Nummer 5 Samstag, 3. Februar 2018 Wochenend-JOURNAL STIL UND LEBEN

Zwischen (links unten) und lässt es sich bestens leben – nicht nur in der Bar Imbacadero in Pallanza. Fotos: Diepes Ohne Kaffee geht im Belpaese gar nichts Nirgends kommt man in Italien so leicht ins Gespräch wie beim Warten auf den am Tresen der Bar um die Ecke n Von Astrid Diepes stellt der kaffeetrinkende Ita- de oft mit Haselnusscreme aus allem weinen sie viel und ver- nicht mit dem Vetturin fertig liener neben einem fest, wäh- piemontesischen Haselnüssen. missen ihren guten Kaf- geworden, als aus der Kaffee- Kaffee hat in Italien den glei- rend er den Blick vom Smart- Serviert wird der Marocchino fee aus der Heimat«, er- budentüre, die größte chinesi- chen Stellenwert wie Fußball, phone in die Richtung des An- meist in einer eleganten Glas- klärt die kaffeeliebende sche Tasse voll schwarzen Kaf- Politik, Kirche und die Familie. gesprochenen hebt. »Ich habe tasse – so kommt das Schicht- Giulia mit einem Augen- fees auf einem Präsentiertel- In Italien ist ein Kaffee nicht die meiste Zeit meines Lebens werk richtig zur Geltung. Ein zwinkern. »Außerdem neh- ler tragend, Kniep heraustrat. einfach ein Kaffee. Den perfek- in Deutschland gelebt, daher perfekt zubereiteter Marocchi- men sie ihre Caffettiera mit. Er nahte sich dem Wagen- ten Kaffee mit den perfekten weiß ich das.« Auch wenn er no ist aus ästhetischer und ge- Wenn ich nach Großbritannien schlag langsam mit einem Zutaten zuzubereiten, ist eine Deutschland liebt, gibt er zu, schmacklicher Sicht ein Kunst- reise, habe ich meine Espresso- Ernst, der, von Herzen gehend, Kunst. Ein , der dieses dass ihm der italienische Ma- werk. kanne von immer mit ihn sehr gut kleidete. Ich war Kunstwerk beherrscht, zaubert rocchino dort fehlte. Wie fast alle Italiener hat der im Koffer.« erstaunt und gerührt, eine sol- Tag für Tag ein Lächeln auf italienische Schriftsteller und Die »Caffettiera« ist der typi- che erkenntliche Aufmerksam- Hunderte Gesichter – meist Ein Marocchino besteht Alpinist Mauro Corona eine be- sche Mokkakocher, der in kei- keit hat nicht ihresgleichen. auch auf das eigene. Die erfin- aus einer Schicht sondere Beziehung zum Kaffee. ner italienischen Küche fehlen Für den nächsten Rom-Be- ›Sie haben‹, sagte er, ›mir so dungsreichen Italiener lieben dickflüssiger heißer Für ihn ist er einer der Gründe, darf. Der italienische Erfinder such empfiehlt Giulia die histo- viel Liebes und Gutes, auf mein das Spiel mit dem Kaffee und Schokolade, einer Schicht warum er das Leben liebt: Alfonso Bialetti entwickelte die rische Bar Caffè Sant’Eustachio ganzes Leben Wirksames er- entwickeln ständig neue Re- »Wegen der Wanderungen, der achteckige »Moka Express«, im Viertel rund ums Pantheon. zeigt, dass ich Ihnen hier ein zepturen. Espresso und einer Bergaufstiege, um einen heute ständiger Begleiter vie- Seit 1938 lieben die Römer ihr Gleichnis anbieten möchte, Ohne Kaffee geht im Belpae- Schicht Milchschaum Freund zu treffen, ein Glas ler Italiener in aller Welt. Das Sant’Eustachio. Jeden Tag von was ich Ihnen verdanke.‹« se gar nichts. Dementspre- Wein zu trinken, einen Kaffee, Symbol der Bialetti-Caffettiera 7 Uhr 30 morgens bis 1 Uhr Der neueste Schrei in Italien chend ist die Bar in Italien ein Marocchino ist eine der vielen um morgens die Zeitung zu le- ist das kleine Männchen im Stil nachts beglücken die war für Goethe sicher unvor- Treffpunkt aller Gesellschafts- Kaffeespezialitäten, mit denen sen. Um einfach nur auf dieser der 40er-Jahre mit Nadelstrei- des Sant’Eustachio Römer und stellbar: Kaffeekaugummis. schichten: Handwerker, Ge- man sich in Italien im Alltag Welt zu bleiben, die zwar elend fenhose, schwarzem Sakko, Touristen aus aller Welt mit Richtig gelesen: Mit Vigorsol- schäftsleute, Künstler und Stu- einen magischen Moment ver- erscheint doch wunderschön Fliege, Schnauzbart und Hut. ihrem ausgezeichneten Kaffee. Kaugummis – natürlich geformt denten. Hier begegnet man süßt. Erfunden wurde der Ma- ist. Wegen dieser Dinge fürch- Der Zeigefinger der rechten Eine der Spezialitäten ist der wie kleine Kaffeetassen – mit sich, diskutiert über Gott und rocchino in Alessandria, einer te ich den Tod.