D mkneD pla ffll ge eg in dB edaBn en--WWWüü tr bmtt ebmett erg 1 | 20 91 48. JahrganggnagrhaJ.84 NACHRICHTENBLATTAN ALBNETHCIRHCA DERREDTTA LANDESDENKMALPFLEGEEDNAL ELFPLAMKNEDS EGE tlahnI

lairotidE1 53 „53 TToo niernebeLfuaer niernebeL–fuaer “ Die Instandsetzung und UmnutzungUdnugnuztesdnatsnIeiD gnuztunmU 2 aBerhaJ001 suahua der Zehntscheunen von Ammerbuch-AnovnenuehcstnheZred -hcubremmA EineE SpurensucheusnerupSeni inniehcu Reusten und Ammerbuch-EntringenhcubremmAdnunetsueR negnirtnE-h Baden-WürttembergettrüW-nedaB grebme durch Bürger für BürgerregrüBrüfregrüBhcrud luMeiD ttiiihh la llee ni MMaa aanmiehnn ch falsbuDsaerdnA /nnamretloKtirG/f enöhcSnitsirhC-ennA nhoMaidualC rüwtnE ffeen CCaarrllffrriiee uMd ttsschlleerrsss,, engnaLmihcaoJ rrss dnu FFrrree ttOi .sot 8 WtimenälP treW ginöKsuanennurbfuaL93 nnorbsg FFoottoo -SPR: LA dnreB,D HHaauuss ren rr. Baukultur sichernhcisrutlukuaB mit DenkmallamkneDtimnreh - gnugrosrevressaWruz tdatSnov pflegerischennehcsiregelfp WerteplänennenälpetreW dnaLdnu nhaHnitraM Im offenen HerdgussverfahrenafrevssugdreHneneffomI nerha aus dem Hochofenfhd gegossensogegnefohcoHmedsua ness hcihcsegroV31 negnugitsefeBehcilt hcirE/remulBreteiD-floR VVoo hm ffoh etsnesoRmi hcabueHiebteibeG-ni Ein einzigartigesgitragiznieniE Denkmal-EnsembleelbmesnE-lamkneDseg 3071noveinilblAeiD54 4071sib im Fokus derredsukoFmi LandesarchäologieeigoloähcrasednaL Eine kaum bekannte LinearbefestigungeniLetnnakebmuakeniE gnugitsefebrae hcalloBnaitsirhC reh aus dem Spanischen ErbfolgekriegfbrEnehcsinapSmedsua geirkeglo redniKhcirlU nuoyreveroF81 ?gn Zur GeschichtethcihcseGruZ der ErfassunggnussafrEredet neDmitiehierfereirraB25 lamk von jungen Knegnujnov Kulturdenkmalennelamknedrutlu Umnutzung des Direktorenwohn-erotkeriDsedgnuztunmU -nhowne reiamdiWgröJ hauses des alten ChemischencsimehCnetlasedsesuah InstitutsstutitsnInehc in TübingennegnibüTni nhcetneztipS52 tztejdnutsnieeigolon enöhcSnitsirhC-ennA egelfplamkneD Ausgerüstet::tetsüregsuA DerreD TurmhelmTTuu des MünssnüMsedmlehmr - edaBni n--WWWüü bmettr eb rg ters Unserer LiebenLreresnUsret Frau in FreiburggrubierFniuarFnebeiL noisnezeR45 NACHRICHTENBLATTTTALBNETHCIRHCAN sradmiZramgaD DER LANDESDENKMALPFLEGEEEGELFPLAMKNEDSEDNALRED negnuliettiM55

1/ gnagrhaJ.849102 uztuNeueN82 ssolhcssfohcsiBmign ailanosreP06 ImmI TeamTTee zummuzma KonzepttpeznoK eDrüftmasednaL:rebegsuareH -lamkn hcilreoGanitraM h SmuidisärpsgnureigeRmiegelfp .tragttutS nilssE82737,21eßartSrenilreB .N.aneg WrüfmuiretsiniMmovtredröfeg ,tfahcstriW edaBuabsgnunhoWdnutiebrA n-n mkneDetsrebO–grebmettrüW -ztuhcsla .edröheb erPsedenniSmihciltrowtnareV :sthceress DrüfsetmasednaLsedtnedisärP -lamkneD floWsualC.rD.forPegelfp nielPenerI.rD:gnutieltfirhcS G:gnutieltfirhcSednetertrevlletS efarGtirG :ssuhcssuasnoitkadeR BreteiD.rD,gninuärBaerdnA.rD enhcüB rr,, enreB-sisaaHsaerdnA.rD rr,, einaD elleKle rr,, einaleM.rD,tdrahnoeLkirdneH ,snetreM leNrevilO.rD,nhoMaidualC.rD niraK,el öhcSnitsirhC-ennA.rD,neknihcS -uS,enö reiztapSérdnA.rD,trefyeSnnas ikdP :noitkudorP entraP&siaWorübsgalreV rr,, tutS tragtt FeninnA/siaWérdnA:tarotkeL shcu :gnulletsreHdnugnutlatseG negrüJ-snaH TTrr enkni rr,, aMreniaR rehcua agttutS,elefuehcSniziffO:kcurD tra tragttutS87107:trosgalrevtsoP cilrhäjletreiv:esiewsgnuniehcsrE hc 00592:egalfuA

ebagsuAreseiD llii ieBenietge llaa deg red :gnudnibrevknaB amkneD llss it fftt -nedaBgnu WWü ü bmettr eb rrgg BessakrebosednaL ,grebmettrüW-neda rediebsolnetsokhcuatsieiS.ieb bttüWdB rebmettrüW-nedaB hlKkBhi ,ehurslraKknaBehcsigr ähcseG fftttss lets llee neDred kkmmallss it fftt nu gn 0500620EDNABI 20103559471010 -nedaB WWüü ebmettr rrggg,, CChharrll lpnetto llaattzz 177,, 006TSEDALOSCIB . GrehciltfirhcstimrunkcurdhcaN -heneG 107 7733 agttutS rtt,, errhh ewseD.hciltlä neretie cewzsgnudnewreV :k eDrüfsetmasednaLsedgnugim -lamkne ebagsuAreseidnegeil ddaa nI-serhaJs ahn lltt -s ebrastiekhciltneffÖ .8164621715078zKti eiddnunebagnanelleuQ.egelfp -rebÜe ev rrzz nhcie iiss haJsed rrgg nu8102sgna eiddn ralpmexegeleBiewznovgnussal ner WWee eeiSnn ine SSpp ne niehcsebnedn iigg ,nehcsnüwgnu Hiinn ew iiss uhcsnetaD-UEruze ttzzgrruun evd rr-- edrofrednisgnutieltfirhcSeidna .hcilre ettib NNaa nAdnuem hcsn rriiftft .nebegna ro dn gnu ((DD VGS OO)) .ieb Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

100 Jahre Bauhaus – dieses Jubiläum beherrscht das Jahr 2019. 1919 in Weimar als Staatliches Bau- haus gegründet, ab 1925 in Dessau und von 1932 bis 1933 in Berlin ansässig, gilt das Bauhaus heute als Inbegriff der Moderne. Namen wie Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe oder Oskar Schlemmer – im Übrigen ein gebürtiger Stuttgar- ter – sind mit dieser Bildungsstätte verbunden. Schülerinnen und Schüler des Bauhauses trugen die Ideen in die Welt, wo sie erfolgreich übernom - men wurden. Auch Baden-Württemberg ist in vielerlei Hinsicht mit dem Bauhaus verbunden: So wurde 1928/29 unter der Leitung von Walter Gropius die Siedlung Dammerstock in Karlsruhe gebaut. Die Hochschule weite Eröffnung diesmal in gefeiert wird: für Gestaltung in Ulm – 1953 unter anderem vom „Modern(e): Umbrüche in Kunst und Architektur“. Bauhaus-Schüler Max Bill gegründet – folgte so- Freuen Sie sich schon heute auf das vielfältige Pro- wohl in ihrer Architektur als auch in ihrem Lehr- gramm an diesem Tag, den wir sowohl vor Ort, als konzept dem Bauhaus. Zudem haben Bauhaus- auch mit den Berichten im Nachrichtenblatt be- Absolventen die Designs für verschiedenste Firmen gleiten werden. des Landes entworfen. Um die baden-württembergischen Kulturdenkma- Das Nachrichtenblatt der Landesdenkmalpflege le in ihrer Einzigartigkeit und historischen Aussage- greift dieses Thema auf und geht in den Ausgaben kraft zu erhalten, unterstützt das Land mit seinem dieses Jahres auf die Tradition und Rezeption des Denkmalförderprogramm auch in diesem Jahr pri- Bauhauses in Baden-Württemberg ein. Doch nicht vate, kirchliche und kommunale Maßnahmen und nur das Bauhaus-Jubiläum wird thematisiert, son- stellt dafür 16 Millionen Euro zur Verfügung. Denn dern auch die facettenreiche und anspruchsvolle nur so können wir unsere reiche Denkmalland- Arbeit der Denkmalpflege: So finden Sie in dieser schaft für nachkommende Generationen bewahren. Ausgabe interessante Berichte über die Brunnen- herstellung in Königsbronn, eine Befestigung aus Ich wünsche Ihnen eine interessante und abwechs - dem Spanischen Erbfolgekrieg, die Instandsetzung lungsreiche Lektüre! und Umnutzung der Zehntscheunen von - bach-Reusten und Ammerbach-Eutringen. Passend zum Bauhaus-Jubiläum wurde auch das Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdL Motto des diesjährigen Tages des offenen Denk- Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungs- mals am 8. September ausgewählt, dessen bun des- bau des Landes Baden-Württemberg

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 1 100 Jahre Bauhaus Eine Spurensuche in Baden-Württemberg

„Bauhaus“ – Die Assoziationen mit diesem Namen reichen von weißen, schmucklosen Häusern mit Flachdach und Fensterbändern über die Städte Weimar und Dessau bis zur „ewig gültigen Moderne des Bauhauses“. Dass fast jeder etwas mit dem Bauhaus verbindet, spricht für seine Präsenz in unserem Bewusstsein und seine Aktualität – und das nicht nur in diesem Jahr. 2019 wird das 100-jährige Jubiläum des Bauhauses mit zahlreichen Veranstaltungen und Projekten bundesweit und international gefeiert. Die Landesdenkmalpflege Baden-Württemberg widmet sich dem Thema in vielfältiger Weise, wie in die- sem Beitrag und in den folgenden Heften zu lesen sein wird.

Andreas Dubslaff/ Grit Koltermann/ Claudia Mohn

Das Bauhaus – Es sollte keine Schüler und Lehrer, sondern Lehr- Geschichte und Lehre in Kürze linge, Gesellen und Meister geben, die eine Vor-, Werk- und Baulehre absolvierten. Zentrale Über- „Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der zeugung war, dass der Bau als Gesamtkunstwerk Bau!“ – so erläuterte Walter Gropius 1919 kurz nur durch die Einheit aller daran Beteiligten – Archi - und prägnant den Anspruch des Bauhauses in ei- tekten, Bildhauer, Maler – entstehen kann (Abb. 3). nem Manifest. Neu war auch die angestrebte enge Zusammen- Das „Staatliche Bauhaus in Weimar“ entstand im arbeit einer Bildungsstätte für Architektur, Kunst April 1919 aus der Vereinigung der Großherzo- und Design mit dem Handwerk und der Industrie. 1 Die Bauhaus-Univer- glich Sächsischen Kunstschule und der Großher- So konnten die Künstler deren Anforderungen an sität in Weimar. Das zoglich Sächsischen Kunstgewerbeschule. Walter Produktgestaltung und -design neben der Arbeit „Ateliergebäude“ wurde Gropius war sein erster Direktor (Abb. 1). Die Lehr- in den Bauhaus-Werkstätten kennenlernen und 1904– 1911 nach Entwür- inhalte und der Aufbau der Lehre verstanden sich die industrielle Fertigung im eigenen Lern- und fen von Henry van de Velde, dem damaligen als direkte Antwort auf das damalige Bauen, das Schaffensprozess reflektieren. Gleichzeitig gaben Leiter der Großherzoglich „… aus einer allumfassenden Gestaltungskunst zu die Beziehungen zur Industrie den angehenden Sächsischen Kunstgewer- einem Studium herabgesunken [ist].“ Gesellen und Meistern die Möglichkeit, mit neuen beschule Weimar, erbaut. Im Kontrast dazu stand das neue Verständnis des Materialien und Konstruktionsweisen zu experi- Foto: 2013. Künstlers als „Handwerker im Ursinn des Wortes“: mentieren. Laut Gropius hatte diese Verbindung von Standardisierung und Rationalisierung eine bis 1955 wurde der Gebäudekomplex nach Plänen 2 Das Bauhaus-Gebäude neue „Baugesinnung“ zur Folge: Mit zunehmen- Bills errichtet. Bis 1957 fungierte er als erster Rek- in Dessau, Ansicht von der Standardisierung kann bei einem niedrigeren tor und entwarf zeitlose Klassiker wie den „Ulmer Südwesten. Die Auf- Preis eine bessere Qualität erreicht werden. Rationa- Hocker“ und Uhren für die Firma Junghans. nahme wurde 1927 ge- lisierung mit ausreichend Spielraum für Individua- Nur was in Baden-Württemberg ist tatsächlich von macht, also vor der tlw. Zerstörung 1944. 1996– lität bedeutet anspruchsvolles Bauen zu geringeren Lehrern, Studierenden bzw. Absolventen des Bau- 2006 erfolgte eine grund- Kosten aufgrund von Serienproduktion. hauses realisiert worden? legende Instandsetzung Das Bauhaus wurde von rechten Parteien abge- Dass an den Werkbundsiedlungen in und des Wiederaufbaus der lehnt, was nach der thüringischen Landtagswahl Karlsruhe, also am Weißenhof und im Dammer- 1970er Jahre. 1924 und der damit verbundenen Verschiebung stock auch Bauhäusler gewirkt haben, fällt einem der politischen Lager beträchtliche finanzielle Kür- meist als Erstes zum Thema Bauhaus und Baden- 3 Das Musterhaus „Am zungen nach sich zog. 1925 wurde der Umzug Württemberg ein. Auch – wie oben schon er- Horn“ in Weimar. 1923 nach Dessau beschlossen, wo die Existenz durch die wähnt, dass die Hochschule für Gestaltung in Ulm nach einem Entwurf des Förderung des Flugzeugbauers Junkers und Bezie- in der Tradition des Bauhauses stand und einige Bauhaus-Meisters Georg hungen zur ansässigen Industrie gesichert schien. der Lehrer als frühere Bauhäusler das Erbe weiter- Muche anlässlich der ers- ten Bauhaus-Ausstellung „Bauhaus“ war nun der Name der Hochschule für geben konnten (Abb. 4; 5). erbaut und von den Bau- Gestaltung. Gropius entwarf das 1926 einge- haus-Werkstätten einge- weihte Bauhaus-Gebäude und die „Meisterhäu- Spurensuche in Baden-Württemberg – richtet. Foto aus Mitte der ser“(Abb. 2), seit 1996 Bestandteil des UNESCO- ein Projekt der Hochschule Konstanz 1920er Jahre. Welterbes „Das Bauhaus und seine Stätten in Wei- mar, Dessau und Bernau“. 1932 ließ die NSDAP Die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Ge- das Bauhaus schließen. Ludwig Mies van der Rohe, staltung Konstanz führt in diesem Wintersemester, der ab 1930 Direktor des Bauhauses war, ver- unterstützt vom Landesamt für Denkmalpflege, suchte, die Institution als private Einrichtung das Projekt „Bauhaus in Baden-Württemberg – weiterzuführen. Die Bildungsstätte zog nach Ber- eine Spurensuche“ durch. Studierende der Archi- lin um, wurde aber bereits ein Jahr später zur tektur und des Studiengangs Kommunikations- Selbstauflösung gezwungen. design untersuchen das Wirken des Bauhauses in Baden-Württemberg. Dabei geht es nicht nur um Rezeption des Bauhauses – Gebautes, Gestaltetes oder Geformtes aus den national und international 1920/30er Jahren, sondern auch um Lebensge- schichten der Bauhäusler und deren Verbindungen Die Emigration vieler „Bauhäusler“ trug zur Re- zu Baden-Württemberg. Aber es existieren weitere zeption der Leitsätze des Bauhauses auf interna- Zeugnisse, Spuren bzw. bislang weitgehend un- tionaler Ebene bei. So gingen Gropius und Mies beachtete Verbindungen zum Bauhaus in Baden- van der Rohe in die USA und etablierten dort, ins- Württemberg! besondere am Black Mountain College (Asheville, An den Anfang lässt sich Adolf Hölzel (1853– NC), die Bauhaus-Ideen und -Lehre. Der Bauhaus- 1934) stellen, der selbst kein Bauhäusler war. Als Absolvent Arieh Sharon und weitere vom Bauhaus Lehrer an der Stuttgarter Akademie der Bildenden geprägte junge Architekten wandten sich nach Is- Künste haben bei ihm aber unter anderem Johan - rael und schufen dort mit ihren Bauten den Mythos nes Itten, Ida Kerkovius und Oskar Schlemmer stu- von Tel Aviv als „Weiße Stadt“, seit 2003 UNESCO- diert, alle später selbst Studierende bzw. Lehrer am Weltkulturerbe. Im deutschen Südwesten ist der Bauhaus. Am Beginn ihrer künstlerischen Entwick- Schweizer Bauhausschüler Max Bill als Bewahrer lung waren sie Mitglieder im sog. Hölzel-Kreis; Höl- des Bauhaus-Gedankens zu nennen: Bill zählt mit zels künstlerische Auffassungen wurden für ihr Inge Scholl und Otl Aicher 1953 zu den Grün- weiteres Wirken wegweisend. Während der Schwei- dungsmitgliedern der Hochschule für Gestaltung zer Johannes Itten nicht mehr in den deutschen in Ulm, die sich bezüglich Inhalt und Aufbau der Südwesten zurückkehrte, kam Ida Kerkovius (1879– Lehre in die Tradition des Bauhauses stellte. 1953 1970) nach einigen Semestern am Bauhaus in Wei-

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 3 4 Weißenhof, Haus von mar in ihr Stuttgarter Atelier zurück. Sie blieb mit Grenze. In dieser Zeit, in der viele seiner Werke Walter Gropius. Mit ihm Hölzel verbunden und schuf unter anderem ge- dem Bildersturm der Nationalsozialisten zum Opfer und van der Rohe haben meinsam mit ihm in den 1930er Jahren Glasfens - fielen, gestaltete er unter anderem in Offenburg am Weißenhof gleich ter im Stuttgarter Rathaus. Nach der Teilzerstörung Wandbilder für eine Werkskantine, Landschafts - zwei der Direktoren des und dem Wiederaufbau entwarf sie auch die bilder, die kaum sein künstlerisches Schaffen in den Bauhauses mitgewirkt. neuen Fenster – zusammen mit dem Kunstglaser Bauhausjahren erahnen lassen, ihn aber finanziell Valentin Saile. über Wasser hielten. 5 Weißenhof, Walter Gropius, 1927. Oskar Schlemmer (1888– 1943) wirkte in Weimar Zum Freundeskreis von Oskar Schlemmer gehörte und Dessau als Bauhauslehrer. Sein „Triadisches Gerhard Marcks (1889– 1981), der zwischen 1919 Bal lett“ feierte seine Uraufführung 1922 in Stutt- und 1924 am Bauhaus als Formmeister die Kera- gart am damaligen Württembergischen Landes- mische Werkstatt einrichtete. Zwar hat er keine theater. Die Figuren befinden sich heute in der biografische Verbindung in den Südwesten, ge- Staatsgalerie Stuttgart wie auch ein Fragment des staltete aber 1951/52 als Auftragswerk der Stadt Wandbildes „Familie“, das im Foyer der Staatsga- Mannheim, als Mahnmal für die Opfer des Natio- lerie hängt (Abb. 6). Schlemmer konnte sich bei nalsozialismus einen Friedensengel. Der über 2 m diesem 1940 entstandenen Auftrag für ein Wand- hohe Bronzeengel wurde am Schillerplatz aufge- bild in einem Privathaus in Stuttgart-Vaihingen stellt, jenem Ort, an dem sich bis zu seiner Zerstö- noch kompromisslos mit abstrahierten Menschen - rung im Krieg das Mannheimer Nationaltheater be- figuren hinterfangen von geometrischen Formen funden hatte (Abb. 8). auseinandersetzen. Leider hat sich keines seiner Den Wettbewerb für das neue Nationaltheater 6 Das Wandbild „Familie“ von Oskar Schlemmer Wandbilder aus der Bauhauszeit original an einem 1951 bis 1952 bereitete wesentlich Herbert Hirche (1940), ehemals Stuttgart- Gebäude in Baden-Württemberg erhalten. Nach (1910– 2002) vor, zu dieser Zeit Mitarbeiter im Vaihingen, heute Staats- der Machtergreifung Adolf Hitlers zog Schlemmer Hochbauamt Mannheim. Auf seine Initiative hin galerie Stuttgart. an einen kleinen Ort in Baden, nahe der Schweizer nahm unter anderem auch sein Lehrer Mies van der Rohe am Wettbewerb teil. Hirche studierte von 1930 bis 1933 am Bauhaus in Dessau und Berlin. Ab 1952 wurde er Professor für Innenarchitektur und Möbelbau an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, zeitweise war er de- ren Rektor. Auch als freischaffender Architekt, De- signer und Ausstellungsgestalter hat er nach dem Zweiten Weltkrieg wesentliche Ideen des Bau- hauses weitergetragen. Besonders mit seinen Mö- belentwürfen für die Christian Holzäpfel KG und seinen Musikschränken für die Firma Braun zählte er zu den wichtigsten Nachkriegsgestaltern in Deutschland. Auch die WMF mit Sitz in Geislingen an der Steige arbeitete nach dem Krieg mit einem ehemaligen Bauhäusler zusammen, nämlich Wilhelm Wagen- feld (1900– 1990), der 1923 bis 1925 am Bauhaus

4 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 7 Hermann Blomeier, Pavillon des Konstanzer Fährhafens.

eine Lehre absolvierte und mit seiner „Wagenfeld- kriegsdeutschland änderte sich die Situation. Die Leuchte“, einer Tischleuchte mit halbkugelförmi- Gebäude des Konstanzer Fährhafens (Abb. 7), der ger Glasglocke, einen heute wieder produzierten Konstanzer Ruderclub Neptun, die Landeskredit- Designklassiker entwarf. Später gründete er in Stutt- bank in Karlsruhe, die Wessenbergschule in Kon- gart die Werkstatt Wagenfeld und zu seinen Auf- stanz, die Melanchthonkirche in Gaienhofen und traggebern gehörte bspw. auch die Firma Braun das Tropikarium in Tübingen sind einige der Bau- (Abb. 9). ten, die der Bauhausschüler in Baden-Württem- berg realisierte. Daneben wirkte er federführend Hermann Blomeier – bei der Zeitschrift „Bauen und Wohnen“ mit, ehemaliger Bauhausschüler zählte zu den Gründungsmitgliedern des südba- dischen Werkbundes und war an der Neubegrün- Ausführlicher vorgestellt aus dem Pool der von der dung des Deutschen Werkbundes beteiligt. Her- Konstanzer Hochschule mit dem Landesamt für mann Blomeier steht stellvertretend für eine ganz Denkmalpflege thematisierten Beispiele sei ein Bau Gruppe von Architekten, die in den letzten Jahren des Bauhausschülers Hermann Blomeier, der ein am Bauhaus studierten und nach dem Zweiten weiterer in Baden-Württemberg tätiger Bauhaus- Weltkrieg aktiv am Baugeschehen der jungen schüler war. Blomeier studierte nach einer Lehre Bundesrepublik teilnahmen. Die meisten der da- als Maurer und einer Ausbildung an der Landes- raus resultierenden Bauten nehmen neue Ent- baugewerbeschule Holzminden von 1930 bis wicklungen und Konstruktionsmethoden auf, ste- 1932 bei Ludwig Mies van der Rohe in Dessau. hen jedoch ebenso in der Tradition des Bauhau- Er ließ sich nach seinem Studium in Konstanz nie- ses besonders im Hinblick auf Funktionalität und der, konnte seine architektonischen Ideen in der einer klare Formensprache. Zeit des Dritten Reiches nicht umsetzen. Er entwarf 8 Gerhard Marcks, in dieser Zeit meist einfache Wohnhäuser. Im Nach- Die Filmdruckhalle der Stuttgarter Friedensengel, 1951/52 Gardinenfabrik in für die Stadt Mannheim geschaffen. Ein Bau Blomeiers scheint bestens geeignet, das Wirken eines Bauhausschülers in Baden-Württem- berg nach dem Zweiten Weltkrieg zu zeigen. In Herrenberg befindet sich von ihm eine Filmdruck- halle, also ein Industriebau, in dem Stoffe bedruckt wurden (Abb. 12). Seit ihrer Gründung 1934 zählte die Stuttgarter Gardinenfabrik mit ihren Dessins zu einem der in Deutschland und Europa innovativsten Unter - 9 Eierbecher, Butterdose, Salz- und Pfefferstreuer nehmen im Bereich der Textilgestaltung, ein Ruf, „Max und Moritz“, den das Unternehmen über viele Jahrzehnte bei- Besteck „Form“, aus behielt. Cromargan und Kunst- Die Verlagerung der Firma nach Herrenberg auf- stoff. Entwurf von grund der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg führte Wilhelm Wagenfeld, 1956/57 zum Bau der Filmdruckhalle. Die führen de 1950/54. Werbefoto.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 5 10 Hermann Blomeier, Nord- und Südansicht der Stuttgarter Gardinen- fabrik in Herrenberg, 1955, ausgeführter Ent- wurf.

11 Hermann Blomeier, Ost- und Westansicht der Stuttgarter Gardinenfa- brik in Herrenberg, 1955.

Textilgestalterin der Firma, Margreth Hildebrand, Baukörper als ineinandergeschoben erscheinen hatte bereits öfter mit Hermann Blomeier gear- lassen (Abb. 11). beitet. Eine Besonderheit des Gebäudes ist die bauzeitli- Der Wunsch, hier einen Bau zu schaffen, der über che Farbgebung, die bereits in zeitgenössischen das im Industriebau übliche Maß an Form und Äs- Publikationen hervorgehoben wird. Alle tragen- thetik hinausgeht, belegt auch die Tatsache, dass den Teile, mithin die gesamte Stahlskelettkon- man mit Hermann Mattern einen der führenden struktion, zeigen einen anthrazitfarbenen Anstrich, Landschaftsarchitekten jener Zeit beauftragte, der die Fensterrahmungen der Nordfassade sind in für die Gartengestaltung des Geländes verant- Gelb gehalten und alle nichttragenden bzw. nicht wortlich war. konstruktiv bedingten Teile in der Halle, wie das Bei dem Bau handelt es sich um eine Stahlskelett- Lüftungssystem und die Heizkörper, erhielten ei- konstruktion. Die Nordfassade ist komplett ver- nen hellgrauen Anstrich. glast, nur im Bereich der Brüstung ist sie gemauert. Interessant und neu ist hier der Umstand, dass das Zwischen den Fensterflächen verlaufen Stützen verwendete Farbsystem nicht etwa zur Unterglie- aus Doppel-U-Trägern, die so die Fassade in der derung des Baukörpers dient bzw. verschiedene Senkrechten noch einmal unterteilen (Abb. 10). Zugangsbereiche definiert, sondern ganz osten- Von den Schmalseiten – also von Westen bzw. Os- tativ den Bau mit Blick auf seine Konstruktion und ten – werden die beiden Gebäudeteile durch die damit architektonisch erklärt, dem Betrachter ver- flachen, entgegengesetzt geneigten und unter- ständlich macht und dem streng geometrischen schiedlich hohen Pultdächer dominiert, die beide Bau eine zusätzliche ästhetische Qualität verleiht.

6 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 Die Bedeutung, die dem Bau von den Zeitgenossen Hans Eckstein: Die Stuttgarter Gardinenfabrik. Ihre beigemessen wurde, findet ihren Niederschlag in Stoffe und ihre neue Stoffdruckhalle, in: Bauen und den Publikationen jener Zeit, wie etwa in „Bauen Wohnen, Bd. 14, Heft 8, 1960, S. 297–300 und Wohnen“ aber auch in dem Standardwerk Walter Gropius: Idee und Aufbau des Bauhauses, 1923, zum Industriebau von Walter Henn. in: Gropius 1965, S. 28–60. Für den Industriebau und speziell den Industrie- Walter Henn: Industriebau. Internationale Beispiele, hallenbau der Zeit bleibt Blomeiers Bau ein Solitär, Bd. 3, München 1962, S. 70–71. zugleich hat er jedoch exemplarischen Charakter Walter Gropius, Bauhaus-Manifest, Weimar April 1919. für das Werk des Architekten. Die Klarheit der Form verweist auf seinen Lehrer Mies van der Rohe, Andreas Dubslaff M. A. zu dem Blomeier auch nach dessen Übersiedlung Landesamt für Denkmalpflege in die USA Kontakt hielt. Eine Vorbildfunktion für im Regierungspräsidium Stuttgart die Filmdruckhalle hatte ohne jeden Zweifel das Dienstsitz Esslingen sog. Minerals and Metals Building des Illinois In- stitute of Technology, einen Bau, den Mies van der Grit Koltermann M. A. Rohe 1943 in den USA ausführte. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Woh- Mit einfachen aber akzentuierten Mitteln wie Ver- nungsbau Baden-Württemberg glasung, Farbgebung und Kubatur und unter Ver- Dienstsitz Stuttgart wendung herkömmlicher Konstruktionsprinzipien gelang es dem Bauhausschüler Blomeier einen weg- Dr. Claudia Mohn weisenden Industriebau der Nachkriegszeit zu schaf - Landesamt für Denkmalpflege fen. Dies war nur aufgrund der Tatsache möglich, im Regierungspräsidium Stuttgart dass der Auftraggeber Hans Goltermann und des- Dienstsitz Esslingen 12 Historische Aufnah- sen Textildesignerin Margret Hildebrand den Ideen men der Filmdruckhalle des Werkbundes und Bauhauses aufgeschlossen Projektbeteiligte der HTWG Konstanz: Dr.-Ing. der Stuttgarter Gardinen- gegenüberstanden und an einer Produktionsstätte Dorothea Roos, Prof. Dr.-Ing. Andreas Schwar- fabrik, Nordfassade bei interessiert waren, bei der sich Form und Funktion ting, Prof. Brian Switzer, Prof. Valentin Wormbs Tag und bei Nacht. in besonders gelungener Weise entsprechen soll- ten. Die Filmdruckhalle ist damit auch ein wichtiges Zeugnis für den Niederschlag der Ideen und Tradi- tionen des Bauhauses in Baden-Württemberg.

Ausblick

Schon jetzt ermöglicht das Konstanzer Projekt den Masterstudierenden praxisnahes Arbeiten und – nicht nur – der Landesdenkmalpflege wichtige neue Erkenntnisse. Die Rechercheergebnisse wer- den noch im Bauhausjahr 2019 in einer Reihe an- spruchsvoll gestalteter Hefte publiziert und so auch einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Da - rüber hinaus ist eine Ausstellung geplant. Das Nachrichtenblatt wird sich auch in den folgenden Ausgaben in diesem Jahr dem Thema Bauhaus in Baden-Württemberg widmen.

Literatur

Dieter Büchner: „Alles Schöne, was man so braucht“. Das historische Warenarchiv der WMF in Geislingen an der Steige, in: Denkmalpflege in Baden-Württem- berg 47/1, 2018, S. 23–30. Dörthe Jakobs: Oskar Schlemmers letztes Wandbild. Es war einmal ein Denkmal …, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 44/3, 2015, S. 132– 138. Andreas Schwarting (Hrsg.): Konstanz und die Mo- derne: Der Architekt Hermann Blomeier, Konstanz 2014/ 2015.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 7 Pläne mit Wert Baukultur sichern mit Denkmalpflegerischen Werteplänen

110 denkmalgeschützte Stadt- und Ortskerne besitzt Baden-Württemberg als Teil seines reichen kulturellen Erbes. Das Landesamt für Denkmalpflege hat in- zwischen für über 50 dieser Gesamtanlagen sog. Denkmalpflegerische Werte- pläne erstellt. Auf insgesamt fast 10 000 Seiten wird in diesen Fachplänen die Vielzahl, Vielfalt, Individualität und Qualität der Siedlungslandschaft gewür- digt. Im Nachrichtenblatt 4/2010 wurde das Projekt der Denkmalpflegerischen Wertepläne bereits ausführlich vorgestellt. Inzwischen sind beinahe 10 Jahre vergangen und es hat sich einiges getan in Sachen städtebauliche Denkmal- pflege für die Gesamtanlagen des Landes.

