Blätter aus dem Thurgauer Wald

Informationen für Waldeigentümer und Forstreviere 27. Jahrgang, Nr. 1, Januar 2020 2 Editorial

Geschätzte Leserinnen und Leser

Mitte Januar, die Sonne scheint und das Ther- bildung zur Forstwartin EFZ. Erfahren Sie im mometer zeigt rund acht Grad. Die Nächte sind Interview, wie die vier ihren Ausbildungsalltag zwar frostig, aber tagsüber herrscht Frühlings- wahrnehmen. wetter. Da fragen wir uns: Wo bleibt wohl der Ist Ihnen bei einem Waldspaziergang auch erhoffte Winter? Oder sind es eben doch die schon Grüngut von ausserhalb des Waldes Auswirkungen des Klimawandels, die sich hier aufgefallen, das achtlos im Wald oder am zeigen? Gerade wir im Wald beschäftigen uns Waldrand deponiert wurde? Grüngut ist Abfall, seit längerem mit diesen Fragen. So haben wir und dieser gehört nicht in den Wald! Aber – 2008 erstmals eine Broschüre mit Empfehlun- was fällt alles unter den Begriff «Abfall»? Ein gen zu Baumarten im Kontext von veränderten aktualisiertes Merkblatt des Amts für Umwelt klimatischen Bedingungen erarbeitet. Das The- und des Forstamts beschreibt die verschiede- ma hat unterdessen an Aktualität und Brisanz nen Abfallarten und ihre sachgerechte Entsor- gewonnen. Nicht zuletzt deshalb haben sich gung. Helfen Sie mit, unseren Wald sauber zu im Herbst die Förster und die Mitarbeitenden halten! des Forstamtes im Rahmen eines Weiterbil- Im Rahmen der Einweihung des Forstwerk- dungskurses mit Fachleuten zu dieser Thema- hofs des Forstreviers Mittelthurgau im Juni tik ausgetauscht. Dabei war man sich einig, 2019 wurde eine Festschrift veröffentlicht. dass gewisse Anpassungen in der Baumarten- Diese wird in den nächsten Ausgaben der wahl angezeigt sind. Wichtig ist und bleibt BTW in fünf Teilen wiedergegeben. Lesen Sie aber v.a. die Baumartenvielfalt, um das Risiko in Teil eins über das Thema der frühen Holz- von Ausfällen bzw. Kalamitäten zu reduzieren. nutzung im Mittelthurgau. Neue Hilfsmittel wie z. B. die Tree App können An dieser Stelle sei nochmals auf die Aus- Waldbesitzern und Förstern im Alltag helfen, stellung «Wild auf Wald» des Naturmuseums die richtigen Entscheide zu treffen. hingewiesen. Diese Ausstellung ist In der Reihe der Baumartenporträts wird die noch bis am 29. März 2020 geöffnet; ein Be- Birke beschrieben. Die Birke ist eine Baumart,­ such lohnt sich in jedem Fall! Schliesslich die gegenüber extremen klimatischen Einflüs- wünsche ich Ihnen – geschätzte Leserinnen sen sehr robust ist. Sicherlich sind die Bilder und Leser – eine angenehme Lektüre mit der aus dem Norden mit grossflächigen Birkenwäl- ersten Ausgabe der BTW im Jahre 2020. dern bekannt. Doch auch hier kennt man die Birke, und dies nicht nur als Cheminéeholz. Lesen Sie dazu mehr ab Seite 5. Die Gemeinden , , Hüttwi- len und bilden das Forstrevier See- rücken mit dem Forstwerkhof in Kalchrain. Gerne stellen wir Ihnen dieses Revier vor und der Revierpräsident legt im Rahmen eines In- terviews seine Sichtweise zu verschiedenen Themen dar. Frauen bilden in forstlichen Berufen eine Minderheit. Erfreulicherweise machen im Kan- Daniel Böhi ton Thurgau momentan vier Frauen eine Aus- Kantonsforstingenieur

BTW 1/2020 3 Inhalt

Forstamt und Forstdienst Die Birke im Kanton Thurgau 5 Das Forstrevier Seerücken 8 Zur Pensionierung von Robert «Röbi» Schönholzer 12 Die NFA-Periode 2016–19 ist tot. Lang lebe die NFA-Periode 2020–24! 13 Försterkurs: «Klimawandel – Baumarten der Zukunft» 14 Wald und Waldbewirtschaftung im Mittelthurgau Teil 1: Waldnutzung bis ins 19. Jahrhundert 18 Generationenwechsel bei den Förstern 21 Neues Merkblatt «Abfall im Wald» 22

Aus den Verbänden und Branchen Interesse der Frauen an Forstberufen steigt 23 Delegiertenversammlung Wald Thurgau vom 28. Oktober 2019 in Weinfelden 25 Herbar-Ausstellung der Forstwartlernenden 26

Diverses Internationaler Tag des Waldes am 21. März 2020 27 Arbeitsjubiläen und runde Geburtstage im Forstdienst 27

4 BTW 1/2020 Forstamt und Forstdienst Die Birke im Kanton Thurgau

Im Thurgauer Wald kommen vor allem junge Birken vor, alte und grosse Birken sind hinge­ gen eher selten. Der Anteil der Birke im Wald liegt deutlich unter 1 %. Ausserhalb des Wal­ des werden Birken häufig entlang von Stras­ sen, in Alleen, Feldgehölzen, Pärken und Gär­ ten gepflanzt.

Auf der Nordhalbkugel kommen weltweit über 50 verschiedene Birkenarten und viele natürli- che Kreuzungen (Hybride) vor, die oft nur schwer auseinanderzuhalten sind. Birken haben vor allem in Skandinavien, im Baltikum, in Po- len und Russland eine grosse wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung. Bei Birken im Thur- gauer Wald handelt es sich fast immer um die Hängebirke (Betula pendula), die auch Sand-, Warzen- oder Weissbirke genannt wird und praktisch in ganz Europa vorkommt. In der Alte und grosse Birken sind im Thurgauer Wald eher Schweiz viel seltener ist die Moorbirke (Betula selten. Eine mächtige Hängebirke steht im Uferwald des Hüttwilersees. Sie misst 84 cm auf Brusthöhe. Ihr pubescens). Sie heisst auch Haarbirke oder Be- geschätztes Holzvolumen beträgt rund 8 Tariffestmeter. haarte Birke und besiedelt Spezialstandorte wie Foto: Ulrich Ulmer z. B. den Randbereich von Hochmooren. Die Zwergbirke (Betula nana) ist ein Zwergstrauch, sorgt, dass das Licht vollständig reflektiert der kaum 1 m hoch wird. Sie wächst am Rande wird. Damit schützt die weisse Rinde die von Hochmooren und in Hochlagen des Juras empfindlichen Gewebeteile der Birke vor in- und der Alpen. Ihre Hauptverbreitung liegt im tensiver Sonneneinstrahlung und Sonnen- Norden (Polarbirke). Die strauchförmig wach- brand. Dies kommt der Birke zugute, denn sie sende Niedrige Birke (Betula humilis) kommt ist eine sehr lichtbedürftige und ausgespro- als nationale Besonderheit natürlicherweise nur chene Pionierbaumart, die auch als junger noch in einem Wald in Abtwil SG vor. Dort Baum auf einer Freifläche Frost, Sonnenstrah- wächst ein einziges Exemplar, ein Überbleibsel lung, Hitze, Nässe und Trockenheit aushalten aus der letzten Eiszeit. 2019 bezeichneten Ex- kann. Sie ist anspruchslos und äusserst ro- perten sie als «seltenste Baumart der Schweiz». bust und gedeiht praktisch überall gut, auch auf jungen, nährstoffarmen Rohböden. Da die Weisse Rinde, lichtbedürftig und hart Birke windbestäubt ist, braucht sie bei der im Nehmen Blüte keine warmen Temperaturen für den In- Charakteristisch für die Hängebirke und un- sektenflug. Und dass die Birke schon mit fünf verwechselbar ist die weisse Rinde. Daran ist Jahren blüht und leichte Samen in grosser sie leicht erkennbar, vermutlich ist die Birke Zahl bildet, unterstützt die Pionierstrategie sogar die am besten bekannte Baumart, je- zusätzlich. des Kind kennt die Birke. Birken produzieren viele Pollen, dies zum Die weisse Farbe der Rinde entsteht durch Leidwesen jener Allergiker, die speziell auf die Einlagerung des Stoffs Betulin, der dafür Birkenpollen reagieren. Birken sind neben Ha-

