Deutscher Drucksache 14/8102 14. Wahlperiode 29. 01. 2002

Antrag der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, Margot von Renesse, (), , Hildegard Wester, Werner Lensing, Wolf-Michael Catenhusen, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), , Jörg Tauss, , Ingrid Arndt-Brauer, , , , Dr. Hans- Peter Bartels, Ingrid Becker-Inglau, Wolfgang Behrendt, , Grietje Bettin, Friedhelm Julius Beucher, , , , Klaus Brandner, (Hildesheim), Rainer Brinkmann (Detmold), Hans-Günter Bruckmann, Ursula Burchardt, Hans Martin Bury, Marion Caspers-Merk, Dr. , Peter Dreßen, Dr. Thea Dückert, Detlef Dzembritzki, Dr. Peter Eckardt, Franziska Eichstädt-Bohlig, Dr. Uschi Eid, Peter Enders, , Petra Ernstberger, Annette Faße, Hans-Josef Fell, Lothar Fischer (Homburg), , Norbert Formanski, Rainer Fornahl, , , Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), Lilo Friedrich (Mettmann), (Köln), Monika Ganseforth, Iris Gleicke, , Günter Gloser, Uwe Göllner, Renate Gradistanac, Günter Graf (Friesoythe), Angelika Graf (Rosenheim), Dieter Grasedieck, , Rita Grießhaber, Achim Großmann, Karl-Hermann Haack (Extertal), Hans-Joachim Hacker, Klaus Hagemann, Manfred Hampel, Alfred Hartenbach, Anke Hartnagel, Klaus Hasenfratz, , Nina Hauer, Norbert Hauser (), , , Siegfried Helias, Rolf Hempelmann, Dr. Barbara Hendricks, Reinhold Hiller (Lübeck), Stephan Hilsberg, Frank Hofmann (Volkach), Jelena Hoffmann (Chemnitz), (Wismar), Ingrid Holzhüter, Eike Hovermann, Christel Humme, Ilse Janz, Dr. Harald Kahl, Johannes Kahrs, Bartholomäus Kalb, Sabine Kaspereit, Susanne Kastner, Hans-Peter Kemper, Marianne Klappert, Siegrun Klemmer, , , Nicolette Kressl, Volker Kröning, Angelika Krüger-Leißner, Dr. Uwe Küster, Ute Kumpf, Christian Lange (Backnang), Christine Lehder, Klaus Lennartz, Eckhart Lewering, Dr. Helmut Lippelt, Gabriele Lösekrug-Möller, Dr. Reinhard Loske, Dieter Maaß (Herne), Erich Maaß (Wilhelmshaven), Tobias Marhold, Lothar Mark, (Recklinghausen), , Dr. , Ulrike Merten, , Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Ursula Mogg, Siegmar Mosdorf, Jutta Müller (Völklingen), Cem Özdemir, Adolf Ostertag, Kurt Palis, Georg Pfannenstein, Johannes Pflug, Joachim Poß, Dr. , Karin Rehbock- Zureich, Dr. Carola Reimann, Dr. , Reinhold Robbe, Birgit Roth (), Volker Rühe, Marlene Rupprecht, Dr. Hansjörg Schäfer, Gudrun Schaich- Walch, Bernd Scheelen, Siegfried Scheffler, Horst Schild, Dieter Schloten, Wilhelm Schmidt (Salzgitter), , Karsten Schönfeld, Gisela Schröter, Dr. Erika Schuchardt, Richard Schuhmann (Delitzsch), (Leipzig), Volkmar Schultz (Köln), Dr. Angelica Schwall-Düren, Bodo Seidenthal, Wieland Drucksache 14/8102 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Sorge, Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Bärbel Sothmann, Dr. Margit Spielmann, Dr. Ditmar Staffelt, Antje-Marie Steen, , Rolf Stöckel, Andreas Storm, , Rita Streb-, (Heilbronn), Dr. Peter Struck, Jella Teuchner, Franz Thönnes, Uta Titze-Stecher, Hans-Eberhard Urbaniak, Simone Violka, (Pforzheim), Matthias Weisheit, Wolfgang Weiermann, Gunter Weißgerber, Dr. , Lydia Westrich, Dr. Norbert Wieczorek, Jürgen Wieczorek (Böhlen), Dieter Wiefelspütz, Heinz Wiese (Ehingen), Heino Wiese (Hannover), Brigitte Wimmer (Karlsruhe), Dagmar Wöhrl, Verena Wohlleben, Aribert Wolf, Margareta Wolf (), Heidemarie Wright

