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Erst Ostalgieverbot, dann Zwangsgemeinsamkeit: Rot-Weiss Essen – Energie Cottbus (2004/2005) Foto: Stadionwelt Warten auf die Fan-Wiedervereinigung Das Verhältnis zwischen Fans aus West- und Ostdeutschland war und ist ein Spiegel- bild der Gesellschaft – ein Reise durch die letzten zwei Jahrzehnte. in Blick zurück in die Zeit vor (39) ergänzt: „Fast jeder hatte damals liga hat doch niemanden interessiert, 1990, ins geteilte Deutschland. Es auch einen Schal eines Westvereins. Die aber die Reisen dorthin waren ein beson- Egibt eine im Westen, wurden in Polen hergestellt, und so sind deres Abenteuer: Die Busse wurden im- eine im Osten. Beide sind eta- wir daran gekommen.“ mer von Stasi-Of zieren begleitet, man bliert und populär, doch es gibt einen konnte auf den Transit-Strecken nicht Unterschied: Fast jeder Fan im Osten hat Vorwendezeit: Kontakt verboten zum Pinkeln aussteigen und die Foto- neben seinem Club zudem noch einen apparate wurden einem abgenommen. Verein aus der Bundesliga, dem er die Die Frage, ob es neben der Symapthie Dafür zahlten wir 25 West-Mark Eintritt Daumen drückt. „Bayern und HSV, das für diverse West-Clubs auch Abneigung und die Einheimischen 40 Ost-Pfennig.“ waren die mit den meisten Sympathisan- gegenüber einigen Vereinen gegeben Begegnungen im Westen konnten ten“, erklärt -Fan Axel habe, beantwortet Matthees: „Eine rich- ein gewisses besonderes Flair entfalten, Matthees (39), dessen Herz auch für 1860 tige Rivalität konnte ja nicht zustande waren aber längst nicht vergleichbar mit schlug. „Bei mir war es Borussia Mön- kommen, daher empfand vielleicht der den großen West-Duellen. KFC Uerdin- chengladbach“, sagt hingegen Udo Kie- eine oder andere höchstens etwas An- gen-Fan Harald Grassen berichtet von sewetter (45), ein Fan von Lok , tipathie.“ Opitz: „Wir hatten unsere der vielleicht legendärsten deutsch- „wir hatten Westfernsehen, und was wir Feindbilder damals im Osten, denn das deutschen Begegnung, von dem 7:3 Bay- von denen in der Sportschau gesehen ‚Preußen gegen Sachsen’ hatte weitaus er Uerdingens gegen Dynamo Dresden haben, das war Fußball wie von einem mehr Bedeutung.“ 1986: „Es waren rund 1.000 Fans da, die anderen Stern, weil wir ihn wegen der Fast keine Beachtung fand der Ost- mit Dynamo sympathisierten, davon aber Mauer nie real sehen konnten. Hinzu Fußball im Westen. Dass es überhaupt die meisten, die schon vorher irgendwie kam, dass der DDR-Fußball ja relativ ein anderes Fußballdeutschland gab, dem Osten den Rücken gekehrt hatten. schwach war. Zwar ist Lok zweimal, ge- merkte man höchstens in dem Anti- Die Stimmung war friedlich, denn für gen Bremen und Düsseldorf, im Europa- Hertha-Song „Und wir schenken Berlin die war es ein echtes Happening.“ Vie- cup weitergekommen, sonst hat das nur der DDR“. Mike Redmann (42) hat seinen le Uerdinger Fans erlebten die Sensation Magdeburg geschafft, der Rest ist jedoch SV Werder Bremen schon in den 80ern aber seinerzeit nicht mit. „Die meisten in schöner Regelmäßigkeit rausge o- zu Spielen bei Vorwärts Frankfurt/Oder sind schon beim 1:3 zur Halbzeit gegan- gen.“ Union Berlin-Fan Roberto Opitz und Dynamo Berlin begleitet: „Die Ober- gen, weil doch alles entschieden war.“