Martin Hahn

Wertepläne: Inhalt und Ziel Datenzugriff. Bei Anfragen zu einzelnen Objekten, aber auch bei städtebaulichen Projekten, können Die Intention der Denkmalpflegerischen Werte- die praktische Denkmalpflege und die planenden pläne ist eine ganzheitliche Darstellung des kultu- Beteiligten vor Ort die wichtigsten Basisinforma- rellen Erbes in Gesamtanlagen, die gemäß § 19 tionen im Werteplan erfassen und mit diesen Denkmalschutzgesetz von den Kommunen als Daten weiterarbeiten. Wie jüngst auch von einem schützenswerte Bereiche per Satzung festgelegt Positionspapier des Deutschen Städtetages einge- werden können: Hier werden nicht nur die Kul- fordert, übernimmt das Landesamt für Denkmal- turdenkmale, sondern auch deren wesentlicher pflege hier ganz konkret die Verantwortung zur Kontext mit erhaltenswerten Gebäuden, Straßen- Benennung und Bewertung der Flächendenkmale zügen, Plätzen, Wasser- und Grünflächen doku- mit ihren Denkmalen und der weiteren erhaltens- mentiert. In Texten, Karten und Fotos werden alle werten Bausubstanz. Elemente, die den historischen, schützenswerten Im Rahmen des 2014 bis 2017 durchgeführten Stadtkern prägen, beschrieben und bewertet. Als Großprojektes zur praxisorientierten Vermittlung städtebaulich-historischer Fachbeitrag des Landes - des Denkmalwissens widmete sich ein Baustein 1 Bad Teinach-Zavelstein amtes für Denkmalpflege ermöglicht er für die täg- der Erstellung weiterer Denkmalpflegerischer Wer- im Luftbild. Foto: 2007. liche Praxis einen unkomplizierten und schnellen tepläne. Über den damals bereits vollständig be- arbeiteten Bereich des Stuttgart hinausgehend, wurden nun landesweit Werte- pläne erstellt. Mit den drei Projektkräften Christine Blessing, Viola Lampert-Grohe und Anne Kaiser standen kompetente Bearbeiterinnen zur Verfü- gung.

Wertepläne online

Ein wichtiger neuer Bestandteil der zweiten Wer- teplan-Kampagne war die Weiterentwicklung des zentralen Denkmalinformationssystems ADAB- web. In ihm werden die Daten zu den unbeweg- lichen Kulturdenkmalen des Landes verwaltet. Das System besteht aus einer Datenbankkomponente sowie einer webbasierten Benutzeroberfläche mit Kartierungsfunktionen. In den bearbeiteten Ge- samtanlagen können nun nicht nur Daten zu Denk- malobjekten, sondern auch alle weiteren relevan- ten Informationen aufgenommen und abgebildet werden. Damit steht das Instrument der Denk- malpflegerischen Wertepläne künftig allen Denk- malschutzbehörden direkt und tagesaktuell zur Verfügung. Parallel dazu wurden Printversionen als Beleg- und Archivexemplare erstellt. Alle Werte- pläne sind zusätzlich zum Download auf der Inter- net-Seite der Landesdenkmalpflege für jedermann verfügbar.

Wertepläne landesweit stadt im Nordschwarzwald mit einer ausgeprägten 2 Stadtansicht von Im zweiten Projektabschnitt wurden mehrere Ge- Topografie: Die zahlreichen Treppen haben auch die Mühlheim an der Donau. samtanlagen im Tübingen, zum Kondition der Bearbeiter gefordert. Die historisch- Foto: 2015. Beispiel die ehemaligen Reichsstädte im württem- topografische Lage ist oft ein markantes Merkmal bergischen „Käsedreieck“ Isny, Leutkirch und Wan- der Stadtbilder und verantwortlich für eine ein- 3 Vogtsburg-Burk- heim am Kaiserstuhl. gen sowie der Dorfkern von Nehren bearbeitet. Im drucksvolle Stadtsilhouette. Zavelstein bei Bad Tei- Foto: 2017. Regierungsbezirk Karlsruhe wurden solche Gut- nach (Abb. 1) liegt zum Beispiel – ähnlich wie Al- achten zu Altensteig, Berneck, Bruchsal-Heidels- tenstein-Berneck oder wie Tengen im Hegau – auf heim, Horb, Ladenburg und Karlsruhe-Durlach an- einem schmalen Bergsporn mit einer Burg als Sied- gefertigt. Einen Schwerpunkt bildete jedoch der lungskern und heutigem Blickpunkt. Nur eine Südwesten des Landes, der Regierungsbezirk Frei- Straße, beidseitig von einer engen Reihe Häuser burg, der an Gesamtanlagen besonders reich ist. flankiert, kennzeichnet den Ort. Solche Kleinstädte Dort wurden insgesamt zwölf historische Stadt- des späten Mittelalters sind auch Aach im Hegau und Ortskerne mit dem Planungsinstrument aus- oder Fridingen an der Donau. Ihre Bausubstanz ist gestattet, von Aach im Hegau bis Zell am Harmers- durchweg ackerbürgerlich, manchmal fast dörflich bach. Neben den vom Landesamt für Denkmal- geprägt. Klassische Landstädtchen mit Bürgerhäu - pflege erstellten Werteplänen wurden weitere sern und Ackerbürgergehöften in etwas größeren Fachgutachten auch von externen Büros in Koope - Dimensionen sind zum Beispiel Mühlheim an der ration mit den jeweiligen Kommunen erarbeitet. Donau (Abb. 2), Heidelsheim bei Bruchsal sowie Endingen und Burkheim am Kaiserstuhl (Abb. 3), Vielfalt der Städte wobei bei Letzteren auch der Weinbau eine große Rolle spielt. In Südbaden muss selbstverständlich Die neu bearbeiteten Gesamtanlagen spiegeln die auch die alte Grenzfeste Breisach erwähnt werden. große Bandbreite historischer Stadt- und Ortsker- Mit ihrer noch heute beeindruckenden Stadtsil- ne in Baden-Württemberg wider. Jeder Ort ist da- houette über dem Rhein hat sich der historische bei unverwechselbar und hat seine Alleinstel- Stadtkern nach mehrfachen kriegsbedingten Zer- lungsmerkmale. Unter den neuen Werteplänen ist störungen immer wieder neu erfunden. Das Stadt- zum Beispiel die Stadt Altensteig, eine kleine Amts- bild wandelte sich fundamental, wobei immer

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 9 rend, wie etwa in Blaubeuren (Abb. 4) und noch mehr in Bebenhausen, wo die Benediktiner bzw. Zisterzienser mit ihren Klöstern maßgeblichen Ein- fluss auf das Siedlungsgeschehen hatten.

Vielfalt der Dörfer

In der Anzahl bedauerlicherweise deutlich geringer sind die dörflichen Gesamtanlagen. Fast bilderbuch- haft präsentiert sich das Schwarzwalddorf Ge- schwend (Gemeinde Todtnau) mit seinen charak- teristischen Hofanlagen und den großzügigen Grünflächen dazwischen. Wesentlich strenger in der Anlage ist dagegen die religionsmotivierte herrnhuterische Plansiedlung von Königsfeld im Schwarzwald (Abb. 5) mit ihrem Schachbrettgrund- riss. Am Rand des Schwarzwaldes liegt Sasbach- walden, das sich als das „Fachwerkdorf“ schlecht- hin bezeichnet. Die lange Tradition, in Fachwerk 4 Kloster Blaubeuren. auch Älteres blieb. Spuren eines Stadtbrandes oder zu bauen, zeigt sich hier eindrucksvoll bis in die jün- Foto: 2012. einer Kriegseinwirkung können sehr oft im Bau- gere Vergangenheit mit Häusern aus der Zeit der bestand abgelesen werden: Durlach mit seinen ba- 1950er Jahre. Auch das zwischen Molasserücken rocken Modellhäusern hat dabei ein fast einheitli- und Bodensee förmlich eingezwängte Sipplingen ches frühneuzeitliches Stadtbild bekommen. In Zell wurde 2011 eingehend untersucht. Ganz anders – am Harmersbach hatten die drei kurz aufeinan der - aber ebenfalls dicht gedrängt – ist die Bausubstanz folgenden Stadtbrände von 1899, 1904 und 1907 in Lienzingen im Kraichgau (Abb. 6). Der Stadtteil einen sehr bemerkenswerten Wiederaufbau im Stil von Mühlacker besitzt ein herausragendes Ortsbild des Späthistorismus bzw. im Jugendstil zur Folge. mit einem dichten Bestand an Zierfachwerkbauten Bei manchen Orten spielt die einstige weltliche und ist damit ein Zeugnis der ertragreichen Land- 5 Königsfeld im Herrschaft eine größere Rolle, wie bei Horb am Ne- wirtschaft am Rande des Strombergs. Gerade die Schwarzwald aus ckar oder Riedlingen als eins tige vorderösterrei- recht vermögenden Landwirtschaften haben auch der Vogelperspektive. chische Städte. Bei anderen ist die geistliche Herr- für einen anspruchsvollen, bis heute überlieferten Foto: 2009. schaft im Stadtgefüge und im Stadtbild dominie- Baubestand gesorgt, wie es sich auch in Merdin- gen am Tuniberg sehen lässt. Die barocken Win- Wertepläne als Wissenszuwachs 6 Fachwerkhäuser der zerhöfe mit ihren typischen Hofmauern und -toren Knittlinger Straße in prägen zusammen mit der stattlichen Pfarrkirche Damit liegen für über die Hälfte der 110 Gesamtan- Mühlacker-Lienzingen. den Ort. Zuletzt kehren wir noch einmal in den Re- lagen Baden-Württembergs aktuelle denkmalpfle - Foto: 2013. gierungsbezirk Tübingen zurück, nach Nehren un- gerische Fachpläne für die konservatorische Arbeit 7 Historischer Ortsrand weit von Tübingen, das ebenfalls in der zweiten in den historischen Stadt- und Dorfkernen vor. Das in Nehren. Foto: 2012. Tranche des Projekts bearbeitet wurde. Auch dort Ziel einer flächendeckenden Versorgung aller Ge- katalogisiert der Werteplan eine interessante Orts- samtanlagen ist damit zwar noch lange nicht er- geschichte mit zwei alten Dorfkernen, einen weit- reicht. Aber es konnten doch weitreichende Schrit- gehend geschlossenen Bestand an Fachwerkbau- te in Richtung eines ganzheitlichen Denkmalschut - ten sowie einen typischen historischen Ortsrand zes in Altstädten und Ortskernen erzielt werden. mit Scheunen und Streuobstwiesen (Abb. 7). Am Dies war freilich nur mit einer vergleichsweise ober- Rande des Dorfes finden sich sogar noch kleine flächlichen Bearbeitungsmethodik möglich. Im Ge- Viertel mit den charakteristischen schlichten Bau- gensatz etwa zu den historischen Standardwerken ten der einstigen niedrigeren sozialen Schichten der (Groß)inventare in der Denkmalpflege konnte des Ortes. Auch das ist lebendige Ortsgeschichte, weder eine ausführliche Innenbegehung noch was Nehren insgesamt zu einem bemerkenswer- eine Bauforschung oder Akten- bzw. Archivrecher - ten und lebendigen Abbild eines württembergi- che für alle aufgenommenen Objekte durchge- schen Dorfes macht. führt werden. Gelegentlich wurde diese Methodik Für Leser, die noch mehr über diesen wahren Schatz kritisiert. Dabei wurde aber übersehen, dass sich an historischen, denkmalwerten Städten und Dör- die Wertepläne als eine Art „Gebrauchsanleitung“ fern im Land erfahren wollen, seien die beiden Ar- für das in § 19 Denkmalschutzgesetz genannte beitshefte „Historische Stadtkerne“ und „Histori- histori sche Stadtbild der Gesamtanlagen verstehen. 8 Broschüre „Erhaltens- sche Ortskerne“ des Landesamts für Denkmalpfle - Deshalb wurden der analytische und darstellende werte Stadtquartiere ge zur Lektüre empfohlen. Dort versammeln sich Schwerpunkt bewusst auf städtebau liche Aspekte in Schwäbisch Gmünd“ 115 Städte und 89 Dörfer mit Gesamtanlagenqua - gelegt. Im Übrigen sei daran erinnert, dass mit der 2018. litäten in je einem Band.

Wertepläne XXL

Nachdem in den vergangenen zehn Jahren zahl- reiche Ortskerne kleinerer oder mittlerer Größe Ein- gang in das Projekt fanden, können nun auch die „großen Brocken“ angegangen werden. Für den denkmalgeschützten Stadtkern von Freiburg im Breisgau konnte 2017 ein über 500 Seiten starker Werteplan von Alexandra Baier erarbeitet werden (Abb. 9). Die gleiche Bearbeiterin zeichnet auch für den Werteplan Altstadt Tübingen (über 650 Sei- ten) verantwortlich. Er wurde 2016 in Vorberei- tung auf den Erlass einer Gesamtanlagensatzung in Auftrag gegeben. Derzeit sind die Gesamtanla- gen Konstanz (Bearbeiterin: Anne Kaiser) sowie Esslingen am Neckar (Bearbeiter: Markus Number - ger) in Arbeit.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 11 Aufnahme erhaltenswerter Bau- und Raum struk - Damit darf sich das Landesamt für Denkmalpflege tu ren für viele Orte erstmals mehr als eine reine mit seinen Projekten zur Erfassung denkmalwerter Schwarz-Weiß-Kartierung mit Kulturdenkmalen Objekte und Strukturen in historischen Stadt- und und Nicht-Kulturdenkmalen vorhanden ist. Damit Ortskernen durchaus als Impulsgeber für die Be- ergibt sich per se ein enormer Wissenszuwachs wahrung überlieferter Baukultur sehen. Für die durch die Benennung weiterer schützenswerter Idee der Denkmalpflegerischen Wertepläne kann Objekte, die Teil des historischen Stadtgefüges somit eine positive Gesamtbilanz gezogen werden. sind. Weitere Forschungen im Detail sind damit Es bleibt zwar noch einiges zu tun. Die städtebau - nicht ausgeschlossen, sondern eher sogar angeregt. liche Denkmalpflege wird aber an dieser Thematik mit bewährter Methodik weiterarbeiten. Wertepläne als Impuls Literatur Alle neuen Denkmalpflegerischen Wertepläne wur- den nach Fertigstellung offiziell und öffentlich vor Wolfgang Thiem: Historische Ortskerne. Gesamtan- Ort vorgestellt und erreichten dabei ein sehr posi- lagen in Baden-Württemberg, Landesamt für Denk- tives Presseecho. Und sie fanden in der grund- malpflege im Regierungspräsidium Stuttgart Arbeits- sätzlichen Methodik zwischenzeitlich auch einige heft 23, Stuttgart 2017. erfreuliche Nachfolger. Die Bauverwaltung in Lud- Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Historische wigsburg hat 2015 anlässlich der Verabschiedung Stadtkerne. Gesamtanlagen in Baden-Württemberg, einer Erhaltungssatzung nach Baugesetzbuch für Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsi- die historische Innenstadt eine gründliche Inventur dium Stut tgart Arbeitsheft 22, Stuttgart 2017. des historischen Baubestandes über die bekann- Martin Hahn: Denkmalpflegerische Wertepläne. Ganz- ten Kulturdenkmale hinaus anfertigen lassen. Die heitlicher Denkmalschutz für Gesamtanlagen, in: Denk- Stadt Schwäbisch Gmünd hat die Untersuchungs- malpflege in Baden-Württemberg 39/4, 2010, S. 261 – ergebnisse einer engagierten Bürgerinitiative fach- 264. lich begleitet und 2018 in der Broschüre „Erhal- tenswerte Stadtquartiere in Schwäbisch Gmünd“ Praktischer Hinweis veröffentlicht (Abb. 8). Und auch die Stadt Stutt- gart erhebt in Ergänzung zur Kartierung und Be- Die Wertepläne zum Download finden Sie in der nennung der Kulturdenkmale die erhaltenswerte Rubrik „Denkmale > Projekte“ auf www.denkmal Bausubstanz in einzelnen Stadtquartieren. Als Pilot pflege-bw.de dient die vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Rahmen des „Praxistests zur be- sonders erhaltenswerten Bausubstanz“ geförderte Dr. Martin Hahn Untersuchung des Bohnenviertels in der Landes- Landesamt für Denkmalpflege hauptstadt (2018/19). im Regierungspräsidium Stuttgart

9 Denkmalpflegerischer Werteplan Gesamtanlage Freiburg im Breisgau 2018.

12 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 Vorgeschichtliche Befestigungen im Rosenstein-Gebiet bei Heubach Ein einzigartiges Denkmal-Ensemble im Fokus der Landesarchäologie

Die Landschaft um den Rosenstein bei Heubach gehört zu den reizvollsten Abschnitten des schwäbischen Albtraufs. Mächtige, von schroffen Felsforma- tionen überragte Steilhänge erheben sich über schattige Täler, in denen zahl- reiche Karstquellen ein faszinierendes Naturschauspiel bieten. Im Inneren des Berges, von dessen nördlichem Plateaurand man über das 300 m tiefer lie- gende Tal der jungen Rems hinweg auf die fernen Anhöhen des Schwäbisch- fränkischen Waldlandes blickt, hat einsickerndes Oberflächenwasser weit - läufige Höhlensysteme geschaffen, von denen etwa 40 an den Hängen des Massivs münden. Inmitten dieser imposanten Naturerscheinungen hat auch der Mensch seine Fährte hinterlassen. Ein weitläufiges System mächtiger Wall- Graben-Befestigungen gibt bis heute Rätsel auf.

Christian Bollacher

Die malerische Ruine der Burg Rosenstein, die als falls zu spekulieren war (Abb. 1). Besonders impo - Wahrzeichen der Stadt Heubach auf dem West- sant ist die linear geführte Verschanzung, die das felsen des Massivs thront, steht am Ende einer lo- weit ausgespannte Hochplateau des Rosensteins kalen Kultursequenz, die in der „Kleinen Scheuer“, nach Süden deckt (Abb. 2, Wälle A, B). An dieser einer Karsthöhle am Fuße des Burgfelsens, ihren Stelle, wo der Berg durch einen schmalen Sattel prähistorischen Ausgang genommen hat. Wer von mit der Albhochfläche verbunden ist, verläuft ein 1 Der Rosenstein im der Burg über Stiegen und Pfade zur Höhle abgestie - uralter Albaufstieg. Hier dürften bereits die Wild- Luftbild von Nordosten. Am linken Bildrand der gen ist, hat mit jedem der dabei zurückgelegten wechsel jener eiszeitlichen Rentierherden verlau- Mittelberg, rechts ober- 40 Hm gleichsam ein ganzes Jahrtausend durch- fen sein, denen die altsteinzeitlichen Wildbeuter halb des Sendemastes der messen und findet sich an einem Ort wieder, der von der kleinen Scheuer aus nachgestellt hatten. Hochberg. Alle drei Berge schon von den altsteinzeitlichen Wildbeutern des Seither ist die Nutzung dieses Weges nicht abge- wurden in vorgeschicht- Aurignacien (vor ca. 40 000 bis 31 000 Jahren) und brochen. Viehtriebe und Fernwege erklommen licher Zeit mit starken Magdalénien (vor ca. 18 000 bis 12 000 Jahren) als hier zu allen Zeiten den Albtrauf und haben im Tal Befestigungen versehen. Jagdstation genutzt wurde. Dies belegen Stein- werkzeuge und Schmuckobjekte, die eine Grabung des Urgeschichtlichen Forschungsinstitutes Tübin- gen unter der Leitung von Robert Rudolf Schmidt im Jahr 1916 erbracht hat. Weitere Höhlenfunde vom Rosenstein – etwa aus der Dreieingangshöhle oder der Höhle Haus – belegen die Anwesenheit des Menschen auch während jüngerer Kulturepochen von der Frühbronzezeit (ca. 2200 bis 1600 v.Chr.) bis in die Neuzeit.

Die vorgeschichtlichen Befestigungs - anlagen des Rosenstein-Plateaus

Kulturgeschichtlich bedeutsam sind auch mehrere mächtige Befestigungswerke auf dem Rosenstein und den beiden benachbarten Anhöhen Mittel- berg und Hochberg, über deren Alter bisher allen -

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 13 2 Heubach. Das Plateau des Rosensteins im hoch- auflösenden Gelände - scan. Im Süden das ca. 400 m lange, geradlinig geführte Wallsystem A, B, darunter die erwähnten Hohlwegebündel. Deut- lich zu erkennen Wall C im Westen, eher sche- menhaft tritt im Osten Wall D in Erscheinung.

und an den Hängen des Glasenbergs tief einge- rung ab. Bei einer Untersuchung des Walles im grabene Hohlwegefächer hinterlassen. Einer die- Jahr 1920 will Franz Keller Scherben der vorrömi- ser Hohlwege biegt nach Norden ab und durch- schen Eisenzeit, aber auch Anzeichen einer Reak- quert die erwähnte Befestigung dort, wo ihr Ver- tivierung der Befestigung im Mittelalter entdeckt lauf durch einen leichten Knick von der Geraden haben. Weiter unten wird von dieser Anlage, die abweicht (siehe Abb. 2). Hier dürfte der ursprüng- im vergangenen Sommer Gegenstand einer neuer - liche Zugang gelegen haben. Das Bollwerk selbst lichen archäologischen Untersuchung war, noch ist 400 m lang und bis zu 50 m breit. Es tritt in sei- zu sprechen sein. nem östlichen Verlauf als dreifache Walllinie in Er- Auch der östliche Bereich der Rosenstein-Hoch- scheinung, die über eine etwa 8 m breite Berme fläche wird durch eine bauliche Demarkation se- mit einem südlich vorgelagerten Graben in Ver- pariert, die allerdings aufgrund ihrer Länge und ih- bindung steht. Folgt man den Angaben Friedrich rer geringen Dimension kaum als echte Fortifika- Hertleins und Franz Kellers, die an der Anlage zu tion in Frage kommt (Abb. 2, Wall D). Eher ist hier Beginn des vergangenen Jahrhunderts archäolo- an eine land- oder viehwirtschaftliche Einhegung gische Schürfungen vorgenommen haben, so han- zu denken, deren Alter trotz einiger Klärungsver- delt es sich um ein zweiphasiges Bauwerk: Wäh- suche durch Hertlein und Keller unbekannt ist. rend der nördliche Wall (Wall A) als Ruine einer äl- teren Fortifikation zu erachten sei, lägen unter den „Stadtgraben“ und „Teufelsmauer“: Scheitellinien der beiden südlichen Wälle (Dop- Die Befestigungen auf Hochberg und pelwall B) die Stümpfe zweier Trockenmauern ver- Mittelberg borgen, die als Vorder- und Rückfront eines 10 m breiten murus duplex, einer mächtigen Zwei-Scha- Im Gegensatz zum Rosenstein ist das Gipfelplateau len-Mauer also, zu verstehen seien, deren Bau- des Hochberges, dem der Schutz natürlicher Fels- material man aus dem Graben gebrochen habe. bastionen nicht gegeben ist, von einem regel- Diese Angaben mögen zutreffen, bedürfen aber rechten Ringwall umfangen (Abb. 3). Wo im Süd- einer neuerlichen Überprüfung nach modernen osten eine sattelartige Einschnürung hinüber zum Methoden. Sicher ist dagegen, dass das Bauwerk „Heidenburren“ und den Gefilden des Albuchs ver- nach Westen hin in zunehmend steileres Hang - mittelt, bildet diese Anlage eine mächtige Dop- gelände hinein verläuft und dort seine Gestalt ver- pellinie aus, die in alten Schriften noch „Stadt- ändert. Die mutmaßlichen Schalungsmauern lau- graben“ genannt wird. Am Oberflächenbefund fen hier auseinander und werden zu Elementen ei- dieses „Stadtgrabens“ ist noch gut die Situation ner doppelten Hangterrassierung mit dazwischen eines antiken Zugangs zu erkennen. Im Nordosten liegendem Graben. Über die Datierung der Anlage zieht die Befestigung den Steilhang zum „Focken - ist letztlich bis heute keine gesicherte Aussage zu täle“ weit hinab, vermutlich um einen dort vor- treffen. handenen Quellhorizont in das gedeckte Areal ein- Eine weitere Wall-Graben-Linie (Abb. 2, Wall C) zubinden – ähnliche Situationen sind etwa vom trennt das westliche Segment des Rosenstein - Glauberg in Hessen, vom Ipf bei Bopfingen oder plateaus an der Stelle einer natürlichen Einschnü- von der Kocherburg bei Aalen bekannt. Trotz eines

14 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 Wallschnittes, den Keller noch in hohem Alter an- legen ließ, ist der Ursprung der Anlage völlig un- klar, einige Lesefunde vom Berg datieren vermut- lich eisenzeitlich. Die Trias uralter Höhenburgen, die das Stadtgebiet Heubachs zum archäologischen Faszinosum macht, wird schließlich durch den Mittelberg komplettiert, eine eher unscheinbare Anhöhe im Südosten des Rosensteins (Abb. 4). Die flache Kuppe bildet ledig - lich im Osten einen von einigen schroffen Felstür- men überragten Steilhang aus, wohingegen sie im Übrigen, besonders nach Norden hin, von durch- aus gangbaren Hängen umgeben ist. Sie wird in schnurgerader, von West nach Ost verlaufender Linie von der so genannten „Teufelsmauer“ ge- quert, einer mächtigen Wall-Grabenlinie, die bis- her noch nicht archäologisch untersucht wurde.

Wissenschaftliche Pionierarbeit: Erste Grabungen an der „Teufelsmauer“ Nach mittlerweile zwei Grabungskampagnen auf 3 Heubach. Der Hoch- Hier setzte ein im Jahr 2016 angelaufenes For - dem Mittelberg lässt sich erstmals ein Bild der dor- berg im hochauf lösenden schungs projekt des Landesamtes für Denkmal- tigen Siedlung skizzieren. Geländescan. Deutlich zu pflege an, das chronologische und funktionale Bei der Mauer selbst handelte es sich – wie in der erkennen die im Osten zum Sattel hin doppelt Aspekte der prähistorischen Befestigungen auf Vorgeschichte üblich – um eine Konstruktion aus geführte Linie des „Stadt- den Rosenstein-Randhöhen des Albtraufs klären Holz, Stein und Erde. Unerwartet war, dass das Ju- grabens“, dessen Fortset- möchte (Abb. 5). Das Projekt erfreut sich der Unter- ragestein, das bei der Anlage des Befestigungs- zung im Nordosten den stützung durch die Förderstiftung Archäologie in grabens ausgebrochen wurde, nicht zum Bau ei- Steilhang hinabläuft. Der Baden-Württemberg, die Sparkassen-Stiftung Ost- ner Trockenmauer Verwendung fand, sondern le- übrige Befestigungsver- alb sowie zahlreiche Förderer und Geldgeber aus diglich als Füllmaterial einer vollständig mit Holz lauf tritt stellenweise nur dem gewerblichen und bürgerschaftlichen Milieu verblendeten Mauer genutzt wurde. Es handelte schemenhaft zutage, der Region. Die finanziellen Zuwendungen belau- sich um ein segmentiertes Bauwerk, dessen Au- stellt sich aber dennoch fen sich mittlerweile auf 35 500 Euro, wofür allen ßenansicht von horizontalen Schalungselementen als geschlossener Ring Förderern an dieser Stelle herzlich gedankt sei. und mächtigen vertikalen Pfosten geprägt war, die dar.

4 Heubach-Lautern. Der Mittelberg im hochauf- lösenden Geländescan. Die „Teufelsmauer“ im Kuppenbereich gibt sich deutlich zu erkennen, ebenso einige kleinere, noch undatierte Vor- werke. Eingetragen sind die Grabungsschnitte von 2016 und 2017.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 15 bindung der Mittelberg-Siedlung in den frühlatè- nezeitlichen Salzhandel, der hierzulande aus den Salinen bei Schwäbisch Hall und im Heilbronner Raum gespeist wurde. Im Sommer des vergangenen Jahres widmete sich eine weitere Grabungskampagne der Erforschung des „Walles C“ auf dem Rosenstein. Anders als die zuvor beschriebene „Teufelsmauer“ erwies sich die dortige Befestigung nicht als zweischalige Kon- struktion, sondern als ein Bauwerk, das lediglich über dem tief in den Felsen eingearbeiteten Gra- ben eine gegen den Feind gewandte Front ausbil- dete, die mit schichtig eingebrachten Schüttungen unterschiedlicher Materialien rampenartig hinter- fangen war (Abb. 7). Neben dem Gemisch aus grob gebrochenem Kalkstein und Erde, das beim Aus- hub des Wehrgrabens gewonnen wurde, fällt eine Schicht reinweißen Sinterkalks auf, wie er nur im Bereich der in den Tälern vorkommenden Karst- quellen ansteht. Warum ihn die Erbauer der An- lage offenbar als begehrtes Baumaterial schätzten, bleibt noch zu klären. Die erste Befestigung ging – ebenso wie ein unmittelbar dahinter stehender Pfostenbau – in einem Feuer zugrunde, dem die ursprüngliche Mauerfront vollständig zum Opfer fiel. Mächtige Pfostengruben, die von oben in den noch stabilen Körper der Brandruine eingegraben wurden, belegen indessen eine Instandsetzung, die auf die Errichtung einer neuen Mauerfront ab- 5 Heubach-Lautern. Aus- sich im ungefähren Abstand von 2,5 m wieder- zielte. In diesem Zuge wurde durch die abermalige grabung auf dem Mittel- holten. Mauerähnlich geschichtete Steinsetzun- Anschüttung von Steinmaterial eine neue Rampe berg. Schnitt 1, der im gen begegneten lediglich als Unterbau und Drai- geschaffen. Beide Bauphasen der Befestigung so- Hintergrund in den Wall nagen jener etwa 5 m langen Ankerbalken, die im wie das angeschnittene Gebäude datieren nach hinein verläuft. Im voll- Inneren des Mauerkörpers zwischen den Pfosten Ausweis des Fundmaterials in die Frühe Latènezeit, ständig bewaldeten Areal der vorderen und hinteren Front vermittelten, um sie dürften somit gleichzeitig mit der Mittelberg- sind nur schmale Schnitte möglich. Unmittelbar un- das bauliche Gesamtgefüge zu stabilisieren. Die Siedlung bestanden haben. ter dem Waldhumus ste- einstige Mauerhöhe kann auf der Basis des Ver- hen Fels und Kalkverwit- sturzvolumens auf 4 m geschätzt werden, eine si- Höhenbefestigungen terungslehm an. cherlich vorhandene Brustwehr nicht eingerech- am Beginn der Keltenwanderung net. Brandspuren und verkohlte Balkenreste an der Außenfront weisen auf Beschädigungen hin, die Nach den jüngsten Ausgrabungen mehren sich die im Zuge von Kampfhandlungen entstanden sein Indizien, dass die bis vor Kurzem noch undatier- dürften. Weitere Bauten konnten durch die Grabun - baren Befestigungen des Rosenstein-Gebiets in die gen leider nicht nachgewiesen werden, da nur Jahrzehnte um 400 v.Chr., das heißt in die fortge- etwa 10 cm unter dem Waldboden der Jurafels an- steht, in den die Siedler beim Bau ihrer Häuser nicht eingegriffen zu haben scheinen. Sämtliche Funde, die beim Schnitt der Mauer und in zwölf weiteren Grabungsflächen im Bereich der Mittelberg-Kuppe geborgen wurden, datieren in die Frühlatènezeit um 400 v.Chr. Neben der all- gegenwärtigen Keramik liegen auch drei nahezu vollständige und mehrere fragmentierte Fibeln (Ge- wandschließen) vor (Abb. 6). Schmiederückstände und das Fragment eines Schmelztiegels weisen auf 6 Heubach-Lautern Eisen- und Buntmetallverarbeitung hin, Spinnwir- „Mittelberg“. Auswahl tel auf Textilhandwerk. Zahlreiche Bruchstücke von an Eisenfunden. Briquetagen (Salzsiede-Gefäße) belegen die Ein-

16 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 schrittene Eisenzeit zu stellen sind. Kulturgeschicht- Im Schatten der „Teufelsmauer“. Erste Grabungen auf 7 Heubach „Rosenstein“. lich reihen sie sich damit in eine ganze Reihe ähn- dem Mittelberg bei Heubach-Lautern. Archäologische Schnitt durch Wall C mit licher Großbefestigungen ein, die damals zwischen Ausgrabungen Baden-Württemberg 2016, (2017), den rampenartigen Mate- dem Mosel-Nahe-Gebiet im Westen und Böhmen S. 142– 144. rialschüttungen. im Osten, zwischen der Mittelgebirgszone im Nor- Claus Oeftiger/ Dieter Müller: Der Rosenstein bei Heu- den und der Schwäbisch-Fränkischen Alb im Süden bach. Atlas Archäologischer Geländedenkmäler in Ba- entstanden. In Baden-Württemberg sind der Ipf bei den-Württemberg Bd. 2, Heft 1, Stuttgart 1995. Bopfingen, die Kocherburg bei Aalen-Unter kochen, Claus Oeftiger/ Eberhard Wagner: Der Rosenstein bei die „Burg“ bei Walheim und der Heiligenberg bei Heubach. Führer zu archäologischen Denkmälern in Heidelberg als prominente Vertreter dieses Typus‘ Baden-Württemberg 10, Stuttgart 1985. zu nennen. Wenngleich diese Anlagen mitunter Franz Keller: Rosensteins Urgeschichte, 1. Aufl. Tübin - nur einige Jahrzehnte bestanden haben dürften, gen 1921; 2. Aufl. Heubach 1933; Nachdruck der scheint ihnen für das Verständnis der gesellschaft - 2. Aufl. Heidenheim 1982. lichen Umbrüche, die am Vorabend der großen Keltenwanderungen das Ende der glanzvollen Hall- Praktische Hinweise stattzeit und den Beginn der Latène-Kultur bedeu- teten, eine Schlüsselrolle zuzukommen. Ein besse - Informationen zum Projekt und der Fördereinrich- res Verständnis ihrer politischen und ökonomi- tung Archäologie in Baden-Württemberg unter: schen Funktion bleibt ein Desiderat, dem unter https:// www.stiftung-landesarchaeologie.de/ pro- anderem durch weitere Forschungen am Rosen- jekte/ projekt_rosenstein.pdf stein entsprochen werden soll. Zudem können die archäologischen Geheimnisse des Berges über den sog. archaeopfad entdeckt Literatur werden. Mehr dazu unter: https://www.heu- bach.de/,Lde/start/freizeit_tourismus/archaeop- Chistian Bollacher/ Brigitte Laschinger/ Réka Kustár- fad.html Piros: Neue Erkenntnisse zur „Teufelsmauer“ bei Heu- bach-Lautern, Archäologische Ausgrabungen Baden- Dr. Christian Bollacher Württemberg 2017 (2018), S. 131– 135. Landesamt für Denkmalpflege Christian Bollacher/ Brigitte Laschinger/ Marina Monz: im Regierungspräsidium Stuttgart

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 17 Forever young? Zur Geschichte der Erfassung von jungen Kulturdenkmalen

Wie alt müssen Kulturdenkmale sein? Diese Frage beschäftigt die Inventarisa- tion der Bau- und Kunstdenkmalpflege bereits seit der Entstehung der Diszi- plin. Einer weit verbreiteten Auffassung gemäß sind Kulturdenkmale altehr- würdige Zeugnisse einer traditionsreichen Bau-, Kunst- und Kulturgeschichte. Allerdings ist im Denkmalschutzgesetz Baden-Württemberg keine Altersgrenze für Kulturdenkmale formuliert. Immer mehr Zeugnisse der jüngeren Architek- turgeschichte finden mittlerweile Aufnahme in die Verzeichnisse der Bau- und Kunstdenkmale. Grund genug also, im Folgenden die Geschichte „junger Kulturdenkmale“ aus Sicht der Inventarisation seit 1970 nachzuverfolgen.