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Im Thurgau gibt es nur wenige Waldstandorte, wo Birken natürlich dominieren können. Birkenwald am Nussbaumersee. Foto: Ulrich Ulmer

sel und Erlen wegen ihrer Pollen besonders gungen im Hudelmoos, im Etzwiler Riet, im När- gefürchtet. geter Ried und am Nussbaumer- und Hüttwiler- see vor, dies auf einer Fläche von gesamthaft Die Birke, eine konkurrenzschwache rund 28 ha. An diesen Spezialstandorten kom- Allrounderin men neben der Hängebirke auch Hybride von Hängebirken werden 25–30 m, selten über Moorbirke und Hängebirke vor. 30 m hoch. Im Wald erreichen sie Durchmes- ser von 80 cm, selten bis 100 cm auf Brusthö- Alpensüdseite, einwachsende Flächen he. Ähnlich wie andere in der Jugend schnell und Hochlagen wachsende Baumarten, werden auch Birken Gemäss Schweizerischem Landesforstinventar nicht sehr alt. Sie werden vielleicht 80-jährig, (LFI) hat die Hängebirke schweizweit einen manchmal bis 100-jährig, selten auch älter. Vorratsanteil von 0,6 % und einen Stamm- Obwohl Birken im Thurgauer Wald kaum ge- zahlanteil von 1,9 %. Das bedeutet, dass Hän- pflanzt werden, sind sie vor allem in Jung­ gebirken im Durchschnitt nur rund 25 cm beständen sehr häufig, da sie sich sehr gut Durchmesser auf Brusthöhe aufweisen, weil natürlich­ verjüngen. Wegen ihrer geringen Kon- die meisten relativ jung sind und alte, grosse kurrenzkraft und weil bei der Bewirtschaftung Exemplare nicht sehr zahlreich sind. Die andere Baumarten bevorzugt werden, ver- Hauptverbreitung der Hängebirke liegt in der schwinden mit der Zeit die meisten Birken. Schweiz auf der Alpensüdseite. Dies vor allem Grosse Birken kommen deshalb bei uns am deshalb, weil Birken dort nach 1950 viele auf- ehesten auf sauren, nährstoffarmen Buchen- gegebene, früher landwirtschaftlich genutzte waldstandorten und auf nassen Eschenwald­ Flächen besiedeln konnten. Auch in den Alpen standorten vor, wo die Konkurrenzkraft der kommt sie gebietsweise häufig vor. 70 % aller anderen Baumarten weniger dominant ist. Die Hängebirken in der Schweiz wachsen auf der grösste Bedeutung haben Birken im Föhren- Alpensüdseite. Sie hat dort einen erstaunlich Birken-Bruchwald. Dieser nasse, saure, torfige hohen Anteil von 10 %. In den Alpen (1,5 %) und nährstoffarme Waldstandort ist jedoch und im Mittelland (0,3 %) ist sie deutlich sel- sehr selten. Im Thurgau kommen diese Bedin- tener.

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Birken sind als (Halb-)Alleebäume sehr beliebt. Birken sind im Thurgau häufig ausserhalb des Markante Birkenreihe am Grüneckkanal in Müllheim. Waldes anzutreffen. Feldgehölz oberhalb Ermatingen. Foto: Ulrich Ulmer Foto: Ulrich Ulmer

Rund die Hälfte der Hängebirken in der ausserhalb des Waldes, z. B. in Städten, ent- Schweiz wächst oberhalb von 1000 m ü.M., lang von Strassen und in Alleen gepflanzt. die Obergrenze liegt bei rund 2000 m ü.M. Auch entlang von Gewässern, in Feldgehölzen, Von den Laubbäumen steigt nur die Vogel- Pärken und Gärten sind Birken häufig anzutref- beere noch höher. fen. Die Birke wird bei den seit 1970 im Thurgau- Birken haben vergleichsweise wenig na- er Wald durchgeführten Stichprobeninventuren türliche Gegenspieler. Sie bilden häufig auf- nicht separat erfasst, sondern mit anderen sel- fällige Hexenbesen und Krebse, die von tenen Laubbaumarten unter der Bezeichnung einem Pilz verursacht werden. Birken bieten «übriges Laubholz» zusammengefasst. Dem- vielen Insekten- und Vogelarten Lebens- entsprechend gibt es keine Zahlen zur Birke im raum und Nahrung (z. B. Birkhuhn). Birken Thurgauer Wald. Der Anteil der Birke dürfte im bilden erstaunlicherweise keine Stockaus- Thurgau bei etwas unter 0,5 % liegen. schläge.

Robuste Baumart, wenig Gegenspieler Helles Holz für Möbel, Brennholz für das Da Birken sehr robust gegenüber extremen kli- Cheminée, Birkensaft für die Haare matischen Einflüssen sind, werden sie häufig Das Holz der Birke ist hell, weisslich bis gelb- lich oder rötlich und schlicht. Heute wird Bir- kenholz vor allem als Furnier- und Sperrholz für Möbel und im Innenausbau verwendet. Birkenholz ist ein gutes Brennholz und wird vor allem für Cheminées geschätzt. Früher wurden mit Birkenrinde Häuser gedeckt, aus Birkenrinde Teer und Pech hergestellt und mit Birkenzweigen Besen gefertigt. Birkensaft wird heute noch getrunken und für Haarwas- ser verwendet. Tee aus Birkenblättern dient als Heilmittel. Die Verbreitung der Hängebirke in der Schweiz. Quelle: Schweizerisches Landesforstinventar (LFI), Ulrich Ulmer www.lfi.ch Kreisforstingenieur Forstkreis 3

BTW 1/2020 7 Forstamt und Forstdienst Das Forstrevier Seerücken

Das Forstrevier Seerücken liegt zwischen Hüttwiler-, Nussbaumer- und Untersee. Es umfasst 1523 ha Wald von rund 420 Wald­ eigentümern in den Gemeinden Eschenz, Herdern, Hüttwilen und Mammern.

2014 haben sich die beiden Forstreviere Hütt- wilen und Eschenz-Mammern zum Forstrevier Seerücken zusammengeschlossen. Mit der Auflösung des Forstreviers Herdern gehört seit Anfang 2020 auch der Wald in der Ge- meinde Herdern dazu. Die Förster im Revier Seerücken: Philipp Eigenmann Zum Revier gehören gesamthaft 1523 ha (links) und Stefan Bottlang. Foto: Ulrich Ulmer Wald von rund 420 Waldeigentümern. Etwas weniger als die Hälfte (45 %) des Waldes ist Stefan Bottlang ist zuständig für den Staats- in öffentlicher Hand, 55 % ist Privatwald. Da- wald Kalchrain und den Wald in der Gemeinde mit liegt der Privatwaldanteil im Forstrevier Hüttwilen. Zudem ist er als Betriebsleiter ver- Seerücken nahe am kantonalen Durchschnitt antwortlich für den Forstbetrieb Seerücken- von 56 %. Rhein, der die Staatswälder in Kalchrain, Der Reviervorstand wurde an der Jahresver- St. Katharinental und Feldbach mit einer Ge- sammlung 2019 gewählt und besteht aus Gui- samtfläche von 542 ha vom Forstwerkhof do Fischer (Präsident), Thomas Wägeli (Vize- Kalchrain­ aus bewirtschaftet (fünf Vollzeitstel- präsident), Otto Diener (Kassier), Mathias len, davon zwei Lernende). Beide Revierförster Rickenbach (Aktuar), Peter Furger, Johannes haben ihr Büro im Forstwerkhof Kalchrain. Hier Hanhart und Marcel Weber. Das Forstrevier See- werden sie seit 2019 von Gina Diener in der rücken beschäftigt zwei Revierförster. Philipp­ Administration unterstützt (ca. 15 %-Pensum). Eigenmann ist zuständig für die Wälder in den Gemeinden Eschenz, Herdern und Mammern. Vielfältige Wälder, umgeben von drei Seen Das Revier erstreckt sich zwischen dem Seebachtal mit dem Hüttwiler- und Nussbau- mersee im Süden und dem Untersee und Rhein im Norden und liegt zwischen 400 (Untersee) und 670 Meter ü. M. (Hörnliwald). Die vorhande- nen Wälder weisen eine grosse Vielfalt auf. Standörtlich vorherrschend sind produktive Bu- chenwaldstandorte. Als kantonale Besonderhei- ten gelten die birkenreichen Moorwälder am Hüttwiler- und Nussbaumersee sowie eibenrei- che Tobelwälder in tief in den Molassefels ein- geschnittenen steilen Waldtobeln am zum Un- Der Reviervorstand des Forstreviers Seerücken tersee abfallenden nordexponierten Seerücken. (v.l.n.r.): Marcel Weber, Thomas Wägeli, Otto Diener, Hier liegen auch die rund 175 ha des Waldreser- Guido Fischer (Präsident), Mathias Rickenbach, Peter Furger und Johannes Hanhart. Foto: Gina Diener vates Mammernerwald/Iibtobel, dem mit 274 ha grössten Waldreservat im Kanton Thurgau.

