SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Interview Der Woche – Manuskript
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SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Interview der Woche – Manuskript Autor: Rebecca Lüer Gesprächspartner: Simone Peter, Parteichefin Bündnis90/Die Grünen Redaktion: Stephan Ueberbach SWR Studio Berlin Sendung: Samstag,24.10.2015, 18.30 – 18.40 Uhr, SWR SWR Interview der Woche vom 24.10 .2015 SWR: Frau Peter, Sie sind uns aus Saarbrücken zugeschaltet. Gibt´s in Saarbrücken auch Demos „ à la Pegida“? S.P.: Es gab wohl mal Ansätze Anfang des Jahres, als die Pegida Demonstration in Dresden, auch in anderen Städten, an Schwung bekam. Aber, in der Tat und gottseidank, hier hat sich sehr schnell eine ganz große Gegenbewegung aufgetan. Das hat möglicherweise auch die sogenannten „Saargida- Leute“ abgeschreckt, hier weiter Fremdenfeindlichkeit zu schüren, Ressentiments zu schüren. Ich hoffe, dabei bleibt´s auch. SWR: Der Blogger und Autor Sascha Lobo schreibt von „Deutschlands Al-Quaida- Moment“. In Deutschland bilde sich derzeit ein dezentraler rechtsradikaler Untergrund, angefeuert vom Hass in sozialen Netzwerken. Hat er recht? S.P.: Also offenbar müssen wir das ja so nennen. Wenn man sieht, dass jetzt am Wochenende in Köln wieder Neonazis aufmarschieren, nach der Attacke, diesem brutalen Anschlag auf die Kölner OB- Kandidatin, die ja auch dann Oberbürgermeisterin wurde, Henriette Reker. Es gibt Zellen in Deutschland, wir wissen das aus den NSU-Prozessen sehr genau, die verstärken sich. Deswegen muss man da ganz, ganz genau hinschauen und vor allen den Anfängen wehren. SWR: Was würde denn Ihrer Ansicht nach wirklich abschreckend wirken auf Hass, Facebooker oder Menschen, die Galgen tragen, die für Spitzenpolitiker und Flüchtlinge gedacht sind. Von denen ja Heiko Maas sagt, zuerst sinkt die Hemmschwelle in den Worten, dann bei den Taten. S.P.: Da erwarte ich eine ganz klare Haltung, wirklich von allen politischen Ebenen: Dass die Kanzlerin, der Bundespräsident, dass man deutlich macht, das geht zu weit. Wir haben eine klare Position, wir bleiben bei der Position, wir schaffen das, es gibt keine Obergrenzen für Flüchtlinge in Deutschland. Und wir erteilen diesen Ansagen eine klare Absage. Vor allem muss dann auch jedes Rechtsinstrument genutzt werden, um Gewalttaten einzuschränken. SWR: Sie sagen, keine Obergrenze, das Asylrecht darf nicht ausgehöhlt werden. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der ist zwar in derselben Partei wie sie, sagt aber: „Wir schaffen das“, das reicht ihm nicht, denn ihm sagt niemand, wie man das schaffen kann. Und so könne man nicht arbeiten. Interview der Woche : 2 S.P.: Also, Boris Palmer ist bei uns Grünen Einzelstimme, wenn er Obergrenzen fordert. Er hat natürlich recht, wenn er sagt, wir schaffen das nicht nur durch ein Motto, sondern man muss es auch hinterlegen. Und da hat die Bundesregierung viel zu lange geschlafen. Wenn ich mir mal überlege, dass wir seit Monaten schon gefordert haben, wir brauchen viel mehr Geld vor Ort, um die Flüchtlinge ordentlich unterzubringen. SWR: Aber da gibt´s ja jetzt, mehr Geld. S.P.: Ja, jetzt endlich, ja! Die Entscheidung ist gerade mal zwei-drei Wochen alt. Wir hätten viel mehr vorher schon mehr Personal beim Bundesamt für Migration gebraucht, um endlich diesen Flaschenhals bei den Anerkennungsverfahren zu weiten. 