Keine verbrauchende Embryonenforschung: Import humaner embryonaler Stammzellen grundsätzlich verbieten und nur unter engen Voraussetzungen zulassen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest: Die biomedizinische Forschung ist dabei, auf breiter Front unser Wissen über den Menschen zu erweitern. Fortschritte in der Genomforschung, in den Neuro- wissenschaften, in der Entwicklungs- und Zellbiologie bringen neues Wissen, das unser Verständnis der Entstehung und des Verlaufs von Krankheiten ver- tieft. Dieses Wissen führt zugleich zu neuen Anfragen an unser Verständnis von verantwortlichem Umgang mit neuen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten und an den Umgang mit ungeborenem Leben. Wie in kaum einem anderen Bereich der Forschung bestehen im Zusammen- hang mit der Stammzellenforschung derzeit in der Öffentlichkeit Erwartungen und Hoffnungen bei der Behandlung bisher unheilbarer Krankheiten. Tatsäch- lich steht die Stammzellenforschung – ungeachtet einer Reihe wissenschaft- licher Erfolge – noch am Anfang. Sie ist aber schon jetzt darauf gerichtet, neue Optionen für die Behandlung schwerer, heute noch unheilbarer Krankheiten zu erschließen. Um das Potenzial der verschiedenen Arten von Stammzellen im Vergleich umfassend auszuloten, wird von deutschen Wissenschaftlern ange- strebt, auch mit menschlichen embryonalen Stammzellen zu arbeiten. Sie wol- len dazu embryonale Stammzellen aus dem Ausland importieren, wo ihre Ge- winnung – im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland – derzeit nicht verboten ist. Dabei berufen sie sich auf die durch Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Forschungsfreiheit sowie auf die geltende Rechtslage. Die rasanten Entwicklungen im Bereich der Stammzellenforschung stellen Po- litik, Wissenschaft und Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Sie konfron- tieren uns mit Fragen, die grundlegende Wertorientierungen unserer Gesell- schaft betreffen. Verantwortbare Lösungen können nur in der Orientierung an der Werteordnung unserer Verfassung gefunden werden, die sich auf ein christ- liches, humanistisches Menschenbild stützt. Dies verpflichtet uns in besonderer Weise auf den Einsatz für die Würde des Menschen und für den Schutz menschlichen Lebens. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist es eine große Verpflichtung, die durch die medizinische Forschung eröffneten Perspektiven von Hilfe und Heilung auch dann zu nutzen, wenn es sich bisher nur um eine Option handelt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8102

