epd Dokumentation online

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Frankfurt am Main „ 17. April 2007 www.epd.de Nr. 16

Stasi-Aufarbeitung in der Thüringer Landeskirche Dokumentation einer Tagung in der Evangelischen Akademie Thüringen, Guthmannshausen, 29. September bis 1. Oktober 2006

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„ -Aufarbeitung in mas A. Seidel) und der Beauf- auch wenn es an einzelnen der Thüringer tragte für die Drei-Kirchen- Punkten bisweilen hitzige De- Partnerschaft Württemberg- batten und persönliche Emotio- Landeskirche Thüringen-Slowakei (Detlef Har- nen gab. Dabei hat sich gezeigt, land). dass es heute nicht (mehr) dar- »Anlass zur Tagung war der von um gehen kann, gegenseitige OKR i.R. Weispfenning, dem Finanziell unterstützt wurde die Schuldzuweisungen zu formulie- zum Zeitpunkt der Durchführung Tagung von der Stiftung Aufar- ren, sondern es muss darum der Überprüfung leitenden Juris- beitung, der Landesbeauftragten, gehen, die Tatsachen und Zu- ten der Landeskirche, im Auftrag der Drei-Kirchen-Partnerschaft sammenhänge transparent zu des Landeskirchenrates der und vom Kirchenamt der Föde- machen, um die Kirche über Evangelisch-Lutherischen Kirche ration Evangelischer Kirchen in ihren eigenen Weg aufzuklären, in Thüringen erarbeitete Bericht Mitteldeutschland (EKM). um ggf. daraus für die heutige zum Umgang mit MfS- und zukünftige Orientierung zu Belastungen kirchlicher Mitar- An der Tagung haben sich bis zu lernen. beiter in der Evangelisch- 70 Personen beteiligt, darunter Lutherischen Kirche in Thürin- ökumenische Gäste aus der Slo- Die Präsentation des Weispfen- gen. Damit ist für die Thüringer wakei, aus Tschechien, Polen, ning-Berichtes und die Tagung Kirche die Aufarbeitung von Ungarn, den USA und aus Würt- konnten eine hohe Medienauf- Stasi-Verstrickungen in eine neue temberg. Für die mittelosteuro- merksamkeit verzeichnen. Dabei Phase getreten. Mit diesem Be- päischen Gäste war die Teilnah- war die Berichterstattung ganz richt wird die Aufarbeitung selbst me vor allem dadurch motiviert, überwiegend sachlich und aus- Gegenstand der Untersuchung. für den Umgang mit dieser gewogen.« Problematik im eigenen Land (Dr. Michael Haspel, Seite 4 ff) Als Kooperationspartner haben Anregungen und Vergleichsmög- sich beteiligt: Die Landes- lichkeiten zu erhalten. Für uns Hinweis: Der »Weispfenning- beauftragte des Freistaats Thü- waren die Anregungen wiederum ringen für die Unterlagen des Bericht« ist als epd- aus diesen Kontexten hilfreich Dokumentation 40/2006 Staatssicherheitsdienstes der und instruktiv. ehemaligen DDR (Hildigund erschienen. Siehe im Internet: http://www.epd.de/ Neubert), der Vorsitzende der Die Tagung hat insgesamt in Gesellschaft für Thüringische dokumentation/dokumentation_ guter und konstruktiver Atmos- index_45245.html Kirchengeschichte (KR Dr. Tho- phäre stattgefunden. Dies gilt,

Quellen: Stasi-Aufarbeitung in der Thüringer Landeskirche

Tagung »Stasi-Aufarbeitung in der Thüringer Landeskirche« in der Evangelischen Akademie Thüringen, Guthmannshausen, 29. 9. - 1. 10. 2006. Finanziell unterstützt wurde die Tagung von der Stiftung Aufarbeitung, der Landesbeauftragten des Freistaats Thüringen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, der Drei-Kirchen-Partnerschaft und vom Kirchenamt der Föderation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland (EKM). epd-Dokumentation 16/2007 3

Aus dem Inhalt:

Zur Tagung »Stasi-Aufarbeitung in der Thüringer Landeskirche« ► Dr. Michael Haspel: »Stasi-Aufarbeitung in der Thüringer Landeskirche« / Einleitung 4

Beiträge zur Tagung ► Walter Weispfenning und Dietmar Wiegand: »Der Umgang mit MfS-Belastungen kirchlicher Mitarbeiter in der Evangelisch- Lutherischen Kirche in Thüringen / Einführung« 11

► Walter Schilling: »Kirche und Stasi in Thüringen – Ein Blick von der Basis« 17

► Dr. Rainer Stahl: »Kontakte zu Geheimdiensten als theologische Herausforderung: Blicke aus und in die Partnerkirche« 20

► Harald Schultze: »Die Stasi-Aufarbeitung der Kirchenprovinz Sachsen« 27

: »Die kirchliche Stasi-Aufarbeitung im Vergleich mit anderen gesellschaftlichen Institutionen« 35

► Dr. : »Kirche und Stasi in Thüringen – Erträge und Perspektiven« 45

► Hansgeorg Kraft: »Erfahrungen mit der Stasi. Aus der Sicht der Partnerkirche in Württemberg« 56

Literaturverzeichnis ► »Literaturverzeichnis Kirche und Stasi – Eine Auswahl« Zusammengestellt von Christian Dietrich und Dietmar Wiegand 58 4 16/2007 epd-Dokumentation

»Stasi-Aufarbeitung in der Thüringer Landeskirche« / Einleitung Von Akademiedirektor Dr. Michael Haspel

Zur Tagung »Stasi-Aufarbeitung in der Thürin- werden bearbeitet, und die Lebenssituation bietet ger Landeskirche«, Evangelische Akademie dazu die Möglichkeit und Notwendigkeit. Thüringen, Guthmannshausen, 29.9. - 1.10. 2006 Allerdings gibt es auch eine sachliche Dimension, die neben die biografische tritt. Der Abstand zur unmittelbaren Aufarbeitungsphase Anfang der neunziger Jahre erlaubt es zunehmend, einzelne 1. Konzeption der Tagung Aspekte dieser Aufarbeitung mit Distanz und detailorientierter Akribie in den Blick zu nehmen. Wenn erneut das Verhältnis von Staatssicherheit Dies führt uns zum Ausgangspunkt unserer Ta- und evangelischer Kirche zum Thema gemacht gung. Die Grundlage ist der Bericht von OKR i.R. wird, so mögen manche meinen, und solche Re- Weispfenning »Der Umgang mit MfS-Belastungen aktionen hat es im Vorfeld der hier dokumentier- kirchlicher Mitarbeiter in der Evangelisch- ten Tagung gegeben: was gibt es denn da noch Lutherischen Kirche in Thüringen«4. Es geht also Neues? Eine gewisse Berechtigung dieser Frage ist primär darin nicht um das Verhältnis von Kirche nicht von der Hand zu weisen. spekta- und Stasi bzw. SED-Staat, sondern dieser Zugang kulärer Erkenntnisse und bahnbrechender archi- ist insofern selbstreflexiv, als die Aufarbeitung valischer Trouvaillen ist – anders etwa als in der der Stasi-Verstrickungen einzelner kirchlicher Bachforschung – vorbei. Das sogenannte Kohl- Mitarbeiter selbst zum Gegenstand der Aufarbei- Urteil hat ein Übriges dazu getan, indem der Zu- tung wird. Nur wenn wir diesen Aspekt beachten, gang zu Akten des ehemaligen MfS zu For- wird erkenntlich, warum dieses Thema nun er- schungszwecken erheblich eingeschränkt wurde. neut auf der Agenda steht und ein nicht unerheb- Wenn ich richtig sehe, kann der von der Evange- liches Interesse zu generieren in der Lage ist. Die lischen Akademie Thüringen mit herausgegebene Darstellung und Aufarbeitung der eigenen Aufar- und 2002 publizierte Band »Gottlose Jahre? Rück- beitung ist also ein wesentliches Thema des blicke auf die Kirche im Sozialismus«, als einer Weispfenning-Berichtes, welcher der Anstoß für der letzten umfassenden Beiträge zum Verhältnis die hier dokumentierte Tagung war. Mit dem von Stasi und Kirche bzw. der Kirche zur soge- Weispfenning-Bericht liegt eine umfassende und nannten sozialistischen Gesellschaft der DDR und detaillierte Darstellung der Aufarbeitung von Sta- gleichzeitig als Übergang zur Selbstreflexivität, im si-Belastungen der nach 1990 noch im Dienst be- Sinne der Historiografisierung der Forschung 1 findlichen Mitarbeiter und Synodalen durch den selbst in diesem Gebiet angesehen werden. Landeskirchenrat vor. Damit ist eine Lücke in der bisherigen Aufarbeitung geschlossen und eine Nach den in ihrem Anspruch fulminant ausgrei- wichtige Grundlage für alle weiteren Aktivitäten fenden Arbeiten der ersten zwei Drittel der neun- gelegt. ziger Jahre, die versuchten, die ganze Zeitspanne der Existenz der evangelischen Kirchen in der 2 Der präzise Auftrag für diesen Bericht bringt eini- DDR in den Blick zu nehmen , nahm die Kon- ge notwendige Engführungen mit sich, deren man junktur dieses Themas doch merklich ab und nur sich bewusst sein sollte. Diese bestehen zunächst noch einzelne Spezialstudien zu eng umgrenzten sowohl hinsichtlich des Personenkreises und in Forschungsbereichen wurden von der mit For- der Konsequenz in Bezug auf den Zeitraum, die schungsgeldern in den neunziger Jahren großzü- erfasst werden. Des Weiteren ist insbesondere gig ausgestatteten DDR-Forschungsindustrie pro- 3 auch die Fragestellung und damit verbunden die duziert. Danach ist es erstaunlich ruhig gewor- Methode zu beachten. In den Blick kommen nur den. Warum also jetzt wieder dieses Thema? diejenigen Personen, die nach der Wende noch im kirchlichen Dienst waren einschließlich akti- Naheliegend ist die biografische Erklärung. Viele ver Ruheständler. Die Aktivitäten all derjenigen, der Akteure, die in den achtziger und neunziger die vor oder unmittelbar nach der Wende aus Jahren in verantwortlichen Positionen waren, dem aktiven Dienst ausschieden, werden nicht sind inzwischen nicht nur im Pensionsalter, son- erfasst. So schwerwiegende Fälle wie etwa OKR dern auch in einer biografischen Phase, in der die Lotz, dessen Aktivitäten weiter zurücklagen, oder Rückschau und Aufarbeitung der eigenen Le- OKR Kirchner, der vor dem Stichtag aus dem bensgeschichte thematisch wird. Offene Themen Dienst ausgeschieden war, werden in diesem epd-Dokumentation 16/2007 5

Bericht also nicht bearbeitet. Bei den erfassten Wenn etwa ein Pfarrer bei seinen routinemäßigen und untersuchten Personen ist die Frage auf das Gesprächen beim Rat des Kreises oder ein Sy- konzentriert, was dienstrechtlich relevant sein nodaler in seinem Betrieb gegenüber einem Par- könnte. Es wird also etwa nicht gefragt, welchen teisekretär kirchliche Interna mitgeteilt und Einfluss bestimmte Aktivitäten als IM auf kirchli- Empfehlungen für das Verhalten in der nächsten che Entscheidungen genommen haben (oder Synode oder verunsichernde Informationen er- vielleicht auch umgekehrt), sondern relativ for- halten hat, ist das dann per se weniger verwerf- mal, ob ein dienstliches Vergehen vorliegt, das lich, als wenn dasselbe in einem Gespräch mit ggf. disziplinarrechtlich zu ahnden ist. Hier ist dem MfS passierte oder gar jemand zur Arbeit als auch der individualistische Zugang zu beachten. IM gedrängt wurde, diesem widerwillig zu- Es wird jeweils eine Person isoliert für sich be- stimmte, und so wenig wie möglich und überwie- trachtet, was in der Natur der Sache der juristi- gend Belangloses berichtete und schließlich als schen Frage nach persönlicher zurechenbarer IM fallen gelassen wurde? Schuld liegt. Die Vernetzung der Aktivitäten von Stasi-IMs in Operativen Vorgängen, die gerade für Diese einseitige Fokussierung der Aufarbeitung die Unterwanderungsstrategie des MfS in den führt zum einen dazu, dass bei der Birthler- achtziger Jahren kennzeichnend ist und in Thü- Behörde die relevanten Akten schon mehrfach ringen – unabhängig von der Bewertung ihrer durchpflügt wurden, während die meisten Be- Wirkung – beängstigende Ausmaße angenommen stände des zentralen Parteiarchivs und der Räte hat5, bleibt außerhalb des Wahrnehmungshori- der Bezirke weitgehend unbehelligt im Dornrö- zontes. Diese Begrenzungen liegen alle in der schenschlaf dahindämmern. Zum anderen hat das Natur dieser Untersuchung, gehören also zu ihren konkrete soziale und politische Folgen. Während Konstitutionsvoraussetzungen. Genau darin liegt sich niemand daran stört, dass ehemalige Partei- auch der Wert dieser Arbeit für die zukünftige funktionäre in Ruhe ihre Pension genießen und Stasi-Aufarbeitungsdiskussion. Wichtig ist aller- ehemalige Kreisschulräte, die jahrzehntelang dings, genau diese Grenzen wahrzunehmen, um Jugendlichen den Weg zur Hochschulreife ver- sie in der weiteren Diskussion auch bewusst zu baut haben, famose politische Karrieren machen, überschreiten. wird auch nur der Verdacht einer inoffiziellen Mitarbeit beim MfS medienöffentlich skandali- Der Weispfenning-Bericht partizipiert darüber siert. Wenn wir uns zukünftig der Frage des We- hinaus – auch in diesem Falle der Natur des Auf- ges der evangelischen Kirchen im SED-Staat zu- trags nach beabsichtigt – an einer weiteren Eng- wenden wollen, werden wir verstärkt auf diese führung, die zwar durchaus üblich, aber im Prin- anderen Herrschaftsinstrumente und Quellen zip keinesfalls notwendig wäre, nämlich den schauen müssen. ausschließlichen Fokus auf mögliche inoffizielle oder offizielle Mitarbeit bei der Staatssicherheit Durch die besondere Situation in Deutschland, in unter gleichzeitigem Ausschluss anderer, oft hoch- dem ein kommunistischer Staat durch den Beitritt sensibler Kontakte zu staatlichen und Parteivertre- der Länder der DDR zur BRD unmittelbar in eine tern. Diese fast ausschließliche Konzentration der rechtsstaatliche Struktur überführt wurde, nahm Aufarbeitungsdiskussion auf den Bereich des die Aufarbeitung vor allem drei Formen ein: Ers- Ministeriums für Staatssicherheit lebt von der tens eine durch den Vereinigungsvertrag abge- Fiktion, als habe es in der politischen Herr- milderte juristische Aufarbeitung, die sich über- schaftsausübung des SED-Staates so etwas wie wiegend auf jene Fälle konzentrierte, die auch legale und illegale Instanzen gegeben. Dabei ge- nach DDR-Recht als illegitim angesehen wurden. hörte es ja gerade zu den Konstitutionsbedingun- Zweitens eine medien- und politiköffentliche gen des umfassenden Herrschaftsanspruches Präsentation jeglicher echter und vermeintlicher einer Partei neuen Typus, dass die Trennung der Stasi-Verstrickungen und drittens die wissen- Gewalten und exekutiven Organe aufgehoben schaftliche Aufarbeitung insbesondere der erhal- und dem einheitlichen Willen der Partei unter- tenen Aktenbestände des MfS in der Behörde des worfen wurde. Damit ist nicht gemeint, dass es Bundesbeauftragten. De facto ist so nur ein relativ immer einerlei gewesen sei, ob Gespräche mit kleiner Teil des Unrechtssystems überhaupt zum dem Rat des Kreises, einem Parteifunktionär der Gegenstand von Aufarbeitungsbestrebungen ge- SED bzw. CDU oder mit dem MfS geführt wur- worden und der überwiegende Teil auch schon den; nur die Vorstellung, dass man dies generell derer, die aktiv an der diktatorischen Machtaus- und eindeutig unterscheiden könne, muss wohl übung beteiligt waren, wurde de facto ohne jegli- verabschiedet werden. che offizielle Auseinandersetzung mit dieser Ver- gangenheit amnestiert. 6 16/2007 epd-Dokumentation

Vergleicht man dies mit anderen Aufarbeitungs- rung der Überprüfung leitenden Juristen der Lan- kulturen, die sich in etwa mit zeitgleichen Phä- deskirche, im Auftrag des Landeskirchenrates der nomenen befassen, wie etwa die Wahrheits- und Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen Versöhnungskommission in Südafrika6, so fällt erarbeitete Bericht zum Umgang mit MfS- dort auf, dass gerade kein juristisches Verfahren Belastungen kirchlicher Mitarbeiter in der Evan- gewählt wurde, sondern die öffentliche Aufar- gelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen. Damit beitung als kollektives Verarbeiten von Schuld ist für die Thüringer Kirche die Aufarbeitung von verbunden mit einer starken Wahrnehmung und Stasi-Verstrickungen in eine neue Phase getreten. Einbeziehung der Opfer. Man kann diesen Ansatz Mit diesem Bericht wird die Aufarbeitung selbst sicherlich unterschiedlich bewerten7, offensicht- Gegenstand der Untersuchung. Als Kooperations- lich ist allerdings, dass dabei die Opfer unweiger- partner haben sich beteiligt: Die Landesbeauf- lich mit in den Blick kommen. tragte des Freistaats Thüringen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR Für den Blick auf unsere eigene Aufarbeitungs- (Hildigund Neubert), der Vorsitzende der Gesell- kultur bedeutet dies, dass deutlich wird, wie schaft für Thüringische Kirchengeschichte (KR überwiegend täterorientiert sie ist. Die Täter wer- Dr. Thomas A. Seidel) und der Beauftragte für die den zum Gegenstand der Wahrnehmung und der Drei-Kirchen-Partnerschaft Württemberg- angemessene Umgang mit ihnen, im kirchlichen Thüringen-Slowakei (Detlef Harland). Bereich auch der Versuch, seelsorglich mit ihnen umzugehen, wird zum Magneten für die Aufar- Finanziell unterstützt wurde die Tagung von der beitungsenergien. Die Opfer geraten leicht aus Stiftung Aufarbeitung, der Landesbeauftragten, dem Blickfeld. Gerade theologisch stellt sich hier der Drei-Kirchen-Partnerschaft und vom Kirchen- das Problem, wie echte von billiger Gnade zu amt der Föderation Evangelischer Kirchen in unterscheiden ist. Damit verknüpft ist die Frage, Mitteldeutschland (EKM). wie mit den realen und bleibenden Folgen von Schuld umzugehen ist, wenn die Schuld gerade An der Tagung haben sich bis zu 70 Personen von ihrer Vergebung her in den Blick kommt. beteiligt, darunter ökumenische Gäste aus der Theologisch zugespitzt könnte man sagen, dass ja Slowakei, aus Tschechien, Polen, Ungarn, den durch die Rechtfertigung des Sünders nicht des- USA und aus Württemberg. Für die mittelosteu- sen Sünde aufgehoben ist, sondern gerade erst ropäischen Gäste war die Teilnahme vor allem angemessen in ihrer ganzen Bedrohlichkeit wahr- dadurch motiviert, für den Umgang mit dieser genommen werden kann. Problematik im eigenen Land Anregungen und Vergleichsmöglichkeiten zu erhalten. Für uns Es war intendiert, dass diese Tagung dazu bei- waren die Anregungen wiederum aus diesen trägt, einige Themenfelder zu identifizieren, die Kontexten hilfreich und instruktiv. zu bearbeiten zukünftig bedeutsam sein könnte. Dies sind vor allem: die Erweiterung des Blickes Die Tagung hat insgesamt in guter und konstruk- auf die gesamte Bandbreite der Herrschaftsin- tiver Atmosphäre stattgefunden. Dies gilt, auch strumente des SED-Staates und des kirchlichen wenn es an einzelnen Punkten bisweilen hitzige Umgangs damit, die Aufmerksamkeit und Sensi- Debatten und persönliche Emotionen gab. Dabei bilität für die Erfahrungen der Opfer, die mögli- hat sich gezeigt, dass es heute nicht (mehr) da- cherweise erst mit einiger zeitlicher Verzögerung rum gehen kann, gegenseitige Schuldzuweisun- an die Oberfläche kommen werden, und schließ- gen zu formulieren, sondern es muss darum ge- lich die Frage nach den theologischen, ekklesio- hen, die Tatsachen und Zusammenhänge transpa- logischen und sozialethischen Konzepten, die rent zu machen, um die Kirche über ihren eige- jeweils das Handeln der Kirche und ihrer einzel- nen Weg aufzuklären, um ggf. daraus für die nen Glieder in der einen oder anderen Weise heutige und zukünftige Orientierung zu lernen. motiviert und orientiert hat. Damit steht diese Tagung in einer Tradition von Aktivitäten der Die Präsentation des Weispfenning-Berichtes und Evangelischen Akademie in Thüringen, die mit die Tagung konnten eine hohe Medienaufmerk- dieser Tagung fortgesetzt wurde. samkeit verzeichnen. Dabei war die Berichter- stattung ganz überwiegend sachlich und ausge- wogen. 2. Vorgeschichte der Tagung

Anlass zur Tagung war der von OKR i.R. Weispfenning, dem zum Zeitpunkt der Durchfüh- epd-Dokumentation 16/2007 7

3. Inhaltlicher Verlauf der Tagung Am Morgen des zweiten Tagungstages reagierte Pfarrer i.R. Walter Schilling auf den Bericht und Am Beginn der Tagung stand die Einführung in die Einführung (Kirche und Stasi in Thüringen – den Weispfenning-Bericht durch dessen Verfasser ein Blick von der Basis). Nach der Wende war er OKR i.R. Walter Weispfenning, der auf Grund einer derjenigen, die sich intensiv mit der Aufde- einer Erkältungserkrankung von Dietmar Wie- ckung und Aufarbeitung von IM-Tätigkeiten be- gand unterstützt wurde (Die Aufarbeitung von schäftigten und eine gründliche Kenntnis der Stasi-Fällen in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Akten erlangt haben. Er gehörte dem Überprü- in Thüringen). Der Bericht fasst die Arbeit des fungsausschuss beratend an. Nachdem OKR i.R. 1992 eingesetzten Überprüfungsausschusses zu- Weispfenning an der Aufarbeitung als Vertreter sammen und dokumentiert dessen Ergebnisse. der Kirchenleitung beteiligt war, repräsentiert Nach einer statistischen Erfassung der Anfragen Walter Schilling, der lange verantwortlich in der zur Überprüfung bei der Behörde des Bundesbe- Offenen Arbeit tätig war, quasi die Perspektive auftragten werden die tatsächlich vom Überprü- der Basis. fungsausschuss behandelten Fälle dargestellt: Die 773 Anfragen ergaben in 77 Fällen Einträge in den In sehr persönlichem Ton zieht er in seinem Bei- Unterlagen des MfS, wobei 59 Personen als IM trag gleichsam ein Resümee der Aufarbeitung. Er registriert waren. Davon haben 20 Personen die breitet ein Panorama der Vielzahl der Fälle aus Zusammenarbeit mit dem MfS vorzeitig beendet, und macht dann exemplarisch an einigen Einzel- so dass sich in 39 Fällen der Verdacht einer IM- fällen die Problematik deutlich, wie schwer es ist, Tätigkeit ergab. In 26 Fällen konnte dieser Ver- jeweils zu angemessenen Urteilen zu kommen. dacht erhärtet und eine IM-Tätigkeit nachgewie- Dabei wirft er die Frage auf, wie es kommen sen werden. In acht dieser Fälle wurde ein Dis- konnte, dass der Machtapparat überhaupt so viel ziplinarverfahren eingeleitet, das in fünf Fällen zu Macht über das Leben der Menschen bekommen Verurteilungen führte. konnte, und erinnert an die Grenzen der juristi- schen Aufarbeitung verbunden mit dem Bedau- Ausführlich wird dabei das methodische Vorge- ern, dass gerade im Raum der Kirche nicht andere hen des Ausschusses geschildert, dem es oblag, Formen des Umgangs mit Schuld erfolgreicher die Informationen der Gauck-Behörde zu prüfen waren. Mit Inhalt und Ton des Vortrags hat und mit weiteren Informationen, insbesondere Schilling eine Stimmung in die Debatte gebracht, Berichten und Aussagen von Zeugen und den die dazu verhalf, zumindest zeitweilig, weniger Betroffenen selbst, abzugleichen und abzuwägen. nach Schuldigen zu fragen, sondern nach den Im Zweifel musste nach rechtsstaatlichem Grund- strukturellen und systematischen Zusammenhän- satz für die Überprüften entschieden werden. gen, welche die Verstrickung einer, wenn auch kleinen, so doch nicht unerheblichen Zahl kirch- Die statistischen Angaben werden in einem eige- licher Mitarbeiter und Pfarrer mit der Stasi, er- nen Abschnitt ausführlich mit kurzen Darstellun- möglicht haben. gen der Einzelfälle unterlegt, die das Vorgehen des Ausschusses transparent machen. Des Weite- Nach diesen beiden grundlegend-einleitenden ren werden die Motivlagen derer, die sich auf Beiträgen folgte das methodische Herzstück der eine IM-Tätigkeit eingelassen haben, dargestellt. Tagung. Drei komparativ angelegte Vorträge Abschließend wird ein Vergleich der Aufarbeitung sollten die Frage der Stasi-Aufarbeitung in der der Stasi-Verstrickungen nach 1990 mit der Auf- Thüringer Landeskirche im Vergleich mit anderen arbeitung der Mitgliedschaft und Mitarbeit von kirchlichen und gesellschaftlichen Bereichen er- Mitarbeitern der Thüringer Kirche bei den natio- hellen. nalsozialistischen »Deutschen Christen« nach 1945 gezogen. Dabei vertritt der Autor die nicht Die erste komparative Perspektive nahm Dr. Rai- unumstrittene These, dass ein grundlegender ner Stahl ein, der in der Zeit des Überprüfungs- Unterschied darin bestehe, dass es sich bei einer ausschusses Persönlicher Referent von Landesbi- Mitgliedschaft bei den Deutschen Christen auf schof Roland Hoffmann war und jetzt als Leiter Grund deren weltanschaulicher Ausrichtung um des Evangelisch-Lutherischen Diaspora-Werkes, ein bekenntniswidriges Verhalten gehandelt habe, dem Martin-Luther-Bund, mit den Partnerkirchen bei einer IM-Tätigkeit die Bekenntniswidrigkeit in Ostmitteleuropa und Osteuropa in engem aber nicht (notwendigerweise) vorliege. Entspre- Kontakt steht, die zum sowjetischen Machtbe- chend unterscheiden sich auch die Zahl der Dis- reich gehört hatten. Im ökumenischen Vergleich ziplinarverfahren und die verhängten Strafen. mit den Erfahrungen der evangelisch-lutherischen Kirchen in Ostmitteleuropa (Blicke aus und in die 8 16/2007 epd-Dokumentation

Partnerkirchen) schlägt er einen Rahmen für den Aufarbeitung im Vergleich mit der Kirchenprovinz Umgang mit Belastungen aus der Zusammenar- Sachsen). Dabei verdienen vor allem zwei As- beit mit Staatssicherheitsdiensten vor. Mit jeweils pekte besondere Erwähnung. Zum einen hat die konkreten Beispielen aus diesen Ländern entfaltet Thüringer Landeskirche früher und entschiedener Stahl, wie wichtig der jeweilige staatliche und die Regelanfrage für Geistliche und Synodale juristische Rahmen der Aufarbeitung ist, macht beschlossen und durchgeführt als ihre Nachbar- aber zugleich deutlich, dass die Kirchen in diesem kirche. In dieser Hinsicht war die Thüringer Kir- Rahmen eigenständige Kriterien und Gremien zur che also vorbildlich. Zum anderen fällt im Ver- Urteilsbildung schaffen müssen. Er verweist auf gleich auf, dass in der provinzsächsischen Kirche die Notwendigkeit der Vorsicht beim Umgang mit die Ebene der Kirchenleitung, außer durch zwei dem Aktenmaterial der kommunistischen Staats- eklatante Fälle bei leitenden Juristen, deutlich sicherheitsdienste, die ja alle antikirchliche Orga- weniger betroffen war als in Thüringen. nisationen par excellence waren. Darüber hinaus verweist er auf die für die Kirchen wichtige theo- Die dritte komparative Zugangsweise wurde von logische Dimension der Aufarbeitung, insbeson- Hildigund Neubert, der Landesbeauftragten des dere auf den spezifischen Umgang mit Schuld Freistaats Thüringen für die Unterlagen des und die Relativität aller Urteilsfindungen, da den Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Menschen ein abschließendes Urteil verwehrt vorgestellt. Sie stellt ihre Einzelbetrachtungen zu bleibt. anderen gesellschaftlichen Bereichen (Die kirchli- che Stasi-Aufarbeitung im Vergleich mit anderen An die Ausführungen von Rainer Stahl schlossen gesellschaftlichen Institutionen) unter das leitende sich ein längeres Statement aus der Partnerkirche Motiv des Elitenwechsels, der im Gefolge einer in Württemberg und kürzere Statements aus den revolutionären Umwälzung, wie sie 1989/90 in vertretenen mittelosteuropäischen Kirchen an. der DDR stattgefunden hat, notwendig erscheint. Im Rahmen der friedlichen Revolution wurde auf Eine erste Zwischenbilanz der Tagung konnte einen gewaltförmigen Elitenwechsel verzichtet. dann in einer Podiums- und Plenardiskussion Das Instrument der Stasi-Überprüfungen sollte gezogen werden, an der auf dem Podium neben stattdessen diese Funktion übernehmen, auch den schon erwähnten Referenten Schilling und wenn dies ex post betrachtet nur ein unvollkom- Stahl der Landesbischof der Evangelisch- menes Instrument war. Dies gilt insbesondere Lutherischen Kirche in Thüringen, Prof. Dr. deshalb, weil in weiten Bereichen die reguläre Christoph Kähler, und Esther-Marie Ullmann- Mitarbeit in staatlichen Institutionen und in den Goertz, die als ehemaliges Mitglied des DDR-weit Parteien, die mittelbar oder unmittelbar an Un- vernetzten Arbeitskreises Solidarische Kirche rechtsmaßnahmen beteiligt waren, wenn keine (Regionalgruppe Thüringen) als weitere Zeitzeu- besondere Belastung nachzuweisen war, weitge- gin geladen war, teilnahmen. hend folgenlos blieb.

Nachdem die Leistungen des vorliegenden Be- Hinsichtlich der Überprüfung des öffentlichen richts ganz überwiegend positiv gewürdigt wur- Dienstes in Thüringen kommt sie zu dem Ergeb- den, kamen in dieser Runde vor allem die As- nis, dass die mangelnde Transparenz und Nach- pekte zur Sprache, die von dem Bericht der Natur vollziehbarkeit der Überprüfung einen schalen der Sache nach nicht geleistet werden konnten: Beigeschmack zurücklässt. Hinsichtlich der Über- Insbesondere die Perspektive der Opfer, die An- prüfung der Landtagsabgeordneten ist das Resul- gemessenheit des jeweiligen Strafmaßes und die tat gar, dass die mangelnden praktischen Folgen Fälle, die im Bericht nicht erfasst sind, weil sie einer Feststellung einer Belastung tendenziell nach 1989 nicht mehr in einem Dienstverhältnis dazu beiträgt, die Aufklärung zu delegitimieren. zur Landeskirche standen. Besonders die Frage Für den Bereich der Justiz sieht Hildigund Neu- der angemessenen Einbeziehung der Opferper- bert zwar die schnelle und vollständige Überprü- spektive wurde dann im Laufe der Tagung immer fung aller Aktiven als positiv an, verweist wieder aufgenommen und auch im Nachgang zur zugleich aber darauf, dass insbesondere durch Tagung als Desiderat von der Synode festgehal- das Rückwirkungsverbot heute in der Praxis oft ten. systemnahe Personen besser gestellt sind als die Opfer des Systems. Der zweite Vergleich wurde von OKR i.R. Prof. Dr. Harald Schultze eingebracht. Er stellte als Gänzlich unbefriedigend verlief die Aufarbeitung Vergleichsgröße die Stasi-Aufarbeitung in der nach Neuberts Urteil freilich im Bereich des Kirchenprovinz Sachsen vor (Die Thüringer Stasi- Sports. Die wechselseitige Durchdringung von epd-Dokumentation 16/2007 9

Doping und umfassender staatlicher Steuerung Worte und Taten übereinstimmten, hätte die Kir- und Kontrolle sei bis heute nicht nur nicht aufge- che in Vollmacht sprechen und die Wahrheit arbeitet, sondern wirkt durch personelle Kontinu- sagen können, was schließlich, z.B. durch die itäten fort. Angesichts der massiven staatlichen Friedensgebete, wesentlich zur friedlichen Revo- Förderung des Sports und insbesondere bei den lution beigetragen hat. nicht seltenen Doppelfunktionen von politischem Personal und Sportfunktionären auf allen Ebenen Die zweite, in der Diskussion nicht unumstrittene ist dies ein eher bedrückender Befund. These zielte darauf, dass die evangelischen Kir- chen in der DDR ein zunehmend gebrochenes Zusammenfassend hält Neubert fest, dass die Verhältnis zum Recht bzw. zur Rechtsstaatlich- Aufarbeitung überall dort gelungen sei, wo klare keit gehabt hätten. Hier vertritt Ehrhart Neubert rechtliche Grundlagen vorhanden waren. Die die Position, dass die Kirchen weit über das not- Kirche habe mit ihrem innerkirchlichen Recht wendige Maß hinaus Aspekte des sogenannten und durch die Situation, dass die große Mehrheit sozialistischen Rechtsverständnisses übernom- der Funktionsträger unbelastet war, eine relativ men haben, und illustriert dies am Beispiel der günstige Ausgangssituation für die Aufarbeitung Debatte um bürgerliche und soziale Menschen- gehabt, diese aber auch in einer Weise genutzt, rechte. Deshalb gelte es auch für die Gegenwart, die für andere gesellschaftliche Bereiche durchaus das Verständnis des Rechts als Mittel der Gestal- als vorbildlich gelten könne. tung einer pluralen Gesellschaft in den Kirchen positiv weiterzuentwickeln. In einer Zwischenbilanz für den zweiten Ta- gungstag kann festgehalten werden, dass der Mit seiner dritten These wendet sich Neubert methodische Zugang, mit verschiedenen Verglei- explizit gegen den Weispfenning-Bericht, indem chen mit anderen kirchlichen und gesellschaftli- er die MfS-Verstrickungen als Symptom mangeln- chen Bereichen, die Aufarbeitung in der Thürin- der Bekenntnistreue bezeichnet. Weispfenning ger Landeskirche genauer zu analysieren, als hatte die MfS-Verstrickungen im Unterschied zur erfolgreich angesehen werden kann. Dies hat DC-Mitgliedschaft von Pfarrern in der Zeit des nicht nur erheblichen Erkenntnisgewinn in der Nationalsozialismus explizit als nicht notwendig Bewertung von Vorgehensweise und Beurtei- bekenntniswidrig bezeichnet. Neubert sieht hin- lungsmaßstäben gebracht, sondern auch nicht gegen in der Kooperation mit einer kirchenfeind- unwesentlich zur Versachlichung der Diskussion lichen Organisation par excellence, wie sie die beigetragen. Stasi mit Sicherheit war, die Bekenntniswidrigkeit im Prinzip für gegeben an. Der letzte Vortrag der Tagung am Sonntag hatte die Aufgabe, nachdem die bisherige Aufarbeitung Die vierte These zielt darauf, den auf die Täter in der Thüringer Kirche beleuchtet worden war, fixierten Blick auf die Opfer zu lenken und dabei Perspektiven für die Weiterarbeit zu eröffnen. das aktive Handeln der Opfer bzw. als Opfer (im Dieser Aufgabe hat sich Dr. Ehrhart Neubert, theologischen Sinne) wieder zu entdecken. In Thüringer Pfarrer und ehemals Fachbereichsleiter solchem Handeln liege auch die Herausforderung »Bildung und Forschung« beim Bundesbeauftrag- für die Kirchen heute. ten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdiens- tes der ehemaligen DDR, unterzogen. In seinem Diese Thesen wirkten auf etliche Teilnehmenden Vortrag Kirche und Stasi in Thüringen - Erträge provozierend, so dass sich die Diskussion im und Perspektiven sieht er es als notwendig an, Abschlusspodium, an dem auch die Vortragenden nachdem die Aufarbeitung der Verstrickung ein- des Samstagnachmittags und KR Dr. Thomas A. zelner zu einem erheblichen Teil geleistet wurde, Seidel, Vorsitzender der Gesellschaft für Thürin- in größerem Zusammenhang nach den Ursachen gische Kirchengeschichte und ehemals Mitglied für die Anfälligkeit von Einzelnen und der Insti- des Arbeitskreises Solidarische Kirche, teilnah- tution Kirche für inoffizielle und illegale Koope- men, sehr lebhaft gestaltete und im Wesentlichen rationen mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR auf den Abschlussvortrag bezog. Die Auseinan- zu fragen. dersetzung darüber, die teilweise heftig und emotional geführt wurde, zeigte, wie notwendig Seine erste These ist eine theologische. Im Ausei- die Debatte weiterhin ist. Gerade an der Reaktion nanderklaffen von Wort und Tat sieht Neubert auf die Thesen von Ehrhart Neubert, die ver- einen Verrat an der »Macht des Wortes«. Dort wo suchten, den Blick über Einzelfragen hinaus auf Wort und Tat auseinandergeklafft seien, hätte die übergreifenden Zusammenhänge zu lenken, auch die Stasi ihre Einfallstore gefunden. Wo wurde deutlich, dass in dieser Richtung weiterge- 10 16/2007 epd-Dokumentation

arbeitet werden muss. Im Nachgang sind ihrem an, hat aber angesichts der Fülle des Stoffes eher dokumentari- Inhalt nach sehr unterschiedliche mündliche und schen Charakter. schriftliche Reaktionen auf die Tagung insgesamt 3 Vgl. etwa die akribische Detailstudie Silomon, Anke: Synode und und auf einzelne Beiträge erfolgt. Sie können hier SED-Staat. Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in im Einzelnen nicht aufgenommen werden. Die der DDR in Görlitz vom 18.-22. September 1987, Göttingen 1997. Zu den späten Früchten dieses Forschungskontextes Dokumentation der Tagungsbeiträge will aber gehören nun auch Kunter, Katharina: Erfüllte Hoffnungen und eine Grundlage für die weitere Diskussion bieten, zerbrochene Träume. Evangelische Kirchen in Deutschland im die dann an anderer Stelle, nicht zuletzt der Sy- Spannungsfeld von Demokratie und Sozialismus (1980-1993), node, ihre Fortsetzung finden muss. (Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte, Reihe B, Bd. 46), Göt- tingen 2006; Silomon, Anke: Anspruch und Wirklichkeit der »besonderen Gemeinschaft«. Der Ost-West-Dialog der deutschen evangelischen Kirchen 1969-1991, (Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte, Reihe B, Bd. 45), Göttingen 2006.

