VSG

Vechtaer Studien zur Geographie

Band 4 / 2015

Oliver Klein Imaginative Geographien in multiskalaren Produktions- netzwerken - Das Beispiel der Schweinefleischproduktion im Oldenburger Münsterland

Oliver Klein

Imaginative Geographien in multiskalaren Pro- duktionsnetzwerken - Das Beispiel der Schweine- fl eischproduktion im Oldenburger Münsterland VSG

Vechtaer Studien zur Geographie

Herausgegeben von M. Flath und C. Tamásy Schriftleitung: K.M. Born

Band 4 VSG Vechtaer Studien zur Geographie Band 4

Oliver Klein

Imaginative Geographien in multiskalaren Produktions- netzwerken - Das Beispiel der Schweinefl eischproduktion im Oldenburger Münsterland

2015 Zuschriften, die die Vechtaer Studien zur Geographie betreffen, sind zu richten an:

Institut für Strukturforschung und Planung in agrarischen Intensivgebieten (ISPA) Universität Postfach 1553 D-49364 Vechta

Fax: 04441-15445 E-Mail: [email protected]

Titelfoto: Wertschöpfungskette Schweinefl eisch Foto 1, 2 und 4 Christoph Krieger, eigene Aufnahmen Foto 3, 5 und 6 fotolia.com

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Druck: csw-druck, 49413 ISBN 978-3-945968-02-4 1. Aufl age 2015 Vorwort

VORWORT

Als ich zu Beginn des Jahres 2011 von meiner Dok- Produkte, die klare und vor allem positiv besetzte tormutter Christine Tamásy dazu ermuntert wurde, Assoziationen mit der Herkunftsregion hervorru- im Rahmen meines Promotionsvorhabens ein spezi- fen. Wie aber ist es zu bewerten, wenn die Herkunft elles Lebensmittel unter dem Aspekt der Produkt- mit einer Region wie dem Oldenburger Münsterland herkunft zu untersuchen, kam mir zunächst die Idee, in Verbindung steht – einer Region also, die in den den für das Oldenburger Münsterland durchaus Medien schon mal als „Güllegürtel“ oder „Hochburg nicht untypischen Grünkohl ins Visier zu nehmen. Ob der Massentierhaltung“ bezeichnet wird? Diese und dieser Plan als ein erster Wink mit dem Zaunpfahl an andere Fragen stehen im Mittelpunkt der vorliegen- den „Geheimen Rat“ zu deuten ist, der mich zwei Jah- den Arbeit. re später zum Kohlkönig des ISPA küren sollte, sei einmal dahingestellt… Der erfolgreiche Abschluss dieses Promotions- vorhabens wäre ohne das Engagement bestimmter Trotz meiner Sympathie für das Produkt (und seinen Kollegen/innen, Freunde/innen und Experten/innen gesellschaftlichen Stellenwert) entpuppte sich das nicht möglich gewesen. Hiermit möchte ich die Gele- Promotionskonzept leider als nicht tragfähig ge- genheit nutzen, um ganz herzlich „Danke“ zu sagen. nug, um bei einem größeren Publikum jenseits der In erster Linie richtet sich mein Dank an Frau Prof.‘in norddeutschen Tiefebene auf Interesse zu stoßen. Dr. Christine Tamàsy für die wissenschaftliche Be- Die darauf folgende Suche nach Alternativen führte treuung der Arbeit und ihre zahlreichen Hinweise schließlich in die Fleischbranche, die eine Vielzahl und Anregungen. Auch meinem Zweitgutachter an spannenden und kontrovers diskutierten Themen Herrn Prof. Dr. Martin Franz gebührt mein besonde- aufweist, jedoch innerhalb der deutschsprachigen rer Dank, insbesondere für das recht spontane An- Geographie bis heute kaum Beachtung gefunden gebot seiner umfassenden Expertise im Bereich der hat. Zudem hatte ich durch meinen früheren Stu- „Agrifood Production Networks“. Selbstverständ- dentenjob in einem Fleischverarbeitungsbetrieb lich bedanke ich mich auch bei meinen Interviewpart- eine gewisse Vorstellung über bestimmte Arbeits- nern/innen, denn ohne ihr tiefgründiges Fachwissen prozesse und Vermarktungswege. Nach weiteren hätte ich diese Arbeit nicht schreiben können. Dar- Recherchearbeiten erschien mir schließlich der über hinaus möchte ich mich bei Prof. Dr. Kim Philip Schweinefl eischbereich für meine angestrebte Schumacher bedanken, der mir bei inhaltlichen wie Fragestellung in zweierlei Hinsicht als prädesti- auch konzeptionellen Fragen stets mit Rat und Tat niert: auf der einen Seite ist die Globalisierung der zur Seite stand. Auch der Doktorandengruppe mei- Branche deutlich schneller vorangeschritten, als ich ner Abteilung gebührt große Anerkennung, nicht ursprünglich gedacht hatte. Woher sollte ich auch nur für die Vielzahl an bereichernden Diskussionen, wissen, dass Ohren, Schnauzen oder Pfoten mitt- sondern auch für den einen oder anderen geselligen lerweile im großen Stil nach China ausgeführt wer- Abend… Nicht zuletzt möchte ich mich an dieser den? Gleichzeitig konnte ich in bestimmten Medien, Stelle auch bei Katja Kruse und Martin Wüppen für wie z.B. der Lebensmittelzeitung, immer wieder von das Korrekturlesen bedanken sowie bei Annegret Transparenzoffensiven im Bereich Herkunftskenn- Joachim für die Formatierungsarbeiten. Und natür- zeichnung lesen oder mitverfolgen, wie der Begriff lich sage ich auch ganz herzlich „Dankeschön“ zu „Regionalität“ auch für die Vermarktung von Schwei- meinen Eltern Ute und Martin Klein, meiner Schwes- nefl eisch zu einem vermeintlichen „Königsweg“ er- ter Annika, Oma und Opa sowie meinem Freundes- koren wurde. Letzteres war ja durchaus plausibel, kreis in Wellendorf/Borgloh/Osnabrück für ihre Ge- denn schließlich kennt fast jeder den Schwarzwäl- duld und Unterstützung! der Schinken oder die Nürnberger Bratwurst – also

7 Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS Seite

Vorwort ...... 7 Inhaltsverzeichnis ...... 9 Abbildungsverzeichnis ...... 12 Tabellenverzeichnis ...... 13 Abkürzungsverzeichnis ...... 14

1. Einleitung...... 17 1.1 Lebensmittelproduktion zwischen zwischen Regionalisierung und Globalisierung...... 17 1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit ...... 19 1.3 Forschungsstand und wissenschaftliche Einordnung...... 21

2. Multiskalare Produktionsnetzwerke...... 27 2.1 Grundlagen der Netzwerktheorie...... 27 2.1.1 Netzwerke zwischen Markt und und Hierarchie...... 27 2.1.2 Eigenschaften von Netzwerken...... 29 2.1.3 Transaktionskosten als Determinante der Unternehmensorganisation...... 30 2.1.4 Embeddedness und Netzwerkbildung...... 32 2.2 Formen und Raummuster der Produktionsorganisation...... 32 2.2.1 Clusteransätze...... 35 2.2.2 Ansätze zu Wertschöpfungsketten...... 41 2.2.3 Global Commodity Chains (GCC) ...... 43 2.2.4 Global Value Chains (GVC)...... 45 2.2.5 Global Productions Netzworks (GPN)...... 47 2.3 Agrifood Geographies...... 50 2.3.1 Deterritorialisierung...... 50 2.3.2 Reterritorialisierung...... 52 2.3.3 Agrifood in der GVC-/GPN-Diskussion...... 54

3. Imaginative Geographien ...... 56 3.1 Grundlagen und Entwicklungslinien...... 56 3.1.1 Perzeptionsgeographie...... 56 3.1.2 Radical Geography...... 58 3.1.3 Critical Geopolitics...... 60 3.1.4 Neue Kulturgeographie...... 63 3.2 Raum, Ökonomie, Imagination: Zusammenhänge und Perspektiven ...... 66 3.2.1 Kulturtheoretische Wirtschaftsgeographien ...... 66 3.2.2 Brand Geographies ...... 68 3.3 Imaginative Geographien in der Agrar- und Ernährungswirtschaft...... 70 3.3.1 Zur Bedeutung von Produktherkunft und Regionalität...... 71 3.3.2 Regionalität als Konstruktion...... 73 3.3.3 Regionale Produkte - ein Überblick...... 75

9 Inhaltsverzeichnis

4. Überlegungen zur theoretisch-konzeptionellen Integration von multiskalaren Produktionsnetzwerken und imaginativen Geographien...... 78

5. Methodisches Vorgehen...... 81 5.1 Datenerhebung mittels leidfadengestützer Experteninterviews ...... 81 5.2 Transkription und Auswertung des erhobenen Datenmaterials ...... 84

6. Agrar-Kompetenzregion Oldenburger Münsterland ...... 86 6.1 Lage und strukturelle Entwicklung ...... 86 6.2 Agrarhistorische Entwicklung ...... 87 6.3 Strukturen und Entwicklungen im Schweinefl eischsektor...... 91 6.4 Ausblick ...... 95

7. Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des Oldenburger Münsterlandes ...... 97 7.1 Grundlegende Überlegungen zum Produktionsnetzwerk Schweinefl eisch...... 97 7.2 Multiskalare Vernetzungen I - Regionale Perspektiven ...... 99 7.2.1 Vertikale Netzwerkstrukturen „vom Landwirt zum Schlachthof“ ...... 99 7.2.2 Horizontale Kooperationen in der Viehvermarktung ...... 101 7.3 Multiskalare Vernetzungen II - Nationale Perspektiven...... 104 7.3.1 Neue Schwerpunkte in der Ferkelversorgung auf bundesdeutscher Ebene...... 104 7.3.2 Vertikale Netzwerkstrukturen „vom Schlachthof zum Endverbraucher“...... 106 7.4 Multiskalare Vernetzungen III - Internationale Perspektiven...... 113 7.4.1 Transnationale Handelsbeziehungen im Ferkelbereich...... 113 7.4.2 Transnationale Handelsbeziehungen im Schlachtschweinebereich...... 115 7.4.3 Schweinefl eisch(produkte) - ein globaler Markt!?...... 117 7.4.3.1 Exportmärkte innerhalb der Europäischen Union...... 118 7.4.3.2 Exportmärkte außerhalb der Europäischen Union (Drittlandmärkte)...... 121

8. (Konstruierte) Produktherkünfte und imaginative Geographien im Produktions- netzwerk Schweinefl eisch ...... 127 8.1 Zur Herkunft von Schweinefl eisch: irrelevant oder verkaufsfördernd? ...... 127 8.2 Schweinefl eisch aus nationaler Herkunft - „made in “ als Verkaufsargument? ...... 129 8.3 Schweinefl eisch aus regionaler Herkunft - Vermarktungs(un)möglichkeiten des Oldenburger Münsterlandes...... 133 8.3.1 Imaginative Geographien des Oldenburger Münsterlandes I - Eigenperspektive...... 133 8.3.2 Imaginative Geographien des Oldenburger Münsterlandes II - Fremdperspektive...... 136

9. Imaginative Geographien als Katalysator für die Konfi guration von Produktionsnetz- werken im Schweinefl eischsektor?...... 140 9.1 Strategische Potenziale imaginativer Geographien für die Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch...... 140 9.2 Zur Handlungsrelevanz imaginativer Geograpien in globalen Produktionsnetzwerken unter Berücksichtigung theoretisch-konzeptioneller Erkenntnisse...... 143

10 Inhaltsverzeichnis

10. Schlussbetrachtung...... 146 10.1 Zusammenfassung und Refl exion...... 146 10.2 Prognosen und Handlungsempfehlungen...... 153

11. Literaturverzeichnis...... 158

12. Anhang...... 180

11 Abkürzungsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

AMI Agrarmarkt Informations-Gesellschaft a.T.W. am Teutoburger Wald BAB Bundesautobahn BIP Bruttoinlandsprodukt BRD Bundesrepublik Deutschland BSE Bovine spongiforme Enzephalopathie CAP Community Assistance Program DESTATIS Statistisches Bundesamt DOOR Database of Origin and Registration EMN Europäische Metropolregion Nürnberg EU Europäische Union EZG Erzeugergemeinschaften FI Fachinstitution GDRG Globalizing Dairy Research Group g.g.A geschützte geographische Angabe GCC Global Commodity Chains GPN Global Production Networks GREMI Groupe de Recherche Européen sur les Milieux Innovateurs g.U. geschützte Ursprungsbezeichnung GV Großverbrauchereinrichtungen GVC Global Value Chains IfL Leibniz Institut für Länderkunde I&K Information und Kommunikation LEL Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der Ländlichen Räume LfL Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft ISN Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands ISPA Institut für Strukturforschung und Planung in agrarischen Intensivgebieten ITC International Trade Center LEH Lebensmitteleinzelhandel LF landwirtschaftlich genutzte Fläche LSKN Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen LWK Landwirtschaftskammer NDR Norddeutscher Rundfunk NFZ Norddeutsche Fleischzentrale NGO non-governmental organization NieKE Niedersächsisches Kompetenzzentrum Ernährungswirtschaft NWZ Nordwest-Zeitung OM Oldenburger Münsterland PDO Protected Designation of Origin PE Primärerzeugung PGI Protected Geographical Indication PVE Productschappen Vee, Vlees en Eieren QS Qualität und Sicherheit GmbH RLV Rheinischer Landwirtschafts-Verband

14 Abkürzungsverzeichnis

SFCs shortened food chains SFDPs speciality food and drink products SZV Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung taz Die Tageszeitung TierSchNutzV Tierschutz-Nutztierverordnung VTN Verarbeitungsbetrieb für tierische Nebenprodukte VV Viehvermarktung VVG Viehvermarktungsgenossenschaften WTO World Trade Organization ZMP Zentrale Markt- und Preisberichtsstelle

15 Abbildungsverzeichnis

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Seite

Abb. 1: Aufbau der Arbeit...... 22 Abb. 2: Netzwerke zwischen Markt und Hierarchie...... 29 Abb. 3: Strukturelle Embeddeness aus der Sicht eines Zulieferers...... 34 Abb. 4: Beziehungen und Einordnung eines kreativen Milieus...... 37 Abb. 5: Diamanten-Modell nach Porter...... 39 Abb. 6: Struktur und Dynamik der „local buzz, global pipelines“-Konzeption...... 40 Abb. 7: Ansatz der Wertkette nach Porter...... 42 Abb. 8: Modell der Basic Production Chain nach Dicken...... 43 Abb. 9: Governance in globalen Warenketten...... 44 Abb. 10: Steuerungsformen globaler Wertschöpfungsketten...... 45 Abb. 11: Analyserahmen zur Untersuchung von Global Production Networks...... 49 Abb. 12: Delokalisierung vs. Relokalisierung in Agrifood Networks...... 54 Abb. 13: Verhaltensmodell behavioristischer Sozialgeographie...... 57 Abb. 14: Weltkarte des Pentagon...... 61 Abb. 15: Gesellschaftliche Konstruktion von Raum und Räumlichkeit...... 64 Abb. 16: Zeichenkreislauf auf Konsumgütermärkten...... 70 Abb. 17: Konzepte regionaler Vermarktung...... 72 Abb. 18: Imaginative Geographien im GPN-Analyserahmen...... 80 Abb. 19: Akteure im Produktionsnetzwerk Schweinefl eisch...... 81 Abb. 20: Lage des Oldenburger Münsterlandes in Niedersachsen...... 87 Abb. 21: Schweinebestände in den Landkreisen Deutschlands 2010...... 92 Abb. 22: Strukturen und Beziehungen im Produktionsnetzwerk Schweinefl eisch...... 98 Abb. 23: Ferkelexporte aus den Niederlanden und Dänemark...... 113 Abb. 24: Exportmärkte des Unternehmens Böseler Goldschmaus, Garrel...... 126 Abb. 25: Schweinefl eisch aus Deutschland - Attribute, Assoziationen, Bedeutungen...... 130 Abb. 26: Selbstbild des OM - Attribute, Assoziationen, Bedeutungen...... 136 Abb. 27: Fremdbild des OM - Attribute, Assoziationen, Bedeutungen...... 138 Abb. 28: Akteure und Machtstrukturen im Produktionsnetzwerk Schweinefl eisch...... 150

12 Tabellenverzeichnis

TABELLENVERZEICHNIS Seite

Tab. 1: Organisatorische Merkmale von Fordismus und Postfordismus...... 28 Tab. 2: Zielsetzungen regionaler Wirtschaftskreisläufe...... 73 Tab. 3: Lebensmittel mit „geschützter Ursprungsbezeichnung“...... 76 Tab. 4: Kategorisierung der Interviewpartner...... 83 Tab. 5: Strukturdaten/-vergleich Oldenburger Münsterand...... 88 Tab. 6: Sozioökonomischer und agrarstruktureller Wandel im Oldenburger Münsterland...... 89 Tab. 7: Schweinebestand im Oldenburger Münsterland 2010...... 91 Tab. 8: Unternehmen der Schweinfl eischerzeugung im Oldenburger Münsterland (Auswahl)...... 94 Tab. 9: Schweineschlachtungen in Deutschland und Niedersachsen 2001 bis 2011...... 95 Tab. 10: Ferkelbilanz in Deutschland nach Bundesländern...... 105 Tab. 11: Außenhandel mit Schweinefl eisch auf Bundes- und Landesebene 2012 (nur EU)...... 118 Tab. 12: Außenhandel mit Schweinefl eisch auf Bundes- und Landesebene 2012 (nur Drittländer)...... 122

13 Einleitung

1. Einleitung

1.1 Lebensmittelproduktion zwischen Regio- sich eine begriffl iche Defi nition mit Allgemeingül- nalisierung und Globalisierung tigkeitsanspruch bisher nicht durchgesetzt hat. Unbestritten ist jedoch die Erkenntnis, dass dieser Ökonomische Aktivitäten befi nden sich in einem Begriff auf eine Intensivierung der ökonomischen, permanenten Prozess des Wandels, wie uns die politischen, sozialen, kulturellen und ökologischen Wirtschaftsgeschichte der vergangenen Jahrhun- Beziehungen hindeutet, wobei räumlich entfernte derte eindrucksvoll gelehrt hat. Entdeckergeist Orte in zunehmendem Maße zusammenhängen und und Erfi ndungsreichtum haben die Entwicklung sich wechselseitig beeinfl ussen (vgl. Giddens 1995, wirtschaftlicher Zusammenhänge und in der Kon- S. 85; Knox/Marston 2008, S. 11). Es handelt sich sequenz auch die Art und Weise menschlichen Zu- also um ein multidimensionales Phänomen, wenn- sammenlebens in oft dramatischer Weise verän- gleich in Theorie und Praxis häufi g ökonomische dert. Basisinnovationen1 haben dazu beigetragen, Entwicklungen im Vordergrund stehen. Die wirt- dass neue Raummuster entstanden sind und weiter schaftliche Integration von Ländern durch die Ver- entstehen. Diese Beobachtung beschreibt Dicken dichtung der weltweiten Marktverfl echtungen führt (2007) in seinem bekannten Werk „Global Shift“ zur sukzessiven Aufl ösung nationaler Ökonomien wie folgt: „I argued that old geographies of produc- und zur Herausbildung einer „Weltökonomie“, die tion, distribution and consumption are continuously insbesondere durch multinationale Unternehmen being disrupted and that new geographies are con- angetrieben wird (vgl. Haas et al. 2009, S. 15). Po- tinuously being created. In that sense, the global litische Entscheidungen (z.B. Liberalisierung, De- economic map is always in a state of ‚becoming‘; it regulierung) und technologische Innovationen (z.B. is never fi nished“ (S. 32). In diesem Zitat hebt Di- I&K-Technologien, Transportsysteme) haben diesen cken sehr deutlich die Entwicklungsdynamik hervor, Prozess maßgeblich beschleunigt. Mittlerweile sind mit der eine ständige Neukonstituierung der „global nahezu sämtliche Wirtschaftsbereiche dem „Diktat economic map“ einhergeht. Die Zunahme von Reich- des Weltmarktes“ unterworfen. weite, Geschwindigkeit und Komplexität ökonomi- scher Beziehungen, wie sie besonders seit der zwei- Einer dieser Bereiche ist die Agrar- und Ernährungs- ten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu beobachten ist, wirtschaft, wo sich seit geraumer Zeit signifi kante prägt diese „Landkarte“ entscheidend. Die zugrun- Transformationsprozesse beobachten lassen. Diese de liegenden Entwicklungsprozesse lassen sich mit Prozesse unterliegen vielfältigen Einfl üssen und einem Begriff beschreiben, der wie kaum ein ande- werden höchst unterschiedlich bewertet. Besonders rer polarisiert und in Politik, Wissenschaft, Medien brisant ist die Tatsache, dass die Ernährung einer und Gesellschaft nahezu infl ationär verwendet wird: wachsenden Weltbevölkerung bei gleichzeitiger Globalisierung. Verknappung von Ressourcen und Nutzfl ächen be- reits heute große Probleme bereitet. Zudem verän- Je nach Perspektive wird Globalisierung unter- dern sich die Ernährungsgewohnheiten im globalen schiedlich beschrieben und interpretiert, weshalb Maßstab, insbesondere in den bevölkerungsreichen und sich dynamisch entwickelnden Schwellenlän- 1 Bei Basisinnovationen handelt es sich um neue Leittech- dern. Ferner können sich der verschärfte internati- nologien, die gemäß der Theorie der langen Wellen nach onale Wettbewerb und die hohe Volatilität auf den Schumpeter zur grundlegenden Veränderung einzelner Industriezweige und schließlich der gesamten Wirtschaft Rohstoffmärkten nachteilig auf eine ausreichende führen. Zu diesen Leittechnologien zählen z.B. Dampf- bzw. nachfrageorientierte Lebensmittelversorgung kraft, Elektrizität, Verkehrstechnologien, synthetische auswirken. Es handelt sich also um vielschichtige Materialien, Informations- und Kommunikationstech- nologien (vgl. Bathelt/Glückler 2012, S. 401ff. Haas/ und komplexe Herausforderungen, denen sich die Neumair 2007, S. 76 ff.; Schamp 2000, S. 6 ff.). Agrar- und Ernährungswirtschaft gemeinsam mit

17 Einleitung

den rahmensetzenden übergeordneten Institutio- dabei Tausende von Kilometern zurücklegen. Gleich- nen im Zuge der Globalisierung zu stellen hat. Das zeitig führt der verschärfte Wettbewerb unter ist aber nur die eine Seite der Medaille. niedrigen Bruttomargen dazu, dass Größenvorteile („economies of scale“) immer bedeutsamer werden, Auf der anderen Seite ist die Begegnung dieser He- was neben weiteren Konzentrationstendenzen auch rausforderungen mit neuen Möglichkeiten verbun- eine zunehmende Standardisierung der Lebens- den. Dazu zählt ohne Zweifel der Zugang zu neuen mittelproduktion zur Folge hat (vgl. Morgan et al. Absatzmärkten, wobei dieser Vorteil umso stärker 2006, S. 60). Diesen industriell erzeugten, kosten- ins Gewicht fällt, da die traditionellen Märkte be- günstigen Massenprodukten steht mittlerweile ein reits heute Sättigungstendenzen für bestimmte Le- wachsendes Angebot an handwerklich-traditionell bensmittelprodukte aufweisen. In Deutschland gilt gefertigten Nischenprodukten mit individuellem dies beispielsweise für den Konsum von Rind- und Charakter gegenüber. In der öffentlichen Diskussion Schweinefl eisch. Neben den Absatzmärkten spielt werden diesbezüglich immer wieder metaphorische auch der Zugang zu neuen Beschaffungsmärkten für Begriffe wie „fast food“ vs. „slow food“ angeführt Rohstoffe eine wichtige Rolle. Darüber hinaus führt oder es ist von konventionellen vs. alternativen Le- die Lebensmittelproduktion in transnationalen ar- bensmitteln die Rede (vgl. Allen et al. 2003; Good- beitsteiligen Systemen zu einer hohen Kosteneffi zi- man 2004; Holloway et al. 2007; Murdoch/Miele enz, welche sich durch den Einsatz fortschrittlicher 1999; Murdoch et al. 2000; Sonnino/Marsden Technologien und Verfahren sogar noch steigern 2006; Watts et al. 2005). lässt. Auch deshalb halten sich zahlreiche Lebens- mittelprodukte seit Jahren auf einem vergleichs- Die aufgezeigten Entwicklungen haben zur Folge, weise niedrigen Preisniveau. Schließlich fördert der dass die Unternehmen ihre Aktionsradien erheblich verschärfte Wettbewerb die Innovationstätigkeit in ausweiten und teilweise sogar rund um den Globus den Unternehmen, was zur Folge hat, dass laufend operieren. Dennoch lösen sich feste Raumbindun- Produktneuheiten oder -modifi kationen sowie (ver- gen keineswegs auf; im Gegenteil. Ähnlich wie in meintlich) hohe Qualitätsstandards eingeführt wer- anderen Branchen existieren auch in der Agrar- und den. Ernährungswirtschaft räumliche Konzentrationen auf unterschiedlichen Maßstabsebenen. Extrem- Diese Ausführungen schließen wesentliche Ent- beispiele stellen Olivenöl (Mittelmeerraum), Sisal wicklungen und Phänomene ein, die für die Globali- (Brasilien), Haselnüsse (Türkei), Mandeln (Kaliforni- sierung der Ernährungswirtschaft charakteristisch en/USA) und Erdbeeren (Huelva/Spanien) dar (vgl. sind, wie z.B. die Ausdifferenzierung transnatio- Klohn/Voth 2010, S. 85). In der Fleischwirtschaft naler Produktionsketten und -netzwerke, die von sind derartige Konzentrationen nicht zu beobach- vertikal integrierten Großunternehmen gesteuert ten; es lassen sich allenfalls Schwerpunktregionen werden (vgl. Atkins/Bowler 2001, S. 37 ff.; Mor- identifi zieren, so z.B. im Bereich der Schweinefl ei- gan et al. 2006, S. 53 ff.). Diese so genannten „lead scherzeugung mit dem US-Bundesstaat Iowa oder fi rms“ lagern einzelne Produktionsschritte und der Region Nordwestdeutschland. Unternehmensfunktionen in zunehmendem Maße aus, wodurch sie ihre Marktmacht vergrößern und Im nordwestdeutschen Raum nimmt das Oldenbur- kleinere Unternehmen von sich abhängig machen. ger Münsterland, bestehend aus den Landkreisen Es entsteht eine neue globale Struktur der Ernäh- Cloppenburg und Vechta, eine besondere Stellung rungswirtschaft, die durch Konzentrationsprozes- ein. Dank einer starken regionalen Wirtschaftsver- se infolge von Direktinvestitionen, Übernahmen fl echtung rund um die Tierhaltung mit innovativen und Fusionen gekennzeichnet ist. So kommt es vor, mittelständischen Unternehmen in den vor- und dass einzelne Lebensmittel auf ihren Weg ins Su- nachgelagerten Bereichen hat sich diese Region permarktregal gleich mehrere Länder passieren und ausgesprochen dynamisch entwickelt (vgl. Deimel/

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Theuvsen 2010, S. 284). Laut niedersächsischem marktungserfolg entscheidend sein. Dazu zählen in Landesamt für Statistik wurden dort im September besonderem Maße die Herkunft und das Image der 2011 rund 2,3 Mio. Schweine gehalten (NWZ Online Produkte. Es ist zu vermuten, dass diese vergleichs- 2011). Dies entspricht 27,4 % aller in Niedersachsen weise neuen Prioritäten einen nicht zu unterschät- gehaltenen Schweine und verdeutlicht den hohen zenden Einfl uss auf die räumlich-organisatorische Grad der regionalen Konzentration. Zudem hat sich Gestaltung der Produktionsnetzwerke haben. eine Vielzahl an international tätigen Schlacht- und Verarbeitungsunternehmen in der Region angesie- Die hier dargestellten Entwicklungen bilden die delt. So verfügen mit der Vion Food Group (NL) und Ausgangsbasis für dieses Forschungsprojekt. Im Danish Crown (DK) gleich zwei der internationalen Rahmen einer qualitativen Analyse untersucht das Top 10 Fleischproduzenten über Schlacht- und Verar- Vorhaben die vom Oldenburger Münsterland ausge- beitungskapazitäten im Oldenburger Münsterland. henden Internationalisierungsprozesse im Schwei- nefl eischsektor und geht vor allem auf die Bedeu- Allerdings ist diese räumliche Konzentration mit tung von Produktherkunft daraus resultierenden negativen Konsequenzen verbunden, die aktuell im räumlichen Images für das ökonomische Handeln Fokus der öffentlichen Diskussion und der kriti- der Akteure im Produktionsnetzwerk ein. Detail- schen Agrarberichterstattung stehen. Dazu zählen lierte Ausführungen hinsichtlich Zielsetzungen, insbesondere die Verwertung anfallender biogener Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit folgen im Rest- und Abfallstoffe, hohe Flächenpachten, stark nächsten Abschnitt. gestiegene Tierseuchenpotenziale sowie die ab- nehmende Akzeptanz der Intensivtierhaltung in der 1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit Gesellschaft (vgl. Albersmeier et al. 2009; Bäu- rle/Blaha 2007; Habermann/Breustedt 2009; Die skizzierten Problemfelder deuten bereits dar- zitiert nach Deimel/Theuvsen 2010, S. 282). Die- auf hin, dass sich das Oldenburger Münsterland als se Problembereiche führen dazu, dass in der Fach- regionaler Produktionskomplex in transnationa- und Tagespresse immer wieder negativ besetzte len Netzwerken der Produktion und Vermarktung Schlagworte wie „Schweinegürtel“, „Güllegürtel“, von Schweinefl eisch charakterisieren lässt. Daher „Massentierhaltung“ oder „Agrarfabriken“ auftau- erfordert diese Forschungsarbeit die Berücksich- chen, was für das Image der Region problematisch tigung unterschiedlicher räumlicher Maßstabsebe- ist. Der über Jahre mühsam erarbeitete Status des nen (Multiskalarität), wobei der Kategorie „Region“ Oldenburger Münsterlandes als prosperierender im subnationalen Kontext eine besondere Aufmerk- ländlicher Wirtschaftsraum ist dadurch potenziell samkeit zukommt. Gegenstand der Untersuchung gefährdet. Sowohl die landwirtschaftlichen Betrie- ist die räumlich-organisatorische Gestaltung von be als auch die weiterverarbeitenden Unternehmen Produktionsnetzwerken am Beispiel der Schweine- stehen folglich vor einer doppelten Herausforde- fl eischproduktion und -vermarktung im Oldenbur- rung: einerseits das Bestehen in einem verschärften ger Münsterland. Im Zuge dessen wird insbesondere internationalen Wettbewerb bei deutlicher Macht- analysiert, welche Bedeutung bzw. Handlungsrele- verschiebung in Richtung des Lebensmitteleinzel- vanz die Produktherkunft und daraus resultierende handels, andererseits die Auseinandersetzung mit imaginative Geographien für die Schlüsselakteure regionalen Umweltproblemen und weiteren Erfor- im Produktionsnetzwerk aufweisen und wie sich dernissen z.B. in den Bereichen Tiergerechtheit und dadurch ggf. die Netzwerkkonfi guration verändert. Lebensmittelsicherheit. Zudem sorgen die so ge- Diese Verknüpfung stellt zugleich das innovative nannten „Fleisch-Skandale“ in der jüngeren Vergan- Element der Untersuchung dar. genheit für Verunsicherung bei den Verbrauchern. Vor diesem Hintergrund werden neben Preis und Die Analyse erfolgt unter Berücksichtigung kon- Qualität zunehmend „weiche“ Kriterien für den Ver- zeptioneller Ansätze zu Wertschöpfungsketten und

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Produktionsnetzwerken sowie imaginativen Geo- Ziel 4: Einordnung und Bewertung von imaginati- graphien, wobei die Entwicklung eines neuen inte- ven Geographien vor dem Hintergrund zunehmend grativen Zugangs im Mittelpunkt steht. Auf dieser globaler Produktionskonfi gurationen im Schweine- Grundlage soll die Untersuchung dazu beitragen, fl eischsektor die komplexen Zusammenhänge zwischen (ökono-  Inwieweit sind imaginative Geographien für die mischer) Globalisierung und regionaler Entwicklung multiskalare Produktionsorganisation in Netz- besser zu verstehen. Diese Vorgabe lässt sich syste- werken von Bedeutung? matisch in vier miteinander in Beziehung stehenden  Welche Rolle spielen imaginative Geographien Teilzielen mit den entsprechenden forschungslei- subnationaler Regionen in globalen Produkti- tenden Fragestellungen darstellen: onsnetzwerken?

Ziel 1: Entwicklung eines qualitativen Ansatzes zur Mit der Beantwortung dieser Fragen verfügt das theoretisch-konzeptionellen Integration von multi- Forschungsprojekt über das Potenzial, einerseits skalaren Produktionsnetzwerken und imaginativen die aktuelle wirtschaftsgeographische Diskussion Geographien um Wertschöpfungsketten und Produktionsnetz- werke zu bereichern, andererseits aber auch einen Ziel 2: Analyse von multiskalaren Produktionsnetz- praktischen Mehrwert für die Schlüsselakteure werken am Beispiel der Schweinefl eischproduktion zu generieren. Beispielsweise erhalten die rele- und -vermarktung im Oldenburger Münsterland vanten privatwirtschaftlichen und institutionellen  Welche aktuellen und historischen Entwicklun- Entscheidungsträger ein differenziertes Bild über gen charakterisieren den Schweinefl eischsek- die multiskalaren Netzwerkbeziehungen, die den tor im Oldenburger Münsterland? Schweinefl eischsektor des Oldenburger Münster-  Wie sind die Produktionsnetzwerke organisiert landes charakterisieren. Auf dieser Grundlage las- und welche multiskalaren Beziehungen lassen sen sich Handlungsempfehlungen ableiten, die auf sich identifi zieren? eine verbesserte Netzwerkorganisation abzielen  Welche Motive und Strategien der Internationa- und darüber hinaus imageprägende Handlungsfel- lisierung sind für die Konfi guration der Produk- der, wie z.B. Qualitätssicherung, Kommunikations- tionsnetzwerke von Bedeutung? politik oder Regionalmarketing, mit einschließen.  Wie gestalten sich die Machtverhältnisse in den Schließlich ermöglicht die empirische Analyse Produktionsnetzwerken? auch Prognosen über zukünftige Entwicklungen im Schweinefl eischsektor des Oldenburger Münster- Ziel 3: Identifi zierung und Analyse von imaginativen landes. Geographien anhand der Herkunft von Schweine- fl eisch Bevor diese Ziele im empirischen Teil der Arbeit in  Inwieweit spielt die Produktherkunft für die den Mittelpunkt rücken, geht es in den vorgelagerten Produktion und Vermarktung von Schweine- Kapiteln zunächst um den konzeptionellen Rahmen fl eisch eine Rolle? der Forschung. Nach einer knappen wissenschaftli-  Welche imaginativen Geographien lassen sich chen Einordnung des Vorhabens in Teilabschnitt 1.3 anhand der Herkunft von Schweinefl eisch iden- behandeln die Kapitel 2 und 3 die für diese Unter- tifi zieren und was kennzeichnet die zugrunde suchung relevanten Forschungsansätze. Zunächst liegenden Konstruktionszusammenhänge? werden verschiedene Konzepte vorgestellt, die den  Welche Assoziationen und Attribute werden multiskalaren Charakter von Produktionsnetzwer- dem Oldenburger Münsterland zugeschrieben ken aufzeigen und die besonderen Einfl üsse der und wie unterscheiden sich diesbezüglich Eigen- Globalisierung hervorheben. Unter Berücksichti- und Fremdperspektive? gung der im angelsächsischen Raum etablierten Agrifood Geographies erfolgt schließlich eine erste

20 Einleitung

Annäherung an den Forschungskontext dieser Ar- phien anhand der Herkunft von Schweinefl eisch un- beit. Der zweite Abschnitt des Theorieteils widmet ter besonderer Berücksichtigung unterschiedlicher sich dem weiten Feld der imaginativen Geographien räumlicher Maßstabsebenen. In diesem Zusammen- und skizziert zunächst die Grundlagen und Entwick- hang ist von besonderem Interesse, welche imagi- lungslinien aus wissenschaftshistorischer Perspek- nativen Geographien für das Oldenburger Münster- tive. Danach folgt eine Darstellung der Zusammen- land vorliegen und wie sich diesbezüglich Eigen- und hänge zwischen Raum, Ökonomie und Imagination Fremdperspektive unterscheiden. Der letzte Ab- am Beispiel kulturtheoretischer Wirtschaftsgeo- schnitt der Ergebnisse bildet das integrative Ele- graphien und der so genannten Brand Geographies. ment der empirischen Arbeit und greift hierfür auf Im Anschluss werden einige Bezüge zur Agrar- und den in Kapitel 4 entwickelten theoretisch-konzepti- Ernährungswirtschaft herausgestellt, die vor allem onellen Ansatz zurück. Inhaltlich geht es um die Be- auf Untersuchungen zu regional produzierten Le- antwortung der Frage, inwieweit imaginative Geo- bensmitteln basieren. Das darauf folgende Kapi- graphien die Entscheidungen und Handlungen der tel 4 enthält den Versuch, die recht unterschiedli- Schlüsselakteure beeinfl ussen und auf diese Weise chen wirtschafts- und kulturgeographischen Ansät- als Katalysator für die Konfi guration multiskalarer ze miteinander zu verknüpfen und auf diese Weise Produktionsnetzwerke wirken. Die Forschungsar- einen neuen konzeptionellen Zugang zu entwickeln. beit schließt mit einem Fazit, welches die zentralen Erkenntnisse der Arbeit zusammenfasst und kri- In Kapitel 5 folgt die Erläuterung der methodischen tisch refl ektiert. Um den Anwendungsbezug der Un- Vorgehensweise, wobei insbesondere die Vorzü- tersuchung zu verdeutlichen, werden darüber hinaus ge leitfadengestützter Experteninterviews für die Prognosen und Handlungsempfehlungen formuliert. Untersuchung herausgestellt werden. Angaben Der Aufbau der Arbeit ist in Abbildung 1 dargestellt. zur Auswahl der Interviewpartner und zur Auswer- tung des erhobenen Datenmaterials ergänzen den 1.3 Forschungsstand und wissenschaftliche Methodik-Teil. Im nächsten Abschnitt folgt eine Einordnung differenzierte Darstellung der Agrar-Kompetenzre- gion Oldenburger Münsterland, die neben wichtigen Trotz oder gerade wegen des vermeintlichen Bedeu- Lage- und Strukturdaten auch einen kurzen Abriss tungsverlustes von Orten und Räumen hat die Analy- der (agrar-)historischen Entwicklung enthält. Als se von Globalisierungsprozessen in der Geographie Schwerpunkt dieses Kapitels gilt die anschließen- zuletzt besondere Aufmerksamkeit erfahren. Be- de Analyse der Strukturen und Entwicklungen im reits anhand der Titel zahlreicher jüngst erschiene- Schweinefl eischsektor, der einen wichtigen Teil- ner bzw. neu aufgelegter Lehrbücher ist zu erkennen, bereich des regionalen Agribusiness darstellt. Die welchen Stellenwert der Themenkomplex Globali- Analyse mündet schließlich in einen kritischen Aus- sierung mittlerweile eingenommen hat (vgl. Dicken blick, der vor allem die besonderen Problemlagen 2011; Giese et al. 2011; Haas et al. 2009; Herod und langfristigen Folgen der Intensivtierhaltung 2009; Johnston et al. 2009; MacKinnon/Cumbers diskutiert. 2011; Murray 2011; Storper 2011; Stutz/Warf 2012). Globalisierung bedeutet offenbar nicht das Die nachfolgenden Kapitel 7, 8 und 9 enthalten die „Ende der Geographie“, wie uns der Finanzökonom empirischen Ergebnisse und stellen somit den Kern- O‘ Brien in seinem gleichnamigen Buch2 aus dem bereich der Untersuchung dar. Auf Basis der Exper- Jahre 1992 weismachen wollte. Das Gegenteil ist teninterviews werden zunächst die multiskalaren der Fall: die weltweite Vernetzung von Orten durch Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung Kapital-, Güter-, Personen- und Informationsströ- von Schweinefl eisch am Beispiel des Oldenburger me wirft eine Vielzahl an neuen hochinteressanten

Münsterlandes beleuchtet. Danach erfolgt die Iden- 2 O’Brien, Richard (1992): Global fi nancial integration: tifi zierung und Analyse von imaginativen Geogra- the end of geography. New York.

21 Einleitung

Abb. 1: Aufbau der Arbeit

Problemstellung Einleitung Zielsetzung und Aufbau der Arbeit Wissenschaftliche Einordnung

Grundlagen der Netzwerktheorie Multiskalare Formen und Raummuster Produktionsnetzwerke der Produktionsorganisation Agrifood Geographies

Grundlagen und Entwicklungslinien Raum, Ökonomie und Imagination Imaginative Geographien Imaginative Geographien in der Agrar- und Ernährungswirtschaft

Versuch einer Synthese: Theoretisch-konzeptionelle Multiskalare Produktionsnetzwerke Integration und Imaginative Geographien

Datenerhebung mittels Experteninterviews Methodisches Vorgehen Transkription und Auswertung

Lage, Struktur und Historie Agrar-Kompetenzregion Strukturen und Entwicklungen Oldenburger Münsterland im Schweinefleischsektor Ausblick

Vernetzungen im Schweinefleischsektor am Beispiel des OM Empirische Imaginative Geographien anhand der Ergebnisse Herkunft von Schweinefleisch Imaginative Geographien als Katalysator für die Konfiguration von Produktionsnetzen

Zusammenfassung und Reflexion Schlussbetrachtung Prognosen und Handlungsempfehlungen

Quelle: Eigene Darstellung

22 Einleitung

Fragestellungen auf. Um die Komplexität globaler inwieweit dieser in globale Wertschöpfungs- und Entwicklungsprozesse zu verstehen und politische Produktionsmuster integriert ist (vgl. Chen/Xue Handlungsempfehlungen zu geben, bedarf es wei- 2010; Oikawa 2008; Phillips/Henderson 2009; terhin intensiver geographischer Forschung. Yeung 2008; Yu 2009). Da Ostasien nicht mehr nur als „verlängerte Werkbank“ westlicher Großkon- In diesem Kontext ist die räumlich-organisatorische zerne gilt, sondern durch Lernprozesse auf lokaler Gestaltung von Wertschöpfungsprozessen ein viel Ebene zunehmend eigene Innovationsdynamiken untersuchtes Forschungsfeld. Hier bestimmen der- entfaltet (vgl. Kawakami/Sturgeon 2011), stellt zeit zwei theoretische Ansätze die wissenschaft- diese Region ein sehr interessantes Forschungsob- liche Debatte: die Ansätze der Global Value Chains jekt sowohl für den GVC- als auch den GPN-Ansatz (GVC; vgl. Gereffi et al. 2005) und der Global dar. Weniger stark im Fokus, aber deshalb nicht we- Production Networks (GPN; vgl. Henderson et al. niger interessant ist der osteuropäische Raum, der 2002). Ausgehend von der Value Chain-Konzeption infolge wirtschaftlicher Transformationsprozesse nach Porter (1985) beziehen sich beide Ansätze und der EU-Osterweiterung ebenfalls von einer be- auf die Analyse transnationaler Wertschöpfungs- sonderen Entwicklungsdynamik geprägt ist. So sind netze, wobei jeweils unterschiedliche Analysekate- auch zu dieser Region bereits einige Beiträge er- gorien zu Grunde liegen. Während der GVC-Ansatz schienen (vgl. Akbar/Ferencikova 2007; Coe 2004; die spezifi schen Koordinationsformen von Wert- Plank/Staritz 2009; Smith et al. 2008). schöpfungsnetzen vornehmlich mit internen Fakto- ren begründet und auf dieser Basis eine fünfstufi ge Vor diesem Hintergrund ist die vorliegende Arbeit Typologie aufstellt, berücksichtigt der GPN-Zugang darum bemüht, einen konstruktiven Beitrag zum stärker die externen Einfl ussgrößen, wie z.B. poli- Erkenntnisgewinn in der skizzierten wirtschafts- tische Rahmenbedingungen oder sozio-kulturelle geographischen Debatte zu leisten. Es fl ießen ei- Praktiken, hinsichtlich der Organisation transnati- nige neue Aspekte in die Forschung ein, die in der onaler Produktionsprozesse (vgl. Zademach 2009, wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem S. 78 f.). Um die Komplexität ebendieser Prozesse Thema bislang kaum Berücksichtigung gefunden besser abzubilden, betont der GPN-Ansatz in stär- haben. Die Bedeutung von imaginativen Geographi- kerem Maße den zirkulär-relationalen Charakter en, die den übergeordneten theoretischen Rahmen wirtschaftlichen Handelns mit Verweis auf den für die Konstitution von räumlichen Images bilden, Netzwerkbegriff und den multiskalaren Bezugsrah- ist einer dieser Aspekte. Da die Konfi guration von men. Produktionsnetzwerken im Wesentlichen auf un- ternehmerischen Entscheidungen zu Produktionss- Empirische Arbeiten zu beiden Zugängen be- tandorten sowie Beschaffungs- und Absatzmärkten leuchten transnationale Produktions- und Wert- basiert, liegt die Frage nach den jeweiligen Stand- schöpfungsprozesse zumeist ausgehend von Fo- ortfaktoren auf der Hand. Als „weiches“ Auswahlkri- kalunternehmen (vgl. Coe/Lee 2005; Hintz 1998; terium spielt das Image von Standorten oder Wirt- Rothenberg-Aalami 2004; Gray et al. 2007) oder schaftsregionen eine zunehmend wichtige Rolle für Industriezweigen bzw. Produktgruppen (vgl. Di- die räumlich-organisatorische Netzwerkgestaltung, cken 2003; Frederick/Gereffi 2011; Hess 2003; was in besonderem Maße auf die sehr sensible Ag- Sturgeon/van Biesebroeck 2010; Sturgeon et rar- und Ernährungswirtschaft zutrifft. Den passen- al. 2008; Yang/Coe 2009; Yeung 2007). Ein be- den Analyserahmen bieten Ansätze zu imaginativen sonderes Augenmerk dieser Analysen liegt auf der Geographien. strategischen Bedeutung von Standorten und Wirt- schaftsräumen für einzelne Unternehmensfunktio- Der im deutschsprachigen Raum verwendete Begriff nen. Aktuelle Arbeiten beziehen sich sehr häufi g auf der imaginativen Geographien geht auf Grundlagen den ostasiatischen Raum und gehen der Frage nach, der Wahrnehmungsgeographie zurück und wird im

23 Einleitung

angelsächsischen Raum unter folgenden, sich von Auf diesen neuen Erkenntnissen aufbauend un- der Terminologie her ähnelnden Ansätzen diskutiert: ternimmt die Arbeit den Versuch, eine konzepti- Imagined Geographies (vgl. Biolsi 2005; Valentine onelle Verknüpfung zwischen den aufgezeigten 1999), Imaginative Geographies (vgl. Driver 1999; wirtschafts- und kulturgeographischen Ansät- Light 2008; May 1996), Geographical Imaginations zen herzustellen. Da sich Produktionsnetzwerke (vgl. Chang/Lim 2004; Gregory 1994; Harvey im Raum auf Basis von komplexen strategischen 1990), Geographical Imaginaries (vgl. Lewis 2011; (Standort-)Entscheidungen herauskristallisieren, Watts 1999). Demnach unterliegen Räume und kann die Erweiterung der Perspektive mit Querver- Orte einem permanenten Prozess der Sinnherstel- bindungen zur Kulturgeographie für ein besseres lung und Bedeutungszuweisung. Sie werden in und Verständnis ebendieser Entscheidungsprozesse durch Repräsentationen und deren Interpretation sinnvoll sein, ähnlich wie es Barnes (2003) im oben (re-)produziert (Jones/Natter 1999, S. 243). Teil zitierten Beitrag fordert. Die Ernährungswirtschaft solcher Repräsentationssysteme sind Vorstellun- bietet diesbezüglich in zweierlei Hinsicht einen in- gen, Bilder, Assoziationen oder auch Stereotype, die teressanten Forschungsgegenstand: zum einen, wesentlich für die Konstitution der jeweils eigenen weil bislang nur wenige Studien vorliegen, die sich Identität und auch für Bedeutungen und Konstrukti- auf die multiskalare Konfi guration von Produktions- onen von Räumen verantwortlich sind. Es entwickelt netzwerken konzentrieren und in diesem Kontext sich eine Geographie, die sich von den vermeintli- insbesondere Fragen hinsichtlich der zunehmenden chen Realräumen und ihrer „geographischen Sub- Internationalisierung unbeantwortet sind3; zum an- stanz“ löst und sich den räumlichen Konstruktionen deren, weil der Vermarktungserfolg von Lebensmit- unserer Welt – der „Welt in den Köpfen“ – sowie den teln immer stärker auch von der Produktherkunft Folgen der daraus resultierenden Raumbilder für abhängt, was im Umkehrschluss bedeutet, dass Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zuwendet (vgl. räumliche Vorstellungsbilder (Images) potenziell Gebhardt et al. 2004, S. 295). auf das ökonomische Handeln von Schlüsselakteu- ren der Produktionsnetzwerke einwirken. In der Die aktuellen Forschungsgegenstände und -themen, Geographie ist die Ernährungswirtschaft als For- die unter dem Deckmantel der imaginativen Geogra- schungsgegenstand erst seit Beginn der 1990er phien beleuchtet werden, sind sehr vielfältig und be- Jahre von wachsendem Interesse. Hier hat sich im treffen z.B. Film und Fernsehen (vgl. Firnigl 2009), angelsächsischen Raum recht bald eine eigene Strö- Gender (vgl. Bezner Kerr/Mkandawire 2010), mung herauskristallisiert, die unter der Bezeich- Geopolitik (vgl. Closs Stephens 2011; Husseini nung Agrifood Geographies im wissenschaftlichen de Araujo 2011), Geschichte (vgl. Kitchin/Kneale Diskurs fi rmiert. Auch wenn die vorliegende Arbeit 2001; Liesch 2008), Mythologie (vgl. Light 2008), nicht unmittelbar in diesen Kontext einzuordnen ist, Sport (vgl. Ramshaw 2006) und insbesondere Tou- so erscheint es dennoch sinnvoll, auf die wichtigsten rismus (vgl. Hughes 1992; Mader 2004; Su 2010; Vertreter, Publikationen und Forschungsgegenstän- Wöhler 2011). Auch in Bezug auf wirtschaftsgeo- de der Agrifood Geographies hinzuweisen. graphische Themen fi nden die skizzierten Gedanken zunehmend Berücksichtigung. Beispielsweise plä- Als ein erster konzeptioneller Beitrag ist der Food diert Barnes (2003) dafür, dass kulturelle Ansätze Regime-Ansatz (vgl. Friedman 1982, 1993) zu wie auch Begriffe „such as symbol, imaginary and ra- nennen, dessen Verdienst darin besteht, die Ernäh- tionality“ zum Verständnis ökonomischer Prozesse rungswirtschaft nicht mehr nur von der (landwirt- stärker in den Fokus rücken sollten (S. 91). Ähnlich

argumentieren Boeckler/Berndt (2005), wenn sie 3 Exemplarisch sei hier auf folgende Sammelbände ver- Fragen nach Virtualität, Framing und Relationalität wiesen: McCullough et al. 2008; Ruben et al. 2007; als Themen kultureller Geographien der Ökonomie Springer/Le Heron 2008. Im deutschsprachigen Raum liefern zudem die Arbeiten von Dannenberg (2007, 2012) erörtern. wichtige Beiträge.

24 Einleitung

schaftlichen) Produktionsseite zu beleuchten, son- aufgrund von so genannten „Fleisch-Skandalen“ dern auch Prozesse zu berücksichtigen, „that af- (z.B. BSE, „Gammelfl eisch“, Dioxin) massiv Scha- fected farm activity but that originated beyond the den genommen. Ein steigendes Sicherheitsbedürf- farm gate“ (Niles/Roff 2008, S. 2). Dies betrifft nis der Verbraucher und die Besinnung auf Werte, sowohl die nachgelagerten Wirtschaftsbereiche wie z.B. Vertrauen und Transparenz, sind die Folge, als auch das politische und kulturelle Umfeld. Zu- weshalb die Herkunft und das Image der Produkte sammenfassungen zum Food Regime-Ansatz fi nden für die Kaufentscheidung an Bedeutung gewinnen. sich z.B. bei Atkins/Bowler (2001) und Le Heron Zum Themenkomplex Fleischwirtschaft bringt das (2002). Bedingt durch die beschriebenen Verände- Department für Agrarökonomie und Rurale Ent- rungsprozesse in der Ernährungswirtschaft (vgl. wicklung der Universität Göttingen regelmäßig Kap. 1.1) geraten seit der Jahrtausendwende neue Analysen auf interdisziplinärer Ebene heraus. Ex- Forschungsfragen in den Fokus, wie z.B. Globalisie- emplarisch sei an dieser Stelle auf den von Spiller/ rung (vgl. Heffernan/Constance 1994; Marsden Schulze (2008) herausgegebenen Sammelband 1997; Whatmore 2002; Wilkinson 2002), Organisa- „Zukunftsperspektiven der Fleischwirtschaft“ ver- tion von Wertschöpfungsprozessen (vgl. Barret et wiesen. Einen besonderen Fokus auf Organisations- al. 2004; Jackson et al. 2006; Lockie/Kitto 2000; und Netzwerkstrukturen im Schweinefl eischbereich Ruben et al. 2006), Lebensmittelsicherheit und legt die ebenfalls in Göttingen publizierte Arbeit -qualität (vgl. Murdoch et al. 2000; Stræte/Mars- von Deimel (2010). den 2006), Regionalität (vgl. Feagan 2007; Kneaf- sey 2010; Tregear et al. 2007) oder Nachhaltigkeit Mit ähnlichen Forschungsschwerpunkten beschäf- bzw. Alternative Food (vgl. Bryant/Goodman 2004; tigt sich das Institut für Strukturforschung und Goodman 2010; Sonnino/Marsden 2006; Tregear Planung in agrarischen Intensivgebieten (ISPA) 2011). Die Arbeiten sind in unterschiedliche Theorie- der Universität Vechta. Im Lauf der letzten Jahre gebäude eingebettet, wobei neben geographischen hat das ISPA zahlreiche Studien herausgebracht, Netzwerkansätzen insbesondere die aus den Sozial- in denen Strukturen und Dynamiken der Fleisch- wissenschaften stammenden Zugänge der Akteur- wirtschaft mit unterschiedlichen regionalen Netzwerk-Theorie und der Konventionen-Theorie Schwerpunkten untersucht werden (vgl. Bäurle/ diskutiert werden (vgl. Murdoch/Miele 2004). Der Windhorst 2011; Michel 2004; Windhorst 2005, Analyserahmen der imaginativen Geographien fi n- 2008, 2009). Einige dieser Arbeiten nehmen expli- det ebenfalls Berücksichtigung und wird z.B. in den zit Bezug auf Niedersachsen und hier speziell auf Studien von Goodman/Du Puis (2002) und Kneaf- das Oldenburger Münsterland als Hochburg der sey/Ilbery (2001) behandelt. Inzwischen widmet Veredelungswirtschaft (vgl. Bäurle 2008; Freisin- sich eine ganze Reihe von Sammelbänden und Mo- ger/Windhorst 2005; Nischwitz 1996; Veauthier nographien dem Themenkomplex der Agrifood Geo- 2011; Veauthier/Windhorst 2011). Inhaltlich geht graphies (vgl. Atkins/Bowler 2001; Bonanno et al. es vornehmlich um strukturelle Entwicklungen und 1994; Goodman/Watts 1997; Marsden/Murdoch Organisationsformen in der Erzeugung tierischer 2006; Maye et al. 2007; McCullough et al. 2008; Nahrungsmittel. Ferner werden auch Fragen der Morgan et al. 2006; Stringer/Le Heron 2008). Nachhaltigkeit sowie Auswirkungen politischer und rechtlicher Rahmenbedingungen diskutiert. Dar- Besonders markante Entwicklungen lassen sich ak- über hinaus liefern Klohn/Voth (2008) einen Ge- tuell in der Fleischwirtschaft und hier speziell im samtüberblick zur Entwicklung des agrarischen In- Schweinefl eischsektor beobachten. Sowohl die Pro- tensivgebietes Oldenburger Münsterland. duktions- als auch die Vermarktungsstrukturen von Schweinefl eisch unterliegen rasanten Konzentra- Auch wenn die theoretische Ausrichtung eine andere tions- und Internationalisierungsprozessen. Gleich- ist, so knüpft diese Arbeit dennoch an die agraröko- zeitig hat die Reputation der Branche nicht zuletzt nomischen bzw. agrargeographischen Forschungen

25 Einleitung

aus Göttingen und Vechta an. Es wird angestrebt, geographie zu erklären. Außerdem stellt die Arbeit den wissenschaftlichen Status Quo zu erweitern und eine Ergänzung der bisherigen ISPA-Forschung zum Wertschöpfungsprozesse im Schweinefl eischsek- Oldenburger Münsterland dar. tor aus Perspektive der relationalen Wirtschafts-

26 Multiskalare Produktionsnetzwerke

2. Multiskalare Produktionsnetzwerke

2.1 Grundlagen der Netzwerktheorie auf veränderte Markt- und Nachfragebedingungen mit dem gebotenen Tempo reagieren zu können (vgl. Angesichts der einschneiden Veränderungen, die Bathelt 1994, S. 75 ff.; Bathelt/Glückler 2002, mit der Globalisierung einhergehen, stellt sich die S. 251 ff.; Haas/Neumair 2007, S. 85 ff.; Hess 1998,, Frage, inwieweit wirtschaftliche Zusammenhänge S. 5 ff.; Jessop 1992, S. 46 ff.; Kulke 2009, S. 107 ff; allein durch Markt- und Hierarchiemodelle erklär- Sayer/Walker 1993, S. 191 ff.; Schamp 2000, S. 11 ff.) bar sind, wie es die klassische ökonomische Theorie postuliert. Durch den Einsatz neuer Technologien Die Überwindung der Fordismuskrise wird in regu- schrumpfen zeitliche wie räumliche Distanzen und lationstheoretischer Perspektive mit der Entste- es entsteht ein interaktiver Netzwerkraum, den Ma- hung und Verbreitung fl exibler Formen der Pro- nuel Castells (1989) als „space of fl ows“ bezeich- duktionsorganisation erklärt, mit denen es gelingt, net: „In the space of fl ows, separate locations are die Starrheiten des Fordismus aufzubrechen. Die linked up electronically in an interactive network Flexibilität dieses als Postfordismus bezeichneten that connects people and activities in different Produktionsregimes gründet sich im Wesentlichen geographical contexts” (Castells 2002, S. 553f.). auf Aspekte wie kleine Unternehmensgrößen, mo- Dieses neue Raumverständnis beinhaltet die Grund- derne Formen der Arbeitsteilung („global sourcing“) idee, dass ökonomisches Handeln nicht mehr iso- und geringe vertikale Integration sowie hohen Au- liert, sondern im Zusammenhang mit den sozialen tomatisierungsgraden und dem verstärkten Einsatz Beziehungen der Akteure zu betrachten ist. Im Fo- von Informationstechnologien (vgl. Bathelt 1994, kus stehen dabei sowohl Verfl echtungen zwischen S. 80 ff.; Castells 2001, S. 175; Haas/Neumair Unternehmen untereinander als auch zwischen Un- 2007, S. 87; Hess 2006, S. 570 ff.). Diese Prozesse ternehmen und nicht gewinnorientierten Organisa- der Neuorganisation ermöglichen das Erzielen von tionen (vgl. Schamp 2000, S. 64). Verbundvorteilen („economies of scope“), die Fo- kussierung auf eigene Kernkompetenzen („lean ma- 2.1.1 Netzwerke zwischen Markt und Hierarchie nagement“) sowie die Einführung von zeitgenauen Zuliefersystemen („just in time“), um in einer hoch- Ausgangspunkt der Diskussion um Netzwerke ist komplexen globalisierten Ökonomie erfolgreich zu der in regulationstheoretischen Überlegungen an- bestehen. Eine differenzierte Übersicht der organi- geführte Übergang vom fordistischen zum postfor- satorischen Merkmale von Fordismus und Postfor- distischen Produktionsregime. Auch wenn einige dismus liefert Tabelle 1. Autoren die endgültige Überwindung des Fordismus in Frage stellen (vgl. Bathelt 1994, Hudson 1992, Wie eingangs erwähnt, lassen sich die postfordisti- Tickell/Peck 1992), so ist doch unbestritten, dass schen Organisationsmuster nicht mehr allein durch die Organisationsmuster ökonomischer Aktivitäten Markt- und Hierarchiekonzepte beschreiben. Mitt- spätestens seit den 1970er Jahren einem stetigen lerweile haben sich vielfältige zwischenbetriebliche Veränderungsprozess unterliegen. Als maßgeblich Organisationsformen herauskristallisiert, die so- für diesen Prozess gilt ein krisenhafter Umbruch, wohl marktbasierte als auch hierarchische Elemente der weite Teile der Wirtschaft in Nordamerika und miteinander kombinieren. Demnach wird das einzel- Westeuropa erfasst hat und gemeinhin als Fordis- ne Unternehmen weniger als geschlossene Einheit muskrise bezeichnet wird. Die fordistischen Pro- betrachtet, sondern vielmehr in seinem Beziehungs- duktionsstrukturen, die in erster Linie durch Mas- gefl echt zu anderen Unternehmen und Akteuren im senfertigung standardisierter Güter in hierarchisch ökonomischen Umfeld, wodurch hochkomplexe und organisierten Großunternehmen geprägt waren, er- vielschichtige Netzwerke entstehen (vgl. Haas/ wiesen sich aus heutiger Sicht als zu unfl exibel, um Neumair 2007, S. 96; Hess 2006, S. 562 f.).

27 Multiskalare Produktionsnetzwerke

Tab. 1: Organisatorische Merkmale von Fordismus und Postfordismus

Fordismus Postfordismus Massenproduktion („economies of Flexible Produktion („economies of Produktionsorganisation scale“) standardisierter Produkte scope“) von Produktvarianten Geringe Lagerhaltung, just in-time- Große Lagerhaltung, viele direkte Zu- Anlieferung, wenige Systemliefe- lieferer ranten Hohe vertikale Integration Abnehmende Fertigungstiefe, Sub- (= Fertigungstiefe) contracting

Einzwecktechnologien Flexible Mehrzwecktechnologien

Viele Hierarchiestufen, geringe Eigen- Horizontale Arbeitsorganisation, Arbeitsorganisation verantwortung individuelle Mitverantwortung Aufgliederung in kleine Arbeitsschrit- Gruppenarbeit mit differenzierten te mit starker Spezialisierung Aufgaben

Geringe Qualifikationsanforderungen Höhere Qualifikationsanforderunen Räumliche Cluster und Agglomera- Raumorganisation Räumliche funktionale Hierarchie tionen Weltweite Lieferbeziehungen und Räumliche Nähe vertikal integrier- Subcontractorsysteme ter Firmen, regionale Spezialisie-

Zentralisierte Politik, nationale Regio- Dezentralisierung, regionale Regi- nalpolitik onalpolitik

Quelle: Kulke 2009, S. 109 (leicht verändert)

Dabei entwickeln sich Austauschbeziehungen nicht Bei den Organisationsformen, die in diesem Defi ni- marktmäßiger Art mit dem Ziel, durch Ressourcen- tionsversuch genannt werden, handelt es sich in der bündelung bestimmte Leistungen zu erbringen und ökonomischen Praxis häufi g um Subkontrakte, Joint somit die eigene Wettbewerbsposition zu stärken Ventures, strategische Allianzen oder weitere For- (vgl. Schamp 2000, S. 65). Es entstehen Abhängig- men kooperativer Arrangements. Wichtige Unter- keitsverhältnisse zwischen den Netzwerkpartnern, scheidungskriterien liegen diesbezüglich im Grad da diese wechselseitig voneinander profi tieren. Aus der Internalisierung und der Ressourcenbindung Unternehmersicht sind daher strategische Erwä- (vgl. Haas 2006, S. 607). Als Entscheidungsgrund- gungen für die Netzwerkbildung von entscheiden- lage für das Eingehen kooperativer Arrangements der Bedeutung: „Ein strategisches Netzwerk stellt im Rahmen strategischer Netzwerke dient die Be- eine auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen antwortung der Frage, ob es vorteilhafter ist, Leis- zielende, polyzentrische, gleichwohl von einer oder tungen selbst zu erbringen (Internalisierung) oder mehreren Unternehmungen strategisch geführ- einzukaufen (Externalisierung). Eine Erklärung für te Organisationsform ökonomischer Aktivitäten dieses „make or buy“-Problem liefert der Transak- zwischen Markt und Hierarchie dar, die sich durch tionskostenansatz (vgl. Coase 1937; Williamson komplex-reziproke, eher kooperative denn kompeti- 1975, 1981, 1985), welcher in Kapitel 2.1.3 näher tive und relativ stabile Beziehungen zwischen recht- erläutert wird. Wie Netzwerkbeziehungen zwischen lich selbstständigen, wirtschaftlich jedoch zumeist Markt und Hierarchie organisiert und positioniert abhängigen Unternehmungen auszeichnet.“(Sydow sein können, veranschaulicht Abbildung 2. 1992, S. 82). Gegenüber marktbasierten oder hierarchischen Or- ganisationsformen bieten Netzwerke sowohl Vor-

28 Multiskalare Produktionsnetzwerke

Abb. 2: Netzwerke zwischen Markt und Hierarchie

Markt unternehmensübergreifendes Hierarchie Netzwerk

Grad an Externalisierung Grad an Internalisierung

Joint Subkontrakte Venture Strategische Allianz

Quelle: Strambach 1995, S. 85 als auch Nachteile (vgl. Hess 2006, S. 566). Vortei- lose Verfl echtungen und Macht (vgl. Grabher 1993, le sind hinsichtlich Flexibilität, Wissenstransfer, S. 7 ff.). Reduktion von Risiken sowie Kosteneffi zienz (z.B. Reziprozität bedeutet, dass Netzwerktransaktionen Einsparungen durch kombinierte Operationen) zu im Rahmen wechselseitiger Beziehungen zwischen sehen. Nachteile ergeben sich in Bezug auf Kontroll- den Akteuren stattfi nden – frei nach dem Grund- möglichkeiten, Gewinnverteilung und so genannte satz „Geben und Nehmen“. Es geht also nicht darum, „lock in“-Effekte. Letztere können in geschlossenen den größtmöglichen Vorteil zu erzielen, sondern Netzwerken ohne Außenbeziehungen auftreten, Pfl ichtbewusstsein, Verlässlichkeit und Vertrauen wenn die Netzwerkpartner extern erzeugte Inno- zu erzeugen, um langfristig von den Netzwerkbezie- vationen nicht erkennen oder ignorieren und somit hungen zu profi tieren (vgl. Powell 1990, S. 303). an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen (vgl. Grabher Damit verbindet sich im Lauf der Zeit eine gewisse 1993, S. 260 ff.). Im postfordistischen Produktions- Erwartungshaltung an das Verhalten der Netzwerk- regime scheinen die Vorteile der Netzwerkbildung partner. Sollten diese Erwartungen enttäuscht wer- jedoch zu überwiegen, da die veränderten Wettbe- den, brechen einzelne Netzwerkbeziehungen oder werbsbedingungen und immer stärker differenzier- gar das gesamte Netzwerk auseinander (vgl. Blau te Kundenanforderungen ein hohes Maß an Flexibi- 1964, S. 6). lität und Spezialisierung erfordern. Es ist daher nur konsequent, dass die Zusammenarbeit zwischen Un- Eng damit verbunden ist die Eigenschaft der Interde- ternehmen unter diesen Voraussetzungen zunimmt pendenz, die sich auf die Art der Abhängigkeitsver- (vgl. Haas 2006, S. 634) hältnisse zwischen den Netzwerkpartnern bezieht. Während Marktteilnehmer als unabhängige Akteure 2.1.2 Eigenschaften von Netzwerken agieren und Hierarchien durch einseitige Abhängig- keiten geprägt sind, bilden sich in Unternehmens- Unternehmensnetzwerke weisen bestimmte Eigen- netzwerken wechselseitige Abhängigkeitsrelatio- schaften auf, die Grabher (1993) auf Grundlage nen, die das Resultat von Anpassungsprozessen sind diverser Publikationen (vgl. Blau 1964; Hakans- (vgl. Hess 2006, S. 564). Für die Lösung von Proble- son/Johansson 1993; Powell 1990) zusammen- men sind jedoch nicht nur Anpassungsprozesse er- getragen hat. Insgesamt identifi ziert er vier Ei- forderlich, sondern auch die Orientierung an den Be- genschaften von Netzwerken, die als solche in der dürfnissen des jeweiligen Transaktionspartners und wirtschaftsgeographischen Fachliteratur intensiv das Festlegen gemeinsamer Standards im Sinne von diskutiert werden: Reziprozität, Interdependenz, „ungeschriebenen Gesetzen“. „This mutual orienta-

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tion implies a set of more or less explicit rules that sondern können diese im Gegenteil sogar stärken, are formed, reinforced, and modifi ed through inter- denn Machtasymmetrien bilden schließlich die Vor- action and – at the same time – that constitute the aussetzung für die Nutzung von (stabilisierenden) framework for subsequent interaction” (Grabher Interdependenzen (vgl. Hakansson/Johansson 1993, S. 9) 1993, S. 48). Ein gutes Beispiel stellen Zuliefer- netzwerke dar, die ihre Funktionsfähigkeit aus dem Weiterhin zeichnen sich Netzwerke durch lose Ver- hohen Grad an Machtasymmetrie ableiten, in dem fl echtungen zwischen den Akteuren aus. Grano- das „mächtige“ Fokalunternehmen als Abnahme- vetter (1973) bezeichnet dieses Phänomen als garant der vermeintlich „ohnmächtigen“ Zulieferer „strength of weak ties“. Demnach ist der Grad an auftritt. vertikaler und horizontaler Integration gering, so dass die notwendige Flexibilität und Anpassungs- Diese Ausführungen machen deutlich, dass die fähigkeit erhalten bleibt. Sind die Verfl echtungen vier Netzwerkeigenschaften nicht isoliert vonein- zu stark, so besteht die Gefahr eines „lock in“, was ander zu betrachten sind, sondern in hohem Maße langfristig zur Verfestigung von (nachteiligen) Ent- miteinander zusammenhängen. Dabei spielt der wicklungspfaden führt und Wandel verhindert (vgl. Faktor Vertrauen eine wichtige verbindende Rolle Schamp 2000, S. 69). Lose Verfl echtungen begüns- (vgl. Kulke 2009, S. 52). Durch gelungene Zusam- tigen dagegen die Innovationsfähigkeit der beteilig- menarbeit entsteht für die Partner eine gewisse ten Unternehmen durch die Förderung interaktiver Sicherheit, dass sie nicht betrogen werden. Dieser Lernprozesse. „Hence, loose coupling within net- Vertrauensvorschuss erleichtert und begünstigt in works affords for favourable conditions for interac- späteren Fällen eine weitere Zusammenarbeit und tive learning and innovation. Networks open access trägt zur Reduzierung von Transaktionskosten bei. to various sources of innovation and thus offer a Transaktionskosten gelten als Determinante zwi- considerably broader learning interface than is the schenbetrieblicher Arbeitsteilung und bieten somit case with hierarchical fi rms” (Grabher 1993, S. 10). eine Erklärungsgrundlage für das Zustandekommen Eine besondere Rolle spielt dabei die Weitergabe von Netzwerken (vgl. Bathelt/Glückler 2002, von implizitem Wissen („tacit knowledge“), welches S. 155 ff.; Fritsch et al. 1998, S. 247 f.; Hess 2006, auf personengebundenen Erfahrungen beruht und S. 556 ff.). Aus diesem Grund wird der Transaktions- nur schwer handelbar ist (vgl. Kulke 2009, S. 126). kostenansatz im Folgenden näher erläutert. Implizites Wissen lässt sich nur über „face to face“- Kontakte vermitteln, die im Rahmen loser Netz- 2.1.3 Transaktionskosten als Determinante der werkbeziehungen auf unkomplizierte Art und Weise Unternehmensorganisation gepfl egt werden Als Ausgangspunkt für die Entwicklung des Trans- Da Netzwerke durch Abhängigkeitsverhältnisse ge- aktionskostenansatzes gilt die Arbeit von Coase kennzeichnet sind, spielt auch der Faktor Macht eine (1937) mit dem Titel „The Nature of the Firm“. Darin wesentliche Rolle. Es wäre naiv zu glauben, dass die stellt er die Frage, ob es aus Unternehmersicht bes- Netzwerkpartner stets in Harmonie und Eintracht ser ist, betriebliche Leistungen selbst zu erbringen handeln, denn jede Transaktion beinhaltet Konfl ikt- oder extern über den Markt abzuwickeln. Die Be- potenziale. Erfahrungsgemäß streben die betei- antwortung dieser Frage hängt von den entstehen- ligten Akteure im Zeitverlauf eine Verbesserung den Kosten ab, wobei zwischen Organisations- und ihrer Machtposition an, wobei sie die Erfahrungen, Tauschkosten zu unterscheiden ist (vgl. Bathelt/ Beziehungen und Informationen innerhalb des Netz- Glückler 2002, S. 156). Bei Organisationskosten werks für sich (aus-)nutzen (vgl. Hakansson 1987, handelt es sich um unternehmensintern anfallen- S. 15). Dennoch wirken ungleiche Machtbeziehun- de Kosten der integrierten Produktion, während gen nicht unbedingt destabilisierend auf Netzwerke, Tauschkosten bei Markttransaktionen in Form von

