Zehnter Tätigkeitsbericht der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik – 2011

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20 Jahre Deutsche Einheit – 20 Jahre Aufarbeitung der SED-Diktatur 7

1 Wichtige Aspekte für die Arbeit der Behörde ...... 12

1.1 20 Jahre Friedliche Revolution ...... 12

1.2 Entwicklung der für die BStU relevanten Themen der Gedenk- stättenkonzeption des Bundes ...... 13

1.3 Aktuelle Entwicklung des -Unterlagen-Gesetzes ...... 14

1.4 Die Überlieferung des MfS als archivische Herausforderung . . . . 17

1.5 Bedeutung der Unterlagen des MfS für die externe Forschung, die Medien und Einrichtungen der politischen Bildungsarbeit . . . . 19

1.6 Aktuelle Schwerpunkte der Forschungsarbeit ...... 22

2 Die Behörde der BStU ...... 23

2.1 Organisationsstruktur ...... 23

2.2 Beirat ...... 23

2.3 Personal ...... 24 2.3.1 Personalbestand und Personalentwicklung ...... 24 2.3.2 Fort- und Weiterbildung ...... 25 2.3.3 Ausbildung ...... 25 2.3.4 Betriebliche Gesundheitsförderung ...... 26 – 2 –

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2.4 Haushalt ...... 26 2.5 IT-Ausstattung und -Entwicklung ...... 27 2.6 Liegenschaften ...... 27 2.7 Datenschutz und Informationssicherheit ...... 28 2.8 Anträge nach dem Informationsfreiheitsgesetz ...... 29

3 Archivbestände ...... 29 3.1 Grundsätzliche Arbeitsschwerpunkte ...... 29 3.2 Erschließungsergebnisse ...... 31 3.2.1 Schriftgut des MfS ...... 31 3.2.1.1 Archivierte Ablagen ...... 32 3.2.1.2 Unterlagen der Diensteinheiten des MfS ...... 33 3.2.2 Unterlagen der Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen . . . . . 36 3.2.2.1 Land ...... 36 3.2.2.2 Land Brandenburg ...... 37 3.2.2.3 Land Mecklenburg-Vorpommern ...... 37 3.2.2.4 Freistaat Sachsen ...... 38 3.2.2.5 Land Sachsen-Anhalt ...... 39 3.2.2.6 Freistaat Thüringen ...... 40 3.2.3 Audio-visuelle Medien und maschinenlesbare Daten ...... 41 3.2.3.1 Filme und Videos ...... 42 3.2.3.2 Tondokumente ...... 42 3.2.3.3 Fotodokumente ...... 42 3.2.3.4 Maschinenlesbare Daten ...... 43

3.3 Findmittel ...... 43 3.3.1 Karteien des MfS ...... 43 3.3.2 BStU-Datenbanken in den Archiven ...... 43 3.3.3 Findmittel im Internet ...... 44

3.4 Bestandserhaltung ...... 45 3.4.1 Präventive Maßnahmen ...... 45 3.4.2 Schutzverfilmung und Duplizierung ...... 46 3.4.3 Papierrestaurierung und -konservierung ...... 46 3.4.4 Sicherung audio-visueller Medien und maschinenlesbarer Daten 46 3.5 Herausgabe und Übernahme von Unterlagen ...... 47 3.6 Manuelle und virtuelle Rekonstruktion zerrissener Unterlagen . . . 47 3.6.1 Manuelle Rekonstruktion ...... 47 3.6.2 Virtuelle Rekonstruktion ...... 48

3.7 Archivfachliche Kontakte mit anderen Archiven und Einrichtungen ...... 49 – 3 –

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4 Verwendung von Unterlagen auf Antrag oder Ersuchen . . . . . 50

4.1 Anträge von Bürgerinnen und Bürgern auf Auskunft, Einsicht in und Herausgabe von Unterlagen sowie auf Bekanntgabe von Namen ehemaliger Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes . . . . 50 4.1.1 Antragsaufkommen, Erledigungen, Bearbeitungszeiten ...... 50 4.1.2 Beweggründe für einen Antrag auf Akteneinsicht ...... 51 4.1.3 Bürgerberatung ...... 52 4.1.4 Einzelne Antragsverfahren ...... 53 4.1.4.1 Anträge als Dritte ...... 54 4.1.4.2 Anträge naher Angehöriger von Vermissten oder Verstorbenen . . 54 4.1.4.3 Anträge ehemaliger Mitarbeiter ...... 55 4.1.5 Decknamenentschlüsselung ...... 55

4.2 Verwendung von Unterlagen durch öffentliche und nicht öffentliche Stellen ...... 56 4.2.1 Ersuchen zur Rehabilitierung von Betroffenen und zur Wiedergutmachung erlittenen Unrechts ...... 56 4.2.1.1 Strafrechtliche Rehabilitierung ...... 56 4.2.1.2 Wiedergutmachung ...... 57 4.2.2 Verwendung für Zwecke der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr 58 4.2.3 Verwendung von Unterlagen für Zwecke der Nachrichtendienste 59 4.2.4 Nutzung des Zentralen Einwohnerregisters der ehemaligen DDR 59 4.2.5 Ersuchen zur Überprüfung von Personen ...... 60 4.2.5.1 Abgeordnete, Angehörige kommunaler Vertretungskörperschaften und kommunale Wahlbeamte sowie Regierungsmitglieder ...... 60 4.2.5.2 Beamte und Angestellte, die eine Behörde leiten oder eine vergleichbar verantwortungsvolle Aufgabe wahrnehmen ...... 61 4.2.5.3 Berufsrichter und ehrenamtliche Richter ...... 61 4.2.5.4 Leitende Personen im Sport sowie Trainer und Betreuer von Mitgliedern der deutschen Nationalmannschaften ...... 61 4.2.5.5 Beiratsmitglieder der BStU und Beschäftigte in Aufarbeitungs- initiativen ...... 61 4.2.5.6 Sicherheits- und Zuverlässigkeitsüberprüfungen ...... 62 4.2.5.7 Rentenangelegenheiten ...... 62 4.2.5.8 Ordensangelegenheiten ...... 62

4.3 Anträge für die Forschung zum Zweck der politischen und historischen Aufarbeitung sowie für Zwecke der politischen Bildung sowie von Presse, Rundfunk und Film ...... 62 4.3.1 Ausgewählte Themenschwerpunkte ...... 63 4.3.1.1 Friedliche Revolution ...... 63 4.3.1.2 Westarbeit des MfS ...... 64 4.3.1.3 Justiz und Strafvollzug sowie Polizei ...... 65 4.3.1.4 Kinder und Jugendliche ...... 65 4.3.1.5 Sport ...... 66 – 4 –

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4.3.1.6 Grenzregime, Fluchten, Militär und Militärverbindungsmissionen 66 4.3.1.7 MfS ...... 67 4.3.1.8 Kirche und Religion ...... 68 4.3.1.9 Herrschaftsmechanismen in der DDR ...... 68 4.3.1.10 Medizin ...... 69 4.3.1.11 Wirtschaft ...... 69 4.3.1.12 Kultur und Kunst ...... 69 4.3.1.13 Wissenschaft ...... 70

