„… O Sieh, Wie Klar Das Weltall Schimmert! Es Ist Ein Glanz Um
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Musikforum Gendarmenmarkt Dienstag 05.11.2019 20.00 Uhr · Kleiner Saal WOLFGANG REDIK Violine und Leitung CESAR LAPOREV Violine KEI TOJO Viola ERIC SEOHYUN MOON Viola DANIEL HAMIN GO Violoncello GRACE SOHN Violoncello WOLFRAM RIEGER Klavier KAMMERORCHESTER AUS STUDIERENDEN DER HOCHSCHULE FÜR MUSIK HANNS EISLER BERLIN „… O sieh, wie klar das Weltall schimmert! Es ist ein Glanz um Alles her, du treibst mit mir auf kaltem Meer, doch eine eigne Wärme flimmert von dir in mich, von mir in dich …“ AUS RICHARD DEHMELS GEDICHT „VERKLÄRTE NACHT“ PROGRAMM Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) Sonate für Klavier und Violine e-Moll KV 304 ALLEGRO TEMPO DI MENUETTO Arnold Schönberg (1874–1951) „Verklärte Nacht“ für Streichsextett op. 4 PAUSE Franz Schubert (1797–1828) Streichquartett d-Moll D 810 („Der Tod und das Mädchen“), für Streichorchester bearbeitet von Gustav Mahler ALLEGRO ANDANTE CON MOTO SCHERZO. ALLEGRO MOLTO PRESTO In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin PREMIUMPARTNER Mobiltelefon ausgeschaltet? Vielen Dank! Cell phone turned off? Thank you! Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Auf- führungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind. Zuwider- handlungen sind nach dem Urheberrechtsgesetz strafbar. WOLFGANG AMADEUS MOZART Melancholischer Mozart Uns steht ein musikalisch beglückender, wenn auch thema- tisch bedrückender Abend bevor. Es geht um Tod, Trauer und unglückliche Liebe. Aber der Reihe nach … Wolfgang Amadeus Mozart hatte 1777 gerade die Brocken in Salzburg hingeworfen. Das enge Reglement in Diensten der Hofkapelle – zum Schluss als Konzertmeister – war dem 21-Jährigen verhasst, er wollte lieber mit selbst komponierten Wer- ken Karriere machen. Oder noch besser: Außerhalb von Salzburg eine vernünftige Anstellung finden. Und so begab er sich zusammen mit seiner Mutter auf Europareise und bot seine Dienste feil. Doch der Erfolg war bescheiden: Weder in München oder Mannheim noch in MOZART ALS RITTER VOM GOLDENEN SPORN Paris wollte man ihm eine Stelle ANONYMES GEMÄLDE VON 1777 geben. Immerhin: Er hatte wieder Zeit zum Komponieren – in dieser Zeit vor allem „Duetti à Clavicembalo e Violino“. Nach einem Jahr waren sechs davon fertig, heute sind sie unter den Köchelverzeichnisnummern 301 bis 306 zu finden und tragen den Beinamen „Kurfürstin- Sonaten“. Der Komponist hatte sie schließlich im Januar 1779 Elisabeth Auguste von der Pfalz gewidmet. Die vierte der sechs Sonaten – nur zweisätzig wie die meisten ihrer Schwestern – ist streng genommen die letzte des Zyklus, entstand in Paris und steht in e-Moll. Der melancholische Grundton von Mozarts einziger Violinsonate in Moll erklärt WOLFGANG AMADEUS MOZART sich wohl durch den Tod der Mutter, die ihn noch in die Seine- Metropole begleitet hatte und dort im Juli 1778 starb. Es sollte das Ende von Mozarts Europareise sein. Wenig später trat der Komponist die Heimreise zum Vater an, um – wie nach einem gescheiterten Fluchtversuch – wieder am ungeliebten Salzbur- ger Hof zu landen. Schon im strengen Unisono-Thema des ersten Satzes, einem aufsteigenden