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Verhandlungs- und Vertragsvereinbarungskosten liamson 1985, S. 47 ff.). Opportunistisches Verhal- entstehen. Folglich orientiert sich die Lösung des ten kann sowohl vor als auch nach Vertragsabschluss beschriebenen „make or buy“-Problems am Verhält- erfolgen (ex ante- bzw. ex post-Opportunismus). Die nis von Organisations- und Tauschkosten. Geringe- Annahme der Risikoneutralität unterstellt, dass die re Organisationskosten sprechen demnach für Inte Akteure allen Vertrags- oder Organisationsalterna- gration, geringere Tauschkosten für Externalisie- tiven neutral gegenüberstehen und sich in ihrer Ri- rung. sikobereitschaft nicht voneinander unterscheiden (vgl. Williamson 1985, S. 388 ff.). Eine entscheidende Weiterentwicklung haben die- se Überlegungen in den 1970er und 1980er Jahren Darüber hinaus zeichnen sich Transaktionen durch durch die Arbeiten von Williamson (1975, 1981, bestimmte Eigenschaften aus, die für die Höhe der 1985, 1990) erfahren. Nach Williamson (1985) Transaktionskosten und die Wahl der Organisati- verursachen Austauschbeziehungen mit externen onsform maßgeblich sind. Es lassen sich folgende Partnern vielfältige Kosten im Hinblick auf Infor- Merkmale unterscheiden: Faktorspezifi tät, Unsi- mationsbeschaffung, Anbahnung, Verhandlung, Ver- cherheit, Häufi gkeit (vgl. Williamson 1985, S. 52). tragsabschluss, Qualitätssicherung, Kontrolle und Eine hohe Faktorspezifi tät liegt vor, „(…) wenn das Koordination (S. 15 ff.). Diese so genannten Trans- zur Produktion benötigte Sach- und Humankapital aktionskosten beinhalten somit das gesamte Spek- weitgehend spezialisiert ist, so dass von Geschäf- trum an Beherrschungs- und Überwachungskosten ten zwischen Unternehmen keine merklichen Ska- eines Leistungstausches, wobei deren Höhe von der lenerträge zu erwarten wären, die der Käufer bzw. Art des Austausches (z.B. dem Grad der Standardi- Verkäufer nicht auch selbst (durch vertikale Integ- sierung), der gewählten Organisationsform und den ration) erzielen könnte“ (Williamson 1990, S. 85). Verhaltensweisen der involvierten Personen oder Daraus folgt, dass hochspezifi sche Transaktionen Personengruppen abhängt (vgl. Bathelt/Glückler tendenziell in Unternehmen integriert werden, 2012, S. 225; Hess 2006, S. 559). In Bezug auf die während die Abwicklung unspezifi scher Tauschge- Verhaltensweisen geht die Transaktionskostenöko- schäfte eher über den Markt erfolgt. Eine hohe Un- nomik von drei Annahmen aus, die dem neoklassi- sicherheit als weitere Einfl ussgröße resultiert nicht schen Bild vom „homo oeconomicus“ widersprechen: zuletzt aus dem bereits genannten Opportunismus begrenzte Rationalität, Opportunismus, Risikoneut- der Beteiligten und führt zu hohen Kontrollkosten ralität (vgl. Williamson 1985, S. 43 ff.). (vgl. Bathelt/Glückler 2012, S. 226). Aus diesem Grund ist es vorteilhaft, wenn Leistungen bei hoher Das Prinzip der begrenzten Rationalität bedeu- Unsicherheit von Unternehmen selbst erbracht wer- tet, dass die Akteure aufgrund kognitiver Aufnah- den. Dies gilt ebenso für besonders häufi ge Trans- me- und Verarbeitungsgrenzen nur unvollkommen aktionen. Insbesondere bei hoher Spezifi tät und rational handeln, obwohl sie rationales Verhalten Unsicherheit erfolgt eine Integration umso eher, je anstreben (vgl. Williamson 1985, S. 45 f.). Dies häufi ger die Transaktion durchgeführt wird, da sich führt zu Problemen bei der Vertragsgestaltung, da die Anfangsinvestitionen auf diese Weise schneller die Akteure nicht in der Lage sind, den Vertrag voll- amortisieren als bei geringer Häufi gkeit (vgl. Hess kommen zu spezifi zieren, wodurch nachvertragliche 2006, S. 560). „Unsicherheitszonen“ entstehen (vgl. Picot/Dietl 1990, S. 179). Die Annahme des Opportunismus Ökonomischer Austausch vollzieht sich jedoch unterstellt den Akteuren, dass sie sich gegenüber keineswegs nur über marktbasierte und hierar- ihren Vertragspartnern strategisch verhalten. Sie chische Strukturen, sondern zunehmend auch über sind also bestrebt, ihre Interessen auch gegen die zwischenbetriebliche Organisationsformen, die als Vertragsnorm durchzusetzen, wobei sie auch nicht Quasifi rmen oder Netzwerke bezeichnet werden vor List und Täuschung zurückschrecken (vgl. Wil- (vgl. Glückler 2001, S. 21). Der Transaktionskos-

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tenansatz leistet einen wichtigen Beitrag zur Er- S. 23; Gerhardt 1995, S. 201) sowie auf die reali- klärung des Erfolgs von Netzwerken, die sich durch tätsferne, weil zu mechanische Vorstellung eines „weiche“ Beziehungen zwischen den Akteuren aus- Markt-Hierarchie-Kontinuums (vgl. Demsetz 1991, zeichnen und somit ein hohes Maß an Flexibilität S. 165; Powell 1990, S. 298). Um ein umfassende- aufweisen (vgl. Fritsch et al. 1998, S. 248). Zudem res Verständnis der Entstehungs- und Erfolgsbe- bieten Netzwerke den Vorteil, dass bestimmte Arten dingungen von Netzwerken zu erlangen, wird im Fol- von Transaktionen mit mehreren Partnern möglich genden der an diesen Kritikpunkten anknüpfende sind (Redundanz), was übermäßige Abhängigkei- Embeddedness-Ansatz von Granovetter vorgestellt. ten verhindert. So lassen sich Transaktionskosten durch intelligente Arbeitsteilung und die Bündelung 2.1.4 Embeddedness und Netzwerkbildung von Kompetenzen reduzieren. Scott (1988a) geht davon aus, dass dieser Kostenvorteil bei gegebe- Die Kernthese des Embeddedness-Ansatzes lautet, ner räumlicher Nähe der Transaktionspartner umso dass ökonomisches Handeln nicht kontextfrei und größer ausfällt, da somit Unsicherheit verringert zwischen isolierten Akteuren geschieht, sondern in und opportunistisches Verhalten weitgehend aus- fortdauernde Systeme sozialer Beziehungen ein- geschlossen wird. Daher dienen Transaktionskosten gebettet ist. “A fruitful analysis of human action auch als Erklärungsansatz für die Bildung regionaler requires us to avoid the atomization implicit in the Netzwerke (vgl. Kap. 2.2.1). theoretical extremes of under- and oversocialized conceptions. Actors do not behave or decide as at- Trotz seiner Verdienste ist der Transaktionskosten- oms outside a social context, nor do they adhere ansatz nicht ohne Kritik geblieben. Ein wesentlicher slavishly to a script written for them by the par- Kritikpunkt liegt in der atomistischen Konzeption ticular intersection of categories that they happen des ökonomisch Handelnden. Danach handelt jeder to occupy. Their attempts at purposive action are Akteur scheinbar kontextfrei und unbeeinfl usst instead embedded in concrete, ongoing systems of von seiner konkreten Umwelt (vgl. Bathelt/Glück- social relations” (Granovetter 1985, S. 487) ler 2012, S. 229 f.). Einer kritischen empirischen . Überprüfung hält diese Sichtweise jedoch nicht Für die Entstehung von Embeddedness spielen Ver- Stand, wie Granovetter (1985, 1992) mit seinen trauen und Reputation als soziale Mechanismen Ausführungen über Embeddedness belegt (vgl. eine entscheidende Rolle (vgl. Glückler 2001, Kap. 2.1.4). Soziale Beziehungen sowie Vertrauen, S. 215 ff.). Vertrauen kann selbst bei hoher Unge- Reputation und Macht bleiben im Transaktionskos- wissheit (z.B. durch Informationsdefi zite) zu ein- tenansatz weitgehend unberücksichtigt. Die Ver- vernehmlichem Handeln zwischen Akteuren führen, haltensannahme des Opportunismus widerspricht da positive Erfahrungen in der Vergangenheit für der Möglichkeit der Vertrauensbildung sogar fun- Zuversicht und Sicherheit sorgen. Auch wenn An- damental (vgl. Döring 1999, S. 57). Auch führen reize und Gelegenheiten für Opportunismus beste- Kritiker an, dass historische Prozesse für die Trans- hen, so ist ein solches Verhalten in vertrauensvollen aktionsentscheidung keine Berücksichtigung fi n- Netzwerkbeziehungen zumindest unwahrscheinlich, den. Insgesamt habe Williamson den Blick für vie- auch weil bei Vertrauensmissbrauch der Ausschluss le Probleme ökonomischer Organisation durch die aus dem Netzwerk droht (vgl. Granovetter 1985, Konzentration auf Transaktionskosteneinsparungen S. 487 ff.; Noteboom 2000, S. 107). Ähnlich verhält und die Vernachlässigung wichtiger Einfl ussgrößen es sich mit dem sozialen Mechanismus der Reputa- unnötig verengt (vgl. Demsetz 1991, S. 165 ff.; Zald tion. Mittels Reputation lässt sich Vertrauen trans- 1987, S. 705). Weitere Kritikpunkte beziehen sich portieren, was für die Auswahl eines Transaktions- auf die begriffl iche Unschärfe und die dadurch be- partners ausschlaggebend sein kann. Denn wenn dingte problematische Operationalisierbarkeit von Akteure bestimmte Transaktionen tätigen wollen, Transaktionskosten (vgl. Cook/Emerson 1984, die unter unsicheren Bedingungen und gleichzeiti-

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ger Unkenntnis geeigneter Partner stattfi nden, so Akteure verbinden und somit die gleichen Ressour- beziehen sie sich bei der Partnerwahl auf Hinwei- cen (z.B. Wertvorstellungen, Informationen) trans- se und Empfehlungen persönlich Vertrauter (vgl. portieren (vgl. Burt 1992, S. 17). Folglich nimmt Glückler 2001, S. 217). Dieser Prozess der mit- strukturelle Embeddedness in dem Maße zu, in dem telbaren Reputation trägt dazu bei, dass neue Teil- sich die Beziehungen der betrachteten Akteure nehmer bereits Vertrauen voraussetzen können, verdichten. Eine solche Verdichtung bildet die Vor- ohne sich erst in einem zeitraubenden Prozess des aussetzung für das Entstehen von sozialem Kapital Vertrauensaufbaus bewähren zu müssen. Vertrauen (vgl. Bourdieu 1983, 1986; Coleman 1988; Putnam und Reputation bilden zugleich die konstituierenden 2000; Putnam et al. 1993). Elemente für die Unterscheidung von relationaler und struktureller Embeddedness. Der Begriff des sozialen Kapitals bezieht sich auf eine Reihe von nicht-ökonomischen Faktoren, die Relationale Embeddedness kennzeichnet die Qua- ihre Stärken erst durch soziale Beziehungen lität der Beziehung zwischen zwei Akteuren (vgl. zwischen Akteuren entfalten und somit zu wirt- Bathelt/Glückler 2012, S. 230; Glückler 2001, schaftlichem Erfolg beitragen. Dazu gehört die Bil- S. 214). Beziehungen mit einem hohen Grad an rela- dung von Vertrauen, Solidarität, Zuverlässigkeit, tionaler Embeddedness lassen sich durch informelle Pfl ichtbewusstsein, gemeinsamen Werten und Nor- Kontakte, interpersonellem Vertrauen sowie inten- men, aber auch die Implementierung von Kontroll- siver Kooperation und Interaktion charakterisieren und Sanktionsmechanismen (vgl. Coleman 1988, (vgl. Andersson et al. 2005, S. 5). Diese Art der S. 102 ff.; Putnam et al. 1993, S. 167). Die Mobili- Einbettung fördert den Austausch von (implizitem) sierung dieser Ressourcen schafft die Vorausset- Wissen und bietet somit sehr gute Voraussetzungen zungen für Handlungsorientierung und Sicherheit im für Innovationstätigkeit. Darüber hinaus hat Uzzi Netzwerk, so dass die Effi zienz von Transaktionen (1997) beobachtet, dass relationale Embeddedness steigt und opportunistisches Verhalten erschwert auf Basis von interpersonellem Vertrauen zu zeitli- wird. Die relative Geschlossenheit dieser Systeme chen Ersparnissen führt (S. 48 f.). Diese als „econo- impliziert allerdings auch Nachteile (vgl. Bathelt/ mies of time“ bezeichneten Vorteile manifestieren Glückler 2012, S. 237.). So können einzelne Mitglie- sich z.B. in der schnelleren Entfaltung von koopera- der als „Trittbrettfahrer“ zum Problem werden. Die- tiven Problemlösungs- und Lernprozessen sowie in se erheben Ansprüche auf die gruppenimmanenten der Tatsache, dass keine komplizierten Regelarran- Vorzüge, ohne eigene Ressourcen einzubringen, was gements ausgehandelt werden müssen. Auf diese den Zusammenhalt im Netzwerk empfi ndlich schä- Weise können die Transaktionspartner schneller auf digen kann. Zudem bleiben Nicht-Mitglieder aus- neue Markt- und Umweltentwicklungen reagieren. geschlossen, weshalb wichtige Informationen nicht in die Gruppe eindringen. Daraus erwächst die Gefahr Demgegenüber betrachtet strukturelle Embedded- der Ideenverkrustung („lock in“) und schließlich des ness die Gesamtheit der Beziehungen einer Menge kollektiven Scheiterns geschlossener Netzwerke. von Akteuren und umfasst somit auch die Beein- fl ussung durch Dritte (vgl. Glückler 2001, S. 215; Uzzi (1996, 1997) hat diesen Effekt im Rahmen Kulke 2009, S. 126). Die entscheidende Quelle für empirischer Arbeiten über die New Yorker Beklei- diese Form der Einbettung bildet Reputation, denn dungsindustrie nachgewiesen. Es zeigt sich, dass während sich Vertrauensbeziehungen sukzessive Zulieferfi rmen, die nur zu einem gewissen Grad über stabilisieren, resultiert aus mittelbarer Reputation eingebettete Verbindungen mit ihren Abnehmern von Akteuren ein stetiges Wachsen der Redundan- verfügen, mit hoher Wahrscheinlichkeit im Wettbe- zen in der Struktur vertrauter Beziehungen (vgl. werb bestehen. Andere Zulieferer, die diese Schwel- Glückler 2001, S. 218). Redundante Beziehungen le überschreiten und eine Vielzahl an eingebetteten zeichnen sich dadurch aus, dass sie die gleichen Beziehungen vorweisen, scheiden dagegen mit hö-

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herer Wahrscheinlichkeit aus dem Wettbewerb aus Dienstleistungen eine Rolle spielen. Für bestimm- (vgl. Uzzi 1997, S. 58 ff.). Es besteht die Gefahr ei- te Branchen, die sich vor allem durch ausgeprägte ner „overembeddedness“, denn je stärker die Bezie- Produkt-, Prozess- und Organisationsinnovationen hungen in einem Netzwerk eingebettet sind, desto auszeichnen, kann die räumliche Nähe der Akteure einheitlicher sind die Informationen, die zwischen zu einer hohen Innovations- und Wettbewerbsfähig- den Partnern zirkulieren. Das Netzwerk wird zuneh- keit beitragen (vgl. Kulke 2009, S. 113). Es kommt mend resistent gegenüber neuen Entwicklungen zur Herausbildung regionaler Agglomerationen von und droht dauerhaft an Dynamik und Innovations- Unternehmen gleicher oder verwandter Branchen. kraft zu verlieren (vgl. Glückler 2001, S. 220). Uzzi Als bekannte Beispiele lassen sich die Halbleiterin- (1997) spricht in diesem Zusammenhang von einem dustrie im Silicon Valley, das Leder- und Schuhhand- Embeddedness-Paradoxon. In Abbildung 3 sind die werk in Norditalien oder die IT-Industrie in Bangalo- unterschiedlichen Formen von Embeddedness aus re anführen (vgl. Glückler 2010, S. 882). Sicht eines Zulieferers dargestellt. Vor dem Hintergrund einer zunehmend globalisier- 2.2 Formen und Raummuster der Produktions- ten Ökonomie mehren sich allerdings Stimmen, die organisation einen Bedeutungsverlust der räumlichen Nähe zu erkennen glauben. Stattdessen identifi zieren sie Die Betrachtung wirtschaftlicher Beziehungen im räumlich entgrenzte Produktionssysteme, die einen Raum erfordert ein besonderes Verständnis für die hohen Grad an Arbeitsteilung und Spezialisierung unterschiedlichen Akteure, Produktionsstufen und mit zum Teil weit voneinander entfernten Standor- Interaktionen, die bei der Erstellung von Gütern oder ten aufweisen. Staatenübergreifende Liberalisie-

Abb. 3: Strukturelle Embeddedness aus der Sicht eines Zulieferers

Marktnetz integriertes Netzwerk starres Netzwerk (under-embedded) (embedded) (over-embedded)

Beziehungen Beziehungen 1. Ordnung 2. Ordnung Betrachtete Zulieferer

Produzent

andere Zulieferer

eingebettete Beziehung

Marktbeziehung

Quelle: Uzzi 1997, S. 60

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rungs- und Deregulierungsmaßnahmen haben dazu Die Ursprünge der Cluster-Diskussion gehen auf beigetragen, dass große multinationale Konzerne, den britischen Ökonomen Alfred Marshall (1890, aber zunehmend auch kleinere mittelständisch ge- 1919) zurück, der bereits im 19. Jahrhundert auf die prägte Unternehmen („Hidden Champions“) rund Existenz regionaler Produktionsnetze in Großbri- um den Globus aktiv sind, um Güter herzustellen, tannien hingewiesen hat. Am Beispiel der Schneid- Dienstleistungen zu erbringen oder Rohstoffe ein- warenindustrie in Sheffi eld und der Wollwaren- zukaufen. herstellung in Lancashire konnte er belegen, wie handwerkliche Kleinunternehmen von den Vorteilen In der Wirtschaftsgeographie sind bis heute zahlrei- ihrer starken räumlichen Konzentration profi tier- che Ansätze entstanden, die sich mit der Produkti- ten. Durch eine in hohem Maße arbeitsteilige Orga- onsorganisation auf unterschiedlichen räumlichen nisationsstruktur und einen gemeinsam nutzbaren Maßstabsebenen befassen. Es folgt nun eine Dis- Pool an Infrastruktur, Dienstleistungen und Know kussion der wichtigsten Zugänge, wobei die Global How waren sie in der Lage, externe Ersparnisse4 zu Production Networks (GPN)-Konzeption (vgl. Kap. erzielen (vgl. Harrison 1992, S. 474; Kiese 2007, 2.2.5) einen besonderen Fokus auf die Wechselwir- S. 9). Marshall (1890) bezeichnete diese regio- kungen zwischen regionaler und globaler Produkti- nalen Produktionsverbunde als Industriedistrikte, onsorganisation legt. Diese multiskalaren Vernet- in denen sich aufgrund der intensiven und auf Ver- zungen sind für die vorliegende Untersuchung von trauen basierenden Verfl echtungen ihrer Mitglieder zentraler Bedeutung. eine besondere „industrielle Atmosphäre“ entwi- ckeln konnte. Jedoch fand diese Form der industriel- 2.2.1 Clusteransätze len Produktion angesichts der zunehmenden Domi- nanz hierarchisch organisierter Großunternehmen Die Organisation ökonomischer Aktivitäten befi n- lange Zeit kaum Beachtung. det sich in einem stetigen Prozess des Wandels, wobei insbesondere der bereits erwähnte Übergang Erst in den 1970er Jahren erlebten Industriedi- vom fordistischen zum postfordistischen Produk- strikte eine Renaissance, da sie als Motor einer tionsregime neue Maßstäbe gesetzt hat. In dieser erfolgreichen regionalen Industrieentwicklung von Phase entwickelten sich die schnell wachsenden und kleinen und mittleren Unternehmen in Nordost- und stark vernetzten High Tech-Industrien, aber auch Mittelitalien („Drittes Italien“) wiederentdeckt wur- in traditionellen Branchen kam es zu neuartigen den. Exemplarisch seien an dieser Stelle die Städte Organisationsmustern in Form von kleinräumigen Prato (Textilien), Como (Seide), Manzano (Möbel), Produktionsnetzen auf regionaler Ebene (vgl. Scott Murano (Glas) und Riviera del Brenta (Schuhe) ge- 1988b). Auch wenn dieses Phänomen der räumlichen nannt (vgl. Haas/Neumair 2007, S. 100; Schamp Konzentration und Spezialisierung keineswegs neu 2000, S. 75). Auf der Grundlage zahlreicher italie- ist, so hat erst die wissenschaftliche Debatte in den nischer Studien hat insbesondere das Konzept der 1980er und 1990er Jahren mit der Einführung des Flexiblen Spezialisierung von Piore/Sabel (1984) Clusterbegriffs durch Porter (1990) entscheidend entscheidende Impulse für die wissenschaftliche zum Verständnis der Entstehung und Funktionswei- Debatte um Industriedistrikte geliefert. Ihr Aus- se regionaler Netzwerke beigetragen. Mittlerweile gangspunkt der Argumentation gründet sich auf die erfreuen sich Clusterkonzepte in der Wissenschaft These, dass spezialisierte kleine und mittlere Un- und vielmehr noch in der regionalpolitischen Praxis ternehmen in wechselhaften Märkten mit individu- höchster Beliebtheit, wenngleich in jüngerer Ver- ellen Bedarfsstrukturen eher in der Lage sind, sich gangenheit insbesondere Wirtschaftsgeographen fortlaufend an die Nachfragebedürfnisse anzupas- zunehmend Kritik geübt haben (vgl. Fromhold-Ei- 4 sebith/Eisebith 2008; Markusen 1999; Martin/ Externe Ersparnisse werden heute vor allem mit den Be- griffen Agglomerationsvorteile oder „localization econo- Sunley 2003; Taylor 2010). mies“ umschrieben (vgl. Hess 1998, S. 32).

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sen als große Unternehmen (vgl. Bathelt/Glück- 1997), oder sogar räumliche Konzentrationen ohne ler 2012, S. 253 f.). Diese Anpassungsfähigkeit Netzwerkeigenschaften (Markusen 1996) meinen. erwerben die Mitglieder von Industriedistrikten, in Es bleibt die Frage, worin dann noch die empiri- dem sie sich auf einzelne Produktionsschritte spe- sche Leistungsfähigkeit des Konzeptes liegen soll“ zialisieren, moderne Technologien nutzen und zwi- (S. 80). schenbetriebliche Kooperationen mit dem Ziel des Know How-Transfers eingehen (vgl. Harrison 1992, Auf den Überlegungen zu Industriedistrikten auf- S. 471; Hess 1998, S. 34). bauend hat eine unter dem Kürzel GREMI6 bekann- te Gruppe, die überwiegend aus französischen und In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren hat italienischen Sozialwissenschaftlern besteht, zu die so genannte „Kalifornische Schule“ der Wirt- Beginn der 1990er Jahre einen Netzwerkansatz schaftsgeographie um Scott (1988b, 1992) und entwickelt, der das Augenmerk auf die Erzeugung Storper (1992) das Konzept der Industriedistrikte von Innovationen legt. Es handelt sich um das Kon- erweitert. So versteht Scott (1992) unter einem zept des innovativen bzw. kreativen Milieus7 (vgl. Industriedistrikt „a localized network of producers Camagni 1991, 1994; Maillat 1998; Maillat/Le- bound together in a social divison of labour, in neces- coq 1992). Unter der Prämisse, dass Regionen be- sary association with a local labour market” (S. 266). sonders dann ökonomisch erfolgreich sind, wenn sie Die räumliche Nähe der Akteure ermöglicht häufi ge über eine hohe Innovationskraft verfügen, befassen Interaktionen und den Aufbau von Vertrauen; also sich die GREMI-Vertreter mit den Entstehungsbe- Eigenschaften, die für das Funktionieren des Pro- dingungen von Innovationen im regionalen Kontext duktionsverbundes unverzichtbar sind. Ein weiteres und legen einen besonderen Fokus auf die spezifi - Verdienst der „Kalifornischen Schule“ besteht in sche Ausgestaltung der Netzwerkbeziehungen. der Formulierung eines Modells zur Erklärung indu- strieller Entwicklungspfade, wonach Wachstumsin- Innovationen resultieren demnach aus Interaktio- dustrien sich das benötigte Umfeld selbst schaffen nen von Unternehmen, öffentlichen Entscheidungs- („industries produce regions“; vgl. Storper/Walker trägern und Forschungseinrichtungen sowie da- 1989, S. 70 ff.). Mit Hilfe dieses aus vier Phasen be- durch hervorgerufenen kollektiven Lernprozessen stehenden Modells lässt sich der Lebenszyklus von (vgl. Fritsch et al. 1998, S. 245 f.). Begünstigt wird Industriedistrikten von der Entstehung bis zum Nie- die Lern- und Innovationsfähigkeit durch vielfälti- dergang nachvollziehen.5 ge informelle Beziehungen, die den Informations- fl uss zwischen den Akteuren erleichtern und einen Mittlerweile ist eine Vielzahl an Fallstudien ent- mentalen Zusammenhalt („Milieu-Bewusstsein“) standen, in denen unterschiedlichste regionale Pro- erzeugen. Auf diese Weise erhöhen sich die Chan- duktionsnetze unter dem „Etikett“ des Industrie- cen, dass innovationsrelevante Informationen aus distriktes untersucht werden. Infolge dessen sieht verschiedenen Bereichen zusammenfl ießen und sich Schamp (2000) dazu veranlasst, die empirische schließlich in eine Geschäftsidee münden, wobei der Leistungsfähigkeit des Konzeptes zu hinterfragen: enge räumliche Radius eines Kontaktnetzes die für „Der Industriedistrikt wird zunehmend zum Syno- die Realisierung der Innovation erforderliche hohe nym für ganz unterschiedliche regionale Konfi gu- Kommunikationsdichte („face to face“) ermöglicht rationen von Industrien einer einzigen Produkti- (vgl. Fromhold-Eisebith 1995, S. 37). Im innovati- onskette, die u.a. auch regionale Netzwerke, die von ven Milieu spielen aber nicht nur lokale, territoriale Großunternehmen dominiert werden (z.B. Hayter Netzwerke eine Rolle, sondern auch nicht-territori-

5 Für eine detaillierte Betrachtung des Modells indu- 6 strieller Entwicklungspfade sei an dieser Stelle auf das GREMI steht für Groupe de Recherche Européen sur les zitierte Werk von Storper/Walker (1989) verwiesen. Mileux Innovateurs. 7 Eine gute Darstellung fi ndet sich auch in Bathelt/Glück- Im Folgenden wird der Begriff des Innovativen Milieus ler (2002, S. 355 ff.). verwendet.

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ale, eher organisationsspezifi sche Netzwerke, wie rigkeit mit identitätsstiftender Wirkung nach innen sie z.B. innerhalb von multinationalen Unternehmen und imageprägenden Effekten nach außen. In einem zu fi nden sind. Die Kombination von territorial ge- solchen System, das auf Vertrauen basiert, sind die bundenem (Erfahrungs-)Wissen und Ressourcen Transaktionskosten niedrig, so dass eine hohe Kon- aus nicht-territorialen Netzwerken macht erst die taktintensität zwischen den Mitgliedern entsteht. Innovationsfähigkeit des Milieus aus und begrün- Auf diese Weise zirkulieren Informationen schnell det damit eine historisch gewachsene Lernfähigkeit und unkompliziert, weshalb erfolgreiche Markt- und der Akteure im Ensemble (vgl. Schamp 2000, S. 82). Technologieentscheidungen leichter zu erkennen Wichtig ist daher, dass eine Offenheit des Systems sind (vgl. Fritsch et al. 1998, S. 246). nach außen gewährleistet ist, auch um der Gefahr eines „lock in“ vorzubeugen. Das innovative Milieu Im Laufe der 1990er und 2000er Jahre haben sich ist somit Teil eines interregionalen oder internatio- zahlreiche Autoren in fallstudienbasierten Arbeiten nalen Innovationsnetzwerkes ((vgl. Abb. 4). mit innovativen Milieus beschäftigt, wobei sich als typische Beispiele insbesondere Standorte in Süd- Ein weiteres Charakteristikum innovativer Milieus frankreich und Süddeutschland herauskristallisiert besteht in der Einbettung des lokalisierten Produkti- haben (vgl. Grotz/Braun 1993; Maillat 1995; onssystems in einen sozio-institutionellen Kontext. Sternberg 1995). Jedoch weisen Haas/Neumair Nach dieser Lesart bildet das Milieu einen zusam- (2007) darauf hin, dass auch das Silicon Valley und menhängenden Wahrnehmungsraum, der gemeinsa- das Dritte Italien häufi g mit innovativen Milieus in me Routinen, Verhaltensnormen, Wertvorstellungen Verbindung gebracht werden, was darauf hindeu- und „technische Kulturen“ beinhaltet (vgl. Bathelt/ ten würde, dass keine allzu klaren, trennscharfen Glückler 2002, S. 190; Fromhold-Eisebith 1995, Unterschiede zum Konzept der Industriedistrikte S. 34 f.). Es entsteht ein Gefühl der Zusammengehö- existieren (S. 106). Dagegen betont Schamp (2000)

Abb. 4: Beziehungen und Einordnung eines kreativen Milieus

„Kreatives Milieu“ = „Milieu“ regionaler Bereich des Innovationsnetz Innovationsnetzes

Allgemeines Umfeld: Technologien und Märkte

Räumliche und mentale Grenze zwischen „Milieu“ und Umfeld

Außenbeziehungen der „Milieu“-Akteure zum Umfeld

Quelle: Fromhold-Eisebith 1995, S. 36

37 Multiskalare Produktionsnetzwerke

mit Verweis auf Planque (1993), dass es sich bei te und unterstützende Branchen fördern die Bün- innovativen Milieus um „eine relativ seltene, ganz delung von Kompetenzen, so dass Synergieeffekte spezifi sche Form der (lokalen) Organisation von und infolgedessen Innovationsprozesse zwischen Innovationsprozessen“ handelt, die nur in wenigen Netzwerkpartnern möglich sind. Intensiver Wett- wissensbasierten Technologiefeldern wie der Bio- bewerb wirkt ebenfalls innovationsfördernd, da er technologie oder der Pharmazeutik nachzuweisen die Unternehmen zu immer besseren Produkten und sind (S. 85). Die Vielzahl an Studien zu innovativen Leistungen zwingt. Durch die spezifi sche Form des Milieus spricht allerdings für eine gewisse Beliebig- Wettbewerbs wird auch die Art der Unternehmens- keit, so dass die Gefahr einer „Verwässerung“ des führung und -struktur geprägt, da die Verteidigung Konzeptes nicht unbegründet erscheint. bzw. die Eroberung von Marktanteilen oftmals mit (ausländischen) Direktinvestitionen verbunden ist Etwa zeitgleich zu den Diskussionen über innovative (vgl. Bathelt/Glückler 2012, S. 246). Als nachran- Milieus in Europa hat der Harvard-Ökonom Michael gige Faktoren spielen zudem Zufälle (z.B. techno- E. Porter (1990) mit seinem Werk “The Competi- logische Durchbrüche, Wechselkurs- und Rohstoff- tive Advantage of Nations” einen Meilenstein ge- preisschwankungen, Krisen, Kriege) und staatliche setzt, der die wissenschaftliche Debatte um regio- Interventionen (z.B. Normen, Gesetze, Subventio- nale Netzwerke bis heute maßgeblich beeinfl usst. nen, Wettbewerbs- und Strukturpolitik) eine Rolle. Der von ihm geprägte Clusterbegriff hat sich längst Die einzelnen Komponenten sind nicht isoliert zu in der regionalpolitischen Praxis etabliert, wenn- betrachten, sondern beeinfl ussen sich gegenseitig, gleich die Vorzüge dieses Konzeptes zunehmend was Porter in seinem berühmten Diamanten-Mo- angezweifelt werden. Auf Basis der Überlegungen dell (vgl. Abb. 5) zum Ausdruck bringt. zu Industriedistrikten versucht der Clusteransatz zu erklären, warum Nationalstaaten in bestimmten Terminologisch sind Cluster kaum eindeutig zu fas- Branchen internationalen Erfolg erzielen (vgl. Kul- sen, es existieren zahlreiche Vorschläge der be- ke 2009, S. 130). Als Determinanten für die Entste- griffl ichen Eingrenzung. Exemplarisch sei an dieser hung nationaler Wettbewerbsvorteile nennt Porter Stelle die Defi nition von Porter (1998) angeführt: (1993) vier Einfl ussgrößen: Faktorbedingungen, „Clusters are geographic concentrations of inter- Nachfragebedingungen, verwandte und unterstüt- connected companies, specialized suppliers, service zende Branchen sowie Unternehmensstrategie, providers, fi rms in related industries, and associat- -struktur und Inlandswettbewerb (S. 95). ed institutions (for example, universities, standards agencies, and trade associations) in particular fi elds Faktorbedingungen umfassen die lokale Ausstat- that compete but also cooperate” (S. 197). Wenn tung mit qualitativ hochwertigen, spezialisierten hier von geographischer Konzentration gespro- Produktionsfaktoren, wie z.B. Kapital- und Human- chen wird, so ist keinesfalls klar, welche räumlichen ressourcen oder innovationsfördernden Infrastruk- Maßstabsebenen damit gemeint sind. Porter selbst turen. Entscheidend ist jedoch nicht die bloße Ver- macht dazu keine näheren Angaben. Jedoch hat er fügbarkeit, sondern die Fähigkeit der ansässigen den Clusterbegriff in späteren Arbeiten häufi g im Unternehmen, die Faktoren zu adaptieren und pro- Kontext subnationaler Regionen verwendet. Für die duktiv einzusetzen (vgl. Porter 1993; Kap. 3). Nach- Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der im fragebedingungen beziehen sich auf Zusammenset- Cluster beteiligten Unternehmen ist die räumliche zung, Umfang und Dynamik der Inlandsnachfrage. Nähe von entscheidender Bedeutung, da sie zur Er- Es wird unterstellt, dass anspruchsvolle und quali- höhung der Interaktionsintensität beiträgt. „Cluster tätsbewusste Nachfrager den Innovationsdruck auf participation also offers advantages in perceiving Unternehmen erhöhen und ihnen auf diese Weise so new technological, operating, or delivery possibili- genannte „fi rst mover“-Vorteile im globalen Wettbe- ties (…) facilitated by ongoing relationships with werb verschaffen (vgl. Lerch 2009, S. 25). Verwand- other cluster entities, the ease of site visits, and

38 Multiskalare Produktionsnetzwerke

Abb. 5: Diamanten-Modell nach Porter

Zufall Unternehmensstrategie, Struktur und Wettbewerb

Faktorbedingungen Nachfragebedingungen

verwandte und unterstützende Branchen Staat

Quelle: Porter 1993, S. 95 frequent face-to-face contacts” (Porter 2000, otic concept“. Ein weiterer Argumentationsstrang S. 262). stellt den tatsächlichen Nutzen der räumlichen Nähe zwischen den Netzwerkpartnern in Frage. Oftmals Nach anfänglicher Euphorie insbesondere bei Re- bieten regionale Partner weniger geschäftliche Op- gionalpolitikern und Wirtschaftsförderern ist der tionen als der Clusteransatz suggeriert, während In- Clusteransatz in der jüngeren Vergangenheit zuneh- novationen immer häufi ger durch externe Beziehun- mend in die Kritik geraten, welche vor allem die kon- gen generiert werden (Fromhold-Eisebith 2008, zeptionellen Unzulänglichkeiten aufgreift. Einer der S. 83). Darüber hinaus bemängeln Kritiker, dass der zentralen Kritikpunkte bezieht sich auf die Mehr- Clusteransatz die Mechanismen des Kapitalismus deutigkeit des Clusterbegriffs. Das Fehlen klarer (z.B. Profi tstreben) ebenso vernachlässigt, wie die Grenzen hinsichtlich der sektoralen und geographi- Herausbildung von Machtasymmetrien innerhalb schen Kategorisierung hat konzeptionelle wie auch von Netzwerkkonfi gurationen (vgl. Taylor 2010, empirische Verwirrungen zur Folge (vgl. Sunley/ S. 279). Auch Entwicklungsdynamiken und Pfadab- Martin 2003, S. 10). Somit lässt sich der Cluster- hängigkeiten bleiben im Porter’schen Clusterkon- ansatz je nach Intention des Betrachters beliebig zept unzureichend berücksichtigt; es wird als zu sta- anwenden. Oftmals werden Cluster sogar willkür- tisch kritisiert (vgl. ebd., S. 280). lich konstruiert, wobei die Motivation zumeist aus regionalpolitischem Wunschdenken und der damit Auf der Grundlage dieser Kritik haben verschiede- verbundenen Inszenierung vermeintlicher Standort- ne Autoren den Clusteransatz weiterentwickelt und vorteile resultiert. Aufgrund dieses enormen Inter- ausdifferenziert. Wichtige Impulse stützen sich pretationsspielraums bezeichnen Martin/Sunley auf die Beobachtung, dass Cluster in einer globa- (2003) den Clusteransatz treffenderweise als „cha- lisierten Ökonomie verstärkt translokale und vor

39 Multiskalare Produktionsnetzwerke

Abb. 6: Struktur und Dynamik der „local buzz, global pipelines“-Konzeption

Marktnetz integriertes Netzwerk starres Netzwerk (under-embedded) (embedded) (over-embedded)

Beziehungen Beziehungen 1. Ordnung 2. Ordnung Betrachtete Zulieferer

Produzent

andere Zulieferer

eingebettete Beziehung

Marktbeziehung

Quelle: Bathelt et al. 2004, S. 46

allem auch internationale Verknüpfungen aufwei- über die Clustergrenzen hinaus schon allein deshalb sen. Diesen „global pipelines“ wird eine entschei- notwendig, um existenzsichernde Vertriebsstruk- dende Bedeutung für die Generierung von Innova- turen aufzubauen (vgl. Giese et al. 2011, S. 181). tionen zugeschrieben (vgl. Bathelt et al. 2004). Die Hier bieten vor allem die so genannten „emerging „pipeline“-Metaphorik geht auf Owen-Smith/Pow- markets“8 große Potenziale. Bathelt et al. (2004) ell (2002) zurück, die am Beispiel der Biotechnolo- gehen noch einen Schritt weiter und heben die Vor- gie-Branche in Boston nachweisen konnten, dass der züge der „global pipelines” einzelner Unternehmen Zugang zu neuem Wissen häufi g aus internationalen für das gesamte Cluster hervor. „It seems reason- Partnerschaften resultiert. Zahlreiche Arbeiten be- able to assume that the information that one clus- stätigen diesen Befund (vgl. Gertler/Wolfe 2006; ter fi rm can acquire through its pipelines will spill Giuliani/Rabellotti 2012; Lorenzen/Mudambi over to other fi rms in the cluster through local buzz“ 2012; Mossig 2006, 2008; Nadvi/Halder 2005). (S. 46). Unter „local buzz” verstehen die Autoren eine besondere standortgebundene Atmosphäre, die Durch externe Verfl echtungen absorbieren die Netz- spontane oder zufällige Kontakte begünstigt und werkpartner neueste Informationen über Markt- auf diese Weise dazu beiträgt, dass Informationen entwicklungen und Technologien, so dass sie ihre zwischen den Akteuren frei und unkoordiniert zirku-

Wettbewerbsposition festigen oder gar ausbauen 8 Der Begriff „emerging markets“ entstammt dem Bör- können. Gerade in schnelllebigen Branchen, wie z.B. senjargon und umfasst die Gruppe der Schwellenländer der IT-Industrie, sind Informations- und Wissens- (insbesondere Brasilien, Russland, Indien, China), die sich vorsprünge für eine positive Unternehmensperfor- durch hohes Wirtschaftswachstum und rasant wachsende Mittelschichten mit entsprechender Kaufkraft auszeich- mance unabdingbar. Außerdem sind Vernetzungen nen.

40 Multiskalare Produktionsnetzwerke

lieren. Im Zusammenspiel von lokaler Interaktion und institutionellen Ordnungsmustern (vgl. Schamp translokalen bzw. globalen Verfl echtungen (vgl. Abb. 2000, S. 27). 6) liegt demnach eine wichtige Determinante für die Wettbewerbsfähigkeit geographischer Cluster. Als deskriptives Instrument zur Erfassung von ket- tenartigen Abläufen in wirtschaftlichen Zusammen- 2.2.2 Ansätze zu Wertschöpfungsketten hängen hat das von französischen Ökonomen entwi- ckelte Filière-Konzept besondere Aufmerksamkeit Die Cluster-Diskussion hat gezeigt, welche Dynamik erfahren (vgl. Hugon 1988; Lauret 1983; Malsot aus regionalen Netzwerkkonfi gurationen erwachsen 1980; Stoffaes 1980). Die Filière umfasst die „Ge- kann und wie sich die Vorteile der räumlichen Nähe samtheit der Produktionsstadien, die vom Rohstoff positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit der beteilig- bis zur Bedürfnisbefriedigung des Endverbrauchers ten Akteure auswirken. Allerdings deutet bereits die reicht, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei „local buzz, global pipelines“-Konzeption darauf hin, um ein materielles Bedürfnis oder eine Dienstleis- dass ökonomische Vernetzungen im Zeitalter der tung handelt“ (Stoffaes 1980, S. 10; zitiert nach Globalisierung an Reichweite gewinnen und nicht Lenz 1997, S. 22). Die einzelnen Produktionsstadien mehr nur in räumlicher Nähe auftreten. Um diesen werden als Segmente bezeichnet, die sich jeweils in Trend der Deterritorialisierung wirtschaftlicher Ak- die Kategorien Input, Transformation, Output unter- tivitäten konzeptionell zu fassen, bieten Ansätze zu teilen lassen. Das heißt, dass in jedem Segment un- Wertschöpfungsketten eine gute Ausgangsbasis. terschiedlich stark verarbeitete Einsatzmaterialien, Hier sind im Zuge der interdisziplinär geführten Dis- Vor- oder Zwischenprodukte aufgenommen, weiter- kussion unterschiedliche Konzepte entstanden, die verarbeitet und über potentielle Marktbeziehungen den Wertschöpfungsprozess je nach Perspektive als an nachfolgende Segmente überführt werden (vgl. System, Kette, Kreislauf oder Netzwerk behandeln Kulke 2009, S. 70). (vgl. Hughes/Reimer 2004, S. 2 ff.). Der Ansatz zielt jedoch nicht nur auf die Erfassung Frühe Konzeptionen aus der Industriegeographie physisch-materieller Güterströme, sondern auch betrachten den Wertschöpfungsprozess als Abfolge auf die Identifi zierung von Akteuren, die am Pro- von Verarbeitungsstufen, die durch Lieferverfl ech- duktionsprozess beteiligt sind, und deren Hand- tungen miteinander verbunden sind und durch die lungsspielräumen (vgl. Raikes et al. 2000, S. 406). jeweils gegebenen technischen Möglichkeiten de- Das Verständnis der Filière als System von Akteu- terminiert werden (vgl. Schamp 2000, S. 26). Dieser ren erlaubt den Zugriff auf Dominanz- und Abhän- statische, auf einfachen Input-Output-Beziehungen gigkeitsverhältnisse, die insbesondere an stra- basierende Ansatz der Produktionskette hat sich tegischen Knoten sichtbar werden. Strategische jedoch recht bald als unzureichend erwiesen, da er Knoten entstehen vor allem an den Schnittstellen keine Erklärungen insbesondere für „make or buy“- zwischen den einzelnen Segmenten, den Märkten, Entscheidungen liefert. Strategische Fragen, welche die zur Machtausübung geradezu prädestiniert sind Verarbeitungsschritte innerhalb oder außerhalb des (vgl. Lenz 1997, S. 27). Das Filière-Konzept liefert Unternehmens erfolgen sollen, bleiben demnach un- mit der Erfassung der zum Teil hochkomplexen Pro- berücksichtigt. Unter den Bedingungen einer globa- duktions-, Distributions- und Vermarktungsbezie- lisierten Ökonomie mit zunehmender Arbeitsteilung hungen eines Produktes oder einer Produktgruppe und Spezialisierung bedarf es allerdings Konzepten, ein realistischeres Abbild wirtschaftlicher Zusam- die z.B. Fragen des „global sourcing“ beantworten menhänge, als es früheren industriegeographischen können. Vor diesem Hintergrund verknüpfen weiter- Ansätzen gelungen ist. Auch erlaubt es Hypothesen führende Überlegungen die Vorstellung einer Wert- zu den Bedingungen der Segmentierung oder zum schöpfungskette mit gesellschaftlichen Entschei- räumlichen Kontext, in dem einzelne Produktions- dungen, Macht- und Verhandlungsprozessen sowie schritte angesiedelt sind. Allerdings bleibt das

41 Multiskalare Produktionsnetzwerke

Filière-Konzept ein lediglich beschreibendes Instru- structures of economic activities, with each link or ment, das in der empirischen Umsetzung an Grenzen element in the chain adding value to the process” stößt (vgl. Schamp 2000, S. 30 f.). (Henderson et al. 2002, S. 439). Der lineare Charak- ter und der ausschließliche Fokus auf Unterneh- Ein weiterer viel beachteter Ansatz zur Analyse von men im engeren Sinne limitieren jedoch den Erklä- Produktionszusammenhängen stammt von Porter rungsgehalt der Porter’schen Wertkette. Auf Basis (1985, 1991). In seinem betriebswirtschaftlichen dieser Kritik sind seit Beginn der 1990er Jahre wei- Konzept der Wertkette (Value Chain) gliedert er Un- terführende systemische Ansätze entstanden, die ternehmen in eine lineare Abfolge von Wertschöp- den Vernetzungsgedanken und den institutionellen fungsaktivitäten, die er wiederum in Primär- und Kontext stärker berücksichtigen. Stützungsaktivitäten unterteilt (vgl. Porter 1991, S. 63 ff.). Primäraktivtäten erzeugen materielle So macht Dicken (1992) einen Vorschlag, der das Werte, in dem sie sich auf die Erstellung der Leistung technisch determinierte Konzept der Produktions- und den Austausch mit dem Kunden beziehen, wäh- kette und den ökonomisch bestimmten Ansatz der rend Stützungsaktivitäten die Voraussetzungen für Wertkette zu integrieren versucht. Das als Basic die Durchführung der Primäraktivitäten schaffen Production Chain bezeichnete Modell ist in seinen (vgl. Abb. 7). Die Wertketten einzelner Unternehmen „Global Shift“-Editionen fest verankert und wird sind in ein übergreifendes Wertsystem eingebettet. darin laufend weiterentwickelt (vgl. Dicken 1998, Erlangt ein Unternehmen die Kontrolle über dieses 2003a, 2008). Unter Rückgriff auf regulationsthe- System, so kann es seine Wettbewerbsposition bis oretische Überlegungen würdigt er die Einbettung hin zur Monopolstellung ausbauen. von Produktionsketten in spezifi sche Kontrollme- chanismen und Finanzierungssysteme (vgl. Abb. 8). Die Stärke der Wertketten-Konzeption besteht Die Kontrolle von Produktionsketten liegt zum ei- darin, die verknüpfenden und wertsteigernden Ele- nen bei den involvierten Unternehmen und zum an- mente im Produktionsprozess aufzuzeigen und ein deren beim Nationalstaat, der als rahmensetzende Verständnis für die komplexen Zusammenhänge Instanz eine wichtige Rolle spielt (vgl. Dicken 1998, einzelbetrieblicher Aktivitäten zu erzeugen. „Like S. 7 ff.). Als Schlüsselakteure für die Steuerung von all uses of the chain metaphor its value lies in its Produktionsketten gelten jedoch die transnational emphasis on the sequential and interconnected operierenden Großunternehmen, deren Anzahl und

Abb. 7: Ansatz der Wertkette nach Porter

Unternehmensinfrastruktur

Personalwirtschaft

Technologieentwicklung

Beschaffung

Marketing Eingangs- Ausgangs- Kunden- Produktion & logistik logistik service Vertrieb

Primäraktivitäten

Quelle: Porter 1991, S. 62

42 Multiskalare Produktionsnetzwerke

Abb. 8: Modell der Basic Production Chain nach Dicken

FINANCIAL SYSTEM 

 Technology/Research and Development



Inputs Transformation Distribution Consumption

Transport and Communication Processes

REGULATION, COORDINATION, CONTROL

Quelle: Coe et al. 2007, S. 95; in Anlehnung an Dicken 1998, S. 6

Einfl uss im Zeitalter der Globalisierung beständig verbindet Aspekte der räumlichen Konzentrati- zunimmt. Darüber hinaus werden supranationale on von Industriezweigen mit den Besonderheiten Institutionen und Verbünde (z.B. EU, WTO, IWF) im- transnationaler Produktions- und Distributionsver- mer bedeutsamer, wenn es um die Regulation wirt- netzungen. Mit dieser Erweiterung im Vergleich zu schaftlicher Aktivitäten geht. So entsteht ein kom- den bereits vorgestellten Ansätzen zu Wertschöp- plexes Bild, „in which fi rms and states are engaged fungsketten bemüht sich der GCC-Zugang, der zu- in various kinds of power play; (…) a triangular nex- nehmenden Reichweite, Komplexität und Relatio- us of interactions comprising fi rm-fi rm, state-state nalität von Wertschöpfungsprozessen im Zuge der and fi rm-state relationships” (Dicken 1998, S. 10). Globalisierung Rechnung zu tragen. „A GCC consists Darüber hinaus ist die Rolle der Banken als Kapi- of sets of interorganisational networks clustered talgeber für Investitionen nicht zu unterschätzen. around one commodity or product, linking house- Durch die Vergabe oder Nichtvergabe von Krediten holds, enterprises, and states to one another within ist der Bankensektor ebenfalls in der Lage, eine the world economy“ (Gereffi et al. 1994, S. 2). Es Kontrollfunktion über das wirtschaftliche Gesche- werden demnach sämtliche Akteure mitsamt ihrem hen auszuüben. Das Konzept von Dicken rückt den Beziehungsgefüge erfasst, die an der Produktion institutionellen Kontext und den Faktor Macht so- und Distribution eines Wirtschaftsgutes beteiligt mit deutlich stärker in den Mittelpunkt als die zuvor sind. beschriebenen Ansätze. Die Analyse von Wertschöpfungsprozessen erfolgt 2.2.3 Global Commodity Chains (GCC) anhand verschiedener Kategorien, die auf zentrale und praxisrelevante Fragestellungen abzielen, wie Der GCC-Ansatz, der auf die Sozialwissenschaftler z.B. Organisationsstrukturen, Machtbeziehungen Gereffi/Korzeniewicz (1990, 1994) zurückgeht, oder Raummuster. Es handelt sich bei diesen Ka-

43 Multiskalare Produktionsnetzwerke

tegorien um die Input-Output-Struktur, die terri- gieintensive Branchen (z.B. Automobil-, Halbleiter-, toriale Ausprägung, die Governance-Struktur und Maschinenbau-, Chemieindustrie), wo relativ wenige den institutionellen Rahmen (vgl. Dannenberg Anbieter einer Vielzahl von Nachfragern gegenüber- 2012, S. 23; mit Verweis auf Gereffi 2001). Die stehen. Aufgrund von Qualitäts- und Markenvortei- Input-Output-Struktur und der territoriale Um- len, aber auch mangels Alternativen verfügen die fang beschreiben den Aufbau und die räumlichen Produzenten über eine starke Verhandlungsposition Strukturen der Produktionskette. Mit Hilfe dieser gegenüber Zulieferern und Abnehmern (vgl. Kul- Analyseeinheiten lassen sich z.B. Fragen der Mehr- ke 2007, S. 120). Käufergesteuerte Warenketten wertverteilung zwischen den einzelnen Segmenten treffen dagegen eher auf Massengütermärkte mit oder der Integration von Regionen in globale Wert- geringerer Technologieintensität zu (z.B. Lebens- schöpfungsprozesse beantworten. Auch können mittel, Bekleidung). Hier existieren zahlreiche An- Probleme erklärt werden, die mit der Überwindung bieter, die ähnliche Güter für wenige Großabnehmer größerer Distanzen zusammenhängen. Dies kann (z.B. Einzelhandelsunternehmen, Markenhersteller) z.B. Arbeitsschritte betreffen, die maßgeblich über erzeugen. Die Steuerungsmacht liegt hier auf der „face to face“-Kontakte oder „learning by interac- Seite der Nachfrager, die ihre Produktion oftmals ting“ funktionieren (vgl. Dannenberg 2012, S. 23). über Lizenzverträge oder Franchisesysteme koor- Ebenfalls von großer Bedeutung ist die Gover- dinieren und fortwährend an veränderte Kunden- nance-Struktur, die Auskunft über Steuerungsme- wünsche anpassen (vgl. Bathelt/Glückler 2012, S. chanismen und Machtbeziehungen innerhalb der 306). Einen Überblick über die Machtbeziehungen in Wertschöpfungsprozesse gibt. Gereffi (1994) un- produzenten- und käuferdominierten Warenketten terscheidet diesbezüglich produzenten- („produ- liefert Abbildung 9. cer driven“) und käufergesteuerte („buyer driven“) Warenketten (S. 98). Produzentengesteuerte Wa- Die Koordination globaler Warenketten hängt zu renketten sind typisch für kapital- und technolo- einem nicht unerheblichen Grad auch von den ins-

Abb. 9: Governance in globalen Warenketten

Produzentendominierte Commodity Chain

• Einzelhandelsunternehmen Produzent Großhandel • Handelsvermittler

in- und ausländische Zulieferer und Teilfertiger

Käuferdominierte Commodity Chain

Großhandel Markenartikelunternehmen

Produzent ausländische Einzelhandelsunternehmen Käufer

zentrale Kontrollfunktion Macht/Steuerung

Quelle: Kulke 2007, S. 120 (leicht verändert)

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titutionellen Rahmenbedingungen ab. Diese Ana- simultaneously illuminating how these discrete lo- lyseeinheit beschreibt die multiskalare Einbettung cations and activities are connected to each other von Produktions- und Wertschöpfungsprozessen as constituent links that collectively comprise the in politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche commodity chain” (Bair 2005, S. 159). Es ist daher Dynamiken. Internationale Richtlinien und Abkom- wenig überraschend, dass sich ein Großteil der bis- men, nationale Wirtschaftspolitiken oder lokale lang publizierten Fallstudien zum GCC-Ansatz auf Verfügbarkeiten von Produktionsfaktoren (z.B. Ar- die Produktion von Konsumgütern und die Wechsel- beitskräfte, Kapital, Rohstoffe) beeinfl ussen die wirkungen zwischen Entwicklungs- und Industrie- Konfi guration von Warenketten maßgeblich (vgl. ländern innerhalb der Warenkette konzentriert (vgl. Gereffi/Fernandez-Stark 2011, S. 11). Allerdings Bair/Dussels Peters 2006; Fold 2001; Gibbon wird dem institutionellen Rahmen im Zuge der GCC- 2002; Muradian/Pelupessy 2005). Konzeption bislang eher weniger Beachtung ge- schenkt (vgl. Dannenberg 2012, S. 25). 2.2.4 Global Value Chains (GVC)

Eine besondere Stärke des GCC-Ansatzes liegt in In einer Erweiterung des GCC-Ansatzes entwickeln der Fähigkeit, die wirtschaftlichen Vernetzungen Gereffi et al. (2005) eine stärker ausdifferenzier- von Produktionsstandorten vor dem Hintergrund te Typologie von Wertschöpfungsprozessen (vgl. der Globalisierung nachzeichnen zu können. „The Abb. 10). Unter der Bezeichnung der Global Value GCC method permits one to analyze globalization in Chains (GVC) identifi zieren sie fünf mögliche Steu- situ, directing our attention to the specifi c locations erungsformen, die sich im Grad der Machtasymme- where particular production processes occur, while trie unterscheiden: Markt, modulare Wertketten,

Abb. 10: Steuerungsformen globaler Wertschöpfungsketten

Markt modular relational gebunden Hierarchie

Endprodukt Kunden Integration Lead firm Lead firm

Systemlieferant

Preis Systemlieferant Systemlieferant

Komponenten- Komponenten- Abhängige Rohmaterial Zulieferer zulieferer zulieferer Zulieferer

Grad der Koordinierung gering hoch Grad der Machtasymmetrie

Austausch über Preise Macht durch Information und Kontrolle

Quelle: Gereffi et al. 2005, S. 89

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relationale Wertketten, gebundene Wertketten, minieren und diese leicht austauschen können. Die Hierarchie (vgl. Gereffi et al. 2005, S. 83 ff.). Die Marktmacht der „lead fi rms“ erlaubt es ihnen, die Steuerung einer globalen Wertschöpfungskette be- Produktions- und Lieferbedingungen z.B. durch die zieht sich auf den Prozess der arbeitsteiligen Kom- Vorgabe von Standards und Preisen zu diktieren. bination von Ressourcen, Arbeit und Technologien Ein prekäres Machtgleichgewicht herrscht dage- zur Herstellung, Vermarktung und zum Gebrauch gen in relationalen Wertschöpfungsketten, denen von Gütern (vgl. Bathelt/Glückler 2012, S. 306). eher „weiche“ Koordinationsmechanismen auf der Die Art der Koordination ergibt sich dabei in Abhän- Basis von Vertrauen zu Grunde liegen. Die Transak- gigkeit von der Komplexität des zu transferierenden tionspartner befi nden sich in wechselseitigen Ab- Wissens, der Kodifi zierbarkeit dieses Wissens und hängigkeitsverhältnissen. Oftmals stehen familiäre den Kompetenzen der Zulieferer (vgl. Gereffi et al. oder ethnische Verbindungen hinter den Wertschöp- 2005, S. 86). fungszusammenhängen, die trotz der vielfach pro- pagierten räumlichen Nähe auch größere Distanzen In marktbasierten Wertschöpfungsketten sind die umfassen können (vgl. Gereffi et al. 2005, S. 84). Produkte und Informationen wenig komplex und so- mit leicht kodifi zierbar. Transaktionen werden vor Im Lauf der Lebenszyklen von Produkten und Indus- allem über Preise und fl exible Bindungen zu relativ trien kann es zu Veränderungen der Governance- niedrigen Transaktionskosten geregelt (vgl. Bat- Formen innerhalb einer Wertschöpfungskette kom- helt/Glückler 2012, S. 307). Diese Form der Koor- men. So weisen Gereffi/Fernandez-Stark (2011) dination entspricht dem klassischen Außenhandel. darauf hin, dass Machtverschiebungen zwischen den Das Gegenteil dazu bilden hierarchische Wertschöp- Wertschöpfungsstufen möglich sind, die z.B. durch fungsketten. Hier sind die Produktanforderungen Aufwertungsprozesse („upgrading“) der Produzen- sehr komplex und nicht ohne weiteres kodifi zierbar, ten hervorgerufen werden (S. 10). Zudem belegen so dass sich nur sehr schwer adäquate Zulieferer Studien, dass manche Ketten derart komplexe Be- fi nden lassen. Die gesamte Wertschöpfung ver- ziehungsgefüge aufweisen, so dass eine klare Zu- bleibt somit in einem einzelnen Unternehmen („lead ordnung zu einem der fünf Typen nahezu unmöglich fi rm“), wobei die räumlich verteilten Produktions- ist (vgl. Dannenberg 2012, S. 30; mit Verweis auf und Vertriebsstandorte unternehmensintern koor- Dolan/Humphrey 2004). Neuere GVC-Untersu- diniert werden. chungen gehen zunehmend der Frage nach, wie sich die Implementierung von Standards, Normen und In modularen Wertschöpfungsketten verfügen gro- Zertifi zierungen auf die Akteure in der Wertschöp- ße Modulhersteller über das vollständige techni- fungskette auswirkt (vgl. Dannenberg/Nduru sche und kaufmännische Wissen für die Produktion 2012; ITC 2011; Lee et al. 2010; Ouma 2010; Ponte von konsumfertigen Massengütern (vgl. Schamp et al. 2011). Die Ergebnisse zeigen, dass Zertifi zie- 2008, S. 8). Die Produzenten besitzen aufgrund ih- rungen z.B. nach Global GAP zum Ausscheiden (klei- rer Kompetenzen eine gewisse Autonomie gegen- nerer) Produzenten aus der Kette führen, da diese über den Käuferunternehmen, mit denen sie eng oftmals nicht in der Lage sind, die entsprechenden zusammenarbeiten (z.B. in der Produktentwicklung) Kriterien zu erfüllen. Insgesamt erfolgen die Unter- und die sie zumeist im Rahmen von Lieferverträgen suchungen zu Governance- und Machtbeziehungen bedienen (vgl. Bathelt/Glückler 2012, S. 307). aus einer „top-down“-Perspektive heraus. Modulare Wertschöpfungsketten fi nden sich z.B. in der Elektronikindustrie mit den großen asiatischen Eine „bottom-up“-Perspektive nehmen dagegen Kontraktfertigern (z.B. Foxconn, Flextronics). Da- GVC-Studien ein, die sich mit den bereits erwähn- gegen zeichnen sich gebundene Wertschöpfungs- ten „upgrading“-Prozessen auseinandersetzen (vgl. ketten durch wenige Leitunternehmen aus, die Brach/Kappel 2009; Fernandez-Stark et al. 2011; zahlreiche kleinere Produzenten und Zulieferer do- Fold/Larsen 2011; Ivarsson/Alvstam 2009; Ka-

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wakami/Sturgeon 2011). „Upgrading“ bedeutet (vgl. Hess/Yeung 2006, S. 1196). Darüber hinaus in diesem Fall, dass Produzenten und Zulieferer, richtet sich die Kritik gegen den linearen Charakter aber auch ganze Regionen oder sogar Staaten, von des GVC-Ansatzes und dessen enge Fokussierung der Einbindung in globale Wertschöpfungsketten auf reine Unternehmensbeziehungen (vgl. Coe/ profi tieren und z.B. durch Wissenstransfer in der Hess 2011, S. 130). Allerdings halten Sturgeon Lage sind, höherwertige Leistungen zu erbringen. et al. (2008) dagegen, dass der GVC-Zugang sehr Humphrey/Schmitz (2002) unterscheiden diesbe- wohl netzwerkartige Beziehungen einschließt und züglich „process upgrading“, „product upgrading“, die vermeintlich lineare „Kette“ lediglich als Me- „functional upgrading“ und „intersectoral up- tapher zum besseren Verständnis von komplexen grading“ (S. 1020 f.). „Process upgrading“ bezieht Wertschöpfungszusammenhängen verwendet wird sich auf Effi zienzgewinne in der Produktion durch (S. 302). Auch wenn hinter der empirischen Anwen- verbesserte Technologien und Organisationsmodel- dung mitunter entwicklungspolitische Interessen zu le. Infolgedessen lassen sich oftmals höherwertige vermuten sind, so hat sich die GVC-Konzeption für Produkte herstellen, die steigende Durchschnitts- die Analyse von Machtasymmetrien und Koordina- erlöse versprechen („product upgrading“). „Func- tionsmechanismen in globalen Wertschöpfungspro- tional upgrading“ beschreibt die Aneignung bzw. zessen insgesamt bewährt. den Aufbau von Unternehmensfunktionen (z.B. F&E, Design, Marketing), die zur Erhöhung des unterneh- 2.2.5 Global Production Networks (GPN) merischen Kompetenzniveaus beitragen. Dagegen bezieht sich „intersectoral upgrading“ auf die Er- Einen umfangreicheren Zugang zur Analyse von schließung neuer Wertschöpfungsquellen durch Di- globalen Produktionsprozessen stellt der Ansatz versifi zierung des Produktportfolios. der Global Production Networks (GPN) dar, der zu Beginn dieses Jahrtausends von einer Arbeitsgrup- Allerdings konstatieren Braun/Schulz (2012) mit pe aus Manchester entwickelt wurde (vgl. Coe et al. Verweis auf empirische Studien, dass Produzen- 2004; Henderson et al. 2002). Der Produktionsbe- ten in Entwicklungsländern das für „upgrading“- griff ist hier nicht auf seine ursprüngliche Bedeu- Prozesse notwendige Know How ohne externe Un- tung beschränkt, sondern schließt auch die Bereiche terstützung nur schwer erwerben können (S. 214). Beschaffung, Forschung, Entwicklung, Distribution Eine solche externe Unterstützung kann z.B. durch und Konsum mit ein. Die Vertreter des GPN-Ansat- Leitunternehmen, staatliche Innovations- und Tech- zes analysieren ökonomisches Handeln aus einer nologiepolitik oder internationale Entwicklungs- explizit relationalen Perspektive und beleuchten die zusammenarbeit erfolgen. Auf der anderen Seite Netzwerkbeziehungen von Unternehmen über die üben die mächtigen „lead fi rms“ häufi g Gegendruck reinen Markttransaktionen hinaus, in dem sie auch aus (z.B. durch Preis- und Mengenvorgaben) und die Rolle von politischen und gesellschaftlichen erschweren dadurch die Aufwertung von Produzen- Akteuren berücksichtigen (vgl. Zademach 2009, ten und Zulieferern (vgl. Bathelt/Glückler 2012, S. 79 ff.). Vor diesem Hintergrund betrachten Hess/ S. 308). Zudem widmen sich jüngste GVC-Arbeiten Yeung (2006, S. 3) sowie Yeung (2005, S. 40 f.) die dem Phänomen des „social upgrading“, welches vor GPN-Heuristik als Beispiel für neuere wirtschafts- allem die Verbesserung von Arbeitsbedingungen in geographische Ansätze, die im Kontext der von Ba- Entwicklungsländern einschließt (vgl. Barrientos thelt/Glückler (2003) formulierten relationalen et al. 2010; Bernhardt/Milberg 2011). Wirtschaftsgeographie entstanden sind.

Der starke Analysefokus auf Governance und Coe et al. (2004) defi nieren GPN „as the globally or- „upgrading“-Prozesse hat zur Folge, dass andere ganized nexus of interconnected functions and op- Kategorien, wie z.B. Territorialität oder institutio- erations by fi rms and non-fi rm institutions through nelle Rahmenbedingungen, vernachlässigt werden which goods and services are produced and distri-

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buted. Such networks not only integrate fi rms (…) (2012) aus einer evolutionär-geographischen Pers- but also integrate regional and national economies pektive, in dem er sich darüber hinaus mit „recoup- in ways that have enormous implications for their ling“- und „decoupling“-Prozessen auseinandersetzt developmental outcomes” (S. 471). Es wird unter- und diese als Schlüsselmechanismen einer unglei- stellt, dass sich der gesellschaftspolitische Kontext chen sozioökonomischen Entwicklung identifi ziert. verschiedener räumlicher Maßstabsebenen (von lo- kal bis global) entscheidend auf das Verhalten der Um Fragen im Hinblick auf die Koordination der Akteure im Netzwerk auswirkt. Das grundlegende Produktionsnetzwerke zu beantworten, ist ein Ver- Ziel des GPN-Ansatzes besteht folglich darin, die ständnis der Machtbeziehungen zwischen den Ak- Organisation von Produktionsnetzwerken im Raum teuren von besonderer Bedeutung. Die Vertreter unter sich lokal und global wandelnden Rahmenbe- der „Manchester School“ unterscheiden diesbe- dingungen zu analysieren und Konsequenzen für die züglich Formen der Machtausübung durch Unter- ökonomische Entwicklung von Regionen, in welche nehmen („corporate power“), Institutionen („insti- diese Netzwerke eingebettet sind, zu ergründen tutional power“) sowie NGOs, Gewerkschaften und (vgl. Coe/Hess 2011, S. 130 f.). Für die Untersu- weitere zivilgesellschaftliche Akteure („collective chung dieser Fragestellungen haben die Mitglieder power“) (vgl. Henderson et al. 2002, S. 450 f.). Die der „Manchester School“ ein Analyseschema entwi- Verteilung von Macht in GPN hängt von der Ressour- ckelt, welches drei Kategorien beinhaltet: Mehrwert cenallokation durch die Netzwerkakteure ab und (Value), Macht (Power) und Einbettung (Embedded- gestaltet sich daher fast immer asymmetrisch. Es ness). wird konstatiert, dass die Fähigkeit der Machtaus- übung den entscheidenden Faktor für die Sicherung Nach Coe/Hess (2011) können globale Produkti- von Mehrwerten darstellt (vgl. Coe/Hess 2011, onsnetzwerke nur dann zu einer ökonomisch erfolg- S. 133). Vor diesem Hintergrund lassen sich GPN als reichen Regionalentwicklung beitragen, wenn die umkämpfte Organisationseinheiten beschreiben, entsprechenden Standortfaktoren mit den strate- „in which actors struggle over the construction of gischen Anforderungen der Netzwerk-Schlüsselak- economic relationships, governance structures, ins- teure (z.B. multinationale „lead fi rms“) kompatibel titutional rules, and discursive frames“ (Levy 2008, sind (S. 131). Ist diese Voraussetzung erfüllt, so wird S. 944). von „strategic coupling“ gesprochen. Der Prozess des „strategic coupling“ begünstigt die Schaffung, Die Kategorie der Embeddedness berücksichtigt Steigerung und Sicherung von Mehrwerten durch schließlich den Einfl uss der territorialen, organi- die im GPN involvierten Unternehmen, da diese nun sationalen und sozio-kulturellen Zusammenhänge wichtige Zugänge zu regional verankerten Ressour- auf die Produktionsnetzwerke (vgl. Henderson et cen erhalten (z.B. Wissen, Technologien, Fachkräf- al. 2002, S. 451 ff.; Zademach 2009, 80 f.). Damit te, Rohstoffe, Finanzen, Infrastrukturen, Marken).9 greift der GPN-Zugang einen wesentlichen Erklä- Die daraus resultierende Steigerung der unterneh- rungsansatz für die Entstehungs- und Erfolgsbe- merischen Wettbewerbsfähigkeit hat wiederum dingungen von Netzwerken auf (vgl. Embeddedness Rückkoppelungen und Multiplikatoreffekte zur Fol- nach Granovetter, Kap. 2.1.4). Neben den formel- ge, welche sich positiv auf die wirtschaftliche Ent- len politischen Rahmenbedingungen in den jeweili- wicklung der entsprechenden Regionen auswirken gen Nationalstaaten bzw. subnationalen Regionen (z.B. Arbeitsplätze, Kaufkraft, Steuereinnahmen, spielen auch informelle Arrangements zwischen den Zuliefernetzwerke, Infrastrukturausbau). Das Kon- Netzwerkpartnern, die auf Vertrauen und Reputati- zept des „strategic coupling“ erweitert MacKinnon on basieren, eine wichtige Rolle für das Funktionie- ren von GPN (vgl. Henderson et al. 2002, S. 453). 9 Eine Übersicht über Ressourcenzugänge und daraus ab- Auf diese Weise können die involvierten Akteure geleitete ökonomische Vorteile (Renten) fi ndet sich bei Kaplinsky (2005, S. 62 ff.). wiederum Mehrwerte kreieren, in dem sie über Be-

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ziehungen z.B. an neue Informationen gelangen. Je- verteilen, zu welchem Ausmaß einzelne Akteurs- doch können veränderte Rahmenbedingungen (z.B. gruppen in ein lokales Gefüge oder die Gesamt- und Steuererhöhungen, Handelsbarrieren, Umweltauf- Teilstruktur des Netzwerks eingebettet sind und lagen) auch Nachteile bewirken und zur Umstruk- welche Auswirkungen schließlich für wirtschaftli- turierung von Produktionskonfi gurationen führen che, soziale und regionale Entwicklungsprozesse zu (z.B. durch Standortschließungen/-verlagerungen). erwarten sind (vgl. Zademach 2009, S. 81 f.). Ent- Pike et al. (2000) sprechen in diesem Fall von einem sprechend bilden nicht lediglich eine Branche, ein „process of disembedding“ (S. 60 f.). Die einzelnen Unternehmen, eine Institution, die Nachfrageseite Analysekategorien und ihr Beziehungsgefüge sind oder eine Region den Ausgangspunkt der Unter- in der Abbildung 11 dargestellt. suchung, sondern stets auch die wechselseitigen Zusammenhänge und Interaktionsbeziehungen zwi- Die drei Kategorien fi nden ihren Niederschlag im schen diesen Einheiten (vgl. ebd., S. 82). Handeln von Unternehmen und Institutionen sowie in spezifi schen Strukturen (Branchen, Netzwerke), Ausgehend von den Arbeiten der „Manchester die den relationalen Charakter der GPN-Konzeption School“ um Henderson et al. (2002) nehmen die unterstreichen. So lässt sich ausgehend von den Publikationen zum GPN-Ansatz seit Beginn dieses Handlungs- und Interaktionsmustern analysieren, Jahrtausends in Anzahl und Komplexität zu, wobei wie sich ein Produktionsnetzwerk zusammensetzt sich insbesondere die Automobil- und Elektronik- und entwickelt, wie sich bestimmte Wertschöp- industrie als präferierte Fallbeispiele herauskris- fungsschritte und Machtverhältnisse in einem GPN tallisieren (vgl. Dicken 2003; Gangnes/van Assche

Abb. 11: Analyserahmen zur Untersuchung von Global Production Networks

Wertschöpfung / Mehrwert Schaf f ung, Anreicherung, Aneignung

Macht Einbet t ung - korporativ - territorial - kollektiv - organisat ional - institutionell - gesellschaftlich

Analysekategorien

 raumzeitliche Entwicklungsprozesse (multiskalar) Analysedimensionen

Branchen Netzwerke (sekt orspezif ische Technologien, Wertschöpfungs- und politische Netzwerke Produkte, Faktor-/ Absatzmärkte, etc.) (Zusammenset zung und Koordinat ion) 

Unt ernehmen Institutionen (Eigentums-/ Beteiligungsverhältnisse, (Regierungsorgane, quasi-staatliche Institutionen, Größe, Herkunft, Strategie, etc.) NGOs)

Quelle: Zademach 2009, S. 81; in Anlehnung an Henderson et al. 2002, S. 448

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2010; Hassler 2011; Isaksen/Kalsaas 2009; tions, relations which empower and disempower as Sturgeon et al. 2008; Yu 2009). In beiden Wirt- they bind people and places more tightly together” schaftszweigen ist die Produktion in ausgeprägter (Murdoch/Miele 1999, S. 467). Demzufolge wird Weise global organisiert, wobei die Hauptquartiere der Wertschöpfungsprozess in neueren Publikatio- der Fokalunternehmen zumeist in den traditionel- nen zum Agribusiness nicht mehr als Kette, sondern len Industrienationen lokalisiert sind. Demgegen- als Netzwerk betrachtet (vgl. Stringer/Le Heron über hat sich die räumliche Konfi guration der reinen 2008). Darüber hinaus kommt es durch moderne Produktionsprozesse insbesondere nach 1989/90 industrielle Verarbeitungsmethoden und unter fort- stark gewandelt. Seit Öffnung der ehemals kommu- schreitender Einbeziehung technologischer und wis- nistischen Warschauer Pakt-Staaten sind Direkt- senschaftlicher Erkenntnisse (z.B. Konservierung, investitionen in Regionen möglich, die erhebliches Kühlung, Lagerhaltung, Informationstransfer, Dis- Marktpotenzial bei verhältnismäßig niedrigen Pro- tribution) zu einer Verschiebung der Aufgabenberei- duktionskosten aufweisen. Dazu zählen insbeson- che und Wertschöpfungsanteile. Infolgedessen sind dere Ostasien und Osteuropa, die mittlerweile über beispielsweise Landwirte in vielen Bereichen nur eine Vielzahl von Produktionsstätten in der Auto- noch als Rohstofferzeuger tätig (vgl. Dannenberg mobil- und Elektronikindustrie verfügen. Aufgrund 2010, S. 80; mit Verweis auf Nuhn 1993), bei denen dieser neuen Dynamik klingt es wenig überraschend, lediglich ca. 8 % der Produktverkaufswerte als Net- dass sich zahlreiche GPN-Fallstudien mit der Inte- towertschöpfung verbleiben (vgl. Ermann 2005, gration ostasiatischer und osteuropäischer Staaten S. 32). Auch in räumlicher Perspektive kommt es zu bzw. Teilregionen in die Produktionsnetzwerke gro- einer Neuausrichtung der Agrar- und Ernährungs- ßer Automobil- und Elektronikkonzerne befassen wirtschaft. Kleinräumige Wirtschaftskreisläufe und die spezifi schen regionalökonomischen Konse- lösen sich auf, während sich die Beschaffungs- und quenzen beleuchten (vgl. Dicken 2011, S. 28 ff.). Absatzgebiete national wie auch international aus- dehnen. Auf dieser Grundlage identifi zieren Mor- 2.3 Agrifood Geographies gan et al. (2006) räumlich entkoppelte bzw. deter- ritorialisierende Entwicklungen, die in jüngster Zeit Die Agrar- und Ernährungswirtschaft befi ndet sich wiederum in Prozesse der Reterritorialisierung seit Jahren in einem Strukturwandel, der durch be- münden. triebsinterne wie -externe Organisationsinnovati- onen, sich verändernde Nachfragebedingungen und 2.3.1 Deterritorialisierung Formen der politischen Einfl ussnahme begünstigt wird. Regionale und sektorale Konzentration, Spe- Der Entwicklungspfad der deutschen und euro- zialisierung und Internationalisierung sind wichtige päischen Agrar- und Ernährungswirtschaft wurde Ausprägungen dieses Transformationsprozesses. nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst durch das Im Zuge einer zunehmenden Arbeitsteilung werden Ziel geprägt, die nationale Selbstversorgung durch immer mehr Funktionen aus der Landwirtschaft Produktionssteigerung zu sichern. Um dieses Ziel ausgelagert, so dass mittlerweile zahlreiche Ak- zu erreichen, wurden Rationalisierungsmaßnah- teure an der Produktion, Distribution und Vermark- men (z.B. Züchtung ertragreicherer Pfl anzen und tung eines Lebensmittelproduktes beteiligt sind. leistungsstärkerer Nutztiere) zur effi zienteren Le- Gleichzeitig sind diese Akteure stärker miteinander bensmittelproduktion entwickelt und sukzessive vernetzt, was sich in der Intensivierung vertikaler, durchgesetzt. Begleitet wurden diese Maßnahmen horizontaler und diagonaler Verfl echtungen und von einer protektionistischen Handelspolitik mit Rückkopplungen widerspiegelt. „The contempo- Importverboten und -zöllen sowie einer Preisstüt- rary food system is such a complex system, and it is zung von Agrargütern in Form von produktbezoge- bound together by cross-cutting affi liations, strong nen Subventionen weit über Weltmarktniveau (vgl. and loose connections, formal and informal rela- Hofreiter 1999, S. 29 f.).