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Möglichkeiten, bei den Spielen in der umbenennungen, eine mit 20 Vereinen einzigen Saison mit zwei sächsischen DDR mit Fans der Ost-Clubs in Kontakt spielende Bundesliga, eine zweigeteilte Erstligisten, im Zentralstadion die wohl zu treten, gab es so gut wie keine. Wenn Zweite Liga und zehn deutsche Starter schwersten Ausschreitungen in diesem Teams aus der Bundesliga zu Europa- im Europacup, darunter sogar Stahl Ei- Bundesliga-Jahrzehnt. „Die Dresdner cup-Spielen in die DDR reisten, konnten senhüttenstadt als Drittligist. haben alles zerlegt und keine einzige der sie kaum einen Schritt tun, den die Stasi In dieser Zeit erfolgte eine schicksals- maroden Holzbänke war am Ende noch nicht bemerkt hätte. Gelegentlich wur- hafte Weichenstellung für viele Vereine an ihrem Platz.“ den sogar komplette Gaststätten für die auf beiden Seiten. Hierbei waren die aus Im Westen hingegen war die Entwick- einheimischen Bürger gesperrt, damit dem Osten weitaus mehr betroffen: Stahl lung zu friedfertigeren Fußball-Szena- sich die Fans aus dem Westen darin auf- Eisenhüttenstadt, der 1. FC Magdeburg, rios bereits eingeleitet. halten konnten. „Wir hätten ja auf dum- der FC Berlin und Sachsen Leipzig schaf- Touren in die DDR waren deshalb me Gedanken können“, meint Kiesewet- fen den Klassenhalt in der höchstens nicht nur für die Stadion-, sondern vor ter. „Als wir damals die Hertha in Prag DDR-Spielklasse, mussten nun aber in allem auch für die Krawallhopper inter- unterstützen wollten, hat man uns sogar die gesamtdeutsche Drittklassigkeit, wie essant. „In den Anfangsjahren war die aus dem Zug geholt“, erinnert sich Uni- Union Berlin und der FSV Zwickau, die Polizei dort völlig orientierungslos und on Berlin-Fan Roberto Opitz. ein Jahr zuvor als Sieger der beiden Zweit- wusste gar nicht, wie sie agieren soll. An Spiele im Westen war für Ost- liga-Staffeln der DDR den Aufstieg noch Vermutlich gab es zu wenige Anweisun- Fans ohnehin nicht zu denken, denn wer geschafft hätten. Ähnlich erging es im gen und wenn es zu Ausschreitungen mitreisen durfte, darüber entschieden Westen aber auch dem SV Meppen und kam, haben die lieber in Ruhe ihre Brat- Parteifunktionäre. Nur wer linientreu Rot-Weiss Essen, die in der Abschluss- wurst zu Ende gegessen“, erinnert sich oder ein verdienstvoller Funktionär war, tabelle der 2. Bundesliga ebenfalls einen Redmann. wen die SED nicht als republik uchtan- Platz erreicht hatten, der ursprünglich Und durch ihre offensiv vorgetrage- fällig einstufte, durfte zu den Spielen in zum Klassenerhalt genügt hätte. nen politischen Bekenntnisse hatten die den Westen reisen. „Meist war das dann Fans des FC St. Pauli oder auch die von eine Ü40- oder Ü50-Reise, die ironischer- Krawalle TeBe Berlin bei ihren Spielen im Osten weise von ‚Jugendtourist’ durchgeführt mehr als einmal Probleme. Beim Gros wurde“, erinnert sich Matthees. „Die Neben den Zusammenlegungsmo- der westlichen Fanszenen herrschte Erst Ostalgieverbot, dann Zwangsgemeinsamkeit: Rot-Weiss Essen – Energie Cottbus (2004/2005) Foto: Stadionwelt Busfahrer waren immer froh, wenn sie dalitäten wirkten allerdings weitere hingegen mittlerweile ein „Keine-Poli- alle Mann wieder an Bord hatten, denn Krisenfaktoren: Vereine, die mit einer tik-im-Stadion“-Konsenz, wodurch ein dann konnten sie sicher sein, nicht von geringeren Wirtschaftskraft als viele entscheidender Stressfaktor ent el. Für der Stasi ausgefragt zu werden. Beim Westclubs ausgestattet waren, rutsch- sie waren Ost-Spiele eher eine Reise in Warten auf die Dynamo-Spiel in Stuttgart sind damals ten nach und nach in der Liga-Pyramide eine exotische Welt. Durchgeschüttelt in aber vier Fans abgehauen und im Wes- ab. Bereits Mitte der 90er Jahre erinnerte Bussen auf Autobahnen, die aus schlecht ten geblieben.