Moll-Dreiklang, wird klar: Hier geht es um ernstere Dinge. Lediglich das Seitenthema setzt der Trauer hellere Farben entgegen. Der zweite Satz, ein Menuett in Gestalt einer französischen Forlane, ist dann so etwas wie ein melancholischer Tanz – und in der Mitte glimmt laut Alfred Einstein eine „kurz aufleuchtende Seligkeit“. Überhaupt hat dieser zweite Satz den Musikwissenschaftler Einstein und seine Kollegen immer wieder zu Vergleichen mit der Roman- tik herausgefordert. Der Name Schubert fällt dabei oft. Man könnte aber auch an die Opern von Christoph Willibald Gluck oder die sentimentalen Arien eines Niccolo Piccini denken, deren Musik Mozart in Paris kennen gelernt hatte. Aber da ist noch etwas, was diese Sonate von den anderen unterscheidet und zu einem der meistgespielten Werke dieser Gattung macht: Mozart hat seine Violinsonaten ja als Duette für Klavier und Violine bezeichnet. Damit war die Rangfolge eigentlich klar: Das Klavier trägt das musikalische Geschehen, die Geige ordnet sich unter. In der e-Moll-Sonate emanzipiert sich die Geige jedoch vom Klavier und wird ein gleichberechtigter Partner – wie in Trauer vereint. Der Tod seiner Mutter hat Mozart tief erschüttert. Der erste Satz seiner Sonate ist aber keine Trauerarbeit, sondern könnte eine melancholische Erinnerung an seine resolute und doch liebevolle Mutter sein. So schreitet auch das erste Motiv energisch voran, bis es in den Achtelbewegungen AUFGEHORCHT wieder weich aufgefangen wird. ARNOLD SCHÖNBERG Verklärte Nacht Vereint sind die beiden Protagonisten von Richard Dehmels Gedicht „Verklärte Nacht“ nun wirklich nicht. Schließlich gesteht da eine Frau ihrem Liebhaber beim Spaziergang im Mondschein, dass sie von einem anderen ein Kind erwartet. Es ist eine verzweifelte Selbstanklage, die überraschend im Versprechen des Mannes gipfelt, das Kind als sein eigenes anzunehmen. Aber warum ist die Nacht „verklärt“? Das kann „selig“ oder auch „glücklich“ heißen. Zugleich meint es auch eine besonders klare Nacht. Eine, in der der Mond eben beson- ders hell und groß über einem steht. Arnold Schönberg konnte WINTERSZENE – GEMÄLDE VON ARNOLD SCHÖNBERG, 1910 ARNOLD SCHÖNBERG sich dieser besonderen Stimmung, in die Dehmel seinen Text über Liebe, Verrat und Sexualmoral der Jahrhundertwende taucht, nicht entziehen und komponierte darauf ein Streich- sextett. Er wollte in seinem Werk „die Natur zeichnen“ und gleichzeitig menschliche Gefühle ausdrücken. Man darf sich das ruhig wie eine Filmmusik vorstellen. Nicht nur ist das Gedicht vorne in der Partitur abgedruckt, das einsätzige Werk ist wie der Text selbst in fünf „Strophen“ aufgeteilt, die den jeweiligen Stimmungen der Vorlage folgen. Das Werk für je zwei Violinen, Bratschen und Celli ist also reine Programmmusik, eine Art Sinfonische Dichtung für kleines Ensemble. 1950 hat Schönberg sogar selbst Programm- Anmerkungen zu seiner „Verklärten Nacht“ verfasst. Darin macht er anhand von 16 Notenbeispielen deutlich, dass ein- zelne Motive und Formteile sogar bestimmten Textpassagen zugeordnet werden können. Ebenfalls dort bescheinigt er übrigens seiner eigenen Kom- position solche „Qualitäten, die auch befriedigen, wenn man nicht weiß, was sie schildert, oder, mit anderen Worten, sie bietet die Möglichkeit, als ‚reine‘ Musik geschätzt zu werden. Daher vermag sie einen vielleicht das Gedicht vergessen zu lassen, das mancher heutzutage als ziemlich abstoßend bezeichnen könnte.