DER THEATERFÖRDERVEREIN

Ausgabe: Juli / August 2020

HANS LÖWEL * 11. Juli 1920 † 3. April 1996 Ein treuer Sponsor des EIN LANGERSEHNTER ERFOLG! Theaterballs FÖRDERVEREIN BELEGT ZWEITEN PLATZ Frank Fliegner, Inhaber eines Plau- ener Meisterbetriebes für Glas- und Beim Wettbewerb Deine nächstplatzierten Verein Verein; Post SV Plauen; die Gebäudereinigung, hat auch in Energie für Deinen Ver- die eine Stimme Vor- Dorfgemeinschaft Ober- diesem Jahr dem Theaterball, den ein der Stadtwerke Strom sprung einbrachte und losa; der Verein Vogtlän- der Förderverein gemeinsam mit in Plauen belegte unser damit den 2. Platz. Der ist dische Textilgeschichte dem Vogtlandtheater am 7. März Verein zur Förderung des mit 1 500 Euro dotiert.“ Plauen; der BMX- & Ska- erfolgreich veranstaltete, eine groß- Vogtlandtheaters Plau- teverein 2plus4macht1; zügige Spende zuteilwerden lassen. en in diesem Jahr einen Beworben hatten wir uns der 1. FC Wacker Plau- zweiten Platz. Dazu Helko mit einem Projekt der The- en; der Verein KARO; der Grimm, stellvertretender aterpädagogik am Haus: Tauchclub NEMO Plau- Vorsitzender des Vereins: Inklusives Theaterprojekt en, der VITAL Verein; der „Erfreulicherweise hatten der Gruppe VOLL normal: Verein Tango-plauen; wir um 23 Uhr am letzten „Sterne leuchten nicht nur der Verein Wohn- und Le- Stimmabgabetag noch am Himmel“. bensräume; der Förder- eine Stimme bei der On- verein Komturhof Plauen line-Stimmabgabe er- Weitere Bewerber waren: und der Verein procogni- halten, was uns vor dem VFC Plauen; der Unikat ta. L. B.

Foto: Archiv (2012)

IMPRESSUM

Herausgeber: Verein zur Förderung des Vogtlandtheaters Plauen e.V. Friedrich Reichel, Vereinsvorsitzender (V.i.S.d.P.)

Redaktion: Dr. Lutz Behrens Georg-Benjamin-Str. 67, 08529 Plauen Tel.: 0 37 41 / 44 05 92 0170 / 4814689 [email protected]

Auflage:1.000

Erscheint: aller zwei Monate Unser Foto zeigt Helko Grimm mit der Theaterpädagogin Steffi Liedke zur Layout, Satz und Druck: Preisübergabe. PCC Printhouse Colour Concept Helko Grimm, Syrauer Straße 5, Der Theaterförderverein bedankt sich bei allen, die erfolgreich abgestimmt 08525 Plauen/Kauschwitz haben.

2 INHALT

Seite 2 EIN LANGERSEHNTER ERFOLG! Förderverein belegt zweiten Platz

EDITORIAL Seite 3 EDITORIAL

Seite 4-6 UNTERNEHMER, MÄZEN, FREUND DES THEATERS Sehr geehrte Damen und Herren, Vor 100 Jahren in Plauen geboren: liebe Freunde des Theaterfördervereins, Hans Löwel seit wenigen Tagen liegt der Spielplan für die neue Spielzeit 2020/2021 vor. Generalin- Seite 7 tendant und die Spartenleiter haben ihn in der Aufsichtsratssitzung vorgestellt. Es war „ICH BIN DER DRACHE!“ eine Herausforderung, ihm ein solches Gewicht zu geben, dass er in Coronazeiten Wie aus drei Rollen nur eine einzige besteht und mögliche Änderungen im Verlauf der Krise meistert. Die Theaterleitung wurde hat uns einen Plan vorgestellt, der die Mühen, die uns alle Corona auferlegt und deren man sich kaum erwehren kann, weggeblasen hat und die Bühne für die möglichen Seite 8/9 Arbeiten freimacht. Schon die Überschrift für die Spielzeit „Miteinander!“ sprengt den WIR BLEIBEN AM BALL ODER THEA- gängigen Rahmen – was für uns scheinbar nicht tragbar ist unter den Krisenbedin- TER WIE ES SINGT UND LACHT gungen, es gibt aber Stücke, die genau diesen Rahmen einhalten und uns zeigen, Ein ganz besonderer Theaterball im was alles möglich wird. Ballett darf nur mit etlichen Metern Abstand zwischen den April des Jahres 1990 Tanzpartnern (!) zueinander auf der Bühne stattfinden - „Auf Abstand“, der moderierte Tanzabend wird es belegen, auch wenn das Glück eines wirklichen Paares den Ab- Seite 9 stand auf Null verkürzen kann. Genauso lässt es die Sinfoniekonzerte erscheinen: Nicht DA STAUNT DER LAIE das große Orchester, wie wir es gewohnt sind, wird uns erwarten, sondern wir werden uns mit den kleineren Formen anfreunden, die es genauso gab und die man wäh- Seite 10-12 rend ihrer Entstehungszeit auch spielte. Dabei wird man mit „Giro di Beethoven“ einer DIE FACHBEZEICHNUNGEN IM zyklischen Konzertreihe in sieben Etappen mit Orchester- bzw. Kammerkonzerten des SCHAUSPIEL großen Komponisten seinen 250. Geburtstages feiern können. Einige von den Gästen, Theaterwissen und einst schier die wir leider seit dem März nicht mehr erleben konnten, stehen jetzt wieder auf dem Unerhörtes Plan – wir freuen uns dabei auf Frank Dupree wie auch auf all´ die Anderen. Mit der zweiten Hälfte hofft man wieder auf mehr Normalität und hat den Spielplan Seite 13 nicht mehr eingeschränkt. Hoffen wir, dass wir“ Corona“ nicht mehr so beachten müs- VOM RECHT AUF IRRTUM ODER sen und wieder aus dem Vollen schöpfen können. Auf jeden Fall hat uns aber die Krise JEDEM EINE ZWEITE CHANCE nicht klein gemacht sondern uns nur einen anderen Plan vorgegeben. Freuen wir uns Ein Gymnasiast auf jedes Geschehen auf der Bühnen – wir brauchen es und die Akteure wollen es. bleibt seinen Überzeugungen treu

Am 11. Juli begehen wir Hans Löwel´s 100. Geburtstag. Für uns ein Tag, an dem wir Seite 14/15 helfen wollen, ihn den Plauenerinnen und Plauenern noch etwas besser bekannt zu „ICH SEHE UNS ALLE BEIM machen: An dem Platz Neundorfer Straße / Marienstraße - dem Löwelplatz werden wir eine Gedenktafel anbringen, die seine Leistungen für die Stadt Plauen und das The- SCHLUSSAPPLAUS“ ater aufzeigend würdigen. 11 Uhr soll es geschehen und ich würde mich sehr freuen, Zum Tod von Schauspieler wenn es Ihnen möglich sein sollte, den ersten Augenblick mit uns zu teilen. Otto Mellies

Seite 15 Mit freundlichem Gruß CORONA-SPENDENBAROMETER Ihr

Friedrich Reichel Vorsitzender

DER THEATERFÖRDERVEREIN 3 Lutz Behrens UNTERNEHMER, MÄZEN, FREUND DES THEATERS VOR 100 JAHREN IN PLAUEN GEBOREN: HANS LÖWEL