“ Bei Union Berlin, deren die Zusammensetzung der Regionalliga verfugten Betonplatten zusammenge- Fan-Wiedervereinigung Anhänger in der Vorwendezeit als rebel- Ost, die später zum Bestandteil der Re- setzt waren, verloren die wenigsten ih- lisch galten, wurde sogar einmal allen gionalliga Nord wurde, stark an die alte ren Humor und gaben auf den langen Das Verhältnis zwischen Fans aus West- und Ostdeutschland war und ist ein Spiegel- Fans die Reise zu einem Intertoto-Spiel DDR-Oberliga. Es gab die gleichen Duel- Fahrten ihr komplettes Witze-Repertoire nach Uerdingen untersagt. le wie noch zehn Jahre zuvor - und somit zum Besten, das sich etwa um Bananen bild der Gesellschaft – ein Reise durch die letzten zwei Jahrzehnte. Den Anhängern von Carl Zeiss Jena die gleiche Brisanz - eine Fußballkultur, und Stone-washed-Jeans drehte. in Blick zurück in die Zeit vor (39) ergänzt: „Fast jeder hatte damals liga hat doch niemanden interessiert, und Union Berlin stellt sich 1968 nicht die im Westen schon als ausgestorben Gewinner der sportlichen Abwärts- 1990, ins geteilte Deutschland. Es auch einen Schal eines Westvereins. Die aber die Reisen dorthin waren ein beson- einmal diese Frage. Denn die Politik galt inklusive aller Begleiterscheinun- entwicklung waren die wenigen Verei- Egibt eine Bundesliga im Westen, wurden in Polen hergestellt, und so sind deres Abenteuer: Die Busse wurden im- des Kalten Kriegs und die gesellschaft- gen: Beim Spiel des VfB Leipzig gegen ne, die sich höherklassig durchsetzen eine Oberliga im Osten. Beide sind eta- wir daran gekommen.“ mer von Stasi-Of zieren begleitet, man lichen Ideologien machten in dieser Zeit Dynamo Dresden gab es 93/94, in der konnten. Allen voran der einzige Ost- bliert und populär, doch es gibt einen konnte auf den Transit-Strecken nicht auch vor dem Fußball nicht Halt. Nach- Unterschied: Fast jeder Fan im Osten hat Vorwendezeit: Kontakt verboten zum Pinkeln aussteigen und die Foto- dem sowjetische Truppen in Prag ein- neben seinem Club zudem noch einen apparate wurden einem abgenommen. marschiert waren und die Spannungen Verein aus der Bundesliga, dem er die Die Frage, ob es neben der Symapthie Dafür zahlten wir 25 West-Mark Eintritt zwischen NATO und Warschauer Pakt Daumen drückt. „Bayern und HSV, das für diverse West-Clubs auch Abneigung und die Einheimischen 40 Ost-Pfennig.“ bedenklich zunahmen, wurden dem am- waren die mit den meisten Sympathisan- gegenüber einigen Vereinen gegeben Begegnungen im Westen konnten tierenden DDR-Meister- und Pokalsieger ten“, erklärt Dynamo Dresden-Fan Axel habe, beantwortet Matthees: „Eine rich- ein gewisses besonderes Flair entfalten, die Teilnahme am Europacup sogar un- Matthees (39), dessen Herz auch für 1860 tige Rivalität konnte ja nicht zustande waren aber längst nicht vergleichbar mit tersagt, obwohl die UEFA die Teams aus schlug. „Bei mir war es Borussia Mön- kommen, daher empfand vielleicht der den großen West-Duellen. KFC Uerdin- den Warschauer-Pakt-Staaten bewusst chengladbach“, sagt hingegen Udo Kie- eine oder andere höchstens etwas An- gen-Fan Harald Grassen berichtet von gegeneinander gelost hatte. sewetter (45), ein Fan von Lok Leipzig, tipathie.