Editorial Kultur-Mensch Die Zukunft Unserer Staaten

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Editorial Kultur-Mensch Die Zukunft Unserer Staaten Kulturfinanzkrise: Schleswig-Holstein Zeitung des Deutschen Kulturrates Nr. 04/10 · Juli – August 2010 www.kulturrat.de 3,00 E · ISSN 1619-4217 · B 58 662 Kulturfinanzierung Europa/Internationales Internet-Enquete puk-Preis Beilage Interkultur Welche Auswirkungen hat die Schul- Welche Rolle werden in einigen Jahren Was wollen die Sachverständigen-Mit- Was ist das Spezifische an den Ar- Welche historische Dimension hat denbremse auf den Kulturhaushalt? die Nationalstaaten noch in Europa glieder der Enquete-Kommission des beiten der puk-Journalistenpreis- die Debatte um Transkultur ver- Was bedeuten Haushaltskürzungen spielen? Welchen Stellenwert hat Kul- Deutschen Bundestags „Internet und träger 2010? Welche Themen sind sus Interkultur? Ist Integration ein für die Kultureinrichtungen und turpolitik in einem stärker zusammen- digitale Gesellschaft“ bewegen? Wel- relevant? Welche Anstöße konnten neues politisches Thema oder stellt -verbände? Am Beispiel des Landes wachsenden Europa? Welche Akzente che Akzente wollen sie setzen? Welche sie geben? Was haben sie bewegt? Die sich diese Frage immer wieder neu? Schleswig-Holstein wird gezeigt, wie setzt das Europäische Parlament? Wel- gesellschaftspolitische Dimension hat mit dem puk-Journalistenpreis 2010 Wie kann das bürgerschaftliche En- sich Kürzungen im Kulturbereich che Debatten zur kulturellen Bildung ihre Arbeit? Welchen rechtspolitischen ausgezeichneten Beiträge werden gagement von Migranten gestärkt auswirken. werden geführt? Handlungsbedarf sehen sie? vorgestellt. werden?? Seiten 3 bis 8 Seiten 9 bis 11 Seiten 14 bis 15 Seiten 17 bis 21 Beilage Seiten 1 bis 4 Editorial Die Zukunft unserer Staaten Beton oder: Wem schulden wir Loyalität? • Von Rupert Graf Strachwitz as Schlimmste an der Krise des des Stadtschlosses geführt? Die Vor- Solange die Fußballweltmeister- Dpolitischen Systems, die wir in sitzende des Kulturausschusses des schaft unser tägliches Leben domi- diesen Tagen miterleben müssen, Deutschen Bundestages, Monika niert, sehen wir wieder überall die ist die Visionslosigkeit. Die Kanzler- Grütters, sprach im Zusammenhang schwarz-rot-goldenen Fahnen flat- in, sichtbar von dem Rücktritt von mit der Verschiebung des Baubeginns tern. Millionen von Deutschen lau- Bundespräsident Köhler gezeichnet, des Stadtschlosses vom „Fluch der schen mit sonst nicht mehr erlebter gibt freimütig zu Protokoll, dass sie Fassade“. Und hier liegt vielleicht Ergriffenheit der Nationalhymne. immer gerade das abarbeite, was auf das Problem, die Diskussionen wer- Sport, so will es scheinen, ist der ihrem Schreibtisch lande. Große Ziele den von der Gestaltung der Fassade Rettungsanker deutschen National- scheinen der Republik abhanden mehr bestimmt, als von der Frage stolzes gegen die Anfeindungen von gekommen sein. Selbst der Mindest- was in dem Gebäude stattfinden supranationaler, globaler, regionaler konsens, den unsere Gesellschaft soll. Beton ersetzt, auch in der Bun- und staatsverdrossener Seite. Die viele Jahrzehnte einte, ein besseres deskulturpolitik, seit Jahren oftmals Rettungsaktion für Griechenlands Leben für