Wer war Hans Löwel? Diese Frage stellen viele Jungen seiner Zeit war er fasziniert die Amerikaner als Dolmetscher und Fah- immer wieder interessierte Plauenerinnen von der Fliegerei. Er wird Segelflieger. Als rer gearbeitet hatte, entschließt sich, in und Plauener, Mitglieder unseres Vereins der Krieg beginnt, Hans Löwel ist gerade den Westen zu gehen. In Bamberg baut und Bürgerinnen und Bürger, die sich mit 19 Jahre alt geworden, meldet er sich zur er sich ein Unternehmen auf. Er vertreibt der jüngeren Stadtgeschichte Plauens Luftwaffe. Das Ende des Krieges erlebt er Ware gegen Waren im Interzonenhan- beschäftigen. Deshalb soll in diesem Bei- als Testpilot in einem Einfliegereibetrieb del. Für Gardinen, Plauener Spitze und trag der Mäzen Hans Löwel vorgestellt der Firma Messerschmidt in Leipheim an Dekorationsstoffe aus Plauen liefert er und seine Stiftung charakterisiert und der Donau. Während des Krieges wird er Textildruckfarben und Garne in seine Hei- dargestellt werden. Zudem jährt sich am zweimal beurlaubt, um in Zwickau und matstadt. Später wird er Generalvertreter 11. Juli der Geburtstag Hans Löwels zum Mittweida das begonnene Studium des für Plauener Spitze und Gardinen in der 100. Male. Maschinenbaus fortzusetzen. Bundesrepublik. Er sagte: „Der Fleiß der Beschäftigten in der Plauener Textilindus- Segelflieger und Testpilot Edith Müller als Gast trie hat mich wohlhabend gemacht.“ Schon in den Jahren der deutschen Tei- Hans Löwel wurde am 11. Juli 1920 in Nach dem Krieg kehrt Hans Löwel nach lung führen Geschäftsreisen Hans Löwel Plauen geboren; er starb am 3. April 1996 Plauen zurück. Er begegnet Edith Müller. nach Plauen, wo er auch gern gesehe- in einem Krankenhaus in Bamberg. Er Frau Müller ist als Gast Sängerin am Thea- ner Gast im Casino ist. Nach dem Fall der wuchs in der Gottschaldstraße auf, das ter in Plauen engagiert und wird vor allem Mauer war es das ausdrückliche Anlie- Haus steht nicht mehr. Das Adressbuch in Operetten eingesetzt. In einer Kritik der gen Hans Löwels, seiner Stadt Gutes zu von 1940 gibt Auskunft: ein „Löwel, H. Operette „Blumen für Gloria“ (Spielzeit tun, ihr Geld für gemeinnützige Zwecke Vertr.“ ist im Haus Nummer 21 eingetra- 1949/50) lesen wir: „Von Horst Arnsberg zukommen zu lassen. gen. und Edith Müller als Pitty ging eine Vita- Wie mir Hans Löwel erzählte, besuchte er lität aus, die alle anderen Kräfte mitriss.“ „Wenig Lärm ums Geld“ die Karlschule, später die Oberrealschule, Aus Edith Müller und Hans Löwel wird ein das heutige Lessing-Gymnasium. Wie so Paar. Hans Löwel, der schon in Plauen für Ich lernte Hans Löwel 1993 bei einem Ter- min im Rathaus kennen. Als berichterstat- tender Redakteur nahm ich im Zimmer des damaligen Beigeordneten Hansjür- gen Fleischer an einer Scheckübergabe teil. 50 000 Mark übergab Hans Löwel, damit „etwas mit Kunst gemacht würde“. Leider hörte der Mäzen danach lange nichts mehr. Nach zwanzig Wochen Schweigen im Walde kam er in die Redaktion des Vogtland-Anzeigers, und es war ihm eher peinlich, als er auf die Frage, was denn nun mit seinem Geld geschehen sei, nichts darüber sagen konnte. So nahm sich der Vogtlandstreicher der Sache an.

Löwel-Platz in Plauen

Hier, am Löwelplatz in Plauen, wird am 11. Juli, 11 Uhr, dieses Jahres dem Mäzen Hans Löwel und seiner Ehefrau Edith gedacht.

Hans Löwel, der an diesem Tag vor 100 Jahren in Plauen geboren wurde, gründete die Löwel-Stiftung, der nach dem Tod seiner Frau Edith auch deren Vermögen zukam. Die Ehrung wird vom Verein zur Förderung des Vogtlandtheaters und dessen vereinseigener Hans und Edith Löwel Stiftung – Vogtland-Theater Plauen vorgenommen. Foto: L. B.

4 * geb. am 11. Juli 1920 in Plauen † gest. am 3. April 1996 in Bamberg

Entwurf (siehe Faksimile), des- Verbindungsmann der künfti- sen Original im Privatbesitz des gen Löwel-Stiftung in Plauen Autors ist, legte er erste Leitlini- bestimmte Hans Löwel den Au- en für die Hans-Löwel-Stiftung tor dieses Beitrages; wir waren fest. Er hatte vor, das König-Al- inzwischen Freunde geworden. bert-Denkmal, das bis 1945 auf Leider konnte Hans Löwel am dem Altmarkt stand, wieder 10. März 1996 (Datum des Stif- errichten zu lassen. Dafür wa- tungsentwurfs) nicht ahnen, ren zwei Millionen Mark vorge- dass er keinen Monat mehr zu sehen, Eine Million sollte dem leben hatte. Ich besuchte ihn Stadttheater zugutekommen, am 1. April 1996 im Bamberger 50 000 Mark dem Tierheim Krankenhaus und wusste, als ich Kandelhof, eine Million der mich von ihm verabschiedete, Kunstschule oder einer ande- dass ich ihn nicht wiedersehen ren ähnlichen Einrichtung. Als würde.

Hans Löwel, der edle Spender (Foto: Igor Pastierovic) FAKSIMILE DES ENTWURFS DER LÖWEL-STIFTUNG FÜR PLAUEN

Die Glosse „Wenig Lärm ums Geld“ hatte Folgen. Hans Löwel erhielt einen Dankes- brief vom Oberbürgermeister und einen Termin für ein persönliches Gespräch. Am Ende verdoppelte Hans Löwel seine Spende. Mit 100 000 Mark finanzierte er die von Erik Seidel geschaffene Plastik „Vater und Sohn“, die heute vor dem Er­ ich-Ohser-Haus in der Nobelstraße steht. Eingeweiht wurde das Kunstwerk am 11. November 1995 vor der Städtischen Galerie „e. o. plauen“ auf der Bahnhof- straße. Im Jahre 1995 war es auch, dass Hans Lö- wel zum Nikolaustag jedem der 570 Be- wohnern der Plauener Altenheime eine Kiste mit Nürnberger Lebkuchen spen- dierte. Das Tierheim Kandelhof und der Tierschutzverein Plauen erhielten 1996 einen Betrag von 50 000 Mark. Und als Hans Löwel erfuhr, dass das Theater in fi- nanziellen Schwierigkeiten war, spendete er eine halbe Million Mark an den Förder- verein des Vogtlandtheaters. Damit wur- de unter anderem die Titanic-Inszenie- rung mitfinanziert, die Ausgleichsschräge bezahlt, das Konzertzimmer sowie der Steinway-Flügel.

Entwurf für eine Stiftung

Im Frühjahr 1996 entschloss sich Hans Lö- wel, sein beträchtliches Vermögen in eine Stiftung zu überführen. In einem ersten