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Buchenbestand im Langholz, Hüttwilen. Foto: Ulrich Ulmer

Grösster Waldeigentümer im Revier ist der meinden. Seit Anfang 2020 gehören auch der Kanton Thurgau (Staatswald, 292 ha). Die vier Wald im Eigentum der Zürcher Gemeinde Bürgergemeinden Hüttwilen (103 ha), Herdern Stammheim auf Gemeindegebiet von Hüttwi- (77 ha), Mammern (69 ha) und Eschenz (66 ha) len (26 ha) und der Wald im Eigentum der zählen bezüglich Waldeigentum zu den mit- Schaffhauser Gemeinde auf telgrossen Bürgergemeinden, die Katholische Gemeindegebiet von Eschenz (11 ha) zum Kirchgemeinde Untersee-Rhein gehört mit 23 Forstrevier Seerücken. Mit 77 ha Wald, wovon ha Wald hingegen zu den grossen Kirchge- 70 im Revier, ist der Verein Schloss Herdern der grösste Privatwaldeigentümer im Revier. Schloss Herdern führt einen Forstbetrieb Forstrevier Seerücken (zwei bis drei Vollzeitstellen, davon ein Ler- Fläche gemäss Forststatistik: nender). - Gesamtwaldfläche: 1523 ha - Öffentlicher Wald: 683 ha (45 %) Wälder mit verschiedenen Waldfunktionen - Privatwald: 840 ha (55%) Die Wälder sind dank günstiger Topo­ graphie, Erschliessung und Standortsgüte Waldeigentum: gut für die Holzproduktion geeignet. Für die - Staatswald Kalchrain: 292 ha* Biodiversität von grosser Bedeutung sind das - BG Hüttwilen: 103 ha Waldreservat Mammernerwald/Iibtobel, die - BG Herdern: 77 ha Wälder am Hüttwiler- und Nussbaumersee - BG Mammern: 69 ha sowie die vertraglich gesicherten Altholzin- - BG Eschenz: 66 ha seln und Eichennutzungsverzichtsflächen. - BG Neunforn: 16 ha* Die meisten Waldtobel liegen im Schutz- - PG Stammheim ZH: 26 ha* waldperimeter (Schutz vor Naturgefahren, - EG Stein am Rhein SH: 11 ha* Erosionsschutz). Verschiedene Waldgebiete - KKG Untersee-Rhein: 23 ha werden von Erholungssuchenden vor allem - Verein Schloss Herdern: 70 ha* zur Naherholung genutzt (Erholungsfunkti- - Kleinprivatwald (420 Eigentümer): 770 ha on). Ein grosser Teil der Wälder liegt in Ge- * Waldflächen im Revier wässerschutzbereichen und ist dementspre- chend wichtig für die Trinkwasserversorgung. Hiebsatz total: 11 190 Tfm/Jahr Zeugen dafür sind Trinkwasserfassungen, z. B. im Hörnliwald.

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sammensetzung: 33 % Buche, 32 % Fichte, 9 % Föhre, 8 % Eiche, 6 % Esche, je 3 % Tanne und Ahorn, 2 % Lärche (total 53 % Laubholz, 47 % Nadelholz). Die neuen Inventurergebnis- se werden zeigen, wie stark die Naturereignis- se der vergangenen Jahre den Holzvorrat und die Baumartenanteile verändert haben.

Interview mit Revierpräsident Guido Fischer

Eibenbestand im Epnetraa, Mammern. Guido, das Forstrevier Seerücken entstand Foto: Ulrich Ulmer 2014 aus den beiden Revieren Hüttwilen und Eschenz-Mammern. Am 1. Januar 2020 ist nun Stürme und Borkenkäfer verursachten grosse die Gemeinde Herdern vom ehemaligen Forst­ Schäden revier Herdern dazugekommen. Wie beurteilst Am 2. August 2017 und im Januar 2018 («Burg- du aus heutiger Sicht diese Veränderungen? lind», «Evi» und «Friederike») wurde das Revier Schon beim Zusammenschluss von Hüttwi- von starken Stürmen heimgesucht, die gewalti- len und Eschenz-Mammern im Jahre 2014 wur- ge Schadholzmengen und Flächenschäden ver- de an die spätere Aufnahme von Herdern ge- ursachten. 2018 (Trockenjahr) und 2019 waren dacht. Mit der aktuellen Revierfläche von Borkenkäfer für zusätzliche grosse Schadflä- rund 1500 ha haben wir eine gute Grösse für chen und Zwangsnutzungen verantwortlich. Ge- zwei Revierförster. Mit dem Staatsforstbe- samthaft fielen im Revier Seerücken mehrere trieb, der von einem unserer Förster geleitet Zehntausend Kubikmeter Schadholz an. wird, und dem Forstwerkhof Kalchrain, der als Die nachhaltig mögliche Nutzungsmenge, Basis und Bürostandort dient, stehen die der sogenannte Hiebsatz, beträgt für das ge- ehemaligen kleinen Körperschaften sicherlich samte Revier rund 11 000 Tariffestmeter Holz. gestärkt da. Aktuell läuft die Vorratsinventur im Rahmen der Überarbeitung des Ausführungsplanes und der Überprüfung der Hiebsätze. Die letzte Inventur von 2005 zeigt für das Revier Seerü- cken (ohne Herdern) folgende Baumartenzu-

Guido Fischer ist seit 2014 Präsident des Forstreviers Sturmfläche des Gewittersturms vom 2. August 2017 Seerücken, zuvor war er ab 2000 Präsident des in Nussbaumen. Foto: Ulrich Ulmer Forstreviers Hüttwilen. Foto: Ulrich Ulmer

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Blick auf den Seerücken mit Schloss Freudenfels, Schönenberg und Hörnliwald. Foto: Ulrich Ulmer

Welches waren dabei die grössten Hürden? Wo siehst du aktuell die grössten Herausfor­ Jede Zusammenlegung war ja begleitet von derungen im Wald? der Pensionierung eines Försters. Die ver- Zum einen bei der Motivation unserer gut aus- schiedenen Kulturen und Handschriften dieser gebildeten Förster, auch im heutigen waldwirt- Persönlichkeiten auf die neu zuständigen schaftlich schwierigen Umfeld die Freude an Förster zu überführen waren sicher Herausfor- ihrer wertvollen Arbeit nicht zu verlieren, und derungen; nicht zuletzt auch für uns Waldbe- zum andern sicherlich im Spagat zwischen sitzer. den ökologischen und den wirtschaftlichen Was sind die Besonderheiten im Revier? Bedürfnissen und Anforderungen an die heuti- Die einmalige Vielfalt mit den geografischen ge Waldwirtschaft. Begrenzungen Hüttwiler Seen, Untersee und Wie kann man darauf reagieren? Seebach macht das Revier zu einem der Mit einer offenen Kommunikation, welche den schönsten überhaupt. Dialog zwischen den verschiedenen Interes- Was sind die wichtigsten Anlässe im Jahr? senvertretern mitgestaltet und pflegt. Dadurch Zum einen die jährliche Mitgliederversammlung wird uns Bewohnern hoffentlich noch rechtzei- mit Nachtessen und Gedankenaustausch zwi- tig irgendwann der Nutzen einer intakten Um- schen Waldbesitzern und den Revierorganen. welt, inklusive Wald, bewusst. Alle paar Jahre findet zudem ein Waldumgang Ulrich Ulmer statt. Letzten November haben wir unseren Kreisforstingenieur Forstkreis 3 langjährigen Revierförster Röbi Schönholzer anlässlich eines solchen Waldumgangs verab- schiedet. Was funktioniert gut im Revier Seerücken? Die unkomplizierte und vertrauensvolle Zu- sammenarbeit zwischen Waldbesitzern, Förs- tern, Forstamt und Reviervorstand. Wo könnte man noch etwas zulegen? Beim gegenseitigen Verständnis resp. bei der Rücksichtnahme zwischen Waldbesitzern bzw. -bewirtschaftern und den verschiedenen Wald- Waldumgang im November 2019, Verabschiedung von nutzern. Revierförster Röbi Schönholzer. Foto: Ulrich Ulmer

BTW 1/2020 11 Forstamt und Forstdienst Zur Pensionierung von Robert «Röbi» Schönholzer

Ende November 2019 trat Robert «Röbi» Schönholzer in den wohlverdienten Ruhe­ stand. Er war 48 Jahre im Thurgauer Wald tä­ tig, davon 42 Jahre als Revierförster in Kesswil und Kalchrain.

Begonnen hatte Robert Schönholzer seine forstliche Laufbahn mit einer Forstwartlehre von 1971–1974 in Mettlen im Revier Buss- nang-Bürglen. Sein Lehrmeister war Fritz Ho- fer. Anschliessend arbeitete er zuerst weiter im Lehrbetrieb, dann im Staatsforstbetrieb St. Katharinental. 1977/78 besuchte er die Försterschule in Maienfeld. Am 1. April 1978 wurde Röbi Schönholzer von Nach 48 Jahren ging Röbi Schönholzer Ende der Waldkorporation Kesswil als Förster ange- November 2019 in Pension. Foto: Ulrich Ulmer stellt. Der kleine Forstbetrieb (114 ha) beschäf- tigte damals Teilzeitangestellte, aber keine ten über all die Jahre wichtige Schwerpunkte im Lehrlinge. Am 9. Mai 1983 verlor Röbi bei einem Försterleben von Röbi Schönholzer. Einen gros­ Arbeitsunfall seine rechte Hand. Dieser Schick- sen Stellenwert hatte dabei die Ausbildung. So salsschlag veränderte alles und prägte Röbi konnten im Staatsforstbetrieb Kalchrain unter nachhaltig. Dass er nie aufgab und alles unter- seiner Verantwortung 14 Lehrlinge ihre Ausbil- nahm, um im Försterberuf bleiben zu können, dung zum Forstwart EFZ erfolgreich abschlies­ beeindruckte alle. sen. 1984–2009 war Röbi auch als Fachlehrer Auf den 1. Oktober 1986 wurde Röbi Schönhol- am Gewerblichen Bildungszentrum Weinfelden zer als Förster und Betriebsleiter in das Staats- tätig. 1974–1993 war er als Holzhauerei-Instruk- waldrevier Kalchrain gewählt. Mit der Gründung tor und -Kursleiter für die damalige FZ (heute des Forstreviers Hüttwilen wechselte die Anstel- WaldSchweiz) im Einsatz. lung ab 2001 zum Forstrevier Hüttwilen gemäss Die Zeit von Röbi Schönholzer als Förster in dem Grundsatz des Thurgauer Waldgesetzes von Kalchrain war geprägt von Stürmen. Während 1994, dass die Förster von Forstrevierkörperschaf- die Spuren des Sturms «Lothar» vom 26. De- ten angestellt werden. Neben der Beförsterung zember 1999 langsam verschwinden, sind die des Reviers Hüttwilen war Röbi nach dem Zusam- grossen Flächenschäden der Stürme vom 2. Au- menschluss der drei Staatswaldbetriebe St.Ka - gust 2017 und vom Januar 2018 und die gros­ tharinental, Kalchrain und Feldbach zum Staats- sen Schadenflächen durch Borkenkäfer von forstbetrieb Seerücken-Rhein ab 2008 für dessen 2018 und 2019 im Revier allgegenwärtig. Betriebsleitung verantwortlich. Mit der Fusion der Wir möchten dir, Röbi, danken für dein Wir- beiden Reviere Hüttwilen und Eschenz-Mammern ken und deinen grossen Einsatz während 48 zum Revier Seerücken gab Röbi 2014 den Staats- Jahren im Thurgauer Wald. Wir wünschen dir wald und die Betriebsleitung ab und übernahm und deiner Gattin Marianne für die weitere Zu- dafür die Beförsterung der Wälder in Eschenz und kunft alles Gute und gute Gesundheit. Mammern. Die Betreuung des Staatswaldes und die Lei- Ulrich Ulmer tung des Staatsforstbetriebes in Kalchrain bilde- Kreisforstingenieur Forstkreis 3