“ Opitz: „Wir hatten unsere der vielleicht legendärsten deutsch- „wir hatten Westfernsehen, und was wir Feindbilder damals im Osten, denn das deutschen Begegnung, von dem 7:3 Bay- Die Zusammenführung von denen in der Sportschau gesehen ‚Preußen gegen Sachsen’ hatte weitaus er Uerdingens gegen Dynamo Dresden haben, das war Fußball wie von einem mehr Bedeutung.“ 1986: „Es waren rund 1.000 Fans da, die Jahrzenhnte später: In der Zeit der anderen Stern, weil wir ihn wegen der Fast keine Beachtung fand der Ost- mit Dynamo sympathisierten, davon aber Au ösung der DDR legten die Verbän- Mauer nie real sehen konnten. Hinzu Fußball im Westen. Dass es überhaupt die meisten, die schon vorher irgendwie de fest, dass eine Zusammenführung der kam, dass der DDR-Fußball ja relativ ein anderes Fußballdeutschland gab, dem Osten den Rücken gekehrt hatten. West-Bundesliga mit der Ost-Oberliga schwach war. Zwar ist Lok zweimal, ge- merkte man höchstens in dem Anti- Die Stimmung war friedlich, denn für nach der Formel „2 plus 6“ erfolgen soll- gen Bremen und Düsseldorf, im Europa- Hertha-Song „Und wir schenken Berlin die war es ein echtes Happening.“ Vie- te: Meister und Vizemeister können in cup weitergekommen, sonst hat das nur der DDR“. Mike Redmann (42) hat seinen le Uerdinger Fans erlebten die Sensation der 1. Bundesliga mitspielen, die sechs Magdeburg geschafft, der Rest ist jedoch SV Werder Bremen schon in den 80ern aber seinerzeit nicht mit. „Die meisten nächstplatzierten in der 2. Bundesliga. in schöner Regelmäßigkeit rausge o- zu Spielen bei Vorwärts Frankfurt/Oder sind schon beim 1:3 zur Halbzeit gegan- Diese Regelung führte zu einer Reihe gen.“ Union Berlin-Fan Roberto Opitz und Dynamo Berlin begleitet: „Die Ober- gen, weil doch alles entschieden war.“ von Kuriositäten: Unzählige Vereins- Ost-West-Duell oder einfach nur Berliner Derby? Hertha BSC (A) – 1. FC Union Berlin Foto: Stadionwelt

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Der Osten: Ein Paradies für „Krawalltouristen“? Rostock – Magdeburg 1989/90 Foto: Redmann

Verein, der es schaffte, sich in der Eli- Homburg. Nur 150 Fans sind mitgefah- teklasse zu etablieren: Hansa Rostock. ren. Das ist für so ein bedeutendes Spiel Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf auf das alle so lange gewartet haben, die Fan-Struktur des FCH. Wo auch im- natürlich relativ dürftig. Aber die Leute mer der Club spielte, war der Auswärts- hatten damals andere Probleme und kei- block besser gefüllt, als es manch ein ner hat sich wirklich für Fußball interes- Westclub mit größerer Anhängerschaft, siert. Selbst beim Europacupspiel gegen der zudem nicht aus einem Randgebie- Ajax hatten wir in der Saison nur 6.000 te Deutschlands kommt, schaffte. Der Zuschauer.“ Auch bei Hansa Rostock ka- Grund: Viele inzwischen im Westen men nur 8.500 gegen den FC Barcelona, beheimateten „Exil-Ossis“ schlossen immerhin ein Gegner der Kategorie ,At- die Rostocker, auch wenn es nicht ihr traktiver geht nicht‘“. Kiesewetter: „Ich ursprünglicher Heimatverein war, als selber habe in dieser Zeit auch nicht viel die letzte Bastion des Ostfußballs in ihr von Lok mitbekommen. Nachdem ich Herz. Roberto Opitz: „Selbst hier in den 1988 über Ungarn ge ohen bin, habe ich Reihen der Union-Fans sympathisieren bis 1993 in Hamm in Westfalen gewohnt heute viele mit Rostock.