauen zugesprochen, denen das Ver- der Versöhnung“ deuteten Teilnehmerinnen ei- dienst zugekommen sei, „die Verbindung zwi- ner internationalen Journalistinnentagung des schen deutschen Frauen und den Frauen ande- Deutschen Frauenrings im Januar 1953 in Bad rer Nationen wieder hergestellt“ zu haben Homburg diesen Kongress und sahen Versöh- (8/52). Unausgesprochen blieb, dass zahlreiche nung als Begreifen der „schmerzlichen, gna- internationale „Neuanfänge“ auf die Jahre vor Sonderheft 1977 denlos erschütternden“ Wahrheit. „Was ich su- 1933 und auf persönliche Verbindungen che, ist nicht nur der Aufbau von Städten und zurückgingen. Das lässt sich nachträglich an Wohnungen, sondern der Aufbau des zerstör- Namen wie Emmy Beckmann, Dorothee von ten und ausgebombten Inneren des Menschen. Velsen oder Else Ulich-Beil festmachen, die Ich suche darum Menschen, die die Wahrheit auch als Berichterstatterinnen internationaler der Vergangenheit ganz und durchaus erfasst Tagungen auftraten. haben, die deswegen die inneren Vorausset- Nur eine deutsche Vertreterin wurde von zungen besitzen, um die erschütternde Realität den Informationen bereits 1952 als Referentin zu begreifen“, äußerte sich die Kongressteil- auf internationalen Veranstaltungen genannt. nehmerin Lise Borsum aus Oslo (2/53). Die Journalistin Gabriele Strecker aus Hessen, Mehrmals griffen die Informationen auf in- die an vielen Kongressen des Internationalen ternationale Stimmen zurück, um den deut- Verband der Radio-Frauen und des ICW teil- schen Frauen ihre demokratische Reife zu be- nahm und in den Informationen regelmäßig stätigen. Dem belgischen Journal des Combat- darüber berichtete, referierte auf der 3. Kon- tants entnahmen die Informationen folgende ferenz des Internationalen Verbandes der Ra- Einschätzung über die deutschen Frauen: „Ihre dio-Frauen im November 1952 in Amsterdam Rolle in Deutschland von heute kann eine Rol- zum Thema „Politische Propaganda und die le ersten Ranges werden. Sie werden rascher Frauen“ (8/52). Sie gehörte außerdem zu den als die Männer gewisse moderne Probleme be- wenigen Autorinnen der Informationen, die greifen und besser in der Lage sein, sich über sich frühzeitig mit der nationalsozialistischen die nationalen Eifersüchteleien hinwegzuset- Vergangenheit auseinander setzten (4/52). zen. Hat man eine Leni Riefenstahl, eine Ilse Unerwähnt blieben in den Informationen die Sonderheft 1978 Koch vergessen? Sicherlich nicht. Aber sie bil- Bemühungen des 1947 gegründeten SBZ/ den immer nur eine Ausnahme, und die Ge- DDR-Frauenverbandes Demokratischer Frauen- meinschaft der deutschen Frauen hat nie nach bund Deutschlands (DFD) um internationale ihnen verlangt wie gewisse Vereinigungen Reputation und seine Aufnahme 1948 in die ehemaliger Wehrmachtsangehöriger, welche von Kommunistinnen dominierte Internationa- die sofortige Befreiung richtiger Kriegsverbre- le Demokratische Frauenföderation (IDFF). Der cher fordern“ (7/52). Kalte Krieg, der das deutsch-deutsche Verhält- Die Wiederaufnahme in die internationalen nis beeinflusste, hatte auch die Weltfrauenbe- Frauenorganisationen wurde in den Berichten wegung in kommunistisch und antikommuni- trotz der umfangreichen Kongressdarstellun- stisch gespalten und jeglichen Kontakt bzw. gen nicht weiter reflektiert. Offen blieb vor al- Austausch erschwert oder unmöglich gemacht. lem, was die deutschen Frauen 1951 und da- Im Zuge der wachsenden internationalen Be- nach als Beweis ihrer demokratischen Legiti- ziehungen der Frauenverbände wurde seit Mit- mation in die Weltfrauenbewegung einzubrin- te der fünfziger Jahre über Austauschpro- gen hatten. Über die Neuaufnahme der Aka- gramme zwischen den Frauenverbänden der demikerinnen in den internationalen Bund hieß BRD und Westeuropas bzw. den USA sowie Kapitel 4