Alle erreichen zu wollen, den Diskurs. Staatsfinanzen lässt uns anderer- scheint nach den einseitigen Sparvor- Vollkommen abgemeldet sind in seits verstärkt darüber nachden- schlägen in Frage gestellt zu sein. diesem Zusammenhang die Künstler. ken, welche Staatsinstanz für was Kann es dann wenigstens eine Sie sind eigentlich die geborenen kompetent ist und mit welcher sinnstiftende visionäre Kulturpolitik Visionäre und Sinnstifter. Es stimmt, Durchsetzungsmacht ausgestattet in dieser Krise geben? Bundestagsvi- sie werden auch nicht gefragt. Doch sein sollte. Ist es also vielleicht zepräsident Wolfgang Thierse nannte wo steht geschrieben, dass Künstler nur noch im Sport so, dass wir uns den im Rahmen der Sparbeschlüsse sich erst dann einmischen dürfen, als Deutsche fühlen, sonst aber verschobenen Wiederaufbau des wenn sie von der Obrigkeit dazu doch eher als Europäer, zunehmend Preußischen Stadtschlosses in Ber- aufgefordert werden? auch als Weltbürger mit zufällig lin, „das größte und spannendste Das Humboldtforum, so wird der deutschem Pass, andererseits aber Kulturprojekt in der Geschichte Inhalt des zukünftigen Berliner Stadt- auch als Sachsen oder Hambur- der Bundesrepublik Deutschland schlosses genannt, zeigt die Sprach- ger? In Flandern, Schottland oder Rupert Graf Strachwitz Foto: Erol Guriau – die Vollendung der Humboldtschen losigkeit auch des Kulturbereiches in Katalonien, ansatzweise auch in Idee: der Dialog zwischen Europa der Krise auf. Wenn der Humboldt- der Lombardei und im Languedoc, Selbst in Frankreich sind die Regi- eine weitere Abnahme der Bedeutung und den Weltkulturen in der Mitte sche Geist wirklich einmal durch das bilden regionale Strukturen heute onen heute oft selbstbewusstere, aber des Nationalen im Lebensgefühl und Berlins“. Wenn Wolfgang Thierse rekonstruierte Schloss wehen soll, den Kern des staatlich-politischen auch auf sich selbst angewiesenere der Lebensplanung der Bürgerinnen Recht haben sollte, könnte dieses muss vorher die Sinnfrage in einer Selbstverständnisses. In Edinburgh Kulturträger. und Bürger sorgen. Der Wegfall der Projekt zur Sinnstiftung beitragen. öffentlichen Debatte beantwortet jedenfalls ist die Nationalflagge Dass die Wahrnehmung, alles Wehrpflicht in vielen Staaten, der Aber warum ist der Funke für diese werden. Bislang bestimmt aber nicht des Vereinigten Königreichs kaum spiele sich in den Grenzen des Natio- mit Sicherheit auch in Deutschland Idee bislang nicht übergesprungen, der Geist Humboldts, sondern der zu sehen, in Barcelona wird die nalstaates ab, von je her irrig ist, zeigt bevorsteht, trägt hierzu bei. Dem Na- warum lehnt die Bevölkerung den Preußens auf der Schlossbaustelle in Nationalsprache kaum gesprochen, ein einfaches Beispiel: In mindestens tionalstaat bleiben nicht viele Kom- Wiederaufbau des Stadtschlosses in der Mitte von Berlin und verhindert das relativ kleine Belgien scheint acht EU-Mitgliedsländern sprechen petenzen, dem deutschen besonders Berlin mit überwältigender Mehrheit eine öffentliche Debatte. auseinanderzubrechen, und selbst Bürger als Muttersprache deutsch, wenige. Das meiste von dem, womit ab, warum wird jetzt noch nicht ein- in Frankreich und Italien, hier im aber in nur zwei die Mehrheit der wir Bürger im Grundgesetz den