12 BTW 1/2020 Forstamt und Forstdienst Die NFA-Periode 2016–19 ist tot. Lang lebe die NFA-Periode 2020–24!

Mit NFA-Perioden ist es wie mit englischen eignissen) und die Waldbewirtschaftung. Die Königen. Sobald der amtierende Regent das Teilprogramme «Schutzwald» und «Waldbiodi- Zeitliche gesegnet hat, wird bereits der Nach­ versität» haben zusammen finanziell einen folger ausgerufen. Die bewegte NFA-Periode ähnlichen Stellenwert wie das Teilprogramm 2016–19 neigt sich dem Ende zu und die Peri­ «Waldbewirtschaftung». Indem das Forstamt ode 2020–24 steht bereits in den Startlöchern. als Käufer auftritt, erlauben die beiden Teilpro- gramme die Inwertsetzung von Leistungen, die Die Abkürzung NFA steht für «Neugestaltung durch die Öffentlichkeit nachgefragt werden. des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung Beim Teilprogramm «Waldbewirtschaftung» zwischen Bund und Kantonen». Kurz gesagt, ist wird zur Umsetzung in Zukunft der Klimawan- es ein cleveres Instrument zur Reduktion von del wichtiger werden. Mit dem Einkauf von Bürokratie, indem eine einzige Programm- Leistungen in der Jungwaldpflege soll die Ent- vereinbarung zwischen dem Bundesamt für wicklung von Wäldern vorangetrieben werden, Umwelt (BAFU) und dem Forstamt den Inhalt die auch bei verändertem Klima ihre Funktio- Hunderter Projekte abdeckt, die man früher nen erfüllen können. Hilfsmittel für die Berück- einzeln mit dem BAFU abgewickelt hätte. Die sichtigung des Klimawandels in der Jungwald- Vereinbarungen werden i. d. R. über eine Perio- pflege werden in naher Zukunft verfügbar sein. de von vier Jahren abgeschlossen. Die NFA-Peri- Das Forstamt schliesst für die NFA-Periode ode 2020–24 ist mit fünf Jahren eine einmalige 2020–24 die Leistungsvereinbarung «Wald» Ausnahme, um die Abwicklung der Programm- mit den Forstrevierkörperschaften (FRK) ab. vereinbarungen mit anderen Abläufen auf Bun- Letztere erbringen den Löwenanteil der Leis- desebene zeitlich in Einklang zu bringen. tungen, die gegenüber dem BAFU ausgewie- Unvorhergesehenes wie der Gewittersturm sen werden können. Der Titel «Wald» steht für im August 2017, der Sturm «Burglind» im Janu- den integralen Charakter der Vereinbarung. ar 2018 und die Jahrhunderttrockenheit im da- Ebenso wie zwischen BAFU und Forstamt, legt rauffolgenden Sommer dominierte mehr als sie Leistungsmengen für den Schutzwald, die die Hälfte der NFA-Periode 2016–19. Die mit die- Waldbiodiversität und die Waldbewirtschaf- sen Ereignissen einhergehende Borkenkäferbe- tung (v.a. Jungwaldpflege) fest. Die FRKs erhal- kämpfung band viele Ressourcen, die für die ten damit Planungssicherheit für die kommen- Erbringung anderer Leistungen fehlten. Da die den fünf Jahre. Ihnen kommt in diesem Moment Leistung «Waldschutz» (und damit die Borken- auch eine grosse Verantwortung zu. Während käferbekämpfung) ebenfalls Teil des NFA ist, das Forstamt strategisch agiert und vor allem können die Programmvereinbarungen 2016–19 finanzielle Anreize für einen multifunktionalen voraussichtlich trotzdem erfüllt werden. Wald setzen kann, können v.a. die FRKs die Das Forstamt hat mit dem BAFU 2019 über Multifunktionalität auf der Fläche umsetzen. die Programmvereinbarung «Wald» verhandelt Den Startschuss für die Leistungsvereinbarun- und die Leistungsmengen in den Teilprogram- gen bildet eine Informationsveranstaltung für men «Schutzwald», «Waldbiodiversität» und die Revierpräsidenten und Förster. Sie wird am «Waldbewirtschaftung» festlegt. Die Pro- 5. März 2020 stattfinden und die Abwicklung grammvereinbarung berücksichtigt somit inte- der Verhandlungen erklären. Der Abschluss der gral Leistungen des Waldes wie die Biodiversi- Verhandlungen ist Ende Mai 2020 vorgesehen. tät, den Schutz vor Naturgefahren (Schutz des Jochen Breschan Waldes vor biotischen Gefahren und Naturer- Planung und Beiträge

BTW 1/2020 13 Forstamt und Forstdienst Försterkurs: «Klimawandel – Baumarten der Zukunft»

Auswertungen des Bundesamtes für Meteoro­ andererseits machte er Ausführungen zu den logie zeigen, dass seit 1864 die Temperatur in der ganzen Schweiz geplanten Testpflan- in der Schweiz markant angestiegen ist. Dies zungen mit «zukunftsträchtigen» Baumarten. wirft die Frage auf: Werden sich unsere Wäl­ Das Thema «Klimawandel und Baumarten» der in ihrer Baumartenzusammensetzung län­ beschäftigte die Thurgauer Förster schon vor gerfristig verändern? Wie werden sie sich über zehn Jahren. 2007 verfasste das Kantons- verändern? Im Rahmen einer halbtägigen forstamt ein Strategiepapier mit Empfehlungen Weiterbildung für Förster wurden am Bil­ bezüglich Waldbau und Klimaveränderung. Da- dungs- und Beratungszentrum Arenenberg malige Entwicklungstendenzen prognostizier- diese Fragen behandelt. ten für die Fichte eine markante Abnahme, für die Tanne einen leichten Rückgang, die Buche Mathias Rickenbach begrüsste die Teilneh- sollte ihren Anteil halten können, indem sie menden und die beiden Referenten Jochen höhere Lagen besiedeln würde, und die Trau- Breschan vom Forstamt und Dr. Peter Brang beneiche könnte profitieren, indem sie die Bu- von der Eidg. Anstalt für Wald, Schnee und che in den unteren Lagen teilweise ersetzen Landschaft (WSL). Jochen Breschan schilderte, würde. Von einem unkontrollierten Einbringen welche Überlegungen im Kanton Thurgau hin- von Gastbaumarten wurde abgeraten, solange sichtlich Baumarten und sich veränderndes wissenschaftlich gesicherte Grundlagen nicht Klima bis jetzt gemacht wurden. Dr. P. Brang vorhanden seien. veranschaulichte einerseits das Forschungs- Im Vorfeld der Weiterbildung wurden die Förs- projekt, das der «Tree App» zugrunde liegt, ter befragt, welche Baumarten sie für den Thur-

Resultate der Försterumfrage: Welche Baumarten werden als zukunftsfähig erachtet? Die Traubeneiche wird gewinnen, Fichte, Buche und Föhre werden als wenig zukunftsfähig eingeschätzt. Grafik: Forstamt

14 BTW 1/2020 Forstamt und Forstdienst gau als zukunftsfähig erachten. Für Fichte, Föhre und Buche sehen die Förster eher schwarz. Die zwei Erhebungen zeigen, dass unter- schiedliche Entwicklungen für die Baumarten angenommen werden. Die Ausführungen von P. Brang zum Klimawandel und dessen Aus- wirkungen auf den Wald zeigten weitere zu beachtende Aspekte, wenn man eine Aussage zu zukünftigen Baumarten machen will. So sind aus verschiedenen Untersuchungen Klimatrends bekannt. Die Geschwindigkeit der Peter Brang bei seinen Ausführungen. Foto: Sandra Horat Veränderung ist aber unsicher. Bei Projekten, die sich mit Aussagen zur Zukunft befassen, Welche wahrscheinlichen Auswirkungen wird mit Klimaprojektionen gearbeitet. Als haben diese Klimazukünfte auf Wälder? Entscheidungsgrundlage wird mehr als eine Die heute standörtlich geeigneten Baumarten Klimazukunft in Betracht gezogen. Für das werden eine abnehmende Klimaeignung auf- Forschungsprojekt, das der Tree App zugrunde weisen. Baumarten werden langsam (verzögert) liegt, wurden zwei Klimazukünfte gewählt: wandern. Vermehrt werden Störungsereignisse eine mit einem moderaten Anstieg von +3,1 °C wie Trockenperioden, Waldbrand und Schädlin- und –2% Niederschlag und eine etwas stärke- ge auftreten. Ob Störungen wie Schnee und re mit +4,3 °C und –19% Niederschlag. Als Sturm häufiger vorkommen werden, ist nicht Grunddaten dienten Messwerte von April bis sicher. Wahrscheinlich wird man Absterbephä- September aus den Jahren 1981–2010. Für nomene beobachten können, aber diese wer- Baumartenentscheide ist ein Wirkungszeit- den je nach Baumart, Alter, Vitalität und Stand- raum von 60 bis 100 Jahren relevant. ort unterschiedlich sein. Der Wald selbst wird