DER THEATERFÖRDERVEREIN 5 Löwel-Stiftung endete am 31. Dezember Hans und Edith Löwel Stiftung – Vogt- genüber. Und bereits im Dezember 2009 2011 land-Theater Plauen stimmte der Vorstand der Hans Löwel-Stif- tung in Bamberg einstimmig zu, dass eine Am 18. März 1996 wurde in Bamberg So wurde die ab 31. Dezember 2011 zur vom Theaterförderverein gegründete die gemeinnützige Hans Löwel-Stiftung Verfügung stehende Summe von rund neue Stiftung mit dem Namen „Hans und gegründet. Ihr Stiftungszweck bestand 850 000 Euro in eine neue Stiftung über- Edith Löwel Stiftung – Vogtland-Theater in der Unterstützung der Stadt Plauen, führt. Nach Gründung einer Arbeitsgrup- Plauen“ als Nachfolgestiftung die finan- des Plauener Theaters und der Plauener pe unter der Federführung des damali- ziellen Mittel aus der Löwel-Stiftung am Kunstschule; außerdem unterstützte sie gen Schatzmeisters Klaus Hlawatsch und 31. Dezember 2011 erhalten wird. Zur die Krebsforschung, die Universitätsstif- der Mithilfe zum Beispiel durch Prof. Dr. Jahreshauptversammlung im Mai 2010 tung der Stadt Bamberg, und Blindenein- Michael Spörl und Steuerberater Bernd beschlossen dann die Mitglieder des richtungen. Mit Mitteln der Löwel-Stiftung Morgner und anderer wurde der Entwurf Theaterfördervereins einstimmig, diese wurde auch ein Wissenschaftspreis der einer eigenen Stiftungssatzung erarbei- Nachfolgestiftung zu gründen. So ge- Universität Bamberg finanziert. tet. Die Stiftungsaufsicht der bisherigen schah es: Der Theaterförderverein grün- Die Stiftung funktionierte so, dass die Be- Löwel-Stiftung beim Regierungspräsidium dete 2011/2012 mit seinen 12,5 Prozent günstigten jeweils anteilig einen jährlich in Bayreuth stand unserem Vorhaben, des Stiftungskapitals die vereinseigene ausgeschütteten Betrag erhielten, der eine Nachfolgestiftung mit gleichem Hans und Edith Löwel Stiftung – Vogt- sich aus den erzielten Zinsen des Stiftungs- Stiftungszweck zu etablieren, positiv ge- land-Theater Plauen. kapitals ergab. So die Stadt Plauen jähr- lich die Zinserträge von 25 Prozent des Stiftungskapitals; der Förderverein von 12,5 Prozent und die Initiative Kunstschu- le ebenfalls von 12,5 Prozent. Da sich das Stiftungskapital nach dem Ableben von Edith Löwel weiter erhöhte, stieg auch die jährlich ausgeschüttete Summe der Zinserträge. Befristet wurde die Stiftung auf 15 Jahre; sie endete am 31. Dezem- ber 2011. Die Stadt Plauen beabsichtigte, wie ge- schehen, ihren Stiftungsanteil, der rund 1,6 Millionen Euro betragen wird, in eine Bürgerstiftung einzubringen. Mit dem Plan für eine eigene Stiftung ging sie einen Weg, der vom Förderverein des Vogt- landtheaters drei Jahre lang verfolgt wurde und dessen Ziel ebenfalls darin be- stand, wie geschehen, eine eigene Stif- tung zu gründen.

Edith Löwel besuchte in den Neunziger- jahren das Plauener Theater und wurde vom Förderverein herzlich begrüßt. DANK AN WALTER BLANKENSTEIN

Walter Blankenstein, der von 1957 bis 1970 90 Jahren – und „in der geistigen Verfas- anwalt Dr. Otto Siedler, Manfred Oleni­ am Plauener Theater als Oberspielleiter sung besser als in der körperlichen“ – vor- cki war Sigismund Sülzheimer und Heinz des Musiktheaters engagiert war, teilt uns habe, sich von einigem Ballast zu trennen, Hentschel der Loidl. In der Besetzungsliste mit, dass er die letzte Ausgabe unserer För- bot er uns einem Teil dieser seiner persönli- taucht (als Piccolo) auch Felix Blanken­ dervereinszeitung „mit Interesse gelesen chen Unterlagen an. Ein Angebot, das wir stein (alternierend mit Michael Putz) auf. habe“. Dabei ging es ihm im Besonderen gern annahmen. Dafür bedanken wir uns Dabei handelt es sich wohl um den Sohn um den Beitrag „Ein Blick zurück voller Über- bei Herrn Blankenstein. Ein erster Einblick. von Walter Blankenstein. Dr. med. Felix raschungen“ und die beiden dort ausführ- Von Herrn Blankenstein haben wir unter Blankenstein ist Mitglied unseres Förderver- lich gewürdigten Programmhefte. Er selbst anderem ein Heft zur Operette „Im weißen eins und als Oberarzt an der Berliner Cha- habe die Programmhefte seiner eigenen Rößl“ erhalten, Regie Walter Blankenstein. rité tätig. Herr Blankenstein jun. wurde 1957 Inszenierungen in Plauen (es waren über 50) Premiere war am 25. Oktober 1969. Neben in Plauen geboren und war als Piccolo mit „natürlich aufgehoben“. Da er nun mit anderen agierte Ralph Müller als Rechts- zwölf Jahren genau im richtigen Alter. L. B.

6 „ICH BIN DER DRACHE!“ WIE AUS DREI ROLLEN NUR EINE EINZIGE WURDE

Legendenumwoben ist die Inszenierung keine 40 Jahre alt, als Gast ans Deutsche Teekanne, brüht mich!‘ Keiner ahnt 1965 von Jewgenij Schwarz‘ Stück „Der Dra- Theater verpflichtet wurde. Dort liest er im Theaterflur, dass wir Theatergeschich- che“. 580 Mal (!) stand es auf dem Spiel- dann am Schwarzen Brett die Besetzung te schreiben werden. Alles beginnt wie plan des Deutschen Theaters in für den Drachen. Er erinnert sich: „Ich soll immer, mit den Proben … (Ost), inszeniert hatte es der Schweizer den zweiten Kopf des Drachens spielen. … Zehn Uhr früh. Die Regieassistentin, Regisseur Benno Besson. Premiere war Für den ersten Kopf ist Adolf Peter Hoff­ Frau Blank, sagt: ‚Der Adolf Peter ist krank, am 21. März 1965. Wir sind in der Ausgabe mann ausgedruckt, für den dritten Käthe Benno bittet dich, den ersten Drachenk- 5/6 der Zeitung des Fördervereins von die- Reichel. Den kühnen Recken Lanzelot opf einzulesen. Morgen ist der Hoffmann sem Jahr (S. 7) kurz darauf eingegangen. erhält Eberhard Esche. Für die Opferga- wieder da.‘ Na klar, kein Problem. Dann Dazu nun eine kleine Korrektur und eine be Elsa ist Katharina Lind besetzt. Auf der kommt Benno Besson, er streicht sich hübsche Theateranekdote als Zugabe. Liste stehen noch Peter Dommisch, Die­ mit der Hand über den Hinterkopf und guckt grimmig. Vorsicht ist geboten! ‚Die Reichel ‘at die Prob‘ abgesagt, erkältet oder was. Eigentliech ‘ab iesch schon gar kein‘ Lust mähr‘, muffelt der Schweizer mit französischem Akzent. Ich sage: ‚Bleib ruhig, Benno, ich lese den Kopp von der Käthe ooch noch mit.‘ … Ich lese den ersten Kopf, den Jäger. Dann muss ich mich verwandeln. Ich lese ja nur, aber die Figur nimmt mich so ge- fangen, dass ich nicht bloß die Stimme, sondern schon die Körperhaltung ändere. Ich bin jetzt jung, fast fröhlich. Dann sacke ich zusammen, ganz der Greis, aber aus- gebufft. Ich lese und lese. Besson unter- bricht nicht. Hört der überhaupt zu? Dann springt er auf: ‚Wenn ‘ier alles krank iest, kann man niecht arbeiten. Wir machen für ‘eute Schluss!‘ Der Akzent klingt lustig. Seine Grammatik ist einwandfrei. Besson verschwindet zu einer Besprechung mit dem Bühnen- und Kostümbildner Horst Sagert. Ich denke: ‚Den Tag kannste un- ter Ulk verbuchen.‘ Am Nachmittag klin- Der Schauspieler Rolf Ludwig (vorn) im Hörspielstudio in einer Aufnahme des gelt bei mir zu Hause das Telefon. Benno Berliner Fotografen Werner Bethsold. ist dran. ‚Ich habe mit A. P. Hoffmann und Von: Die Permission des Bildautors wurde am 15. August 2016 an Wikipedia gemailt. - Werner Bethsold, mit Käthe Reichel gesprochen. Du spielst CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=50798756 alle drei Köpfe!‘ Ich lasse mich in den Ses- sel fallen. ICH BIN DER DRACHE!“

So schrieben wir Rolf Ludwig die „Haupt- ter Franke, Günter Sonnenberg, Gerhard rolle“ zu, weil er der Drachen spielte. Lau und viele andere. Wir lesen das alles Besser wäre gewesen von Titelrolle zu und ahnen nicht, wie oft sich diese Beset- reden, denn der Figur des Lanzelot, des zung in den kommenden 16 (!!!) Jahren Drachentöters (Eberhard Esche), gebührt noch ändern wird. Allein die Rolle der Elsa sicher eher diese Bezeichnung. übernehmen in folgenden Jahren Ursula Wie kam es aber dazu, dass Rolf Ludwig Karusseit (eine der Ehefrauen von Benno mit der Rolle des Drachens betraut wur- Besson – L.B.), Cox Habema (verheiratet de? Aus seinen Erinnerungen (Rolf Lud- mit Eberhard Esche – L.B.), Ursula Staak. wig: Nüchtern betrachtet … und immer Der einzige, der über die lange Zeit ‚ei- Grab Rolf Ludwigs auf dem „Neuen Fried- geliebt“. Verlag Das Neuen Berlin 2004) sern‘ durchhält, ist Horst Drinda als Bürger- hof“ in Benz auf Usedom erfahren wir, dass er, bislang an der Volks- meister, der hinreißend darstellt, wie er Von Erell - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://com- bühne in Berlin im Engagement und noch in den Wahnsinn abdriftet: ‚Ich bin eine mons.wikimedia.org/w/index.php?curid=44464433