Bund mal in den Feuilletons eine angeregte Olaf Zimmermann, Herausgeber von Norden, dort im Süden, gewinnen Bürger. Der primäre Kulturträger beauftragt haben, ist schon nach Euro- Debatte über die inhaltliche Füllung politik und kultur Kräfte an Einfluss, deren Loyalität einer Gemeinschaft ist also nicht pa gegangen oder wird es noch tun, nicht dem Nationalstaat gilt. kongruent mit staatlichen Grenzen. Länder und Gemeinden sind hiervon Kurzum: So sehr in der Europäischen kaum berührt. Insofern ist die Bedeu- nsere Länder – der Ausdruck Union die 27 Signatarstaaten auf tung von Fahnen und Hymnen im UBundesländer wäre falsch – gal- ihre Souveränität pochen und ihre Sport ein Relikt aus früherer Zeit. Kultur-Mensch ten lange Zeit als skurrile Bremser Macht im Rat ausüben, die Lebens- In dieser Umwälzung kommt das Klaus Wagenbach eines Konzepts vom Europa der Na- wirklichkeit sieht anders aus. Wenn haptische Erleben von Gemeinschaft tionalstaaten. Doch nehmen sie die sich die Union, was wohl mit Blick ein Stück weit abhanden. Regiona- Klaus Wagenbach feiert im Juli 2010 Wagenbach und der Wagenbach Ver- Bundestreue vergleichsweise ernst. auf Griechenland zu begrüßen wäre, lisierung unter europäischem Dach seinen 80. Geburtstag. Der von ihm lag stehen dafür, dass das Buch eben In ungezählten Gremien und Zirkeln als durchsetzungsbefugte Aufsichts- als Gegenbewegung zu prognosti- im Jahr 1964 gegründete Verlag be- beides ist: Wirtschafts- aber vor allem der 16, manchmal auch 17 mit dem instanz über die Finanzen der Mit- zieren, ist daher keineswegs abwegig. zeichnet sich selbst als „unabhängiger auch Kulturgut. Damit letzteres sich Bund, allen voran in der Kultusminis- gliedsstaaten durchsetzt, verschiebt Nicht bedingt, aber beflügelt durch Verlag für wilde Leser“. Wagenbach, entfalten kann, werden Vermittler wie terkonferenz, wird zäh, aber letztlich sich die Macht weiter zugunsten der das Schengener Abkommen und Mensch und Verlag, blicken auf eine der Wagenbach Verlag gebracht. ergebnisorientiert um einheitliche Union. Die Nationalstaaten stehen die gemeinsame Währung, rücken bewegte Geschichte zurück. Politische Lebens- und Rechtsverhältnisse auf der Verliererseite. Nehmen wir Regionen und Gemeinden auch Texte, Texte, die zu gerichtlichen gerungen. In Belgien scheinen Po- hinzu, dass eine spezifische Außen- transnational sogar enger zusammen. Auseinandersetzungen führten und sitionen, nicht Ergebnisse, oberste politik eines einzelnen EU-Staats Verkehrsprojekte, lokale Infrastruk- Literatur, sie gehören bei Wagenbach Priorität zu haben. Schottland ist kaum noch vorstellbar ist, dass tur, Fremdenverkehr und natürlich zusammen. Einige Buchreihen sind stolz auf sein von England grundsätz- die NATO schon seit Jahrzehnten in besonderem Maße das kulturelle legendär wie z.B. die rotgebundene lich verschiedenes Rechtssystem. In für eine weithin gemeinsame Ver- Angebot machen an keiner innereu- Reihe Salto. Ähnliches gilt für den Italien werden sich voraussichtlich in teidigungspolitik sorgt und dass ropäischen Grenze mehr Halt. Und Freibeuter, die bis 1999 erscheinende den nächsten Jahren regionale Steu- staatliche Großverbünde wie der schließlich: Staat als solcher ist für
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