Veränderung der Höhenstufen in den zwei «Klimazukünften». Man sieht, dass die für Buche geeigneten Gebiete sich verschieben. Vor allem in gut wasserversorgten und schattigen Lagen dürften Fichten und Buchen auch unter dem «mittleren» Emissionsszenario Ende des Jahrhunderts im Schweizer Mittelland noch günstige Standorte vorfinden. Quelle: Huber & Frehner 2019, https://www.research-collection.ethz.ch

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nicht gefährdet sein, wohl aber einzelne Wald- gegenüber Baumarten sehr offen: Wurde eine leistungen. Baumart in einer Quelle für einen Standorttyp Bei einer Veränderung des Klimas wird es empfohlen, so hat man diese übernommen. bei den Baumarten Gewinner und Verlierer ge- Gastbaumarten sind in den Empfehlungen weni- ben. Fichte und Buche dürften Schwierigkeiten ge enthalten. Schlussendlich können die im For- bekommen, gewinnen dürften Traubeneiche, schungsprogramm gemachten Empfehlungen Linde, Spitzahorn, Kirschbaum, Nussbaum, von kantonalen Empfehlungen abweichen. Föhre, Douglasie und wahrscheinlich die Tan- ne. Aber es gibt kein allgemeingültiges Rezept Was ist die Tree App und was bietet sie? für oder gegen eine Baumart, da der Wald­ Die beschriebene Theorie ist die Grundlage standort (Boden, Niederschlag etc.) ausschlag- der Tree App. Diese webbasierte App bietet gebend ist. eine Standortbestimmung mit Baumarten- empfehlung. Sie ist noch nicht voll entwickelt. Wie kann man nun aber vorhersagen, Mit ihrer Hilfe kann festgestellt werden, wie welche Baumarten wo verschwinden und sich eine mögliche Baumartenverschiebung welche sich wo neu etablieren? an einem bestimmten Standort entwickelt. Den Schlüssel dazu bieten die Waldstandorte. Bis jetzt ist in der Tree App die Waldstandort- Je nach Gestein des Untergrundes, den Boden­ kartierung des Kantons Luzern hinterlegt und eigenschaften, der Neigung und Exposition auf die Schweiz übertragen worden. Bis in des Geländes sowie der Meereshöhe und des einem Jahr könnte diese App im Kanton Thur- Klimas gedeihen unterschiedliche Typen von gau mit der Waldstandortkartierung des Thur- Wäldern. Diese Typen werden als Waldstand- gaus hinterlegt sein, was die App für den ak- orte bezeichnet. Ein Waldstandort umfasst tiven Gebrauch interessant machen würde. also Wälder, die ähnlichen standörtlichen Ver- Beim konkreten Anwenden der App stellten hältnissen ausgesetzt sind. sich den Teilnehmenden verschiedene Fragen. Die wichtigsten Eigenschaften, welche So wird die Esche als zukunftsfähige Baumart einen Waldstandort bestimmen, sind die in der App geführt, obwohl diese Baumart Feuchtigkeit und der Säuregrad des Bodens. durch das Eschentriebsterben stark gefährdet Die Bodeneigenschaften können an der Zu- ist. Robinie und Götterbaum werden als inva- sammensetzung der Bodenvegetation abgele- sive Neophyten geführt und nicht empfohlen. sen werden. Dazu kommen verschiedene Hö- Die Robinie kann offene Flächen überwuchern, henstufen (kollin, montan, obermontan etc.) Die Ökogramme der Waldstandorte wurden, damit sie für ein Zukunftsszenario verwendet werden können, im Forschungsprojekt entspre- chend angepasst, analoge Standorttypen wur- den definiert, die einzelnen Waldstandorte und ihre möglichen Verschiebungen aufgrund der zwei «Klimazukünfte» wurden beschrieben und Baumartenempfehlungen festgelegt. Diese Emp- fehlungen basieren auf einer Zusammenführung der Empfehlungen aus dem Projekt Nais (Nach- haltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald) und kantonalen Empfehlungen, abgestimmt mit Tree App, Beispiel für die Empfehlung zur Wahl Daten aus dem Landesforstinventar. Sie wurden zukünftiger Baumarten auf einem Waldmeister- Buchen-Wald mit Hainsimsen. Foto: Sandra Horat dann durch Standortexperten überprüft. Man ist

16 BTW 1/2020 Forstamt und Forstdienst auch wenn Erfahrungen im Wald von den Förs- zung der 50 000 Setzlinge erfolgt gestaffelt tern als positiv wahrgenommen werden. von Herbst 2020 bis 2022, 2021 werden die Die Tree App erweitert die Standortbeurtei- ersten Messungen gemacht. Mit den Waldei- lung im Wald um die Dimension Klimawandel. gentümern werden langfristige Verträge ange- Sie ist ein Tool für Fachleute, das die meisten strebt. Obwohl es ein Langzeitprojekt ist, ist Fälle abdecken soll. Eine Beurteilung vor Ort die Finanzierung nur für vier Jahre gesichert. ist weiterhin erforderlich. Die App enthält kei- Das Projekt selber ist auf 70 bis 100 Jahre ne Empfehlungen für maximale Nadelholzan- ausgelegt. Die Stärke des Projektes liegt im teile und nur wenige Gastbaumarten. grossen Netz an Versuchsflächen. Die Resulta- te müssen langfristig erarbeitet werden, denn Projekt «Testpflanzungen zukunftsfähiger wenn eine Baumart in den Jahren 2020 bis Baumarten» 2030 gut gedeiht, ist nicht gesichert, dass sie Ein weiteres Forschungsprojekt beinhaltet auch empfohlen werden kann. Testpflanzungen mit verschiedenen Baumar- Da es sich um einen wissenschaftlichen ten an unterschiedlichen Standorten in der Versuch handelt, sind die zu erhebenden Pa- ganzen Schweiz. Damit möchte man heraus- rameter beschränkt und die Pflege der Flä- finden, welche Baumarten für welche Stand- chen hat einem strengen Muster zu folgen. So orte in einem sich ändernden Klima zu emp- wäre zum Beispiel auch wichtig, wie sich fehlen sind, welche Faktoren das Gedeihen Baum­arten in einer Mischung entwickeln und (Überleben, Vitalität/Schäden und Wachstum) gegenüber Konkurrenz verhalten. Dies würde bestimmen und begrenzen und wie gross die aber die Grösse des Versuches sprengen. Variation im Gedeihen zwischen verschiede- Im Kanton Thurgau ist eine Testfläche in nen Herkünften einer Baumart ist. Ermatingen geplant. Im Versuchsaufbau testet man 18 Baumar- ten mit je sieben Provenienzen. Auswahlkrite- Fazit der Veranstaltung rien waren die Leistungsfähigkeit und das Po- – Die neue Tree App ist für den Förster als tenzial, Waldleistungen zu erbringen, und die Hilfsmittel interessant. Bei der Beurteilung Anbaurisiken bezüglich Pathogenanfälligkeit, eines Standortes sollte der Klimawandel Trockenheitsempfindlichkeit und Invasivität. immer im Hinterkopf sein. Am Versuch mit 57 Testflächen nehmen 50 – Als waldbauliche Strategie in der Zukunft Forstbetriebe in 20 Kantonen teil. Die Pflan- braucht es die Berücksichtigung der Bau- martenvielfalt, der Strukturvielfalt und der genetischen Vielfalt. Wo immer möglich, BA Kernsets BA Ergänzungssets sollte mit Naturverjüngung gearbeitet wer- Weisstanne Atlaszeder den. Werden Pflanzungen getätigt, sollte Fichte Elsbeere die Herkunft des Pflanzgutes bekannt sein. Lärche Nussbaum – Was fehlt, sind Vorgaben durch den Kan- Waldföhre Kirschbaum ton, wenn Privatwaldbesitzer eigene Pflanz- Douglasie Schneeballblättriger Ahorn versuche machen wollen. Bergahorn Spitzahorn – Bei Versuchen, die vom Förster initiiert wer- Buche Stieleiche den, sollte eine geeignete Dokumentation Traubeneiche Zerreiche sichergestellt werden, da sonst bei einem Winterlinde Baumhasel Försterwechsel viel Wissen verloren geht. – Zu viel Aktionismus könnte aber kontrapro- Hauptbaumarten der Testpflanzungen zukunftsfähiger duktiv sein. Baumarten. Tabelle: P. Brang Sandra Horat