über Delegationsreisen berichtet. Die Informa- Das Internationale Jahr der Frau tionen – um nur einige wenige Beispiele zu 83 nennen – vermeldeten im Dezember 1955 den 1974 wandte sich die Bundesregierung (SPD- achttägigen Besuch von Mitgliedern des Ka- FDP-Koalition) durch die Bundesministerin für tholischen Deutschen Frauenbundes in Frank- Jugend, Familie und Gesundheit Katharina reich auf Einladung der „Union Feminine Civi- Focke (SPD) mit einem bislang ungewöhnli- que et Social“ (12/55). Über ihre Eindrücke in chen Anliegen an den DF: Er sollte im Inter- Israel berichtete die langjährige Präsidentin der nationalen Jahr der Frau die Aktivitäten der Deutschlandzentrale der W.O.M.A.N, Doro- Frauenverbände koordinieren. „Dieser Bitte thea Eckardt, die gemeinsam mit 18 Frauen kommen wir gerne nach, denn wir glauben, aus der Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frau- dass auch in unserem Lande mit dem ‘Inter- enorganisationen im Herbst 1959 als eine der nationalen Jahr der Frau’ ein weiterer Schritt ersten deutschen Frauenverbände Kontakte zu getan werden kann, um die Situation der israelischen Frauenverbänden suchte (11- Frauen zu verbessern,“ erwiderte Maria We- 12/59). Der vereinbarte Gegenbesuch aus Isra- ber als Vorsitzende des Deutschen Frauenra- el kam im Sommer 1963 zustande, und seine tes (5/74). Bedeutung wurde angesichts antisemitischer Der Deutsche Frauenrat eröffnete dann am Ausschreitungen Ende der fünfziger Jahre in 9. Januar 1975 in der Beethovenhalle in Bonn Köln in einem umfangreichen Bericht im Sep- das Internationale Jahr der Frau für die Bun- tember-Heft hervorgehoben. desrepublik (1/75). Irmgard von Meibom for- Die internationalen Organisationen wähl- mulierte als neugewählte Vorsitzende den An- ten zunehmend deutsche Städte für ihre Ta- spruch der Mitgliedsverbände u.a. mit den gungen und übertrugen den deutschen Ver- Worten: „Wir meinen, dass es eine einmalige bänden die organisatorischen Vorbereitungen. Chance bietet, die Situation der Frau in das Be- Zum ersten Mal in Deutschland tagte im Mai wusstsein der Öffentlichkeit zu rücken und die 1955 die Weltunion katholischer Frauenver- Gesellschaft zur Auseinandersetzung damit bände in Köln (6/55), und in Bremen trafen sich und zu entsprechenden Konsequenzen aufzu- im Juni 1956 die Delegierten des Weltbundes fordern.“ Auf die vielen öffentlichen Attacken christlicher abstinenter Frauen erstmals auf gegen ein Jahr der Frau antwortete sie: „Eine deutschen Boden (8/56). losgelöste Frauenfrage gibt es nicht und damit Fast 30 Jahre nach den ersten internationa- ist aus unserer Sicht so manches Argument ge- len Kontakten zog der Deutsche Frauenrat gen das Jahr der Frau entkräftet, es braucht eine Erfolgsbilanz: Eine 1979 durchgeführte wahrlich kein ‚Jahr des Mannes’ zu folgen“ Umfrage bei den Mitgliedsverbänden nach (1/75). Bundespräsident Walter Scheel (FDP), Verbindungen und Aktivitäten über Landes- der mit der Schirmherrin für das Internationa- grenzen hinaus belegte, dass fast alle Verbän- le Jahr in der BRD, Bundestagspräsidentin An- de in die internationalen Fachorganisationen nemarie Renger (SPD), und der stellvertreten- integriert waren, und in zahlreichen interna- den UN-Generalsekretärin Helvi Sipilä aus Finn- tionalen Gremien die deutschen Vertreterin- land an der Eröffnung in Bonn teilnahm, ap- nen Verantwortung übernommen hatten pellierte an die Parteien, Parlamente und Re- (4/80). gierungen des Bundes und der Länder, „daß Der Dachverband selbst, so die Umfrage- sie eine besondere Verantwortung für die Ver- auswertung, vertrat im „Rahmen der Politik wirklichung des Grundgesetzes tragen“ und der deutschen Bundesregierung – auch auf in- die Frauenfrage „runter von der langen Bank“ ternationaler Ebene“ die deutschen Frauen- müsse (1/75). verbände. In den Rahmen dieser Politik gehör- Das Engagement des DF für das Jahr der te das von der UNO proklamierte Internatio- Frau 1975 wird auch auf dem Hintergrund ver- nale Jahr der Frau unter dem Motto „Gleich- ständlich, dass die jahrelangen Bemühungen berechtigung, Entwicklung, Frieden“, das vom um das Zustandekommen einer Frauen-En- UNO-Mitglied Bundesrepublik49 mitgetragen quete zur Situation der Frauen ohne befriedi- worden war. Im Rahmen dieser Politik lag gende Ergebnisse geblieben waren und nun ebenfalls die europäische Zusammenarbeit von der internationale frauenpolitische Vergleich Frauenverbänden und die „Europäische Frau- die Bundesregierung zum Handeln bzw. zur enlobby“, für die der DF vor und besonders Stellungnahme zwingen sollte, um im eigenen nach dem Internationalen Jahr der Frau ein Lande „mehr Mut zur Emanzipation von Mann Wegbereiter war. und Frau“ zu wecken und „sinnvoll verstan- Über Ländergrenzen hinweg