4.4 Widersprüche gegen Entscheidungen der BStU ...... 70

4.5 Rechtsstreitigkeiten zum Stasi-Unterlagen-Gesetz ...... 71

5 Forschung und Publikationen ...... 73

5.1 Arbeit des Wissenschaftlichen Beratungsgremiums ...... 74

5.2 Forschungsprogramm ...... 74 5.2.1 Widerstand im Alltag – Alltag des Widerstandes ...... 74 5.2.2 Zusammenarbeit des MfS mit den Sicherheitsdiensten des Ostblocks zur Verhinderung von Flucht und Opposition/Westarbeit des MfS ...... 74 5.2.3 Das MfS und der KSZE-Prozess. Der Kampf der osteuropäischen Geheimdienste gegen Modernisierung und Globalisierung ...... 75 5.2.4 Herrschaft und Gesellschaft in der DDR-Provinz ...... 76 5.2.5 Die DDR im Blick der Stasi. Die geheimen Berichte an die SED- Führung. Edition und Analyse der Stimmungs- und Lage- berichte der Zentralen Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) des MfS ...... 76 5.2.6 Rechtsanwälte in der Ära Honecker ...... 77

5.3 Publikationen ...... 77 5.3.1 Monografien und Sammelbände ...... 77 5.3.1.1 Das MfS-Lexikon. Begriffe, Personen und Strukturen der Staatssicherheit der DDR ...... 77 5.3.1.2 Die DDR im Blick der Stasi. Die geheimen Berichte an die SED-Führung: 1976 und 1988 ...... 77 5.3.1.3 Militär und Staatssicherheit ...... 78 5.3.1.4 Stasi-Stadt und Mielkes Revier ...... 78 5.3.1.5 Geheimhaltung und Staatssicherheit. Zur Kartographie des Kalten Krieges...... 78 5.3.1.6 SED-Hilfe für West-Genossen. Die Arbeit der Abteilung Verkehr beim Zentralkomitee der SED im Spiegel der Überlieferung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (1946 bis 1976) . . . . . 78 5.3.2 Handbuch ...... 79 5.3.2.1 Die Staatssicherheit im letzten Jahrzehnt der DDR ...... 79 5.3.2.2 Hauptabteilung VII: Ministerium des Innern, Deutsche ...... 79 – 5 –

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5.3.2.3 Die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe ...... 79 5.3.2.4 Hauptabteilung III: Funkaufklärung und Funkabwehr ...... 79

5.4 Wissenschaftliche Tagungen ...... 80

5.4.1 Das Revolutionsjahr 1989. Die demokratische Revolution in Osteuropa als Zäsur der europäischen Geschichte ...... 80

5.4.2 Workshop „The Stasi and its Foreign Intelligence Service“ in Washington ...... 80

5.4.3 Historikertag vom 28. September bis 1. Oktober 2010 in Berlin . . 80

5.5 Bibliothek ...... 80

6 Bildungs-, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ...... 81

6.1 Die politische Bildungsarbeit der BStU ...... 81

6.1.1 Veranstaltungen ...... 81 6.1.1.1 Veranstaltungen der Zentralstelle ...... 81 6.1.1.2 Veranstaltungen der Außenstellen ...... 82

6.1.2 Informations- und Dokumentationszentren, Gedenkstätten, Ausstellungen ...... 84 6.1.2.1 Die Wanderausstellung der BStU ...... 84 6.1.2.2 Ausstellungsprojekte zu den Jahrestagen 2009 und 2010 ...... 84 6.1.2.3 Weitere Ausstellungen ...... 84 6.1.2.4 Informations- und Dokumentationszentren, Gedenkstätten ...... 86

6.1.3 Bildungsarbeit für junge Menschen und Multiplikatoren ...... 88 6.1.3.1 Zusammenarbeit mit Bildungsministerien ...... 88 6.1.3.2 Besondere Projekte in den Jahren 2009 und 2010 ...... 89 6.1.3.3 Projekttage und andere Veranstaltungen mit Schülerinnen und Schülern ...... 89 6.1.3.4 Weiterbildungen für Lehrkräfte und Multiplikatoren ...... 91 6.1.3.5 Betreuung von Facharbeiten ...... 92 6.1.3.6 Materialien ...... 92 6.1.3.7 Kooperationspartner ...... 93

6.2 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ...... 93

6.2.1 Pressearbeit ...... 93 6.2.2 Öffentlichkeitsarbeit ...... 94 6.2.2.1 Internet ...... 94 6.2.2.2 Seminare und Besuchsprogramme für Journalistinnen und Journalisten ...... 94 6.2.2.3 Weitere Angebote ...... 95 6.2.2.4 Broschüren und Informationsmaterialien ...... 95 – 6 –

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7 Internationalisierung der Aufarbeitung ...... 96 7.1 Die Arbeit des Netzwerkes 2009/2010 ...... 96 7.1.1 Bilaterale Kooperationen innerhalb des Netzwerkes ...... 97 7.2 Weitere internationale Kontakte ...... 98