DER THEATERFÖRDERVEREIN 7 Lutz Behrens WIR BLEIBEN AM BALL ODER THEATER WIE ES SINGT UND LACHT EIN GANZ BESONDERER THEATERBALL IM APRIL DES JAHRES 1990

Gelockt wurde sogar mit 100 Plauener „Diese Zeitung enthält Prosa, Rätsel, Ihr Mark, zähneknirschend deklariert als persönliches Horoskop und noch viele Ein Gedicht im Heft trägt den Titel: „Theaterbegrüßungsgeld“. Der falsche schöne andere Kunst“. Und befielt: „Die Hunderter war dem Ballprogramm für Zeitung ist trocken und sauber aufzube- „Was es nicht alles gibt den Theaterball am 6. April 1990 beige- wahren!“ Daran haben wir uns gehalten. geben und „berechtigte zum unentgelt- Nachzulesen sind witzige „Rätsel für Zunächst ist da der Vorhangmann, lichen Erwerb von einem Glas Sekt an Opernfreunde“, Theateranekdoten, auf eh der nicht zieht, fängst es nicht an. der Hausbar“. Wie gesagt, nicht ohne die wir zurückkommen werden, Aphoris- Sehr nützlich ist der Inspizient: leichte Ironie. Denn im Frühjahr 1990, men und Gedichte, von denen wir Ihnen Der klingelt immer, ruft und rennt. eines nicht vorent- Fürs Haar ist wichtig die Frisöse, halten wollen. Alles für’n Text nicht minder die Sufflöse, garniert mit Vignet- Den Anzug bügelt der Gadrober, ten, gezeichnet das Bier bringt der Kantinenober. vom damaligen Dann gibt es die Kulissenbauer Ausstattungsleiter und Komiker, die immer sauer. Klaus Weber. Die Es gibt den Held, den Bongwiwang, Gestaltung der Zei- und die Subrette mit Gesang. tung hatte Jürgen Heldenmutter, Heldenvater – Preuß übernom- auch dieses gibt es am Theater. men. Wen gibt’s denn noch? – Den Inten- Im Mittelteil wartet danten! ein Horoskop. Die Und dann vor allem: Intriganten, Tierkreiszeichen Intriganten, Intriganten …“ Theaterball des Jahres 2007 sind versehen mit Fotos Plauener Künstlerinnen und Ansonsten bot der Ball, laut einem Flyer: Künstler. Von Zby­ „Theater wie es singt und lacht“. Geträn- nach frisch errungener Reisefreiheit, gab nek Brabec bis Tatjana Wagnerowa. Kurz ke und ein Imbiss werden avisiert und das es im Goldenen Westen immerhin für je- noch ein Wort zu Zbynek Brabec. Im Ok- sonstige Angebot verspricht (und alles, den DDR-Bürger, ob Greis oder Säugling, tober 2010 hielt der ehemalige Sänger was jetzt folgt, ist auch in der Formulie- die stolze Summe von 100 Westmark Be- des Plauener Theaters und damalige rung dem Werbezettel entnommen): grüßungsgeld. Die gleich im Zonenrand Dramaturg des Theaters in Pilsen die Lau- auf der Hauptbühne die große Galaer- verblieb und von den meisten für allerlei datio für seinen Sängerkollegen, den ge- öffnung mit Kaiserwalzer und beliebten Schnickschnack verschwendet wurde. rade gekürten Theaterpreisträger Ralph Melodien; auf der Kleinen Bühne: Tanz, Stolz grüßte Zonen-Gaby mit der Banane. Müller. Show, Unterhaltung; im Klubraum droht: Lief doch auch die staatliche Zonenrand- Im Wein liegt Wahrheit (oder wie der An- förderung aus, und so gab es ein letztes Eine Theateranekdote aus dem Ball- geber zu sagen pflegt: in vino veritas); auf Trostpflaster für eine gebeutelte Region. heft gefällig? der Vorbühne wird’s frivol oder frech, frei, Gegen die damals zunehmend grassie- fromm nach der Melodie: Herein, wenn’s rende Leere im Theater galt es anzuge- „Lucie König, ehemals gefeierte Sän- kein Schneider ist; im Chorsaal warten hen. Das Haus ganz anders zu präsentie- gerin, wurde bei gleißendem Mond- Bar, Musik, Café und im Foyer Wiener Ca- ren, war schon einmal eine gute Idee. schein in einer Gondel über die Büh- féhausmusik; wie heute beim Theaterball Was hatten sich die Verantwortlichen um ne gefahren. Die Techniker, die diese gab’s im Foyer des 2. Ranges Disco und Intendant Peter Radestock im Theater Aufgabe innehatten wechselten auf der Großen Bühne ein Kunterbuntes der Stadt Plauen, so der damalige Name jeden Abend. Kurz vor dem Auftritt, Allerlei, was nichts anderes war als ein unseres Musentempels, für den Ball al- die Musik spielt, und im Moment ei- vogtländisches Markttreiben les ausgedacht? Also zuerst die „Unab- ner kleinen Orchesterpause ertönt Mit Überraschungen. Was für ein über- hängige Ballzeitung“ (einschließlich des im schönsten Vogtländisch eine Stim- wältigendes Angebot! beigelegten „Begrüßungsgeldes“). Auf me hinter der Bühne: ‚Nu, wer rudert Kredenzt wurde das alles von: Sängern, immerhin acht Seiten wird Allerlei prä- mich denn heute, ihr Gudsten?‘ “ Schauspielern, Tänzern, Musikern aus sentiert. Eine Inhaltsangabe verspricht: Plauen und Hof (da war man also schon

8 mal weiter), den Elstertaler Musikanten, einer Tanzcombo, der Disco Hallo, dem Bläserensemble Fritzsch und einem Allein- GELERNT IST GELERNT unterhalter. Essen und Getränke servierten das Café Beierlein (lang, lang ist’s her, dass man dort an der Bahnhofstraße im Der Schauspieler Josef Kainz als Nietzsche-Kenner Café rauchen konnte und der Kaffee für eine Mark zu haben war, wobei das Trinkgeld schon dabei war), Erlers Restaurant, Während seiner letzten Krankheit besuchte Josef Kainz ein Bekannter die Gaststätte Echo und die Genossenschaft des Fleischer- im Sanatorium. Man sprach von Friedrich Nietzsche, und der Besucher handwerks. Das Beierlein ist weg, auch die Gaststätte Echo, bedauerte, dass er im Lesen des großen Philosophen nicht recht wei- Erlers Restaurant existiert in neuer Form (Reusaer Eck), die Flei- terkäme. „Ja, lesen dürfen Sie den nicht“, sagte Kainz, „den müssen scher sind noch da. Sie auswendig lernen.“ „Na, den möchte ich sehen, der ihn auswendig kann!“ versetzte der Dreißig Jahre ist das nun alles her, man glaubt es kaum. Inzwi- andere. Darauf Kainz: „So schauen Sie mich an, ich kann das.“ Er hieß schen hat sich der Theaterball von Förderverein und Theater ihn einen Band Nietzsche, der auf dem Tisch lag, auf einer beliebigen seit vielen Jahren etabliert, ist das Ballereignis im Vogtland. Mit Seite aufschlagen. „Sie sagen mir die Überschrift, und ich sage Ihnen viel Glück konnten wir am 7. März dieses Jahres die 18. Auflage auswendig den Text der Seite.“ des Balles feiern. Der Besucher tat es, und Kainz sprach ihm die Seite fehlerlos vor.