Jörg Widmaier

Junge Kulturdenkmale – zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Eingang in die Begriff und Phänomen Verzeichnisse der unbeweglichen Bau- und Kunst- denkmale gefunden. Der gleiche Prozess ist für das Der Begriff „junge Kulturdenkmale“ meint die Verzeichnis der beweglichen Kulturdenkmale der schutzwürdigen Zeugnisse einer noch nicht lange Bau- und Kunstdenkmalpflege zu beobachten, die zurückliegenden Epoche der Architekturgeschich - in diesem Beitrag jedoch nicht behandelt werden. te, die dennoch als historisch abgeschlossene und Ebenso wenig soll im vorliegenden Betrachtung damit bewertungsfähige Zeitschicht betrachtet auf den Wandel in der Bodendenkmalpflege ein- wird. Mit solchen jungen Kulturdenkmalen haben gegangen werden, die sich seit einigen Jahren ver- sich auch frühere Generationen von Denkmal- stärkt auch Funden und Befunden jüngerer Zeit- pflegern beschäftigt und jeweils etwas anderes schichten, hier vor allem des 19. und 20. Jahr- darunter verstanden. Denn die Denkmalerfassung hunderts annimmt. ist als eine wissenschaftliche Praxis zu beschreiben, die in eine sich wandelnde gesellschaftliche Auf- Inventarisation und Schwellenobjekte fassung von Baukultur und Kunst eingebettet ist. Blicken wir bspw. zurück in die ersten Jahrzehnte „Sollten nun Objekte Denkmalwert besitzen, die der frühen institutionalisierten Denkmalpflege im jünger sind als ein Großteil der Bevölkerung, ent- Großherzogtum Baden oder im Königreich Würt- standen in einer Zeit, die man bewusst miterlebt, temberg, so wird deutlich, dass in der Zeit um z.T. sogar mitgestaltet hat?“ (Zitiert nach Osteneck 1880 die Zeugnisse der Barockzeit als „junge“ Kul- 1988, S. 80) turdenkmale galten und erst dann wie die mittel- Diese Frage stellte Volker Osteneck, 1984 bis 2004 alterlichen Burgen, Schlösser und Rathäuser in die Leiter des Referats Inventarisation, in einem Bei- Denkmalinventare aufgenommen wurden. Um trag im Nachrichtenblatt der Denkmalpflege des 1920 beschäftigten sich die Konservatoren und Jahres 1988. Darin beschäftigte er sich erstmals Kunstverständigen mit den damals noch „jungen“ und programmatisch mit der Frage junger Kultur- Bauten der Zeit bis 1850. Mitte des 20. Jahrhun- denkmale aus Sicht der Inventarisation. Bei dem derts erweiterten die etablierten Institutionen das angeführten Zitat handelte es sich um eine rheto- Spektrum um Objekte der Zeit bis 1870. Um 1960 rische Frage, denn die Erfassung von Gebäuden begann schließlich die denkmalfachliche Wert- der frühesten Nachkriegszeit in Verzeichnissen war schätzung von Bau- und Kunstzeugnissen der sog. bereits seit einigen Jahren in vollem Gange und die Gründerzeit und des Jugendstils. Mit dem Auf- Denkmalpflege im Begriff, sich die Denkmalwerte kommen der modernen Denkmalschutzgesetzge- der ersten Gebäude der 1960er Jahre zu erschlie- bung in den frühen 1970er Jahren wurde erstmals, ßen. An den Beginn seiner Betrachtung stellte wenn auch noch vereinzelt die Denkmalwürdigkeit Osteneck die Wohnhäuser der Familie Schmitz des von Bauten und Kunstzeugnissen der Zeit um Architekten Hugo Häring in Biberach (Abb. 1). Die 1950 diskutiert. Seither haben auch Zeugnisse der Gebäude waren bereits 1970 in das damalige Lan-

18 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 1 Biberach a.d. Riss, Wohnhaus Schmitz, nach Plänen Hugo Härings, 1950. 1970 als Kultur- denkmal erkannt. Foto: 1970.

desverzeichnis Süd-Württemberg aufgenommen denkmale seit den 1970er Jahren im Rahmen flä- worden und gelten heute, da die Eintragung vor chendeckender Erfassungen in die Verzeichnisse der Verabschiedung des Denkmalschutzgesetzes aufgenommen. Das Erkennen und Anerkennen für Baden-Württemberg im Jahr 1972 vollzogen junger Kulturdenkmale lässt sich als Prozess skiz- wurde, als Kulturdenkmale von besonderer Be- zieren, der sich stets in Wechselwirkung mit den deutung gemäß § 28 DSchG BW. Die frühe Auf- wandelbaren gesellschaftlichen Auffassungen nahme der Gebäude Schmitz in ein Landesver- über die Wertigkeit vergangener Bau-, Kunst- und zeichnis für Kulturdenkmale ist bemerkenswert, Kulturphasen vollzieht. denn zum einen handelt es sich um die ersten Kul- Die Erfassungsgeschichte junger Kulturdenkmale 2 Grafik zur Erfassung turdenkmale der Nachkriegsmoderne in einem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt junger Kulturdenkmale. baden -württembergischen Denkmalverzeichnis sich gut nachvollziehen, wenn man den Zeitpunkt Auf der y-Achse farblich überhaupt und zum anderen liegen zwischen Ge- der jeweiligen Gebäudeerrichtung mit dem Zeit- differenziert die Bau- bäudeentstehung und Ausweisung als Kultur- punkt des Erkennens der Kulturdenkmaleigen- dekaden, auf der x-Achse die Zeiträume der Erfas- denkmal gerade einmal 20 Jahre. Befragt man den schaft zueinander ins Verhältnis setzt. Beide An- sung der entsprechenden bislang bekannten Denkmalbestand auch für die gaben lassen sich als Achsen eines Koordinaten- Objekte mit Kulturdenk- Bau- und Kunstzeugnisse der 1960er bis 1990er systems verwenden und ermöglichen so eine maleigenschaft. Die Pfeile Jahren nach solchen „Youngtimern“, dann wird Visualisierung der frühen Erfassung „junger“ Kul- markieren den Zeitpunkt deutlich, dass sich hier eine Tradition erkennen turdenkmale (Abb. 2). Das entstehende Bild zeigt der Erfassung der ersten lässt, die in der inventarisatorischen Erfassung bis zum einen, dass Schwellenobjekte stets Teil des Schwellenobjekte dieser in die heutige Zeit nachvollziehbar ist. Prozesses der Inventarisation gewesen sind (in der Zeitstellung.

Geschichte der Inventarisation junger Kulturdenkmale

Wann und wie ein Gebäude aus einer spezifischen Zeit oder die Baukultur einer ganzen Dekade in den Blickpunkt der Denkmalpflege rückt, hat ver- schiedene Gründe. Zum einen werden von der Denkmalpflege maßnahmenbezogene Überprü- fungen vorgenommen, die bis heute immer dann notwendig werden, wenn Zeitzeugnisse einer be- stimmten Epoche aufgrund anstehender baulicher Veränderungen oder gar Abbruchgesuche zu ver- schwinden drohen. Die frühen Ausweisungen jun- ger Kulturdenkmale, jener Schwellenobjekte wie bspw. die Biberacher Wohnhäuser der Gebrüder Schmitz, sind in diesem Zusammenhang vorge- nommen worden. Zum anderen werden Kultur-

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 19 weiter. Diese Fälle stellen jedoch nur den „Erstkon- takt“ dar und sind als „Schwellenobjekte“ noch eher Ausnahme als Regelfall. Regelhaft werden bspw. Kulturdenkmale der 1950er Jahre ab den 1980er Jahren, jene der 1960er Jahre ab den 1990er Jahren und jene der 1970er Jahre ab den 2000er Jahren in die Verzeichnisse der Bau- und Kunstdenkmalpflege aufgenommen. Gleichzeitig ist es natürlich nicht so, dass sich die Inventarisation seit den 1970er Jahren ausschließ - lich mit den Bau- und Kunstzeugnissen der zwei- ten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschäftigt hätte. Die Erfassung von Kulturdenkmalen ist eine Dauer- aufgabe, die sich regelhaft im Rahmen von Listen - überprüfungen, nach Maßgabe jüngerer Erkennt- nisse oder anlässlich von Baumaßnahmen weiter- hin Zeugnissen aller vergangenen, auch älterer 3 Stuttgart, Konzerthaus Darstellung mit Pfeil markiert). Zum anderen wird Epochen zuwendet. Liederhalle, Neubau nach deutlich, dass in der Regel selbst bei diesen Fällen Plänen der Architekten ein zeitlicher Abstand von circa 20 bis 25 Jahren Junge Kulturdenkmale der 1950er Jahre Adolf Abel und Rolf Gut- zwischen Entstehung des Objektes und dem Er- brod, 1955–56. Das Ge- kennen seines Denkmalwerts eingehalten wurde. „Wann wird ein Gebäude Denkmal? Hierzu gibt es bäude wurde 1987 in das Dieser vom Denkmalschutzgesetz zwar nicht ex- alte, konservative und neue, progressive Antwor- Verzeichnis der Kultur- plizit eingeforderte zeitliche Abstand hat sich als ten, die gegenwärtig unter den Denkmalpflegern denkmale aufgenommen. Foto: 1988. sinnvoll erwiesen, ermöglicht dieser doch eine und Kulturwissenschaftlern auf internationaler Überprüfung mit der Distanz ungefähr einer Gene - Ebene diskutiert werden.“ (Zitiert aus der Presse- ration. Kulturgeschichtliche Veränderungen sind notiz zur Informationsfahrt des Regierungspräsi- so deutlicher zu überblicken oder zu begründen, diums zu den Wohnhäusern Schmitz in Biberach außerdem können die architektonischen oder wis- a.d. Riss, 8. 12. 1970). senschaftlichen Qualitäten eines Objektes grund- Wie das angeführte Zitat zeigt, wurde im Jahr legender eingeordnet werden. 1970 die Aufnahme der Wohnhäuser Schmitz in Die Erfassungsgeschichte stellt sich in diesem Schau- ein Landesverzeichnis der Bau- und Kunstdenk- bild wie folgt dar: Werden in den 1970er Jahren male kontrovers diskutiert und musste behutsam die ersten Zeugnisse der 1950er Jahre in die Listen begründet werden. Da es sich um das erste in genommen, so folgen in den 1980er Jahren ein- Baden-Württemberg erfasste Kulturdenkmal der zelne Kulturdenkmale der 1960er Jahre, in den Nachkriegsmoderne handelte, kam jener Überprü - 1990er Jahren dann jene der 1970er Jahre und so fung der Denkmaleigenschaft eine wegweisende

4 Freiburg, Tankstelle mit Café, Autohaus und Wartungshallen der Firma Borgward, 1951 nach Entwürfen des Architek- ten Wilhelm Schelkes. 1983 als Kulturdenkmal erkannt. Foto: 2011.

20 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 Rolle zu, die später als Präzedenzfall dienen sollte. Nach der Insolvenz der Seidenweberei-Unterneh- mer Schmitz beantragten die Stadt Biberach, Ver- treter der Universität Stuttgart, die Akademie der Künste in Berlin, der Bund Deutscher Architekten sowie der Deutsche Werkbund eine Denkmalüber - prüfung der Gebäude, die von dem renommierten Architekten und Architekturtheoretiker Häring er- richtet worden waren. Denn das Grundstück sollte für die Gläubiger gewinnbringend verkauft und die Bauten abgerissen werden. Nach erfolgter Be- gehung vor Ort legte das Staatliche Amt für Denk- malpflege Tübingen eine befürwortende Ein- schätzung zur Denkmaleigenschaft vor und die „jüngsten“ Kulturdenkmale erhielten große öf- fentliche Aufmerksamkeit. Ausschlaggebend für die Überprüfung der Denkmaleigenschaft war die Bedeutung des Architekten und seiner Rolle als Theoretiker des organischen Bauens – beides wurde bereits 1965 in einer Personen- und Werk- biografie gewürdigt. Begründet wurde die Denk- maleigenschaft mit der baugeschichtlichen Rolle der Biberacher Gebäude, als Manifestationen des organischen Bauens und Spätwerk eines bedeu- tenden Architekten. Es handelt sich um die einzi- gen nach 1936 verwirklichten Bauten Härings. Be- reits in der Denkmalbegründung wurden die zen- tralen Gedanken Härings zum Thema Wohnen heit mit dem Gebäude in das Denkmalbuch ein- 5 Überlingen, Kursaal, betont, die auch für spätere Architekten hand- getragen (Abb. 6). Der Bau des Jahres 1967, der nach Entwürfen des lungsleitend sein sollten. als innovative Kombination aus Wohnhaus und Architekten Dietrich Seit den 1980er Jahren wurden die Bauten der Galeriegebäude für einen Psychiater und Kunst- Müller-Hausers, 1954. 1950er Jahre als Kulturdenkmale salonfähig und sammlers entstand, stammt vom renommierten 1986 als Kulturdenkmal erkannt. Foto: 2016. standen damit regelmäßig im Fokus der Denkmal - Stuttgarter Architekten Paul Stohrer. Die hier ver- pfleger – eine Entwicklung, die sich auch bundes- wirklichte Sichtbetonfassade ist durch das Wech- 6 Nürtingen, Haus Dom- weit feststellen lässt (vgl. Kleinschulte & Knipping selspiel zwischen glatt geschalten Partien und bret- nick, Wohn- und Galerie- 2017). In Baden-Württemberg nutzte man amtli- tergeschalten, eingehängten Wandfeldern belebt. gebäude nach Plänen des cherseits die 1987 vollzogene Eintragung der Stutt- Anders als bei vielen Bauten dieser Zeitstellung Architekten Paul Stohrer, garter Liederhalle in das Denkmalbuch (Abb. 3) für 1967. 1982 Haus und eine Aufarbeitung zeitgleicher Bauten und stellte Sammlung als Kultur- die Architektur der frühen Nachkriegsmoderne in denkmal von besonderer einem Artikel des Nachrichtenblattes erstmals ei- Bedeutung in das Denk- ner breiteren Öffentlichkeit vor. Im Zuge der flä- malbuch eingetragen. Foto: 2017. chendeckenden Listenerfassung fanden nun auch Bauten der 1950er Jahre regulär eine Aufnahme, wie bspw. die Freiburger Tankstelle der Firma Borg- ward mit Café, Autohaus und Wartungshallen von 1951 (Abb. 4), der Stuttgarter Fernsehturm von 1954 bis 1956 oder der Überlinger Kursaal von 1954 (Abb. 5).

Junge Kulturdenkmale der 1960er Jahre

In den 1980er Jahren kam es auch zum „Erstkon - 7 Feldberg, Kirche Ver- takt“ mit Bauten der 1960er Jahre. Mit dem Haus klärung Christi, 1962/63 Domnick in Nürtingen wurde 1982 nicht nur eines nach Entwürfen des der ersten Gebäude dieser Zeit als Kulturdenkmal Architekten Rainer Disse. erkannt, sondern auch die darin untergebrachte 1986 als Kulturdenkmal Privatsammlung moderner Kunst in Sachgesamt- erfasst. Foto: 2017.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 21 8 Bad Buchau, Federsee- museum nach Entwurf Manfred Lehmbrucks, 1965–67. 1992 als Kulturdenkmal erkannt. Foto: 2014.

Regelhafter fanden Bauten der 1960er Jahre dann im Rahmen der flächendeckenden Listenerfassung der 1990er Jahre Eingang in die jeweiligen Ver- zeichnisse. Ausgewählt wurden Bauten, deren Bauaufgaben hervorgehoben, deren Architekten renommiert oder deren architektonische Gestalt außergewöhnlich war. Beispiele sind das Feder- seemuseum in Bad Buchau von Manfred Lehm- bruck aus den Jahren 1965 bis 1967 (Abb. 8) oder repräsentative Wohnbauten namhafter Architek- ten wie Max Bächer (Haus Hutt in Gerlingen) oder Chen Kuen Lee (Haus Schmidt in Giengen an der Brenz).

Junge Kulturdenkmale der 1970er Jahre

Auch erste Bauzeugnisse der Zeit um oder ab 1970 fanden in den späten 1990er Jahren Aufnahme 9 Mannheim, Multihalle sind die bauzeitlichen Oberflächen – vermutlich in die Denkmalverzeichnisse. Im Jahr 1998 wurde nach Entwürfen Carlfried aufgrund der frühen Aufnahme in das Denkmal- bspw. die Mannheimer Multihalle als Kulturdenk- Mutschlers, Joachim buch – in vorbildlicher Weise überliefert. Ein weite- mal ausgewiesen. Es handelt sich dabei um eine Langners und Frei Ottos, res junges Kulturdenkmal dieser Zeit ist etwa die von den Architekten Carlfried Mutschler und Joa- 1974–75. 1998 als 1960 bis 1962 errichtete und 1983 in das Denk- chim Langner sowie dem Tragwerksplaner Frei Kulturdenkmal erkannt. malverzeichnis aufgenommene Mensa I in Freiburg, Otto 1974/75 für die Bundesgartenschau realisier - Foto: 2016. die sich als weitgehend verglaster Stahlquader- te freitragende Holzgitterschale über amorphem Flachdachbau durch moderne Baumaterialien wie Grundriss (Abb. 9). Die Gewölbeschale des orga- Sichtbeton, Keramik, Glas und Metall und durch nisch in eine künstliche Hügellandschaft einge- die kühne Konstruktion als Stahlskelettbau mit au- betteten Hallenbaues wurde im Zuge eines innova - ßen liegenden Trägern auszeichnet. Auch die tiven Übertragungsverfahrens aus einem Hänge- 1962/63 errichtete Kirche Verklärung Christi auf modell abgeleitet. Es handelt sich um die größte dem Feldberg vom Karlsruher Architekten Rainer druckbeanspruchte Holzgitterschalenkonstruktion Disse wurde 1986 als eines der frühen Kultur- der Welt und eine der bedeutendsten Raumschöp- denkmale der 1960er Jahre erfasst (Abb. 7). Das fungen Frei Ottos. wirkungsvoll in Hanglandschaft gesetzte Gebäude Regelhafter fanden Gebäude der 1960er und steht für die neue Formfindung im Sakralbau, die 1970er Jahre im Rahmen verschiedener Pilotpro- durch neue Baumaterialen (hier Beton, Glas, Eisen jekte des Landesamts für Denkmalpflege Auf- und offen gezeigtes Holztragwerk) ebenso ermög - nahme in die Denkmalverzeichnisse (vgl. hierzu licht wurde wie durch eine neue Offenheit der Meyder 2013). 2009 bis 2012 befasste man sich kirchlichen Institutionen. für den Regierungsbezirk Stuttgart bspw. umfas-

22 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 send und erstmals systematisch mit verdichtetem Wohnungsbau (Abb. 10), 2010 bis 2014 mit Ver- waltungsbauten, aber auch mit Schulen und Uni- versitätsbauten. 2017 bis 2018 – nun für das ge- samte Land – mit Sakralbauten.

Junge Kulturdenkmale der 1980er und 1990er Jahre

Vor einigen Jahren begann die Beschäftigung mit der Architektur der 1980er Jahre, mit der sog. Post- moderne. Ein richtungsweisendes Zeugnis der Postmoderne ist die Stuttgarter Staatsgalerie (Abb. 11), die nicht nur eines der ersten Baudenk- male der 1980er Jahre in einem Kulturdenkmal- verzeichnis in Baden-Württemberg darstellt, son- scher Rang, Beispielhaftigkeit usw. unbestritten 10 Stuttgart-Hofen, dern zugleich ein Präzedenzfall für den Umgang sind (z.B. Fernsehturm in Stuttgart, ehemalige Wohnplatz Neugereut, mit zeitlichen Erfassungsgrenzen und ein Extrem- Hochschule für Gestaltung in Ulm, neue Staats- Reihenhausanlage fall in der Geschichte der Denkmalerfassung ist. galerie in Stuttgart).“ (Zitat nach Strobl/ Majocco/ Zacken dachhäuser, Der 1984 vom Büro James Stirling im Auftrag des Birn 1989, S. 38). 1972–75 nach Entwurf Peter Fallers und Her- Landes Baden-Württemberg errichtete städtebau- Jüngst sind auch einige Gebäude der 1990er Jahre mann Schröders. 2011 lich anspruchsvolle und mit baugeschichtlichen Zi- als Kulturdenkmale erkannt worden – die beob- als Kulturdenkmal er- taten angereicherte Erweiterungsbau der alten achtete Zeitschwelle von etwa 25 Jahren setzt sich kannt. Foto: 2011. Staatsgalerie wurde bereits wenige Jahre nach sei- auch hier fort. In Ulm ist das 1986 bis 1993 ver- ner Fertigstellung als Kulturdenkmal erkannt. Im wirklichte Stadthaus des New Yorker Stararchitek- Kommentar zum Denkmalschutzgesetz aus dem ten Richard Meier 2018 als Kulturdenkmal von be- Jahr 1989 wird die neue Staatsgalerie – 5 Jahre sonderer Bedeutung begründet worden (Abb. 12). nach ihrer Einweihung – als Beispiel für den Um- Es handelt sich um einen wichtigen Vertreter ei- gang mit Zeitgrenzen als Kulturdenkmal benannt: ner Gegenbewegung zur Postmoderne in den spä- 11 Stuttgart, Neue „Die noch andauernde Produktion eines noch ten 1980er Jahren, der die Ambivalenz dieser Epo- Staatsgalerie, Erweite - nicht abgeschlossenen Zeitabschnitts erlaubt es in che dokumentiert. Das Gebäude ist in prominen- rungsbau nach Plänen der Regel nicht, die bedeutenden Leistungen zu ter Lage, in direkter Umgebung vor dem Münster des Büros James Stirling, bestimmen. […] So dürfte nur im Ausnahmefall bei entstanden und stellt zugleich ein städtebauliches 1984. 1989 als Kultur- Werken einer gegenwärtigen Periode die Denk- wie platzgestalterisches Konzept in Abstimmung denkmal erkannt. Foto: maleigenschaft zu bejahen sein, wenn künstleri- mit der damaligen Denkmalpflege dar. 2016.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 23 Literatur

Stefan Kleineschulte/ Detlef Knipping: Deutschland. Ein Überblick zur Denkmalerfassung von Bauten des Brutalismus, in: Oliver Elser/ Philip Kurz/ Peter Cachola Schmal: SOS Brutalismus. Eine internationale Be- standsaufnahme, Zürich 2017. Martin Hahn/ Clemens Kieser/ Melanie Mertens: Pro- jekt Youngtimer. Denkmalwerte der 1980er Jahre – eine Annäherung, in: Denkmalpflege in Baden-Würt- temberg 45/2, 2016, S. 82–89. Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Beton, Glas und Büffelleder. Verwalten in Denkmalen der 1960er und 1970er Jahre im Regierungsbezirk Stuttgart, Lan- desamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart Arbeitsheft 30, Stuttgart 2014. Simone Meyder: Sichtbeton, Faserzement/ Glas. Kul- turdenkmale der 1960er und 1970er Jahre, in: Denk- malpflege in Baden-Württemberg 42/4, 2013, S. 227– 232. Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bun - desrepublik Deutschland: Zwischen Scheibe und Wa - be. Verwaltungsbauten der Sechzigerjahre als Denk- male, Berichte zu Forschung und Praxis der Denk- malpflege, Bd. 19, Wiesbaden 2012. Ulrike Plate: Denkmalkunde – eine zentrale Aufgabe 12 Ulm, Stadthaus nach Fazit und Ausblick für Denkmalschutz und Denkmalpflege, in: Denkmal- Entwurf Richard Meiers, pflege in Baden-Württemberg 38/2, 2009, S. 68–74. 1986– 1993. 2018 als „Junge“ Kulturdenkmale sind keine neue Erschei- Heinz Strobl/ Ulrich Majocco/Helmut Birn: Denkmal- Kulturdenkmal erkannt. nung, sondern ein seit Langem bekanntes Phäno- schutzgesetz für Baden-Württemberg. Kommentar Foto: 2018. men der Denkmalpflege, die immer wieder neu mit ergänzenden Rechts- und Verwaltungsvorschrif- mit Zeitschwellen konfrontiert ist. Unsere heutigen ten, Stuttgart 1989. jungen Kulturdenkmale sind erst dabei, als kultu- Volker Osteneck: Über den inventarisatorischen Um- relles Erbe entdeckt zu werden, ein Prozess, der gang mit der Architektur nach 1945. Oder: Wie alt von jeher parallel zu der bereits einsetzenden Ge- müssen Kulturdenkmale sein, in: Denkmalpflege in fährdung dieser baukulturellen Zeugnisse von stat- Baden-Württemberg 17/2, 1988, S. 80–85. ten geht. Beginnende Akzeptanz und drohender Eberhard Grunsky: Zur Denkmalbedeutung der Stutt- Abbruch stehen in einem spannungsreichen Ver- garter Liederhalle, in: Denkmalpflege in Baden-Würt- hältnis: Denn auch junge Kulturdenkmale sind temberg 16/2,1987, S. 91– 111. eben nicht „forever young“. Eine kontinuierliche Eberhard Grunsky: Zur „Entdeckung“ historistischer Aufgabe der Denkmalpflege stellt daher die weiter- Architektur als Problem der Denkmalpflege, in: Denk- führende Vertiefung unserer Kenntnis jüngerer Ar- malpflege in Baden-Württemberg 12/2,1983, S. 96– chitekturepochen sowie deren Vermittlung an die 104. Öffentlichkeit dar. Wie auch frühere Generationen Richard Strobel: Zur Inventarisationsgeschichte des von Denkmalpflegern, stehen auch wir künftig vor 19. Jahrhunderts in Baden-Württemberg, in: Denkmal- der Herausforderung, neue Denkmal-Zeitschich- pflege in Baden-Württemberg 12/2, 1983, S. 59–65. ten zu erkennen, zu erforschen und zu schützen. Sicher werden daher auch in den nächsten Jahren Dr. Jörg Widmaier und Jahrzehnten an dieser Stelle immer wieder Landesamt für Denkmalpflege neue junge Kulturdenkmale vorgestellt werden. im Regierungspräsidium Stuttgart

24 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 Spitzentechnologie einst und jetzt Ausgerüstet: Der Turmhelm des Münsters Unserer Lieben Frau in Freiburg

Seit 2006 war der Turmhelm eingerüstet, denn die kühne mittelalterliche Konstruktion war an bedeutenden Stellen geschwächt, die Gesamtstatik des Turmes in Gefahr. Als Grundlagenermittlung und zur Schadenserfassung er- stellte ein Ingenieurbüro in Zusammenarbeit mit Prüfstatiker, Restauratoren, Steinmetzen der Münsterbauhütte und dem Landesamt für Denkmalpflege ein Tragwerksmodell. An konstruktiven Knotenpunkten der Turmpyramide muss- ten Auswechslungen tragender Steine vorgenommen werden. Nach zwölf Jahren kamen diese Arbeiten 2018 endlich zum Abschluss.

Dagmar Zimdars

Kunstwerk alterliche Konstruktion war nachweisbar an be- deutenden Punkten geschwächt. Es bestand drin- Die gesamte fragile Schönheit des Freiburger gender Handlungsbedarf. Münsterturms ist seit Herbst 2018 erstmals seit zwölf Jahren wieder zu erleben. Der Münsterturm Steinansprache ist einer der ganz wenigen im Mittelalter (um 1320) fertiggestellten Turmbauten. Der zierliche Am Turmbauwerk wurden in der Folge gravie- Maßwerkhelm verleiht ihm seine Einzigartigkeit rende Schädigungen der Werksteine entdeckt. Bit- und ist der Grund für seine hohe baukünstlerische ter war die Erkenntnis, dass die Qualität des 1920 Bedeutung. „Das Münster ist zwar als Kunstwerk sowie 1960 für neue Krabben und Fialen geschla- und als Überbringer einer christlichen Botschaft genen Allmendsberger und Freudenstädter Sand- vollendet, bewahrt dabei aber den Charme des Un- steins sehr zu wünschen übrig ließ. Es handelte fertigen, muss seine bauliche und seine ideelle Sub- sich dabei in der Hauptsache um die Westseite des stanz immer wieder in der Gegenwart behaupten Turmes. Sie ist der Witterung extrem ausgesetzt und für die Gegenwart fortentwickeln.“ (Abb. 1.) und durch historische Vorschädigungen wie Blitz- 2005 und erneut 2009 lösten sich am Turmhelm einschläge vorbelastet. Als Sofortmaßnahme Maßwerkteile und fielen herab. Die kühne mittel- wurde ein Schutzgerüst gestellt. Dramatische Ver-

1 Turmspitze. Herbst 2017.

25 griffe beitrugen. Als Ergebnis stand fest, dass an Teilen der wichtigen Knotenpunkte umfangreiche Auswechslungen der tragenden Steine vorgenom- men sowie „Bandagen“ angebracht werden muss- ten. Ein zusätzliches externes Stützsystem, welches die Zugkräfte aufnimmt und ableitet, schien unaus - weichlich. Diese, das Erscheinungsbild erheblich beeinträchtigende Option, ist seit 2018 endgültig vom Tisch. Insgesamt gelang es, zum Umgang mit den Schäden am Stein, an den eisernen Ringan- kern und der historischen Konstruktion ein kon- servierendes Konzept zu entwickeln, in dem sich das Wissen und Können der Münsterbauhütte so- wie der Steinrestauratoren mit den Erfordernissen einer statischen Hightech-Ertüchtigung verband (Abb. 5).