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Diese dynamischen Entwicklungen haben dazu ge- Kulke 2010, S. 220). Mittlerweile sind die führen- führt, dass das angestrebte Ziel der Versorgungs- den Discounter Aldi und Lidl auch international aktiv sicherung in relativ kurzer Zeit erreicht wurde. Für und platzieren ihr preisaggressives Geschäftsmo- die erzielten Produktionsüberschüsse fanden sich dell in diversen Märkten mit gutem Erfolg. im Zuge der fortschreitenden Weltmarktintegrati- on neue Absatzmöglichkeiten, was wiederum eine Neben dem Wandel der Betriebsformen haben sich Neuordnung der räumlichen Produktionsorganisa- auch die zwischenbetrieblichen Organisations- tion zur Folge hatte. Infolge der begleitenden De- strukturen verändert. Die inhabergeführten Ein- regulierungs- und Liberalisierungsprozesse haben zelgeschäfte sind den heute dominierenden, auf sich multinationale Lebensmittelkonzerne gebildet, Filialsystemen basierenden Mehrbetriebsunterneh- die ihre (Marken-)Produkte im globalen Maßstab men gewichen. Insgesamt unterliegt der Lebens- produzieren und vermarkten. Durch Übernahmen, mitteleinzelhandel einem ausgesprochen starken Fusionen und strategische Allianzen haben sich Konzentrationsprozess, dessen Grad selbst in der komplexe Netzwerke entwickelt, die von ebendie- bereits hochkonzentrierten Lebensmittelprodukti- sen räumlich weitgehend entkoppelten Großkonzer- on nicht erreicht wird. So erzielen die fünf größten nen gesteuert werden. „Early work in the political Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland – Edeka, economy tradition tended to see agrifood following Rewe, die Schwarz-Gruppe, Metro und Aldi – einen its industrial counterparts down a path of globaliza- gemeinsamen Marktanteil von über 70 %. Im Sinne tion, as defi ned by the reconfi guration of markets, der Diskussion um Global Value Chains (GVC) und deterritorialized corporations, and new forms of Global Production Networks (GPN) ist davon auszu- transnational corporate and inter-fi rm organization gehen, dass die Marktmacht und folglich die Steu- through strategic alliances and networks” (Morgan erung der Wertschöpfungsprozesse in den Händen et al. 2006, S. 54). des Lebensmitteleinzelhandels liegt. Daher wird die Belieferung der entsprechenden Handelsketten für Im Zuge dieser Entwicklungen hat sich auch der Be- die Lebensmittelproduzenten zunehmend obligato- reich des Lebensmitteleinzelhandels grundlegend risch, zumal alternative Absatzmöglichkeiten kaum verändert. Als besonders auffällig kann hier das Ver- existieren. Insgesamt rückt das Thema Nachfrage- schwinden der kleinen Lebensmittelgeschäfte, den macht mehr und mehr in den Fokus wettbewerbspo- so genannten „Tante-Emma“-Läden, und der massi- litischer Diskussionen. Daneben scheint die Grenze ve Bedeutungsgewinn der großfl ächigen Super- und zwischen Produktion und Vermarktung gegenwärtig Verbrauchermärkte hervorgehoben werden. Mit die- zu verschwimmen, was sich in der zunehmenden Be- sem Wandel der Betriebsform kam es auch zu einer deutung von Eigenmarken der Handelsketten aus- Neuausrichtung der räumlichen Versorgungsstruk- drückt (vgl. Heinritz 2007, S. 700). turen. Das engmaschige, auf Wohngebiete fi xierte Standortnetz der „Tante-Emma“-Läden hat sich weit- Aufgrund der Gestaltung der Lebensmittelprodukti- gehend aufgelöst und wurde durch dezentrale Stand- on unter Globalisierungsbedingungen und der damit ortstrukturen eines zunehmend fi lialisierten, groß- zusammenhängenden Innovationen in Transport und fl ächigen Lebensmitteleinzelhandels ersetzt. Dieser Logistik besteht die Möglichkeit, nahezu alle Pro- räumliche Entwicklungsprozess wird auch als Sub- dukte saisonunabhängig und ganzjährig verfügbar urbanisierung des Einzelhandels bezeichnet (vgl. zu machen. Dies hat allerdings zu einer Vergröße- Kulke 2001). Ein insbesondere in Deutschland sehr rung der räumlichen und sozialen Distanz zwischen erfolgreiches Modell stellt der Typ des Discounters Produzenten und Konsumenten geführt. Gleichzeitig dar (z.B. Aldi, Lidl). Diesen kennzeichnet ein begrenz- verlieren traditionelle hauswirtschaftliche Zuberei- tes Sortiment (ca. 800 bis 2000 Artikel), niedrige tungs- und Konservierungsmethoden an Bedeutung, Preise und eine einfache Verkaufsraumgestaltung, auch weil die Haltbarkeit von Lebensmitteln auf in- so dass sich erhebliche Kostenvorteile ergeben (vgl. dustrieller Basis kontinuierlich erhöht werden konn-

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te (z.B. durch Konservierungsmittel, Bestrahlung). Mit dieser Argumentation widersprechen die Au- Zudem wandeln sich die Ernährungsgewohnheiten toren der These einer Deterritorialisierung, wie sie infolge höherer Erwerbstätigkeiten (insbesondere von Morgan et al. (2006) mit Blick auf die gegen- der Frauen) und veränderter Haushaltskonstellati- wärtigen Entwicklungen im Lebensmittelsektor onen (z.B. mehr Single-Haushalte) mit einem Trend zur Diskussion gestellt wird. Vielmehr wirken die zu Fertigprodukten und Außer-Haus-Verpfl egung. im Agrifood-Bereich tätigen Akteure durch ihre All diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass der Entscheidungen aktiv auf die multiskalaren Netz- Stellenwert von Lebensmittelproduktion und -kon- werkkonfi gurationen, welche sich durch komplexe sum in der Gesellschaft gesunken ist (vgl. Ermann und differenzierte Dynamiken auf der lokalen bzw. 2005, S. 33). Auch der zumindest für Deutschland regionalen Ebene auszeichnen. Eine räumliche Ent- angezeigte sehr geringe Anteil des Einkommens, kopplung ökonomischer Aktivitäten ist daher nicht der für Lebensmittel ausgegeben wird, untermauert zu konstatieren, zumal sich als Reaktion auf diese diese These. vermeintlichen Prozesse der Deterritorialisierung eine Gegenbewegung zu formieren scheint, die das Durch die globale Vernetzung der Agrar- und Er- Wissen über Produktherkunft und Regionalität nährungswirtschaft kommt es zu Interaktionen wieder stärker in den Fokus rückt und ein entspre- zwischen äußerst heterogenen Akteuren aus unter- chendes Umdenken in der Lebensmittelproduktion schiedlichen Weltregionen. Beispielsweise werden fordert. Diese Forderungen können den Ausgangs- europäische Supermarktketten von Bohnenzüch- punkt für eine Reterritorialisierung der Agrar- und tern aus Kenia (vgl. Dannenberg 2012), Kiwibauern Ernährungswirtschaft bilden. aus Neuseeland (vgl. Rosin et al. 2008) oder Gewürz- produzenten aus Indien (vgl. Hassler/Franz 2013) 2.3.2 Reterritorialisierung beliefert, wobei unterschiedliche und teils eng mit- einander verfl ochtene Intermediäre (z.B. Broker, Lo- Ungeachtet der beschriebenen Effi zienzvorteile gistikfi rmen, Ex-/Importeure, Großhändler) genutzt geht mit der Modernisierung, Intensivierung und werden. Zudem stehen die entsprechenden Netz- Spezialisierung der Lebensmittelproduktion eine werkkoordinaten in Abhängigkeit vom soziokultu- Reihe an Herausforderungen einher, die es zu be- rellen Kontext der Angebots- und der Nachfragesei- wältigen gilt. Mit Blick auf die Nachfrageseite kon- te sowie dem Machtgefüge im Netzwerkgefl echt. statiert Voth (2011), dass sich industriell erzeugte Mit Bezugnahme auf weitere Autoren haben Mur- Lebensmittel zu „Objekten ohne Ort und Geschich- doch/Miele (1999) bereits in den 1990er Jahren te“ entwickelt haben, die keinerlei Identifi kations- erkannt, dass die voranschreitende Globalisierung merkmale aufweisen (S. 20). Diese Anonymität kann des Agribusiness in dynamischer Wechselwirkung angesichts der sich wandelnden Lebensstile und mit den lokalen und regionalen Bedingungen der Ernährungsgewohnheiten große Probleme bereiten, Lebensmittelproduktion verläuft (S. 468): „How- sofern nicht alternative Modelle zur Befriedigung ever, while recent work on the globalization of food der zunehmend differenzierten Verbraucheransprü- has concerned itself with ‘emerging forms of corpo- che implementiert werden. rate organization and the concomitant reconfi gu- ration of international production’ (Watts/Good- Eine solche Gegenbewegung lässt sich seit einigen man 1997, S. 4), there has also arisen a recognition Jahren beobachten. Das Verlangen nach Sicherheit, that global processes are mediated and sometimes Transparenz und bestimmten Qualitätsmerkmalen refracted by regional and local specifi cities (vgl. der Lebensmittel hat zu einer Renaissance regio- Arce/Marsden 1993), with change at the regional naler Produktionszusammenhänge beigetragen, die and the local level ‘mediated by inherited structures, sich darüber hinaus durch umweltschonende und/ creating complex patterns, spatially and temporally oder landschaftserhaltende Produktionsverfahren differentiated’ (Watts/Goodman 1997, S. 10).” auszeichnen. Ermann (2005) ordnet diese Prozesse

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der Umorientierung in den konzeptionellen Rahmen S. 71; mit Verweis auf Renting et al. 2003). Die des Post-Produktivismus ein, welcher „auf ursprüng- Netzwerke zeichnen sich zudem dadurch aus, dass liche Nebeneffekte der Produktion ausgerichtet institutionelle Einrichtungen, wie z.B. Tourismusver- (ist), (…), denen ein kollektiver Wert zugesprochen bände oder Wirtschaftsförderungen, unterstützend wird“ (S. 36). Dahinter steht die Zielsetzung einer und begleitend mitwirken (z.B. in der Vermarktung), multifunktionalen Landbewirtschaftung im Lichte dass also eine enge Zusammenarbeit zwischen pri- der Nachhaltigkeitsdiskussion, wie sie seit Beginn vaten, öffentlichen und halböffentlichen Akteuren der 1990er Jahre geführt wird. Hierzu zählen unter stattfi ndet. anderem Prozesse der Nutzungsextensivierung, der Diversifi zierung von Einkommensquellen inner- und Diese auf Prozesse der Reterritorialisierung fußen- außerhalb der Landwirtschaft, eine neue Bewertung den Ökonomien zeigen gerade für ländliche Räume von Landschaftspfl ege und schließlich auch die einen alternativen Entwicklungspfad auf, in dem Konzentration einiger Betriebe auf die Erzeugung durch Netzwerkbildung endogene Potenziale und regionaler Qualitätsprodukte, die sich aus den Mas- Synergien aufgedeckt und nutzbar gemacht werden. senmärkten herausheben (vgl. Voth 2011, S. 20; mit „As actors in their own right, local economies offer Verweis auf Woods 2005, S. 54 ff.) their own brand or comparative advantages. Through network building, local human capital – knowledge, Mit der Fokussierung auf „das Regionale“ bzw. „das skills, creativity, commitment to community, and Lokale“ setzt dieses Modell auf die Vorteile der a shared vision of the present and future – can be räumlichen und sozialen Nähe zwischen Produzen- harnessed to build and cement mutually benefi cial ten und Konsumenten; es kommt zu einer Reterrito- relationships among suppliers, producers, and con- rialisierung oder auch Relokalisierung der Lebens- sumers” (Morgan et al. 2006, S. 76). Anhand die- mittelproduktion. Feagan (2007) führt dazu aus: ser Ausführungen wird deutlich, dass ökonomische „Given this dynamic, shortened food chains (SFCs) Entscheidungen und Handlungen stets mit sozialen analysis and advocacy is directly tied to respatial- Auswirkungen verbunden und in organisationale wie ization and localization, with Renting et al. (2003) auch territoriale Zusammenhänge eingebettet sind contending that shortening such food system chains (Embeddedness; vgl. Kap. 2.1.4). Denn die Imple- can alter positively the economic and social viability mentierung regionaler Qualitätsprodukte kann nur of regions. Their focus is on the kinds of relations- dann erfolgreich gelingen, wenn Produzenten und of-proximity shifts seen as consequent from ‘short- Verkäufer, aber auch Verbraucher sowie staatliche circuiting’ such lengthy industrial food chains” und intermediäre Organisationen an der Netzwerk- (S. 25). bildung um die Produkte mitsamt den jeweiligen Re- gionalitätskriterien mitwirken (vgl. Ermann 2005, Die Beziehungen und Interaktionen zwischen den S. 110). Akteuren basieren auf Gegenseitigkeit, Reputa- tion, Vertrauen und Transparenz, wobei „face to Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Kräf- face“-Kontakte eine wichtige Rolle spielen. Dadurch te der Homogenisierung und Standardisierung im bleiben die Transaktionskosten gering, während die globalisierten Agrifood-Bereich sowie die Hervor- Einkommen durch den Absatz der meist höherprei- hebung lokaler und regionaler Unterschiede nicht sigen Regionalprodukte gesteigert werden können. zwingend als gegensätzliche Trends, sondern auch Grundsätzlich zielt das Konzept auf eine symmetri- als komplementäre, nebeneinander ablaufende und schere Machtverteilung innerhalb der Wertschöp- sich wechselseitig beeinfl ussende Prozesse zu be- fungsprozesse. „The key objective for producers is greifen sind (vgl. Voth 2011, S. 21). Bezeichnend to regain power in the chain and to revalorize primary ist die Tatsache, dass regional und (vermeintlich) production against the ‘race to the bottom’ features nachhaltig produzierte Lebensmittel mittlerweile in of the conventional system” (Morgan et al. 2006, jedem Supermarkt angeboten werden, um die stei-

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gende Nachfrage fl ächendeckend zu bedienen. Inso- Ernährungswirtschaft wurde lange Zeit der Fili- fern sind Regionalität und Nachhaltigkeit keine dem ère-Ansatz (vgl. Kap. 2.2.2) herangezogen, um die Effi zienzprinzip entgegengesetzte Trends; jedoch komplexen Zuliefer- und Absatzbeziehungen für stehen sie exemplarisch für eine „andere“ Form des bestimmte Produkte oder Produktgruppen zu erfas- Wirtschaftens, die nur in Abgrenzung zur herrschen- sen (vgl. Nuhn 1993, S. 138). Aufgrund des lediglich den Produktionslogik zu verstehen ist. In der Abbil- beschreibenden Charakters des Filière-Konzeptes dung 12 werden die räumlichen Beziehungsmuster greifen Autoren mittlerweile allerdings auf neuere, von konventionellen und alternativen Agrifood-Sys- stärker analytisch ausgerichtete Zugänge zurück, temen gegenübergestellt. um transnationale Wertschöpfungsprozesse im Ag- ribusiness zu erklären. Hier hat sich insbesondere 2.3.3 Agrifood in der GVC-/GPN-Diskussion der GVC-Ansatz (vgl. Kap. 2.2.4) als Analyseinst- rument etabliert. Die zahlreichen in der jüngeren Als konzeptionelle Grundlage für die Untersuchung Vergangenheit veröffentlichten Fallstudien befas- von Wertschöpfungsprozessen in der Agrar- und sen sich in erster Linie mit der Bedeutung großer

Abb. 12: Delokalisierung vs. Relokalisierung in Agrifood Networks Type of spatial DELOCALIZATION RELOCALIZATION relationships Conventional agrifood Alternative agrifood

Producer Intensive production ‘lock-in’; Emphasis on ‘quality’; producers relations declining farm prices and bulk finding strategies to capture va- input suppliers to corporate lue-added; new producer asso- processors/retailers. ciations; new socio-technical spatial niches developing.

Consumer Absence of spatial reference of Variable consumer knowledge relations product; no encouragement to of place, production, product, understand food origin; space- and the spatial conditions of less products. production; from face-to-face to at-a-distance purchasing.

Processing Traceable but privately regula- Local/regional processing and and retailing ted systems of processing and retailing outlets; highly variable, retailing; standardized vs. spati- traceable, and transparent; spa- alized products. tially referenced and designed qualities.

Institutional Highly bureaucratized public Regional development and local frameworks and private regulation; hygienic authority facilitation in new net- model reinforcing standardiza- work and infrastructure build- tion; national CAP support (Pil- ing; local and regional CAP (Pil- lar I). lar II).

Associational Highly technocratic – at a dis- Relational, trust-based, local, frameworks tance – relationships; commer- and regionally grounded; net- cial/aspatial relationships; lack work rather than linear-based; of trust or local knowledge. competitive but sometimes collaborative.

Quelle: Morgan et al. 2006, S. 72

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Supermarktketten und deren Marktmacht (vgl. Do- am Beispiel der Kaffee-Produktion einen Zugang lan/Humphrey 2004; Gereffi/Christian 2010), entwickelt, der stärker die sozialen und politischen den Chancen und Risiken, die sich für Kleinbauern Kontexte berücksichtigt und hier insbesondere auf durch Inklusion in globale Produktionszusammen- die Interessenkonfl ikte und Machtspiele zwischen hänge ergeben (vgl. Challies/Murray 2011; Fold/ unterschiedlichen Akteuren eingeht. Erwähnens- Gough 2008; Lee et al. 2010) oder der Funktion und wert sind zudem die Studien der Globalizing Dairy Wirkung von Qualitätsstandards für die Organisati- Research Group (GDRG), die sich mit den transnati- on der (landwirtschaftlichen) Produktion (vgl. Bern- onalen Produktionsnetzwerken der Milchwirtschaft zen/Dannenberg 2012; Gibbon et al. 2010). Neuseelands unter besonderer Berücksichtigung der Fonterra Group befassen (vgl. Gray et al. 2007; Die noch recht wenigen Arbeiten zur Ernährungswirt- Stringer et al. 2008; Tamásy et al. 2008). schaft, die sich explizit auf den GPN-Ansatz stützen, analysieren zumeist die Bedeutung und Verteilung Darüber hinaus sind in jüngster Zeit einige umfang- von Macht im Produktionsnetzwerk. So identifi zie- reiche Sammelwerke erschienen, deren Beiträge ren Hendrickson et al. (2008) in ihrer Untersuchung sich mit aktuellen Entwicklungen in der Agrar- und insgesamt „eight nodes of power“, anhand derer sie Ernährungswirtschaft aus geographischer Pers- den Machtgewinn von Lebensmittelgroßkonzernen pektive befassen, ohne jedoch explizit Bezug auf im globalen Agribusiness nachweisen. Diese Argu- GVC-/GPN-Ansätze zu nehmen. Während Marsden/ mentation wird von Henderson (2005) unterstützt, Murdoch (2006) sowie McCullough et al. (2008) der am Beispiel der Weinproduktion in Südafrika umfassende Gesamtwerke zu Transformationspro- demonstriert, wie britische Supermärkte die Erzeu- zessen im globalen Agribusiness vorlegen, konzen- gerpreise drücken und auf diese Weise die Armut trieren sich die Beiträge in Maye et al. (2008) auf der Weinproduzenten vergrößern. Demgegenüber die Bedeutung von Regionalität, Nachhaltigkeit verdeutlichen Hassler/Franz (2008, 2013) anhand und Natürlichkeit für die Lebensmittelproduktion/- der südindischen Biopfefferproduktion, wie der be- konsumtion. Dagegen steht im Sammelband von wusste Machtverzicht von Schlüsselakteuren zu ei- Stringer/Le Heron (2008) die Frage im Fokus, wie ner „unbewussten Machtposition“ der Kleinbauern bestimmte Akteure und Produkte (vornehmlich aus führt, die aufgrund ihrer „Geschichte“ als indische Neuseeland) in globale Wertschöpfungsprozesse Ureinwohner eben nicht leicht austauschbar sind. und Netzwerkkonfi gurationen eingebunden sind. Eine weitere Studie stammt von Levy (2008), der

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3. Imaginative Geographien

3.1 Grundlagen und Entwicklungslinien ge Erscheinungsbild ihrer Stadt wahrnehmen. Das zentrale Konzept seiner Studie ist die „Lesbarkeit“, Als Fachdisziplin beschäftigt sich die Geographie also die Leichtigkeit, mit der ein Individuum die traditionell mit dem Verhältnis zwischen Gesell- verschiedenen visuellen Elemente der Stadtge- schaft und Raum, wobei der disziplinhistorische stalt zu einer zusammenhängenden, mentalen Re- Kontext seit dem späten 19. Jahrhundert zahlrei- präsentation verschmelzen kann (vgl. Weichhart che Paradigmenwechsel aufzeigt (vgl. Weichhart 2008, S. 196). Auch wenn die Arbeit methodische 2008). Trotz der neuartigen, oft kontrovers disku- Schwächen aufweist, so hat sie doch eine wichtige tierten Theorieansätze, die aus den einzelnen Ent- Debatte angestoßen und zahlreiche Autoren dazu wicklungslinien hervorgegangen sind, blieb „der animiert, weitere Untersuchungen zur Wahrneh- Anspruch auf die Objektivierung sowohl der Wis- mung und Interpretation von Stadtbildern durch- sensbestände als auch des Forschungsobjektes zuführen, die kurz darauf in verschiedenen Fach- Raum“ (Werlen 2004, S. 265) für lange Zeit unan- journalen erschienen sind (vgl. Appleyeard 1970; tastbar. Räume wurden demzufolge als objektiv ge- de Jonge 1962; Gulick 1963; Harrison/Howard gebene Ganzheiten aufgefasst. In den 1960er Jah- 1972; Horton/Reynolds 1971; Wohlwill 1966). ren kam es jedoch zu einem grundlegenden Wandel Darüber hinaus dienen die Ausführungen von Lynch dieser Raumvorstellung und der damit zusammen- als Ausgangspunkt für psychologische Erklärungs- hängenden Betrachtungsperspektive. Danach rückt ansätze zum räumlichen Verhalten, wie sie in den zunehmend der Mensch als Individuum mit seinen einfl ussreichen Forschungen zu „mental maps“ von subjektiven Raumwahrnehmungen und den daraus Bedeutung sind. Der Begriff „mental map“ wurde resultierenden raumbezogenen Verhaltensweisen erstmals von Gould (1966) thematisiert, bevor in in den Mittelpunkt (vgl. Werlen 2004, S. 266). Im den 1970er Jahren eine ganze Reihe von Publikati- Zuge dieser Neuausrichtung hat sich u.a. auch das onen zu dieser Thematik folgten (vgl. Downs/Stea Feld der imaginativen Geographien herauskristal- 1973; Gould 1972; Gould/White 1974; Haynes lisiert, welches für die vorliegende Arbeit relevant 1980; Pocock 1979; Tuan 1975; Tverski 1981). ist und im Folgenden unter Betrachtung der wichtig- Die Autoren stimmen darin überein, dass Menschen sten Entwicklungslinien behandelt wird. über ein Vorstellungsbild der Wirklichkeit verfügen, „das in hohem Maße subjektiv gefärbt ist und ein 3.1.1 Perzeptionsgeographie verzerrtes, schematisiertes, mit Zusätzen verse- henes und andererseits unvollständiges Abbild der Als erster Meilenstein für den beschriebenen Wan- Realität darstellt“ (Weichhart 2008, S. 174). Die- del innerhalb der Fachdisziplin gilt die Begründung ses Bild entsteht durch einen geistigen Prozess, der der Perzeptions- oder auch Wahrnehmungsgeo- das Sammeln, Ordnen, Speichern, Abrufen und Ver- graphie. Im Gegensatz zu früheren Paradigmen arbeiten von Informationen über die Umwelt ermög- geht es dabei nicht mehr um die Erfassung der licht und als „kognitive Kartierung“ bezeichnet wird vom Menschen als unabhängig existent angenom- (vgl. Downs/Stea 1982, S. 23). Das Produkt ist eine menen Realität, „sondern um die Reinterpretati- „kognitive Karte“, die sich auf einen bestimmten on der vom Menschen bereits vorinterpretierten Zweck bezieht und die Wirklichkeit so wiedergibt, Wirklichkeit(en)…“ (Blotevogel 2003, S. 12). Eine wie sie das jeweilige Subjekt einschätzt. Aufgrund Pionierleistung ist in diesem Zusammenhang dem von Informationsmangel, Fehleinschätzungen oder US-Stadtplaner Lynch (1960) gelungen, der in sei- Vorurteilen sind „mental maps“ in höchstem Maße ner Arbeit „The Image of the City“ untersucht hat, verzerrt und selektiv (vgl. Weichhart 2008, S. 176). wie die Bewohner von drei amerikanischen Städ- Ein weiteres Problem ergibt sich für die empirische ten (Boston, Los Angeles, Jersey City) das jeweili- Rekonstruktion in Form von Aufzeichnungen aus

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dem Gedächtnis heraus, da diese ein gewisses zeich- die wissenschaftliche Debatte insbesondere durch nerisches Talent der Probanden voraussetzen. die Arbeiten von Johnston (1971, 1972), Pocock (1972, 1976), Clark (1977) und wiederum Gould Untersuchungen zu „mental maps“ behandeln jedoch (1975, 1977) wichtige empirische Impulse erhalten. nicht nur die bloße Raumkenntnis, sondern auch die Bewertung von Räumen in Form von Images, Präfe- Eine schematische Darstellung der wahrnehmungs- renzen oder Bedeutungszuweisungen. Insbesondere und verhaltensrelevanten Prozesse liefert das Mo- im deutschsprachigen Raum gibt es diesbezüglich dell behavioristischer Sozialgeographie von Werlen einige beachtenswerte Studien. In einer frühen Ar- (vgl. Abb. 13). Im Gegensatz zu früheren vereinfa- beit analysiert Ruhl (1971) das Image der Stadt chenden Reiz-Reaktions-Modellen geht Werlen München als mögliches Motiv für die Wohnortwahl. stärker auf die kognitiven Zwischenprozesse unter Eine ähnliche Untersuchung hat Höllhuber (1975) Berücksichtigung der komplexen Filter- und Rück- für die Stadt Karlsruhe vorgelegt. Bedeutsam ist kopplungsmechanismen ein. Demnach werden Infor- auch die Studie von Hard/Scherr (1976), die sich mationen aus der räumlichen Umwelt gefi ltert und auf „mental maps“ am Beispiel eines 600 Einwoh- zu kognitiven Repräsentationen des Raumes („men- ner-Dorfes in Rheinland-Pfalz bezieht. Weitere Pub- tal maps“) verarbeitet. Diese Vorstellungsbilder likationen betrachten wahrnehmungsgeographische unterliegen erneut einem Filtermechanismus und Aspekte z.B. in Bezug auf Standortentscheidungen führen erst dann zu bestimmten Entscheidungen, von Bürobetrieben (vgl. Monheim 1972), Strategien die raumwirksames Verhalten zur Folge haben. Die der kommunalen Entwicklungsplanung (vgl. Zimmer- Bewertungs- und Entscheidungsprozesse werden mann 1975) oder soziale Problemlagen in Städten durch verschiedene Faktoren beeinfl usst, die von (vgl. Hard 1981). Im angelsächsischen Raum hat den jeweiligen Persönlichkeitsmerkmalen und dem

Abb.13: Verhaltensmodell behavioristischer Sozialgeographie

Reiz Kognitive ZwischenprozesseReaktion

 Persönlichkeits- sozial-kulturelle merkmale Faktoren

Lernen Wahrnehmungs- und verhaltensleitende Faktoren: - Motive - Bedürfnisse - Anspruchsniveau

Filter der Information Kognitive Verhaltens- („räumliche“ Informationsfilter Repräsentationen steuerung Verhalten Folgen Umweltt) des Raumes („Entschei- dungsfilter“)

Perzeptionsgeographie Untersuchungen zum Untersuchungen zur Bewertungsverhalten Standortwahl Quelle: Werlen 2004, S. 280

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sozio-kulturellen Umfeld abhängig sind. Zudem än- für die Vertreter der Radical Geography gilt der dern sich die Verhaltensweisen im Laufe eines Le- französische Philosoph Lefebvre (1974a, 1974b), bens infolge von individuellen Lerneffekten. der in seinen späteren Arbeiten den Zusammen- hang von Kapitalismus und Raum behandelt. Seine In den 1980er Jahren ist das Interesse an „mental kritischen, marxistisch informierten Thesen trans- maps“ allerdings deutlich gesunken, wie anhand feriert er in eine „allgemeine Theorie zum Verhältnis der wenigen neu erschienenen Publikationen ab- von Raum und Gesellschaft“ (Schmid 2005, S. 191) zulesen ist. Eine erwähnenswerte Ausnahme bildet mit der entscheidenden Botschaft, dass „Raum“ als die Arbeit von Weichhart (1987) zur Wohnsitzto- Produkt sozialer Praxis zu begreifen ist und nicht als pographie im Raum Salzburg. Erst in der zweiten außerhalb der Gesellschaft existente „Sache“ (vgl. Hälfte der 1990er Jahre hat die Anzahl an Publikati- Belina/Michel 2007, S. 17). Dem kapitalistischen onen sowohl in der angelsächsischen als auch in der System bescheinigt er die Eigenschaft der „Produk- deutschen Geographie wieder zugenommen, wobei tion und Reproduktion von geographisch ungleicher den Untersuchungen die unterschiedlichsten For- Entwicklung mittels der gleichzeitigen Tendenzen schungsgegenstände und Perspektiven zu Grunde zunehmender Homogenisierung, Fragmentierung liegen (vgl. Casey/Wright 2008; Fauconnier 1997; und Hierarchisierung“ (Soja 1989, S. 50; mit Ver- Hemmer/Hemmer 1998; Kitchin/Freundschuh weis auf Lefebvre 1974b). 2000; Portugali 1996; Scholz 2011). Die Gründe für diesen diskontinuierlichen Entwicklungsver- Mit dieser kapitalismuskritischen Argumentation lauf sind auf die zunehmende Kritik an den verhal- bereitet Lefebvre den Boden für weitere marxis- tenswissenschaftlichen Ansätzen zu Beginn der tisch informierte Ansätze in der Humangeographie. 1980er Jahre zurückzuführen. Die Argumentation Von grundlegender Bedeutung für den Werdegang richtete sich gegen die verhaltenswissenschaftli- der Radical Geography gelten die Arbeiten von Har- che Grundkonzeption, die den Menschen als mehr vey (1973, 1982, 1989, 2006, 2007, 2010), der mit oder weniger passiven Empfänger von Informati- seinem Werk eine über Jahrzehnte weiterentwickel- onen betrachtet und sein Verhalten somit auf me- te Theorie der Raumökonomie des Kapitalismus vor- chanistische Stimulus-Reaktion-Zusammenhänge legt (vgl. Belina 2011, S. 239). Sein Denken folgt reduziert (vgl. Scheiner 2000, S. 52; Weichhart zentral der ersten These zu Feuerbach, in der Marx 2008, S. 247). Dieses Defi zit ist mit der Begründung 1844 niederschrieb: „Der Hauptmangel alles bishe- der handlungsorientierten Sozialgeographie (vgl. rigen Materialismus (…) ist, dass der Gegenstand, Sedlacek 1982; Werlen 1987, 1995, 1997; Wirth die Wirklichkeit, Sinnlichkeit, nur unter der Form 1981) weitgehend überwunden, in dem ihre Vertre- des Objekts oder der Anschauung gefasst wird; ter das menschliche Tun explizit „als bewusste, vom nicht aber als menschliche sinnliche Tätigkeit, Pra- Subjekt autonom getragene Aktion, als zielgerich- xis; nicht subjektiv“ (Marx 1969, S. 5). Die Konzep- tetes, sinnbezogenes Agieren“ begreifen und kon- tualisierung von Raum ist demnach nicht nur auf die zeptionell weiterentwickeln (vgl. Weichhart 2008, wissenschaftliche Untersuchung sozialräumlicher S. 247). Phänomene fi xiert, sondern auf sämtliche raum- bezogene Praktiken, die stets in gesellschaftliche 3.1.2 Radical Geography Zusammenhänge integriert sind (vgl. Harvey 2007, S. 125). Ein Kontext, mit dem sich Harvey in Be- Parallel zu den subjektzentrierten wahrnehmungs- zug auf Raumrelevanz primär befasst hat, ist jener geographischen Ansätzen hat sich mit der marxis- der Kapitalzirkulation, die sich in räumlich unglei- tisch ausgerichteten Radical Geography eine Strö- cher Entwicklung niederschlägt und zudem „kein mung herauskristallisiert, die nicht den einzelnen Randphänomen des Funktionierens des Kapitalis- Menschen, sondern das gesellschaftliche System mus (ist), sondern fundamental für seine Reproduk- insgesamt thematisiert. Als wichtiger Bezugspunkt tion“ (Harvey 2010, S. 213).

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Als Ursache für die beschriebenen Entwicklungs- onen bestrebt sind, ihre Attraktivität zu steigern diskrepanzen zeichnen die im Kapitalismus not- und positive Images aufzubauen. Im Zuge dessen wendigerweise auftretenden Überakkumulations- werden Räume durch aktives Handeln produziert, krisen verantwortlich. Diese liegen vor, wenn es für die in der Konsequenz die Macht des Kapitals aus- überschüssiges Geldkapital zunehmend schwieri- drücken. Diese Raumproduktionen haben zweifellos ger wird, profi table Anlagen zu fi nden (vgl. Harvey manipulativen Charakter, in dem sie Bilder zeichnen, 2010, S. 26). Um solche Krisensituationen zu bewäl- Fassaden aufbauen, die von sozialen Problemen als tigen, spielen Raumproduktionen eine strategisch Folge kapitalistischer Akkumulation ablenken (z.B. wichtige Rolle, wie sich konkret am Beispiel des so Obdachlosigkeit; vgl. Mitchell 1997). genannten „spatial fi x“ demonstrieren lässt. Der Be- griff des „spatial fi x“ bezeichnet den Versuch, einer Ähnlich argumentiert Dematteis (2001), der im drohenden Kapitalentwertung durch Maßnahmen Zuge globaler Vernetzungen eine Tendenz zur Frag- der Expansion und Restrukturierung entgegenzu- mentierung von Territorien in funktionale Einheiten wirken, wobei vier räumliche Strategien potenziell erkennt (S. 115). Diese Sichtweise spiegelt sich in zum Einsatz kommen (vgl. Belina 2011, S. 243; mit der kapitalistischen Praxis wider, die bestimmte Verweis auf Harvey 1982, S. 432 ff.): die Erschlie- Territorien immer enger an das globale Machtnetz ßung neuer externer Märkte, also Export von Wa- bindet, während andere gleichzeitig marginalisiert renkapital; die Verlagerung der Produktion, das werden. Derartige Fragmentierungsprozesse sind heißt Export von produktivem Kapital; die Nutzung vor allem in den Metropolen des Südens zu beobach- kostengünstiger Arbeitskräfte, das heißt Lohnsen- ten, wo sich Wohlstandsinseln (Gated Communities) kung durch Vergrößerung der heimischen Reserve- und Elendsviertel (Slums) auf engem Raum heraus- armee oder Erschließung neuer Lohnarbeitskräfte kristallisiert haben. Sie werden als strukturelles Re- in anderen Weltgegenden; und schließlich der Ver- sultat gegenläufi ger Strategien kapitalistischer Ak- such, die Krise durch die Ausübung von Macht räum- kumulation aufgefasst. Einige Vertreter der Radical lich zu verlagern, also Export der Entwertung. Geography kritisieren, dass die mahnenden Hinwei- se auf die vom Kapitalismus hervorgebrachten Un- Jede dieser Strategien hat bestimmte Raumproduk- gleichheiten (z.B. Bettler, Obdachlose) zunehmend tionen zur Folge, die im Dienste der Kapitalakku- aus zentralen Räumen der Städte verdrängt werden, mulation gezielt eingesetzt werden. So führen bei- um an deren Randlagen ein verborgenes Dasein zu spielsweise Investitionen in Produktionskapazitäten fristen. Katz (2001a) bezeichnet diese marginali- zur Konstitution regionaler Räume, innerhalb derer sierten Ränder der Stadt als „hidden city of social Kapital zirkuliert. Durch derartige Produktions- reproduction“ (S. 107). verlagerungen entsteht also eine gebaute Umwelt, die Harvey (1982) als „riesiges, von Menschen ge- Bereits in den 1990er Jahren wurde kritisiert, dass machtes Ressourcensystem“ defi niert, welches Ge- die raumwirksamen Effekte von Arbeitern und ihren brauchswerte zur Produktion, Zirkulation und Kon- Kämpfen um bessere Arbeitsbedingungen innerhalb sumtion beinhaltet (Harvey 1982, S. 233). Somit der marxistischen Geographie zu wenig Beachtung lässt sich auch das Phänomen der Globalisierung fi ndet (vgl. Smith 2001, S. 15 f.). Stattdessen, so die als fortlaufende Produktion und Reproduktion von Kritik, würden sich marxistische Geographen zu sehr gewissen Arten von Räumen betrachten, wobei die mit der Bedeutung des Kapitals für die Erklärung nationalstaatlich orientierten Schranken durch die raumrelevanter ökonomischer Prozesse befassen. Schaffung eines Weltmarktes für Waren und Ar- Dieses Defi zit versucht Herod (1997) zu beheben, in beitskräfte an Bedeutung verlieren (vgl. Mitchell dem er der Frage nachgeht, wie Arbeiter/innen und 1997, S. 304; Belina 2011, S. 247). Die weltweite ihre Organisationen darum kämpfen, eigene räum- Vernetzung impliziert die Öffnung von „geschlos- liche Strategien – im Sinne der bereits erwähnten senen“ Räumen, die im Wettbewerb um Investiti- „spatial fi xes“ – durchzusetzen und dadurch die Geo-

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graphie des Kapitalismus zu formen. Beispielsweise der Radical Geography dazu beigetragen, dass kri- zeigt die Untersuchung, wie US-amerikanische Ha- tische Ansätze und Positionen in der Humangeogra- fenarbeiter im organisierten Kampf, u.a. mit Hilfe von phie spätestens seit den 1980er Jahren einen fes- Streiks, eine Verlagerung von Arbeitsplätzen in Off- ten Platz für sich beanspruchen. Pier-Lagerhäuser im Hinterland verhindern konn- ten. Die Produktion ökonomischer Geographien ins- 3.1.3 Critical Geopolitics besondere durch organisierte Arbeitskämpfe steht im Fokus weiterer Untersuchungen, die im Zuge der Die Bedeutung kritisch-gesellschaftlich argumen- Kritik an der Kapitalzentrierung marxistisch-geo- tierender Ansätze hat mit der Konstituierung der graphischer Arbeiten entstanden sind (vgl. Jepson Critical Geopolitics eine neue Qualität erhalten. 2005, Johns 1998, Mitchell 1996, Tonkin 2000). Diese Denkschule, die auf postkoloniale Thesen Be- zug nimmt, geht in erster Linie auf Dalby (1991), Ò Mittlerweile ist die Bandbreite an Forschungsge- Tuathail (1996) und Gregory (1994, 1998) zurück, genständen, die unter dem Deckmantel der Radical hat aber auch im deutschsprachigen Raum besonde- Geography behandelt werden, ausgesprochen he- re Aufmerksamkeit erlangt (vgl. Lossau 2000, 2002; terogen und nur noch schwer durchschaubar. Dabei Müller/Reuber 2008). Im Zuge der Debatten um fällt auf, dass sich die inhaltlichen Schwerpunkte Gesellschaft, Macht und Raum bemüht sich die post- neuerer Publikationen sehr stark am Zeitgeist und kolonialistische Grundperspektive um die Überwin- aktuellen gesellschaftlichen Debatten orientieren. dung von Denkschemata, Wissenskategorien und Folgende Themen fi nden derzeit besondere Be- (Selbst-)Repräsentationen, die durch koloniale achtung in kritischen raumtheoretischen Arbeiten: Herrschaftsbeziehungen geprägt sind (vgl. Castro Gender (vgl. Bondi 1998; Katz 2001b; McDowell Varela et al. 2009, S. 308). Es geht darum, die (kon- 2006; Oswin 2008), ökonomische Krisen (vgl. Beli- struierte) Verknüpfung sozialer Differenzierungen na 2011; Harvey 2011; Jessop 2008; Peet 2011), (z.B. Kultur, Religion, Hautfarbe) mit räumlichen Re- politischer Aktivismus und soziale Bewegungen präsentationen (z.B. Okzident, Orient, Länder des (vgl. Dolhinow 2005; Ferrell 2012; Swyngedouw Nordens, Länder des Südens) zu dekonstruieren und 1999), Gentrifi zierung (vgl. Holm 2010; Mitchell auf diese Weise „sowohl geopolitische Machtver- 2003; Smith 2002) sowie Sicherheit im öffentlichen hältnisse als auch den impliziten Eurozentrismus Raum (vgl. Belina 2006; Mitchell/Heynen 2009; sozialwissenschaftlicher Wissensproduktion aufzu- Paddison/Sharp 2007; Springer 2011). Insgesamt decken“ (ebd., S. 309). In der postkolonialen Theorie konzentrieren sich die marxistischen Theoriediskus- lassen sich soziale Wirklichkeiten somit als kon- sionen in der Humangeographie sehr stark auf den tingente, machtvolle, gesellschaftlich produzierte angelsächsischen Raum, während sie in Deutsch- Konstruktionen verstehen (vgl. Husseini de Araújo land marginal geblieben sind (vgl. Belina/Michel 2011, S. 27). 2007, S. 7). Jedoch existiert seit einigen Jahren eine Arbeitsgruppe an der Universität Frankfurt unter Die Vertreter der Critical Geopolitics begreifen geo- Leitung von Bernd Belina, die in ihrer Forschungs- politisches Denken als diskursive Praxis, mit deren tätigkeit nach Regelmäßigkeiten und Strukturen Hilfe die Struktur der internationalen Politik erst gesellschaftlich relevanter Raumproduktionen produziert und der „eigene“ Raum vom „anderen“ sucht, um einen Beitrag zur Behebung der genann- abgegrenzt wird (vgl. Lossau 2000, S. 157). Dabei ten Forschungsdefi zite zu leisten.10 Mit ihren gesell- eröffnet der konstruktivistische, relationale Blick schaftstheoretischen Arbeiten haben die Vertreter die Möglichkeit, räumliche Strukturen als Ausdruck sozialen und politischen Handelns zu verstehen, so 10 Arbeitsgruppe Kritische Geographie, Institut für Hu- dass es gelingt, „den machtvollen Charakter der mangeographie, Universität Frankfurt; vgl. http://www. geo.uni-frankfurt.de/ifh/Personen/belina/index.html räumlichen Repräsentation gesellschaftlicher Dif- (01.11.2012) ferenzierungen im Kontext politischer Krisen und

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Konfl ikte herauszuarbeiten“ (Reuber 2012, S. 164). ein problembehaftetes räumliches Image erzeugen. Solche räumlichen Ordnungsvorstellungen können Solche Zuschreibungen entstehen durch das Kon- das Denken und Handeln politischer Entscheidungs- struieren des „Anderen“ bzw. „Fremden“ und sugge- träger ebenso beeinfl ussen wie das Meinungsbild rieren die Überlegenheit der eigenen (westlichen) in der Bevölkerung zu internationalen Politiken und Kultur, woraus sich hegemoniale Machtansprüche Konfl ikten. Dementsprechend werden die schein- ableiten ließen (Said 1994, S. 5). Mit Bezugnahme bar natürlichen geographischen Wirklichkeiten als auf Said unternimmt Husseini de Araújo einen De- „fi ktionale, (re-)produzierte oder imaginative Geo- fi nitionsversuch: „Imaginative Geographien sind als graphien“ bezeichnet (vgl. Lossau 2001, S. 61). Die vermeintlich reale Räume zu verstehen, als soziale geopolitische Einteilung der Welt aus Sicht des Pen- Wirklichkeiten, die Ausdruck gesellschaftlichen tagons stellt in diesem Kontext ein illustratives Bei- Denkens, Sprechens und Handelns sind und diese spiel dar (vgl. Abb. 14). wiederum strukturieren, anleiten und legitimieren. (…). Im Vordergrund steht das gesellschaftliche Der Begriff der imaginativen Geographien geht Schaffen und die dem zugrunde liegenden, kollek- auf den US-Literaturtheoretiker Said (1978) zu- tiv geteilten Denkstrukturen“ (Husseini de Araújo rück, dessen viel zitiertes Werk „Orientalism“ als 2011, S. 27). Ausgangspunkt einer kritischen geopolitischen Denkrichtung gilt. Unter Bezugnahme auf die Zahlreiche Geographen haben sich später mit den Foucault’schen Diskurstheorien versucht er zu Thesen von Said auseinandergesetzt und darauf beweisen, dass die abendländische Welt seit jeher aufbauend eigene Werke verfasst (vgl. Driver dazu tendiert, den Orient als statisches und falsch 1992; Gregory 1994, 1995, 2004; Gregory/Urry interpretiertes Konstrukt darzustellen. So würden 1985; Harvey 1990; Valentine 1999). Ein beson- westliche Betrachter dem Orient häufi g negative ders wichtiger und häufi g zitierter Beitrag stammt Attribute, wie z.B. „unterentwickelt“ oder „rück- von Gregory (1994), der den Terminus der Geogra- wärtsgewandt“, zuschreiben und auf diese Weise phical Imaginations in die wissenschaftliche Debat-

Abb. 14: Weltkarte des Pentagon

 Quelle: Reuber/Wolkersdorfer 2004, S. 18; in Anlehnung an Barnett 2003, S. 558

61 Imaginative Geographien

te einführt. Als Ausgangspunkt seiner Forschung „Eigene“ vom „Anderen“ abgegrenzt wird. Daneben steht die Frage, wie geographisches Wissen in den spielt auch die Suche nach den Akteuren, die solche eurozentristischen Denkstrukturen der Moderne Repräsentationen hervorbringen, eine wichtige Rol- eine diskursive Vorstellungswelt erzeugt hat, die le. Über das größte Machtpotenzial verfügen nach als Grundlage des europäischen Kolonialismus fun- herrschender Meinung die so genannten „intellec- gierte und Europa die Aneignung des „Anderen“ er- tuals of statecraft“ (Ò Tuathail 1996, S. 61), die als laubte (vgl. Husseini de Araujo 2011, S. 64). Diese Politikberater und Ideengeber aktiv an der Konst- Vorstellungswelt basiert auf Raumkonstruktionen, ruktion geopolitischer Leitbilder mitwirken und die- die typische Weltordnungskategorien, wie z.B. Eth- se zur Richtschnur für die Außen- und Sicherheits- nizität, Zivilisation oder Kultur, mit unterschied- politik des jeweiligen Landes überhöhen. Darüber lichen Entwicklungsstufen verknüpfen. Die darin hinaus wird auch den Medien eine wichtige Rolle für enthaltenen Auf- und Abwertungen schaffen aus die Verbreitung und Verfestigung geopolitischer eurozentristischer Perspektive ein Überlegenheits- Leitbilder zugeschrieben: „Geopolitics is thus not verhältnis, welches als Rechtfertigung kolonialer a centered but a decentered set of practices with Unterwerfungs- und Ausbeutungspraktiken dient elitist and popular forms and expressions. (…) dis- (vgl. Wolkersdorfer 2001, S. 57 ff.). tinguishing the practical geopolitics (…) from the formal geopolitics (…), and the popular geopolitics Vor diesem Hintergrund würdigt Gregory (1995) that is found within the artifacts of transnational die Leistungsfähigkeit der imaginativen Geographi- popular culture, whether they be mass-market mag- en als Analysewerkzeug: „Imaginative geographies azines, novels or movies“ (Ò Tuathail/Dalby 1998, cannot be understood as the free and fully coherent S. 4). projections of all-knowing subjects. It is necessary to fi nd ways to interrogate the unconscious and to Nach den ersten Veröffentlichungen zu Beginn der explore the multiple spatialities inscribed within 1990er Jahre (vgl. Dalby 1991; Dodds/Sidaway the geographical imaginary; these inclusions cre- 1994) hat sich das Feld der Critical Geopolitics mitt- ate analytical openings for the contradictions that lerweile sowohl thematisch als auch konzeptionell are contained within (often contained by) dominant sehr weit ausdifferenziert, wobei die wissenschaft- constellations of power, knowledge and geography” liche Debatte insbesondere durch die Terroran- (S. 475). Mit Hilfe von imaginativen Geographien schläge in New York („09/11“) und den nachfolgen- lassen sich also Fragen von Hegemonie und Macht den „War on Terrorism“ neue Impulse erhalten hat räumlicher Repräsentationen und deren Bedeutung (vgl. Dalby 2004; Reuber/Strüver 2011). Fortan für politische Praktiken erörtern. Manche Repräsen- war die geopolitische Rhetorik (aus westlicher bzw. tationen entfalten durch permanente Wiederholun- US-amerikanischer Perspektive) durch konstru- gen im Zeitverlauf eine derartige Deutungshoheit, ierte Metaphern, wie z.B. „Schurkenstaaten“ oder dass sie als geopolitische Leitbilder „quasi-objekti- „Achse des Bösen“, geprägt. Die vielleicht wichtigs- ven“ Charakter erhalten (vgl. Reuber 2012, S.172) te Arbeit stammt jedoch von Ò Tuathail (1996), der und gezielt für geopolitische Zwecke genutzt wer- in „Critical Geopolitics“ die Konstruktionsprinzipien den (vgl. Gregory 2004). Prägende Beispiele für von Geopolitiken aus unterschiedlichen Epochen an- solche Leitbilder sind der „Ost-West-Konfl ikt“, der hand der Beispiele des British Empire, des Dritten „Kampf der Kulturen“ (Huntington) oder die „New Reiches und des Bosnien-Konfl iktes offenlegt. Der World Order“ (Bush). kurz darauf aufgelegte Sammelband „Rethinking Geopolitics“ (Ò Tuathail/Dalby 1998; u.a. mit Bei- Die Vertreter der Critical Geopolitics interessie- trägen von Dodds, Häkli, Routledge und Sidaway) ren sich besonders für die Art und Weise, wie diese stellt einen weiteren Meilenstein in der Critical Geo- räumlichen Ordnungsmuster entstehen und funk- plitics-Diskussion dar. Die Autoren analysieren dar- tionieren, wie über raumbezogene Diskurse das in geopolitische Leitbilder und gewaltsame Konfl ik-

62 Imaginative Geographien

te sowohl in zeitgenössischer als auch historischer diskussionen in der Neuen Kulturgeographie, die seit Perspektive. der Jahrtausendwende eine stetig wachsende An- hängerschaft verzeichnen kann. Diese stützt sich auf Nach der Jahrtausendwende wurden die Ansät- die Annahme, „dass in der gegenwärtigen postmo- ze der Critical Geopolitics zunehmend auch in der dernen Gesellschaft die Kultur als soziales und po- deutschsprachigen Geographie rezipiert. Einen litisches Differenzierungsprinzip mehr und mehr an Ausgangspunkt bildet die viel beachtete Disserta- Bedeutung gewinnt“ (Seebacher 2012, S. 115), zu- tion von Lossau (2002), die eine „andere Geogra- mal sich traditionelle Kategorien der Abgrenzung, phie“ proklamiert und anhand von Überlegungen zur wie z.B. Klasse, Schicht oder Milieu, im Wandel oder deutschen Türkei-Politik der 1990er Jahre ausführt. sogar in Aufl ösung befi nden. Die Bedeutungsver- Diese Politik geht mit einer Verortungs-Praxis ein- schiebung hin zur Kultur ist insbesondere als Produkt her, so Lossaus These, die sowohl die Türkei als auch des so genannten „cultural turn“ zu sehen. Dieser be- die in Deutschland lebenden Türkinnen und Türken zeichnet einen Prozess der Neubestimmung von For- als „fremd“ repräsentiert. Auch auf konzeptioneller schungsfragen und -methoden, der seit den 1970er Ebene haben die Critical Geopolitics wichtige Im- Jahren in den meisten Geistes- und Sozialwissen- pulse, aber auch kritische Anmerkungen erhalten, schaften stattgefunden hat und weiterhin stattfi n- die angesichts der Heterogenität des Ansatzes ins- det. Dieser Prozess lässt sich durch folgende Phä- besondere auf theoretische Inkonsistenzen und Pa- nomene charakterisieren (vgl. Blotevogel 2003, radoxien rekurrieren (vgl. Reuber 2012, S. 169; mit S. 9): die explizite Einbeziehung kultureller For- Verweis auf Müller/Reuber 2008 sowie Redepen- schungsgegenstände, die Berücksichtigung kultu- ning 2006, S. 76 ff.). reller Einfl üsse auf Gesellschaft und Wirtschaft, die Verwendung qualitativer bzw. interpretativer Metho- Eine Zusammenstellung der wesentlichen aktuellen den, die Akzentuierung des Idiographischen, die Ab- Forschungsarbeiten im deutschsprachigen Raum lehnung strukturalistischer Erklärungsansätze und/ enthält der Sammelband „Die Politik räumlicher Re- oder die Skepsis gegenüber dem szientifi schen Wis- präsentationen“ (herausgegeben von Dzudzek et al. senschaftsmodell. Mit dieser Wende ist also nicht 2011). Erwähnenswert ist darüber hinaus die Dis- nur eine inhaltliche Neuausrichtung und Erweite- sertation von Husseini de Araújo (2011), in der die rung geographischer Forschungstätigkeit erfolgt, Autorin untersucht, wie imaginative Geographien sondern auch eine verstärkte Hinwendung zu quali- von Europa in arabischen Printmedien diskursiv (re-) tativen gegenüber quantitativen Erhebungsmetho- produziert werden, wobei das geopolitische Leitbild den. vom „Kampf der Kulturen“ den Ausgangspunkt der empirischen Arbeit bildet. Insgesamt befi ndet sich Insgesamt zeichnet sich die Neue Kulturgeographie die Critical Geopolitics-Debatte noch in einem frü- durch eine große Heterogenität an Forschungsthe- hen Stadium, so dass die Suche nach Regelhaftig- men unter Einbezug teils „chaotischer“ Alltagsrea- keiten in der Konstruktion geopolitischer Ordnungs- litäten aus, ebenso wie durch einen Forschungsstil, muster insbesondere vor dem Hintergrund aktueller der die Welt konstruktivistisch und relational liest weltpolitischer Umwälzungen (z.B. Schuldenkrise in sowie gesellschaftskritische und diskurstheore- Europa, „Arabischer Frühling“, Russland-Ukraine- tische Perspektiven einnimmt (vgl. Berndt/Pütz Konfl ikt, Aufstieg der Schwellenländer) weiteren 2007, S. 18; Fleischmann 2008, S. 98). Eine zentra- Forschungsbedarf impliziert. le Rolle spielen Repräsentationssysteme, die Räu- me in einem stetigen Prozess von Produktion und 3.1.4 Neue Kulturgeographie Reproduktion mit Bedeutungen versehen bzw. diese verändern (vgl. Fleischmann 2008, S. 87; Jones/ Die im vorherigen Kapitel skizzierten konstruktivis- /Natter 1999, S. 243). Teil solcher Repräsentations- tischen Überlegungen bestimmen auch die Theorie- systeme sind Vorstellungen, Bilder, Assoziatio-

63 Imaginative Geographien

nen oder auch Stereotype, die wesentlich für die genen Kategorien („hier“ und „dort“) mit sozialen Dif- Konstitution der je eigenen Identität und auch für ferenzierungen („eigen“ und „fremd“) aus. Darin sind Bedeutungen und Konstruktionen von Räumen ver- oftmals (latente) Wertungsmaßstäbe enthalten, die antwortlich sind. Dadurch gewinnen konstruktivisti- zur Konstruktion sozialer Ordnungen beitragen (vgl. sche und diskursorientierte Ansätze an Bedeutung; Glasze/Pütz 2007, S. 2). Auch Orts- und Regionsbe- es entwickelt sich eine Geographie, die sich von den zeichnungen (z.B. „Orient“, „Plattenbausiedlung“ oder vermeintlichen Realräumen und ihrer „geographi- „Agrarintensivgebiet“) liegt diese Logik zu Grunde, schen Substanz“ löst und sich den raumbezogenen so dass sich langfristig räumliche Images verfesti- Konstruktionen unserer Welt – der „Welt in den gen können. Werlen (2010) spricht diesbezüglich Köpfen“ – sowie den daraus resultierenden Folgen von der Konstruktion symbolischer Regionalisierun- für Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zuwendet gen, die als Ergebnis von emotional sinnhaften Auf- (vgl. Gebhardt et al. 2004, S. 295). ladungen räumlicher Gegebenheiten zu betrachten sind (S. 282). Einen Entwurf zur graphischen Dar- Für die Entstehung der besagten „Welt in den Köp- stellung gesellschaftlicher Konstruktionsprozesse fen“ sind Sprache und Zeichen von entscheidender von Raum und Räumlichkeit hat Seebacher (2012) Bedeutung. Erst durch gesellschaftliche Kommuni- erarbeitet (vgl. Abb. 15). Darin verknüpft er die als kation werden die Elemente der physisch-materiel- wesentlich erachteten Analysekategorien des Ak- len Welt mit Bedeutung(en) aufgeladen. Dies drückt teurs (Wer?), der Intention (Warum?) und der onto- sich insbesondere in der Verknüpfung von raumbezo- logischen Ebene (Was?).

Abb.15: Gesellschaftliche Konstruktion von Raum und Räumlichkeit

Raum und Räumlichkeit als „Konstrukte“

Ebenen der Konstruktion Was wird konstruiert?

Handlung Sprache

Physisch-materielle Welt Soziale Welt Körperlichkeit der Akteure Sinn- und Bedeutungszuschreibungen „Anordnungsmuster“ Repräsentationen Mensch-Umwelt-Interaktion Symboliik – „Raumbilderr“

RÄUMLICHKEIT der GESELLSCHAFT

Individuen Politik (Raum-) Medien Alltagswelt Macht und Herrschaft Wissenschaften „mediale Raumbilder“ „Orientierung“ „strategische Raumbilder“ etc.

Wer konstruiert? (Akteur) Warum wird konstruiert? (Intention)

Quelle: Seebacher 2012, S. 50

64 Imaginative Geographien

Um die Konstruktion sozialer wie auch räumlicher Critical Geopolitics sichtbar. Das Ziel der beiden Wirklichkeiten zu verstehen, legen die Verfechter Forschungsperspektiven besteht also darin, ver- der Neuen Kulturgeographie besonderen Wert auf meintlich feststehende räumliche Ordnungsmuster diskursorientierte Forschungsansätze. Bei Diskur- zu hinterfragen, ihren konstruktivistischen Charak- sen handelt es sich um bedeutungskonstituierende ter zu entschleiern sowie alternative Vorstellungen Repräsentationssysteme, die über Sprache und an- und Bedeutungen aufzuzeigen. dere soziale Praktiken hervorgebracht werden. Sie bestehen aus einer Menge von Äußerungen, die ge- In thematischer Hinsicht genießen aktuell die un- meinsam ein „Bedeutungsnetz“ bilden, welches in terschiedlichsten Bereiche der Stadtentwicklungs- spezifi sche historische und soziale Kontexte einge- politik mitsamt den dazugehörigen stadtraumbezo- bettet ist (vgl. Wucherpfennig 2006, S. 53). Dis- genen Konstruktionsmechanismen eine besondere kurse können daher auch als „komplexe gesell- Aufmerksamkeit. So haben sich einige Autoren auf schaftliche Debatten“ aufgefasst werden, die über zum Teil sehr kritische Weise mit der räumlichen Schlagworte, Bilder und Medien weit in unser All- Dimension städtischer (Un-)Sicherheit, Kriminali- tagsleben hineinwirken (vgl. Gebhardt et al. 2004, tät und Kontrolle auseinandergesetzt (vgl. Belina S. 305). Gegenstand der Diskursforschung sind so- 2006; Eick et al. 2007; Glasze et al. 2005; Schrei- mit überindividuelle Muster des Denkens, Spre- ber 2011). Ausgehend von der Annahme, „dass so- chens, Sich-selbst-Begreifens und Handelns sowie wohl die räumlich gebundenen Unsicherheiten wie die Prozesse, in denen bestimmte Vorstellungen auch die unsicheren oder verunsichernden Räume und Handlungslogiken hergestellt und immer wieder und Orte als diskursiv konstruiert aufzufassen sind“ verändert werden (vgl. Glasze/Mattissek 2009, (Glasze et al. 2005, S. 8), zeigen die entsprechen- S. 11 f.). Diskurse können beispielsweise daraufhin den Beiträge, wie städtische Räume z.B. als „krimi- untersucht werden, wie sie entstanden sind, wel- nell“ oder „gefährlich“ stigmatisiert werden und ein chen Veränderungen sie unterliegen, welche Ge- wachsendes Unsicherheitsempfi nden in der Bevöl- genstandsbereiche sie berühren, welche Inhalte sie kerung hervorrufen. Die politischen Maßnahmen der transportieren, welche Akteure mit welchen Inter- Prävention und Kontrolle (z.B. Videoüberwachung, essen auf sie einwirken, welche Außenwirkung sie Einsatz privater Sicherheitsdienste), so die Kritik, entfalten und welche (rhetorischen) Mittel zum Ein- übersehen dabei allzu oft die sozialen Problem- satz kommen (vgl. Blotevogel 2003, S. 26). lagen als Ausgangspunkt von (Un-)Sicherheitsdis- kursen. Auch schärft die geographische Diskursforschung den Blick für die Zusammenhänge zwischen Räum- Die aufgezeigte Sicherheitsdebatte erzeugt eine lichkeit und Macht. Eine wichtige Klammer bildet umso größere Sprengkraft, da Städte im Zuge der hierbei das in Frankreich entwickelte Hegemo- Globalisierung verstärkt um mobile Faktoren (z.B. niekonzept (vgl. Laclau/Mouffe 1985), wonach Kapital, Arbeitskräfte) konkurrieren und daher eine Raumkonstruktionen durch die hegemoniale Durch- hohe Attraktivität und Lebensqualität bieten sollten. setzung bestimmter Diskurse entstehen, die dazu Dahinter steht die neoliberale Idee einer „Ökonomi- tendieren, umfassende Weltbilder hervorzubringen sierung des Städtischen“, die den Ausgangspunkt und sich dadurch zu dominanten Fixpunkten sozi- weiterer kulturgeographischer Forschungstätigkeit aler Orientierung entwickeln. Allerdings bleiben bildet. Entsprechende Abhandlungen arbeiten die diese Fixpunkte aufgrund von Antagonismen, Sinn- Durchsetzung und Funktionsweise hegemonialer überschüssen, Brüchen und Konfl ikten im Zuge der Diskurse heraus und zeigen am Beispiel deutscher Interpretationsweisen ständig in Bewegung. Gleich- Großstädte, wie sich die identifi zierten Reprä- zeitig macht der Rückgriff auf diskurs- und insbe- sentationen und Images in den Handlungslogiken sondere hegemonietheoretische Ansätze die engen städtischer Politikbereiche (z.B. Stadtmarketing) Verknüpfungen der Neuen Kulturgeographie mit den niederschlagen (vgl. Mattissek 2008; Schipper

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2013). Auch der Bereich Architektur/Städtebau rungen und Imaginationen, mittels derer sich Pro- rückt zunehmend ins Blickfeld der wissenschaftli- duktionskontexte und Wirkmächtigkeiten ökonomi- chen Debatte um räumliche Repräsentationen, zu- scher Räume rekonstruieren lassen, eine zentrale mal Deutungen und Lesarten von Bauwerken eine Rolle. Die folgenden Ausführungen zeigen anhand zunehmend wichtige Rolle für städtische Entwick- der kulturtheoretischen Wirtschaftsgeographien lungspolitiken spielen (z.B. „Flagship-Architektur“, und der Brand Geographies, welche Bezüge zwi- „Starchitecture“). So werden städtische Quartiere, schen den Kategorien Raum, Ökonomie und Imagi- aber auch einzelne Gebäude als bildhafte, symboli- nation offenbar werden. sche oder zumindest symbolisch aufgeladene kultu- relle Produkte verstanden (vgl. Basten 2009, S. 6), 3.2.1 Kulturtheoretische Wirtschaftsgeogra- die nicht nur in der Lage sind, die Attraktivität einer phien Stadt zu erhöhen, sondern als Publikumsmagnet auch Multiplikatoreffekte ausüben können. Die Wirtschaftsgeographie hat in den letzten Jahren eine äußerst dynamische Entwicklung vollzogen, Einen weiteren Forschungsschwerpunkt unter dem welche sich vor allem in der wachsenden Hetero- Mandat der Neuen Kulturgeographie stellen Tou- genität an Forschungsansätzen und -gegenständen rismusräume dar (vgl. Wöhler et al. 2010). Hierbei widerspiegelt, die gegenwärtig innerhalb der Diszi- unterstellen die Autoren, dass sich die Konstruk- plin diskutiert werden. In Zeiten komplexer und zu- tion von Tourismusdestinationen in Prozessen der nehmend globaler Produktions-, Distributions- und Inszenierung (Angebotsseite) und der Imagination Konsumtionszusammenhänge stoßen klassische (Nachfrageseite) manifestiert. So werden durch die wirtschaftsgeographische Zugänge an Grenzen, die touristische Verknüpfung von Orten bzw. Räumen neuere Erklärungsansätze zu überwinden versu- mit Bedeutungen jeweils Grenzen zwischen echt und chen. Vor diesem Hintergrund plädiert eine immer unecht, zwischen zugehörig und fremd gezogen. In- größer werdende Zahl an Fachvertretern dafür, den folgedessen produziert die Verräumlichung des Tou- starren, innerhalb der Disziplingrenzen veranker- rismus stabile Erwartungsstrukturen und verschlei- ten Blick aufzugeben und stattdessen eine offene ert den Herstellungscharakter der touristischen fächerübergreifende Diskussionskultur zu pfl egen Orte (vgl. Pott 2007, S. 171 ff.). Diese Erkenntnisse (vgl. Amin/Thrift 2000, 2003; Barnes 2005, 2006). konnten in jüngeren fallstudienbasierten Arbeiten, Eine wichtige Rolle spielt auch hier die kulturthe- die sich mit Fragen der Repräsentation und Rezepti- oretische Wende in den Sozialwissenschaften, die on im Tourismusbereich auseinandersetzen, vertieft mit einiger Zeitverzögerung auch Wirtschaftsgeo- werden (vgl. Dzudzek 2011; Fleischmann 2006; graphen inspiriert hat. Vertreter einer am „cultural Kremer et al. 2011). turn“ orientierten Wirtschaftsgeographie sehen ihre Aufgabe darin, den Kultur/Ökonomie-Dualis- 3.2 Raum, Ökonomie, Imagination: Zusammen- mus konzeptionell zu überwinden und somit zu ei- hänge und Perspektiven nem besseren Verständnis der räumlichen Orga- nisation ökonomischer Prozesse beizutragen (vgl. Die Darstellung der Entwicklungslinien hat ge- Berndt/Glückler 2006, S. 19). zeigt, dass Räume nicht per se existieren, sondern erst durch individuelle und kollektive Bedeutungs- Als Beispiel dient das explizit unscharf angelegte zuschreibungen konstruiert werden. Auch in der hybride Konzept einer Kulturellen Ökonomie (vgl. Wirtschaftsgeographie häufen sich die Plädoyers Amin/Thrift 2003). Danach werden Märkte, Unter- für eine stärkere Berücksichtigung konstruktivis- nehmen oder Wertschöpfungsketten nicht länger tischer Betrachtungsweisen, um ökonomische Pro- als gegebene Einheiten betrachtet, sondern als dis- zesse im Raum zu erklären (vgl. Berndt/Glückler kursiv und praktisch hervorgebrachte Konstrukte, 2006). In diesem Zusammenhang spielen Inszenie- die „quasi-natürlichen“ Charakter annehmen. Hier

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sind die (versteckten) Konstruktionsweisen und geht, wie das Ökonomische als kulturelle Formation deren Hintergründe sowie die damit verbundenen konzeptionell gefasst werden kann. Als Ausgang- (subjektiven) Sinn- und Bedeutungszuschreibungen sproblem markiert er den Standpunkt, „that the turn von entscheidender Bedeutung. Demgegenüber tre- to culture both destabilizes what is conventionally ten die klassischen ökonomischen Funktionsweisen regarded as ‘the economic’ and, at the same time, und Wirkungen in den Hintergrund, wie Amin (2006) produces an almost bewilderingly large research mit Bezugnahme auf den Marktbegriff ausführt agenda” (S. 689). Das in diesem Zitat bereits latent (S. 114): „Auf Märkten gehen nicht nur auf Preisen enthaltene Plädoyer für die Überwindung des oder anderen Maßstäben basierende Wertvorstel- Ökonomie/Kultur-Dualismus konkretisiert Barnes lungen symbiotische Beziehungen mit Konsumprä- (2005), in dem er argumentiert, „that the cultural, ferenzen, den Verführungen organisierter Spekta- for example as gender, and/or race, and/or reli- kel und der Marktmacht bestimmter Akteure ein, sie gion, partially constitute(s) the economic, and vice sind vielmehr selbst kulturell fi guriert, etwa durch versa, and as a result there is no neat dividing line assoziative Anthropologien an Orten, an denen Prei- between one sphere and the other” (S. 68). Die Kul- se gebildet werden (z.B. Börsenparkette, Einzelhan- turellen Geographien der Ökonomie verstehen sich delsindices, Handelsmessen usw.).“ auf der geschilderten Grundlage als Angebot, die Ökonomie/Ökonomik im Allgemeinen und die Wirt- Wenn Märkte als kulturelle Figurationen aufgefasst schaftsgeographie im Besonderen dem kulturwis- werden, dann folgt daraus, dass Verfahren und Prak- senschaftlichen Instrumentarium zu öffnen. tiken von Unternehmen darauf hin zu analysieren sind, „wie sie soziale Beziehungen räumlich ver- Im Folgenden werden einige Charakteristika dieser dichten, beobachten, verhindern, begrenzen, aber relativ neuen integrativen Strömung genannt, die auch entgrenzen können, und wie dadurch Zugänge im Wesentlichen auf den grundlegenden Aufsatz zu Markt- und Produktwissen organisiert werden“ von Boeckler/Berndt (2005) zurückgehen. Danach (Lange 2007, S. 26). Die Ergebnisse einer solchen betrachten Kulturelle Geographien der Ökonomie Untersuchung lassen somit Rückschlüsse auf die die gesellschaftliche Konstruktion des Ökonomi- Entstehungsbedingungen von ökonomischen Netz- schen „als einen unabschließbaren, relationalen werken zu, die sich konkret in der Frage nach der Prozess der machtgeladenen Aushandlung diffe- sozialen Konstruktion marktrelevanter Interakti- renzbegründeter Bedeutung“ (S. 72). Das heißt, dass onsbeziehungen manifestieren. In diesem Sinne z.B. Unternehmen oder einzelne Produktionsbetrie- sind Netzwerke als Element konkurrierender sub- be im Rahmen von Auseinandersetzungen um Gren- jektiver (Teil-)Repräsentationen der Wirklichkeit zu zen bestimmte Verbindungen kappen, andere dage- betrachten, die auf den ersten Blick von mächtigen gen betonen. Auf diese Weise konstituieren sich z.B. Akteuren (z.B. Entscheidungsträger in multinati- „Produktivitäts-Gemeinschaften“ gegen Konkur- onalen Unternehmen) dominiert werden. Die hier renten an anderen Orten der globalisierten Produk- aufgezeigte konstruktivistische Grundperspektive tionswelt, welche maßgeblich zur Konfi guration glo- ist wichtiger Bestandteil einer offenen polyzentri- baler Produktionsnetzwerke beitragen. Eng damit schen Wirtschaftsgeographie, wie sie bereits Mitte verbunden ist die Fokussierung auf räumliche Ab- der 1990er Jahre von einzelnen Vertretern propa- und Ausgrenzungsprozesse, auf Territorialisierun- giert wurde (vgl. Thrift/Olds 1996, S. 313). gen und und nichtterritoriale Vergemeinschaftungs- prozesse oder allgemein auf die Neuaushandlung In diesen Kontext lassen sich auch die Kulturellen räumlicher Bezüge sozialer Beziehungen (vgl. ebd., Geographien der Ökonomie einordnen (vgl. Berndt/ S. 75). Darüber hinaus fragen Kulturelle Geographi- Boeckler 2007; Boeckler/Berndt 2005). Die Be- en der Ökonomie nach den Bedingungen regionaler griffl ichkeit haben die Autoren von Thrift (2000) Vertrauenskulturen und versuchen zu erklären, wie adaptiert, der in seinem Aufsatz der Frage nach- aus der räumlichen Nähe von Unternehmen fein-

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maschige Netze informeler Beziehungen mit hohen Entwicklungsagenturen und die Weltbank in Ko- Interaktionsdichten entstehen (vgl. ebd., S. 76). operation mit einem südafrikanischen Agrarun- ternehmen die Produktion von Bio-Mangos für den In Anbetracht der konstruktivistischen Grundper- europäischen Markt forciert, wobei die praktische spektive ist es leicht nachzuvollziehen, dass es „die“ Arbeit durch Vertragsbauern geleistet werden soll- Ökonomie nicht geben kann. Vielmehr sind ökonomi- te. Als entscheidendes Förderkriterium für dieses sche Wirklichkeiten als Ergebnis von Inszenierungs- Entwicklungsvorhaben wurden Marktorientierung leistungen zu begreifen, die im Rahmen permanen- und -integration (der Kleinbauern) angeführt (vgl. ter Transaktionsprozesse zwischen menschlichen, ebd., S. 230). Ein wichtiger Teil des Projektes war aber auch nicht-menschlichen Akteuren erbracht die Vergabe individualisierter Landtitel, die jedoch werden. Die angesprochenen Inszenierungsleistun- in den traditionellen Stammesgesellschaften keine gen kommen im Konzept der Performativität bzw. Akzeptanz fi nden konnten. Dauerkulturen, wie sie Performanz zum Ausdruck, das den Auf- und Aus- Mangobäume darstellen, werden in der Region tra- führungscharakter sozialer Praktiken betont (vgl. ditionell kollektiv genutzt, die Individualisierung Berndt/Boeckler 2007, S. 218 ff.). Das bedeutet und Kommodifi zierung von Stammesboden ist die- für das Feld der Ökonomie, dass z.B. Märkte wie ab- sem System fremd. gegrenzte Theaterbühnen zu betrachten sind, auf denen Stücke nach eigenen Regeln aufgeführt wer- Die Ablehnung der vollständigen Marktintegration den. Die Bühne bildet den Rahmen für Interaktionen durch die Vertragsbauern im Norden Ghanas kann zwischen Schauspielern, Komparsen und Requisi- als Symbol der erfolgreichen Widerstandsbewegung ten. Sie stellt neue Verbindungen her, in dem sie die gegen die Enteignungs- und Konzentrationsmecha- beteiligten Dinge und Menschen aus ihren jeweiligen nismen von Markt, Wettbewerb und privatem Eigen- sozialen Kontexten entfernt, also andere Bindungen tum interpretiert werden. Es handelt sich um eines trennt. In der Sprache der Anthropologie des Mark- der zahlreichen Beispiele, an dem sich die alltägliche tes werden diese Prozesse als „entanglement“ und Arbeit lokaler Bauern mit dem „doing economics“ „disentanglement“ bezeichnet (vgl. ebd., S. 225). Die von Weltbankökonomen und Entwicklungsberatern gegenwärtige ökonomische Praxis ist dahingehend vermengt, welche Ghana in einem afrikanischen Pi- gekennzeichnet, dass sich dominante Regeln einer lotprojekt modellförmig gestalten wollen, und an neoliberalen Wirtschaftsordnung (z.B. Wettbewerb, dem sich die Gegenwart des vergangenen globalen Deregulierung) unter den Bedingungen der Globali- Kolonialismus mit dem gewissenhaften Konsum- sierung performativ stabilisieren. Die Bühne ist der verhalten aufgeklärter Mitteleuropäer kreuzt (vgl. globale Markt. ebd., S. 237). Auf diese Weise ist es gelungen, die stillschweigenden Prämissen globalisierter Ökono- Die Frage, wie Räume und Orte mit ökonomischen mien zu dekonstruieren und deren „versteckte Geo- Praktiken performativ hergestellt werden, wird in graphien“ offenzulegen. der Wirtschaftsgeographie bislang noch sehr zö- gerlich behandelt. Dennoch liegen bereits wertvol- 3.2.2 Brand Geographies le Erkenntnisse vor, die insbesondere aus Unter- suchungen zu globalen Finanzmärkten (vgl. Hall Über Bedeutung und Erfolg von Marken in Zeiten 2007; Leyshon/Thrift 2007; MacKenzie 2006) globalisierter Ökonomien lässt sich kaum streiten. und ökonomischen Nord-Süd-Beziehungen (vgl. Markenprodukte stehen gemeinhin für Qualität und Mitchell 2002, 2009; Ouma 2013) hervorgegan- Individualität, weshalb sie stark nachgefragt wer- gen sind. In Bezug auf Letzteres führt eine Fall- den und hohe Umsätze erzielen. Der Wiedererken- studie aus dem Norden Ghanas zu interessanten nungswert einer Marke spielt dabei eine wichtige Ergebnissen (vgl. Berndt/Boeckler 2007, S. 229 Rolle. Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren ff.). Vor einigen Jahren haben dort internationale vor allem in den westlichen Industrieländern eine

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Art „Markenkult“ herauskristallisiert, infolgedessen lichen Wertsteigerungen auf Formen der sozialen Marken als Symbole für bestimmte Lebensstile ver- Konstruktion, „whereby ‘geographical imaginaries‘ wendet werden und sich Lebensstile – insbesondere can be appropriated, associated and/or projected in von Jugendkulturen – mit Hilfe der Marken von Kon- and through brands and branding processes“ (Pike sumgütern defi nieren (vgl. Ermann 2007, S. 280). 2009, S. 625; kursiv i. O.). Die Übermittlung des be- Die Kreation von Marken als lebensstilbezogene nötigten Wissens zwischen Anbietern und Nach- Symbole trägt daher auch zur Generierung von Kon- fragern vollzieht sich durch Übersetzungsprozesse sumpräferenzen bei und liefert schlussendlich den u.a. mit Hilfe von Werbemaßnahmen, um wirksa- „Grundstoff“ für die „Produktion von Konsumenten“. me Kaufi mpulse in Form einer bildhaften Sprache auszusenden. Ermann (2007) beschreibt diese Zu- In der humangeographischen Forschung haben Mar- sammenhänge als reziproken Zeichenkreislauf (vgl. ken bislang noch nicht die Aufmerksamkeit erlangt, Abb. 16), in dem Marken als Lifestyle-Codes konst- die ihnen angesichts ihrer wirtschaftlichen Bedeu- ruiert und reproduziert werden (S. 284 ff.). tung eigentlich zustehen müsste. Nachdem sich die Wirtschaftsgeographie lange Zeit besonders auf Unter der Annahme, dass Marken als Ausdruck die Produktions- bzw. Angebotsseite konzentriert bestimmter Lebensstile fungieren, wandelt sich hatte11, kam es erst nach dem „cultural turn“ zu einer der Zeichenkreislauf in der Weise, dass die Anbie- verstärkten Hinwendung zur Seite der Nachfrage ter von der Markenpolitik samt Entwicklung, Ver- mit den entsprechenden räumlichen Ausprägungen. kauf und Werbung zur Lifestyle-Politik übergehen Mittlerweile hat sich sogar eine neue Fachrichtung und potenziell sogar neue Lebensstile vorgeben. etabliert, die im angelsächsischen Raum unter der Entsprechend wird Marktforschung zur Lifestyle- Bezeichnung „geographies of consumption“ fi rmiert Forschung, deren Konsumententypologien nichts (vgl. Crewe 2000; Jackson/Thrift 1995). In diesem anderes als Lifestyle-Typologien darstellen. Eine Zusammenhang wurde auch die Bedeutung von Mar- geographische Analyse von Zeichenkreisläufen bzw. ken erkannt und in fachwissenschaftlichen Abhand- „brand circuits“ kann die Aufmerksamkeit auf die lungen gewürdigt. So spricht Pike (2009) von „ent- Orte und Räume der Herstellung, Transformation angled geographies of brands and branding“, wobei und Rezeption von Zeichen lenken und dabei Asym- er die geographischen Dimensionen insbesondere metrien von Macht und (Zeichen-)Ressourcenzu- anhand der symbolischen Komponente von Marken gang aufzeigen (vgl. Ermann 2007, S. 296). Vor dem erläutert. „The argument here is that geographical Hintergrund zunehmender globaler Arbeitsteilung entanglements, among other dimensions of brand wäre zu überprüfen, inwieweit die Kernfunktionen equity, have been used to provide multifaceted, rich (z.B. Produktentwicklung, Design, Branding) multi- and pliable source of attributes and associations nationaler Unternehmen tatsächlich in den Metro- capable of creating and resonating with such dis- polen westlicher Industrieländer verankert sind, wie tinctive, even authentic, values and meanings” (Pike es beispielsweise Global City-Konzepte (vgl. Sas- 2009, S. 624). sen 1991) nahelegen.