300.000 Anträge der Leute sind noch nicht bearbeitet. Das ist ein Skandal für ein Land wie Deutschland, das eigentlich eine gut ausgestattete Bürokratie hat. Dann sollte man das auch schneller schaffen. SWR: Ja, aber Boris Palmer sagt zum Beispiel, beim Wohnungsbau ist es so, dass es ganz viele Gesetze gibt, die ihn davon abhalten, schnell bauen zu können. Also, zum Beispiel, Wohnraumschutz, Hochwasserschutz, Trinkwasserschutz, Nachbarschaftsschutz, Denkmalschutz, Erdbebenschutz. Und deswegen spricht er so, wie er spricht. S.P.: Ich sehe zum Einen landauf landab viele Initiativen, die jetzt Flüchtlingswohnraum schaffen. Von Hamburg bis Rheinland-Pfalz gibt es regelrechte Konjunkturprogramme für den Bau von Holzhäusern, die man später auch für studentische Wohnungen und für anderen Bedarf nutzen kann. Baden- Württemberg hat selber zugestimmt, im Bundesrat, bei dem Asylpaket. In dem ja geregelt ist, dass man für eine gewisse Zeit die Standards absenkt. Wenn man jetzt in Hallen geht, wenn man jetzt alle Möglichkeiten sucht, die Menschen nicht in Zelten im Winter unterzubringen, sondern feste Unterkünfte zu organisieren, dann können diese Standards nicht gehalten werden. Das ist aber gerade auf den Weg gebracht. Von daher appelliere ich an den guten Boris: Guck da rein, was verhandelt wurde, und bemühe dich, mit allen anderen die Unterkünfte zu organisieren. SWR: Er sagt, man soll es nicht den Rechten überlassen, solche Probleme anzusprechen. Man muss sie ansprechen und soll dann dafür nicht gleich in die „rechte Ecke“ gestellt werden. Können Sie ihn nicht ein Stück weit verstehen? S.P.: Probleme ansprechen müssen wir tagein, tagaus. Aber das nicht als Überforderung, sondern als Herausforderung formulieren. Das heißt, wir sind sicher im Moment in einem Improvisationsmodus, manche sprechen auch von Krisenmodus. Kein Wunder, wenn über kurze Zeit so viele Menschen kommen. Das müssen wir in regulierte Bahnen bringen. Da braucht es endlich für eine Beschleunigung der Anerkennungsverfahren auch, dass man zum Beispiel Menschen mit sicherer Bleibeperspektive, wie die Syrer, gar nicht erst in die engen Erstaufnahmeeinrichtungen, in die Asylverfahren drückt. Auch der Bau der Wohnungen geht zwar erst langsam voran. Aber, er wird ja voran gehen. Von daher bin ich zuversichtlich, dass wir das schaffen. Und deswegen erwarte ich von allen in der Partei und von allen demokratischen Parteien, Konzepte zu bringen, wie wir das schaffen, und nicht daran zu zweifeln, das wir das schaffen. SWR: Aber noch mal. Sie sagen, keine Obergrenzen. Das heißt, wenn das so weiter gehen würde, jeden Tag 10.000 Neuankömmlinge in der Bundesrepublik, wären das hochgerechnet über 3 Millionen pro Jahr. Das wär ok für Sie? Interview der Woche : 3 S.P.: Es geht grundsätzlich darum, das Grundrecht auf Asyl zu wahren. Ich erwarte im Moment, das ist aber auch jahreszeitenbedingt, keinen so starken Zuwachs mehr. Obwohl es nicht mehr so ist wie in den vergangenen Jahren, dass die Menschen sich im Winter gar nicht mehr auf den Weg machen. Aber im Moment doch deutlich weniger. Die Zeit müssen wir so nutzen, dass