“ Ob dies so und bin in dieser Zeit lieber zu Borussia bleibt, wird sich zeigen, denn mit dem Dortmund gegangen.“ möglichen Abstieg droht erstmals seit Ein für zahlreiche Fußballfreunde der Wendesaison 90/91 eine „ostfreie“ aus dem Osten symptomatischer Wer- 1. Bundesliga. degang. Aus der schwelenden Vorliebe Der West-Fußball – zumindest die 1. für West-Vereine ist ein ernsthaftes Fan- Liga – kann sich einen glamouröseren Sein geworden. HSV, Bayern und Glad- Auftritt leisten, steht im Zentrum des bach sind nun erreichbar, und die Fan- Medieninteresses und hat es leichter, club-Liste fast jedes Vereins wurde nach Das Hobby des Autors Sebastian Knöfel erklärt den neue Fans an sich zu binden. Sogar lang- der Wende um ein paar Einträge reicher, Untertitel von „Es lebe die Staffel“. Zwischen 1999 und 2003 bereiste er 36 Städte im Osten Deutsch- jährige Anhänger von Ost-Traditions- die ein „O“ vor der Postleitzahl führten. lands. Es ist „Eine Spurensuche nach Vereinen und vereinen verlieren diese bisweilen aus Den umgekehrten Fall gab es kaum. Stadien der ehemaligen DDR“. Das entstanden Buch den Augen - aus welchen Gründen auch Wenn sich in den alten Bundesländern ist Dokumentation und Erfahrungsbericht zugleich. immer. schon Anhänger zu einem Fanclub Von Altenburg bis Zeitz erlebt Knöfel verfallende Sportsstätten, erinnert an den Spektakel, die dort Bernd Ruge (39) vom Rot-Weiß Er- eines ostdeutschen Vereines zusam- stattgefunden habe. „Es lebe die Staffel“, ist im Stadi- furt-Fanzine Kick-off: „Unsere erste menschlossen, dann geschah das fast onwelt-Shop unter www.stadionwelt.de erhältlich. Tour in den Westen ging damals nach ausschließlich durch die Initiative an-

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gestammter und nun umgezogener Staffel“ lassen die alten DDR-Ligen wie- früher oft Gast im Müngersdorfer Stadi- Fans. der au eben. Zwischen Rügen und dem on waren, sind seit Jahren nicht mehr in Erzgebirge ist oft ein neues Regionalbe- Erscheinung getreten. Ostalgie auch auf den Rängen wusstsein entstanden. Man ignoriert den Westen oder  üch- „Mauer im Kopf“ Wo man hinblickt, rollt die Ostalgie- tet sich – wenn man schon seine Zelte in Welle. Im realen Fußball wie in der medi- den alten Bundesländern aufgeschlagen Und im Westen? Dort sind den meis- alen Welt. DDR-Retro-Trikots oder FDJ- musste – in Selbstironie: Der Fanclub des ten Fans die Ost-Clubs immer noch so Schals sind Kurven-Mode geworden, 1. FC Magdeburg, der sich „Westeuropa“ egal, wie sie es in der Vorwendezeit wa- Ost-Shows erzielen im Fernsehen Top- nennt, vereint Anhänger zwischen Bit- ren. Man stöhnt höchstens über die wei- Quoten, parodistische Filme über die burg und Berlin. Demgegenüber haben ten Reisen, die sich heute, da die bekann- DDR-Zeit wie „Sonnenallee“ und „Good viele Neue-Länder-Fanclubs von West- ten Witze abgedroschen sind, nicht mehr Bye, Lenin“ füllen die Kinosäle weit bes- vereinen inzwischen ihre Aktivitäten ganz so kurzweilig gestalten lassen. Für ser, als es der Nachwende-Streifen „Go eingestellt. Die „Thüringer Geißböcke“, die Provokation werden aber nach wie Trabbi, go“ tat, Bücher wie „Es lebe die die die Busse der FC-Fans bei Spielen vor die Gesänge herbeigezogen, die man in 15 Nachwendejahren gelernt hat. In Einzelfällen haben sogar Vereinsan- Die letzte West-Bundesliga (1990/91) gestellte die „Mauer im Kopf“ und gie- Verein Sp. Tore Pkte Heutige Spielklasse ßen unnötig Öl ins Feuer. Zu Beginn der laufenden Saison wollte Rot-Weiss Es- 1. 