Als Quelle zur Kreation der genannten „values and Über die Bedeutung von imaginativen Geographien meanings“ werden unter anderem „country of ori- für die Entwicklung von Marken liegen bereits ers- gin“- und „made in“-Effekte angeführt. Diese Ef- te Erkenntnisse vor. Ihnen wird eine wichtige Rolle fekte stehen in Verbindung mit der Reputation bei der Zuschreibung von Bedeutungen attestiert, einzelner Länder für bestimmte Produkte und Leis- aufgrund derer Marken zusätzlich an Strahlkraft tungen, wodurch sich deren „Wert“ aus Sicht der und Individualität gewinnen. Castree (2001) führt Verbraucher erhöht. Dabei basieren die vermeint- dazu aus, dass imaginative Geographien in der Ver- 11 Diese Tatsache wurde vor allem von Vertretern der Ra- marktung von Produkten z.B. via Werbung, Labels dical Geography kritisiert (vgl. Kap. 3.1.2). oder Copyrights gezielt zum Einsatz kommen und

69 Imaginative Geographien

Abb. 16: Zeichenkreislauf auf Konsumgütermärkten

„Marken statt Produkte“

markenbezogener Markenentwicklung Verkauf und Werbung Markenpolitik

Haushalte Unternehmen

konsumrelevante Konsumenten-Typologie Einstellungen Marktforschung

„Marken als Lifestyles“

lifestylebezogener Lifestyle-Entwicklung Verkauf und Werbung Lifestyle-Politik

Haushalte Unternehmen

lifestyle-relevante Einstellungen Lifestyle-Forschung Lifestyle-Typologie

Quelle: Ermann 2007, S. 285

auf diese Weise das „vacuum of geographical igno- Lebensmittelprodukten als Qualitätssiegel dienen, rance“ mit fragwürdigen, aber effektiven Bildern wie im folgenden Kapitel aufgezeigt wird. bestimmter Orte und Kulturen ausfüllen (S. 1520 f.). Auf ähnliche Weise argumentiert Molotch (2002), 3.3 Imaginative Geographien in der Agrar- und in dem er die „imaginierten Lebensstile“ geographi- Ernährungswirtschaft scher Orte betont, die mit den beworbenen Produk- ten „verkauft” werden sollen: „The branding dynamic Einige der skizzierten Grundlagen, die im Rahmen uses place image to unite products and consumers der kulturtheoretisch informierten Wirtschaftsgeo- who identify with a favored way of life and then sells graphien und der Brand Geographies angesprochen them all elements of what it takes to live that imagi- wurden, haben insbesondere Untersuchungen zur ned geographic life style” (S. 680). Eine besondere Agrar- und Ernährungswirtschaft nachhaltig beein- Relevanz haben die besagten „place images“ in der fl usst und bilden somit einen wichtigen Bestandteil Ernährungswirtschaft erlangt, da sie zahlreichen innerhalb der Agrifood Geographies (vgl. Kap. 2.3).

70 Imaginative Geographien

So konzentrieren sich zahlreiche Arbeiten auf die dadurch regionsspezifi sche Produkte durch Unver- Herkunft von Lebensmittelprodukten, in dem sie wechselbarkeit in ihrer Herkunft aus (vgl. Hahne beispielsweise die bereits angesprochenen „coun- 1987, S. 466 f.). Die Alleinstellungsmerkmale sind try of origin“-Effekte analysieren (vgl. Kneafsey/ vielschichtig und können von singulären natur- Ilbery 2001; Tregear et al. 2007). Diese Populari- räumlichen Standortbedingungen über regionale tät als Gegenstand geographischer Forschung dürf- kulturräumliche Eigenheiten bis hin zu besonderen te in den kontrovers diskutierten Entwicklungen historischen Traditionen in der Produktion reichen. der Lebensmittelproduktion im Spannungsfeld von Demnach enthält die Aufwertung regionaltypischer Globalisierung und Regionalisierung (vgl. Kap. 1.1) Produkte sowohl naturräumliche als auch kulturelle bzw. Deterritorialisierung und Reterritorialisierung und historische Dimensionen. Als Grundlage dient (vgl. Kap. 2.3.1, 2.3.2) begründet liegen. Die Glo- die Wertschätzung des Lokalen vor dem Globalen, balisierung der Wirtschaft zwingt zu Anpassungs- des Ländlichen vor dem Städtischen, des Endoge- prozessen auf der lokalen Ebene, die in einer Neu- nen vor dem Exogenen, des Persönlichen vor dem bewertung der Vielfalt europäischer Regionen und Anonymen und des Handwerklichen vor dem Indus- ihrer Erzeugnisse zum Ausdruck kommen (vgl. Voth triellen (vgl. Voth 2003, S. 3; mit Verweis auf Cal- 2003, S. 2). dentey/Gómez Muñoz 1996, S. 60 f.).

3.3.1 Zur Bedeutung von Produktherkunft und Die Diskussionen um Produktherkunft und Regio- Regionalität nalität lassen sich in den umfangreicheren Diskurs der eigenständigen Regionalentwicklung einordnen, Der tiefgreifende Wandel in der Produktion und deren Verfechter die Stärkung regionaler Wirt- Vermarktung von Lebensmitteln hat in der jüngeren schaftskreisläufe besonders hervorheben. Das pro- Vergangenheit zu ambivalenten Reaktionen in Wirt- klamierte Ziel besteht darin, einen Gegenentwurf zu schaft, Politik und Gesellschaft geführt. Mit der großräumigen, exportorientierten und effi zienzba- räumlichen Ausweitung der Produktionsnetzwerke sierten Strategien der Agrar- und Regionalpolitik zu und zunehmender Standardisierung der Produkte entwickeln. Dadurch sollen vor allem strukturschwa- mehren sich kritische Stimmen, die eine Rückkehr zu che ländliche Räume eine Perspektive erhalten, um regional produzierten Lebensmitteln und eine stär- in Zeiten zunehmender förderpolitischer Fokussie- kere Betonung der Produktherkunft fordern. Einige rung auf die Zentren (im Sinne des Leitbilds „Stär- Akteure der Agrar- und Ernährungswirtschaft ha- ken stärken“) nicht gänzlich abgehängt zu werden. ben das damit verbundene Potenzial bereits erkannt Unklar bleibt hingegen, was genau mit regionalen und differenzieren ihr Angebot durch die Aufnahme Wirtschaftskreisläufen gemeint ist. Einen Vorschlag regional produzierter Lebensmittel. Der Begriff mit Blick auf die Ernährungswirtschaft unterbreiten „regional“ soll in diesem Fall positiv besetzte Attri- Banik et al. (2007), in dem sie zwischen den Konzep- bute suggerieren, wie z.B. „authentisch“, „nachhal- ten „Aus der Region – Für die Region“ und „Aus der tig“ oder „natürlich“, und dadurch eine hohe Qualität Region – In alle Welt“ differenzieren. (vgl. Abb. 17). implizieren. Was aber ist ein regionales Produkt? „Aus der Region – Für die Region“ bedeutet, dass In der humangeographischen Fachliteratur fi nden die Prozesse der Produktion, Verarbeitung und sich zahlreiche Vorschläge zur Beantwortung die- Vermarktung innerhalb einer Region stattfi nden.13 ser Frage, wenngleich die entsprechenden Beiträge Entscheidend ist jedoch nicht nur die räumliche, nicht immer einer theoretischen Fundierung unter- sondern auch die soziale Nähe zwischen den einzel liegen.12 Grundsätzlich zeichnen sich verortete und ververknüpft. Auf diese Arbeit wird in diesem und späte- 12 Erwähnenswert ist hier die Arbeit von Ermann (2005), ren Kapiteln noch Bezug genommen. 13 die unterschiedliche konzeptionelle Zugänge zum The- Was in diesem Kontext unter einer Region zu verstehen ma der Produkt-Regionalisierung aufzeigt und integrativ ist, erläutern die Autoren nicht.

71 Imaginative Geographien

Abb. 17: Konzepte regionaler Vermarktung

Regionale Vermarktung

Lebensmittel mit ausgelobtem Herkunftsbezug

  „Aus der Region, Für die Region“ „Aus der Region – In alle Welt“

Herkunft und Vermarktung Herkunft aus einer in derselben Region: bestimmten Region:

Abgrenzung von „industriellen“ Imagetransfer zwischen Region Lebensmitteln: und Produkt:

x Personifizierung x Indiz für angemessene x Kontrollierbarkeit Standortbedingungen x Überschaubarkeit x Indiz für Kompetenz x Erlebnisqualität x Erlebniswelten

Quelle: Banik et al. 2007, S. 26

nen Wertschöpfungsstufen, die durch bestimmte Umstritten bleibt die Frage, wie regionales Wirt- Faktoren, wie z.B. Personifi zierung, Kontrollierbar- schaften unter Nachhaltigkeitsaspekten zu bewer- keit, Überschaubarkeit und Erlebnisqualität, geför- ten ist. Den Ausgangspunkt der Diskussion bildet dert wird. Ein gutes Beispiel ist die Direktvermark- die Annahme, dass eine Verringerung regionsex- tung selbst erzeugter Produkte. Das Konzept „Aus terner Inputfaktoren bei gleichzeitiger Steigerung der Region – In alle Welt“ ist dadurch geprägt, dass der in der Region verbleibenden Outputs mit einer nur die Produktion und/oder Weiterverarbeitung in höheren Nachhaltigkeit verbunden ist. Konkret lässt einem defi nierten Gebiet erfolgt, während die Ver- sich diese Argumentation anhand der Zielsetzungen marktung und der Konsum auch überregional statt- nachvollziehen, die mit der Implementierung regi- fi nden. Die Angabe der Herkunft gilt Verbrauchern onaler Wirtschaftskreisläufe verfolgt werden und als Indiz für gute Standortbedingungen und/oder sich am so genannten „Dreieck der Nachhaltigkeit“ Kompetenzen. Oft sind die entsprechenden Regio- orientieren (vgl. Tab. 2). Ein häufi g genannter As- nen mit Bilder- und Erlebniswelten verbunden, wel- pekt bezieht sich auf die Verkehrsvermeidung durch che z.B. aus Urlaubsreisen, Medienberichten oder kürzere Transportwege, so dass sich schädliche kulturellen Hintergründen resultieren; es kommt zu Emissionen verringern lassen. Jedoch weist Ermann einem Imagetransfer zwischen Region und Produkt (2005) unter Bezugnahme auf verschiedene Studi- (vgl. Banik et al. 2007, S. 27). en darauf hin, dass die Vorteile der Regionalität oft- mals implizit vorausgesetzt und die proklamierten

72 Imaginative Geographien

Tab. 2: Zielsetzungen regionaler Wirtschaftskreisläufe

Ökonomische Ziele Ökologische Ziele Soziale Ziele

Erhöhung der Wertschöpfung in Verkehrsvermeidung durch kür- Transparenz: nachvollziehbare, der Region, insbesondere in de- zere Transportwege, dadurch überschaubare Produktions- zentralen ländlichen Teilräu- Reduzierung von Energiever- ketten men brauch, Schadstoff- und Lärm- emissionen Einkommens- und Arbeitsplatz- Umweltschutz durch Produkti- Gegenseitiges Vertrauensver- sicherung für bestimmte Wirt- onsmethoden, die an die spezi- hältnis und Verantwortungsbe- schaftszweige fischen kleinräumigen Verhält- wusstsein zwischen Produzen- nisse angepasst sind ten und Konsumenten bei der Nahrungsmittelversorgung und der Ernährung Landschaftspflege durch Erhal- Stärkung der kulturellen Iden- tung landwirtschaftlicher Pro- tität von Regionen duktionsstrukturen Quelle: Ermann 2005, S. 23 f. (leicht verändert)

Zielsetzungen nicht ausreichend refl ektiert werden Qualitätseigenschaften mit der Zeit in konstruier- (S. 24). Beispielsweise konstatieren Schlich/Fleis- ten raumbezogenen Bildern wider, die oftmals durch sner (2003), dass regionale Produkte eine weitaus Marketing-Maßnahmen aktiv unterstützt werden schlechtere Ökobilanz aufweisen können als Pro- (vgl. Kneafsey/Ilbery 2001, S. 133). Langfristig dukte aus größerer Entfernung, aber mit hohen Ska- führen Erfolg und Kontinuität am Markt zu einer leneffekten. Nichts desto trotz gibt es in fast allen Identifi zierung des Produktes mit dessen Herkunft, Regionen der BRD mittlerweile Handlungsansätze, so dass ein positives Image mit identitätsstiftender die sich auf die Stärkung regionaler Wirtschafts- Wirkung aufgebaut wird. In der Regel erzielen diese kreisläufe insbesondere in der Lebensmittelpro- Produkte höhere Preise. duktion konzentrieren. Diese Form der Mehrwertgewinnung lässt sich auf 3.3.2 Regionalität als Konstruktion den symbolischen Wert zurückführen, der im sozial- wissenschaftlichen Verständnis jenen Wert bezeich- Die Ausführungen zu Produktherkunft und Regiona- net, den eine Ware durch Bedeutungszuweisungen lität konnten bereits ansatzweise deutlich machen, erhält. Unternehmen sprechen häufi g von symbo- dass die Produktion und Vermarktung von Lebens- lischen Werten, wenn sie die Wertschöpfung eines mitteln unter Berücksichtigung kultureller Bedeu- Produktes meinen, die nicht mit einer stoffl ichen tungsgehalte erfolgt und entsprechend untersucht Änderung einhergeht. Schwierig ist allerdings die werden sollte. Laut Ermann (2005) steht zwar eine Abgrenzung eines symbolischen Wertes, da es sich „Materialität“ von Produkten im Vordergrund, doch um eine abstrakte Größe handelt, die sich empirisch wird diese weniger als Ergebnis der materiellen Pro- und quantitativ nicht erfassen lässt. Daher kann duktionszusammenhänge als vielmehr als Resultat ein Produkt keinen objektiv bestimmbaren intrinsi- von alltäglichen Bedeutungszuweisungen von Kon- schen Wert haben; der ökonomische Wert eines Pro- sumenten und Produzenten verstanden (S. 55). Aus duktes bemisst sich stets in Abhängigkeit von der Sicht der Konsumenten erfolgt die raum- und quali- subjektiven Wahrnehmung und der sozialen Interak- tätsbezogene Wertschätzung der Produkte auf der tion auf Märkten (vgl. Ermann 2005, S. 72). Folglich Grundlage von bestimmten Assoziationen, Eindrü- entstehen neue Produkt-Assoziationen, die mit den cken und Informationen, die sich auf die (regiona- physischen Produktionszusammenhängen nur noch le) Produktherkunft beziehen. So spiegeln sich die wenig zu tun haben, die aber eine neue Authentizität

73 Imaginative Geographien

schaffen. Die Authentifi zierung eines Produktes ist men (z.B. Hofl äden, Bauernmärkte). Ihre Verfechter daher als Vermittlung (Übersetzung) zwischen dem betrachten diese kleinräumigen Wirtschaftssyste- Produktions- und dem Konsumtionskontext zu ver- me als wichtigen Baustein für eine nachhaltige Regi- stehen (vgl. ebd., S. 80). onalentwicklung insbesondere in ländlichen Räumen. Eine wichtige Rolle spielt zudem die symbolische Mit Bezug auf die geographische Komponente im Le- Komponente, die Goodman (2010) anhand von drei bensmittelbereich unterscheidet Kneafsey (2010) „geographical imaginaries“ verdeutlicht: Resistenz, zwischen „regional foods“ und „regional food net- kulturelle Identität und ländliche Neuerfi ndung. works“ (S. 180 f.). Als „regional foods“ gelten solche Lebensmittelprodukte, deren (vermeintliche) Quali- Mit dem Begriff der Resistenz ist gemeint, dass täten auf einen charakteristischen geographischen „alternative food networks“ als Symbol des Wider- Ursprung basieren. Diese Produkte werden meist stands gegen die Kräfte der zunehmend globali- auf traditionelle Weise hergestellt und über kurze sierten Lebensmittelindustrie und deren „placeless Distributionswege vertrieben (oft via Direktver- and faceless foods“ interpretiert werden können marktung), so dass sie einen deutlichen Kontrast zu (vgl. ebd., S. 193). Die implizierte Regionalität wird den standardisierten Massenprodukten der großen somit zum Synonym für bestimmte Attribute (z.B. Supermarktketten bilden.14 Dagegen wird von „regi- Vertrauen, Sicherheit, Natürlichkeit), die den stan- onal food networks“ gesprochen, wenn die Elemente dardisierten Massenprodukten offenbar fehlen. Das der Wertschöpfung – Primärproduktion, Verarbei- Bild der kulturellen Identität umfasst die Bewah- tung, Vermarktung, Konsum – hauptsächlich regional rung historischer Kulturlandschaften, traditioneller verankert sind, wobei sich allerdings die Frage nach Anbaumethoden und Rezepte sowie die Überliefe- der regionalen Abgrenzung stellt. Kneafsey (2010) rung der dazugehörigen, meist handwerklichen Fä- macht dazu folgende Angaben: „In theory, the scale higkeiten und Fertigkeiten. Außerdem zählt die Auf- of a regional food network can vary, and it could also rechterhaltung einer räumlichen und sozialen Nähe cross national boundaries because, as noted above, zwischen Produzenten und Konsumenten dazu. Auf regions are constructed through various socio- diese Weise erhalten Regionen ihren ursprünglichen politic, economic and bio-physical relationships” identitätsstiftenden Charakter, der einen wichtigen (S. 181). Grundsätzlich ist es möglich, dass „regional Teil des endogenen Entwicklungspotenzials aus- foods“ in „regional food networks“ zirkulieren, aller- macht. Im Hinblick auf die ländliche Neuerfi ndung dings sind sie in der Regel nicht darauf beschränkt. spricht Goodman (2010) von „new livelihood oppor- So werden zertifi zierte Regionalprodukte mit ho- tunities“ und „territorial valorization“ (S. 194). hem Bekanntheitsgrad (z.B. Parmaschinken, Feta- Käse) nahezu weltweit vermarktet und konsumiert. Beides hängt eng miteinander zusammen und bein- haltet die Erschließung zusätzlicher Einkommens- In eine ähnliche Richtung geht die aktuelle Diskus- quellen, in dem die oben beschriebenen regionsty- sion um „alternative food networks“ (vgl. Goodman pischen Eigenschaften über die Vermarktung von et al. 2012), die sich durch folgende Merkmale kenn- Regionalprodukten ökonomisch in Wert gesetzt zeichnen lassen: kurze Distanzen zwischen Produ- werden oder anders ausgedrückt: „Territorial valori- zenten und Konsumenten; kleine Produktionsbe- zation is seen as an entrepreneurial opportunity, a triebe; umweltschonende und/oder tiergerechte farm livelihoods strategy and the cornerstone of a Produktionsmethoden; direkte Vermarktungsfor- revitalized rural economy“ (ebd., S. 194; mit Verweis

14 auf Marsden/Smith 2005). In Europa gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Regio- nalprodukten, die mit den EU-Zertifi katen „Geschützte Ursprungsbezeichnung“ oder „Geschützte Geographi- Die hier referierten konzeptionellen Überlegungen sche Angabe“ versehen sind. Hierzu geben Tregear et al. zu „regional foods“, „regional food networks“ und (2007) einen guten Überblick mit einigen Fallbeispielen (vgl. auch Kap. 3.3.3). „alternative food networks“ weisen ohne Zweifel

74 Imaginative Geographien

inhaltliche Überschneidungen auf, weshalb eine Abgrenzung der Herkunftsgebiete wird durch die klare Abgrenzung nur schwer möglich erscheint. beiden Schutzkategorien „geschützte Ursprungs- Als wichtige Klammer bleibt die symbolische – oder bezeichnung“ (g. U.) und „geschützte geographische auch imaginative – Komponente, welche sowohl die Angabe“ (g. g. A.) gewährleistet. einzelnen Produkte als auch deren Produktionszu- sammenhänge überlagert, oft sogar überhöht. Vor Im Sinne der EU-Verordnung Nr. 510/2006 deutet diesem Hintergrund geht es Ermann (2005) nicht „Ursprungsbezeichnung“ auf den „Namen einer Ge- nur darum, „die realen Produktionszusammenhänge gend, eines bestimmten Ortes oder in Ausnahmefäl- hinter den Warenillusionen aufzudecken, sondern len eines Landes, der zur Bezeichnung eines Agrar- die Schnittstellen ausfi ndig zu machen, an denen erzeugnisses oder eines Lebensmittels dient, Bedeutungstransformationen stattfi nden“ (S. 106). Solche Transformationen sind prinzipiell dort denk-  das aus dieser Gegend, diesem bestimmten Ort bar, wo Produkte stoffl ich umgewandelt oder neu oder diesem Land stammt, benannt werden. Dabei entstehen nicht nur neue  das seine Güte oder Eigenschaften überwie- Regionsbezüge, sondern es werden auch entspre- gend oder ausschließlich den geographischen chende Assoziationen der vor- bzw. nachgelagerten Verhältnissen einschließlich der natürlichen Produktionsstufen umgedeutet. Im Sinne konst- und menschlichen Einfl üsse verdankt und ruktivistischer Überlegungen und zur Betonung der  das in dem abgegrenzten Gebiet erzeugt, verar- imaginierten Wechselwirkungen zwischen Produk- beitet und hergestellt wurde“ (EU 2006, Art. 2, ten und Regionen erlangt die von Ermann aufge- Abs. 1a). stellte These der „Produktion von Regionen durch die Regionalisierung von Produkten“ (ebd., S. 250) Demgegenüber bezieht sich die Bezeichnung „ge- eine besondere Wirkmächtigkeit. schützte geographische Angabe“ auf ein Agrar- erzeugnis oder Lebensmittel, „das in dem abge- 3.3.3 Regionale Produkte – ein Überblick grenzten geographischen Gebiet erzeugt und/oder verarbeitet und/oder hergestellt wurde“ (EU 2006, Die Erkenntnis, dass die Vermarktung regionaler Art. 2, Abs. 1b). Die Kriterien sind in diesem Fall Produkte mit wirtschaftlichen Entwicklungsmög- also weniger streng, da nur Teilschritte der Produk- lichkeiten verbunden ist, hat in den 1990er Jahren tionskette an die entsprechende Region gebunden zur Implementierung eines EU-Reglements zum sind. Die räumliche Abgrenzung kann auf der Grund- Schutz von Herkunftsbezeichnungen für Lebens- lage unterschiedlicher Raumkategorien erfolgen, mittel geführt. So hat die EU mit der Schaffung wie z.B. Verwaltungsgrenzen, historische Grenzen, eines Gemeinschaftszeichens eine unter interna- Schutzgebiete oder naturräumliche Landschafts- tionalen Organisationen einzigartige Anstrengung einheiten (vgl. Voth 2011, S. 28). unternommen, regional bedeutsame und tradi- tionelle Produkte vor Nachahmung zu schützen. In Deutschland gibt es derzeit 30 regionale Produk- Dabei ist es die dominierende überregionale Ver- te, die das Prädikat „geschützte Ursprungsbezeich- marktung von anonymen Massenprodukten, welche nung“ tragen (vgl. Tab. 3). Bis auf den Spalter Hop- die wirtschaftliche Attraktivität geographischer fen (seit 2012) wurden die Erzeugnisse allesamt Herkunftsbezeichnungen erst bedingt (vgl. Voth zwischen 1996 und 1998 in den EU-Schutzrahmen 2011, S. 27). Neben dem Schutz vor missbräuchli- aufgenommen. Auffällig ist dabei die sehr dominan- cher Verwendung geographischer Namen soll die te Ausrichtung auf Mineralwasser, deren Quellen im gemeinsame europäische Regelung zur Vergabe gesamten Bundesgebiet verteilt sind. Weiterhin zäh- von Herkunftsbezeichnungen auch zur Diversifi zie- len vier traditionelle Käsesorten sowie die Lünebur- rung der Landwirtschaft durch regionale Qualitäts- ger Heidschnucke und die Diepholzer Moorschnucke produkte beitragen (vgl. ebd., S. 28). Die räumliche zu den Produkten mit geschütztem Ursprung. In der

75 Imaginative Geographien

Tab. 3: Lebensmittel mit „geschützter Ursprungsbezeichnung“ in Deutschland

Jahr Produkt Jahr Produkt

2012 Spalter Hopfen 1996 Bissinger Auerquelle 1998 Lüneburger Heidschnucke 1996 Bad Pyrmonter 1998 Diepholzer Moorschnucke 1996 Birresborner 1997 Odenwälder Frühstückskäse 1996 Caldener Mineralbrunnen 1997 Allgäuer Emmentaler 1996 Felsenquelle Beiseförth 1997 Allgäuer Bergkäse 1996 Haaner Felsenquelle 1997 Altenburger Ziegenkäse 1996 Göppinger Quelle 1996 Rilchinger Amandus-Quelle 1996 Rilchinger Gräfin Mariannen-Quelle 1996 Ensinger Mineralquelle 1996 Katlenburger Burgbergquelle 1996 Graf Meinhard Quelle Gießen 1996 Leisslinger Mineralbrunnen 1996 Haltern-Quelle 1996 Siegsdorfer Petrusquelle 1996 Bad Hersfelder Naturquell 1996 Rhenser Mineralbrunnen 1996 Vesalia-Quelle 1996 Schwollener Sprudel 1996 Blankenburger Wiesenquell 1996 Steinsieker Mineralwasser 1996 Wildenrath-Quelle 1996 Wernigeröder Mineralbrunnen Quelle: Eigene Darstellung nach EU-Datenbasis DOOR 2012

Kategorie „geschützte geographische Angabe“ exis- procedures and the costs of inspection and verifi - tieren aktuell rund 60 Erzeugnisse, deren Zusam- cation. These diffi culties could act as signifi cant mensetzung sich weitaus heterogener gestaltet als ‘barriers’ to further adoption” (Ilbery/Kneafsey im Bereich der geschützten Ursprungsbezeichnung. 2000, S. 324). Gerade kleinere Produzenten, die Gerade in der jüngeren Vergangenheit wurden zahl- als eine der Hauptzielgruppen geographischer Her- reiche Neuanträge auf geographischen Schutz sei- kunftsbezeichnungen gelten, werden aufgrund die- tens der EU bewilligt bzw. befi nden sich noch in der ser bürokratischen Hürden oftmals ausgeschlossen. Prüfungsphase (vgl. EU 2012). Diese neue Dynamik Eine positive Entscheidung durch die nationalen ist keinesfalls als Festhalten an alten Produkten und EU-Behörden hängt davon ab, inwieweit sich oder als Rückzug auf Traditionen zu werten, sondern eine schlagkräftige Schutzgemeinschaft bildet, die als innovative Reaktion auf den Wettbewerbsdruck dem komplizierten Antragsverfahren gewachsen und als Chance für Lebensmittelerzeuger, die Be- ist. Dazu gehören meist größere Unternehmen der sonderheiten ihres eigenen Standortes gezielt aus- Ernährungswirtschaft, einfl ussreiche Unterneh- zuweiten (Voth 2002, S. 265). mensverbände oder engagierte Akteure der öffent- lichen Hand (vgl. IfL 2009). Es stellt sich also die Als problematisch erweisen sich der bürokratische Frage, ob Lebensmittel mit geschützter Geographie Aufwand und die Kosten, die mit der Beantragung tatsächlich als Instrument zur ökonomischen Ent- der geschützten Herkunft verbunden sind. „The wicklung ländlicher Räume funktionieren. „To date, early adopters of PDOs15 and PGIs16 (…) have com- more SFDPs17 are sold through wholesalers and su- plained about the bureaucracy of the application permarkets, and thus out of the local region, than

15 Protected Designation of Origin 17 16 Speciality Food and Drink Products Protected Geographical Indication

76 Imaginative Geographien

through direct marketing and local shops” (Ilbery/ Gefahr, dass die Idee eines alternativen Gegenent- Kneafsey 2000, S. 324). Durch das zunehmende wurfs zum konventionellen Wirtschaftsmodell zu- Interesse des fi lialisierten Lebensmitteleinzelhan- mindest teilweise verwässert wird. dels an regionalen Produkten besteht folglich die

77 Überlegungen zur theoretisch-konzeptionellen Integration

4. Überlegungen zur theoretisch-konzep- tionellen Integration von multiskalaren Produktionsnetzwerken und imaginati- ven Geographien

In diesem Kapitel soll es darum gehen, die gewonne- Inszenierung, sind somit als Komponenten imagina- nen Erkenntnisse der Kapitel 2 und 3 zu refl ektieren tiver Geographien zu begreifen. und Anhaltspunkte für eine theoretisch-konzeptio- nelle Integration der unterschiedlichen Zugänge zu In ökonomischen Zusammenhängen lässt sich die fi nden. Den Ausgangspunkt bildet die in jüngerer praktische Relevanz dieser Funktionsweise u.a. Zeit mehrfach formulierte Aufforderung zu einer anhand von Kaufentscheidungen aufzeigen. Diese Neuorientierung der Wirtschaftsgeographie, die können beispielsweise davon abhängen, ob die ent- das vermeintlich Nicht-Ökonomische in enger Ver- sprechenden Produkte den Schriftzug „made in Ger- bindung mit kulturtheoretischen Schlüsselkategori- many“ tragen, was gemeinhin eine hohe Qualität sug- en (z.B. Diskurse, Repräsentationen, Bedeutungen) geriert („Deutsche Wertarbeit“). Dieser Wert basiert stärker in den Fokus nimmt. Insbesondere geht es jedoch auf einer sozialen Konstruktion, nämlich auf um die Frage, welche Potenziale das Konzept der der Vorstellung, dass in Deutschland mit seinen in- imaginativen Geographien bietet, um die Funkti- novativen und leistungsstarken Industrieunterneh- onsweise ökonomischer Prozesse im Spannungs- men größtenteils hochwertige, sichere und haltbare feld von Globalisierung und Regionalisierung zu Qualitätsprodukte hergestellt werden. Lee (2011) verstehen, welches in diesem Fall durch den Ansatz beschreibt den Wertbegriff sogar grundsätzlich als der Global Production Networks (GPN) abgebildet eine sozial konstruierte Kategorie (S. 374): „Value is wird. itself socially constructed in and through the social experience of its consumption and production and Nach Husseini de Araújo (2011) handelt es sich in the transactions and exchanges involved in its cir- bei imaginativen Geographien um „vermeintlich re- culation. Thus value can have no meaning outside an reale Räume, (…), die Ausdruck gesellschaftlichen environmental, social and practical context in which Denkens, Sprechens und Handelns sind und diese it may be evaluated.” wiederum strukturieren, anleiten und legitimieren“ (S. 27; vgl. Kap. 3.1.3). Eine solche Konzeptualisie- Die Wertschätzung von Produkten erfolgt in diesem rung beinhaltet das Zusammenwirken von Macht, Fall also auf der Grundlage von Wahrnehmungen und Wissen und Geographie, „welches einer jeden diskur- Assoziationen mit der Herkunftsregion, so dass die siven Konstruktion von Raum immanent ist“ (ebd. Qualitätseigenschaften mit der Zeit an konstruierte S. 57). Imaginative Geographien kristallisieren sich raumbezogene Images gebunden und durch Zerti- also im Rahmen öffentlicher Diskurse heraus und fi zierung bestätigt werden (vgl. Ilbery/Kneafsey sind sowohl als Ergebnis wie auch als Ausgangspunkt 2000, S. 319). Somit ist der Herkunftsaspekt als sozialer (und ökonomischer) Handlungen aufzufas- Voraussetzung für den Markterfolg von wachsen- sen. In dem sie die gesellschaftliche Bedeutung und der Bedeutung und hat nachweisbaren Einfl uss auf Macht solcher Konstruktionen sowie die ihnen einge- die Präferenzen zahlreicher Verbraucher. Mit zu- schriebenen „Kräfteverhältnisse“ beleuchten, gehen nehmendem Bekanntheitsgrad wirken die Produkte imaginative Geographien über den bloßen Prozess identitätsstiftend und erzielen (symbolische) Wert- der Imagination hinaus (vgl. ebd., S. 27 f.). Insofern steigerungen, die mit höheren Preisen honoriert fungieren sie nicht nur als Wahrnehmungsraster, werden. Der GPN-Ansatz macht die Schaffung und sondern auch als Orientierungs- und Handlungsrah- Steigerung von Werten (Value) zu einem zentralen men. In diesem Zusammenhang verwendete Begrif- Kriterium für die Erklärung räumlich-organisatori- fe, wie z.B. Repräsentation, Image, Stereotyp oder scher Produktionsmuster. So lässt sich die Annah-

78 Überlegungen zur theoretisch-konzeptionellen Integration

me ableiten, dass imaginative Geographien, die aus auch die Machtposition der Akteure. In Anlehnung der Produktherkunft resultieren, nicht nur durch an das oben genannte Zitat von Levy erscheint es ökonomische Entscheidungen und/oder Handlungen also legitim, von einer diskursiven Macht („discursi- produziert werden, sondern selbst einen konstituie- ve power“) zu sprechen, auch wenn diese im Kontext renden Faktor für die Konfi guration von Produkti- einer sensibilisierten Öffentlichkeit ausgeübt wird onsnetzwerken darstellen. In der sensiblen Agrar- und somit enge Bezüge zur kollektiven Macht („coll- und Ernährungswirtschaft dürfte dieses Argument ective power“) aufweist. umso stärker ins Gewicht fallen. Darüber hinaus weist das Konzept der Embedded- Imaginative Geographien üben zudem gesellschaft- ness als weitere GPN-Analysekategorie deutliche liche Macht aus, da sie als Deutungs- und Erklä- Bezüge zu imaginativen Geographien auf, die in der rungsrahmen sozialer Wirklichkeiten fungieren. Fachliteratur bislang offenkundig übersehen wur- Damit liefern sie Orientierung für die Öffentlichkeit den. Durch die Einbettung ökonomischer Akteure und legitimieren politisches Handeln (vgl. Husseini in ein gemeinsames sozio-kulturelles Umfeld kann de Araújo 2011, S. 28). Ebenso stellt Macht in Glo- ein regionales „Wir-Gefühl“ entstehen, welches die bal Production Networks eine maßgebliche Kom- Herausbildung und Festigung von immateriellen, ponente dar, die zur Erklärung der multiskalaren vertrauensbasierten Beziehungen fördert und so- Netzwerkkonfi guration herangezogen wird. Dabei mit ökonomische Transaktionen erleichtert (vgl. liegt Macht nicht ausschließlich in den Händen öko- Kulke 2009, S. 126). Die Zugehörigkeit zu einer nomischer Akteure („corporate power“), sondern gut vernetzten und nach außen vermarkteten Wirt- auch Institutionen („institutional power“) und zivil- schaftsregion ist potenziell mit einem symbolischen gesellschaftliche Organisationen („collective pow- Mehrwert verbunden, wenn die entsprechenden Un- er“) verfügen über nicht zu unterschätzende Macht- ternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung als Teil potenziale. Vor diesem Hintergrund versteht Levy einer „regionalen Erfolgstory“ gesehen werden. Als (2008) Global Production Networks al s umkämpfte namhafte Beispiele in Deutschland lassen sich die Arenen, „in which actors struggle over the construc- plakativ beworbenen Spitzencluster „Solar Valley tion of economic relationships, governance struc- Mitteldeutschland“ oder „Medicon Valley EMN“ an- tures, institutional rules, and discursive frames“ führen. Letztendlich sind dies aber auch nur Insze- (S. 944). nierungen, die beispielsweise verschleiern, dass die mitteldeutsche Solarindustrie im „Solar Valley“ in Damit beruft er sich auf die Hegemonietheorie von den vergangenen Jahren durch Kürzung von Subven- Antonio Gramsci, wonach gesellschaftliche Macht tionen und starke Konkurrenz chinesischer Unter- über dominante kulturelle Codes in Diskursen wirkt. nehmen enorm unter Druck geraten ist. Diese Codes beinhalten Auffassungen über die so- ziale, politische und kulturelle Welt im Sinne einer Die Tatsache, dass ökonomisches Handeln nicht dominanten öffentlichen Meinung, welche über kontextfrei und zwischen isolierten Akteuren ge- Massenmedien, aber auch über andere gesellschaft- schieht, sondern in fortdauernde Systeme sozialer liche Institutionen vermittelt wird (vgl. Edgar 2008, Beziehungen eingebettet ist, lässt sich an weiteren S. 155). Gerade im Lebensmittelbereich spielen Dis- Beispielen verdeutlichen, die jeweils im Sinne einer kurse um Qualität, Sicherheit, Transparenz, Tierge- „contested issue arena“ zu verstehen sind (vgl. Levy rechtheit, Regionalität etc. eine gewichtige Rolle, da 2008). So spielen umkämpfte Diskurse um Treib- sie den Handlungsdruck auf die Akteure im Produk- hausgasemissionen, Klimawandel und Energiewen- tionsnetzwerk erhöhen. Imaginative Geographien de eine wesentliche Rolle für Unternehmen, die in als diskursive Konstruktionen können dabei beson- energieintensiven Branchen tätig sind. Ähnliches dere Wirkungen entfalten; sie üben nicht nur selbst gilt für die Hersteller von genetisch veränderten Macht aus, sondern beeinfl ussen je nach Kontext Produkten, die sich einer starken Phalanx von Gen-

79 Überlegungen zur theoretisch-konzeptionellen Integration

Abb. 18: Imaginative Geographien im GPN-Analyserahmen

Mehrwert

Imaginative Geographien

Macht Einbet- tung

Diskursiver Rahmen

Quelle: Eigene Darstellung

technik-Gegnern zu erwehren haben. Ebenso sind Diese Perspektive unterstellt, dass Wirtschaftsräu- die ökonomischen Aktivitäten von Lebensmittel- me nicht per se existieren, sondern in überindividuel- produzenten in einen diskursiven Kontext einge- len Prozessen der Produktion und Reproduktion mit bettet, der vielfältige und zum Teil sehr kritische Bedeutungen aufgeladen werden. Verantwortlich Standpunkte widerspiegelt. Vor dem Hintergrund dafür sind Vorstellungen, Bilder oder Assoziationen, der jüngeren Skandale um Dioxin, Pferdefl eisch und die sich je nach Kontext zum handlungsleitenden Bio-Eier haben die entsprechenden Meinungsbild- Maßstab für ökonomische Akteure herauskristalli- ner neue Argumente erhalten. Das Wirkungsgefüge sieren. Die daraus resultierende Neukonfi guration zwischen den Analysekategorien des GPN-Ansatzes der ökonomischen Landkarte(n) basiert demnach (Mehrwert, Macht, Einbettung) und imaginativen auf Imagination(en) und Erfahrung(en). „Moreover, Geographien wird in der Abbildung 18 illustriert. space economies in practice, however they come into being, are always and necessarily supported Die Beispiele machen deutlich, dass die räumlich- by forms and structures that are fi rmly rooted in organisatorische Gestaltung wirtschaftlicher Netz- the ‘imaginary‘. This does not mean that the idea of werke nicht allein mit „harten“ ökonomischen Fakten ‘the economy’ is simply made up and therefore not zu erklären ist, sondern im Sinne neuerer kulturthe- real, but rather, that we experience its reality only oretisch informierter Wirtschaftsgeographien auch through the medium of the imaginary” (Cameron auf „weichen“ nicht-ökonomischen Faktoren beruht. 2009, S. 361).

80 Methodisches Vorgehen

5. Methodisches Vorgehen

5.1 Datenerhebung mittels leitfadengestütz- gestalten. Außerdem sind die entsprechenden Un- ter Experteninterviews ternehmen zumeist international aktiv und liefern daher wichtige Erkenntnisse über Absatzmärkte Im Zentrum dieser Arbeit steht die Frage, wie sich und deren Bearbeitungsformen. Weitere Akteure, Wertschöpfungsprozesse im Lebensmittelbereich die in den Forschungsprozess integriert werden, – am Beispiel von Schweinefl eisch – in räumlich- sind landwirtschaftliche Betriebe mit den Schwer- organisatorischer Hinsicht gestalten und inwieweit punkten Schweinezucht und/oder Schweinemast imaginative Geographien die Beziehungs- und Inter- sowie Organisationen des Viehhandels (z.B. Erzeu- aktionsmuster im Produktionsnetzwerk beeinfl us- gergemeinschaften). Darüber hinaus wird auch der sen. Insbesondere soll die Untersuchung dazu bei- Lebensgroß- und -einzelhandel in die Untersuchung tragen, die komplexen Zusammenhänge zwischen einbezogen. Die Verbraucherseite erfährt dagegen (ökonomischer) Globalisierung und regionalen keine explizite Berücksichtigung, wenngleich sie in- Wirkungsgefügen besser zu verstehen. Aus diesem direkt zweifellos auf die Schweinefl eischproduktion Grund ist das Forschungsprojekt um jenen integra- einwirkt. Jedoch liegt der Fokus dieser Arbeit auf tiven Zugang bemüht, welcher im vorherigen Kapitel den strategischen Entscheidungen der Angebots- dargestellt wurde. seite, welche sich auf die räumlich-organisatorische Konfi guration der Netzwerke auswirken. Diese Ent- Für die Analyse von Produktionsnetzwerken ist scheidungen werden im Ergebnis einzig und allein es erforderlich, die zentralen netzwerkbestim- von den Verantwortlichen in den Unternehmen ge- menden Akteure zu identifi zieren und diese in den troffen. Forschungsprozess einzubinden. Für das gewählte Fallbeispiel der Schweinefl eischproduktion sind vor In methodischer Hinsicht greift die empirische Ar- allem die Schlachtunternehmen und Fleischwaren- beit auf leitfadengestützte Experteninterviews zu- hersteller von Bedeutung (vgl. Abb. 19), da sie die rück. Die Frage, wer als Experte in Betracht kommt, Netzwerkstrukturen und -dynamiken schon allein ist nicht immer eindeutig zu beantworten. Nach aufgrund ihrer zentralen Position entscheidend mit- Bogner/Menz (2002) verfügen Experten durch ihr

Abb. 19: Akteure im Produktionsnetzwerk Schweinefl eisch

Privater Viehhandel Fleischwarenhersteller

Lebensmittel- Schlachtunternehmen einzelhandel

Landwirt Verbraucher

Genossenschaftlicher Fleischerfachgeschäfte Viehhandel

Erzeuger- Gastronomie/ gemeinschaften Großverbraucher

Quelle: Spill er et al. 2005, S. 86

81 Methodisches Vorgehen

Wissen über die Möglichkeit, „in einem bestimm- (vgl. Schnell et al. 1999, S. 355). Außerdem bietet ten organisationalen Funktionskontext hegemoni- die Leitfadenentwicklung genügend Spielraum im al zu werden“ und so „die Handlungsbedingungen Sinne einer fl exiblen Anwendung, um auf bestimmte anderer Akteure (…) in relevanter Weise“ zu be- Antworten gegebenenfalls direkt einzugehen. Da- einfl ussen (S. 46). Im Rahmen eines Forschungs- durch lassen sich subjektive Deutungsmuster und zusammenhangs wird eine Person als Experte an- Problemzusammenhänge sehr gut erfassen. gesprochen, wenn die Annahme besteht, dass sie im Untersuchungsfeld sowohl Fachwissen als auch Die Ausrichtung der Interviews gestaltet sich pro- Erfahrungswissen vorweisen kann. Eine weitere blemzentriert. Das heißt, die Untersuchung setzt an Unterscheidung betrifft die Frage, ob der Exper- einer gesellschaftlichen Problemstellung an, wobei te zu seinem eigenen Handeln und dessen institu- die zentralen Aspekte schon im Vorfeld der empi- tionellen Maximen und Regeln befragt wird oder rischen Arbeit herausgefi ltert und dann gezielt mit ob er Auskunft über die Kontextbedingungen des Hilfe des Leitfadens untersucht werden. Daher ist es Handelns anderer Akteure geben soll (vgl. Meu- für die Leitfadenentwicklung erforderlich, sich vor ser/Nagel 2009, S. 470). Der erste Wissenstypus allem über Literaturrecherchen ein theoretisches trägt die Bezeichnung Betriebswissen, während im Hintergrundwissen zum Untersuchungsgegenstand zweiten Fall von Kontextwissen gesprochen wird. anzueignen und dieses thematisch zu strukturieren, um daraus im Anschluss die zentralen Fragestellun- Richtet sich das Interesse auf Betriebswissen, so gen der Untersuchung abzuleiten. Das bereits er- sollten die Interviewpartner als Entscheidungsträ- wähnte Gebot der Offenheit erlaubt zudem, dass be- ger dafür verantwortlich sein, dass Strategien und stimmte Faktoren und Zusammenhänge, die noch im Maßnahmen entwickelt, umgesetzt oder aber auch Vorfeld der Untersuchung vernachlässigt wurden, blockiert werden. Hier steht also das Handeln des im Lauf des Forschungsprozesses und insbesondere Experten selbst im Mittelpunkt. Zielt die Untersu- bei der Verknüpfung von Deduktion (Theorie) und In- chung dagegen auf Kontextwissen, geht es um „die duktion (Empirie) ihre Berücksichtigung fi nden (vgl. Lebensbedingungen, Handlungsweisen, Entwicklun- Kelle 2008, S. 23 ff.; Lamnek 2005, S. 368). gen bestimmter Populationen, auf die das Experten- handeln gerichtet ist und über die jene durch ihre Allerdings sind Experteninterviews nicht immer Tätigkeit ein spezialisiertes Sonderwissen erwor- unproblematisch. So besteht zum Beispiel die Ge- ben haben“ (ebd., S. 471). Daraus folgt, dass nicht fahr, dass der Interviewte nur sehr zögerlich zu die Person des Experten bzw. dessen Biographie für antworten bereit ist (Eisbergeffekt) oder aber ein den Forscher von Interesse ist, sondern die auf ei- väterliches Wohlwollen gegenüber dem Fragenden nen bestimmten Funktionskontext bezogenen Stra- ausdrückt (Paternalismuseffekt) (vgl. Abels/Beh- tegien des Handelns und Kriterien des Entscheidens rens 1998, S. 85 ff.). Darüber hinaus neigen manche (vgl. ebd., S. 473). Interviewpartner dazu, unangenehmen Fragen aus- auszuweichen oder diese bewusst falsch zu beant- Im Rahmen qualitativer Forschungskonzeptionen worten, um sich selbst bzw. ihrer Institution nicht zu haben sich leitfadengestützte Experteninterviews in schaden. Es ist außerdem möglich, dass der Befrag- vielfacher Hinsicht bewährt. Diese Methode steuert te das Interview nutzt, um seine eigene Kompetenz den Befragten durch ein Grundgerüst von Leitfragen, übermäßig stark zu betonen (Profi lierungseffekt). lässt ihm aber die Möglichkeit, frei und subjektiv zu Demnach sind die gewonnenen Erkenntnisse aus antworten (Mayring 2002, S. 66 f.). Der Vorteil von Experteninterviews immer subjektiv geprägt und Leitfadeninterviews besteht darin, dass durch die der fachliche Hintergrund der interviewten Person offene Gesprächsführung und die Erweiterung von sollte bei der Bewertung der Informationen berück- Antwortspielräumen tiefe Einblicke in die Erfah- sichtigt werden. rungshintergründe des Befragten erlangt werden

82 Methodisches Vorgehen

Die empirische Basis dieser Arbeit besteht aus ins- Vermarktung von Schweinefl eisch beteiligt sind, gesamt 39 Experteninterviews. Die befragten Ex- zählen auch sieben Vertreter einschlägiger Fachin- perten sind allesamt in der Schweinefl eischbranche stitute (z.B. Landwirtschaftskammern, Forschungs- tätig und bilden die gesamte Wertschöpfungskette einrichtungen) zum Kreis der Interviewpartner. ab. Von den 39 Akteuren haben 22 ihren Sitz im Ol- Aufgrund ihres breiten Hintergrundwissens sind denburger Münsterland (OM), während 17 außer- die ausgewählten Personen in der Lage, das aktu- halb der Region ansässig sind. Diese Unterschei- elle Marktgeschehen im Schweinefl eischbereich dung ist insbesondere für die Analyse imaginativer analytisch zu erfassen und zu bewerten. Dieses Geographien wichtig, die sowohl Eigen- wie auch Kontextwissen dient als wertvolle Ergänzung zu Fremdperspektiven berücksichtigt. Als entschei- den individuell unternehmensbezogenen Aussagen dendes Kriterium für die Auswahl der regionsexter- (Betriebswissen) der übrigen Gesprächspartner. Die nen Interviewpartner gilt das Vorhandensein funkti- hohe Anzahl der Interviewpartner aus dem Bereich onaler Beziehungen mit Akteuren aus dem OM. Ob der Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung ist damit solche Beziehungen vorliegen, konnte im Einzelfall zu begründen, dass diese aufgrund ihrer Exportori- durch Vorgespräche sowie Literatur- und Internet- entierung wesentliche Treiber der fortschreitenden recherchen ermittelt werden. Einzig die Vertre- Internationalisierung im Schweinefl eischsektor ter der Primärerzeugung, also Ferkelerzeuger und sind. Für die Analyse globaler Produktionsnetzwer- Schweinemäster, stammen allesamt aus dem Raum ke sind die entsprechenden Unternehmen daher von Cloppenburg und Vechta (vgl. Tab. 4), da hier im Ge- entscheidender Bedeutung. gensatz zu den übrigen Stufen kaum Informationen über etwaige Vernetzungen zugänglich sind. Auch Das Zeitfenster, in dem die Interviews durchgeführt besteht die Gefahr, dass regionsexterne Landwirte wurden, hat einen Umfang von elf Monaten (Juli das OM nicht kennen und daher keine assoziativen 2013 bis Juni 2014). Diese relativ große Spannwei- Verknüpfungen herstellen können. te erklärt sich dadurch, dass einige Interviews einer sehr langen Vorlaufzeit bedurften. Zeitliche Engpäs- Grundsätzlich soll die Auswahl der Interviewpartner se seitens der Interviewpartner haben dazu geführt, die Heterogenität der Branche angemessen wider- dass Gespräche teilweise sogar erst nach Monaten spiegeln. Selbst die einzelnen Stufen weisen zum geführt werden konnten. Besondere Schwierigkei- Teil sehr unterschiedlich strukturierte Unterneh- ten haben sich diesbezüglich mit den Unternehmen men und Betriebe auf. Entsprechend vielschichtig des Lebensmitteleinzelhandels ergeben, die einer ist das Spektrum der in die Untersuchung einbezo- Beteiligung an wissenschaftlichen Arbeiten offen- genen Akteure, die unterschiedliche Größenstruk- bar grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen. Hin- turen, Organisationsformen und Internationalisie- zu kommt die Berücksichtigung saisonaler Arbeits- rungsgrade aufweisen. Neben Vertretern aus der spitzen bei der Kontaktaufnahme mit bestimmten Wirtschaft, die unmittelbar an der Produktion und Akteuren (z.B. Landwirte und Erntezeiten).

Tab. 4: Kategorisierung der Interviewpartner

Wertschöpfungsstufe Anzahl Interviews (davon im OM) Kürzel

Primärerzeugung 9 (9) PE Viehvermarktung 7 (4) VV Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung 11 (6) SZV Lebensmittelgroßhandel/-einzelhandel, Großverbrauch 5 (2) LH/GV Fachinstitutionen 7 (1) FI

Quelle: Eigene Darstellung

83 Methodisches Vorgehen

Für die Durchführung der Interviews wurde das per- den rhetorischen Fähigkeiten der Befragten zusam- sönliche Gespräch bevorzugt. In mehreren Fällen ha- menhängen und obendrein die Lesbarkeit des Textes ben die Experten allerdings den Wunsch geäußert, beeinträchtigen, sind nur vereinzelt nonverbale Ele- das Interview per Telefon zu führen. Daher sind 13 mente in den Transkripten aufgeführt. Nach Anfer- der 39 Gespräche auf telefonischem Weg zustande tigung der wörtlichen Transkripte wurden diese im gekommen. Je nach Auskunftsbereitschaft und zeit- nächsten Arbeitsschritt geglättet, also um Bestand- licher Verfügbarkeit der Experten haben die Inter- teile bereinigt, die für die Auswertung unbrauchbar views zwischen 30 und 120 Minuten gedauert. sind, wie z.B. Wiederholungen, Umformulierungen oder nicht beendete Sätze. Diese geglätteten Tran- 5.2 Transkription und Auswertung des er- skripte bilden schließlich die Grundlage für die Aus- hobenen Datenmaterials wertung und Verschriftlichung der Ergebnisse.

Um die spätere Auswertung der Interviews zu er- Insgesamt wurden 30 der 39 geführten Interviews leichtern und den Verlust wichtiger Informationen aufgezeichnet und transkribiert. Die übrigen Ge- zu vermeiden, wurden die geführten Interviews sprächspartner haben den Wunsch geäußert, das nach Möglichkeit mit einem handelsüblichen MP3- Interview nicht aufzunehmen, um sensible unter- Player aufgezeichnet. Unter Gewährleistung von nehmensinterne Angaben besser zu schützen. Zu- Anonymität und Vertraulichkeit hinsichtlich der dem ist in einem Fall das Aufnahmegerät ausgefal- Datennutzung zeigten sich die meisten Gesprächs- len. Für die nicht aufgezeichneten Interviews liegen partner mit der Aufzeichnung einverstanden. We- stichwortartige Protokolle vor, die jeweils im An- sentliche Vorteile audiovisueller Aufzeichnungen schluss auf Basis von Gesprächsnotizen angefertigt liegen in der Entlastung der Interviewer während wurden. des Gesprächs sowie in der Möglichkeit, die er- hobenen Daten beliebig und vollständig wieder- Für die Auswertung des Materials kam die von zugeben (vgl. Flick 1995, S. 161; Lamnek 2005, Mayring entwickelte Methode der qualitativen ex- S. 367 ff.; Mayring 2002, S. 85). Dies stellt eine plizierenden Inhaltsanalyse (Kontextanalyse) zum wichtige Grundlage für die präzise Auswertung und Einsatz. Deren besondere Stärke liegt in der suk- Analyse dar. Durch die Aufzeichnungen der Inter- zessiven Aufbereitung und Interpretation umfang- views lassen sich zudem paralinguistische Elemen- reicher Datenmengen. Mit Hilfe der qualitativen te wie Gesprächspausen, Lachen, Unterbrechungen explizierenden Inhaltsanalyse lassen sich zunächst und Lautstärkeschwankungen festhalten, die für die die wichtigsten Aspekte für die Untersuchung her- Auswertung der Interviews von Bedeutung sein kön- ausfi ltern, in dem das Datenmaterial in verschiede- nen (vgl. Lamnek 2005, S. 393). ne thematische Einheiten zerlegt wird (vgl. Flick 1995, S. 166; Lamnek 2005, S. 522; Mayring 2010, Die aufgenommenen Interviews wurden im An- S. 50 ff.). Der nächste Arbeitsschritt besteht darin schluss wörtlich transkribiert, um Textformate zu die extrahierten Einheiten zu verschiedenen Aus- erhalten, die sich inhaltsanalytisch auswerten las- wertungskategorien zusammenzufassen, die aus sen. Einzelne Interviewpassagen, die den Unter- den Schwerpunktsetzungen der Interviewpartner suchungsgegenstand bzw. die Forschungsfragen und dem theoriegestützten Interviewleitfaden ge- nicht tangieren, fi nden im Zuge der Transkription bildet werden. Die Auswertungskategorien legen keine Beachtung und sind durch das Kürzel „(…)“ fest, welche Inhalte aus den Transkripten heraus- gekennzeichnet. Wie bereits erwähnt, eröffnet das gefi ltert und analysiert werden, um nicht das ge- Erstellen der Transkripte auch die Möglichkeit, pa- samte Datenmaterial auswerten zu müssen (vgl. ralinguistische Elemente zu berücksichtigen, die im Lamnek 2005, S. 518; Mayring 2010, S.17 ff.). Der Text durch bestimmte Sonderzeichen ausgedrückt Interviewleitfaden dient also nicht nur der Struk- werden. Da diese aber zu einem gewissen Grad mit turierung der Interviews, sondern vereinfacht auch

84 Methodisches Vorgehen

deren Auswertung. Ein wichtiges Gebot im Rahmen genteil beschreibend zur fraglichen Textstelle ste- der Leitfadenkonzipierung ist die verständliche For- hen (vgl. Mayring 2002, S. 118). Dadurch soll die mulierung der Fragen, was eine partielle Loslösung Zusammenführung aller relevanten Fundstellen, die vom theoretisch-konzeptionellen Fachvokabular zur Erklärung und Interpretation des jeweiligen impliziert. Bei der anschließenden Auswertung ist Sachverhaltes beitragen, sichergestellt werden (vgl. darauf zu achten, dass die Schwerpunktsetzungen Lamnek 2005, S. 523; Mayring 2002, S. 117 f.; May- der Befragten nicht durch theoretische Konstrukti- ring 2010, S. 88). Das Heranziehen zusätzlicher onen der Interviewer überblendet werden. Quellen hat den Vorteil, die zu interpretierenden Textstellen aus unterschiedlichen Perspektiven zu Der nächste Auswertungsschritt umfasste die kur- beleuchten, so dass bestimmte Positionen und Mei- ze und prägnante Zusammenfassung der einzelnen nungen gegenübergestellt werden können. Dies Auswertungskategorien durch sinngemäße Wieder- trägt zum Aufdecken wichtiger Zusammenhänge gabe der entsprechenden Interviewpassagen (Pa- bei, die ansonsten verborgen bleiben. raphrasierung). Inhaltsleere, ausschmückende oder vom Untersuchungsgegenstand abweichende Aus- Zudem bilden die Herauslösungen konkreter Ge- sagen wurden dabei entfernt. Die Interpretation sprächsausschnitte, die sich direkt auf die For- der auf diese Weise reduzierten Inhalte erfordert schungsfragen beziehen und von den Interviewpart- den Einbezug zusätzlichen Materials, welches aus nern ausdrücklich so geäußert wurden (wörtliche anderen geführten Interviews oder weiteren Quellen Zitate), ein wesentliches Element der Ergebnisdar- entnommen ist (z.B. statistische Daten, Geschäfts stellung. Die entsprechenden Passagen fungieren berichte und/oder Internetauftritte der Unterneh- als konkrete Ankerbeispiele für die zentralen Aus- men ernehmen, Zeitungsberichte). Diese Informatio- sagen der einzelnen Kategorien und bilden einen nen können defi nierend/erklärend, ausschmückend/ integralen Bestandteil des Abschlussberichtes (vgl. beispielgebend/Einzelheiten aufführend, korrigie- Lamnek 2005, S. 513). rend/modifi zierend oder auch antithetisch/das Ge-

85 Agrar-Kompetenzregion Oldenburger Münsterland

6. Agrar-Kompetenzregion Oldenburger Münsterland

6.1 Lage und strukturelle Entwicklung und Oldenburg im Osten, Osnabrück im Süden sowie dem Emsland im Westen hat sich ein prosperieren- Als Referenzregion für moderne Organisationsfor- der Wirtschaftsraum im westlichen Niedersachsen men in der Erzeugung und Vermarktung von Schwei- gebildet, der eine Vielzahl an erfolgreichen mittel- nefl eischprodukten bietet sich das im westlichen ständischen Unternehmen („Hidden Champions“) Niedersachsen gelegene Oldenburger Münsterland beherbergt. Die Lage der beiden Landkreise Clop- (OM) in besonderem Maße an. Die auch als Südolden- penburg und Vechta zeigt die Abbildung 20. burg bezeichnete Region, bestehend aus den Land- kreisen Cloppenburg und Vechta, gilt als Hochburg der Die positive Entwicklung der Region lässt sich ins- Nutztierhaltung mit ausgesprochen hoher Tierdich- besondere anhand der sehr niedrigen Arbeitslosen- te und einem leistungsstarken Produktionssystem quote festmachen, die im Jahr 2013 bei lediglich einschließlich vor- und nachgelagerter Wirtschafts- 4,8 % lag (vgl. Verbund OM 2014). Dieser Wert bereiche. Ein charakteristisches Merkmal stellt die kommt einer Vollbeschäftigung sehr nahe. Gleich- religiös-konservative Mentalität der Einwohner dar, zeitig hat sich der Anteil der sozialversicherungs- die zu rund 80 % dem römisch-katholischen Glauben pfl ichtig Beschäftigten zwischen 2000 und 2013 um anhängen, während dieser Anteil in den umliegen- 33,9 % erhöht, während das Land Niedersachsen im den Landkreisen bei unter 15 % liegt. Diese religiö- gleichen Zeitraum lediglich einen Zuwachs von 8,1 se Diasporasituation und geringe soziale Bindungen % verzeichnen konnte (vgl. ebd.). Als wesentliches zu den Nachbarkreisen haben zu einer eigenen, his- Standbein für diesen Wirtschaftsboom im Oldenbur- torisch gewachsenen Identität geführt, welche als ger Münsterland gilt das Agribusiness, welches über wichtiger Einfl ussfaktor für die Herausbildung einer äußerst moderne und wettbewerbsfähige Struktu- intensiven Agrar- und Ernährungswirtschaft gese- ren verfügt. So sind die Betriebe des primären Sek- hen wird (vgl. Klohn/Voth 2008, S. 7). tors eng verfl ochten mit der weiterverarbeitenden Stufe, auf der die erzeugten Rohmaterialien in End- Das Oldenburger Münsterland umfasst eine Fläche bzw. Zwischenprodukte umgewandelt werden. Dabei von 2.230 km² und eine Bevölkerung von 293.495 spielt die stetig expandierende und nunmehr global Einwohnern (Stand: 31.12.2012; vgl. Verbund OM agierende Ernährungswirtschaft eine herausragen- 2014). Die Bevölkerungsdichte liegt folglich bei 132 de Rolle, wobei der Schwerpunkt in der Veredelung Einwohnern pro km² und damit unter dem nieder- von tierischen Produkten liegt. In diesem Segment sächsischen Landesdurchschnitt (163 Einwohner sind Unternehmen, wie z.B. die PHW-Gruppe (Wie- pro km²). Trotz dieser ländlichen Prägung verläuft senhof), Deutsche Frühstücksei oder Böseler Gold- die Bevölkerungsentwicklung ausgesprochen dy- schmaus, sehr erfolgreich. Auch in der Agrartechnik namisch und Prognosen deuten darauf hin, dass in ist die Region international führend, so dass Wind- den beiden Landkreisen Cloppenburg und Vechta horst (2004) sogar von einem „Silicon Valley“ der im Jahr 2031 rund 340.000 Einwohner leben wer- Agrartechnologie spricht (S. 101). den (vgl. ebd.). Die großräumige Lage wird durch die Stadt Bremen und den Unterweserraum im Norden Die starke Konzentration und Spezialisierung im Be- und den Ballungsräumen an Rhein und Ruhr im Sü- reich der Tierveredelung ist zu einem gewissen Grad den bestimmt, wobei das OM mit der BAB 1 über auf die ungünstige naturräumliche Ausstattung mit eine hochrangige Straßenverbindung zu diesen und mineralstoffarmen Sandböden zurückzuführen, was anderen Teilräumen verfügt (vgl. Mose et al. 2007, den Anbau von Getreide, Obst und Gemüse limitiert. S. 137). Im Verbund mit den angrenzenden Land- Eine Ausnahme bildet der Sandlößstreifen nördlich kreisen Ammerland und Leer im Norden, Diepholz von Vechta, der als Grundlage für ein intensiv be-

86 Agrar-Kompetenzregion Oldenburger Münsterland

Abb. 20: Lage des Oldenburger Münsterlandes in Niedersachsen

 Quelle: Klohn/Voth 2008, S. 8 wirtschaftetes Obst- und Gemüseanbaugebiet dient zeichnet, die insbesondere nach dem Zweiten Welt- (vgl. Klohn/Voth 2008, S. 7). Insgesamt markiert krieg eine grundsätzlich positive Tendenz aufweisen die (agrar-)industrielle Basis einen erfolgreichen (vgl. Tab. 6). Jedoch fordern die wirtschaftliche Dy- Entwicklungspfad, der das Oldenburger Münster- namik und der damit einhergehende Wohlstand ei- land von einer ehemals strukturschwachen Region nen hohen Preis, der sich in zunehmenden ökolo- zu einem prosperierenden ländlichen Raum oder gischen Problemen niederschlägt. Für diese und auch einem „Land mit Aussicht“ (Berlin-Institut andere Problemlagen, die das OM als Inbegriff eines für Bevölkerung und Entwicklung 2009) werden agrarischen Intensivgebietes zu bewältigen hat, ließ. Die wesentlichen Kennzahlen zum OM sind in müssen Lösungsansätze und Anpassungsmecha- der Tabelle 5 aufgeführt. nismen gefunden werden. Zunächst stehen jedoch die einzelnen Entwicklungsphasen im Vordergrund. 6.2 Agrarhistorische Entwicklung Phase der Subsistenzwirtschaft (bis 1894) Die historische Entwicklung des Oldenburger Müns- Noch vor etwa 1895 war die Landwirtschaft im terlandes ist durch unterschiedliche Phasen gekenn- Oldenburger Münsterland ganz überwiegend auf

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Tab. 5: Strukturdaten/-vergleich Oldenburger Münsterland

Oldenburger Strukturmerkmal Deutschland Niedersachsen Münsterland

Fläche 357.022 km² 47.616 km² 2.230 km²

Bevölkerung (2012) 80.523.746 EW 7.778.995 EW 293.495 EW

Bevölkerungsentwicklung (2000-2012) -2,1 % -1,9 % 6,3 %

Bevölkerungsdichte (2012) 226 EW/km² 163 EW/km² 132 EW/km² 77.032.000 7.442.242 339.404 Bevölkerungsprognose für 2031 (-5,8 %) (-6,0 %) (15,6 %) Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 29.268.618 2.633.743 114.394 (2013) Beschäftigtenentwicklung (2000-2013) 5,2 % 8,1 % 33,9 %

Arbeitslosenquote (2013) 6,9 % 6,6 % 4,8 %

Bruttoinlandsprodukt (2011, in Mio.) 2.592.600 € 224.287 € 8.987 €

BIP-Entwicklung (2000-2011) 26,6 % 26,5 % 52,8 %

Quelle: Verbund OM 2014

Selbstversorgung ausgerichtet. Aufgrund der tigere Lagefaktoren, welche die Möglichkeiten für schlechten naturräumlichen Ausstattung boten sich eine marktorientierte Produktion eröffneten. Diese in der Region ursprünglich keine Voraussetzungen waren einerseits durch den Zukauf importierter für eine über die Subsistenzwirtschaft hinausgehen- Dünge- und Futtermittel über die Unterweserhä- de Entwicklung der Landwirtschaft. Minderwertige fen und andererseits durch den Absatz agrarischer Sandböden, unzureichende Dünge- und Futtermit- Produkte auf den Märkten an Rhein und Ruhr telgrundlagen sowie mangelhafte Verkehrsverbin- bestimmt. Mit der Einführung einer intensiven dungen kennzeichneten die Lage um 1880 (vgl. Schweine- und Kälbermast um die vorletzte Jahr- Klohn/Voth 2008, S. 16). Zugleich führten stei- hundertwende wurde der Grundstein für die Ver- gende Bevölkerungszahlen zu einer Vergrößerung edelungswirtschaft im OM gelegt (vgl. Mose et al. der Kluft zwischen Nahrungsmittelproduktion und 2007, S. 37 f.). Als entscheidende Strukturelemente Nachfrage. Die Konsequenz waren Heuerlingswe- kristallisierten sich Lebendvermarktung und Mast sen18, Hollandgängerei und Auswanderung, infolge- auf Zukauffutterbasis heraus, während der Absatz dessen sich die angespannte Versorgungssituation der Produkte in das expandierende Ruhrgebiet jedoch nur geringfügig verbessern konnte (vgl. ebd.). zur bedeutendsten Funktionalbeziehung aufrückte. Mit der Zunahme ökonomischer Außenbeziehungen 1. Phase der Intensivierung (1895 bis 1914) im Rahmen eines raschen Diffusionsprozesses kam Erst mit der Anbindung an das Eisenbahnnetz ge- es zu einer weitreichenden Umstrukturierung von gen Ende des 19. Jahrhunderts ergaben sich güns- Landwirtschaft und Gesellschaft. 18 Heuerlingswesen bezeichnet die aus sozialer Not ent- standenen Verträge zwischen Bauern und Heuerleuten. Phase der Instabilität (1914 bis 1949) Diese Verträge verspfl ichteten die Heuerleute zur Bereit- Eine wechselvolle Geschichte erlebte das Olden- stellung ihrer Arbeitskraft auf dem Hof, wofür sie im Ge- genzug eine Unterkunft und ein Stück Ackerland erhiel- burger Münsterland zwischen 1914 und 1949. Vor ten. Diese Verträge waren jährlich kündbar. dem Hintergrund zweier Weltkriege erfolgte mehr-

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Tab. 6: Sozioökonomischer und agrarstruktureller Wandel im Oldenburger Münsterland

Zeitraum Kennzeichen der Entwicklung

bis 1894 Phase der Subsistenzwirtschaft x Fehlende Verkehrsanbindung x Mangelnde Dünge- und Futtermittelversorgung x Heuerlingswesen, Hollandgängerei, Auswanderung

1895 bis 1914 1. Phase der Intensivierung x Eisenbahnbau x Zufuhr von Futter- und Düngemitteln x Aufbau von Marktbeziehungen x Entstehen marktorientierter Veredelungsbetriebe

1914 bis 1949 Phase der Instabilität x Weltkriege x Weltwirtschaftskrise x Zusammenbruch der Futterversorgung und der Marktbeziehungen

