Bahn Frei! Als Chef Der Bahn AG Wollte Hartmut Mehdorn Ganz Schnell Aufräumen Mit Milliardenlöchern Und Tarifwirrwarr, Beamtentrott Und Schmuddel-Image

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Bahn Frei! Als Chef Der Bahn AG Wollte Hartmut Mehdorn Ganz Schnell Aufräumen Mit Milliardenlöchern Und Tarifwirrwarr, Beamtentrott Und Schmuddel-Image Wirtschaft MANAGER Bahn frei! Als Chef der Bahn AG wollte Hartmut Mehdorn ganz schnell aufräumen mit Milliardenlöchern und Tarifwirrwarr, Beamtentrott und Schmuddel-Image. Doch erst in den nächsten Monaten wird sich entscheiden, wer stärker ist: Macher oder Moloch? Von Thomas Tuma enn er mal in der zweiten Reihe Kurz vor acht bestieg er in Berlin seinen über WiesheuStoiberMerz sprach, riss die warten muss, verschränkt Hartmut Zug. Ach was, er besprang ihn. Einer wie Verbindung ab, was nicht schuld der Bahn WMehdorn, 59, die Arme und ver- er steigt ja nicht. Er springt, hüpft, rennt sei und überhaupt. So einer erklärt gern. sucht, zum Granitblock zu erstarren. Wenn oder marschiert. Am besten immer vorne- Wenigstens zeterte diesmal nicht wieder er sich langweilt, zuppeln die weißwurst- weg. Wer nur seine Stimme hört, denkt an jemand über die blöde Bahn wie jene Frau, dicken Finger wie rotierende Blitzableiter. Heinz Rühmann oder Ernie aus der Se- die mal lauthals das „Chaos“ beklagt hat- Und wenn die Langeweile anfängt, ihn zu samstraße. 174 Zentimeter mit Barney- te, als Mehdorn in der Nähe saß. Da stand nerven, wippt sein massiger Körper auf Geröllheimer-Statur. So einer wird anfangs er auf und sagte der „gnädigen Frau“, die und ab. Jetzt gerade zuppelt und wippt manchmal unterschätzt. Einzige, die hier Chaos verursache, sei sie selbst. Der Disput eskalierte, Bahnchef Mehdorn im ICE-Cockpit: Umreißen, einreißen, mitreißen bis am Ende selbst Mehdorns mitreisende Frau Helene „stin- keböse“ auf ihn war. So einer streitet gern. Aber jetzt und hier in Ham- burg muss er sich zusammen- reißen, so gut es geht. Nachher wird er wieder Hunderte Hän- de von Bahnern schütteln müs- sen, denen man die Pensions- berechtigung schon an den Mundwinkeln ablesen kann. Heidi Kabel wird singen. Und Mehdorn? Zuppelt. Wippt. Ro- tiert. Die obligatorische Erup- tion liegt bereits hinter ihm. Wohin fährt die Bahn? Als er zur Begrüßung an- setzt, nölt sofort einer aus der Die Deutsche Bahn seit der Privatisierung Menge, Arbeitslose müssten ja UMSATZ in Euro wohl draußen bleiben, weil der Bahnchef seine Vorzeigeimmo- 14,8 15,5 Milliarden bilien bekanntlich pennerfrei Milliarden + 4,7 % machen will. Da brodelt es aus ihm heraus, dass sein Unter- 1994 2000 nehmen keine Bedürfnisanstalt 577 sei, keine Sozialstation und so- GEWINN wieso, bis die Rentner Beifall in Millionen klatschen. So einer reißt um, Euro ein, am liebsten aber mit – was 200 / DDP ROLAND MAGUNIA immer sich ihm in den Weg 135 170 stellt. 93 87 85 und rotiert der Granitblock, dass es nur so Kürzlich besuchte die Ex-Gesundheits- eine Freude ist. 