Turmgespräche

2 Expertengespräch zur formungen an den Ecksteinen des Helms lenkten Die Expertengespräche mit der Münsterbauhütte Schadenskartierung vor 2010 das Augenmerk auf statische Probleme. Zum und den Restauratoren vor Ort zu Konstruktion, Ort. ersten Mal überhaupt war der Umgang mit sta- Statik, Stein, Farbfassungen sowie zu den Heraus - tisch verursachten Schadensbildern als große denk- forderungen der Baustelle führte in die Tiefe des malfachliche Herausforderung an der Münster- steinernen Kleinods selbst. Überraschungen und baustelle Thema. Die Gutachten über den statisch- Entdeckungen ließen nie lange auf sich warten. Be- konstruktiven Zustand konstatierten in den acht eindruckend war der Konsens, mit fachkundigem Ecksteinen besorgniserregende Risse, und zwar ge- Augenmaß auf einer so komplexen Baustelle keine nau an den Punkten, wo Ringanker auf Ringan- vorschnellen Entscheidungen zu treffen. Die Ver- ker treffen und die Kraftübertragung zwischen Ei- mittlung von Spezialwissen brauchte Zeit, erfor- sen und Stein am wirksamsten sein muss. Schäden derte Kommunikation und Moderation. Mit dieser am konstruktiven Gefüge verursachen meist Stein- Haltung meistert zeitgemäße Denkmalpflege kom- schäden, wozu Deformationen, Rissbildungen, plexe Spezialkenntnisse in Mitverantwortung für Klaffungen sowie Abplatzungen an allen kon- das fragile kulturelle Erbe und für den sinnvollen struktiv wirksamen Bauteilen gehören. Für die Er- Einsatz der öffentlichen Fördermittel. Mit dem Ein- haltungsmaßnahmen am Turmhelm war deshalb satz, der Hilfe und durch das Können bauforschen - Eile geboten (Abb. 2). der, ingenieurtechnischer und handwerklicher Methoden wissen wir heute über den Freiburger Denkpause Schadenserkundung Turmhelm ungeheuer viel: Wie er als Konstruktion gedacht ist und wie diese wohl auf Wirkung bau- Nach den Ursachen für die statischen Risse wurde künstlerisch gezielt geplant und „versteinert“ um- intensiv und aufwendig geforscht. Ein Ingenieur- gesetzt ist. büro mit dem Schwerpunkt auf mittelalterliche Konstruktionen errechnete bspw. in interdiszipli- Bandagen aus Titan närer Zusammenarbeit mit Prüfstatiker, Münster- bauhütte und der Landesdenkmalpflege erstmals Die Instandsetzungsmaßnahmen beziehen sich ein Tragwerksmodell für die einzigartige Helm- auf folgende Bereiche: eiserne Ringanker, Maß- konstruktion. 2012 entschieden alle Beteiligten werke, Ecksteine, Gurte und Fugen. Dazu zählen einvernehmlich, sich für die Analyse der Schadens- Reinigung, Konservierung und Auswechslungen bilder nochmals Zeit zu nehmen und in Ruhe Stein der geschädigten Steine, zeitintensive Fugensi- für Stein vor dem Hintergrund der Gesamtscha- cherung und -pflege sowie Konservierung der frei- densproblematik vertiefend anzuschauen. In die- liegenden Teile des Ringankers. Zentral war die Er- sem Zusammenhang fiel die wegweisende Befür- tüchtigung der konstruktiven Knotenpunkte des wortung, den Grad der Fragmentierung des Helms Turmhelmes. Glücklicherweise musste nur eine ver- über eine virtuelle 3D-Computermodellierung zu hältnismäßig geringe Zahl an Ecksteinen vollstän- bestimmen (Abb. 3). Dieser „Denkpause“ ist es zu dig ersetzt werden. Der Austausch dieser zu stark verdanken, dass präventiv neue methodische und geschädigten Strebensteine erforderte eine auf- handwerkliche Ansätze entwickelt wurden, die wendige Subkonstruktion, mussten doch die aus- schlussendlich zur Minimierung der nötigen Ein- gebauten Stücke mit Unterfangungen und Ab-

26 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 strebungen temporär ersetzt werden. Weniger wurden keine Kosten und Mühen gescheut, die 3 Baustellensicherung stark geschädigte Ecksteine wurden steinmetz- historischen Informationen des Bauwerks abzu- und 3D-Plan. technisch und konservierend sowie mit Titanstä- fragen, sie zu dokumentieren und fortzuschreiben. ben und Titanplatten gesichert (Abb. 4). Dabei Diese Vorgehensweise diente der schonenden, ma- 4 Titanplatten außen. wurden Gewindestangen diagonal über Kreuz terialgerechten, am Befund angelehnten Ausbil- 5 Fugenpflege. durch die Ecksteine geführt und mit einem Titan- dung von Austausch- bzw. Ergänzungsteilen. Ne- schuh innen und einer Titanplatte außen ver- ben präventiv angelegten Instandsetzungsdetails, spannt. Nicht nur die Bohrungen für die Stäbe er- die situationsbezogen im Bauprozess modifiziert forderten ein hohes Maß an Präzision, auch der werden konnten, trugen bewährte Reparatur-, Umgang mit dem Erscheinungsbild der störend sil- und Konservierungstechniken sowie innovative In- berglänzenden Titanplatten stellte hohe Ansprü- genieurkunst zum Gelingen der Sanierung bei. Auf che an deren technische Fertigung. Schlussendlich der Basis einer Datenbank waren ferner Dauer- konnte mit der anthrazitfarbigen Oberflächenver- haftigkeit und Reversibilität der Maßnahmen wich- edelung und der größtmöglichen Minimierung der tige Ziele. Der am Freiburger Turmhelm einge- „Bandagen“ in der Nah- und Fernsicht des Helmes schlagene Weg und die erzielten Ergebnisse haben ein Optimum erzielt werden. Auch in diesen De- für Denkmalobjekte dieser Größenordnung über tails bewies die Baustelle Turm technologische und Baden-Württemberg hinaus Vorbildcharakter. handwerkliche Spitzenleistungen. Literatur und Quelle Finanzierung Münsterbauverein Freiburg (Hrsg.): Wir bauten mit! Aus Mitteln von Toto und Lotto sowie aus dem Die große Sanierung des Freiburger Münsters, Frei- Gutachtertopf des Landesamtes für Denkmal- burg 2018. pflege flossen für die Gerüststellung, Voruntersu- Paul Kirchhof: Freiburger Bürger und ihr WahrZeichen. chungen und für die Konservierungsmaßnahmen Festrede anlässlich des 125-jährigen Bestehens des am Turm Gelder in Höhe von ca. 1500 000 Euro. Freiburger Münsterbauvereins. Freiburg 2015, S. 10. Die Kosten für die Erstellung der aufwendigen Da- Dagmar Zimdars/ Otto Wölbert (Hrsg.): Der Turmhelm tenbank sind darin nicht enthalten. Die Deutsche des Münsters Unserer Lieben Frau in Freiburg, Lan- Stiftung Denkmalschutz in Bonn stellte ebenfalls desdenkmalpflege Baden-Württemberg Arbeitsheft Mittel zur Verfügung. 27, Stuttgart 2014.

Denkmalfachliches Fazit Dr. Dagmar Zimdars Für die Erhaltung des Freiburger Turmwunders war Landesamt für Denkmalpflege der gesammelte Sachverstand vieler Disziplinen ge- im Regierungspräsidium Stuttgart fragt. Für die zwölf Jahre dauernde Instandsetzung Dienstsitz Freiburg

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 27 Neue Nutzung im Bischofsschloss Im Team zum Konzept

Das ehemalige Fürstbischöfliche Schloss in Markdorf (Bodenseekreis) wurde in den späten 1980er Jahren in eine Hotelanlage umgebaut. Dreißig Jahre später plante die Stadt Markdorf, ihr Rathaus in die stadtbildprägende und identitätsstiftende Schlossanlage zu verlegen. Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die heutigen Anforderungen einer öffentlichen Nutzung mit denk- malpflegerischen Belangen in Übereinstimmung zu bringen. Dies gilt umso mehr, wenn das betroffene Kulturdenkmal in der Vergangenheit bereits eine grundlegende Umnutzung „durchgemacht“ hat. Die frühzeitige Zusam- menarbeit mit der Landesdenkmalpflege und einem in der Denkmalpflege erfahrenen Partnerfeld war bei der notwendigen Analyse des Bestandes wesentlich. Die im intensiven Austausch der Fachdisziplinen gemeinsam vertieften Kenntnisse führten zu einer großen Sensibilität aller Beteiligten gegenüber dem Bestand und eröff neten Wege zu einem denkmalgerechten Konzept.

Martina Goerlich Glossar

Raumbuch Das ehemalige Fürstbischöfliche Schloss mit dem seinem charakteristischen Mittelrisalit, wurde 1735 Das Raumbuch ist ein wich- fünfgeschossigen Wohnturm ist ein Kulturdenk- nach Plänen Johann Caspar Bagnatos nördlich vom tiges Werkzeug für die Do- mal von landesweiter Bedeutung und Wahrzei- Turm, im Anschluss an die westliche Stadtmauer kumentation und Planung. chen der Stadt Markdorf. Die Schlossanlage geht über den Fundamenten eines Vorgängerbaus er- Es baut auf der historischen Bauaufnahme auf. Jedes auf eine Burg zurück, die 1414 zusammen mit der richtet und im Rokokostil ausgestattet. Die Schloss- Blatt des Raumbuches ent- Herrschaft über die Stadt an die Fürstbischöfe von scheuer an der südlichen Stadtmauer ließ der Fürst- hält den Objektnamen, die Konstanz fiel. Bis heute ist die Anlage geprägt von bischof zur Hofseite erneuern und mit einem Raumnummer, die Blatt- den letzten fürstbischöflichen Baumaßnahmen der mächtigen Walmdach versehen. 1803 gingen nummer, Angaben zu Bear- Jahre 1730 bis 1740 unter Johann Franz Schenk Schloss und Stadt zusammen mit dem Fürstbistum beiter und Zeitraum der von Stauffenberg: Der Schlossturm erhielt damals Konstanz an das Großherzogtum Baden über. Seit Herstellung, einen einge- eine Ausstattung mit Stuckdecken und Wand - der Mitte des 19. Jahrhunderts im Besitz mehrerer stellten kleinen Grundriss mit Markierung des betref- malereien. Das Neue Schloss, der sog. Langbau mit Eigentümer, wurden die vernachlässigten Schloss- fenden Raums zur Orientie- rung sowie die Bezeich- nung der Wände, Türen, Fenster. Bestand und Schä- den werden je Raum er- fasst und mit den daraus resultierenden bzw. ge- planten Maßnahmen zu- sammengeführt.

1 Das Bischofsschloss aus der Luft von Nord- osten gesehen: links die Schlossscheuer, in der Mitte der Schlossturm, rechts das Neue Schloss, das um 1735 auf alter Gründung entlang der westlichen Stadtmauer erbaut wurde.

28 bauten von 1980 bis 1990 zu einer Hotelanlage scheinungsbilds der weithin sichtbaren Silhouette 2 Der Bauphasenplan umgebaut. Die dafür entkernte Scheuer erhielt da- der Schlossanlage, also auch die Erhaltung der Ku- der Erdgeschossebene mals aufgrund der denkmalpflegerischen Forde- batur der Schlossscheuer, heute immer noch ein aus der historischen rung nach Tradierung des Erscheinungsbildes ein wesentliches Anliegen der Denkmalpflege ist. Zum Bestandsaufnahme von neues Walmdach nach historischer Vorgabe – Baubestand selbst war wenig bekannt. Eine Do- Andrea Kuch aus dem Jahr 2017. wenn auch versehen mit vielen Gauben zur Belich- kumentation des Umbaus zum Hotel nach heuti- tung der Hotelzimmer (Abb. 1). gem Standard lag nicht vor, nur ein bebilderter Be- richt in einer Broschüre zum Abschluss der dama- Rathaus statt Schlosshotel? ligen Stadtsanierung. Denkmalpflege und Stadt waren sich nach einem ersten gemeinsamen Rund- Als die Stadt Markdorf im Jahr 2015 als Teileigen- gang durch den Gebäudekomplex einig, dass für tümerin des ehemaligen Bischofsschlosses das An- die Entwicklung einer denkmalgerechten Planung gebot erhielt, den Hotelkomplex vollständig zu er- die genaue Kenntnis des Bestandes unverzichtbar werben, gab sie bei einem Träger für Kommunal- sei. Die Stadt Markdorf gab in Abstimmung mit der entwicklung eine Machbarkeitsstudie zur Nutzung Denkmalpflege im Januar 2016 eine historische Be- der Anlage als Rathaus in Auftrag. Die Studie, ei- standsaufnahme mit verformungsgerechtem Auf- gentlich ein Flächenlayout zur Unterbringung der maß und restauratorischer Bestandsklärung in Auf- Stadtverwaltung, sah umfangreiche bauliche Ein- trag. Wie die Machbarkeitsstudie des Sanierungs- griffe in allen Gebäuden vor, unter anderem einen trägers umfasste sie alle Bauten und Freiflächen. großen Neubau an der Stelle der Schlossscheuer, von der man annahm, dass es sich hierbei um ei- Ergebnisse der Bauforschung nen Bau von 1985 handele. Nach Billigung der Stu- die durch den Gemeinderat im Dezember 2015 Die Bauforschung erfolgte unter erschwerten Be- wurde das Landesamt für Denkmalpflege erstmals dingungen in einzelnen Etappen bei laufendem hinzugezogen. Hotelbetrieb und deshalb zunächst ohne restau- ratorische Begleitung. Die Ergebnisse lagen im Juni Vorbehalte und Klärungsbedarf 2016 vor und zeigten, dass denkmalrelevante Bau- substanz in weit höherem Maß als angenommen Schon beim ersten Gespräch machte die Denk- überliefert ist und viel weiter zurückreicht als bis- malpflege deutlich, dass die Tradierung des Er- her bekannt (Abb. 2). Die Burg des 11. Jahrhun-

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 29 die kooperative Herangehensweise an das Projekt „Rathaus im Bischofsschloss“ gestellt. Die Denk- malpflege wirkte an der Vorbereitung und Durch- führung des nicht offenen Planungswettbewerbs sowie an der Formulierung der Planungsziele mit. Die historische Bauaufnahme mit Aufmaß, Bericht und Bauphasenplänen sowie die denkmalfachliche Beurteilung der einzelnen Baulichkeiten der Schloss- anlage waren wesentlicher Bestandteil der Auslo- bungsunterlagen für den Wettbewerb, der nach vorgeschaltetem Teilnehmerwettbewerb im Januar 2017 stattfand. Alle Teilnehmer des Planungswett- bewerbs hatten sich mit dem historischen Bestand intensiv auseinandergesetzt. Der Entwurf des Ulmer Büros Braunger Wörtz Architekten erhielt den ers- ten Preis, weil es ihm nach Ansicht des Preisgerichts besonders gut gelungen war, die Schlossanlage un- ter Tradierung ihrer charakteristischen historischen Silhouette in ein zeitgemäßes öffentliches Haus zu verwandeln (Abb. 5).

Das (Um)Nutzungskonzept

Die bisherige Hotelnutzung kam der Planung für eine Rathausnutzung entgegen. Vorgesehen wa- ren folgende Punkte: Das Neue Schloss mit dem re- präsentativen Eingang über zweiläufiger Treppe, bereits vorhandenem Aufzug an der westlichen Stadtmauer und barrierearmen Zugang über Erd- geschoss und den bestehenden Aufzug des Bi- schofsturms wird Sitz des Bürgermeisters und des Hauptamts. Der Hauptzugang erfolgt durch das barocke Rundbogentor der Schlossscheuer, die unter Erhalt ihrer historischen Außenmauern neu errichtet wird. Im dortigen Erdgeschoss liegt das Bürgerbüro als erste Anlaufstelle. Das für das Ge- samtbild so relevante neue, weitgehend geschlos - 3 Der Längsschnitt vom derts zeichnet sich im Untergeschoss und Erdge- sene Walmdach nimmt den großen Bürgersaal auf, Schlossturm mit Bau- schoss von Turm und Neuem Schloss noch deutlich der über eine erneuerte Steintreppe zwischen phasenkartierung, ab. Das Holz für das mächtige Traggerüst im Turm Scheuer und Turm auch von außen zu erreichen ist. Andrea Kuch 2016. wurde im Winter 1318 geschlagen (Abb. 3). Die Der Turm beherbergt wie bisher im Erdgeschoss barocken Stuckdecken in Turm und Neuem Schloss eine Gastronomie, in den drei folgenden oberen sind samt Deckenkonstruktion in situ erhalten. Die Geschossen liegen die Räume der Bauverwaltung. Außenmauern der Schlossscheuer sind 1985 nicht Dringender Wunsch der Stadt war, dass der in der neu aufgeführt worden, sondern gehören im Sü- Bevölkerung so beliebte „Rittersaal“ im 4. Ober- den der Stadtbefestigung des 13. Jahrhunderts geschoss barrierefrei zu erreichen ist (Abb. 6). und östlich der Schlossmauer des 16. Jahrhunderts an. Ein Teil der nördlichen Scheuerwand samt Tor- Annäherung an ein intensiv genutztes und Türgewänden stammt von 1740 (Abb. 4). Kulturdenkmal Diese Erkenntnisse führten 2016 zu einer neuen Benennung des Schutzumfangs und zum Eintrag Mit Ende des Hotelbetriebs begann im Dezember als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung in 2017 ein Team aus Fachleuten mit einschlägigen das Denkmalbuch Baden-Württemberg. Erfahrungen im Umgang mit Kulturdenkmalen die Grundlagenermittlung. Stadtbauamt und Planer Der Planungswettbewerb stimmten die Vorgehensweise eng mit praktischer Denkmalpflege und Mittelalterarchäologie, Res- Mit der frühzeitigen Beteiligung der Denkmal- taurierung und Bauforschung am Landesamt für pflege hatte die Stadt Markdorf die Weichen für Denkmalpflege ab. Die bereits involvierte Baufor-

30 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 scherin begleitete zusammen mit freien Restaura- Architekten unter Berücksichtigung aller organi- 4 Die Hofseite der toren für Holzbau, Holzausstattung, Putz und satorischen und brandschutzrechtlichen Anforde- Schlossscheuer mit Ge- Wandfassung sowie Naturstein die bauteilbezoge- rungen mehrere Varianten für den Aufzugstand- wänden der Barockzeit. nen Untersuchungen in Sachen Statik, Bauphysik ort im Turm vor. Bis auf eine hätten alle Varianten Die Treppe hinauf zum und Brandschutz. Bei der Kostenermittlung wurde die Geschossdecken an bislang ungestörten Stel- oberen Eingang des Schlossturms wurde 1985 dem Grundsatz einer erhaltenden Instandsetzung len durchstoßen – unter anderem die Deckenbal- an alter Stelle neu errich- und Ertüchtigung beziehungsweise Restaurierung kenlage des 14. Jahrhunderts im Erdgeschoss. tet. Sie soll im Zuge des der jeweiligen Bauteile gefolgt: vom Dach- und Nicht nur für die Denkmalpflege war keine dieser Umbaus zum Rathaus Tragwerk über Raumschale und Stuckdecken, die neuen Varianten eine Option. Die gemeinsame Be- nochmals erneuert wer- wandfeste Holzausstattung – darunter die Fenster standsuntersuchung von Bauforscherin und Stati- den. Rechts neben dem aus der Zeit des Hotelumbaus mit ihren glastei- ker zeigte schließlich, dass der bestehende Auf- Rundbogentor ist die lenden Sprossen – bis zum Natur steinboden und zugsschacht für die Statik des Turms ganz we- Musterfläche mit zwei Backsteingewölbe. sentlich ist: Die Betondecken wurden 1985 unter Putzmustern unterschied- Mit der vertieften Bestandsuntersuchung wurde Erhalt mittelalterlicher Balkendecken und barocker licher Körnung und Ober- die Dokumentation der Umbaumaßnahmen der Stuckdecken eingezogen und binden an ihn an. Ei- flächenbearbeitung zu er- kennen. 1980er Jahre quasi nachgeholt und in Sondie- nen neuen Aufzugsschacht an anderer Stelle zu rungsplan und Raumbuch festgehalten. Die Unter- bauen hätte nicht nur große Verluste an überlie- 5 Die Südansicht des suchungsergebnisse zeigen zwar, welche Verluste ferter denkmalrelevanter Substanz mit sich ge- Schlosses im Siegerent- das Schloss erlitten hat. Aber sie identifizierten glei- bracht, sondern statisch und wirtschaftlich einen wurf des Planungswett- chermaßen die Bereiche, in denen erhaltenswerte unverhältnismäßig großen Aufwand bedeutet. bewerbs 2017, Braunger und erhaltensfähige Substanz gesichert, repariert Mit der Entscheidung, den bestehenden Aufzug- Wörtz Architekten, Ulm. und ertüchtigt worden war – beispielsweise sind schacht nach oben zu verlängern, galt es nun, im Bemerkenswert ist die ru- historische Geschossbalkenlagen und -decken nächsten Schritt, eine Lösung zu finden, die nicht hige Gesamthaltung der auch in nicht einsehbaren Situationen samt dazu- in die angrenzende Stuckdecke eingreift, die An- Schlossscheuer, die unter gehörigen Putzdecken oder Einschubbrettern als forderungen des Brandschutzes nach Brandab- Erhalt ihrer historischen Außenwände neu errich- Befund erhalten. schnitten und einem sicheren Treppenhaus erfüllt tet werden wird. Das da- wie auch die notwendige Größe eines barriere- malige Gestaltungskon- Die Erschließung des Rittersaals als freien Aufzugs berücksichtigt. Gezielte Sondagen zept wurde inzwischen Beispiel für den interdisziplinären Weg belegten, was Fotos vom Turmumbau vermuten überarbeitet. Der 1985 der Konzeptfindung ließen: Die Wand zum Treppenhaus war 1985 neu freigelegte mittelalter - aufgeführt worden (Abb. 8). Sie wird jetzt mit ei- liche Mauerverband wird Am Beispiel der Herausforderung, den „Rittersaal“ nem geringeren Querschnitt neu erstellt und mit einen Putzauftrag gemäß im 4. Obergeschoss des Turms barrierefrei zu er- zwei neuen Zugängen zu Aufzug und Treppen- historischer Vorgabe er- schließen, wird die interdisziplinäre Zusammenar- haus versehen. Unter Erhalt des Bestandstrep- halten. Das Dach wird mit beit des Teams aus Planern, Fachingenieuren und penhauses konnte für den Brandschutz eine gebrannten Tonziegeln gedeckt – was der tradi- Denkmalpflege anschaulich. Der Turm hatte be- Lösung gefunden werden, die nur an wenigen Stel- tionellen Materialität und reits 1985 an der Stelle des historischen Treppen- len baulich eingreifen muss. Die Behindertenbe- der Empfehlung der aufgangs einen Aufzugsschacht mit umlaufendem auftragten der Stadt und des Landkreises tragen Wettbewerbsjury ent- Treppenhaus erhalten. Dieser endet unterhalb des das substanzschonende Konzept eines etwas klei- spricht. 3. Obergeschosses, des sog. „Barockgeschosses“ neren, die EU-Norm aber erfüllenden Aufzugs mit. mit den herrschaftlich-repräsentativen Stuckde- Die Denkmalpflege stellte erste Bedenken gegen cken, weil deren Zerstörung denkmalschutzrecht- die Veränderung des sog. „Audienzzimmers“ zu lich nicht zugelassen worden war (vgl. Abb. 3). In einer Art Foyer zurück. Seine Stuckdecke mit den Weiterentwicklung ihres Siegerentwurfs legten die Insignien geistlicher Herrschaft bleibt ohne Stö-

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 31 dass ein Putzauftrag nach historischer Vorgabe für die Gestaltung der Stadt- und Schlossmauer die richtige Wahl ist (Abb. 10). Die beim Umbau in die Stadtmauer eingebrochenen großen Fensteröff- nungen sollen jetzt mit Leichtbeton geschlossen werden, der in Zusammensetzung und Farbge- bung dem Putzmörtel entspricht. Mit dieser Ent- scheidung hat sich die ursprünglich vorgesehene neue Dachdeckung der Scheuer erledigt. Statt Fa- serzementplatten wird das Dach eine Deckung aus gebrannten Tonziegeln erhalten – was der tradi- tionellen Materialität der Fassaden, der Empfeh- lung der Wettbewerbsjury und nicht zuletzt der Auffassung der Denkmalpflege entspricht. Die Putzfassaden mit Steingliederung von Turm und Neuem Schloss müssen lediglich instandgesetzt werden, wobei der in den 1980er Jahren als Ersatz für den bauzeitlichen grauen Molassesandstein eingebaute Pietra Serena mangels Haltbarkeit an vielen Stellen ausgetauscht werden muss (Abb. 7).

Bilanz und Ausblick

Schon im Vorfeld der Genehmigungsplanung konn- ten im Austausch zwischen Bauherrschaft, Planern, 6 Der Rittersaal nach rung erhalten und vor allem: Bauliche Eingriffe in Denkmalpflege und allen Fachdisziplinen mögliche seiner Fertigstellung alle übrigen denkmalrelevanten Geschossdecken Konfliktpunkte erkannt und geklärt werden. Der 1985. Im Bereich der finden nicht statt. aus Sicht der Denkmalpflege problematische erste Treppe wird der neue Rückbau- und Abbruchplan wurde in diesem Pro- Aufzug enden. Äußeres Erscheinungsbild zess der Verständigung erheblich entschärft und Materialwahl (Abb. 11). Mit der Klärung des Aufzugsstandorts im Turm bewältigte man die größte Herausforde- Die Planer hatten in dem Siegerentwurf ihre Ge- rung. Auf der Grundlage der Bauforschung, die als staltungsidee hinsichtlich Materialwahl und Farb- interdisziplinäre Bauuntersuchung weiterlief, er- gebung des Schlossensembles konkret formuliert. arbeitete man gemeinsam eine Planung, die den Die Putzfassaden mit Steingliederung von Turm denkmalrelevanten Bestand respektiert, ohne die und Neuem Schloss sollten bleiben. Die Steinsich- Funktionalität und den repräsentativen Anspruch tigkeit der Schlossscheuer wollten sie ebenfalls bei- behalten. Die neuen Wandabschnitte der Scheuer über den historischen Mauerverbänden wären nach ihrem Entwurf in Leichtbeton zu erstellen, der sich farblich an das graubraune Mischmauerwerk anlehnt. Das große neue Dach der Scheuer sollte eine Deckung mit Faserzementplatten in einem dazu passenden warmen Grau erhalten. Abb.reihenfolge Im Prozess des Erkenntnisgewinns über den Be- geändert stand und in Auseinandersetzung mit denkmal- fachlichen Auffassungen zu den Fragen der Form-, 7 Ortstermin der Stein- Werk- und Materialgerechtigkeit entstand aber restauratoren des Landes- beinahe wie von selbst ein neues Gestaltungs- amts für Denkmalpflege, konzept. Das Mischmauerwerk der Außenwände an dem die Untersu- der Scheuer war ursprünglich verputzt und erst chungsergebnisse zur 1985 freigelegt und neu verfugt worden (Abb. 9). Natursteingliederung der Unter Berücksichtigung des historischen Erschei- Fassaden vorgestellt und die darauf basierende nungsbilds, nach Aufdeckung von entsprechen- Maßnahmenvorschläge den Befunden an den Innenseiten und nach An- des Restaurators erörtert legen einer Musterfläche durch den Restaurator wurden. kamen die Beteiligten gemeinsam zu dem Schluss,

32 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 einer modernen Stadtverwaltung in Frage zu stel- len. Wesentlich für die effektive Zusammenarbeit waren mehrere Faktoren:

1. Bereits die Wettbewerbsunterlagen informier- ten ausführlich und nachvollziehbar über den denkmalrelevanten Bestand des ehemaligen Bi- schofsschlosses. 2. Die Würdigung des Siegerentwurfs durch das Preisgericht nannte die Leitlinien für den Um- gang mit dem Kulturdenkmal und brachte die preiswürdige Haltung der Architekten auf den Punkt: „Die Identität bewahren und behutsam an der Heimat weiterzubauen, zeugt von Res- pekt und Selbstbewusstsein – der Leitgedanke für die Konzeptidee.“ 3. Bauforschung und restauratorische Bestands- ligten bewusst, welchen Bewertungskriterien 8 Die Stuckdecke des klärung wurden von allen Beteiligten als grund- die jeweils anderen Disziplinen unterliegen. Da- ehemaligen Audienzzim- legende Informationsquelle akzeptiert – nicht raus entstand gegenseitiger Respekt, aber auch mers (Raum B 3.03) zeigt nur zum Wettbewerb und vor Planungsbeginn, neues Wissen über die jeweiligen methodischen die Insignien kirchlicher sondern vor allem auch als eine die Grundla- Standards. Macht. Die Sondage an der Nordwand belegt, genermittlung und die Planung begleitende In- 6. Die Planer suchten eine offene, respektvolle und dass 1985 an der Stelle stanz. Die Ergebnisse wurden nicht nur schrift- interdisziplinäre Kommunikation mit allen Be- der Fachwerkwand eine lich, sondern von den Gutachtern vor Ort am teiligten. In einem dialogbasierten, teamorien- massive Wand zum Objekt selbst vermittelt. tierten Prozess gelang es ihnen, die unter- Treppenhaus errichtet 4. Raumbuch und Sondierungsplan bündeln alle schiedlichen Anforderungen zu einer ausge- worden ist. erhobenen Informationen und sind ein wichti- wogenen und denkmalgerechten Planung ges Instrument für eine offene Kommunikation, zusammenzuführen. die alle Beteiligten auf den gleichen Wissens- stand bringt. Zu viel und zu frühes Lob? Als dieser Bericht bei der 5. Die Entwicklung und gemeinsame Diskussion Redaktion eingereicht wurde, standen wir vor dem von Varianten – so schmerzhaft oder aufwen- Antrag auf Baugenehmigung, der für Anfang dig sie manchmal auch sein mögen – waren un- 2019 geplant war. Das restauratorische Konzept verzichtbar in der prozesshaften Annäherung an und die Werkplanung waren noch gemeinsam im den richtigen Weg. An den Varianten konnten Detail zu entwickeln. Am 16. Dezember stoppte je- gemeinsam die jeweiligen Vor- und Nachteile er- doch ein Bürgerentscheid mit 5 Stimmen Mehrheit örtert werden. Gleichzeitig wurde allen Betei- die Pläne zum Umzug des Rathauses in das Bi-

9 Schlossturm und Scheuer des Bischofs- schlosses vor dem Umbau zum Hotel, Foto um 1950.

10 Musterfläche mit drei verschiedenen Mörtelmi- schungen in drei verschie- denen Antragungstechni- ken an der Stadtmauer des 13. Jahrhunderts zur Klärung des künftigen Er- scheinungsbilds. Die Pro- beflächen entsprechen Putz- bzw. Mörtelbefun- den an der Innenseite.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 33 11 Der Abbruch- und Neubauplan Stand Som- mer 2018, hier für die Ebene 0. Rückgebaut werden in erster Linie Ein- bauten der 1980er Jahre.

schofsschloss. Für eine alternative Nutzung gibt es Braunger Wörtz Architekten: Bischofsschloss Mark- noch kein Konzept. Das Bischofsschloss steht leer. dorf-Raumbuch, Ulm, März 2018. Welche Nutzungsideen in der Zukunft auch immer Andrea Kuch: Dokumentation der Sondierungen verfolgt werden, die Grundlagen für einen denk- 2018, unveröffentlichtes Manuskript, Zwiefaltendorf, malgerechten Umgang mit der bemerkenswerten März 2018. Schlossanlage sind erarbeitet und zu beachten. Herbert Eninger: Bestands-, Schadens- und Maßnah- Fortsetzung folgt. menbeschreibung von Fassadenputzen, Wandmale- rei und Stuckdecken, unveröffentlichtes Manuskript, Literatur und Quellen Unterwaldhausen, Februar 2018. LBBW Immobilien Kommunalentwicklung GmbH: Korkut Demirag: Der Architekt als Denkmalpfleger. Stadt Markdorf-Nichtoffener Planungswettbewerb Vom Umgang mit „Heiligen Kühen“, Vortrag im Rah- „Rathaus im Bischofschloss“, Broschüre zur Auslo- men der Tagung „Herausforderungen für Denkmal- bung, Stuttgart 2016. pflege und Restaurierung im 21. Jahrhundert. Akteure Andrea Kuch: Schloss Markdorf, Baudokumentation, im Dialog“, Ravensburg, Oktober 2018. Februar bis Mai 2016, unveröffentlichtes Manuskript, Herbert Eninger: Bestands-, Schadens- und Maßnah- Zwiefaltendorf 2016. menbeschreibung der Wandmalereien im Turm des Jürgen Michler: Stadtsanierung und Denkmalpflege, Bischofsschlosses Markdorf, unveröffentlichtes Ma- Bilder des Markdorfer Bischofsschlosses vor – wäh- nuskript, Unterwaldhausen, Oktober 2018. rend – und nach der Sanierung, in: Stadt Markdorf Braunger Wörtz Architekten: Rathaus im Bischofs- (Hrsg.), Die Erneuerung der historischen Innenstadt, schloss, Präsentation für die Gemeinderatssitzung am Markdorf 1986, S. 20–39. 13. 06. 2018, Teil 1 bis 5, Website der Stadt Markdorf, https:// www.markdorf.de/ index.php?id=549. Praktischer Hinweis Frank Eger: Bestands-, Schadens- und Maßnahmen- beschreibung Naturstein und Mauerwerk, unveröf- Zusammenstellung grundlegender Informationen fentlichtes Manuskript, Balingen, Juli 2018. zum Projekt (z.B. Vorlagen, Pläne, Protokolle und Holzmanufaktur Rottweil: Bestands-, Schadens- und Präsentationen) unter dem Punkt „Rathaus im Bi- Maßnahmenbeschreibung Türen, Fenster, Tore, un- schofsschloss“ auf der Website der Stadt Markdorf veröffentlichtes Manuskript, Rottweil, Juni 2018. www.markdorf.de Sebastian Schmäh/ Paul Christof Hutz: Bestands-, Schadens- und Maßnahmenbeschreibung Holzbau, Meersburg, Juni 2018. Dr. Carsten Pörtner: Büro für Baukonstruktionen, Martina Goerlich Untersuchungsbericht zur Statik, im Bischofsschloss Landesamt für Denkmalpflege Markdorf, unveröffentlichtes Manuskript, Karlsruhe, im Regierungspräsidium Stuttgart Mai 2018. Dienstsitz Tübingen

34 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 „Tore auf – Leben rein“ Die Instandsetzung und Umnutzung der Zehntscheunen von Ammerbuch- Reusten und Ammerbuch-Entringen durch Bürger für Bürger

Nach wie vor werden die Dörfer in Baden-Württemberg häufig von histori- schen landwirtschaftlichen Gebäuden geprägt. Besonders markant sind hierbei die Zehntscheunen, die als Lagerräume für die Aufnahme und Aufbewahrung der Naturalsteuer – als Zehnt bezeichnet – und zu repräsentativen Zwecken durch den Zehntherren an geeigneter Stelle errichtet wurden. Vielfach gehört die Zehntscheuer neben der Kirche zu den größten Bauwerken im Ort. Nicht selten handelt es sich dabei um Kulturdenkmale im Sinne des Denkmalschutz- gesetzes Baden-Württemberg. Auch nach der Zehntablösung im 19. Jahrhun- dert in Württemberg wurden die Zehntscheunen regelmäßig landwirtschaftlich weitergenutzt. Erst mit dem Strukturwandel der Landwirtschaft seit dem spä- ten 20. Jahrhundert und einem damit verbunden Funktionsverlust und Leer- stand begann vielerorts der Verfall dieses ortsbildprägenden Gebäudetyps. Aufgrund ihrer Größe und Charakteristik stellt ihr Erhalt durch Nachnutzung eine besondere Herausforderung für die Denkmalpflege dar. Dem Verfall jahr- zehntelang preisgegeben, ist es den Bürgern der Ortsteile von Ammerbuch- Reusten und -Entringen im Landkreis Tübingen durch außerordentliches Enga- gement gelungen, die beiden Zehntscheunen instand zu setzen, zu moderni- sieren und für alle nutzbar zu machen (Abb. 1).