Anhang ...... 105 – 7 –

20 Jahre Deutsche Einheit – 20 Jahre gen, neue Karrieren zu starten oder in der Politik zu Aufarbeitung der SED-Diktatur reüssieren. Selten kommt es vor, dass sich jemand öffent- lich wahrnehmbar zu seinen Verfehlungen bekennt oder Der vorliegende Tätigkeitsbericht ist einem Zeitraum ge- um Verzeihung bittet. Besorgniserregend sind auch man- widmet, der im Zeichen der Erinnerung an 20 Jahre zurück- che Befragungen, die nicht nur einen weit verbreiteten liegende Ereignisse stand: Die Freiheitsrevolution in der Mangel an Wissen über die SED-Diktatur offenbaren, son- DDR, der Mauerfall und der Weg in die deutsche Einheit dern auch eine Verharmlosung der Diktatur bezeugen – waren deshalb Gegenstand zahlreicher Veranstaltungen und ebenso wie eine mangelnde Wertschätzung demokrati- Publikationen, an denen die Stasi-Unterlagen-Behörde scher Verfahren und Institutionen. (BStU) lebhaften Anteil hatte – dazu wird im nachfolgen- den Tätigkeitsbericht, der den Zeitraum von April 2009 bis Die unterschiedlichen Sichten auf den Umgang mit der Dezember 2010 umfasst, mehr zu lesen sein. DDR-Vergangenheit werden 20 Jahre nach dem Ende der Diktatur stärker diskutiert denn je. Während die einen Die Erinnerungen an diese zurückliegenden Ereignisse eine durchweg negative Bilanz ziehen, ja, die Aufarbei- waren aber auch Anlass für mancherlei Bilanzen – so für tung sogar als gescheitert bezeichnen, präsentieren sie an- die Frage, wie die Bemühungen um die Aufarbeitung der dere als erfolgreich und modellhaft. Die jüngst vom Bran- SED-Diktatur in zwei Jahrzehnten zu bewerten sind. Die- denburger Landtag eingesetzte Enquete-Kommission ses Thema steht im Mittelpunkt der nachfolgenden Aus- „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Fol- führungen. gen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demo- Wie weit sind wir mit der Aufarbeitung der SED-Dikta- kratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg“ hat die tur? – Eine Frage, die 20 Jahre nach dem Ende der DDR Aufgabe, den Transformationsprozess in Brandenburg so verständlich wie schwer zu beantworten ist. Je nach und damit auch die Frage nach dem Umgang mit der Ver- Perspektive fällt die Bilanz höchst verschieden aus. gangenheit zu untersuchen. Für die Ergebnisse werden sich nicht nur die Brandenburger interessieren: Die Auf- Einerseits lassen sich beachtliche Erfolge benennen: Die arbeitung der Aufarbeitung hat begonnen. Aufarbeitung der zweiten Diktatur in Deutschland ist ge- sellschaftlich akzeptiert und wird politisch unterstützt. Eine „Aufarbeitung der Aufarbeitung“ im umfassenden Eine Vielfalt von Institutionen, Vereinen, Initiativen und Sinne beschränkt sich nicht auf die Rekonstruktion von Gedenkstätten widmet sich der Aufarbeitung der SED- Debatten und Entscheidungen, sie bewertet auch. Es liegt Diktatur. Die Archive wurden weitgehend vor der Ver- in der Natur der Sache, dass solche Bewertungen subjek- nichtung gerettet und sind zugänglich. Zahlreiche Publi- tiv, manchmal interessengeleitet erfolgen. Leider dienen kationen belegen einen beeindruckenden Forschungs- sie zu oft auch als Instrument in parteipolitischen Kämp- stand. Viele Opfer wurden rehabilitiert und entschädigt. fen. Millionenfach wurden Beschäftigte im öffentlichen Mit diesem Problem sind die Deutschen nicht allein. Die Dienst auf frühere Tätigkeit für das MfS überprüft. Ob Frage, was Menschen, was Gesellschaften nach dem Politik, Wirtschaft, Kirchen oder andere gesellschaftliche Ende einer Diktatur brauchen, ist zunehmend Gegenstand Bereiche, zumindest gilt für die Spitzenfunktionen eine auch des internationalen Diskurses. Dabei zeigt sich, dass kompromittierende Vergangenheit als skandalös. Durch ethische, kulturelle und politische Standards von großer die Medien wurden wichtige öffentliche Debatten ange- Bedeutung sind. Begriffe wie Menschenrechte, Versöh- schoben – entgegen weit verbreiteter Meinungen keines- nung, Wahrheit, aber auch Schuld, Gewalt oder Vergel- wegs nur zu Stasi-Belastungen. DDR-Themen haben Ein- tung werden unterschiedlich interpretiert und nicht selten gang in die Kunst gefunden – Filmemacher, Autoren und werden Menschenrechtsverletzungen oder der Verzicht bildende Künstler tragen in erheblichem Maße zur Erin- auf deren Bestrafung mit dem Argument verteidigt, dass nerungskultur bei. Mit der Stasi-Unterlagen-Behörde, der es in anderen Ländern eben ein anderes Verständnis da- Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und von gäbe als in Deutschland oder in Europa. zahlreichen gesetzlichen Regelungen hat Deutschland in- ternational Maßstäbe für den Umgang mit diktatorischer Auch der Rückblick auf 20 Jahre Aufarbeitung der SED- Vergangenheit gesetzt. Diktatur erfolgt nicht neutral, sondern geht von bestimm- ten Prämissen aus. Wer Wahrheit und Gerechtigkeit als Dieser stattlichen Bilanz stehen beunruhigende Befunde grundlegende Werte anerkennt, bewertet die 20-jährige und Entwicklungen gegenüber: Opfer wurden zwar ent- Aufarbeitung der SED-Diktatur anders als jene, die um schädigt. Viele von ihnen, insbesondere jene, deren Ge- einer falsch verstandenen Versöhnung willen den Mantel sundheitszustand durch Haft und Verfolgung beeinträch- des Schweigens über Gewalt und Unrecht breiten und tigt ist oder denen eine berufliche Entwicklung versagt Verantwortung nicht benennen wollen. blieb, leben heute aber in prekären Verhältnissen. Als be- sonders bitter wird dies angesichts der Tatsache empfun- Überhaupt scheint Versöhnung das Zauberwort zu sein, den, dass sich ihre früheren Peiniger ansehnlicher Ruhe- wenn die Auseinandersetzung mit verübtem Unrecht und standsbezüge erfreuen. Als ungerecht wird auch erlebt, der Schmerz der Erinnerung lästig werden. Um der Ver- dass sich von jenen, die früher als Stasi-Offiziere, Rich- söhnung willen müsse es 20 Jahre nach dem Ende der ter, Parteifunktionäre oder Heimerzieher Teil des Unter- SED-Diktatur doch genug sein mit dem Aufrechnen und drückungssystems waren, kaum jemand vor Gericht zu dem Streiten. Um der Versöhnung willen dürfe die Partei, verantworten hatte. Nicht wenigen von ihnen ist es gelun- die als SED verantwortlich für das Diktaturunrecht war, – 8 – wieder Macht ausüben. Um der