Untersuchungen Zur Genealogischen Skaldendichtung
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Untersuchungen zur genealogischen Skaldendichtung D I S S E R T A T I O N zur Erlangung des akademischen Grades doctor philosophiae (Dr. phil.) eingereicht an der Philosophischen Fakultät II der Humboldt-Universität zu Berlin von Debora Dusse Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz Dekan der Philosophischen Fakultät II Prof. Dr. Michael Kämper-van den Boogart Gutachterinnen 1. Prof. Dr. Julia Zernack 2. Prof. Dr. Lena Rohrbach Tag der mündlichen Prüfung: 18. Februar 2011 Die vorliegende Dissertationsschrift wurde im Februar 2011 von der Philosophischen Fakultät II der Humboldt-Universität zu Berlin angenommen und für die Veröffentlichung überarbeitet. Für ihre Unterstützung danke ich meinen Gutachterinnen Prof. Dr. Julia Zernack (Goethe-Universität, Frankfurt am Main) und Prof. Dr. Lena Rohrbach (Humboldt-Universität zu Berlin), den Kolleginnen und Kollegen von der Universität Frankfurt am Main, den Freundinnen und Freunden und meiner Familie. Inhaltsverzeichnis EINLEITUNG 3 1. Thema und Forschungsvorhaben 3 2. Forschungsüberblick 12 I. TEIL: KONTEXTE 21 1. Überlieferungsbedingungen der Skaldendichtung 21 2. Literaturgeschichtliche Zusammenhänge 42 2.1 Genealogische Skaldengedichte als enumerative Texte 46 2.2 Genealogische Überlieferung im Norden 50 2.3 Kviłuháttr-Dichtung 65 2.4 Genealogische Skaldendichtung als Fürstenpreisdichtung 73 II. TEIL: DIE GEDICHTE 76 1. Ynglingatal 76 1.1 Zur Schwierigkeit der Einordnung des Texts 76 1.2 Stilistische Merkmale 96 1.3 Die Todesthematik 105 1.4 Die Ynglingenreihe 110 1.5 Die Fürsten als Herrscher 119 1.6 Die Überlieferung des Ynglingatal in der Ynglinga saga 122 2. Háleygjatal 128 2.1 Einführung 128 2.2 Die Überlieferung von Strophen und Namen des Gedichts 138 2.3 Mythologische Bezüge des Háleygjatal 150 2.4 Die göttliche Abstammung des Fürsten 160 2.5 Das Gedicht als Denkmal für die Vorfahren 168 3. Nóregs konungatal 175 3.1 Einführung 175 3.2 Genealogie und Historiographie: Analyse des Gedichts 177 3.3 Die Überlieferung in der Flateyjarbók 184 III. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 189 Abkürzungsverzeichnis 195 Quellen- und Literaturverzeichnis 196 2 Einleitung 1. Thema und Forschungsvorhaben Der Untersuchungsgegenstand Isländische Handschriften des Mittelalters und der Neuzeit überliefern mit den Texten Ynglingatal, Háleygjatal und Nóregs konungatal1 eine Gruppe von skaldischen Fürstenpreisgedichten norwegischer und isländischer Provenienz, welche Genealogien norwegischer Herrschergeschlechter und die norwegische Königsreihe behandeln. Hierbei stellen sie den Tod der Fürsten in den Mittelpunkt. Sie weisen vor allem formal und stofflich, aber auch in sprachlicher Hinsicht Parallelen auf. Die wesentlichsten sind neben den genannten thema- tischen Schwerpunkten Genealogie und Tod das gemeinsame Versmaß Kviłuháttr und die analoge Bildung des Gedichtnamens mit dem Suffix „-tal“ („Aufzählung“). Das Ynglingatal („Aufzählung der Ynglingar“) umfasst die schwedisch- norwegische Königsreihe der Ynglingar von mythischen Ursprüngen bis in die 1 Als Textgrundlage für Nóregs konungatal dient die Neuausgabe der