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 ministerin Andrea Fischer werbewirksam Es ist ein eisiger Wintermittag. Auf dem BESCHÄFTIGTE die Berliner Bahnhofsmission und lamen- Terminplan steht die Wiedereröffnung eines tierte, Bahnhöfe seien ein öffentlicher Ort. Hamburger Bahnhofs. Es könnte auch ein 331101 Danach schrieb ihr Mehdorn, sie betreibe Spatenstich sein oder eine Baustellenbe- – 32,8 % 222656 „Populismus auf Kosten der Bahn“. Viel- sichtigung. Alles dasselbe. Und meist steht leicht könne sie ja mal „eine Essensaus- dann Angelika Mertens, Staatssekretärin 1994 2000 gabe im Reichstag organisieren“, der doch im Bundesverkehrsministerium, vor Meh- genauso öffentlich sei. Renitenten Pfarrern dorn und hält eine grottenlangweilige Rede. Es ging durch mecklenburg-vorpomme- und Bürgermeistern schlug er vor, ihre Kir- Zuppeln, wippen, rotieren. Er rollt jetzt risches Flachland, wo der ICE 1634 „Flie- chen und Rathäuser zu öffnen. Warum tut auch noch mit den Augen. Es wird – so gender Hamburger“ mitunter nicht flog, der Mann sich all das an? viel ist klar – ein typischer Tag im Leben sondern kroch, weil Baustellen dort gera- Als er klein war, wollte Mehdorn nie des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen de die Hochgeschwindigkeitszukunft der Lokomotivführer werden. Nicht mal eine Bahn AG. Bahn betonieren. Als Mehdorn am Handy Modelleisenbahn besaß er wie die anderen 82 der spiegel 9/2002 Jungs. Hat ihn nicht interessiert, diese öde Bahn frei! Von politischem Gezerre und Im-Kreis-Fahrerei. Viel eher träumte er da- altem Beamtentrott, Tarifwirrwarr und von, Pilot zu werden. Loopings, Sturzflug, Schmuddel-Image. Schallgeschwindigkeit. So wurde Mehdorn Bahnchef ist aber ein bisschen wie Fuß- Ingenieur. ball-Bundestrainer, nur schlimmer: Jeder Er entwickelte etliche Airbus-Typen, weiß, wie’s besser geht. Deshalb werden baute um, auf und manchmal ab. 1993 neuerdings eher die Bilder vom „Entglei- musste er den rund 1300 Beschäftigten in sen“ rausgeholt und von „falsch gestellten der Flugzeugwerft Lemwerder, wo er selbst Weichen“. nach dem Studium angefangen hatte, er- Die Bahn ist keine Aktiengesellschaft, klären, dass ihr Werk geschlossen werde. die einfach etwas produziert – und sei es Er hätte das anderen überlassen können. eine Dienstleistung. Sie ist ein großer, grau- Aber er geht gern dorthin, wo’s wehtut. er Nebel aus Befindlichkeiten und Bezie- Nicht nur an den längst seltenen freien Wo- hungskisten, Vorstadtkorruption und Hin- chenenden, wenn er mit alten Kumpels bei terzimmerdiplomatie, in dem Legionen Hertha „Tor!“ schreien darf. von Politikern und Gewerkschaftern, Bau- Zwei Jahre nach dem Lemwerder-Exitus löwen und Lobbyisten, Werbern und Witz- ging er selbst. Freiwillig. Der damalige figuren auf allen Ebenen herumtapern. Dasa-Chef Jürgen Schrempp erkor statt ihn Bahnchef sei „ein ziemlicher Scheißjob“, den Finanzvorstand Manfred Bischoff zu sagt der verkehrspolitische Sprecher der seinem Nachfolger. Danach verdoppelte [email protected] CDU, Dirk Fischer. Warum macht Meh- Mehdorn bei der Heidelberger Druck den Überfülltes Zugabteil dorn ihn dennoch? Umsatz, vervierfachte den Gewinn, zog Rekruten früher nach Hause schicken? An der Bezahlung kann’s nicht liegen. den Börsengang glanzvoll durch, schenkte Seit gut zwei Jahren bekommt er deutlich dem Unternehmen neue digitale Visionen verrücktesten Jobs der Nation. Der eine weniger Geld für deutlich mehr Ärger als – und fing an, sich zu langweilen. hat die ruhige Hand, der andere den Hand- in Heidelberg. Warum also ließ er sich auf In jener Zeit, es war Sommer 1999, rief kantenschlag. Der Mann fürs Große – und seine alten Tage doch noch eine Eisenbahn der Aufsichtsratschef der Bahn, Dieter Vo- der fürs Grobe. aufhalsen? Noch dazu eine, die größer ist gel, bei ihm an. Später zog ihn Kanzler Anfangs nannten Journalisten Mehdorn als alles, was sich ein Kellerbastler über- Gerhard Schröder zur Seite und sagte: ehrfürchtig „Bahnbrecher“ („Die Woche“) haupt vorstellen kann. „Mehdorn, Bahnchef ist der zweitverrück- und „Tempo-Macher“ („Handelsblatt“) mit Das Bahnreich wird von 36588 Gleis- teste Job, den die Nation zu vergeben hat.