Versöhnung willen dürfe Auch die Öffnung der Archive (nicht nur) des Staats- man denjenigen, die die Diktatur unterstützt haben, dies sicherheitsdienstes, viele Gedenkstätten und Lernorte zur nicht länger vorhalten. Abgesehen davon, dass der immer SED-Diktatur und nicht zuletzt die vom verab- wieder bemühte „Schlussstrich“ nicht funktioniert, weil schiedeten Gesetze zur Rehabilitierung und zur soge- Menschen sich das Nachfragen und Diskutieren nicht ver- nannten Opferrente verdanken sich überwiegend dem ent- bieten lassen, offenbaren solche Vorstöße die Unkenntnis schiedenen Handeln der Ostdeutschen, insbesondere der dessen, was Versöhnung meint und was sie zur Vorausset- Bürgerbewegung. Teilweise mussten sie dem Westen re- zung hat. Freilich können politische, kulturelle und vor gelrecht abgetrotzt werden. Trotz anfänglicher Zurück- allem rechtliche Rahmenbedingungen die Bereitschaft haltung insbesondere der damaligen Bundesregierung zur Versöhnung fördern. Versöhnung ereignet sich aber kann sich das Bemühen um Aufarbeitung seit den 1990er- letztlich zwischen Menschen und nicht durch politische Jahren auf politische Mehrheiten stützen, die bis heute Entscheidungen. Maßstab für alle Bemühungen um Ver- stabil sind. Die bisherigen Bundestage und Bundesregie- söhnung muss sein, was den Opfern und den ehemals rungen haben bislang nie einen Zweifel daran gelassen, Benachteiligten dazu verhelfen kann, ihren Frieden wie- dass sie die Aufarbeitung der SED-Diktatur unterstützen. derzufinden – und nicht das Ruhebedürfnis der Mehr- heitsgesellschaft. Dass Versöhnung Wahrheit und Wahr- Es spricht einiges dafür, dass diese frühen Entscheidun- haftigkeit im Umgang mit der Vergangenheit voraussetzt, gen mit den Lehren aus der Nachkriegszeit zu tun haben. versteht sich von selbst: Das Geheimnis der Versöhnung, Viele Deutsche, darunter nicht wenige heutige Entschei- so Elie Wiesel, ist Erinnerung. dungsträger, haben unter Schmerzen gelernt, dass es bes- ser ist, sich zu erinnern, als Leid und Unrecht zu ver- Erinnern statt Verdrängen. Aufklären statt Beschönigen. schweigen und zuzudecken. Nicht noch einmal sollten die Reden statt Schweigen. Die Institutionen und Vereine, die Opfer jahrzehntelang auf ihre Genugtuung warten, nicht sich der Aufarbeitung der SED-Diktatur widmen, gehen noch einmal sollten die früheren Eliten ihre Karriere un- wie die entsprechenden vom Bundestag verabschiedeten gehindert fortsetzen können. Möglicherweise war es das Gesetze zumeist auf das bürgerschaftliche Engagement Aufeinandertreffen dieser Lehren und der ostdeutschen der Ostdeutschen zurück und fanden dann entschiedene Aufarbeitungsinitiativen, das es möglich machte, die no- Unterstützung durch Parlamente und Regierungen. torischen gesellschaftlichen und politischen Widerstände zu überwinden, auf die Aufarbeitungsbemühungen nach Ein herausragendes Beispiel dafür sind die Enquete- dem Ende von Diktaturen regelmäßig treffen. Trotz vieler Kommissionen der 1990er-Jahre. Der erste gesamtdeut- beklagenswerter Defizite und Umstände lässt sich – nicht sche Bundestag beschloss auf Initiative vor allem von zuletzt im internationalen Vergleich – heute feststellen, ostdeutschen Abgeordneten am 12. März 1992 die Bil- dass die Deutschen sich gegen das Beschweigen und Ver- dung einer Enquete-Kommission „Zur Aufarbeitung von gessen entschieden haben. Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutsch- land“. In seiner letzten großen Rede im Bundestag Aber der Umgang mit der SED-Diktatur und ihren Folgen mahnte der frühere Bundeskanzler Willy Brandt, die war von Anfang an auch umstritten und ist es bis heute. Enquete-Kommission dürfe im Zusammenwachsen von Es gab und gibt Widerstände dagegen, keineswegs nur Ost und West nicht den „Mantel des Verschweigens über von Akteuren und Profiteuren des DDR-Systems. Und gravierendes Unrecht“ breiten. Aufklärung und Aufarbei- manche Fehlentwicklung, die uns heute zu schaffen tung der Geschichte seien „eine gesamtdeutsche Aufgabe macht, geht auf falsche Einschätzungen oder handfeste und Beitrag zur Versöhnung“. Der Bericht der ersten Interessenpolitik der ersten Monate und Jahre zurück. Kommission umfasste rund 300 Seiten sowie Protokolle Der friedliche Abschied von der Diktatur hatte seinen und Expertisen mit einem Umfang von rund 15 000 Sei- Preis. Ein Verbot der SED wurde nie ernsthaft erwogen. ten – ein bis heute unverzichtbares Reservoir von Fakten Für Obristen der Staatssicherheit wurde eine grundsätzli- und Reflexionen, das im Übrigen die Auffassung wider- che Straffreiheit gewährt. Unter dem Schutz der Modrow- legt, die Aufarbeitung hätte sich von Beginn an einseitig Regierung und während der mühseligen Konsenssuche auf das Stasi-Thema konzentriert. Am 17. Juni 1994 am Runden Tisch hatten die früheren Machthaber und wurde der Bericht der Kommission vom Bundestag bera- viele ihrer Protagonisten reichlich Zeit, ihre Schäfchen ten und von allen Fraktionen – mit Ausnahme der PDS – ins Trockene zu bringen. Man versorgte einander mit begrüßt. Finanzmitteln, mit Immobilien oder auch Anwaltszulas- sungen. Eine zweite Kommission wurde eingesetzt und legte ih- ren Bericht am 8. Oktober 1997 vor. Zugleich wurde die Auch manche Bundespolitiker hielten es für schädlich, Gründung einer bundeseigenen Stiftung beschlossen, die sich allzu intensiv mit der Vergangenheit zu beschäftigen. langfristig die Auseinandersetzung mit der Geschichte Der Blick zurück, so hieß es, würde die Gesellschaft spal- und den Folgen der SED-Diktatur fördern solle. Im No- ten, den inneren Frieden gefährden und unnötig viel Ener- vember 1998 nahm die „Stiftung zur Aufarbeitung der gie, die für den Aufbau im Osten nötig wäre, binden. Der SED-Diktatur“ ihre Arbeit auf. Sie fördert und berät Auf- Einigungsvertrag sah weder eine Öffnung der Stasi- arbeitungsprojekte, sichert und sammelt Materialien und Unterlagen noch eine konsequente personelle Erneuerung Dokumente, publiziert, organisiert Veranstaltungen und im öffentlichen Dienst vor. Einzig für ehemalige Stasi- leistet dauerhaft einen wesentlichen Beitrag zur Aufarbei- Mitarbeiter gab es ein Sonderkündigungsrecht. Bund und tung der SED-Diktatur. neue Länder übernahmen großzügig Personal aus der – 9 –