DA STAUNT DER LAIE

Trotzdem überrascht es, den weltberühmten Schauspieler, dem nach eigenem Bekun- den das Wesen einer Rolle nie besonders interessierte, sondern dem es auf den ge- samten Text und den Regis- seur ankam, in einer Neben- rolle (als Maurice Rouger) ausgerechnet in einem Film Michel Piccoli,1945 zu erleben, den selbst dessen Regisseur im Nachhinein „ein- fach peinlich“ fand: „Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse“; eine deutsche Filmbiografie der DEFA, der 1955 unter der Regie von Kurt Maetzig entstand (1954 erschien der erste Teil „Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse“). Und jeder, der in den Fünf- zigerjahren in der DDR in die Schule ging, hat den technisch aufwendig und modern gemachten Film mehr oder weniger Michel Piccoli, Canne 2000 enthusiastisch verfolgt. Doch das Urteil Maetziges über seine Thälmann-Filme ist vernichtend: Von: Die Autorenschaft wurde nicht in einer maschinell lesbaren Form ange- geben. Es wird Nikita~commonswiki als Autor angenommen (basierend auf den Rechteinhaber-Angaben). - Die Autorenschaft wurde nicht in einer ma- „Die führende Idee dieser Filme war für mich, dass dieser Arbei- schinell lesbaren Form angegeben. Es wird angenommen, dass es sich um ein eigenes Werk handelt (basierend auf den Rechteinhaber-Angaben)., terführer Ernst Thälmann gesagt hatte: ‚Wer Hindenburg wählt, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=461744 wählt Hitler, und wer Hitler wählt, wählt den Krieg.‘ Allein diese klare Aussage rechtfertigte den Film, der aber in vielen Einzel- heiten von der stalinistischen Geschichtsauffassung geprägt ist. Der Film versucht, Thälmann auf einen Sockel zu stellen. Und Der große französische Schauspieler Michel Piccoli ist tot. Er das halte ich für falsch, hielt ich übrigens damals schon. Ich starb am 12. Mai 2020 im Alter von 94 Jahren an den Folgen habe den Film gemacht, und der erste Teil ist meiner Meinung eines Schlaganfalls. nach in Grenzen ansehbar und hat auch künstlerische Qualitä- Seine politischen Sympathien galten der politischen Linken ten, während der zweite Teil mehr und mehr abfällt wegen der Frankreichs. So setzte er sich für den kommunistischen und pazi- Überfülle des Stoffes und der Idealisierung der Gestalt. In vielen fistischen Mouvement de la paix ein und für Amnesty Internati- Punkten ist er mir einfach peinlich.“ onal. 2007 unterstützte er die sozialistische Präsidentschaftskan- L. B. didatin Ségolène Royal.

DER THEATERFÖRDERVEREIN 9 Lutz Behrens DIE FACHBEZEICHNUNGEN IM SCHAUSPIEL THEATERWISSEN UND EINST SCHIER UNERHÖRTES

Seit vielen Jahren stapeln sich bei mir Deutschen Theaters in Berlin. Gustav von diese bemerkenswerte Frau, damals Erinnerungen von Schauspielerinnen Wangenheim (eigentlich Ingo Clemens 75-jährig, zu einer Diskussion ihrer streitba- und Schauspielern. Von Elisabeth Berg­ Gustav Adolf Freiherr von Wangenheim) ren Thesen nach Plauen einzuladen und ner („Unordentliche Erinnerungen“ Hen- war verheiratet mit Inge von Wangen­ ihr im Saal des Kulturbundes ein Podium schelverlag Berlin 1987) oder Max Burg­ heim; sie trennte sich 1960 von ihm, um zu bieten. Vielleicht war der eine oder hardt („Ich war nicht nur Schauspieler. mit ihrer Lebensgefährtin in andere damals dabei? Erinnerungen eines Theatermannes“, zu leben. Inge von Wangenheim, auch Aufbau-Verlag, Berlin und 1973; Schauspielerin, wurde später eine erfolg- „Es wechseln die Zeiten“ siehe auch Der Theaterförderverein reiche Schriftstellerin. So schilderte sie Heft 05/06 2018, S. 13) über Otto Mellies, zum Beispiel in „Die Entgleisung“ (1980) An ein, zwei Zitate aus dem schmalen über den aus schmerzlichem Grunde was passiert, wenn ein Eisenbahnwag- Essayband sei erinnert. So galt für Frau noch zu reden sein wird (und den wir im gon, auf seiner Fahrt „ins kapitalistische von Wangenheim Anfang der Achtziger- September 2013 als Gast der Reihe Der Ausland“ seine Ladung verliert die aus jahre unumstößlich, dass „das Spezielle Theaterförderverein lädt ein in der Ga- in der DDR gedruckter pornografischer für den Sozialismus“, also „die Liquidie- lerie des Plauener Malzhauses begrüßen Literatur besteht. Viel Aufsehen erregte rung der Ausbeutung, zum ersten Mal in konnten), bis zu Eduard von Winterstein. ihr Essay „Genosse Jemand und die Klas- aller Geschichte kein bloßes Ziel als Wille Ihm verdanken wir das Buch „Mein Leben sik“ (Untertitel: Gedanken eines Schrift- und Vorstellung“ mehr sei, „sondern eine und meine Zeit“ (erschienen 1963 im Hen- stellers auf der Suche nach dem Erbe nicht mehr zu liquidierende historisch-ge- schelverlag Berlin). Versprochen wird im seiner Zeit). Heute wiedergelesen macht sellschaftliche Realität des 20. Jahrhun- Untertitel „Ein halbes Jahrhundert deut- der Aufsatz genauso viel intellektuelles derts“. Wie sich eine kluge Frau doch irren scher Theatergeschichte“. Vergnügen wie 1981, als er im Mitteldeut- kann – wenn sie Brecht nicht ernst nimmt, schen Verlag Halle-Leipzig, erschien (und der im Lied von der Moldau schon – wenn Ein Besuch in Plauen die energischen Unterstreichungen und auch für Könige – wusste: Niederschriften Doch vorher noch einiges Biografisches der Begeiste- mit Ausschmückungen. Winterstein hieß rung zeugen eigentlich Eduard Clemens Freiherr von von einer einst Wangenstein. Er ist der Vater von Gustav intensiven, - von Wangenheim, ebenfalls Schauspie- dezu lustvollen ler, auch Regisseur und nach dem Zwei- Lektüre). Zudem ten Weltkrieg kurze Zeit Intendant des gelang es 1987,

Eduard von Winterstein (Mitte) als Nathan der Weise, 1960

Von: Bundesarchiv, Bild 183-73766-0003 / Gahlbeck, Friedrich / CC-BY-SA Berliner Gedenktafel am Haus Hafersteig 38, in Berlin-Biesdorf 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?cu- rid=5430759 Von: OTFW, Berlin - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia. org/w/index.php?curid=16095909

10 Es wechseln die Zeiten. ren leidenschaftli- Die riesigen Pläne che Kühle, Klarheit Der Mächtigen kommen und Konsequenz am Ende zum Halt. sich wohltuend Und gehn sie einher auch abhebt vom sonst wie blutige Hähne einst in der Kultur- Es wechseln die Zeiten, politik der DDR zum da hilft kein Gewalt. Teil herrschenden „geschwollenen Das Große bleibt groß nicht und Schwachsinn“ (so klein nicht das Kleine. Inge von Wangen- Die Nacht hat zwölf Stunden, heim). dann kommt schon der Tag.