Anne-Christin Schöne

Die Zehntscheunen chung konnte die Erbauungszeit der Scheune als Teil der Ortsgeschichte durch ein bei der jüngsten Instandsetzung gefun- denes eingemauertes Gerüstholz auf 1489/90 da- Die Zehntscheune von Entringen ist Teil eines ehe- tiert werden. Zu dieser älteren Bausub stanz gehört 1 Entringen, Zehnt- mals zum Kloster Bebenhausen gehörenden Pfleg- auch noch das spätgotische Portal östlich der Tore. scheune, Spatenstich hofs. Unterhalb des Kirchhofs mit Martinskirche im Ein eindrucksvolles Zeugnis barocker Zimmer- 2012. nördlichen Bereich des ehemaligen Hofs gelegen und von der Kirchstraße durch das Wohnhaus und die Hofmauer verdeckt, schließt die Scheune das Areal nach Norden ab. Es handelt sich dabei um ei- nen aus Bruchsteinen mit Eckquaderung errichte- ten eingeschossigen Baukörper mit Satteldach, Fachwerkgiebeln und westlichem Krüppelwalm. Während die Bruchsteinwände und der Westgie- bel verputzt sind, ist der Ostgiebel fachwerksich- tig. Die Scheune war ursprünglich nur vom Wirt- schaftshof im Süden zugänglich. Charakteristisch sind die beiden Mitteltennen mit ihren großen Doppeltoren auf der südlichen Traufseite (Abb. 2). Mithilfe einer dendrochronologischen Untersu-

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 35 Bürger engagieren sich für Bürger

Seit der Ablösung des Zehnten in Entringen 1850 blieb die Scheune über viele Jahrzehnte in Privat- besitz. Erst 1994 wurde sie von der Gemeinde En - tringen übernommen, deren Gemeinderat 1999 den Abbruch beschloss. Der Einspruch des damaligen Landesdenkmalamts, welches auf die außerordent- liche Bedeutung der Zehntscheune für die Ortsge - schichte und auf die anschauliche materielle Über- lieferung der Zehntscheune hinwies, führte zu ei- nem raschen Umdenken. Bis zur Gründung des Fördervereins Zehntscheuer Ammerbuch-Entrin- gen e.V. am 10.Juni 2010 in Entringen wurde die Scheune denkmalverträglich für Lagerzwecke durch die Gemeinde und Ortsvereine genutzt. In seiner Satzung legte der Verein die Förderung des Denk- malschutzes und der Denkmalpflege sowie die För- derung von Kunst und Kultur durch Instandsetzung, 2 Entringen, Zehnt- mannskunst stellt das dreigeschossige liegende Ausbau und Umnutzung der Zehntscheune fest. scheune, Südfassade mit Dachwerk dar. Seine Errichtung erfolgte zusam- Auch in Reusten verlor die Zehntscheune 1852 ihre ihren großen Doppel - men mit den hölzernen Einbauten um 1620. Die ursprüngliche Funktion und diente als „Turnscheu- toren während der Dach- Torpfeiler wurden laut Inschrift 1790 erneuert und er“, Schafstall, Salzlager, Farrenstall und Woh- instandsetzung. mit den Bauherreninitialien H. D. M. B. sowie dem nung. Eine bereits 1996/97 beauftragte verfor- Bebenhäuser Wappen verziert. mungsgerechte Bauaufnahme und Schadenskar- 3 Reusten, Zehntscheune Die Zehntscheune in Reusten befindet sich west- tierung offenbarte große Schäden, vor allem am nach Süden nach der Instandsetzung. lich der Einmündung der heutigen Rottenburger Dachwerk und der Dachhaut. 2008 bildete sich die Straße in die Jesinger Straße und bildete zusam- Interessengemeinschaft „Zehntscheuer“. Mit der 4 Reusten, Zehntscheune men mit der 1575 errichteten und 1760 zur Kirche endgültigen Aufgabe der Wohnnutzung, die west- Veranstaltungsraum in umgebauten Weinkelter das wirtschaftliche Zen - lich der Doppeltenne bis 2010 bestand, konnten der ehemaligen Doppel- trum des historischen Ortskerns. Nachdem Reus- kleine Reparaturen von den Mitgliedern der Inter- tenne nach Norden. ten im 13. Jahrhundert von den Pfalzgrafen von essengemeinschaft ehrenamtlich durchgeführt Tübingen an das Kloster Bebenhausen verkauft werden. Die nördliche Fassade wurde verputzt und worden war, gehörte es seit dessen Auflösung die Tennentore erneuert. Um die beiden Mittelten - 1534 bis 1807/08 zum Oberamt Tübingen und da- nen für Veranstaltungen in den Sommermonaten nach zum Oberamt Herrenberg. nutzen zu können, mussten die kleinteilig zerbro- Die Zehntscheune in Reusten ist als eingeschossi- chenen und durch ehemals hier eingelagertes ger rechteckiger Baukörper aus verputzten Bruch- Streusalz belasteten Sandsteinplatten ausgebaut steinen mit Eckquaderung und Satteldach überlie - und durch ein reversibles, kostengünstiges Beton- fert. Die Erschließung erfolgt von Norden über den pflaster ersetzt werden. Als Nachfolger der Inter- ehemaligen Wirtschaftshof. Wie bei der Entringer essengemeinschaft gründete sich am 10. Mai Scheune handelt es sich um eine Doppelscheune 2013 der Förderverein Zehntscheuer Ammerbuch- mit zwei Tennen und Doppeltoren (Abb. 3). Den- Reusten e.V. mit dem erklärten Zweck, Kunst, Kul- drochronologische Untersuchungen während der tur und Heimatgeschichte zu fördern. Zur Reali- aktuellen Instandsetzungsarbeiten zeigten, dass sierung des Satzungszwecks sollte die Zehnt- das Holz für die Zehntscheuer im Winter 1573/74 scheuer instandgesetzt und als „Kulturscheune“ geschlagen wurde. geöffnet werden (Abb. 4).

36 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 Planung und Umsetzung

Grundlage für die Planung in Entringen bildeten ein verformungsgerechtes Aufmaß, eine bau - historische (Abb. 5) sowie eine restauratorische Untersuchung der historischen Oberflächen und ein statisches Gutachten. Notwendige Eingriffe in den Boden bedingten zudem umfangreiche ar- chäologische Untersuchungen. Die Entscheidung, zwei Nutzungseinheiten auf zwei Ebenen zu bil- den, erforderte eine separate Erschließung des Dachraums. Aus diesem Grund wurden vor die Südfassade der östlichen Stallzone ein Windfang mit Garderobe gestellt und in den ehemaligen Stallbereich ein kleines Foyer mit einer Treppe so- wie ein Technikraum und eine behindertenge- rechte Toilette eingebaut. Über das Foyer erfolgt der Zugang zu den beiden Mitteltennen, die als Veranstaltungsraum genutzt werden. In der west- lichen Stallzone befinden sich ein Büro, eine wei- tere Treppe als zweiter Rettungsweg aus dem Dachgeschoss und eine Küche. Der mit einer er- höhten Bühne ausgestattete Saal im Dachraum musste aus Brandschutzgründen auf eine Nutzung durch 113 Personen beschränkt werden. Belichtet wird das Erdgeschoss lediglich auf der Südseite über die Tennentore, wobei die Tore selbst in Funk- tion blieben und die Verglasung dahinter liegt (Abb. 6). Außerdem wurde eine aus Brandschutz- gründen erforderliche neue Tür in der westlichen Giebelseite verglast. Der nahezu unverbaute Dach- raum wird über zwei Schleppgauben auf der Süd- seite und zwei Fensterbänder in der westlichen Fachwerkgiebelwand belichtet. Insgesamt konnte der Anteil neuer Öffnungen im Verhältnis zu den für Ökonomiegebäude charakteristisch geschlos- senen Wand- und Dachflächen trotz Umnutzung den (Abb. 7). So blieben auch in Reusten die Ten- 5 Entringen, Zehnscheu- und Nutzungsintensivierung im Dachraum gering nentore erhalten. Eine Verglasung zur Belichtung ne, Erdgeschoss, Bau - gehalten werden. Noch vor Vereinsgründung ha- erfolgte in der Ebene dahinter. Der bereits vor altersplan mit archäolo - ben die zukünftigen Mitglieder den engen Kontakt 2010 in der Doppeltenne eingerichtete Saal wurde gischen Funden und zu den Denkmalbehörden gesucht. Bei den Bau- durch die Verglasung und den Einbau eines Befunden. stellenterminen wurden nicht nur immer wieder Estrichs mit Fußbodenheizung ganzjährig nutzbar 6 Entringen, Zehnt- im Miteinander Lösungen entwickelt und Kom- gemacht. Die ehemalige Wohnung westlich der scheune, Ansicht von promisse gefunden werden, es war auch für die Tennen wurde entfernt und ein kleinerer Saal ein- Süden mit Windfang, Denkmalpfleger stets eine Freude, mit welchem gebaut. Zwischen Saal und Tennen liegen eine verglasten Öffnungen der Knowhow und ungebremster Tatkraft so viele Frei- kleine Teeküche und eine Toilette. Im ehemaligen Doppeltore sowie zwei willige mit anpackten. Schafstall östlich der Tennen befindet sich ein Aus- Gaupen zur Dachraum- Wie schon in Entringen, so bildeten auch für Reus- stellungsraum. Hier wurde auch eine Box als Raum- belichtung. ten ein verformungsgerechtes Aufmaß, eine bau- im-Raum-Lösung mit weiteren Toiletten realisiert. historische und eine restauratorische Untersu- Der historische Boden aus Sandsteinplatten bzw. chung der historischen Oberflächen die Planungs - der Lehmboden blieb erhalten. Auch in Reusten grundlage. Eine besondere Leistung stellt die gelang es Bürgern durch außerordentliches eh- Instandsetzung des Dachwerks und die Bergung renamtliches Engagement, nicht nur ein wertvol- und Wiedereindeckung mit teilweise noch bau- les Zeugnis der Ortsgeschichte und Baukultur zu zeitlichen handgestrichenen Biberschwanzziegeln erhalten, sondern auch die kulturelle Mitte des Or- dar. Da auf eine Nutzungsintensivierung im Dach- tes langfristig zu stärken. Die enge Zusammenar- raum verzichtet wurde, konnten ausschließlich vor- beit mit den Denkmalbehörden war dabei für den handene Öffnungen zur Belichtung genutzt wer- Verein eine Selbstverständlichkeit.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 37 haben gesichert werden, da nur hierdurch die Be- antragung von Fördergeldern möglich wurde. Und auch für die Mitfinanzierung durch die Gemeinde war dieser Schritt entscheidend. Der langfristige Erhalt der Kulturdenkmale ist somit dank des En- gagements von Bürgern für Bürger gelungen. Vom Werden und Nutzen dieser beiden Projekte zeugen auch die Homepages der beiden Vereine.

Literatur und Quellen

Tilmann Marstaller: Bauarchäologische Begleitunter- suchungen in der Zehntscheune von Entringen, in: Ar- chäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, Bd. 2013, S. 242– 247. 7 Reusten, Zehnt scheu - Schlussbemerkung Förderverein Zehntscheuer Ammerbuch-Entringen ne, Dachraum nach Nord- e.V. (Hrsg.): Zehntscheune Ammerbuch-Entringen, westen, während der In Entringen standen die über 100 Arbeitseinsätze Festschrift zur Einweihung der Entringer Zehntscheune, Arbeiten wurden hier der Vereinsmitglieder und Interessierten von Be- Entringen 2016. Baumaterialien gelagert. ginn an unter dem Motto „Tore auf und Leben rein“ (Abb. 8). Dieses Motto hat ebenso Gültigkeit Praktischer Hinweis für Reusten. Die ursprünglich anvisierten 1400 Ar- beitsstunden der freiwilligen Helfer dürften weit Weitere Informationen unter: www.zehntscheuer- überschritten worden sein. Die vielen Veranstaltun- entringen.de und www.zehntscheuer-reusten.de gen und Feste während der Bauphase in beiden Ortschaften haben dabei nicht nur zu einer großen Identifikation mit den denkmalgeschützten Gebäu - Dr. Anne-Christin Schöne den beigetragen, sondern auch ein treues Publi- Landesamt für Denkmalpflege kum angezogen. Außerdem konnte mit den bei- im Regierungspräsidium Stuttgart den Vereinsgründungen die Finanzierung der Vor- Dienstsitz Tübingen

8 Entringen, Zehnt- scheune, Arbeitseinsatz der Vereinsmitglieder.

38 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 Laufbrunnen aus Königsbronn zur Wasserversorgung von Stadt und Land Im offenen Herdgussverfahren aus dem Hochofen gegossen

Wenngleich Brunnen für die Wasserversorgung der Bevölkerung in unserem Land ausgedient haben, bleiben sie ein wichtiges Zeitzeugnis von kulturellem, künstlerischem und technikgeschichtlichem Wert. Die in den letzten Jahren durchgeführte Restaurierung zweier denkmalgeschützter Königsbronner Brun- nen in Nürtingen sowie das Erscheinen des Buches „Made in Königsbronn“ gaben Anlass zur Beschäftigung mit dem Bau und der Herstellung von guss - eisernen Röhrenbrunnen aus dem Hüttenwerk der Herzöge von Württemberg in Königsbronn. Diese Brunnenausführungen lassen sich auf die Zeit um 1700 bis 1816 einschränken. Der folgende Beitrag gibt einen ersten Überblick über diese Brunnen und hat zum Ziel, von weiteren Brunnen des herzoglichen Hüttenwerks Kenntnis zu erlangen.

Rolf-Dieter Blumer/ Erich Vomhoff

Reines Wasser – Untergang des Römischen Reiches. Erst ab dem heute eine Selbstverständlichkeit 12. Jahrhundert wurden sie – sofern noch vor- handen – teils erneuert und reaktiviert. Die Versorgung mit trinkbarem Wasser ist für uns Im Mittelalter war die Versorgung in den Städten ganz selbstverständlich geworden. Täglich ent- meist mit Grundwasserbrunnen oder Zisternen, nehmen wir es den Trinkwassernetzen. Wir sind die Regenwasser sammelten, möglich. Im 13. Jahr- uns dabei allerdings oft der Bedeutung dieses wich- hundert setzte ein Wandel ein. Über Wasserlei- tigen Teils unseres „Gemeinwohls“ nicht bewusst. tungen wurde vermehrt Quell- und Hangwasser Sauberes Wasser ist sprichwörtlich lebensnot- zu Laufbrunnen in den Siedlungsbereichen ge- wendig. Nicht umsonst steht die Redewendung führt. Steinerne Tröge mit teilweise imposanten „jemandem das Wasser abgraben“ für einen Ent- Brunnensäulen entstanden. zug der Lebensgrundlage. Der allmähliche Einsatz von fließendem, trinkfähi- Zum Vorhalten von „sauberem Wasser“ gehört vor gem Wasser in den „reichen Städten“ gewähr- allem das Verhindern von Bakterienwachstum in leistete, dass manche Bevölkerungsgruppen be- Zisternen, Brunnenstuben, Quellfassungen und reits einen hohen Standard der Hygiene einhalten Leitungsnetzen. So wurden mit dem Beginn der all- konnten. So ist bspw. für von jüdischer Bevölke- gemeinen Versorgung mit frischem, sauberem rung bewohnte Stadtbezirke oftmals neben einer Wasser die klassischen Seuchen wie Typhus oder sich aus Grundwasser speisenden sog. Mikwe (Ri- Ruhr verhindert. Verunreinigungen von Wasser, tualbad) schon eine Wasserversorgung mit Lauf- zum Beispiel mit Kolibakterien, zeigen auch heute brunnen nachweisbar. Hierin lag auch ein Grund noch an, dass gegebenenfalls noch andere ge- dafür, dass diese Quartiere zunächst nicht so stark fährlichere Bakterien im Trinkwasser vorhanden von den frühen Pest-Epidemien betroffen waren. sein könnten. Ein keimfreies System ist der Maß- Dafür wurde den Bewohnern gerade aufgrund der stab für reines Trinkwasser in den Städten. gesteigerten Hygiene und daraus resultierenden höheren Überlebenszahlen unterstellt, dass sie die Wasserversorgung mit Laufbrunnen Brunnen und Lebensmittel anderer Bezirke vergif- tet hätten. Schon in römischer Zeit wurde Trinkwasser über Oft befanden sich die ersten Laufbrunnen in den Leitungen von zum Teil enormer Länge von den Städten vor oder in Kirchen. Sie sind meist mit Dar- Quellgebieten in die Städte und Siedlungen ge- stellungen von Adeligen (Stifterfiguren) und Mär- bracht. Die meisten Leitungen verfielen mit dem tyrern sowie christlicher Symbolik versehen.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 39 Made in Königsbronn empfindlich (bei kalkhaltigem Wasser nahezu neu- tral) zu reagieren. Meist blieben die älteren aus In der Region Königsbronn wurde schon seit kel- Sandstein geschlagenen Brunnensäulen aber wei - tischer Zeit Eisen verhüttet. Geschürft und verar- ter hin erhalten und nur die Becken wurden aus- beitet hat man hier zuerst Bohnerze und dann Stuf - getauscht. Wurden die alten Steinsäulen doch erze. Auch die reichen Holzvorkommen spielten durch neue Gusssäulen ersetzt, so stammten sol- Glossar hier als Energielieferanten eine wichtige Rolle, che Drucksäulen mit Wasserspeier bzw. Wasser- ebenso wie die beiden großen Karstquellen, deren rohren oft ebenfalls aus Königsbronner Produk- Offener Herdguss Wasser von Mühlen genutzt wurde. 1366 verlieh tion. Dabei wurden die Speierrohre häufig jedoch Beim offenen Herdguss er- Kaiser Karl IV. dem Zisterzienserkloster Königs- nicht in Eisen, sondern in Bronze gefertigt, so auch hält man durch Abdrücken bronn das Schürfrecht und das Recht zur Eisenge- am Nürtinger Marktbrunnen. eines Models in ein Sand- winnung. Im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts Eingesetzt wurden die Plattenbrunnen zur Trink- lehmgemisch ein flaches, wurden die ersten Hochöfen in der Region errich- wasserversorgung von Städten, Klöstern und Ge- eindimensionales Guss- stück. Beim Herdguss wird tet. Seinen Höhepunkt erlebte Königsbronn durch höften. Das Wasser wurde allerdings noch mit Ei- das Modell in den sog. Johann Georg Bletzinger. Geschirr, Kanonenku- mern am Brunnen geholt. Hierzu dienten die zum Herd abgeformt (oder es geln, Baukonstruktionen, allgemeine Gusswaren. Aufsetzen der Eimer unter den Speier-Rohren an- besteht eine Negativform, Bleche Nägel usw. (Abb. 1) wurden hier neben gebrachten geschmiedeten Eimergabeln. Das Was- für mehrere Güsse). Unter Brunnen gefertigt. Die Erzeugnisse des herzog - ser musste dann nach Hause getragen werden. dem Herd versteht man die lichen Hüttenwerks in Königsbronn zeichneten Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde da- negative, mit Formstoff/ sich durch ihren hohen technischen wie künstleri- mit begonnen, auch einzelne Haushalte direkt mit Sand und Lehm gefüllte Gießgrube. schen Wert aus. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts sauberem Trinkwasser zu versorgen. Für die Wasser - stellte man die dortige Eisenverhüttung ein. entnahme in den Häusern verwendete man in den Eisen-Hartguss Die Entwicklung, verzierte Platten für Brunnen Anfängen in Württemberg wiederum ausschließ- Guss erfolgt in eiserne Ko- oder Öfen im offenen Herdguss aus Eisen zu gie- lich Produkte aus Königsbronn. Erstmals kamen da- kille (wiederverwendbare ßen, begann bereits um 1490 in England. Die sog. bei gegossene und innen mit Email versehene Ei- Form zum Gießen), sodass Plattenbrunnen fanden rasch weite Verbreitung. senguss-Waschbecken zum Einsatz. Das Verfahren an der Wandung eine sog. Die Einzelelemente der jeweiligen Brunnen wur- zur Emaillierung von Guss ist neben der Herstel- Schale aus weißem harten den in erster Schmelze aus dem Hochofen im Sand- lung präziser Hartgusswalzen eine der bedeuten- Eisen entsteht, welche eine hohe Verschleißbeständig- gussverfahren hergestellt. Dabei war es möglich, den Königsbronner Erfindungen. keit aufweist einzelne Elemente mit teils reichen Verzierungen wie Stadtwappen und Allegorien zu versehen. Die Bausätze der Hüttenwerke Königsbronn Model wurden aus Holz geschnitzt und dann in Sand und Lehm eingeformt. In danach entstan- In Württemberg setzte die Entwicklung der Was- denen „Kästen“ wurde schließlich das flüssige Ei- serversorgung verstärkt mit der Herstellung von sen gegossen. mehr oder weniger großen gusseisernen Röhren- Diese Metallbrunnen ersetzten die älteren Stein- bzw. Plattenbrunnen aus Königsbronn und Was- 1 Emailiertes Geschirr tröge, die einen hohen Wartungsaufwand benö- seralfingen um 1700 ein. Zu Beginn der Barockzeit und Geschosse aus Kö- tigten. Der Grauguss hatte im Vergleich zum reinen entwickelte sich dabei unter Herzog Eberhard Lud- nigsbronn. Schmiedeeisen die Eigenschaft, weniger korrosions - wig von Württemberg (1676– 1733) auch der Guss von Brunnentrögen als Bausätze. Diese Brunnen konnten im „Baukastensystem“ in verschiedenen Abmessungen und Ausführungen errichtet werden. Die Grundelemente und Brun- nenteile wurden dabei jeweils aus einzelnen im of- fenen Herdguss gegossenen Platten, Eckverbin- dern und Brüstungselementen mit geschmiedeten Stäben und selbst hergestellten Schrauben mit ge- schmiedeten Gewinden gefertigt. Die passgenau gefertigten Einzelteile wurden nach der Lieferung entweder vom Auftraggeber selbst aufgestellt oder der Aufbau wurde von einem „Montage- team“ aus Königsbronn erledigt.

Stuttgarter Brunnen

Einer der ersten großen in Königsbronn gefertig- ten Tröge ist der jetzige Rathaus- oder Markt- brunnen in Stuttgart (Abb. 2), dessen Trog nun

40 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 2 Lithografie „Württem- berg, Malerische Ansich- ten aus alter Zeit“. Markt- brunnen Stuttgart. Die Platten für das Bassin von 1714, gegossen für den königlichen Lustgarten.

Spongiose Zink und metallisch blanke Oberfläche, kann bei his- torischen Güssen aufgund deren Inhomogenität die sog. Spongiose auslösen, eine Kornzerfallserschei- nung, deren Mechanik zur völligen Auflösung des inneren Zusammenhangs des Gefüges führen kann. zum wiederholten Mal versetzt werden soll. Der her verloren ist. Auch der sog. Adler- oder Akade- mächtige, als Kulturdenkmal von besonderer Be- miebrunnen im Akademiegarten ist ein Entwurf Admontiateur oder deutung geschützte Brunnen hat einen Durch- Thourets. Er und dessen baugleicher „Bruder“ im Admodiator messer von über sieben Metern und ein Volumen Ehrenhof des Ludwigsburger Schlosses (Abb. 4) Pächter, der Begriff kam von nahezu 100 m3 Wasser. Diesen Brunnen hatte sind beide Königsbronner Erzeugnisse. im frühen 19. Jahrhundert Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg für aus Frankreich. In den den Lustgarten bestellt und in Königsbronn in Auf- Nürtingen – Pachtverträgen ging es trag gegeben. Das große Brunnenbecken mit den drei Brunnen in der Restaurierung meist um die Ausbeutung von Erzvorkommen, mit al- 16 Eisenplatten wurde 1714 gegossen. Die Platten len dazugehörigen Rech- zeigen den Namenszug und das Herzogswappen Zwei der drei als Kulturdenkmale von besonderer ten. von Eberhard Ludwig. Neben Kriegs- und Jagd- Bedeutung geschützten Nürtinger Gussplatten- szenen sind auch allegorische Figuren dargestellt. brunnen wurden in den letzten Jahren restauriert Die für diese Brunnen typischen Eckschienen zei- und dabei eingehend untersucht. gen, dem Zeitgeschmack entsprechend barbusige Alle drei Nürtinger Brunnen entstanden zwischen Karyatiden. Auf einer Platte soll angeblich ein Rats- 1716 und 1789 in Königsbronn, die Lieferung der herr mit einem nackten Mädchen zu sehen sein Brunnen ist auch anhand von Archivalien gut be- (Abb. 3). Diese der Dichtung geschuldete Vermu- legbar. Mitgeliefert wurden immer auch einige 3 Ausschnitt Markt- tung entstand erst, als der Brunnen – vielmalig ver- Sack „Bleiweißkitt“ zu deren Abdichtung. Der brunnen Stuttgart. setzt – vor das damalige Rathaus in Stuttgart kam. Herzog Karl Eugen schenkte den Brunnen 1761 der Stadt Stuttgart. Seinen heutigen Platz am neuen Rathaus fand dieser Brunnen allerdings erst im 19. Jahrhundert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Brunnen erneut abgebaut, leider sand- gestrahlt und flammspritzverzinkt. Daher sind keine Farbbefunde mehr auf dem Brunnen vor- handen. Bei der letzten der drei bekannten Um- setzungen wurde der ursprüngliche Brunnenstock aus Stein 1804 durch eine in Königsbronn gegos- sene neue Brunnensäule ersetzt, die vom würt- tembergischen Hofarchitekten Nikolaus Friedrich von Thouret entworfen wurde. Thouret hat für die Residenzstadt noch weitere Brunnen entworfen, unter anderem 1812 den Brunnen für den Charlottenplatz, der leider 1961 für den Umbau und die verkehrstechnische Er- tüchtigung des Platzes abgetragen wurde und seit-

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 41 der 1970er Jahre überliefert ist, entspricht aller- dings mehrheitlich nicht der originalen Farbigkeit dieser barocken „Großplastiken“. An den bereits restaurierten Brunnen – Schlossbrunnen und Marktbrunnen – wurden deshalb erstmals um- fangreiche Untersuchungen zur Farbigkeit vorge- nommen. Der Lammbrunnen ist als einziger Brun- nen noch in einem Anthrazitgrau gestrichen, der als Eisenbahnfarbton hinterlegt ist. Ursprünglich allerdings waren wohl alle Tröge zumindest in Nür- tingen in einem ähnlichen Grünton beschichtet. Am Marktbrunnen erregte dies nach der Wieder- herstellung 2008 einiges Aufsehen. Auch die Schmiedearbeiten an der Drucksäule des Markt- brunnens konnten in ihrer Farbigkeit komplett rekonstruiert werden. Diese Rekonstruktion der Farbigkeit konnte sich jedoch bei den folgenden Restaurierungen andernorts leider nicht immer durchsetzen. Es fehlen auch oft die Belege, weil be- 4 Adlerbrunnen Schloss Marktbrunnen (Abb. 5) ragt mit seinem gegosse- reits eine totale Abnahme der originalen Oberflä- Ludwigsburg. nen Brunnenstock aus den übrigen Brunnen im che durch Sandstrahlreinigungen vorgenommen Land deutlich heraus. Gegossene Brunnensäulen worden war. Unter Umständen ist auch eine an- sind sehr selten. Der Schlossbrunnen hat in klassi- schließende Feuerverzinkung erfolgt, die jedoch zistischer Zeit eine neue Brunnensäule erhalten. eine Zerstörung des Gusseisens durch die sog. Schlossbrunnen und Marktbrunnen besitzen Spongiose zur Folge haben konnte. sechseckige Brunnentröge. Der Lamm- oder Wil- Zwei Jahre nach Aufstellung des Marktbrunnens der-Mann-Brunnen dagegen ist durch seinen in Nürtingen wurde im Jahre 1789 ein weiterer rechteckigen Grundriss sowie durch seine Größe Röhrenbrunnen, der sog. Schloss- und Kirchbrun- bemerkenswert (Abb. 6). Die Drucksäule des nen, in Auftrag gegeben. Dessen Restaurierung Marktbrunnens wurde historisch mit umfangrei- wurde 2017 abgeschlossen. Der kannelierte Brun- chen Schmiedearbeiten bestückt, die weitgehend nenstock aus Sandstein ist hier älteren Ursprungs. original erhalten sind und von Nürtinger Hand- Er trägt die Jahreszahl 1768. Am Brunnentrog be- werkern stammen. findet sich wie an allen Königsbronner Brunnen 5 Marktbrunnen Die gussgraue Oberfläche der drei Nürtinger Brun- das Herzogswappen, hier das Wappen von Herzog Nürtingen. nen, wie sie aus den vormaligen Restaurierungen Karl Eugen von Württemberg (reg. von 1737– 1793). Brunnen aus Wasseralfingen und (Ellwan- gen) hingegen zeigten bis 1803 den doppelköpfi- gen Reichsadler, da diese Gießereien dem „Reich“ unterstanden. Herzog Karl Eugen war – beeinflusst von absolutistischen Ideen – an der Förderung der Industrie (besonders der Hüttenwerke) und der In- frastruktur (vor allem auch der Wasserversorgung) interessiert. Sein enges Verhältnis zum dem sehr bekannten und verdienten Admodiatör Johann Georg Bletzinger (Abb. 8), zeigt sich unter ande- rem darin, dass dieser in seinem Wohnhaus, dem heutigen Rathaus in Königsbronn, ein Gästezim- mer als Fürstenzimmer einrichten ließ. Herzog Karl Eugen residierte immer dort, wenn er zu seinen Eisenwerken oder zur Jagd nach Königsbronn kam. Auf den Tag genau lässt sich die Aufstellung des letzten bisher nicht restaurierten Brunnens aus Nür- tingen festlegen. Wie aus dem Archiv der Stadt Nür- tingen hervorgeht, wurde der in Königsbronn ge- gossene Lammplatzbrunnen (Abb. 6) am 16. Sep- mit ihren Symbolen gezeigt. Eckleisten mit Frucht- 6 Lammplatzbrunnen tember 1716 auf Wagen verladen in Nürtingen Gehängen und zwei Löwen auf der Rückwand er- Nürtingen. angeliefert. Vor Ort wurden die Teile montiert und gänzen das Gesamtbild. Die hier eingebauten Eck- abgedichtet. Der Hüttenschreiber Bilfinger aus Hei- leisten haben große Ähnlichkeit mit denen an den denheim stellte ihn an dem später sog. Lammplatz Brunnen in Nürtingen (Marktbrunnen) und Stutt- auf. Für die Abdichtung und zur Verkittung lieferte gart (Marktplatzbrunnen). man einen Zentner (50 kg) Leinöl samt Bleiweiß mit. Nach dem großen Stadtbrand 1753 wurde der Fazit Lammbrunnen auf den heutigen Platz versetzt. Er bekam nun auch seine aus Sandstein gehauene Bisher konnten 40 Röhrenbrunnen eindeutig der Brunnensäule, auf deren Spitze der „Wilde Mann“ Königsbronner Fertigung zugewiesen werden. Lei- als Standbild steht. Er hält in einer Hand das Stadt- der ist der Herstellernachweis oft schwierig, da in wappen, in der anderen die Keule. In seiner recht- Königsbronn selbst meist keine Unterlagen mehr eckigen Form von ca. fünf Metern Länge und etwa vorhanden sind. Nachweise sind deshalb meist nur einem Meter Breite weicht der Lammbrunnen von über die einzelnen Gemeindearchive zu erbringen. den üblichen polygonalen Brunnenformen seiner Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Zeit ab. Überliefert ist eine solche Form zum Bei- Gesamtzahl der in Königsbronn gegossenen, noch spiel auch für den Marktbrunnen in Feuchtwan- bestehenden Brunnen wesentlich höher ist als bis- gen. her bekannt. Zur Vervollständigung der angefügten Liste seien an dieser Stelle die Leser aufgefordert. Wandbrunnen

Manche Brunnen stehen direkt an einer Wand, in der sich auch der Wasserauslass befindet, wie zum Beispiel in Schorndorf. Ein solcher Wandbrunnen von 1712 befindet sich auch am Verwaltungsge- bäude der SHW Casting Technologies in Königs- bronn, selbstverständlich gestaltet mit der Würt- temberger Wappentafel, hier Herzog Eberhard Ludwigs (1676– 1733), einem Vorgänger Karl Eu- gens. Die Jahreszahl im Herzogswappen ist als Da- tum für den Guss im Herzoglichen Eisenwerk an- zusehen. Der Wandbrunnen (Abb. 7) ist in einer Nische auf der Straßenseite des Verwaltungsbaus, ein Gebäude von 1628, eingelassen. Neben der Wappentafel Herzog Eberhard Ludwigs ist der hei- lige Georg zu Pferde dargestellt, der unter ande- 7 Wandbrunnen, Verwal- rem als Heiliger der Bergleute und Gießer gilt. tungsgebäude Königs- Auch die Allegorien der Ein- und Zwietracht sind bronn.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 43 Erstellungsjahr Aufstellungsort Brunnentypus

1706 Aalen, Marktplatz, ersetzt durch achteckiger Wasserkasten bzw. Nachguss von 1978 Röhrenbrunnen 1712 Königsbronn, Fabrikhof SHW viereckiger Röhrenbrunnen 1712 Königsbronn, Verwaltungsgebäude SHW sechseckiger Wandbrunnen 1712 Wasseralfingen, Tiefer Stollen sechseckiger Röhrenbrunnen 1713 Backnang, Stiftsbrunnen, nur noch achteckiger Röhrenbrunnen die Platten erhalten 1714 Stuttgart, Marktplatz zwölfeckiger Röhrenbrunnen 1716 Nürtingen, Lammbrunnen rechteckiger Röhrenbrunnen 1718 Esslingen, Hafenmarkt achteckiger Röhrenbrunnen 1726 Feuchtwangen, Marktplatzbrunnen achteckiger Röhrenbrunnen 1726 Ludwigsburg, Marktplatzbrunnen achteckiger Röhrenbrunnen 1729 Königsbronn, Klosterhof achteckiger Röhrenbrunnen mit gegossener Brunnensäule 1748 Königsbronn, im Torbogenmuseum achteckiger Röhrenbrunnen 1756 Schwäbisch Hall, Milchmarkt achteckig-länglicher Röhren- brunnen 1773 Schorndorf, Marktplatz achteckiger Röhrenbrunnen 1776 Kirchheim unter Teck, Marktplatz achteckiger Röhrenbrunnen 1777 Heubach, Marktbrunnen achteckiger Röhrenbrunnen 1779 Lorch, Kloster, Klosterhof rechteckiger Röhrenbrunnen mit gegossener Brunnensäule 1780 Schorndorf, Hirschbrunnen rechteckiger Wandbrunnen 1784 Eberstadt, Marktplatz achteckiger Röhrenbrunnen 1787 Nürtingen, Marktbrunnen achteckiger Brunnen mit gegossener Brunnensäule 1789 Nürtingen, Kirch- oder Schlossbrunnen achteckiger Röhrenbrunnen 1789 Nürtingen, Schafbrunnen rechteckiger Trogbrunnen 8 Epitaph Johann Georg 1794 Maulbronn, Kloster, Klosterhof achteckiger Röhrenbrunnen Bletzinger, „gewesener 1798 Leonberg, Marktplatzbrunnen achteckiger Röhrenbrunnen vieljähriger Admodiateur 1803 Weinsberg, Marktplatzbrunnen sechseckiger Röhrenbrunnen der brenzthalischen 1810 Beilstein, Rathausbrunnen achteckiger Röhrenbrunnen Eisenwerke“. 1810 Beilstein, Schmiedebrunnen rechteckiger Röhrenbrunnen 1810 Marbach, Marktbrunnen achteckiger Röhrenbrunnen 1811 Ludwigsburg, Schlosshofbrunnen achteckiger Röhrenbrunnen 1811 Stuttgart, Akademiebrunnen, baugleich achteckiger Brunnen (gleicher mit Schlossbrunnen in Ludwigsburg Entwurf wie Schlosshofbrunnen Ludwigsburg) 1812 Stuttgart, Charlottenplatz (abgängig) achteckiger Röhrenbrunnen 1815 Blaubeuren, Marktplatzbrunnen achteckiger Röhrenbrunnen 1816 Bönnigheim, St. Georgs-Brunnen achteckiger Röhrenbrunnen

Anmerkungen zur Liste: Um die Mitte des 18. Jahrhunderts war das für die Verhüttung erforderliche Brennholz derart knapp, dass in dieser Zeit kaum Brunnen gegossen wurden. Deshalb enthält die Liste für die Zeit zwischen 1729 und 1773 gerade einmal zwei Brunnen. Nach 1816 wurden aufgrund der Zusammenlegung der Hüttenwerke Wasseralfingen und Königsbronn gar keine Brunnen mehr in Kö- nigsbronn gegossen.