1. FC Kaiserslautern 34 72:45 48:20 1. Bundesliga sens Sicherheitsbeauftragter Dieter Uh- 2. FC Bayern München 34 74:41 45:23 1. Bundesliga lenbroich den Fans von Energie Cottbus 3. SV Werder Bremen 34 46:29 42:26 1. Bundesliga gar das Tragen von DDR-Nostalgie-Tri- 4. SG Eintracht Frankfurt 34 63:40 40:28 2. Bundesliga kots oder anderen Fanartikeln mit Ost- Bezug untersagen, da es angeblich eine 5. Hamburger SV 34 60:38 40:28 1. Bundesliga Provokation darstelle und zwang seinen 6. VfB Stuttgart 34 57:44 38:30 1. Bundesliga Club prompt zu einer Rolle rückwärts. 7. 1. FC Köln 34 50:43 37:31 2. Bundesliga Per Dementi der Pressestelle und durch 8. TSV Bayer 04 Leverkusen 34 47:46 35:33 1. Bundesliga eine mit dem Spruchband „Essen und Cottbus. Ein starkes Stück Deutsch- 9. Borussia Mönchengladbach 34 49:54 35:33 1. Bundesliga land“ einlaufende Schülermannschaft Der Osten: Ein Paradies für „Krawalltouristen“? Rostock – Magdeburg 1989/90 Foto: Redmann 10. Borussia Dortmund 34 46:57 34:34 1. Bundesliga sollten die Wogen geglättet werden. 11. SG Wattenscheid 09 34 42:51 33:35 Oberliga Westfalen „Der westdeutsche Fußballfan ist Verein, der es schaffte, sich in der Eli- Homburg. Nur 150 Fans sind mitgefah- 12. Fortuna Düsseldorf 34 40:49 32:36 grundsätzlich anders“, lautet eine Ein- teklasse zu etablieren: Hansa Rostock. ren. Das ist für so ein bedeutendes Spiel 13. Karlsruher SC 34 46:52 31:37 2. Bundesliga schätzung von „Ossi“ Udo Kiesewetter, Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf auf das alle so lange gewartet haben, „ich bin viel auf Montage und wenn ich die Fan-Struktur des FCH. Wo auch im- natürlich relativ dürftig. Aber die Leute 14. VfL Bochum 34 40:54 29:39 1. Bundesliga mir dann Spiele anschaue, stelle ich fest, mer der Club spielte, war der Auswärts- hatten damals andere Probleme und kei- 15. 1. FC Nürnberg 34 40:54 27:41 1. Bundesliga dass man im Westen in vielen Stadien block besser gefüllt, als es manch ein ner hat sich wirklich für Fußball interes- 16. FC St. Pauli 34 33:53 27:41 Regionalliga Nord keine Zäune mehr braucht. Im Osten Westclub mit größerer Anhängerschaft, siert. Selbst beim Europacupspiel gegen 17. KFC Uerdingen 34 34:54 23:45 Regionalliga Nord ginge das nicht.“ „Wessi“ Harald Gras- der zudem nicht aus einem Randgebie- Ajax hatten wir in der Saison nur 6.000 sen: „Meine Meinung über Fans aus dem te Deutschlands kommt, schaffte. Der Zuschauer.“ Auch bei Hansa Rostock ka- 18. Hertha BSC 34 37:84 14:54 1. Bundesliga Osten ist ziemlich von Vorurteilen ge- Grund: Viele inzwischen im Westen men nur 8.500 gegen den FC Barcelona, prägt. In Zwickau sind wir bespuckt und beheimateten „Exil-Ossis“ schlossen immerhin ein Gegner der Kategorie ,At- beschmissen worden und auch in Jena die Rostocker, auch wenn es nicht ihr traktiver geht nicht‘“. Kiesewetter: „Ich und Dresden habe ich mich nicht wohl ursprünglicher Heimatverein war, als selber habe in dieser Zeit auch nicht viel Die letzte DDR-Oberliga (1990/91) gefühlt. Mit Fans von St. Pauli kann man die letzte Bastion des Ostfußballs in ihr von Lok mitbekommen. Nachdem ich Verein Sp. Tore Pkte Heutige Spielklasse wenigstens mal einen Trinken gehen. Im Herz. Roberto Opitz: „Selbst hier in den 1988 über Ungarn ge ohen bin, habe ich Osten habe ich diese Erfahrung noch nie 1. FC Hansa Rostock 26 44:25 35:17 1. Bundesliga Reihen der Union-Fans sympathisieren bis 1993 in Hamm in Westfalen gewohnt gemacht.