4 Anmerkungen: Weispfenning, Walter: Der Umgang mit MfS-Belastungen kirchli- cher Mitarbeiter in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thürin- 1 Seidel, Thomas A. (Hg.): Gottlose Jahre? Rückblicke auf die gen. Ein Bericht im Auftrag des Landeskirchenrates der Evange- Kirche im Sozialismus der DDR, (Herbergen der Christenheit, lisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, , September Sonderband 7), Leipzig 2002; vgl. auch Dähn, Horst; Heise, 2006, epd-Dokumentation 40/2006.

Joachim (Hg.): Staat und Kirche in der DDR. Zum Stand der 5 Vgl. etwa Lenski, Katharina u.a. (Hg.): Die »Andere« Geschichte. zeithistorischen und sozialwissenschaftlichen Forschung, (Kon- So bestehet nun in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat..., texte. Neue Beiträge zur Historischen und Systematischen 1993; Heidingsfeld, Uwe-Peter; Schröter, Ulrich: »Meis- Theologie, Bd. 34), Frankfurt a.M. u.a. 2003. ter«.. Die MfS-Vorlaufakte des Thüringer Landesbischofs Werner 2 Neben den auf Grund ihrer Methodik sich selbst diskreditieren- Leich im Spiegel seiner Vermerke, in: idea Dokumentation den Arbeiten Besiers vgl. etwa die umfassenden Studien Robert 15/1996; Vollnhals, Clemens (Hg.): Die Kirchenpolitik von SED F. Goeckel: The Lutheran Church and the East German State, und Staatssicherheit. Eine Zwischenbilanz, (Wissenschaftliche Political Conflict and Change under Ulbricht and Honecker, Lon- Reihe des Bundesbeauftragen, Bd. 7), , 2. Aufl. 1997 don/Ithaca: Cornell University Press, 1990; Detlef Pollack: Kirche (1996); Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition in der DDR in der Organisationsgesellschaft. Zum Wandel der gesellschaftli- 1949-1989, Bonn, 2. erw. u. korr. Aufl. 2000 (1997). chen Lage der evangelischen Kirchen in der DDR, Stutt- 6 Vgl. Wüstenberg, Ralf K. (Hg.): Wahrheit, Recht und Versöhnung. gart/Berlin/Köln 1994; Haspel, Michael: Politischer Protestan- Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nach den politischen tismus und gesellschaftliche Transformation. Ein Vergleich der Umbrüchen in Südafrika und Deutschland, (Kontexte. Neue Bei- Rolle der evangelischen Kirchen in der DDR und der schwarzen träge zur historischen und systematischen Theologie, Bd. 24), Kirchen in der Bürgerrechtsbewegung in den USA, Tübin- Frankfurt a.M. u.a. 1998; ders.: Die politische Dimension der gen/Basel 1997. Dazu auch die Sammelbände Horst Dähn (Hg.): Versöhnung. Eine theologische Studie zum Umgang mit Schuld Die Rolle der Kirchen in der DDR. Eine erste Bilanz, München nach den Systemumbrüchen in Südafrika und Deutschland, 1993; Trutz Rendtorff (Hg.): Protestantische Revolution? Kirche (Öffentliche Theologie 18), Gütersloh 2004. und Theologie in der DDR: Ekklesiologische Voraussetzungen, 7 politischer Kontext, theologische und historische Kriterien, Göt- Entgegen dem allgemeinen Trend halte ich die Ergebnisse des tingen 1993; Leonore Siegele-Wenschkewitz: Probleme Kirchli- Wahrheits- und Versöhnungsprozesses in Südafrika gleichwohl für cher Zeitgeschichtsforschung, in: dies. (Hg.): Die evangelischen unbefriedigend, da viele Täter auch für schwerste Verbrechen Kirchen und der SED-Staat - ein Thema Kirchlicher Zeitgeschich- weitgehend unbelangt blieben und die Opfer keine angemessene te, Frankfurt a.M. 1993, (= Arnoldshainer Texte, Bd. 77), pp. Entschädigung erhalten haben. Vgl. dazu Haspel, Michael: Re- 142-151. Die Gesamtdarstellung von Rudolf Mau: Der Protesta- zension »Wüstenberg, Ralf K.: Die politische Dimension der nismus im Osten Deutschlands (1945-1990), (Kirchengeschichte Versöhnung. Eine theologische Studie zum Umgang mit Schuld in Einzeldarstellungen, Bd. IV/3), Leipzig 2005, schließt daran nach den Systemumbrüchen in Südafrika und Deutschland«, in: ThLZ 131, 2006, Sp. 2006-2008. epd-Dokumentation 16/2007 11

Der Umgang mit MfS-Belastungen kirchlicher Mitarbeiter in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen1 / Einführung Von Walter Weispfenning / Dietmar Wiegand

»Stasi-Aufarbeitung in der Thüringer Landes- deskirchenrat. Dadurch, dass hier alle relevanten kirche«, Evangelische Akademie Thüringen, Fälle, wo es in den Stasi-Unterlagen eine Regis- Guthmannshausen, 29.9. - 1.10. 2006 trierung als IM gab, auch kurz geschildert wer- den, vermittelt der Bericht einen Eindruck, wie unterschiedlich die Fälle gelagert sein konnten. Es ist eine sehr breite Bandbreite, die sich hinter 1. Charakter und Inhalt des Berichts einer IM-Karteikarte verbergen kann. IM war bekanntlich nicht gleich IM. Wie jüngst die Bun- Der Bericht fasst die Arbeit des 1992 eingesetzten desbeauftragte Marianne Birthler noch einmal Überprüfungsausschusses zusammen. Er spiegelt betont hat, kann und darf nur der letztlich als IM wider, mit welcher Sorgfalt der Ausschuss geprüft gelten, der dies wissentlich und willentlich war.3 und auf welcher Grundlage der Landeskirchenrat bewertet und geurteilt hat. Warum der Landeskirchenrat in einer Reihe von Fällen zu Ergebnissen gekommen ist, die von den Vorangestellt ist dem Bericht eine Einleitung, in Auskünften des Bundesbeauftragten abweichen, der noch einmal an die wichtige Rolle der evan- wird im 4. Kapitel erläutert. gelischen Kirche vor und in der friedlichen Herbst-Revolution 1989 und an die zum Teil recht Der Bericht zeichnet sich dadurch aus, dass offen problematische öffentliche Debatte über »MfS- dargelegt wird und so auch nachvollzogen wer- Verstrickungen« der Kirchen seit Anfang der 90er den kann, wie der Landeskirchenrat vorgegangen Jahre erinnert wird. ist und wie und warum er zu seiner jeweiligen Bewertung gekommen ist. Er gibt durch diese Zudem wird der Gegenstand der Untersuchung Transparenz die Möglichkeit, dies nun auch an- abgesteckt. Es wird der Werdegang der Aufar- zufragen, das gewählte Verfahren und die Be- beitung durch den Landeskirchenrat in seiner wertungen und Beurteilungen kritisch zu hinter- Funktion als Dienstherr geschildert und dargelegt, fragen. Dieser Bericht ist zwar ein Abschlussbe- was vom Überprüfungsausschuss zu leisten war richt zur Arbeit des Überprüfungsausschusses, und was nicht. Denn klar ist, wie Landesbischof aber kein abschließender Bericht zu der Proble- Dr. Kähler im Geleitwort der Dokumentation matik insgesamt. Er will auch eine Diskussion schreibt: eröffnen.

»Über die Arbeit des Überprüfungsausschusses Im 5. Kapitel wendet sich der Bericht den Moti- und den vorliegenden Bericht hinaus werden wei- ven, den Beweg- und Hintergründen für eine tere Schritte zu gehen sein, um MfS- konspirative Zusammenarbeit mit dem MfS zu. Verstrickungen der Thüringer Landeskirche histo- risch und theologisch, seelsorgerlich und politisch Und schließlich wird im 6. und letzten Kapitel der aufzuarbeiten. Dazu gehört auch eine Darstellung, Weg der Aufarbeitung nach 1989/1990 mit der wie Gemeinden und Gemeindeglieder, wie Pasto- Aufarbeitung der NS- und DC-Belastungen nach rinnen und Pfarrer sowie andere kirchliche Mitar- 1945 verglichen. beiterinnen und Mitarbeiter durch die Nachstel- lungen und Repressionen des MfS in Bedrängnis gerieten, Nachteile oder gar schwere Verletzungen 2. Chronologie der (dienstherrlichen) erlitten, denn für die »Staatssicherheit« galt die Aufarbeitung Kirche stets als Feind.«2 „ Herbst 1990: Einsetzung eines Vertrauensrates Die Ergebnisse der Überprüfung werden im Ka- (Altbischof Ingo Braecklein, Kirchenrätin i.R. pitel 2 zunächst in Zahlen dargestellt. Im 3. Ka- Ingeborg Köhler, Oberpfarrer i.R. Werner Ull- pitel folgt eine Skizzierung aller Fälle, die nach rich). den Auskünften des Bundesbeauftragten für die „ Frühjahr 1991: Synodenbeschluss: Stasi-Unterlagen (auch »Gauckbehörde« genannt) »Alle Pfarrer und Kirchenbeamten sowie Sy- vom MfS als IM geführt worden waren, und des nodale sollen auf eine mögliche Mitarbeit beim Umgangs mit dem jeweiligen Fall durch den Lan- 12 16/2007 epd-Dokumentation

ehemaligen MfS hin überprüft werden; der 1. Kein Gespräch unter vier Augen. Landeskirchenrat wird gebeten, die erforderli- 2. Kein Treffen am neutralen Ort, immer Dienst- chen Maßnahmen zu treffen.« zimmer wählen. „ Januar 1992: Einrichtung eines Überprüfungs- 3. Kein Eingehen einer Schweigepflicht. Im Ge- ausschusses (Landesbischof Roland Hoff- genteil ist mitzuteilen, dass der Bischof ver- mann, OKR Walter Weispfenning, OKR Lud- ständigt wird.5 wig Große, Landesjugendpfarrer Christhard Wagner und der 3. Stellv. Vorsitzende der Die für die dienstrechtliche Beurteilung von MfS- Landessynode Dr. Gottfried Senff / beratend: Belastungen maßgeblichen Sammelrundschreiben Pfarrer Walter Schilling und Pfarrer Michael von Landesbischof Werner Leich enthalten An- Thurm) unter dem Vorsitz des Landesbischofs weisungen an die Pfarrer und kirchlichen Mitar- mit der Aufgabe, Auskünfte der »Gauck- beiter, Gespräche mit staatlichen Stellen nur in Behörde« für Entscheidungen von Landeskir- enger Abstimmung mit dem Superintendenten chenrat und Synodalvorstand vorzubereiten. und in der Regel unter Beteiligung eines weiteren „ August 1995: Beschluss des Landeskirchenra- kirchlichen Vertreters zu führen. Jede Pastorin tes, auch Oberkirchenräte und Super- und jeder Pfarrer, jeder und jede in der kirchli- intendenten im Ruhestand bis zum 75. Le- chen Mitarbeiterschaft konnten so wissen, dass bensjahr zu überprüfen. die konspirative Zusammenarbeit mit dem MfS „ November 1995: Bericht von Landesbischof eine Verletzung der Dienstpflicht war. Roland Hoffmann zur Aufarbeitung von Stasi- Verstrickungen.4 Wenn bestätigt wurde, dass der Kontakt mit Stasi- „ April 2003: Beauftragung von OKR i.R. Walter Leuten anderen gegenüber (bestenfalls dem Weispfenning durch den Landeskirchenrat, ei- Dienstvorgesetzten) offen gelegt wurde, war dies nen Bericht über den Umgang mit MfS- ein Entlastungsgrund. Die entscheidende Frage Belastungen zu verfassen. für den Landeskirchenrat war: Hat der Beschul- digte die Konspiration eingehalten (oder nicht) und sind Aufträge übernommen worden. Schwer 3. Grundlagen der Bewertung wog natürlich auch, wenn Geld oder Auszeich- nungen entgegengenommen wurden. Die Auskünfte des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen (siehe Anlage 1) bildeten eine Die Grundlinie und das gemeinsame Ziel im Grundlage, aber nicht die alleinige Bewertungs- Überprüfungsausschuss war, zu einem Bild und grundlage. Es sind hier auch die Auskünfte und Urteil zu gelangen, das auch einer rechtlichen Berichte von Zeugen und Aussagen der Betroffe- Überprüfung standhielt. Bei der Aufarbeitung des nen selbst eingeflossen. Dies ist u.a. ein Grund, Unrechts sollte möglichst nicht noch mehr bzw. warum der LKR zu anderen Bewertungen als der neues Unrecht geschehen. Deswegen auch der Bundesbeauftragte gekommen ist (siehe Anlage Grundsatz: »In dubio pro reo«. Im Zweifel kann 2). kein Urteil gesprochen werden.

Ein weiterer Grund für die unterschiedliche Be- Es war für die Mitglieder des Überprüfungsaus- urteilung ist, dass der Landeskirchenrat als schusses in vielen Fällen schwierig, zu einem Bild Dienstherr dem Grundsatz folgte: »In dubio pro und Urteil zu gelangen. In manchen Fällen gab es reo« (»Im Zweifel für den Beschuldigten«). Dies einen langen Prozess, wie zum Beispiel in dem bedeutete, dass in einzelnen Fällen es zu keiner Fall eines Juristen, der lange die MfS-Verstrickung letzten Beurteilung und somit auch nicht zu einer bestritt. Verurteilung kommen konnte.

Ein entscheidendes Beurteilungskriterium war, ob 4. Entwicklungen bei der Aufarbeitung die Konspiration gewahrt worden ist oder ob sich der Betreffende an die innerkirchlich vereinbarten Hinzuweisen ist auf die Entwicklungen, die es im Regeln, an die diesbezüglichen Anweisungen des Umgang mit der IM-Problematik allgemein und in Landesbischofs gehalten hatte. Die Regeln waren der Thüringer Landeskirche gab. Allgemein war in der Thüringer Landeskirche nicht nur wie in es ein gesamtgesellschaftlicher Lernprozess zu anderen Landeskirchen mündlich weitergegeben, begreifen, dass IM nicht gleich IM war, und dass sondern auch in zwei Sammelrundschreiben vom nur jemand als stasibelastet angesehen werden 26. Oktober 1983 und 29. April 1988 schriftlich darf, der willentlich und wissentlich dem MfS zu fixiert worden. Sie lauteten: Diensten war. Der Bericht referiert die Problema- epd-Dokumentation 16/2007 13

tik der IM-Registrierung, Umregistrierungen usw. sich die Überprüfung nach dem Stasi- usf.6 Unterlagengesetz nur auf Mitarbeiter beziehen, die zur Zeit der Überprüfung im Dienst der Kirche Im Blick auf den Umgang des Thüringer Landes- standen. Während Ruheständler entsprechend der kirchenrates mit den MfS-Verstrickten ist zu be- Regelung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (§ 21, merken, dass es eine Entwicklung gab von einem Ziff. 7 d) zunächst gar nicht überprüft wurden, Ansatz, auf das dienstrechtliche Instrumentarium beschloss der Landeskirchenrat im August 1995, zu verzichten, hin zur Anwendung desselben. Es hervorgehobene Funktionsträger, nämlich Ober- begann mit der Einsetzung eines Vertrauensrates. kirchenräte und Superintendenten, auch im Ru- Dieser Weg scheiterte. Auch der Versuch der hestand bis zum 75. Lebensjahr zu überprüfen. Aufarbeitung über Täter-Opfer-Gespräche blieb in kleinen Ansätzen stecken: »Als sich die drei ersten Diese beiden beschriebenen Einschränkungen Pfarrer unabhängig voneinander meldeten, wollte erklären auch, warum in dem Bericht einige Fälle der LKR das Zeichen setzen, dass eine rasche frei- nicht berücksichtigt werden, die in der Öffent- willige Aufarbeitung des Unrechts im Interesse von lichkeit viel Aufsehen erregt haben (z.B. die MfS- Kirche, Öffentlichkeit sowie von Opfern und Tä- Verstrickungen der ehemaligen juristischen Ober- tern möglich ist. Das Konzept des LKR war, dass kirchenräte Gerhard Lotz und Martin Kirchner). die Betroffenen für drei Jahre als Buße für das verübte Unrecht und, um Zeit zur Besinnung zu haben, aus dem Dienst ausscheiden – also ohne 5. Ergebnisse der Überprüfung Gehalt und unter Verlust der Rechte des geistlichen Standes – und dass in dieser Zeit das verübte Zunächst sei auf die 18 Fälle verwiesen, die von Unrecht in Opfer-Täter-Gesprächen aufgearbeitet der Stasi nicht gewonnen werden konnten (siehe wird. In zwei der drei konkreten Fälle ist dies zu Anlage 1). Manche wussten gar nichts von den einem guten Teil gelungen. Das zugrunde liegende Versuchen, andere ließen sich nicht gewinnen Konzept des LKR, die Stasi-Problematik auf diese oder arbeiteten eben nicht mit. Auch dies fördert Weise generell in Thüringen aufzuarbeiten, ist die Aufarbeitung zu Tage, wo Menschen trotz freilich gescheitert. Da sich die deutliche Mehrheit Bedrängnis und Druck sich nicht haben korrum- der in Stasi-Mitarbeit Verstrickten nicht gemeldet pieren lassen. 18 der 77 Registrierungen (also ein hat, bestand bei vielen Opfern und in Teilen der knappes Viertel) dokumentieren erfolglose An- Öffentlichkeit der Eindruck fort, Kirche wolle das werbungsversuche. fünf der 18 Fälle werden in wahre Ausmaß ihrer Einbindung in die Stasi- dem Bericht kurz skizziert. Verstrickung vertuschen.«7 Ungefähr dieselbe Zahl, nämlich 20 haben auf der Letztlich wurde mit dem dienstrechtlichen In- anderen Seite aber nachweislich wissentlich und strumentarium gearbeitet, aber eben nicht nur. Es willentlich mit dem MfS zusammengearbeitet, wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass es waren also Informanten des MfS. In acht der 20 zu einer Aufarbeitung weiterer Wege (und Ge- Fälle ist ein Disziplinarverfahren eingeleitet wor- spräche) bedarf. den. In einem Fall verstarb der Betreffende, in zwei anderen Fällen wurde ein Antrag auf Entlas- Auch gab es eine Entwicklung bezüglich des zu sung gestellt, sodass es letztlich zu fünf Verur- überprüfenden Personenkreises: Zunächst konnte teilungen gekommen ist.

Fall Strafmaß 62 Verpflichtung zum Pfarrstellenwechsel 63 Entzug der Pfarrstelle 64 Amtsenthebung (5 Jahre), Untersagung des Dienstes, Kürzung der Pension 65 Amtsenthebung (5 Jahre), Untersagung des Dienstes, Kürzung der Pension 66 Entlassung 14 16/2007 epd-Dokumentation

Zu den Motiven hat sich neben Walter Schilling 6. Motive der Mitarbeit auch Roland Hoffmann geäußert, so in seinem Bericht 1995 vor der Thüringer Landessynode, Warum nun haben sich einige nicht an die Regeln der in Auszügen auch in dem Beiheft der »Zei- gehalten? Warum waren Pfarrer zur Zusammen- chen der Zeit« abgedruckt worden ist.9 arbeit mit dem MfS, zur konspirativen Zusam- menarbeit bereit? In dem Bericht werden die ver- schiedenen Beweg- und Hintergründe der Zu- 7. Vergleich der Aufarbeitung nach 1945 und sammenarbeit in drei Gruppen eingeteilt und nach 1990 mehr oder weniger ausführlich betrachtet. Bei der ersten Gruppe könnte man von einer »Rollendif- Im 6. Kapitel des Berichts wird dargestellt, warum fusion« reden, bei der zweiten finden sich »Inte- der Landeskirchenrat die Aufarbeitung über weite ressenüberschneidungen« und bei der dritten Strecken nicht allein nach den Regeln des Diszip- könnte man von »Vorteilsnahme« reden. linarrechts vorgenommen hat. Diese Darstellung ist mit der Skizzierung des Umgangs nach 1945 Zur ersten Gruppe: Es handelt sich um Pfarrer, mit den NS- und DC-belasteten Pfarrern und an- die aus ihrer seelsorgerlichen Grundhaltung he- deren Mitarbeitern verbunden worden. raus dazu bereit waren, mit dem Menschen, der sie aufsuchte, Gespräche zu führen. Auch wird Die Thüringer Landeskirche stand in ihrer kurzen von Superintendenten berichtet (siehe z.B. Fall Geschichte seit 1920 bereits zweimal - nach 1945 39), die in ihrem Verständnis als Kirchenleitung und nach 1990 – vor der Notwendigkeit, in ihrem vor Ort Kontakte suchten bzw. pflegten. Raum von Pfarrern und anderen Mitarbeitern begangenes Unrecht aufzuarbeiten. Nach 1945 Zur zweiten Gruppe: Für die meisten kirchlichen führte die Aufarbeitung dazu, dass (etwa) 69 IMs war das hervorgehobene Motiv das Interesse Pfarrer »endgültig aus dem Pfarramt entlassen« an einem guten, störungsfreien Verhältnis von wurden; nach 1990 wurde (im Verhältnis dazu: Staat und Kirche. Hier wäre freilich noch einmal nur) ein Pfarrer durch Disziplinarurteil entlassen. zu differenzieren, warum und wozu der eine oder Schon dieser Zahlenvergleich lässt erkennen, dass andere dieses Interesse hatte. Grob skizziert: Zum die Schwere des begangenen Unrechts und die einen findet sich das Motiv in einer apolitischen, Tiefe der Verstrickung der handelnden Personen unkritisch staatsloyalen Haltung. Der Staat ist die nicht vergleichbar sind. Trotzdem ist es von Inte- auf jeden Fall anzuerkennende Ordnungsmacht. resse, sich bewusst zu machen, auf welch unter- Zum anderen gab es auch bei einigen wenigen schiedliche Weise das Unrecht jeweils aufgear- eine grundsätzliche Zustimmung zu dem SED- beitet worden ist. Staat und seiner Politik. Schließlich wollten einige etwas für ihre kirchliche Arbeit oder eben auch Bei einem Vergleich der beiden Vorgehensweisen für sich selbst gewinnen. Und damit sind wir bei lässt sich festhalten, dass die Kirchenleitungen der dritten Gruppe: »Vorteilsnahme«. beide Male die Aufarbeitung sehr konsequent versucht haben. Beide Male handelt es sich nicht Zur dritten Gruppe: Im Bericht überschrieben mit nur um das individuelle Unrecht Einzelner. In »Persönliche Vorteile«. Es ist hierbei nicht nur an beiden Perioden haben sich Pfarrer und andere materielle Vergünstigungen oder Reisemöglich- kirchliche Mitarbeiter in größere Nähe zum herr- keiten zu denken. »Manch einem der kirchlichen schenden System begeben, als es für den Auftrag Vertreter tat die bei den Besuchen der Führungsof- der Kirche gut war. Und beide Male war es nach fiziere zuteil gewordene Aufmerksamkeit staatli- dem Zusammenbruch des politischen Systems cher Vertreter einfach gut. Sie erlebten dadurch offenkundig, dass die enge Zusammenarbeit mit einen Bedeutungszuwachs, dass sie glaubten, als dem System der Glaubwürdigkeit von Kirche Grenzgänger zwischen Kirche und Staat im Ver- geschadet hat und auch aus diesem Grund eine borgenen Wichtiges bewegen zu können. Das war Aufarbeitung erfolgen musste. für sie ein persönlicher Gewinn.«8 Die Unterschiede freilich waren gravierend: Es könnten noch weitere Gruppen definiert wer- den. Es gab auch die, die in Bedrängnis und unter a) Diejenigen, die mit dem MfS konspirativ zu- Druck nicht widerstanden haben und dann aus sammengearbeitet haben, haben in der ihnen Angst und/oder mangelndem Mut sich nicht an- aufgetragenen kirchlichen Arbeit, insbesonde- deren Geschwistern offenbart haben. re als Gemeindepfarrer versucht, Kirche im Sinn des Bekenntnisses darzustellen. epd-Dokumentation 16/2007 15

b) Die DC-Pfarrer und Mitarbeiter haben hingegen Die von der Synode gewünschte Aufarbeitung des bekenntniswidrig gehandelt. Gesamtgeschehens unter Einbeziehung von Op- fer-Täter-Gesprächen konnte nur gelingen, wenn Es macht Sinn, dass in der schwierigen Situation die Pfarr- und Mitarbeiterschaft sich darauf ein- nach 1945 die Behandlung nach Recht und Dis- ließ. Da der Landeskirchenrat es als vorrangiges ziplinargesetz im Vordergrund stand. Bei der Ziel ansah, Klarheit über die Berechtigung von Aufarbeitung nach 1990 hatte für den Landeskir- IM-Belastungen zu schaffen und in der Vergan- chenrat Vorrang: die Weckung bzw. Vertiefung genheit geschehenes Unrecht positiv aufzuarbei- von Einsicht sowie Ermöglichung von Opfer- ten, versuchte er in Übereinstimmung mit dem Tätergesprächen und von Gesprächen in Pfarr- Überprüfungsausschuss, das Geschehen durch konventen und Gemeindekirchenräten. seine Entscheidung kirchenleitend abzuschließen: Durch Erklärung des Vertrauens, durch einfache Der Landeskirchenrat ist im Rahmen seiner Feststellung des Sachverhalts, gegebenenfalls Dienstaufsicht als Dienstherr tätig geworden; er auch durch die Wertung, dass er das Verhalten hat für die Aufarbeitung der IM-Vorwürfe gegen missbillige bzw. als Dienstpflichtverletzung wer- Pfarrer und andere kirchliche Mitarbeiter aber ein te. Verfahren eigener Art entwickelt, das Angst neh- men und seelsorgerliche Offenheit ermöglichen Dass es zur Aufarbeitung unzulässiger Zuarbeit sollte. Der ganze Komplex fand so z.B. in den für das MfS mehr bedurfte, dass insbesondere Personalakten keinen Niederschlag. Diese Aufar- Gespräche mit denen geführt werden mussten, beitung in einer Zwischenzone zwischen Dienst- über die Informationen geliefert worden sind, recht und seelsorgerlichem Umgang sollte ein gegebenenfalls auch Gespräche im Kollegenkreis, Klima schaffen, das nicht vorrangig von Angst mit dem Superintendenten, mit dem Gemeinde- und Misstrauen geprägt ist. Die – weitgehend kirchenrat, wurde ausführlich mit den Betroffe- unzulässigen – Veröffentlichungen angeblicher nen erörtert. In Einzelfällen wurden verbindliche, IM-Belastungen hatten in Teilen der Pfarr- und überprüfbare Auflagen gemacht. In der Regel sah Mitarbeiterschaft die Sorge geweckt, so gut wie sich der Landeskirchenrat aber darauf be- jeder könne Gegenstand von Verdächtigungen schränkt, Anregungen zu geben und den von ihm werden und diese Verdächtigungen könnten das für erforderlich gehaltenen Prozess zu initiieren. Miteinander in den Konventen vergiften. Viele Pfarrer waren durch die Sorge verunsichert und Dieses ganze auf Offenheit angelegte Verfahren sie stellten die Frage, ob man sich denn gegen konnte freilich nur eingehalten werden, wenn diese Vorwürfe überhaupt erfolgreich wehren sich eine Dienstpflichtverletzung nicht als beson- könne. Es wurde als später Sieg des MfS bezeich- ders schwer darstellte, denn dann leitete der Lan- net, wenn jeder belastende Hinweis in den Akten deskirchenrat ein Disziplinarverfahren ein. Das des MfS vom Dienstherrn als tatsächliche Belas- erfolgte dann nach den üblichen Regeln. tung angesehen werden würde.

Anlage 1: Anträge beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR

„ 773 Anträge „ 77 Einträge 669 Pfarrer im Dienst 18 Erfolglose Anwerbungen 86 Laiensynodale mit Stellvertretern 20 IM-Registrierungen, vorzeitig beendet 18 Kirchenbeamte 39 IM-Registrierungen bei Auflösung des MfS

Auskünfte des Bundesbeauftragten für die Un- „ 39 Belastungen terlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehe- 13 nur durch Karteikarte (keine Bewertung) maligen DDR 26 vom Bundesbeauftragten als belastet be- wertet 16 16/2007 epd-Dokumentation

Anlage 2: Bearbeitung durch den Landeskirchenrat

Der LKR hat unter Beteiligung des Überprüfungs- Von den 2 Belasteten, für die keine Auskünfte ausschusses 79 Fälle bearbeitet (die 77 Auskünfte eingeholt wurden der Gauck-Behörde und zusätzlich die Fälle von zwei Pfarrern, die sich von sich aus gemeldet und „ 2 IM die Zusammenarbeit mit dem MfS eingestanden haben, ohne dass es zu einer Anfrage an die Insgesamt Gauck-Behörde gekommen war). „ 20 IM (im Bericht die Fälle: 26-30, 39, 51-54, Von den 13 durch Karteikarten Belasteten 56-57, 59-66).

„ 2 pflichtwidriges Verhalten In 8 der 20 Fälle ist ein Disziplinarverfahren 7 kein IM eingeleitet worden. 4 abschließende Bewertung nicht möglich „ 1 Einstellung aufgrund Tod Von den 26 nach Auskunft des Bundesbeauftrag- „ 2 Entlassungen auf eigenen Antrag ten Belasteten „ 5 Verurteilungen

„ 16 IM (davon10 erheblich belastet) 6 kein IM 4 abschließende Bewertung nicht möglich

7 Ebenda, S. 21.

Anmerkungen: 8 Walter Schilling: Auch Inoffizielle Mitarbeiter hatten ehrenwerte 1 epd-Dokumentation, Nr. 40/ 2006. Motive. Über Stasi-Praktiken, Konspiration und Einfallstore in die Kirche. In: Stasi und kein Ende? Kirche und Staat in der früheren 2 Ebenda, S. 5. DDR und im vereinigten Deutschland. Dokumentation [des 15. 3 Marianne Birthler: Das Erbe der DDR. Unterwanderte Republik? SWI-Colloquiums am 7. Juli 1992 mit Christoph Demke und In: F.A.Z. vom 28.06.2006 (Nr. 147), S. 8. Walter Schilling] / bearb. von Rainer Volz (SWI-Colloquium; 15), 4 Zeichen der Zeit 51 / 1997, Beiheft 1: Überprüfungen auf Bochum 1993, S. 6-14. Stasikontakte in den östlichen Gliedkirchen der EKD. Dokumenta- 9 Roland Hoffmann: Bericht des Landesbischofs auf der 11. tion und Kommentar / hrsg. von Ludwig Große, Harald Schultze Tagung der VIII. Synode der Evang.-Luth. Kirche in Thüringen vom und Friedrich Winter im Auftrag des Kirchenamtes der EKD, 16. bis 19. November 1995 in Eisenach [zur Arbeit des Überprü- Leipzig 1997, S. 50-52. fungsausschusses]. In: Überprüfungen auf Stasikontakte in den 5 Werner Leich: Wechselnde Horizonte. Mein Leben in vier politi- östlichen Gliedkirchen der EKD. Dokumentation und Kommentar / schen Systemen, Wuppertal; Zürich 1992, S. 145-154, insb. S. hrsg. von Ludwig Große, Harald Schultze und Friedrich Winter im 153. Auftrag des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutsch- land [Zeichen der Zeit; 51 / Beiheft 1], Leipzig 1997. S. 50-52. 6 epd-Dokumentation, Nr. 40/ 2006, S. 40 ff. epd-Dokumentation 16/2007 17

Kirche und Stasi in Thüringen – Ein Blick von der Basis Von Pfarrer i. R. Walter Schilling

»Stasi-Aufarbeitung in der Thüringer Landes- Oder die vielen beabsichtigten und gescheiterten kirche«, Evangelische Akademie Thüringen, Werbungsversuche, und das sind weit mehr als in Guthmannshausen, 29.9. - 1.10. 2006. dem Aufarbeitungsbericht aufgeführt! Der Autor war Verantwortlicher in der Offenen Arbeit und beratendes Mitglied des Stasi- Sicher wäre das interessant und es ist bedauer- Überprüfungsausschusses der Evangelisch- lich, dass der Sonderbeauftragte diese Erfassun- Lutherischen Kirche in Thüringen. gen durch das MfS nicht mitteilt und die Einsicht erschwert, schade, sie können durchaus eine Art Ehrenrettung der Thüringer Kirche sein. Aber Ich muss Ihnen etwas gestehen: Sie sehen vor letztendlich ist auch das Schnee von gestern. sich einen Menschen, der nicht so richtig weiß, was er mit diesem Thema eigentlich soll. Oder soll ich erzählen, wie Menschen MfS und Kirche erlebt – und erlitten – haben? Auch das Soll ich referieren über das MfS, wie es in Thü- wäre vielleicht nötig, weil nach 17 und mehr ringen in der Kirche gearbeitet hat? Darüber ist Jahren langsam in Vergessenheit gerät, mit wie schon manches geredet und geschrieben worden viel Angst und Zittern das verbunden war, mit – wer wollte, konnte es hören und lesen. Und dem Gefühl der Ohnmacht und alleingelassen zu inzwischen ist es schmutziger Schnee von ges- sein, mit den hilflosen Versuchen, sich zu weh- tern. Interessant für Historiker, wichtig für Be- ren. Vielleicht wäre es auch nötig, damit der troffene, mitunter auch für Leute, die ihr Feind- Hintergrund für die Notwendigkeit der Aufarbei- bild brauchen und sich nicht von ihm trennen tung von Stasikontakten deutlicher wird. können. Es gibt sie nicht mehr, die Stasi, abgese- hen von ein paar Rückzugsgefechten, die eigent- Ich könnte das, am authentischsten von mir sel- lich nur noch lächerlich wirken. Dafür gibt es ber, denn ich hatte ja leider das Pech, von der neue und andere Strukturen der Macht – CIA, Stasi »bearbeitet« und »zersetzt« zu werden. Ich Hedgefonds, die Macht des Kapitals und und und könnte erzählen von Spitzel-Enttarnung und – müsste man nicht eigentlich darüber reden? -Befreiung schon 1959 (Spatz Keller), ich könnte Aber das ist nicht das Thema. erzählen vom ersten Besuch eines MfS-Mannes, das war so um 1963 herum, wo mir die Gnade Oder soll ich referieren über die »besondere Rolle der Eingebung zuteil wurde: »Ich werde von Ih- der Thüringer Kirche«? Von Anfang an hatte ich rem Besuch Hinz und Kunz erzählen« und »Wenn den Eindruck, dass das ein bisschen was mit der Sie denken, Sie könnten mich zum Spitzel ma- »Haltet den Dieb-Methode« zu tun hat und ein chen, dann haben Sie sich geschnitten.« Ich gefundenes Fressen für die Medien war – oder für könnte erzählen von dieser unseligen Geschichte profilierungssüchtige Historiker... Wir haben un- 1974: Versetzen oder Einsperren – und wie un- sere Frau Schütz und Provinz-Sachsen seinen brüderlich ich meine Kirchenleitung erlebt habe Detlef Hammer. und wie viele mir nicht glauben wollten, dass die bösen anonymen und pseudonymen Briefe vom Ich habe immer gesagt: Wenn die Thüringer Kir- MfS stammen. Ich könnte erzählen von der Bier- che besonders verstrickt war, wie behauptet wur- mann-Geschichte, von dem Brand in Saalfeld, de, dann hatte es das MfS auch besonders nötig. von den entdeckten verbotenen Büchern und der Soll ich also referieren über die vielen OV (Ope- Angst: na, wie viel Jahre werden es denn?, von rativen Vorgänge)? OV »Hai«, OV »Ufer«, »Stän- der Wanze und dem »Freund« , ker«, »Synodaler«, »Reaktionär«, »Spinne«, »Pris- vom Tod von Matz und der Dokumentation der ma«, »Krake«, »Lützen«, »Klerus«, »Unkraut«, Übergriffe der »Organe«, von der Angst um Lothar »Kessel«, »Würger«, »Milan«, »Kanzel«, »Hiob«, Rochau (aber das ist mehr eine provinzsächsische »Kreis«, »Qualle«, »Kreuz«, »Opposition«, »Para- Geschichte).. und und und... aber das widerstrebt sit«, »Jakob«, »Andreas«, »Magdalena«, »Ketzer«, mir. Anderen auch (Auch Sup. Große redet nicht »Barfüßer«, »Palme«, »Alternative«, »AFU«, »Bi- über die scheußlichen anonymen Briefe). Viel- bel«, »Drohne«, sogar OV »Merkwürden«... alle leicht, weil das nach Heldenepos klingen kann, schön in Anführungszeichen – und Unmengen vielleicht auch, weil das mein Leben ist und nie- OPK (Operative Personenkontrollen) noch dazu... mand anderen etwas angeht. Außerdem ist dafür die Zeit zu kurz. 18 16/2007 epd-Dokumentation