Der Deutsche Bundestag bekräftigt die Zielsetzung des Embryonenschutzgeset- zes: Embryonen dürfen nur zum Zweck der Fortpflanzung erzeugt werden. Sie sind zukünftige Kinder zukünftiger Eltern. An dieser Rechtslage ist festzuhalten. Eine Tötung von Embryonen zu Forschungszwecken muss verboten bleiben. Menschliche embryonale Stammzellen sind jedoch keine Embryonen, weil sie sich nicht zu einem vollständigen menschlichen Organismus entwickeln kön- nen. Ein unmittelbarer Grundrechtsschutz kann für sie nicht in Anspruch ge- nommen werden. Deshalb stehen dem Grundrecht der Freiheit der Wissen- schaft und Forschung, dessen Schranken sich nur aus der Verfassung selbst ergeben können, bei der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen keine unmittelbar kollidierenden Grundrechte eines Embryos entgegen. Gleichwohl ist der Import von humanen embryonalen Stammzellen rechtlich und ethisch problematisch, da ihre Gewinnung nach derzeitigem Stand von Wissenschaft und Technik die Tötung von Embryonen voraussetzt. Die Wah- rung der Werteordnung des Grundgesetzes ist uns von der Verfassung aufgege- ben. Sie würde gefährdet, wenn durch die Zulassung des Imports eine Auswei- tung der Nachfrage nach neuen Stammzelllinien hervorgerufen würde mit der Folge der Tötung weiterer Embryonen. Deshalb muss sichergestellt werden, dass der Import von humanen embryonalen Stammzellen nach Deutschland keine Tötung weiterer Embryonen zur Stammzellgewinnung veranlasst. Zu- gleich muss klargestellt werden, dass die Zulassung des Imports von bestehen- den humanen embryonalen Stammzellen keine rückwirkende Billigung der Tötung von Embryonen zu Forschungszwecken bedeutet. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die Förderung der Stammzellenforschung mit klarem Vorrang für die Forschung an menschlichen adulten Stammzellen, solchen aus Nabelschnurblut sowie tierischer Herkunft zu verstärken. Darüber hinaus soll die Bundesregierung darauf hinwirken, dass auch auf europäischer Ebene bei den Forschungsprojekten eine Beschränkung auf bestehende Stammzelllinien vorgenommen wird. Sie wird aufgefordert, entsprechende Regeln für die Stammzellenforschung aus Mitteln der Europäi- schen Union durchzusetzen. Der Deutsche Bundestag wird umgehend ein Gesetz verabschieden, das dem Verbrauch weiterer Embryonen zur Gewinnung humaner embryonaler Stamm- zellen entgegenwirkt. Der Import humaner embryonaler Stammzellen ist für öffentlich wie privat finanzierte Vorhaben grundsätzlich verboten und nur aus- nahmsweise für Forschungsvorhaben unter folgenden Voraussetzungen zuläs- sig: 1. Alternativen (Forschung am Tiermodell, Verwendung anderer Arten von menschlichen Stammzellen) sind nach dem anerkannten Stand von Wissen- schaft und Forschung für die angestrebte Zielsetzung des geplanten For- schungsvorhabens nicht in vergleichbarer Weise erfolgversprechend. 2. Der Import humaner embryonaler Stammzellen wird auf bestehende Stamm- zelllinien, die zu einem bestimmten Stichtag – spätestens zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über diesen Antrag – etabliert wurden, beschränkt. Durch die Stichtagsregelung wird sichergestellt, dass zum Zwecke des Imports humaner embryonaler Stammzellen nach Deutschland eine Tötung weiterer Embryonen zur Stammzellgewinnung vermieden wird. Damit wird der Intention des Embryonenschutzgesetzes Rechnung getragen, nach dem die Tötung von Embryonen zu Forschungszwecken ausgeschlossen ist. 3. Das Einverständnis der Eltern zur Gewinnung von Stammzellen aus einem Embryo muss vorliegen. Dabei darf es sich nur um einen solchen Embryo handeln, der zur Herbeiführung einer Schwangerschaft gezeugt, aber aus Gründen, die nicht an ihm selbst liegen, nicht mehr implantiert wurde. Das Drucksache 14/8102 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Einverständnis der Eltern muss unter Ausschluss finanzieller Zuwendungen erklärt worden sein. 4. Die Hochrangigkeit des Forschungsvorhabens für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung oder für die Erwei- terung medizinischer Kenntnisse bei der Entwicklung diagnostischer oder therapeutischer Verfahren muss nachgewiesen werden. 5. Die ethische Vertretbarkeit wird durch eine hochrangige und interdisziplinär besetzte Zentrale Ethikkommission geprüft. 6. Die Erfüllung der genannten Voraussetzungen stellt eine transparent arbei- tende, gesetzlich legitimierte Kontrollbehörde sicher, deren Genehmigung Bedingung für deren Import ist.