dene Gleichberechtigung zu verwirklichen“ sinnen zu: „Klagt nicht – organisiert euch.“ 84 (1/75). Das Jahr der Frau zu einem „Jahr der bewuss- Der Tenor der Bundestagsdebatte zum Jahr ten Partnerschaft zu machen“ und damit die der Frau am 30. Januar 1975 ließ allerdings er- Verantwortung des Mannes und Vaters zu ver- kennen, dass die Appelle von der Eröffnungs- stärken, dafür plädierte die FDP-Fraktion durch veranstaltung des Internationalen Jahres der einen männlichen Abgeordneten. Doch die an- Frau in der Bonner Beethovenhalle ihren Weg fangs von ihm vorgestellte bewusste Partner- ins Parlament nur bruchstückhaft gefunden schaft endete wiederum bei den Frauen und hatten und die frauenpolitischen Akzentset- mit einer Mahnung an sie: „Wenn die Frauen zungen parteipolitischen Interessen unterge- an der Klagemauer der Passivität und Resigna- ordnet wurden. tion verharren, werde sich nicht allzu viel än- Während Ministerin von dern, denn die Männer würden bestimmt nicht den Frauen eine „größere Bewußtheit für ihre von sich aus die Initiative zu einer Neubestim- politischen Rechte, ihre Handlungsmöglichkei- mung der Rolle der Frau ergreifen. Die Frauen ten und ihre gesellschaftspolitische Verant- sollten aber Emanzipation nicht als Nachah- wortung“ einforderte und von den Parteien men des männlichen Rollenverhaltens verste- und den Gewerkschaften verlangte, dass sie hen. Emanzipation der Frau unter Beibehal- die Frauen dafür mobilisieren sollten, nutzten tung der weiblichen Elemente bewirke letztlich die Bundestagsfraktionen die Tribüne des „Ho- eine Veränderung zu mehr Menschlichkeit in hen Hauses“ für ihren Wahlkampf zu den Bun- einer gefühlsverarmten Streßgesellschaft“ destagswahlen 1976. (2/75). Im Namen der CDU/CSU-Fraktion warf Dr. Die vom DF von Anfang an ausgesproche- Helga Wex der SPD-FDP-Koalitionsregierung ne Skepsis, nach der mit dem Internationalen ihr fehlendes frauenpolitisches Gesamtkon- Jahr der Frau „unsere Erfolgserwartungen (...) zept und „übertriebenes Emanzipationsgeha- gar nicht nüchtern genug anzusetzen“ seien be“ vor. Mit Erfolgsbilanzen, der populären (1/75), stellte sich angesichts der Bundestags- debatte als realistisch heraus. Sie wurde auch nicht dadurch aufgewogen, dass der DF mit seinem gesamten Vorstand im fünfzigköpfi- gen Repräsentationsgremium „Kuratorium für das Internationale Jahr der Frau“50 vertreten war (11-12/74). Der DF initiierte im Internationalen Jahr der Frau deshalb vor allem zahlreiche Aktionen sei- ner Mitgliedsverbände – u.a. Seminare und Kulturveranstaltungen – und setzte seine bis- herige Strategie fort, durch Gespräche und Be- gegnungen in den höheren politischen Rängen auf die Situation der Frauen in der BRD auf- merksam zu machen und eigene Forderungen vorzulegen. Die im vorhergehenden Kapitel beschriebene Wahlstrategie des DF zu den Bundestagswahlen 1976 gehörte zu jenen Ak- tionen, denen dabei ein besonderes Gewicht beigemessen wurde. Zu nennen sind hier auch die zahlreichen Gespräche des Vorstandes mit SpitzenvertreterInnen der Parteien und der Re- gierung, die in der Regel nach einer Bundes- Straßenaktion tagswahl stattfanden, doch im „Internationa- im „Jahr der Frau“, 1975 Kritik an der politischen Unter-Repräsentanz len Jahr der Frau“ 1975 zusätzlich auf Initiati- von Frauen in den Parlamenten und einem Ap- ve des DF zustande kamen. pell an die Männer zur Mithilfe, zum Nach- Als ein Ergebnis dieses Jahres ist zu werten, denken und Umdenken in punkto Gleichbe- dass der Deutsche Frauenrat 1975 mit einem rechtigung stellte Elfriede Eilers die Prioritäten neuen, bis heute gültigen Logo an die Öffent- für die SPD-Fraktion vor und rief den Frauen lichkeit trat, das vier Frauenprofile in den Far- das Motto ihrer sozialdemokratischen Genos- ben weiß, gelb, rot und schwarz abbildet. Kapitel 4