Natürlich kann es auch sein, dass Sie erwarten, Mächten unter dem Himmel, mit der Macht Sach- dass ich zum Thema dieser Tagung: Aufarbeitung zwang, der Macht des Geldes, der Macht des der Stasi-Verstrickungen referiere. Sicher kann Sicherheits- und Absicherungsdenkens, der Frage man bei dem Ergebnis in manchem anderer Mei- nach der Machbarkeit, die Macht von Ordnungen, nung sein – was übrigens gar nicht so häufig der Regeln und Gesetzen, was ist mit der Macht der Fall ist, schließlich war ich im Untersuchungsaus- Zukunftsangst und -sorge? Wenn wir denn schuss beteiligt, wenn auch ohne Stimmrecht. Christen sein wollen, haben wir einen Herrn, und Wir haben uns bemüht, wir haben es uns nicht der hat damals nicht gesagt: Selig seid ihr, wenn leicht gemacht, wir haben es gar nicht so schlecht ihr euch um des lieben Friedens willen anpasst, gemacht, hundertprozentig ist das Ergebnis nicht. sondern: Selig seid ihr, wenn ihr um meines Na- Aber hat jemand etwa die Quadratur des Kreises mens Willen verfolgt werdet. erwartet? Und er hat nicht gesagt, ihr seid dafür da, behütet Und was heißt eigentlich »Basis«? Die Gruppen? und unbeschadet durchs Leben zu kommen, son- Die Gemeinden? Die Jugendarbeit? Auch die Kir- dern ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe. chenleitung ist Basis. Und was ich euch in die Ohren flüstere, das schreit laut heraus. Und das sagt er heute auch. Wir haben doch alle in den »Landschaften der Lüge« (Jürgen Fuchs) gelebt. Oder muss ich sogar Also nicht ein Blick von der Basis, eher einer aus im Präsens reden? der Höhe. So gesehen haben wir alle zu wenig geglaubt, zu wenig bekannt und wären viel lieber Ich denke, dass es bei diesem Thema um mehr auf dem breiten als auf dem schmalen Weg ge- geht; nämlich um die Frage: Wie konnte es dazu gangen. Das soll bitte keine Gleichmacherei sein kommen, dass ein geheimer Machtapparat – der nach dem Motto: wir sind doch alle schuldig. doch auch aus Menschen besteht – eine solche Aber die Aufarbeitung wäre besser gelungen, Macht über Menschen gewinnen konnte? Dass er wenn wir nicht als Richter gesehen worden wä- Angst und Schrecken verbreiten konnte. Dass er ren oder als sogenannte »Aufklärer«, wenn nicht Anpassung erzwingen konnte, mehr oder weniger gar »Stasijäger«, sondern als genauso angefochte- – denken Sie an das »Zettelfalten« zur Volkswahl ne Brüder. Von Anfang an litt der Untersu- oder die Jugendweihe. Dass er uns zur Absiche- chungsausschuss darunter, dass er vor allem von rung vor möglicher Gefährdung zwang. Dass er rechtlichen Erwägungen bestimmt war: Dienst- uns »um des lieben Friedens willen« zum Taktie- recht, Dienstpflichtverletzung, Ordinationsgelüb- ren zwang. Dass er uns die Regeln der Konspira- debruch. So flüchteten sich viele in Schönfärberei tion aufzwang – warum nur haben wir nicht of- und auch Lügen, weil Strafe drohte. fen über die Stasi geredet? – ich werfe mir vor, dass ich es erst 1986 öffentlich wagte. Dass er uns Als bekannt wurde, dass Konstantin Stanescu IM schuldig machte – mehr oder weniger. Und auch war, sind wir zu zweit zu ihm gegangen, der eine das: Wie konnte es dazu kommen, dass er Men- als Klagender, der andere als Versteher. Das Ziel schen, die in diesem Apparat arbeiteten, so ver- war nicht, ihn zu überführen, sondern mit ihm biegen konnte, dass für sie der Zweck jedes Mittel zusammen einen Weg zu suchen, wie er mit dem, heiligte, ohne alle Moral. Und es war ja nicht nur was nun einmal geschehen ist, und aller Konse- dieser geheime Machtapparat, auf den sich dann quenzen daraus leben kann. Ziel war, dass er fatalerweise alles konzentrierte, es war ja auch sein Schuldiggewordensein und die Konsequen- die Partei, die Blockparteien, die Nationale Front, zen daraus annehmen und bejahen kann, ohne die Jungen Pioniere, die Schule, die Hygiene, die jeden Zwang. Das war nicht in einer halben Feuerwehr und und und.. Wir haben uns zwin- Stunde geschehen, nach langer Zeit kam sein gen lassen, mehr oder weniger, sogar Ablehnung Entschluss zustande, am nächsten Tag von sich kann gezwungen sein. Haben wir uns abhängig aus um Entlassung aus dem Dienst zu bitten. Bei machen lassen, indem wir auf die Stasi starrten Siegfried Nenke ist das nicht ganz so gut gegan- wie das Kaninchen auf die Schlange oder indem gen, das Angebot des Wartestandes war halbher- wir den Kopf in den Sand steckten um das Böse zig, wir sind leider auch nicht drangeblieben. Es nicht zu sehen? Und die »herrliche Freiheit der gibt noch andere Bemühungen dieser Art – auch Kinder Gottes«? »Warum seid ihr so kleingläu- bei Nicht-Pfarrer-Freunden. Schwierigkeiten big«? machten allerdings manchmal sogenannte Opfer, die nicht offen genug waren für Gespräche. Als Ist das wirklich nun alles Vergangenheit? Die der ehemalige MfS-Offizier mir zum Geburtstag Stasi ja, aber was ist mit den neuen, anderen gratulieren wollte mit den Worten: ich habe das epd-Dokumentation 16/2007 19

Gefühl, ich muss was gutmachen – er hatte mich Das gilt ja auch für die sogenannten »Opfer«: die zum Fünfzigsten mit dem Ziel besucht, mich zu Beschädigungen der Seele erfordern oft auch kompromittieren – da stieß das bei meinen anwe- professionelle Hilfe und Heilung. Und wenn nicht senden Freunden auf harte Ablehnung. die, dann doch wenigstens Rehabilitation. Ist die geschehen? Wohl eher nein. Wenn es so ist, dass Ich habe gehofft, dass sich mehr solche Gruppen es um krank gemachte Seelen geht, dann konnte von Freunden finden, die einen solchen Umgang eine Befragung nicht ausreichen, schon gar nicht mit diesem Thema suchen. Vielleicht habe ich es das – durchaus seelsorgerliche – Suchen nach nicht laut genug gesagt, außerdem fehlte vielen einer angemessenen dienstrechtlichen Beurtei- einfach das Wissen zur IM-Problematik, es fehl- lung. Dann ist ein langer, durchaus schmerzhafter ten ihnen auch die erforderlichen schriftlichen Heilungsprozess nötig, wie in einer Selbsterfah- Belege, die man gemeinsam hätte prüfen können. rungsgruppe. So etwas wie die Wahrheitskom- Es war wirklich das Beste, was geschehen konn- mission in Südafrika, das wäre es gewesen, dar- te, dass ich mit einem Freund, der IM gewesen auf sind wir nicht gekommen, sie ist dort ja auch war, und seinem ehemaligen Führungsoffizier erst 1992 erfunden worden. Ich bin übrigens ü- zusammen (der äußerst seltene Fall, dass dieser berzeugt, dass die Leute, denen an der rückhalt- kooperativ war) die IM Akte durchsprach und losen Aufklärung lag – und die deswegen genug aufarbeitete. Der Überprüfungsausschuss hat sich angefeindet wurden – ich gehöre dazu und emp- redlich bemüht, die seelsorgerliche Behandlung finde die Bezeichnung »Aufklärer« als diskrimi- jedes Falles zu beachten. Mit der Drohung des nierend – eben dies antrieb (oft mehr unbe- Disziplinarrechts im Rücken war leider nicht wusst): eine durch die Konspiration krank ge- möglich, die nötige Offenheit zu erreichen. Es ist machte Gesellschaft kann nur durch radikale schon bedrückend, zu hören, dass nach langen Offenlegung geheilt werden, nur die setzt den Jahren des Abstreitens ein Teilgeständnis erfolgte schmerzhaften Prozess der Heilung in Gang. Sie- – nur. Es war nur einer (abgesehen von den vor- he die Hallenser Stasilisten und mein Satz: Barm- her Genannten), der von sich aus rückhaltlos herzigkeit ja, aber nur über den bitteren Weg der alles zugab, nachdem er uns zuerst die Hucke Erkenntnis. Ich hatte gehofft, dass das gerade im vollgelogen hatte. In einem Gespräch unter vier Raum der Kirche vorbildhaft geschieht, aber das Augen – da drohte nicht das Disziplinarrecht – war dann wohl zu viel erwartet. hat ein Nicht-Pfarrer (in der Diakonie beschäftigt gewesen), mir sogar mit dem Staatsanwalt ge- Alles in allem: Wir haben uns bemüht. Es hätte droht. schlechter, aber auch besser sein können. Es bleibt ein unbefriedigendes Gefühl. Vielleicht Ich habe mein Leben lang die gratia praeveniens, muss das sogar so sein, damit wir uns nicht be- die zuvorkommende Gnade, geglaubt. Und nun friedigt zurücklehnen und sagen, ei, wir haben‘s habe ich mich schon gefragt, warum diese ausge- geschafft, sondern unruhig und wachsam bleiben: streckte Hand nicht ergriffen wurde. Warum Hütet euch vor den Mächten und Zwängen der trotzdem abgestritten, schöngefärbt, ausgewi- Konspiration. Hütet euch vor allem Taktieren, chen, gelogen wurde. War das wirklich nur die eure Rede sei ja, ja oder nein, nein. Bedenkt, dass Angst vor drohender dienstrechtlicher Konse- ihr in der Nachfolge den beschwerlichen schma- quenz? Konnte es nicht auch sein, dass die Macht len Weg zu gehen habt, nicht den unbeschwerten der Konspiration, das geführte Doppelleben, breiten Weg. Hütet euch davor, auseinanderdiffe- krank gemacht haben? Konnte es sein, dass das renziert zu werden, das Wort Brüderlichkeit – etwas mit dem bösen Geist samt seinen sieben und Schwesterlichkeit – darf nicht zur Floskel Mitgeistern zu tun hat? (Ich kenne ein paar Leute, verkommen. Trachtet nach Gerechtigkeit, nicht wo das sogar physisch krank gemacht hat). Wenn vorrangig nach der justiziellen, formalen, sondern das so ist, dann ist Heilung, Therapie erforderlich, nach der Gerechtigkeit, die mit Schuld, Irrtum dann ist das Recht, aber auch die Barmherzigkeit und Verletzung – ohne sie kleinzureden – Leben zu wenig. Dann waren wir, Untersuchungsaus- ermöglicht. schuss und auch Kirchen, überfordert. Ein letztes Wort: Das letzte Wort haben wir alle nicht. 20 16/2007 epd-Dokumentation

Kontakte zu Geheimdiensten als theologische Herausforderung: Blicke aus und in die Partnerkirchen Von Dr. Rainer Stahl

»Stasi-Aufarbeitung in der Thüringer Landes- wicklung in Politik und Gesellschaft wurde erst kirche«, Evangelische Akademie Thüringen, unter der Regierung von Mikuláš Dzurinda im Guthmannshausen, 29.9. - 1.10. 2006. Jahr 1999 ein »Institut des Gedächtnisses der Der Autor ist Geschäftsführer des Martin Lu- Nation« gegründet.3 Im Internet ist eine erweiterte ther-Bundes und war ehemals persönlicher gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit dieses Referent von Landesbischof Hoffmann. Instituts greifbar, die sogar erst vom 19.8.2002 datiert und interessanterweise alle Diktaturperio- den des 20. Jahrhunderts gemeinsam in den Blick Als Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche nimmt: »managing and using documents of secu- in Thüringen, der zur Zeit für das evangelisch- rity authorities of the German Third Reich and of lutherische Diasporawerk, den Martin-Luther- the Union of Soviet Socialist Republics, as well as Bund, arbeitet, bin ich gebeten worden, einige security authorities of the State, which were cre- Einsichten in thesenhafter Form in unsere Refle- ated and collected in the period from April 18th, xion einzubringen. Besonderes Ziel meiner Über- 1939 to December 31st, 1989 (hereinafter referred legungen ist die ansatzweise Einbeziehung der to as ‚crucial period‘)...« – § 1.b.4 Erfahrungen und Herausforderungen unserer Partnerkirchen in den Staaten, die früher – wie Diese Behörde differenziert für die sozialistische die damalige DDR – zum sowjetischen Imperium Zeit zwischen drei Kategorien: »‘dôverník‘ (Ver- gehört hatten. Neben vielen Eindrücken und Beo- trauten)«, was meist den ersten Anfang von Ver- bachtungen aus der Gemeinschaft mit unseren bindungen bezeichnet, »Kandidaten der geheimen Partnerkirchen stehen Erkenntnisse im Hinter- Zusammenarbeit«, die »sich die ŠtB ausgesucht grund dieser Thesenreihe, die im Rahmen mehre- hatte und zur Zusammenarbeit zwingen wollte«, rer kirchengeschichtlicher Tagungen zur Situation und »Agenten«, Personen, »die mit der kommu- der Kirchen im Machtbereich des sowjetischen nistischen Geheimpolizei zwischen 1948 und Imperiums vorgelegt worden waren – nämlich für 1989 zusammengearbeitet haben, manche relativ die Zeit seiner Entstehung, während seiner Kon- aktiv und freiwillig, andere unter Druck«.5 solidierung, in der Phase seines Zusammenbruchs 1 und in den Jahren nach 1989. Zu allen genannten Kategorien gibt der staatliche Text aber einen entscheidenden Hinweis: »The registration of these persons (...) has only condi- These 1: Den ersten Bezugsrahmen stellt die tional character. It does not attest a conscious staatliche Gesetzgebung heute zu diesem collaboration, but expresses only the intention of Problemfeld dar. the ŠtB organs to enlist the persons, which have been so registered for a future conscious collabo- Insofern – allgemein gesehen – die Organisati- ration.«6 onsformen von Kirche immer in Anlehnung an die staatlichen und gesellschaftlichen Normen Die Problematik der »Motivation« – wenn ich so gestaltet wurden und werden, bedarf es auch bei sagen darf – wird auch darin greifbar, dass die der Aufarbeitung von Verflechtungen kirchlicher Kontakte des Geheimdienstes häufig dann began- Mitarbeiter in die Mechanismen von Geheim- nen, wenn deutlich wurde, dass jemand gegen diensten guter gesetzlicher Regelungen seitens das Interesse des Regimes handelte. Die Verhöre des Staates. Im eigenen Interesse sollten sich die führten dann oft dazu, dass dieses Opfer zu Tä- Kirchen dafür einsetzen, dass für diesen Spezial- tigkeiten im Sinne des Geheimdienstes gezwun- fall der disziplinarischen Regelungen möglichst gen wurde und Aufgaben mit Blick auf seine schnell gute staatliche Vorgaben erarbeitet und Umwelt übernahm. Hier war neben den schon erlassen werden. Wir in Deutschland haben hier benannten Gesichtspunkten eine sehr vielfältige seit dem 29.12.1992 das »Stasi-Unterlagen-Gesetz« Praxis üblich – greifbar in Begriffen und Katego- (StUG) als gute Grundlage. rien wie »Signal«, »feindliche Person«, »Person unter Überprüfung«.7 Beispielhaft sei hier die Situation in der Slowakei kurz angedeutet:2 Nach ersten gesetzlichen An- läufen schon 1991 und widersprüchlicher Ent- epd-Dokumentation 16/2007 21

Schon diese wenigen Andeutungen zeigen ein- hen, so differenziert wie möglich zu handeln. In mal, wie wichtig heute eine gute staatliche diesem Zusammenhang besteht auch die Not- Grundlage ist. Sie belegen zum anderen aber wendigkeit, kirchengeschichtliche und allgemein- auch, wie notwendig eine eigenständige kirchli- geschichtliche Forschungsarbeit zu leisten. Denn che Rezeption sowohl der formalen gesetzlichen die jeweiligen Entscheidungsherausforderungen Voraussetzungen als auch der inhaltlichen Infor- waren ja immer mitgeprägt von den konkreten mationen ist, die aus den Dokumenten der Ge- gesellschaftlichen Bedingungen. Von diesen kann heimdienste zu gewinnen sein werden. auch bei Bewertungen möglicher Kontakte mit Geheimdiensten nicht abgesehen werden. Ich möchte aus einer Stellungnahme von Bischof These 2: Die Kirche hat für ihre Urteilsfindung Vladislav Volný, Schlesische Evangelische Kirche eigenständig Kriterien zu benennen und A.B. in der Tschechischen Republik, beispielhaft Gremien zu schaffen. wichtige Gesichtspunkte vorlegen:

Um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen hat die a) Alle Staatsorgane waren Instrumente staatli- Kirche die Herausforderung der Behauptungen cher Unterdrückung der Kirchen und ihrer Ar- geheimdienstlicher Dokumente inzwischen kolla- beit. Die Verbindung zur Staatssicherheit ist bierter Staaten anzunehmen und eigenständige gleichwohl nicht immer klar gewesen, sondern Verfahrenswege zu entwickeln sowie inhaltliche erst nach dem Jahr 1989 allen eindeutig be- Kriterien zu erarbeiten, die vermuten lassen, dass wusst geworden. man zu Ergebnissen gelangt, die zuallererst in der Kirche allgemein akzeptiert werden. Ob diese b) Alle Geistlichen und kirchlichen Mitarbeiter Ergebnisse dann auch in die außerkirchliche Ge- sind vom Staat bezahlt gewesen und mussten sellschaft kommuniziert werden können, darf deshalb engen Kontakt mit den staatlichen nicht vordergründiges Motiv kirchlicher Arbeit Stellen pflegen. Ohne staatliche Einwilligung sein. Wir in Deutschland haben die Erfahrung konnte eigentlich nichts geschehen. Sie war gemacht, dass die außerkirchliche Gesellschaft notwendig, »um Theologie studieren zu dür- vor allem durch undifferenzierte Beschuldigungen fen, um ordiniert zu werden, um in einer Ge- und durch die Demontage von kirchlichen Mitar- meinde angestellt zu werden, um als Pfarrer beitern interessiert wurde. Sobald aber differen- gewählt werden zu können«. In den 50er und ziert und genau bei der Aufarbeitung gearbeitet 70er Jahren war sie sogar notwendig für die und dabei deutlich wurde, dass in der sozialisti- Durchführung von Gottesdiensten, Taufen, schen Zeit verantwortungsbewusst und differen- Trauungen und Beerdigungen in einer anderen ziert sich verhalten und entschieden worden war, als der eigenen Gemeinde. Und natürlich war war oft kein markantes Interesse seitens der au- sie notwendig für die Wahl in kirchliche ßerkirchlichen Gesellschaft feststellbar.8 Genau Funktionen (Senior, Mitglied des Kirchenrates, dieselbe spannungsreiche Erfahrung konnte z.B. Bischof) sowie bei dienstlichen Reisen ins auch in Ungarn gemacht werden.9 Ausland. Alle diese Bewilligungen wurden auf Grund der Überprüfung eines Kandidaten Eine durchaus kirchenkritische Stellungnahme durch die Staatssicherheit gegeben.11 Uns ist aus ungarischem Kontext – aus der Feder von Pál sofort klar, dass in einem solchen Umfeld an- Zászkaliczky – hebt hervor: »Es ist ein Anlass zur dere Entscheidungen getroffen worden sein Scham, dass die Kirche, die über eine so uner- können, als viele von uns für möglich gehal- schöpfliche Kraft wie Buße und Vergebung ver- ten hätten. fügt und deren Pflicht der Aufbau von rein menschlichen Beziehungen ist, nicht von sich selbst und von ihren Funktionären vollständige These 3: Notwendig ist ein vorsichtiger Transparenz verlangt. Diesen Schritt hätte man Umgang mit dem Aktenmaterial aller sofort nach dem Zusammenbruch des Kommu- kommunistischen Staatssicherheitsdienste als nismus gehen müssen. Das ist damals nicht ge- antikirchlicher Institutionen par excellence. schehen, so dass es heute unser Schicksal bleibt, statt der befreienden Selbstreinigung noch immer Trotz aller Mängel, die auf unserer Konferenz die Last der Vergangenheit mit uns herumzu- schon benannt worden sind, hat der Überprü- schleppen.«10 fungsprozess in unserer Thüringer Kirche gute Maßstäbe gesetzt und einen wirklich verantwor- Umso wichtiger ist es, sowohl vom Verfahren als tungsbewussten Umgang geleistet. Alle zu be- auch von der inhaltlichen Entscheidung her gese- nennenden Mängel sind nicht überraschend, weil 22 16/2007 epd-Dokumentation

Kirche keine »reine« Gesellschaft sein kann (vgl. nicht in der Absicht, Sensationen zu erhaschen, These 4). Ein vorsichtiger und verantwortungs- sondern auf christliche Weise, indem wir einer voller Umgang mit den Hinweisen aus dem Ak- des anderen Last tragen und bereit sind, um Ver- tenmaterial von Geheimdiensten stellt die beste gebung zu bitten und zu vergeben.«14 Gewähr dafür dar, dass im Aufarbeitungsprozess nicht wieder neue Schuld aufgehäuft wird – nun Dabei fußten seine Äußerungen auf einem Be- an vermeintlichen Tätern der Vergangenheit. schluss der Generalversammlung seiner Kirche Dabei benenne ich eine besondere Gefahr: In die vom 13. März 2005, »einen sachverhaltsklärenden Aufarbeitung von Vergangenheit können sich Ausschuss mit vier Mitgliedern zu gründen«, mit ganz andere Interessen einschleichen, unter dem »einem Theologen, einer Historikerin, einem Ar- Deckmantel der Aufarbeitung von Vergangenheit chivar und einem Juristen«,15 »um alle zur Verfü- können ganz andere Rechnungen beglichen wer- gung stehenden Dokumente zur Agentenvergan- den – nämlich solche innerkirchlicher Macht- genheit von belasteten Personen zu verarbei- kämpfe im ausgehenden 20. und im beginnenden ten«.16 Der Arbeit dieser wichtigen Kommission 21. Jahrhundert.12 Aus der Distanz der histori- kann ich von hier aus nur gute Nerven, Durch- schen Forschung wurde diese Problemlage durch haltevermögen und die Bereitschaft zur Versöh- Katharina Kunter in Sandbjerg mit der Formulie- nung wünschen. rung benannt, dass die Auseinandersetzung »aus der Perspektive der erfolgreichen Beendigung des Kalten Krieges erfolgte«. Es werde »häufig zudem These 4: Die Auseinandersetzung mit dem eine moralische Beurteilung der Geschichte nach Phänomen möglicher Geheimdienstkontakte den Kategorien ‚falsch‘ und ‚richtig‘« angestrebt verlangt die kreative Rezeption theologischer und »sich von der Beantwortung dieser Frage Grundentscheidungen unserer Bekenntnis- zugleich eine Orientierung für den zukünftigen tradition für die Inhaberinnen und Inhaber des Weg der Kirche« erhofft. »Daher lässt sich retro- kirchlichen Amtes von Predigt und spektiv feststellen, dass diese Debatten selbst Teil Sakramentsverwaltung. des Transformations- und Selbstverständigungs- prozesses von Kirche im Postsozialismus darstel- Auch unter der Definition aller getauften Glau- len.«13 Schon von dieser Gefahr her gesehen, wäre benden als Priesterinnen und Priester und der es auch in unseren Partnerkirchen unabdingbar Einsicht in die Notwendigkeit eines diesen Pries- nötig gewesen, die Aufarbeitung von Kontakten terinnen und Priestern dienenden Amtes der Pre- zu Geheimdiensten so frühzeitig wie möglich in digt und Sakramentsverwaltung – also eines Am- Angriff zu nehmen. Vielleicht ist vieles, was jetzt tes der Kirche – besteht keine Chance, die Kirche erst begonnen wird, schon zu spät. als »reine Gesellschaft« zu organisieren. Kirche bleibt immer eine gebrochene und anfechtbare Der neue Bischof der Nord-Diözese der Evange- Gemeinschaft der gerecht Gesprochenen und der lisch-Lutherischen Kirche in Ungarn, Dr. Tamás bleibenden Sünder. Verflechtungen mit Geheim- Fabiny, hat in seiner Antrittsrede nach seinem diensten sind ein konkreter Erfahrungsbereich Einführungsgottesdienst in der Kirche in Miskolc dieses bleibenden Sünderseins, das das Gerecht- am 25.3.2006 auch unsere Herausforderung ange- Gesprochen-Sein nicht aufhebt. Das gilt auch für sprochen: »Es bleibt noch etwas zur Aufarbeitung die Frauen und Männer, die im Amt der Kirche der jüngsten Geschichte zu sagen. Diese noch dienen. Sie sind keinen höheren Maßstäben aus- ungeklärte Frage erwähne ich bewusst im Zu- zusetzen als die Priesterinnen und Priester, d.h. sammenhang mit den renovando-Aufgaben im als alle getauften Glaubenden. Wenn an ihnen innerkirchlichen Leben. Es wäre nicht gut, wenn konkrete Formen der bleibenden Sündigkeit fest- wir bei dem Versuch, unsere Vergangenheit gestellt werden – z.B. diejenige der Kapitulation wahrzunehmen und aufzuarbeiten, nur den welt- vor der Herausforderung durch Geheimdienste -, lichen Wissenschaftlern und Historikern und der ist deshalb ihr Dienst im Amt der Kirche weiter- Boulevard-Presse hinterherhinkten und damit hin gültig, kann ihnen zugebilligt werden, dass stets im Hintertreffen blieben. Das gilt auch für sie – um die Sprache, nicht die Intention, des die so genannte Agentenfrage. Die Karteikarten Donatismus aus dem beginnenden 4. Jh.n.Chr. zu von Künstlern, Sportlern und Personen des öf- rezipieren – das Wort Gottes recht verkündigt fentlichen Lebens, die gerade in den letzten Mo- und die Sakramente gültig verwaltet haben. Von naten auf zuweilen manipulative Art in die Öf- dieser reformatorischen und katholischen Be- fentlichkeit gelangten, machen uns deutlich, dass stimmung des Wesens der Gemeindeglieder und das in der Kirche auch anders geschehen könnte. der Amtsträgerinnen und -träger her gesehen, Nicht infolge von Erpressung oder Drohung, auch hätte ich mir eine sehr viel angstfreiere und ge- epd-Dokumentation 16/2007 23

lassenere Art des Umgangs mit der Möglichkeit sen. Diese evangelisch-lutherische Differenzie- von Geheimdienstkontakten gewünscht. Diese Art rung lehrt zu erkennen, dass Gott und Christus hätte damit beginnen müssen, dass die Ver- gerade auch in der Kirche »mit der Linken« Ord- strickten ihre Verstrickung von sich aus ange- nung strukturieren! Die Aufarbeitung von Ge- sprochen hätten. Das ist erstaunlicherweise we- heimdienstkontakten ist der Aufspürung solcher der in unserer Thüringer Kirche so gewesen, noch Ordnungen Gottes und Christi »mit der Linken« nicht in unseren Partnerkirchen – von ganz weni- verpflichtet. gen Ausnahmen abgesehen. Eine ganz schlichte Folge dieser Einsichten ist die Hier möchte ich eine persönliche Beobachtung Anerkenntnis der Tatsache, dass es unter Pfarre- einfügen: Bei meiner Ordinationsrüstzeit im rinnen und Pfarrern unterschiedliche politische Herbst 1981 habe ich miterlebt, wie Landesbi- Überzeugungen und Entscheidungen geben und schof Leich uns Ordinanden gegenüber seine das Recht auf solche verschiedenen Überzeugun- Dreierregel für den Umgang mit der Staatssicher- gen auch bei der Erforschung möglicher Geheim- heit vorgetragen hat: »1. Kein Gespräch unter vier dienstkontakte nie infrage gestellt werden darf. Augen, 2. Kein Treffen am neutralen Ort, immer Klar geregelte Engagements kirchlicher Amtsträ- Dienstzimmer wählen, 3. Kein Eingehen einer ger für gesellschaftliche und politische Ziele Schweigepflicht. Im Gegenteil ist mitzuteilen, betreffen das Regiment Gottes und Christi »zur dass der Bischof verständigt wird.«17 Und ich Linken« und sind prinzipiell zu tolerieren. Diese nahm an, dass er dies nur wegen mir in unserer Anerkenntnis der Vielfalt politischer Entschei- Runde gesagt hatte, sollte ich doch ab Herbst dungsmöglichkeiten in unseren Kirchen muss 1982 als Referent des Generalsekretärs des Luthe- aber einhergehen mit einer bewussten theologi- rischen Weltbundes nach Genf gehen. In Erinne- schen Kritik aller – ich unterstreiche: aller!, – rung an diese Erfahrung wurde mir zu Weih- politischen Messianismen: »Das Evangelium ent- nachten 1989, das ich bei meiner Mutter in der ziffert uns Erlösung im Horizont des souveränen Bundesrepublik verbrachte, bewusst: Hätte dich Gotteshandelns und verweigert die soteriologi- die Staatssicherheit »getatzt«, würdest du gleich sche Aufladung des Bemühens um soziale Ge- im neuen Jahr in Eisenach anrufen und sagen: rechtigkeit, des Bemühens um Frieden, aber auch »Herr Landesbischof, ich muss dringend mit Ih- des Bemühens um nationale Identität und nen sprechen.« Diese Haltung meinerseits hatte Marktwirtschaft. Nichts und niemand kann neben natürlich zur Voraussetzung, dass der Vorgesetz- dem Heilshandeln Gottes soteriologische Ansprü- te, mit dem zu reden ich bereit gewesen wäre, che erheben« – so Michael Beintker auf der schon durch sein Verhalten in der Zeit des Lebens und mehrmals zitierten Tagung in Sandbjerg im Mai Arbeitens unter diktatorischen Bedingungen in 2005.19 der Gesellschaft und unter den Herausforderun- gen eines Geheimdienstes selbst so gewirkt hat – Im direkten Fortgang benennt er die Sachausei- von möglichen Konflikten einmal abgesehen, die nandersetzung, die sich im Umfeld der Aufarbei- es immer gibt –, dass sich Vertrauen hat bilden tung von Kontakten mit sozialistischen und können. kommunistischen Geheimdiensten ergibt und die im Stile theologischer Dispute geführt werden muss, nicht aber im Stile einer Abrechnung am These 5: Immer ist die Möglichkeit der Vielfalt Problemfeld der Geheimdienstkontakte erledigt politischer Entscheidungen in unseren werden darf: »Die Verkennung dieses fundamen- evangelischen Kirchen zu achten. Wegen talen Sachverhalts war regelmäßig das Einfallstor dieser Vielfalt sind um politische für die theologische Verklärung des Marxismus... Entscheidungen bewusste theologische Der gleiche Fehler begegnet immer noch in den Auseinandersetzungen zu führen. sozialprotestantischen Strömungen des Westens, die es anscheinend bisher nicht begriffen haben, Die Auseinandersetzung um mögliche Geheim- dass der Schalom Gottes nicht zu unserer Verfü- dienstkontakte darf nicht zu einer tatsächlichen, gung steht, und die offenbar die alten Sozialuto- aber möglicherweise unreflektierten politischen pien durch den eingetretenen Parusieverlust hin- Abrechnung führen. Sondern hier hat sich die durchretten wollen.«20 Tragfähigkeit der theologischen Verhältnisbe- stimmung von Glauben und Wissen, von Kirche und Welt, von Evangelium und Gesetz18 im Sinne des Denkmodells von den beiden Regierweisen Gottes – übrigens dann auch Christi! – zu erwei- 24 16/2007 epd-Dokumentation

These 6: Alle Urteilsfindung hat unter dem These 7: Die Differenzierung zwischen Sünde Vorbehalt zu erfolgen, dass uns abschließende und Schuld hilft zum theologisch und ethisch Urteile über Menschen verwehrt sind. verantwortlichen Umgang mit den Taten der Vergangenheit. Die Exekution des »Jüngsten Gerichts« – auch in einem Mini-Format – ist uns entzogen. Gott ist es, Klara Butting arbeitet in ihrer Studie »Unsere der sagen kann: »Mir steht Ahndung und Zahlung Vorfahren haben gesündigt, wir aber tragen ihre / Rache und Vergeltung zu« – Dtn 32,35a, oder in Schuld« in der Zeitschrift »Junge Kirche«22 am der Rezeption des Paulus: »Rächt euch nicht Beispiel unserer Beziehungen zu den nationalso- selbst, Geliebte, sondern gebt dem Zorn [nämlich: zialistischen Verbrechen heraus, dass die Emp- dem Zorn Gottes] einen Raum, einen Ort, wie findung der Verbrechen der Vergangenheit als nämlich geschrieben steht: ‚Mein ist die Rache, eigene Schuld seitens der Nachgeborenen gerade ich will vergelten‘ – sagt der Herr« – Röm 12,19. dazu führen kann, dass »von den Vorfahren ab- Die Aufarbeitung der Verstrickung mit einem gelenkt (wird), die die Verbrechen verantworten Geheimdienst ist eine schwere Arbeit an diesem müssen«. Vielmehr biete die Unterscheidung zwi- Ausschnitt der Lebenswirklichkeit eines Amts- schen Sünde und Schuld einen Weg, um mit dem bruders oder einer Amtschwester, nicht aber eine Erbe der Vergangenheit verantwortungsbewusst Beurteilung seines oder ihres gesamten Dienstes umzugehen: in der Kirche, noch gar seines oder ihres gesam- ten Lebens. »Ich hoffe, dass Frauen und Männer für die Ver- fehlungen ihrer Menschlichkeit während der Zeit In großartiger Weise hat dies erst jüngst der Ge- des Nationalsozialismus in diesem Sinne bei Gott meindekirchenrat der Kirchgemeinde Budavár Vergebung gesucht und gefunden haben. Doch formuliert, in dessen Kreis der Pfarrer der schon die Schuld ist damit nicht beseitigt. Die Schuld, genannte »sachverhaltsklärende Ausschuss« der die durch die Verbrechen der NS-Zeit entstanden Evangelisch-Lutherischen Kirche Ungarns drei als ist, wird durch die Vergebung der Sünden, die solche identifiziert hat, die Agententätigkeit aus- einzelne erbitten, nicht aus der Welt geschafft. geübt hätten. Dazu erklären die Kirchenältesten: Die Vergebung, die Gott gewährt, tilgt nicht die »‘Barmherzigkeit aber triumphiert über das Ge- Verletzungen, die anderen Menschen zugefügt richt‘ (Jak 2,13). Damit wollen wir zum Ausdruck wurden. Im Gegenteil. Wenn Gott einem Men- bringen, dass wir den Dienst der Betroffenen in schen seine Sünde vergibt, befähigt er ihn dazu, unserer Gemeinde nicht vergessen werden und mit der Zerstörung von Gemeinschaft, die seine dass das, was Gott durch sie der Gemeinde gege- Untaten bewirkt haben, als seiner Schuld verant- ben hat, nicht nichtig geworden ist«.21 wortlich umzugehen.«23

Als Persönlicher Referent von Landesbischof Im Zusammenhang der Tatsache, dass ein Jahr Hoffmann habe ich sogar in persönlichen Gesprä- seit dem Tod von Papst Johannes Paul II. vergan- chen mit Betroffenen erfahren, dass der Hinweis, gen war, wurde im Fernsehen ein Film über sein hier werde nicht über das gesamte Leben oder Leben ausgestrahlt, der mit seiner Wahl zum den gesamten Dienst geurteilt, befreiende Wir- Papst und mit der Einblendung von Dokumentar- kungen gehabt hat dahingehend, dass eigene aufnahmen dieses Momentes endete.24 In diesem Verstrickung und eigene Schuld wahrgenommen Film wird auch die Geschichte eines jungen Man- und eingestanden werden konnten. Daraus kann nes erzählt, der im Auftrag des Geheimdienstes dann auch die Bereitschaft erwachsen, Verstri- des kommunistischen Polen eine Wanze an den ckungen offen zu legen, Konsequenzen zu tragen, Beichtstuhl von Pfarrer und Professor Wojtyla persönliche Veränderungen anzunehmen und zu angebracht hat und nun alle Beichtgespräche gestalten, aus der alten Verstrickung jetzt er- mithört. In einer viel späteren Situation – aber wachsende Brüche im Leben, in der Biografie noch im kommunistischen Polen – offenbart jener anzunehmen und durchzustehen. Agent seine Tat dem jungen Weihbischof Wojty- la. Dieser vergibt ihm spontan seine Sünde. Zwar wandelt der junge Mann dann auch sein Leben und arbeitet für die Erneuerung und für die Ret- tung Polens, aber eine aktive Auseinandersetzung mit seiner Schuld, die ja trotz der Vergebung noch besteht, wird im Film m.E. nicht wirklich thematisiert. Genau das aber wäre nötig gewesen. epd-Dokumentation 16/2007 25