Literatur Rolf-Dieter Blumer Landesamt für Denkmalpflege Erich Vomhoff: „Made in Königsbronn“, 1. Aufl., im Regierungspräsidium Stuttgart Königsbronn 2016. Dienstsitz Esslingen Manfred Thier: Geschichte der Schwäbischen Hüttenwerke, 1. Aufl., Wasseralfingen 1965. Erich Vomhoff Ehemaliger Mitarbeiter der Schwäbischen Hüt- tenwerke GmbH in Königsbronn, Birkachstr.3, 89551 Königsbronn

44 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 Die Alblinie von 1703 bis 1704 Eine kaum bekannte Linearbefestigung aus dem Spanischen Erbfolgekrieg

Im Gegensatz zu den Eppinger Linien, den Schwarzwaldlinien oder den Bayeri- schen Landesdefensionslinien ist die Alblinie am östlichen Albtrauf zwischen Bad Urach und nur wenigen Interessierten bekannt. Auch die Forschung hat sich über sie bisher nicht geäußert. Liegt es daran, dass es hier keine „spektakulären“ Sternschanzen zu sehen gibt und nicht ein einziges bekanntes kriegerisches Ereignis vorzuweisen ist? Wie so viele neuzeitliche Linearbefestigungen wurde sie nie angegriffen und geriet daher schnell in Vergessenheit, aus der sie durch die archäologische Inventarisation unter Mit- hilfe einer verschollenen Karte, deren Beschreibung publiziert ist, nun wieder auftaucht.

Ulrich Kinder

Die Alblinie, benannt nach ihrer Lage am östlichen denen geraubtes Gut abtransportiert wird oder gar Albtrauf zwischen Bad Urach im Norden und He- die Artillerie, waren ohnehin nur die gut ausge- chingen im Süden, war ein Folgeprodukt des Spa- bauten Hauptverkehrsstraßen passierbar. Es galt nischen Erbfolgekriegs (in Süddeutschland von also dieses langgestreckte natürliche Hindernis 1702– 1707). Nachdem 1703 die Schwarzwaldli- überall dort zu befestigen, wo gut passierbare nien die französische Armee auf ihrem Weg zu Kur- Steigstraßen oder andere gangbare Wege ins Ne- fürst Max Emanuel nicht aufhalten konnten, der ckartal hinabführten. So entstand im schneerei- im von ihm besetzten Ulm die dringend benötigte chen Winter von 1703 bis 1704 eine Linearbefes- Verstärkung seines Verbündeten erwartete, ent- tigung, bestehend aus Verhauen aus gefällten Bäu- stand für das Neckartal eine völlig neue Bedro- men und dazwischen befindlichen Schanzen, die hungslage: Statt über den Rhein konnten die Fran- sich gegen Osten und damit gegen die Hochfläche zosen zusammen mit den Bayern nun auch über der Alb richtete, eine eher ungewöhnliche Situa- die Schwäbische Alb angreifen und ins Neckartal tion, da Steigstraßen zumeist gegen Angreifer aus vordringen. Da die französisch-bayerischen Streif- dem Tal angelegt und damit auch gegen das Tal scharen ab Frühling 1703 plündernd und brand- ausgerichtet wurden. Hier aber konnte der mas- schatzend von Ulm und Ehingen an der Donau bis sive Höhenunterschied nicht ausgenutzt werden: nach Münsingen vordrangen und ein Vordringen Die Schanzen lehnten sich zwar an den Albtrauf der vereinigten Armee ins Neckartal zu befürchten an, der sie vor Umgehungen schützte, aber ge- stand, wurde nach einer Möglichkeit gesucht, die kämpft wurde mit dem Angreifer auf derselben feindlichen Truppen an einer geografisch günsti- Ebene, nämlich der Hochfläche der Alb. Aufgrund gen Stelle durch Schanzwerke aufzuhalten. Da die der ungünstigen Geografie blieb aber keine an- Schwäbische Alb zum Operationsgebiet des Fein- dere Möglichkeit übrig, als die Verteidigung des des geworden war, wurde ihre Verteidigung auf- Neckartals am Abhang des Albtraufs vorzuneh- gegeben. Stattdessen zog man sich auf die am men. Kaum waren allerdings die Verhaue und leichtesten zu verteidigende Position zurück, den Schanzen ganz oder auch nur teilweise fertigge- Albtrauf. Die Hänge des Albtraufs sind durchge- stellt, wendete sich bereits das Kriegsglück: Der hend sehr steil. Von Talheim (Gemeinde Mössin- Herzog von Marlborough, Kommandant der Trup- gen) aus führt die Talheimer Steige fast 140Hm auf pen der antifranzösischen Koalition, marschierte die Albhochfläche hinauf. Solche Steilhänge sind im Mai 1704 über die Alb und die Kampfhand- für die Kavallerie, die bei Raubzügen und schnel- lungen verlagerten sich nach Osten und fanden len Vorstößen eine herausragende Rolle spielt, nur bald in der zweiten Schlacht von Höchstädt im Au- auf gebahnten Wegen zu bezwingen. Auch für die gust ein Ende. Da die Schanzen damit völlig um- Infanterie sind diese Steilhänge in beide Richtun- sonst errichtet worden waren, gerieten sie schnell gen nur schwer passierbar. Für Pferdewagen, auf in Vergessenheit und galten schon im späten

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 45 1 Ein Überblick über die 19. Jahrhundert als Römer- oder Schwedenschan- berg südwestlich von Salmendingen bis nach Hol- Alblinie auf Grundlage zen. Die gut erhaltenen und großen Schanzen auf zelfingen. Dadurch werden für diesen Abschnitt der aktuellen Topografi- dem Roßberg bei Genkingen zogen bald die Auf- der eigentlich deutlich längeren Linien die einzel- schen Karte, die Numme- merksamkeit der Heimatforscher und Historiker nen Bauten leicht verortbar. Nur ließ Niethammer rierung der Schanzen auf sich und bereits 1890 wurden sie richtig als diese Karte in seinem Aufsatz nicht abdrucken. folgt der Nummerierung Schanzen des Spanischen Erbfolgekriegs ange- Und ohne Angaben zu ihrer Herkunft ist seither im Text. sprochen. 1897 folgte der bisher einzige umfas- auch ihr Verbleib nicht bekannt, sie gilt als ver- sende Artikel zu den Alblinien von Sekondelieute- schollen. Dank moderner Kartografierungsme- nant Hermann Niethammer, einem Fachmann für thoden wie den LIDAR-Oberflächenscans und der Befestigungsbau, der ab 1928 Dozent für Wehr- herkömmlichen Ortsbegehung konnten die Schan- wissenschaften an der Hochschule Ludwigsburg zen aber auch ohne die verschollene Karte lokali- war. siert werden, an manchen Orten kamen sogar bis- lang nicht bekannte Schanzen zum Vorschein. Es Ein Gang entlang der Linien handelt sich bei ihnen durchweg um Wälle mit an der Angriffsseite vorgelagertem Graben. Niethammer beschrieb mithilfe der 1703 bis 1704 Der beschriebene Teil der Alblinie, wenn auch nicht gezeichneten Karte eines namenlosen württem- die ganze Linie, beginnt nördlich des Kornbühls, bergischen Feldingenieurs die Schanzen vom Korn- westlich Salmendingens, an der schmalen Passage

2 Die Schanzen am Monkberg. Beim Pfeil Schanze I, rechts oben Schanze II.

46 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 zwischen Albtrauf im Westen und Monkberg im Osten (Abb. 1). Niethammer konnte die Schanze I (die Nummerierung folgt seinem Artikel) trotz vor- handener Karte nicht auffinden, dank LIDAR-Scans konnte sie nun an der schmalsten Stelle der Passa - ge lokalisiert werden (Abb. 2): Sie besteht aus einem stark abgepflügten Wall mit südlich vorgelagertem Graben gleich westlich des geteerten Feldwegs und einem im stumpfen Winkel anstoßenden Wall- graben im Wald östlich des Wegs (Abb. 3). Wege, die die Schanzen wie hier in einem einspringenden Winkel oder einer Spitzbastion durchqueren, ge- hen fast überall auf Wege des 18. Jahrhunderts zu- rück. Zusammen mit Schanze II nördlich des Monk- bergs (Abb. 4) sperrt Schanze I den Bereich nördlich des Bergs zur Hochfläche hin ab. Schanze II läuft den Hang des Monkbergs herab, wird vom geteer - ten Feldweg geschnitten und bildet dann eine für das 17./ 18.Jahrhundert typische Spitzbastion (Re- dan) aus, von der aus die anschließenden Wallstü - cke bestrichen werden konnten. Sie endet auf ei- nem Sporn der in den Steilhang hinausragt. Der Bereich nördlich des Monkbergs wurde so abge- riegelt, um die nordöst lich anschließende Verschan - Gelände, da im Wald Verhaue angelegt wurden. 3 Rechts der abgepflügte zung an der Talheimer Steige gegen Beschuss aus Ca. 130 m östlich des Ostendes der Schanze lag Wall, links der seichte dem Rücken zu decken. eine heute gänzlich verschwundene Lünette (halb- Graben von Schanze I. Die Talheimer Steige war die wichtigste Steigstraße mondförmige Schanze), deren geringe Reste Niet- im ganzen beschriebenen Bereich und wurde stark hammer noch im Acker feststellen konnte und de- befestigt. Kleinere Wege wurden oft nur mit ein ren Grundriss sich nur noch mithilfe von LIDAR- paar gefällten Bäumen blockiert, aber die Steige Scans rekonstruieren lässt. Vor dem südlichen musste offen bleiben, damit württembergische Ende des Tierentals endete die Lünette. Nach Os- Truppen ungehindert in diesem Bereich operieren ten hin folgten zwei, heute ebenfalls völlig ver- konnten und auch der zivile Warenverkehr nicht schwundene Redouten (quadratische Schanzen), total blockiert wurde. Die Anlage ist ca. 2 km lang deren Reste Niethammer ebenfalls noch beschrei- und nur noch bruchstückhaft erhalten (Abb. 5). Sie ben konnte. Sie lagen westlich und östlich der al- beginnt im Süden an dem Tobel, auf dessen an- ten Talheimer Steige, die um 1800 nach Nordos- derer Seite Schanze II anschließt. Die ersten 200 m ten verlegt wurde, wobei die östliche Redoute glatt bestand sie aus einem Verhau aus gefällten Bäu- von ihr durchschnitten wurde. Für die endgültige men, dann schließt Schanze III als langgestreckter, Zerstörung sorgten dann 200 Jahre Arbeit mit dem nach Süden offener Winkel an. Sie liegt heute im Pflug. Erhalten hat sich lediglich ein in die südöst- Wald, befand sich aber 1703 definitiv in offenem liche Hangkante des Tierentals eingegrabener ge-

4 Der markante Wall - graben von Schanze II von Osten.

47 5 Talheimer Steige. Verlauf der alten Steig- straße und mutmaßliche Lage der Lünette und der beiden Redouten.

6 Schanze V. Beim Pfeil das obere Ende.

7 Schanze VI.

deckter Weg, der die Verbindung zwischen Lü- gebildet, der Wall fehlt über weite Strecken und nette und Redouten und eine durchgehende Feu- war vermutlich durch eine Palisade ersetzt worden. erlinie sicherstellte. Er endet am ehemaligen Ab- Nördlich oberhalb der Spitzbastion quert der alte stieg der alten Straße, im Nordosten ist ihm noch Weg, dann wird das Gelände recht steil und die ein niedriger Wall vorgelagert. Als Absturzsiche- Schanze zieht sich in einem Bogen nach Nordos- rung zum Tobel hin dient ein rückwärtiger Wall. ten. Oberhalb eines weiteren Waldwegs wurde der Von der östlichen Redoute führte wohl ein Verhau Wall einplaniert und ein ansteigender Feldweg da- zur schlecht erhaltenen Schanze IV, die in fast ge- rauf angelegt. Die Schanze endet in einer natür- rader Linie nach Nordosten zum Albtrauf führt. lichen Böschung. Direkt nördlich gegenüber auf der anderen Seite 980 m nordöstlich am Südhang des Meisenbühls des Eckentals beginnt Schanze V (Abb. 6). Dazwi- befindet sich Schanze VI, die den Zugang zum schen zweigt von der Talheimer Steige die Alte westlich gelegenen recht umfangreichen Filsen- Steige nach Osten ab und führt beim Ruchberg auf berg sperrt, von dem wohl nur ein historischer Weg die Hochfläche, ohne durch eine Schanze gesichert im Nordwesten ins Tal führte (Abb. 7). Die Anlage, zu sein. Sie wurde vermutlich als Nebenstrecke die wieder von Süden nach Norden einen steiler durch gefällte Bäume gesperrt. werdenden Hang hinaufführt, beginnt am Alb- Schanze V versperrt den Zugang zu einem bewal- trauf mit einem von Niethammer sog. Defensiv- deten Sporn der Hochfläche, der Eichhalde, von haken, der hier bastionsartig als Fünfeck ausge- der aus ein schmaler Weg nach Talheim hinabführt. bildet ist und das Umgehen der Anlage verhindern Die Schanze beginnt an der Kante des Albtraufs oder doch erschweren sollte (Abb. 8). Durch den und zieht sich dann den Hang des Riedernbergs einspringenden Winkel in der Mitte der Wallan- hinauf. Im südlichen, unteren Hangbereich ist eine lage verläuft ein Waldweg, von dort zieht die Spitzbastion vorhanden, der Graben ist stark aus- Schanze aufwärts, wobei der nördliche Teil nur

48 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 noch aus der Außenböschung des Walls besteht. Der Graben dient einem Waldweg als Trasse, der Wall wurde wohl nie aufgeschüttet. Das Wallende bildet einen ausspringenden Winkel, ein Bereich der von Niethammer als Ansatz eines Defensivha- kens gedeutet wird. Die Flankendeckung über- nimmt hier der felsige nach Norden zu anstei- gende Steilhang. Schanze VII befindet sich nur 600 m Luftlinie nörd- lich auf der Hochfläche des Bolbergs (Abb. 9). Sie bildete mit den spurlos verschwundenen Schan- zen VIII und IX, die schon Niethammer nur noch grob verorten konnte, ein Ensemble, mit dem der sehr flache Bolberg von der Hochfläche abgerie- gelt wurde. Schanze VII verläuft 450 m lang von Westen nach Osten am südlichen Waldrand des Bolbergs am Rand einer natürlichen Geländestufe. Sie folgt dem Gelände und bildet daher eine unre - gelmäßige Zickzacklinie, die im Westen eine Spitz- ansteigenden Hang, der von der Straße zum Ross- 8 Der Wallgraben des bastion ausbildet und mittig eine Art breit ausge- berg gequert wird, die die Schanze sperren sollte. südlichen Defensivhakens zogener Spitzbastion. Welcher der fünf heutigen von Schanze VI. Durchgänge alt ist, kann nicht mit Sicherheit ge- Die Rossbergschanzen sagt werden. Nach Westen und Osten schloss ein Verhau an. Der östliche Verhau bildete die Verbin - Die umfangreichste Einzelschanze ist Schanze XI, dung zu Schanze VIII, die am Südrand des Bol- die Rossbergschanze, die sich über 1200 m Länge bergwaldes lag, der allerdings 1897 noch weiter erstreckt und das gesamte Rossfeld mit Großem nördlich verlief als heute, nämlich am dort von Süd- und Kleinem Rossberg von der Hochfläche ab- westen nach Nordosten den Wald durchqueren- trennt (Abb. 10). Sie beginnt im Süden mit einem den Weg. Ein weiterer Verhau führte nordwärts zu auf einem Sporn über dem Öschenbachtal gele- Schanze IX, von der bis auf den Flurnamen genen Defensivhaken, dessen Wall im Südosten „Schänzle“ ebenfalls nichts geblieben ist. Sie lag eventuell als schmale Trockenmauer ausgebildet nach Niethammers Karte am Nordende des Feld- war. Nach wenigen Metern endet der Wallgraben wegs, der von Undingen zum Hartfelsen am Alb- am parallel verlaufenden Steilhang und beginnt trauf führte, südlich von Punkt 856,9 (damals noch mit einer Schulterwehr (einer halben Spitzbastion) Punkt 855). erst wieder am Waldrand, wo der Sporn an die Schanze X ist ebenfalls vollständig abgegangen. Hochfläche des Rossfelds anschließt. Von dort Niethammer verortete sie direkt nördlich des Quell- führt der Wallgraben nach Norden, der Wall ist wie- brunnens des Öschenbachs an einem nach Norden der einem Feldweg zum Opfer gefallen. Ungefähr

9 Bolbergschanzen. Mit ungefährer Lage von Schanzen VIII und IX.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 49 hier durch die beiden Spitzbastionen des Wallgra- bens, der an einem flachen Hang endet, wo ver- mutlich ein Verhau ansetzte. 280 m östlich direkt gegenüber von Schanze XI schneidet Schanze XII den flachen Sporn des Buo- bergs vom Rossfeld ab. Sie ist sehr kurz und wird hauptsächlich von einer Spitzbastion gebildet, durch die ein Weg auf den Sporn führt. Die kurzen Wallgräben, die im flachen Hangbereich enden, wurden vermutlich durch Verhaue bis an den Alb- trauf fortgeführt.

Was von den Schanzen übrig blieb

Schanze XIII befand sich überaschenderweise nicht am Albtrauf, sondern an dessen Fuß, südlich der Talmühle an der Straße Gönningen–Genkingen (Abb. 13). Die nur wenige Schritte lange Anlage war schon 1897 völlig verschwunden. Sie lag am südlichen Talende an der alten Steigstraße, die westlich der heutigen Straße verläuft. 10 Rossbergschanzen. in der Mitte des Rossfelds befindet sich am Durch- Bis hierher ist Niethammers Beschreibung der Links Schanze XI mit ih- gang eines alten Weges (heute ein Wanderweg) Karte eine große Hilfe, aber von Genkingen bis Hol- rem weit entfernten süd- eine Spitzbastion, durch die der Weg in die zelfingen ist sie sehr ungenau. Zusätzlich waren lichen Ende (Pfeil). Rechts Schanze führt. Diese Spitzbastion wurde doppelt schon 1897 fast alle Schanzen völlig verschwun- Schanze XII. ausgeführt: In ihrem Inneren wurde eine weitere den. Von den Burgstallschanzen (XIVa–c) hat sich Spitzbastion angelegt, so ass ein Angreifer nach lediglich eine Schanze auf halber Höhe des Alb- der Durchquerung des Tors in der äußeren Bastion traufs 250 m südwestlich des Genkinger Burgstalls vor der zweiten, etwas höheren Bastion stand, ent- erhalten, die Niethammer nicht kannte und die lang deren südlicher Flanke der Weg zwischen wohl die Hochfläche „Reute“ abriegeln sollte. beiden Bastionen verlief. Wenige Meter nördlich Seine Versuche, die übrigen Schanzen zu verorten, schneidet die Rossbergstraße die Schanze (Abb. 11; führten nicht weit, da der nördlich der neu ent- 12), die nördlich davon mit einem flachwinkeligen deckten Schanze gelegene Rößlesberg eine früh- Knick in einen Taleinschnitt läuft, durch den die mittelalterliche Wehranlage trägt, keine frühneu- Straße nach Gönnigen hinunterführt. Die Straße zeitliche, wie er selbst schon vermutete. Die Schan- wird im Zentrum eines einspringenden Winkels zen XV bis XVII befanden sich auf der Hochfläche geschnitten. Die Schanze verläuft oberhalb einer auf der Linie Stellenberg-Altersbühl-Eichhalde-Ho- Abgrabung steil hangaufwärts nach Nordosten zu- henbuch, wo es mehr befestigungswürdige Pas- 11 Schanze XI an der rück auf die Hochfläche und riegelt hier einen wei- sagen gibt als überlieferte Schanzen. Auch die Su- Straße zum Roßberg. teren Sporn, den Rank, ab. Zwei Zugänge führen che mittels LIDAR-Scans blieb hier erfolglos. Es ist möglich, daß diese Schanzen im Frühling 1704 gar nicht mehr erbaut worden sind. Schanze XVIII hingegen hat sich erhalten. Sie sperrte die Honauer Steige da, wo diese zwischen Honau und Traifelberg die Hochfläche erreicht. Sie ist nördlich der Straße und südlich der Trasse der ehemaligen Zahnradbahn direkt am Albtrauf teil- weise erhalten. Sie gleicht dem gedeckten Weg der Honauer Schanze, ist allerdings breiter und ver- fügte wohl über einen Wallgraben im Südosten. Erhalten hat sich die innere Wallböschung und nordwestlich davon ein flacher Bereich direkt am Steilhang, der durch einen teilweise noch erhalte- nen Wall vom Steilhang, als Absturzsicherung, ge- trennt wird. Die von Niethammer beschriebene Mittelbastion, die laut der Tafel vor Ort in den Fel- sen gesprengt worden sein soll, ist nicht mehr auf- findbar. Die Schanze führte noch ein Stück weit nach Nordosten den Hang hinauf, wo sich nichts von ihr erhalten hat. Von den Schanzen XIX bis XXI ist erneut nichts er- halten. Schanze XIX lag am Südhang des Traifel- bergs, die anderen beiden lagen wohl an den Stra- ßen nach Holzelfingen. Von dort aus führt eine Passstraße nach Unterhausen bei Lichtenstein. Aber auch hier gibt es wieder eine Straße mehr als verzeichnete Schanzen und schon Nietham- mers Karte scheint keine genauen Lagen mehr an- zugeben. Vielleicht wurden sie ebenfalls nicht er- baut.

Deutung

Statt nur das Notwendigste zu tun und die Pass- straßen abzuriegeln, wurden zwei Schanzen (I und II) erbaut, um die Talheimer Steige seitlich zu de- cken, was bei einem nördlicheren Verlauf von Schanze III mit zugehörigen Verhauen gar nicht nö- tig gewesen wäre. Auch die Abriegelung von grö- ßeren Freiflächen zeigt, dass, entgegen der Ansicht Niethammers, noch ein anderes Ziel mit dem Schanzenbau verfolgt wurde, als nur die Sperrung von Albabgängen. Mehrere Gründe sind dafür denkbar, die vom genutzten Gelände her plausibel erscheinen. Zum einen entzieht ein teilweise felsi- ger Steilhang unmittelbar im Rücken der Verteidi- ger diesem fast jede Fluchtmöglichkeit, zum an- deren ist ein tieferer Raum hinter den Feldbefesti- gungen auch nötig, um Verteidiger schnell an gefährdete Stellen bringen zu können, Material zu lagern, aber auch Einheiten zum Ausfall aufstellen zu können. Dass dafür nicht das gesamte Roßfeld vonnöten war, von dem aus auch keine Steigstraße ins Neckartal führt, lenkt den Blick auf einen an- deren Zweck der meisten Schanzen, nämlich einen sicheren, verteidigungsfähigen Raum auf abgele- genen Teilen der Hochfläche zu schaffen, der als Rückzugsort für die Bevölkerung der Albdörfer mit Literatur und Quellen 12 Schanze XI – Profil ihrer fahrenden Habe gedient hätte, wenn sie vor des Wallgrabens. Raubzügen oder einem Vormarsch des Feindes auf Hermann Niethammer: Die Alblinien, in: Reutlinger der Flucht gewesen wären. Dafür bieten sich die Geschichtsblätter, Nr. 2, 1893, S. 18–25. 13 Burgstallschanzen. versteckt gelegenen großflächigen Sporne, aber Der Pfeil zeigt den mut- auch die nördlich und südlich von Honau abge- Praktischer Hinweis maßlichen Standort von Schanze XIII. Mittig riegelten Freiflächen an. Aber auch für kleinere mi- Schanze XIV. litärische Operationen hätten die Verschanzungen Anschrift des Denkmals: Zwischen Salmendingen, so als Ausgangspunkt und Rückzugsort dienen Gemeinde Burladingen, Zollernalbkreis und Hol- können. Die Schanzen konnten zwar dem kon- zelfingen, Gemeinde Lichtenstein, Landkreis Reut- zentrierten Angriff einer Armee nur kurze Zeit lingen. standhalten und waren dafür, mit Ausnahme der Schanzen an der Talheimer Steige, auch gar nicht ausgelegt. Allerdings wären sie stark genug ge- wesen, um, wenn sich genügend bewaffnete Ver- teidiger gefunden hätten, einen zum Raub aus- Dr. Ulrich Kinder gesandten Trupp abzuwehren, wenn sich dieser Landesamt für Denkmalpflege überhaupt an eine befestigte Stellung herange- im Regierungspräsidium Stuttgart wagt hätte. Dienstsitz Tübingen

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 51 Ortstermin

Barrierefreiheit im Denkmal Umnutzung des Direktorenwohnhauses des alten Chemischen Instituts in Tübingen

Im Mai 2016 meldete das „Schwäbische Tagblatt“ Planänderungen von Albert Held durch das König- das Aus für den sogenannten Schiebeparkplatz liche Bezirksbauamt 1904 ausgeführt. Obgleich zwischen Wilhelmstraße und Nauklerstraße. Ge- nach der Jahrhundertwende realisiert, lässt sich nerationen von Studenten bewiesen hier Geschick das Gebäude mit seiner charakteristischen Kom- und Geduld beim Ausparken. Um die Parkfläche bination aus bossiertem Sockelgeschoss sowie sei- auszunutzen, war es ungeschriebenes Gesetz, die ner Backsteingliederung mit freien Putzflächen sti- Fahrzeuge in den Mittelgängen ohne eingelegten listisch in die Zeit des 19. Jahrhunderts einordnen. Gang zu parken, damit man sie bei Bedarf aus dem In Tübingen war es seit der zweiten Hälfte des Weg schieben konnte. Die wenigsten Nutzer dürf- 19. Jahrhunderts durchaus üblich, die Direktoren ten allerdings gewusst haben, dass bis 1972 hier im Institutsgebäude selbst oder in einem daran an- das alte Chemische Institut stand. Von dem Gebäu - gefügten Wohntrakt unterzubringen. Um die Jahr- dekomplex blieb allein das Direktorenwohnhaus hundertwende entstanden vor allem neben den erhalten. Es war Teil des weiträumigen Chemi- großen Klinikbauten Direktorenwohnhäuser. schen Instituts und mit diesem durch einen ge- Neben dem repräsentativen säulengeschmückten schlossenen Gang im ersten Obergeschoss ver- Entree mit Metallgeländer im Stil der Erbauungs- bunden. Bei dem Wohnhaus handelt sich um ein zeit befand sich im Erdgeschoss des Direktoren- 1 Blick von Süden, dreigeschossiges Gebäude mit Veranda, Erker und wohnhauses des Chemischen Instituts eine Dienst- Anschluss des Aufzugs- Balkon unter einem hohen Walmdach mit niedri- wohnung mit vier Zimmern und Küche. Die Woh- turms an das Direktoren- gen Annexen nach Westen und Süden. Das 1902 nung des Vorstandes umfasste neun Zimmer, wohnhaus von Albert Berger geplante Gebäude wurde nach Küche, Bad und Veranda in den beiden darüber be-

52 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 findlichen Geschossen. Verbunden wurden die Ge- seits unterhalb der Traufe. Eingriffe in den Dach- schosse durch eine großzügig geschwungene rand oder das Dachwerk konnten so vermieden Holztreppe. werden. Das weite Vordach, das den Aufzugsturm Infolge der Nachnutzung durch die theoretische umschließt und auf einer Stütze aufliegt, verzahnt Medizin und die damit verbundene Einrichtung das Gebäude mit dem Platz und leitet zum Aufzug, von Laborräumen ging ein Großteil der bauzeit- dessen Zugang zum Parkplatz orientiert ist. Der zur lichen Ausstattung, wie etwa Böden, wandfeste Wilhelmstraße ausgerichtete historische Haupt- hölzerne Ausstattung, Türen und Stuckdecken, eingang behielt seine Funktion und Wirkung. Wäh- verloren oder wurde stark beschädigt. Dennoch rend die mit einem breiten horizontalen Fugenbild zeugen die erhaltenen Grundrisse, das Entree und versehene Vordachstütze mit dem bossierten So- das Treppenhaus von der Stellung und dem ge- ckelgeschoss des Direktorenwohnhauses korres- sellschaftlichen Ansehen eines Institutsvorstandes pondiert, wurde am Aufzugsturm durch den im Universitätsbetrieb des beginnenden 20. Jahr- Wechsel zwischen glatten schmalen und struktu- hunderts. rierten rechteckigen Putzoberflächen die Fassa- Die seit 2015 geplante Umnutzung als neue fa- dengestaltung des Kulturdenkmals zurückhaltend kultätsübergreifende wissenschaftliche Einrich- neu interpretiert. tung „Tübinger School of Education“ zur Koordi- Im Inneren konnte das denkmalpflegerische Ziel, nierung, Organisation und Realisierung von Akti- das erhaltene Entree und das Treppenhaus mit sei- vitäten in Studium, Lehre und Forschung in der ner bauzeitlichen Ausstattung zu reparieren sowie Lehrerinnen- und Lehrerbildung konnte 2018 re- die räumlichen Zusammenhänge durch Rückbau alisiert werden. Voraussetzung für die öffentliche späterer Einbauten wiederherzustellen, umgesetzt Nutzung war die barrierefreie Erschließung des Ge- werden (Abb. 2; 3). Hierfür wurden auch die Türöff - bäudes. nungen, die man für die Labornutzung verkleinert Aufgrund der Niveauunterschiede zwischen Haupt- hatte, zurückgebaut. Schon allein aus Mangel an eingang, Entree und Haupttreppe mit Zwischen- Befunden, kam eine Rekonstruktion von Türen, Bö- podesten war es im Inneren nicht möglich, eine den und wandfester Ausstattung nicht in Betracht. denkmalverträgliche und funktional sinnvolle Lö- So stellt das Innenraumkonzept vielmehr durch sung zu entwickeln. Deshalb wurde der Aufzug als eine bewusste Material- und Farbwahl atmosphä- Anbau dort platziert, wo sich ursprünglich das risch einen Bezug zur ehemaligen Wohnnutzung Chemische Institut befand und heute der Parkplatz her. Die aus Brandschutzgründen eingebauten liegt (Abb. 1). Um die Barrierefreiheit im gesamten Trennwände zum Treppenraum ermöglichen durch Gebäude zu gewährleiten konnte allerdings der großzügige Glaselemente einen Blickbezug zwi- historische Verbindungbau nicht wiederbelebt schen dem ehemals offenen Treppenhaus und den werden. So wurde die Verbindung zwischen Di- Dielen der einzelnen Etagen. rektorenwohnhaus und neuem Aufzugsturm noch Norden verschoben. Der geschlossene verputzte Dr. Anne-Christin Schöne Aufzugsturm schließt mit einer Glasfuge an das Landesamt für Denkmalpflege Gebäude an. Hierdurch löst sich einerseits der Auf- im Regierungspräsidium Stuttgart zug optisch vom Gebäude ab und endet anderer- Dienstsitz Tübingen