DDR-Administration in die neuen Verwaltungen. Straf- versuchs in Europa, der Sowjetunion, China, Kambod- verfolgung für DDR-Unrecht durfte nur nach der jeweils scha, Nordkorea oder Kuba gehen, werden ignoriert, milderen Rechtsordnung von Bundesrepublik oder DDR Vergleiche mit der nationalsozialistischen Schreckens- erfolgen. In der Konsequenz hatten sich – soweit noch herrschaft in Europa als Versuch zurückgewiesen, deren Beweise vorhanden waren – Westspione des MfS vor Ge- Gräuel zu relativieren. Die Angst vor einer Relativierung richt zu verantworten, aber niemals ein Stasi-Offizier für des Nationalsozialismus ist ein fatales Bündnis mit immer die durch ihn begangenen Menschenrechtsverletzungen. noch virulenten kommunistischen Erlösungsideen einge- Die großen Verlage wetteiferten darum, die auflagenstar- gangen. ken Bezirksorgane der SED aufzukaufen, setzten neue Die Erinnerungen an die nationalsozialistische und die Chefredaktionen ein und arbeiteten ansonsten ungerührt kommunistische Herrschaft stehen in Deutschland in ei- mit den früheren SED-Redakteuren zusammen. Die klei- nem manchmal schmerzhaften Spannungszustand zuein- neren Blockparteien wurden von CDU und FDP aufgeso- ander. Die Befürchtung, die Gräuel der NS-Zeit würden gen und waren damit der Verpflichtung entledigt, sich zu relativiert, spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Krän- ihrer Mitverantwortung für die Diktatur zu bekennen. Die kung der SED-Opfer, ihre Leiden würden vor dem Hin- Gründer der ostdeutschen SPD konnten nur mit Mühe tergrund der NS-Verbrechen nicht wahrgenommen. dem Druck ihrer westdeutschen Genossen widerstehen, die von ihnen forderten, die Türen der Kreisverbände Dies ist keineswegs ein rein ostdeutsches Problem, auch weit für frühere SED-Mitglieder zu öffnen – wo diese na- wenn die Konkurrenz der beiden Erinnerungswelten dort türlich sofort die Mehrheit gebildet hätten. besonders aufeinandertrifft, beispielsweise in jenen frühe- ren Gefängnissen und Lagern, die nacheinander von den Für manche Menschen scheint die DDR im Rückblick Nationalsozialisten und den Kommunisten benutzt wur- immer schöner zu werden. Vor dem Hintergrund persönli- den. Auch viele westdeutsche Intellektuelle misstrauen cher Erinnerungen wird ein menschenfreundliches, der Aufarbeitung der SED-Diktatur. Sie, deren politische gerechtes und friedliches Land fantasiert, das es nie gege- Sozialisation eng mit der Aufarbeitung des Nationalsozia- ben hat. Die Schicksale derer, deren Freiheit einge- lismus verknüpft war, sehen in ihr geradezu eine Bedro- schränkt wurde, die diskriminiert und benachteiligt wur- hung ihrer Identität, erst recht, wenn sie sich den Vorwurf den, weil sie sich dagegen wehrten, werden nicht gefallen lassen müssen, jahrzehntelang auf dem linken wahrgenommen oder als Randphänomen betrachtet. Die Auge blind gewesen zu sein. alltäglichen Zumutungen der Diktatur werden von vielen Menschen nicht mehr als solche empfunden. Es ist also keine Frage der ost- oder westdeutschen Her- kunft, die die Haltung zur DDR bestimmt. Schließlich Das ist erstaunlich. Immerhin hatten doch die SED und standen sich auch in der Revolution von 1989 nicht Ost ihr Kettenhund „Stasi“ – für alle sichtbar – dafür gesorgt, und West gegenüber, sondern Menschen, die die Freiheit dass es kein Recht auf Informationsfreiheit, Versamm- wollten und jene, die sie fürchteten. Der Blick auf das ge- lungsfreiheit oder Meinungsfreiheit gab. teilte Deutschland und auf die DDR ist nicht nur von den Aber wo der Freiheitswille verkümmert oder von Resig- eigenen Lebenserfahrungen abhängig, sondern vor allem nation und Angst überlagert ist, werden die Grenzen ver- davon, welchen Rang Freiheit, Demokratie und Rechts- drängt: Wer sich nicht bewegt, spürt keine Ketten. staatlichkeit in der persönlichen Wertehierarchie eines Menschen einnehmen. Zunehmend versuchen frühere MfS-Mitarbeiter heute öffentlich, ihre frühere Tätigkeit als rechtskonform und Wer heute den Finger in die Wunde legt und nicht nur die als normale Geheimdiensttätigkeit zum Schutz der Bür- wirtschaftlichen, sondern auch die gesellschaftlichen ger darzustellen. Die Zahl entsprechender Buchvorstel- Schäden benennt, die das jahrzehntelange Verharren in lungen, Talkshowauftritte und ähnlicher Aktionen ist Unfreiheit zur Folge hat, bekommt es mit wütenden Re- groß und erfährt gelegentlich auch Unterstützung durch aktionen zu tun. Schnell ist von arroganter und ignoranter Politiker der Linken. So übersandte die innenpolitische – zumeist westlicher – Besserwisserei die Rede, von An- Sprecherin der Fraktion Die Linke im Deutschen Bun- griffen auf die Lebensleistungen der Ostdeutschen und destag, Ulla Jelpke, zur jährlichen Tagung ehemaliger von Demütigungen. Mitarbeiter der DDR-Auslandsaufklärung im Mai 2010 Das Verhältnis zu Freiheit und Demokratie begründete im ein Grußwort, in dem sie deren „mutigen Einsatz für den geteilten Deutschland Kontroversen und unterschiedliche Frieden“ würdigt und beklagt, dass „Viele von Euch … Wertungen – quer zur Demarkationslinie. Bis heute nach dem Ende der DDR mit Gefängnis bestraft“ wor- scheint dies die wahre Mauer in den Köpfen zu sein – und den seien. diese Mauer wird uns länger zu schaffen machen als jeder Ost-West-Konflikt. „Man kann eine Weile ohne Einheit Von größerer Bedeutung als diese zahlenmäßig begrenz- sein, unerträglich aber ist ein Dasein ohne Freiheit“ – so ten Zirkel alter Männer dürften gesellschaftliche Strö- Walter Dirks. mungen und Äußerungen aktiver Politiker sein, die nach wie vor den Kommunismus im Allgemeinen und die Die Konkurrenz zwischen dem Erinnern an den National- DDR im Besonderen als den legitimen, wenn auch fehler- sozialismus und an den Kommunismus zeigt unter ande- behafteten Versuch sehen, eine humanere Gesellschaft rem, dass es in den zurückliegenden 20 Jahren zumindest aufzubauen. Die Millionen Toten, Vertriebenen, Entrech- in Deutschland nicht gelungen ist, eine angemessene Hal- teten und Eingekerkerten, die auf das Konto dieses Groß- tung gegenüber beiden totalitären Katastrophen des – 10 –