wir viel mehr Unterkünfte organisieren. Dass wir auf der europäischen Ebene über Verteilung sprechen. Und dass wir vor allen Dingen diejenigen, die sich am Rande der Krisengebiete befinden, dass die sichere Unterkünfte bekommen. Heißt aber nicht, Beispiel Türkei, dass wir nur Geld geben, um die Flüchtlingsunterkünfte zu stärken. Heißt auch, dass wir dort einfordern, den Demokratisierungsprozess und die Asylrechte, auch für die Flüchtlinge, dort zu stärken. SWR: Im SWR Interview der Woche, die Grünen Parteichefin Simone Peter. Im November in Paris, dort soll eine neue internationale Klimaschutzvereinbarung beschlossen werden, als Nachfolge des Kyoto- Protokolls. Welche Chancen sehen Sie denn, dass es ein gutes und wirksames Abkommen werden kann? S.P.: Ich sehe nicht nur die Chancen, sondern vor allem die Notwendigkeit und das Muss, dass wir weiter voran schreiten im Klimaschutz. Wir haben gerade sehr intensiv über die Flüchtlingspolitik gesprochen. Die Klimakrise wird eine der zentralen Fluchtursachen der Zukunft sein. Eine Milliarde Menschen leben unterhalb des Meeresspiegels, an Küsten. Dann kann man sich das Potential anschauen an Flüchtlingen, an Menschen, die sich wegbewegen müssen von ihrem Heimatort, wenn der Meeresspiegel weiter ansteigt. Deswegen ist die internationale Staatengemeinschaft gefordert. Aber, das heißt auch, dass wir Vorreiter haben. Ich greife das sehr an, dass Europa, dass Deutschland nicht voran gehen, den Klimaschutz voran bringen, den Kohleausstieg organisieren, massiv auf die Erneuerbaren setzen. Das wäre wichtig, gerade für die Industriestaaten. SWR: Die UN-Klimakonferenz, sicherlich auch Thema bei ihrer Bundesdelegiertenkonferenz, also dem Parteitag der Grünen im November in Halle. Es bleibt bei Ihnen bei der Doppelspitze, auch wenn Cem Özdemir sich auch schon mal wenig begeistert darüber geäußert hat. Jetzt diskutiert die SPD auch über Doppelspitzen. Was ist denn der größte Vorteil daran, dass zwei Vorsitzende mit meist unterschiedlicher Meinung eine Partei nach außen hin vertreten? S.P.: Der größte Vorteil ist, dass man nach außen dokumentiert, dass man Macht teilen kann. Und, dass Frauen mindestens die Hälfte der Macht einnehmen können. Das war immer unsere Grüne Zielsetzung. Das gelingt in den Doppelspitzen, in den quotierten Listen, und das zeigt ja auch, dass wir Grüne ein sehr weibliches Gesicht haben. In allen Ebenen. In der Partei, in der Bundestagsfraktion, in den Ländern. Das würde auch der SPD gut zu Gesicht stehen, wenn sie nicht nur eine freiwillige Vereinbarung trifft, eine Doppelspitze zu machen, sondern das auch in den Statuten verankert. Da darf sie uns auch gerne nachahmen. Sigmar Gabriel mit einer Frau an der Seite, die nicht Angela Merkel heißt, würde sicher auch gut tun. Von daher würde ich mir das wünschen, dass die Frauen das durchsetzen. SWR: Ihr Parteifreund Markus Tressel, der sitzt für die Saarland-Grünen im Bundestag. Würde Sie das eigentlich nicht auch reizen, Frau Peter. Es wäre ja für ihre Arbeit als Parteichefin sicher von Vorteil, wenn Sie in der Fraktion säßen, so wie Cem Özdemir? S.P.: Ja, ich treffe den Markus Tressel ja häufig. Er ist ja dort für Tourismus zuständig. Ich sehe das für mich durchaus auch als Möglichkeit für 2017. Wo