1950 bis 1980 2. Phase der Intensivierung x Prosperitätsphase (allgemeiner Wohlstand) x Unbegrenzte Einfuhrmöglichkeit von Futtermitteln x Große Fortschritte in der Agrartechnik (z.B. Fütterungsautomaten) x Ausbau der Infrastruktur x Spezialisierung landwirtschaftlicher Betriebe x Entstehung vertikal integrierter agrarindustrieller Unternehmen x Entstehung räumlicher Verbundsysteme x Auftreten erster Umweltprobleme

1980 bis 1992 Phase der Problemakkumulation x Gesellschaftlicher Wertewandel hinsichtlich des Umwelt- und Naturschutzes x Marktsättigung und sinkende Nachfrage nach einigen Agrarprodukten x Wachsende Probleme hinsichtlich der umweltverträglichen Entsorgung tierischer Exkremente x Seuchenzüge (u.a. Schweinepest) x Zunehmendes Negativ-Image der Region x Wachsende Konkurrenz aus dem Ausland und Verlust von Marktanteilen

ab 1992 Phase der Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen x Suche nach neuen Wegen in der umweltverträglichen Entsorgung tierischer Ex- kremente (z.B. Verbringung in Nachbarkreise) x Aufbau von Qualitätssicherungssystemen x Ausweitung der Aktivitäten großer Unternehmen in die neuen Bundesländer x Zunehmende Kritik an der konventionellen Käfighaltung x Anpassung an neue rechtliche Rahmenbedingungen in der Haltung von Legehennen im Zuge der Tierschutz-Nutztierverordnung x Aufbau von Präventivmaßnahmen gegen die Vogelgrippe (H5N1-Virus) x Neubewertung der Reststoffe aus der Tierhaltung als wertvoller Rohstoff und evtl. Bau technischer Anlagen zu deren Verwertung

Quelle: Klohn/Voth 2008, S. 27

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mals ein Zusammenbruch der Marktbeziehungen Familienbetrieben bewältigen, während die kapi- und der lebensnotwendigen Futterversorgung (vgl. talintensive Gefl ügelhaltung in vertikal integrierte Nischwitz 1996, S. 21). Auch die Zwischenkriegs- Großunternehmen überführt wurde (vgl. Nischwitz zeit war durch eine wechselhafte Entwicklung ge- 1996, S. 23). kennzeichnet. Den negativen Konsequenzen der Weltwirtschaftskrise in den späten 1920er Jahren Phase der Problemakkumulation (1980 bis 1992) folgte eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs Nach der rasanten Entwicklung der Intensivland- nach Gründung des Dritten Reiches. Während des wirtschaft im Oldenburger Münsterland über drei Zweiten Weltkriegs kam es schließlich zu einem Jahrzehnte musste es zwangsläufi g zu Problemen dramatischen Zusammenbruch der Versorgungs- kommen. Insbesondere sind dies ökologische Prob- beziehungen, wenngleich die Zerstörungen durch lemlagen, die sich aus der hohen Konzentration von Luftangriffe nicht so gravierend waren, wie in ande- Tierbeständen ergeben. Dazu zählen (vgl. Mose et ren Regionen Niedersachsens. Der instabile und dis- al. 2007, S. 140 f.): kontinuierliche Entwicklungspfad des Oldenburger • Überschüsse an tierischen Exkrementen bei li- Münsterlandes setzte sich bis in die Nachkriegszeit mitierten Aufnahmekapazitäten der Agraröko- fort. systeme • Emissionen aus Tierhaltungsanlagen und der 2. Phase der Intensivierung (1950 bis 1980) Ausbringung von Wirtschaftsdünger (z.B. Am- Die Zeit des Wiederaufbaus und des so genannten moniak, Methan, Lachgas), „Wirtschaftswunders“ in den 1950er Jahren mar- • Gefährdungspotenziale durch Tierseuchen- kierte den Beginn einer beispiellosen wirtschaft- krankheiten (z.B. Salmonellen, Schweinepest), lichen Entwicklung im Oldenburger Münsterland. • Konfl iktpotenziale hinsichtlich der artgerech- Kennzeichnend waren die Wiederaufnahme der ten Nutztierhaltung infolge veränderter gesell- Marktbeziehungen für landwirtschaftliche Pro- schaftlicher Ansprüche (Ablehnung der „Mas- dukte und die Einfuhr von Futtermitteln über die sentierhaltung“). Hafenstädte in größeren Mengen. Die Ausweitung der Viehbestände war die logische Konsequenz, Seither wird die Veredelungswirtschaft im OM durch zumal die Nachfrage nach tierischen Produkten eine Phase der Stagnation, des Bestandsabbaus und kontinuierlich anstieg. Die frühen Erfolge sorgten der Verlagerung von Produktionskapazitäten an an- für Optimismus, Unternehmergeist und Risikobe- dere Standorte geprägt. Zudem dürfte das Image reitschaft – Eigenschaften, die einen sich selbst der Region gelitten haben, zumal die öffentliche verstärkenden Wachstumsprozess begünstigten. Im Diskussion bis heute sehr kritisch und emotional ge- Zusammenhang mit wachsendem Wohlstand, konse- führt wird. Vor diesem Hintergrund stehen die Tier- quenter Nutzung von technischen Neuerungen, en- halter nach wie vor unter Druck von gesellschaftli- gen Kooperationsbeziehungen im Agrarsektor und chen Gruppen, die eine stärkere Berücksichtigung leistungsfähigen Infrastrukturen entwickelte sich von Umwelt- und Tierschutzbelangen fordern (vgl. das OM zu einem fl orierenden Agrarintensivgebiet Nischwitz 1996, S. 23 f.). moderner Prägung (vgl. Klohn/Voth 2008, S. 17). Nach der anfänglichen Dominanz des Mastschwei- Phase der Anpassung an veränderte Rahmenbedin- nesektors kamen in den 1960er Jahren Legehen- gungen (ab 1992) nenhaltung sowie Hähnchen- und Kälbermast hinzu, Die geschilderten Problemlagen haben die Inten- was einen explosionsartigen Anstieg der Nutztier- sivlandwirtschaft im Oldenburger Münsterland zu bestände zur Folge hatte, der bis etwa 1980 anhielt. Anpassungsmaßnahmen gezwungen, welche auch Dabei konnten die Landwirte in der Schweinemast von Seiten des Gesetzgebers forciert wurden. Dies den Prozess der inneren Spezialisierung und Auf- hat zur Beschreitung neuer Wege in der Verwertung stockung größtenteils in den eigenen bäuerlichen tierischer Reststoffe beigetragen, wie z.B. Kom-

90 Agrar-Kompetenzregion Oldenburger Münsterland

postierung oder auch thermische Verwertung (vgl. Region über einen Bestand von 2,3 Mio. Schweinen, Klohn/Voth 2008, S. 19). Auch die sich abzeich- von denen sich 1,24 Mio. im Landkreis Cloppenburg nende Neubewertung der tierischen Exkremente als und 1,06 Mio. im Landkreis Vechta befi nden (vgl. wertvoller Rohstoff beispielsweise für den Betrieb Tab. 7). Das sind 27,3 % aller niedersächsischen von Biomassevergasungsanlagen könnte zur Pro- Schweine. Im Vergleich zum Jahr 1999 hat sich der blemlösung beitragen. Weiterhin hat die zuneh- Schweinebestand im OM um 26,1 % erhöht, während mende Kritik an der konventionellen Käfi ghaltung er in Niedersachsen lediglich um 11,8 % und in von Legehennen dazu geführt, dass sowohl auf der Deutschland gar nur um 5,6 % angestiegen ist (vgl. EU- als auch auf nationaler Ebene neue rechtliche Bäurle/Tamásy 2012, S. 32 ff.). Unter Hinzunahme Regelungen in Kraft getreten sind – mit der Folge der Landkreise Emsland und Osnabrück (jeweils Nie- einer weit reichenden Umstrukturierung zahlreicher dersachsen) sowie Borken, Coesfeld, Steinfurt und Anlagen im Raum Cloppenburg und Vechta (vgl. ebd., Warendorf (jeweils NRW) bildet das OM den Kern ei- S. 19). Auch im Zuge der Wiedervereinigung haben ner hochkonzentrierten Veredelungsregion. So sind einige agrarindustrielle Unternehmen aus dem OM in diesen acht Landkreisen rund 8,2 Mio. Schweine neue Chancen ergriffen und Produktionskapazitä- lokalisiert, was annähernd 30 % der gesamtdeut- ten in den neuen Bundesländern erworben oder neu schen Schweinebestände entspricht. Die herausra- aufgebaut. Abzuwarten bleibt auch, wie sich die seit gende Stellung Nordwestdeutschlands wird in der dem 01.01.2013 verpfl ichtende Umstellung auf darauf folgenden Karte verdeutlicht (vgl. Abb. 21). Gruppenhaltung tragender Sauen auf die entspre- chenden Betriebe in der Region auswirkt. Der Struk- Eine noch größere Aussagekraft als die absoluten turwandel dürfte sich dadurch weiter beschleuni- Tierzahlen geht von den so genannten Schweinebe- gen. Dieser kurze Überblick beschreibt nur einige satzdichten aus. Diese geben die durchschnittliche wenige Beispiele der Anpassung an die veränderten Anzahl der Schweine pro 100 ha landwirtschaftlich Rahmenbedingungen, die sich in den letzten Jahren genutzter Fläche (LF) an. Die höchsten Dichtewer- vollzogen haben. te entfallen demnach auf Vechta (1.674 Schweine pro 100 ha LF), Cloppenburg (1.327 Schweine pro 6.3 Strukturen und Entwicklungen im Schwei- 100 ha LF) und Coesfeld (1.255 Schweine pro 100 nefl eischsektor ha LF). Weiterhin verfügen auch die Landkreise Bor- ken und Warendorf über Schweinebesatzdichten Einen wichtigen Teilbereich der Agrar- und Er- von mehr als 1.000 Tieren. Zudem drückt sich die nährungswirtschaft im Oldenburger Münsterland Sonderstellung des Oldenburger Münsterlandes in stellt die Produktion von Schweinefl eisch dar. Nach den durchschnittlichen Bestandszahlen pro Betrieb Angaben der niedersächsischen Landwirtschafts- aus. Diese liegen mit 1.328 bzw. 1.122 Schweinen wirtschaftszählung aus dem Jahr 2010 verfügt die in den Landkreisen Cloppenburg und Vechta er-

Tab. 7: Schweinebestand im Oldenburger Münsterland 2010

Oldenburger Cloppenburg Vechta Niedersachsen Münsterland

Ferkel 280.326 212.819 493.155 2.455.891

Zuchtsauen 64.572 53.127 117.699 596.735 Jung-, Mastschweine, 897.154 792.852 1.690.006 5.376.105 Zuchteber

Schweine gesamt 1.242.052 1.058.798 2.300.850 8.428.731

Quelle: LSKN 2012

91 Agrar-Kompetenzregion Oldenburger Münsterland

Abb. 21: Schweinebestände in den Landkreisen Deutschlands 2010

 Quelle: Bäurle/Tamásy 2012, S. 38 (Datenbasis: LSKN 2012)

92 Agrar-Kompetenzregion Oldenburger Münsterland

heblich über dem deutschen Durchschnitt von 459 durch Intermediäre bestehen in der Bündelung des Schweinen. Im Bundesvergleich erreichen jedoch Schlachtschweineangebotes und im Aushandeln einige Landkreise in Ostdeutschland deutlich grö- besserer Konditionen für die Landwirte. Spiller et ßere Durchschnittsbestände. Beispielsweise sind al. (2005) sehen das Potenzial horizontaler Koope- im Jerichower Land (Sachsen-Anhalt) durchschnitt- rationsformen in der Schlachtschweinevermarktung lich 4.114 Schweine pro Betrieb zu verzeichnen (vgl. jedoch keineswegs ausgeschöpft und plädieren in Statistische Ämter des Bundes und der Länder ihrem „Nordwestdeutschen Modell“ für eine stärke- 2011, S. 32). re Zusammenarbeit zwischen den Vermarktungsein- heiten. Die Entwicklung des Oldenburger Münsterlandes zu einer Hochburg der Schweinehaltung liegt ursprüng- Mit Blick auf die Schlachtung und Verarbeitung der lich in der ökologischen Ungunst des Raumes und der Schweine verfügt das Oldenburger Münsterland Unmöglichkeit einer profi tablen Pfl anzenproduk- über eine Vielzahl an Unternehmen mit unterschied- tion begründet (vgl. Klohn/Voth 2008, S. 41). Ge- lichen Kapazitäten, Spezialisierungsgraden und Ab- genwärtig ist dagegen die Flächengröße als limitie- nehmerstrukturen (vgl. Tab. 8). Bemerkenswert ist render Faktor zu nennen, denn die kleineren Flächen die Tatsache, dass mit Vion, Danish Crown, Böseler im OM lassen kaum Marktfruchtbau zu. Dieser ist Goldschmaus, BMR und Gausepohl gleich fünf der wegen der geringen Gewinnmargen nur auf großen nationalen Top 10 Schlachtunternehmen mit eige- Betriebsfl ächen rentabel. Weil die landwirtschaftli- nen Produktionsstätten im OM vertreten sind (vgl. chen Betriebe in den Landkreisen Cloppenburg und ISN 2013). Zudem haben die Übernahmen von Niet- Vechta fl ächenmäßig nicht wachsen konnten und feld Feinkost (Dinklage, 2010) und D&S Fleisch (Es- weil kaum außerlandwirtschaftliche Arbeitsplät- sen, 2011) durch die dänischen Unternehmen Tulip ze als Alternative zur Verfügung standen, mussten und Danish Crown eine besondere Aufmerksamkeit die Betriebsinhaber innerbetrieblich aufstocken, erlangt. Neben den kontinuierlich steigenden Ex- also mehr Tiere pro Flächeneinheit halten (vgl. ebd., portquoten ist dies ein weiteres Indiz für die zuneh- S. 42). Dieser Anpassungsmechanismus hat vielen mende Internationalisierung des Schweinefl eisch- Betrieben die Weiterexistenz ermöglicht. sektors im OM.

Ein charakteristisches Merkmal der Schweinehal- Ein Blick auf die Entwicklung der Schweineschlach- tung im Oldenburger Münsterland ist im hohen Fer- tungen in Deutschland und Niedersachsen zeigt, keldefi zit zu sehen. Pro Jahr müssen etwa 1,5 Mio. dass die Schlachtzahlen zwischen 2001 und 2011 Ferkel in die beiden Landkreise eingeführt werden, erheblich gestiegen sind (vgl. Tab. 9). Während in wobei der Zukauf in besonderem Maße aus Däne- der gesamten Bundesrepublik im Jahr 2001 noch mark und den Niederlanden erfolgt. Dabei spielen knapp 44,0 Mio. Schweine geschlachtet wurden, wa- spezialisierte Intermediäre, wie z.B. Ferkelerzeu- ren es 2006 bereits über 50,0 Mio. und 2011 sogar gergemeinschaften eine wichtige Rolle. Auch die annähernd 60,0 Mio. Das bedeutet einen Anstieg Vermarktung der Schlachtschweine erfolgt im OM von 35,2 % innerhalb von zehn Jahren. Noch rasan- vornehmlich durch professionelle Viehhandelsor- ter verlief die Entwicklung in Niedersachsen, wo die ganisationen. In diesem Kontext attestieren Theuv- Zahl der Schweineschlachtungen im gleichen Zeit- sen/Recke (2008) „eine im Großen und Ganzen raum von 11,7 Mio. auf 18,4 Mio. gesteigert werden wenig kooperative, stark zersplitterte Schlacht- konnte. Besonders deutlich ist hier die Dominanz schweinevermarktung“ (S. 76). Demnach spielen ne- des ehemaligen Regierungsbezirks Weser-Ems, der ben der polypolistischen Vermarktung und dem pri- allein über 80 % aller niedersächsischen Schweine- vaten Viehhandel auch Erzeugergemeinschaften schlachtungen abdeckt. und Viehvermarktungsgenossenschaften eine wich- tige Rolle. Wesentliche Vorteile der Vermarktung

93 Agrar-Kompetenzregion Oldenburger Münsterland

Tab. 8: Unternehmen der Schweinefl eischerzeugung im Oldenburger Münsterland (Auswahl)

Name Ort Anmerkung

Bäkehof Friesoythe Bauerngut (Edeka)

BMR Schlachthof Garrel

Böseler Goldschmaus Garrel

Brand Qualitätsfleisch Lohne

Burgwald Dinklage

Danish Crown (DK) Essen ehemals D&S

Eichkamp Garrel

Fleisch-Krone Feinkost Essen

Gausepohl Hauptsitz in Dissen a.T.W.

Kampsen Cloppenburg

Kemper Cloppenburg Hauptsitz in Nortrup

Schinken Einhaus Friesoythe Reinert-Gruppe

Schmitz Lohne

Schypke Steinfeld

Sickendiek Neuenkirchen-Vörden Reinert-Gruppe

Spille Barßel

Steinemann Steinfeld

Tulip (DK) Dinklage ehemals Nietfeld

Vion Food (NL) Emstek

Wernke Cloppenburg Sprehe-Gruppe

Wernsing Feinkost Essen

Quelle: Eigene Darstellung

Im Oldenburger Münsterland ist die Entwicklung verantwortlich. Bemerkenswert ist zudem die Ent- im Schlachtsektor sehr unterschiedlich verlaufen. wicklung im Emsland. Dort hat sich die Anzahl der So waren die Zahlen im Landkreis Vechta zwischen Schweineschlachtungen im betrachteten Zeitraum 2001 und 2011 entgegen dem Trend sogar rück- um mehr als das Zweieinhalbfache erhöht und liegt läufi g, während der Landkreis Cloppenburg sein im Jahr 2011 bei 4,3 Mio. Als Hauptgrund für die- Schlachtvolumen in der gleichen Zeit nahezu ver- se Entwicklungen – sowohl im Emsland als auch in doppeln konnte. Mit fast 9,0 Mio. geschlachteten Cloppenburg – sind die enormen innerbetrieblichen Schweinen ist der Landkreis Cloppenburg für knapp Ausweitungen der Schlachtkapazitäten zu sehen, die Hälfte aller niedersächsischen Schlachtungen die von den Unternehmen während der letzten Jah-

94 Agrar-Kompetenzregion Oldenburger Münsterland

Tab. 9: Schweineschlachtungen in Deutschland und Niedersachsen 2001 bis 2011

2001 2006 2011 Veränderung 2001-2011

Deutschland 43,99 Mio. 50,11 Mio. 59,47 Mio. +15,48 Mio. (+35,2 %)

Niedersachsen 11,72 Mio. 14,97 Mio. 18,42 Mio. +6,70 Mio. (+57,2 %)

Weser-Ems 8,59 Mio. 11,41 Mio. 14,81 Mio. +6,22 Mio. (+72,4 %)

Cloppenburg 4,52 Mio. 6,53 Mio. 8,84 Mio. +4,32 Mio. (+95,6 %)

Emsland 1,66 Mio. 2,60 Mio. 4,30 Mio. +2,64 Mio. (+159,0 %)

Vechta 1,17 Mio. 1,38 Mio. 1,00 Mio. -0,17 Mio. (-14,5 %)

Quelle: ZMP 2012, LWK Niedersachsen 2012a re insbesondere aufgrund des wachsenden Export- das OM zur „erfolgreichsten aller ländlichen Regio- geschäfts vorangetrieben wurden. Der Neubau von nen in Deutschland“ entwickelt hat. Diese „Vorlage“ Schlachthöfen ist diesbezüglich nur von unterge- kommt logischerweise in der regionalen Eigenwer- ordneter Bedeutung. bung zum Ausdruck, die in vielfältiger Weise den Aufstieg „vom Armenhaus zur Boomregion“ propa- Die beschriebenen Entwicklungen zeigen die giert. enorme regionale Konzentration des Schweine- fl eischsektors im nordwestdeutschen Raum. Das Die Grundlage für diese dynamische Entwicklung Oldenburger Münsterland bildet den Kern dieser bildet die Agrar- und Ernährungswirtschaft, die sich hochspezialisierten Veredelungsregion, da es nicht durch moderne, stark vernetzte Produktionsstruk- nur in der Schweinehaltung sehr hohe Tierzahlen turen auszeichnet. So haben sich im Dunstkreis von und Besatzdichten aufweist, sondern auch über eine Ackerbau und Viehzucht beispielsweise Landma- Vielzahl großer Schlacht- und Verarbeitungsunter- schinenbauer, Hersteller von Stall- und Fütterungs- nehmen verfügt. Dazwischen nimmt die Stufe der anlagen, Gemüseverarbeiter sowie Kunststoff- und Schlachtviehvermarktung eine wichtige Position im Verpackungsbetriebe angesiedelt, die teilweise so- Produktionsnetzwerk ein. Insgesamt befi nden sich gar zu Weltmarktführern aufgestiegen sind. Zudem die Schweinefl eischproduzenten in einer schwieri- bildet das institutionelle Umfeld einen Positivfak- gen Wettbewerbssituation, so dass es zwangsläufi g tor, da es als pragmatisch und unternehmerfreund- zu Betriebsschließungen und Übernahmen kommt. lich gilt und somit die Investitionsbereitschaft Der viel zitierte Ausspruch „wachsen oder weichen“ fördert. Diese gesunde wirtschaftliche Basis wirkt trifft folglich auch auf den Schweinefl eischsektor sich begünstigend auf die soziodemographische zu und fi ndet im OM seine Bestätigung. Entwicklung der Region aus. So zählen Cloppenburg und Vechta zu den geburtenstärksten Landkreisen 6.4 Ausblick in Deutschland; folglich ist die Bevölkerung als rela- tiv jung zu bezeichnen.19 Zusätzlich weist die Region Die strukturelle Entwicklung der Agrar-Kompetenz- deutliche Wanderungsgewinne auf, so dass die Be- region Oldenburger Münsterland stellt zweifellos völkerung noch bis mindestens 2030 wachsen wird, eine regionale Erfolgsstory dar, welche auch in wis- 19 senschaftlichen Studien als solche gewürdigt wird. Im Oldenburger Münsterland liegt der Anteil der unter 20-Jährigen bei 26 %, wohingegen nur 15 % älter sind als Beispielsweise spricht das Berlin-Institut für 65 Jahre. Für ganz Deutschland betrachtet liegen diese Bevölkerung und Entwicklung (2009) von einem Werte bei 19 bzw. 20 % (vgl. Berlin-Institut für Bevöl- „kleinen Wirtschaftswunder“, infolge dessen sich kerung und Entwicklung 2009, S. 7).

95 Agrar-Kompetenzregion Oldenburger Münsterland

während sie in Deutschland und Niedersachsen be- burger Münsterlandes fußt auf einer Art der tieri- reits heute schon schrumpft. schen Produktion, die ethisch mindestens fragwür- dig, wenn nicht gar inakzeptabel ist. Es ist zu fragen, Trotz dieser positiven Ausgangssituation ist die ge- ob die Region also überhaupt eine ‚Erfolgsregion‘ genwärtige und mehr noch die zukünftige Entwick- ist und als Modell einer solchen präsentiert werden lung des Oldenburger Münsterlandes mit Risiken da rf“ (S. 70). behaftet. Insbesondere aufgrund der nach wie vor ungelösten ökologischen Probleme, die sich aus Zusammenfassend lässt sich also konstatieren, der Intensivtierhaltung ergeben, bleibt die Regi- dass der Entwicklungspfad des Oldenburger Müns- on im Fokus einer kritischen Öffentlichkeit. Große terlandes zumindest in der Diskussion steht. Die Re- Schwierigkeiten bereiten vor allem die Verwertung gion läuft Gefahr, in der Außenwahrnehmung zuneh- überschüssiger Reststoffe (z.B. tierische Exkre- mend auf die Intensivlandwirtschaft und den damit mente) und die Reduzierung von Treibhausgas- verbundenen Problemen reduziert zu werden, was Emissionen. Immer wieder werden hohe Nitratkon- sich nachteilig auf das regionale Image auswirken zentrationen im Grundwasser beanstandet, die aus dürfte. Ob die Region mit ihrem starken sozioöko- Überdüngung der Ackerfl ächen resultieren und die nomischen Fundament weiterhin erfolgreich bleibt, Trinkwasserqualität potenziell gefährden (vgl. NWZ wird daher in Zukunft nicht allein anhand der wirt- Online 2012). Derartige Gesundheitsrisiken sind schaftlichen Kennziffern gemessen. Vielmehr geht von ähnlich hoher gesellschaftlicher Sprengkraft es um die Fähigkeit, die beschriebenen Herausfor- wie die Diskussionen um artgerechte Tierhaltung. derungen in den Griff zu bekommen und konstrukti- So stehen Formen der Intensivtierhaltung stark in ve Lösungswege zu beschreiten. Einige Ansätze be- der Kritik, weshalb das OM immer wieder als „Hoch- fi nden sich diesbezüglich bereits in der Umsetzung. burg der Massentierhaltung“ (Deutschlandradio Dennoch bleibt es abzuwarten, inwieweit das OM in 2001) öffentlich gebrandmarkt wird. Besonders kri- der Lage ist, auf die veränderten Rahmenbedingun- tisch äußert sich Huter (2005), die das wirtschaft- gen einschließlich der sich abzeichnenden agrarpo- liche Erfolgsmodell der Region in Frage stellt: „Ein litischen Neuausrichtung auf Landesebene adäquat großer Teil des wirtschaftlichen Erfolgs des Olden- zu reagieren.

96 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

7. Vernetzungen in der Produktion und Ver- marktung von Schweinefl eisch am Bei- spiel des Oldenburger Münsterlandes

7.1 Grundlegende Überlegungen zum Produk- täre Dienstleister und Forschungseinrichtungen. tionsnetzwerk Schweinefl eisch Diese geographische Konzentration lässt beson- dere Strukturen von Netzwerken (…) vermuten“ Nachdem im vorherigen Kapitel die Bedeutung des (S. 130). Als veranschaulichende Darstellung zum Schweinefl eischsektors im Oldenburger Münster- Produktionsnetzwerk Schweinefl eisch dient die Ab- land aufgezeigt wurde, erfolgt nun die qualitative bildung 22, die mitsamt den dazugehörigen Erläute- Analyse der Produktionsnetzwerke auf Basis der rungen an die Landesinitiative Ernährungswirt- durchgeführten Experteninterviews.20 Im Zentrum schaft (2013) angelehnt ist. steht die Frage, wie die Erzeugung und Vermark- tung von Schweinefl eisch – ausgehend vom OM – in Basiszucht, Ferkelerzeugung und -aufzucht räumlicher Hinsicht organisiert ist und inwieweit Basiszuchtbetriebe haben sich auf die Zucht spezi- insbesondere das Spannungsfeld zwischen interna- alisiert; das heißt, sie kreuzen verschiedene Sauen- tionaler Ausrichtung und regionaler Einbettung die und Eberarten, um Tiere mit möglichst hohen biolo- Beziehungen und Interaktionen zwischen den Ak- gischen Leistungen zu erhalten. Die Ziele der Züch- teuren prägt. tung beruhen u.a. auf hohen Fleischausbeuten, ge- ringen Speckansätzen und guten Ferkelleistungen. Um den Weg eines Schweinefl eischproduktes von Für die Ferkelerzeugung werden die Sauen oftmals der Ladentheke bis zum landwirtschaftlichen Be- mit dem Sperma von so genannten Pietrain- oder trieb nachvollziehen zu können, ist zunächst eine Durok-Ebern befruchtet (belegt). Nach etwa vier grundlegende Betrachtung der Wertschöpfungs- Monaten Tragezeit folgt die Säugezeit der Ferkel. kette erforderlich. Diese hat in den letzten Jahren Wiederum etwa drei Wochen später haben die Fer- an Komplexität zugenommen und umfasst unter- kel ein Gewicht von 6 bis 7 kg erreicht, womit sie in schiedliche Akteure, die über dynamische, wech- die Ferkelaufzuchtbetriebe gelangen. Dort werden selseitige Beziehungen miteinander verfl ochten die Ferkel in einem Zeitraum von 42 bis 60 Tagen auf sind. Daher erscheint es auch für den Schweine- 25 bis 30 kg gemästet. Die Futter-, Wasser- und Luft- fl eischsektor sinnvoll, den Netzwerk-Begriff als qualität stellt hierfür einen wesentlichen Erfolgs- Vokabular heranzuziehen, um die vielgestaltigen faktor dar. Ferkelerzeugung und Ferkelaufzucht Strukturen angemessen zu beschreiben. Deimel fi nden oftmals im gleichen Betrieb statt. Mit etwa (2010) führt hierzu aus: „Das räumliche Verbund- 30 kg Gewicht werden die dann als Läufer bezeich- system der Veredelungswirtschaft Nordwest- neten Tiere an die Schweinemäster verkauft. Der deutschlands (…) weist neben vertikalen auch Verkauf erfolgt häufi g über private oder genossen- deutliche horizontale Beziehungen auf. Insbeson- schaftliche Ferkelvermarktungsunternehmen. dere in der Weser-Ems-Region fi nden sich darüber hinaus zahlreiche der Primärproduktion vor- und Schweinemast nachgelagerte Unternehmen sowie komplemen- In Schweinemastbetrieben werden die Tiere bis auf ein Endgewicht von ca. 120 kg gemästet. Die 20 Bei direkten und indirekten Zitaten aus den Interviews durchschnittlichen Tageszunahmen liegen bei 750 werden die jeweiligen Akteure unter Verwendung eines Kürzels anonymisiert. Hierfür gelten folgende Buchsta- bis 800 g, so dass die Mast ca. 120 Tage dauert. bencodes (vgl. Kap. 5.1): FI = Fachinstitution; LH/GV = Das Endmastgewicht kann je nach „Maske“ des Lebensmittelgroß- bzw. -einzelhandel, Großverbraucher- Schlachtbetriebes und nach Stand des Schweine- einrichtungen; PE = Primärerzeugung (Ferkelerzeugung, Mast); SZV = Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung; VV = preises variieren. Unterschiedliche „Masken“ sind Viehvermarktung. ein Ausdruck der Präferenz von Schlachtbetrieben

97 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

Abb. 22: Strukturen und Beziehungen im Produktionsnetzwerk Schweinefl eisch

Quelle: NieKE – Landesinitiative Ernährungswirtschaft 2013

hinsichtlich der Zielgewichte von Mastschweinen, und damit letztendlich zum Tod der Schlachtschwei- welche sich wiederum aus unterschiedlichen An- ne. Danach werden sie in heißem Wasser oder Was- forderungen der Absatzmärkte ergeben. Es gibt serdampf gebrüht, damit die oberste Hautschicht darüber hinaus Betriebe mit geschlossenen Sys- und die Borsten in einer Enthaarungsmaschine temen, die ihre eigenen Ferkel erzeugen und diese entfernt werden können. Elementare Bestandtei- bis zur Schlachtreife mästen. Diese Betriebe sind le der folgenden Schlachtung und Zerlegung sind demzufolge Ferkelerzeuger und Mäster zugleich. verschiedene Hygienemaßnahmen, welche die Bil- Die Schweinehalter verkaufen ihre Tiere entweder dung von Keimen und Verunreinigungen verhindern direkt an den Schlachthof oder – was häufi ger der sollen. In Fleischverarbeitungsbetrieben kommt Fall ist – sie vermarkten über private Viehhandels- es schließlich zur Weiterveredlung der Schlacht- unternehmen, Viehvermarktungsgenossenschaften körper und Zwischenprodukte. Es werden sowohl (VVG) oder Erzeugergemeinschaften (EZG). Außer- Frischwaren produziert als auch tiefgefrorene Kost, dem besteht die Möglichkeit der Direktvermarktung Convenience-Produkte und Fast Food, zumeist an den Endverbraucher durch den Betrieb von Hof- unter Verwendung von Gewürzen und anderen Ge- läden, Präsenz auf Wochenmärkten, etc. Nach dem schmacksstoffen. Die Schlachtnebenprodukte wer- Ausstallen der Tiere werden die Ställe gereinigt und den in Verarbeitungsbetriebe für tierische Neben- desinfi ziert, bevor eine neue Gruppe gemästet wird. produkte (VTN) überführt und dort größtenteils zu Die Gülle aus den Mastställen fi ndet Anwendung als Tiernahrung verarbeitet. organischer Dünger oder als Input in Biogasanlagen. Vermarktung und Endverbrauch Schlachtung, Zerlegung und Verarbeitung Die fertigen Schweinefl eischprodukte gelangen Vor dem eigentlichen Schlachtprozess werden die über den Lebensmitteleinzelhandel und Fleische- Tiere mit CO² betäubt. Anschließend führt ein ma- reifachgeschäfte an den Endverbraucher. Zudem nuell ausgeführter Halsbruststich zum Entbluten spielen auch Großverbrauchereinrichtungen (z.B.

98 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

Mensen, Kantinen) und Gastronomiebetriebe, die spezialisierten Veredelungsregion übernimmt das von bestimmten gesellschaftlichen Trends profi tie- OM eine entscheidende Funktion sowohl in der Pri- ren (z.B. mehr Single- und Doppelverdiener-Haus- märerzeugung als auch in der Fleischgewinnung. Die halte), eine wichtige Rolle. Im Zuge der Vermark- zahlreichen landwirtschaftlichen Betriebe, Vieh- tung ist zwischen Frischfl eisch und verarbeitetem vermarktungsorganisationen sowie Schlacht- und Fleisch zu unterscheiden. Bei Frischfl eisch handelt Verarbeitungsunternehmen pfl egen ein dichtes und es sich um die gesamte Palette an frischen Fleisch- zum Teil historisch gewachsenes Beziehungsnetz- waren, die beim Fleischer oder in Supermärkten werk auf regionaler Ebene. In diesem Zusammen- an der Fleischtheke zu erwerben sind. Verarbeite- hang konnten Battermann et al. (2013) empirisch tes Fleisch beinhaltet sowohl die eingeschweißten nachweisen, dass zumindest in der Weser-Ems- Wurstwaren als auch Tiefgefrorenes oder Conveni- Region zentrale Kriterien einer Clusterbildung er- ence-Artikel. füllt sind. Dazu zählen neben der starken regionalen Konzentration der Netzwerke auch der hohe Grad 7.2 Multiskalare Vernetzungen I – Regionale sozio-institutioneller Einbettung und die Existenz Perspektiven von Vertrauen zwischen den Interaktionspartnern als Grundlagen für Informationsaustausch und Ge- Ungeachtet der Tatsache, dass sich die Schweine- nerierung von Wissen (vgl. ebd., S. 174). fl eischerzeugung zu einem globalen Geschäft entwi- ckelt hat, bleibt festzuhalten, dass bestimmte Ver- Ein wesentliches Element für die Konfi guration der fl echtungen innerhalb der Produktionsnetzwerke Produktionsnetzwerke besteht in der Verfügbarkeit stark regional verankert sind. Die regionale Ebene von Absatzmöglichkeiten für Schlachtschweine. Die ist hierbei nicht auf das Oldenburger Münsterland Schweinemäster müssen sich die Frage stellen, wo- beschränkt, da nach einem solch kleinräumigen hin sie ihre Tiere vermarkten und welche Kanäle sie Verständnis die intensiven Vernetzungen mit den dafür nutzen wollen. Das Spektrum reicht von reinen Nachbarkreisen, insbesondere Emsland und Osna- Marktbeziehungen zwischen Mästern und Schlacht- brück, aber auch mit der Region Westfalen-Lippe unternehmen bis zu hierarchischen Organisations- nicht abgebildet werden. Die Analyse der regionalen formen, bei denen sich „grüne“ und „rote“ Seite in Beziehungsmuster erfolgt daher in einem großräu- einer Hand befi nden. Häufi g dominieren jedoch hy- migeren Maßstab und orientiert sich an Nordwest- bride Zwischenformen mit Kombination von markt- deutschland (Weser-Ems, Westfalen-Lippe) als bezogenen und hierarchischen (vertraglich geregel- „Veredelungshochburg von internationalem Rang“ ten) Elementen. Im Weser-Ems-Raum und speziell (Spiller et al. 2005, S. I), in welcher die ökonomi- auch im Oldenburger Münsterland sind formale Ver- sche Bedeutung der Schweinefl eischerzeugung weit träge in der Schlachtschweinevermarktung aller- über dem Bundesdurchschnitt liegt. Das Verständ- dings nicht sehr verbreitet. So konstatieren Spiller nis einer Region folgt also dem Funktionalitätsprin- et al. (2005), dass sich dauerhafte Lieferbeziehun- zip. Dennoch ist zu beachten, dass das OM – ausge- gen häufi g durch langjährige betriebliche Übung he- stattet mit zahlreichen Schlüsselakteuren und einer rausbilden und die Akteure auch ohne vertragliche hohen Vernetzungsintensität im Schweinefl eisch- Grundlage von der Fortsetzung der Geschäftsbezie- bereich – im Zentrum der Analyse steht. hung ausgehen können (S. 234). Dennoch sind diese informalen hybriden Organisationsformen außeror- 7.2.1 Vertikale Netzwerkstrukturen „vom dentlich marktnah ausgestaltet, so dass „Springer- Landwirt zum Schlachthof“ verhalten“ von Landwirten jederzeit möglich ist.

Bereits in Kapitel 6.3 wurde die enorme regionale Mit der starken Konzentration der Veredelungs- Konzentration des Schweinefl eischsektors in Nord- wirtschaft im Oldenburger Münsterland verfügen westdeutschland aufgezeigt. Innerhalb dieser hoch- die ansässigen Schweinemäster über eine über-

99 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

durchschnittliche Zahl an Schlachtunternehmen im werb, vor allem aber durch Größenwachstum und unmittelbaren Umfeld. Dazu zählen beispielsweise Marktmachtkonzentration auf der darauffolgenden Vion, Danish Crown, Böseler Goldschmaus, BMR, Stufe der Fleischgewinnung. Für diese spielt die Brand und Steinemann (vgl. Kap. 6.3). Auch die bei- Tatsache, „dass hier so viele Tiere produziert wer- den größten deutschen Schlachtunternehmen Tön- den und man sich in einem rohstoffsicheren Umfeld nies (u.a. Standort in Sögel) und Westfl eisch (u.a. bewegt“ (Interview SZV 3) eine wesentliche Rolle Standort in Coesfeld) sind in räumlicher Hinsicht gut für den größtenteils regionalen Bezug der Schlacht- erreichbar. Diese regionalen Absatzmöglichkeiten schweine. werden intensiv genutzt, wobei in den meisten Fäl- len entweder Viehvermarktungsunternehmen oder Dieses agrar- und ernährungswirtschaftliche Um- Erzeugergemeinschaften als Intermediäre fungie- feld bietet zudem günstige Investitionsbedingun- ren. Auch hier befi nden sich zahlreiche private wie gen, verbunden mit einer recht pragmatischen und genossenschaftlich organisierte Unternehmen in wirtschaftsfreundlichen Ausrichtung der regionalen relativer räumlicher Nähe. Im Gegensatz zu den pri- Behörden. Die Folge ist ein sich selbst verstärkender vaten Viehhändlern arbeiten die Genossenschaften Prozess, der das enorme Wachstum des Agribusi- weniger profi torientiert, sondern im Interesse ihrer ness herbeigeführt hat, wovon auch verwandte bzw. Mitglieder. Diese Infrastruktur mit dem stark ver- unterstützende Branchen profi tieren (z.B. Hand- netzten Komplex „Primärerzeugung – Viehvermark- werksbetriebe). Insgesamt ist eine ausgeprägte Ri- tung – Fleischgewinnung“ prägt das OM und beinhal- sikobereitschaft bei den Akteuren zu beobachten, tet günstige Bezugs- wie auch Absatzpotenziale für nicht zuletzt auf der Stufe der Primärerzeugung. Im die Akteure. Lichte des rasant fortschreitenden Strukturwan- dels kommt es zur Vergrößerung der schweinehal- „Das ganze Umfeld lebt ja von der Landwirtschaft. tenden Betriebe und zur Ausweitung der Produkti- Und von daher hat der Landwirt einen Vorteil von on mit dem Ziel, auch langfristig wettbewerbsfähig der Anzahl der Kunden in der Umgebung: die große zu bleiben. Dabei wird die Investitionsbereitschaft Anzahl an Viehhändlern, die sich gegenseitig das nicht nur durch günstige Produktionsbedingungen Leben schwer machen, und die riesige Anzahl an mitsamt vorhandener Infrastruktur gefördert, son- Schlachthöfen im Umkreis von fünfzig Kilometern“ dern vor allem auch durch „gegenseitiges Anfeuern“ (Interview VV 5). unter den Erzeugern.

Die Aussage weist auf die Wettbewerbssituation in- „Wir haben hier Know How, die Leute verstehen ihr nerhalb der Viehvermarktung hin und bestätigt die Handwerk. Wir haben hier die Firmen vor Ort und da- Erkenntnisse von Spiller et al. (2005), wonach „(…) durch auch wieder günstigere Investitionsmöglich- Erzeugerkooperationen keine ‚Selbstläufer‘ sind, keiten. Futter ist hier auch insofern durch die große sondern sich im Wettbewerb mit anderen Formen Konkurrenz noch relativ günstig. Die Wege sind kurz, der Vermarktung beweisen müssen“ (S. 225). Diese was die Vermarktung betrifft. (…) Die Leute feuern Konkurrenz kann als belebendes Element wirken, da sich auch gegenseitig an. Gerade deswegen ist auch sie die Unternehmen zur stetigen Verbesserung des in den letzten Jahren relativ viel investiert worden. eigenen Dienstleistungsangebotes zwingt. Ansons- Und wenn man sieht, dass es funktioniert, dann wird ten ist es leicht möglich, dass die Schweinehalter auf es eben auch gemacht“ (Interview PE 6). andere Vermarktungskanäle ausweichen. Allerdings sind auf der Ebene der Viehvermarktung seit den Ein weiterer bedeutender Faktor für die regionale 1990er Jahren ebenfalls Konzentrationstendenzen Ausgestaltung der Produktionsnetzwerke liegt in festzustellen. Zahlreiche Unternehmen haben fusi- der sozialen Nähe zwischen den Geschäftspartnern. oniert oder sind gänzlich vom Markt verschwunden, So ist ein Großteil der involvierten Akteure im Ol- teilweise bedingt durch stufeninternen Wettbe- denburger Münsterland aufgewachsen und quasi

100 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

seit der Kindheit mit den Konventionen der dort Trotz der gemeinsamen Konventionen ist nicht lokalisierten Veredelungswirtschaft vertraut. Im zu unterschätzen, dass sich beispielsweise durch Zuge dessen haben sich bestimmte Werte, Normen Machtverschiebungen im Netzwerk auch die Ge- und Verhaltensmuster teilweise über Generationen schäftsbeziehungsqualität zwischen einzelnen Part- weiterentwickelt, so dass die ökonomischen Akti- nern verändern kann. Die zunehmende Konzentra- vitäten sehr stark in die sozio-kulturellen Bezüge tion auf der Schlachthofseite und der damit ver- vor Ort eingebettet sind. Dazu kommt die emotio- bundene Machtgewinn weniger großer Schlacht- nale Verbindung zur Region, den dort lebenden Men- unternehmen führen immer wieder zu Spannungen schen und den Produkten, die in der Region erzeugt zwischen „grüner“ und „roter“ Seite. Um diesem werden. Machtungleichgewicht entgegenzuwirken, existie- ren bereits Ansätze horizontaler Zusammenarbeit „Eine soziale Bindung spielt natürlich eine unheimli- in der Viehvermarktung, die auf engen persönlichen che Rolle, sage ich mal, für den Menschen. Das soll- Kontakten zwischen den handelnden Personen be- te man wirklich nicht unterschätzen. (…) Für mich ruhen (vgl. Kap. 7.2.2). persönlich ist es wichtig, wenn ich Geschäfte mit einem Bauern machen will, dann muss ich einen Bau- Wenig diskutiert und daher schwer zu beantworten ern verstehen. Und ich verstehe eigentlich nur dann ist auch die Frage, wie hoch der Anteil der landwirt- einen Bauern, wenn ich schon mal an Weihnachten schaftlichen Betriebe ist, die sich nicht mehr „in Schweine gefüttert habe oder gemolken habe, weil bäuerlicher Hand“ befi nden, sondern unter Führung ich dann die emotionale Bindung zu seinem Produkt von Unternehmen aus dem vor- oder nachgelager- erkennen kann“ (Interview VV 6). ten Bereich – eine Entwicklung, die sehr kritisch be- äugt wird. Eine Gefahr könnte darin bestehen, dass Oft sind die Beziehungen durch ein hohes Maß an beispielsweise Futtermittelhersteller – wenn sie in informellen Kontakten, interpersonellem Vertrauen die Schweinemast vorwärtsintegrieren – die Märkte und intensivem Austausch gekennzeichnet, wodurch „aushebeln“, da sie in der Lage sind, extrem kosten- beispielsweise Geschäftsanbahnung und Informati- günstig (ohne Handelsspanne) zu füttern (vgl. Inter- onstransfer gefördert werden. Dies kann im Ergeb- view PE 6). Zudem würde die gesellschaftliche Ak- nis zu zeitlichen Ersparnissen führen („economies zeptanz darunter leiden, wenn landwirtschaftliche of time“), da keine langwierigen Regelarrangements Betriebe nicht mehr familiengeführt sind, sondern zu verhandeln sind. Aus diesem Grund hat die ge- unter einem Konglomerat ähnlichem Gebilde fi r- sellschaftliche Einbettung der ökonomischen Ak- mieren. Die Ausmaße dieser Entwicklung sind kaum tivitäten einen hohen Stellenwert im Oldenburger abzuschätzen, auch weil angesichts der Brisanz des Münsterland, was sich auch im sozialen und ehren- Themas so gut wie keine Informationen vorliegen amtlichen Engagement der Akteure wiederspiegelt. und betroffene Betriebe sich in Stillschweigen hül- Insgesamt liegt eine deutliche Identifi kation mit len. Schätzungen einiger Interviewpartner gehen der Region vor. Diese starke Bindung wird durch jedoch davon aus, dass im Oldenburger Münsterland das (Selbst-)Bewusstsein gefördert, einen Beitrag nahezu jeder dritte Betrieb von dieser Entwicklung für die äußerst erfolgreiche (agrar-)wirtschaftliche betroffen sein könnte. Entwicklung des OM zu leisten. Nichts desto trotz sind vereinzelte Stimmen zu vernehmen, die vor 7.2.2 Horizontale Kooperationen in der Vieh- Selbstzufriedenheit oder gar Arroganz warnen und vermarktung eine Rückkehr zur Bescheidenheit anmahnen (vgl. Interview PE 2). Auf diese Weise könnte auch der Neben den skizzierten vertikalen Beziehungen lie- Gefahr eines so genannten „lock in“-Effektes (vgl. gen auch horizontale Verfl echtungen vor, die sich für Kap. 2.1.1) vorgebeugt werden. die Konfi guration der Produktionsnetzwerke als be- deutsam erwiesen haben. Eine besondere Dynamik

101 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

ist diesbezüglich auf der Ebene der Viehvermark- Schlachtschweine pro Jahr zu vermarkten, was laut tung zu beobachten, wo einzelne Genossenschaf- Aussage eines Interviewpartners sogar „noch zu we- ten in strategischen Kooperationen zusammenar- nig (sei), um mit der Schlachthofseite auf Augenhö- beiten. Genossenschaftliche Unternehmen handeln he zu agieren“ (Interview VV 1). Die Bündelung des im Gegensatz zu privaten Viehhändlern weniger Angebotes an Schlachtschweinen und die damit ver- gewinnorientiert, sondern im Interesse und zur Zu- bundene Fähigkeit zur kontinuierlichen Lieferung friedenheit ihrer Mitglieder, wenngleich eine wirt- größerer wie auch einheitlicher Partien bleibt inso- schaftliche Arbeitsweise unabdingbar ist. Dagegen fern eine wichtige Voraussetzung, um sich in einem kann sich der private Handel – fern von satzungsge- umkämpften Marktumfeld zu behaupten (vgl. Inter- geben Abnahmepfl ichten – frei am Markt bewegen views VV 1, VV 2, VV 6, SZV 2). und seine Aktivitäten den Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage fl exibel anpassen. Aus die- Als wichtige Komponenten für die Kooperations- sem Grund spielen Kooperationen für private Vieh- beziehungen gelten nach wie vor Vertrauen und vermarkter eine eher untergeordnete Rolle. gegenseitige Wertschätzung unter den Entschei- dungsträgern, die teilweise sogar freundschaftliche Einen kooperativen Ansatz verfolgen dagegen vier Verhältnisse miteinander pfl egen. Entsprechend genossenschaftlich organisierte Unternehmen aus reibungslos gestaltet sich die Zusammenarbeit in dem Weser-Ems-Raum, um auf den fortschreitenden der Praxis: Strukturwandel innerhalb der Schweinefl eischbran- che zu reagieren. Mit dieser vertraglich geregelten „Das läuft nahezu störungsfrei, seitdem wir das be- Kooperationsstrategie verfolgen die beteiligten gonnen haben. Das liegt natürlich auch an den han- Viehhandelsorganisationen im Wesentlichen das delnden Personen. Wir kennen uns mittlerweile gut, Ziel, die Machtasymmetrie gegenüber den Schlacht- sind teilweise auch befreundet. (…) Das ist immer unternehmen zu reduzieren. Letztere sind unter wie ein Uhrwerk. Wenn bei der einen Organisation anderem durch Fusionen und Übernahmen stark gerade eine Übermenge ist und bei der anderen ein gewachsen und vereinen immer größere Marktan- Bedarf, dann hilft man sich untereinander“ (Inter- teile auf sich. Auf der anderen Seite verlangt auch view SZV 2). die landwirtschaftliche Basis mit nur noch wenigen, dafür umso größeren schweinehaltenden Betrieben Diese gesunde Vertrauensbasis ist auch deshalb so nach neuen Strukturen in der Viehvermarktung. wichtig, weil die Kooperation zur Offenlegung sen- sibler Unternehmensdaten verpfl ichtet. Hier hat- Ausgangspunkt der Überlegungen zu einer Koope- ten die jeweiligen Kontrollorgane im Vorfeld der ration war die bevorstehende Übernahme der dama- Kooperationsgründung ernste Bedenken bezüglich ligen Norddeutschen Fleischzentrale (NFZ) durch Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit der Partner, auch die niederländische Vion-Gruppe in den Jahren weil diese in den Jahren zuvor in hohem Maße mit- 2004/05. Nach ersten Sondierungsgesprächen wa- einander konkurriert hatten. Mit fortlaufender Ge- ren sich drei genossenschaftliche Viehvermarkter schäftstätigkeit ist der Kooperationsgedanke je- aus der Region recht schnell über eine zukünftige doch so weit ausgeprägt, dass sich die Unternehmen Zusammenarbeit einig, so dass die entsprechenden mehr oder minder als homogene Einheit betrachten Rahmenbedingungen und Leitlinien festgelegt wer- und höchsten Wert auf die Weiterentwicklung der den konnten. Das Ergebnis war eine vertraglich un- Kooperation legen. Diese Zielsetzung steht zudem terlegte Kooperation, die wenig später um ein wei- in Einklang mit den Interessen der genossenschaft- teres genossenschaftliches Unternehmen aus dem lichen Mitglieder (vgl. Krieger 2009, S. 27 ff.). Weser-Ems-Raum erweitert wurde und die bis heute erfolgreich am Markt besteht. Der Kooperations- Das Aufgabenfeld der Kooperation beschränkt sich verbund ist nunmehr in der Lage, rund 1,5 Millionen zunächst noch auf die gemeinsame Vermarktung von

102 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

Schlachtschweinen. Die anderen Bereiche, also der sammenschluss der Raiffeisen-Viehvermarktung Absatz und Bezug von Ferkeln und Großvieh, wer- Ganderkesee-Wildeshausen eG und der Ammer- den eigenständig durchgeführt. Bei der Schlacht- länder Viehzentrale eG im Jahr 2011 entstanden. schweinevermarktung sind die Aufgaben zwischen Andere Viehvermarkter (in erster Linie Genossen- den Kooperationspartnern relativ klar verteilt, schaften) weisen eine ähnliche Genese auf (z.B. Er- was auch mit persönlichen Beziehungen zu einzel- zeugergemeinschaft für Qualitätsvieh Hümmling eG, nen Schlachthöfen zusammenhängt (vgl. Interview Viehvermarktung Löningen u. U. eG, Genossenschaft- VV 2). Insgesamt beliefern die Vermarktungsor- liche Viehvermarktungs GmbH & Co. KG in Molber- ganisationen – sowohl im Verbund als auch eigen- gen). ständig – vierzehn Schlachtunternehmen im nord- westdeutschen Raum. Hier erlaubt die strategisch Darüber hinaus erklärten einige Viehvermarkter, günstige Lage innerhalb der „Veredelungshochburg“ dass auch der informelle Austausch an Bedeutung Weser-Ems relativ kurze Transportwege und eine gewinnt, und zwar unabhängig davon, ob es sich um gute Auslastung der Züge. Zudem bietet sich die genossenschaftliche oder private Unternehmen Möglichkeit, die Vermarktung der Schlachtschweine handelt. Die praktische Gestaltung dieser infor- innerhalb des Verbundes fl exibel zu gestalten und mellen Kontakte ist vielschichtig. Das Spektrum somit die Kosten zu reduzieren. Das Exportgeschäft reicht von „mal miteinander telefonieren“ bis hin zu mit Schlachtschweinen spielt dagegen keine Rolle regelmäßigen persönlichen Treffen mit geradezu aufgrund von Risiken in der Auslandsmarktbearbei- verbindlichem Charakter. Eine wichtige Rolle spie- tung, langen Transportwegen und „um die Position len persönliche Beziehungen auf den unterschied- vor der eigenen Haustier nicht zu schwächen“ (Inter- lichsten Ebenen der Unternehmen – ob Vorstand, view VV 2). Nach Angaben der Geschäftsführer ver- Geschäftsführung, Einkauf/Vertrieb oder sonstiges fügt der Kooperationsverbund über eine Mitglieds- Stammpersonal –, so dass eine gemeinsame Ver- stärke von rund 2.700 Landwirten, die größtenteils trauensbasis gegeben ist. Dabei dürfte das Ausmaß in der Weser-Ems-Region ansässig sind. der informellen Zusammenarbeit in jüngerer Zeit noch zugenommen haben. Die beschriebene Kooperation entspricht dem Um- stand, dass auch im Bereich der Viehvermarktung „Hat es früher auch nicht so gegeben, diese Zusam- ein Strukturwandel zu beobachten ist. So hat sich menarbeit mit dem freien Viehhandel und den Er- die Zahl der Viehvermarktungsgenossenschaften zeugergemeinschaften. Wir sind auch heute noch und Erzeugergemeinschaften seit 1990 verringert. Konkurrenten, aber wenn die ein bisschen weiter Ebenfalls zurückgegangen ist nach Auskunft von weg sind, dann arbeitet man schon zusammen“ (In- Marktteilnehmern die Zahl der privaten Viehhänd- terview VV 4). ler (vgl. Recke et al. 2011, S. 9 f.). Diese Entwicklung spiegelt sich in zahlreichen Zusammenschlüssen wi- Das Motiv für diese Art des Austausches ist ähnlich der, die auch im Oldenburger Münsterland und den wie im Fall der Kooperation: die Möglichkeit, das benachbarten Landkreisen nachzuvollziehen sind. Angebot an Schlachtschweinen zu erweitern und Im Jahr 2001 ist beispielsweise die heutige Erzeu- zusammenzufassen, um ein Gegengewicht zur wach- gergemeinschaft für Qualitätsvieh im Oldenburger senden Dominanz großer Schlachtunternehmen Münsterland eG (EG im OM) aus einer Fusion von drei zu bilden. Auf diese Weise würde sich die Verhand- kleineren Viehvermarktungsorganisationen hervor- lungsposition der Viehvermarkter verbessern: gegangen (Schlachtvieherzeugergemeinschaft Clop- penburg/Peheim eG, Erzeugergemeinschaft / „Wenn du dann eine bestimmte Stückzahl in der Goldenstedt wV, Viehverwertung Bakum eG). Auch Woche anbieten kannst, dann wirst du ernst genom- die Raiffeisen Viehzentrale eG mit Sitz in Gander- men. Das ist der Gedanke, der dahinter steckt“ (In- kesee und Bad Zwischenahn ist erst durch den Zu- terview VV 4).

103 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

Somit ist in Zukunft auf der Stufe des Viehhandels dort auch die umfangreichsten Ferkelproduktionen mit einem weiteren Strukturwandel zu rechnen, der innerhalb Deutschlands, doch sind diese hinter der parallel zu den Entwicklungen in der Landwirtschaft massiven Ausweitung der Schweinemastkapazi- und der Schlachtbranche verläuft. Entsprechend täten zurückgeblieben. Daher sind die Schweine- dürfte es weiterhin zu Fusionen oder verstärkten mäster insbesondere im Oldenburger Münsterland Kooperationen von Viehvermarktungsunterneh- verstärkt auf überregionale Ferkellieferungen und men kommen. Spiller et al. (2005) betrachten eine -importe angewiesen. solche Entwicklung als positiv und notwendig. In ihrem „Nordwestdeutschen Modell“ empfehlen sie Der Zuschussbedarf an Ferkeln, der nicht durch ei- u.a. auszuloten, „ob auf mittlere Sicht bei Wahrung gene Produktionsleistungen im nordwestdeutschen der organisatorischen Selbstständigkeit der EZG Raum gedeckt werden konnte, wurde lange Zeit mit und VVG schlagkräftige ‚Vermarktungskontore‘ ge- Lieferungen aus Süddeutschland aufgefangen.21 In schaffen werden können, die die Vermarktung meh- Bayern und Baden-Württemberg war das Verhält- rerer EZG bzw. VVG koordinieren, z.B. durch zent- nis der Ferkelerzeugung zur Schweinemast sehr ralisierte Verhandlungen mit den Schlachthöfen“ unausgeglichen, so dass ein großer Teil der Fer- (S. 18). kel an Abnehmer außerhalb dieser beiden Länder verkauft werden musste. Aufgrund der prekären 7.3 Multiskalare Vernetzungen II – Nationale Versorgungssituation haben sich die „Veredelungs- Perspektiven hochburgen“ Weser-Ems und Westfalen-Lippe als bevorzugte Zielregion für süddeutsche Ferkel eta- Die regionalen Vernetzungen der Schweinefl eisch- bliert. Mittlerweile gelten jedoch anspruchsvollere produktion im nordwestdeutschen Raum sind sehr Kriterien beim Ferkelkauf, was in erster Linie dem komplex und verbinden heterogene Akteure mit Strukturwandel in der Schweinemast mit immer unterschiedlichen Zielsetzungen. Darüber hinaus größeren Mastbetrieben geschuldet ist. Diese le- lassen sich partielle Netzwerke, Handelsbeziehun- gen zunehmend Wert darauf, dass die eingestallten gen und Einfl ussfaktoren identifi zieren, die über die Ferkel aus einem Herkunftsbetrieb mit klar defi - regionale Ebene hinausgehen. Im Gegensatz zu den niertem Gesundheits- und Impfstatus und aus einer globalen Absatzkanälen von Schweinefl eisch sind Abferkelgruppe mit einheitlicher genetischer Basis diese Vernetzungen noch innerhalb der nationalen stammen (vgl. LEL/LfL 2013, S. 189). In Abhängig- Grenzen zu verorten. Daher werden nun spezifi sche keit vom Ein- bzw. Ausstallverfahren stellen auch Entwicklungen im deutschen Schweinefl eischsek- die Partiegrößen einen sehr wichtigen Faktor dar. tor beleuchtet, die sich unmittelbar auf die Produk- tionsnetzwerke in Nordwestdeutschland und hier „Die Mäster brauchen nun mal große Partien: 600 speziell im Oldenburger Münsterland auswirken. Ferkel gehen auf einen Lastwagen oder teilweise vielleicht auch 800. Das passt wohl zu einem Mäs- 7.3.1 Neue Schwerpunkte in der Ferkelversor- ter heutzutage, der nicht betriebsweise ‚Rein-Raus‘ gung auf bundesdeutscher Ebene macht, sondern stallweise ‚Rein-Raus‘. Und diese Partien sind eben in Deutschland nur aus dem Osten Seit Mitte der 1990er Jahre hat Deutschland einen zu beziehen oder eben aus Holland und Dänemark“ ansteigenden Zuschussbedarf in der Versorgung (Interview PE 4). mit Ferkeln, der bis heute überwiegend durch Ein- fuhren aus Dänemark und den Niederlanden ge- deckt wird. Der Schwerpunkt dieses Bedarfes liegt 21 Neben Ferkelimporten aus Dänemark und den Nieder- in den nordwestdeutschen Veredelungsregionen, wo landen, die einen noch wichtigeren Beitrag zur Ferkelver- auch im Jahr 2012 fast 90 % der Defi zite angefallen sorgung in Nordwestdeutschland leisten. Dieser Aspekt sind (vgl. LEL/LfL 2013, S. 185). Zwar befi nden sich wird in Kap. 7.1.4 näher erläutert.

104 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

Damit ist bereits ein Hinweis auf die Schwerpunkt- Bei Betrachtung der Bilanzwerte werden die bereits verlagerung der innerdeutschen Ferkelströme ge- angesprochenen markanten Verschiebungen zu geben, wonach ostdeutsche Betriebe aufgrund ihrer Gunsten der ostdeutschen Standorte deutlich. Die Größenvorteile stark an Bedeutung gewinnen. Auch Ferkelüberschüsse sind dort allein zwischen 2010 die Mastbetriebe im Raum Cloppenburg und Vechta und 2012 um mehr als eine Million Tiere angestie- beziehen ihre Ferkel zunehmend aus Sachsen-An- gen. Verantwortlich für diese ausgesprochen dyna- halt, Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern, wo- mische Entwicklung sind Leistungssteigerungen und bei der Einkauf zumeist über professionelle Ferkel- Bestandsaufstockungen, die teilweise auf nieder- vermarkter abgewickelt wird. Demgegenüber haben ländische Investoren zurückgehen. Zudem bieten Bayern und Baden-Württemberg deutliche Wettbe- die oft noch aus Zeiten vor der Wende existierenden werbsnachteile, die nicht zuletzt aus den kleineren Großanlagen (ehemalige Landwirtschaftliche Pro- Erzeugerstrukturen resultieren. So stammen die duktionsgenossenschaften) gute Voraussetzungen, vermarkteten Ferkel häufi g aus einer Vielzahl von um auf hohem produktionstechnischen Niveau die in Herkunftsbetrieben mit unbekanntem Hygienesta- den Mastzentren gefragten Großgruppen zu erzeu- tus und uneinheitlicher Genetik, woraus sich erhöh- gen (vgl. LEL/LfL 2013, S. 182). So werden mehr als te Infektionsrisiken und schlechtere Mastleistun- 90 % der ostdeutschen Sauen in Beständen mit gen ableiten lassen. über 500 Tieren gehalten.

Darüber hinaus befi ndet sich die Ferkelerzeugung Die strukturellen Unterschiede zwischen Süd- und in Süddeutschland seit einigen Jahren im Umbruch. Ostdeutschland haben zahlreiche Schweinemäster Traditionell sind die Produktionsbetriebe in Bayern im Oldenburger Münsterland zu einer Neuorientie- und Baden-Württemberg verhältnismäßig klein und rung beim Ferkeleinkauf veranlasst. Als Kernpro- verfügen nicht selten über weniger als hundert Sauen. blem verweist ein Schweinemäster, der seine Ferkel Zahlreiche dieser kleinen Ferkelerzeuger mussten lange Zeit aus Bayern bezogen hatte, auf die unter- mittlerweile aufgeben, weil sie den komplexen An- schiedlichen Gesundheitseigenschaften: forderungen im Hinblick auf Qualität, Partiegröße, Gesundheitsstatus, Genetik und Preis nicht mehr „Den Einkauf der Ferkel haben wir ja damals ganz gerecht werden konnten. So haben Baden-Württem- anders gemacht als heute. Da haben wir die Ferkel berg und Bayern seit dem Jahr 2000 rund ein Drit- immer aus Bayern gekriegt. (…) Das Problem war: tel ihrer Zuchtsauen verloren (vgl. LEL/LfL 2013, man hat 500 Ferkel gekauft aus 50 Betrieben. Und S. 185). Beschleunigt wurde dieser Strukturwandel das war einfach ein Ding, das ging gar nicht mehr. durch die seit dem 01.01.2013 verpfl ichtende und Man stallte die ein und die waren sofort krank und mit erheblichen Investitionen verbundene Umstel- man hatte ständig Probleme damit“ (Interview lung auf Gruppenhaltung tragender Sauen. Auf- PE 3). grund dieser Entwicklung und durch die Ausweitung der Mast in einigen Teilregionen hat beispielsweise Darüber hinaus konnte der Mäster im Rahmen ei- Bayern mittlerweile ein erhebliches Ferkeldefi zit ner internen Untersuchung uneinheitliche Blutwer- (über 1 Mio.). Auch in Baden-Württemberg - über te und Impfstände nachweisen, was ihn schließlich Jahrzehnte wichtigster Ferkellieferant in Deutsch- dazu bewog, den Ferkeleinkauf neu zu organisieren. land – fallen die Überschüsse stetig geringer aus, Er bezieht die Tiere nun aus einem Betrieb aus Sach- so dass sich das Land im Jahr 2013 erstmals zu ei- sen-Anhalt, wobei der Einkauf über eine Erzeuger- ner Zuschussregion entwickeln dürfte. Eine genaue gemeinschaft mit Sitz im Oldenburger Münsterland Übersicht der Ferkelbilanz in Deutschland ist in der läuft. Dieser Fall steht exemplarisch für eine Viel- Tabelle 10 enthalten. zahl von Schweinehaltern aus der Region, die nach Aussagen von Branchenvertretern und Marktken- nern ähnliche Entwicklungen beim Ferkelbezug auf-

105 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

Tab. 10: Ferkelbilanz in Deutschland nach Bundesländern

In 1.000 Stück Ferkelüberschuss/-mangel

1999 2005 2010 2011 2012

Sachsen-Anhalt -110 +280 +510 +770 +1.160

Thüringen +90 +290 +430 +570 +590

Brandenburg +420 +530 +540 +580 +510

Sachsen +270 +350 +240 +350 +410

Baden-Württemberg +2.000 +1.270 +950 +720 +370

Mecklenburg-Vorpommern +140 +90 +90 +180 +240

Rheinland-Pfalz +20 -110 -110 -110 -130

Hessen -200 -390 -290 -290 -280

Schleswig-Holstein -350 -630 -1.070 -1.120 -1.070

Bayern +1.130 +1.120 -520 -510 -1.230

Nordrhein-Westfalen -2.290 3.530 -4.080 -4.170 -5.130

Niedersachsen -3.940 -4.470 -5.330 -6.060 -8.210

Saldo -2.830 -5.600 -8.650 -9.100 -12.770

Quelle: LEL/LfL 2013, S. 186

zuweisen haben. Der ebenfalls sehr bedeutsame und tet wird. Bei Betrachtung der weiteren Distribu- sich dynamisch entwickelnde Import von Ferkeln tions- und Vermarktungskanäle, die das Fleisch im aus Dänemark und den Niederlanden wird in Kapitel Anschluss der Schlachtung durchläuft, ergibt sich in 7.4.1 thematisiert. räumlicher Hinsicht ein sehr viel diffuseres Bild.

7.3.2 Vertikale Netzwerkstrukturen „vom Grundsätzlich eröffnen sich den Schlachtunter- Schlachthof zum Endverbraucher“ nehmen unterschiedliche Optionen für die Weiter- vermarktung. Eine Möglichkeit stellt das Export- In Kapitel 7.2.1 wurden bereits die Netzwerkstruktu- geschäft dar, welches zunehmend an Bedeutung ren und Lieferbeziehungen aufgezeigt, die sich zwi- gewinnt und im folgenden Unterkapitel (Kap. 7.4.3) schen Landwirten, Viehvermarktungsorganisationen ausführlich behandelt wird. Ansonsten reicht das und Schlachtunternehmen entwickelt haben. Diese Kundenspektrum von kleineren Metzgereien und Netzwerke sind durch relativ kurze Wege gekenn- Fleischereifachgeschäften über Zerlege- und Ver- zeichnet, so dass ein erheblicher Anteil der Wert- arbeitungsbetriebe unterschiedlicher Größenord- schöpfung auf der regionalen Ebene, also in der nung bis hin zu den Fleischwerken des Lebensmit- nordwestdeutschen Veredelungsregion und insbe- teleinzelhandels (LEH). Es ist zu berücksichtigen, sondere im Oldenburger Münsterland, erwirtschaf- dass zahlreiche Schlachtunternehmen mittlerweile

106 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

auch über Grob- und Feinzerlegungs- sowie Verar- sich rund 400 fl eischverarbeitende Betriebe (ab 50 beitungskapazitäten verfügen, so dass ein Teil der Beschäftigte) über ganz Deutschland verteilen (vgl. Zwischenprodukte im entsprechenden Unterneh- AMI 2013, S. 39), in der Form nicht aufrechtzuerhal- mensverbund zirkuliert. Dennoch ist zu konstatie- ten. So gibt es Bundesländer, wie z.B. Hessen oder ren, dass sich hier Akteure miteinander vernetzen, Bayern, in denen nur wenige Schlachtunternehmen, die im gesamten Bundesgebiet lokalisiert sind, wo- aber verhältnismäßig viele Fleischverarbeiter ansäs- mit ein weiterer Nachweis für die Multiskalarität sig sind. Diese Verarbeitungsunternehmen suchen der Schweinefl eischbranche erbracht wird. Diese und fi nden ihre Rohstoffl ieferanten u. a. im nord- weiträumigen Beziehungsmuster sind nicht zuletzt westdeutschen Raum, so dass dort selbst kleine und auch Ergebnis der starken Konzentrationsprozesse mittlere Schlachtunternehmen über bundesweite auf den Stufen der Fleischgewinnung und des Le- Vertriebsnetze mit Abnehmern in Süddeutschland bensmitteleinzelhandels. verfügen.