Berlin, den 29. Januar 2002

Dr. Maria Böhmer Annette Faße Margot von Renesse Hans-Josef Fell Andrea Fischer (Berlin) Lothar Fischer (Homburg) Horst Seehofer Ulf Fink Hildegard Wester Norbert Formanski Werner Lensing Rainer Fornahl Wolf-Michael Catenhusen Herbert Frankenhauser Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Dagmar Freitag Thomas Rachel Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) Jörg Tauss Lilo Friedrich (Mettmann) Gerd Andres Anke Fuchs (Köln) Ingrid Arndt-Brauer Monika Ganseforth Rainer Arnold Iris Gleicke Ernst Bahr Michael Glos Doris Barnett Günter Gloser Dr. Hans-Peter Bartels Uwe Göllner Ingrid Becker-Inglau Renate Gradistanac Wolfgang Behrendt Günter Graf (Friesoythe) Matthias Berninger Angelika Graf (Rosenheim) Grietje Bettin Dieter Grasedieck Friedhelm Julius Beucher Kerstin Griese Petra Bierwirth Rita Grießhaber Rudolf Bindig Achim Großmann Antje Blumenthal Karl-Hermann Haack (Extertal) Klaus Brandner Hans-Joachim Hacker Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Klaus Hagemann Rainer Brinkmann (Detmold) Manfred Hampel Hans-Günter Bruckmann Alfred Hartenbach Ursula Burchardt Anke Hartnagel Hans Martin Bury Klaus Hasenfratz Marion Caspers-Merk Gerda Hasselfeldt Dr. Peter Danckert Nina Hauer Peter Dreßen Norbert Hauser (Bonn) Dr. Thea Dückert Helmut Heiderich Detlef Dzembritzki Hubertus Heil Dr. Peter Eckardt Siegfried Helias Franziska Eichstädt-Bohlig Rolf Hempelmann Dr. Uschi Eid Dr. Barbara Hendricks Peter Enders Reinhold Hiller (Lübeck) Gernot Erler Stephan Hilsberg Petra Ernstberger Frank Hofmann (Volkach) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/8102

Jelena Hoffmann (Chemnitz) Volker Rühe Iris Hoffmann (Wismar) Marlene Rupprecht Ingrid Holzhüter Dr. Hansjörg Schäfer Eike Hovermann Gudrun Schaich-Walch Christel Humme Bernd Scheelen Ilse Janz Siegfried Scheffler Dr. Harald Kahl Horst Schild Johannes Kahrs Dieter Schloten Bartholomäus Kalb Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Sabine Kaspereit Carsten Schneider Susanne Kastner Karsten Schönfeld Hans-Peter Kemper Gisela Schröter Marianne Klappert Dr. Erika Schuchardt Siegrun Klemmer Richard Schuhmann (Delitzsch) Walter Kolbow Werner Schulz (Leipzig) Anette Kramme Volkmar Schultz (Köln) Nicolette Kressl Dr. Angelica Schwall-Düren Volker Kröning Bodo Seidenthal Angelika Krüger-Leißner Wieland Sorge Dr. Uwe Küster Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Ute Kumpf Bärbel Sothmann Christian Lange (Backnang) Dr. Margit Spielmann Christine Lehder Dr. Ditmar Staffelt Klaus Lennartz Antje-Marie Steen Eckhart Lewering Ludwig Stiegler Dr. Helmut Lippelt Rolf Stöckel Gabriele Lösekrug-Möller Andreas Storm Dr. Reinhard Loske Max Straubinger Dieter Maaß (Herne) Rita Streb-Hesse Erich Maaß (Wilhelmshaven) Thomas Strobl (Heilbronn) Tobias Marhold Dr. Peter Struck Lothar Mark Jella Teuchner Erwin Marschewski (Recklinghausen) Franz Thönnes Christoph Matschie Uta Titze-Stecher Dr. Angela Merkel Hans-Eberhard Urbaniak Ulrike Merten Simone Violka Angelika Mertens Ute Vogt (Pforzheim) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Matthias Weisheit Ursula Mogg Wolfgang Weiermann Siegmar Mosdorf Gunter Weißgerber Jutta Müller (Völklingen) Dr. Rainer Wend Cem Özdemir Lydia Westrich Adolf Ostertag Dr. Norbert Wieczorek Kurt Palis Jürgen Wieczorek (Böhlen) Georg Pfannenstein Dieter Wiefelspütz Johannes Pflug Heinz Wiese (Ehingen) Joachim Poß Heino Wiese (Hannover) Dr. Peter Ramsauer Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Karin Rehbock-Zureich Dagmar Wöhrl Dr. Carola Reimann Verena Wohlleben Dr. Heinz Riesenhuber Aribert Wolf Reinhold Robbe Margareta Wolf (Frankfurt) Birgit Roth (Speyer) Heidemarie Wright

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