« In seinem neu- Hand ist aufmerksamkeitshei- Tiramisù, ein Kaffee mit Tirami- laut Zutatenliste »vero caffè« die Welt, liest Zeitung und norditalienischen Stadt im Pie- en Buch »Quasi niente« (bisher schend gen Himmel gestreckt sù-Geschmack. »Tiramisù« – fühlt sich mancher Italiener im trinkt Kaffee. mont 90 Kilometer östlich von nur auf Italienisch erschienen) wie um zu sagen: »Mit mir ist wörtlich bedeutet das »Zieh Paradies. Nirgends kommt man in Ita- Turin. Mittlerweile hat die Kaf- erzählt er zusammen mit dem dein Kaffee zu Hause so gut mich hoch«. Tatsächlich verbes- Andere bevorzugen den lien so leicht ins Gespräch wie feespezialität Marocchino Dichter und Liedermacher Lui- wie in der Bar.« sert die römische Kaffeespezia- wirklichen Kaffee. So auch der beim Warten auf den Espresso ihren Siegeszug in Bars in ganz gi Maieron davon, wie Men- lität die Stimmung auch an deutsche Opernsänger Jonas am Tresen der Bar um die Ecke. Italien angetreten. schen in italienischen Bergre- »Tiramisù« – wörtlich einem schweren Tag, wie es der Kaufmann. In seiner Italiendo- »Marocchino, den gibt’s bei Je nach Region und Barista gionen mit fast nichts ein er- bedeutet das »Zieh mich Name verspricht. Das antike kumentation »Dolce Vita – euch in Deutschland nicht«, variieren die Zutaten dabei. Ein fülltes Leben führten. hoch«. Tatsächlich Pantheon wird heute als rö- Mein Italien« nimmt er uns mit Marocchino besteht aus einer Wenn Sie italienische Freun- verbessert diese misch-katholische Kirche ge- auf eine Reise durch sein Her- Schicht dickflüssi- de besuchen, werden sie Ihnen nutzt, die offiziell Santa Maria zensland. Entlang der liguri- ger heißer Scho- als Erstes »un caffè« anbieten: römische Spezialität ad Martyres heißt. Mindestens schen Küste begleitet er den kolade, einer Je nach Tageszeit kann das ein die Stimmung so berühmt wie das Sant’Eusta- Zuschauer in einem italieni- Schicht Es- Cappuccino zum Frühstück, chio in Rom ist das Café Florian schen Cabriolet. Dabei geht es presso und nachmittags ein Espresso und Studenten in Rom, die aus dem auf dem Markusplatz in Vene- – selbstverständlich – auch in einer Schicht abends ein Malzkaffee (caffè Salento in Apulien stammen, dig. Mit Sicherheit ist es auch eine Bar. Wie so viele Italiener Milchschaum. d’orzo) sein. »Latte art« nennt bringen sich ihren Jahresvorrat eines der meistfotografierten (und auch Deutsche) genießt Turiner Barista er- sich die Kunst, Blüten, Herzen an Kaffee nach den Semester- Cafés Italiens. der Tenor das Brummen der setzen die Schokola- oder weitere verspielte Details ferien aus der Heimat mit: Schon Goethe schrieb in sei- Kaffeemaschine und plauscht in den Cappuccino zu zeichnen. Denn nur in der Gegend rund ner »Italienischen Reise« am 3. dabei gerne mit dem ein oder »Was machen Italiener, wenn um Brindisi, Lecce und Taranto Juni 1787 aus Neapel: »An den anderen Barista über die klei- sie auf Reisen sind?«, fragt die gibt es den von ihnen so heiß äußersten Polizeischranken der nen aber feinen Geheimnisse junge Architektin Giulia aus geliebten Kaffee Quarta. Der Vorstadt störte mich einen Au- der Zubereitung des perfekten Rom. »Ich weiß es nicht, sag es Rest der Italiener muss sich mit genblick ein Marqueur, der mir Kaffees. Denn ein Kaffee ist mir!« Giulia lacht, dieses ent- dem – ebenfalls ausgezeichne- freundlich ins Gesicht sah, aber nicht einfach ein Kaffee – in Ita- spannte Lachen, das man in je- ten – -Kaffee zufriedenge- schnell wieder hinwegsprang. lien ist er einer der schönsten der italienischen Bar hört. »Vor ben. Die Zollmänner waren noch Momente des Tages.