Die größeren Schlachtunternehmen verfügen in der „Der Vertrieb von Frischfl eisch geht bundesweit. Regel über einen breiten und stark ausdifferenzier- Das ist mehr oder weniger üblich bei uns in der Bran- ten Kundenstamm, der sowohl namhafte (Marken-) che, auch für uns als mittelständisches Unterneh- Fleischverarbeiter als auch Top-Unternehmen des men“ (Interview SZV 2). deutschen LEH beinhaltet. Diesen heterogenen Abnehmerstrukturen entsprechend kann die An- Die strategische Ausrichtung im Vertrieb variiert gebotspalette der Schlachtunternehmen neben dabei relativ stark zwischen den einzelnen Schlacht- Vor- und Zwischenprodukten mit weiterem Verede- unternehmen. Einige legen ihren Fokus speziell auf lungsbedarf auch direkt für den Handel bestimmte kleinere Fleischverarbeiter, die teilweise sogar Endprodukte umfassen, sofern die dafür notwen- noch handwerkliche Züge aufweisen und qualitativ dige Fertigungstiefe gegeben ist. Mit Blick auf die hochwertige Produkte erzeugen (vgl. Interviews Fleischverarbeitung lassen sich zum Teil starke SZV 2, SZV 6, SZV 9). Mit einer solchen Vermark- räumliche Unternehmenskonzentrationen feststel- tungsstrategie lassen sich zwar nicht unbedingt len, wie z.B. in der Region Ostwestfalen, wo zahlrei- große Mengen absetzen, dafür aber umso bessere che Wurstwarenhersteller ihren Sitz haben (z.B. Rei- Preise erzielen. Andere Unternehmen setzen gezielt nert, Stockmeyer, Wiltmann). Diese beziehen ihre darauf, bestimmte Nischen zu besetzen, um einem Rohwaren u.a. aus dem Oldenburger Münsterland, möglicherweise aussichtslosen Konkurrenzkampf wie ein Schlachtunternehmer aus dem Kreis Clop- im breiten Massenmarkt aus dem Weg zu gehen. Ein penburg bestätigt. hohes Maß an Flexibilität zählt dabei zu den beson- deren Stärken im Vertrieb der Produkte. „Wir beliefern eigentlich alle großen Verarbeitungs- unternehmen. Beispielsweise gibt es im Raum Vers- „Mit unserer Qualitätsphilosophie ziehen wir uns mold sehr große Fleischwarenbetriebe, da sind wir schon seit vielen Jahren ganz deutlich aus den eigentlich ständige Lieferanten. Der Lebensmit- Märkten zurück, wo sich die Großen engagieren. teleinzelhandel nimmt natürlich nie das komplette (…). Wir lassen uns auf ganz bestimmte Kunden- Schwein ab, der nimmt nur bestimmte Artikel. Und anforderungen ein, z.B. besondere Zuschnitte. Das für alles, was mit Veredelung und Verarbeitung zu wird auch honoriert, weil die Kunden wiederum wis- tun hat, braucht man einfach die Industrie“ (Inter- sen: das macht ein großes Industrieunternehmen view SZV 11). nicht, wenn nicht irgendwelche Tonnagen dahinter stehen“ (Interview SZV 2). Auch wenn dieser Fall zunächst noch auf relativ regi- onale Warenströme hindeutet, so sind solche klein- Wie bereits angedeutet, führen Strategien der Ni- räumigen Strukturen angesichts der Tatsache, dass schenorientierung und damit einhergehende Kun-

107 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

denakquisen häufi g in den mittel- und süddeutschen was für die Bedientheke wie auch den SB-Bereich Raum. Nicht immer kommen die Schlachtunterneh- gleichermaßen gilt. Darunter fallen beispielsweise men aus dem Oldenburger Münsterland dort aller- Eigenmarken wie Bauerngut (Edeka) oder Wilhelm dings zum Zug, was u.a. damit zusammenhängt, dass Brandenburg (Rewe). Die meisten Einzelhändler be- in Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg, ziehen ihre Fleischwaren allerdings direkt über die Hessen oder Thüringen der Regionalitätsgedanke Verarbeitungsindustrie oder den Lebensmittelgroß- sehr stark ausgeprägt ist. Dadurch sind die Ein- handel. Eine wichtige Distributionsfunktion erfüllen käufer vor Ort im Bezug ihrer Rohwaren zum Teil hierbei die deutschlandweit installierten LEH-eige- deutlich eingeschränkt, was zugleich ein Dilemma nen Logistikzentren, wo die Waren gebündelt, kom- darstellt, da die Erzeugung regionaler Schweine- missioniert und an die Filialen weiterverteilt werden. fl eischprodukte in den genannten Bundesländern aufgrund der strukturellen Voraussetzungen zuneh- Die Zusammenarbeit mit dem Lebensmitteleinzel- mend schwieriger wird (vgl. Interviews SZV 9, VV 7). handel gestaltet sich aus Sicht der Schweinefl eisch- Die betreffenden Schlachtunternehmen zeigen sich produzenten oftmals schwierig, was in erster Linie daher zuversichtlich, in diesen Regionen auf lange mit asymmetrischen Machtkonstellationen begrün- Sicht neue Absatzpotenziale zu erschließen. Fer- det wird (vgl. SZV 2, SZV 5, SZV 8, SZV 9, SZV 10). ner wird angemerkt, dass in den hochkonzentrierten Hier scheint sich die These einer nachfragegesteu- Veredelungsregionen Weser-Ems und Westfalen- erten („buyer driven“) Wertschöpfungskette zu Lippe tendenziell eher ungünstige Preise zu erzielen bestätigen, wie sie für den Lebensmittelbereich sind, was eine überregionale Vermarktung umso at- zumeist angenommen wird. Die korporative Macht traktiver erscheinen lässt (vgl. Interview SZV 9). („corporate power“) würde demnach in den Händen des LEH liegen, der mit unterschiedlichen Ressour- Die Fleischwarenhersteller beliefern vordergrün- cen ausgestattet ist, um seine Zielvorstellungen dig die Unternehmen des Lebensmittelgroß- und gegenüber den vorgelagerten Stufen durchzuset- -einzelhandels. Der LEH weist in Deutschland eine zen. Diese Ressourcen reichen von der Einführung enorme sektorale Konzentration auf, die sich da- erhöhter Qualitätsstandards über preispolitische rin ausdrückt, dass die Top 5-Unternehmensgrup- Maßnahmen (z.B. Niedrigpreispolitik) bis hin zur pen (Edeka, Rewe, Schwarz, Metro, Aldi) mehr als Auslistung von Lieferanten bei Nichterfüllung der 70 % des Umsatzes auf sich vereinen. Nach Spiller Vorgaben. Eine zentrale Rolle im Hinblick auf die et al. (2005) lassen sich im LEH drei strategische Machtverhältnisse spielt die bereits angesproche- Gruppen unterschieden (S. 114): zentralisierte, in- ne enorme Konzentration auf der LEH-Stufe. Als ternationale Konzerne (z.B. Aldi, Lidl, Metro, Tengel- „letzte Instanz“ gegenüber den Verbrauchern (re-) mann); international (z.B. Rewe) und national (z.B. agieren Supermarktketten und Discounter stets Edeka) operierende Kooperationsgruppen, in denen hochsensibel, insbesondere dann, wenn bestimmte sowohl selbstständige Kaufl eute als auch von der Lebensmittelthemen in der Öffentlichkeit kritisch Gruppenzentrale geführte Filialen agieren; mittel- diskutiert werden. Auf diese Weise unter Druck ge- ständische Filialunternehmen, die über eine regio- raten, kann der LEH seine Rolle als „Machthaber“ nal verdichtete Filialstruktur verfügen (z.B. Globus, durch entsprechende Maßnahmen und Vorgaben Dohle, Tegut). Die beiden umsatzstärksten Unter- ausfüllen. nehmen Edeka und Rewe weisen dezentrale Organi- sationsstrukturen mit Regionalgesellschaften und „Der Lebensmitteleinzelhandel stellt sich zuneh- eigenen Fleischwerken auf. Auch andere Lebensmit- mend als ‚Advokat des Verbrauchers‘ dar. Und auf- telhändler haben in die Fleischproduktion rückwärts grund des Drucks von Seiten der Gesellschaft, der integriert, wie z.B. Kaufl and (Schwarz-Gruppe). Bevölkerung, auch von ‚pressure groups‘, wie den Folglich erzeugen diese Unternehmen einen erheb- Vegetariern, werden Themen akut und bedeutsam. lichen Anteil der angebotenen Fleischwaren selbst, Und der Lebensmitteleinzelhandel greift dann ir-

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gendwann diese Themen auf und versucht mit For- besonderem Maße auf selbstständige Kaufl eute zu, derungen an die Branche, diese für den Verbraucher die in ihren Einkaufsentscheidungen relativ frei sind umzusetzen, um sein eigenes Image zu retten“ (In- (vgl. Interview LH/GV 5). Die Präferenz der Kun- terview FI 1). den für Produkte regionaler Fleischverarbeiter dürfe nicht unterschätzt werden. In diesem Zusammen- Diese Machtasymmetrie wird allerdings nicht nur hang erklärt ein selbstständiger Lebensmittelhänd- von den Vertretern der Schlacht- und Verarbei- ler aus dem Raum Vechta: „Ohne solche Artikel kann tungsunternehmen geäußert, die sich nach ihrer ich den Laden dicht machen“ (Interview LH/GV 4). subjektiven Wahrnehmung in einer sehr ungünstigen Die große Auswahl an Schweinefl eischerzeugern, Verhandlungsposition gegenüber den nachgelager- die in der Region ansässig sind und potenziell als ten Stufen befi nden. Auch auf Seiten des Lebens- Lieferanten in Frage kommen, wird zweifellos als mitteleinzelhandels ist durchaus ein Bewusstsein Vorteil gesehen. So haben sich interdependente Ge- festzustellen, dass die zur Verfügung stehenden schäftsbeziehungen entwickelt, die von einem part- Ressourcen dazu geeignet sind, die Lieferanten nerschaftlichen Charakter geprägt sind (vgl. ebd.). nach eigenen Vorstellungen zu steuern (vgl. Inter- Ähnliche Strategien fi nden sich ebenso bei einem views LH/GV 3, LH/GV 4). Diese Steuerung erfolgt in Großteil mittelständischer Regionalfi lialisten, de- erster Linie über Preis- und Qualitätsvorgaben. Eine ren Einkaufs- und Vertriebsnetze die regionale Aus- weitere Strategie zur Ausübung von Marktmacht richtung des jeweiligen Unternehmens widerspie- besteht z.B. in der Imitation von Original-Produkten, geln (vgl. Interviews LH/GV 1, LH/GV 3). Vor dem die als Eigenmarken preisgünstig vertrieben werden Hintergrund des scharfen Verdrängungswettbe- (vgl. Interview LH/GV 4). Neben den Unternehmen werbs im Lebensmitteleinzelhandel können quali- des Lebensmittelhandels spielen mittlerweile auch täts- und regionalitätsbasierte Sortimentspolitiken Großverbrauchereinrichtungen, wie z.B. Mensen, ein probates Mittel sein, um sich vom Discountbe- Kantinen oder Krankenhäuser, eine immer bedeu- reich und den großen Supermarktketten zu diffe- tendere Rolle auf der Nachfrageseite. Die Anzahl renzieren. der Nutzer nimmt seit Jahren stetig zu, so dass die Entscheidungsträger dieser Einrichtungen mittler- Aufgrund der bereits beschriebenen Machtasym- weile über umfangreiche Verhandlungsspielräume metrien und daraus resultierender Probleme in der gegenüber ihren Zulieferern verfügen. Zusammenarbeit mit dem LEH verzichten einige Schweinefl eischproduzenten sogar gänzlich auf „Ich denke, mit 10.000 Essen pro Tag ist man hier in diesen Vermarktungsweg, obwohl er die meisten der Region nicht klein und da sollte man das schon Endverbraucherkontakte garantiert. Gleich vier ernst nehmen, wenn ich sage: unsere Verbraucher Interviewpartner aus der Fleischindustrie haben wollen das wissen und die treiben mich. (…). Aus einen solchen Schritt bestätigt (vgl. Interviews meiner Sicht – und das sage ich Ihnen ganz selbstbe- SZV 2, SZV 4, SZV 8, SZV 9). Als ausschlaggebender wusst – würde ich mich schon in einer guten Position Punkt für diese wegweisenden unternehmerischen sehen.“ Entscheidungen gilt vor allem die eigene Ohnmacht im Rahmen der Verhandlungen mit dem LEH, was in Die Verteilung und Ausgestaltung korporativer zunehmendem Maße zu Frustrationen geführt hat. Macht stellt insofern einen wichtigen Einfl ussfak- tor für die Organisation der Produktionsnetzwerke „Die Letztverteilerstufe Lebensmitteleinzelhandel speziell im nachgelagerten Bereich dar. Trotz der bzw. Discount hat ungeheuren Einfl uss auf unsere tendenziell großräumigen Lieferstrukturen gibt Vorstufen Fleischgewinnung und landwirtschaftli- es auch Lebensmittelhändler, die bedeutende Teile che Produktion. Man muss sich den Qualitätsanfor- ihres Schweinefl eischsortiments von Lieferanten derungen, den Konditionsvorstellungen und vielen aus der näheren Umgebung beziehen. Dies trifft in anderen Dingen fügen, wenn man überhaupt liefern

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will. Und dem kann man sich nicht entziehen. Es sei gungen von Macht, die speziell in der Fleischwirt- denn, man zieht sich konsequent aus dieser Ver- schaft eine ähnlich explosive Kraft entfalten. triebsschiene zurück, was wir getan haben. Der An- teil des Lebensmitteleinzelhandels am Gesamtvolu- 7.3.3 Institutionelle und kollektive Macht: der men beläuft sich bei uns mittlerweile auf nur noch Einfl uss von Politik, Medien und NGOs 3 - 5 %“ (Interview SZV 2). Im Rahmen der Global Production Networks (GPN)- Allerdings hat nicht jeder Vertreter der Schwei- Konzeption stellen die Machtverhältnisse eine zen- nefl eischbranche eine ähnlich kritische Sicht. Bei- trale Kategorie für die räumlich-organisatorische spielsweise merkt ein Schlachtunternehmer aus Gestaltung der Produktionsnetzwerke dar. In die- dem Oldenburger Münsterland an, dass die Strate- sem Zusammenhang thematisieren zahlreiche Stu- gien des LEH vielmehr in Abhängigkeit von Ange- dien die Machtkonstellation zwischen rein ökono- bot und Nachfrage betrachtet werden müssen. Vor mischen Akteuren, beispielsweise zwischen großen diesem Hintergrund seien die vielfach kritisierten Fokalunternehmen und ihren Zulieferern. In einem Sonderangebote im Fleischbereich mitunter sogar solchen Fall wird von korporativer Macht gespro- notwendig, um die überschüssigen Mengen im Markt chen (vgl. Kap. 7.3.2). Der GPN-Ansatz unterschei- adäquat zu verwerten. det jedoch zwei weitere Formen von Macht, die von nicht-ökonomischen Akteuren ausgeübt werden und „Man kann auf den LEH schimpfen, aber wenn die gerade in der Ernährungswirtschaft eine große Rolle keine Sonderangebote fahren, dann haben wir we- spielen: institutionelle Macht („institutional power“) niger Menge, das ist einfach so. Wir leben in einem durch nationale bzw. supranationale (Regierungs-) Wohlstandsland und der LEH kriegt natürlich von Organisationen sowie kollektive Macht („collective allen Seiten auch die Menge angeboten. (…). Aber power“) durch zivilgesellschaftliche Akteure und da darf man sich jetzt nicht den LEH nehmen, das ist Zusammenschlüsse (z.B. Gewerkschaften, NGOs). falsch. Derzeit ist das Angebot einfach zu groß“ (In- Mit Blick auf den Schweinefl eischsektor stehen der- terview SZV 5). zeit einige politische Entscheidungen im Fokus, de- ren Auswirkungen noch nicht endgültig abschätzbar Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die auf- sind, die aber deutliche strukturelle Veränderungen gezeigten Warenströme und Akteursbeziehungen zur Folge haben könnten. letztendlich aus einer komplexen Gemengelage hervorgehen, die durch starke sektorale Konzent- Als besonders weitreichende Entscheidung gilt die rationsprozesse auf der Schlachtstufe, aber mehr Pfl icht zur Umstellung auf Gruppenhaltung tragen- noch auf der Stufe des LEH geprägt ist. Daraus er- der Sauen. Im Zuge dieser Regelung, die einen Be- geben sich wiederum Machtasymmetrien mit unter- standteil der Tierschutz-Nutztierverordnung (Tier- schiedlichen Konsequenzen für die Konfi guration SchNutzV) darstellt, müssen Sauen im Zeitraum der Produktionsnetzwerke. In diesem Kontext rich- von vier Wochen nach der Belegung bis eine Woche tet sich der Unmut der Schweinefl eischproduzen- vor dem voraussichtlichen Abferkeltermin in der ten vor allem gegen die Preispolitik des LEH, wobei Gruppe gehalten werden (vgl. LWK Niedersach- die Discounter zunehmend als Richtmaß fungieren sen 2012b). Diese Vorgabe beinhaltet zudem einen (vgl. Interviews LH/GV 3, LH/GV 4). So kommt es zur Mindestfl ächenanspruch je Sau nach Gruppengrö- zur Ausübung von korporativer Macht („corporate ße (< 6 Sauen = 2,5 m²; 6 bis 39 Sauen = 2,25 m²; power“), die sogar dazu führt, dass bestimmte An- > 39 Sauen = 2,05 m²) sowie eine maximal zulässi- bieter von Schweinefl eischprodukten auf andere ge Spaltenweite von 20 mm. Als Stichtag für die Absatzkanäle ausweichen, auch weil Ressourcen zur praktische Umsetzung wurde der 01.01.2013 fest- Gegenmachtbildung fehlen. Daran anknüpfend folgt gelegt. Ein Großteil der Sauenhalter in Deutsch- nun die praxisnahe Beleuchtung weiterer Ausprä- land hat die Anforderungen erfüllt und die Ställe

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entsprechend umgerüstet. Jedoch sind auch zahl- lich an den letzten zwei Zentimetern? Oder ist man reiche, insbesondere kleinere Sauenhalter aus der nicht vielmehr in der Lage, Dinge etwas praktikabler Produktion ausgestiegen, da sie die erforderlichen zu gestalten?“ (Interview SZV 2). Investitionen nicht leisten konnten oder wollten. Der Strukturwandel im Bereich der Ferkelerzeu- Die beiden Aussagen machen deutlich, dass die gung hat sich dadurch offenbar beschleunigt. Wie Umrüstung der Spaltenböden mit erheblichen In- bereits beschrieben, sind die Einschnitte in Bayern vestitionen verbunden ist, der praktische Nutzen und Baden-Württemberg besonders drastisch aus- jedoch nicht gesehen bzw. die Maßnahme sogar als gefallen (vgl. Kap. 7.3.1). Aber auch im Oldenburger kontraproduktiv bewertet wird. Auch hier gehen Münsterland haben nach Ansicht von Fachleuten Marktkenner davon aus, dass einige Schweinehal- einige Landwirte die Sauenhaltung aufgegeben. ter ausgestiegen sind, insbesondere bei unsicherer Weitere politische Maßnahmen, die sich aktuell auf Hofnachfolge oder wenn die Schweinehaltung im die landwirtschaftlichen Strukturen auswirken und Nebenerwerb betrieben wird. Die Bestandszahlen intensiv diskutiert werden, sind die neuen techni- auf Bundesebene zeigen aber auch, dass der ver- schen Vorgaben für Spaltenböden (ebenfalls im schiedentlich prognostizierte Einbruch der Schwei- Rahmen der TierSchNutzV) sowie die Einführung neproduktion infolge der verschärften Haltungsbe- von Filtererlassen bei Stallneubauten in Nieder- dingungen nicht eingetreten ist. sachsen und Nordrhein-Westfalen. In Bezug auf Spaltenböden darf die Spaltenweite z.B. für Mast- Eine weitere intensiv diskutierte Maßnahme, wel- schweine neuerdings nur noch bei 18 mm liegen (vgl. che die Schweinehalter in Niedersachsen und TierSchNutzV § 22 Abs. 3). Eine Verkleinerung der Nordrhein-Westfalen betrifft, ist die Einführung Spaltenweiten ist auch für Ferkel, Sauen und Eber der Filtererlasse zu Beginn des Jahres 2013. Die- angezeigt. Die befragten Akteure sehen diese Vor- se Regelung sieht bei Stallneubauten ab einer be- gaben sehr kritisch: stimmten Größenordnung (2.000 Mast- bzw. 750 Sauenplätze) die Installation von Filteranlagen ge- „Da haben wir ein paar tausend Euro ausgege- gen Staub-, Ammoniak- und Geruchsemissionen vor. ben, um das nachzurüsten. (…). Jetzt sind also die Auch bereits bestehende Anlagen sollen bis zum schmalen Spalten drauf mit dem Ergebnis, dass die 01.05.2015 hinsichtlich der Einhaltung der zuläs- Tiere dreckiger sind, dass die Luft schlechter ist sigen Geruchsemissionswerte überprüft und ggf. im Stall. Schade eigentlich. Und die alten Spalten nachträglich zur Installation von Abluftreinigungs- mussten wir weg tun, obwohl wir nie Klauenschäden anlagen verpfl ichtet werden. Zudem ist unter be- gehabt haben, die Tiere sich gut dran gewöhnt ha- stimmten Bedingungen die Filter-Nachrüstung von ben“ (Interview PE 1). Stallanlagen ab 1.500 Mastplätzen vorgesehen.

Auch das folgende Zitat nimmt Bezug auf die Spal- Innerhalb der Branche sind die Filtererlasse um- tenböden, geht aber noch darüber hinaus und stellt stritten, da von einer „unverhältnismäßigen Beein- „manche bürokratische Hürde“ grundsätzlich in Fra- trächtigung der niedersächsischen Schweinehal- ge: tung und entscheidenden Wettbewerbsnachteilen in Deutschland und Europa“ ausgegangen wird, wie der „Also die Nutztierhaltungsverordnung hat natürlich ISN-Vorsitzende Heinrich Dierkes erklärt.22 strukturelle Veränderungen gebracht. Da kann man über die Details, die da festgelegt worden sind, si- 22Im Rahmen einer ISN-Stellungnahme vom 26.03.2013 cherlich streiten. Da gibt es viele sinnvolle Sachen, zur Einführung eines Filtererlasses in Niedersachsen; ver- fügbar unter: http://www.schweine.net/auch_niedersach- aber eben auch manche bürokratische Hürde, wo sen_veröffentlicht_fi ltererlass.html (20.01.14) man sich fragt: muss das denn nun wirklich eins zu eins so umgesetzt werden? Und scheitert es wirk-

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Ähnliche Argumente sind aus Nordrhein-Westfalen Als entscheidende Komponente für die Bildung und zu vernehmen, so z.B. von Heinz Lax, Vorsitzender Ausübung von Macht dient die Ressourcenausstat- des Fachausschusses Schweine des Rheinischen tung der beteiligten Akteure, welche erst durch in- Landwirtschafts-Verbandes (RLV), der ebenfalls tensive Netzwerkbeziehungen ihre volle Wirkung von „Wettbewerbsverzerrung“ spricht und zumin- entfalten. Gelingt es also, vorhandene Ressourcen dest eine „einheitliche Vorgehensweise auf Bun- im Kollektiv zu mobilisieren, so wird die Macht- desebene“ fordert.23 Welche Konsequenzen der Fil- position von ansonsten eher wenig einfl ussrei- tererlass im Hinblick auf die landwirtschaftlichen chen Einzelakteuren im Netzwerk gestärkt. Allen Strukturen mit sich bringt und ob der „Strukturwan- (2003) bezeichnet dies als „power through mobili- del hin zu größeren Einheiten“ beschleunigt wird, sation“. Diffus bleibt dagegen die Rolle der Medien, wie der RLV-Vorsitzende Lax weiter prognostiziert, die durch kritische Berichterstattung zweifellos bleibt abzuwarten. Handlungsdruck auf bestimmte Netzwerkpartner ausüben. Hier mangelt es an wissenschaftlich fun- Was jedoch anhand dieser exemplarisch aufgeführ- dierten Erkenntnissen, obwohl ganze Diskurse um ten Regelungen deutlich wird, ist der bedeutende globale Produktionsbedingungen medial dominiert Einfl uss des Gesetzgebers auf die Entwicklungen im werden.24 Es spricht jedoch einiges dafür, dass Me- Schweinefl eischsektor. Insofern konstituieren sich dien ebenfalls kollektive Macht ausüben, da sie u.a. bestimmte Ausprägungen institutioneller Macht auf gesellschaftliche Handlungsmuster, Normen und Bundes- (TierSchNutzV) und Länderebene (Filterer- Werte vermitteln. lasse), die weitreichende Folgen für die Schweine- halter insbesondere in Nordwestdeutschland haben. Die Wechselwirkungen zwischen kollektiver, insti- Hintergrund dieser politischen Entscheidungen tutioneller und korporativer Macht lassen sich an- sind unterschiedliche Problemlagen, die speziell in hand des Schweinefl eischsektors im Oldenburger den hochkonzentrierten Veredelungsregionen auf- Münsterland aufzeigen. Oftmals steht die Region treten, so auch im Oldenburger Münsterland. Dazu im Fokus kritischer Medienberichte und NGO-Akti- zählen u.a. ökologische Probleme (wie Boden- und vitäten. Im Februar 2013 fi lmte beispielsweise die Wasserbelastung), Treibhausgas-Emissionen und Organisation „Animal Rights Watch“ heimlich in drei nicht zuletzt Fragen der artgerechten Tierhaltung Sauenbetrieben im Raum Cloppenburg und Vechta (vgl. Mose et al. 2007). Durch Medienberichte und und spielte das Material schließlich der ARD, dem NGO-Kampagnen verfestigen sich diese Missstän- NDR sowie Spiegel Online zu, die auf dieser Grund- de im kollektiven Gedächtnis, wodurch der Hand- lage ihrerseits kritische Berichte formuliert haben. lungsdruck auf Praktiker wie auch Politiker steigt. Dadurch sehen sich nicht nur die betroffenen Betrie- Insofern wird deutlich, dass institutionelle Macht be unter Druck gesetzt, sondern die gesamte Bran- hier keine isolierte Funktion darstellt, sondern mit che, da sich Begriffe wie „Schweinesystem“ (Spiegel kollektiver Macht (und schließlich auch korporativer online) in den Köpfen der Gesellschaft etablieren. Macht) korrespondiert. Dies kann wiederum zu Reaktionen und neuen Hand- lungsstrategien auf politischer Seite führen: Gemäß dem GPN-Ansatz entsteht kollektive Macht durch den Zusammenschluss von (gesellschaftli- „Die Politik handelt, wie die Gesellschaft denkt. Und chen) Einzelakteuren. Beispiele hierfür sind Be- wie gesagt: da wir es nicht geschafft haben, die Ge- triebsräte, Gewerkschaften, Handelsunionen sowie sellschaft mitzunehmen, haben wir ein Vakuum ge- Menschenrechtsorganisationen oder andere NGOs. kriegt, was sich NGOs und andere zu Nutze machen.

24 23Im Rahmen einer Stellungnahme für top agrar vom Als Beispiel dient der medial dominierte Diskurs um Mo- 28.02.13; verfügbar unter: http://www.topagrar.com/ ral und Gerechtigkeit in der Bekleidungsindustrie, nach- news/Home-top-News-Filtererlass-in-NRW-fuehrt-zu- dem im Frühjahr 2013 eine Textilfabrik in Dhaka/ngla- Wettbewerbsverzerrung-1070996.html (20.01.14) desch eingestürzt war.

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(…). Die Kompetenz beim Tierwohl haben im Mo- 7.4.1 Transnationale Handelsbeziehungen im ment Menschen, die in NGOs sitzen, die aber nicht Ferkelbereich im Schweinestall sind. Das ist ein großes Problem und refl ektiert dann in die Politik hinein. Wir müssen Die Internationalisierung der Schweinefl eischbran- auch feststellen, dass Politik sehr stark auf Skan- che vollzieht sich bereits auf der Stufe der Primär- dale reagiert. Das macht die Sache noch ein biss- erzeugung in Form des länderübergreifenden Han- chen hibbeliger“ (Interview PE 2). dels mit Ferkeln (vgl. Abb. 23). Hintergrund dieser Entwicklung sind erhebliche Unterschiede zwischen Die Machtkonstellationen innerhalb des Schwein- den einzelnen Mitgliedstaaten der EU im Verhältnis fl eischsektors sind also komplex und vielschichtig. von Ferkelproduktion und vorhandenen Mastkapa- Die Produktionsnetzwerke bestehen aus zahlrei- zitäten (vgl. LEL/LfL 2013, S. 182). Diesbezüglich chen heterogenen Akteuren mit eigenen Zielvor- hat sich gerade in Deutschland ein starkes Ungleich- stellungen und Ressourcenrepertoires. Infolgedes- gewicht gebildet, so dass seit einigen Jahren nicht sen kann es vor allem zwischen Privatwirtschaft und mehr genügend Ferkel für die Mastbetriebe zur öffentlicher Hand zu Interessenkollisionen kom- Verfügung stehen. Folglich müssen die fehlenden men. Medien, NGOs und andere gesellschaftliche Ferkel importiert werden, wobei sich Dänemark und Akteure begleiten die Konfl ikte auf kritische Art die Niederlande als mit Abstand wichtigste Han- und Weise und stellen somit ebenfalls einen nicht delspartner herauskristallisiert haben. Beide Län- zu unterschätzenden Einfl ussfaktor dar. Korporati- der weisen deutliche Ferkelüberschüsse auf und ve, institutionelle und kollektive Macht, wie sie im sind somit vom Export abhängig (vgl. Haxsen 2010, GPN-Zugang erörtert werden, stehen also in enger S. 80). Abhängigkeit zueinander und wirken auf unter- schiedlichen räumlichen Ebenen. In den Hochburgen Abgesehen von Dänemark und den Niederlanden der Schweinefl eischproduktion sind diese Mecha- spielen andere Länder praktisch keine Rolle für nismen besonders ausgeprägt und verstärken den den deutschen Ferkelimport, der kontinuierliche Handlungsdruck innerhalb der Netzwerke. Zuwächse verzeichnet. Allein im Jahr 2012 betrug die Steigerung 6,8 % im Vergleich zum Vorjahr. Zwi- 7.4 Multiskalare Vernetzungen III – Internatio- schen 2005 und 2012 hat sich die Zahl der impor- nale Perspektiven tierten Ferkel sogar mehr als verdoppelt. Inzwischen stammt rund ein Fünftel der in Deutschland gemäs- Zu den einschneidenden Entwicklungen, die den teten Ferkel aus Dänemark und den Niederlanden, Schweinefl eischsektor seit einiger Zeit prägen, was in der Summe knapp 11 Mio. Ferkel entspricht. gehört zweifellos die rasant wachsende Internatio- nalisierung. Mit der Öffnung der Märkte besonders Mittlerweile hat Dänemark durch die Abkehr von der nach 1989/90 ist die Produktion und Vermarktung gülleträchtigen Schweinemast zugunsten der Fer- von Schweinefl eisch zu einem globalen Geschäft ge- kelproduktion einen deutlichen Vorsprung vor den worden. Dabei ist die Integration des Oldenburger Niederlanden, wo die Exporte seit 2010 aufgrund Münsterlandes in die entsprechenden Internatio- von Umweltvorgaben bei rund 6,5 Mio. Ferkeln stag- nalisierungsprozesse nicht nur auf den Absatz der nieren (vgl. LEL/LfL 2013, S. 185). Im Fall von Däne- End- und Zwischenprodukte beschränkt, sondern mark ist die starke Fokussierung auf den deutschen auch die „Rohstoffzufuhr“ auf Basis von Ferkelzu- Markt mit einem Exportanteil von teilweise bis zu käufen wird über Ländergrenzen hinweg organisiert. 90 % in jüngster Vergangenheit zurückgegangen, Diese und weitere markante Entwicklungsprozesse da vor allem in Ostmitteleuropa neue, lukrative auf internationaler Ebene stehen im Mittelpunkt Absatzpotenziale entstanden sind. So exportierte der folgenden Ausführungen. Dänemark im Jahr 2012 ca. 1,7 Mio. Ferkel nach Po- len und ca. eine halbe Million nach Tschechien (vgl.

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Abb. 23: Ferkelexporte aus den Niederlanden und Dänemark

Quelle: LEL/LfL 2013, S. 184 (Datenbasis: PVE, NL; Landbrug und Fodevarer; AMI; DESTATIS; Danske Svineproducenter)

ebd., S. 185). Die Niederlande haben sich dagegen private Viehhändler tendenziell stärker auf den nie so stark auf den deutschen Markt konzentriert; Ferkelimport ausgerichtet als Genossenschaften zeitweise gingen mehr als die Hälfte der Ausfuhren oder Erzeugergemeinschaften. Letztere sind häufi g in andere europäische Länder, wie z.B. Belgien, Po- (noch) regional aktiv, wobei exemplarisch die Fer- len und Italien. Im Jahr 2012 ist Deutschland als kelerzeugergemeinschaften Osnabrück, Grafschaft Absatzmarkt für niederländische Ferkel mit einem Bentheim und Porcus Sanus (Herzlake) genannt 63 %-Anteil jedoch dominant wie nie zuvor. werden, die sich allesamt im Weser-Ems-Raum be- fi nden (vgl. Greshake 2011, S. 21). Die Expansion der dänischen und niederländischen Ferkellieferanten in den deutschen Markt hängt Etwas anders scheint sich die Situation im Olden- mit dem starken Ausbau der Mastkapazitäten in burger Münsterland darzustellen. So geht Greshake den nordwestdeutschen Veredelungsregionen zu- (2011) davon aus, dass 50 % aller in der Region ge- sammen. Immer mehr Ferkelvermarkter aus Weser- handelten Ferkel aus Dänemark und den Niederlan- Ems und Westfalen-Lippe richten sich überregional den stammen (S. 22). Demnach setzen auch zahlrei- aus und importieren Ferkel aus Dänemark oder den che genossenschaftlich organisierte Unternehmen Niederlanden. Zu dieser Thematik liefert Greshake in hohem Maße auf den Ferkelimport, um die Nach- (2011) eine recht differenzierte Übersicht, die frage der zumeist größeren Mastbetriebe zu bedie- auch unternehmensbezogene Angaben zu transna- nen. Exemplarisch erläutert ein genossenschaftli- tionalen Ferkelströmen enthält. Die Strategien der cher Vertreter, welchen Stellenwert dänische Ferkel einzelnen Viehvermarktungsunternehmen variie- für seine Vermarktungsorganisation haben und wie ren dabei mehr oder weniger stark. Demnach sind er den Einkauf organisiert:

114 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

„Bei den Ferkeln sieht das so aus, dass wir 70 % Inwieweit Ferkel aus dem Oldenburger Münsterland der Ferkel aus Dänemark holen. (…) von diesen bzw. aus Nordwestdeutschland exportiert werden, 70 % sind über die Hälfte Direktbeziehungen zu ist nur schwer festzustellen. Die interviewten Vieh- den Landwirten in Dänemark. Es ist so, dass wir die vermarkter sind größtenteils nicht im Exportge- direkt vor Ort aus dem Stall laden und nicht diesen schäft tätig, auch weil die regionalen Absatzmärkte Umweg über ein Exportcenter gehen, weil die Pro- eine ausreichende Nachfrage bieten. Dazu kommen bleme der Ansteckung mit anderen Ferkeln da viel grundsätzliche Hemmnisse, die mit der Auslands- größer sind“ (Interview VV 5). marktbearbeitung zusammenhängen, wie z.B. Wech- selkursschwankungen, sprachliche bzw. kulturelle Die Motive für den Ferkelimport sind im Prinzip Barrieren und nicht zuletzt die weiten Transportwe- ähnlich, wie sie bereits für den Bezug ostdeutscher ge. Einer der Interviewpartner gab jedoch an, dass er Ferkel erläutert wurden (vgl. Kap. 7.3.1). Die wach- ca. 20-30 % der Ferkel nach Polen, Tschechien, Ös- senden Mastbetriebe fordern zunehmend größere terreich und – zu einem sehr geringen Anteil – nach Ferkelpartien, die aus einem Herkunftsbetrieb und Ungarn ausführt. Der Trend zum Export würde nach mit klar defi niertem Gesundheitsstatus stammen Einschätzung dieses Interviewpartners in Zukunft sollten. Diese hohen Ansprüche können durch die noch zunehmen, und zwar sowohl für Ferkel als auch Erzeuger aus Dänemark und den Niederlanden er- für Schlachtschweine. Er begründet dies mit höhe- füllt werden (vgl. Haxsen 2010, S. 84). Hinzu kommt ren Margen und „weil es dort einfacher ist, Markt- das recht niedrige Preisniveau aufgrund der enor- anteile zu kriegen“ (Interview VV 5). Der heimische men Ferkelüberschüsse in den beiden Ländern (vgl. Markt sei demnach stark umkämpft und habe hin- Greshake 2011, S. 22). Vor diesem Hintergrund ist sichtlich der Mastkapazitäten den Zenit bereits die Transnationalisierung der Ferkelversorgung zum überschritten. Teil bereits sehr intensiv und weit fortgeschritten, wie am Beispiel einer Erzeugergemeinschaft aus Ein wenig klarer werden die Strukturen im Ferkel- dem Weser-Ems-Raum deutlich wird: export anhand von Daten des niedersächsischen Statistikamtes.25 Die Zahlen für das Jahr 2012 „Wir haben mittlerweile tatsächlich auch Mitglieds- zeigen auf, dass der mit Abstand größte Teil der betriebe in Holland: zwei Ferkelerzeugerbetriebe niedersächsischen Ferkelexporte nach Polen geht und drei geschlossene Systeme, also Ferkelerzeu- (Stückzahl: 84.729), gefolgt von Kroatien (10.962), gung plus anschließender Mast. Wir kaufen auch Österreich (6.720) und den Niederlanden (6.413). zusätzlich noch mehr Ferkel aus Holland. Die be- Gemessen an den gesamtdeutschen Ferkelausfuh- ziehen wir aber aus einem holländischen Viehver- ren (1,8 Mio.) ist der niedersächsische Anteil jedoch marktungsunternehmen, das in der Region Brabant sehr gering. Die Zahlen sprechen also dafür, dass unterwegs ist. (…). Und die fehlenden Ferkel, die wir die in Niedersachsen ansässigen Ferkelvermarkter sonst noch brauchen, die kaufen wir dann in Däne- in erster Linie die Masthochburgen im Weser-Ems- mark“ (Interview VV 2). Raum und der angrenzenden Region Westfalen- Lippe versorgen. Der deutsche Ferkelexport stützt Neben dem Import werden seit einigen Jahren auch sich daher größtenteils auf ostdeutsche und süd- zahlreiche Ferkel aus Deutschland exportiert. Die deutsche Lieferanten, die auch eine günstigere geo- Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) graphische Lage zu den wichtigsten Absatzmärkten geht für das Jahr 2012 von ca. 1,8 Mio. Ferkeln aus, aufweisen. wobei vor allem die Märkte in Ostmitteleuropa an Bedeutung gewinnen. Wichtige Absatzländer sind beispielsweise Ungarn, Kroatien, die Ukraine, Polen 25 und Tschechien, aber auch die Niederlande und Ös- Die Daten hat das Niedersächsische Landesamt für Sta- terreich. tistik auf Anfrage bereitgestellt.

115 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

7.4.2 Transnationale Handelsbeziehungen im für die Papiere, sondern es kommt auch zur Eingren- Schlachtschweinebereich zung der Verladezeiten, sofern diese nicht mit den Arbeitszeiten der Veterinäre kompatibel sind. Nach Prozesse der Internationalisierung, wie sie im Fer- Angaben niederländischer Marktanalysten haben kelbereich zu beobachten sind, lassen sich ebenso sich die Schlachtschweineexporte nach Deutsch- für den Handel mit Schlachtschweinen feststellen, land zwischen März und Juni 2014 um 20.000 Tie- wenn auch mit veränderten Ausprägungen. Trotz der re pro Woche verringert (vgl. Kohlmüller 2014, enormen Mastkapazitäten importiert Deutschland S. 83). eine beträchtliche Zahl an Schweinen, die hierzulan- de geschlachtet werden. So gehen die Statistiken Auf der anderen Seite zeigt die Außenhandelsbilanz für das Jahr 2012 von 4,6 Mio. Schlachtschweinen für 2012, dass Deutschland in jenem Jahr immerhin aus, von denen allein 4,1 Mio. aus den Niederlanden 1,4 Mio. Schlachtschweine in andere Länder expor- stammen (vgl. AMI 2013, S. 81). Für die Unterneh- tiert hat (vgl. AMI 2013, S. 81). Hauptabnehmer ist men im Oldenburger Münsterland scheint die Ein- ist Polen mit 781.451 Schweinen vor Österreich fuhr von Schlachtschweinen jedoch von untergeord- (404.946) und Tschechien (99.952). Insgesamt geht neter Bedeutung zu sein. Zumindest hat keiner der der Trend hier ähnlich wie im Ferkelbereich klar in befragten Akteure bestätigt, dass Schweine aus Richtung Ostmitteleuropa. So hatte Polen noch im den Nachbarländern für die Schlachtung importiert Jahr 2007 lediglich 26.091 Schweine aus Deutsch- werden. Entsprechende Lieferbeziehungen dürf- land eingeführt. Diese Zahl ist also in nur fünf Jahren ten eher mit Nordrhein-Westfalen bestehen, wo die um das Dreißigfache gestiegen. Ähnliche Entwick- räumliche Nähe der größten deutschen Schlacht- lungen im Schlachtschweineexport lassen sich für unternehmen zu niederländischen Schweinehaltern Tschechien, Ungarn und die Slowakei beobachten, speziell in den Provinzen Overijssel und Gelderland wo sich die Ausfuhren ebenfalls vervielfacht haben einen begünstigenden Faktor darstellt. Ein Teil der (vgl. ebd., S. 81). Schweine wird auch deshalb in Deutschland ge- schlachtet, um die günstigeren Kostenstrukturen zu Die Attraktivität der ostmitteleuropäischen Märkte nutzen und für eine bessere Auslastung der Kapazi- hat verschiedene Ursachen und lässt sich am Bei- täten zu sorgen. Anschließend kommt es häufi g zum spiel Polens sehr gut verdeutlichen (vgl. Micek et al. Re-Export an niederländische Zerlege- und Verar- 2011, S. 46 ff.): zum einen vollzieht sich dort ein tief- beitungsbetriebe. greifender Strukturwandel auf der landwirtschaftli- chen Ebene, der mit einer deutlichen Verknappung Weitere nennenswerte Lieferanten – wenn auch mit des Schlachtschweineangebotes einhergeht. Die in deutlich geringeren Zahlen – sind Belgien und Dä- der Schweinehaltung lange Zeit dominierenden klei- nemark, die im Jahr 2012 ein Exportvolumen von nen und Kleinstbetriebe haben mangels Rentabilität 235.007 bzw. 187.470 Schlachtschweinen nach zu einem Großteil aufgegeben, während das Defi zit Deutschland aufweisen (vgl. ebd., S. 81). Inwieweit an Schlachtschweinen nicht durch größere Betriebe diese Strukturen aufrecht zu erhalten sind, bleibt aufgefangen werden konnte. Zum anderen verfügt jedoch fraglich. So deuten aktuelle Prognosen der Polen jedoch nach wie vor über erhebliche Schlacht- AMI auf stark rückläufi ge Schlachtschweineimpor- kapazitäten, die teilweise durch Direktinvestitionen te hin, was vor allem auf politische Einfl üsse in den ausländischer Unternehmen (vornehmlich aus den Niederlanden zurückzuführen ist. Seit März 2014 USA und Dänemark) auf- und ausgebaut wurden gelten dort strengere Aufl agen für die Ausfuhr von (vgl. Micek et al. 2011, S. 48). Um die Schlachtun- Schweinen, wonach die Anwesenheit von staatlichen ternehmen auszulasten und profi tabel zu gestalten, Veterinären während der Verladung notwendig ist, muss Polen eine erhebliche Zahl an Schlachtschwei- um die obligatorischen Exportpapiere auszustellen. nen importieren. Entsprechend attraktiv sind die Auf diese Weise erhöhen sich nicht nur die Kosten Auszahlungspreise, die zahlreiche Lieferanten aus

116 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

Deutschland anlocken. Zudem steigt im Zuge des che Standorte in Nordwestdeutschland verfügen. Im dynamischen Wirtschaftswachstums auch die Kauf- Rahmen der Interviews konnte in der Tat bestätigt kraft der polnischen Bevölkerung, so dass in Zukunft werden, dass die Wege vom Mäster zum Schlacht- auch der Konsum von (Schweine-)Fleisch weiter an- hof verhältnismäßig kurz sind (vgl. Kap. 7.2.1). Bis steigen dürfte. auf eine Ausnahme erklärten alle befragten Vieh- vermarkter, dass die Mastschweine zu 100 % an Trotz der unbestrittenen Attraktivität dieser Märk- Schlachtunternehmen aus den Regionen Weser-Ems te betrachten die meisten der befragten Viehver- und Westfalen-Lippe vermarktet werden. Insofern markter aus dem Weser-Ems-Raum etwaige Export- ist die räumliche Nähe der Transaktionspartner ein möglichkeiten mit großer Skepsis. Insbesondere wichtiges Kriterium, da kurze Transportwege und werden logistische Probleme angeführt, die mit der persönliche Kontakte somit leichter möglich sind. langen Transportstrecke zusammenhängen. So gilt es als problematisch, wenn die Züge in Richtung Lediglich ein Interviewpartner hat erklärt, dass er Polen, Tschechien oder Ungarn zwei bis drei Tage Schlachtschweine ins Ausland liefert, vornehmlich unterwegs sind und der Rückweg womöglich noch nach Polen, Tschechien und Italien. Seiner Einschät- mit einer Leerfahrt kalkuliert werden muss. Dazu zung nach bieten vor allem die beiden erstgenannten kommt die Ungewissheit über den Verbleib der Tie- Länder eine Menge Potenzial, was den zukünftigen re und die Frage, inwieweit die Exportorientierung Absatz von Schlachtschweinen angeht. Noch liegt mit einer Schwächung der Position „vor der eigenen die Exportquote seines Unternehmens aber nur bei Haustür“ verbunden ist. Bei Erzeugergemeinschaf- 5 - 10 %. Auch in diesem Fall bilden die leistungsfä- ten greift darüber hinaus ein eher regional veran- higen Schlachtunternehmen im Raum Cloppenburg kertes Selbstverständnis, welches eben nicht auf und Vechta die dominante Abnehmerbasis. möglichst hohe Profi te abzielt, sondern den Inter- essen ihrer Mitglieder verpfl ichtet ist. Aus diesen 7.4.3 Schweinefl eisch(produkte) – ein globaler Gründen sehen zahlreiche Viehvermarkter aus der Markt!? Region vom Lebendtierexport ab. Analog zu den Ausfuhren von Lebendtieren haben „Polen baut seine Bestände im zweistelligen Bereich auch die Fleischexporte eine äußerst dynamische ab, was Viehhaltung Schwein angeht. Dort ist Be- Entwicklung durchlaufen und bilden einen wichti- darf (…). Aber wir haben relativ schnell festgestellt, gen Stützpfeiler für die Schlacht- und Zerlegebe- dass das nicht unser Weg sein kann und wir haben triebe im Oldenburger Münsterland. Ein Indiz dafür auch kein Tier lebend Richtung Polen verkauft. sind die hohen Exportquoten, die in einigen Unter- Diese langen Transportwege, das Unbekannte, wo nehmen bei annähernd 50 % liegen. Insgesamt hat bleiben die Tiere, was passiert mit den Tieren, usw. Deutschland im Jahr 2012 knapp unter 2,77 Mio. t Da waren für uns so viele Fragezeichen“ (Interview Schweinefl eisch exportiert, wobei insbesondere VV 2). der chinesische Markt eine hohe Nachfragedynamik aufweist. Im Jahr 2012 hat Niedersachsen insgesamt 189.445 Schlachtschweine exportiert, die meisten davon Den ökonomischen Chancen, die das Exportgeschäft nach Polen (178.486). Damit liegt der niedersäch- bietet, stehen allerdings nicht unerhebliche Risiken sische Anteil an den gesamtdeutschen Schlacht- gegenüber. Beispielsweise erfordert die Bearbei- schweineexporten bei 13,5 %; ein Wert, der gemes- tung der Zielmärkte eine hohe Sensibilität für die sen an den enormen Mastkapazitäten des Landes jeweiligen Ansprüche und Nachfragepräferenzen, als relativ niedrig einzustufen ist. Der allergrößte so dass entsprechend unterschiedliche Qualitätsan- Teil der niedersächsischen Schweine geht folglich forderungen zu erfüllen sind. Aarestrup (2013) an deutsche Schlachtunternehmen, die über zahlrei- verdeutlicht dies am Beispiel dänischer Exporteure:

117 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

„Die Exportmärkte stellen Bedingungen; für die Dä- von Ein-/Ausfuhrbeschränkungen, andererseits mit nen heißt das QS für den deutschen Markt, Freilauf der Tatsache, dass für bestimmte Länder oftmals im Deckzentrum für den britischen Markt, besonde- mit gleichen Produktgruppen gearbeitet wird und re Hygienevorschriften am Schlachthof für den US- de facto kaum Unterschiede zu innerdeutschen Lie- Markt oder erhöhte Anforderungen an die Lebens- ferbeziehungen festzustellen sind (vgl. Interviews mittelsicherheit für Japan“ (S. 73). Auch wenn diese SZV 3, SZV 6). In den offi ziellen Statistiken, die auf Märkte nicht zu den primären Zielgebieten der Un- Bundes- und Landesebene vorliegen, werden die EU- ternehmen aus dem Oldenburger Münsterland ge- Länder dennoch als Exportmärkte charakterisiert. hören, so lässt sich jedoch ableiten, welche komple- Dieser Zuordnung soll auch hier gefolgt werden. xen Vorgänge mit der Ausfuhr von Schweinefl eisch verbunden sind. Weitere Risiken beziehen sich u.a. Die Zahlen für das Jahr 2012 weisen Italien mit ei- auf Wechselkursschwankungen, Handelsbarrieren ner Gesamtmenge von 328.835 t als wichtigsten und marktspezifi sche Entwicklungen (z.B. Markt- Exportmarkt für deutsche Schweinefl eischproduk- eintritt von Konkurrenten), die ebenfalls zu hohen te aus (vgl. AMI 2013, S. 79). Davon wurden allein Unsicherheiten führen. Um detaillierte Einblicke 69.904 t aus niedersächsischen Betrieben ausge- über die Exportbeziehungen zu bekommen, werden führt, was einem Anteil von 21,3 % entspricht (vgl. im Folgenden die Hauptzielmärkte und Marktbear- LSKN 2013).26 Auf den weiteren Plätzen folgen die beitungsstrategien genauer analysiert. Niederlande, Polen, Großbritannien und Dänemark. In der Tabelle 11 wird der EU-Außenhandel auf Bun- 7.4.3.1 Exportmärkte innerhalb der Europäi- des- und Niedersachsenebene zusammengefasst. schen Union Da mehr als 50 % aller Schweineschlachtungen in Zunächst sei gesagt, dass nicht jeder Exporteur von Niedersachsen auf die Landkreise Cloppenburg und Schweinefl eisch die Lieferungen in andere EU-Län- Vechta entfallen (vgl. LWK Niedersachsen 2012a), der heutzutage noch als Export bezeichnen würde. ist bereits ein Hinweis gegeben, dass die in der Ta- Einzelne Vertreter von Schlacht- und Zerlegeun- 26 ternehmen begründen dies einerseits mit dem zu- Kleinräumigere Zahlen z.B. auf Kreisebene sind nicht sammenwachsenden Binnenmarkt und dem Abbau verfügbar.

Tab. 11: Außenhandel mit Schweinefl eisch auf Bundes- und Landesebene 2012 (nur EU)

Deutschland Menge (in t) Niedersachsen Menge (in t) Anteil Nds. Italien 328.835 Italien 69.904 21,3 % Niederlande 306.638 Polen 51.414 23,9 % Polen 215.238 Niederlande 50.246 16,4 % Großbritannien 174.904 Großbritannien 45.300 25,9 % Dänemark 151.371 Dänemark 33.831 22,3 % Österreich 129.723 Österreich 21.035 16,2 % Tschechien 122.666 Tschechien 16.976 13,8 % Frankreich 108.339 Schweden 14.977 22,8 % Ungarn 66.399 Griechenland 10.447 30,0 % Belgien 65.960 Frankreich 7.118 6,6 % Quellen: AMI 2013, S.79; LSKN 2013

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belle genannten Exportmärkte auch für die Unter- Zusammenhang als deren wichtigstes Kapital. Da- nehmen im Oldenburger Münsterland von großer neben gibt es allerdings auch Nachteile, die in den Bedeutung sind.27 Dies konnte im Zuge der Exper- recht hohen Provisionszahlungen und der fragwür- teninterviews bestätigt werden, auch wenn der stra- digen Seriosität mancher Vermittler zu suchen sind tegische Fokus, die Bewertung der Marktpotenziale (vgl. Interviews SZV 8, SZV 11). Daher ist es immer und die Form der Marktbearbeitung zwischen den auch ein Abwägungsprozess, welche Marktbearbei- Akteuren zum Teil deutlich variieren. tungsstrategie zum Einsatz kommt. Ein Vertreter eines exportorientierten Schlachtunternehmens Eine wichtige Rolle für die Bearbeitung der Märkte verdeutlicht diesen Prozess wie folgt: spielen Vertriebsbüros, die in den wichtigsten Ex- portländern installiert und mit Spezialisten für die „Italien ist so ein Beispiel, da wird von Deutschland Marktgegebenheiten vor Ort besetzt werden. Wich- aus fast nur Schinken wie gewachsen verkauft. Aber tig ist hierbei vor allem die kulturelle Nähe der Ver- es gibt darüber hinaus noch Möglichkeiten, um über triebsmitarbeiter zu den (potenziellen) Kunden, was die Wertschöpfung was zu tun. Das heißt, dass man u.a. die Beherrschung der jeweiligen Landesspra- den Artikel Schinken auch noch ein bisschen anders che mit einschließt. Um Kontakte zu knüpfen und bearbeiten kann. Und ich bin mir sicher, das wäre Geschäfte anzubahnen, sei dies eine wichtige Vor- uns über Vermittler, Händler nie gelungen, sondern aussetzung. Oftmals bauen die Unternehmen auch nur mit eigenen Leuten vor Ort“ (Interview SZV 11). einzelne Büros für mehrere Länder auf, die räumlich und kulturell nah beieinander liegen, wie z.B. Skan- Neben den besseren Optionen, zusätzliche Wert- dinavien- oder Baltikum-Büros. Tendenziell sind es schöpfungspotenziale aufzudecken, spricht auch allerdings eher die größeren Unternehmen, die mit die Tatsache, dass die meisten Agenten auf Gewinn- Vertriebsbüros vor Ort aktiv sind. Aufgrund von maximierung abzielen, für die Marktbearbeitung größeren Handelsvolumina und ausdifferenzierte- über Vertriebsbüros. ren Kundennetzwerken, die oftmals das gesamte Spektrum von Zerlege- und Verarbeitungsbetrie- „Wir haben einfach festgestellt, dass durch die ben, Groß- und Einzelhandelsunternehmen sowie Vertretung vor Ort so ein Markt ganz anders bear- teilweise auch Metzgereien und Gastronomie be- beitet werden kann als mit so genannten Händlern inhalten, ist eine lokale Präsenz vorteilhaft, um die oder Vermittlern, die natürlich auf Profi t aus sind. komplexen Lieferströme zu koordinieren und tiefer Ein Vermittler möchte immer 1 bis 1,5 % Provision in den Markt einzusteigen. Zudem verfügen größere haben. Und Sie können mir glauben, dass die Umsät- Unternehmen eher über die notwendigen fi nanziel- ze, die wir in solchen Ländern tätigen, dafür sorgen, len wie auch personellen Ressourcen für die Instal- dass wir mit unseren Kosten deutlich unter 1 % lie- lation von Vertriebsdependancen. gen“ (Interview SZV 11).

Mit Blick auf das mengenmäßig wichtigste Export- Grundsätzlich stehen bei solchen Entscheidungen – land Italien wird jedoch angeführt, dass es sich um in Analogie zum GPN-Ansatz – vor allem Fragen der einen typischen Agentenmarkt handelt (vgl. Inter- Mehrwert-Generierung (Value) im Fokus. Für eine views SZV 8, SZV 9). Insbesondere für den süditali- möglichst optimale Wertschöpfung im italienischen enischen Raum sind Kontaktpersonen als Vermittler Gesamtmarkt müssen die Unternehmen allerdings besonders wichtig, um die zum Teil undurchsichtigen recht unterschiedliche Ansprüche berücksichtigen. Strukturen im Schweinefl eischsektor zu durchdrin- So werden in Süditalien eher schwere, vollfl eischige gen. Das Beziehungsnetz der Agenten gilt in diesem Schweinehälften bevorzugt, während in den nördli- chen Regionen eher magere Schweineteile gefragt 27 Schlachtzahlen für 2011: Niedersachsen gesamt: 18,42 sind (vgl. Interview SZV 11). Selbst größere Unter- Mio.; Cloppenburg: 8,84 Mio.; Vechta: 0,99 Mio. nehmen sind nicht per se in der Lage, diese Präfe-

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renzen ausreichend zu bedienen, wie ein Blick in „Gerade Polen ist ein Land, als Nachbarland natür- den aktuellen Geschäftsbericht der Westfl eisch lich, mit enorm viel Potenzial. Im Augenblick ist dort eG zeigt: „Italien kauft hauptsächlich fette, ganze ein Importbedarf, weil die Viehbestände in den letz- Schinken: Die stehen bei Westfl eisch durch mehr ten Jahren deutlich runtergegangen sind. Beson- eigene Schinkenfeinzerlegung allerdings nicht in ders seit dem EU-Beitritt sind die Chancen gestie- ausreichendem Maße zur Verfügung“ (Westfleisch gen und auch wir sind dort mit allen möglichen Büros 2013, S. 37). vertreten“ (Interview SZV 11).

Während der Export nach Italien seit einiger Zeit Aus ähnlichen Gründen gelten auch andere EU-Bei- stagniert, hat der polnische Markt, der laut nieder- trittsländer aus Ostmitteleuropa, wie z.B. Tsche- sächsischer Exportstatistik auf Platz 2 rangiert chien, Ungarn, Rumänien oder Bulgarien, als inte- (deutschlandweit auf Platz 3), besonders in den ressant und werden bereits bearbeitet, wobei die letzten Jahren starke Zugewinne erfahren. Hinter- Handelsvolumina aber noch längst nicht den Um- grund sind die enormen strukturellen Probleme, die fang erreichen, wie dies für Polen der Fall ist. Zudem sich seit einigen Jahren negativ auf die polnische variiert die Bearbeitungsintensität der genannten Veredelungswirtschaft auswirken und hohen Im- Länder zwischen den exportierenden Unternehmen portbedarf sowohl bei Mastschweinen als auch bei zum Teil deutlich. Insgesamt bleibt festzuhalten, Schweinefl eisch implizieren. Allein zwischen 2011 dass die Märkte in Ostmitteleuropa im Zuge der all- und 2012 hat Polen seine Bestände um 14,7 % auf gemeinen EU-Beitritts-Euphorie nicht überschätzt nunmehr 11,1 Mio. Schweine abgebaut (vgl. LEL/ werden sollten, zumal die verhältnismäßig niedrigen LfL 2013, S. 169 ff.). Im Jahr 2000 lag der Bestand Pro-Einkommen eine baldige Hinwendung zu höher- noch bei 17,0 Mio. Schweinen. Als Ursache für den wertigen Fleischprodukten nicht unbedingt erwar- starken Rückgang gilt die mangelnde Wettbewerbs- ten lassen. fähigkeit polnischer Schweinehalter, die haupt- sächlich auf ungünstige Betriebsgrößenstrukturen Ebenfalls auf hohem Niveau belaufen sich die Aus- zurückzuführen ist. Dazu kommen EU-rechtliche fuhren in die Niederlande und nach Dänemark, Vorgaben (z.B. Gruppenhaltung tragender Sauen), die aufgrund ihrer Exportorientierung zugleich die aus fi nanziellen Gründen nur schwer umzuset- als Hauptkonkurrenten im weltweiten Handel mit zen sind. Auf der anderen Seite steigt der polnische Schweinefl eisch gelten. Nach Angaben des LSKN Pro-Kopf-Verbrauch an Schweinefl eisch seit Jahren, sind Kotelettstränge und Bäuche – sowohl gekühlt was in erster Linie mit dem wachsenden Wohlstand als auch gefroren – die wichtigsten Artikel, die aus zusammenhängt. Die Nachfrage orientiert sich den- Niedersachsen in die Niederlande gehen, während noch eher an preisgünstigen Produkten mit höhe- gekühlte Schultern den größten Posten für die däni- rem Fettgehalt. schen Abnehmer darstellen. Die relative räumliche Nähe zu den nordwestdeutschen Veredelungsregio- Auch hier erfolgt die Marktbearbeitung entweder nen sowie die Tatsache, dass mit Danish Crown (DK) über eigene Vertriebsbüros oder Agentennetzwerke. und Vion (NL) zwei Großunternehmen im Oldenbur- Ein beträchtlicher Teil der industriellen Abnehmer ger Münsterland aktiv sind, dürften die Exportge- dürfte sich in den Woiwodschaften Großpolen (Wiel- schäfte mit den beiden Ländern begünstigen. Dabei kopolska), Kujawien-Pommern (Kujawsko-Pomorski) erfolgt die Marktbearbeitung hauptsächlich über und Masowien (Mazowieckie) konzentrieren, da in Direktbeziehungen der exportierenden Unterneh- diesen Regionen zahlreiche Fleischverarbeitungs- men zu ihren Kunden. Absatzmittler werden eher betriebe zu fi nden sind (vgl. Viehrig 2007, S. 75). selten zwischengeschaltet. Aufgrund der dynamischen Wirtschaftsentwicklung in Polen werden die mittel- bis langfristigen Markt- Einen sehr spezifi schen Exportmarkt bildet Groß- potenziale grundsätzlich positiv eingeschätzt. britannien, wo die Schweinehaltung in den späten

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1990er Jahren einen wahren Strukturschock erlit- Schließlich bildet auch Griechenland eine wichtige ten hat. Aufgrund von strikten politischen Vorgaben Zielmarke für Schlachtunternehmen aus dem Olden- (z.B. Sauen-Gruppenhaltung, Schweinehaltung un- burger Münsterland (vgl. Interviews SZV 8, SZV 9, ter freiem Himmel) ist der Bestand binnen weniger SZV 11). Wie Tabelle 11 verdeutlicht, stellt Nieder- Jahre von mehr als 8,0 Mio. Schweinen um fast die sachsen rund ein Drittel aller deutschen Lieferun- Hälfte zurückgegangen (vgl. Interview FI 6). Durch gen für den griechischen Markt, der grundsätzlich den geringen Selbstversorgungsgrad, der aktuell eher mageres Schweinefl eisch bevorzugt. Beson- nur noch bei 56 % liegt (vgl. AMI 2013, S. 145), hat deres Wachstumspotenzial bieten spezielle Bäuche, Großbritannien mittlerweile einen enormen Import- die u.a. für die Herstellung von Gyros verwendet bedarf an Schweinefl eisch. Dieser Bedarf bezieht werden (vgl. Interview SZV 8). Weiterhin sind lange sich größtenteils auf Bacon-Artikel, welche auch Haltbarkeiten und die Fleischfarbe entscheidende von Unternehmen aus dem Oldenburger Münster- Kriterien, um den griechischen Markt erfolgreich land hergestellt werden (vgl. Interviews SZV 5, zu bedienen. Als wichtiger Umschlagplatz für den SZV 9, SZV 11). Eine wichtige Voraussetzung für Fleischexport fungiert die Hafenstadt Thessaloniki den Exporterfolg am britischen Markt besteht in im Nordosten des Landes, wobei die Lieferungen zu- der Erfüllung bestimmter Tierschutzaufl agen (z.B. meist per LKW über transeuropäische Fernstraßen Freilauf im Deckzentrum), die u.a. vom Lebensmit- abgewickelt werden (vgl. Interview SZV 8). Ähn- telhandelskonzern Tesco vorangetrieben werden. lich wie Italien gilt auch Griechenland als typischer Dies erschwert einerseits die Marktbearbeitung, er- Agentenmarkt, wenngleich die größeren Unterneh- öffnet allerdings auch Chancen für eine hohe Wert- men eigene Fachleute beispielsweise in Athen ins- schöpfung. talliert haben (vgl. Interview SZV 11). Eine wichtige Rolle spielen zudem traditionelle Fleischmärkte als Eine ähnliche Entwicklung hat der schwedische Knotenpunkt, auf denen Importeure und Exporteure Markt zu verzeichnen. Auch hier sind die Schwei- bzw. Absatzmittler über Schweinefl eischlieferun- nebestände aufgrund von Tierschutzaufl agen zwi- gen verhandeln. schen 2003 und 2013 um ca. 25 % zurückgegangen (von 2,0 Mio. auf 1,48 Mio. Schweine; vgl. EU 2014). Die Betrachtung einzelner Exportmärkte hat gezeigt, Der Selbstversorgungsgrad in Schweden liegt heute welche Bedeutung dem EU-Binnenmarkt zukommt noch bei 75 % (vgl. AMI 2013, S. 145). Aufgrund die- und welche komplexen und höchst unterschiedli- ser Versorgungslücke bieten sich auch Absatzmög- chen Anforderungen die exportierenden Unter- lichkeiten für die Unternehmen aus Cloppenburg nehmen für die Marktbearbeitung erfüllen müssen. und Vechta. Jedoch weist ein Interviewpartner dar- Das folgende Statement verdeutlicht nochmals den auf hin, dass es sich um einen „recht komplizierten starken Europa-Fokus der hiesigen Unternehmen. Markt“ handelt, der „viele verschiedene Zuschnitte und bestimmte Maßnahmen zur Salmonellenprä- „Der innereuropäische Markt wird weiter die abso- vention“ erfordert (Interview SZV 9). Gelingt es lute Nummer 1 in der Bedeutung sein. Da geht es aber, diese Anforderungen zu erfüllen, sind interes- wirklich um das gesamte Portfolio, was die Verzehr- sante Wertschöpfungsoptionen verfügbar. Neben gewohnheiten auch in Deutschland hergeben. Das Schweden hat auch Finnland als Exportmarkt häufi - ist im Grunde genommen die Basis unseres Han- ger Erwähnung gefunden. Insgesamt sollte der po- delns“ (Interview SZV 6). sitive Trend mit kontinuierlichen Wachstumsraten im Skandinavien-Export weiterhin anhalten, so die Im Zuge der skizzierten transeuropäischen Netz- Prognose verschiedener Interviewpartner (vgl. In- werke fungieren die Akteure im Oldenburger Müns- terviews SZV 3, SZV 6, SZV 7, SZV 9). terland als wichtige „Player“, die in der Lage sind, hochwertige Produkte anzubieten, Lieferströme zu koordinieren und marktspezifi sche Wertschöpfungs-

121 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

Tab. 12: Außenhandel mit Schweinefl eisch auf Bundes- und Landesebene 2012 (nur Drittländer)

Deutschland Menge (in t) Niedersachsen Menge (in t) Anteil Nds. Russland 243.326 Russland 18.029 7,4 % China 174.994 Südkorea 13.642 35,5 % Hongkong 142.685 Ukraine 10.930 24,8 % Ukraine 44.108 Hongkong 10.790 7,6 % Südkorea 38.381 Weißrussland 7.467 21,5 % Weißrussland 34.777 China 5.171 3,0 % Philippinen 18.382 Demokratische Republik Kongo 1.256 43,3 % Südafrika 13.173 Südafrika 856 6,5 % Liechtenstein 6.220 Malaysia 604 12,6 % Elfenbeinküste 5.090 Kanada 592 28,9 % Quellen: AMI 2013, S.79; LSKN 2013

potenziale zu nutzen. Eine ungleich stärkere Dyna- Unternehmen zu erklären, muss berücksichtigt wer- mik weisen allerdings die so genannten Drittland- den, dass längst nicht jeder Schlachtbetrieb für die märkte auf, die seit einigen Jahren enormes Wachs- genannten Märkte zugelassen ist. Für Verwerfun- tum im Außenhandel auf sich ziehen. Diese Märkte gen in der Statistik sorgt vor allem die starke Stel- sollen im Folgenden näher beleuchtet werden. lung der großen deutschen Schlachtunternehmen Tönnies und Westfl eisch, die schon frühzeitig große 7.4.3.2 Exportmärkte außerhalb der Europäi- Mengen in den wichtigsten Drittländern plazieren schen Union (Drittlandmärkte) konnten. Allein die Westfl eisch eG hatte im Jahr 2011 rund 30 % aller deutschen Schweinefl eischex- Die im Zuge der fortschreitenden Globalisierung zu porte nach China zu verantworten (vgl. Westfleisch beobachtende Verschiebung von Handelsbeziehun- 2012, S. 2). Auch die Tönnies-Gruppe gilt in der Er- gen und Güterströmen in Richtung der rasant wach- schließung von Drittlandmärkten als wegweisend. senden Schwellenländer trifft in gewisser Hinsicht auch auf die Schweinefl eischbranche zu. Wenngleich „Wir müssen nur mal zurückdenken: wenn wir vor ca. die absoluten Handelsvolumina den innereuropäi- drei Jahren den Tönnies nicht gehabt hätten, nicht schen Austausch mit Schweinefl eisch noch deutlich so einen Unternehmer, der das anstachelt, dass da unterschreiten, so sind die Wachstumsraten, die nennenswerte Mengen nach Russland und nach Chi- der Drittlandexport insbesondere für den ostasia- na können... Das ist damals mit so einem wie Tönnies tischen Raum aufweist, zum Teil schwindelerregend. angefangen, weil der containerweise liefern konnte, Wie Tabelle 12 deutlich macht, partizipieren die nie- diese große Masse bringen konnte“ (Interview (VV 3). dersächsischen Unternehmen auf ganz unterschied- liche Weise an den Drittlandexporten. So werden Das Drittlandgeschäft spielt besonders deshalb die bundesweiten Top 3-Zielmärkte Russland, China eine so wichtige Rolle, weil es dazu beiträgt, das und Hongkong nur zu einem relativ geringen Anteil einzelne Schwein nahezu vollständig zu vermarkten. aus Niedersachsen beliefert. Für andere Märkte, Zahlreiche Artikel lassen sich im EU-Markt kaum wie beispielsweise Südkorea oder die Ukraine, ist platzieren, wie z.B. Pfoten, Ohren oder Schwänze. der niedersächsische Anteil weitaus höher. Um die Diese so genannten Nebenprodukte treffen in Asien unterschiedliche Beteiligung der niedersächsischen und insbesondere in China jedoch auf große Nach-

122 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

frage. So lassen sich Zusatzerlöse erzielen, die ohne Die Bearbeitung des chinesischen Marktes ist aller- den Drittlandexport nicht denkbar wären. Experten dings sehr kompliziert. So erschweren Probleme in bezeichnen diesen Mehrwert als „fünftes Viertel“ der Kundenakquise und bürokratische Hürden so- vom Schwein. wohl auf deutscher wie auch chinesischer Seite den Marktzugang erheblich. „Die russischen und asiatischen Märkte sind deutlich anders strukturiert. Und diese Märkte werden wir „Es ist so, wie in vielen anderen Märkten auch, dass dauerhaft gebrauchen, um eine runde Vermarktung die Chinesen versuchen, ihren eigenen Markt zu für das Tier herzuleiten. Insgesamt brauchen wir das schützen. Die werden nicht jeden Schlachthof oder ‚fünfte Viertel‘. Wir brauchen die zusätzlichen Wert- jeden Exportbetrieb aus Westeuropa zulassen. erlöse aus den Drittlandexporten“ (Interview SZV 6). Dann haben wir das Problem, dass wir erst mal die Kontakte herstellen müssen über Ministerien oder Der chinesische Markt gilt auch im Oldenburger Organisationen und Verbände, um die Leute für un- Münsterland als derjenige mit dem größten Poten- sere Betriebe zu interessieren. Wenn sie dann mal zial, obwohl sich die absoluten Liefermengen im Jahr da sind und die Betriebe abgenommen haben, dann 2012 aufgrund der beschriebenen Umstände noch ist es so, dass der ‚Beamtenweg‘ manchmal sehr, als relativ gering erwiesen haben. Allerdings ist zu sehr lange dauert“ (Interview SZV 11). berücksichtigen, dass die Exporte in die Sonderwirt- schaftszone Hongkong (vgl. Tab. 11) ebenfalls für Bevor ein Betrieb die Zulassung erhält, erfolgt eine China bestimmt sind. Noch bis vor wenigen Jahren ausgiebige Prüfung der Produktion durch chine- lief der China-Export ausschließlich über Hongkong. sische Behördenvertreter und Veterinäre. Dabei Das Fleisch wurde als gefrorene Ware per Schiff ge- werden u.a. mikrobiologische Proben entnommen liefert und im Hafenbereich von gut vernetzten Zwi- und Stallanlagen besichtigt. Für den Fall, dass die schenhändlern in Empfang genommen, die es meist Genehmigung erteilt wird, stellt sich die Frage der ohne Genehmigung in die Volksrepublik einführten. Marktbearbeitungsform. Auch hier setzen die grö- Die chinesischen Behörden haben diese Vorgehens- ßeren Unternehmen auf Vertriebsdependancen, um weise mehr oder weniger geduldet. Mittlerweile eine bessere Marktdurchdringung zu gewährleis- steht der Markt für Direktlieferungen offen, so dass ten. Diese können auch in Form eigens gegründeter die deutschen China-Exporte vor allem zwischen Vertriebs- bzw. Tochtergesellschaften entstehen 2009 und 2012 um ein Vielfaches gestiegen sind (z.B. Vion Food International Pacifi c Ltd. mit Sitz in (von 7.061 t auf 174.994 t; vgl. AMI 2013, S. 79). Hongkong). Daneben spielen Vertriebskooperatio- nen mit chinesischen Partnern eine immer wichtige- Insgesamt sind die Produktionsverhältnisse in Chi- re Rolle (vgl. Interviews FI 4, SZV 6). Diese könnten na schwer einzuschätzen, was insbesondere mit langfristig in die Gründung von Joint Ventures mün- der nach wie vor dominanten Hinterhof-Produk- den, wie es für andere Branchen (z.B. Automobilin- tion zusammenhängt. Deren Umfang beläuft sich dustrie) bereits üblich ist. Für kleinere und mittlere Schätzungen zufolge auf etwa 40 Mio. t, was rund Unternehmen, die eher geringe Mengen nach China 80 % der Gesamterzeugung entspricht (vgl. Aa- ausführen, bleiben hingegen Direktlieferungen ohne restrup 2013, S. 74). Aufgrund dieser Strukturen größere Investitionen und mit kalkulierbaren Risi- wird die chinesische Produktion in naher Zukunft ken die adäquate Lösung. Eine wichtige Plattform nicht in der Lage sein, die steigende Nachfrage im für die Geschäftsanbahnung stellen zudem Fach- eigenen Land zu bedienen. Hinzu kommen immer messen dar, auf denen es in aller Regel auch zu Ver- wieder massive Probleme mit diversen Schwei- tragsabschlüssen kommt. nekrankheiten (z.B. Maul- und Klauenseuche, Blaue Ohren-Krankheit). Vor diesem Hintergrund „China ist sicherlich ein Land mit sehr stolzen Leu- lässt sich das enorme Marktpotenzial erklären. ten, die sich natürlich gerne auf einer Messe präsen-

123 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

tieren und dort kaufen, das ist so“ (Interview SZV 5). Eine ähnliche Konkurrenzsituation ist auch für Süd- korea zu verzeichnen, wobei der Wettbewerb noch Wie bereits erwähnt, bevorzugen die Chinesen seh- deutlich an Schärfe gewonnen hat, seitdem das nige, fettreiche Teile mit Knorpel und Knochen, was Land die eigene Schweineproduktion wieder deut- vor allem auf Pfoten, Schnauzen, Ohren und Schwän- lich ankurbelt. Die jüngste Marktkrise, die durch den ze zutrifft. Aber auch Rippen, Schulterknochen und Ausbruch der Maul- und Klauenseuche im Jahr 2011 Rüsselscheiben, die frittiert als Snack verzehrt wer- ausgelöst wurde, scheint inzwischen überwunden. In den, sind sehr beliebt. Mittlerweile werden sogar der Fachzeitschrift Agra-Europe ist angesichts des ganze Köpfe nachgefragt. Für diese in Deutschland derzeitigen Überangebotes von einer regelrechten und Europa als minderwertig eingestuften Teile „Schweineschwemme“ die Rede. Die logische Konse- zahlen die Abnehmer in China gute Preise, so dass quenz dieser Entwicklung ist ein starker Rückgang dieser Markt als doppelt lukrativ erscheint, zumal der Exporte nach Südkorea im Jahr 2013, wovon etwaige Verwertungskosten entfallen. Teilweise auch die zugelassenen Betriebe aus dem Olden- wird auch schon ein Trend in Richtung höherwerti- burger Münsterland betroffen sind (vgl. Interviews ger Teilstücke gesehen (vgl. Interviews FI 4, FI 5), SZV 3, SZV 5). Allerdings gehen Prognosen davon was mit steigenden Pro-Kopf-Einkommen und der aus, dass Südkorea bereits kurzfristig wieder hö- zunehmenden Adaption westlicher Lebensstile vor here Einfuhren tätigen wird. In diesem Fall würden allem in den Metropolregionen zusammenhängen auch die hiesigen Schlachtunternehmen profi tieren dürfte. Daraus ergeben sich zugleich neue Chancen und könnten vor allem Bäuche in verschiedenen Va- für die deutschen China-Exporteure. riationen liefern. Diese gelten auf dem südkoreani- schen Markt als Delikatesse. Als weitere interessante, aber ebenso schwierige Märkte im ostasiatischen Raum gelten Südkorea Völlig ungewiss ist hingegen die Lage in Russland. und Japan. Der japanische Markt spielt zwar mit Als lange Zeit wichtigster Drittlandmarkt, der noch Blick auf die Exportmenge noch keine besondere im Jahr 2012 mehr als 240.000 t Schweinefl eisch Rolle, aber die Experteninterviews haben ihn den- aus Deutschland bezogen hat, wurde von den rus- noch als „heißes Thema“ entlarvt. So sehen einige sischen Behörden zu Beginn des Jahres 2013 ein Interviewpartner enormes Wertschöpfungspoten- Importstopp für gekühltes Schweinefl eisch aus zial im Hochpreissegment (z.B. für speziell veredel- deutschen Betrieben verhängt. In der Begründung te Lachse), sofern es gelingt, die besonderen Kun- weisen die zuständigen Akteure auf die Missachtung denwünsche und die hohen Anforderungen an die von russischen Hygieneanforderungen sowie Unzu- Lebensmittelsicherheit zu erfüllen (vgl. Interviews länglichkeiten im deutschen föderalen Veterinär- FI 4, SZV 5, SZV 9). In diesem Zusammenhang ist in- system hin. Diese Argumentation stößt innerhalb teressant, dass Produkte von rein deutscher Her- der deutschen Fleischwirtschaft auf Unverständnis. kunft („5xD“) in Japan offenbar besonders gefragt Es wird vermutet, dass Russland protektionistische sind. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Ak- Interessen verfolgt, um Wettbewerbsvorteile für teure mit einer eher skeptischen Einschätzung der die eigene Produktion zu erreichen. Diese weiter Marktperspektiven, weil einmal die Dänen, die eine auszubauen und damit den Selbstversorgungsgrad ewig lange Tradition in der Belieferung Japans ha- des Landes zu steigern, ist erklärtes russisches Ziel. ben, schon über Jahre an Grenzen stoßen. Es ist zu- mindest keine kontinuierliche Expansion möglich. „Mit dem WTO-Beitritt vor gut einem Jahr hatte ich Die Konkurrenz durch die Vereinigten Staaten ist die Hoffnung, dass Russland hier offener werden ebenfalls da und wird bleiben. (…). Ich gehe davon würde, aber das ist ja offensichtlich nicht so. Das ist aus, dass Japan für die EU-Länder mit Ausnahme ganz klarer Protektionismus“ (Interview FI 2). von Dänemark kein großer Markt sein wird“ (vgl. In- terview FI 1).