BTW 1/2020 17 Forstamt und Forstdienst Wald und Waldbewirtschaftung im Mittelthurgau Teil 1: Waldnutzung bis ins 19. Jahrhundert

Waldnutzung in früherer Zeit Schon seit dem 16. Jahrhundert ist in alten Im Rahmen der Einweihung des neuen Dokumenten von sehr stark genutzten, holzar- Forstwerkhofs Mittelthurgau wurde eine men Wäldern im Mittelthurgau die Rede. Zum Festschrift veröffentlicht. Darin wurde die Bauen und Heizen holten sich die Menschen Geschichte vom Wald und der Waldbewirt- das Holz aus dem Wald. Ein kurzer, umso gra- schaftung im Mittelthurgau umfassend be- vierender Einschnitt bedeutete die «Pestkata- schrieben. Aufgegliedert in fünf Teile, wird strophe» von 1611. Innerhalb von nur acht dieser Bericht in den nächsten Ausgaben Monaten raffte der «Schwarze Tod» mehr als der «Blätter aus dem Thurgauer Wald» 33 000 Menschen im Thurgau dahin – damals wiedergegeben. die Hälfte aller Einwohner. Umso stärker nahm das Bevölkerungswachstum und damit auch die Übernutzung des Waldes in der Folge wie- gen befasste, die als besonders verbesse- der zu. Eines der Hauptübel war zudem die rungsbedürftig betrachtet wurden. Auf die Vor- intensive Beweidung mit Rindern, Kühen und schläge dieser Kommission hin erliess der Schweinen. Streitigkeiten unter den Nutzungs- Vogt eine Verordnung, die für die damalige berechtigten waren häufig. Der Wald wurde Zeit eine ganze Reihe fortschrittlicher forstli- ausgebeutet wie eine Mine. Waldpflege war cher Massnahmen enthielt (Bannlegung von noch unbekannt. Erste Ansätze dazu lieferte Waldteilen, Vermarkung, Einzäunung, Säube- eine vom Obervogt in der Herrschaft Wein­ rung von Dornen und Stauden, Saat von Wald- felden eingesetzte Waldungskommission, die samen, Betretungsverbote, Holznutzungsbe- sich 1774 näher mit jenen örtlichen Waldun- willigung etc.). 1777 liess der Landvogt in

Waldweide mit Schweinen. Bild aus dem «Stundenbuch» des Herzogs von Berry, ca. 1485.

18 BTW 1/2020 Forstamt und Forstdienst

Weinfelden dann erstmals Rottannen, entlang zen und das bei der Pflege anfallende Holz zum der Thur auch Schwarzpappeln und an nassen Heizen und Kochen zu verwenden. Die Holznot Stellen Schwarzerlen, pflanzen. Mehrere war derart gross, dass noch in der ersten Hälfte schlecht bestockte Flächen wurden mit Föh- des 20. Jahrhunderts grössere Wurzelstöcke ren- und Tannensamen bestreut und durch ausgegraben und verwertet wurden. Bürger und zwei Mann mit einer leichten Egge überfahren andere Berechtigte durften im Wald überdies oder mit Eicheln besteckt. Der Vogt schrieb: Leseholz, Waldkirschen und Wildäpfel sammeln. «Das eint oder ander wird unfehlbar vorzüg- Daneben wurden auch Harz, Gras, Futterlaub lich gedeihen und sich von selbst zeigen, wel- oder «Chräs» (abgeschnittene Tannenäste als cher Gattung Holz man sein Wachsthum be- Streue) aus dem Wald genutzt. Unmittelbar vor fördern sollte.» Eine fast schon modern der Kantonsgründung 1803 gaben die Holzbe- anmutende Auffassung von naturnahem Wald- dürfnisse der französischen Besatzungstruppen bau! 1795 waren beim Försterexamen nicht unserem Wald schliesslich den Rest. Erst nach weniger als zehn Förster oder Bannwarte von Ablösung der alten Weide- und Herrschaftsrech- Weinfelden anwesend. Allerdings wird auch te bis 1848 konnte mit zielgerichtetem Waldauf- berichtet, dass «je mehr der Forster in sein bau und Waldpflege begonnen werden. Die Holz gegangen, je schlimmer und verdorbener Gemeinden fingen an, Nutzungsordnungen auf- siehet es aus…» zustellen, und beauftragten Förster mit deren So waren die Wälder im Mittelthurgau um Überwachung. 1800 herum – wie mancherorts in der Schweiz – meist in bedenklichem Zustand. Wegen des Übernutzter Wald und Holznot – Neubeginn akuten Holzmangels mussten die Bestände oft im 19. Jahrhundert schon in jungem Alter als Niederwald genutzt Mit der Zunahme der Bevölkerung dehnte sich werden und konnten gar nicht auswachsen. die Übernutzung des Waldes auch auf die Vor- Brennholz war lange der einzige Energieträger alpen und Alpen aus. In der ersten Hälfte des von Bedeutung und damit unentbehrlich. Durch 19. Jahrhunderts hatte eine Häufung von Na- Köhlerei wurde Holzkohle hergestellt. Viel Holz turkatastrophen wie Hochwasser, Lawinennie- aus dem Mittelthurgau kam so auch in die Glas- dergänge und Bergstürze schwerste Schäden hütte Elgg. Zum Holzsparen wurde empfohlen, an Kulturland, Gebäuden und Verkehrswegen Lebhäge als Ersatz für Steckenzäune anzupflan- und zahllose Tote in der ganzen Schweiz zur

«Pflanzung von Heistern für die Nachwelt», Abbildung aus F.A.L. von Burgdorf, Versuch einer vollständigen Geschichte vorzüglicher Holzarten, Niedersachsen 1783

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Folge. Der schon lange bekannte ursächliche senbahnschienen ersetzt und dann als Zusammenhang solcher Naturkatastrophen Schwellen verbaut worden sein. Mit der Eröff- mit der starken Entwaldung und dem schlech- nung der Bahnlinie durch das Thurtal 1855 ten Waldzustand im Gebirge wurde der wurde andererseits aber auch eine weitere Schweizer Bevölkerung so verstärkt bewusst. wichtige Voraussetzung für den Waldschutz Die Notwendigkeit, die Waldfläche zu vergrös­ geschaffen. Kohle konnte nun über grosse sern und den Zustand der Wälder zu verbes- Distanzen herantransportiert werden und den sern, wurde vielerorts – und vor allem in den Energiehunger der aufkommenden Industrie Alpen – zur Existenzfrage. Aus diesem Be- stillen. Das Holz wurde von seiner Funktion wusstsein heraus entstand das Eidgenössi- als alleiniger Energieträger entlastet, und der sche Forstpolizeigesetz von 1876, ein für da- Wald konnte damit verstärkt geschont wer- malige Verhältnisse beispielhafter Erlass für den. den wirksamen Schutz des Waldes im Gebirge. Der Thurgau wurde – wie die anderen Mit- Insbesondere wurden damit Rodungen, Kahl- tellandkantone – erst 1902 dem Eidgenössi- schläge und Waldweide im Schutzwald grund- schen Forstpolizeigesetz unterstellt. Dennoch sätzlich verboten oder unter strengen Aufla- begann der Wiederaufbau der Wälder unter gen höchstens noch ausnahmsweise bewilligt. dem Einfluss des Kantonsforstamts und der Der Eisenbahnbau führte Mitte des 19. Staatsforstverwaltung, die 1846 neu gebildet Jahrhunderts kurzzeitig zu einem weiteren worden waren, bereits um die Mitte des 19. markanten Anstieg des Holzverbrauchs im Jahrhunderts auf breiter Basis. Mittelland (Gewinnung von Schwellenholz). Im Schloss Weinfelden sollen gar alte tragen- Erich Tiefenbacher de Eichenbalken herausgerissen, durch Ei- Kreisforstingenieur Forstkreis 2

Hochwasser 1876 in Frauenfeld. Aus Sicherheitsgründen schoss die Artillerie die Mauer der Murgbrücke im Kurzdorf kurzerhand weg. Bild: pd