Weltfrauenkonferenzen der UNO 1978 und 1979 über Frauen in Afrika und Amerika, 1980 in einer Sonderbeilage über 85 Eine detaillierte Bilanz seiner nationalen Akti- China. Ebenfalls 1979 erschien als regelmäßi- vitäten und der seiner Mitgliedsverbände im In- ge Rubrik „Frauen der Dritten Welt“ und aus ternationalen Jahr der Frau veröffentlichte der der seit 1962 erscheinenden Rubrik „Europäi- DF im März-Heft 1976. Hier fehlte allerdings ein sche Zusammenarbeit“ wurde „Frauen in Eu- Aspekt, der für die Beziehungen über Länder- ropa“. grenzen hinweg wesentliche Anstöße gegeben und auch Weichen für die künftigen interna- tionalen Beziehungen gestellt hatte: Der DF agierte erstmals auf Weltfrauenkonferenzen als beratendes Mitglied der deutschen Delegation – 1975 in Mexiko-City51, 1980 in Kopenhagen, 1985 in Nairobi und 1995 in Peking. Dass der von der Internationalen Demokra- tischen Frauenföderation (IDFF) im Oktober 1975 in Berlin-Ost veranstaltete Weltkongress ohne den DF stattfand, kommentierten die In- formationen folgendermaßen: „Auf diesem Kongreß (...) war der Deutsche Frauenrat offi- ziell nicht vertreten. Er wurde zu dieser Veran- staltung nicht eingeladen. Nach dem vom ‚In- ternationalen Vorbereitungskomitee für den Weltkongress’ in Berlin (Ost) herausgegebe- nen Bulletin Nr. 4 hat als Vorbereitungskomitee in der Bundesrepublik Deutschland die ‚Initia- Erste Weltfrauenkonferenz tive Internationales Jahr der Frau’ fungiert. Delegations- und Studienreisen des DF in der UN in Mexiko, 1975 Außer den Namen der Frauen, die den Aufruf die USA, in die Sowjetunion, nach China, Mali, zur Bildung dieser ‚Initiative’ unterzeichnet ha- Syrien, Norwegen, Schweden, Israel, Vietnam, ben, ist nicht bekannt, wie viele Frauen hinter in die Niederlanden und auf die Philippinen, dieser ‚Initiative’ stehen“ (10/75). Erst 1987, in entwicklungspolitische und europäische Semi- der Ära Gorbatschow, vertraten 19 Beobach- nare, die Einsetzung von Fachausschüssen wie terinnen den DF auf dem IDFF-Weltfrauenkon- „Dritte Welt“, „Weltaktionsplan“ und „Inter- gress in Moskau und nahmen mit osteuropäi- nationale Arbeit“ stehen für diese Ausweitung schen Frauenverbänden Kontakte auf (7-8/87). ebenso wie die Aufnahme des DF als Vor- Der in Mexiko-City 1975 verabschiedete schlagskörperschaft in die Deutsche UNESCO- Weltaktionsplan für eine zehnjährige „Dekade Kommission im März 1979 (5/79) und die Zu- der Frau 1975-1985“ mit zahlreichen Empfeh- erkennung des Beraterstatus beim Wirt- lungen an alle Regierungen zur Verbesserung schafts- und Sozialrat der UNO (ECOSOC) der Situation der Frauen bestimmte nicht uner- 1987 (3/87) Im März 1983 schloss sich der DF heblich die internationale Arbeit und die inter- der Gemeinschaft der Nichtregierungs-Organi- nationalen Beziehungen des DF. Ein eigens sationen an und nahm in Wien erstmals als Be- dafür eingerichteter Fachausschuss „Weltak- obachter an der UN-Frauenrechtskommission tionsplan“ legte auf der Mitgliederversamm- teil, die die Vorbereitung der Konferenz in lung 1977 einen Forderungskatalog an die Nairobi 1985 oblag. Vorausgegangen war u.a. Bundesregierung und Länderregierungen vor, ein Seminar des DF vom 3. bis 5. Juni 1982 in und betonte, dass die internationalen Aktivitä- Königswinter zur Vorbereitung der Dritten ten eine wichtige Unterstützung für die natio- Weltfrauenkonferenz in Nairobi, auf dem die nalen Vorhaben seien (2/78). bisherigen internationalen Erfahrungen zu- Der Deutsche Frauenrat erweiterte nach sammengefasst und für mehr Einfluss und 1975 seine internationalen Kontakte und Vor- Berücksichtigung der NGOs plädiert wurde. haben erheblich und wandte sich neuen The- „Die wesentlichen Erlebnisse und Impulse von men wie Frauen- und Mädchenhandel, Ent- Kopenhagen kamen aus den Begegnungen wicklungspolitik, Frauen und Migration, Frau- und Gesprächen mit den unterschiedlichsten en im Islam, Flüchtlingsproblemen zu. Die In- Frauen aus allen Teilen der Welt. Das aber bot formationen berichteten in Sonderheften nur die ‚alternative’ Konferenz, das inoffiziel- Über Ländergrenzen hinweg

le, von Basisgruppen besuchte ‚Forum’ – wie litik als integraler Bestandteil von Beschäfti- 86 einst, 1975 in Mexiko-City“ (7-8/82). gungspolitik, mehr Frauen in Führungspositio- Für die Weltkonferenz in Nairobi 1985 wie nen, Strafverfolgerung von Gewalt an Frauen, für die nachfolgende Konferenz 1995 in Pe- Maßnahmen gegen Armut (...) gehörten zu king gehörten die NGO-Foren als Parallelver- den zu Vorschlägen an die europäischen Re- anstaltungen dazu. Das Engagement des DF gierungen. für diese Form des internationalen Frauennet- Über die Konferenz in Peking selbst haben die Informationen in mehreren Ausgaben 1995 ausführlich berichtet, in Heft 10/95 u.a. über das Konferenzergebnis in Form einer „Aktionsplattform“, an der Regierungs- und Nichtregierungs-Organisationen – unter ihnen der DF – in jahrelanger Vorbereitung gearbei- tet hatten. Ihre Realisierung mahnte der Deut- sche Frauenrat auf seiner Nachbereitungskon- ferenz am 20. April 1996 an, mit der er „einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Ak- tionsplattform in Deutschland in die Wege lei- ten“ wollte (11-12/96). Die Unternehmungen der Bundesregierung und vor allem der Bun- desfrauenministerin Claudia Nolte (CDU) ge- rieten bereits 1997 in die Kritik. Die Informa- tionen betitelten im Februar-Heft 1997 eine Stellungnahme auf Seite 14: „Trotz nationaler Strategien: Frauen werden weiter ausge- Vertreterinnen des grenzt“. Demokratischen zes dokumentierte das „Aktionspapier des In den Folgejahren wird es in der Öffent- Frauenbundes (dfb) bei der DF“, das im April 1994 in Vorbereitung der Pe- lichkeit ruhig um die Aktionsplattform der Eröffnung des NGO-Forums kinger Konferenz an alle Nichtregierungs-Or- Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking 1995, auf der 4. Weltfrauen- ganisationen und Mitgliedstaaten der Europäi- doch die Themen der Informationen, die seit konferenz in Peking, 1995 schen Union übergeben wurde (7-8/94). Darin 2000 FrauenRat – informationen für die frau nannte der DF als Hauptthemen: Frauen und heißen, bewegen sich bis heute um die Fragen, Wirtschaft, Frauen im öffentlichen Leben, die in Peking beschlossen wurden und national Frauen und Solidarität. Gleiche Bezahlung für wie international noch ihrer Umsetzung im gleichwertige Arbeit, Gleichberechtigungspo- neuen Jahrtausend harren.