2 Blick vom Hauptein- gang in das Treppenhaus.

3 Blick von der Treppe in die erste und zweite Etage.

53 „zum wolseligen Gedechtnis“ an die Verstorbenen. Rezension Anhand des der „Ahnenprobe“ dienenden reichen Wappenschmucks, des selbstbewussten Habitus Marion Diehm: „Zum wolseligen Ge- der Skulpturen der Bestatteten und der Auswer- dechtnis“. Zeugnisse adeliger Memo- tung der schriftlichen Quellen zum Begräbnisritual rialkultur aus der zweiten Hälfte des macht Marion Diehm deutlich, dass Ende des 16. Jahrhunderts in Wertheim, unter 16. Jahrhunderts die weltliche dynastische Reprä- besonderer Berücksichtigung der daran sentation an die Stelle der liturgischen Memoria beteiligten Würzburger Künstler, Main- tritt. Besonders wichtig ist der Autorin aber die Dar- fränkische Studien 89 stellung der engen künstlerischen Beziehungen, welche die seit 1524 protestantische Grafschaft Baunach 2017, 98 S., 48 Abb., Wertheim trotz Erbfolgestreitigkeiten über herr- ISBN 978-3-88778-527-7, 18,80 Euro schaftliche und konfessionelle Grenzen hinweg zur Bischofsstadt Würzburg pflegte. Alle in ihrer Wenn eine Restaurierungsmaßnahme von einer Publikation beschriebenen Werke stammen von kunsthistorischen Arbeit mit sorgfältiger Quellen- Künstlern aus der Stadt, in der spätestens seit auswertung begleitet wird, dann kann man nur Amtsantritt von Bischof Julius Echter von Mespel- von einem Glücksfall sprechen. So entstand die brunn 1573 die Kunst wieder aufblühte. Mit dem wissenschaftliche Abhandlung der Wertheimer in Schriftverkehr und Rechnungen namentlich er- Kunsthistorikerin und Volkskundlerin Marion Diehm wähnten Bildhauer Claudius Michel, der 1580 für zu der Zeit, als das Stolberg-Königsteinsche Epi- die Herstellung der Grabplatten für Graf Ludwig taph aus der Wertheimer Stiftskirche abgebaut und Walburga beauftragt wurde, gelingt Marion war und Stück für Stück im Atelier eines Stein- Diehm außerdem die Werkzuschreibung an einen konservators begutachtet werden konnte. Theo- bisher kaum bekannten Künstler. Gleiches gilt für rie und Praxis konnten sich dadurch zugunsten des den Maler Jacob Caio, der 1581 die noch in Res- denkmalpflegerischen Erkenntnisgewinns gegen- ten erhaltene, in den Quellen als „Illumination“ be- seitig befruchten. zeichnete Farbfassung des 1578 aufgestellten Stol- Anlass für das in der Reihe „Mainfränkische Studi - berg-Königsteinschen Epitaphs besorgte. Eine wei- en“ erschienene Büchlein war die Anfrage von ei- tere Besonderheit ist die exakte Bestimmung der nem der Nachfahren des Grafen Ludwig II. von Bezugsorte für das Steinmaterial einschließlich Stolberg-Königstein (1505– 1574), der die Recher - Mengenangaben und Transportkosten, die an- che über das für den Grafen und seine vier Jahre hand der Berichte des 1576 für die Herstellung des später verstorbene Gemahlin Walburga errichtete Stolberg-Königsteinschen Epitaphs beauftragten Epitaph beauftragte. Trotz einiger zu den Grab- und auch für die Beschaffung der Werkstoffe ver- malen in der Wertheimer Stiftskirche erschienener antwortlichen Bildhauers Hans Rodlein möglich Publikationen war Quellenmaterial bislang unbe- wurde. Schließlich ist es der Materialmix aus Schilf- rücksichtigt geblieben, so unter anderem im Staats - sandstein, Alabaster, Schiefer und rotem Bunt- archiv Wertheim aufbewahrte Rechnungsserien, sandstein, der dieses Grabdenkmal neben der drei- Korrespondenzen und verstreutes Schriftgut, was teiligen Horizontalgliederung in Form der „Rhyth- die Autorin nun in mühevoller und ergebnisreicher mischen Travee“ zu einem innovativen Kunstwerk Arbeit ausgewertet hat. Im Zentrum ihrer Betrach- macht. Weniger bedeutend ist demgegenüber die tung steht neben dem bereits genannten Grab- unterschiedliche Ausgestaltung der zum Teil dis- denkmal das Epitaph für Gräfin Barbara von Isen- proportionierten Figuren, die mindestens drei burg (1531– 1600) und ihren bereits 1577 verstor - Handschriften vermuten lassen. Noch innovativer benen Gemahl Georg. Die beiden zeittypischen ist das nur wenige Jahre später konzipierte, im sel- Renaissance-Grabdenkmale befinden sich im Chor ben Jahr fertiggestellte und überwiegend in Ala- der Wertheimer Stiftskirche, der seit Vollendung baster gefertigte Isenburger Epitaph, in dem das 1319 als Grablege der Grafen von Wertheim diente. Grafenpaar nicht mehr als kniende und betende Inmitten des einem Mausoleum gleichenden Chor- Adoranten, sondern nunmehr stehend in reprä- raums steht außerdem die berühmte, im frühen sentativer Frontalansicht gezeigt wird. Über 30 17. Jahrhundert vom Bildhauer Michael Kern aus Wappenreliefs untermauern eindrucksvoll Ah- Alabaster geschaffene Bettlade, über deren Res- nennachweis und Herrscherlegitimation und sind taurierung die Landesdenkmalpflege vor Kurzem auch Teil der durch Beschlagwerk, Masken, Dia- in dieser Zeitschriftenreihe berichtete (vgl. Denk- mantbossen, Obelisken, Putti und dergleichen ge- malpflege in Baden-Württemberg Heft 2/ 2016). prägten Dekorationsfreude. Der Autorin gelingt Beide Epitaphe entstanden, wie Gräfin Eberstein auch mühelos die kunsthistorische Würdigung in einem Brief über das Stolberg-Königsteinsche und Einordnung der beiden dreigeschossig und Grabdenkmal schreibt und im Buchtitel zitiert wird, dreizonig gestalteten typischen Wanddenkmäler

54 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 der Spätrenaissance in die Würzburger Kunst- landschaft, beeinflusst von druckgrafischen Vor- lagen der niederländisch-flämischen Kunst. Dabei werden nicht nur Werkstoffe und Farbfassungen, sondern auch die beim Alabaster-Grabdenkmal früh aufgetretenen Schäden und die Restaurie- rungsgeschichte berücksichtigt. Bei der Gliederung und Struktur der Publikation wären eine geringere Anzahl von Kapiteln und kür- zere Quellenzitate übersichtlicher und in Anbe- tracht der genealogischen Verflechtungen der Wertheimer Grafen beziehungsweise deren Nach- folger ein Stammbaum hilfreich gewesen. Den- noch schafft es Marion Diehm, Licht in die kom- plizierte Erbfolge zu bringen. Auch tragen die Quel- lenzitate dazu bei, die Rituale bei den Begräbnissen und den Entstehungsprozess der Grabdenkmale ausragend. Sie seien eine wichtige Unterstützung Festakt zur Verleihung einschließlich der Auswahl der Wappen durch die für archäologische Untersuchungen und die Ver- des Archäologie-Preises Auftraggeber transparent zu machen, die Künst- mittlung archäologischer Inhalte. Baden-Württemberg im ler und Handwerker (Bildhauer, Steinmetze, Mau- Prof. Dr. Claus Wolf, Präsident des Landesamtes Neuen Schloss in Stutt- rer, Schmiede, Bleigießer, Maler) aus der Anony- für Denkmalpflege, machte die große Bedeutung gart. mität zu holen und die Herstellung der Kunstwerke der Auszeichnung deutlich: „Das Landesamt für quasi zu demokratisieren. Dazu passen auch die Denkmalpflege, die Gesellschaft für Archäologie anhand der schriftlichen Quellen belegten Verzö- in Württemberg und Hohenzollern sowie der För- gerungen bei der handwerklichen Ausführung, derkreis für Archäologie in Baden würdigen mit aber auch das „drinkgelt“, das die zufriedenen dem Preis herausragende ehrenamtliche Leistun- Auftraggeber dem Bildhauer Hans Rodlein 1578 gen auf dem Gebiet der Landesarchäologie. Mein in Höhe von „20 Gulden zur Verehrung“ zahlten. Dank gilt insbesondere auch der Wüstenrot Stif- Und das war kein Einzelfall. tung als Träger der hohen Auszeichnung. Die re- Die Autorin hat sich mit dieser Veröffentlichung für gelmäßige Anwesenheit zahlreicher Vorstands- Archivauswertungen, kunsthistorische Studien mitglieder unterstreicht, welche Bedeutung die und sonstige geschichtswissenschaftliche Arbeiten Stiftung dem ehrenamtlichen Engagement in der bestens empfohlen. Denkmalpflege beimisst.“ Dr. Karsten Preßler Den mit 8000 Euro dotierten Hauptpreis teilen sich Reiner Blumentritt aus Schelklingen und Georg Hil- ler aus Blaubeuren. Mitteilungen Reiner Blumentritt zählt zu den ersten ehrenamt- lich Beauftragten für die archäologische Denkmal - Archäologie-Preis 2018 verliehen pflege im Regierungsbezirk Tübingen. Mit seinem Namen verbindet man unter anderem die Entde- Der Archäologie-Preis Baden-Württemberg 2018 ckung des bronzezeitlichen Hortfundes von Ringin - ging an Preisträger aus dem Alb-Donau-Kreis und gen, einer frühmittelalterlichen Siedlung in Schelk- dem Landkreis Esslingen. Den Hauptpreis erhielten lingen, und der archäologischen Fundstelle des Reiner Blumentritt aus Schelklingen und Georg Hil- „Geißenklösterle“ bei Blaubeuren-Weiler. In den ler aus Blaubeuren, den Förderpreis die Archäolo- 1970er Jahren lenkte Reiner Blumentritt das Inter- gie-AG Kirchheim unter Teck. esse der Universität Tübingen auf Fundmöglich- Am 12. November 2018 hat Katrin Schütz, Staats- keiten im Eingangsbereich des „Hohle Fels“. An- sekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit schließende Forschungsgrabungen brachten Funde und Wohnungsbau, im Weißen Saal des Stuttgar- wie die weltberühmte „Venus vom Hohle Fels“ ter Neuen Schlosses den Archäologie-Preis Baden- hervor. Dank seiner tatkräftigen Unterstützung ge- Württemberg überreicht. „Im Namen der Landes- hören das „Geißenklösterle“ und der „Hohle Fels“ regierung danke ich den Preisträgern herzlich für seit dem letzten Jahr zum UNESCO-Weltkulturerbe ihr enormes breit aufgestelltes Engagement, das „Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb“. seit vielen Jahrzehnten andauert. Sie alle sind Vor- Die weltweit faszinierenden Funde, etwa der Pferde - denker, Organisatoren, Türöffner, Netzwerker und kopf aus Mammut-Elfenbein, ein Wasservogel und Kümmerer im Dienste der Landesarchäologie“, so die 2002 gefundene Mensch-Tier-Figur eines Lö- Schütz. Das langjährige Engagement der Preisträ- wenmenschen wurden von einem Team unter der ger zur Erforschung des kulturellen Erbes sei her- Leitung von Professor Nicholas Conard, Universität

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 55 Bis heute ist Georg Hiller Vorsitzender der Gesell- schaft für Urgeschichte, insbesondere liegt ihm die Vermittlung von Ergebnissen der Urgeschichtsfor- schung etwa in Form jährlicher Exkursionen am Herzen. Maßgeblich beteiligt war er im Jahre 2014 auch an der Gründung der AG Eiszeitkunst, heute „Welt- kultursprung“. Schließlich war Georg Hiller 2016 Mitherausgeber und -autor des Buches „Welt-Kult- Ur-Sprung“, in dem die Welterbe-Höhlen, die Eis- zeitfunde und die Präsentationsorte vorgestellt werden.

Förderpreis an die Archäologie-AG Kirchheim unter Teck

Den mit 4000 Euro dotierten Förderpreis über- reichte die Staatssekretärin an Rainer Laskowski, der die Archäologie-AG Kirchheim unter Teck ver- Tübingen, gemacht, sind aber ebenfalls eng mit trat. Tatsächlich ist die Archäologie-AG unter Ih- Staatssekretärin Katrin dem Namen Reiner Blumentritt verbunden. rem Gründer und Leiter Rainer Laskowski ein Mus- Schütz mit den Preis- Reiner Blumentritt vertritt zudem in der Museums - terbeispiel für eine ehrenamtlich tätige Arbeitsge- trägern Reiner Blumen- gesellschaft Ehingen den Themenbereich Archäo- meinschaft, in der Personen unterschiedlichster tritt (li.) aus Schelklingen logie und baute die Museumsgesellschaft Schelk- beruflicher Qualifikation unter professioneller An- und Georg Hiller aus lingen auf. Seiner Initiative ist der Auf- und Ausbau leitung gemeinsam an einem Strang ziehen. In den Blaubeuren. des Heimatmuseums Schelklingen zu verdanken 32 Jahren ihres Bestehens hat die Archäologie-AG und er arbeitet als weithin geachteter Höhlenfüh- mindestens 28 Baustellen in Augenschein ge- rer. Wobei es Herrn Blumentritt, ehrenamtlicher nommen und dabei 250 Fundstellen entdeckt. Es Bürgermeister seiner Heimatstadt und Grün- handelte sich dabei um Notbergungen an Bau- dungsmitglied der Gesellschaft für Urgeschichte stellen, darunter auch Plangrabungen zusammen Blaubeuren, ein besonderes Anliegen ist, die ar- mit dem Landesamt für Denkmalpflege. Derzeit chäologische Forschung und Auswertung zu för- bearbeitet die Archäologie-AG die Funde aus den dern und deren Erträge der Bürgerschaft in der Re- alamannischen Gräberfeldern „Rauner“, „Para- gion zugänglich zu machen. diesle“ und „Herdfeld“ sowie aus dem Areal Ber- Georg Hiller begleitete mit seinem Amtsantritt als ger in Dettingen unter Teck. Bürgermeister von Blaubeuren im Jahr 1978 die Die Bearbeitung der Funde ist derzeit eine Haupt- Ausgrabungen am „Hohle Fels“ und am „Geißen - aufgabe der Archäologie-AG. Zahlreiche Berichte klösterle“. Die erste Erweiterung des Urgeschicht - über die Ergebnisse ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit lichen Museums Blaubeuren 1984 und der Ausbau finden sich regelmäßig in der Reihe „Archäologi- des museumspädagogischen Programms sind sche Ausgrabungen in Baden-Württemberg“ des seine Verdienste. Im „Unruhestand“ nach seinem Landesamtes für Denkmalpflege und in der Schrif- Ausscheiden im Jahre 2002 konnte die Landesar- tenreihe des Stadtarchivs. Der Archäologie-AG ist chäologie erst recht von seiner beruflichen Erfah- es zu verdanken, dass in mehreren Jubiläumsaus- rung profitieren, indem er im Ehrenamt sogleich stellungen des Städtischen Museums die Funde ei- mit dem Entwurf eines Vertrages für eine Förde- ner breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden konn- rung des Betriebs des Urgeschichtlichen Museums ten. Auf jährlich großes Interesse stoßen auch die aktiv wurde und 2006 die Stiftung ins Leben rief. Vorträge des früheren städtischen Museumsleiters 2009 erfolgte dann die Erneuerung der Daueraus - Rainer Laskowski in der Volkshochschule über aktu- stellung zusammen mit dem wissenschaftlichen Di- elle Projekte der Archäologie-AG. rektor Professor Conard. 2013 übernahm Georg Hiller ehrenamtlich die Bauleitung der Museums- Denkmalpflege und Gartenschauen: erweiterung. Zuvor hatte er den Vertrags abschluss Rückblick und Ausblick mit dem Land über das Urgeschichtliche Museum als Zweigmuseum des Archäologischen Landes- Seit 2016 nimmt das Landesamt für Denkmal- museums in Konstanz vorangetrieben, und zwar pflege mit einem neuen Veranstaltungsformat an als Schwerpunktmuseum für Urgeschichte in Ba- den Gartenschauen im Land teil. den- Württemberg in Kooperation mit dem Ar- Mit der Dauerausstellung „GartenTräume – Grenz- chäopark Vogelherd. Räume“ und dem dazugehörigen Rahmenpro-

56 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 gramm sowie der Beteiligung beim Treffpunkt Ba- nerfeld im Referat Denkmalfachliche Vermittlung Besucher im Treffpunkt den-Württemberg hat sich 2016 in Öhringen die die Dauerausstellung „ZEITREISE NECKAR“, mit Baden-Württemberg. Präsenz des Landesamtes bei einer Gartenschau der es vom 17. April bis zum 6. Oktober zu Gast als wichtiger Baustein der Netzwerkarbeit und als in der Fabrik von J. Rettenmaier & Söhne ist. Im Vernissage mit dem Sand- neues Veranstaltungsformat der denkmalfach- BUGA-Gelände stehen einige technische Kultur- maler Christian Kaiser. lichen Vermittlung herausgebildet und bewährt. denkmale und archäologische Ausgrabungen mit Neue Zielgruppen konnten erreicht werden. dem Neckar in direktem Zusammenhang. Dies 682 000 der insgesamt 1,3 Millionen Landesgar- nimmt die Landesdenkmalpflege zum Anlass, die tenschaubesucher nahmen das Angebot der Lan- Besucher auf eine Zeitreise mitzunehmen und den desdenkmalpflege wahr. Fluss mit seinen wichtigsten Funktionen und Ver- Auf Landesebene finden im Zweijahresrhythmus änderungen, spannenden Forschungsergebnissen abwechselnd Landesgartenschauen und Grün- und innovativen Untersuchungsmethoden zu be- projekte in Baden-Württemberg statt. Zusätzlich leuchten. Originale Exponate, Mitmachstationen wird in den ungeraden Jahren an einem ausge- und ein reichhaltiges Rahmenprogramm machen wählten Ort in der Bundesrepublik Deutschland historische Schätze und das Wirken der Denkmal- die Bundesgartenschau ausgetragen. pflege für Jung und Alt, Experte und Laie lebendig. Beim Treffpunkt Baden-Württemberg, der offi- Als Beitrag zum 100-jährigen Bauhausjubiläum er- ziellen Vertretung der Landesregierung auf Lan- fahren die Neckarstaustufen des Architekten Paul desgartenschauen, Grünprojekten und Bundes- Bonatz innerhalb der Ausstellung „ZEITREISE“ eine gartenschauen, haben Ministerien und ihre nach- besondere Würdigung. Sie zählen zu den 100 Stät- geordneten Behörden die Gelegenheit, sich und ten herausragender Architektur, die von einer Fach- ihre Aufgaben der Öffentlichkeit vorzustellen. Hier jury für die „Grand Tour der Moderne“ ausge- präsentiert sich das Landesamt für Denkmlapflege wählt wurden. mit kleinen Ausstellungen zu ausgewählten Fach- Beim Treffpunkt Baden-Württemberg in Heilbronn themen. zeigt das Landesamt für Denkmalpflege im ehe- Auf der Landesgartenschau Lahr 2018 präsentierte maligen Fruchtschuppen vom 17. bis zum 11. Au- das Referat Denkmalfachliche Vermittlung im Treff- gust 2019 hintereinander die beiden Wanderaus- punkt Baden- Württemberg die Ausstellungen stellungen „Archäologie – Landwirtschaft – Forst- „Denkmalpflege und erneuerbare Energie“ sowie wirtschaft “ und „Barrierearmes Kulturdenkmal“. „Archäologie – Landwirtschaft – Forstwirtschaft“. Höhepunkte des Rahmenprogramms bildeten die spektakulären Vernissagen mit Beatboxer, Sand- maler und Cellist. Vorträge und Führungen durch Fachreferenten des Landesamtes sowie die Prä- sentation der neuen Publikation „Entlang der Fern- straße – Die römische Siedlung von Lahr-Dinglin- gen“ rundeten das Programm ab. Eyecatcher der Ausstellungen war der neu konzipierte Medien- kubus, auf dem Filme über die Arbeit und das Wir- ken der Landesdenkmalpflege informierten. Per- sönliche Beratungsgespräche und das Angebot von Informationsmaterial zu Denkmalthemen stie- Dr. Günter Wieland beim ßen bei den Besuchern auf große Resonanz. Fachvortrag Archäologie Für die Bundesgartenschau (BUGA) Heilbronn – Landwirtschaft – Forst- 2019 konzipiert das Fachgebiet Netzwerke/ Part- wirtschaft.

57 für Denkmalpflege. Hiervon zeugen viele gemein- same Veranstaltungen, insbesondere beim jährlich stattfindenden Tag des offenen Denkmals. Frau Lasartzyk pflegte darüber hinaus engen Kontakt zur Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Stuttgart. Auch hieraus haben sich zahlreiche er- folgreiche Projekte entwickelt. Eine wesentliche Aufgabe der Vorsitzenden des Ortskuratoriums ist die Übergabe der von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gewährten Förderverträge an die Eigentümer von Denkmalen zur Hilfe bei der Res- taurierung und Erhaltung, und nach Abschluss ei- ner Förderung die Übergabe der Plakette. Frau La - sartzyk konnte mit ihrem gut gepflegten Netzwerk hier jeweils würdige Veranstaltungen organisieren, Verleihung des Verdienst - Bei der einen Ausstellung werden ausgewählte mit Einladung von Persönlichkeiten der Region ordens an Gisela Lasart- Schutzstrategien von Bodendenkmalen anhand ar- und Vertretern der Presse. Dabei trägt sie wesent- zyk. Von li.: Dr. Ulrike chäologischer Fallbeispiele aus Baden- Württem- lich zur Steigerung der Bekanntheit von bedeu- Plate, Gisela Lasartzyk, berg vorgestellt, bei der anderen Erfolgsbeispiele, tenden Kulturdenkmalen bei. Besonders am Her- Ministerprädient Winfried die zeigen, dass denkmalgeschützte Gebäude und zen liegen ihr das Gedok-Haus in Stuttgart als ein Kretschmann und Frau eine barrierearme Nutzung nicht im Widerspruch besonders wichtiger Vertreter moderner Architek- Bohne. stehen. tur, für dessen Fenstererhalt sie sich eingesetzt hat, Zusätzlich ist die Denkmalpflege mit weiteren Wan- und die Veitskapelle in Stuttgart-Mühlhausen, für derausstellungen auf der Remstalgartenschau die sie regelmäßig hochkarätige Konzerte initiiert 2019 im Treffpunkt Baden-Württemberg sowie in und die sie damit im Bewusstsein der Öffentlichkeit Waiblingen und Schwäbisch Gmünd vertreten. hält. Als kenntnisreiche Ansprechpartnerin steht sie interessierten Besuchern beim Tag des offenen Verleihung des Verdienstordens der Denkmals sowie bei Messen und Ausstellungen Bundesrepublik Deutschland an Gisela Rede und Antwort und motiviert zudem private Ei- Lasartzyk gentümer von Kulturdenkmalen, sich zu engagie- ren. Ihr jüngster Erfolg ist es, die Gründung einer Ehrenamtliches Engagement in der Denkmalpfle- Jugendbauhütte für Baden-Württemberg erfolg- ge zahlt sich aus. Am 1. Dezember 2018 überreich - reich initiiert zu haben. te Ministerprädient Winfried Kretschmann persön- lich Gisela Lasartzyk für ihr langjähriges ehren- Tagungsrückblick amtliches Engagement in der Denkmalpflege den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Herausforderungen für Denkmalpflege Die Verleihung erfolgte am internationalen Tag des und Restaurierung im 21. Jahrhundert – Deutschen Ehrenamtes 2018. Die prunkvollen Akteure im Dialog (29. bis 30. Oktober Räume des Neuen Schlosses gaben einen würdi- 2018) gen Rahmen für die Feier ab. Der Ausgangspunkt für das Engagement von Gi- Im Rahmen des European Cultural Heritage Year sela Lasartzyk war die Gründung des Fördervereins (ECHY) 2018 fand in Kooperation zwischen dem „Alt Stuttgart“ Mitte der 1980er Jahre, der sich um Landesamt fur Denkmalpflege Baden-Württem- vernachlässigte Kulturdenkmale in Stuttgart küm- berg und dem Deutschen Nationalkomitee von mert und dessen Vorstand sie bis heute angehört. ICOMOS als Satellitenveranstaltung zur Florenti- Für die bundesweit agierende Deutsche Stiftung ner ICOMOS-Tagung „Conservation Ethics Today: Denkmalschutz ist sie ein stabiler Grundpfeiler für Are our Conservation-Restoration Theories and die Arbeit vor Ort. Sie leitet das Ortskuratorium Practice ready for the 21st Century?“ am 29. und Stuttgart mit großer Umsicht, höchstem Engage- 30. Oktober in Ravensburg eine Tagung mit dem ment und setzt sich mit Leidenschaft für den Erhalt Titel „Herausforderungen für Denkmalpflege und unterschiedlichster Kulturdenkmale in der Region Restaurierung im 21. Jahrhundert – Akteure im Di- ein. Sie hat sich in den vielen Jahren ihrer Tätig- alog“ statt. Dabei wurde das wichtige Thema der keit ein hohes Maß an Kompetenz in Fragen von Entscheidungsfindung durch interdisziplinäre und Denkmalschutz und Denkmalpflege angeeignet transdisziplinäre Zusammenarbeit in der Denkmal- und ist eine engagierte Botschafterin der Anliegen pflege an zwei unterschiedlichen Themenschwer- der Denkmalpflege. Beispielhaft ist hierbei die stets punkten vorgestellt: der vorbildlichen Instandset - sehr enge Zusammenarbeit mit dem Landesamt zung und Revitalisierung des HUMPIS-Quartiers in

58 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 Ravensburg, eines der besterhaltenden mittelalter - lichen Wohnquartiere in Baden-Württemberg, und dem aktuellen Thema der Erforschung, Erhaltung und Erneuerung von Bauten der Nachkriegsmo- derne. Nach den Grußworten fasste Ursula Schäd- ler-Saub zu Beginn der sehr gut besuchten Tagung im sanierten historischen Schwörsaal der Stadt Ra- vensburg die Ergebnisse der Florentiner Tagung zu- sammen und zeigte sich erfreut, dass ganz im Sinne von ECHY 2018 die Diskussion an neuen Or- ten mit neuen Akteuren, wie hier in Ravensburg, weitergeführt wird. Gerade die Erhaltung der Bauten der Nachkriegs- moderne verlangt von den Konservatoren und Res- tauratoren stärkere Vermittlung in die Gesellschaft – eine Herausforderung, die genutzt werden sollte, um sich zu den Fragen Authentizität, Integrität fragt werden muss, machten die anschließenden und Nachhaltigkeit in der Denkmalpflege zu posi- Beiträge klar, welche die Problematik aus der Sicht tionieren – so schilderte Anja Romanowski in ih- von Architekten und Kunsthistorikern in der Denk- rer Funktion als Generalsekretärin die laufenden malpflege schilderten. Als Antwort auf die Her- Diskussionen bei E.C.C.O., der Europäischen Ver- ausforderungen der Erhaltung der Architektur der einigung der Verbände der Konservatoren-Res- Nachkriegsmoderne hat die TU München im Win- tauratoren (European Confederation of Conser- tersemester 2018/19 mit Andreas Putz eine als Te- vator-Restorers’ Organisations). nure Track konzipierte, fächerübergreifende For- In ihrer Einführung warf Dörthe Jakobs zwei Fra- schungsprofessur zur „Neueren Denkmalpflege“ gen auf, die sich als roter Faden durch die Tagung für die Grundlagenermittlung zu Erhaltungsfragen zogen: Können bewährte Grundsätze zur Kon- moderner Materialien eingerichtet. Anhand his- servierung/ Restaurierung, welche die Erhaltung torischer Fotoaufnahmen, die gezielt die Bauten historischer Architektur von den Anfängen bis ins der Nachkriegsmoderne in ihrem makellos klaren 20. Jahrhundert bestimmen, auf die Erhaltung der Erscheinungsbild direkt nach der Fertigstellung ab- Bausubstanz des 21. Jahrhunderts übertragen wer- bilden – veranschaulichte Putz, wie dieser Bild- den? Oder müssen, zusätzlich zu den technischen schatz noch heute die Vorstellung dieser Bauten in Vortrag von Tino Mager Herausforderungen der Erhaltung dieser Architek - der Gesellschaft prägt und so auch die Entschei- im historischen Schwör- tur aus modernen, häufig industriell vorgefertig- dungen zu ihrer Erhaltung beeinflusst. Während saal der Stadt Ravens - ten Materialen und Bauteilen, auch die gedankli- Nutzungsspuren und Patina selbstverständlich bei burg. che Herangehensweise und ethischen Grundlagen älteren Baudenkmalen als wichtige, erhaltens- Dörthe Jakobs bei der angepasst werden? werte Zeugnisse der Authentizität gewertet wer- Präsentation des Dialogs Dass dies immer wieder auch am Einzelfall hinter- den, muss dies bei den Bauten der Nachkriegszeit der verschiedenen Ak- erst überprüft werden. Als gemeinsame Diskus- teure zur Instandsetzung sionsgrundlage ist jedoch eine umfassende res- und Revitalisierung des tauratorische Befunderhebung erforderlich, die HUMPIS-Quartiers. mit den Studierenden ausgeführt wird. Andreas Putz betonte, dass seine Professur inhaltliche Über- einstimmungen mit dem Studiengang der Kon- servierungs- und Restaurierungswissenschaften an der TU hat, die sich nun mit der neuen Professur unter Thomas Danzl stärker der Konservierung- Restaurierung der Architekturoberflächen der Nachkriegsmoderne widmen möchte, jedoch ei- genständig und fächerübergreifend ist. Leider konnte Thomas Danzl in Ravensburg nicht dabei sein, um seine Pläne für die Professur an der TU München vorzustellen. Während die Tenure Track-Professur an der TU München vor allem für angehende Architekten Tagungsteilnehmer im gedacht ist, bietet das von der VolkswagenStif- neu überdachten Innen- tung geförderte neue Graduiertenkolleg „Rahmen - hof des HUMPIS-Quar- wechsel“ der Universität Konstanz und der Staat- tiers.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 59 gen, dass es häufig ein Kampf ist, bei Sanierungen der Bauten der Nachkriegsmoderne wichtige archi- tektonische Ausdrucksmittel, wie historische Ober- flächen und innovative bauzeitliche Bautechno - logien wie z.B. die Haustechnik, zu erhalten. Oft stehen statische oder brandschutzrechtliche Vor- schriften bei öffentlichen Gebäuden dem Erhalt der Originalsubstanz im Wege. Mit einem Über- blick zur Bedeutung des Materials in der Restau- rierung richtete Roland Lenz die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des Materials als essenzielles Element für Authentizität. Harald Garrecht lenkte den Blick von den klassischen denkmalpflegeri- schen und restauratorischen Fragen auf übergrei- fende nationale und internationale Vereinbarun- Historischer Raum lichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart gen, z.B. auf die Gesetze zur Energiewende, die „Bohlenstube mit Erker“ eine Möglichkeit für Kunsthistoriker und Restau- entscheidenden Einfluss auf Umbaumaßnahmen mit mehreren Zeitschich- ratoren, interdisziplinär in den Bereichen Kunst- auch im historischen Bestand zur Folge haben und ten im Museum des wissenschaft und Kunsttechnologie zu forschen. häufig zu Verlusten durch Austausch historischer HUMPIS-Quartiers. Die national und international hochrangigen Pra- Materialien und zur Veränderung historischer xispartner zeigen, dass für diesen interdisziplinä- Oberflächen führen. Um dies zu vermeiden, müss- ren Dialog ein großes Interesse besteht. ten intelligente Konzepte den Standardlösungen Am Nachmittag des ersten Tages begaben sich die entgegengesetzt werden, wie auch neue Chancen Teilnehmer ins HUMPIS-Quartier. Im neu überdach- in Quartierslösungen zu suchen seien. Dass indivi- ten, nun für Veranstaltungen nutzbaren ehemali- duelle Lösungen möglich sind, zeigte auch Her- gen Innenhof schilderten die verschieden Akteure mann Klos am Detail der Erhaltung und Nachrüs- – Nutzer, Eigentümer, Denkmalpfleger, Architekten tung historischer Fenster. Zum Abschluss führten und Restauratoren – aus ihrer Sicht den Dialog und die Vorträge von Tino Mager und Peter Fornaro den Prozess der Annährung zu einem tragfähigen wieder von der praktischen Denkmalpflege weg Konzept. Der leitende Architekt Korkut Demirag zum Thema der Sehgewohn heiten und der Wahr- berichtete erfrischend offen über seinen Lernpro- nehmung. zess in der Zusammenarbeit mit der Denkmalpfle - Insgesamt verdeutlichte das Tagungsprogramm, ge. Zur Optimierung des gemeinsamen Arbeitens wie komplex die Thematik ist und wie umfassend von Architekten und Restauratoren regte er ab- der Dialog zwischen den verschiedensten Akteu- schließend z.B. die Nutzung kompatibler Doku- ren geführt werden muss, um den Herausforde- mentationsprogramme an. rungen der Denkmalpflege und der Restaurierung Im Anschluss daran konnten sich alle bei der Be- im 21. Jahrhundert gerecht zu werden. Dass wir sichtigung davon überzeugen, dass sich der in- dabei erst am Anfang stehen, zeigte auch die ab- tensive und sicher oft auch schwierige Dialog ge- schließend geführte Diskussion. lohnt hat. Das Ergebnis zeigt viele gute Lösungen Barbara Becket für den Umgang mit einem gewachsenen Archi- tekturkomplex. Die Nutzung als Museum erlaubt dabei auch die didaktische Präsentation verschie- Personalia dener Zeitschichten. Am Abend konnte man dann zusätzlich noch die traditionsreiche Weiter-Nut- Dr. Gertrud Kuhnle zung eines Teils der Gebäude als Gaststätte ge- nießen. Regierungspräsidium Stuttgart Am zweiten Tag zeigte sich, dass die Entscheidung Landesamt für Denkmalpflege zwischen der Erhaltung des materiellen Bestandes Referat 84.2 – Operative Archäologie und der Wiederherstellung eines bestimmten his- Günterstalstraße 67 torischen Erscheinungsbildes, die bei der Erhaltung 79100 Freiburg i. Br. des HUMPIS-Quartiers eindeutig und überzeugend Tel. 0761/2 08 35 84 zugunsten des materiellem Bestandes gefällt wer- [email protected] den konnte, bei den Bauten der Nachkriegsmo- derne weniger eindeutig ist und weiterer Diskus- Ende Mai 2018 trat Dr. Gertrud Kuhnle ihre Stelle sionen und individueller Lösungen bedarf. Ange- als Referentin für Archäologie am Dienstsitz Frei- lika Reiff führte an ausgewählten Beispielen aus burg an. Dort ist sie für die Kulturdenkmale der vor- Dr. Gertrud Kuhnle ihrer denkmalpflegerischer Praxis deutlich vor Au- geschichtlichen Epochen und der römischen Zeit