20. Jahrhunderts zu entwickeln. Das ist bedenklich, denn besetzten auf Initiative der Bürgerbewegung Menschen solange eine Gesellschaft nicht fähig ist, die Folgen tota- die Dienststellen des MfS, um dem Treiben des Staats- litären Denkens und diktatorischer Systeme wahrzuneh- sicherheitsdienstes ein Ende zu bereiten und die Vernich- men, wird sie, besonders in unsicheren Zeiten, anfällig tung der Akten zu stoppen. Die erste frei gewählte Volks- dafür bleiben. kammer der DDR beschloss, die Akten zu öffnen, und in einer zweiten Besetzung der Stasi-Zentrale im September In einer Bilanz der Aufarbeitung über zwei Jahrzehnte 1990 setzte die Bürgerbewegung durch, dass die Akten darf die internationale Dimension nicht fehlen. So, wie auch im vereinten Deutschland zugänglich bleiben wür- der Westen noch um einiges davon entfernt ist, die DDR den. als Teil deutscher Geschichte anzusehen, scheint auch die Geschichte der ehemals kommunistisch beherrschten Doch die BStU ist nicht nur Kind der Bürgerbewegung, Länder Mittel- und Osteuropas von Paris, Stockholm oder sondern auch des in der Bundesrepublik gewachsenen Rom aus gesehen noch nicht zum europäischen Ge- Rechtsstaats. Dieser Verbindung ist es zu verdanken, dass schichtsbild zu gehören. trotz des liberalen Aktenzugangs die Persönlichkeits- Als Jorge Semprún als ehemaliger Häftling des KZ Bu- rechte Betroffener strikt gewahrt bleiben und dass die chenwald in eine Rede anlässlich des 60. Jahres- Stasi-Unterlagen-Behörde vor politischen Eingriffen ge- tags der Befreiung der Konzentrationslager hielt, sprach schützt, materiell und rechtlich abgesichert ist und der er dieses Problem an: parlamentarischen Kontrolle unterliegt. „Der kürzlich erfolgte Beitritt von zehn neuen Ländern Für die Korrektur einiger fataler Fehlentscheidungen war aus Mittel- und Osteuropa – dem anderen Europa, das im es zum Zeitpunkt der Gesetzgebung allerdings schon zu sowjetischen Totalitarismus gefangen war – kann kultu- spät: Im Februar 1990 zum Beispiel beschloss der Runde rell und existentiell erst dann wirksam erfolgen, wenn wir Tisch die Vernichtung der magnetischen Datenträger des unsere Erinnerungen miteinander geteilt und vereinigt ha- MfS, die personenbezogene Dateien enthielten. Angeb- ben werden. Hoffen wir, dass bei der nächsten Gedenk- lich seien alle Daten in Papierform noch einmal vorhan- feier in zehn Jahren, 2015, die Erfahrung des in un- den, hieß es. Dies war falsch. Der Datenverlust ist groß ser kollektives europäisches Gedächtnis eingegliedert und bis heute nicht genau abzuschätzen. worden ist. Hoffen wir, dass neben die Bücher von Primo Das Hauptbedenken gegen die Öffnung der Stasi-Unterla- Levi, Imre Kertész oder David Rousset auch die ‚Erzäh- gen war die Vermutung, sie würde das gesellschaftliche lungen aus Kolyma‘ von Warlam Schalamow gerückt Klima dauerhaft vergiften. Diejenigen, die Details über wurden. Das würde zum einen bedeuten, dass wir nicht ihre Bespitzelung und die Namen derjenigen erführen, die länger halbseitig gelähmt wären, zum anderen aber, dass Informationen über sie weitergegeben hätten, würden in Russland einen entscheidenden Schritt auf dem Weg in ihrer Wut zu äußersten Mitteln greifen. Das hinter dieser die Demokratisierung getan hätte.“ Befürchtung stehende Bild von unreifen Bürgerinnen und Die zehn Jahre, von denen Semprún sprach, sind zur Bürgern, die mit schmerzhaften Erkenntnissen nicht um- Hälfte um. Wenn seine Vision Wirklichkeit werden soll, gehen können, wurde in der Praxis widerlegt: Es sind muss noch viel passieren. Aber immerhin hat die Debatte keine Fälle bekannt, in denen Opfer nach der Lektüre der über die kommunistische Vergangenheit inzwischen die Unterlagen ihren Verrätern an den Kragen gingen. europäische Ebene erreicht. Die mit der Hinterlassen- schaft der Geheimpolizeien befassten Aufarbeitungsinsti- Obwohl die Einsicht in die eigene Akte schwierig und tutionen mehrerer Länder haben sich zu einem Netzwerk schmerzlich ist, hat eine beeindruckende Zahl von Men- zusammengeschlossen, mehrere Anhörungen auf euro- schen diesen Schritt getan: Inzwischen haben mehr als päischer Ebene widmeten sich den kommunistischen Ver- 1,7 Millionen Menschen einen Antrag auf Akteneinsicht brechen in Europa, die Zahl internationaler Veranstaltun- gestellt. gen, Tagungen und Publikationen zum selben Thema hat Akteneinsichten sind ein sehr persönlicher Vorgang, sind zugenommen und schließlich hat das Europäische Parla- Teil einer individuellen Verarbeitung der Vergangenheit. ment im April 2009 den bevorstehenden 70. Jahrestag des Nicht selten wird diese Auseinandersetzung als Wieder- Hitler-Stalin-Paktes zum Anlass genommen, in einer Ent- aneignung der eigenen Geschichte und als befreiend er- schließung die Auseinandersetzung mit dem Kommunis- lebt. Insbesondere die Opfer von Verfolgung und Zerset- mus einzufordern und vorgeschlagen, den 23. August zu zung erhalten endlich Gewissheit darüber, was ihnen einem europäischen Gedenktag zu machen. widerfahren ist. Freilich tut es weh, vom Verrat durch na- Immerhin also scheint nach 20 Jahren ein Anfang ge- hestehende Menschen zu erfahren. Dennoch scheint diese macht worden zu sein. Gewissheit auf die Dauer erträglicher zu sein als Unsi- cherheit oder Verdächtigungen. Die Akteneinsicht been- In Deutschland, aber auch international, hat besonders det oft das diffuse Misstrauen, das eine Begleiterschei- eine Institution viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen: nung des Lebens in der Diktatur ist. die Stasi-Unterlagen-Behörde oder präzise „Die Bundes- beauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdiens- Über die individuelle Wirkung hinaus haben diese Ein- tes der ehemaligen DDR“. Auch ihr Zustandekommen sichtnahmen eine gesellschaftliche Relevanz: Es hat sich verdankt sich bürgerschaftlichem Engagement: Noch in herumgesprochen, dass die Verbrechen des MfS offenbar den ersten Monaten der Revolution, im Winter 1989/90, werden, dass