“ „Zugkraft wie eine Lokomotive“ („Süd- kilometern mit 93928 Weichen und Kreu- Da stehen sie seither, die beiden mit den deutsche Zeitung“). Sein Motto war klar: zungen durchzogen. Es führt durch 844 Wirtschaft Tunnel und über 32933 Brücken. Es wird zenständer zusammenlötet von 25941 Bahnübergängen zerschnitten oder später einen Science-Fic- und von 6415 Stellwerken kontrolliert, von tion-Roman schreiben will, in rund 220000 Mitarbeitern gewartet, geplant dem es von der ersten Seite und verwaltet. In täglich 30552 Personen- an so richtig knallen müsste. zügen drängeln sich pro Jahr 1,71 Mil- Oder will er in die Annalen liarden Reisende, die an 5948 Bahnhöfen eingehen als einer der großen ein-, aus- und umsteigen. Der größte steht Sanierer, die einen maroden in München und bewältigt pro Tag 350000 deutschen Staatsapparat fit Gäste. Der kleinste heißt – noch – Porsch- gemacht haben? So wie Jür- dorf und hat pro Tag einen Fahrgast. gen Weber es bei der Deut- Die Bahnwelt ist voller solcher Extre- schen Lufthansa geschafft hat. me. Sie umfasst ja nicht nur Züge, sondern Wie Ron Sommer es bei der auch Sportvereine, Krankenhäuser und ein MARCO-URBAN.DE Telekom versucht oder Klaus Waisenhaus. Jeden Tag zählen die Statisti- Verkehrsminister Bodewig: Lauernder Waffenstillstand Zumwinkel bei der Post. Vor- ker auf den Gleisen im Schnitt 6219 Gü- bild für Mehdorn ist aber eher terzüge – und 3 Selbstmordtote. im Jahr 2000 eröffnet werden. Mittlerwei- ein leiser Manager wie Allianz-Chef Hen- Der Bahnkosmos ist so entsetzlich groß le ist die Stadt pleite. Das Prestigeprojekt ning Schulte-Noelle, weil der „in aller Ruhe und unüberschaubar, dass es pro Jahr Tau- kostet eher das Dreifache, wird frühestens seinen Konzern zusammenschmiedete“. sende von Waggons gibt, die es kurzfristig 2006 fertig und versaut dem Chef ausdau- In aller Ruhe? Eben. „Das Rascheln von eben nicht mehr gibt. Weil sie den Logisti- ernd die Stimmung. Wofür das alles? Versicherungspolicen ist natürlich ein stil- kern durch ihre Ortungssysteme rutschen. Weil Mehdorn auf seine alten Tage was leres Geschäft.“ Einfach so. Einfach weg. fürs Vaterland tun wollte, wie er dann gern Bei Mehdorn dagegen beschwert sich die Dafür tauchen an anderer Stelle plötz- grinsend behauptet? Derlei hat er mit dem Hamburger Statt-Partei über die „unhalt- lich Dinge auf, mit denen niemand mehr Airbus längst hinter sich. Für den Ausbau bare“ Toilettensituation auf dem Bahnhof gerechnet hat – vorwiegend dunkle Löcher, der deutsch-französischen Partnerschaft von Winsen an der Luhe. Der Bürgermeis- die dann „Milliardengräber“ genannt wer- bekam er das Bundesverdienstkreuz Erster ter von Dorsten nölt, weil nix gegen das den, weil wieder irgendwo irgendwer mit Klasse und den Offiziersorden der franzö- wilde Plakatieren an der Bahnbrücke über irgendeinem Beschluss
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