20 BTW 1/2020 Forstamt und Forstdienst Generationenwechsel bei den Förstern

2019 waren im Thurgau gleich 6 von 29 Revier­ der grosse Wert der forstpraktischen Grund- försterstellen – meist aufgrund von Pensionie­ ausbildung. HAFL-Absolventen soll die Wähl- rungen – zur Neubesetzung ausgeschrieben, barkeit i.d.R. darum erteilt werden, wenn sie also fast jede fünfte. Mit dieser ausserordentli­ über eine abgeschlossene Lehre als Forstwart chen Häufung zeichnet sich ein richtiger Gene­ verfügen. Absolventen anderer Bildungswege rationenwechsel in unserem Wald ab. Gleich­ oder Kandidaten aus Nachbarländern sollten zeitig stammte unter den Absolventen der i.d.R. neben ihrem forstlichen Fachhochschul- Försterschule Maienfeld vom Oktober 2019 nur abschluss ebenfalls eine vergleichbare forst- gerade einer aus dem Thurgau. praktische Grundausbildung mitbringen und zudem ein mindestens dreimonatiges Prakti- Unter dem Strich ergibt sich so ein akuter Per- kum im Thurgau absolvieren, um sich mit den sonalengpass beim Försternachwuchs. Uner- lokalen Verhältnissen vertraut machen und wartet heftig zeigte sich dies bei den genann- spezifische Lücken schliessen zu können. Die- ten Stellenausschreibungen, auf die nur se Kriterien wurden in der Zwischenzeit auch wenige geeignete Bewerbungen eingingen. in den Vorständen der betreffenden Verbände Eine Entspannung der Situation erhofft man diskutiert und für gut befunden. sich bis in ein paar Jahren vom neu geplanten Ab Januar 2020 werden nun nach und nach berufsbegleitenden Lehrgang zum Förster HF. drei junge, aus dem Schwarzwald stammende Die Forstreviere haben ihre Personalprobleme – und darum ohne Weiteres auch «mundart- jedoch hier und jetzt zu lösen. taugliche» – deutsche Kandidaten ihre Prakti- Die kantonale Försterverordnung schreibt ka in den Revieren Kreuzlingen, Güttingen und vor, dass im Thurgau nur Inhaberinnen oder Ermatingen beginnen. Sie alle sind Bachelor- Inhaber des Diploms einer der beiden inter- Absolventen der Hochschule für Forstwirtschaft kantonalen Försterschulen in Maienfeld oder in Rottenburg am Neckar – ein dreijähriger Stu- Lyss als Revierförster angestellt werden dür- diengang, wie ihn die Förster in Baden-Würt- fen. Bei den wenigen Kandidaten, die sich auf temberg üblicherweise durchlaufen. die Ausschreibungen hin gemeldet hatten, handelte es sich jedoch überwiegend um Ab- Erich Tiefenbacher solventen der in Zollikofen Kreisforstingenieur Forstkreis 2 (HAFL) oder um deutsche Förster. Für solche Fälle lässt die Försterverordnung grundsätz- lich ein Hintertürchen offen, indem sie erklärt, dass auch die Anstellung von Inhaberinnen oder Inhabern eines kantonalen Wählbar- keitsausweises zulässig sei. Nur hatte sich bisher noch nie jemand Gedanken dazu ge- macht, was die Kriterien für das Erlangen ei- nes solchen Ausweises sein sollten. Das Forstamt berief zu diesem Zweck im vergangenen Herbst eilends eine Arbeitsgrup- pe aus Förster- und Waldeigentümervertretern ein. Einig war man sich bald, dass es falsch wäre, aus Personalnot einfach die Anforderun- gen zu senken. Hervorgehoben wurde auch

BTW 1/2020 21 Forstamt und Forstdienst Neues Merkblatt «Abfall im Wald»

Abfälle gehören nicht in den Wald. Das Amt • Maschinen und Geräte, die für den Holz- für Umwelt und das Forstamt haben die Bro­ schlag benötigt werden, dürfen während schüre «Mein Wald Dein Wald Unser Wald», der Einsatzzeit im Wald stehen bleiben. welche die Problematik von Abfall im Wald Landwirtschaftliche und andere Maschinen behandelt, durch ein neues Merkblatt ersetzt. dürfen im Wald weder temporär noch dau- erhaft abgestellt werden. Das Wichtigste Abfälle dürfen im Wald nicht deponiert wer- Weitere Details sind im Merkblatt aufgelistet. den. Zu Abfällen werden ganz unterschiedliche Materialien gezählt, bei welchen im ersten Moment nicht immer ersichtlich ist, weshalb Das neue Merkblatt ist sie nicht im Wald abgelagert werden dürfen: erhältlich unter https:// • Siedlungsabfälle gehören in die dafür vor- forstamt.tg.ch unter Pu- gesehenen Kehricht- oder Separatsamm- blikationen oder direkt lungen. mittels nebenstehendem • Mit Grünabfällen können Problempflanzen QR-Code. eingeschleppt werden. Grünabfälle müssen mit der Grüngutsammlung entsorgt werden. • Bauabfälle sind in bewilligten Deponien ab- Abfall im Wald gefunden? zulagern. Bei kleineren Ablagerungen werden die Wald- • Einmal bearbeitetes Holz darf nicht mehr besitzer gebeten, die Abfälle fachgerecht zu zurück in den Wald. entsorgen. Bei grösseren Abfallmengen ist die • Holzaschen enthalten Schwermetalle und Polizei zu benachrichtigen. andere giftige Stoffe. Sie müssen über die Kehrichtsammlung oder in entsprechende Sandra Horat Deponien entsorgt werden. Forstamt

Illegale Ablagerung von Abfall im Wald. Foto: Peter Rinderknecht

22 BTW 1/2020 Aus den Verbänden und Branchen Interesse der Frauen an Forstberufen steigt

Mit dem Schuljahr 2018/19 haben Sandra auch bei den Prozessen, dem Beobachten Kneubühl aus Frauenfeld und Simone Dotoli von Wachsen und Gedeihen des Waldes. (Die- aus Guntershausen ihre Zusatzausbildung ses Interesse ist möglicherweise bei den Frau- (verkürzte Lehrzeit) zur Forstwartin EFZ gestar­ en ausgeprägter vorhanden als bei den Män- tet. Ebenso ist Pia Meier aus Kreuzlingen be­ nern.) reits seit 2017 an der Grundausbildung zur Forstwartin. Auch Aurelia Wick aus Frauenfeld Passt die Entscheidung, Forstwartin zu hat im Sommer 2019 ihre Lehre als Forstwartin lernen, nach wie vor? begonnen. Ja, sehr (einstimmig)! Trotzdem muss und Dieser erfreulich hohe Frauenanteil in einem wird sich die Branche verändern. Die Wald- typischen Männerberuf gab Anlass für ein kur­ berufe sind traditionell und beständig aufge- zes Interview im Rahmen des Berufsschulta­ stellt. Ein Wandel könnte zusätzliches Ent- ges am Gewerblichen Bildungszentrum Wein­ wicklungspotenzial schaffen. Die Attraktivität felden. des Forstwartberufes muss gefördert werden. Die vorhandenen Rahmenbedingungen hono- Herzlichen Dank euch allen für die Bereit­ rieren den strengen Job teils zu wenig. schaft zum Interview «Grundausbildung als Forstwartin EFZ – Frauen in einem Männerbe­ Was machen Frauen anders als Männern? ruf». Wenn ihr auf eure bisherige Lehrzeit Da sind keine grossen Unterschiede spürbar. zurückblickt, was/welche Arbeit weckt in Sicher liegt es in der Natur der Sache, dass euch die grösste Begeisterung im Forstberuf? Forstwartinnen schneller um Mithilfe und Un- Dies ist sicher die Abwechslung an den ver- terstützung fragen, anstatt über die körperli- schiedenen Waldarbeiten und generell an Ar- chen Grenzen hinauszugehen. beiten in und mit der Natur. Eine spezielle Faszination weckt das Fällen von Bäumen Wie fühlt ihr euch als Frauen in der Forst­ und die damit verbundenen Arbeiten. Kein branche? Werdet ihr anders behandelt als Baum ist wie der andere. Jeder Arbeitsschritt die Männer? verlangt individuelle Beurteilung. Der Kopf Wir wurden von Anfang an in der Branche ak- muss immer bei der Sache sein, um Unfälle zeptiert. Nein, wir werden nicht anders be- oder sonstige Schäden zu vermeiden und ef- handelt und wünschen das auch nicht. Es ist fizient zu sein. feststellbar, dass sich in der Anwesenheit von Auch die Technik hat ihren Reiz. Sei es Forstwartinnen der Umgangston im Team beim Arbeiten mit Maschinen, beim Einbau «verfeinert». Kritik wird massvoller und ange- von Försterschwellen im Bachverbau oder passter geäussert. beim Erstellen eines Holzkastens als Hang- sicherung gegen Erosion. Wie empfindet ihr die Akzeptanz als Frauen in einem männergeprägten Beruf? Was hat euch zum Beruf «Forstwartin EFZ» Wie gesagt, ist innerhalb der Branche die Ak- gebracht? Wieso habt ihr euch dazu zeptanz vorhanden. Demgegenüber werden entschieden? teils höchst erstaunte Fragen seitens Passan- Der Waldberuf ist sehr vielseitig, und es sind ten und Spaziergängern oder Kunden geäus­ auch verschiedene Fähigkeiten gefordert. Es sert. Da fehlt das Zutrauen zum Waldberuf ist speziell, täglich im Wald und in der Natur nicht selten. Auch im Klassenverband in der zu sein und zu arbeiten. Das Interesse liegt Berufsschule sind keine «Abwertungen» spür-

BTW 1/2020 23 Aus den Verbänden und Branchen

bar. Gerade gemeinsame Anlässe wie Exkursi- Gibt es spezielle Erlebnisse als Forstwartin onen und überbetriebliche Kurse schweissen in einem Männerberuf? zusammen. Wenn wir sagen, dass wir in einem Forstbe- trieb arbeiten, wird sofort davon ausgegan- Wie seht ihr die Zukunft der Frauen generell gen, dass wir die Stelle der Sekretärin inne­ im Forstberuf? Braucht es Anpassungen oder haben. Nach aufklärenden Worten an unser Veränderungen im Berufsfeld? Gegenüber ernten wir oft sehr erstaunte und Die grösste Herausforderung wird zweifelsoh- ungläubige Blicke. Noch wird uns die Arbeit ne die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Wald nicht immer zugetraut. sein. Hier ist ein Wandel zu vermehrten Teil- zeitanstellungen unabdingbar. Für ältere Habt ihr allgemeine Bemerkungen zur Forstwarte, wie auch für die Frauen in einem forstlichen Ausbildung als Frau? Männerberuf, wären Arbeiten mit geringeren Ja, wir motivieren alle Frauen, bei Interesse körperlichen Belastungen dringend zu eta­ die Chance eines Waldberufes zu nutzen! Wo blieren. ein Wille ist, ist auch ein Weg!