die Täter beim Namen genannt werden und – 11 – jedermann das Recht hat zu erfahren, wie der Staats- dergleichen in den alten Bundesländern nicht. Von beson- sicherheitsdienst in sein Leben eingriff. derer Bedeutung sind deshalb die Bemühungen, DDR- Themen auch dort anzubieten, wo es keine „Aufarbei- Was auch immer sich über den Einzelnen in den Archiven tungs-Infrastruktur“ gibt. In diesem Zusammenhang findet – mehrere Bände oder nur eine Karteikarte – allein spielt die Wanderausstellung der BStU „Feind ist, wer an- die Entscheidung, einen Antrag zu stellen, gehört zum ders denkt“, die vor allem in westdeutschen Großstädten Prozess der Aufarbeitung. Die erfolgte Akteneinsicht ist gezeigt wird, eine wichtige Rolle, ebenso wie die zahlrei- wiederum ein Impuls, das Gelesene und die dabei erleb- chen Kooperationen, die es mittlerweile mit Landeszen- ten Gefühle anderen mitzuteilen und damit zu verarbei- tralen für politische Bildung und anderen Bildungsträgern ten. gibt. Schon im Vorfeld der ersten freien Volkskammerwahl Die Anzahl von Anträgen externer Forscher und von Me- wurden Forderungen laut, politische Amtsträger, Abge- dienvertretern bei der BStU steigt von Jahr zu Jahr, insbe- ordnete und das Personal im öffentlichen Dienst zu über- sondere im Zusammenhang wichtiger Jahrestage wie dem prüfen. Die Überprüfung verdeutliche den klaren Schnitt 50. Jahrestag des Volksaufstandes 1953 oder dem 20. Jah- mit der Vergangenheit, hieß es. Außerdem sei gewährleis- restag der Revolution von 1989. tet, dass Amtsträger nicht durch Anschuldigungen er- pressbar seien, weil sie nachweisen könnten, dass sie un- Nicht unerwähnt sollen Romane und Erzählungen, Filme belastet seien. und Theaterstücke bleiben, die sich mit künstlerischen Mitteln dem Thema DDR widmen. Interessanterweise Diese Argumentation setzte sich durch, das Gesetz sah machten zuerst Bücher und Filme von sich reden, die die zunächst für einen Zeitraum von 15 Jahren die Möglich- DDR ins Lächerliche zogen. Inzwischen ist diese Mode keit der Überprüfung von Mitarbeitern im öffentlichen einer eher ernsthaften Beschäftigung gewichen. Dienst und von politischen Funktionsträgern vor. Der vor 20 Jahren durchaus umstrittenen Entscheidung, Seitdem wurden im Zusammenhang von Überprüfungen die Akten der Geheimpolizei der DDR – und andere im öffentlichen Dienst rund 1,75 Millionen Ersuchen be- wichtige Quellen – zu öffnen, sind wesentliche Beiträge arbeitet, fast ausschließlich aus den neuen Bundeslän- zur Erinnerungskultur im vereinten Deutschland zu ver- dern. Schwierigkeiten entstanden oft, wenn die Befunde danken: Die intellektuelle Auseinandersetzung mit der aus den Akten interpretiert werden mussten und es darum SED-Diktatur wurde gefördert, der Repressionsapparat, ging, rechtliche und moralische Maßstäbe für den Um- seine Mechanismen und Wirkungsweisen wurden trans- gang mit belasteten Mitarbeitern zu entwickeln. Alles in parent, unzählige Opfer wurden in die Lage versetzt, ihr allem lässt sich sagen, dass in den allermeisten Fällen Leben zu rekonstruieren und sich ihr Recht zurückzuho- sorgfältige Einzelfallprüfungen erfolgt sind – eine Not- len. Die Täter wurden delegitimiert, ihre Legenden wider- wendigkeit, auf die die Behörde bei allen sich bietenden legt. Für Bildung und Kunst stehen wertvolle Quellen zur Gelegenheiten hinweist. Verfügung, die die Empathie mit den Opfern ermöglichen Rund 280 000 Menschen standen 1989 hauptamtlich oder und dazu dienen, Maßstäbe für integeres Verhalten zu inoffiziell im Dienst des MfS. Das ist viel für ein so klei- entwickeln und Unrecht zu benennen. nes Land. Aber diese Zahl – knapp 2 Prozent der Bevöl- Der Aufarbeitungsdiskurs in Deutschland hat sich in die- kerung – zeigt zugleich, dass die DDR kein Volk von ser Zeit verändert. Die serienweisen spektakulären Ent- Spitzeln und Verrätern war. hüllungen sind vorbei. Die Beschäftigung mit der DDR Für die wissenschaftliche Aufarbeitung der SED-Diktatur ist Teil eines selbstverständlichen Diskurses geworden. sind die Akten des MfS unverzichtbar: Sie geben nicht Dem entspricht eine stärkere Regionalisierung der Aufar- nur Auskunft über seine Arbeitsweise, sondern erlauben beitung, die Aufmerksamkeit für einzelne Schicksale und Erkenntnisse zu den allgemeinen Machtstrukturen der zunehmend auch die Frage nach der Wiedereingliederung DDR und nahezu allen Bereichen des Lebens. und Bewährung ehemaliger Täter. Immer wieder neue Themen beschäftigen die Öffentlichkeit und wollen auch Die wissenschaftliche Aufarbeitung und die Unterrich- künftig erforscht werden – jüngste Beispiele dafür sind tung der Öffentlichkeit über die Forschungsergebnisse das Heimerziehungssystem der DDR und die an Kindern waren dem Gesetzgeber so wichtig, dass er beides als und Jugendlichen verübten Menschenrechtsverletzungen Aufgaben der Behörde definiert hat. Mit einer großen An- in Jugendwerkhöfen. zahl von Veröffentlichungen, Tagungen, Ausstellungen und Veranstaltungen nimmt die Behörde diese Aufgabe Die Stasi-Unterlagen-Behörde hat seit ihrer Gründung wahr. Besonderes Augenmerk wurde dabei in den vergan- dazu beigetragen, dass die Auseinandersetzung mit der genen Jahren der historisch-politischen Bildungsarbeit DDR-Vergangenheit selbstverständlich zum Kanon ge- mit Schulen zuteil. sellschaftlich relevanter Themen gehört. Wie weit sie mit ihrem Wirken zu einer demokratischen, freiheitlichen Dieser Bildungsauftrag der Behörde gilt bundesweit – Kultur und zur Sensibilisierung der Menschen für totali- und ist mit einem nicht zu unterschätzenden Problem ver- täre Gefährdungen beigetragen hat, kann erst die Zukunft knüpft: Während es in den ostdeutschen Ländern mit den zeigen. Außenstellen der BStU, den Landesbeauftragten, den Ge- denkstätten und den privaten Aufarbeitungsinitiativen Zweifellos werden die Akten auch künftig eine der wich- zahlreiche Anlaufpunkte für Interessierte gibt, existiert tigsten Quellen für die DDR-Forschung sein, weit über – 12 –