Weltmarsch der Frauen, 2000 Anhang

Anmerkungen 87

1 Schmidt galt als eine hervorragende Lehrerin und 16 Diese Initiative hatte keinen Erfolg, weil die von der Rednerin und wurde auch von ihrer Schülerin Clara ICW geforderte gemeinsame Erklärung, daß die Zetkin verehrt. deutsche Vertretung vom Deutschen Frauenring auf 2 Der ADF war 1865 von Louise Otto-Peters und Au- den Deutschen Frauenrat übertragen werden sollte, guste Schmidt in Leipzig gegründet worden und nicht zustande kam. hatte sich inzwischen mit Frauenbildungs- und Frau- 17 Die ehemalige Vorsitzende des Deutschen Frauen- enerwerbsvereinen in vielen deutschen Städten eta- rings Dr. Gisela Naunyn verlangte eine Richtigstel- bliert. lung des offiziellen Textes zur Briefmarke „100 Jah- 3 Hauptvertreterinnen des radikalen Flügels waren re Bund Deutscher Frauenvereine Deutscher Frau- Minna Cauer, Anita Augspurg, Lida G. Heymann enrat”, in dem die Anerkennung des Deutschen und anfangs Lily von Gizycki, die später als Lily Braun Frauenringes als BDF-Nachfolger durch den ICW in der SPD aktiv wurde. Hauptvertreterinnen des „geschickt überspielt” worden sei. gemäßigten Flügels waren neben Auguste Schmidt 18 Für den DF s. Dorothea Karsten, Zehn Jahre Infor- vor allem Helene Lange, Gertrud Bäumer, Alice Sa- mationsdienst, in: Informationen für die Frau, 11. lomon und Marianne Weber. Jg., Nr. 3, März 1962, S. 10-14, dort S. 11. 4 Herrad-Ulrike Bussemer, „ (...) ein einzig Volk von 19 Z.B. Sonderheft 1989, S. 6. Schwestern”. Zur Geschichte des Bundes Deutscher Frauenvereine, Berlin 1987, S. 8. 20 Preußisches Gesetz zur Verhütung eines die gesetz- liche Freiheit und Ordnung gefährdendes Miss- 5 Ähnlich wie für die kommunalen Frauenbeauftrag- brauchs des Versammlungs- und Vereinsrechts ten in den 1980er Jahren galt für diese Fabrikin- 1850-1908. spektorinnen um 1900, dass viele von ihnen aus der Frauenbewegung kamen. 21 Die Gleichheit, April 1894. 6 Vgl. Irene Stoehr, Staatsfeminismus und Lebens- 22 Hierfür wurden Dokumente folgender Organisatio- form. Frauenpolitik im Generationenkonflikt der nen bzw. Institutionen ausgewertet: Deutscher Weimarer Republik. In: Dagmar Reese/Eve Rosen- Frauenrat (eigenes Archiv), Bundesministerium des haft/Carola Sachse/Tilla Siegel, Rationale Beziehun- Inneren (Bundesarchiv Koblenz: B 106/48585), Büro gen? Geschlechterverhältnisse im Rationalisierungs- für staatsbürgerliche Frauenarbeit (Hessisches prozess, Frankfurt a.M. 1993, S. 105-141. Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden: 2034; 504/221- 223), Deutscher Staatsbürgerinnen-Verband (eige- 7 Bussemer, a.a.O., S. 31 nes Archiv). 8 Analog dazu musste sich der Deutsche Staatsbür- 23 Später: Arbeitsgemeinschaft katholischer Frauen- gerinnen-Verband (Nachfolger des ADF) bei seiner verbände und -gruppen. Wiedergründung 1947 mit dem Titel „Notgemein- schaft 1947” bescheiden. 24 Anlage zum Protokoll über die Gründungsver- sammlung am 8.12.1951. 9 Gabriele Stercker, Gesellschaftspolitische Frauenar- beit in Deutschland. 20 Jahre Deutscher Frauenring. 25 In der sowjetischen Besatzungszone erschien 1948- Opladen 1970, S. 13. 1949 ein ähnliches Informationsblatt unter dem Ti- 10 Die Vorsitzende des Berliner Frauenbundes starb tel „Deutscher Frauen-Pressedienst”. aber bereits im Juni 1950. 26 Das Signet wurde von der Graphikerin Doris Schlü- 11 S. dazu Kap. 1. ter entworfen. 12 Staatsbürgerinnen-Verband und Verband weiblicher 27 Zit. nach: Ursula Hufmann, Dorothea Frandsen, An- Angestellter. nette Kuhn (Hg.): Frauen in Wissenschaft und Poli- tik. Düsseldorf 1987. 13 Glaser an Dorothee von Velsen, 23.06.1953, Bun- desarchiv Koblenz (BAK), B 211/21. 28 Jutta Limbach, Ehefrau und Mutter in der Rechts- entwicklung, in: Informationen für die Frau, 11- 14 Theanolte Bähnisch, Vom Wiederaufbau der Frau- 12/87, S. 14 enarbeit nach dem Zusammenbruch 1945, In: Mädchenbildung und Frauenschaffen, 10. Jg., 29 Die Frauenbewegung 1896, Nr. 12 (zit. nach Ute 1960, Heft 4. Gerhard, Unerhört. Die Geschichte der deutschen 15 Vor allem D. von Velsen, die Vorsitzende des Frau- Frauenbewegung, Reinbek 1990, S. 231) enrings Südbayern, und Dorothea Karsten, die Lei- 30 Robert G. Moeller, Geschützte Mütter. Frauen und terin des Frauenreferats im Bundesministerium des Familien in der westdeutschen Nachkriegspolitik, Innern. München 1997, S. 325. Anhang