Wie seht ihr eure Laufbahn in der Branche? Liebe Aurelia, Sandra, Simone und Pia, ich Habt ihr Interesse oder Absichten an danke euch herzlich für das Gespräch und bestimmten forstlichen Weiterbildungen? wünsche euch in eurer Ausbildung weiter- Diesbezüglich existieren verschiedene Mei- hin alles Gute und eine unfallfreie Zeit im nungen. Einerseits wird die Weiterbildung zur Wald. Försterin HF in Betracht gezogen, andererseits müssen die Rahmenbedingungen, im Speziel- Interview: len die Entlöhnung im Vergleich zur körperli- Mathias Rickenbach chen Belastung im Job, angepasst werden. Fachschaftsleiter Forstwarte

Pia Meier, Simone Dotoli, Sandra Kneubühl und Aurelia Wick (von links nach rechts) absolvieren aktuell die Grundausbildung zur Forstwartin EFZ. Foto: Mathias Rickenbach

24 BTW 1/2020 Aus den Verbänden und Branchen Delegiertenversammlung Wald Thurgau vom 28. Oktober 2019 in Weinfelden

Wichtige Neuerungen standen auf dem Pro­ rates. Neu werden pro Revierkörperschaft zwei gramm der Delegiertenversammlung von Wald Mitglieder an die Delegiertenversammlung Thurgau. Georg Müller, Präsident a.i. von Wald entsendet. Zentral ist, dass diese Mitglieder Thurgau, begrüsste denn auch die zahlreich Waldeigentümer sind. Durch die Verringerung anwesenden Delegierten und Gäste, darunter der Anzahl Delegierter auf 40 bis 50 erhofft Frau Regierungsrätin Carmen Haag, Kaspar man sich einen intensiveren Austausch an den Reutimann (Wald Zürich), Heinz Engler (Wald Versammlungen. Eine zweite wichtige Neue- St. Gallen), Urban Brütsch (Wald Schweiz). rung betrifft die Eingabe von Anträgen zuhan- den der Delegiertenversammlung. Anträge Jahresbericht müssen spätestens 40 Tage vor der Versamm- Die Delegierten hatten die Gelegenheit, den lung eingehen. Die Einladung an die DV er- Jahresbericht im Voraus zu Hause zu studie- folgt 20 Tage vor Termin DV. Mit dieser Neue- ren. Wesentliche Inhalte des Berichtes sind rung können Eingaben an die DV jeweils die Gedanken des Präsidenten zum Zerfall des direkt in der Einladung berücksichtigt werden Holzpreises und zu den grossen Mengen Kä- und müssen nicht den Delegierten separat ferholz, die den Holzmarkt fluten. Wichtig ist kommuniziert werden. der Anstoss, dass der Bevölkerung vermehrt Die Delegierten verabschiedeten die neuen klargemacht werden muss, welche Leistungen Statuten als Ganzes ohne Gegenstimme. die Waldbesitzer für die breite Bevölkerung Damit der neue Vorstand seine Aufgaben erbringen, damit diese den Wald für ihre Frei- zielgerichteter wahrnehmen kann, wurde eine zeitaktivitäten nutzen kann. Verdoppelung der Mitgliederbeiträge auf CHF 40 000 budgetiert. Statutenrevision/Budget Die Revision der Statuten beinhaltete als Rücktritte und Wahlen wichtigste Neuerung die Bildung eines Wald­ Interimspräsident Georg Müller, , und Walter Koch, Thundorf, gaben ihren Rück- tritt. Walter Koch wirkte während 14 Jahren engagiert im Vorstand von Wald Thurgau. Ge- org Müller war seit 2005 aktiv, übernahm vor drei Jahres das Präsidium a.i. und führte den Verband durch die Zeit der Erneuerung. Beide wurden gebührend verabschiedet. Erfreulicherweise stellten sich vier neue Mitglieder zur Verfügung, um im Vorstand mit- zuwirken. Es sind dies Josef Grob, Bischofs- zell, als Präsident und als neue Vorstandsmit- glieder Franz Eugster, Bischofszell, Hermann Brenner, Weinfelden, und Jakob Hug, Fischin- gen. Einstimmig wurden diese vier in ihr neu- es Amt gewählt. Urs Fuchs, Geschäftsführer Wald Thurgau, Georg Müller und Walter Koch, scheidene Vorstandsmit­ Sandra Horat glieder. Foto: Sandra Horat Forstamt

BTW 1/2020 25 Aus den Verbänden und Branchen Herbar-Ausstellung der Forstwartlernenden

Gepresste Blätter, getrocknete Samen, ge­ schliffenes Holz und Winterzweige verschie­ dener Baumarten konnten am 1. November 2019 anlässlich der Herbar-Ausstellung der Forstwartlernenden im 3. Lehrjahr im Gewerb­ lichen Bildungszentrum Weinfelden (GBW) be­ sichtigt werden.

Das Erkennen von Waldbäumen und Sträu- chern sowohl im Winter als auch im Sommer ist eine wichtige Grundlage des Forstwartbe- rufs. Deshalb müssen alle Lernenden wäh- rend ihrer Ausbildung zum Forstwart EFZ ein Herbar zu Gehölzen im Schweizer Wald erstel- len. Durch sammeln, präparieren und archi- vieren der gesammelten Gehölzteile wird der Schubladen- und Büroboxen waren 2019 bei den Lerneffekt im Fach «Waldbauliche Grundla- Lernenden als Herbar-Aufbewahrung besonders beliebt. Foto: Sandra Horat gen» verbessert. Gesammelt werden müssen die zehn im Thurgau häufigsten Baumarten als Pflicht- und 20 Wahlbaumarten, die aus einer Liste von zusätzlichen Baum- und Straucharten gewählt werden können. Die Herbarbelege der zehn Pflichtarten müssen die Blätter/Nadeln, einen Winterzweig mit Knospe, ein Stück Holz, einen Keimling, einen Samen und Frucht, Zapfen oder Blüte enthal- ten. Die Belege der Wahlbaumarten sollten neben den Blättern/Nadeln und dem Winter- zweig mit Knospen ein zusätzliches Attribut aufweisen. Das Niveau der ausgestellten forstlichen Her- barien war auch dieses Jahr sehr hoch und die erfreulich grosse Besucherzahl zeigte den Ler- nenden, dass ihr Einsatz geschätzt wird. Eltern, Verwandte, Freunde, Lehrmeister, Ausbildner und Lehrer der lernenden Forstwarte hatten die Gelegenheit, ihre Sympathie zu den einzelnen Herbarien im Publikumsvoting auszudrücken. Das Resultat des Votings wird anlässlich der Lehrabschlussfeier im Juli 2020 bekannt gege- ben werden. Man darf gespannt sein!

Sandra Horat Das Herbar als Baum. Foto: Sandra Horat Forstamt

26 BTW 1/2020 Diverses Internationaler Tag des Waldes am 21. März 2020

2018 war das Thema des Internationalen Tags des Waldes «Wald und seine Bedeutung für nachhaltige Städte» und 2019 stand der Tag im Zeichen der Bildung. 2020 liegt der Fokus des Tages auf «Wald und Biodiversi­ tät». Das Bundesamt für Umwelt plant ver­ schiedene Kommunikationsaktivitäten, deren Höhepunkt am 22. Mai 2020 am Internationa­ len Tag der Biodiversität erfolgt.

Über 40% der in der Schweiz vorkommenden Tiere und Pflanzen sind auf den Wald als Lebensraum angewiesen. Wald bietet einen natürlichen und stabilen Lebensraum, der nachhaltig genutzt und gepflegt wird. Der In- ternationale Tag des Waldes und der Interna- Als Habitatbäume werden Bäume bezeichnet, die tionale Tag der Biodiversität bieten Gelegen- besondere Lebensräume (Biotope, Habitate) für andere Lebewesen anbieten. Hierbei handelt es sich heit, die Biodiversität im Wald mit ihren oft um sehr alte, zum Teil auch bereits absterbende verschiedenen Facetten zu erleben. oder tote Bäume. Bild: Forstamt

Arbeitsjubiläen und runde Geburtstage im Forstdienst

Anfang Februar 2020 bis Ende April 2020 6. Februar Kathi Günter 65. Geburtstag 9. April Paul Koch 60. Geburtstag 18. April Robert Schönholzer 65. Geburtstag

BTW 1/2020 27 Impressum

«Blätter aus dem Thurgauer Wald» Redaktion und Herausgeber: Forstamt Thurgau Spannerstrasse 29 8510 Frauenfeld

Telefon: 058 345 62 80 Fax: 058 345 62 81 E-Mail: [email protected] Internet: www.forstamt.tg.ch

Titelbild: Feldgehölz Stutz (Eschlikon) Dezember 2019. Im Januar 2020 fand ein forstlicher Eingriff statt. Die nicht standortsgerechten Fichten wurden entfernt und werden durch junge Eichen ersetzt. Grosse Eichen und Lärchen wurden stehen gelassen und der Waldrand ökologisch aufgewertet. Foto: Sandra Horat

Druck: Galledia Fachmedien Frauenfeld AG

Auflage: Zirka 4000 Exemplare als Beilage im «Thurgauer Bauer» vom Freitag, 31. Januar 2020, plus zirka 625 Exemplare