Na ja, und dann beklagt sie den jahr- zehntelangen Aderlass während des Kalten Krieges bis 1961, bei dem die DDR große Teile ihrer bürgerlichen Intelligenz Inge von Wangenheim, Moskauer an den lockenden Westen verlor. Dialek- Exil, 1930er Jahre tisch und ungewohnt deutlich betrachtet sie, welchen Preis es kostete, dass in die- sem armseligen Dritteldeutschland, wie einzige große Dichtung ihrer Zeit und da- es auch Lenin vorgeschwebt hatte, die mit – wir zögern nicht, es auszusprechen Köchin den Staat lenkt, der Arbeiter Di- – damit bis zur Stunde (1980 – L. B.) einzig rektor wird, die Magd Richterin und alles, auch in unserer Zeit, die das Problem des was nicht bei drei auf den Bäumen war, politischen Humanismus, die Beziehung dem ehrenwerten Stand der Neulehrer des Menschen zum Staat und zur Staats- beigeordnet wird. Das jedoch habe zur räson zu ihrem ausdrücklichen, zentralen Folge, „dass die deutliche Mehrheit unse- Gegenstand gemacht hat, diese Proble- rer (DDR-)Bürger in allen Fragen und auf matik vom Standpunkt des bürgerlichen allen Gebieten der Kultur, des Lebens- Humanismus aus tiefgründig, edelden- stils, des Geschmacks, der guten Sitten, kend, scharfsichtig und mit bewunderns- der Eleganz, des Gefühls für Formen und wertem Mut abhandelt und eben drum Farben, mit einem Wort der ästhetischen unser ausdrückliches, zentrales Interesse Qualität in allen Sphären unserer gesell- ebenso verdient, wie es der Schöpfer die- schaftlichen Daseinsweise so gut wie ses Werkes einst aufbrachte.“ urteilslos ist“. Sie konstatiert die wie eine Inge von Wangenheim, Privatarchiv Dann widmet sie sich mit ähnlicher Verve Seuche umgreifende „Fetischisierung der Von: Boewald2014 - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, „Der Fledermaus“ und betont (was Plau- Arbeiterklasse“, kritisiert die Schullehrplä- https://commons.wikimedia.org/w/index.php?cu- ens Operndirektor Jürgen Pöckel freuen rid=31147857 ne, deren stark naturwissenschaftliche wird), dass es ein Frevel wäre, etwa „die Ausrichtung die antike Geschichte, My- ‚Fledermaus‘ für weniger wichtig oder für thologie, Literatur, vergleichende Religi- Für Freunde des klassischen Theaters weniger lebensnotwendig zu halten als onsgeschichte, auch Kenntnis der Bibel, den ‚Homburg‘. größtenteils zum Opfer fallen. Und noch Aus gutem Grund ein letztes Wort. Gleich- ein harsches Urteil: „Wir erzeugen Halb- sam in einem knappen Exkurs widmet Vom Heldenvater zur ersten Sentimenta- bildung. Auf dem kulturpolitischen Feld.“ sich Inge von Wangenheim in ihrem Essay len Wieso? Weil „mit einem hochstelzigen Re- einem Theaterstück, bei dessen Charak- ferenten-Blabla“ der natürliche Zugang terisierung sie mit höchstem Lob nicht Eduard von Winterstein erinnert sich ge- zum Verständnis des eigentlichen, des spart: dem Kleist‘schen Drama „Prinz nau: kreativen Wesens aller Kultur verbaut wer- von Homburg“; in Plauen längst Schnee „Es waren ganz bestimmte Fächer, die in de. Starker Tobak für die gern beschwo- von gestern, weil nach 1945 nur 1961 jedem Personal vertreten sein mussten, renen „Sieger der Geschichte“. und 1977 auf der Bühne zu sehen. Von und zwar unterschied man überdies noch Nun leider genug von einer Analyse, de- Wangenheim sagt zum Stück: „Es ist die erste und zweite Fächer.

DER THEATERFÖRDERVEREIN 11 Die ersten Fächer waren folgende: der erste Held, der jugendliche Held, der JEDE WOCHE EINE PREMIERE Heldenvater, der erste Charakterspieler, der Charakterkomiker, der humoristische Vor 120 Jahren wurde (am 18. Mai) der stimmend für mein Leben war die Zeit Vater, der jugendliche Charakterspieler, Schauspieler Wolfgang Heinz in Pilsen am Zürcher Schauspielhaus, dem einzi- der jugendliche Komiker, der Bonvivant. geboren. 1917 erhielt er in Eisenach sein gen ständig spielenden deutschsprachi- Im weiblichen Fach: die erste Heldin und erstes Engagement. 1918 kam er an Max gen antifaschistischen Theater während Salondame, die erste Sentimentale, die Reinhardts Deutsches Theater Berlin nach der Nazizeit. … Ich erinnere mich noch Heldenmutter, die komische Alte, die ers- Berlin. 1919 bis 1923 war er in Berlin am genau, wie ich dem Herrn Direktor Fer­ te naive und muntere Liebhaberin, die Preußischen Staatstheater unter Leopold dinand Rieser … vorsprach. Ich zog alle Soubrette.“ Jessner. Ab 1927 spielte Wolfgang Heinz Register. Anscheinend gelang es mir, ihm Der große Schauspieler stellt dann selbst erneut am Preußischen Staatstheater einzureden, dass ich Talent hätte. Beurtei- fest, dass „mit der Herrschaft des Natura- unter Leopold Jessner. Kurz nach dem len konnte er das nicht. Er war Weinhänd- lismus die Schwierigkeit begann, die ein- Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 ler. …. zelnen Rollen bestimmten ‚Fächern‘ zu- floh er, auch wegen seiner jüdischen Her- Rieser war ein nüchtern rechnender Ge- zuordnen“. „Neue Zeiten schaffen neue kunft, nach Österreich. 1934 ging er an schäftsmann. Schauspielkunst war für Bedingungen …“ Und er konstatiert: „… das Schauspielhaus Zürich und blieb bis ihn eine gewöhnliche Ware, und da sie die alten Fachbezeichnungen haben 1946 als Regisseur und Schauspieler. nicht anders verkäuflich war, erwarb er heute einen komischen Beigeschmack.“ 1946 war Wolfgang Heinz am Wiener sie nach dem Marktgesetz entsprechend Volkstheater engagiert. 1948 bis 1956 billiger. Er ließ unsere Aufführungen nur wirkte er als Schauspieler, Regisseur und solange spielen, wie sie mindestens zu 90 Direktor der Scala Wien. Da sein Theater Prozent besucht waren. So gab es Stücke, HÄTTEN SIE’S als kommunistische Bühne verfemt und die schon nach Vorstellungen abgesetzt 1956 geschlossen wurde, wechselte er an wurden. Das zwang uns zu einem Produk- GEWUSST? das Deutsche Theater in Ost-Berlin. Von tionstempo, das aus der Rückschau ge- 1956 bis 1962 war er Oberspielleiter und radezu unglaublich erscheint. Wir waren Inzwischen ist es längst gute Tradition an von 1963 bis 1969 Intendant. 1959 bis 1962 nur 26 Schauspieler und mussten jeden den Theatern der Welt, den Abschlussap- war er zudem Direktor der Staatlichen Donnerstag eine Premiere herausbrin- plaus zur Premiere eines Schauspiels Schauspielschule Berlin. Bis 1976 spielte gen. … nicht nur den Akteuren auf der Bühne er am Deutschen Theater Berlin und wur- Zürich war eine harte Schule … In den zuteilwerden zu lassen, sondern oft auch de besonders durch seine Interpretation ersten Jahren probten wir jeden Tag von dem Bühnenbildner und vor allem dem der Titelrolle in Lessings Nathan der Weise neun Uhr vormittags ad infinitum, das Regisseur. Dazu fordert meist eine Schau- bekannt, die er 1966 dort zum ersten Mal heißt, die Probe wurde beendet durch spielerin oder ein Schauspieler auf und gab. die Notwendigkeit, sich für die Abend- der so Geehrte lässt sich Prozedur – meist vorstellung umzukleiden und zu schmin- ein wenig verlegen und linkisch wirkend – Heinz war seit 1966 Präsident des Ver- ken. … auch gern gefallen. Hat er doch gerade bands der Theaterschaffenden und von Ich habe Vorstellungen erlebt, zum Bei- eine schwere Zeit hinter sich gebracht. 1968 bis 1970 Vizepräsident der Deut- spiel eine ‚Schule der Frauen‘ von Mo­ „Sein Kind“, oft lange geprobt und noch schen Akademie der Künste. Er war mit lière, wo der arme Hauptdarsteller nicht länger von ihm durchdacht, hat das der Schauspielerin Erika Pelikowsky ver- vor der Partnerin kniete, sondern vor dem Licht der Welt erblickt, musste sich dem heiratet; die gemeinsame Tochter ist die Souffleurkasten, um sich nahezu jedes Praxistest (oder der Puddingprobe) stel- Schauspielerin und Regisseurin Gabriele Wort vorsagen zu lassen. …“ L. B. len, von dem der Engländer weiß: The Heinz. Heinz starb am proof of the pudding is in the eating oder 30. Oktober 1984. Der Test des Puddings besteht darin, dass Über seine Zeit am man ihn isst. Zürcher Schauspiel- Es war 1905 bei der Premiere von Max haus schreibt er: „In Reinhardts Vision und Version von Sha­ mancher Weise be- kespeares „Sommernachtstraum“, im Neuen Theater mit einem illusionistischen Wald aus echten Bäumen auf der erst wenige Jahre zuvor erfundenen elekt- rischen Drehbühne inszeniert, zur Musik Wolfgang Heinz, 1979 von Mendelssohn-Bartholdy. Nach die- Von: Bundesarchiv, Bild 183-W1013-0010 / Weisflog, ser Premiere ruft das Publikum zum ersten Rainer / CC-BY-SA 3.0, CC Mal in der Geschichte des Theaters auch BY-SA 3.0 de, https://com- mons.wikimedia.org/w/ den Regisseur auf die Bühne: Max Rein- index.php?curid=5437812 hardt. Es ist in Deutschland die Geburts- stunde des modernen „Regietheaters“.