So bleibt als Aufgabe für unsere Kirchen – und Endphase der kommunistischen Herrschaft 1987-90, S. 107- besonders für unsere Partnerkirchen in anderen 116; László Terray: »Politik der kleinen Schritte«, S. 135-160. Ländern des früheren sowjetischen Imperiums –, Der letzte Band dieser Reihe ist jetzt bei uns im Martin-Luther- lebbare Angebote zu entwickeln, durch die die Verlag erschienen: Katharina Kunter, Jens Holger Schjørring verbliebene Schuld nach der vergebenen Sünde (Hg.): Die Kirchen und das Erbe des Kommunismus. Die Zeit nach 1989 – Zäsur, Vergangenheitsbewältigung und Neubeginn. abgearbeitet werden kann. Fallstudien aus Mittel- und Osteuropa und Bestandsaufnahme aus der Ökumene, Erlangen 2007. »über grenzen hinweg darin: Olgierd Kiec: Protestantische Kirchen in Polen nach 1989, einander sagen S. 41-66; Peter Švorc: Die Evangelische Kirche des Augsburgi- wenige worte bleiben schen Bekenntnisses in der Slowakei nach dem Jahr 1989, S. und doch ist 82-110; Katharina Kunter: Ostdeutscher Protestantismus nach verstehen möglich geworden 1989: Erinnerungskultur, Identität und Geschichtspolitik S. 111- 129; Ludwig Steindorff: Leben mit veränderten Grenzen: Die protestantischen Kirchen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, über berge hinüber S. 161-186; einander rufen László Terray: Problematische Aspekte der Ostpolitik des LWB, wenige silben landen S. 207-223; Pál Zászkaliczky: Das Jahrzehnt der Verzögerung. und doch Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Ungarn in den 90er Jahren, wachsen aus ihnen sätze S. 225-240; Csaba Szabó: Die totale Kontrolle der römisch- katholischen Kirche Ungarns in der Phase des real existierenden über jahre hin Sozialismus (1945-1989), S. 317-334; Michael Beintker: Das Erbe des Kommunismus und die Kirche. Theologische Heraus- einander begreifen forderungen, S. 383-396. wenige stellen berühren 2 Auch das ungarische Parlament hat ein diesbezügliches Gesetz, so bleibt doch 25 das so genannte »Durchleuchtungsgesetz«, verabschiedet. Unter herzschlag an unseren fingern« der Regierung von Ministerpräsident Orbán wurde ein ähnliches Institut wie in der Slowakei geschaffen – das »Haus des Terrors« –, das ebenfalls sowohl den Opfern der Nazi-Ära als auch den Opfern der kommunistischen Diktatur ein Denkmal setzt (diese und andere Informationen zur Situation in Ungarn verdanke ich Anmerkungen: Hinweisen von Bischof Dr. Tamás Fabiny vom 8.8.2006). In der Tschechischen Republik betreffen unseren Zusammenhang 1 Peter Maser, Jens Holger Schjørring (Hg.): Zwischen den Mühl- die Gesetze Nr. 140/1996 Slg. und 107/2002 Slg. Diese Ge- steinen. Protestantische Kirchen in der Phase der Errichtung der setze schufen die Grundlage, dass jeder über mögliche Unterla- kommunistischen Herrschaft im östlichen Europa, Erlangen gen der Staatssicherheit Auskunft erhält. Das zweite Gesetz 2002. ermöglicht allen Personen den Zugang zu den Dokumenten und darin: Olgierd Kiec: Die Protestantischen Kirchen in Polen unter hat zur Veröffentlichung von Namenslisten geführt, »verursachte kommunistischer Herrschaft. Die Phase der Errichtung der kom- [aber] viele Probleme und Unrecht, weil die Veröffentlichung der munistischen Herrschaft 1945-1949, S. 137-208; Józef Szy- Namen kein Beweis der Schuld ist. Das Gesetz öffnete die Mög- meczek: Die kommunistische Kirchenpolitik in der Tschechoslo- lichkeit der Skandalisierung vieler Menschen und ihrer Familien, wakei am Beispiel der Evangelischen Kirche A.B. in Schlesien ab ohne Schuldbeweis zu haben. Das gilt leider auch über viele 1945, S. 221-233; Ludwig Steindoff: Im Windschatten. Die Beziehungen innerhalb der Kirchen« (Information von Bischof protestantischen Kirchen in Jugoslawien nach 1945, S. 235-270, Vladislav Volný vom 10.8.2006). bes. S. 248; Peter Maser: Die evangelischen Kirchen in der 3 Vgl. Peter Švorc: Die Evangelische Kirche des Augsburgischen SBZ/DDR in der Phase der Errichtung der kommunistischen Bekenntnisses in der Slowakei nach dem Jahr 1989, in: Die Herrschaft, S. 271-302. Kirchen und das Erbe des Kommunismus (wie Anm. 1). Hartmut Lehmann, Jens Holger Schjørring (Hg.): Im Räderwerk 4 Das Gesetz ist zu finden unter www.upn.gov.sk. Für den Hin- des »real existierenden Sozialismus«. Kirchen in Ostmittel- und weis hierauf danke ich Dr. Miloš Klátik. Osteuropa von Stalin bis Gorbatschow, Bausteine zu einer euro- päischen Religionsgeschichte im Zeitalter der Säkularisierung, 5 Peter Švorc, a.a.O. Bd. 2, Göttingen 2003. 6 A.a.O. (wie Anm. 4). darin: Klaus Buchenau: Was ist nur falsch gelaufen? Überlegun- 7 Vgl. die Hinweise, die mir dankenswerter Weise Ondrej gen zum Kirche-Staat-Verhältnis im sozialistischen Jugoslawien, Prostrednik in einer E-Mail vom 31.7.2006 gegeben hatte. S. 101-124, bes. S. 106f; Peter Švorc: Die evangelische Kirche 8 Augsburger Bekenntnisses in der Slowakei und ihr Schicksal in Als klassisches Beispiel hebe ich die differenzierte und präzise der Tschechoslowakei nach 1953, S. 125-142, bes. S. 133f und Untersuchung zu den Berichten von Major Klaus Roßberg und zu 136. den Berichten von Landesbischof Leich über die gemeinsamen Gespräche hervor: Uwe-Peter Heidingsfeld, Ulrich Schröter: Peter Maser, Jens Holger Schjørring (Hg.): Wie die Träumenden? »Meister«. Die MfS-Vorlaufakte des Thüringer Landesbischofs Protestantische Kirchen in der Phase des Zusammenbruchs der Werner Leich im Spiegel seiner Vermerke, idea-Dokumentation kommunistischen Herrschaft im östlichen Europa, Erlangen 15/96. 2003. 9 Information von Bischof Dr. Tamás Fabiny vom 8.8.2006. darin: Katharina Kunter: »Das, was man denkt und was einen 10 bewegt, offen sagen zu dürfen«. Protestanten in der DDR und die Pál Zászkaliczky: Das Jahrzehnt der Verzögerung; in: Die Kirchen und das Erbe des Kommunismus (wie Anm. 1). 26 16/2007 epd-Dokumentation

11 Information von Bischof Vladislav Volný (wie Anm. 2). 17 Werner Leich: Wechselnde Horizonte. Mein Leben in vier politi-

12 schen Systemen, Wuppertal, Zürich 1992, S. 153. Bischof Vladislav Volný nennt in seiner Information (wie Anm. 2) einige besondere Herausforderungen: Dass es in den Kirchen 18 Michael Beintker: Das Erbe des Kommunismus und die Kirchen, »Menschengruppen (gebe), die den Weg des Gerichts, der Rache in: Die Kirchen und das Erbe des Kommunismus (wie Anm. 1): und der Erpressung gehen wollen«, dass es vorkommen kann, »Ohne theologische Reflexion verfällt das kirchliche Handeln »dass bestimmte Fraktionen in der Kirche damit die eigene unweigerlich der Außensteuerung durch systemfremde Faktoren. theologische Richtung durchsetzen ... wollen...« ... Das theologisch durchdachte Handeln ist eine elementare

13 Lebensbedingung der Freiheit einer Kirche, ganz unabhängig von Katharina Kunter: Ostdeutscher Protestantismus nach 1989, in: Die Kirchen und das Erbe des Kommunismus (wie Anm. 1). der Frage, ob die Kirche unter den Zwangsbedingungen einer Diktatur existieren muss oder sich der Umgebung einer rechts- 14 Bewahrung und Erneuerung. Auszüge aus der Antrittsrede von staatlich verfassten Demokratie erfreuen darf.« Bischof Dr. Tamás Fabiny, Lutherischer Dienst, 42. Jahrgang, 19 A.a.O. 2006, Heft 3, S. 10-13, Zit. S. 12f. In der kirchlichen Wochenzei- tung »Evangélikus Élet« vom 28.5.2006, hat er unterstrichen: 20 A.a.O.

»Man ahnt nur, dass es solche Personen gab, die einzelnen und 21 »Evangélikus Élet« vom 18.6.2006, Hinweis von Bischof Dr. der Kirche absichtlich geschadet haben, andere aber – vielleicht Tamás Fabiny vom 8.8.2006. aus Angst oder anderen Schwächen – einfach mit der Staatssi- 22 cherheit kooperiert haben. ... Zu unehrlichen Taten und schändli- Vgl. www.jungekirche.de/2005/305/butting.html chen Äußerungen konnte es nicht nur im Rahmen von Agententä- 23 Ebd. tigkeiten kommen« (Hinweis von ihm vom 8.8.2006 – wie Anm. 24 Ich erinnere mich weder an den Titel des Filmes noch an den 2). Fernsehsender, der ihn ausgestrahlt hatte. 15 So weit die Informationen von Bischof Dr. Tamás Fabiny vom 25 Jo Winter: die bande, Leipzig 1996, 4.24. Gedicht neben der 8.8.2006 (wie Anm. 2). Wiedergabe einer von der Staatssicherheit aus an ihn persönlich 16 Vgl. das Zitat aus »Evangélikus Élet« bei Pál Zászkalicky, a.a.O. gesendeter Post konfiszierten Zeichnung. (wie Anm. 1).

Anzeige epd-Dokumentation 16/2007 27

Die Stasi-Aufarbeitung der Kirchenprovinz Sachsen Von Oberkirchenrat i.R. Prof. Dr. Harald Schultze

»Stasi-Aufarbeitung in der Thüringer Landes- Hallesche Boulevardzeitung berichtete, dass der kirche«, Evangelische Akademie Thüringen, verstorbene Konsistorialpräsident Detlef Hammer Guthmannshausen, 29.9. - 1.10. 2006. Offizier im besonderen Einsatz des MfS gewesen Der Autor war Beauftragter der Evangelischen sei. Diese Nachricht klang zunächst unglaublich – Kirchen bei Landtag und Landesregierung hatte Hammer doch uneingeschränkt das Ver- Sachsen-Anhalts. Ehemals Mitglied des trauen der Kirchenleitung genossen. Am 1. Mai Überprüfungsausschusses der Evangelischen 1990 (sic!) hatte er das Amt des Konsistorialprä- Landeskirche Anhalts und der Konsul- sidenten übernommen. Bei der Auflösung der tationsgruppe der Überprüfungsausschüsse aus Bezirksverwaltung des MfS in war er den östlichen Gliedkirchen der EKD der Vertrauensmann der Kirche im Bürgerkomitee gewesen.

Die Erstürmung der Zentrale des MfS in Berlin Bereits bei der Tagung der Synode der Kirchen- und der Bezirksverwaltungen in Magdeburg, provinz im November 1990 ist über mögliche und Erfurt ermöglichten über Nacht den Stasi-Verstrickungen gesprochen worden. »Wer in Zugriff zu dem ungeheuren Aktenbestand der der Gemeinde und Kirche ein Vertrauensamt Staatssicherheit der DDR. Dass das MfS die Kir- übernommen und gleichzeitig eine Mitarbeitsver- chen in intensivster Form, mit allen technischen pflichtung für die Staatssicherheit abgegeben hat, und personellen Mitteln ausspioniert hatte, war wird aufgefordert, sein Amt niederzulegen.« der Kirche seit den fünfziger Jahren bewusst. Das Gleichzeitig wird die Kirchenleitung aufgefordert, bedeutete auch, dass damit gerechnet werden der disziplinarrechtlichen Seite des Sachverhaltes musste, dass Menschen aus den eigenen Reihen nachzugehen. Die Kirchenleitung hatte sodann dem MfS mit Informationen zur Verfügung stan- einen Vertrauensrat berufen: Wer irgendwie mit den. Seit Anfang des Jahres 1990 bestand nun die dem MfS zusammengearbeitet hatte, sollte ver- Möglichkeit, solche Spitzeltätigkeit aufzudecken trauenswürdige Ansprechpartner wissen, denen und die Verantwortlichen zur Rede zu stellen. er seine Belastungen offenlegen könne.

Die spektakulären Fälle in der Republik – Ibrahim Die Frage, wie einerseits Klarheit gewonnen wer- Böhme, Martin Kirchner, Wolfgang Schnur – den könne über die möglichen Belastungen in der boten Anlass zu den ersten Debatten in der neu ganzen Kirchenprovinz – und wie andererseits gewählten Volkskammer. In der Hektik der ersten die korrekte Überprüfung der Mitarbeiterschaft zu Recherchen mischten sich Erschrecken, Betrof- organisieren sei, beschäftigte unsere Kirchenpro- fenheit, Neugier und das Bedürfnis nach ange- vinz in den Jahren 1991 und 1992 intensiv. Wie messenen Sanktionen. Verdacht und Misstrauen glaubwürdig die Meldung der Halleschen Zeitung machten sich breit: der Fund einer Karteikarte über Detlef Hammer war, konnte nur die Ein- konnte Anlass sein für eine öffentliche Bloßstel- sichtnahme in die Akten klären. Ein entsprechen- lung eines Menschen, der in Wirklichkeit unbe- der Antrag der Kirchenleitung an Joachim Gauck lastet war. Es war dann mühsam, den Beweis zu wurde jedoch zunächst nicht beantwortet. Dann erbringen für die eigene Unschuld. Was für den kam der Bescheid, dass die Behörde bei einem öffentlichen Dienst zur nötigen Regel wurde, dass Verstorbenen kein Recht auf Auskunft habe. alle Mitarbeiter im Leitungsbereich der Überprü- Mündlich wurde darauf verwiesen, dass aller- fung auf eventuelle Mitarbeit beim MfS unterzo- dings bei einem Forschungsauftrag die Akten gen wurden, musste nun auch für die Kirchen vorgelegt würden. Diesen Weg hat die Kirchen- diskutiert werden. Obwohl die Kirchen als ganze leitung dann beschritten – mit dem Ergebnis, dass nicht gleichgeschaltet waren und daher mit ihren in der Tat ein perfektes Doppelspiel des kirchlich Leitungen und Dienststellen nach 1990 kontinu- so integriert erscheinenden Juristen ans Tages- ierlich weiterarbeiten konnten, musste doch für licht kam. Durch diesen – freilich singulären Fall die Personen geklärt werden, ob sie das Vertrau- – wurde exemplarisch deutlich, dass Vertrauen en verdienten, das man ihnen entgegengebracht getäuscht werden konnte. Deshalb galt es, durch hatte. die reguläre Überprüfung insbesondere der Mitar- beiter im Verkündigungsdienst und in den Lei- Für die Kirchenprovinz Sachsen ist dies spätesten tungsorganen Klarheit zu gewinnen. seit August 1991 unerlässlich geworden, als eine 28 16/2007 epd-Dokumentation

Die Synode hat im November 1991 einerseits die nötigenfalls eine Überweisung an die Disziplinar- Aufarbeitung jenes komplizierten Handelns der kammer der KPS beschließen konnte. Kirche gegenüber dem DDR-Staat gefordert, ande- rerseits die Überprüfung der Mitarbeiterschaft in Dem Überprüfungsausschuss ist dabei deutlich Gang gesetzt. Von mehreren Seiten war eine ge- bewusst gewesen, dass ihm de facto eine ge- nerelle Überprüfung der Mitarbeiterschaft gefor- mischte Kompetenz zugewiesen wurde. Die dert worden. Dazu hieß es: »Die Synode hat dies Vollmacht, den Bescheid des Bundesbeauftragten vor einem Jahr abgelehnt in der Hoffnung, die nach einem Gespräch mit dem Betroffenen zu Betroffenen würden sich selbst öffnen und das werten, hat rechtliche Relevanz. Der Ausschuss Gespräch suchen. Diese Hoffnung hat sich nicht hat in den Fällen, wo eine belastende Informati- in der gewünschten Weise erfüllt. Offenbar ge- onstätigkeit des kirchlichen Mitarbeiters erkenn- lingt es uns noch nicht, in unseren Konventen bar wurde, zunächst mit diesem ein Gespräch und Mitarbeitergemeinschaften einen angstfreien geführt, das intentional seelsorgerlichen Cha- Raum zu schaffen, der es möglich macht, die rakter haben sollte. Dem Betroffenen war Gele- eigene Schuld auszusprechen, zu teilen und ei- genheit zu geben, über die Kontakte zum MfS zu nander zu helfen.«1 Nach gründlicher, kontrover- sprechen – zu erklären, gegebenenfalls von Er- ser Debatte wurde dann die dringliche Empfeh- pressung und Nötigung zu berichten oder die lung beschlossen: Die Mitglieder der Synode Motive des Handelns zu benennen. Wo es be- selbst, die Mitglieder der Kirchenleitung und de- gründet war, musste solch ein Gespräch auch zur ren Berater, die Mitarbeiter im Verkündigungs- Einsicht in die eigene Schuld führen und die Fol- dienst, die Mitglieder des Konsistoriums und die gen für Dritte bedenken. Der Überprüfungsaus- Leiter diakonischer Einrichtungen wurden aufge- schuss hat das durch die Art seiner Gesprächsfüh- fordert, die Überprüfung für sich zu beantragen. rung ermöglicht. Wenn der Betroffene in solcher Eine dienstrechtliche Verpflichtung zu dieser Weise Bereitschaft zeigte, mit diesem Befund Überprüfung hat die Synode nicht beschließen umzugehen, wurden Auflagen erteilt – zu Ge- wollen. Unmittelbar nach der Synodaltagung sprächen mit dem Propst, mit dem Konvent oder wurde ein Überprüfungsausschuss eingesetzt, in Gemeindekirchenrat. Wo sich dagegen eine den drei Personen berufen wurden, die keine mit schwerere Belastung abzeichnete, hatte der Aus- Dienstaufsicht verbundene Leitungsverantwor- schuss den Fall abzugeben an das Konsistorium. tung hatten: Dr. Jürgen Runge, Industriechemi- In dieser Alternative lag also die rechtlich rele- ker, Präses der Provinzialsynode; Frau Elsa Gir- vante Vollmacht, die die Betroffenen ebenso nus, ehemals Gemeindehelferin im Reisedienst spürten wie die Mitglieder des Ausschusses. und Pfarrer Helmut Hartmann, Leiter der Stadt- mission Erfurt. Diesem Ausschuss oblag es, die Die Aufarbeitung und Überprüfung wurde er- Anträge auf Überprüfung, die von den Mitarbei- schwert durch die überhitzte Phase der Enthül- tern kamen, zu bündeln und an den Bundesbe- lungs-Publizistik der Jahre 1991/1992. Im De- auftragten für die Unterlagen des Staatssicher- zember 1991 erschien das Buch von Gerhard heitsdienstes der Deutschen Demokratischen Besier und Stephan Wolf »Pfarrer, Christen, Ka- Republik zu senden. Die Überprüfungsbescheide tholiken«, das mit einer großen Liste prominenter mussten dann an den Überprüfungsausschuss Namen zu intensiven Vorwürfen und Rückfragen gehen, der sie auszuwerten und gegebenenfalls Anlass bot. Im Juli 1992 wurden in der Halle- mit den Betroffenen zu besprechen hatte. schen Ausgabe der Bildzeitung vollständige Listen der im Bezirk Halle als IM registrierten Personen Für diesen Ausschuss wurde eine Geschäftsord- mit Klarnamen und Decknamen publiziert. Damit nung erlassen, die veröffentlicht wurde.2 Das wurden auch einzelne kirchliche Mitarbeiter ent- Verfahren sollte durchschaubar sein für die Be- tarnt. Freilich war das ein illegaler Vorgang. Diese troffenen. Es ähnelt deutlich dem Thüringer Vor- Enthüllungs- und Verfolgungsmentalität belastete gehen – jedoch mit dem Unterschied, dass dem das Ansehen der Kirche in der Öffentlichkeit und provinzialsächsischen Ausschuss niemand ange- bot Anlass zu mancherlei Misstrauen in den Ge- hörte, der zugleich dienstaufsichtliche Funktionen meinden, bis in die Gemeindekirchenräte hinein. gegenüber den zu Überprüfenden hatte. Falls die Überprüfung ergab, dass der Betroffene anschei- Dies war auch Anlass zum Erfahrungsaustausch nend Dienstpflichten in einem Maße verletzt hat- mit der katholischen Kirche. Obwohl diese – we- te, das disziplinarrechtliche Konsequenzen haben gen ihrer geringeren politischen Aktivität in der müsse, wurde der Fall an das Konsistorium gege- Zeit der DDR – weniger im Blickfeld der öffentli- ben, das seinerseits Ermittlungen einleiten und chen Diskussion stand, gab es doch in der eige- nen Priesterschaft ganz entsprechende Verunsi- epd-Dokumentation 16/2007 29

cherungen und Rückfragen. Das Bischöfliche Amt die hauptamtliche Spionagetätigkeit von Magdeburg, der Landeskirchenrat der Evangeli- Hammer bestätigte. Der Bischof mahnte aber schen Landeskirche Anhalts und das Konsistori- zugleich, bei der Aufarbeitung nicht vor- um Magdeburg gaben deshalb am 15. April 1992 schnell zu urteilen: Der Verstorbene könne eine Handreichung unter dem Titel »Unsere Kir- nicht mehr antworten. Möglich sei (es gab ei- che in Auseinandersetzung mit dem Erbe der nen Hinweis), dass er im Einzelfall auch das ‚Staatssicherheit – Anregungen zum Gespräch MfS getäuscht habe. Es bleibe dabei, dass er unter Mitarbeitern und in Gemeinden« heraus.3 »viel Positives für unsere Kirche geleistet hat«. Dort werden bereits Kriterien für die Bewertung Demke blieb bei seiner leisen Aussage, dass er der Kontakte, aber auch Gesichtspunkte zur Anzeichen dafür habe, »dass Bruder Hammer geistlichen Aufarbeitung benannt. fern aller Selbstrechtfertigung darauf vertrau- te, dass nur die Gnade Gottes den Sünder tra- Reichte nun aber das Instrumentarium der dring- gen kann«. lichen Überprüfungsempfehlung aus? Bot nicht die damit gegebene Freiwilligkeit Schlupflöcher „ Aufklärungsbedarf bestand auch zu dem frü- für Belastete, die weiterhin ihre IM-Tätigkeit ver- heren Pressepfarrer der KPS Jürgen Kapiske, schweigen wollten? zuletzt Chefredakteur der Mecklenburgischen Kirchenzeitung. Die Synode der KPS hat sich in einer Sondersit- zung in Magdeburg am 22. und 23. Mai 1992 „ Dringlich war die Differenzierung bei der Be- speziell mit der Thematik der Aufarbeitung der wertung der IM-Registrierung. Vergangenheit und der Überprüfung ihrer Mitar- beiterschaft befasst. Inzwischen waren bereits ca. Der Bischof berichtete, dass er selbst wahrschein- 1000 Anträge auf Überprüfung an den Überprü- lich auch als IM geführt worden sei – wegen der fungsausschuss eingesandt worden. Sie waren an Gespräche, die er mit unterschiedlichen Mitar- die Behörde des Bundesbeauftragten für die Sta- beitern des MfS wegen der Bearbeitung dringen- siunterlagen weitergeleitet worden – Bescheide der Einzelfälle dienstlich geführt habe. Er erläu- waren aber noch nicht eingetroffen. Die Behörde terte, in welchen dienstlichen Angelegenheiten befand sich noch in der Aufbauphase ihrer Orga- und auf welcher Ebene er Kontakt mit MfS- nisation; die nötigen Arbeitskapazitäten waren Mitarbeitern hatte; ein regelmäßiger Treff mit noch nicht eingerichtet. Bischof Christoph Demke einem Führungsoffizier fand nicht statt.5 Propst gab im Namen der Kirchenleitung einen ausführ- Jaeger hatte sich zu Gesprächen geäußert, die er lichen Sachstandsbericht. Nach der aufgeregten in Nordhausen zeitweilig geführt habe, ohne sich Pressekampagne, die das Buch von Gerhard Be- in ein Konspirationsverhältnis drängen zu lassen. sier ausgelöst hatte,4 bestand die dringende Er- wartung, dass die Kirchen die Überprüfungen Grundsätzlich muss unterschieden werden zwi- aktiv und rasch betrieben – und zugleich Stellung schen Kontakten auf Grund der dienstlichen nähmen zu der Grundfrage, wie weit sie sich vom Funktion in Einzelfällen (analog zu den Richtli- DDR-Staat hätten instrumentalisieren und lenken nien von Landesbischof Werner Leich6) und der lassen. Das Magdeburger Konsistorium hatte be- konspirativen Berichtstätigkeit eines Inoffiziellen reits Disziplinarverfahren gegen zwei Pfarrer Mitarbeiters. eingeleitet, deren belastende Kontakte zum MfS inzwischen bekannt geworden waren. Eine Registrierung als IM (Karteikarte) war zu prüfen, ob es sich um einen Vorlauf, eine Ab- Bei dieser Reflexion zeigt sich, welche Aspekte schöpfung oder eben um ein Mitarbeitsverhältnis einer je eigenen Bearbeitung bedurften: handelte. Ein eigener Schwerpunkt war die »Auf- arbeitung der Vergangenheit« und der Kontext der „ Im Vordergrund stand der Bedarf der Über- Verhandlungen mit Staatsorganen. Der Neigung prüfung der aktiven Mitarbeiterschaft, um ein der Medien, die Tatsache von IM- Tätigkeit durch Klima der Wahrhaftigkeit und Vertrauenswür- verschiedene Mitarbeiter der Kirche als Beweis zu digkeit in der Verkündigung und Seelsorge der werten für eine »Kumpanei der Kirche mit dem Kirche zu gewährleisten. SED-Staat« nach dem Vorgang von Besier, musste energisch widersprochen werden. Die Magdebur- „ Der Aufklärungsbedarf bei spektakulären Be- ger Kirchenleitung wandte sich bei dieser Syno- lastungen war brennend. Zu Dr. Detlef Ham- daltagung erneut gegen entsprechende Sendungen mer kam die erste mündliche Auskunft des im Fernsehen. Die Aufarbeitung der Vergangen- Bundesbeauftragten erst am 22. Mai 1992, die heit musste in Angriff genommen werden durch 30 16/2007 epd-Dokumentation

eigene Forschungsaufträge. Die Kirchenprovinz Daraus durfte aber kein Sündenbock-Prinzip wer- Sachsen hat sich der selbstkritischen Frage nach den: Mit der Benennung von Schuldigen (»Tä- der Schuld der Kirche und der Schuld der einzel- tern«) war nicht die Situation geklärt, in der sich nen gründlich gestellt. Die Intensität der öffentli- Christen insgesamt in der DDR verhalten haben. chen Debatte gerade zu diesem Themenkomplex Jede und jeder hat mit kalkulierten Kompromis- ist in den Papieren der Synodaltagungen auffal- sen gelebt. Wer an verantwortlicher Stelle im lend. Beruf stand, stärkte mit seinen Leistungen die Republik. Schon bei der Novembertagung 1991 war es zur offenen Aussprache gekommen: Einer der Syno- Die historische »Aufarbeitung« urteilte jedoch dalen berichtete in bewegender Form darüber, vorschnell, wenn sie daraus pauschal den Kurs wie er – als Mitarbeiter in der Landwirtschaft – der »Anpassung« konstatierte. In Verkündigung bedrängt und erpresst wurde zu einer Berichtstä- und Seelsorge war die Kirche vielmehr stets be- tigkeit, der er zu entkommen hoffte durch die müht, die Freiheit des Christen zu bezeugen und Information an den Bischof und den Präses. An- damit die Gewissen zu schärfen, damit man sich dere Synodale berichteten davon, wie sie – unter eben nicht in die Abhängigkeit von Partei und Ausnutzung des Arbeitsverhältnisses – im eige- MfS begab. nen Betrieb jeweils vor der Synodaltagung auf- gefordert wurden, im Sinne der DDR-Politik Ein- Es ist unter diesen Gesichtspunkten sachgerecht fluss zu nehmen. gewesen, dass sich die Synode intensiv mit der Frage der Schuld auseinandergesetzt hat. Prof. Es war schwierig, den eigenen Weg zu finden. Michael Beintker / Halle war zur Sondertagung Einerseits war deutlich, dass die Kontakte, die der Synode 1992 um einen Grundsatzvortrag zum verschiedene Mitarbeiter zum MfS unterhalten Thema »Schuld und Vergangenheitsbewältigung hatten, im Kontext der Gespräche und Verhand- im Horizont des christlichen Glaubens« gebeten lungen interpretiert werden müssen, die mit den worden. Als Prorektor der Martin-Luther- Staatsorganen zu führen waren. Spitzeldienste, Universität war er zugleich eingebunden in die d.h. die gezielte Aushorchung von Personen und Überprüfungsvorgänge im öffentlichen Dienst. Informationsbeschaffung auf Grund von Aufträ- Auf dem Hintergrund dieser Erfahrungen forderte gen der MfS-Offiziere sind zwar in mehreren Fäl- er, dass die Kirche bei der Aufarbeitung den ihr len nachweisbar, bilden aber nicht die Regel. eigenen Weg gehen solle.7 Häufiger sind Gesprächskontakte, in denen der kirchliche Mitarbeiter meinte, souverän zu blei- Die Frage nach dem Modus der Überprüfung war ben mit seiner Interpretation kirchlicher Vorgänge 1992 noch nicht zur Ruhe gekommen. Auf der zum Zwecke der Erleichterung kirchlichen Han- Tagung im Mai 1992 lag der Antrag des Kirchen- delns. Typisch für solche Haltung ist z.B. die IM- kreises Mühlhausen vor, den bereits 1991 dring- Akte eines Theologieprofessors in Halle, der in lich aufgerufenen Personenkreis verbindlich der Überzeugung handelte, Theologiestudenten überprüfen zu lassen. Dies wurde abgelehnt. auf diese Weise schützen zu können. Anderer- Stattdessen beschloss die Synode: seits gab es natürlich IM-Verpflichtungen, die auf Grund von Erpressung zustande gekommen wa- »Das Verlangen nach einer generellen Überprü- ren. Wer einmal in Abhängigkeit geraten war, fung ist begleitet von manchen Illusionen, auch fand meist schwer den Weg, sich daraus wieder in der Öffentlichkeit. zu lösen. „ Wir werden danach nicht eindeutig wissen, Auseinandersetzung mit der Schuld von Men- wer belastet ist und Schuld auf sich geladen schen, die sich dem MfS dienstbar gemacht hat- hat. ten, durfte nicht bedeuten, einfach nur das ange- messene Strafmaß zu verhängen. Den Bruder „ Wir werden nicht verhindern können, dass oder die Schwester zur Einsicht in seine Schuld über Menschen ungerecht geurteilt wird. Die zu führen, war eine seelsorgerliche Aufgabe. Sie öffentliche Meinung und die Berichterstattung musste damit verbunden werden, dass der Be- werden dazu beitragen. Auch wir selber wer- troffene sich dem Gespräch mit denjenigen stellte, den mit unserer Einschätzung den Menschen über die er berichtet, denen er möglicherweise oft nicht gerecht. geschadet hatte. Die rechtlich klare und durch- schaubare Aufarbeitung war unverzichtbar. „ Da der Staatssicherheitsdienst häufig Kontakte aufgebaut hat, um Menschen zu beeinflussen epd-Dokumentation 16/2007 31

und nicht so sehr um sie auszuhorchen, wird Am 31. Oktober 1993 hat die Synode dann auf es oft schwer sein, den Stellenwert dieser ihrer Tagung in Halberstadt (mit knapper Mehr- Kontakte richtig einzuschätzen. heit) den anderen Weg beschritten:

Trotz dieser Schwierigkeiten und im Wissen dar- Die Synode »ist zu der Entscheidung gekommen, um, dass wir alle Sünder sind, die der Befreiung für alle Mitglieder, die dem kirchlichen Diszipli- durch Christus bedürfen, sollten wir alle Mög- narrecht unterliegen (Pfarrer und Kirchenbeam- lichkeiten nutzen, die uns zur Erkenntnis der te), eine Regelüberprüfung vorzusehen.«9 Wahrheit helfen und damit Buße erst möglich machen. Mit diesem Beschluss wurde die Rechtsverbind- lichkeit hergestellt. Sie nahm freilich die Ein- Die Synode empfiehlt ihren eigenen Mitgliedern, schränkung in Kauf, dass sich die gleiche Rechts- den kirchlichen Mitarbeitern im Verkündigungs- verbindlichkeit nicht für die anderen Mitarbeiter dienst, den Mitgliedern der Kirchenleitung mit im Verkündigungsdienst und die in diakonischen ihren Beratern, den Mitgliedern des Konsistori- Einrichtungen herstellen ließ. Auf dieser Basis ums sowie den Leitern diakonischer Einrichtun- sind dann die Überprüfungen in der Kirchenpro- gen dringend, die von der Kirchenleitung eröff- vinz durchgeführt worden. Dabei bleibt zu be- nete Möglichkeit zu nutzen, die Aktenlage bezüg- achten, dass bei diesem Verfahren der aktuellen, lich einer Mitarbeit beim Staatssicherheitsdienst auf den gegenwärtigen Dienst der Mitarbeiter durch die Gauck-Behörde feststellen zu las- bezogenen Überprüfung zurückliegende Fälle sen[...]. nicht einbezogen werden konnten. Hatte es doch bereits zu Beginn der fünfziger Jahre »Geheime Die Synode bittet den Überprüfungsausschuss, im Informatoren« des MfS gegeben. Wer verstorben Gespräch mit den jeweils Betroffenen zu klären, oder aus dem kirchlichen Dienst ausgeschieden welche Folgerungen aus der Aktenlage gezogen war, wurde nicht mehr erfasst (z.B. Konsistorial- werden sollten. Sie bittet die Mitarbeiter und präsident Dr. Detlef Hammer /gest. 3.4.1991; Gemeinden, diesem Ausschuss zu vertrauen und Konsistorialrätin Marion Staude; Verwaltungslei- seinen Rat und seine Entscheidungen zu akzep- ter Peter Fischer /Naumburg; Jürgen Kapiske, tieren.«8 inzwischen im Dienst der Mecklenburgischen Kirche; Reinhard Miethling/ Kraftfahrer von Bi- Aber dieser Weg hat sich angesichts der Tatsache, schof Demke). dass es Mitarbeiter gab, die sich jener Aufforde- rung entzogen, nicht durchhalten lassen. Umso wichtiger war es, den öffentlichen Diskurs über die Vergangenheit der KPS in der Zeit der Geklärt werden musste, welcher Personenkreis DDR weiterzuführen.10 Durch Forschungsaufträge überprüft werden sollte. 1991 ging man noch konnte über die Vorgänge um die Selbstverbren- davon aus, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitar- nung von Oskar Brüsewitz, über Detlef Hammer beiter im Verkündigungsdienst zu überprüfen und über Lothar Rochau recherchiert werden. seien. Dazu gehören nicht nur Pfarrer, sondern Publikationen dazu liegen vor.11 Am 7. März 1992 auch Katecheten, Gemeindehelfer, Jugenddiako- ist ein Symposium über Oskar Brüsewitz in Halle ne, Kirchenmusiker. durchgeführt worden.