31 Marianne Feuersenger, Die garantierte Gleichbe- 44 Im zweiten Bundestag waren von den 11 Parteien rechtigung. Ein umstrittener Sieg der Frauen, Frei- des ersten Bundestages nur noch 6 vertreten, von 88 burg 1980, S. 133. denen die beiden größten zusammen 80 Prozent 32 Kohleiss war Vorsitzende Richterin am Landesso- der Abgeordneten stellten (1949: 67 Prozent): Von zialgericht Stuttgart, 1. Vorsitzende des Deutschen 487 Bundestagssitzen erhielten die CDU/CSU 243 Juristinnenbundes Baden-Württemberg und Vor- (50 Prozent), die SPD 151 (ca. 30 Prozent), die FDP standsmitglied des DF von 1983 – 1990. Sie starb 48 (9,8 Prozent) der BHE 27 (5,5 Prozent) die Deut- 1995. sche Partei 15 (3,1 Prozent) und das Zentrum 3 Sit- ze (0,5 Prozent). Hinzu kamen noch 22 nicht stimm- 33 Siehe dazu auch: Virginia Penrose, „Die drei Ent- berechtigte Berliner Abgeordnete. wicklungsphasen der DDR-Frauenpolitik”. Informa- tionen für die Frau, 11-12/91, S. 8 ff. 45 Heide Pfarr überschrieb ihr Referat mit „Pinkpeace”, um die von ihr favorisierte Lösung des politischen 34 Jahreshauptversammlung des ID am 18.05.1960. Machtdilemmas der Frauenverbände zum Ausdruck 35 Der Gesetzentwurf kam in der 3. und 4. Wahlperi- zu bringen. Eine Organisation und Agitation nach ode des Bundestages nicht zur Abstimmung. dem Modell der weltweiten Umweltorganisation 36 Auch über den Memminger Abtreibungsprozess, „Greenpeace” verwirft sie aber wegen mangelnder der die Empörung von Feministinnen noch einmal Radikalität der (deutschen) Frauenorganisationen. kurz aufleben ließ, wurde nicht berichtet. Eine Mel- 46 Ab 1976 gab sie die Zeitschrift „Der Feminist” her- dung „Landfrauenrat Baden-Württemberg fordert aus, was diese Distanz noch verstärkte, weil sie da- sensiblen Umgang mit Memminger Frauen” (3/89, mit die Frauenbewegung ausdrücklich für Männer S. 22) stellte die Verbindung zum § 218 nicht expli- öffnen wollte. zit her. 47 seit 1972 waren in Berlin, Frankfurt/M und anderen 37 Die Initiative gab Mobilisierungsanstöße für Parla- Städten Frauenzentren gegründet worden. mentarierinnen und Organisationen. Auf ihrer Vor- 48 Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD), arbeit beruhte auch ein überfraktioneller Gesetzes- im März 1947 gegründet, und Unabhängiger Frau- entwurf zum § 218, der von Rita Süssmuth als Bun- enverband (UFV), im Dezember 1989 initiiert und im desagspräsidentin und Vorsitzende des Ausschusses Februar 1990 gegründet. Beide Frauenverbände „Deutsche Einheit” in den Bundestag eingebracht stellten für die Volkskammerwahl im März 1990 und von diesem abgeschmettert wurde. Die „Infor- und für die Kommunalwahlen im Mai 1990 eigene mationen” berichteten darüber nicht. Kandidatinnen auf. 38 1991 hatten sieben Gesetzentwürfe von FDP, Chri- 49 Die Bundesrepublik und die DDR wurden im Sep- stina Schenk und der Gruppe Bündnis 90/Die Grü- tember 1973 Mitglieder der UNO. nen, SPD, Petra Bläss und der Gruppe PDS/Linke Li- ste, CDU/CSU, Herbert Werner u.a. sowie von Inge 50 Das Kuratorium konstituierte sich am 19.11.1974 Wettig-Danielmeier, Uta Würfel u.a. die Neurege- und wurde von Bundesministerin Dr. Katharina lung des Schwangerschaftsabbruch zum Gegen- Focke einberufen. Es hatte die Aufgabe, Anregun- stand. gen und Informationen über Aktivitäten im Jahr der Frau zu geben und auszutauschen; Erfahrungen zu 39 „Keine Experimente” war 1957 der Haupt-Wahl- sammeln und weiterzugeben; am Gesamtpro- slogan der CDU. gramm zum Internationalen Jahr der Frau mitzuar- 40 Unterzeichnet war der Aufruf von denselben 19 Or- beiten; die Vielfalt der gesellschaftlichen Bemühun- ganisationen, die bereits den Wahlaufruf und die gen um die Verbesserung der Situation der Frau zu Schreiben an den Bundeskanzler 1957 unterzeich- verdeutlichen. In: Informationen für die Frau, 11- net hatten. Einige von ihnen hatten sich allerdings 12/75, S. 26. ihrerseits als Dachverbände ausgewiesen: die Ar- 51 Siehe auch: Katharina Focke erinnert sich an die Er- beitsgemeinschaft der katholischen deutschen Frau- ste Weltfrauenkonferenz. In: Informationen für die en mit 16 angeschlossenen Bundesverbänden, der Frau, 7-8/95, S. 7-8. Deutsche Frauenring mit 7, die Hauptabteilung Frauen des DGB mit 16, die Evangelische Frauenar- beit mit 21 angeschlossenen Bundesverbänden. 41 Heiner Geißler (CDU) forderte die Anpassung der Gesellschaft, des Staates und der Wirtschaft „an die Interessen, Bedürfnisse und Rechte der Frauen” und Günter Verheugen (FDP) hielt ein „Gleichberechti- gungsgesetz” für notwendig. Egon Bahr (SPD) fand allerdings, dass es „wichtigere Themen” gäbe, „für die die Frauen sich stärker engagieren sollten” als für mehr Frauen in die Parlamente, z.B. für „die Er- haltung des Friedens”. 42 Generalsekretär Dr. Heiner Geißler (CDU); Staatsse- kretär Dr. Friedrich Voss (CSU); Inge Wettig-Daniel- meier, Vorsitzende der Gleichstellungskommission (SPD); Schatzmeisterin Dr. Irmgard Adam-Schwaet- zer (FDP); Bundesvorstandsmitglied Regina Michalik (Die Grünen). 43 Beiträge von Dr. Marliese Dobberthien, Prof. Dr. Die- muth Majer und Prof. Dr. Dieter Nohlen. Anhang