“ heute viele mit Rostock.“ Ob dies so und bin in dieser Zeit lieber zu Borussia 2. Dynamo Dresden 26 48:28 32:20 2. Bundesliga Wie überall sind Erfahrungen per- bleibt, wird sich zeigen, denn mit dem Dortmund gegangen.“ 3. FC Rot-Weiß Erfurt 26 30:26 31:21 2. Bundesliga sönlich geprägt und Emp ndungen möglichen Abstieg droht erstmals seit Ein für zahlreiche Fußballfreunde 4. Hallescher FC Chemie 26 40:31 29:23 OL NOFV-Süd subjektiv. Dennoch herrscht weitest- der Wendesaison 90/91 eine „ostfreie“ aus dem Osten symptomatischer Wer- gehend Konsens über vermeintliche 5. Chemnitzer FC 26 24:23 29:23 Regionalliga Nord 1. Bundesliga. degang. Aus der schwelenden Vorliebe Wesenseigenschaften derer im Osten, Der West-Fußball – zumindest die 1. für West-Vereine ist ein ernsthaftes Fan- 6. FC Carl Zeiss Jena 26 41:36 28:24 Oberliga NOFV-Süd beziehungsweise im Westen. Vorurteile Liga – kann sich einen glamouröseren Sein geworden. HSV, Bayern und Glad- 7. 1. FC Lokomotive Leipzig 26 37:33 28:24 3. Kreisklasse konnten sich über mehr als ein Jahrzehnt Auftritt leisten, steht im Zentrum des bach sind nun erreichbar, und die Fan- 8. BSV Stahl Brandenburg 26 34:31 27:25 Verbandsl. Brandenburg festigen und in einigen Fällen wohl auch Medieninteresses und hat es leichter, club-Liste fast jedes Vereins wurde nach Das Hobby des Autors Sebastian Knöfel erklärt den bestätigen. 9. Eisenhüttenstädter FC Stahl 26 29:25 26:26 OL NOFV-Nord (Insolv.) neue Fans an sich zu binden. Sogar lang- der Wende um ein paar Einträge reicher, Untertitel von „Es lebe die Staffel“. Zwischen 1999 Bei den Angehörigen jüngerer Fan- und 2003 bereiste er 36 Städte im Osten Deutsch- 10. 1. FC Magdeburg 26 34:32 26:26 Oberliga NOFV-Süd jährige Anhänger von Ost-Traditions- die ein „O“ vor der Postleitzahl führten. lands. Es ist „Eine Spurensuche nach Vereinen und Generationen, die im vereinten Deutsch- vereinen verlieren diese bisweilen aus Den umgekehrten Fall gab es kaum. Stadien der ehemaligen DDR“. Das entstanden Buch 11. FC Berlin 26 25:39 22:30 Oberliga NOFV-Nord land aufgewachsen sind, bildet sich den Augen - aus welchen Gründen auch Wenn sich in den alten Bundesländern ist Dokumentation und Erfahrungsbericht zugleich. 12. FC Sachsen Leipzig 26 23:38 22:30 Oberliga NOFV-Süd allerdings seit einigen Jahren eine neue immer. schon Anhänger zu einem Fanclub Von Altenburg bis Zeitz erlebt Knöfel verfallende Kultur heraus. Diese ist vielfältig und Sportsstätten, erinnert an den Spektakel, die dort 13. FC Energie Cottbus 26 21:38 16:36 2. Bundesliga Bernd Ruge (39) vom Rot-Weiß Er- eines ostdeutschen Vereines zusam- passt so gar nicht in Klischees von Trabis stattgefunden habe. „Es lebe die Staffel“, ist im Stadi- 14. Viktoria Frankfurt/Oder 26 29:54 13:39 Verbandsl. Brandenburg furt-Fanzine Kick-off: „Unsere erste menschlossen, dann geschah das fast onwelt-Shop unter www.stadionwelt.de erhältlich. und Bananen. Was daraus wird, bleibt Tour in den Westen ging damals nach ausschließlich durch die Initiative an- freilich abzuwarten… ��Maik Thesing

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