Wie weit konnten ehrenamtlich in der Kirche Einen Zwischenbericht über die Ergebnisse der Tätige einbezogen werden? Für die Mitglieder der Forschung habe ich der Synode auf ihrer Tagung Provinzialsynode und der Kirchenleitung stand im November 1995 erstattet.12 Dieser Bericht ver- dies außer Frage. Sollte das auch für Kreissyno- sucht, die Strukturen der Überwachung aufzuzei- den gelten? Auch für Kirchenälteste? gen; einzelne Institutionen werden charakteri- siert. Zugleich wird die unterschiedliche Struktur Wie stand es mit den Mitarbeitern der Diakonie, der MfS-Kontakte erläutert. deren Dienstverhältnis als privatrechtlich einge- stuft wird? Nach dem Stasi-Unterlagengesetz hatte Erkenntnisse, die bei den Mitarbeiterüberprüfun- der Bundesbeauftragte Personen des öffentlichen gen und bei der Forschung gewonnen wurden, Dienstes zu überprüfen; Mitarbeiter der Kirchen, konnten diskutiert und abgestimmt werden mit die in einem beamtenähnlichen Dienstverhältnis Vertretern aus anderen Landeskirchen. Der Präsi- stehen, wurden analog erfasst. Dagegen lehnte dent des Kirchenamtes der EKD Otto von Cam- der Bundesbeauftragte die körperschaftliche penhausen lud zu einem regelmäßigen Erfah- Überprüfung diakonischer Anstalten ab. rungsaustausch der Leiter der Überprüfungsaus- 32 16/2007 epd-Dokumentation

schüsse ein. Im Ergebnis dieser Konsultationen Die bittere Erfahrung aus jenen Jahren der Über- wurde eine Zusammenfassung der Überprüfungs- prüfung lehrt, dass die Ängste stärker waren. verfahren und -ergebnisse der östlichen Gliedkir- Selbst wenn eine Disziplinarstrafe nicht erforder- chen der EKD erarbeitet, die 1997 als Beiheft der lich sein sollte, bedeutete es doch eine Demüti- »Zeichen der Zeit« veröffentlicht wurde.13 gung, vor den anderen, vielleicht ziemlich selbst- gerechten Mitarbeitern die eigene Verstrickung Der Vorermittlungsausschuss der EKD brauchte zuzugeben. für die KPS nicht eingeschaltet zu werden, da unter den im Dienst befindlichen Mitgliedern des 1998 hat der Überprüfungsausschuss seine Arbeit Konsistoriums und des leitenden geistlichen Amts beendet und der Synode zu ihrer Tagung vom (Bischof, Pröpste) niemand der Überprüfung be- 11.-15. November noch einmal einen umfangrei- durfte. chen Bericht vorgelegt. Der Ausschuss konnte sein Ergebnis in folgender Statistik zusammenfas- Der Überprüfungsausschuss gab der Synode der sen: Kirchenprovinz auf ihrer Tagung vom 16.-19. November 1995 einen detaillierten Zwischenbe- Gesamtzahl der Überprüfungen in der KPS: richt.14 Der Ausschuss war bis dahin zu 57 Sit- ca. 2920 zungen zusammengekommen. Die umfangreiche Überprüfungen ohne Kontakt mit dem Über- Auswertung der Berichte aus der Dienststelle des prüfungssausschuss: ca. 150 Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen hatte Bis 1998 im Überprüfungsausschuss bestätigt, was 1992 bereits absehbar gewesen bearbeitet: 2703 war: die Art der IM-Kontakte war höchst ver- schieden; die Überprüfung durfte keinesfalls for- Davon: mal-schematisch erfolgen. Eine Registrierung als Keine Hinweise auf Mitarbeit beim MfS: 2634 IM-Vorlauf oder auch eine begrenzte Zahl von Hinweise auf IM-Vorlauf oder Kontakten, die dann aber von dem kirchlichen IM-Registrierung: 69 Mitarbeiter ausdrücklich abgebrochen wurden, Davon wiederum: konnten nicht als wirkliche Belastung gewertet werden. Freilich gab es auch Fälle, wo eine echte Entlastung wegen eigener Beendigung: 18 Klärung nicht mehr möglich war, weil die MfS- Entlastung wegen Geringfügigkeit: 27 Akten vernichtet sind. Der Ausschuss gab auch Entlastung, jedoch unter Auflagen: 6 Rechenschaft darüber, wie die Annahme von Keine Entlastung: 15 Vorteilen (Reisemöglichkeiten!), von Geldzuwen- dungen und Geschenken zu beurteilen waren. Die Bei den 15 Fällen der disziplinarrechtlichen Erfahrungen, die die Mitglieder des Ausschusses Prüfung: bei solchen Gesprächen sammelten, machten Verweis: 4 zutiefst nachdenklich: Amtsenthebung (Frist: 2 Jahre): 2 Fristlose Entlassung und Aberkennung der Or- »Sehr oft muss die Einsicht, dass es sich um dinationsrechte: 1 schuldhaftes Verhalten gehandelt hat, erst lang- sam wachsen.« Wenn den Betroffenen »dann Entfernung aus dem Dienst (Kirchenbeamter): 1 noch zugemutet werden sollte, dass sie ihre Stasi- Entlassung ausgesprochen, aber wegen Form- Geschichte im Pfarrkonvent, im Kreiskirchenrat, fehlern aufgehoben: 1 in der Synode oder gar im Gottesdienst erzählen 1998 noch nicht abgeschlossen: 5 Verfahren sollen, finden sie sich völlig überfordert [...]. Was Vom Konsistorium an den Dienstherrn (Kirchen- ist in unserer evangelischen Kirche los, die so viel kreis) übergeben von Gnade und Schuldvergebung spricht? Wenn Schuld konkret beim Namen genannt wird, er- (schwere Belastung): 1 weisen wir uns als selbstgerechte Pharisäer, die (In diesen Zahlen sind diejenigen nicht erfasst, schnell ein Urteil über andere sprechen, oder wir die 1990/1991 aus dem Dienst ausgeschieden verharmlosen, leugnen ab, fühlen uns verkannt, sind). wenn es um unser Versagen geht. Unsere Ge- meinden müssten eigentlich ‚angstfreie Räume‘ Die Differenz zwischen der Gesamtzahl der in der anbieten, in denen man eigenes Versagen offen KPS erfolgten Überprüfungen und der Fälle, die benennen und sich freisprechen lassen kann.«15 dem Überprüfungsausschuss vorgelegen haben, resultiert daraus, dass einige Einrichtungen und Kirchenkreise ihre Anträge bereits früher selbst- epd-Dokumentation 16/2007 33

ständig bei der Bundesbehörde eingereicht hatten. unsere Kirche keinen Grund hat, die offene Aus- Die hohe Zahl der Überprüfungsbescheide (2703) einandersetzung über unsere Vergangenheit zu macht zugleich deutlich, dass nicht nur die im scheuen. Die von Joachim Gauck am 21. August beamtenrechtlichen Dienstverhältnis stehenden 1996 in einem epd-Interview gemachte Äußerung Mitarbeiter (Pfarrer und Kirchenbeamte) über- – ‚Das Tragische dabei ist, dass die eben gering- prüft wurden. fügige Verstrickung der Evangelischen Kirche, überhaupt der Kirche, überzeichnet wird‘ – kön- Der Ausschuss hat damit seine Arbeit beendet. nen wir von unserer Ausschussarbeit her nur Abwicklungsarbeiten wurden von ihm noch an- bestätigen. Dem MfS ist es nicht gelungen, trotz schließend durchgeführt. Die Zuständigkeit für des Einsatzes von immer neuen IM, unsere Kir- gegebenenfalls noch weitere zu klärende Fälle ist che in den Griff zu bekommen.«16 auf das Konsistorium übertragen worden.

Zwei Fälle mussten noch von der Disziplinar- kammer verhandelt werden: Anmerkungen:

1998 wurde in einem Fall die Kürzung der Ruhe- 1 Abdruck in: Zeichen der Zeit 1997, S. 25 (vgl. Anm. 13). standsbezüge um 20 % für die Dauer von fünf 2 Ebd. S. 25 f.

Jahren ausgesprochen; 2004 wurde ein Fall mit 3 Manuskript-Vervielfältigung, 6 S. Amtsenthebung abgeschlossen. 4 Vgl. KJB 1996, S. 312-321 (s. Anm. 10).

5 Die Überprüfung der Pfarrerinnen und Pfarrer, epd-Dokumentation 8/92 vom 3.2.92, S. 39 f. der Gemeindepädagogen und Gemeindepädago- 6 Heidingsfeld, Uwe-Peter/ Schröter, Ulrich: »Meister«. Die MfS- ginnen sowie der beamteten Mitarbeiter und Mit- Vorlaufakte des Thüringer Landesbischofs Werner Leich im arbeiterinnen des Konsistoriums konnte » als Spiegel seiner Vermerke. idea-Dokumentation 15/96. Wetzlar 1996. vollständig angesehen werden« 7 In diesem Vortrag argumentiert M. Beintker mit dem Hinweis auf die spezifisch kirchliche Aufgabe: »IM ist nicht gleich IM; die Die bereits in Gang gesetzten Disziplinarverfahren Registrierung als IM kann nicht die schwierige Aufhellung der wurden in den folgenden Jahren abgeschlossen. damit verknüpften Hintergründe ersetzen. Sie ist als solche sogar ein ungeeignetes, weil unscharfes Kriterium. Im Interesse der Die Kirchenleitung hatte einen Pfarrer der Kir- erforderlichen Klarheit ist allerdings die Regelüberprüfung un- chenprovinz als Vertrauensperson benannt, an ausweichlich, sind auch Konsequenzen erforderlich, wo die den sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso Regelüberprüfung massive Belastungen an den Tag bringt. Man kann und muß. –- als Gemeinde Jesus Christi – selbst dort, wo wie Gemeindeglieder wegen der Auseinanderset- Disziplinarmaßnahmen greifen müssen, nach alternativen sozialen zung mit Stasibelastungen würden wenden kön- und beruflichen Lösungen suchen, man muß keinen, dessen nen. Diese Möglichkeit ist aber nicht in Anspruch Schuld eindeutig festzustellen ist, wie im öffentlichen Dienst in die genommen worden. Arbeitslosigkeit schicken, ohne sich weiter um seine Lebensmög- lichkeiten Gedanken zu machen. Eine Begründung für die Regel- überprüfung, die sich einfach auf die Praxis im öffentlichen Dienst Der Vergleich mit der Überprüfung in der Ev.- stützt, ist ohnehin nur formal; ich persönlich lehne sie sogar ab, Luth. Kirche in Thüringen zeigt, dass sich ange- weil die Praxis der Kirche nicht einfach die Praxis der Kinder sichts der analogen Aufgabenstellung auch ein dieser Welt sein kann. strukturell durchaus analoges Verfahren entwi- Aber dieses Argument erhöht unsere eigene Verantwortlichkeit, ckelt hat. Die Überprüfung bedurfte der rechtlich es ermäßigt sie gerade nicht. Von der Kirche und ihren Gliedern, verbindlichen Erhebung der Tatbestände, aber insbesondere von denen, die in einem kirchlichen Beruf stehen, zugleich der Einzelfallbeurteilung. Mit den Be- darf man uneingeschränkte Verantwortungswürdigkeit erwarten. troffenen musste, sofern sie vom MfS in irgendei- Sie ist gegenwärtig beeinträchtigt, wenn nicht sogar schwer angeschlagen. Ein sehr entscheidender Einschnitt zur Erneuerung ner Form registriert waren, ein klärendes Ge- der beschädigten Vertrauenswürdigkeit besteht in unverkrampfter spräch geführt werden, das im Falle erkennbarer Offenlegung des Gewesenen.« Belastung mit dem Ziel geführt wurde, bei dem 8 Zeichen der Zeit S. 25. Betroffenen die Einsicht in eigene Schuld zu ge- 9 Ebd. S. 27. winnen. Sofern es zu deutlicher Dienstpflicht- 10 verletzung gekommen war, musste durch die Einen ausführlichen Überblicksbericht über die Gesprächsgän- Dienstaufsichtsbehörde gegebenenfalls ein regulä- ge in der EKD und den einzelnen Gliedkirchen habe ich an folgen- der Stelle gegeben: Schultze, Harald, Stasi-Belastungen in den res Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Kirchen? Die Debatten in den Evangelischen Kirchen zu Befunden und Unterstellungen (1990-1996) Kirchliches Jahrbuch 1996, Abschließend konnte der Überprüfungsausschuss Lfg.2. (S. 285-407. Gütersloh 2000. der Kirchenprovinz Sachsen konstatieren, »dass 34 16/2007 epd-Dokumentation

11 Schultze, Harald: Spionage gegen eine Kirchenleitung. Detlef Tagung am 17.11.1995 in Halle vorgelegt. Beilage zum Amts- Hammer – Stasi-Offizier im Konsistorium Magdeburg. Gespräche blatt 1/96 der Evang. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen. – Dokumente – Recherchen – Kommentare. (Gemeinsam bear- 13 Überprüfungen auf Stasikontakte in den östlichen Gliedkirchen beitet mit Waltraut Zachhuber). Magdeburg 1995 (ohne Verlag). der EKD: Dokumentation und Kommentar. Im Auftrag des Kir- Ders. (Hg):Das Signal von Zeitz. Reaktionen auf die Selbst- chenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland hg. von verbrennung von Oskar Brüsewitz. Eine Dokumentation. 2. Aufl. Ludwig Große, Harald Schultze und Friedrich Winter. Die Zeichen Leipzig 1993. der Zeit (1997), Beiheft 1. Schulze, Rudolf: Die Konflikte um den Jugenddiakon Lothar 14 A.a.O. S. 41-44. Rochau und seinen Dienst in Halle-Neustadt 1981-1983: ein 15 A.a.O. S. 43. Bericht, Frankfurt a. M. 1996. 16 9. Tagung der XII. Synode der Evangelischen Kirche der Kir- 12 Ders.: Stasi-Überwachung der Evangelischen Kirche der Kir- chenprovinz Sachsen vom 11. bis 15. November 1998 in Halle. chenprovinz Sachsen. Zwischenbemerkungen aus der Sicht der Anlage zu Drucksache 14/98. (Masch.) Forschung. Der XII. Synode der Kirchenprovinz auf ihrer 4. epd-Dokumentation 16/2007 35

Die kirchliche Stasi-Aufarbeitung im Vergleich mit anderen gesellschaftlichen Institutionen Von Hildigund Neubert

»Stasi-Aufarbeitung in der Thüringer Landes- weiteren Umgang mit Belasteten aus der vergan- kirche«, Evangelische Akademie Thüringen, genen Diktatur plausibel machen und langfristig Guthmannshausen, 29.9. - 1.10. 2006. sichern. Der demokratische Rechtsstaat beruht Die Autorin ist Landesbeauftragte des Freistaats auf dem Vertrauen in seine Institutionen, das Thüringen für die Unterlagen des Staatssicher- unmittelbar mit der Glaubwürdigkeit und Integ- heitsdienstes der ehemaligen DDR. rität der handelnden Personen verbunden ist. Ist dieses Vertrauen verletzt, entstehen Kommunika- tionsstörungen in der Gesellschaft, die letztlich Die Aufarbeitung eines revolutionär überwunde- das Zusammenhandeln von Menschen unmöglich nen Geschichtsabschnittes steht unter verschie- machen. Die Paralyse der ersten deutschen De- denen Aspekten. Einmal erhebt sich die Frage mokratie ist dafür ein beredtes Beispiel. nach den historischen Fakten, wie kann das Wis- sen der Zeitzeugen gesichert, aber auch ergänzt Die Friedliche Revolution verzichtete auf einen werden? Aber auch eine Wiedergutmachung oder gewalttätigen Elitenwechsel. An seine Stelle trat – soweit das überhaupt möglich ist – eine Revisi- die Überprüfung auf die Tätigkeit für den Staats- on der Unrechtsakte des überwundenen Regimes sicherheitsdienst – wie wir heute wissen, ein nur gehört zur Aufarbeitung. Hierunter fallen für unvollkommenes Instrument. Letztlich geht es bei unsere Zeit die Rehabilitierungs-, Restitutions- dem Elitenwechsel nach einer Diktatur darum, und Entschädigungsgesetze mit all ihren Leis- das Prinzip der persönlichen Verantwortung wie- tungsregelungen. Dazu gehören aber auch der der aufzurichten, das in Diktaturen systematisch öffentliche Ausdruck der Anerkennung des Leides unterhöhlt wird. Diktaturen bauen zwischen die von Verfolgten und Entrechteten und die Würdi- Täter und ihre Tat, zwischen Täter und Opfer gung ihrer Lebensleistung für Freiheit und Demo- gezielt einen anonymisierenden Abstand ein, der kratie. die Handlungen im System entpersonalisiert.1 Dieses System der organisierten Verantwor- Diese Tagung konzentriert sich auf die Frage: Ist tungslosigkeit trug mit dazu bei, dass die Justiz die Kirche angemessen mit Mitarbeitern umge- bei dem Versuch der strafrechtlichen Aufarbei- gangen, die der Zusammenarbeit mit der Staatssi- tung des Unrechtsstaates weitgehend versagte. cherheit beschuldigt wurden. Ich will daher die Mit dem Rückwirkungsverbot wurde das Dikta- allgemeinen Fragen vernachlässigen und mich in turprinzip der Verantwortungslosigkeit des Ein- meinen vergleichenden Ausführungen auf die zelnen akzeptiert. Frage konzentrieren: Wie sind andere gesell- schaftliche Bereiche mit Stasi-Belastungen von Die Überprüfung auf Stasitätigkeit findet außer- Mitarbeitern und Verantwortlichen umgegangen? halb des strafrechtlichen Raumes statt und soll Kriterien dafür liefern, ob Personen weiterbe- schäftigt oder angestellt werden sollen. Ich will Elitenwechsel mich beim Vergleich der Stasi-Aufarbeitung auf drei Bereiche beschränken, die alle etwas mit der Ebenso unabweisbar ist der in Folge einer Revo- Rolle von Kirche Vergleichbares aufweisen: lution notwendige Elitenwechsel, der nach Ver- strickung und Schuld von einzelnen Personen in Der Öffentliche Dienst ist mit seiner hierarchi- das überwundene System fragt. Jeder Revolution schen Struktur, seiner Dienstfunktion für die Be- ist ein starker Impuls zum Elitenwechsel eigen. völkerung und mit der Flächenstruktur der Kirche Die umgewälzten Verhältnisse finden ihren Aus- vergleichbar. druck in neuen Persönlichkeiten, denen neues Handeln und Denken zugetraut wird. Die bisheri- Die Justiz hatte auch zu DDR-Zeiten in der Ver- gen Verantwortlichen müssen gehen, das bedarf fassung festgeschriebene Rechtssätze, die ihre keiner Erklärung und gewinnt seine Legitimation Unabhängigkeit hätten garantieren sollen. Sie aus dem Schwung der Revolution selbst. Kommt lebt, wie die Kirche, vom Vertrauen der Gesell- die Revolution in die Jahre, reicht dieser Impuls schaft in ihre Institutionen und Personal. allein nicht mehr aus. Es müssen ethische Maß- stäbe und Kriterien gefunden werden, die den 36 16/2007 epd-Dokumentation

Der Sport ist ein Beispiel für eine weit verzweigte standen oder geschaffen wurden. Weiter ist nach Struktur mit Haupt- und Ehrenamtlichen, die tief der Motivation der Verantwortlichen zu fragen in die Gesellschaft hineinreicht. Mit Kirche ist und nach den Erfolgen. ihm die Freiwilligkeit des Engagements gemein- sam. Öffentlicher Dienst Für alle öffentlichen Bereiche gab es Anfang und Mitte der 90er Jahre ein großes Medieninteresse »Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähi- für die Fragen der Stasi-Verstrickung, das nicht gung und fachlichen Leistungen gleichen Zugang immer frei war von Sensationsgier, aber auch zu jedem öffentlichen Amt«, so bestimmt es Art. einen großen Druck auf Politik und Institutionen 33 Abs. 2 Grundgesetz. Geeignet ist jedoch nur, ausübte, schnell zu reagieren. Gleichzeitig gibt es wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit aktiv für fundamentale Unterschiede der gesellschaftlichen die freiheitlich-demokratische Grundordnung Stellung von Verwaltung, Justiz und Sport im einzutreten. Der Einigungsvertrag sah die Mög- Vergleich zur Kirche. Kirche hatte in der DDR lichkeit der ordentlichen Kündigung eines Ar- eine Sonderstellung durch ihr Binnenrecht, die beitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung Mielke mit dem Satz von der »letzten legalen vor, wenn »der Arbeitnehmer wegen mangelnder Stellung des Feindes« charakterisierte. Wo das fachlicher Qualifikation oder persönlicher Eig- Kirchenrecht angewendet und beachtet wurde, nung den Anforderungen nicht entspricht.«2 war ein Elitenwechsel nicht notwendig und die Wenn der Arbeitnehmer »für das frühere Ministe- personelle Kontinuität konnte sogar das Vertrau- rium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Si- en, das den Kirchen in der Revolution entgegen- cherheit tätig war und deshalb ein Festhalten am gebracht wurde, bestätigen. Das Bemühen um die Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint«,3 war schnelle und gründliche Aufarbeitung in der Kir- sogar eine außerordentliche Kündigung möglich. che richtete sich darauf, dieses Grundvertrauen nicht durch einzelne Belastungsfälle zu zerstören. Die Thüringer Verfassung schreibt fest, dass »die Eignung zur Einstellung und zur Weiterbeschäfti- Für den Verwaltungs- und den Justizapparat der gung im öffentlichen Dienst grundsätzlich jeder DDR konnte dies nicht gelten. Sie waren Teil des Person fehlt, die mit dem früheren Ministerium Herrschaftsapparates der SED und die Verkörpe- für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit rung der Diktatur in ihren Verästelungen bis in zusammengearbeitet hat oder für dieses tätig den Alltag. Sie waren vollständig von Partei- war.«4 Thüringen hat in eigenen Gesetzen über strukturen durchdrungen mithilfe der Parteiorga- Beamte die grundsätzliche Vermutung aufgestellt, nisationen, der ideologischen Beeinflussung und dass nicht nur hauptamtlichen und inoffiziellen der zunehmenden Perfektionierung der »sozialis- Mitarbeitern des MfS/AfNS, sondern auch haupt- tischen Gesetzlichkeit«. Dass diese beiden Berei- amtlichen Mitarbeitern der SED und der Politab- che – anders als die Kirchen – dem keine eigenen teilungen der bewaffneten Organe, den haupt- Rechtssetzungen gegenüberstellen konnten – hat amtlichen Parteisekretären der Dienststellen der den Start in die Überprüfungen erschwert. bewaffneten Organe, den Stellvertretern für poli- tische Arbeit sowie Mitgliedern des Nationalen Auch den Sport betrachtete die SED als ihr Ins- Verteidigungsrates der DDR und der Bezirks- und trument. Um das Ansehen der DDR im Ausland Kreiseinsatzleitungen die persönliche Eignung zu heben und der Bevölkerung Identifikationsfi- fehle. Diese Vermutung konnte jedoch im Ein- guren anzubieten, wurde der Leistungssport pri- zelfall widerlegt werden.5 Ob staatstragende vilegiert und drangsaliert. Ein wissenschaftlich Funktionen in der DDR jemals Kriterium waren, fundiertes System aus Training und Doping er- jemand zu kündigen oder eine Einstellung nicht zwang sportliche Erfolge auf Kosten der Gesund- vorzunehmen, ist nirgends belegt. heit und der Persönlichkeitsrechte der Sportler. Die überragende Erfolgsbilanz ließ eine proble- Das Thüringer Innenministerium bestimmte 1992 matisierende Sicht auf den DDR-Sport vorder- in einem Runderlass die Regelanfrage,6 die die gründig überflüssig erscheinen. Die diffuse recht- Thüringer Synode schon im Frühjahr 1991 be- liche Struktur, die nach dem Zerfall der DDR- schlossen hatte. Klubs entstand, verunklarte die Situation zusätz- lich. Allen Thüringer Überprüfungsregelungen fehlt ein Instrument, um die Vollständigkeit der Überprü- Um vergleichen zu können frage ich nach den fungen durch die jeweiligen Personalstellen zu rechtlichen Instrumenten, die zur Verfügung kontrollieren oder das Ergebnis zu kommunizie- epd-Dokumentation 16/2007 37

ren. Es gab keine Berichtspflichten und auch der rien z.B. für alle Mitarbeiter oder nur für Füh- Landesbeauftragte erhielt nicht die Kompetenzen, rungskräfte. In den Verfahren zwischen Personal- dies selbstständig zu prüfen. abteilung, Vertrauensausschuss und Arbeitsge- richten bildete sich inzwischen ein »Katalog von Das Thüringer Innenministerium zog 2006 fol- Fällen heraus, bei denen Hinweise auf eine gende Bilanz: 46.175 Auskunftsersuchen wurden hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für das zwischen 1991 und 2005 an die Bundesbeauf- MfS einer Weiterbeschäftigung ... nicht entgegen- tragte für die Unterlagen des Staatssicherheits- stehen: z.B. bei Ableistung des Wehrdienstes dienstes der ehemaligen Deutschen Demokrati- beim Wachregiment des MfS, Abgabe einer Ver- schen Republik gerichtet, 44.949 davon pflichtungserklärung ohne weitere Zusammenar- beauskunftet. 1.756 Personen sind aus dem beit oder in jugendlichem Alter, Tätigkeiten vor Dienst ausgeschieden, 781 Personen wurden 1970, Tätigkeiten von kurzer Dauer und geringer weiterbeschäftigt, in 532 Fällen steht die Aus- Intensität«. Berücksichtigt wurden »auch die per- kunft der Bundesbeauftragten noch aus. Mit 801 sönlichen Umstände zum Zeitpunkt des Tätig- Ausgeschiedenen bei 1111 Belastungsfällen ist der werdens..., Bemühungen, die Zusammenarbeit Prozentsatz in der Thüringer Polizei am höchsten von sich aus wieder zu beenden, sowie die Tatsa- gewesen. che, ob der Beschäftigte der Dienststelle gegen- über die Tätigkeit von vornherein (z.B. in ent- Diese Zahlen stehen allerdings z.T. im Wider- sprechenden Fragebögen) eingeräumt hat.«7 spruch zu früheren Angaben. So hatte allein das Kultusministerium 1999 schon einmal bekannt Die Behörden meinten: »Für die Vertrauenswür- gegeben, über 40.000 Lehrer seien überprüft wor- digkeit der öffentlichen Verwaltung wäre es den. Von diesen seien 1.280 belastet gewesen, im wichtig, dass die Beschäftigten frei von Belastun- Ergebnis der Einzelfallprüfungen seien 991 Lehrer gen und Verstrickungen der Vergangenheit wä- ausgeschieden (721 durch Aufhebungsvertrag, ren. Insbesondere wäre die Überprüfung für die 270 durch Kündigung), 289 sind weiterbeschäftigt personelle Erneuerung des öffentlichen Dienstes worden. Nach der Öffnung der HVA-Karteien im Zeitraum 1991 bis 1993 von entscheidender regte der Thüringer Ministerpräsident eine er- Bedeutung gewesen.« Bei einer Belastungsquote neute Überprüfung des öffentlichen Dienstes an. von etwa 5 bis 6 Prozent seien zwischen ¼ und Zeitungen berichteten im Frühjahr 2006 von etwa ¾ der Belasteten nicht weiterbeschäftigt worden.8 40 neuen Belastungsfällen in Thüringen, ohne dass die Quellen dieser Zahl ganz deutlich wur- Insgesamt kann man festhalten: Anders als in der den. Kirche kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die Überprüfungen vollständig durchgeführt Für die Bewertung belastender Auskünfte wurden worden sind. Ein umfänglicher Elitenwechsel, wie bis Mitte der neunziger Jahre Kriterien entwickelt, er in der Revolution und in den frühen gesetzli- die im Laufe der Jahre durch Erfahrungen in der chen Regelungen angestrebt worden ist, hat aller- Praxis verfeinert und vor allem durch Arbeitsge- dings durch die Beschränkung auf die Stasi-Frage richtsentscheidungen abgeschwächt wurden. nicht stattgefunden. Die Funktion der staatlichen Verwaltung in der DDR hätte es erforderlich ge- Neben den Fragen der Motivation für die Tätig- macht, auch nach der »ganz normalen« berufli- keit, ihrer Intensität, der Dauer und des Zeit- chen Tätigkeit zu fragen.9 Die Zahl der Querein- punktes, des persönlichen Vorteils des Mitarbei- steiger in die öffentliche Verwaltung blieb über- ters, spielten zunehmend Fragen nach der aktu- aus gering, sieht man von Wechseln aus der alt- ellen Situation des ehemaligen Mitarbeiters eine bundesdeutschen Verwaltung in den Thüringer Rolle: Wie offen ging der Betreffende mit der öffentlichen Dienst ab. Vor allem aber die man- Stasi-Frage um? Ist eine Wandlung und Distanzie- gelnde Transparenz und Nachvollziehbarkeit der rung von der früheren Tätigkeit erkennbar? Wel- Überprüfungspraxis hinterlässt einen schalen che mehr oder weniger vertrauenswürdigen oder Beigeschmack. So taucht bei Menschen, die von in die Öffentlichkeit wirkenden Tätigkeiten führt (empfundenen oder tatsächlichen) Fehlentschei- er heute aus? dungen der Verwaltung betroffen sind, immer wieder ein – meist nicht mehr zu bestätigender – Der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen hat Stasiverdacht auf. 1999 überprüfende Behörden um einen Bericht zum Umgang mit Überprüfungsergebnissen ge- beten. Erfahrungen aus 16 Behörden belegen: Die Behörden stellten die Anträge nach eigenen Krite- 38 16/2007 epd-Dokumentation

Exkurs: Überprüfungen im Thüringer Landtag Betroffenen wehrten sich dagegen – allerdings erfolglos – bei Gericht: Das Parlament ist berech- Die Politik setzt wesentlich die Maßstäbe für das tigt, die Unwürdigkeit von Mitgliedern festzustel- Personal und den Geist der öffentlichen Verwal- len, auch wenn dies keine rechtlichen Folgen hat. tungen. Gewählte Personen bilden die obersten Die Sinnhaftigkeit des Verfahrens wurde in der Spitzen der Verwaltung (Landesregierung, Bür- öffentlichen Diskussion heftig bestritten. So steht germeister und Landräte). Es ist also nicht ganz die Frage, ob nicht letztlich die Würde des Land- falsch, wenn »die Leute« den Landtag, die kom- tags Schaden nimmt, wenn er gezwungen ist, munalen Vertretungen und die Verwaltung insge- unwürdige Mitglieder als gleichberechtigte Abge- samt als »den Staat« wahrnehmen und Versäum- ordnete zu beherbergen: nisse der einen den anderen mit anlasten. Im April 1999 beschloss der Thüringer Landtag ge- Die Geschichte der Landtagsüberprüfungen ist ein mäß des geltenden Abgeordneten-Überprüfungs- Beispiel dafür, dass rechtliche Klarheit ohne prak- gesetzes den Mandatsverlust für die Abgeordnete tische Folgen eine Tendenz hat, die Wahrheit Almut Beck aus der PDS-Fraktion wegen erwiese- (Aufklärung) zu delegitimieren. ner aktiver Zusammenarbeit mit dem MfS. Sie klagte dagegen. Der Thüringer Verfassungsge- richtshof beschloss am 25. Mai 2000 einstimmig, Aufarbeitung in der Justiz der Mandatsverlust sei nur durch Verfassungsre- gelungen möglich. Die Überprüfung des Justizpersonals vollzog sich sehr schnell und konnte so gewissermaßen den Da der Thüringer Verfassung eine solche Rege- revolutionären Elan noch mitnehmen. Nachdem lung fehle und die Tätigkeit für das MfS auch in der Revolutionszeit schon etwa 1/6 der Richter nicht strafrechtlich sanktioniert sei, sei der Para- und Staatsanwälte ihre Ämter verlassen hatten,11 graf über den Mandatsverlust im Thüringer Ab- mussten sich sofort nach der Wiedervereinigung geordnetenüberprüfungsgesetz verfassungswidrig. sämtliche DDR-Richter und -Staatsanwälte neu Dies gelte auch dann, wenn die Verfassungsgeber bewerben. Sie behielten grundsätzlich ihre Befä- dies zwar gewollt, aber eben nicht ausdrücklich higung. Ihre persönliche Eignung musste aller- in den Wortlaut der Verfassung hineingeschrie- dings überprüft werden. Der marxistische Lehr- ben hätten. »Die daraus resultierende Konsequenz satz, die Justiz sei ein Instrument der herrschen- im Verfahren Beck darf indes nicht im Sinne einer den Klasse, war in der DDR durch ein dichtes ‚Schlußstrich‘-Mentalität verstanden werden«,10 System der Anleitung und Führung durch die SED vermerkt ein Minderheitsvotum von zweien der und – besonders in politischen Prozessen – durch Verfassungsrichter. Eine entsprechende Verfas- das MfS in die Tat umgesetzt worden. Dement- sungsänderung wurde in der Folge allerdings sprechend waren das Ansehen und das Vertrauen nicht angestrebt. Es entstand der Eindruck, Beck in das Rechtswesen tief gestört, auch wenn bei sei vom Stasivorwurf entlastet worden. der Besetzung von Stasi-Zentralen Staatsanwälte quasi in die rechtsstaatliche Pflicht genommen In der Wahlkampfzeit 2004 spielte die Frage der wurden. Ein rechtsstaatliches Justizwesen konnte Überprüfung erneut eine Rolle. Die CDU verlangte nur mit vertrauenswürdigem Personal aufgebaut von ihren Kandidaten eine Erklärung, dass sie werden, so dass es hier zu frühen, sehr umfas- nicht für das MfS tätig gewesen seien. Die SPD senden und gründlichen Überprüfungen kam. und die Grünen empfahlen ihren Kreisverbänden, die Frage nicht unbeachtet zu lassen. Für die PDS Zur personellen Bereinigung der Justiz wurden im war dies kein Thema. Von zwei Kandidaten der Thüringer Justizministerium Ausschüsse gebildet, PDS waren MfS-Tätigkeiten öffentlich bekannt. die die Bewerber prüften. Beide erklärten, sich ihrer Vergangenheit nicht zu schämen und versuchten ihr Verhalten verständ- Als Kriterien der Überprüfung12 wurden im Som- lich zu machen. mer 1990 formuliert:

Der Überprüfungsausschuss des Landtages prüfte „ Treue zum freiheitlichen, demokratischen, nach der Wahl in streng geheimen Sitzungen vier föderativen, sozialen und ökologisch orien- belastende Auskünfte zu Abgeordneten der PDS- tierten Rechtsstaat Fraktion. In zwei Fällen war die Aktenlage so „ Moralische und politische Integrität dicht, dass die Ausschussmehrheit und ihr fol- „ Fachliche Eignung und Fortbildungsbereit- gend die Mehrheit des Landtages die Unwürdig- schaft keit der betroffenen Abgeordneten erklärte. Die „ Berufsethische Eigenschaften epd-Dokumentation 16/2007 39

Zu den Kriterien die auch für den Öffentlichen 1992 glaubte man noch: »Die Justiz des Rechts- Dienst galten, kam das Kriterium der Tragbarkeit. staates sollte in der Lage sein, jedem einzelnen Ein Bewerber konnte untragbar sein, weil er »in seine Mitverantwortung nachzuweisen, und nicht den Augen der Bevölkerung als zu stark belastet vor einem ‚Gebirge der Schuld‘ kapitulieren.«16 angesehen werden könnte« und daher das Ver- trauen der Bevölkerung in die neu aufzubauende Aber es kam anders. »Der Gesetzgeber in Ost und Justiz schädigen werde. Andererseits reichte al- West hat(te) sich nicht dafür entschieden, das lein die Mitgliedschaft in der SED, die fast alle verfassungsrechtlich verankerte Rückwirkungs- DDR-Richter und Staatsanwälte hatten, nicht aus, verbot für das Systemunrecht der ehemaligen um die Untragbarkeit zu erklären. Als Entschei- DDR außer Kraft zu setzen und konkret zu sagen, dungsgrundlage dienten den Ausschüssen die welche Erscheinungsformen dieses Unrechts als Personalunterlagen, die allerdings in den Revolu- Straftat zu betrachten sind. Er hat es vielmehr der tionsmonaten vielfach bereinigt worden waren, Justiz überlassen, darüber zu befinden...«17 die ggf. vorhandenen MfS-Unterlagen, die Anhö- rung des Bewerbers und – das unterscheidet das Damit konnten DDR-Verbrechen nur nach der Überprüfungsverfahren für Richter und Staatsan- Radbruchschen Formel verfolgt werden. Der wälte vom sonstigen öffentlichen Dienst – auch Bundesgerichtshof setzte hier aber problemati- die Unterlagen aus früher von diesen Personen sche hohe Maßstäbe. geführten Verfahren. In keiner anderen Überprü- fung, auch nicht in der Kirche, spielte die Frage »Die Verletzung dieser Rechte [der allgemeinen der früheren offiziellen beruflichen Tätigkeit eine Menschenrechte wie Einschränkungen von Aus- Rolle. reisefreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit usw.; H.N.] geht aber In Thüringen kamen die Leitenden Prüfer der nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht Überprüfungs-Ausschüsse, die im Justizministeri- so weit, dass sie jenes Maß an Unerträglichkeit um angesiedelt waren, aus den alten Bundeslän- erreicht, das zur Unverbindlichkeit gesetzten dern.13 Das Thüringer Verfahren zeichnete sich Rechts führen muss.«...«Das rechtsstaatlich als durch eine gewisse Konfliktvermeidungsstrategie Unrecht zu bewertende Gesetz muss, wenn es um aus, die ich auch im kirchlichen Verfahren wie- die Verantwortung der Täter geht, so behandelt dergefunden habe. Alle wurden zu einem Vorge- werden, als wäre es Recht.«18 Praktisch heißt das, spräch geladen, in dem Bewerbern mit deutlich dass »massive Reaktionen der DDR-Justiz gerade geringen Chancen die Rücknahme der Bewerbung auf besonders mutiges und aktiv auf die Durch- nahe gelegt wurde. Damit wurden zwei Zwecke setzung von Freiheitsrechten gerichtetes Verhal- erfüllt: der Ausschuss sparte sich Arbeit und ten wegen des nach rechtsstaatlichen Prinzipien mögliche Gerichtsverfahren, dem Bewerber blieb gebotenen Abstellens auf die Sicht des DDR- eine möglicherweise belastende Ablehnung er- Rechts eher selten zur Annahme von Rechtsbeu- spart. 32 Prozent der Richter und 49 % der gung führen werde, weil die DDR-Justiz gerade Staatsanwälte machten von dieser Möglichkeit solches Verhalten von Menschen mit Zivilcourage Gebrauch,14 so dass im Ergebnis nur wenige ab- aus ihrer Sicht zu Recht besonders fürchten lehnende Entscheidungen von den Ausschüssen musste.«19 ausgesprochen wurden (31 Richter und 11 Staats- anwälte). Im Ergebnis der Überprüfungsverfahren Nach Ermittlungen in über 11.000 Fällen sind wurden von 242 Richtern (Stand Dez. 89) 101 (nur) 90 Verfahren wegen Rechtsbeugung einge- übernommen, von 173 Staatsanwälten blieben 61. leitet und nur 7 der 154 angeklagten Justizange- hörigen verurteilt worden (bis 1997).20