12 VOM RECHT AUF IRRTUM ODER JEDEM EINE ZWEITE CHANCE EIN GYMNASIAST BLEIBT SEINEN ÜBERZEUGUNGEN TREU

Als der Erste Weltkrieg (oder auch die „Ur- immer schwer, im Bett wie auf katastrophe des 20. Jahrhunderts“, wie es dem Schlachtfeld, am meisten der Historiker George F. Kennan nannte) gewiss jungen Menschen in der begann, war der Jubel in Deutschland Blüte ihrer Jahre. Nur Hohlköp- (und anderswo) unbeschreiblich. Nach fe können die Eitelkeit so weit einer wohl übertriebenen Angabe (Julius treiben, von einem leichten Bab) seien allein im August 1914 andert- Sprung durch das dunkle Tor zu halb Millionen Gedichte entstanden, von reden, und auch dies nur, so- denen allerdings nur hunderttausend ge- lange sie sich weitab von der druckt werden konnten. Auch Brecht, da- letzten Stunde glauben. Tritt mals 16-jähriger Gymnasiast in Augsburg, der Knochenmann aber an reimte tapfer mit: sie selbst heran, dann nehmen sie den Schild auf den Rücken „Das ist so schön, und entwetzen, wie des Impe- schön über all‘ Ermessen rators feister Hofnarr bei Philip- Dass Mütter klagelos die Söhne pi, der diesen Spruch ersann.“ sterben sehn Der Augsburger Deutschleh- Dass alle ihre Sorgen still vergessen rer verkraftete so viel Wirklichkeit nicht Briefmarkenblock der DDR (1988) Und um des Großen Sieges nun (und wie hätte sein späterer Kollege an zum 90. Geburtstag beten gehn.“ einer Erweiterten Oberschule der DDR re- agiert?). Am Augsburger Bahnhof beobachtete Ein anderer Lehrer rettete Brecht, der be- der Brecht, damals noch mit den Vorna- reits mit einem Schulverweis bestraft wor- men Eugen Berthold Friedrich ausgestat- den war, vor der unehrenhaften Entlas- tet, den Abschied der Soldaten: „Und sung, indem er den Aufsatz als Werk eines unter den blütengeschmückten Helmen kriegsverwirrten Hirns ausgab. L. B. leuchten die Augen in dem schweißglän- zenden Gesicht.“ Oder: „Das Große, was wir Deutsche wollen“, beschwörte er in einem „Kriegsbrief“: „Unsere Ehre wah- ren. Unsere Freiheit wahren, unser Selbst wahren. Und das ist aller Opfer wert.“ „UNS STEHT DAS WASSER BIS ZUM HALS“ Zwei Jahre später, im Juni 1916 gab der Deutschlehrer am Realgymnasium für den Besinnungsaufsatz das Thema „Dul- Intendanten schreiben Brief an Bundeskanzlerin ce et decorum est pro patria mori“ (Süß und ehrenvoll ist, fürs Vaterland zu ster- 23 Intendanten und Schauspieldirek- Lebens, schreiben die Intendanten. ben) vor. Der Spruch stammte aus einer toren von deutschen Theatern haben Um die Zukunft der kleinen und großen Ode des römischen Dichters Horaz. einen Brief an Bundeskanzlerin An- Theater und der Künstler … zu sichern, Doch Berthold Eugen (so hatte er seine gela Merkel geschrieben. Ende Mai sei nun der Bund in der Pflicht. Ange- kriegsbegeisterten Gedichte unterschrie- forderten sie anteilige Bundesmittel, regt wird, „Bundeshilfen für die Kom- ben) war 1916 zwar immer noch ein Dich- damit Kommunen künftig trotz der Co- munen nach dem bereits existierenden ter, aber kein Patriot mehr. Ein Mitschüler rona-Krise nicht an der Kultur sparen. und bewährten Model komplementä- hat die Antwort überliefert. Vielen Theatern und Künstlern „steht rer Finanzierung zu gestalten“. „Mindes- „Der Ausspruch, dass es süß und ehren- das Wasser bis zum Hals, sowohl kurzfris- tens aber müssten sich die Kommunen voll sei, für das Vaterland zu sterben“, tig als auch und vor allem in der weite- beziehungsweise die Länder verpflich- schreibt Brecht in seinem Aufsatz, „kann ren Perspektive“. Sie seien in großer Sor- ten, von Sparmaßnahmen an der Kultur nur als Zweck-Propaganda gewertet ge um das Fortbestehen des kulturellen abzusehen, auch von indirekten.“ L. B. werden. Der Abschied vom Leben fällt