Die Mitgliedsverbände 89 des Deutschen Frauenrates

Gründungsverbände (1951) Arbeitsgemeinschaft katholischer Frauenverbände und -gruppen Arbeitsgemeinschaft der Wählerinnen (1963 aufgelöst) Arbeitsgemeinschaft für Mädchen- und Frauenbildung (1969 aufgelöst) Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (2001 weiter als ver.di) Deutscher Akademikerinnenbund Deutscher Frauenring mit Frauenverband im Bund der Vertriebenen Deutscher Gewerkschaftsbund Deutscher Hausfrauen-Bund Deutscher Landfrauenverband Deutscher Staatsbürgerinnen-Verband Business and Professional Women (früher: Deutscher Verband berufstätiger Frauen) Evangelische Frauenarbeit in Deutschland Jüdischer Frauenbund Verband der weiblichen Arbeitnehmer (früher: Verband weiblicher Angestellter (2001 aufgelöst)

Beitrittsverbände Eintrittsjahr

Deutscher Ärztinnenbund 1957 Deutscher Berufsverband der Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagogen und Heilpädagogen (DBSH) 1957 Deutscher Juristinnenbund 1957 Deutscher Verband Frau und Kultur 1957 Frauengilde im Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften (1992 aufgelöst) 1958 Deutscher Sportbund 1968 W.O.M.A.N. 1970 Verband alleinerziehender Mütter und Väter 1971 Frauenwerk der Evangelisch-methodistischen Kirche 1971 Deutscher Beamtenbund 1971 Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge 1973 Frauen-Union der CDU 1973 Soroptimist International 1973 AG Sozialdemokratischer Frauen 1973 Deutscher Verband Technischer Assistenten in der Medizin 1975 GEDOK 1976 Sozialverband Reichsbund Deutschland 1976 Sozialverband VdK Deutschland 1976 Verband binationaler Familien und Partnerschaften 1978 Verband des Deutschen Lyzeums-Clubs* 1979

* Aus den Unterlagen geht nicht hervor, wann dieser Verband ausgetreten ist oder sich aufgelöst hat. Er wird aber seit 1993 nicht mehr als Mitglied geführt. Anhang

Bundesverband Sekretariat und Büromanagement (früher Deutscher Sekretärinnenverband) 1980 90 Verband alleinstehender Frauen 1982 Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland 1982 Berufsverband der Arzt- Zahnarzt- und Tierarzthelferinnen 1982 WIZO – Föderation Deutschland 1984 Berufsverband Hauswirtschaft 1984 Bundesverband der Meisterinnen der Hauswirtschaft 1984 Arbeitsgemeinschaft Berufstätiger Frauen in der CDA 1986 Deutscher Ingenieurinnenverband 1989 Pömps e.V. (Konkurs 1992) 1990 Journalistinnenbund 1990 Bundesvereinigung „Liberale Frauen“ 1991 Fachgruppe „Frauenarbeit und Informatik“ 1992 Arbeitsgemeinschaft „Frauenerwerbslosigkeit“ des Arbeitslosenverbandes Deutschland 1992 Bundesverband Deutscher Kosmetikerinnen (Austritt 1998) 1993 Frauen in Naturwissenschaft und Technik 1993 Demokratischer Frauenbund 1993 Marie-Schlei-Verein 1993 Verband Deutscher Tierarztfrauen und -ärztinnen (Austritt 2001) 1993 Bundesfrauenrat Bündnis 90/Die Grünen 1996 Frauen im Ingenieurberuf 1996 Zonta International 1996 Gesellschaft Deutscher Akademikerinnen 1998 Feministische Partei DIE FRAUEN 2000 BücherFrauen 2000 Bund Deutscher Hebammen 2000 Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft 2001 Bundesvereinigung zur beruflichen Förderung von Frauen in Deutschland 2001 Lesbenring 2001 Bundesverband der Frau im freien Beruf und Management 2001 Anhang