Exkurs Rechtsbeugung Ein Nebenaspekt der Rechtsbeugungsprozesse ist die erneute Verletzung von Opfern dieser Richter Neben der arbeitsrechtlichen Frage stellte sich und Staatsanwälte. Wenn ihre Richter damals auch die Frage der strafrechtlichen Verfolgung nicht Unrecht getan haben, sind die Verurteilten von DDR-Richtern und -Staatsanwälten, die Un- offenbar zu Recht verurteilt worden. Ich habe rechtsurteile zu verantworten hatten. Es sollte solche als Zeugen in Rechtsbeugungsprozessen geklärt werden, »ob sich Richter und Staatsan- erlebt, die durch die Befragung über die damalige wälte, die bis 1989 nach den Bestimmungen des Zeit erneut zutiefst verletzt wurden. Die an sozi- politischen Strafrechts der DDR Flüchtlinge und alen Entschädigungsleistungen relativ armselige Andersdenkende angeklagt haben, strafbar ge- Rehabilitierung kann diesen seelischen Schaden macht haben«.15 nicht heilen. 40 16/2007 epd-Dokumentation

»Die Überprüfungen sind so abgelaufen, dass angesehen werden.24 »Der Wintersport in Oberhof keine Skandale und Enthüllungen über ehemalige [z.B.] stellt sich ... dar als geschlossenes Biotop, ‚Rote Juristen‘ zu erwarten sind.«21 bilanzierte das nur ein schmales Fenster zur übrigen Gesell- man 1997. Dies hat sich bestätigt. Die strikte An- schaft offen ließ. Ein merkwürdiges Gemenge aus wendung rechtlicher Regeln hat zu einer Befrie- Drangsalierung und Privilegierung ist in seinen dung geführt. Darin und in der vollständigen Wirkungen auf die betroffenen Personen noch Überprüfung aller Aktiven ist das Verfahren nicht einzuschätzen.«25 schneller und effektiver gewesen, als es in den Kirchen möglich war. Aus dem Westen schaute man mit einer gewissen Faszination auf das Sportwunder DDR. Obwohl Ob man allerdings davon sprechen kann, dass der es schon lange den Verdacht des Dopings gab, Rechtsstaat damit »die vorrechtsstaatliche Ver- konnte sich niemand das tatsächliche Ausmaß gangenheit aufgearbeitet« hat, muss bezweifelt vorstellen, und die DDR-Funktionäre taten das werden. Ihre, um die Erfolge mit wissenschaftlichen Trai- ningsmethoden und frühzeitiger Kadergewinnung Vielmehr wird immer deutlicher, dass die Friedli- zu erklären. Mit den Offizieren der Armeesport- che Revolution nicht als Recht stiftender Akt in klubs, den Ärzten, Physiotherapeuten und Trai- der deutschen Rechtssprechung akzeptiert wird, nern, die alle in das Dopingsystem eingebunden sondern durch Rückwirkungsverbot und Fehlein- gewesen waren, blieben auch die inoffiziellen schätzungen der DDR-Wirklichkeit heute in der Mitarbeiter in allen Ebenen. Praxis systemnahe Personen ihre Ansprüche wirksamer durchsetzen können als die Opfer Dies war keine Atmosphäre, in der 1989 ein freu- dieses Unrechtssystems. Revolutionsrecht wie das diger Aufbruch stattgefunden hätte, eher sah man StUG und die Rentenkappung, wird revidiert und die Pläne für Olympia 1992 und für zukünftige eingeschränkt. Ob dies mit einer allzu schnellen Erfolge gefährdet. 1997 zählte die Zeitschrift Ger- und unkritischen Anverwandlung der westlichen bergasse 18 aus Jena acht ehemalige Spitzel als und östlichen Juristen aneinander zu erklären ist, Funktionäre des FC Carl Zeiss Jena auf: der Ge- muss wohl offen bleiben. schäftsführer, der Sponsorenbeauftragte, der Si- cherheitsbeauftragte, der Vorsitzende des Ju- gendausschusses waren IM und erfreuten sich des Sport Schutzes der FC-Gremien gegen die öffentlichen Angriffe. Dieses Bild be-stätigt sich in den ande- »Hauptaufgabe des MfS« im Leistungs- und Profi- ren Thüringer Sportverbänden: ehemalige inoffi- sport, um den es hier gehen soll, war neben der zielle Mitarbeiter sind Geschäftsführer, Sportdi- politischen Gleichschaltung und der lückenlosen rektor, Nachwuchsbetreuer, gewählte Vereinsprä- Überwachung vor allem der Reisekader die »Ver- sidenten, Trainer oder Angestellte.26 heimlichung des systematischen Sportbetrugs«.22 Dies verflicht die Frage nach dem Elitenwechsel Andere Belastete wechselten in die »freie Wirt- sehr eng mit den Fragen des Staatsdopings und schaft«. Wolfram Scheibe (IM »Walter Bieler«), der Verantwortung dafür. Im DDR-Leistungssport der als Professor der Sportmedizin in Jena die waren etwa 100.000 Personen beschäftigt, etwa Oberhofer Bobsportler medizinisch betreut hatte, 3.000 von ihnen waren IM des MfS.23 ist inzwischen Kurarzt in Bad Pyrmont. Jürgen Falkenthal (IM »Ilja Vogelberg«), der die Jenaer Dazu kamen hauptamtliche Mitarbeiter in allen Speerwerfer trainiert hatte, eröffnete gleich 1990 Leistungssportzentren und IM in medizinischen ein gut ausgestattetes Fitnessstudio. Prof. Michael und mit Doping-Forschung beschäftigten Berei- Oettel, der Forschungsdirektor des VEB Je- chen. Diese Dichte an MfS-Mitarbeitern, die Zu- napharm, wo die Dopingmittel entwickelt und gehörigkeit der Sportler und Trainer zur NVA hergestellt wurden, blieb bis zu seiner Pensionie- oder zum MfS als Dynamo-Mitglieder, die Kaser- rung in der Forschungsabteilung. nierung in den Leistungszentren und Kinder- und Jugend-Sportschulen schufen ein militarisiertes So wurden Journalisten und einige wenige Wis- Klima und eine scharfe ideologische Kontrolle. senschaftler zu den wichtigsten Aufarbeitern des Dazu kam ein stolzer Korpsgeist, der den Erfolg DDR-Sportsystems.27 Es ist besonders zu würdi- vergötterte. Durch Sonderversorgung, Bevorzu- gen, dass einige wenige couragierte Zeitzeugen, gung in Fragen der Ausbildung und anderen All- wie Henner Misersky, Andreas Heß und Ines tagsfragen und nicht zuletzt die Westreisen muss Geipel, ihre Akten öffneten und über ihnen wi- der Bereich des Leistungssports als privilegiert derfahrenes Unrecht sprachen.28 1993 benannte epd-Dokumentation 16/2007 41

der Thüringer Landessportbund einen Vertrau- Deutsche Eislaufunion teilte am 21.9.2006 mit, ensmann für die Offenlegung von Stasikontakten, man habe »sich vom Stasi-belasteten Eiskunst- seinen Präsidenten Manfred Thieß. Der trat aller- lauftrainer Ingo Steuer distanziert und damit die dings 1994 von seinem Amt zurück. Eine eigens Freigabe der Fördergelder durch das BMI er- zusammengestellte Thüringer Kommission hatte wirkt«.32 Mit der Auflösung von DSB und NOK nach öffentlichen Vorwürfen seine Stasi- zum DOSB ist die Kommission nicht verlängert Belastung und sein Verhalten in der Revolutions- worden und somit stillschweigend gestorben. zeit 1989/90 geprüft und den Rücktritt vom Amt des LSB-Präsidenten empfohlen. Allerdings wurde Nachdem zur Biathlon-Weltmeisterschaft in Prof. Dr. Manfred Thieß alsbald Direktor der Oberhof 2004 wieder umfangreich über stasiver- Sportakademie Thüringen, dem geistigen Zent- strickte Funktionäre berichtet worden war, grün- rum des Thüringer Sports und der Ausbildungs- dete der Thüringer Landessportbund eine unab- stätte für Trainer, und blieb dort bis zu seinem hängige Kommission zur Aufarbeitung von Stasi- altersbedingten Ausscheiden im Sommer des belastungen. Nach zwei Jahren Arbeit war die Jahres 2006. 1994 gründeten der Deutsche Sport Kommission mit sieben Fällen befasst worden. Bund (DSB) und das Nationale Olympische Ko- Sie hatte zwei Empfehlungen ausgesprochen, die mitee (NOK) die Gemeinsame Stasi-Kommission beide nicht befolgt wurden. Im Herbst 2005 ver- unter der Leitung von Hanna Renate Laurien. Die ließ Henner Misersky die Kommission, der für die Kommission sollte Stasi-Verstrickungen von Trai- Opfer des DDR-Sportsystems hinzugebeten wor- nern und Sportlern untersuchen und Empfehlun- den war. Er bemängelte den »fehlenden Willen gen für die Verbände aussprechen. Sie wurde auf zur Aufarbeitung seitens des LSB, der eine frei- Anregung oder Antrag der Verbände tätig. Auch willige Selbstüberprüfung für die Verbands- und die Opfer des DDR-Sportsystems sollten sich an Vereinsstrukturen abgelehnt hatte«.33 die Kommission wenden. Im Jahr 2004 berichtete die Kommission im über die Beschäfti- Da der Sport in quasi privaten Vereinen organi- gung mit 51 Fällen in 34 Sitzungen und »einer siert ist, haben die Verantwortlichen nur einge- etwa gleich hohen Anzahl« von Aktensichtun- schränkte Zugangsmöglichkeiten zu Stasiakten. gen.29 In einigen Fällen hätten die Akten nicht Einer formellen Überprüfung dürfen nur leitende ausgereicht, um gerichtsfeste Entscheidungen zu Angestellte und Vereinsvorstände unterzogen fällen.30 werden. Unbenommen bleibt es aber jedem, die Selbstauskunft bei der BStU-Behörde zu beantra- Zuletzt trat die Kommission vor der Winterolym- gen. Marianne Birthler hatte den Sportverbänden piade 2006 in Turin zusammen. Hier wurden drei auch angeboten, einen Forschungsantrag zur Personen für so belastet eingestuft, dass die Aus- Stasitätigkeit im DDR-Sport bevorzugt zu bear- delegierung empfohlen wurde. Zwei akzeptierten beiten. Diese Instrumente wären geeignet gewe- die Entscheidung. Der Eiskunstlauftrainer Ingo sen, Wissen über die Stasiverstrickung von Mit- Steuer klagte dagegen und erreichte eine einst- arbeitern und Bewerbern zu erlangen. Offensicht- weilige Verfügung, so dass die Eislaufunion ihn lich besteht aber daran kein Interesse, vielmehr mitnehmen musste. Ähnlich ist es auch den frü- werden Kritiker mit Vorwürfen und Drohungen heren Empfehlungen der Kommission ergangen, bedacht, wenn sie auf die Belastung von Trainern die Sportverbände ignorierten größtenteils die oder Vereinsangestellten hinweisen. Inzwischen Voten oder die Personen wechselten nur die Ar- sind durch Verschleppung und Unterlassung viele beitsorte. Bei insgesamt 3000 IM im Sport ist die- Handlungsoptionen verspielt. Durch Medienbe- se Bilanz ausgesprochen mager. richte und wissenschaftliche Arbeiten sind viele IM-Namen inzwischen bekannt. Die Betroffenen Der sportpolitische Sprecher der Grünen im Bun- wurden aber von den Verbänden trotz dieser destag Winfried Hermann meinte, die meisten Kenntnis weiterbeschäftigt. Die Arbeitsgerichte Fachverbände hätten die vom DSB mehrfach beurteilen dies als stillschweigendes Einverständ- ausgesprochenen Empfehlungen, leitende Mitar- nis des Arbeitgebers, so dass eine Kündigung beiter zu überprüfen, »unter den Teppich ge- damit nicht mehr begründet werden kann. Aus kehrt«. Das Bundesinnenministerium (BMI) solle dem Unwillen zum Handeln ist so ein rechtliches diese Kontrolle des Personals im Sport fordern Hindernis geworden. und dabei androhen, bei Fortsetzung der Verwei- gerungshaltung die Mittel zu sperren.31 In diesem Sommer verschärfte sich die Situation für die Kommission weiter. Mehrere Verbände, Dieses letzte Mittel des Druckes von außen kam darunter die Sportakademie, zogen alle erteilten erstmals im Fall Steuer zur Anwendung. Die Vollmachten zur Überprüfung zurück. Der Jenaer 42 16/2007 epd-Dokumentation

FC erklärte, keine Überprüfungen durchführen zu und zur Übernahme von Verantwortung für frü- wollen. Offenbar spekuliert man auf das Ende der here Fehler und Verbrechen hat nicht stattgefun- Überprüfungen zum 29.12.2006. Die verbliebenen den und zeichnet sich auch nicht ab. Dass auch Kommissionsmitglieder sind frustriert, es gibt die personelle Erneuerung unterblieben ist, ist Gerüchte über die baldige Auflösung der Kom- daraus nur die logische Konsequenz. mission.

Der Thüringer Sport hat sich das Selbstbild vom Zusammenfassung »Staat im Staate« erhalten. Obwohl viele Politiker vor allem der CDU gleichzeitig Vorsitzende oder Die Überprüfung als vertrauensbildende Maß- Funktionäre in Sportvereinen sind, werden An- nahme hat sich überall dort bewährt, wo sie auf sprüche aus der Gesellschaft zur Transparenz und klaren rechtlichen Grundlagen basierend zu ver- zur Aufarbeitung als Zumutung erlebt, als »Ein- lässlichen Ergebnissen geführt hat, die in die mischung in die inneren Angelegenheiten«, wie Öffentlichkeit kommuniziert wurden. Die Kirchen Honecker es bezeichnet hätte. Umgekehrt werden hatten durch das innerkirchliche Recht eine ver- aus der Gesellschaft und vor allem der Politik die gleichsweise günstige Ausgangssituation. In den Forderungen nach Aufarbeitung nicht nachdrück- Kirchen war auch kein revolutionärer Elitenwech- lich genug erhoben. So erhalten sich auch die sel notwendig, sondern gewissermaßen nur das Deformationen des Menschenbildes, das den Aussortieren von Kollaborateuren, da sie nicht sportlichen Erfolg über die Persönlichkeitsrechte selber Teil der Diktatur waren. stellt und die Instrumentalisierung junger Men- schen in Kauf nimmt. Man führt nur einen halb- Im Öffentlichen Dienst und der Justiz dagegen herzigen Kampf gegen die Versuchung des Do- musste eine personelle Erneuerung glaubhaft pings. Von Sportverbänden werden immense gemacht werden. Hier konnten Rechtsformen finanzielle Forderungen gestellt und die Politik gefunden werden, die zu tragfähigen Ergebnissen zahlt viele Millionen. Diese werden mit der sozi- geführt haben. Die mangelnde Transparenz der alpsychologischen Rolle des Sports für die Ju- Verfahren trübt das Gesamtbild. Der Versuch, den genderziehung und für die regionale Identitätsbil- Elitenwechsel nach der Friedlichen Revolution dung begründet. Andererseits betreibt das Sport- rechtlich zu organisieren, war so unabweisbar, museum Oberhof mit öffentlicher Förderung eine wie er unvollkommen geblieben ist. geschichtsvergessene Traditionspflege, die der Opfer dieses Systems spottet. Im Sport fehlte der Wille zur Erneuerung, so dass vorhandene rechtliche Mittel nicht angewendet Abschließend kann ich die Situation nur so zu- und andere Möglichkeiten versäumt wurden. sammenfassen: Vielleicht ist es auch ein entscheidender Unter- schied, dass der Sport mit seiner absoluten Ori- Vor der Friedlichen Revolution waren die meisten entierung am Erfolg keine geistigen Instrumente Verantwortlichen und sehr viele Sportler in das für den Umgang mit Fehlern, Niederlagen und System aus Doping, politischer Instrumentalisie- Versagen besitzt, wie die Kirche sie in der Recht- rung und ideologischer Überwachung verstrickt. fertigungslehre zur Verfügung hat. Rechtliche Schranken des Ärzterechts und des Persönlichkeitsschutzes waren systematisch Die Erfahrungen in den Evangelischen Kirchen gebrochen worden, der Sportbetrug war Alltag. können, bei Beachtung der strukturellen Unter- So fehlten nach 89 der Wille und die rechtlichen schiede, Vorbild sein für andere gesellschaftliche Instrumente, auf diese Situation angemessen zu Bereiche. Vor allem ist eines festzuhalten: Es ist reagieren – zum Schaden der Opfer. Die begeis- möglich, durch konsequente Anwendung rechtli- terte Anerkennung aus dem Westen ließ die Ver- cher Regelungen eine solche Aufgabe tatsächlich gangenheit eher golden als aufarbeitungsbedürftig abzuschließen und die daraus entstehenden Kon- erscheinen. Die bis heute gepflegte gesellschaftli- flikte zu befrieden. che Abschottung und die gedankenlose und fast schon korrupte Förderung durch die Politik (Kor- ruption i.S. von Wählerstimmenfang) haben dazu Anmerkungen: geführt, dass eine Aufarbeitung praktisch nur von 1 Deshalb eben konnte eine Geschichte wie in dem Film »Das außerhalb des Sports stattfindet und gegen er- Leben der Anderen« nicht passieren. Der Stasioffizier bekam die hebliche Widerstände kämpft. Eine geistige Er- bearbeiteten Personen nur durch die Brille der Abhörer und der neuerung im Sport im Sinne einer Revision des Spitzel vor die Augen und richtete nach diesem Feind-Bild seine Maßnahmen. Menschenbildes, einer Öffnung zur Gesellschaft epd-Dokumentation 16/2007 43

2 Einigungsvertrag, Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Bestimmun- 15 Zitiert nach Christa Hoffmann, Stunden Null? Vergangenheits- gen zum Recht der im öffentlichen Dienst. Abschnitt III Nr. 1 Abs. bewältigung in Deutschland1945 und 1989, Bonn Berlin 1992, 4; Diese Sonderkündigungsregelung war zunächst bis zum S. 251.

02.10.1992 befristet. Durch das Gesetz zur Verlängerung der 16 Christa Hofffmann, Stunden Null?, Vergangenheitsbewältigung Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach in Deutschland1945 und 1989, Bonn Berlin 1992, S. 247. dem Einigungsvertrag vom 20.08.1992 ist die Frist jedoch 17 zunächst bis zum 31.12.1993 verlängert worden. Die Befugnis Christoph Schäfgen, Opfer im strafrechtlich fassbaren Bereich, des Bundesgesetzgebers zur Fristenverlängerung ergibt sich aus in: Ulrich Baumann und Helmut Kury (Hg.), Politisch Motivierte Art. 45 Abs. 2 des Einigungsvertrages. Verfolgung: Opfer von SED-Unrecht, Freiburg i.Br. 1998, S. 39. Der Autor bezieht sich hier auf den Einigungsvertrag Artikel 315 3 Einigungsvertrag Abschnitt III Nr.1 Abs. 5 Abs1 EGStGB 4 Verfassung des Freistaats Thüringen im Abschnitt 7 (Die Verwal- 18 A.a.O., S. 43. tung), Artikel 96 Abs. 2 In der Folge wurden entsprechende 19 Passagen in weiteren Gesetzen eingearbeitet: Thüringer Gesetz BGHSt 41, 247 ff zitiert nach Christoph Schäfgen, Opfer im zur Entlastung der Richterwahlausschüsse v. 14.05.1991 (§2), strafrechtlich fassbaren Bereich, in: Ulrich Baumann und Helmut Thüringer Beamtengesetz v. 10.06.1994 (§ 8 Abs. 3), Thüringer Kury (Hg.) Politisch Motivierte Verfolgung: Opfer von SED- Polizeiorganisationsgesetz v. 14.05.1991 (§14 Abs. 2), Thürin- Unrecht, Freiburg i.Br. 1998, S. 44. ger Verfassungsschutzgesetz v. 29.10.1991 (§3), Thüringer 20 Christoph Schäfgen, Opfer im strafrechtlich fassbaren Bereich, Jagdgesetz v. 11.11.1991 (§26 Abs. 6), Thüringer Abgeordne- in: Ulrich Baumann und Helmut Kury (Hg.) Politisch Motivierte tengesetz v. 09.03.1995 (§1 Abs. 2), Thüringer Landesbeauf- Verfolgung: Opfer von SED-Unrecht, Freiburg i.Br. 1998, S. 46. tragtengesetz v. 31.03.1993 (§3 Abs. 2), Thüringer Landes- 21 Hans Hubertus von Roenne »Politisch untragbar...?« Die Über- wahlgesetz v. 09.11.1993 (§17), Thüringer Gesetz über den prüfung von Richtern und Staatsanwälten der DDR im Zuge der Verfassungsgerichtshof v. 28.06.1994 (§6 Abs. 3 Nr.3), Thürin- Vereinigung Deutschlands, Berlin 1997, S. 270 ger Gesetz zur Neuordnung des Kataster- und Vermessungswe- sens v. 22.03.2005 (§14 Abs. 5 Nr. 2), Thüringer Gesetz über 22 Giselher Spitzer, Sicherungsvorgang Sport. Das Ministerium für die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprü- Staatssicherheit und der DDR-Spitzensport, Bonn 2005, S. 19. fungen v. 17.03.2003 (§13 Abs. 21 Nr. 14), und im Thüringer 23 A.a.O., S. 18-20. Gesetz über die Wahlen in den Landkreisen und Gemeinden 24 (ThürKWG vom 16.08.1993), dort in §12 Abs. 2, § 24 Abs. 3 Die Eiskunstläuferin Katharina Witt berichtete auf einer öffentli- (Bürgermeister), §28 Abs. 2 Landräte, §30 Abs. 1 (Gemeinde- chen Veranstaltung am 17. Juni 2005, dass sie die Revolution in und Kreistagsmitglieder) und im §39 Abs. 6 (Zuständigkeit für der DDR gar nicht so recht mitbekommen habe, weil sie in Kana- den Amtsverlust). Weiteres in Thüringer Verordnungen: z.B. Thür. da in einem Trainingslager weilte und sich selbstverständlich an Berufsordnung für öffentlich bestellte Vermessungsingenieure v. das Verbot, westdeutsche Zeitungen zu lesen, gehalten habe. 04.10.1994 (§3 Abs. 3 Nr. 2), Thüringer Landeswahlordnung v. 25 Thomas Purschke, Staatsplan Sieg. Die Instrumentalisierung 02.02.1999 (§32 Abs.1), Evaluierungsordnung für Thüringer des DDR-Wintersports in Oberhof, hg. vom Bürgerkomitee des Hochschulen v. 06.06.1991 (§1 Abs. 3). Landes Thüringen e.V., Zella-Mehlis 2004, S. 42. 5 §14 Abs. 2 Thüringer Polizeiorganisationsgesetz vom 26 Siehe auch: Gerbergasse, Heft 1/2003, 7ff, und Heft 1/2002 14.05.1991 und §5 Beamtenrechtliches Vorschaltgesetz vom S. 7 ff. 17.07.1991 27 Prof. Dr. Werner Franke und Brigitte Berendonk forschten und 6 Runderlass des Thüringer Innenministeriums über die Prüfung publizierten zum Dopingsystem, Giselher Spitzer vom Zeithistori- der persönlichen Eignung für den öffentlichen Dienst vom schen Institut in Potsdam arbeitete als Historiker am Thema, 22.07.1992, StAnz. Nr. 34/1992 S, 1122-1131 einige Journalisten wie Herbert Fischer-Solms, Thomas Purschke 7 Harald Both, Rechtliche und sachliche Probleme bei Mitteilungen und Heinz Voigt legten Texte zu einzelnen Klubs und Bereichen zur Überprüfung von Personen, in: Siegfried Suckut, Jürgen vor und brachten wichtige Fälle ans Tageslicht. Weber (Hg.), Stasi-Akten zwischen Politik und Zeitgeschichte, 28 Die Dopingprozesse in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre München 2003, S. 303 verbanden viele Opfer dieses Systems mit der Hoffnung auf 8 A.a.O. S. 304 Gerechtigkeit und einer Entschädigung für das ihnen zugefügte

9 Unrecht. Die bundesdeutsche Justiz erwies sich aber auch hier, So konnten etwa eine Lehrerin, ein Mitarbeiter der Abteilung für wie in vielen anderen Fällen, als unfähig, das Gestrüpp der orga- Kirchenfragen oder ein Denkmalschützer im Rahmen ihrer beruf- nisierten Verantwortungslosigkeit oder der Atomisierung der lichen Tätigkeit sowohl Unterdrückungsmaßnahmen des SED- Verantwortung, das die DDR kennzeichnete, zu entwirren und Staates exekutieren als auch Personen und Institutionen vor angemessen auf das Massenverbrechen des systematischen Schaden bewahren. Staatsdopings zu reagieren. Die meisten Verfahren wurden 10 Entscheidung VerfGH 2/99 und Pressemitteilung des Thüringer gegen Zahlung eines Geldbetrages ohne Urteil eingestellt. In der Verfassungsgerichtshofes vom 25.5.2000. Folge betrachteten Sportfunktionäre das Kapitel Doping als

11 abgeschlossen, weil die strafrechtliche Behandlung des Themas Hans Hubertus von Roenne, »Politisch untragbar...?« Die Über- –- letztlich durch Verjährung – erledigt sei. Der Dopingopferhilfe- prüfung von Richtern und Staatsanwälten der DDR im Zuge der fond half etwa 200 ehemaligen Sportlern mit einmalig ungefähr je Vereinigung Deutschlands, Berlin 1997, S. 99. 10.000 €. Der Konzern Schering, zu dem der Dopingmittelpro- 12 A.a.O. S. 91 ff. duzent der DDR, Jenapharm, heute gehört, leugnet eine direkte 13 A.a.O., zum Thüringer Verfahren S. 165 ff. Verantwortung, man habe nur Medikamente produziert und sei für deren Missbrauch nicht verantwortlich. Prozesse von betrof- 14 A.a.O., S. 168. Dies zeigt offenbar eine starke Störung der fenen Sportlern gegen das NOK, das Rechtsnachfolger des Selbstwahrnehmung der Bewerber. Problematisch ist, dass diese Olympischen Komitees der DDR ist, ziehen sich seit Jahren hin. Personen sich nun unbescholten auf dem freien Markt der Rechtsgeschäfte bewegen konnten. 44 16/2007 epd-Dokumentation

29 Vermerk zur Vorbereitung der Sitzung am 5.4.2006 - Sport- 32 Mitteilung der ARGE Sportrecht vom 21.9.2006. ausschuss des Deutschen Bundestages, Verfahren zur Überprü- 33 Thomas Purschke in der vom 05.10.2005, fung von Stasibelastungen von deutschen Olympiateilnehmern. Rücktritt nach rüden Attacken, Thüringens Stasikommission 30 DSB Presse Nr. 38/14.09.2004. verliert Henner Misersky. 31 Mitteilung des Deutschen Sport-Bundes, Montag, der 27. Februar 2006.

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Kirche und Stasi in Thüringen – Erträge und Perspektiven Von Pfarrer Dr. Ehrhart Neubert

»Stasi-Aufarbeitung in der Thüringer Landes- nert, sind wir allzumal Sünder, fehlbar und miss- kirche«, Evangelische Akademie Thüringen, brauchbar. Guthmannshausen, 29.9. - 1.10. 2006. Der Autor war Fachbereichsleiter »Bildung und Damit will ich nichts relativieren und nichts ent- Forschung« beim Bundesbeauftragen für die schuldigen. Sondern ich will nach dem fragen, Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der was wir tun können, um solchen gravierenden ehemaligen DDR und Mitglied des Stolpe- Fehlern, wie sie in der MfS-Zusammenarbeit ge- Untersuchungsausschusses. schehen sind, zuvorzukommen. Ich frage nicht nach dem, was wir tun können, um einen reinen, sündenfreien, guten Menschen zu produzieren. Die kirchliche und nicht-kirchliche Öffentlichkeit Das steht in Gottes Hand. Ich frage nur nach lässt die Phase des Geschichten-Erzählens hinter dem, was wir Bestimmtes tun können, um einer sich. Es waren spannende, aufregende und oft bestimmten Gefahr zu entgehen. Können wir genug auch erschütternde Geschichten. Bisweilen Verhältnisse und Bedingungen schaffen, die uns konnte der Eindruck entstehen, dass die inner- auch prekäre Konstellationen und Situationen kirchlichen Debatten und Auseinandersetzungen meistern lassen, wie dies die geheimdienstlich vor der Revolution 1989, nach dem glücklichen geschickt durchgeführte Werbung mit der darauf Ende der SED-Herrschaft weitergehen. In den folgenden Verstrickung war? ersten Jahren der Aufarbeitung und der Debatten über die MfS-Verstrickungen standen nicht nur Verpflichtende Beziehungen können in Institutio- die als IM angeschuldigten kirchlichen Mitarbeiter nen gegründet und gelebt werden. Für uns im Rampenlicht der Kritik, sondern auch diejeni- Christen ist die erste und über sich hinauswei- gen mussten sich rechtfertigen, die sich um Auf- sende Institution die Kirche. Die Kirche ist der klärung bemühten. Dieses Kapitel der jüngsten Raum, in dem menschliches Verhalten eine Kirchengeschichte ist noch nicht aufgearbeitet. Richtung bekommt, vielleicht auch noch ein Ge- Vorläufig aber ist zu konstatieren, dass die Auf- länder, an dem sich Menschen auf ihren Wegen klärung von MfS-Verstrickungen und deren und Wegkreuzungen festhalten können. Mein rechtliche Bewertung weitgehend zum Abschluss Thema »Kirche und Stasi in Thüringen – Erträge gekommen sind. Bei aller möglichen Kritik haben und Perspektiven« ist deswegen für mich zuerst die Landeskirchen, auch Thüringen, die Aufar- ein ekklesiologisches Thema. Es berührt unser beitung der MfS-Frage nach anfänglichen Unsi- geistliches Verständnis von Kirche, es bezieht cherheiten konsequent durchgeführt. sich auf die Hilfen, die uns in unserer kirchlichen Existenz gegeben sind, so wie es den Auftrag der So wichtig es war, die MfS-Eingriffe in die Lan- Kirche einschließt. Entfalten will ich dies an vier deskirche aufzuklären und disziplinarisch zu Aspekten des Kircheseins, der öffentlichen Prä- bewerten, so unerlässlich ist es jetzt, das Fehl- sentation, dem Recht der Kirche, dem Bekenntnis verhalten von Personen in größere Zusammen- und der diakonischen Aufgabe. Man könnte hänge einzuordnen. In disziplinarischer Hinsicht sogleich einwenden, dass diese Themen zu all- musste jeder einzelne Fall für sich betrachtet gemein sind, da die Kirche immer und überall werden. Die MfS-Problematik insgesamt aber gefragt ist, ob sie diesen Herausforderungen ge- kann nicht in der Art individualisiert werden, als recht wird. Das ist wohl wahr. Da dies aber nur ginge dies nicht die gesamte Kirche an. an konkreten Handlungsfeldern erkannt und de- battiert werden kann, ist die Stasi-Problematik Zwar wissen wir, dass menschliches Verhalten auch ein Exempel der immer neu zu stellenden sowohl von milieubedingten Prägungen bestimmt Fragen. ist als auch von Situationen und Gelegenheiten, in die Menschen geraten. Ob jemand in die Oppo- Meine Überlegungen will ich in vier Thesen zu- sition ging oder als IM des MfS arbeitete, war oft spitzen. Ich wähle bisweilen eine politologische von Konstellationen abhängig, die er selbst nicht Sprache, will aber versuchen, diese ins Theologi- herbeigeführt hat. Und in beiden Fällen ist uns als sche zu übersetzen. Es versteht sich von selbst, lutherischen Christen bewusst, daran hat am 30. dass meine Ausführungen die Thüringer Landes- September 2006 auf der Pressekonferenz zum kirche besonders im Blick haben. Die Problematik Weispfenning-Bericht Landesbischof Kähler erin- ist aber vom Kontext des ehemaligen Bundes der 46 16/2007 epd-Dokumentation

Evangelischen Kirchen in der DDR nicht ablösbar, das Wort Gottes war ein Kern der Reformation, da Thüringen an den theologischen und an den die sehr viel veränderte und eben auch ein au- kirchenrechtlichen Prozessen beteiligt war. ßerordentliches Sprachereignis war.

1. Die partielle Unterwanderung der Kirche durch Viele von uns haben den unmittelbaren Zusam- Agenten des MfS und die freiwillige IM- Tätigkeit menhang von Sprache und Macht bzw. von Wort bedeuteten ein Auseinanderfallen von Wort und und Vollmacht 1989 erfahren. An den Losungen Tat, einen Vertrauensbruch und einen Verlust an und Sprechchören auf den Straßen war ablesbar, Glaubwürdigkeit. Dort wo Wort und Handeln dass die Krise des kommunistischen Systems von zusammen waren, wo die Predigt der Verheißung den Menschen sprachlich dramatisiert und uni- Gottes zum gegenseitigen Versprechen wurde, versalisiert wurde. Sie erfuhren sich selbst in das gewann die Kirche Macht und Vollmacht, wie dies dramatische Geschehen verstrickt und in größere 1989 geschah. Kontexte eingeordnet, in eine Raum und Zeit übergreifende Schicksalsgemeinschaft mit dem Auch heute in der pluralistischen Gesellschaft gemeinsamen Verlangen nach Wahrheit und lastet auf der Kirche die Verantwortung, in der Freiheit. Dieser Vorgang war aber nur mit Worten Wahl der Worte und der Art ihrer öffentlichen darzustellen. Losungen wie »Wir sind das Volk« Präsens ihre Teilhabe am Versprechen Gottes zu oder »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« stellten praktizieren. symbolisch solche universellen Kontexte her.