Skaldendichtung: Skaldic poetry of the Scandinavian Middle Ages; siehe Poetry from the Kings’ Sagas 2. Kari Ellen Gade (Hg.). Turnhout 2009. Bd. 2, S. 761-806. Da die Neueditionen von Ynglingatal und Háleygjatal erst in der Abschlussphase der vorliegenden Arbeit erschienen sind, werden diese Texte wie auch andere zum Vergleich herangezogene ältere Skaldengedichte noch nach der Edition Finnur Jónssons zitiert. Die zum Teil abweichende Zählung der Strophen konnte für die beiden zuletzt genannten Gedichte nicht mehr eingearbeitet werden, die Textfassungen der Neuausgabe wurden jedoch überprüft. Die Textgrundlagen für Ynglingatal und Háleygjatal sind: Den norsk-islandske skjaldedigtning. Finnur Jónsson (Hg.). A: Tekst efter håndskrifterne I-II, B: Rettet tekst I- II. KÞbenhavn 1912-1915 (= Skj.); Ynglingatal: Skj. A I, S. 7-15 und Skj. B I, S. 7-14; Háleygjatal: Skj. A I, S. 68-71 und B I, S. 60-62, vergleiche auch Nóregs konunga tal: Skj. A I, S. 579-589 und Skj. B I, S. 575-590. Für das Nóregs konungatal wurde eine doppelte Strophenzählung nach der neuen Ausgabe und nach Skj. in folgenden eckigen Klammern gewählt. Die Ausgabe Finnur Jónssons ist kritisch kommentiert in: Ernst Albin Kock: Notationes norrþn¤. Anteckningar till Edda och skaldediktningen. Bd. 1-5. Lund, Leipzig 1923-1944 (= NN). Die handschriftliche Überlieferung ist zum Teil zu- gänglich auf den Internetseiten der Neuedition der Skaldendichtung, Skaldic poetry of the Scandinavian Middle Ages: http://abdn.ac.uk/skaldic/db.php (letzter Zugriff 24.5.2013). Die für die Beurteilung des Überlieferungskontexts wichtigen Editionen der Prosatexte, die Strophen der Gedichte tradieren, werden an den Stellen angeführt, an denen sie zitiert werden. Eddalieder werden nach der folgenden Ausgabe zitiert: Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern. Gustav Neckel (Hg.). I. Text. 5. verb. Aufl. von Hans Kuhn. Heidelberg 1983. 3 Zeit der norwegischen Reichseinigung („rikssamling“) im späten 9. Jahrhundert und wird dem Skalden †jółólfr ór Hvini zugeschrieben. Das nur stark fragmentarisch überlieferte Gedicht Háleygjatal („Aufzählung der Háleygir“) behandelt in Auszügen die Reihe der nordnorwegischen Jarle von Hlałir, ebenfalls mit mythischen Ursprüngen beginnend, und reicht bis Hákon jarl Sigurłarson inn ríki im späten 10. Jahrhundert. Es soll von dem Skalden Eyvindr Finnsson skáldaspillir gedichtet worden sein. Das Nóregs konungatal („Aufzählung der Könige Norwegens“) wurde um 1190 für den isländischen Magnaten Jón Loptsson gedichtet, der väterlicherseits der einflussreichen isländischen Familie der Oddaverjar entstammte und mütterlicherseits mit der norwegischen Königsfamilie verwandt war. Es hat – wie der Gedichtname schon sagt – die norwegische Königsreihe zum Gegenstand und ist anonym überliefert. Tradiert wurden alle drei Texte im Wesentlichen im Kontext dynastischer Interessen. Sie finden sich als Zitate vor allem in historiographischen Werken oder Kompilationen aus dem Bereich der Konungasögur, der norwegischen und isländischen Königssagas des 13. und 14. Jahrhunderts.2 Die Texte sind in ihrer überlieferten Form vor allem Teil der umfang- und formenreichen genealogischen Überlieferung des mittelalterlichen