“ Die Programmmusik hat sich im Laufe des 19. Jahrhunderts vor allem in der Orchestermusik etabliert. Komponisten wie Franz Liszt oder später auch Richard Strauss haben dabei sogenannte Tondichtungen geschaffen, die nach einer nicht-musikalischen Vorlage – das konnte eine Erzählung, KURZ NOTIERT ein Gedicht oder ein Gemälde sein – komponiert waren. Richard Dehmel selbst war hin und weg von dem Werk und schrieb Schönberg im Dezember 1912: „Gestern Abend hörte ich die ‚Verklärte Nacht‘, und ich würde es als Unterlassungs- ARNOLD SCHÖNBERG sünde empfinden, wenn ich Ihnen nicht ein Wort des Dankes für ihr wundervolles Sextett sagte. Ich hatte mir vorgenom- men, die Motive meines Textes in Ihrer Composition zu ver- folgen; aber ich vergaß das bald, so wurde ich von der Musik bezaubert.“ Das ging nicht allen so. Die Uraufführung zehn Jahre zuvor geriet zum ersten von vielen Skandalen, die Schönbergs Karriere prägen sollten: Zischen, Schlüsselklap- pern, Brüllen, das volle Programm. Das Publikum lehnte aber wohl vor allem den erotischen Inhalt des Gedichtes ab, der zudem musikalisch gar nicht umsetzbar sei. Die Abschnitte 1, 3 und 5 in Schönbergs Sextett beschreiben die nächtliche Atmosphäre. Zu Beginn steigt ein düsteres Thema über den langsamen Schritten des Paares auf dem tiefen D auf, bis das Geständnis der Frau mit einem dramati- schen Ausbruch beginnt. Später schreibt Schönberg noch die Vortragsbezeichnung „wild“ und will damit die Selbstvor- AUFGEHORCHT würfe und Gewissensbisse der Frau ausdrücken. Kritiker sahen immerhin neben „Absichtlich Confusem und Hässlichem manches Ergreifende, Rührende, manches, das den Hörer mit unwiderstehlicher Gewalt bezwingt, sich ihm in Herz und Sinne drängt“ und bescheinigten dem Kompo- nisten eine „ernste, tiefe Natur“. Vielleicht fiel das Urteil auch deshalb so glimpflich aus, weil das Werk noch aus der ersten, der tonalen Phase des Komponisten stammt. Die Grundton- art ist hier noch ein braves d-Moll. Während er selbst kleinste Motive permanent weiterverarbeitet (eine Technik, die er sich bei Brahms abgeschaut hat), orientiert sich Schönberg harmo- nisch am späten Wagner. Das veranlasste ein Mitglied des Wiener Tonkünstlervereins zur berühmten Äußerung: „Das klingt ja, als ob man über die noch nasse „Tristan“-Partitur gewischt habe.“ Heute zählt „Verklärte Nacht“ dagegen zu den meistgespielten Werken Schönbergs – auch in der später entstandenen Fassung für Streichorchester. ARNOLD SCHÖNBERG Zwei Menschen gehn durch kahlen, Sie geht mit ungelenkem Schritt, kalten Hain; sie schaut empor, der Mond läuft mit; der Mond läuft mit, sie schaun hinein. ihr dunkler Blick ertrinkt in Licht. Der Mond läuft über hohe Eichen, Die Stimme eines Mannes spricht: kein Wölkchen trübt das Himmelslicht, Das Kind, das du empfangen hast, in das die schwarzen Zacken reichen. sei deiner Seele keine Last, Die Stimme eines Weibes spricht: o sieh, wie klar das Weltall schimmert! Ich trag ein Kind, und nit von dir, Es ist ein Glanz um Alles her, ich geh in Sünde neben dir. du treibst