124 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

Da der russische Markt auch für den Schweine- ist uns zum einen in Russland auf die Füße gefallen. fl eischsektor im Oldenburger Münsterland von Und das beschleunigt auch nicht gerade, dass wir großer Bedeutung ist, wiegt die verhängte Ex- wichtige Absatzmärkte neu erschließen“ (Interview portsperre für manches Unternehmen schwer. Ein FI 4). Schlachtunternehmer aus der Region übt entspre- chend Kritik an dieser weitreichenden politischen Um sich von derartigen Verwerfungen wie in Russ- Maßnahme. land nicht zu sehr abhängig zu machen, ist es für ex- portorientierte Unternehmen wichtig, alternative „Russland war auch ein Markt, aktuell ein strapa- Märkte zu bedienen. Vor diesem Hintergrund sind zierter Markt. Nach der letzten Bereisung der russi- einige Drittländer besonders interessant, wenn- schen Veterinärkommission wurden alle besuchten gleich zum jetzigen Stand noch relativ geringe Men- Betriebe gesperrt. Und wir waren leider dabei, sind gen gehandelt werden. Zu diesen Märkten zählen auch gesperrt worden. (…). Eine politische, willkür- beispielsweise Südafrika, die Philippinen, Austra- liche Entscheidung, die nichts mit der Ware zu tun lien und Malaysia. Als vornehmlich islamisch ge- hat“ (Interview SZV 3). prägtes Land mag Malaysia in dieser Aufl istung ein wenig überraschend erscheinen. Jedoch stammen Zum bevorzugten Exportartikel für Russland zählt über 20 % der malaiischen Staatsbürger aus China, Rückenspeck, der größtenteils als gefrorene Ware die eine hohe Wertschätzung für Schweinefl eisch per LKW zu den Kunden geliefert wird. Auch für aufbringen. Im Gegensatz zum chinesischen Markt den russischen Markt läuft die Abwicklung der Ex- werden nach Malaysia aber hauptsächlich gefrorene portgeschäfte oftmals über Vertriebsbüros, die Schweinebäuche exportiert. Als einer der größten sich beispielsweise in Moskau oder St. Peters- Schweinefl eisch-Importeure könnte in absehbarer burg befi nden. Eine andere Strategie, die speziell Zeit auch Mexiko zum Thema werden, selbst wenn auch Unternehmen aus dem Raum Cloppenburg dieser Markt im Rahmen der empirischen Erhebung und Vechta verfolgen, beinhaltet die Verpfl ichtung noch keine Beachtung gefunden hat. Die beiden fol- russischstämmiger/-sprachiger Vertriebsspezialis- genden Zitate deuten noch auf weitere interessante ten, die vom jeweiligen Unternehmenssitz den Kon- Drittlandmärkte hin, die bei den Unternehmen auf takt zu den Abnehmern vor Ort halten und Export- der Agenda stehen, wobei die zweite Aussage spezi- geschäfte in die Wege leiten (vgl. Interview SZV 5). ell den australischen Markt beleuchtet.

Insgesamt sind die aktuellen Entwicklungen im „Die deutsche Fleischindustrie ist schon aktiv in Russland-Export ein stichhaltiges Beispiel für den Märkten, wie z.B. Südafrika. Wir exportieren auch starken politischen Einfl uss auf die Konfi guration nach Australien. Neuseeland ist ein Markt, der ge- der Produktionsnetzwerke. Der Importstopp hat rade zugelassen ist. Vietnam wird ins Auge gefasst. dabei nicht nur Konsequenzen für die nach Russland Eigentlich überall, wo Importbedarf besteht, sind exportierenden Unternehmen, sondern für die ge- das Märkte, womit wir uns intensiv beschäftigen“ samte deutsche Schweinefl eischbranche. Konkret (Interview SZV 11). äußert sich dies in Preisabschlägen, die mit dem er- höhten Angebot infolge nicht abgesetzter Waren zu „Australien ist ein Markt, der jetzt vom Volumen her erklären sind. Bürokratische Hürden stellen jedoch nicht so groß ist, aber Möglichkeiten für die Wert- auch für die Erschließung neuer Märkte ein Problem schöpfung zulässt; allerdings auch ein schwieriger dar, wie ein Fachvertreter anmerkt. Markt mit sehr hohen Veterinäranforderungen“ (In- terview FI 4). „Wir sind im internationalen Vergleich einfach zu schwach, was die Präsenz und Verhandlungsfort- Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Dritt- schritte unserer Veterinärdienste ausmacht. Das landmärkte aufgrund ihres Wachstumspotenzials

125 Vernetzungen in der Produktion und Vermarktung von Schweinefl eisch am Beispiel des OM

Abb. 24: Exportmärkte des Unternehmens Böseler Goldschmaus, Garrel

Quelle: Böseler Goldschmaus 2014

für die exportierenden Unternehmen aus Deutsch- Investitionsrisiken sei es insbesondere schwierig, land und speziell auch dem Oldenburger Münster- das notwendige Know How und die passende Infra- land mittlerweile unerlässlich geworden sind. Die struktur inklusive landwirtschaftlicher Basis für die Strategien und Vorgehensweisen bei der Auslands- „Rohstoffzufuhr“ aufzubauen (vgl. Interviews FI 5, marktbearbeitung sind dabei höchst unterschied- SZV 10, SZV 11). Dazu kommt die abschreckende lich und es scheint hierfür auch kein Patentrezept zu Wirkung, dass einzelne Unternehmen mit ähnlichen geben. Anzumerken ist jedoch, dass der Aufbau oder Versuchen bereits gescheitert sind. Um ein Gefühl Erwerb eigener Produktionsstätten im Ausland für für die Vielfalt globaler Absatzmärkte zu erhalten, den allergrößten Teil der deutschen Unternehmen gibt die Abbildung 24 eine Übersicht zur Expor- zurzeit eher nicht in Frage kommt. Zumindest äu- tausrichtung des mittelständischen Unternehmens ßern sich die befragten Experten in dieser Bezie- Böseler Goldschmaus aus Garrel (Landkreis Clop- hung sehr zurückhaltend. Neben den per se hohen penburg).

126 (Konstruierte) Produktherkünfte und imaginative Geographien im Produktionsnetzwerk Schwein

8. (Konstruierte) Produktherkünfte und imaginative Geographien im Produkti- onsnetzwerk Schweinefl eisch

8.1 Zur Herkunft von Schweinefl eisch: irrele- Die Produktherkunft von Lebensmitteln ist Gegen- vant oder verkaufsfördernd? stand zahlreicher Studien, die zumeist eine starke Verbraucherpräferenz für Produkte aus bestimm- Die gegenwärtigen Diskussionen in der Ernährungs- ten Regionen bezeugen (vgl. Feagan 2007; Ilbe- wirtschaft drehen sich häufi g um die Frage der Pro- ry/Kneafsey 2000; Kneafsey 2010; Tregear et duktherkunft und daraus resultierende Potenziale al. 2007; Voth 2003). Diesen Herkunftspräferen- für die Vermarktung. In diesem Zusammenhang zen liegen unterschiedliche Motive zugrunde (vgl. werden die öffentlichen Diskurse zunehmend vom Spiller/Busch 2013, S. 3 f.): zum einen stehen Begriff der Regionalität dominiert, auch weil diver- bestimmte Herkunftsregionen für besonders gute se Medien darin regelmäßig einen „Megatrend“ zu Produktqualitäten, die auf einer langen Tradition in erkennen glauben.28 Wie genau Regionalität zu defi - der Herstellung beruhen (z.B. Parma-Schinken). An- nieren ist, bleibt dabei zumeist unklar. Die Abgren- dere Herkunftsregionen werden dagegen eher mit zung kann sehr kleinräumig auf lokaler Ebene, aber Qualitätsdefi ziten assoziiert. Eine solche Qualitäts- auch großräumig auf Ebene der Bundesländer oder unsicherheit kann auf Produktprobleme oder eine gar darüber hinaus erfolgen. Aber auch nationale generell geringe Qualitätsreputation eines Landes Produktherkünfte spielen in den Überlegungen von zurückgehen. In beiden Fällen ist es ein legitimes Unternehmen und Politikern eine wichtige Rolle, um Interesse der Konsumenten, den Herkunftsort zu sich in globalen Produktionsnetzwerken zu positio- kennen. Zudem verbinden manche Verbraucher die nieren. Herkunft aus der eigenen Region mit bestimmten ökologischen oder qualitativen Vorteilen, wie Um- Grundsätzlich gilt, dass die Produktherkunft be- weltschutz durch Transportvermeidung oder be- stimmte Assoziationen hervorruft, die mit der sondere Frische der Produkte. Diese Verknüpfung jeweiligen Region bzw. Nation typischerweise in muss aber nicht zwangsläufi g zutreffen. Darüber Verbindung gebracht werden. Diese emotionalen hinaus kann auch Ethnozentrismus ein Motiv sein. Verknüpfungen bilden schließlich die Grundlage Das heißt, dass Produkte aus der eigenen Regi- für die Konstruktion räumlicher Images, welche die on bevorzugt werden, um regionalökonomische entsprechenden Produkte aufwerten können. Durch Effekte zu generieren. Dieses Kaufmotiv ist in zielgerichtetes Marketing entstehen selektive, teil- vielen Regionen der EU ausgeprägt und gewinnt in weise verzerrende Bilder von der Herkunft und der Krisenzeiten an Bedeutung, steht jedoch dem EU- Nähe der Produktion, so dass im Ergebnis nicht nur Binnenmarktgedanken entgegen. Produkte regionalisiert, sondern zugleich Regionen produziert werden (vgl. Ermann 2005, S. 81). Diese Die Herkunft von Schweinefl eisch wird derzeit viel lassen sich als (manipulative) Repräsentationssys- diskutiert, wie anhand der geplanten Einführung teme auffassen, als imaginative Geographien, wel- der Herkunftskennzeichnung auf EU-Ebene nach- che – bewusst oder unbewusst – zu einer Qualität zuvollziehen ist. Diese Regelung sieht vor, dass die des gehandelten Produktes werden und identitäts- Produktverpackungen auf diejenigen EU-Länder stiftende Wirkungen gegenüber den Verbrauchern verweisen, in denen die Tiere aufgezogen und ge- entfalten. schlachtet wurden. Für Mitgliedstaaten mit sehr arbeitsteiligen Verfahren in der Schweinefl eischer- zeugung kann die Kennzeichnungspfl icht unter Um- 28 Lebensmittelzeitung, 24.01.14; Die Welt (online), ständen zu Schwierigkeiten führen. Es bleibt zudem 05.10.13 unklar, inwieweit die angestrebte Transparenz als

127 (Konstruierte) Produktherkünfte und imaginative Geographien im Produktionsnetzwerk Schwein

Vermarktungskriterium eine Rolle spielt. Für die Relevanz nationaler Produktherkünfte in einem in- Klärung dieser Frage ist entscheidend, welche Attri- tegrierten europäischen Wirtschaftsraum. Die Ab- bute, Assoziationen und Bedeutungen die Akteure lehnung der Kennzeichnungspfl icht kann als Indiz dem entsprechenden Land mit Blick auf die Schwei- gewertet werden, dass das Image des Herkunfts- nefl eischerzeugung zuschreiben. landes entweder keinen oder nur sehr geringen Ein- fl uss auf die Produktwahrnehmung ausübt. Folglich Die Interviewpartner liefern zur angestrebten Her- sind die Herkunftsangaben für die Vermarktung von kunftskennzeichnung sehr unterschiedliche, teils Schweinefl eisch kaum nutzbar und gegebenenfalls gegensätzliche Einschätzungen. Die Aussagen be- sogar hinderlich. ziehen sich vor allem auf die praktische Umsetzbar- keit zu angemessenen Kosten und die Frage nach Demgegenüber stehen die Befürworter, die in der dem Mehrwert, den diese Maßnahme erbringt; es transparenten Produktherkunft gewisse Vorteile geht also um das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Ein sehen oder sogar auf einen möglichen „made in“- Viehvermarkter sieht diese Balance im Ungleichge- bzw. „country of origin“-Effekt verweisen. Dieser wicht und äußert sich entsprechend kritisch: Effekt beschreibt den Einfl uss, den das Image des Herkunftslandes auf die Produktwahrnehmung aus- „Der Aufwand ist im Verhältnis zu hoch. (…). Wir übt. Unternehmen nutzen ihn teilweise gezielt im haben ja heute schon so viele Informationen beim Rahmen von Marketingstrategien, um ihre Produk- Fleisch, die bringen den Verbraucher doch total te symbolisch aufzuwerten. Wenn es also gelingt, durcheinander“ (Interview VV 3). die Herkunft verständlich zu kommunizieren, kön- nen Assoziationen auf Seiten der Verbraucher ge- Aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen posi- weckt werden, die nicht zuletzt mit dem Image des tionieren sich manche Interviewpartner gegen die entsprechenden Landes in Verbindung stehen. Auf Herkunftskennzeichnung. Dieses Instrument sei diese Weise fungiert die Herkunftskennzeichnung protektionistisch, so die Argumentation, und würde als Informationsträger hinsichtlich der (Qualitäts-) dem EU-Binnenmarktgedanken entgegenstehen. Eigenschaften eines Produktes und demzufolge auch als risikoreduzierender Faktor. „Place images „Für mich ist es gleichbedeutend mit einem Rückfall are complex mental schemata that can be activated in einen protektionistischen Binnenmarkt. (…). Man by extrinsic place cues we experience in the market- kann nicht auf der einen Seite die EU schaffen, die place, and typically represent strong stereotypes. Grenzen eliminieren und dann möchte man plötzlich They act as summary information carriers that en- auf dem Produkt die Kennzeichnung haben“ (Inter- capsulate and refl ect product features” (Papado- view SZV 3). poulos 2011, S. 28).

Nach Lesart der ersten Aussage würde die Kon- Das ambivalente Meinungsbild deckt sich nur teil- struktion imaginativer Geographien unter erschwer- weise mit politischen wie auch medialen Botschaf- ten Bedingungen stattfi nden, da der zusätzliche ten, die eine sehr viel stärkere Wertschätzung der Hinweis zur Produktherkunft angesichts der Infor- Produktherkunft von Lebensmitteln artikulieren. mationsfl ut auf den Verpackungen im Zweifel nicht Dabei geht es nicht nur um die Herkunft auf der na- wahrgenommen wird. Positive Produkteigenschaf- tionalen Ebene, sondern vielmehr um die Inszenie- ten, die mit dem Herkunftsland in Verbindung ste- rung von Produkten „aus der Region“. Einschlägige hen und auf hohe Qualitäten schließen lassen (z.B. Slogans wie „Regional ist das neue Bio“ sind mitt- Schinken aus Italien), kommen folglich nicht zur Gel- lerweile hinlänglich bekannt.29 Als Ursache für den tung. Die Kennzeichnung würde in diesem Fall „ver- 29 puffen“. Die zweite Aussage geht noch einen Schritt Die Zeit (Online), 28.03.2012; Die Welt (Online), weiter und stellt grundsätzlich die Frage nach der 23.01.2014

128 (Konstruierte) Produktherkünfte und imaginative Geographien im Produktionsnetzwerk Schwein

postulierten Bedeutungszuwachs „des Regionalen“ „Der Verbraucher bringt das Stück Fleisch, was er wird in der Regel auf zunehmend kritische Verbrau- auf dem Teller hat, und die Region, aus der es kommt, cher verwiesen, die großen Wert auf Transparenz le- nicht zusammen. (…). Der größte Teil des Fleisches gen und wissen wollen, wo die Produkte herkommen. geht ja ‚no name‘ in die Kette“ (Interview VV 2).

Es bleibt allerdings unklar, wie genau die Maßstabs- Auf der anderen Seite stehen die Verfechter einer ebene der Region abzugrenzen ist. Auch hier zeich- Differenzierungsstrategie, die darauf basiert, dass nen die Interviewpartner ein sehr diffuses Bild mit die regionale Herkunft als Alleinstellungsmerk- unterschiedlichen, teilweise widersprüchlichen Ein- mal in Szene gesetzt wird. Gerade in Zeiten, wo schätzungen. Weitgehend Konsens besteht jedoch vermehrt „anonyme“ Produkte im Markt erhältlich darin, dass Regionalität im Schweinefl eischbereich sind, kann eine solche Strategie erfolgversprechend aufgrund der vorhandenen Strukturen nur einem sein. Durch gezieltes Produktmarketing lassen sich relativ großräumigen Verständnis unterliegen kann. „authentische“ Bilder vermitteln (z.B. traditionelle Produktionsweisen), die zur Identifi zierung des Pro- „Ich kann nicht hundertprozentig beantworten, wie duktes mit dessen Herkunft und zum Aufbau eines weit man diese Regionalität trifft. Es wird ganz si- räumlichen Images führen. Ein solcher Konstrukti- cher nicht mehr sein wie bisher, wenn Regionalität onsprozess beinhaltet die Verknüpfung von Asso- heißt: ich kaufe beim Bauern um die Ecke“ (Inter- ziationen zwischen Produkten, Menschen und ihren view PE 2). kulturellen bzw. natürlichen Zusammenhängen, so dass schließlich auch Regionen (re-)produziert wer- Einzelne Akteure empfehlen sogar eine Gleichset- den. Demnach sind Regionen und regionale Identi- zung „des Regionalen“ mit der nationalen Ebene, täten „keine exogen gegebenen Entitäten, sondern um der fortschreitenden Internationalisierung entstehen gerade durch die alltäglichen Praktiken Rechnung zu tragen. Allerdings dürfte ein solches der Produktion und des Konsums“ (Ermann 2005, Verständnis von Regionalität den gesellschaft- S. 81). Auf ähnliche Weise argumentiert ein Inter- lichen Ansprüchen an selbige deutlich wider- view-partner zugunsten des Vermarktungspotenzi- sprechen, da positive (ggf. kaufentscheidende) als regionaler Produkte im Schweinefl eischbereich. Assoziationen, wie z.B. Frische, Natürlichkeit oder Umweltschutz (durch Transportvermeidung), folglich „Wenn wir es schaffen, die Region und Regionalität kaum zur Geltung kommen. groß genug zu fassen, dann wird das verkaufsför- dernd und konsumfördernd sein. (…). Region, Emo- Als weiteres Argument, welches einen Bedeutungs- tion und eine regionale Geschichte, wenn ich sie verlust der regionalen Produktherkunft impliziert, denn aufbauen kann, das spielt alles sicherlich eine wird der Trend zur „Anonymisierung“ von Fleischwa- Rolle“ (Interview VV 6). ren angeführt. Dieser spiegelt sich insbesondere im Bedeutungszuwachs der Handelsmarken wider, die 8.2 Schweinefl eisch aus nationaler Herkunft – im unteren Preissegment angesiedelt sind und als „made in Germany“ als Verkaufsargument? „Billigmarken“ einen wichtigen Baustein in der Sor- timentsgestaltung des LEH darstellen. Bei diesen Nach Einschätzung der meisten Interviewpartner Produkten spielt die Herkunft so gut wie keine Rolle, gewinnt der „made in“-Effekt im Schweinefl eischbe- da die Zielgruppe lediglich über den Preis angespro- reich stark an Bedeutung. Gerade deutsches Fleisch chen wird und darüber hinausgehende extrinsische würde in besonderem Maße von einer transparenten Informationen auf wenig Interesse stoßen. Eine Produktherkunft profi tieren, da „made in Germany“ emotionale Verknüpfung zwischen Produkt und Her- auch hier für Qualität, Sicherheit und Zuverlässig- kunftsregion kann daher nicht erfolgen, zumal diese keit steht (vgl. Interviews FI 3, FI 4, LH/GV 1, PE 2, in der Regel auch nicht transparent gemacht wird. SZV 2, SZV 3, VV 1; vgl. auch Abb. 21). Diese Attri-

129 (Konstruierte) Produktherkünfte und imaginative Geographien im Produktionsnetzwerk Schwein

bute sind vor allem für die internationale Vermark- Hygienestandards“ sowie vermeintlich tung von hoher Relevanz, so dass die Abnehmer in den Exportländern ein starkes Interesse an deut- „deutsche Tugenden“, wie z.B. „Leistungsfähigkeit“ schen Schweinefl eischprodukten signalisieren. und „Zuverlässigkeit“. Das Prädikat „Marktorien- tierung“ spielt auf die Exporterfolge an, welche die „Gerade auch die anspruchsvollen Kunden, wie Chi- deutschen Schweinefl eischproduzenten seit eini- na oder Japan, kommen mehr und mehr mit erhöhten gen Jahren vorweisen können. So sind die Unter- Anforderungen und fragen explizit nach deutscher nehmen mehr denn je in der Lage, die unterschied- Herkunft, deutscher Genetik, lassen sich das auch lichsten Marktansprüche mit adäquaten, teils sehr dokumentieren“ (Interview FI 3). spezifi schen Produkten zu bedienen und auf diese Weise „eine runde Vermarktung für das Tier herzu- Als Grund für die Herausbildung solcher Präfe- leiten“ (Interview SZV 6). renzen in den wichtigen Exportmärkten verweisen zahlreiche Interviewpartner auf eine ganze Reihe an Auf der anderen Seite ist im Zuge der empirischen positiv besetzten Attributen und Assoziationen, die Forschung immer wieder auch die Assoziation sie mit deutschem Schweinefl eisch in Verbindung „Hohe Produktionskosten“ in den Fokus gerückt. bringen (vgl. Abb. 25). Besonders hervorzuheben In dieser Hinsicht haben bestimmte exportstarke sind in diesem Zusammenhang die Attribute „Quali- Wettbewerber (z.B. USA, Kanada, Brasilien) deutli- tät“ und „Sicherheit“, die im Rahmen der Interviews che Kostenvorteile gegenüber deutschen Schwei- gleich mehrfach genannt wurden und durch das nefl eischerzeugern. Infolgedessen wird durchaus deutsche QS-Prüfsystem zudem einer unabhängi- die Gefahr gesehen, dass die deutsche Herkunft gen Kontrolle unterliegen. Daneben stehen asso- gerade im internationalen Maßstab einen „teuren ziative Verknüpfungen im Vordergrund, die mit der Ruf“ erlangt, auch wenn z.B. dänische Erzeuger noch In-frastruktur und Produktionsweise zusammen- höhere Produktionskosten aufweisen. Hier stellt hängen, nämlich „Effi zienz“, „Know How“ oder „Hohe sich die Frage, inwieweit die Abnehmer auch lang-

Abb. 25: Schweinefl eisch aus Deutschland – Attribute, Assoziationen, Bedeutungen

 Quelle: Eigene Darstellung

130 (Konstruierte) Produktherkünfte und imaginative Geographien im Produktionsnetzwerk Schwein

fristig bereit sind, höhere Preise zu bezahlen. Eine gründungszusammenhang für den Exporterfolg der Studie der deutschen Außenhandelsförderung, die hiesigen Schlachtunternehmen. das Prädikat „made in Germany“ grundsätzlich be- leuchtet, resümiert bereits einen „merklich steigen- „Das ist ein Punkt, warum wir mit unseren Exporten den Rechtfertigungsdruck“, der besonders in den so erfolgreich sind. ‚Made in Germany‘ – wenn wir Schwellenländern zu spüren ist (vgl. Die Welt 2014). das mal als Regionalität nehmen – zählt auch genau deswegen, weil man da sehr klar defi nierte und sehr Insgesamt aber ergeben die einzelnen Assoziatio- nachvollziehbare Qualitäten hat“ (vgl. Interview Fl6). nen ein sehr positives Bild von deutschem Schwei- nefl eisch, wenngleich zu berücksichtigen ist, dass Inwieweit die assoziierten Qualitäten im Vergleich die Einschätzungen im Grunde genommen aus der zu anderen Produktionsländern tatsächlich höher- Eigenwahrnehmung resultieren. Es ist jedoch zu wertig sind, muss allerdings kritisch hinterfragt erwarten, dass insbesondere die Vertreter der werden. In diesem Kontext plädiert ein Interview- Schlacht- und Verarbeitungsunternehmen über die partner für eine Differenzierung zwischen objekti- Präferenzen der einzelnen Exportmärkte sehr gut ven Produkteigenschaften und subjektivem Emp- Bescheid wissen und daher auch beurteilen können, fi nden. Demnach sei es irreführend, den Gehalt des wie deutsches Schweinefl eisch von den Akteuren Qualitätsbegriffes aus der Herkunft der Produkte vor Ort wahrgenommen wird. Die Interviewpartner abzuleiten, da vielmehr mikrobiologische und pro- sind sich auch weitgehend einig, dass deutsches duktionstechnische Eigenschaften von Bedeutung Schweinefl eisch bei den ausländischen Abnehmern sind (vgl. Interview FI 5). Andererseits kann es je- und Verbrauchern ein deutlich positiveres Image ge- doch in Abhängigkeit vom zugrunde liegenden Be- nießt als hierzulande. griffsverständnis legitim sein, in der Qualität eines Produktes nicht nur seine materielle Beschaffen- „Ich persönlich glaube, dass wir qualitativ hochwer- heit, sondern auch immaterielle Eigenschaften zu tiges Fleisch liefern, dass deutsches Fleisch im Aus- sehen, die in symbolischen Bedeutungszuweisungen land ein deutlich höheres Image hat als in Deutsch- wie Herkunft oder Regionalität zum Ausdruck kom- land selber im Moment. Also wir reden uns nach men (vgl. Ermann 2005, S. 77; Kap. 3.3.2). Nach die- meinem Geschmack künstlich die Produkte kaputt“ ser Logik muss ein bedeutender Teil dessen, was die (vgl. Interview PE 2). Qualität eines Produktes ausmacht, als soziale Kon- struktion – in Abhängigkeit vom kulturellen Kontext Begründet wird diese Einschätzung mit den in – betrachtet werden: „Food quality is a complex and Deutschland sehr intensiv geführten politischen wie contested notion, the meaning of which is socially auch gesellschaftlichen Debatten um Tierhaltungs- constructed through the interplay of different ac- formen, Produktionsweisen und Umweltauswirkun- tors within the food production-consumption arena“ gen. Für einen Großteil der deutschen Exportländer (Kneafsey/Ilbery 2001, S. 132). kann eine solche Sensibilität nicht festgestellt wer- den, zumindest nicht im beschriebenen Ausmaß.30 Trotz der Betonung immaterieller Gütekriterien Besonders die Abnehmer aus China und Südkorea warnen einzelne Experten vor einer Überbewertung würden einen hohen Wert auf deutsche Produkte imaginativer Geographien, die sich anhand der nati- legen (vgl. Interview SZV 5; vgl. auch Zitat oben). Ei- onalen Herkunft von Schweinefl eisch konstruieren nige Interviewpartner sehen in der deutschen Her- lassen. Zwar würden die Produktionsländer schon kunft und damit verbundenen Marketing-Chancen allein durch die stetig wachsende Bedeutung der („made in“-Effekt) gar einen grundsätzlichen Be- Schweinefl eischexporte in den Fokus rücken, was

30 jedoch weniger mit Präferenzen der Abnehmer zu Als Ausnahmen sind vor allem die Niederlande und Großbritannien zu nennen, wo Tierschutz ebenfalls einen tun habe. Stattdessen spricht ein Experte von einer ausgesprochen hohen Stellenwert hat. seitens der EU „aufoktroyierten Herkunftsdebatte,

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die vollkommen überzogen ist“ (Interview SZV 6). Hier kommt also die (subjektive) Befürchtung zum Hier wird deutliche Kritik an der derzeit disku- Ausdruck, dass – wie im Zitat exemplarisch genannt tierten EU-Herkunftskennzeichnung geübt (vgl. – Schweinefl eisch aus Übersee auf den deutschen Kap. 8.1), da die zusätzliche Information für den Markt gelangt, welches offenbar nicht den qualitati- Verbraucher vermutlich kaum einen Wert hat, als ven Ansprüchen von Produkten deutscher Herkunft „bürokratisches Ungetüm“ (Interview SZF 6) aber genügt. Hier zeigt sich ein häufi g zu beobachtendes mit einem enormen logistischen Aufwand verbun- Phänomen, welches in der Eigenperspektive begrün- den ist. Die Schätzungen gehen folglich von einem det liegt; nämlich die Tendenz, imaginative Geogra- ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis aus. phien unter Abgrenzung des „Eigenen“ gegenüber dem „Anderen“ zu konstruieren. Im Zuge der Diskus- Mit der Herausstellung der deutschen Herkunft lässt sion um „deutsche Standards“ sind (latente) Wer- sich nach Expertenmeinungen auch eine Schutz- tungen enthalten, die eine gefühlsmäßige Hierarchi- funktion begründen. Dieser Standpunkt bezieht sich sierung der Räume begünstigen. Eine wesentliche auf die inländische Nachfrage und setzt voraus, dass Rolle spielt hierbei auch der Grad der Identifi kation die Verbraucher hierzulande ein größeres Vertrauen mit dem „Eigenen“. für deutsche Fleischprodukte haben.31 Demgegenüber steht das relativierende Urteil ei- „Wir vertrauen den Kontrollbehörden. Und im Grun- nes Interviewpartners, der die Qualitätsstandards de genommen vertrauen wir hier auch den ganzen zumindest in den westlichen Produktionsländern Stufen: Futtermittel, Viehhandel, etc. Deswegen als gleichwertig betrachtet, so dass eine besondere würden wir das (deutsche Fleisch) bevorzugen, (…)“ Propagierung „deutscher Standards“ nicht gerecht- (Interview PE 4). fertigt wäre. Das hervorragende Image von deut- schem Schweinefl eisch würde daher zumindest teil- Die Angabe der Herkunft stellt in diesem Fall eine weise auf irreführenden Annahmen basieren. zusammenfassende Information für vielfältige Pro- duktattribute dar und vereinfacht somit den Kauf- „Ich habe Zweifel, dass das Fleisch großartig eine entscheidungsprozess. Als wesentlichen Faktor he- unterschiedliche Qualität hat im Vergleich zum dä- ben mehrere Experten die so genannten „deutschen nischen, holländischen, belgischen, französischen; Standards“ hervor, ohne jedoch zu konkretisieren, was vielleicht wohl gegenüber den Osteuropäern, die genau damit gemeint ist (vgl. Interviews LH/GV 1, tendenziell auch fettere Schweine haben“ (Inter- PE 2, PE 6, SZV 2). In diesem Kontext wird häufi g view FI 1). eine vergleichende Perspektive eingenommen, um deutsches Schweinefl eisch bzw. deutsche Stan- Die Konstruktionsmechanismen imaginativer Geo- dards als „besser“ gegenüber gleichwertigen Pro- graphien im Kontext der nationalen Herkunft von dukten aus anderen Ländern erscheinen zu lassen. Schweinefl eischprodukten weisen keine nennens- werten Unterschiede zwischen den einzelnen Wert- „Wenn das dazu führt, dass hier bewusst deutsche schöpfungsstufen auf. So hat die Auswertung der Produkte verkauft werden, kann es letztendlich Interviews keine Tendenz ergeben, inwieweit die he- auch eine Schutzfunktion sein. Ich habe schon große rausgefi lterten Assoziationen und Bedeutungszu- Sorgen, dass z.B. in Gesprächen über eine Freihan- schreibungen vordergründig auf bestimmte Akteure delszone mit Amerika die Standards in einer Höhe zurückgehen. Beispielsweise wurde die Assoziation festgelegt werden, die hier nicht üblich sind“ (Inter- „Sicherheit“ sowohl von Landwirten und Viehver- view PE 2). marktern als auch von Schlachtunternehmern und

31 Lebensmittelhändlern genannt. Ein ähnlich diffuses Da einschlägige Studien zum Thema nicht bekannt sind, fehlt der empirische Nachweis, ob diese Einschätzung zu- Bild ergibt sich für die übrigen Zuschreibungen, die trifft. sich nicht schwerpunktmäßig zuordnen lassen. Eine

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Ausnahme bildet allerdings die Kategorie „Hohe wie „Massentierhaltung“34 oder „Agrarfabriken“32 Produktionskosten“, die überproportional häufi g in Verbindung gebracht. Die empirischen Untersu- von Vertretern der Schlacht- und Verarbeitungsstu- chungen zur Eigenperspektive vermitteln dagegen fe angeführt wurde. Einen Erklärungsansatz bietet ein anderes Bild, welches sich größtenteils aus posi- die zunehmende Exporttätigkeit dieser Unterneh- tiven Bedeutungszuschreibungen zusammensetzt. men, die im globalen Wettbewerb mit anderen Pro- Als Grundlage für die Konstruktion dieser imaginati- duktionsländern ein besonderes Gewicht auf die ven Geographien aus Sicht der in der Region ansäs- Frage der Produktionskosten legen. sigen Akteure dienen insbesondere die regionalhis- torische Entwicklung und der eng damit verknüpfte 8.3 Schweinefl eisch aus regionaler Herkunft Aufbau einer leistungsstarken Agrarinfrastruktur. – Vermarktungs(un)möglichkeiten des Ol- denburger Münsterlandes Die Geschichte des Oldenburger Münsterlandes, das sich seit den 1950er Jahren vom „Armenhaus Wie bereits im vorherigen Abschnitt angedeutet, der Moorbauern zur agrarischen Dienstleistungsge- ist die Konstruktion imaginativer Geographien von sellschaft“ (Berlin-Institut für Bevölkerung und der Perspektive der jeweiligen Betrachter abhängig. Entwicklung 2009, S. 18 ff.) entwickelt hat, ist Je nachdem, ob diese von innerhalb oder außerhalb eher untypisch für ländliche Räume im Zeitalter der auf den betreffenden Raum blicken, wird zwischen Globalisierung (vgl. Kap. 6). Die befragten Akteure Eigen- und Fremdperspektive unterschieden. Im aus der Region verfügen größtenteils über ein aus- erstgenannten Fall sind die Akteure aufgrund ihrer geprägtes Bewusstsein für diese wirtschaftliche wie biographischen, sozialen und materiellen Einbet- auch demografi sche „Erfolgsstory“. Sie beschreiben tung in der Lage, sehr differenzierte Raumbilder daher ein Selbstbild, welches auf Tradition und Ver- zu produzieren. Außenstehende vermögen dies we- wurzelung, auf Unternehmergeist und Findigkeit, niger, zumal es im Prozess der Raumkonstruktion auf Verlässlichkeit und Strebsamkeit beruht. Durch notwendigerweise zur Auswahl und Reduktion von harte Arbeit und Mut zum Risiko sei es gelungen, das Informationen kommt. Es gilt die Grundannahme, OM auf das heutige Wohlstandsniveau zu heben; ein dass die Wahrnehmungsintensität und -vielfalt mit Wohlstand, der sich insbesondere in der baulichen wachsender Distanz zum Bezugsraum abnimmt. Gestaltung der Privatgrundstücke auch nach außen

Vor diesem Hintergrund wird die Unterscheidung hin gut sichtbar widerspiegeln würde. Ähnliche Ein- zwischen Eigen- und Fremdperspektive in den nach- drücke sind in einem Beitrag zu fi nden, den H. von folgenden Analysen der imaginativen Geographien Laer im Jahr 2002 verfasst hat (S. 293 f.): „Die hie- des Oldenburger Münsterlandes beibehalten. Die Zu- sige Bevölkerung ist bodenständig. Sie ist durch das ordnung richtet sich danach, ob der Standort des Un- eigene Heim, die Großfamilie, Nachbarschafts- und Unternehmens/Betriebes bzw. der Institution, die der jeweilige Interviewpartner vertritt, innerhalb Freundschaftsnetze in der Region stark verwurzelt. oder außerhalb der Landkreise Cloppenburg und (…). Die eher bedächtige, strebsame und konserva- Vechta liegt. 32 Süddeutsche Zeitung (2008), http://www. sueddeutsche.de/panorama/ungeziefer-das-ganz- 8.3.1 Imaginative Geographien des Oldenbur grosse-krabbeln-1.856369 (22.05.2014); 33 ger Münsterlandes I – Eigenperspektive NDR (2011), http://www.ndr.de/ratgeber/reise/ stoppelmarkt139html (22.05.2014); 34 Spiegel (2001), http://www.spiegel.de/spiegel/ Das Oldenburger Münsterland steht häufi g im Blick- print/d-19915848.html (22.05.2014); punkt kritischer Medienberichte und wird darin 35taz (2005), http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/ wahlweise als „Schweine-“32oder „Güllegürtel“33 be- artikel/? ressort=na&dig=2001%2F04%2F27%2F a0018&cHash=de5918446a32f236cca32d673d7e zeichnet oder aber mit negativ besetzten Begriffen 0c23(22.05.2014);

133 (Konstruierte) Produktherkünfte und imaginative Geographien im Produktionsnetzwerk Schwein

tive Grundhaltung der meisten Menschen ist vielen wonnenen, kollektiven Selbstbewusstseins im Ol- Unternehmern durchaus sympathisch.“ denburger Müntsterland.

Das wirtschaftsfreundliche sozio-politische Klima Ein weiterer Schwerpunkt, der das Selbstbild der im Oldenburger Münsterland wird somit als wesent- Region entscheidend prägt, ist die leistungsstarke licher Baustein für die dynamische Regionalent- und gut vernetzte Agrar- und Ernährungswirtschaft. wicklung angesehen. Ein Interviewpartner spricht in Die engen Verbindungen zur regionalhistorischen diesem Zusammenhang von einer „Schaffer-Menta- Entwicklung sind offenkundig und bilden einen wich- lität“ (Interview PE 9). Damit ist gemeint, dass die tigen Bestandteil der regionalen Identität. Häufi g traditionelle Bedeutung von Industrie und Hand- genannte Attribute, wie „Know How“, „Innovation“, werk bis in die Gegenwart hineinwirkt und das ge- „Spezialisierung“, „Vernetzung“, aber auch „kurze sellschaftliche Zusammenleben tiefgründig durch- Wege“ und „Mitbewerberdruck“, sprechen für die dringt. So entsteht das Bild einer prosperierenden Vorstellung eines funktionierenden Wirtschafts- ländlichen Region, deren Erfolg auf einer familiären clusters. Die auf das OM übertragene Metapher vom „industriellen Atmosphäre“ und einem tugendhaf- „Silicon Valley“ der Agrartechnologie (vgl. Wind- ten „Menschenschlag“ gründet. Die zahlreichen fa- horst 2004) ist den befragten Akteuren durchaus miliengeführten Mittelständler, die teilweise sogar präsent. zu internationalen Marktführern in ihren Nischen aufgestiegen sind, fügen sich in diese Szenerie. Ähnlich wichtig wie die rein wirtschaftliche Dynamik Folgendes Zitat fasst die Eigenwahrnehmung des werden die sozialen Komponenten erachtet, welche mentalitätsbedingten Wachstumspfades treffend die Art der Zusammenarbeit beeinfl ussen. Dazu zusammen: zählen insbesondere Vertrauen, gegenseitige Wert- schätzung und gesellschaftliche Verantwortung. „Die Region ist unheimlich strebsam, innovativ. (…). Durch Verknüpfung dieser Eigenschaften mit dem Das ist auch der Typ Leute, der Schlag Leute, das regionalen Agribusiness erhält das Oldenburger sind Unternehmertypen, die wollen was machen. Münsterland den Charakter einer harmonischen Und das macht auch den Erfolg der Region aus, das Verbundregion mit fl ießenden Übergängen zwi- ist auch mentalitätsbedingt. Also das wird weiter schen den ökonomischen und gesellschaftlichen sein, da bin ich fest von überzeugt. Diese Region Strömungen. Und weil dieser Verbund offenbar gut kann sich wirklich sehen lassen“ (Interview VV 4). funktioniert, haben sich eine positive Grundhaltung und ein gewisser Stolz auf das gemeinsam Erreich- Auf der anderen Seite sind vereinzelte Stimmen zu te etabliert. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch vernehmen, die bei allem wirtschaftlichen Erfolg erklären, dass medial erzeugte Negativ-Assoziati- vor unangemessener Selbstbeweihräucherung war- onen, die einen unmittelbaren Bezug zur Agrarin- nen. Das häufi ge „sich auf die Schulter klopfen“ z.B. frastruktur der Region aufweisen, nur eine unter- im Rahmen von feierlichen Veranstaltungen würde geordnete Rolle für die Herstellung imaginativer nicht mehr zur regionalen Mentalität passen, die Geographien spielen. Zudem würde der öffentliche „durchaus mit einem Teil Bescheidenheit verbun- Diskurs hinsichtlich Nutztierhaltung und Fleisch- den war“ (Interview PE 2). Die selbstbewusste Ein- produktion sehr einseitig geführt und hauptsächlich stellung dürfe nicht dazu führen, über jeden Zweifel auf markante Schlagzeilen abzielen (vgl. Interviews erhaben zu sein und eine gewisse Resistenz gegen- FI 6, PE 3, PE 9, SZV 5). über notwendigen Veränderungsprozessen aufzu- bauen. Um ein besseres Verständnis für die Konst- Eine Ausnahme stellt allerdings die Nährstoff- ruktionszusammenhänge imaginativer Geographien problematik dar. Dieses Thema wird größtenteils aus der Eigenperspektive zu entwickeln, bedarf es (selbst-)kritisch bewertet und als imageschädigend der besonderen Berücksichtigung dieses neu ge- für das Oldenburger Münsterland empfunden. Ent-

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sprechend hat sich mittlerweile ein Bewusstsein Lebensqualität in negativer Hinsicht zu beeinfl us- dafür entwickelt, dass die Region in der Öffentlich- sen. keit mit dem „Gülle“-Begriff in Verbindung gebracht wird. Ausgesprochen plakativ äußert sich hierzu ein Die Lebensqualität im Oldenburger Münsterland Primärerzeuger aus der Region: dient als weitere Komponente für den Aufbau einer imaginativen Geographie. Was Lebensqualität aus- „Wenn Südoldenburg so weiter macht, dann entwi- macht, ist freilich eine höchst subjektive Frage, so ckelt sich dieses Land zum ‚Scheißhaus der Nation‘“ dass die Einschätzungen der Interviewpartner ent- (Interview PE 5). sprechend vielschichtig sind. Das Spektrum der Cha- rakteristika reicht hier von überschaubaren Lebens- Dieser selbstkritischen These liegt die mehrfach haltungskosten über familienfreundliches Wohnen geäußerte Erkenntnis zugrunde, dass die Grenzen bis hin zu baulich-ästhetischen Errungenschaften des Wachstums im OM offenbar erreicht sind. Die („schöne Häuser, gepfl egte Vorgärten“). Auf diese Lösung der Nährstoff-Frage bildet somit eine wich- Weise entsteht das Bild einer Region, in der sich tige Aufgabe für die Zukunft, wobei der Blick auch Menschen wohl fühlen und am gemeinschaftlichen auf die Außendarstellung der Region gerichtet sein Leben teilhaben wollen. Das ländliche Milieu mit wird. Ob es mit Bewältigung dieser Herausforderung seinem ruhigen, gemütlichen Umfeld fernab groß- allerdings gelingt, die Stigmatisierung als „Gülle- städtischer Anonymität wird hoch geschätzt und als gürtel“ in ein anderes Licht zu rücken, bleibt abzu- einer der wesentlichen Vorzüge des OM bewertet. warten. Imaginative Geographien erweisen sich er- fahrungsgemäß als sehr stabil und sind nur schwer Bemerkenswert ist zudem, dass auch hier die Ab- zu verändern, wenn sie sich erst einmal verfestigt grenzung des „Eigenen“ vom „Anderen“ eine wich- haben. Allerdings würde die Region grundsätzlich tige Rolle spielt (vgl. Kap. 8.2). Der Vergleich mit über die technischen Möglichkeiten und das Know anderen Regionen – ohne diese konkret zu benennen How verfügen, um die Nährstoffproblematik in den – zielt in erster Linie darauf ab, den eigenen Status zu Griff zu bekommen. überhöhen. Beispielsweise wird darauf hingewiesen, dass sich Formen der Intensivtierhaltung ebenso in „Was für uns mit Sicherheit ein großes Problem anderen Gebieten etabliert hätten, um eine mögli- oder ein großes Handicap darstellt, das ist die Gül- che Reduktion dieser kritisch diskutierten Thema- leproblematik. (…). Die Branche weiß, dass sie hier tik auf das OM als unsachgemäß zu entlarven (vgl. im Grunde genommen auf zu wenig Raum zu viel Interview PE 4). Auch die Abgrenzung zu ländlichen Tierhaltung betreibt. Somit haben wir hier aber die Räumen, die von Schrumpfungsprozessen durch de- modernsten Anlagen, die mittlerweile Luft fi ltern mographischen Wandel und Abwanderung geprägt können. Wir haben die modernsten Anlagen, die z.B. sind, dient dazu, die positiven sozio-ökonomischen Gülle verteilen können“ (Interview VV 3). Entwicklungen in den Landkreisen Cloppenburg und Vechta besonders zu betonen. In diesem Zitat kommt erneut die oben bereits an- geführte „Schaffer-Mentalität“ zum Ausdruck, die „Man muss auch als Südoldenburger einigen Leu- das Oldenburger Münsterland qua Selbstverständ- ten sagen: ‚fahrt mal in andere Regionen, wie das da nis bis heute prägt. Darüber hinaus sind einzelne aussieht, wo Dörfer zurückgebaut werden, wo Dör- Aussagen zu vernehmen, die das Problem der Gül- fer sich zurückentwickeln‘“ (Interview PE 7). leentsorgung relativieren und die Dringlichkeit ei- ner entsprechenden Lösung in Frage stellen (vgl. Durch das In-Relation-Setzen werden schließlich Interviews PE 1, PE 8). Dennoch gilt dieses Thema Räume konstruiert, die stets mit Auf- und Abwertun- als belastend und dazu geeignet, die an sich positive gen verbunden sind und aus der Eigenperspektive Eigenwahrnehmung der Region zu revidieren und die heraus eine Art „Überlegenheitsverhältnis“ schaf-

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fen. Diese Verortungsstrategie erzeugt das positive deutlich kritischere Bewertung der Region beinhal- Gefühl, in gewisser Hinsicht „besser“ zu sein bzw. et- tet. Aus diesem Blickwinkel werden insbesondere was „richtiger“ gemacht zu haben als andere. Dabei die Nährstoff- und Umweltproblematik sowie die wirkt der herausgestellte Kontrast umso stärker, je Art und Akzeptanz der Nutztierhaltung in den Vor- selektiver die Selbstwahrnehmung ausgeprägt ist. dergrund gerückt. Dabei ist anzumerken, dass man- Die Abbildung 26 dient als abschließende Übersicht che Interviewpartner auch das Image ihrer eigenen der zentralen Attribute und Assoziationen, die für Region (z.B. Westfalen) als zumindest gefährdet se- das Selbstbild der Region von Bedeutung sind. hen, da die Entwicklungen dort in eine ähnliche Rich- tung weisen (vgl. Interviews FI 5, SZV 4). 8.3.2 Imaginative Geographien des Oldenbur- ger Münsterlandes II – Fremdperspektive Eine wissenschaftliche Bewertung, die den weite- ren empirischen Ergebnissen vorangestellt wird, Die bisherigen Ausführungen zur Eigenperspektive stammt aus einem Fachbeitrag von Mose et al. des Oldenburger Münsterlandes zeichnen ein positi- (2007). Die Autoren konstatieren für das Oldenbur- ves Raumbild, welches u.a. in der dynamischen Wirt- ger Münsterland eine „weit über die Region hinaus- schaftsentwicklung, der innovativen Agrarindustrie, gehende Bekanntheit“, hervorgerufen durch eine der tugendhaften Mentalität und der idyllischen „unübersehbare Akkumulation von ökologischen Wohnatmosphäre zum Ausdruck kommt. Anders Problemlagen“ (S. 133). Die Einschätzungen der be- verhält es sich mit der Fremdperspektive, die eine fragten Experten spiegeln die besagte „Problem-

Abb. 26: Selbstbild des OM – Attribute, Assoziationen, Bedeutungen 

Regionalhistorie

Wirtschafts- Tradition wachstum

Verwur- zelunng

Agribusiness Mentalität

„Silicon Boden- Know How Strebsamkeit Valley“ ständigkkeit

Weltmarkt- Nährstoff- Pragma- Unterneh- führer problematik tismus mergeist

„Grenzen des Wachstums“ Lebensqualität

Familien- Ländliche freundlichkeit Idylle

Geringe Gepflegte Ausgaben für Häuser und Lebenshaltung Grundstücke

Quelle: Eigene Darstellung

136 (Konstruierte) Produktherkünfte und imaginative Geographien im Produktionsnetzwerk Schwein

Akkumulation“ in unterschiedlichen Ausprägungen. „ob sie sanft oder auch radikal sind, das sei dahinge- Ein nicht zu unterschätzender Einfl uss für die Mei- stellt“ (Interview SZV 1). Zwar stehen immer wieder nungsbildung dürfte diesbezüglich auch den überre- auch Optionen zur Problembewältigung im Fokus – gionalen Medien zukommen, aus denen die Akteure allen voran Gülletransporte in Ackerbauregionen –, zumindest einen Teil ihres Wissens über das OM be- doch bleiben die Erfolgsaussichten solcher Strate- ziehen. Einige auf medialem Weg häufi g verbreitete gien im Ungewissen. Auffällig ist hierbei das extern Stereotypisierungen fi nden ihren Niederschlag in geäußerte Zutrauen in die Fähigkeiten der Akteure den empirisch erfassten Zuschreibungen: vor Ort, sich mit besagten Herausforderungen aus- einanderzusetzen. „Dazu fällt mir ein: ‚Güllegürtel‘, ‚Stinke-Autobahn‘, hoher Maisanteil. (…). Und ansonsten sind es natür- „Wenn man den Status Quo hat, dann ist die Region lich diese Umweltbedingungen, Trinkwasserproble- ja auch in der Lage anzupacken und zu sagen: ‚wir matik, usw. Also (die Region) hat landwirtschaftlich machen was draus, wir bringen das in Ordnung‘. (…). und bei bewussten Verbrauchern einen schlechten Und wenn man das in den nächsten fünf bis zehn Ruf. Ich würde keinem empfehlen, da Urlaub zu ma- Jahren in den Griff bekommt, dann kann man daraus chen“ (Interview SZV 4). durchaus wieder eine Vorwärtsstrategie machen“ (Interview SZV 2). Die hier artikulierten Eigenschaften legen scho- nungslos offen, welch problematische Wirkung die Diese Aussage beinhaltet also Vorstellungen, die Region um Cloppenburg und Vechta auf Außen- auf ähnliche Weise bereits das Selbstbild des Olden- stehende entfalten kann. Aufgrund der gegebenen burger Münsterlandes prägen. Eine Region, die „an- Umweltbedingungen wird der Raum als unattraktiv zupacken“ in der Lage ist, wird mit Tugenden, wie z.B. oder gar unangenehm wahrgenommen. Diese ne- Strebsamkeit, Fleiß oder Leistungsbereitschaft, in gative Positionierung erhält zusätzlich Nachdruck Verbindung gebracht. Dadurch konstituiert sich die durch das (latent formulierte) gesundheitliche Ge- imaginative Geographie einer „Schaffer-Region“, fährdungspotenzial aufgrund von Geruchsemissio- welche über die Binnengrenzen hinaus an Relevanz nen oder Wasserverunreinigungen. Darüber hinaus gewinnt. Jene Fähigkeit zur Problemlösung ließe verstärkt die assoziative Verknüpfung zum Problem sich aber auch auf ein gewisses Maß an Schlitzoh- der „Vermaisung“ das hier produzierte Negativ-Bild. rigkeit zurückführen, welches im OM vorherrschen würde. Demnach seien „die da oben alle sehr erfi n- Die Nährstoff- bzw. Gülle-Thematik bleibt das zen- derisch, wenn es darum geht, gesetzliche Aufl agen trale Element für die Konstruktion imaginativer zu umgehen“ (Interview VV 7). Auch wenn ein Beleg Geographien aus der Fremdperspektive (vgl. Inter- für diese These ausbleibt, so eröffnet sie doch einen views FI 1, FI 5, SZV 2, VV 2, VV 7). Obwohl der ge- weiteren kritischen Blickwinkel für die Fremdbild- samte Raum Nordwestdeutschland mit den Regi- Konstruktion. onen Weser-Ems und Westfalen-Lippe eine sehr hohe Nutztierkonzentration aufweist, scheint das Eine recht aktuelle Thematik, welche die Region Oldenburger Münsterland über eine imaginierte in einem negativen Licht erscheinen lässt, bezieht „Vorrangstellung“ zu verfügen, was die mit der sich auf diverse öffentlich gewordene Skandale im Gülleentsorgung verbundenen Probleme angeht. Bereich der Nutztierhaltung, denen ein Bezug zum In diesem Zusammenhang wird u.a. diagnostiziert, Raum Cloppenburg und Vechta nachgewiesen wer- dass „man es da übertrieben (habe)“ (Interview den konnte. Als besonders belastend hat sich der VV 7) oder „man sehr sorglos damit umgegangen so genannte „Ferkel-Skandal“ entpuppt, der im De- (sei)“ (Interview SZV 2). In schärferem Ton spricht zember 2013 in diversen Nachrichten-Magazinen ein Interviewpartner von „Raubbau“ und fordert Dia- thematisiert wurde. Mit versteckter Kamera aufge- logbereitschaft sowie den Willen zu Veränderungen, nommenes Filmmaterial zeigt die Tötung von Fer-

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keln, in dem Mitarbeiter die Tiere entweder auf den sowie gepfl egte Rasenfl ächen und Gärten entfalten Stallboden oder an die Zwischenwände der Buchten eine positive Außenwirkung. Die wahrgenommene schlagen. Da einer der gefi lmten Betriebe in der Ästhetik lässt sich nach Expertenmeinung darauf Gemeinde Goldenstedt bei Vechta liegt, projizieren zurückführen, dass ein großer Teil der erzielten einzelne Interviewpartner diesen Skandal explizit Wertschöpfung in der Region verbleibt und bei- auf das Oldenburger Münsterland und wägen sogar spielsweise für die Sanierung oder Modernisierung Konsequenzen ab. von Gebäuden eingesetzt wird (vgl. Interview VV 6). Aus dieser positiven Entwicklung, die auf erfolgrei- „Ich fi nde es äußerst bedauerlich, dass da in ge- ches Wirtschaften zurückgeht, ergibt sich allerdings wissen Fällen so mit den Tieren umgegangen wird, ein Dilemma im Sinne eines ökonomisch-ökologi- wie das aufgedeckt wird, nämlich negativ. (…). Und schen Spannungsfeldes. daher wäre es für mich manchmal besser, wenn ich das Fleisch von ganz woanders herkriegen würde“ „Das ist schwierig zu vermitteln und auch schwierig (Interview LH/GV). einzusehen, weil derjenige, der wirklich das Geld auf der Tasche hat und gebäudemäßig sehr stark inves- Potenzielle Imageschädigungen ob solcher Nach- tiert hat, was ein klassischer Fall von erfolgreichem richten, die auf Tierquälerei hindeuten, können für Wirtschaften ist, der wird von außen angeguckt als Akteure, die dem Endverbrauch unmittelbar vorge- Umweltsünder“ (Interview SZV 4). lagert sind und Einkaufsbeziehungen in die Region unterhalten, zum Vermarktungsproblem werden. Für Außenstehende stellt sich somit die Frage, zu Infolgedessen stehen – wie in diesem Fall – sogar welchem Preis der regionale Wohlstand erkauft wur- Alternativen im Fleischbezug zur Debatte. de. In einem sehr kritischen Beitrag mit dem Titel „Schattenseiten erfolgreicher Regionen – Das Bei- Auf der anderen Seite steht zu würdigen, dass durch spiel Oldenburger Münsterland“ liefert Huter (2005) Investitionen in Privatgrundstücke und insbeson- klare Antworten, in dem sie eine Propagierung als dere Hofanlagen eine ansprechende ländliche Bau- „Erfolgsregion“ aufgrund der hohen ökologischen kultur entstanden ist. Zahlreiche Fachwerkhäuser Kosten gänzlich ablehnt (S. 62 ff.; vgl. Kap. 6.4).

Abb. 27: Fremdbild des OM – Attribute, Assoziationen, Bedeutungen 

Agribusiness

„Güllegüürtel“ „Vermaisung“

„Ferkel- Effiziente skandal“ Produktion

Lebensqualität Mentalität

Geruchs- Gesundheits- Fleiß, Investitions- belästigung risiken Strebsamkeit bereitschaft

Ländliche Schlitz- Baukultur ohrigkeit

Quelle: Eigene Darstellung

138 (Konstruierte) Produktherkünfte und imaginative Geographien im Produktionsnetzwerk Schwein

Ein derart kritisches Urteil konnte empirisch nicht Insgesamt bestätigt sich die eingangs formulier- nachgewiesen werden, was vermutlich auch damit te These, wonach imaginative Geographien aus der zusammenhängt, dass ein Teil der Interviewpartner Fremdperspektive einen geringeren Grad an Diffe- durch eine gewisse emotionale Nähe zum Oldenbur- renzierung aufweisen. Da wesentliche Informatio- ger Münsterland geprägt ist. Ähnliche Werte und nen oftmals nicht bekannt sind, spielen einprägsa- Konventionen, die sich in der Zugehörigkeit zum me (teilweise medial erzeugte) Schlagworte eine Schweinefl eischsektor manifestieren, sowie enge umso wichtigere Rolle für die Zuschreibung von Be- wirtschaftliche Verfl echtungen mit der Region mö- deutungen. Im Fall des Oldenburger Münsterlandes gen die Produktion imaginativer Geographien im wird der öffentliche Diskurs maßgeblich durch die Einzelfall manipuliert haben. Insofern ist das Wis- Nährstoffproblematik bestimmt, was die Zirkulati- sen um die Entstehung eines leistungsfähigen, glo- on und Adaption entsprechender Negativ-Assozia- bal ausgerichteten Agribusiness-Clusters im Raum tionen fördert. Das Ergebnis ist im Wesentlichen ein Cloppenburg und Vechta für die Fremdperspektive klischeebeladenes und daher stark vereinfachendes nicht unerheblich. Im Gegensatz zum Selbstbild Fremdbild der Region (vgl. Abb. 27). wird das Fremdbild der Region jedoch längst nicht so stark von diesem Wissen determiniert.

139 Imaginative Geographien als Katalysator für die Konfi guration von Produktions- netzwerken im Schweinefl eischsektor?

9. Imaginative Geographien als Katalysa- tor für die Konfi guration von Produkti- onsnetzwerken im Schweinefl eischsek- tor?

9.1 Strategische Potenziale imaginativer Geo- Ein nicht unerheblicher Einfl uss auf die Konfi gu- graphien für die Produktion und Vermark- ration der Produktionsnetzwerke wird in diesem tung von Schweinefl eisch Kontext durch den strategischen Fokus einiger Schlacht-, Zerlege- und Verarbeitungsunternehmen Die Ausführungen in Kapitel 3.3 und 8.1 haben ge- ausgeübt, die ausschließlich Schweine deutscher zeigt, dass das Image eines Landes oder einer Region Herkunft beziehen und vermarkten. Das heißt, die für die Vermarktung der dort produzierten Lebens- Tiere müssen bereits in Deutschland geboren sein, mittel eine besondere Relevanz haben kann. Um die so dass die vielfach zugekauften Ferkel aus Däne- gewünschten Marketing-Effekte zu generieren, ist mark oder den Niederlanden (vgl. Kap. 7.4.1) keine eine Anpassung der Produktionskonfi guration not- Berücksichtigung in den entsprechenden Produk- wendig, wie Ermann (2005) mit Verweis auf Cook/ tionslinien fi nden. Daneben müssen auch die Ar- Crang (1996) erläutert (S. 55): „Produkte werden beitsschritte der Mast, Schlachtung, Zerlegung und als Symbole für Identität und Abgrenzung betrach- Verarbeitung in Deutschland stattfi nden. Auf diese tet, und die im Konsumtionskontext generierten Weise soll ein lückenloses und streng kontrolliertes Bedeutungsgehalte von Waren werden als refl exive Wertschöpfungsnetz entstehen, welches nach deut- Einfl ussfaktoren auf die Produktionsverhältnisse schen Standards produzierte Qualitätserzeugnisse angesehen.“ Die erwähnten Bedeutungsgehalte sind hervorbringt. In der Vermarktung hat sich hierfür das unterschiedlicher Natur und betreffen potenziell Kürzel „5xD“ bzw. „DDDDD“ etabliert (in Deutsch- auch das Image und die Herkunft der Produkte. Im land geboren, gemästet, geschlachtet, zerlegt und Wissen über diese Bedeutungszuschreibungen se- verarbeitet), welches manche Unternehmen auch hen sich die Produzenten und Vermarkter zur Ent- selbstbewusst nach außen kommunizieren. wicklung von Strategien genötigt, die eine Neu-/ Umgestaltung der Produktionsnetzwerke nach sich Für die vorgelagerten Bereiche im Produktionsnetz- ziehen können. Beispielsweise werden Hersteller werk bedeutet diese Ausrichtung, dass nur solche von regionalen Spezialitäten ihre Einkaufsbezie- Schweinemäster als Lieferanten in Frage kommen, hungen so organisieren, dass sie die entsprechen- die ihre Ferkel nicht importieren. Im Zuge der Inter- den Rohstoffe von Zulieferern aus der näheren views hat sich herausgestellt, dass Landwirte mit Umgebung beziehen; je nachdem, welches Regiona- geschlossenen Systemen, also Ferkelerzeugung und litätsverständnis den zu vermarktenden Produkten Mast, aufgrund der günstigen Herkunftssicherungs- zugrunde liegt. und Kontrollmechanismen gute Voraussetzungen für eine Integration in die „5xD“-Produktion bieten. Die empirischen Ergebnisse deuten darauf hin, dass Diese Betriebe tendieren zur Mitgliedschaft in Er- Fragen der Produktherkunft zwar räumlich-orga- zeugergemeinschaften, welche die Vermarktung der nisatorische Veränderungen in den Produktions- Mastschweine an die entsprechenden Schlachtun- netzwerken hervorrufen, diese jedoch weniger mit ternehmen organisieren. Die Lieferbeziehungen sind gezielten Imagetransfer-Strategien in Zusammen- hier meist langfristig angelegt und basieren auf ver- hang stehen. Die Vorstellung einer transparenten trauensvoller Zusammenarbeit. Produktionskette mit gesicherten Herkunftsnach- weisen ist nach Ansicht eines Großteils der befrag- Die Frage, welche Handlungsorientierungen durch ten Akteure eher das Resultat einer Vertrauens- als imaginative Geographien hervorgerufen werden, ist einer Imagedebatte. hingegen nur schwer zu beantworten. Grundsätzlich

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besteht das Ziel der „5xD“-Konzeption darin, eine leg angesehen werden. Im Zuge einer sich globali- sichere und transparente Produktion zu gewährleis- sierenden Schweinefl eischbranche wird die Diskus- ten. Eine Mitvermarktung des „made in Germany“- sion um die nationale Produktherkunft zunehmend Effektes ist als Zusatznutzen zwar denkbar, gilt je- auch unter Regionalitätsgesichtspunkten geführt. doch nicht als ursächlich für die gewählte Strategie Die oben angeführte Aussage mit Bezug zum „5xD“- und daraus resultierende Modifi kationen im Produk- Konzept entspricht bereits dem Verständnis einer tionsnetzwerk. Der angesprochene Zusatzeffekt ist großzügigen Ausweitung von Regionalität auf na- vor allem für exportorientierte Unternehmen von tionalstaatlicher Ebene. Diese Auffassung scheint Bedeutung, da in bestimmten Drittlandmärkten ge- innerhalb der Branche weit verbreitet zu sein und zielt nach deutscher Herkunft gefragt wird. wird sowohl auf der „grünen“ wie auch auf der „ro- ten“ Seite artikuliert (vgl. Interviews PE 4, PE 7, „Wir haben gesagt: ‚5xD‘ passt gut zur Regionali- SZV 5, VV 1). tät. Aber der positive Effekt ist eigentlich, dass der Export viel wichtiger ist für ‚5xD‘ als das Inlandge- Eine besondere Funktion für die weltweite Vermark- schäft, weil die Chinesen und Koreaner da viel grö- tung deutscher Schweinefl eischprodukte nimmt ßeren Wert drauf legen als die Deutschen“ (Inter- die Exportorganisation „German Meat“ mit Sitz in view SZV 5). Bonn ein, die auf freiwilliger Basis von Unternehmen der Fleischbranche gefördert wird und verschie- Unter Berücksichtigung der eigentlichen Ziele, die dene Aufgaben im Bereich der Auslandsmarktbe- sich in erster Linie an den inländischen Verbrau- arbeitung wahrnimmt. Dabei ist die Organisation chern orientieren, ist es umso überraschender, dass vor allem darauf ausgerichtet, deutsches Schwei- die Wertschätzung von „5xD“ im außereuropäischen nefl eisch als Qualitätsprodukt „made in Germany“ Ausland höher erscheint als hierzulande. Da insbe- zu inszenieren, was beispielsweise im Rahmen von sondere die genannten ostasiatischen Märkte der- Fachmessen, Kundenkontaktveranstaltungen oder zeit eine positive Dynamik aufweisen und für zahl- Unternehmensbesuchen geschieht. Die zahlreichen reiche Exportunternehmen höchste Priorität haben, Marktzugänge deutscher Fleischproduzenten für bleibt mit Spannung abzuwarten, wie sich die Anfor- Drittländer (z.B. in Ost-/Südostasien) sprechen da- derungen an die Exporteure in Zukunft entwickeln für, dass diese Inszenierung unter Herausstellung und welchen Stellenwert eine garantierte deutsche der besonderen Stärken und Qualitäten in jüngerer Herkunft unter diesen Bedingungen einnimmt. Vergangenheit sehr erfolgreich gelungen ist. Auf diese Weise trägt „German Meat“ zu einem Image- Grundsätzliche Einigkeit besteht hingegen mit Blick gewinn für deutsche Schweinefl eischprodukte bei, auf die Bedeutung subnationaler Räume für das Ex- weshalb die Organisation als eminent wichtig für portgeschäft. Regionale Herkünfte hätten demnach das Exportgeschäft der hiesigen Unternehmen und keinerlei Auswirkungen auf die Nachfrage ausländi- folglich für die Konfi guration der Produktionsnetz- scher Importeure. Es sei unerheblich, ob das Fleisch werke insgesamt eingeschätzt wird (vgl. Interviews beispielsweise aus Baden-Württemberg, Nordrhein- SZV 2, SZV 3, SZV 5, SZV 11). Westfalen, Niedersachsen, dem Schwarzwald, der Region Westfalen-Lippe oder dem Oldenburger Die Diskussionen um Produktherkunft und Regio- Münsterland kommt. Lediglich wenn einzelne Bun- nalität veranlassen einzelne Vertreter sogar dazu, desländer aufgrund von Tierseuchen gesperrt sind, den gesamten EU-Raum als regionales Konstrukt zu kann dies zu Konsequenzen für den Schweine- begreifen. In der Argumentation wird diesbezüglich fl eischexport führen. Die Exportsperre von Nord- auf den Gedanken eines vereinten Europas und die rhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz für Japan, dem wachsende Mobilität der Bevölkerung verwiesen, so weltweit größten Importmarkt für Schweinefl eisch, dass Ländergrenzen scheinbar an Bedeutung verlie- aufgrund der Wildschweinepest kann hierfür als Be- ren.

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„Wir wollen ja immer mehr Europa und wir haben ja (ist), die nur qualitativ beschrieben, verglichen und auch schon diese Gesetze aus Europa. Warum sind beurteilt werden kann“ (S. 66). wir dann nicht auch ‚Europa regional‘ mit unseren Produkten? (…). Wir brauchen ja fast keinen Pass Aufgrund dieser nachvollziehbaren, aber recht un- mehr, wir können hin und her laufen, wie wir wollen. scharfen Interpretation bleibt eine Menge Spiel- Dann sehe ich das immer noch als ‚regional‘. Die raum für die praktische Umsetzung von Regionali- Welt ist nun mal kleiner geworden durch unsere Mo- tätsstrategien. Auch im Oldenburger Münsterland bilität“ (Interview PE 8). wird davon Gebrauch gemacht, in dem verschiedene Unternehmen ihre regionale Ausrichtung vor allem Auch wenn richtigerweise erkannt wird, dass räumli- im Bezug von Schlachtschweinen inszenieren. Diese che Distanzen in der heutigen Zeit leichter zu über- Inszenierung erfolgt zumeist im Rahmen von Hof- brücken sind, so macht sich diese Sichtweise doch porträts, die z.B. auf fi rmeneigenen Internetprä- angreifbar, wenn die inhaltlichen Elemente in den senzen veröffentlicht werden und auch Angaben zu Fokus rücken, die den Regionalitätsgedanken aus- den genauen Standorten der landwirtschaftlichen füllen. Dazu zählen insbesondere vertrauensvolle Betriebe enthalten. Wichtiger als die Dokumentation und partnerschaftliche Formen der Zusammenar- der Herkunft sind jedoch der Aufbau von Vertrauen beit, transparente Herkunftssicherungssysteme und die Vermittlung von Emotionen. Die Porträtie- sowie identitätsstiftende Merkmale, die eine emo- rung ausgewählter Landwirte und ihrer Familien tionale Nähe von Anbietern wie Nachfragern zu den durch fotographische Illustrationen ist dazu ein ge- entsprechenden Regionalprodukten erlauben. eignetes Mittel. In diesem Zusammenhang weist ein Unternehmensvertreter nochmals auf den vertrau- „Es ist die Frage der Zusammenarbeit: wer arbeitet ensbildenden Charakter hin: mit wem und wie arbeiten die Leute in ihrer Stufe. Das ist viel entscheidender und deswegen ist ja der „Regionalität ist eher eine Vertrauensdebatte, Wunsch nach Regionalität (…). Es ist schon wichtig, sprich, wie in unserem System, zu sagen: der Land- wo der Rohstoff herkommt und wie viel Mühe sich wirt ist bekannt, das Unternehmen ist bekannt, ich die Produzenten und die Arbeiter mit den Produk- weiß, wo es herkommt. Eine scharfe Grenzziehung ten geben. Und wenn man sich als Verarbeiter mit sehe ich da weniger“ (Interview SZV 6). seinen Einsendern identifi ziert, nicht mehr einfach wahllos von jedem nimmt, sondern eine Partner- Mit sympathieträchtigen Bildern ihrer Lieferanten schaft begründet, die dann auch dauerhaft ist, das und der Betonung partnerschaftlicher Beziehungen könnte ja auch eine Form von Regionalität sein“ (In- betreiben die Unternehmen eine positive Selbst- terview SZV 3). Inszenierung. Das Erzielen potenzieller Mehrwerte durch den strategischen Einsatz von imaginativen Mit Blick auf das vorherige Zitat ist zu hinterfragen, Geographien – z.B. über den werbegesteuerten inwieweit die hier geäußerten Ansprüche mit einer Transfer positiver Merkmale, die mit der Herkunfts- „europäischen Regionalität“ vereinbart werden kön- region assoziiert werden – ist nach Einschätzung nen. Sowohl die Nachvollziehbarkeit der Produkti- der Interviewpartner, wenn überhaupt, ein eher ru- onszusammenhänge (ökonomisch, sozio-kulturell, dimentäres Anliegen. Im Schweinefl eischbereich ökologisch) als auch emotionale Bindungen dürf- wird das Vermarktungspotenzial von Regionalität in ten sich nur schwer über großräumige, länderüber- erster Linie für süddeutsche Produkte erkannt. greifende Beziehungen herstellen lassen. Dennoch macht eine enge räumliche Abgrenzung (z.B. durch „Wir essen auch hier ganz gerne den Schwarzwäl- Festlegen eines bestimmten Kilometer-Radius) der Schinken, weil wir damit schöne Landschaften, wenig Sinn, wenn Regionalität in Anlehnung an Er- dunkle Wälder, bestimmte Gerüche assoziieren“ (In- mann (2005) „als diskursive Orientierung zu sehen terview VV 6).