Islands. „Genealogische“ Skaldendichtung In literaturgeschichtlichen Darstellungen zur norrönen Überlieferung oder in Monographien zur Skaldendichtung sucht man vergeblich nach ausführlichen übergreifenden Erörterungen zu den sogenannten „genealogischen“ Skalden- gedichten Ynglingatal, Háleygjatal und Nóregs konungatal. Meistens werden die Texte als genealogische Fürstenpreisdichtung klassifiziert, so etwa in den grundlegenden Abhandlungen zur Skaldendichtung von Jón Helgason und Bjarne FidjestÞl.3 2 Vor allem sind hier die Texte Fagrskinna und Heimskringla sowie die Handschrift Flateyjarbók (GKS 1005 fol.) zu nennen. 3 Die einzelnen Gedichte werden zwar kurz besprochen, gelegentlich findet sich auch ein Abschnitt, der alle drei Gedichte behandelt. Vergleiche etwa Jón Helgason: Norges og Islands digtning. In: Sigurłur Nordal (Hg.): Litteraturhistorie B. Norge og Island. Stockholm, Oslo, KÞbenhavn 1953, S. 3-179, hier: 114-116. Umfassendere Aus- 4 Eine wesentliche Ursache für das bisherige Fehlen einer genaueren Untersuchung der genealogischen Skaldendichtung als Textgruppe ist wohl, dass unter diesem Texttyp lediglich die drei genannten Gedichte subsumiert werden können. Diese scheinen zudem so stark aufeinander bezogen, dass sie von der Forschung häufig nicht als drei Vertreter eines Texttyps aufgefasst wurden, sondern als ein Text (Ynglingatal), dem zwei Nachahmungen (Háleygjatal und Nóregs konungatal) folgten. Vor allem das Nóregs konungatal wird gemeinhin als epigonales Werk aufgefasst, dem Modell der anderen beiden genealogischen Fürstenpreisgedichte nachgebildet.4 Gerade dieses Gedicht ist daher trotz seines bemerkenswerten Umfangs von 75 [83] Strophen von der Forschung bisher besonders vernachlässigt worden. Das Ungleichgewicht des Forschungsinteresses zeigt sich besonders deutlich im Vergleich mit dem Ynglingatal; mit keinem anderen Gedicht hat sich die Skaldenforschung nämlich auch nur annähernd so intensiv auseinandergesetzt wie mit diesem.5 Ein weiterer Grund für die Vernachlässigung der genealogischen Dichtung in der Forschung, der sich zum Epigonalitätsvorwurf hinzugesellt, ist sicher, dass die Texte nicht im Hauptversmaß der skaldischen Fürstenpreisdichtung, dem prunkvollen Dróttkv¤tt, verfasst sind, sondern in dem einfacheren Versmaß Kviłuháttr, das in der Skaldendichtung eine untergeordnete Rolle spielt. Neben diesen Gründen, die auf Wertungen zurückzuführen sind, gibt es aber auch den Texten immanente Gründe, die einer Behandlung als Textgruppe oder Gattung entgegengewirkt haben: Ein genauerer Blick auf die Gedichte zeigt nämlich, dass sie sich thematisch in besonderer Weise einer Klassifikation entziehen und so den Rahmen der traditionellen Fürstenpreisdichtung überschreiten. Sie verbinden den führungen fehlen jedoch. So kommt die genealogische Skaldendichtung etwa nur am Rande vor bei Bjarne FidjestÞl: Det norrÞne fyrstediktet. ∆vre Ervik 1982. 4 Diese Einschätzung von Nóregs konungatal findet sich etwa bei Jan de Vries (Altnordische Literaturgeschichte. Bd. 1-2, 2., völlig neu bearb. Aufl., Berlin 1964-1967, hier: Bd. 2, S. 47) und bei Wolfgang Lange (Studien zur christlichen Dichtung der Nordgermanen 1000-1200. Göttingen 1958, S. 88). Zu Háleygjatal siehe zum