DER THEATERFÖRDERVEREIN 13 Lutz Behrens „ICH SEHE UNS ALLE BEIM SCHLUSSAPPLAUS“ ZUM TOD VON SCHAUSPIELER OTTO MELLIES

So kann man sich irren. „Sie haben eine an aller im Buch ungenannten Kollegin- des jugendlichen Helden. Das war da- so wunderbare, ausgefeilte Sprache – Sie nen und Kollegen, Techniker, Bühnenar- mals in den Verträgen mit diesen Worten werden höchstens von Jean Marais über- beiter und so weiter gedenkt. Er schließt fixiert. Es gab den jugendlichen Liebha- troffen, wenn er deutsch spricht“, lobte mit den Worten: ber, den jugendlichen Helden, den ers- vor Jahren ein Ehepaar den Schauspieler „ … (ich) sehe uns alle beim Schlussap- ten Helden, den Heldenvater. Bei den Otto Mellies. Dabei war Jean Marais nur plaus an den Händen gefasst stehen, wie Damen unterschied man die jugendliche einer von vielen französischen, italieni- wir uns gemeinsam vor unserem Publikum Naive, die jugendliche Sentimentale, die schen (Marcello Mastroianni), britischen verbeugen.“ Salondame, die Mütterspielerin und die (Sir Christopher Lee) und amerikanischen komische Alte. (Paul Newman) Stars, denen Mellies im Wie halt ich’s mit dem Kinde? Das mutet heute ein wenig sonderbar an. Synchronstudio seine unverwechselba- Aber auch damals machten wir uns über re Stimme gab. Er war sich auch für so- In seiner Lebensbeschreibung „An einem diese ‚altfränkischen‘ Bezeichnungen, genannte Kleinigkeiten nicht zu schade. schönen Sommermorgen …“ des Schau- die aus der Wandertruppen-Zeit der Neu- Von 1958 bis 1987 sprach er in einer Viel- spielers Otto Mellies, erinnert sich dieser berin zu stammen schienen, unsere Witze. zahl von Folgen des Abendgrußes (Unser an seine Schulzeit in Stolp (heute Słupsk in Es kursierte der auf die Damen bezogene Sandmännchen) den Hamster. der polnischen Woiwodschaft Pommern). Spruch: Es war 1938, und das „schmerzhafte De- ‚Und hat dich erst der Heldenvater, dann Otto Mellies, der mehr als 50 Jahre am mütigungsverfahren“ der Prügelstrafe sei hat dich auch das ganze Theater.‘ “ Deutschen Theater in Berlin engagiert gang und gäbe gewesen. Ein aktuelles war, ist am 26. April 2020 im Alter von Ereignis ist es Mellies dann wert, an dieser Von harten Proben und Sprechkultur 89 Jahren gestorben. Stelle seines Buches eingefügt zu werden, zudem sehr persönlich: Otto Mellies gibt zu bedenken: „Manch- Wir hatten das Glück, Otto Mellies im Sep- „Vor kurzem (die Erinnerungen erschie- mal habe ich mir gewünscht, die Zu- tember 2013 als Gast unserer Reihe Der nen 2010 - L.B.) musste der Bischof von schauer würden am Vormittag im Zu- Theaterförderverein lädt ein im Gespräch Augsburg eingestehen, ‚die eine oder an- schauerraum sitzen und mit ansehen, wie mit Helko Grimm, dem stellvertretenden dere Watschn von vor zwanzig oder drei- unsere beinahe täglichen fünf Proben- Vorsitzenden, erleben zu können. Die An- ßig Jahren natürlich nicht ausschließen‘ stunden abliefen. Es wurde viel diskutiert, kündigung dazu lässt sich im Heft 9/10 zu können. ‚Das war damals vollkommen immer wieder wurden andere Gänge, des Jahrganges 2013 der Zeitung des normal, und alle Lehrer und Schüler die- Haltungen, Arrangements probiert, unab- Theaterfördervereins (S. 15) und der Be- ser Generation wissen das auch‘, lese ich lässig wurde an der Sprache gefeilt und richt über die Veranstaltung folgte in der im Eingeständnis seiner Schuld. an deren Tonfall, bis wir alle gemeinsam Ausgabe 11/12 desselben Jahres auf den Was noch in den siebziger Jahren im Zu- glaubten, einen dem Inhalt und der Aus- Seiten 4 bis 5. Übrigens: unserer Einladung ständigkeitsbereich dieses Bischofs ‚ganz sage des Stückes entsprechende Spiel- in die Galerie des Plauener Malzhauses normal‘ gewesen zu sein scheint, gilt nicht weise gefunden zu haben. folgten mehr als 150 Besucherinnen und für ganz Deutschland. Für das Deutsch- Zeugen unserer vormittäglichen Proben Besucher. Er erinnerte sich damals, mit land, in dem ich gelebt habe, galt es je- würden sehr schnell bemerken, wie hart dem Deutschen Theater schon einmal zu denfalls nicht. Dort war das Prügeln von die Vorbereitungsarbeit von Schauspie- einem Gastspiel mit Friedrich Wolfs „Pro- Kindern strengstens verboten und wurde lern ist, zumal an einer Bühne mit so ho- fessor Mamlock“ in Plauen gewesen zu in jedem Falle und ohne Rücksichtnahme hem Anspruch wie der unseren… Am sein. Auch seine Frau, die Opernsängerin bestraft.“ Abend musste dann alles umso leichter Luise Bergner, habe in Plauen als Gast die über die Rampe kommen. … Königin der Nacht gesungen. „Und hat dich erst der Heldenvater, …“ Leider wird im Theater sehr häufig genu- schelt und sinnlos über die Texte hinweg- Verbeugung zum Schlussapplaus In dieser Ausgabe (S. 10 bis S. 11) lesen gegangen, dass es für den zahlenden wir, was Eduard von Winterstein über die Zuschauer zur Beleidigung wird.“ Von Otto Mellies gibt es seit 2010, erschie- einst am Theater üblichen Fachbezeich- nen im Verlag Das Neue Berlin, lesens- nungen geschrieben hat. Eine historische Beleidigung werte Erinnerungen unter dem Titel „An Auch Otto Mellies geht darauf ein, wenn- einem schönen Sommermorgen …“; wir gleich zeitlich viel später. An den Städti- Was Otto Mellies aufregt, benennt er ein- erlauben uns, im Folgenden daraus eini- schen Bühnen Erfurt erhält Mellies 1955 deutig und unmissverständlich: ge Anekdoten zu zitieren. Und den letzten einen Zweijahresvertrag. Er erinnert sich: „Einst hatte es mehr als zwölf Jahre ge- Satz, welchen er formuliert, nachdem er „Wie schon vorher spielte ich das Fach dauert, bis der Jude Nathan, …, auf deut-

14 schen Bühnen wieder zu Wort gekommen ist. Das ist angesichts des verbrecheri- schen Systems, das fast ganz Europa in eine schreckliche Katastrophe führte, mit Wut und Trauer nachvollziehbar. Wenn allerdings die vergangene DDR heute von maßgeblichen Politikern, Jour- nalisten und Historikern mehr und mehr mit dem einstigen Verbrechersystem gleich- gesetzt wird, so mag das von den Demo- kratiepächtern zwar schlau gedacht sein, es ist aber angesichts dessen, was die Nazis angerichtet haben, und angesichts der Tatsache, dass allzu viele von ihnen nach dem Kriege im Westen unbestraft blieben, eine mit kaum etwas anderem entschuldigen, das zuzeiten in der DDR „Ach, wo will ich eigentlich beerdigt wer- vergleichbare historische Beleidigung. Sie geschah.“ den? Auf dem Prominentenfriedhof an wird, davon bin ich überzeugt, am Ende der Chausseestraße? auf alle diese schamlosen Geschichtskor- Letzter Wille Nein, es ist mir völlig egal, ich sehe den rigierer selbst zurückfallen. Platz später sowieso nie. Hauptsache, Ich will damit, um auch das an dieser In seinem Buch stellt sich Otto Mellies, ich liege neben Luise (seine Frau – L.B.), Stelle zu sagen, jenes Unrecht keineswegs gleichsam nebenbei, auch diese Frage: irgendwo.“

12.103,80 Bodo Brandt CORONA-SPENDENBAROMETER CORONA-Maßnahmen bestimmen die licherweise noch ohne Einschränkungen Ausnahmesituation in unserem Theater. in gewohnt hoher Qualität durchführen Nichts lief und läuft mehr wie gewohnt, konnten, mussten die Maßnahmen zur jenseits des bisherigen Vorstellungsver- Eindämmung Pandemie beachtet und mögens waren Gegebenheiten zu ak- umgesetzt werden. unsere „Hans und Edith Löwel Stiftung – zeptieren und weitab von jeder Norma- Und es hieß, ohne Verzug tätig zu wer- Vogtland-Theater Plauen“ mit einer Aus- lität musste gehandelt werden. Mit der den. Mit den verschiedenen Aktionen schüttung von EUR 4.000,00 die voll dem Schließung des Hauses und damit der im Verein, über die Presse und in Ab- Theater für nachhaltige und investive Einstellung des Spielbetriebes brachen sprache mit dem Theater ging es an das Maßnahmen zur Verfügung gestellt wer- jegliche Einnahmen weg. Sammeln von Geld für das Theater. Und den, zeitnah helfend reagiert. Als Verein sahen wir uns besonders in das Ergebnis kann sich sehen lassen: Somit können wir dem Plauener Theater der Verpflichtung, gerade jetzt unserer Über die in dieser Form kaum erwartete insgesamt Verantwortung gerecht zu werden und Spendenbereitschaft der Mitglieder und mit unseren Möglichkeiten einen ange- Theaterbesucher konnten 12.103,80 EUR messenen Beitrag zur Unterstützung des - EUR 4.105,50 über 30 Einzelspenden zur Verfügung stellen, wovon bereits Theaters zu leisten. - EUR 1.978,30 aus dem Erstattungsver- EUR 3.500,00 gem. Vorstandsbeschluss Zum Jahresanfang stand noch die fi- zicht für bereits erworben Eintrittskar- 05/2020 – Sonderausschüttung- im Mai nanzielle Sicherung des 18. Theaterballs ten in 28 Fällen und weitergeleitet wurden. auf der Agenda, was planmäßig das - EUR 2.000,00 über eine wesentlich Einwerben von Spenden und Sponso- durch Vereinsmitglieder initiierte Groß- Bei allen, die dazu einen aktiven Beitrag rengeldern bedeutete. Direkt nach dem spende des Rotary Club Plauen geleistet haben, bedankt sich der Vor- 18. Theaterball am 07.03., den wir glück- gewonnen werden. Darüber hinaus hat stand ganz herzlich!

DER THEATERFÖRDERVEREIN 15 MITGLIED BEI DER VOLKSBANK VOGTLAND EG MEHR ERFAHREN. MEHR BEWEGEN. MEHR BEKOMMEN.

Mehr als nur Kunde sein.

exklusive Vorteile nutzen!

Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt.

Wir machen den Weg frei.

VOLKSBANK VOGTLAND EG Jößnitzer Str. 5 | 08523 Plauen E-Mail: [email protected] Tel.: 03741 - 269-0 www.volksbank-vogtland.de