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Das Oldenburger Münsterland (wie auch der ge- „Also in der Summe denke ich, die Schweine- samte nordwestdeutsche Raum) bietet für ähnlich fl eischerzeugung hat ein Problem mit der Regiona- geartete assoziative Verknüpfungen kaum eine Ba- lität. Da müssen es außergewöhnliche Sachen wie sis, obwohl die Region zumindest aus der Eigenper- das Schwäbisch-Hällische sein. Aber das sind mit spektive deutlich positiv gesehen wird. Aufgrund Sicherheit Nischenmärkte“ (vgl. Interview FI 1). von problematischen Medienberichterstattungen überwiegt jedoch die Skepsis mit Blick auf Regio- Neben dem Schwäbisch-Hällischen haben die Inter- nalitätsstrategien, die explizit das OM in den Fokus viewpartner auch das Bunte Bentheimer sowie den rücken. Lediglich ein Interviewpartner kann sich die viel zitierten Schwarzwälder Schinken als regionale Implementierung von Fleischprodukten vorstellen, Spezialitäten genannt, welche die angesprochenen die unter Verwendung des OM-Logos vermarktet Nischen bedienen und mit der Erzielung von Mehr- werden, zumal die starke räumliche Konzentration werten rechnen können. Um als „Exportschlager“ nahezu aller Wertschöpfungsstufen günstige Vo- erfolgreich zu sein, würde es diesen Produkten al- raussetzungen bieten würde (vgl. Interview VV 1). lerdings (noch) an der notwendigen Bekanntheit im Für eine erfolgreiche Umsetzung bedarf es aller- Ausland fehlen (vgl. Interview FI 4). dings der breiten Zustimmung regionaler Schlüssel- akteure, was sich nach derzeitiger Sachlage aber Ein weiterer Erklärungsansatz für die Art und Weise, eher schwierig gestalten dürfte. wie sich imaginative Geographien auf die Konfi gura- tion der Produktionsnetzwerke auswirken (können), „Ich glaube nicht, dass wir mit der Region Oldenbur- bezieht sich auf das inhärente Machtpotenzial auf- ger Münsterland einen Blumentopf gewinnen kön- grund ihrer Funktion als Deutungs- und Erklärungs- nen. Dafür ist es durch Medienberichte sehr belas- rahmen sozialer Wirklichkeiten (vgl. Husseini de tet“ (Interview SZV 3). Araújo 2011, S. 28; Kap. 4). Die Forcierung von Her- kunftstransparenz und Regionaliät als „Megatrend“ 9.2 Zur Handlungsrelevanz imaginativer Geo- durch den LEH ist ein Indiz dafür, dass imaginative graphien in globalen Produktionsnetzwer- Geographien in der Vermarktung von Lebensmitteln ken unter Berücksichtigung theoretisch- von Bedeutung sind. Eine wichtige Funktion entfällt konzeptionellerErkenntnisse dabei auf die öffentlichen Diskurse, die sich um die Herkunft von (Fleisch-)Produkten drehen und Bei Betrachtung der bisherigen Ergebnisse lässt insbesondere von Politik, Medien, NGOs und (kriti- sich die im Zuge der theoretisch-konzeptionellen In- schen) Verbrauchern gesteuert werden. Sofern als tegration (vgl. Kap. 4) formulierte Annahme, wonach Ergebnis solcher diskursiven Auseinandersetzun- imaginative Geographien einen konstituierenden gen negative Raumbilder entstehen, sehen sich jene Faktor für die Konfi guration von Produktionsver- Akteure, die in den entsprechenden Räumen agieren fl echtungen darstellen, nur bedingt auf die spezifi - und g gf. sogar mit den Negativbildern in Verbindung schen Netzwerke im Schweinefl eischsektor des Ol- gebracht werden (z.B. große Schweinemastbetriebe, denburger Münsterlandes übertragen. Symbolische Schlachtunternehmen), unter erhöhten Handlungs- Wertsteigerungen, die mit der Produktherkunft zu- druck gesetzt. Als Protagonisten im Zentrum jenes sammenhängen, sind in einer Region mit problema- von Levy (2008) konstatierten „struggle over the tischem Fremdbild (vgl. Kap. 8.3.2) kaum zu erzielen. construction (…) of discursive frames“ (S. 944) sind Teilweise gehen die Meinungen sogar dahin, dass sie zugleich die Adressaten diskursiver Machtaus- bedeutsame Wertschöpfungspotenziale überhaupt übung. nur bei sehr wenigen und ganz speziellen Produkten geltend gemacht werden können. Diese anhand von theoretischen Überlegungen entwickelten Machtmechanismen konnten für das Oldenburger Münsterland jedoch nicht empirisch

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nachgewiesen werden. Als Begründung wird an- Ein wesentlich stärkerer Erklärungsgehalt für die geführt, dass die Verbraucher in den allermeisten Funktionsweise von imaginativen Geographien im Fällen keine Verbindung zwischen Produkt und Re- Kontext der Schweinefl eischproduktion geht aus gion herstellen würden (vgl. Interviews PE 6, SZV der Einbettung (Embeddedness) der Akteure in be- 10, VV 2). Entscheidend sei vielmehr die Marke, die stehende Netzwerke und regionale Bezüge hervor. auf der Verpackung steht. Diese würde zumindest Als verknüpfendes Element dient die grundlegende auf den ersten Blick keine Rückschlüsse auf die ei- Erkenntnis, dass es für Unternehmen vorteilhaft gentliche Herkunft zulassen. Dazu kommt, dass ein sein kann, wenn sie in einer substantiell starken Re- beträchtlicher Anteil des Fleisches gewissermaßen gion mit positiver Außendarstellung wirtschaften. als „no name“-Artikel in die Lieferkette und damit Dies gilt insbesondere für die Rekrutierung von gut letztendlich auch zum Endverbraucher gelangt. Eine ausgebildeten Fach- und Führungskräften. Daher Projizierung von Schweinefl eischprodukten auf das sollte es im wirtschaftlichen Eigeninteresse liegen, OM wäre unter diesen Umständen kaum möglich. die jeweilige Region zu stärken und zu einer positi- Selbst bei einer offenkundigen Verknüpfung gäbe ven Imagebildung beizutragen. es wenig Anlass zur Sorge, wie die nachfolgende Ex- pertenmeinung suggeriert: Für das Oldenburger Münsterland stellt die enge Vernetzung zwischen den größtenteils mittelstän- „Also es gibt noch keine Debatte nach dem Motto: disch geprägten Unternehmen der Agrar- und Er- ich will kein Schweinefl eisch aus Südoldenburg, weil nährungswirtschaft ein wichtiges Alleinstellungs- es da stinkt. Diese Debatten kenne ich nicht“ (Inter- merkmal dar, womit zugleich positive Effekte in der view SZV 7). Außenwirkung erzielt werden (vgl. Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung 2009). Der Des Weiteren wird argumentiert, dass die Diskus- schillernde Begriff „Silicon Valley“ des Agribusiness sionen nach dem Motto „wissen, wo es herkommt“ gründet auf ebendiese Ausrichtung der regionalen einer Überbewertung unterliegen. Insbesondere Zusammenarbeit. Hinzu kommt die starke Identi- äußern sich einige Akteure auf den vorgelagerten fi kation der Unternehmer mit dem OM. Das klare Stufen der Primärerzeugung und Viehvermarktung Bekenntnis zur Region und den eigenen Wurzeln recht kritisch über die „Emotionalisierung“ der Her- gehört teilweise bereits zum Standardreportoire im kunfts- und Regionalitätsfrage (vgl. Interviews FI 5, öffentlichen Auftritt und wird entsprechend in Sze- PE 7, PE 8, SZV 11, VV 2, VV 3). Damit stehen sie im ne gesetzt. Auch gesellschaftliches Engagement, Widerspruch zu der vom LEH propagierten Bedeu- z.B. durch Förderung von Bildungseinrichtungen, tung dieser Produktkategorie. Es bleibt also fest- Sportvereinen oder sozialen Projekten, spricht für zuhalten, dass imaginative Geographien, welche „in die starke regionale Einbettung der Unternehmen. Form einer mentalen Raumaneignung zu machtvol- Von entscheidender Bedeutung ist allerdings die len Konstrukten werden können“ (Said 1978; zitiert Integration in regionale Wirtschaftsnetzwerke und nach Bishokarma 2012, S. 299), an dieser Stelle nur die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern „vor schwache Wirkungen entfalten. Für die Konfi gura- der eigenen Haustür“. tion der Produktionsnetzwerke lässt sich allenfalls nachweisen, dass die Unternehmen seit einigen Jah- „Wir versuchen natürlich aufgrund unserer Lage, ren verstärkt mit meinungsbildenden Akteuren in die Region zu stützen. Das heißt also, wenn es leis- Kontakt treten, denen ein besonderer Einfl uss auf tungsfähige Lieferanten hier in der Umgebung gibt, die Außenwirkung des Oldenburger Münsterlandes dann arbeiten wir natürlich gerne zusammen, gar zugeschrieben wird. Dazu zählen beispielsweise keine Frage“ (Interview SZV 1). NGOs, die zum Teil sogar als Partner für die Umset- zung verschiedener Projekte dienen (z.B. im Tier- Im Zuge dieser speziellen Form der Einbettung wohlbereich). (Netzwerk- bzw. organisationale Embeddedness)

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korrespondiert die Motivation zur Stärkung der nes positiven Regionalimages. Dies kann langfristig Region mit der Zielsetzung, das Oldenburger Müns- jedoch nur dann gelingen, wenn die besonderen Pro- terland im Sinne einer „regionalwirtschaftlichen Er- bleme der Region (vgl. Mose et al. 2007, S. 137 ff.; story“ zu inszenieren. Die Akteure des Agribusiness, Kap. 6.4, 7.2) ebenfalls im Netzwerkverbund ange- zu denen auch die im Schweinefl eischsektor tätigen gangen und gelöst werden, „um daraus wieder eine Unternehmen zählen, sehen sich als Teil des „regio- Vorwärtsstrategie zu machen“ (Interview SZV 2). nalen Kapitals“ und Katalysator für den Aufbau ei-

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10. Schlussbetrachtung

10.1 Zusammenfassung und Refl exion und bilden den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Im Rahmen einer qualitativen Analyse unter- Als multidimensionaler Prozess hat die Globali- sucht das Forschungsprojekt die vom Oldenburger sierung zu einschneidenden raum-zeitlichen Ver- Münsterland ausgehenden multiskalaren Vernet- änderungen auf wirtschaftlicher, politischer und zungen im Schweinefl eischsektor und beleuchtet sozio-kultureller Ebene geführt. Im Zeitalter welt- insbesondere die Funktionsweise von imaginativen umspannender Transport- und Informations-/Kom- Geographien, die sich auf Basis der (regionalen und munikationssysteme erscheint es als Selbstver- nationalen) Produktherkunft konstituieren. In the- ständlichkeit, dass Güter, Kapital, Informationen oretisch-konzeptioneller Hinsicht greift die Unter- und Menschen um den gesamten Globus zirkulieren. suchung auf wirtschafts- und kulturgeographische Die Agrar- und Ernährungswirtschaft ist einer der (bzw. sozialkonstruktivistische) Ansätze zurück, die Bereiche, wo sich besonders signifi kante Trans- schließlich in einen eigens formulierten integrati- formationsprozesse beobachten lassen. Trotz der ven Zugang zusammenfl ießen. Darauf aufbauend nicht zu unterschätzenden Risiken (z.B. verschärf- soll die Untersuchung dazu beitragen, ein besseres ter Wettbewerb, Flächennutzungskonfl ikte, Markt- Verständnis für die komplexen Zusammenhänge preisvolatilitäten) ist die Integration der Märkte zwischen globalen und regionalen Wirtschaftsdyna- mit neuen Möglichkeiten verbunden. Dazu zählen die miken zu entwickeln. Erschließung von Absatz- und Beschaffungspoten- zialen, Effi zienzsteigerungen und nicht zuletzt die Im Mittelpunkt der theoretischen Grundlegung zur ganzjährige Verfügbarkeit einer breiten Auswahl an multiskalaren Produktionsorganisation steht die Lebensmittelprodukten. Betrachtung unterschiedlicher Ansätze, Formen und Raummuster ökonomischer Netzwerke. Einen Trotz der zunehmenden globalen Vernetzung ist die besonderen Stellenwert nehmen diesbezüglich die Agrar- und Ernährungswirtschaft nach wie vor durch Global Production Networks (GPN) ein, welche so- regionale Konzentrationen einzelner Teilbranchen wohl für die theoretisch-konzeptionelle Integration gekennzeichnet. Die Schweinefl eischproduktion im als auch für die Konzipierung der empirischen Arbeit nordwestdeutschen Raum und dort speziell im Ol- wichtige Impulse liefern. Nach Zademach (2009) denburger Münsterland dient hierfür als besonderes lässt sich der GPN-Ansatz zunächst als eine weiter- Beispiel. Die Region fungiert zugleich als wichtiges entwickelte Heuristik zur Erfassung unternehme- Quellgebiet für die globale Versorgung mit Schwei- rischer Netzwerke sowie deren Konfi guration und nefl eisch und damit als Knotenpunkt für spezifi - Koordination verstehen (S. 80). Allerdings geht das sche multiskalare Vernetzungen im Agribusiness. Erkenntnisinteresse über die bloße Organisation Aufgrund der intensiv betriebenen Agrarwirtschaft transnationaler Wertschöpfungsprozesse hinaus, in steht das OM jedoch häufi ger im Blickpunkt öffent- dem ein besonderes Augenmerk auf die ungleichen licher Diskurse, in denen die Region u.a. als «Schwei- Raummuster von Produktion und Konsum sowie die ne-“ oder „Güllegürtel“ stigmatisiert wird. Auf diese Maßnahmen und Strategien von staatlichen Insti- Weise kommt es zur Produktion einer imaginativen tutionen und NGOs gelegt wird. Der GPN-Ansatz Geographie, die das OM in mehrfacher Hinsicht als eröffnet damit die Möglichkeit, der relationalen Problemraum darstellt. Der Status als Erfolgsmo- Topologie und Unordnung unternehmerischer Netz- dell einer prosperierenden ländlichen Region steht werke zu begegnen und sie konzeptionell in ihrer somit auf dem Prüfstand (vgl. Huter 2005, S. 70). Verbindung mit wirtschaftlichen, politischen und sozialen Entwicklungsprozessen auf unterschied- Diese vielschichtigen Entwicklungen geben Anlass lichen räumlichen Maßstabsebenen zu fassen (vgl. zur intensiven wissenschaftlichen Beschäftigung ebd., S. 80). Für die Zielerreichung der vorliegenden

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Arbeit liegt in dieser multidimensionalen und mul- tierung für die Öffentlichkeit, sondern legitimieren tiskalaren Betrachtungsweise ein entscheidender auch politisches Handeln und sind daher von hoher Vorteil gegenüber der Global Value Chains (GVC)- gesellschaftspolitischer Relevanz (vgl. Husseini de Konzeption, welche ebenfalls diskutiert wurde (vgl. Araújo 2011, S. 56). Insofern gelten imaginative Kap. 2.2.4). Geographien als machtvolle Konstrukte, die über den bloßen Prozess der Imagination hinausgehen Die Untersuchung der Produktionsnetzwerke er- und in Vorstellungen, Bildern, Assoziationen, aber folgt mit Hilfe eines Analyseschemas, welches die auch Vorurteilen und Stereotypen zum Ausdruck Kategorien Mehrwert (Value), Macht (Power) und kommen. Einbettung (Embeddedness) beinhaltet. Als Voraus- setzung für die Schaffung und Aneignung von Mehr- War die Analyse von imaginativen Geographien lan- werten sind die Machtverhältnisse innerhalb der ge Zeit auf (geo-)politische Zusammenhänge be- Netzwerke von besonderem Interesse. Hier wird zwi- schränkt, so fi nden sie mittlerweile Verwendung für schen korporativer, institutioneller und kollektiver die unterschiedlichsten Forschungsgegenstände Macht unterschieden. Das Zusammenspiel dieser und Fragestellungen (z.B. Film/Fernsehen, Gender, drei Formen von Macht ist im Produktionsnetzwerk Mythologie, Tourismus). Auch im Bereich der Agrar- Schweinefl eisch ein sehr bestimmender Faktor, auch und Ernährungswirtschaft liegen bereits Arbeiten weil politische und zivilgesellschaftliche Akteure ei- vor, die als Analyserahmen explizit auf imaginative nen nicht unerheblichen Einfl uss ausüben (vgl. Kap. Geographien zurückgreifen (vgl. Goodman/Du Puis 7.3.3). Jedoch können die genannten Vorzüge des 2002; Ilbery/Kneafsey 2000; Kneafsey/Ilbery GPN-Ansatzes nicht darüber hinwegtäuschen, dass 2001). Inhaltlich geht es darin zumeist um die Pro- er einen überaus hohen Komplexitätsgrad aufweist duktion und Vermarktung von regionalen Lebens- und daher zu Problemen in der empirischen Hand- mittelspezialitäten, die aufgrund ihrer besonderen habung führt. Ferner kritisieren Bathelt/Glückler „Geographie“ und damit verbundenen Bedeutungs- (2012), dass die GPN-Konzeption keine Typisierun- zuschreibungen eine symbolische Aufwertung er- gen und konkreten Modelle ableiten würde und zu- fahren. Sofern diese symbolische Komponente die dem der zugrunde gelegte Ansatz der Embedded- Produkte und deren Produktionszusammenhänge ness unklar sei (S. 310). Auf der anderen Seite muss überlagert oder gar Assoziationen fördert, die mit der Anspruch einer ganzheitlichen Betrachtung von der eigentlichen Produktion nichts zu tun haben, globalen Wertschöpfungsprozessen unter Einbezug muss Regionalität ebenso als soziales Konstrukt politischer und gesellschaftlicher Phänomene be- verstanden werden. Das Aufdecken der jeweiligen sonders gewürdigt werden. Konstruktionshintergründe ist ein zentrales Anlie- gen einschlägiger Untersuchungen. Der zweite theoretische Zugang dieser Arbeit hat seine Wurzeln in der politischen Geographie und Die theoretisch-konzeptionelle Integration der bei- basiert auf einem konstruktivistischen Raumver- den sehr unterschiedlichen Zugänge erfolgt über ständnis. Danach sind Räume nicht allein durch ihr das Analyseschema der Global Production Net- materielles, vermeintlich natürliches Wesen be- works mit den Kategorien Mehrwert, Macht und deutsam, sondern vor allem aufgrund ihrer narrati- Einbettung. So wird argumentiert, dass imaginative ven, imaginativen Zuschreibungen. Die geographi- Geographien potenziell dazu beitragen, den Wert sche Wirklichkeit ist somit als konstruierte Realität bestimmter (Lebensmittel-)Produkte zu verändern. zu verstehen, „die durch sprachliche Fixierungen, Insbesondere bei regionaltypischen Produkten mit Grenzziehungen und Mechanismen des Ein- und hohem Bekanntheitsgrad, wie z.B. dem Schwarz- Ausschließens diskursiv entsteht“ (Bollhöfer wälder Schinken, führt die Angabe der Herkunft zu 2007, S. 56). Diese als imaginative Geographien be- einer deutlichen Wertsteigerung. Zudem verfügen zeichneten Konstruktionen liefern nicht nur Orien- imaginative Geographien über nicht unerhebliche

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Machtpotenziale, da sie als Deutungs- und Erklä- Akteure, die in der Produktion und Vermarktung von rungsrahmen sozialer Wirklichkeiten fungieren, da- Schweinefl eisch tätig sind bzw. als außenstehende durch Orientierung für die Öffentlichkeit liefern und Experten über umfangreiche Branchenkenntnis ver- sogar politisches Handeln legitimieren (vgl. Hus- fügen. In methodischer Hinsicht kommen leitfaden- seini de Araújo 2011, S. 28). Gleichzeitig werden gestützte Experteninterviews zum Einsatz, so dass bestimmte Akteure zum Handeln gezwungen, sofern tiefe Einblicke in die Erfahrungshintergründe der sie einem diskursiv (z.B. über Medien) erzeugten Befragten erlangt und subjektive Deutungsmuster Druck ausgesetzt sind. Dadurch kommt es zu einer wie auch Problemzusammenhänge sehr gut erfasst Veränderung der Machtkonstellationen innerhalb werden. der Produktionsnetzwerke, die in der Fleischwirt- schaft häufi g zu Lasten der Nutztierhalter geht, Die Ergebnisse zeigen zunächst, dass die Produkti- wenn Diskurse um „Massentierhaltung“ oder „Ag- onsnetzwerke im Schweinefl eischbereich auf Ver- rarfabriken“ dominant werden. Darüber hinaus weist fl echtungsmuster basieren, die einerseits sehr stark das Konzept der Embeddedness deutliche Bezüge regional verankert sind, aber andererseits – und dies zu imaginativen Geographien auf. So ist die Ein- in zunehmendem Ausmaß – deutlich globale Bezüge bettung unternehmerischer Akteure in ein gemein- aufweisen. Die Entwicklungsdynamiken und Wech- sames sozio-kulturelles Umfeld häufi g mit einem selwirkungen auf den unterschiedlichen Maßstab- hohen Maß an regionaler Identifi kation verbunden. sebenen führen zu einem komplexen Bild, welches In diesem Sinne fördert die Zugehörigkeit zu einer permanenten Veränderungen unterliegt. Zählten erfolgreichen Wirtschaftsregion die Herausbildung gestern noch die einheimischen Metzger und Su- und Festigung von immateriellen, vertrauensbasier- permärkte zu den wichtigsten Kunden hiesiger ten Beziehungen mit Geschäftspartnern vor Ort. Schlachtunternehmen, so geht das Fleisch heute Die Stärkung der eigenen Region – und die daraus bereits über den europäischen Binnenmarkt hinaus resultierende, teils unbewusste Produktion einer bis nach Ostasien, während morgen vielleicht so- imaginativen Geographie (z.B. „Silicon Valley“ des gar afrikanische und südamerikanische Länder als Agribusiness) – gehört daher zum Verantwortungs- Hauptabnehmer in Frage kommen. Auch die Macht- kanon zahlreicher Unternehmen (nicht nur aus dem verhältnisse und Akteurskonstellationen befi nden Oldenburger Münsterland). sich in einem stetigen Prozess des Wandels, im Zuge dessen institutionelle und zivilgesellschaftliche Or- Die Entwicklung des integrativen Zugangs folgt der ganisationen an Bedeutung gewinnen. mehrfach formulierten Proklamation einer neuen Wirtschaftsgeographie, die sich durch eine stärkere Auf der regionalen Ebene, die im Kern das Oldenbur- Berücksichtigung kultureller Ansätze und Einfl uss- ger Münsterland, aber auch die übrigen Landkreise faktoren auszeichnet (vgl. Amin/Thrift 2000, 2003; in den Veredelungsregionen Weser-Ems und West- Barnes 2005, 2006; Berndt/Glückler 2006). falen-Lippe umfasst, haben sich speziell im vorgela- Diese Argumentation bestimmt die Konzipierung gerten Bereich der Produktionsnetzwerke intensive der empirischen Untersuchung, wonach die Funk- und über Jahre gewachsene Beziehungen heraus- tionsweise von imaginativen Geographien in multi- kristallisiert. Diese Beziehungen konzentrieren sich skalaren Produktionsnetzwerken am Beispiel des vornehmlich auf die Stufen der Ferkelerzeugung, Oldenburger Münsterlandes beleuchtet wird. Als Schweinemast, Viehvermarktung und Fleischgewin- Referenzregion für leistungsstarke Produktions- nung. Aufgrund der starken regionalen Konzentrati- systeme in der Tierveredelung und Paradebeispiel on bietet der nordwestdeutsche Raum eine Vielzahl eines agrarischen Intensivgebietes wirft die Region an Interaktionspartnern und Geschäftsoptionen. interessante Fragestellungen auf, die sich mit Hilfe Nichts desto trotz ist das Wettbewerbsumfeld der angeführten Theoriezugänge bearbeiten lassen. durch einen ausgesprochen harten Konkurrenz- Die Untersuchung erfolgt unter Einbezug zahlreicher kampf geprägt, der aber wiederum Investitionen

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und Innovationen fördert und damit letztendlich Netzwerkbeziehungen sind hier mehr oder weniger zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit beiträgt. stark ausdifferenziert und erstrecken sich über Ein weiteres Merkmal der Vernetzungen liegt in der das gesamte Bundesgebiet, auch weil z.B. die gro- sozialen Nähe zwischen den Geschäftspartnern, auf ßen Schlachtunternehmen in der Regel mit allen deren Grundlage sich gemeinsame Werte, Normen Top-Unternehmen des LEH zusammenarbeiten. In und Verhaltensmuster etabliert haben. Damit sind diesem Kontext ist die Frage der Machtverteilung günstige Voraussetzungen für vertikale wie auch von entscheidender Bedeutung für die Netzwerkge- horizontale Kooperationen gegeben, die allerdings staltung. Demnach scheint der LEH einen besonders noch nicht sehr stark genutzt werden. Dennoch gibt starken Einfl uss auf die Unternehmen der vorgela- es Beispiele für kooperative Zusammenschlüsse, gerten Stufen auszuüben und die Netzwerke nach wie sie insbesondere vier genossenschaftlich orga- eigenen Zielsetzungen zu steuern. Aber auch poli- nisierte Viehvermarktungsunternehmen eingegan- tische Entscheidungsträger und gesellschaftliche gen sind. Dahinter steht das gemeinsame Ziel, die Akteure verfügen über umfangreiche Ressourcen, Machtasymmetrie gegenüber den nachgelagerten um Einfl uss auf die gesamten Wertschöpfungspro- Schlachtunternehmen durch Angebotsbündelung zu zesse zu nehmen. Die empirischen Ergebnisse ma- reduzieren. Vertrauen und gegenseitige Wertschät- chen deutlich, dass korporative, institutionelle und zung kennzeichnen die Kooperationsbeziehungen, kollektive Macht, wie sie im GPN-Zugang erörtert so dass ein reibungsloser Ablauf im Tagesgeschäft werden, eng miteinander verwoben sind und auf un- gewährleistet wird. terschiedlichen räumlichen Ebenen wirken. Daher besteht eine große Herausforderungen darin, die Auch auf der bundesdeutschen Ebene sind einige Interessen der Privatwirtschaft mit politischen und markante Entwicklungen in der Schweinefl eisch- gesellschaftlichen Ansprüchen an die Fleischpro- branche festzustellen, die sich in besonderem Maße duktion in Einklang zu bringen. Abbildung 28 dient auf die Netzwerkbeziehungen im Oldenburger als zusammenfassende Übersicht der Akteure und Münsterland auswirken. Dies betrifft z.B. die in- Machtstrukturen in der Schweinefl eischbranche. nerdeutschen Ferkelströme, die infolge des Struk- turwandels in der Sauenhaltung durch räumliche Als vielleicht wichtigste Entwicklung im Schwei- Schwerpunktverlagerungen gekennzeichnet sind. nefl eischbereich gilt die stetig voranschreitende So wurde das Ferkeldefi zit in den nordwestdeut- Internationalisierung, die vor allem in den hohen schen Veredelungsregionen bis vor wenigen Jahren Exportquoten der Schlachtunternehmen zum Aus- noch zu einem großen Teil mit Zukäufen aus Bayern druck kommt. Das Oldenburger Münsterland ist und Baden-Württemberg ausgeglichen (neben Fer- besonders stark in die entsprechenden Internati- kelimporten aus Dänemark und den Niederlanden). onalisierungsprozesse eingebunden, was nicht nur Heute sind es vor allem ostdeutsche Ferkelerzeu- den länderübergreifenden Absatz von End- und ger, die aufgrund ihrer Größenvorteile die steigen- Zwischenprodukten betrifft, sondern auch die „Roh- den Anforderungen der Schweinemäster besser stoffzufuhr“ auf Basis von Ferkelzukäufen aus Dä- bedienen können. Die kleineren Erzeugerstrukturen nemark und den Niederlanden. Dadurch bietet sich in Süddeutschland haben zur Folge, dass die ver- den Mästern die Möglichkeit, größere Ferkelpartien markteten Ferkel häufi g aus einer Vielzahl von Her- aus einzelnen Betrieben zu beziehen und gleichzei- kunftsbetrieben mit unbekanntem Hygienestatus tig vom recht niedrigen Preisniveau aufgrund der und uneinheitlicher Genetik stammen, so dass die enormen Ferkelüberschüsse in den beiden Ländern großen Mastbetriebe ihre Einkaufsbeziehungen zu zu profi tieren. Vor diesem Hintergrund schätzt Gunsten ostdeutscher Lieferanten neu organisieren. Greshake (2011), dass 50 % aller im OM gehan- Ein sehr viel diffuseres Bild ergibt sich bei Betrach- delten Ferkel aus Dänemark und den Niederlanden tung der Distributions- und Vermarktungskanäle stammen (S. 22). von der Schlachtung bis zum Endverbrauch. Die

149 Schlussbetrachtung

Abb. 28: Akteure und Machtstrukturen im Produktionsnetzwerk Schweinefl eisch

Quelle: Eigene Darstellung (in Zusammenarbeit mit C. Krieger)

Im Hinblick auf den Schweinefl eischexport ist davon Europas statt, wobei Italien, Polen, die Niederlande auszugehen, dass die Drittlandmärkte (außerhalb und Großbritannien zu den wichtigsten Abnehmer- der EU) weiterhin an Bedeutung gewinnen, insbe- ländern der niedersächsischen Fleischproduzenten sondere weil sich dort Artikel vermarkten lassen, zählen. Bei den Drittlandmärkten dominieren China/ die im europäischen Markt keine Abnehmer fi nden Hongkong, Russland und Südkorea. Allerdings ist (z.B. Pfoten, Schnauzen, Ohren, Schwänze). Hinzu der russische Markt aufgrund einer politisch moti- kommen Sättigungstendenzen in zahlreichen EU- vierten Importsperre für gekühltes Schweinefl eisch Ländern, in denen die Nachfrage nach Schweine- aus deutschen Betrieben derzeit sehr problema- fl eisch seit einiger Zeit rückläufi g ist (u.a. auch in tisch und mit hohen Unsicherheiten behaftet. Dafür Deutschland). Nichts desto trotz fi ndet gegenwär- rücken andere Staaten mit Importbedarf in den Vor- tig noch der größte Teil des Außenhandels innerhalb dergrund, wie z.B. Südafrika oder die Philippinen.

150 Schlussbetrachtung

Die Strategien der Marktbearbeitung variieren sehr Japan), die explizit nach deutscher Herkunft fragen stark zwischen den einzelnen Märkten und hängen und die zugeschriebenen Eigenschaften besonders in besonderem Maße von den fi nanziellen und per- zu schätzen wissen. Für deutsche Kunden scheint sonellen Ressourcen der exportierenden Unterneh- dies nicht im gleichen Ausmaß der Fall zu sein, was men ab. Eine wichtige Rolle spielen diesbezüglich damit zusammenhängen könnte, dass die hierzulan- Vertriebsbüros, die in den wichtigsten Exportlän- de sehr intensiv geführten Debatten um Tierhal- dern installiert werden und eine intensive Markt- tungsformen, Produktionsweisen und Umweltaus- bearbeitung in unmittelbarer Nähe zu den Kunden wirkungen ein generell eher negatives Image für ermöglichen. Daneben arbeiten die Exportunter- Fleischprodukte zeichnen. nehmen häufi g mit Agenten oder Vermittlern zu- sammen, die zwar über gute Kontakte zu möglichen Die regionale Herkunft aus dem Oldenburger Müns- Abnehmern verfügen, dafür aber meist hohe Pro- terland führt dagegen zu einem deutlich ambivalen- visionen kassieren. Für bestimmte Märkte ist der teren Bild. Unter Berücksichtigung von Eigen- und Zugriff auf Agentennetzwerke jedoch nahezu un- Fremdperspektive weichen die Assoziationen und verzichtbar. Darüber hinaus spielt die Exportorga- Bedeutungszuschreibungen der jeweiligen Akteure nisation „German Meat“ eine wichtige Rolle für die recht stark voneinander ab, so dass sich hier sehr Erschließung neuer Märkte. Bis die entsprechenden unterschiedliche imaginative Geographien identi- Marktzugänge bestätigt sind, vergeht in der Regel fi zieren lassen. Das Selbstbild der Region gestal- sehr viel Zeit, da bürokratische Hürden (z.B. auf tet sich sehr positiv und ist von der dynamischen veterinärdienstlicher Ebene) oder langwierige po- Wirtschaftsentwicklung, der innovativen Agrarin- litische Verhandlungen entgegenstehen. Die Kern- dustrie, der tugendhaften Mentalität und der idyl- bedeutung des Exportgeschäftes bleibt dennoch lischen Wohnatmosphäre geprägt. Die besondere unbestritten. Regionalhistorie ist den meisten Akteuren sehr gut bekannt und prägt deren Selbstbewusstsein als Der Vermarktungserfolg von Schweinefl eisch hängt Wegbereiter eines prosperierenden ländlichen Rau- offenbar in zunehmendem Maße mit der Frage der mes, der seinen Erfolg zu einem großen Teil der Ag- Herkunft zusammen, wie gegenwärtige Diskurse rar- und Ernährungswirtschaft und damit auch der insbesondere zum Thema Regionalität suggerieren. Schweinefl eischproduktion zu verdanken hat. Nicht Dahinter steht der Gedanke, dass die Inszenierung wegdiskutieren lässt sich allerdings die Nährstoff- der Herkunftsregion bestimmte emotionale Ver- problematik, also der sachgemäße Umgang mit tie- knüpfungen hervorruft, die schließlich als Grundla- rischen Reststoffen, die angesichts der extremen ge für die Konstruktion imaginativer Geographien Nutztierdichte in hohem Maße anfallen. Diese bis- fungieren. Infolgedessen entstehen selektive, teil- lang ungelöste Frage wird als imageschädigend für weise verzerrende Bilder bzw. Repräsentationssys- das OM empfunden, so dass sich derzeit ein (selbst) teme, die zu einer Qualität des gehandelten Produk- kritisches Bewusstsein für die öffentliche Stigmati- tes werden. Herkunft und Regionalität sind demnach sierung als „Güllegürtel“ zu entwickeln scheint. symbolisierte Bedeutungen, die in der Regel einen Zusatznutzen darstellen (vgl. Ermann 2005, S. 77). Aus der Fremdperspektive wird die Entwicklung der Region hingegen deutlich problematischer gesehen. Das Herausstellen der deutschen Herkunft von Hier hat sich eine imaginative Geographie konstitu- Schweinefl eisch kann für bestimmte Märkte einen iert, deren zentrales Element die Nährstoff-Frage in solchen Zusatznutzen darstellen, zumal die entspre- Zusammenhang mit Geruchsemissionen, Trinkwas- chenden Bedeutungszuschreibungen fast durchweg serverunreinigungen und möglichen Gesundheits- positiv sind (z.B. Qualität, Sicherheit, Effi zienz). Die risiken darstellt. Ein ebenso negatives Licht auf empirischen Ergebnisse zeigen, dass es gerade in- die Region wirft der so genannte „Ferkel-Skandal“, ternationale Abnehmer sind (z.B. China, Südkorea, den einige Interviewpartner mit dem Oldenburger

151 Schlussbetrachtung

Münsterland in Verbindung bringen, da einer der in bestimmten Exportmärkten eröffnet eine solche involvierten Betriebe in der Region liegt. Aufgrund Strategie gute Wertschöpfungsmöglichkeiten. Aus der Aktualität und Medienwirksamkeit hat dieses diesem Grund ist die Organisation „German Meat“ Thema eine besondere Brisanz erlangt. Darüber hin- im Zuge ihrer Auslandsaktivitäten darum bemüht, aus prägen auch der hohe Maisanteil und die daraus die deutsche Herkunft von Fleischprodukten beson- resultierenden Flächenkonkurrenzen das regionale ders in Szene zu setzen. Image. Auf der anderen Seite werden die Leistungs- fähigkeit der Agrarinfrastruktur, die Investitions- Des Weiteren fügt sich eine Vielzahl von Schlacht- bereitschaft und die Strebsamkeit innerhalb der und Verarbeitungsunternehmen dem gegenwärti- Region besonders gewürdigt. Der selbst erarbei- gen „Hype“ um Regionalität, z.B. durch demonstrati- tete Wohlstand sei in Form einer ansprechenden ves Herausstellen der räumlichen und sozialen Nähe ländlichen Baukultur mit gepfl egten Grundstücken zu den Lieferanten. Das Verständnis von Regionali- und Fachwerkhäusern sehr gut sichtbar. Insgesamt tät variiert dabei zwischen den einzelnen Akteuren weisen die aus der Fremdperspektive konstruierten zum Teil erheblich. Einigkeit scheint jedoch darin zu imaginativen Geographien einen geringeren Grad an bestehen, dass eine strikte räumliche Abgrenzung Differenzierung auf und gründen teilweise auf ein- wenig Sinn ergeben würde, da Regionalität vielmehr fachen Klischees zum OM, welche u.a. durch Medien- unter Vertrauens- und Transparenzaspekten aufzu- berichte verfestigt werden. fassen sei. Im Zeitalter der Globalisierung bewerten einige Experten sogar die nationale Ebene als „regi- Interessant ist die Frage, was Herkunft und Regio- onal“, womit sehr viel Spielraum für entsprechende nalität in globalen Produktionsnetzwerken konkret Selbst-Inszenierungen bleibt. Besonderes Vermark- bedeuten und wie sich daraus konstituierende ima- tungspotenzial für Regionalität und daraus resul- ginative Geographien auf die räumliche Organisa- tierende Raumbilder wird vor allem süddeutschen tion dieser Netzwerke auswirken. Die empirischen Fleischprodukten zugeschrieben, die aus deutlich Ergebnisse zeigen diesbezüglich, dass Fragen der kleineren Produktionsstrukturen hervorgehen. Da- Produktherkunft zwar Veränderungen in der Pro- gegen kann das Oldenburger Münsterland mit der- duktionsorganisation hervorrufen, diese jedoch artigen Strategien vermutlich kaum „einen Blumen- weniger mit dem strategischen Einsatz imaginati- topf gewinnen“ (vgl. Kap. 9.1). ver Geographien zusammenhängen. Die Vorstellung einer transparenten Produktionskette mit gesicher- Unter Berücksichtigung der Überlegungen zur the- ten Herkunftsnachweisen muss demnach vielmehr oretisch-konzeptionellen Integration hat die empi- als Resultat einer Vertrauensdebatte aufgefasst rische Analyse des Fallbeispiels gezeigt, dass die werden. GPN-Kategorien Mehrwert, Macht und Einbettung nur teilweise geeignet sind, um die Funktions- Dennoch sind bemerkenswerte Konsequenzen fest- weise imaginativer Geographien in multiskalaren zustellen, die sich beispielsweise in der gezielten Produktionsnetzwerken zu erklären. Symbolische Vermarktung von Schweinefl eischprodukten aus Wertsteigerungen, die mit der Produktherkunft rein deutscher Herkunft niederschlagen. Die ent- zusammenhängen, lassen sich in einer Region, die sprechenden Produktionslinien („5xD“) sehen vor, im öffentlichen Diskurs als „Schweine“- oder „Gül- dass die Schweine bereits in Deutschland geboren legürtel“ verschrien ist, kaum realisieren. Auch das sind, so dass die vielfach importierten Ferkel aus inhärente Machtpotenzial von imaginativen Geo- Dänemark oder den Niederlanden keine Berück- graphien als Deutungs- und Erklärungsrahmen so- sichtigung fi nden. Die Zielsetzung besteht darin, zialer Wirklichkeiten greift in diesem Fall nur be- ein streng kontrolliertes Wertschöpfungsnetz zu dingt. Zwar stehen jene Akteure des Agribusiness, etablieren, welches nach deutschen Standards pro- die mit den besagten imageprägenden Problemen duzierte Qualitätserzeugnisse hervorbringt. Gerade in Verbindung stehen, durchaus im Fokus öffentli-

152 Schlussbetrachtung

cher Diskurse. Für den wirtschaftlichen Erfolg las- zusammen, in welchem Ausmaß die Internationali- sen sich aber bislang keine Nachteile festmachen, sierung weiter voranschreitet. So deuten die empi- weil die Verbraucher offenbar keine Verbindung rischen Ergebnisse darauf hin, dass sich der Export zwischen den Produkten und der Region Oldenbur- von Schweinefl eisch zum wichtigsten Standbein für ger Münsterland herstellen. Selbst wenn dem so die Schlachtunternehmen in Deutschland und hier wäre, hätte dies wohl kaum negative Auswirkungen, insbesondere auch im Oldenburger Münsterland da eine Debatte nach dem Motto „kein Schweine- entwickelt. Selbst wenn ein Großteil der Exporte fl eisch aus Südoldenburg, weil es da stinkt“ bislang derzeit noch in die EU geht, so ist nicht von der Hand nicht bekannt ist. Einen wesentlich stärkeren Er- zu weisen, dass die meisten EU-Märkte mit Blick auf klärungsgehalt für die Netzwerkorganisation unter den Schweinefl eischverbrauch gesättigt sind und dem Einfl uss imaginativer Geographien bietet das daher nur noch geringe Wachstumspotenziale auf- Embeddedness-Konzept. Die enge Vernetzung zwi- weisen. Besondere Marktchancen bieten sich vor schen den größtenteils mittelständisch geprägten allem in Märkten, deren Schweinefl eischproduktion Unternehmen gilt dem OM als wichtiges Merkmal aufgrund verschiedener Umstände unter Druck ge- mit positiver Außenwirkung. Die Unternehmen sind raten ist und die somit in besonderem Maße auf Im- daher bestrebt, regionale Geschäftsbeziehungen zu porte angewiesen sind. Dazu zählen vor allem Polen, forcieren, um die „regionalwirtschaftliche Erfolgs- Großbritannien, Schweden und Griechenland. Zwar story“ fortzuschreiben und als Bestandteil eines stellen diese Märkte völlig unterschiedliche Anfor- innovativen, gut vernetzten „Agrifood-Clusters“ derungen an die Produzenten, die jedoch gerade in wahrgenommen zu werden. Großbritannien und Schweden gute Wertschöpfun- gen erzielen können, sofern die hohen Ansprüche 10.2 Prognosen und Handlungsempfehlungen u.a. im Tierwohl-Bereich erfüllt werden.

In der Zusammenfassung der Ergebnisse ist noch Eine ungleich größere Dynamik ist hingegen in den einmal deutlich geworden, welche vielfältigen Ver- Drittlandmärkten zu beobachten, die sich auf einen änderungen die Produktion und Vermarktung von weiter steigenden Bedarf an Schweinefl eischpro- Schweinefl eisch im Lauf der Zeit geprägt haben. dukten einstellen müssen. Da die eigenen Produk- Die unterschiedlichen Wirkungsgefüge auf globaler tionsleistungen in den meisten Drittländern auf wie auch regionaler Ebene sowie durch Machtasym- einem verhältnismäßig niedrigen Niveau verblei- metrien geprägte Akteurskonstellationen lassen ben, ist der Import die einzige Möglichkeit, um die erheblichen Spielraum für Prognosen hinsichtlich wachsende Nachfrage bedienen zu können. Auch der zukünftigen Netzwerkkonfi guration. Es stellt die Schlachtunternehmen aus dem Oldenburger sich u.a. die Frage, inwieweit der sektorale Struk- Münsterland sind mit Blick auf die Marktbearbei- turwandel weiter voranschreitet, wie sich die Zu- tung sehr gut aufgestellt und werden ihren Fo- sammenarbeit zwischen den Akteuren gestaltet und kus weiterhin besonders in Richtung Asien legen. welche Märkte an Dynamik zulegen, während andere Neben den größten Abnehmern China/Hongkong stagnieren. Auch sollen Prognosen über den zukünf- und Südkorea dürften auch Märkte interessant tigen Stellenwert der Produktherkunft und daraus werden, die derzeit noch ein relativ niedriges Han- resultierender Raumbilder für den Produktions- und delsvolumen aufweisen. Dazu zählen insbesondere Vermarktungsprozess abgeleitet werden. Darüber Japan, die Philippinen, Malaysia und möglicherweise hinaus erfolgt die Formulierung von praktischen auch Vietnam. Die entsprechenden Marktzugänge Handlungsempfehlungen, welche den Abschluss sind teilweise bereits vorhanden oder werden der- dieser Forschungsarbeit bilden. zeit verhandelt. Auch außerasiatische Märkte, wie z.B. Südafrika oder Australien, stoßen auf zuneh- Ein zentraler Faktor für die zukünftige Ausrichtung mendes Interesse und sollten dazu beitragen, dass der Schweinefl eischbranche hängt mit der Frage sich die vom OM ausgehenden Produktionsnetzwer-

153 Schlussbetrachtung

ke im Schweinefl eischbereich weiter ausdifferen- tern in die Ferkelerzeugung herauskristallisiert. So zieren. haben einige Mäster aus dem OM erklärt, gemein- sam mit anderen Primärerzeugern in Sauenanlagen Die Erschließung von alternativen Märkten ist investiert zu haben, um somit ihre eigenen Ferkel zu auch deshalb wichtig, da einige etablierte Drittlän- mästen. Diese Entwicklung wird teilweise jedoch mit der, wie z.B. Russland oder Weißrussland, derzeit Skepsis betrachtet: mit höchsten Unsicherheiten behaftet sind. Die im Jahr 2013 verhängte Exportsperre für Russ- „Fragen Sie mal, wie viele von den Mästern das noch land ist ein schwerer Schlag, der sich in Form von machen, die sich da zusammengeschlossen und sei- Preisverwerfungen auf den gesamten deutschen nerzeit eine Sauenanlage gekauft haben? (…). Die Schweinefl eischmarkt negativ auswirkt. Laut sta- Mäster konnten es nicht oder waren nicht in der tistischem Bundesamt ist der deutsche Export Lage, mit einem entsprechend langen Atem da dran nach Russland im ersten Quartal 2014 um 75 % zu gehen“ (Interview VV 7). im Vergleich zum Vorjahreszeitraum eingebrochen. Eine Prognose über den weiteren Verlauf ist nur Die beschriebene Kooperation von Schweinemäs- schwer möglich, auch weil der aktuelle Konfl ikt mit tern mit dem Ziel, eigene Sauenanlagen zu betrei- der Ukraine und die möglichen ökonomischen Kon- ben, steht exemplarisch für eine in der gesamten sequenzen die Situation nicht einfacher machen. Schweinefl eischbranche zu beobachtende Tendenz Trotz der hohen Volatilitäten werden die Drittland- in Richtung horizontaler Zusammenarbeit, die in märkte aufgrund ihres Absatzpotenzials u.a. für diesem Fall mit einer Rückwärtsintegration verbun- Nebenprodukte weiterhin unverzichtbar bleiben. den ist. So geht der Strukturwandel innerhalb der Branche nicht zuletzt mit einer Vielzahl an Übernah- Neben der Internationalisierung im Absatz von men und Fusionen auf sämtlichen Wertschöpfungs- Schweinefl eisch steht auch die länderübergreifen- stufen einher. Exemplarisch sei an dieser Stelle zu- de Organisation der Ferkelversorgung zur Diskus- dem auf die formal unterlegte Kooperation von vier sion. Schätzungen gehen davon aus, dass rund die Vermarktungsunternehmen aus dem Weser-Ems- Hälfte aller im Raum Cloppenburg und Vechta ge- Raum hingewiesen, die in der Zusammenarbeit eine mästeten Schweine ursprünglich aus den Niederlan- Möglichkeit sehen, die Machtasymmetrie gegen- den oder Dänemark stammt (vgl. Greshake 2011, über der Schlachtstufe zu verringern (vgl. Kap. S. 22). Aufgrund der Tatsache, dass zahlreiche Sau- 7.2.2). Die folgende Aussage eines Interviewpart- enhalter in Deutschland nicht auf Gruppenhaltung ners bietet gute Anhaltspunkte für Prognosen in umgestellt haben und aus der Produktion ausge- Bezug auf horizontale wie auch vertikale Integrati- stiegen sind, bleibt nach Expertenmeinung weiter- onspotenziale. hin ein hoher Bedarf an Ferkelimporten bestehen, der sich möglicherweise sogar noch verstärken wird. „Horizontale Integrationsprozesse, sprich Fusio- Die Ferkelimporte aus Dänemark stagnieren derzeit nen, werden die Zukunft bestimmen, schon allein (allerdings auf sehr hohem Niveau), was u.a. auch aus Kosteneffi zienzgründen. Und das sehen wir im damit zusammenhängt, dass sich die dänischen Fer- Grunde genommen in der Landwirtschaft, im Vieh- kelexporteure zunehmend nach Polen und Tschechi- handel, im Transport, im Logistikbereich und auch im en orientieren. Dennoch ist davon auszugehen, dass Bereich der Schlachtung. Da sind wir in Deutschland die Niederlande und Dänemark genauso wie die ost- zwar schon relativ weit, aber sicherlich längst noch deutschen Bundesländer ihren Status als wichtigste nicht am Ende, weil auch hier die mittelständischen Ferkelbezugsregionen für den nordwestdeutschen Unternehmen immer stärker unter Druck geraten. Raum auf lange Sicht behalten werden. Abzuwarten Und zum vertikalen Prozess: die Rückintegration bleibt in diesem Zusammenhang, inwieweit sich ein zwischen Schlachtstufe und landwirtschaftlicher Trend zur Rückwärtsintegration von Schweinemäs- Stufe ist meiner Ansicht nach in Deutschland eher

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ausgereizt. Auch die ‚nach vorne‘-Integration ist Erfolgsbilanz entsprechender Strategien. ein Konstrukt aus einer Zeit, wo einfach die Struk- turschwäche der Landwirtschaft eine andere war. „Diese regionalen Markenfl eischprogramme sind ja Inzwischen ist die Landwirtschaft über die Viehhan- mehr oder weniger alle gescheitert. Den Verbrau- delsunternehmen in der Lage, durchaus schlagkräf- cher hat es nicht interessiert“ (Interview VV 2). tige Partien zur Verfügung zu stellen. Ich sehe da nicht den Drang einer starken Reintegration, aber Es wird vermutlich weiterhin der Fall sein, dass eine extrem hohe Abhängigkeit einzelner Lieferan- Regionalität im Schweinefl eischbereich nur dort ten von Unternehmen“ (Interview SZV 6). erfolgreich vermarktet werden kann, wo bereits eine lange Tradition für solche Produkte besteht. Es wird deutlich, dass verstärkte Integrationspro- Das Oldenburger Münsterland kommt dafür nicht esse eher innerhalb einer Stufe als zwischen ver- in Frage, auch weil es in der Öffentlichkeit zu häu- schiedenen Stufen zu erwarten sind. Die Frage, ob fi g mit negativen Attributen und Assoziationen in sich Kooperationen auf der vertikalen Schiene inten- Verbindung gebracht wird. Selbst die positive Eigen- sivieren, hängt auch damit zusammen, wie sich Ange- wahrnehmung der Region dürfte daran nichts ändern, bot und Nachfrage bei bestimmten Programmen ent- zumal die Konstruktion von „problematischen“ ima- wickeln. Diese Programme können z.B. Tierschutz- ginativen Geographien auch in der Außenperspekti- aufl agen beinhalten oder auf bestimmte Produkther- ve überwiegt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass künfte bzw. Formen von Regionalität ausgerichtet in Zukunft grundsätzliche Vermarktungsschwierig- sein. keiten für Schweinefl eischprodukte aus dem OM auftreten werden. Der größte Teil der Verbraucher „Ein großer Anhänger der Integration bin ich nach hat nach Expertenmeinung keinerlei Präferen- wie vor. Aber wenn wir einen Markt haben, der nicht zen für bestimmte Herkunftsregionen, die auf den groß durch Programme differenziert ist, sehe ich die Verpackungen zumeist auch nicht zu erkennen sind. Perspektiven im Augenblick vertikal noch begrenzt. Hier ist vieles davon abhängig, welche Maßstäbe Sollten von den Kunden wirklich ganz bestimmte An- im Bereich Herkunftstransparenz zukünftig forderungsprofi le verlangt werden, also bestimmte gesetzt werden und inwieweit das Verbraucher- Tierschutzaufl agen, bestimmte Herkünfte, dann Verbraucherverhalten einer diesbezüglichen Sen- wird das zunehmen. Im Augenblick gibt es Trends, sibilisierung unterliegt. Den empirischen Analysen die dahin zeigen, aber in der Breite nicht umgesetzt zufolge ist hier in naher Zukunft nicht mit großen sind“ (Interview SZV 7). Sprüngen zu rechnen.

Der Hinweis auf die fehlende Umsetzung in der Hinzu kommt, dass innerhalb der Branche ein sehr Breite ist ein Indiz dafür, dass solche Programme uneinheitliches Verständnis in Bezug auf Regio- eher einen Nischenmarkt bedienen, der mittel- bis nalität vorliegt. Nicht wenige Vertreter setzen die langfristig nur begrenzte Potenziale bietet. Aller- regionale mit der nationalen Ebene gleich, um der dings unterscheiden sich die Expertenmeinungen zunehmenden Marktintegration vor allem in Europa in diesem Punkt recht deutlich, so dass Prognosen zu entsprechen. Die Auffassung einzelner Schlacht- speziell zur künftigen Bedeutung von Produkt- unternehmer, wonach Schweinefl eischlieferungen herkunft und Regionalität sehr schwierig sind. in den EU-Raum de facto nicht mehr als Exportge- Während besonders die LEH-Vertreter einen großen schäfte betrachtet werden, fügt sich in dieses Re- Nachfragetrend erkennen, infolgedessen regiona- gionalitätsverständnis ein. Eine solche Perspektive le Produkte zu einem unverzichtbaren Bestandteil hat den (zweifelhaften) Vorteil, dass größere Hand- in der Sortimentsgestaltung werden (vgl. Inter- lungsspielräume für die Umsetzung von Regionali- views LH/GV 1, LH/GV 3), gehen andere Experten tätsstrategien entstehen. Nichts desto trotz bleibt auf Distanz und verweisen auf die überschaubare die Frage, ob auf diese Weise den Ansprüchen der

155 Schlussbetrachtung

Verbraucher angemessen Rechnung getragen wird. Machtasymmetrien zwischen „grüner“ und „roter“ Das unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten häufi g Seite könnten beispielsweise durch verstärkte Zu- formulierte Ziel, die Transportwege möglichst kurz sammenarbeit innerhalb der Viehvermarktungsstu- zu halten, erfordert eine deutlich kleinräumigere fe reduziert werden. Es ist hierbei nicht unbedingt Auffassung von Regionalität. erforderlich, formale Kooperationen auf vertrag- licher Basis einzugehen, was vereinzelt bereits ge- „Die Vermarktung nimmt auch schon Strukturen schieht (vgl. Kap. 7.2.2). Schon die Intensivierung an, die weite Wege machen; also praktisch von hier der Verständigung unter Nutzung informeller Kanä- (Oldenburger Münsterland) bis nach Nordrhein- le kann sich als gewinnbringend erweisen, wie die Er- Westfalen. (Die Schweine) werden dort geschlach- fahrungen sowohl privater als auch genossenschaft- tet, werden dort auch zerlegt und verarbeitet. Das licher Viehvermarkter zeigen (vgl. Interviews VV 4, könnte einfacher sein: hier in der Region erzeugt, VV 5). Unabdingbar sind eine gewisse soziale Nähe hier in der Region verarbeitet und auch vermarktet“ und eine gesunde Vertrauensbasis zwischen den (Interview PE 5). Entscheidungsträgern, die im Wettbewerb letzt- endlich miteinander konkurrieren. Die spezifi schen Vor diesem Hintergrund ist zu empfehlen, dass die Verhältnisse im Oldenburger Münsterland sprechen in der Produktion und Vermarktung von Schweine- allerdings dafür, dass die Voraussetzungen für ziel- fl eisch beteiligten Akteure zumindest rahmenset- führende Kommunikationsprozesse unter den Ak- zende Kriterien festlegen, die den Regionalitätsbe- teuren trotz aller Konkurrenz gegeben sind. Es wäre griff inhaltlich ausfüllen. Dieser Begriff erscheint darüber hinaus zu prüfen, inwieweit Potenziale für aktuell in einem derart diffusen Licht, dass eine eine Zusammenarbeit auf den Ebenen der Schlach- Unzahl an Produkten das Etikett „Regional“ zuge- tung, Zerlegung und Verarbeitung vorhanden sind, wiesen bekommt, ohne dass klar wird, was genau um beispielsweise die Auslastung der Kapazitäten darunter zu verstehen ist. Selbst die offi zielle EU- zu gewährleisten und nicht zuletzt dem Machtun- Bezeichnung „geschützte geographische Angabe“ gleichgewicht gegenüber der extrem konzentrier- (g.g.A.) verlangt lediglich die Lokalisierung eines ten LEH-Stufe entgegenzuwirken. Einige Interview- Teilarbeitsschrittes in der entsprechenden Region partner haben sich diesbezüglich als Verfechter von und ist daher als sehr „weich“ zu kritisieren (vgl. Kap. Kooperationen offenbart (vgl. Interviews SZV 2, 3.3.3). Um nicht missverstanden zu werden: es soll SZV 3, SZV 5). Dennoch scheinen Überlegungen in nicht darum gehen, kilometergetreue Abgrenzungs- Richtung kooperativer Arrangements auf der „ro- radien festzulegen, innerhalb derer als „regional“ ten“ Seite bislang noch nicht sehr ausgereift zu sein. gekennzeichnete Produkte erzeugt werden, son- An dieser Stelle würde sich weiterer Forschungsbe- dern vielmehr um die Vereinbarung von qualitativen darf aufdrängen. Eigenschaften, die das „Wesen“ von Regionalität ausmachen (z.B. vertrauensvolle und partnerschaft- Die abschließende Handlungsempfehlung greift liche Zusammenarbeit, traditionelle Rezepturen, einen häufi g genannten Kritikpunkt auf, der die kurze Transportwege, soziale Nähe zwischen Erzeu- Schwierigkeiten bei der Erschließung neuer Export- gern und Verbrauchern). märkte betrifft. Als besonders problematisch für den Erhalt der notwendigen Marktzugänge haben Eine weitere Handlungsempfehlung bezieht sich auf sich die langwierigen Aushandlungsprozesse auf die Art und Weise der Zusammenarbeit innerhalb staatlicher Ebene erwiesen. Hier stellen vor allem der Produktionsnetzwerke. Hier haben die empiri- die Mehrebenen-Zuständigkeiten im deutschen Fö- schen Ergebnisse gezeigt, dass insbesondere auf deralsystem ein großes Hindernis dar, so dass die der horizontalen Ebene, also innerhalb einer Wert- potenziellen Exporteure unter Umständen keine schöpfungsstufe, bereits gute Ansätze bestehen, Zertifi kate erhalten. die es weiter auszubauen lohnt. Die identifi zierten

156 Schlussbetrachtung

„Den Marktzugang zu bekommen, das ist die eigent- ist, dass andere Exportländer hier bereits klare liche Herausforderung, vor der wir stehen. Und das Vorteile haben (vgl. Interview FI 4). ist gleichzeitig eine unserer größten Schwächen, denn im Grunde genommen kann nur der Staat diese Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Aufgaben erfüllen. (…). Es wird immer häufi ger da- Schweinefl eischproduzenten im internationalen rauf bestanden, dass es zwischen den Staaten aus- Geschäft zu erhalten, sind frühzeitige Weichenstel- gehandelte Veterinärzertifi kate gibt. Das ist unser lungen und fl exible Anpassungen an sich schnell Nadelöhr. Bei uns ist der deutsche Staat nach wie vor wandelnde Gegebenheiten unerlässlich. Das Zeit- auf dem Niveau, als der Export im Tierproduktebe- alter der Globalisierung hält auch für die Schwei- reich noch eine Ventilfunktion hatte“ (Interview FI 4). nefl eischproduzenten im Oldenburger Münsterland Vor diesem Hintergrund ist zu überlegen, ob es unvorhersehbare Entwicklungen bereit, die perma- Möglichkeiten gibt, die angesprochenen Marktzu- nente Aufmerksamkeit und Innovationsbereitschaft gangsbarrieren z.B. durch Reformen in den fachbe- erfordern. Die vielschichtigen Herausforderungen zogenen Verwaltungsapparaten zu überwinden. zwischen globalem Wettbewerb und regionaler Ver- Auch die Verschlankung bestimmter Monitoring- antwortung führen insgesamt zu einer schwierigen Prozesse (z.B. PRRS)36 wird in diesem Zusammen- Gratwanderung. hang als sinnvoll erachtet, zumal davon auszugehen

36 Porzines Reproduktives und Respiratorisches Syndrom

157 Literaturverzeichnis

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179 Anhang

12. ANHANG

Ein- und Ausfuhr von Schweinefl eisch auf Niedersachsen-Ebene 2012 (Europa)

Ausfuhr Einfuhr Januar bis Dezember 2012 Januar bis Dezember 2012 Ziel/Ursprungsland Menge Menge Wert Menge Menge Wert bes. ME dT 1.000 EUR bes. ME dT 1.000 EUR Niederlande 0 502.462 111.891 0 173.068 33.025 Italien 0 699.037 145.225 0 4.383 681 Vereinigtes Königreich 0 453.298 132.018 0 9.391 1.718 Dänemark 0 338.309 86.922 0 839.470 150.691 Griechenland 0 104.466 25.524 0 18 6 Spanien 0 13.504 3.222 0 122.841 35.839 Schweden 0 149.772 47.819 0 0 0 Österreich 0 210.353 42.034 0 1.305 324 Belgien 0 15.303 4.301 0 197.807 40.924 Schweiz 0 1.022 327 0 1.029 556 Lettland 0 9.369 1.567 0 0 0 Litauen 0 12.528 2.282 0 1 0 Polen 0 514.140 108.539 0 1.481 523 Tschechische Republik 0 169.760 33.968 0 0 0 Ungarn 0 50.192 8.798 0 582 178 Rumänien 0 24.269 4.512 0 401 70 Ukraine 0 109.301 21.613 0 0 0 Moldau 0 2.894 499 0 0 0 Russische Föderation 0 180.287 42.121 0 0 0 Kroatien 0 39.288 9.141 0 212 33 Montenegro 0 398 104 0 0 0 Frankreich 0 71.183 17.219 0 16.561 2.902 Finnland 0 59.365 19.017 0 120 26 Slowakei 0 15.008 3.091 0 0 0 Bulgarien 0 27.015 4.769 0 850 142 Portugal 0 861 190 0 0 0 Luxemburg 09239000 Estland 0 4.731 790 0 0 0 Belarus 0 74.673 17.639 0 0 0 Slowenien 0 8.278 1.578 0 0 0 Zypern 0 9.157 1.346 0 0 0 Irland 0 53.000 15.885 0 0 0 Norwegen 0 1.225 349 0 0 0 Island 0 39.288 9.141 0 212 33 Bosnien-Herzegowina 0 490 82 0 0 0 Mazedonien 0 210 26 0 0 0 Serbien 0 2.125 456 0 0 0 Aserbaidschan 011525000

Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen (LSKN) 2013

180 Anhang

Ein- und Ausfuhr von Schweinefl eisch auf Niedersachsen-Ebene 2012 (Global)

Ausfuhr Einfuhr Januar bis Dezember 2012 Januar bis Dezember 2012 Ziel/Ursprungsland Menge Menge Wert Menge Menge Wert bes. ME dT 1.000 EUR bes. ME dT 1.000 EUR Singapur 0 5.861 1.537 0 0 0 Philippinen 0 3.646 575 0 0 0 Hongkong 0 107.904 13.514 0 0 0 Vereinigte Arabische 0 531 49 0 0 0 Emirate Kongo, Demokratische 0 12.564 1.468 0 0 0 Republik Haiti 0 540 43 0 0 0 Malaysia 0 6.041 1.470 0 0 0 China, Volksrepublik 0 51.709 8.446 0 0 0 Südafrika 0 115 25 0 0 0 Namibia 0 8.560 1.447 0 0 0 Korea, Republik 0 80 22 0 225 79 Japan 0 136.416 43.307 0 0 0 Angola 0 1.070 135 0 0 0 Kasachstan 0 2.789 587 0 0 0 Vereinigte Staaten 0112000 Kanada 0 5.923 2.479 0 0 0 Dominikanische Republik 0 531000 0 Trinidad und Tobago 0 103 17 0 0 0 Brasilien 0234000 Uruguay 0112000 Jordanien 0112000 Oman 061000 Schiffs- und Luftfahr- zeugbedarf (Außenhan- 0 851700 0 del) Liberia 0 540 45 0 0 0 Cote d‘Ivoire 0 2.431 128 0 0 0 Kongo, Republik 0 1.149 87 0 0 0 Bahamas 0 240 59 0 0 0 Niederländische Antillen 0 520 96 0 0 0 Thailand 0 225 21 0 0 0

Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen (LSKN) 2013

181 Anhang

Interviewleitfaden I: Fachinstitutionen (FI)

Einstieg

• Wie ist Ihre Institution organisiert und in welchen Bereichen liegen Ihre Aufgaben? • Wo liegen die besonderen Stärken der deutschen bzw. nordwestdeutschen Schweinefl eischprodukti- on?

Organisation der Produktionsnetzwerke / Internationalisierung

• Welche Entwicklungen sind in der Ferkelversorgung zu erwarten? Wie werden sich die Ferkelimporte aus Dänemark und den Niederlanden in Zukunft gestalten? • Welche Märkte haben gegenwärtig und in Zukunft die größte Bedeutung für den deutschen Schwei- nefl eischexport? Wie laufen Exporte in der Praxis ab? • Ist es denkbar, dass deutsche Fleischunternehmen langfristig auch im Ausland produzieren? • Internationale Großkonzerne, wie z.B. Vion oder Danish Crown, sind bereits in Deutschland vertreten. Wie ist diese Entwicklung zu bewerten? • Welche Perspektiven bieten sich für kleine und mittelständische Schlacht- und Verarbeitungsunter- nehmen vor dem Hintergrund zunehmender sektoraler Konzentration? • Welche Perspektiven bieten sich für vertikale oder horizontale Integrationsprozesse innerhalb der Branche? • Wer hat den größten Einfl uss in der Schweinefl eischbranche? Welche Rolle spielen externe Akteure, wie z.B. NGOs oder Medien? • Welche politischen Entscheidungen haben derzeit besonderen Einfl uss auf die Schweinefl eischbran- che und wie sind diese zu bewerten?

Produktherkunft / Imaginative Geographien des Oldenburger Münsterlandes

• Inwieweit spielen Fragen der Produktherkunft und Regionalität eine Rolle für die Erzeugung und Ver- marktung von Schweinefl eisch? • Welches Image hat deutsches Schweinefl eisch im internationalen Maßstab? Welche Attribute wer- den deutschem Schweinefl eisch zugeschrieben? • Spielen regionale Herkünfte bzw. Images eine Rolle für die internationale Vermarktung von Schwei- nefl eisch? • Was wissen Sie über das Oldenburger Münsterland? Welche Assoziationen verbinden Sie mit der Re- gion und wie bewerten Sie deren Entwicklung? • Welche Rolle spielt die öffentliche Diskussion um Probleme in agrarischen Intensivgebieten für die Akteure in der Schweinefl eischbranche? • Besteht die Möglichkeit, dass sich das Image des OM auf die Produkte überträgt und den Vermark- tungserfolg in irgendeiner Form beeinfl usst? • Welche Perspektiven bieten sich für den Aufbau einer Regionalmarke im OM?

Ausblick

 Wo liegen gegenwärtig und in Zukunft die größten Chancen und Herausforderungen für die deutsche Schweinefl eischbranche?

182 Anhang

Interviewleitfaden II: Primärerzeugung (PE)

Einstieg

 Wie ist Ihr Betrieb strukturiert (Art, Größe, Tierzahlen etc.) und wie hat er sich in den letzten Jahren entwickelt?

Organisation der Wertschöpfungskette / Internationalisierung

• Über welche Kanäle beziehen Sie Ihre Tiere? Sind es immer dieselben Lieferanten oder wechseln Sie regelmäßig und wenn ja, warum? • Welche Vor-/Nachteile hat der Bezug von Ferkeln aus dem OM, aus anderen Regionen innerhalb Deutschlands oder aus Dänemark und den Niederlanden? • Über welche Kanäle vermarkten Sie Ihre Schweine? Sind es immer dieselben Abnehmer oder wechseln Sie regelmäßig und wenn ja, warum? • Aus welchen Gründen vermarkten Sie über die genannten Kanäle? Welche Vor-/Nachteile haben z.B. Erzeugergemeinschaften? • Legen Sie Wert darauf, dass Ihre Zulieferer und Abnehmer in relativer räumlicher Nähe sitzen, ggf. sogar im OM? • Auf der „roten Seite“ kam es in jüngerer Zeit zu starken Konzentrationsprozessen mit Übernahmen, Fusionen etc. Was bedeutet das für Sie als Primärerzeuger? • Welche politischen Entscheidungen, Gesetze etc. haben sich positiv oder negativ auf Ihren Betrieb ausgewirkt? • Wer hat den größten Einfl uss in der Schweinefl eischbranche? Welche Rolle spielen externe Akteure, wie z.B. NGOs oder Medien?

Produktherkunft / Imaginative Geographien des Oldenburger Münsterlandes

• Inwieweit spielen Fragen der Produktherkunft und Regionalität eine Rolle für die Erzeugung und Ver- marktung von Schweinefl eisch? • Welche Assoziationen verbinden Sie mit dem OM? Wie würden Sie das Image der Region aus der Eigen- perspektive beurteilen? • Identifi zieren Sie sich mit der Region? Wenn ja, wie macht sich das bemerkbar? • Wie bewerten Sie die Entwicklung des OM und wo liegen besondere Vor-/Nachteile mit Blick auf die Schweinefl eischproduktion? • Immer wieder sind kritische Stimmen zu vernehmen (Politik, Medien etc.), die auf verschiedene Pro- bleme im OM hinweisen (Nährstoffproblematik, Tierwohl etc.). Sind die vorgebrachten Argumente be- rechtigt? • Besteht die Möglichkeit, dass sich das Image des OM auf die Produkte überträgt und den Vermark- tungserfolg in irgendeiner Form beeinfl usst? • Können Sie sich vorstellen, irgendwann an einem regionalen Markenprogramm mit Bezug zum OM teil- zunehmen?

Ausblick Wo sehen Sie gegenwärtig und in Zukunft die größeren Chancen und Herausforderungen?

183 Anhang

Interviewleitfaden III: Viehvermarktung (VV)

Einstieg

• Wie ist Ihr Unternehmen strukturiert und wie hat es sich in den letzten Jahren entwickelt? • Welche Vor-/Nachteile bieten Erzeugergemeinschaften bzw. private Viehhandelsunternehmen?

Organisation der Wertschöpfungskette / Internationalisierung

• Mit wie vielen Landwirten arbeiten Sie zusammen und wo sind diese größtenteils lokalisiert? Inwie- weit lassen sich die Landwirte charakterisieren? • An welche Schlachtunternehmen und Metzgereien vermarkten Sie Ihre Tiere? Sind es immer dieselben Abnehmer oder ist eine hohe Fluktuation zu verzeichnen? • Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Abnehmern? Wo liegen ggf. Probleme? Wie bewerten Sie Ihre Ver- handlungsposition? • Legen Sie Wert darauf, dass Ihre Zulieferer und Abnehmer in relativer räumlicher Nähe sitzen? • Exportieren Sie auch Ferkel und Mastschweine? Wenn ja, wohin? Welche Vorteile bietet das Exportge- schäft? • Auf der „roten Seite“ kam es in jüngerer Zeit zu starken Konzentrationsprozessen mit Übernahmen, Fusionen etc. Was bedeutet das für Sie als Viehhändler? • Auch internationale Großkonzerne, wie z.B. Vion oder Danish Crown, sind bereits in Deutschland und im OM vertreten. Wie ist diese Entwicklung zu bewerten? • Wie bewerten Sie die Rolle des Einzelhandels für die Vermarktung von Schweinefl eisch? • Wie bewerten Sie die Rolle der Politik? Welche politischen Entscheidungen, Gesetze etc. haben sich positiv oder negativ auf Ihr Unternehmen ausgewirkt? • Wer hat den größten Einfl uss in der Schweinefl eischbranche? Welche Rolle spielen externe Akteure, wie z.B. NGOs oder Medien?

Produktherkunft / Imaginative Geographien des Oldenburger Münsterlandes

• Inwieweit spielen Fragen der Produktherkunft und Regionalität eine Rolle für die Erzeugung und Ver- marktung von Schweinefl eisch? • Was wissen Sie über das OM? Welche Assoziationen verbinden Sie mit der Region und wie bewerten Sie deren Entwicklung? • Identifi zieren Sie sich mit der Region? Wenn ja, wie macht sich das bemerkbar? • Immer wieder sind kritische Stimmen zu vernehmen (Politik, Medien etc.), die auf verschiedene Pro- bleme im OM hinweisen (Nährstoffproblematik, Emissionen, Tierwohl etc.). Sind die vorgebrachten Argumente berechtigt? • Besteht die Möglichkeit, dass sich das Image des OM auf die Produkte überträgt und den Vermark- tungserfolg in irgendeiner Form beeinfl usst? • Können Sie sich vorstellen, irgendwann an einem regionalen Markenprogramm mit Bezug zum OM teilzunehmen?

Ausblick

 Wo sehen Sie gegenwärtig und in Zukunft die größten Chancen und Herausforderungen?

184 Anhang

Interviewleitfaden IV: Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung (SZV)

Einstieg

 Wie ist Ihr Unternehmen strukturiert (Größe, Umsatz, Kapazitäten etc.) und wie hat es sich in den letz- ten Jahren entwickelt? In welchen Bereichen liegen Ihre Aufgaben?

Organisation der Wertschöpfungskette / Internationalisierung

• Über welche Kanäle beziehen Sie Ihre Schlachtschweine bzw. Verarbeitungsprodukte? Sind es immer dieselben Lieferanten oder wechseln Sie regelmäßig und warum? • Welche Vor-/Nachteile bietet der Bezug über Erzeugergemeinschaften bzw. privatem Viehhandel bzw. direkt vom Landwirt? • An welche Abnehmer vermarkten Sie Ihre Zwischen- und Endprodukte? Sind es immer dieselben Ab- nehmer oder ist eine hohe Fluktuation zu verzeichnen? • Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Abnehmern? Wo liegen ggf. Probleme? Wie bewerten Sie Ihre Ver- handlungsposition? • Legen Sie Wert darauf, dass Ihre Zulieferer und Abnehmer in relativer räumlicher Nähe sitzen? • Welche Bedeutung hat der Export für Ihr Unternehmen? Welche Märkte werden bedient und welche haben derzeit höchste Priorität? • Wie organisieren Sie die Auslandsmarktbearbeitung? Welche Schwierigkeiten sind dabei zu bewälti- gen? • Auf der „roten Seite“ kam es in jüngerer Zeit zu starken Konzentrationsprozessen mit Übernahmen, Fusionen etc. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen? • Wie bewerten Sie die Rolle des Einzelhandels für die Vermarktung von Schweinefl eisch? Wie haben sich die Vorgaben im Hinblick auf Qualität, Lieferumfang, Preis etc. in den letzten Jahren entwickelt? • Wie bewerten Sie die Rolle der Politik? Welche politischen Entscheidungen, Gesetze etc. haben sich positiv oder negativ auf Ihr Unternehmen ausgewirkt? • Wer hat den größten Einfl uss in der Schweinefl eischbranche? Welche Rolle spielen externe Akteure, wie z.B. NGOs oder Medien?

Produktherkunft / Imaginative Geographien des Oldenburger Münsterlandes

• Inwieweit spielen Fragen der Produktherkunft und Regionalität eine Rolle für die Erzeugung und Ver- marktung von Schweinefl eisch? • Welches Image hat deutsches Schweinefl eisch im internationalen Maßstab? Welche Attribute wer- den deutschem Schweinefl eisch zugeschrieben? • Spielen regionale Herkünfte bzw. Images eine Rolle für die internationale Vermarktung von Schwei- nefl eisch? • Was wissen Sie über das OM? Welche Assoziationen verbinden Sie mit der Region und wie bewerten Sie deren Entwicklung? • Immer wieder sind kritische Stimmen zu vernehmen (Politik, Medien etc.), die auf verschiedene Pro- bleme im OM hinweisen (Nährstoffproblematik, Emissionen, Tierwohl etc.). Sind die vorgebrachten Argumente berechtigt? • Besteht die Möglichkeit, dass sich das Image des OM auf die Produkte überträgt und den Vermark- tungserfolg in irgendeiner Form beeinfl usst?

185 Anhang

Ausblick

• Sehen Sie ein Dilemma darin, in einem zunehmend internationalen Umfeld unter harten Wettbewerbs- bedingungen zu agieren und gleichzeitig die immer höheren Ansprüche von LEH und Verbrauchern zu erfüllen? • Wo sehen Sie gegenwärtig und in Zukunft die größten Chancen und Herausforderungen?

186 Anhang

Interviewleitfaden V: Lebensmittelhandel, Großverbraucher (LH/GV)

Einstieg

 Wie ist Ihr Unternehmen strukturiert (Größe, Umsatz etc.) und in welchen Bereichen liegen Ihre Auf- gaben?

Organisation der Wertschöpfungskette / Internationalisierung

• Welche Verbrauchertrends sind bei Fleischprodukten besonders markant? • Wie hat sich die Vermarktung von frischen Produkten angesichts der Konkurrenz durch SB-Waren bzw. Fertiggerichten entwickelt? • Über welche Kanäle beziehen Sie Ihre Produkte? Sind es immer dieselben Lieferanten oder wechseln Sie regelmäßig und warum? • Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Zulieferern? Wo liegen ggf. Probleme? • Welche Vorgaben im Hinblick auf Qualität, Lieferumfang, Preis etc. müssen Ihre Lieferanten erfüllen? Wie bewerten Sie Ihre Verhandlungsposition? • Auf der „roten Seite“ kam es in jüngerer Zeit zu starken Konzentrationsprozessen mit Übernahmen, Fusionen etc. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen? • Nur Großhandel: An welche Abnehmer vermarkten Sie Ihre Produkte? Sind es immer dieselben Abneh- mer oder ist eine hohe Fluktuation zu verzeichnen? • Inwieweit ist Ihr Unternehmen im Ausland aktiv? Werden Ihre internationalen Standorte auch mit deutschem Schweinefl eisch beliefert? • Wer hat den größten Einfl uss in der Schweinefl eischbranche? Welche Rolle spielen externe Akteure, wie z.B. Politik, NGOs oder Medien?

Produktherkunft / Imaginative Geographien des Oldenburger Münsterlandes

• Inwieweit spielen Fragen der Produktherkunft und Regionalität eine Rolle für die Vermarktung von Schweinefl eisch? • Welche Regionalmarken haben Sie im Programm und wie hat sich die Nachfrage diesbezüglich ent- • wickelt? • Was wissen Sie über das OM? Welche Assoziationen verbinden Sie mit der Region und wie bewerten Sie deren Entwicklung? • Welche Rolle spielt die öffentliche Diskussion um Probleme in agrarischen Intensivgebieten für die Vermarktung von Schweinefl eisch? • Immer wieder sind kritische Stimmen zu vernehmen (Politik, Medien etc.), die auf verschiedene Pro- bleme im OM hinweisen (Nährstoffproblematik, Emissionen, Tierwohl etc.). Sind die vorgebrachten Ar- gumente berechtigt? • Besteht die Möglichkeit, dass sich das Image des OM auf die Produkte überträgt und den Vermark- tungserfolg in irgendeiner Form beeinfl usst?

Ausblick

• Sehen Sie ein Dilemma darin, sich unter harten Wettbewerbsbedingungen zu behaupten und gleichzei- tig die immer höheren Ansprüche der Verbraucher zu erfüllen? • Wo sehen Sie gegenwärtig und in Zukunft die größten Chancen und Herausforderungen?

187 Vechtaer Studien zur Geographie

VSG VSG VSG Vechtaer Studien zur Geographie Vechtaer Studien zur Geographie Band 1 | 2011 Vechtaer Studien zur Geographie Band 2 | 2011 Band 3 / 2014

Aline Veauthier Andreas Voth Die aktuelle und zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Apfelweinregionen in Europa der deutschen und niedersächsischen Schweine- Stefan Nier - Beispiele der Regionalentwicklung durch fleischerzeugung Dynamik von Kooperationsbeziehungen in räumlicher Aufwertung eines regionalen Produktes - Perspektive - Das Beispiel der niedersächsischen

 Milchverarbeitung





 

Bd. 1 Bd. 2 Bd. 3 Aline Veauthier: Die aktuelle und Andreas Voth: Apfelweinregio- Stefan Nier: Dynamik von zukünftige Wetbewerbsfähigkeit nen in Europa. Beispiele der Re- Kooperationsbeziehungen in der deutschen und niedersächsi- gionalentwicklung durch Aufwer- räumlicher Perspektive - Das schen Schweinefl eischerzeugung, tung eines regionalen Produktes, Beispiel der niedersächsischen 2011, 234 S., 24,90 ¤ 2011, 246 S., 24,90 ¤ Milchverarbeitung, 2014, 220 S., ISBN 978-3-88441-258-9 ISBN 978-3-88441-259-6 24,90 ¤ ISBN 978-3-88441-272-5