Möglicherweise irritiert der Begriff »Macht«. Unter Eine wichtige, vielleicht die wichtigste, Hilfe für Macht verstehe ich nach Hannah Arendt nicht die die Bereitstellung von solchen Symbolen leisteten Fähigkeit Gewalt auszuüben, um Herrschaft zu die Friedensgebete, in denen viele Menschen ihre begründen und aufrechtzuerhalten.1 Macht ent- öffentliche Sprache wieder fanden. Die Kirche steht zwischen Menschen, wenn sie zusammen- war ein Raum, der mit religiösen Worten, Sym- handeln, und sie zerfällt, wenn die Versammelten bolen und Riten gefüllt war, die die konkrete auseinander gehen. »Mit realisierter Macht haben Situation in einen universellen Kontext projizier- wir es immer dann zu tun, wenn Worte und Ta- ten. Ein beteiligter Pfarrer erinnerte sich: ten untrennbar miteinander verflochten erschei- nen, wo Worte nicht missbraucht werden, um »Am 15. Oktober 1989 luden wir in Suhl zum Absichten zu verschleiern, sondern gesprochen ersten großen Gebetsgottesdienst für unser Land sind, um Wirklichkeiten zu enthüllen, und wo ein... Es kamen über 2000 Menschen... Das Si- Taten nicht missbraucht werden, um zu verge- cherheitsaufgebot war verdeckt in den Suhler waltigen und zu zerstören, sondern um neue Straßen zusammengezogen worden. Wir began- Bezüge zu etablieren und zu festigen, und damit nen den Gottesdienst mit einem Orgelvorspiel... neue Realitäten zu schaffen.«2 Ich sprach eine Meditation in den dunklen Kir- chenraum hinein, die die Menschen bei ihren Dieser Machtbegriff kommt möglicherweise dem alten DDR-Depressionen abholte und dann das theologischen Begriff »Vollmacht« nahe. In und beginnende Aufstehen des Volkes umschrieb. aus Vollmacht reden, heißt die dramatische Gott- Vom Licht der Osterkerze wurden Kerzen in die Mensch-Beziehung so in Worte zu fassen, dass gesamte Kirche hineingetragen... sich die Verhältnisse der Menschen ändern. Der Sprachkritiker Fritz Mauthner hat in besonderer Ein Psalmwort und Worte aus der Bergpredigt Weise der Verbindung zwischen Sprache und wurden gelesen. Superintendent Kretschmann Macht nachgespürt. Mauthner meinte, dass hielt eine Kurzpredigt zum gewaltfreien Kampf »Sprache im Sinne von Sprechen ... eine Hand- für Freiheit und Demokratie im Geiste Jesu und lung.«3 sei. Weil Sprache handlungsauslösend und nach dem Vorbild Martin Luther Kings. Im fol- handlungsleitend ist, hat sie eine Machtfunktion. genden Informationsteil wurden die verschiede- Worte können »eine Macht werden. Vernichtend nen politischen Aufrufe und Stellungnahmen der wie ein Sturmwind, der ein Lufthauch ist wie das Kirchen und der neuen oppositionellen Gruppen Wort. Leicht kann das Wort stärker werden, als verlesen... eine Tat...«4 Sprache schafft Wirklichkeiten, in- dem sie diese begreifbar macht. Sie verändert Dann setzte eine Aussprache ein, in der hier und gesellschaftliches Bewusstsein und damit auch in den folgenden Abenden alles hoch kam, was die Gesellschaft. Diejenigen, die sich auf die lu- das Volk 40 Jahre runtergeschluckt hatte: Es war therische Tradition berufen, wissen, welche Kraft eine Flut von Klagen und Anklagen, Verzweiflun- im »Wort« enthalten war. Luthers Berufung auf epd-Dokumentation 16/2007 47

gen und Hoffnungen, Weinen und Schreien und vollkommen asymmetrischen Herrschaftsverhält- persönlichen Schicksalen, die erzählt wurden.«5 nissen, eine klare und eindeutige Sprache über- haupt möglich ist und ob nicht die taktischen In diesem Sprechen waren Wort und Tat wieder Sprachspiele der Kirchenpolitik damals die ver- beieinander, vielleicht erstmals seit langem. In bliebenen Möglichkeiten ausschöpften. Es ist aber diesem Sprechen entstand eine Macht, die die so daran zu erinnern, dass der ehrlichste und genannten realen Verhältnisse vollständig verän- machtvollste kirchenpolitische Satz vor 1989, der derte, eben wie »ein Sturmwind«. auch mit der Tat übereinstimmte, von Oskar Brü- sewitz stammte. Er schrieb auf sein Plakat, als er Ich habe diesen langen Anlauf gewählt, um einen sich verbrannte: »Die Kirche klagt den Kommu- Kontrast aufbauen zu können. Es handelt sich um nismus an, wegen Unterdrückung der Jugend in den Kontrast der öffentlichen, offenen und freien der Schule.« Das war ein Satz aus Vollmacht, ein Sprache, wie sie etwa im Herbst 1989 zu hören Wort eines schlichten Dorfpfarrers, der im Namen war, und der Sprache, wie sie bis in den Novem- der Kirche sprach, ein Wort, das die Macht der ber 1989 zwischen den MfS-Führungsoffizieren Gewalttätigen erschütterte. und ihren kirchlichen IM beim konspirativen Treff gesprochen wurde. Jeder, der mit Nieder- Natürlich war diese Tat als solche einmalig und schriften der Treffberichte zu tun hat, erkennt in ihr ist auch nicht die Botschaft enthalten, dass sofort die Sprache der MfS-Offiziere. Deren »Lin- nur eine radikale Selbstopferung einen Ausweg gua securitatis« mit ihrer Spracharmut, ihren aus einer schwierigen Situation der Kirche weist. stereotypen Feindbildern, den Imaginationen des Die generalisierbare Botschaft der Handlung von Bösen und der Verwirrung der ethischen Begriffe Brüsewitz ist das Zusammen von Wort und Tat. ist »so banal wie monströs, so erschreckend wie Dass die Kirche trotz aller Beschädigungen den komisch.«6 Ihre kirchlichen Gesprächspartner Kommunismus überleben konnte, liegt schlicht mögen anderes gesprochen haben. Deren Sprache daran, dass kirchliche Mitarbeiter und viele der ist in ihren schriftlichen Berichten konserviert. Sie namenlosen Gemeindeglieder durch ihr Wort und sprachen mit den Führungsoffizieren über die ihr Leben der Kirche die Treue hielten. Die Säku- Kirche, über das kirchliche Leben, über Men- larisierung und die Entkirchlichung dagegen ver- schen, die sich nicht fügen wollten. Die eigenen weisen auch darauf, dass die Kirche und ihre Schwestern und Brüder waren konspirativ ausge- Glieder an Glaubwürdigkeit verloren hatten. schlossen, sie wurden eingeschätzt und beurteilt. In der Kirche und gegenüber der Gesellschaft Noch einmal zu den Erfahrungen von 1989. Sind wurde die Barriere des Schweigens, des Ver- diese in die Gegenwart zu übertragen und heute schweigens aufgerichtet. Das war ein Sprechen, noch fruchtbar zu machen? Wir haben erlebt, das die Beziehungen zu denen herstellte, die da- dass sich die Kirchen 1990 ebenso schnell wieder für sorgen sollten, dass die Verhältnisse bleiben leerten, wie sie sich kurz vorher gefüllt hatten. In wie sie waren. einer freien Gesellschaft mit einer freien Öffent- lichkeit verloren die Kirchen die alleinige Kom- Und wenn solche Gespräche diplomatischen Cha- petenz, ja auch das Monopol auf die freie öffent- rakter hatten oder haben sollten, wie das manche liche Rede. Jetzt wurden sie zu einer Stimme IM für sich in Anspruch nahmen, zeigt sich eine unter vielen im pluralistischen Stimmengewirr. eigentümlich leere Sprachwelt. Doppelbödige Sie sind nicht mehr Ersatz für die fehlenden Be- Formulierungen mussten gefunden werden, um schwerdestellen, für den Mangel an kulturellen Gegensätze zu verdecken. So entstanden die Alternativen, für den politischen Einspruch und Formelkompromisse oder »missbrauchsgefährdete die unterdrückte Öffentlichkeit. Zwar gibt es auch Leerformeln«7 wie »Kirche im Sozialismus«, von eine 1989er-Nostalgie, die das bedauert. Aber denen niemand genau wusste, was sie eigentlich einen wirklichen Verlust bedeutet dies nicht. In bedeuteten. Die Verwirrung und Verkehrung der neuen Lage besteht für die Kirche und alle dieser Sprache erscheinen auch, wenn der Füh- ihre berufenen Vertreter in der Öffentlichkeit rungsoffizier nach dem Treff unter den Bericht wieder die unbedingte Notwendigkeit, glaubwür- schrieb: »Der IM ist zuverlässig und ehrlich.« Das dig zu leben, Vertrauen zu gewinnen, und ver- hieß eben, er belügt und täuscht erfolgreich seine lässliche Beziehungen im Binnenraum wie in der kirchliche Umgebung. Wort und Tat waren nicht Öffentlichkeit zu stiften. beisammen. So hat die Kirche die Zusammengehörigkeit von Es liegt allerdings auf der Hand zu fragen, ob Wort und Tat zu präsentieren und zu repräsentie- unter den Bedingungen einer Diktatur, also in ren. In gewisser Hinsicht besitzt sie darin auch 48 16/2007 epd-Dokumentation

ein »Alleinstellungsmerkmal«, wie heute eine ses, das Recht als Herrschaftsinstrument defi- exklusive Rolle genannt wird. Wort und Handeln nierte, der sozialistischen Rechtspraxis mit der der Kirche haben einen universalistischen Bezug, Beseitigung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der weil sie sich auf ein Versprechen, die Verheißun- Einflussnahme der SED und des MfS auf die Jus- gen Gottes, beziehen und zugleich Menschen tiz und die Strafurteile sowie der politischen In- konkret in das Handeln Gottes einbinden. Durch strumentalisierung des Zivilrechtes blieben die ihre Teilhabe wird die Kirche selbst zu einem Kirchen lange ein Refugium von Rechtsstaatlich- Versprechen. Auf ihr lastet die Verantwortung, keit. Die evangelischen Kirchen verfügten über dieses Versprechen durch die Wahl der Worte ein Verfassungsrecht, das kirchliche Leben und und der Art, wie sie sich öffentlich präsentiert, der kirchliche Dienst waren rechtlich geregelt. einzulösen. Das begründet ihre Macht, ihre Voll- macht. Der Rechtsmangel in der DDR führte zu einer erbittert geführten innerkirchlichen Rechtsdebat- Diese Vollmacht kann aber auch verspielt wer- te. Bischof Otto Dibelius hatte diese mit seiner den, wenn die Versprechen zu »Versprechern« Obrigkeitsschrift 1959 eingeleitet, in der die für werden, zum Wortgeklingel, zur falschen, ver- die SED provokative Aussage stand: »In einem schleiernden, heimlichen Rede, wie das an der totalitären Bereich gibt es überhaupt kein Recht. IM-Problematik erkennbar ist. [...] Weder ein Maximum noch ein Minimum, sondern überhaupt kein Recht. [...] Es gibt nur 2. Die partielle Unterwanderung der Kirchen mit noch eine ‚Gesetzlichkeit?, [...] die die Machtha- MfS-Mitarbeitern ist ein Symptom für ein gebro- ber im Interesse ihrer Macht erlassen. [...]«9 Di- chenes Verhältnis der Kirchen und ihrer Mitarbei- belius hat einige Jahre später in einer weiteren ter zum Recht. Schrift, die er als Erläuterung seines umstrittenen Ansatzes verstand, den Rechtsverlust im Totalita- Um in einer komplexen und pluralistischen Gesell- rismus erneut analysiert und erklärt, dass der schaft zu bestehen, sollte aus theologischer Ein- totalitäre Staat etwas so Neues sei, dass er durch sicht das Recht als ein unerlässliches Mittel der die Definition von Obrigkeit in Römer 13 und Gestaltung des öffentlichen Lebens in Kirche und auch bei Luther nicht erreicht würde.10 Gesellschaft geistlich und geistig angenommen werden. 1963 verabschiedete die Konferenz der Kirchen- leitungen einen Grundsatztext zur Standortbe- Die Arbeit von Walter Weispfenning hat darauf stimmung der Kirchen in der DDR, die »Zehn hingewiesen, dass MfS-Mitarbeit rechtswidrig Artikel über Freiheit und Dienst der Kirche«. Die war. Sie verstieß nicht nur gegen Anordnungen »Zehn Artikel« waren inhaltlich und formal an der des Landesbischofs, sondern gegen das Pfarrer- »Barmer Theologischen Erklärung« der Bekennt- dienstrecht, das kirchliche Beamtenrecht und nissynode von 1934 orientiert. Neben der Abwehr auch gegen die kirchliche Verfassung, weil das des Wahrheits- und Totalitätsanspruchs der SED MfS indirekt an der Leitung der Kirche beteiligt traten die Autoren für »gutes irdisches Recht« ein: wurde. Es ist deswegen besonders prekär, dass »Trotz der Sünde vermag der Mensch brauchbare ausgerechnet eine größere Zahl von Kirchenju- Rechtsordnungen zu finden. Aber er erliegt in risten in leitenden Stellungen beteiligt war. Dass seinem Widerspruch gegen Gott, der das Recht solche Kontakte nicht aus ethischen Gründen will, immer wieder der Versuchung, das Recht für zurückgewiesen wurden, ist schon an sich be- eigensüchtige Interessen zu missbrauchen oder es achtenswert. Der Schaden sitzt aber tiefer und ist dem Absolutheitsanspruch einer Ideologie zu grundsätzlicher Natur. Er rührt aus einer Rechts- unterwerfen und damit zu zerstören.« Die Kirche ferne, die in der deutschen protestantischen Tra- müsse sich für »vernünftiges Recht« einsetzen.11 dition im 20. Jahrhundert immer wieder sichtbar geworden ist. Hier kann nur darauf verwiesen Doch in den Kirchen begannen in dieser Zeit die werden, dass in den Auseinandersetzungen der Säulen des Rechtsverständnisses zu wanken. Der Bekennenden Kirche mit den Deutschen Christen Mangel an einem verbindlichen Staatskirchen- und dem NS-Staat die theologische Debatte um recht und die Dominanz des Politischen im staat- die Bewahrung des Bekenntnisses mit der Rechts- lichen Bereich wirkten sich als Dominanz des und Kirchenrechtsproblematik verbunden war.8 Kirchenpolitischen in der Kirche aus. In Thürin- gen wurden Oberkirchenrat Lotz und Landesbi- Wie schon in der NS-Zeit hatten in der SBZ/DDR schof Mitzenheim zu Antipoden der Rechtsauffas- die Herrschenden sich das Recht unterworfen. sung von Dibelius. Mitzenheims Erklärung: »Man Angesichts des marxistischen Rechtsverständnis- muss Gott und der Staatsregierung Gehorsam epd-Dokumentation 16/2007 49

leisten« war ein Rückfall in die deutsche protes- nicht mehr entziehen konnte, bekam die Rechts- tantische Rechtstradition der Kaiserzeit mit einer debatte einen neuen Impuls. zweifelhaften »Zwei-Reiche-Lehre«. Die »Zehn Artikel« verschwanden aus den theologischen Innerhalb der Kirchen entstanden Menschen- Erklärungen aller Kirchenleitungen. In Thüringen rechtsgruppen, die nun die Rechtsfrage wieder wurden die »Zehn Artikel« nicht einmal veröf- aufnahmen. Zu den theologischen Vordenkern fentlicht. gehörte der Görlitzer Bischof Hans-Joachim Frän- kel, der aus der lutherischen Rechtfertigungslehre Im Auftrag der SED erarbeitete 1963 der staatsna- eine theologische Begründung der Menschen- he Weißenseer Arbeitskreis, an dem auch der rechte vorstellte. Daraus leitete er die Verant- spätere Bischof Albrecht Schönherr beteiligt war, wortung der Kirche für die Menschenrechte ab die »Sieben Sätze über die Freiheit der Kirche und forderte ein »evangelisches Rechtszeugnis.«15 zum Dienen«. Hier heißt es: »Unbesorgt um sich Fränkel verlangte »Rechtsgleichheit«, die der selbst kann sie [die Kirche, d. Verf.] furchtlos Entfaltung individueller Verschiedenheit nicht nach neuen Wegen suchen, wenn ihr Einfluss entgegenstünde und den irrigen Anspruch des begrenzt und ihre Rechte beschnitten werden.«12 »totalen Staates, dass ihm Leib und Seele gehöre«, Mit dem Aufstieg Schönherrs zum Bischof wurde begrenze. Er benannte die Glaubens-, Gewissens- diese Rechtsauffassung weithin normierend. So und Meinungsfreiheit, die nur gewährleistet wer- konnte Schönherr 1970 einen Selbstverzicht auf den könne, wenn sich der Staat kein Urteil über das Recht der Kirche verkünden: »Die Kirche [...] die »Wahrheit im letzten Sinne« anmaße.16 wird nicht die alten Vorrechte und Privilegien in Anspruch nehmen können und wollen. Sie wird Fränkel fand mit diesen Ansichten nur in der lediglich um das Recht bitten müssen, ihrem kritischen Szene Anhänger. Kirchenleitungen und Herrn ungehindert dienen zu können. Als Kirche kirchliche Gremien vertraten eine Menschen- des Gekreuzigten ist sie nicht zum Herrschen, rechtsauffassung, die der offiziellen marxistischen sondern zum Dienen berufen.«13 Damit war der sehr nahe kam. Die DDR-Ideologen ökonomisier- Rechtsanspruch der Kirche relativiert und diskre- ten rücksichtslos die Menschenrechte, erklärten ditiert. diese als Ausfluss der bürgerlichen Ideologie und Herrschaft und setzten ihnen die angeblich in der Nur wenige Theologen wendeten sich gegen die DDR erfüllten sozialen Rechte gleichwertig ge- Aushöhlung des Rechtes und seine Unterordnung genüber.17 unter politische Tagesgeschäfte. So schrieb Ulrich Woronowicz in einem Memorandum aus dem Durch den Bund der Evangelischen Kirchen wur- Jahr 1976: »Unsere Kirche ist dabei, die Grundla- de ebenfalls die Auffassung vertreten, dass die gen eines Rechtsempfindens zu verlassen und zu Theorie von den unveräußerlichen Menschen- zerstören, die in der zweitausendjährigen Ge- rechten eine bürgerliche Ideologie sei, die zu schichte des Abendlandes gewachsen sind. Ursa- einem ethisch nicht zu verantwortenden Indivi- che dieses Irrweges ist die zunehmende Bereit- dualismus führen könne. Die Menschenrechte schaft, Gedankengut, Modelle und Verhaltenswei- müsse der Staat gewähren. Die Freiheitsrechte sen unserer sozialistischen Umwelt zu überneh- würden sich auch relativieren, da in der Dritten men [...].« Er beklagte, dass »die Verbindlichkeit Welt vorrangig die soziale Frage gestellt sei. Das des Rechtes« ausgehöhlt werde. Die Situation und marxistische Menschenrechtsverständnis fordere der »charismatische Einfall« würden zur Norm darum Christen heraus, die früher »den Individu- und die Verteidiger des Rechtes würden als reak- alaspekt einseitig betont«18 hätten. Daraus folge: tionär und zurückgeblieben bezeichnet.14 »Und wenn wir als Christen oder als Kirche für die Menschenrechte eintreten, können wir nicht So mancher IM hat wohl geglaubt, dass er auf einfach nur unsere individuellen Forderungen auf eigene Verantwortung die Angelegenheiten der ihre Erfüllung stellen, sondern wir müssen die Kirche regeln könne. Die einschlägigen Verord- Menschenrechte zuerst als die Rechte des ande- nungen und Rechtsgrundsätze hat er vernachläs- ren sehen. [...] Die Menschenrechte sind für uns sigt, weil er meinte, einem guten Zweck auf ille- – hier und heute – ein wichtiges Thema. Aber wir galen Wegen dienen zu können. sollten uns von einer Isolierung, in der wir schließlich nur das Selbst sehen, befreien las- Mit dem einsetzenden KSZE-Prozess in den sieb- sen.«19 ziger Jahren, in dem sich das sowjetische Lager aus ökonomischen und politischen Gründen einer Ein eindrückliches Beispiel für die Übernahme verbindlichen Fixierung von Menschenrechten marxistischen Gedankenguts durch kirchliche 50 16/2007 epd-Dokumentation

Autoren, unter anderen auch Oberkirchenrat sprochen und festgelegt wird. Die Maßstäbe für Hans Schäfer, ist das in zwei Auflagen 1980 und ein »gutes Staat-Kirche-Verhältnis«, wie es oft 1981 herausgebende Buch »Menschenrechte in hieß, wären andere gewesen. Die Gespräche mit christlicher Verantwortung.«20 Fast durchweg wird staatlichen Stellen, auch die geheimen mit dem in den Texten die kommunistische Interpretation MfS, haben sicher in vielen Einzelfällen eine Mil- mitsamt ihrer Ökonomisierung und Politisierung derung des Unrechts bewirkt. Aber die Verschie- der Menschenrechte übernommen. So schrieb bung der Rechtsproblematik auf die politische Manfred Stolpe: »Eine volle Realisierung der bür- Ebene führte dazu, dass die Opfer des Rechtsbru- gerlichen und politischen Rechte ist nur bei Ver- ches und deren Vertreter selbst politisch argu- wirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und mentieren mussten. Sie blieben Bittsteller gegen- kulturellen Rechte möglich.«21 Zudem erschien über einer willkürlich handelnden Partei. den Autoren die kollektivistische Interpretation der Menschenrechte plausibel, weil sie die Ver- Das gebrochene Verhältnis der Kirchen zum knüpfung mit der sozialethisch definierten Frie- Recht wirkte sich nach 1990 noch einmal aus. Die densfrage ermöglichte. ostdeutschen Kirchen waren zunächst kaum in der Lage, die ihnen im Rechtssystem der Bundes- Solche Texte sind intellektuell peinlich. Selbst republik zustehenden Rechte auch geistig anzu- wenn den Autoren zugebilligt würde, dass sie nehmen. Ich erinnere an die Debatten um den sich noch innerhalb eines legitimen Diskursrah- Religionsunterricht, die Kirchensteuer und die mens in der Menschenrechtsfrage befanden, um- Soldatenseelsorge. Auch diese Rechte wurden gehen sie doch die tatsächlichen Menschen- häufig als illegitime moralisch zweifelhafte Privi- rechtsverhältnisse der DDR. Die Autoren ignorie- legien betrachtet, die der Staat gewährt. Bisweilen ren vollständig Vorstellungen, nach denen die ist bis heute nicht begriffen, dass die Kommuni- Freiheitsrechte in die vorstaatliche Sphäre gehö- kation mit Staat und Gesellschaft auf der Basis ren, dem Menschen mit Geburt angehören, die geltenden Rechts geschehen muss, dass die Kir- Menschenrechte unveräußerlich sind und nicht che ihre Rechte zu verteidigen hat und dabei die von anderen gewährt werden können. Sie rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen muss, um bestritten dem DDR-Staat nicht das Recht, Men- die Interessen der Kirchen und der Christen zu schenrechte nach eigenem Interesse zu gewähren. wahren. Vor allem haben nun die Kirchen die Selbst wenn man annimmt, dass die Autoren Möglichkeit, ihre Erwartungen an die Gesetzge- nicht von staatlichen Stellen gesteuert worden bung frei zu formulieren. Die Kirchen sollten sich sind und sie auch nicht aus blankem Opportu- deswegen an der Ausgestaltung des Staatskir- nismus schrieben, waren sie offenbar derart von chenrechtes, an den Rechtsverfassungen des einer notwendigen politischen und sozialen Neut- Bundes, der Länder, der Kommunen und neuer- ralisierung der Freiheitsrechte überzeugt, dass sie dings auch der Europäischen Union aktiv beteili- sich als Exponenten jener deutschen politischen gen. Kultur erwiesen, die sich seit dem 19. Jahrhun- dert mit der Demokratie und deren Ideenwelt Für die Existenz der Kirchen in der pluralistischen nicht anfreunden konnten. Gesellschaft ist es auch unabdingbar, dass das Kirchenrecht, sowohl das Verfassungs- als auch Und noch 1988 schrieb Bischof Werner Krusche: das Dienstrecht, für die Regelungen innerkirchli- »Die Kirche hat sich – gerade auch durch die cher Angelegenheiten ohne Abstriche gelten ökumenische Begegnung mit Kirchen aus der muss. Dass dies nicht so selbstverständlich ist, dritten Welt – von dem einseitigen Verständnis wie zu vermuten wäre, zeigt sich etwa an dem der Menschenrechte als individuelle Freiheits- Umstand, dass Seelsorge und Disziplinarrecht oft rechte befreien lassen und den Zusammenhang noch vermischt werden, wie dies teilweise bei der von sozialen und individuellen Menschenrechten Stasiaufarbeitung in Thüringen der Fall war. klarer sehen gelernt.«22 Nötig wäre ein theologisch begründetes Rechts- Damit wird selbstverständlich nicht bestritten, verständnis in die Kirche zu implantieren, das dass sich kirchliche Vertreter oft und immer wie- eindeutig zwischen Recht und Sozialethik diffe- der für Menschen bzw. Christen einsetzten, de- renziert und damit verhindert, dass diese beiden nen der SED-Staat Unrecht tat. Es macht aber Bereiche kirchlicher Existenz gegeneinander aus- eben einen großen Unterschied aus, ob in einem gespielt werden können. politischen Verhandlungsrahmen um Gewährung von Rechten in Einzelfällen gebeten wird, oder ob 3. Die MfS-Verstrickungen sind Symptom für eine die Staatsmacht auf verbindliches Recht ange- mangelhafte Bekenntnistreue. Wie in der geistigen epd-Dokumentation 16/2007 51

Kollaboration in der NS-Zeit haben zahlreiche tanten wird nachgesagt, sie hätten die Sehnsucht, Theologen und Laien in der DDR es an einer kla- vielleicht auch die Sucht, mit der ganzen Welt in ren Abgrenzung zur atheistischen Weltanschau- Harmonie zu leben. Wenn also andere sich den ung der Kommunisten fehlen lassen. Protestanten nicht anpassen, passen diese sich den anderen an. Kaum ein Trend, kaum eine Auch heute erlaubt der sozialethische Einspruch Mode in religiöser und ideologischer Hinsicht, die gegen Ungerechtigkeit keine geistigen Bündnisse im Protestantismus nicht mitgemacht und auch mit Ideologien und Organisationen, die dem noch theologisch verkleidet wurde. Davon war christlichen Glauben abträglich sind. Die Kirche auch der ostdeutsche Protestantismus betroffen. kann in der pluralistischen Gesellschaft ihre Iden- Hier gab es viele Formen der mangelhaften Ab- tität bewahren, wenn sie ihrem liturgischen und grenzung zum atheistischen Weltanschauungs- diakonischen Auftrag treu bleibt. staat. Ich nenne nur einige wenige:

Zunächst möchte ich in einem Punkt der Ausar- Dem enormen Druck der SED-staatlichen Legiti- beitung von Walter Weispfenning energisch wi- mation aus Sozialismus und Antifaschismus dersprechen. Dort heißt es: konnten gerade viele für die Schuldfrage emp- fängliche Protestanten nicht widerstehen, selbst »a) Diejenigen, die vor 1990 mit dem MfS kon- wenn im Namen dieser hehren Begriffe Unrecht spirativ zusammengearbeitet haben, haben geschah. in der ihnen aufgetragenen kirchlichen Ar- beit, insbesondere also in ihrer Gemeindear- Die starke sozialethische Orientierung hat die beit ernsthaft versucht, Kirche im Sinne des Gemüter für die kommunistische Utopie geöffnet, Bekenntnisses darzustellen. Sie haben Evan- die vorgab, das Gute verwirklichen zu können. gelium verkündet und Gemeinde gebaut. Die konservative Staatsorientierung hat auch den b) Die NS- und DC-Pfarrer haben hingegen vor Weltanschauungsstaat noch als Ordnungsmacht 1945 bekenntniswidrig gehandelt. Sie haben im Auftrag Gottes gesehen. Gemeindeglieder verwirrt und sind in uner- träglicher Weise für Judenchristen und Ju- In vielfältiger Form sind Denkfiguren und Begriffe den zum Ärgernis geworden.«23 des Marxismus integriert worden.

Dem zweiten Satz zu den DC-Pfarrern möchte ich Bei diesen Problemen geht es im Grunde um das nichts hinzufügen und nichts abstreichen. Der ungeklärte Verhältnis der Protestanten zur Säku- erste Satz ist aber falsch. Er stimmt in seiner Pau- larisierung samt der gezielten Atheisierung durch schalität nicht. Er stimmt empirisch nicht, da es den kommunistischen Staat. Obwohl die Minori- unter den IM in der Kirche Menschen gab, die sierung der Kirche durch die Vertreibung aus den sich bewusst vom Glauben gelöst hatten oder als Schulen, die zwangsweise Einführung der Ju- Ungläubige bzw. Atheisten vom MfS einge- gendweihe, das Erschweren der kirchlichen Ar- schleust worden waren. Er stimmt nicht in theo- beit in der Öffentlichkeit, die Eliminierung christ- logischer Hinsicht, weil sie nicht die Kirche im lichen Wissens und der Druck auf viele einzelne Sinne des Bekenntnisses, sondern unter dem Menschen mit Schmerzen erlebt wurde, haben Interesse des MfS dargestellt haben. Es stimmt Theologen aus diesen Nöten immer wieder Tu- schon gar nicht, dass sie mit diesen Mitteln Ge- genden gemacht. Ja selbst der Säkularisierung meinde gebaut haben. Und zum Ärgernis sind sie wurde mit theologischen Formulierungen noch auch geworden. etwas Positives abgerungen.

Weispfenning verkennt hier völlig, dass Bekennt- Ich zitiere noch einmal Bischof Albrecht Schön- nisse auch Absagen, Verwerfungen und Abgren- herr: »Eine Mehrheitskirche protestantischer Prä- zungen sind, die aus dem Auftrag erwachsen, die gung begegnet unausweichlich, nämlich als Wahrheit des Evangeliums zu vertreten. Die Kir- staatstragende politische Überzeugung und Welt- che bekennt etwas, was andere nicht haben, und anschauung, dem Marxismus-Leninismus. Der sie lädt ein, an diesem Besonderen teilzuhaben. Marxismus versteht sich, wenn man Bonhoeffers Extra ecclesiam nulla salus! Nomenklatur anwenden will, als emphatische Mündigkeitserklärung der Welt durch sich selbst. Gerade in einer Zeit, in der wir die Säkularisie- In der Internationale heißt es: ‚Uns hilft kein Gott, rung zu verkraften haben, darf das nicht aus un- kein höheres Wesen...?. Für diese Begegnung gilt: serem Bewusstsein verschwinden. Den Protes- 1. Die Kirche hat weder Veranlassung noch das 52 16/2007 epd-Dokumentation

Recht, in Angst um ihre Existenz zu leben. 2. Telefon des MfS-Offiziers mit ihrem Decknamen Auch die säkularisierte Welt ist keine Welt ohne meldeten? Gott. Gerade der Gottlose, der Gott als Feind ernst nimmt, ist dem wirklichen Gott unter Umständen Soweit es übersehbar ist, hat die Kirche wie ande- näher als ein selbstgenügsames Kirchenglied, das re Vereine oder wie der öffentliche Dienst bei der von Gott lediglich die Erfüllung seiner religiösen Bearbeitung der MfS-Unterwanderung über die Bedürfnisse erwartet.«24 politischen und juristischen Dinge hinaus wenig getan. Wenn bei der Bearbeitung dieses Problems Eine derartige Delegitimierung der Kirche, ihres schon keine theologischen Deutungsmuster und Rechtes und des Glaubens ihrer Mitglieder, die keine spirituellen Mittel zur Verfügung stehen, weitab von der Erfahrung einer christlichen Exis- wie soll dann heute unsere Welt theologisch ge- tenz in der DDR ist, ist bis heute nicht überwun- deutet und bewertet werden? den. Damit meine ich nicht nur, aber auch, einige theologische Fossilien, vom kirchenleitenden Die Kirche war in der DDR schon durch ihr Personal bis hin zu frustrierten ehemaligen IM, strukturelles und geistiges Anderssein irgendwie die immer noch mit den Postkommunisten ideo- kenntlich. In der pluralistischen Gesellschaft ist es logische und sozialpolitische Bündnisse schließen viel schwieriger, erkannt und identifiziert zu wollen. Der sozialethische Einspruch verbindet werden. Das aber gelingt nicht mit Hilfe von sich hier mit der Zivilisationskritik totalitären Adaptionen der vielfältigen Produkte des Zeit- Zuschnittes. geistes. Die Kirche bleibt erkenntlich, wenn sie ihrem liturgischen und diakonischen Auftrag treu Viel problematischer ist aber, dass uns in der bleibt. Deutung der gegenwärtigen Welt die theologi- schen Deutungsmuster ausgehen. Ich kann hier 4. Die MfS-Problematik und ihre Aufarbeitung nur einige Fragen aufwerfen: Welche Identität zeigen, dass die Kirche stärker auf die Täter als haben evangelische Christen heute? Und woran auf die Opfer fixiert ist. Ein an der Bibel orientier- sind sie und ihre Kirche von außen zu erkennen? tes Bild vom Opfer sollte das aktive Handeln se- Was darf auf keinen Fall in unserer Kirche ge- hen, das Opfer kostete. schehen? In Deutschland scheinen das nur die Moslems und manche Katholiken von sich zu Auch der heutige kirchliche Dienst sollte als »Gabe wissen. Protestanten haben eher Sorge, dass es und Opfer« verstanden werden. auffällt, dass sie welche sind. Die Berater von Opfern des SED-Staates in Ver- Dabei geht es nicht nur um richtige theologische bänden und staatlichen Einrichtungen haben Sätze. Vielmehr brauchen auch richtige theologi- immer wieder mit einer schwer fassbaren Anti- sche Sätze einen Handlungszusammenhang in pathie der Gesellschaft gegenüber den Opfern zu der Tradition, einen Platz im Kalender und eine kämpfen. Um Opfern zu helfen, müssen sie häu- Heimat in kulturell definierten Orten. Auch fig die emotionalen Widerstände gegen diese Christen suchen und brauchen Identitätsmuster, Menschen überwinden. Die Affinität zu Tätern die die Gefäße evangelischer Inhalte sind. Wer und die Abneigung den Opfern gegenüber ent- einmal eine Stunde vor der wieder aufgebauten springt offenbar einem nachhaltigen Verdrän- Frauenkirche in angestanden hat, um gungsprozess und stützt sich auf bestimmte kul- einen Platz im Gottesdienst zu erhalten, weiß, turelle Leitbilder. Über Generationen hinweg wie diese Suche nach Identität aussieht. wirkte das faustische Wort »Am Anfang war die Tat!« gewiss auch gegen die Intention des Dich- Was hat das mit der MfS-Frage zu tun? Die Stasi- ters. Die Tradition der Bilder von Tätern hat die- mitarbeit ist sowohl Ausdruck einer theologi- sen ein respektables »Outfit« beschert. Der Täter schen Unklarheit als auch Symptom einer Identi- erscheint als der Mutige, Aktive, Selbstbewusste tätskrise. Was bedeutet es, wenn sich Theologen und Willensstarke. Diese Haltung ist auch in den einen anderen Namen, einen »Decknamen« ge- Kirchen verbreitet. Als Anfang der 1990er Jahre ben. Mancher hat damit gespielt. Aber nicht we- die MfS-Debatte begann, überwogen apologeti- nige dachten nach: »Prophet«, »Apostel«, »Karl sche Strategien. Es gab Aufrufe zum Verständnis Barth«, einer verfiel auf »Adonai«. Sie alle waren ihrer Motive und Handlungen, zur Rücksichts- einmal getauft und kannten wohl auch das Wort: nahme auf sie und ihre Familien und zur Wah- »Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du rung ihrer Rechte sowie Aufforderungen zur Ver- bist mein.« Wem gehörten sie, als sie sich am gebung. Auch in dem Text von Weispfenning werden viele gute Absichten der IM benannt. Die epd-Dokumentation 16/2007 53

theologische Figur von der »Rechtfertigung des Was immer auch Opfer haben ertragen müssen, Sünders«, die ja nur Gott gewährt, wurde oft ge- gehörten sie doch häufig zum aktiven Teil der nug in Verständnis für die Täter umgemünzt. Kirche, denen die Selbstbefreiung 1989 mit zu verdanken ist. Sie waren nicht klüger und nicht Heino Falcke hatte schon Anfang der 1990er Jah- schlauer als andere, aber sie haben versucht »in re mehrfach darauf hingewiesen, dass die für die der Wahrheit zu leben.«28 Kirche gebotene »Option für die Armen« auch eine »Option für die Opfer« sein müsste. Es ist Die Täter waren stumme Zeugen und Mitläufer, bedauerlich, dass es aus den Kirchen heraus nur die sich durch Anpassung und manchmal wenige Stimmen gegeben hat, die sich öffentlich schlichtweg durch Verrat rückversicherten, wäh- für Opfer aussprachen. Im Gegenteil. Prominente rend die Opfer häufig auf mutige Weise Risiken Kirchenleute sprachen davon, dass die Aufarbei- eingingen. Es ist auffällig, dass es kritische tung »Opfer der Opfer« gekostet hätte.25 Theologen und Bürgerrechtler oft ablehnen, als Opfer bezeichnet zu werden, obwohl gerade diese Auch in der Kirche wurden Opfer als passiv, un- Personengruppe allen Grund hätte, sich als Opfer tüchtig oder unklug bezeichnet. Daraus leitet sich zu verstehen, weil sie intensiven - auch die in vielen Varianten geäußerte Meinung maßnahmen und anderen Repressionen ausge- ab, dass die Opfer ihr Unglück selbst verschuldet liefert war. Diese Zurückhaltung geht weniger auf hätten. Mir steht noch vor Augen, wie es in den die Tugend der Bescheidenheit zurück als viel- 1990er Jahren äußerst schwierig war, die Theolo- mehr auf ihr Selbstverständnis als aktiv Handeln- gen zu rehabilitieren, die nach schweren Zerset- de. zungsmaßnahmen in den Westen gingen und dort oft ihren Beruf nicht mehr ausüben konnten. Bis In der christlichen Tradition ist der Opferbegriff heute gibt es keine Entschuldigung für kirchliche anders besetzt. Die Lebensgestaltung soll danach Restriktionen gegenüber oppositionellen kirchli- als »Gabe und Opfer« (Epheser 5, 2) verstanden chen Mitarbeitern. Zwar gibt es dazu schon Lite- werden. Dieser Opferbegriff meint nicht die pas- ratur und viele Zersetzungsmaßnahmen von IM sive Hinnahme, sondern markiert ein selbst be- in kirchlichen Ämtern sind dokumentiert. stimmtes bewusstes Handeln, auch in einer schöpferischen Askese. Die Entsagung erfolgt Fachleute, die sich mit Opfern beschäftigen, erle- nicht um ihrer selbst willen. Damit beschreibt ben oft die nachhaltigen Wirkungen der Viktimi- dieser Opferbegriff auch keine Heldentaten, über- sierung, der Opferwerdung, die bis zur Entwick- höht nicht das missliche Schicksal, Schmerzen lung von psychosomatischen Krankheitsbildern und Ängste. Es ignoriert auch nicht Schwächen, reichen, wie das so genannte posttraumatische Versagen und Verzagtheit von Opfern. Belastungssyndrom. Wenn es keine gesellschaftli- chen und kirchlichen Hilfestellungen gibt, die Die in dieser Sichtweise betonte Autonomie des Folgen für Persönlichkeit und biografische Ent- Opfers bewahrt davor, in die Biografie eines Op- wicklung zu bearbeiten, kann es zu einer sekun- fers ein anonymes Schicksal oder irgendwelche dären Viktimisierung kommen. Betroffene Geschichtsmächte zu projizieren. Menschen wer- »...werden zum zweiten Mal Opfer, wenn ihr den durch menschliches Handeln zu Opfern. Sol- Bedürfnis nach Gerechtigkeit ignoriert wird oder che Opfer sind immer vermeidbar. Opfer sind wenn andere meinen, es müsse ein Schlussstrich kein unvermeidbares Übel, Kollateralschäden gezogen werden.«26 Im schlimmsten Fall spricht politischer Konflikte. Der Schriftsteller Hans Joa- die Viktimologie von einer tertiären Viktimisie- chim Schädlich hat in diesem Sinne geäußert. rung, die eintritt, wenn beim Opfer der Eindruck »Mit ‚Opfern' werden die milden Umstände, die entsteht, vollständig hilflos und auch heute wie- man sich im Nachhinein sehnlichst wünscht, der Opfer zu sein. Die Fixierung auf die Opferrolle hervorgezaubert, durch ihre Benennung legiti- ist selbst schon wieder ein Krankheitsbild. Um miert. Dass eine blutrünstige Mordtat Gott vom Prozessen der tertiären Viktimisierung entgegen- Menschen abschlägt, Himmel und Erde auseinan- zuwirken, muss dem Opfer die Gewissheit einer der treibt, sollen eben die ‚Opfer' verdecken, die »Verfahrensgerechtigkeit« vermittelt werden. Eine eine Welt als Altar suggerieren, zu dem Opfer wie Verfahrensgerechtigkeit ist dann gegeben, wenn Opfernde gehören, damit zu verstehen gebend, es die Aufarbeitung transparent, unvoreingenom- sei vorgesehen und vorgeschrieben und geschehe men und unter Beteiligung des Betroffenen statt- vor dem Herrn, der seine Opfer, die er liebt, ha- findet.27 Hier hat die Kirche diakonischen Nach- ben will und darum auch die Opfernden schätzt, holbedarf. die sie ihm hinaufschicken. Es ist an der Bezeich- nung ‚Opfer' etwas Verdammtes, das einem Ver- 54 16/2007 epd-Dokumentation

dammten in uns entsprechen muss, denn Opfer »Gabe und Opfer« sein. Opfersein in diesem Sinne werden gutgeheißen.«29 ist eigentlich der Normalzustand des Christen.