60 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 in den Landkreisen Emmendingen, Lörrach, Orte- dort am Technischen Gymnasium sein Abitur. Wäh- nau und Tuttlingen zuständig. rend der Mithilfe im väterlichen Vermessungsbüro Die gebürtige Augsburgerin verlegte nach Ab- wurde sein Gefallen am Arbeiten in der Natur ge- schluss des Abiturs 1984 ihren Lebensmittelpunkt weckt. Bei verschiedenen Auslandsreisen fand er nach Frankreich und studierte an der Universität großes Interesse an der Besichtigung antiker Stät- Straßburg Kunstgeschichte und Archäologie. Ab ten und landschaftlicher Formationen. Deshalb be- 1991 war sie als wissenschaftliche Leiterin von warb er sich auf Studienplätze der Archäologie Stadtkerngrabungen, großflächigen Grabungen, und Geologie. Die Entscheidung für eine der bei- Sondagen und Forschungsprojekten beim franzö- den Zusagen fiel ihm schwer, schlussendlich sischen Forschungsinstitut für präventive Archäo- wählte er das Studium der Geologie an der Albert- logie INRAP (Institut national de recherches arché- Ludwigs-Universität, das er 1997 als Diplom-Geo- ologiques préventives) unbefristet angestellt und loge abschloss. Bereits während des Studiums war bevorzugt in Straßburg und im Elsass tätig. Von Ja- er am Geotechnischen Institut Weil am Rhein tä- nuar 2017 bis zu ihrem Wechsel nach Freiburg tig, anschließend im Umweltlabor Kaiserslautern konnte sie durch die Freistellung vom Inrap beim sowie als Diplom-Geologe in Ingenieurbüros in CNRS (Centre National de la Recherche Scientifi- Kirchzarten und Freiburg. In dieser Zeit hat er sich que) ihre Forschungen zum römischen Straßburg umfangreiche Fachkompetenzen im Erd-, Grund- vertiefen. und Spezialtiefbau sowie bei geotechnischen und Oliver Henrici Neben der beruflichen Tätigkeit beim Inrap hat hydrogeologischen Erkundungen angeeignet, Frau Kuhnle im November 2015 ihre Promotion weshalb ihm Fachbau- und Projektleitungen über- zum Legionslager der 8. Legion und der römischen tragen wurden. Militärpräsenz in Straßburg an der École Pratique 2016 begann er eine Weiterbildung in der Natur- des Hautes Études (EPHE) in Paris bei Michel Reddé pädagogik mit beruflicher Umorientierung und be- erfolgreich abgeschlossen. warb sich als Grabungsarbeiter beim Landesamt Frau Kuhnles wissenschaftliche Kontakte nach Frei- für Denkmalpflege. Vom Juli 2016 war er zwei burg reichen in die Zeit ihrer Magisterarbeit über Jahre befristet am Dienstsitz der Archäologischen die spätrömischen Befestigungsanlagen zwischen Denkmalpflege Freiburg tätig. In diesem Zeitraum Bodensee und Bingen (1991) zurück, zu der sie entdeckte er bei zahlreichen Grabungsprojekten fachkundige Impulse sowohl im Bodendenkmal- sein großes Interesse an der Archäologie wieder. amt bei Gerhard Fingerlin als auch im Provinzial- Seit Oktober 2018 ist er als Grabungstechniker un- römischen Institut bei Hans-Ulrich Nuber bekam. befristet in Freiburg angestellt. Seit den 1990er Jahren war es für Frau Kuhnle ganz natürlich, Grabungsergebnisse mit Kollegen Ausgeschiedene Beschäftigte der Freiburger Institutionen zu diskutieren und da- raus mögliche Forschungsprojekte zu koordinieren, Dr. Wolfgang Kaiser welche sowohl die Eisenzeit als auch die römische Epoche am südlichen Oberrhein (Elsass-Baden) be- Wolfgang Kaiser hat schon als Student in der zwei- trafen. So gesehen ist die Referentenstelle am Lan- ten Hälfte der 1970er Jahre für die damalige Au ßen - desamt für Denkmalpflege im Regierungspräsi- stelle des Landesdenkmalamtes Freiburg im Hoch- dium Stuttgart für Frau Kuhnle die perfekte Fort- schwarzwald, im Bereich Stockach, in der Altstadt führung ihrer bisherigen Laufbahn als Archäologin Lahr und in der Altstadt Freiburg Kulturdenkmale im Elsass. Von Freiburg aus wird sie sich weiterhin inventarisiert. Sein Studium der Kunstgeschichte, in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit en- klassischen und christlichen Archäologie hatte ihn gagieren können. zunächst aber weitweg geführt aus dem Land: Das Barockschloss Castle Howard in North Yorkshire, Oliver Henrici eines der ersten palladianischen Landhäuser Eng- lands, war gewiss ein überaus interessantes Pro- Regierungspräsidium Stuttgart motionsthema. Mit dem Wissen um hochherr- Landesamt für Denkmalpflege schaftliche Architektur in Großbritannien ging er Referat 84.1 – zurück nach Südbaden und begann 1983 offiziell Zentrale Dienste und Denkmal forschung die Arbeit in der Inventarisation der Landesdenk- Günterstalstr. 67 malpflege. Ob Schwarzwaldhöhen oder Stadt Frei- 79102 Freiburg i. Br. burg, Wolfgang Kaiser war der Region treu und Tel. 0761/2 08 35 72 hat die Inventarisation im Regierungsbezirk Frei- [email protected] burg entscheidend mitbestimmt: Im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, später in den Kreisen Oliver Henrici wurde 1967 in Konstanz geboren, Lörrach und Waldshut und immer auch in der Stadt wuchs auf in Villingen-Schwenningen und machte Freiburg hat er die Erfassung der Kulturdenkmale

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 61 auf hohem Niveau und mit großem Engagement Denkmalpflege des Regierungspräsidiums Tübin- vorangetrieben. Herr Kaiser widmete sich aufge- gen, die archäologischen Kulturdenkmale und schlossen neuen Denkmalen, deren Denkmalwert Funde der Vor- und Frühgeschichte im Regierungs- er in verständlichen und überzeugenden Begrün- bezirk Tübingen. Stets hatte er das Ziel im Blick, der dungen erklärte. Die Vermittlung lag ihm sehr am Denkmalpflege in ihrem Partnerfeld – Kommunen Herzen, zahlreiche Aufsätze im Nachrichtenblatt und Planern, Bürgern und der archäologischen der Denkmalpflege zeugen davon: Wolfgang Kai- Wissenschaft – Gehör und Anerkennung zu ver- ser berichtete über bedrohte Schwarzwaldhöfe schaffen und die Bewahrung des kulturellen Erbes „Im Hochschwarzwald sterben nicht nur die Bäu - zu verfolgen. me“ (1984) und auch von ganz jungen Kultur- Zahlreich sind seine Ausgrabungsprojekte, von de- denkmalen der Nachkriegsmoderne „Beton, doch nen hier nur exemplarisch die mehrjährigen Unter- nicht für die Ewigkeit geschaffen?“ (2010). Sein suchungen der keltische Viereckschanze von Ried- Interesse galt zwar ganz besonders den Schwarz- lingen, „Klinge“ und die Ausgrabungen im Bereich waldhöfen und technischen Objekten, vor allem der Grabhügelgruppe im „Satzet“ nahe der Heu- den Kulturdenkmalen des Verkehrswesens. Er hat neburg an der Oberen Donau genannt seien. Die sich aber immer gegen eine Spezialisierung der In- Schwäbische Alb und Oberschwaben waren stets ventarisation in der Denkmalpflege ausgespro- Schwerpunkt seiner Arbeit, die sich in zahllosen ar- chen und ging davon aus, dass man sich in jedes chäologischen Vorträgen, Ausstellungen und Pu- Fachgebiet so einarbeiten kann, dass die Beurtei- blikationen niederschlug. lung der Denkmaleigenschaft möglich ist. Diesen Mit der strukturellen Reform der Landesdenkmal- Anspruch hat er selbst mit Bravour erfüllt, im Kreis pflege im Jahr 2015 war Frieder Klein zudem als der Landesdenkmalpflege und darüber hinaus Fachgebietsleiter Archäologische Inventarisation wurde sein wissenschaftlich fundiertes und wohl auch mit landesweiten Aufgaben betraut und abgewogenes Urteil sehr geschätzt. Sein Erfah- übernahm damit eine wichtige Aufgabe im neuen rungsschatz war eine wichtige Orientierung für die Referat 84.2 – Operative Archäologie. Kolleginnen und Kollegen, von denen Wolfgang Seine Begeisterung für die ur- und frühgeschicht- Kaiser vielen die Freude an der Denkmalpflege mit- lichen Fundstellen und Funde Baden-Württem- geben konnte. Ein sehr geschätzter Kollege ver- bergs wird ihn auch noch im Ruhestand beschäf- lässt nach 35 Jahren die Landesdenkmalpflege Ba- tigen und ihm sicherlich noch die eine oder andere den-Württemberg. Entdeckung bescheren.

Dr. Frieder Klein Dr. Jutta Klug-Treppe

Am 30. April 2018 verabschiedete sich Dr. Frieder Am 29. März 2018 verabschiedete sich Dr. Jutta Klein nach 31 Jahren in der Landesdenkmalpflege Klug-Treppe nach 34 Jahren in der Landesdenk- in den Ruhestand. malpflege in den Ruhestand. Frieder Klein kam schon während seiner Jugend- Geboren und aufgewachsen in Rheinland-Pfalz, zeit im Taubertal in Kontakt mit der Archäologie begann sie 1971 ihr Studium der Ur-und Früh - und absolvierte nach dem Abitur in Bad Mergent- geschichte, klassischen Archäologie und Geologie heim an den Universitäten Tübingen und Mün- an der Rupprecht-Karls-Universität in Heidelberg, chen sein Studium der Vor- und Frühgeschichte, wechselte dann an die Philipps-Universität nach der Urgeschichte, der Provinzialrömischen Archä- Marburg, wo sie auch promovierte wurde. ologie und der Geschichte. In Tübingen wurde er Bereits während ihres Studiums konnte sie we- 1985 mit einer Arbeit zu Siedlungsfunden der aus- sentliche Einblicke in die hessische Denkmalpflege gehenden Späthallstatt- und frühen Latènezeit in gewinnen, was die Wahl ihres Dissertationsthemas Württemberg promoviert. Schon während seines zur vorgeschichtlichen Besiedlung des Amöne- Studiums und seiner Dissertation waren Würt- burger Beckens bestimmte. temberg und insbesondere Südwürttemberg und Gleichzeitig entstanden auch schon während der Hohenzollern sein regionaler Schwerpunkt, dem 1970er Jahre wertvolle Kontakte zur südbadischen er bis zum Schluss treu geblieben ist. Denkmalpflege in Freiburg i.Br., wo sich immer Nach einem Forschungsprojekt zur vorgeschicht- wieder Möglichkeiten boten, an Ausgrabungen lichen Besiedlung des Heiligenbergs bei Heidelberg teilzunehmen. Besonders die archäologischen Un - sowie der Mitarbeit zur Neugestaltung der Abtei- tersuchungen während der großflächigen Rebum- lung Bronze- und Eisenzeit des Landesmuseums legungen im Kaiserstuhl in den 1970er Jahren wa- Württemberg in Stuttgart kehrte er an die Außen- ren für sie beindruckend. stelle des damaligen Landesdenkmalamts nach Tü- Von 1982 bis1983 konnte sie im Rahmen eines bingen zurück und betreute als Gebietsreferent, wissenschaftlichen Volontariats beim Museum für später Sachgebietsleiter Archäologie im Referat Ur-und Frühgeschichte der Stadt Freiburg, heute

62 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 ARCO (Archäologisches Museum Colombischlöss- stimmen. Er hatte entscheidenden Anteil an zahl- le) an der Vorbereitung der geplanten Daueraus- reichen archäologischen Untersuchungen im Be- stellung, verbunden mit der Neueröffnung des Mu- reich von ARAE FLAVIAE (Legionslager, Kastelle seums, mitarbeiten. und zivile Stadt) und in der hochmittelalterlichen Die Arbeit mit den archäologischen Funden im Siedlung Rotunvilla. Hervorzuheben sind in diesem Fundarchiv der damaligen Außenstelle des Landes - Zusammenhang die langjährigen Untersuchungen denkmalamtes Baden-Württemberg vermittelten im sog. Handwerkerbau, tatsächlich ein antikes ihr profunde Materialkenntnisse und einen um- Stadtquartier, im römischen Gräberfeld „Kapellen - fassenden Überblick über die vielfältigen Fund- ösch“ oder die Rettungsgrabung des merowin- spektren der verschiedenen vor- und frühgeschicht- gerzeitlichen Friedhofes von Villingendorf. lichen Kulturepochen. Eine besondere Herausforderung war die Freile- Seit 1984 war sie als Referentin in der Außenstelle gung der umgefallenen Wände mehrerer Gebäu - Freiburg des damaligen Landesdenkmalamtes Ba- de des römischen Gutshofes in Oberndorf-Bochin - den-Württemberg tätig, zunächst mit der Aus- gen, wo die außergewöhnliche Erhaltung inno - wertung des Fundmaterials und der Befunde aus vative Grabungs- und Dokumentationsmethoden hallstattzeitlichen Höhensiedlungen im Breisgau, erforderte. Dass nicht nur in Baden-Württemberg bevor sie als Gebietsreferentin immer mehr in die immer mehr solche Befunde erkannt werden, ist praktische Denkmalpflege eingebunden wurde. In sicher nicht zuletzt diesen Vorarbeiten zu ver- dieser Funktion war sie innerhalb des Regierungs- danken. bezirks Freiburg für zahlreiche Rettungsgrabungen Ebenso systematisch und engagiert begleitete Herr und Notbergungen verantwortlich, die sie mit dem Schlipf über die Jahre hinweg zahllose kleinere „Freiburger Team“ realisierte. Diese Tätigkeiten Ausgrabungen und Baubeobachtungen. Ihm ist es schlugen sich vor allem in Vorberichten in den „Ar- zu verdanken, dass aus diesen verschiedenartigen chäologischen Ausgrabungen Baden-Württem- Mosaiksteinchen ein immer schärferes Bild der Ver- berg“ sowie in regionalen Veröffentlichungen und gangenheit am oberen Neckar entsteht. Ortschroniken nieder. Zusätzlich hatte Herr Schlipf in seiner Funktion als Ihr vorrangiges Interessensgebiet wurden nun die Mitglied des Prüfungsausschusses der Kommission Region Südbaden, Schwerpunkte die bronzezeit- Grabungstechnik beim Verband der Landesarchä- liche und früheisenzeitliche Besiedlung im Breis- ologen und der Römisch-Germanischen-Kommis- gau und des nördlichen Kaiserstuhlvorlands. Die sion in Frankfurt und als Betreuer beim Landesamt Dokumentation der archäologischen Quellen bei wesentlichen Anteil an der Ausbildung mehrerer Bauvorhaben und die Planung von großflächigen Generationen von Grabungstechnikerinnen und Untersuchungen in Baugebieten bestimmten im- Grabungstechnikern. mer mehr den denkmalpflegerischen Alltag. Doch In ehrenamtlicher Tätigkeit bleibt Herr Schlipf auch die unmittelbare Nähe zu den vielfältigen archäo- im Ruhestand der Landesarchäologie verbunden. logischen Funden, verbunden mit einer kritischen und zurückhaltenden Analyse prägte weiterhin Nachruf Prof. Dr. Helmut Maurer ihre persönliche Arbeit. Auch die neuzeitliche Archäologie, vor allem die Am 29. Dezember 2018 verstarb mit Prof. Dr. Hel- Relikte im Kontext des sog. Westwalls und der mut Maurer einer der gründlichsten Kenner der Westbefestigungen im Oberrheingebiet und Süd- südwestdeutsch-schweizerischen Landesgeschich- deutschland bilden weiterhin einen Interessens- te des Mittelalters. Herr Maurer wurde am 3. Mai schwerpunkt. 1936 in Donaueschingen als Sohn eines im Staats- dienst tätigen Ingenieurs geboren. Dort und in Em- Thomas Schlipf mendingen besuchte er das Gymnasium; anschlie- ßend studierte er von 1956 bis 1963 in Freiburg im Am 30. April 2018 verabschiedete sich Grabungs- Breisgau Geschichte, Ur- und Frühgeschichte, Geo- techniker Thomas Schlipf nach über 40 Jahren in grafie, Germanistik, Soziologie und Politikwissen- der Landesdenkmalpflege in den Ruhestand. schaft. Nach der Promotion wirkte er beim Deut- Nach einer Ausbildung als Goldschmied konnte schen Historischen Institut in Rom an der Bearbei- Thomas Schlipf zunächst eine Fortbildung zum ge- tung des Repertorium Germanicum mit; dann prüften Grabungstechniker erfolgreich abschlie- absolvierte er im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und ßen und begann anschließend seine Tätigkeit als in der Archivschule Marburg eine Ausbildung für Grabungstechniker beim damaligen Referat Groß- den höheren Archivdienst. 1966 übernahm er die grabungen des Landesdenkmalamts an der Ar- Leitung des Konstanzer Stadtarchivs, die er – seit beitsstelle in Rottweil. Die Archäologie des römi- 1978 im Range eines Direktors – bis zu seiner schen und mittelalterlichen Rottweils und seines Pensionierung 2001 innehatte. 1968 wurde Herr Umfeldes sollte fortan seinen Arbeitsalltag be- Maurer in den Konstanzer Arbeitskreis für mittel- Prof. Dr. Helmut Maurer

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 63 alterliche Geschichte berufen, zudem 1972 in die gleitenden Beobachtungen und Fundbergungen Kommission für geschichtliche Landeskunde in Ba- reicht hier weit in das 19. Jahrhundert zurück. Als den-Württemberg. Von 1972 bis 1979 war er Prä- das damalige Landesdenkmalamt Baden-Würt- sident des Vereins für Geschichte des Bodensees temberg zum Jahresende 1983 entschied, schwer- und seiner Umgebung, von 1999 an Ehrenpräsi- punktmäßig in Konstanz tätig zu werden, traf es dent. Die Universität Konstanz ernannte ihn 1981 in Herrn Maurer auf einen wohlvorbereiteten und zum Honorarprofessor für mittelalterliche Ge- aufgeschlossenen Archivar und Stadthistoriker. Fol- schichte. gerichtig entwickelte sich eine fruchtbare Zusam- Herr Maurer besaß ein tiefes Verständnis für das menarbeit mit Judith Oexle, in deren Verlauf das Erkenntnispotenzial archäologischer Funde und moderne Bild von der Konstanzer Besiedlungsge- Befunde. Sein Interesse daran weckte schon in Kin- schichte entstand. Maurer wurde in den wissen- dertagen sein Großvater Jakob Maurer, ein Land- schaftlichen Beirat des Archäologischen Landes- wirt in Horheim (Lkr. Waldshut), in dessen Stube museums berufen; seine Expertise floss in die eine Vitrine mit selbst aufgefundenen Steinbeilen große Ausstellung „Stadt um 1300“ ein, die und römischen Münzen stand; auch erinnerte sich 1992/93 vom Landesdenkmalamt und der Stadt Maurer, wie er sonntags mit seinem Vater die Fürst- Zürich organisiert wurde. Zusammen mit der lich Fürstenbergischen Sammlungen in Donau- Mittelalterarchäologie der Universität Bamberg eschingen besuchte, wo etwa die Funde aus dem und der Kemptener Stadtarchäologie initiierte er Hüfinger „Römerbad“ ausgestellt waren. Im Ge - 2000 das DFG-Projekt „Das Mühlberg-Ensemble gensatz zu den meisten anderen Archivaren lag in Kempten (Allgäu) – Sachkultur und Sozialtopo- Maurers Arbeitsschwerpunkt als Historiker nicht graphie einer Stadt des Spätmittelalters im Spiegel im Spätmittelalter oder in der Neuzeit mit ihren neu entdeckter archäologischer und schriftlicher überreichen Beständen an Schriftgut, sondern im Quellen“. quellenarmen Früh- und Hochmittelalter. Dies ver- Herr Maurer besaß als Wissenschaftler und als anlasste ihn, die archäologischen Quellen jeweils Mensch ein außergewöhliches Format. Seine 2017 sorgfältig zu berücksichtigen, von einer seiner ers- erschienene Festschrift enthält ein Schriften ver - ten Publikationen an – einer Lokalisierung der Wüs- zeich nis von 38 Seiten; dort ist zudem sein Wirken tung Buchsweiler (Gemeinde March, Landkreis als Archivar und Behördenleiter, Forscher und Hoch- Breisgau-Hochschwarzwald) – bis hin zum Reper- schullehrer ausführlich gewürdigt. Dies alles ver- torium der deutschen Königspfalzen in Baden- band er mit einer harmonischen Persönlichkeit. Sein Württemberg, dessen abschließender Teilband ausgleichender Charakter, seine überaus angeneh - posthum erscheint. me Art, zurückhaltend und kommunikativ zugleich In Maurers Wirkungsort Konstanz lag es nahe, die zu sein, bleiben in nachhaltiger Erinnerung. Archäologie einzubeziehen: Die Reihe der baube- Harald Derschka

Abbildungsnachweis S32u, S33o, S33ur, RPS-LAD, Martina Goerlich; S32o RPS-LAD, Joachim U1, U2 RPS-LAD, Hausner; S1 WM; S2o RPS-LAD, Kielmann; S2u Bild- Feist, 1985; S35o Förderverein Zehntscheuer-Reusten e.V.; S35u, S36ol, archiv Foto Marburg , U. Gaasch;S3l Bauhaus-Archiv Berlin; S3r Bildar- S38 Förderverein Zehntscheuer-Entringen e.V.; S37o Tilmann Marstal- chiv Foto Marburg; S4ol, S18, S20o, S20u, S23u, S24, S36or, S36m, ler; S39 Bildatlas Riedinger 1737/38, HSTA Stgt A 248 Bü 1645 Tafel S37u; S38o, S40, S44, S59o, S59u RPS-LDA, IGM; S4or VG Bild-Kunst, 14 Ausschnitt; S41o nach einer Radierung von Carl Gauger aus Max Bonn 2019; S4u Roland Lenz, ABK Stuttgart; S5o, S21o, S55–56 RPS- Schefold, Württemberg: Malerische Ansichten aus alter Zeit, Abb. 4, LAD, FP; S5m Hubert Berberich (HubiB); S5u WMF Group GmbH, Geis- Honnef/Rh. : Peters, 1957; S41u, 42o, S43o, S43u E. Vomhoff; S45, S47, lingen; S6o, S6u saai | Südwestdeutsches Archiv für Architektur und S49o, S50u, S51o Ulrich Kinder; S46, S48, S49u, S50o, S51u Grundlage Ingenieurbau am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Werkarchiv LGL, www.lgl-bw.de; S52–53 RPS-LAD, Anne-Christin Schöne; S57ol, Hermann Blomeier; S7u Karl-Heinz Kabus, Konstanz, mit freundlicher S57u, S63 RPS-LAD, Linda Prier; S57or Treffpunkt Baden-Württemberg; Genehmigung von Frank Kabus;S8o, 12u A. Baier, Bamberg; S8u, S10u, S58 Staatsministerium Baden-Württemberg; S59m Ursula Schädler- 13u RPS-LAD, OB; S9o RPS-LAD, Ch. Blessing; S9u, S10o RPS-LAD, V. Saub; S60o Anja Koehler, Museum Humpis-Quartier; Fotostudio Krea- Lampert-Grohe; S11l, S20u, S22u RPS-LAD, BH; S11r RPS-LAD, W. tivpixel, Freiburg. Thiem; S11u Stadt Schwäbisch Gmünd; S12 A. Baier, Bamberg; S13o, 17o RPS-LAD, N. Romann; S14–15 RPS-LAD, ArcTron Airborne Sensing GmbH; S16o, S33ul, S42, S57, S60u RPS-LAD; S16u RPS-LAD, YM; S19o RPS-LAD = Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stutt- RPS-LAD, Hel; S19u RPS-LAD, Gestaltung Widmaier; S21m Stiftung gart; OB = Otto Braasch; KF = Karl Fisch; IGM = Iris Geiger- Messner; BH Domnick, Bayerl; S21u RPS-LAD, Dubslaff; S22o Federseemuseum, = Bernd Hausner; YM = Yvonne Mühleis; FP = Felix Pilz; ALM = K.Weiss, Bad Buchau; S23o RPS-LAD, Geiger-Schmidt; S25–27 Dag- Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Konstanz; mar Zimdars; S28o, S28u Zanker, Bildrechte: Südkurier GmbH, Redak- LGL = Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden- tion Markdorf; S29 Andrea Kuch, 2017; S30 Andrea Kuch, 2016; S31, Württemberg.

64 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2019 M ainaai iinn 1 ,hcabueH etsnesoR eibeG-nie tt,, 31.S

nie RheinRRhh 2 ubierF rrgg B.i rr.., TTuu mr dmlehm eess bTau e iehsfohcsibr m etsnüM rrss LreresnU nebei FFrrauu,, 52.S T aauaub uub b e r 3 aM rrkk rod ff,fdk , Biiss ohc fhi ffsssss lh olhc sssss,, 82.S N e Mannnnnheimheim cckckakkar a r 4 ,hcubremmA ZZee nnh ttss 53.S,nreuehc Heidelberg 5 herreh ,nnorbsginöK WWaassss evre rrssorrgg gnu Koc J agstggs EHURSLRAK sstt Snov ttaa dnaLdnutd dd,, 93.S Heilb nor n hcsibäwhcS 6 inilblA ee,, Liinn ae rrbbeffee ts iigg suagnu Hall med SSpp na iiss Enehc rrbbffoollgg eirke gg,, 54.S

Karlsruhe AGTTUTS RT

Pforzheim Stutt ragStutt t Aalen hcabueH 1 teibeG-nietsnesoR 5 in Baden-Baden gnilssE en eei hhehei cubremmA h 4 R r kaar Kö norbsginn eeccck NeckarNNe

üT b ni gen u naau 6 DonDoonau grubneffO 6 lblA i in e Ulm

F GRUBIER T NIBÜT G E N Sig negniram hcarebiB

2 anu ilttuT ngen .rB.igrubierF DooDnau Il lere r grubsnevaR M frodkraM 3

Lö hcarr snedoB ee natsnoK zn

eeiin RheiRRhh

Ȭ

eBnesolnetsokmaeiSdniS guze daBniegelfplamkneD„nov -ned nethcirhcaN–grebmettrüW nethcirhcaNgrebmettrüW n-n rednesbA lfplamknedsednaLredttalb “egel ettiB nethcömredo,treisseretni eiS .nehcamierf keBnetreisseretnimeniese -nnak .eknaD naD?nessalnemmokuznet nn nroV/emaN ema idhcafniesnueiSnekcihcs ese efur,kcüruztllüfegsuaetraK ne eßartS eiSnednesredonasnueiS snue nurehciepSeiD.liaM-Eenie gn trO/ZLP -suatglofreesserdArerhI dnasreVnedrüfhcilßeilhcs sed sadnA .stnemennobA fplamkneDrüftmasednaL egel tiebrastiekhciltneffÖ uzesiewniHeidhcuaeheiS ru 113201hcaftsoP :retnugnutiebrarevnetaD ed.wb-egelfplamkned.www /e mutaD tfirhcsretnU tragttutS91007 bnethcirhcan/nenoitakilbup /ttalb tnemennoba fplamkneD egelf edaBni n--WWWüü grebmettr

NACHRICHTENBLATT DERREDTTALBNETHCIRHCAN LANDESDENKMALPFLEGEEGELFPLAMKNEDSEDNAL

737,21eßartSrenilreB rakceNmanegnilssE827 7200-2430NSSI

gnagrhaJ.8491021/

sednaLeiD gelfplamkneds eg

nuhcuaeiSnehcuseB gp :egapemoHeres ww ww.. ned kkmmam llppffll gp b-ege ww.. ed ehciltmästim g nebagsuAne irhcstieZreseid fftt 1ties .8591 üfnetiekhcilgömlletseB gminetnu.stfirhcstieZeidr .netsaKneuar

eDrüftmasednaL mkn egelfplam tistsneiD ehurslraKz D znatsnoKztistsnei uidisärpsgnureigeRmi utSmu tttt trag rtsektloM 47eßar 3eßartsfrodsreyemortS 21eßartSrenilreB aK33167 ehurslr znatsnoK76487 NmanegnilssE82737 rakce TTee 0nofel 1084-629/1270 TTee 03-99699/13570nofel :tfirhcsnatsoP TTee 0xafel 52204-339/127 TTee 55-99699/13570xafel 251002hcaftsoP NmanegnilssE21737 rakce tistsneiD negnibüTz ,tfahcstriWrüfmuiretsiniM TTee -54409/1170nofel 901- ednaxelA 84eßartsre g uabsgnunhoWdnutiebrA TTee -54409/1170xafel 444- büT27027 negnib rüW-nedaB tttt grebme -E :liaM TTee 0nofel 757/17070 -0 hebztuhcslamkneDetsrebO edröh ned@ttalbnethcirhcan -egelfplamkn TTee 0xafel 1342-757/17070 ssolhcSseueN ed.wb 4ztalpssolhcS tistsneiD nefohnemmeHz tragttutS37107 grubierFztistsneiD tsrehcsiF 9gie TTee 321/1170nofel -0 41eßartsdlawnretS aG34387 nefohnemmeH-nefohneia TTee 4742-321/1170xafel 76eßartslatsretnüG TTee 0nofel 0-77739/53770 .lwb.mw@elletstsoP:liaM-E ed. erBmigrubierF20197 uagsi TTee 0xafel 011-77739/5377 TTee 3-802/1670nofel 005 TTee -802/1670xafel 3 45 4

ȫ

dnugnulletseB negnurednässerdAd २˾ thcirhcaNsadethcömhcI gelfplamknedsednaLredttalbnet lamreiveg ueidnasolnetsokrhaJmi kebtlletseguzesserdAegitiesmu .nemmo • TTee .l 07 /651 16 533-195 ˾२ bnethcirhcan• -egelfplamkned@ttalb ghcistahtfirhcsnAenieM g ,g ueideiSnemhenettib,trednäeg ggitiesmu db ed.wb erhIniesserdAednehets VVee erdAetlaenieM.fuaetsildnasr rawesse .enebegegnanetnueid nehetsneben• etraktsoPed ˾२ hcirhcaNsad,eiSettibhcI elfplamknedsednaLredttalbneth mreivege al • ww ww..ddee mkn am llppffll b-ege ww.. ed feidnasolnetsokrhaJmi :nednesuzesserdAedneglof tfirhcstieZeiD niegelfplamkneD„ mettrüW-nedaB tethcireb“grebm treimrofnidnu 05slarhemties /emaN VVoo emanr eDrebünerhaJ -kneDdnuelamkne Lmiegelfplam -libebhciernI.dnaL eßartS ethcireBnetred enleznienedrewne lamknedrutluK elleutkadnue trO/ZLP segrovetkejorP neseleiS.tllets resuaethcireB medsuadnaHretsr uaBredhciereB -knedtsnuKdnu-u red,egelfplam nehcsigoloähcrA mutaD tfirhcsretnU egelfplamkneD eidrebüeiwose tseRredtiebrA dnunerotarua .nettätskreW