Verantwortliche und Redakteurinnen 91 der „Informationen“

Verantwortlich für den Inhalt Redaktion

Annelise Glaser, Geschäftsführerin Elli von Konschegg 1952, H. 1 bis 1974, H. 3 1974, H. 1 bis H. 3 Elli von Konschegg, Geschäftsführerin Christa Kremer, Margret Herwig 1974, H. 4 bis 1974, H. 2 1975, H. 3 bis 1977, H. 2 Dr. Johanna Eggert, Geschäftsführerin Ingrid Hoffmann 1977, H. 3 bis 1985, H. 3 1980, H. 1 bis 1983, H. 11/2 Lieselotte Nüßlein, Vorstand Mechthild Fülles 1985, H. 4 bis H. 7/8 1984, H. 1 bis H. 11/12 Hanne E. Pollmann, Geschäftsführerin Birgit Rosenberg 1985, H. 9 bis 1998, H. 11/12 1985, H. 1 bis 1995, H.5 Andrea Ziech 1995, H. 6 bis 1999, H. 1 und 10 Daniela Nowak, Geschäftsführerin Dorotea Lieber 1999, H. 1 bis 2001 H. 1/2 1999, H. 2 bis H. 7/8 Astrid Lipinsky 1999, H. 2 bis H. 10 Hildegard Witteler 1999, H. 11/12 bis 2001, H. 1/2 Christel Riedel, kom. Geschäftsführerin Ulrike Helwerth 2001, H. 3 bis H. 5 seit 2001, H. 3 ff Henny Engels, Geschäftsführerin seit 2001, H. 6 ff Anhang

92 Autorinnen

Irene Stoehr

Berlin, Dr. phil. Historisch arbeitende Sozialwissenschaftlerin und Publizistin. Forschung und Leh- re an Berliner Universitäten zur Situation von Frauen in politischen Systemen und zur Geschich- te von Frauenbewegungen; Redakteurin der feministischen Zeitschriften COURAGE (1982-84) und UNTERSCHIEDE (1991-1994). Seit 1994 Forschung zu Frauenpolitik, Westintegration und Kalter Krieg (FU Berlin, seit Oktober 2001: Universität Hannover). Viele Veröffentlichungen zur Frauenbewegung in Deutschland zwischen 1890 und 1990.

Rita Pawlowski

Jahrgang 1941; Druckereiarbeiterin, Journalistikstudium in Leipzig; bis 1989 als Journalistin, Mit- arbeiterin und Abteilungsleiterin im Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD) in Meck- lenburg und Berlin tätig; nach 1989 Archivmitarbeiterin in Berlin und Wiesbaden; engagiert im Netzwerk historisch arbeitender Frauen. Veröffentlichungen, Vorträge und Interessenschwer- punkte: Die Frauenbewegungen und ihre führenden Vertreterinnen in der Sowjetischen Besat- zungszone 1945 bis 1949 sowie die Gründung und die Gründerinnen des DFD 1947.

Bildnachweis

Archiv Christlich-Demokratischer Politik der Stiftung. e.V. (58); Archiv der deut- schen Frauenbewegung (9); Becker-Rau, Christel (Titel, 46, 47); Bildarchiv Rosemarie Heckmann (14); Bundesarchiv Koblenz (59); Chronik der Frau (28, 85); Hansen, Anke Rixa (71); Haus der Geschichte, Bonn (15, 21); Helene-Lange-Archiv im Landesarchiv Berlin (8); Weise, Anna (26); alle anderen Illustrationen: Archiv des Deutschen Frauenrates

Emanzipation, Öffentlichkeit und Demokratie standen seit Anbeginn der Frauenbewegungen in einem engen Zusammenhang. Frauen gründeten Vereine und ihre eigenen Zeitungen gleich mit, weil ihre Ideen, Forderungen und Aktionen in der Männerpresse verschwiegen oder polemisch bekämpft wurden. Auch der Deutsche Frauenrat startete als „Informationsdienst für Frauenfragen“. Im April 1952 erschien das erste Heft der „Informationen für die Frau“. Dieser Band analysiert die fünfzig Jahrgänge dieser Zeitschrift. Am Beispiel einzelner Politikfelder dokumentiert er wichtige Etappen im Kampf um die Gleichberechtigung der Bürgerinnen, die zwar seit 1949 Verfassungsgrundsatz ist – aber noch lange nicht gelebte Wirklichkeit.

Irene Stoehr / Rita Pawlowski Die unfertige Demokratie 50 Jahre „Informationen für die Frau“ Irene Stoehr / Rita Pawlowski: Die unfertige Demokratie – 50 Jahre „Informationen für die Frau“ Pawlowski:die Rita für / „Informationen Stoehr Irene Jahre 50 – Demokratie unfertige Die