Für Christen, zumal für Lutheraner, gibt es über- haupt nur ein Opfer, das Gott gewollt hat, das Opfer Christi. Da es jedoch sinnvoll ist, am Op- ferbegriff festzuhalten, ist es unumgänglich, beim Anmerkungen: Umgang mit Opfern deren Autonomie, die sie zu 1 Im Marxismus und bei Max Weber werden die Begriffe Macht Opfern machte, auch nachträglich und dauerhaft und Herrschaft nahezu synonym gebraucht. ernst zu nehmen. Opfern ist die Deutung des 2 Hannah Arendt. Vita activa oder Vom tätigen Leben. München Sinnes ihrer dargebrachten Opfer allein anheim- 1996, S. 252. gestellt. Erzwungenen Verzicht oder freiwillige 3 Zitiert nach: Jürgen Schiewe: Die Macht der Sprache. Eine Entsagung können und wollen nur sie selbst be- Geschichte der Sprachkritik von der Antike bis zur Gegenwart. werten. Nur sie selbst können beurteilen, ob die München 1998, S. 190. Leiden zu ihrer Reifung oder zu ihrer Verkrüp- 4 A.a.O., S. 194. pelung beitrugen. Von daher gesehen können und 5 Bernd Winkelmann: Es geschieht an uns. Die tragende Kraft dürfen Opfer nicht nur, sie müssen ihre immate- politischer Spiritualität. Erfahrungen aus den Kirchen und Grup- riellen und materiellen Rechte einschließlich der pen in der DDR und in der Wendezeit. Vortrag. Computeraus- Genugtuung bei der rechtlichen Bewertung der druck. 28. 10. 2003 Adelsborn. Bestand Bernd Winkelmann S. 5. Täter einfordern. Gerade darin leisten sie einen 6 Joachim Walther: Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und stellvertretenden Dienst für die normativen Staatssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik. Grundlagen des Lebens in der Kirche und im Berlin 1996, S. 21. Verfassungsstaat, für das Zusammenleben mit 7 Ludwig Große: Protokoll der Konsultation Nr. 7 des BEK und der den Unwissenden, den früher passiv Zuschauen- EKD am 20. Mai 1981 in Schwäbisch-Hall. Abgedruckt in: Walter den und den früheren Tätern. Hammer, Uwe Heidingsfeld (Hg.). Die Konsultationen. Hannover 1995, S. 60.

8 Zu einem solchen Opferverhalten brauchen sie Vgl. Erklärung der Bekenntnissynode zur Rechtslage der Deut- schen Evangelischen Kirche. In: Rudolf Schulze (Hg.): Barmen keine besondere Legitimation. Sie haben sie 1934-1984, Berlin 1983, S. 169-170. durch ihre Biografie erworben und unsere Zivili- 9 Zitiert nach: Gerhard Besier: Der SED-Staat und die Kirchen. sation hält diese Legitimation auch bereit, selbst Der Weg in die Anpassung, München 1993, S. 319. wenn viele solcher Schlüsseltexte in dieser Sache 10 Otto Dibelius: Obrigkeit. Stuttgart 1963, S. 136. von der Tätergesellschaft nie zitiert werden. Im 11 Neuen Testament, dem Buch der Liebe, heißt es Joachim E. Christoph (Hg.): Kundgebungen. Worte und Erklä- neben vielen Vergebungsgeboten: »Welchen ihr rungen der Evangelischen Kirche in Deutschland 1959-1969, Verlag des Amtsblattes der EKD Hannover 1994, S. 113. die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen, und 12 welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behal- Gerhard Besier: Der SED-Staat und die Kirchen. Der Weg in die Anpassung. München 1993, S. 551. ten.« (Johannes 20,23). Oder um noch einmal 13 Schädlich zu zitieren: »Nur die Opfer können Albrecht Schönherr. Bericht der KKL vor der Synode des BEK 30 auf der 2.Tagung vom 26.-29.6.1970. In: epd-Dokumentation entschuldigen. Nur die Opfer können vergeben.« 3/1970, S. 2. Sie können, müssen aber nicht. Die Schuld den 14 Ulrich Woronowicz: Memorandum. Unsere Kirche hat ein ge- Tätern zu behalten und die leichte und billige störtes Verhältnis zum Recht. Wittenberge, 25.5.1976, Ty- Gnade zu verweigern, erfordert einen zivilen Mut. poskript. Abgedruckt in: Ders.: Sozialismus als Heilslehre. Ber- Daran fehlt es oft in der Gesellschaft, die immer gisch Gladbach 2000, S. 215-224. (Nachdruck einer Samisdat- schneller bereit ist, Verantwortung abzunehmen, ausgabe 1985). als Verantwortung aufzuerlegen. Wenn es legitim 15 Hans-Joachim Fränkel: Das Zeugnis der Bibel in seiner Bedeu- ist, dass Opfer eine Versöhnung zu ihren Lasten tung für die Menschenrechte. (Vortrag). Provinzialsynode der Ev. verweigern, sind sie auch darin souverän. Sie Kirche des Görlitzer Kirchengebiets vom 4.-7.4.1975. In: epd- können hoffen, dass ihnen Vergebung möglich Dokumentation 20/1975, S. 25. 16 wird. A.a.O., S. 28. 17 Vgl. Herrmann Klenner. Freiheit, Gleichheit und so weiter. Berlin Gott sei Dank ist heute der kirchliche Dienst mit 1978. keinen politischen Risiken belastet. Die Risiken 18 Christoph Demke, Manfred Falkenau, Helmut Zeddies. (Hg.): haben heute einen anderen Charakter und der Zwischen Anpassung und Verweigerung. Dokumente aus der »Versuch in der Wahrheit zu leben« findet auf Arbeit des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. Leipzig 1994, S. 254. anderen Feldern als in der DDR statt. Engagiertes 19 kirchliches Leben und Handeln kann auch heute A.a.O., S. 266. 20 Christa Lewek, Manfred Stolpe, Joachim Garstecki (Hg.): Menschenrechte in christlicher Verantwortung. Berlin 1980. Nur epd-Dokumentation 16/2007 55

der im Buch enthaltene Artikel von Joachim Garstecki fällt aus 25 : Selbst-Befreiung durch ein Freudenfeu- dem Rahmen. er?, in: Der Tagesspiegel vom 16.11.1993, S.4. 21 A.a.O., S. 54. 26 Tobias Krettenauer: Zur Bedeutung von Gerechtigkeitsüber- 22 Werner Krusche: 6. März. 1978 - 1988 ein Lernweg. Inner- zeugungen. In: Baumann, Ulrich; Kury, Helmut (Hg.): Politisch motivierte Verfolgung: Opfer von SED-Unrecht. Freiburg kirchliches Material: Hg. vom Bund der Evangelischen Kirchen in i.Br.1998, S. 371. der Deutschen Demokratischen Republik – Sekretariat S. 11. 27 23 Tobias Krettenauer, S. 374. Walter Weispfenning: Der Umgang mit MfS-Belastungen kirchli- cher Mitarbeiter in der Evangelisch-lutherischen Kirche in Thürin- 28 Vgl. Václav Havel: Versuch, in der Wahrheit zu leben. Reinbeck gen. Bericht von Oberkirchenrat i.R. Walter Weispfenning, Eise- bei 1990. nach, September 2006, epd-Dokumentation 40/2006. 29 Hans Joachim Schädlich: Über Dreck, Politik und Literatur. 24 Albrecht Schönherr, Dietrich Bonhoeffer, in: Zeichen der Zeit Berlin 1992, S.13. Dort Zitat nach Elazar Benyoetz.

1976/10, S. 373. 30 Schädlich: 1992, S.16.

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Erfahrungen mit der Stasi – Aus der Sicht der Partnerkirche in Württemberg Von Hansgeorg Kraft

»Stasi-Aufarbeitung in der Thüringer Landes- Evangelischen Jugendwerks in Württemberg, und kirche«, Evangelische Akademie Thüringen, mich eingeladen haben, an Ihrer mutigen Diskus- Guthmannshausen, 29.9. - 1.10. 2006 sion teilzunehmen. Das gehört zur Partnerschaft, dass wir uns gegenseitig auch an schwierigen Fragen teilhaben lassen. Zuerst möchte ich Ihnen danken, dass Sie Ger- hard Elser, den früheren Geschäftsführer des

1. Partnerschaft zwischen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und der Evangelischen Lutherischen Kirche in Thüringen

Zunächst darf ich mich vorstellen: Mein Name ist Kirchengemeinden, Werke und die Landeskirche. Hansgeorg Kraft. Ich war von 1981 bis 1991 Ko- Diese Mittel kamen aus der EKD, der württem- ordinator der Partnerschaft zwischen der Evange- bergischen Landeskirche, dem Diakonischen lischen. Landeskirche in Württemberg und der Werk Württemberg, den Gemeinden und von Evangelischen-Lutherischen Kirche in Thüringen. einzelnen Spendern. Sie haben z.B. im Jahr 1989 Ich tat das in meiner Funktion als Geschäftsführer etwa 5 Mio. DM ausgemacht. Wir haben diese für Ökumenische Dienste im Diakonischen Werk Hilfen auf legalen Wegen weiter gegeben. Württemberg. Diese Partnerschaft hatte äußerst vielfältige Formen und Ebenen. Das Wichtigste Wir sind dankbar für die Erfahrungen der Part- waren die Begegnungen von Menschen: sei es auf nerschaft, die unseren Württembergischen Hori- der Ebene von Partnerschaften zwischen den zont wesentlich erweitert und bereichert haben einzelnen Pfarrern und anderen Mitarbeitern in und die oft so tiefgehend waren, dass sie nach Kirchengemeinden und Diakonischen Einrichtun- der Wende bis zum heutigen Tag weiter gegangen gen, auf der Ebene der Kirchenbezirke und Super- sind. »Es ist uns das Los aufs Liebliche gefallen«, intendenturen, der kirchlichen Werke, der Ge- mit diesem Bibelwort haben wir uns die gegen- schäftsführungen der beiden Diakonischen Wer- seitigen guten Erfahrungen bestätigt. ke, des Evangelischen Oberkirchenrats in Stutt- gart und des Landeskirchenrats in Eisenach sowie Aber nun zu den Erfahrungen mit der Stasi, was zwischen den Vorständen der beiden Landessy- sich natürlich nur auf kurze Bemerkungen be- noden. Eng verbunden waren damit die finan- schränken kann. ziellen Hilfen und Unterstützungen für Einzelne,

2. Erfahrungen mit der Stasi während der Zeit der DDR

Wir haben viel gehört von Schikanen durch die unseren Diskussionen scharfe staatskritische Vo- Stasi und vom Einsatz der Thüringer Kirchenlei- ten zu vermeiden. tung für die Betroffenen. Ich selbst wurde nicht in besonderer Weise schikaniert. Natürlich gab es Bei den Arbeitsgesprächen der Kirchenleitung auch für mich an der Grenze die üblichen schwie- oder im Diakonischen Werk war mir bewusst, rigen Überprüfungen. Aber ich musste mich nie dass ein Abhören durch die Stasi nicht ausge- einer Leibesvisitation unterziehen und mich dabei schlossen werden konnte. Deshalb habe ich ein- völlig entkleiden. mal bei einer Besprechung im Diakonischen Werk Thüringen nachgefragt, ob wir solche vertrauli- Bei den sechs jährlichen Begegnungen in Berlin- chen Themen an diesem Ort besprechen könnten, Ost zwischen den Kirchenbezirken in Württem- Oberkirchenrat Höser antwortete darauf sinnge- berg und den Superintendenturen in Thüringen mäß: »Wir verhandeln nicht über etwas Verbote- hatten wir vermutet, dass die Richtmikrofone der nes, und im Übrigen weiß der Staat auch sonst, Stasi auf die Räume der Stephanus-Stiftes gerich- was zwischen den beiden Kirchen geschieht.« tet waren. Wir haben uns deshalb alle bemüht, in Natürlich besprachen wir besonders schwierige epd-Dokumentation 16/2007 57

Fragen in Privatwohnungen oder beim Spazier- mand dachte daran, dass bei den internen Ge- gang im Freien. Insoweit haben wir versucht, uns sprächen zum Teil ein IM anwesend war. vor geheimen Mithörern zu schützen. Aber nie-

3. Erfahrungen mit der Stasi nach der Wende

Auch hier sollen nur einige wenige Bemerkungen zu einer Beeinträchtigung oder gar zum Bruch der gemacht werden. früheren Beziehungen geführt.

3.1. Stasi-Akten 3.3. Berichte im Evangelischen Gemeindeblatt für Württemberg Im Blick auf meine Person vermutete ich, dass die Akten – entsprechend meinen vorher genannten Ich habe das Evangelische Gemeindeblatt, eine vielfältigen Aktivitäten – sehr umfangreich sein der größten Kirchengebiets-Zeitungen in würden. Tatsächlich waren nur unbedeutende Deutschland, auf die Berichte zu Thüringen in Zettel zu finden, wie etwa die Avisierung der HA den Jahren 1989 bis 2006 durchgesehen. Dabei VI zur Einreise am 13. 9. 1983. Ob da weitere hat sich ergeben, dass von der Situation in Thü- Akten an anderer Stelle verborgen sind und noch ringen vielfach berichtet wurde und ebenso über entdeckt werden müssen, weiß ich nicht. Interes- die speziellen Verstrickungen Einzelner mit der sant ist ebenfalls, dass in den Akten des damali- Stasi. gen Landesbischofs D. Sorg ebenfalls nur unbe- deutende Notizen zu finden waren. „ Beispielhaft will ich einige der Überschriften nennen: – Nr. 2/ 1991 Stasi-Verdächtigungen – 3.2. Votum von Landesbischof D. Sorg wie lange noch? – Nr. 21/ 1996 Mitarbeiter der Gauck-Behörde Landesbischof em. D. Sorg, der damals der Bi- kritisiert (ein Votum von Oberkirchenrat schof unserer Kirche war, fragte ich, wie er mit Ludwig Große) den Entdeckungen von Stasi-Mitarbeitern umge- – Nr. 36/ 1996 Thüringer Kirche verteidigt gangen sei. Er antwortete sinngemäß: er habe Altbischof diese Informationen aufmerksam zur Kenntnis – Nr. 37/ 1996 Der Schatten der Stasi genommen. Er sei enttäuscht gewesen über die – Nr. 42/ 1996 Leserbrief zu Bischof Ingo genannten Personen, von deren Stasi-Mitarbeit er Braecklein nichts gewusst, auch nichts geahnt habe. Die – Nr. 30/ 1999 Ex-Oberkirchenrat wegen Mehrzahl dieser Pfarrer und Mitarbeiter habe er Stasi-Mitarbeit verurteilt ohnehin nicht persönlich gekannt. In einem kon- – Nr. 33/ 1999 Leserbrief zu Oberkirchenrat kreten Fall, einem Mitglied des Landeskirchen- Hans Schäfer rats, habe er allerdings schon lange vorher einen – Nr. 4/ 2006 Thüringer Landeskirche plant Verdacht gehabt. Dieser habe sich nach der Wen- Dokumentation über ihre Stasi-Verstrickung de leider umfassend bestätigt. Dieser Fall habe ihn persönlich sehr schmerzlich berührt. Im Gan- Sie sehen also, das Thema hat die kirchliche Öf- zen aber haben die nach der Aufarbeitung ge- fentlichkeit in Württemberg nicht nur zur Kennt- wonnenen Erkenntnisse die Partnerschaft zwi- nis genommen, sondern beschäftigt, doch wurde schen den Kirchen von Württemberg und Thürin- keiner der Berichte mit einer negativen Wertung gen relativ wenig berührt. Sie haben auch nicht versehen. 58 16/2007 epd-Dokumentation

Kirche und Stasi – Literaturverzeichnis Eine Auswahl. Zusammengestellt von Christian Dietrich und Dietmar Wiegand

1. Beleites, Michael: Untergrund. Ein Konflikt mit der 10. Die Solidarische Kirche in der DDR. Erfahrungen, Stasi in der Uranprovinz, Berlin 1991. Erinnerungen, Erkenntnisse / hrsg. von Joachim Goertz, Berlin 1999. 2. Beschluss der 5. Tagung der V. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR in Eisenach zum 11. Dietrich, Christian: Die Gründung des Bundes der Bericht des Vorsitzenden der Konferenz der Evangeli- Evangelischen Kirchen in der DDR in den Jahren schen Kirchenleitungen und dem Arbeitsbericht des 1968/69. In: Gottlose Jahre? Rückblicke auf die Kirche Sekretariats des Bundes vom 19. September 1989. In: im Sozialismus der DDR / hrsg. von Thomas A. Seidel Zwischen Anpassung und Verweigerung. Dokumente im Auftrag der Evangelischen Akademie Thüringen und aus der Arbeit des Bundes der Evangelischen Kirchen der Gesellschaft für Thüringische Kirchengeschichte. in der DDR / im Auftrag der Evangelischen Kirche in Redaktion: Michael Beyer (Herbergen der Christenheit; Deutschland hrsg. von Christoph Demke, Manfred Sonderbd. 7), Leipzig 2002, S. 23-34. Falkenau und Helmut Zeddies, Leipzig 1994, S. 391- 395. 12. Dietrich, Christian / Jander, Martin: Die Revolution in Thüringen. Die Sonderrolle des »Südens« im Jahr 3. Besier, Gerhard: Aus der Resistenz in die Kooperati- 1989. In: Revolution und Transformation in der DDR on. Der »Thüringer Weg« zur »Kirche im Sozialismus«. 1989/90 / hrsg. von Günther Eydemann, Gunther Mai In: Kirche in der Diktatur / hrsg. von Günther Heyde- und Werner Müller, Berlin 1999, S. 307-333. mann und Lothar Kettenacker, Göttingen 1993, S. 182- 212. 13. Ellmenreich, Renate: Matthias Domaschk. Die Ge- schichte eines politischen Verbrechens, Erfurt 1996. 4. Besier, Gerhard: Evangelische Kirche und Ost-CDU. In: Besier, Gerhard: Die evangelische Kirche in den 14. Evangelische Kirche nach 1945 in der SBZ/DDR / Umbrüchen des 20. Jahrhunderts, Bd. 2 [Historisch- hrsg. von Günther Wartenberg (Herbergen der Chris- theologische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert; 5], tenheit. Jahrbuch für deutsche Kirchengeschichte; 20), Neukirchen-Vluyn 1994, S. 190-270. Leipzig 1997.

5. Björkmann, Thomas: Ein Lebensraum für die Kirche. 15. Für ein freies Land mit freien Menschen. Oppositi- Die Rundbriefe von Landesbischof D. Mitzenheim on und Widerstand in Biographien und Fotos / hrsg. 1945-1970, Lund 1991. von Ilko-Sascha Kowalczuk und Tom Sello, Berlin 2006. 6. Boyens, Armin: Das Staatssekretariat für Kirchenfra- gen. In: Kirchenpolitik von SED und Staatssicherheit. 16. Findeis, Hagen: Das Licht des Evangeliums und das Eine Zwischenbilanz / hrsg. von Clemens Vollnhals Zwielicht der Politik. Kirchliche Karrieren in der DDR, [Analysen und Dokumente: Wissenschaftliche Reihe Frankfurt 2002. des Bundesbeauftragten; 7], Berlin 1996, S. 120-138. 17. Gottlose Jahre? Rückblicke auf die Kirche im Sozia- 7. Braecklein, Ingo: Gespräch im öffentlichen Raum. In: lismus der DDR / hrsg. von Thomas A. Seidel im Auf- Mut zur Zukunft. Christen in der Welt von morgen / trag der Evangelischen Akademie Thüringen und der zusammengestellt von Gerda Maria Arndt und Renate Gesellschaft für Thüringische Kirchengeschichte. Re- Trautmann, Berlin 1964, S. 214-221. daktion: Michael Beyer (Herbergen der Christenheit; Sonderbd. 7), Leipzig 2002. 8. Die »andere« Geschichte. Kirche und MfS in Thürin- gen / hrsg. von Katharina Lenski, Angelika Schön, 18. Große, Ludwig: Es ist Zeit, sich einzumischen. Die Thomas Grund, Uwe Kulisch, Uwe Petzold, Harry Malaise in der Ex-DDR ist auch Sache der Kirche. In: Zöller und Walter Schilling, Erfurt 1993. Lutherische Monatshefte 30 (1991), S. 352-354.

9. Die evangelischen Kirchen in der DDR. Beiträge zu 19. Große, Ludwig: Leiderfahrungen in Thüringen. In: einer Bestandsaufnahme / hrsg. von Reinhard Henkys, Evangelische Kommentare 25 (1992), S. 732f. München 1982. 20. Große, Ludwig: Protest der Protestanten. Wider- stand um des Friedens willen. In: Gott glauben gestern, epd-Dokumentation 16/2007 59

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59. Neubert, Ehrhart / Auerbach, Thomas: »Es kann 68. Schilling, Walter: Auch Inoffizielle Mitarbeiter anders werden«. Opposition und Widerstand in Thü- hatten ehrenwerte Motive. Über Stasi-Praktiken, Kon- ringen 1945-1989 [Schriften der Stiftung Ettersberg; 5] spiration und Einfallstore in die Kirche. In: Stasi und Köln; Weimar; Wien 2005. kein Ende? Kirche und Staat in der früheren DDR und im vereinigten Deutschland. Dokumentation [des 15. 60. Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, SWI-Colloquiums am 7. Juli 1992 mit Christoph Demke Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Dresden - und Walter Schilling] / bearb. von Rainer Volz (SWI- Magdeburg – Dresden / hrsg. vom Kirchenamt der Colloquium; 15), Bochum 1993, S. 6-14. Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD-Texte; 38), Hannover 1991. 69. Schilling, Walter: Aufmüpfige wurden zu wenig einbezogen. Erfahrungen mit dem »Thüringer Weg«. In: 61. »Pfarrer, Christen und Katholiken«. Das Ministeri- Glaube und Heimat. Evangelische Kirchenzeitung für um für Staatssicherheit der ehemaligen DDR und die Thüringen 48 (1993), Nr. 9 (7. März). Kirchen / hrsg. von Gerhard Besier und Stephan Wolf [Historisch-theologische Studien zum 19. und 20. Jahr- 70. Schilling, Walter: Die »Bearbeitung« der Landeskir- hundert / (Quellen); 1], Neukirchen-Vluyn 1991, 2., che Thüringen durch das MfS. In: Kirchenpolitik von durchgesehene und um weitere Dokumente vermehrte SED und Staatssicherheit. Eine Zwischenbilanz / hrsg. Aufl. 1992. von Clemens Vollnhals [Analysen und Dokumente: Wissenschaftliche Reihe 62. Pietzsch, Henning: Jugend zwischen Kirche und des Bundesbeauftragten; 7], Berlin 1996, S. 211-266. Staat. Geschichte der kirchlichen Jugendarbeit in Jena 1970-1989. Mit einem Vorwort von Ehrhart Neubert 71. Schilling, Walter: Ringen um Kirche. In: Zwischen [Europäische Diktaturen und ihre Überwindung. sozialer Bewegung und kirchlichem Arbeitsfeld. Annä- Schriften der Stiftung Ettersberg; 5], Köln; Weimar; herungen an die Offene Jugend(-) Arbeit / hrsg. von Wien 2005. Lars Eisert-Bagemihl und Ulfried Kleinert (Akzente der Entwicklung sozialer Arbeit in Gesellschaft und Kirche; 63. Planer-Friedrich, Götz: »Einfallstore der Stasi«. In: 7), Leipzig 2002, S. 19-23. Die evangelischen Kirchen und der SED-Staat. Ein Thema kirchlicher Zeitgeschichte / hrsg. von Leonore 72. Schönfelder, Jan: Kirche, Kerzen, Kommunisten. Siegele-Wenschkewitz, Frankfurt/Main 1993, S. 113- Die demokratische Revolution in Neustadt an der Orla 128. 1989/90, Weimar/Jena 2005.

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78. »Seid Untertan der Obrigkeit!« Originaldokumente Sektionen 1970/71 [Arbeiten zur Kirchen- und Theolo- der Stasi-Kirchenabteilung XX/4 / hrsg. von Tina Krone giegeschichte; 3], Leipzig 1998. und Reinhard Schult, Berlin 1992. 88. Thumser, Wolfgang: Kirche im Sozialismus. Ge- 79. Seidel, J. Jürgen: »Neubeginn« in der Kirche? Die schichte, Bedeutung und Funktion einer ekklesiologi- evangelischen Landes- und Provinzialkirchen in der schen Formel [Beiträge zur historischen Forschung; SBZ/DDR im gesellschaftspolitischen Kontext der 95], Tübingen 1996. Nachkriegszeit (1945-1953), Göttingen 1989. 89. Thüringen 1989/90 (2 Bde) / hrsg. von Jürgen John 80. Seidel, Thomas A.: »Thüringer Weg« und »Thürin- [Quellen zur Geschichte Thüringens; 17/1-2], Erfurt ger Initiative«. Eine Regionalgruppe der Solidarischen 2001. Kirche am Ende der DDR. In: Die Solidarische Kirche in der DDR: Erfahrungen, Erinnerungen, Erkenntnisse / 90. Thüringer Gratwanderungen: Beiträge zur fünfund- hrsg. von Joachim Goertz, Berlin 1999, S. 35-54. Auch siebzigjährigen Geschichte der evangelischen Landes- in: Gottlose Jahre? ... AaO, S. 85-100. kirche Thüringen / hrsg. von Thomas A. Seidel im Auftrag der Evangelischen Akademie Thüringen und 81. Seidel, Thomas A.: Erblast und Erneuerungsversu- der Gesellschaft für Thüringische Kirchengeschichte. che in Thüringen. Eine mitteldeutsche Landeskirche im Bearbeitet von Dietmar Wiegand [Herbergen der Spannungsfeld von Besatzungsmacht und deutscher Christenheit; Sonderbd. 3], Leipzig 1998. Verwaltung 1945-1949. In: Herbergen der Christenheit. Jahrbuch für deutsch Kirchengeschichte 20 (1996), S. 91. Überprüfungen auf Stasikontakte in den östlichen 87-105. Gliedkirchen der EKD. Dokumentation und Kommentar / hrsg. von Ludwig Große, Harald Schultze und Fried- 82. Seidel, Thomas A.: Im Übergang der Diktaturen. rich Winter im Auftrag des Kirchenamtes der Evangeli- Eine Untersuchung zur kirchlichen Neuordnung in schen Kirche in Deutschland [Zeichen der Zeit; 51 / Thüringen 1945-1951 [Konfession und Gesellschaft; Beiheft 1], Leipzig 1997. 29], Stuttgart 2003. 92. Ueberschär, Ellen: Junge Gemeinde im Konflikt. 83. Seidel, Thomas A.: Im Wechsel der Systeme. An- Evangelische Jugendarbeit in SBZ und DDR [Konfessi- merkungen zur evangelischen Landeskirche Thürin- on und Gesellschaft; 27], Stuttgart 2003. gens 1919 bis 1989. In: Von der babylonischen Gefan- genschaft der Kirche im Nationalen. Regionalstudien zu 93. Vollnhals, Clemens: Die kirchenpolitische Abteilung Protestantismus, Nationalsozialismus und Nachkriegs- des Ministeriums für Staatssicherheit. In: Kirchenpolitik geschichte 1930 bis 2000 / hrsg. von Manfred Gailus von SED und Staatssicherheit. Eine Zwischenbilanz / und Wolfgang Krogel. Berlin 2006, S. 331-359. hrsg. von Clemens Vollnhals [Analysen und Doku- mente: Wissenschaftliche Reihe des Bundesbeauftrag- 84. Selbstbewahrung oder Selbstverlust. Bischöfe und ten; 7], Berlin 1996, S. 79 ff. Repräsentanten der evangelischen Kirchen in der DDR über ihr Leben. 17 Interviews [u.a. mit Ingo Braecklein 94. Vollnhals, Clemens: Entnazifizierung und Selbstrei- und Werner Leich] / hrsg. von Hagen Findeis und nigung im Urteil der evangelischen Kirche. Dokumente Detlef Pollack [Forschungen zur DDR-Gesellschaft], und Reflexionen 1945-1949, München 1989. Berlin 1999. 95. Vollnhals, Clemens: Oberkirchenrat Gerhard Lotz 85. Silomon, Anke: Synode und SED-Staat. Die Synode und das Ministerium für Staatssicherheit. Zur IM-Akte des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR in »Karl«. In: ... und über Barmen hinaus. Studien zur Görlitz vom 18. bis 22. September 1987 [Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte. Festschrift für Carsten Ni- Kirchlichen Zeitgeschichte; B/24], Göttingen 1997. colaisen / hrsg. von Joachim Mehlhausen, Göttingen 1995, S. 595-605. 86. Stahl, Rainer: Die evangelische Kirche. In: Thürin- gen. Eine politische Landeskunde / hrsg. von Karl 96. Weispfenning, Walter: Das Thüringer Verfassungs- Schmitt [Jenaer Beiträge zur Politikwissenschaft; 4], modell der »konzentrischen Kreise«. In: Gott glauben Weimar; Köln; Wien 1996, S. 180-200. gestern, heute und morgen. Festschrift für Werner Leich, Weimar 1997, S. 133-142. 87. Stengel, Friedemann: Die theologischen Fakultäten in der DDR als Problem der Kirchen- und Hochschul- 97. Weispfenning, Walter: Der Umgang mit MfS- politik des SED-Staates bis zu ihrer Umwandlung in Belastungen kirchlicher Mitarbeiter in der Evangelisch- epd-Dokumentation 16/2007 63

Lutherischen Kirche in Thüringen. In: epd- tischer Diskussion Andersdenkender am Beispiel der Dokumentation 40/2006. »Altenburger Akademie« 1988/89 / hrsg. vom Landes- beauftragten des Freistaates Thüringen für die Unterla- 98. Wiegand, Dietmar: Kleine Geschichte der Thüringer gen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Landeskirche. Ein Durchgang in zwölf Schritten. In: Erfurt 1996. Landhaus und Landeskirche auf dem Eisenacher Pflu- gensberg. Beiträge zur Geschichte der Evangelisch- 100. Zwischen Anpassung und Verweigerung. Doku- Lutherischen Kirche in Thüringen und ihrer Kirchen- mente aus der Arbeit des Bundes der Evangelischen leitung in Eisenach / hrsg. von Hans-Peter Hübner und Kirchen in der DDR / im Auftrag der Evangelischen Gabriele Schmidt, Weimar 2006, S. 39-76. Kirche in Deutschland hrsg. von Christoph Demke, Manfred Falkenau und Helmut Zeddies, Leipzig 1994. 99. Wohlfarth, Michael / Herz, Andrea: Eröffnung eines Operativen Vorgangs – zur »« zeitpoli- epd Dokumentation Postvertriebsstück ▪ Deutsche Post AG ▪ Entgelt bezahlt 58145 Evangelischer Pressedienst

Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik gGmbH Verlag/Vertrieb Postfach 50 05 50 60394 Frankfurt am Main

Jahrgang 2007 8/07 – »Von der Macht des Gotteswortes« (Hauptversammlung 2007 des Reformierten Bundes) 1/07 – GKKE: Rüstungsexportbericht 2006 – – 48 Seiten / 4,60 € 60 Seiten / 5,40 € 9/07 – EÖV3 (Europäische Ökumenische 2/07 – Abschied von der Kirchenkanzlei der Union Versammlung): 3. Etappe: Ökumenische Evangelischer Kirchen (Hüffmeier, Krötke, Fischer, Begegnung in Wittenberg)– 60 Seiten / 5,40 € Schneider, Kasparick) – 20 Seiten / 2,60 € 10/07 – Franz Rosenzweig: Leben und Werk als 3/07 – Zukunftskongress der EKD: »Kirche der Herausforderung für Juden und Christen heute – Freiheit – Reaktionen auf das EKD-Impulspapier« – 72 Seiten / 5,40 € Kirchenreform:: »Regionalisierung in der Kirche – Zukunftsmodelle und Sackgassen« – 44 Seiten /4,60 € 10a/07 – 50 Jahre Evangelische Militärseelsorge (Festakt, historischer Rückblick) – 24 Seiten / 3,40 € 4/07 – »Orthodoxes Christentum – Ein unterschätz- barer Faktor in Europa« (Tagung in der Evangelischen 11-12/07 – »Die EKD auf dem Weg zu einer neuen Akademie zu Berlin) – 76 Seiten / 5,40 € Friedensdenkschrift« (Diskussionsbeiträge 2001-2006) – 76 Seiten / 5,40 € 5/07 – »Einfach eintreten!?« (Symposium der Evange- lischen Kirche in Deutschland in Kooperation mit der 13/07 – Themen: Gehört Religionspolitik zur europä- Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangeli- ischen Staatsräson? (Bundesminister Wolfgang schen Kirche von Westfalen) – 28 Seiten / 3,40 € Schäuble) – Kirche und Verfassungsordnung (Bischof Wolfgang Huber) – 20 Seiten / 2,60 € 6/07 – »Zukunftskongress der EKD« (Auswahl von Vorträgen, Diskussionsbeiträgen und Ergebnispapieren) 14-15/07 – Gemeinsam Kirche sein. Ökumenische – 76 Seiten / 5,40 € Herausforderungen und Perspektiven für das Zusam- menleben von christlichen Gemeinden unterschiedli- 7/07 – »Pfingstkirchen, Charismatische Bewegung cher Sprache und Herkunft (Tagung von ACK und und ACK-Kirchen im Gespräch: Was verbindet uns? EKD-Kirchenamt) – 76 Seiten / 5,40 € Was trennt uns? (Beiträge einer Konsultationstagung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen) – 16/07 – Stasi-Aufarbeitung in der Thüringer Landes- 52 Seiten / 5,10 € kirche (Dokumentation einer Tagung in der Evangeli- schen Akademie Thüringen) – 64 Seiten / 5,40 €

Der Informationsdienst Bestellungen und Anfragen an: Das Abonnement kostet monat- Die Liste oben enthält den epd-Dokumentation GEP-Vertrieb lich 23,60 € inkl. Versand (mit Preis eines Einzelexemplars; (ISSN 1619-5809) kann im Postfach 50 05 50, Zugang zum digitalen Archiv: dazu kommt pro Auftrag eine Abonnement oder einzeln 60394 Frankfurt, 27,50 €). E-Mail-Bezug im PDF- Versandkostenpauschale (inkl. bezogen werden. Tel.: (069) 58 098-191. Format (Preis auf Anfrage). Die Porto) von 2,30 €. Pro Jahr erscheinen mindes- Fax: (069) 58 098-226. Preise für Einzelbestellungen tens 50 Ausgaben. E-Mail: [email protected] sind nach Umfang der Ausgabe epd-Dokumentation wird auf Internet: http://www.epd.de und nach Anzahl der Exemplare chlorfrei gebleichtem Papier gestaffelt. gedruckt.