MfS-Themen im engeren Sinne hinaus. Und dass sich der von Aufständen im Juni 1953 in der DDR wurde erst Bildungs- und Aufarbeitungsauftrag der Behörde noch 2003, anlässlich des 50. Jahrestages dieser Ereignisse, ins lange nicht erledigt hat, bedarf keiner ausführlichen Be- allgemeine Bewusstsein gerückt. gründung. Die BStU hat mit ihren spezifischen Möglichkeiten die Es ist deshalb von großer Bedeutung, dass das Gedenk- im Berichtszeitraum relevanten Jubiläen auf vielfältige stättenkonzept der Bundesregierung, das sich der Deut- Weise thematisiert. In zahlreichen Veranstaltungen und sche Bundestag zu eigen gemacht hat, die Bedeutung der mit Angeboten ganz unterschiedlicher Dimensionen Arbeit der Stasi-Unterlagen-Behörde betont. – von der wissenschaftlichen Tagung bis hin zu einem Spray-Wettbewerb – hat sie das Thema aufgegriffen und Im Berichtszeitraum hat sich die Mehrheit der Abgeord- ist auf reges Interesse gestoßen. neten des Deutschen Bundestages darauf verständigt, dass die BStU in ihrer derzeitigen Organisationsform Das große öffentliche Interesse zeigte sich auch in einem noch bis mindestens 2019 bestehen bleiben solle. Dies deutlichen Anstieg der Besuche von Journalisten und unterstrich Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lam- Fernsehteams sowie Besuchergruppen in der Behörde – mert noch einmal in seiner Festrede bei der Gedenkveran- letztere erreichten allein schon im Archiv der Zentral- staltung der BStU am 1. Oktober 2010, die an die Ausein- stelle mit 296 im Jahr 2009 einen Rekord. Im Berliner andersetzungen um die Öffnung der Stasi-Akten vor Büro der Bürgerberatung haben sich die Anfragen im Be- 20 Jahren erinnerte. Solange es Opfer des Staatssicher- richtszeitraum nahezu verdoppelt. Ähnliches ist von den heitsdienstes und Täter gebe, „muss es den Anspruch auf im Jahr 2009 gestellten über 1 000 Anträgen aus dem Be- Aufarbeitung geben“, sagte Lammert. Deshalb sei es reich Forschung und politische Bildung (Zunahme von wichtig, dass die Arbeit der BStU „bis 2019 im Wesentli- rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr) und fast chen in den gegebenen Strukturen“ erfolge. 900 Anträgen von Medien im gleichen Jahr (Zunahme um rund 50 Prozent) zu berichten. Entgegen allen Pro- Mit diesen politischen Vorgaben hat die Behörde den Pla- gnosen gleichbleibend hoch ist die Zahl der Anträge auf nungs- und Handlungsspielraum, der für die Erfüllung ih- persönliche Akteneinsicht, die sich seit einem halben rer Aufgaben in den nächsten Jahren von großer Bedeu- Jahrzehnt im Durchschnitt auf 90 000 bis 95 000 Anträge tung ist. pro Jahr beläuft. Im Jahr 2009 stellten über 102 000 Bür- gerinnen und Bürger im Rahmen der Akteneinsicht An- 1 Wichtige Aspekte für die Arbeit träge an die BStU, damit stieg die Nachfrage im Vergleich der Behörde zum Vorjahr um 15 000 Anträge. Im Jahr 2010 erreichten 1.1 20 Jahre Friedliche Revolution die Behörde über 87 000 Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern. Zum 20. Mal jährten sich im Berichtszeitraum die Friedli- che Revolution in der DDR, der Mauerfall und die deut- Großen Zuspruch fand auch das Bildungsprogramm der sche Einheit. BStU. Die Behörde hat einen wichtigen Beitrag zum Rückblick auf die Stationen des Revolutionsjahres 1989 Jahrestage bieten die Möglichkeit, historische Ereignisse geleistet und damit zur historisch-politischen Einordnung herauszustellen und im Blickpunkt erhöhten öffentlichen der Friedlichen Revolution und ihrer Folgen beigetragen. Interesses intensiver zu diskutieren. Das trägt dazu bei, Im Mittelpunkt der Angebote zur politischen Bildung neue, differenzierte Interpretationsangebote zu populari- standen der DDR-Staatssicherheitsdienst, seine Rolle und sieren und Debatten über geschichtliche Ereignisse in die seine Reaktionen angesichts der Friedlichen Revolution Gesellschaft zu tragen. Dies ist für eine demokratische und der Prozess der MfS-Auflösung. So lenkte eine mehr- Gesellschaft geradezu unabdingbar, um so über den histo- tägige Veranstaltung über die „Revolution in Berlin“ die rischen Platz der Gegenwart streiten und nachdenken zu öffentliche Aufmerksamkeit auf die Gethsemanekirche in können und um zugleich über diese historische Vergewis- Prenzlauer Berg und damit auf einen historischen Ort, der serung die Gegenwart zukunftsfähig zu machen. im Herbst 1989 einer der Brennpunkte der Revolution in Berlin gewesen war. Die Veranstaltungsreihe wurde im Diese Möglichkeiten sind im Zusammenhang mit den Oktober 2009 in Kooperation der BStU mit der Robert- Jahrestagen von Friedlicher Revolution, Mauerfall und Havemann-Gesellschaft e. V., dem Berliner Landesbeauf- deutscher Einheit geradezu idealtypisch genutzt worden. tragten für die Stasi-Unterlagen und der Evangelischen Die Resonanz und das breite öffentliche Interesse haben Kirchengemeinde Prenzlauer Berg-Nord realisiert. gezeigt, dass historische Jubiläen vollkommen zu Recht von Medien, politischer Bildung und Wissenschaft aufge- Einblick in die regionale Entwicklung und Dynamik der griffen werden. Freilich wird gelegentlich gegen den Auflösung des Staatssicherheitsdienstes im Winter 1989/90 Event-Charakter polemisiert oder argumentiert, dass die vermittelt die Ausstellung „Stasi Ohn(e)Macht“, die die Konzentration auf Jubiläen zu kurzatmig sei, um einem Friedliche Revolution in den ehemaligen Bezirksstädten historischen Ereignis gerecht zu werden. Solche Argu- der DDR mit jeweils eigenen Regionalteilen plastisch mente lassen sich mit dem Hinweis auf langfristig wir- macht. Anhand von bisher zum Teil unbekanntem Foto- kende Erkenntnissteigerungen leicht entkräften. So ist in material lässt sie den Betrachter ahnen, wie viel Einsatz den vergangenen Jahren die Bedeutung der Bürgerbewe- und welcher Mut seinerzeit erforderlich waren, kannten gung für die Friedliche Revolution klarer herausgearbei- die Akteure doch den Ausgang der Entwicklung nicht. tet worden. Und die nahezu flächendeckende Verbreitung Eine neue Wanderausstellung mit dem Titel „Feind ist, – 13 – wer anders denkt“ wurde am 3. Oktober 2008 in Ham- Impulse für die geschichtliche Selbstverortung unserer burg eröffnet. Sie vermittelt Basiswissen zum Staats- Gesellschaft. sicherheitsdienst der DDR und zur 1989er Revolution insbesondere in den Hauptstädten der alten Bundesländer, Die große Bereitschaft, sich an die Friedliche Revolution in denen es weder Aufarbeitungsinstitutionen noch au- zu erinnern, lässt sich auch als ein Zeichen für das Be- thentische Orte zur DDR-Geschichte gibt. dürfnis nach positiver Verankerung und Identifizierung verstehen. Das Jahr 1989 steht für einen bislang nicht ge- Am 15. Januar erinnern alljährlich Veranstaltungen an die kannten freiheitsgeschichtlichen Erfolg in unserer Ge- Besetzung der Zentrale des Ministeriums für Staatssicher- schichte. Die aktive Beschäftigung damit ermöglicht es heit im Jahre 1990 und damit an das Ende des MfS. Aus uns, den hohen Wert unserer demokratischen und rechts- Anlass des 20. Jahrestages dieses Ereignisses lud die staatlichen Errungenschaften wahrzunehmen und für ihre BStU zusammen mit der Bundesstiftung zur Aufarbei- Bewahrung einzustehen. Jahrestage sind für die Verge- tung der SED-Diktatur zur Theateraufführung „Staats- genwärtigung der Vergangenheit von großer Bedeutung. Sicherheiten“ in das Berliner Maxim Gorki Theater ein – Sie geben uns Anlass, im Alltag innezuhalten und uns zu einer eindrücklichen Inszenierung der Schicksale ehema- fragen, woher wir kommen und wo wir stehen. Sie for- liger politischer Häftlinge. Am folgenden Tag fand ein dern uns zu einer Wiederbegegnung mit der Vergangen- Bürgerfest im Archiv der BStU in Berlin- heit auf, sie schärfen unser Geschichtsbewusstsein und statt, das mit Lesungen, Diskussionen, Ausstellungen und wirken dadurch weit über ihr Bezugsdatum hinaus. Archivbesichtigungen zahlreiche Besucher anzog. Auf großes Interesse stießen auch die regionalen Ange- 1.2 Entwicklung der für die BStU relevanten bote der BStU. „Große“ Geschichte erhielt als Geschichte Themen der Gedenkstättenkonzeption vor Ort konkrete Aussagekraft und Verständlichkeit. Als des Bundes Kooperationspartnerin hat die BStU gerade in den Regio- Die im Juni 2008 vom Bundeskabinett beschlossene Fort- nen zahlreiche Veranstaltungen ermöglicht, hat sich mit schreibung des Gedenkstättenkonzepts der Bundesregie- ihrer spezifischen Themenkompetenz eingebracht und rung beschreibt die Schaffung eines „Geschichtsver- war gleichzeitig an vielen offiziellen Festakten beteiligt. bund(s) zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur Erwähnt sei auch das landesweite Graffiti-Projekt „De- in Deutschland“ als einen konzeptionellen Eckpfeiler der mokratieVersprühen“ in Sachsen, das Jugendliche zur Be- Befassung mit der jüngsten deutschen Geschichte. Damit schäftigung mit dem Thema Demokratie anregte. soll – bei bleibender Eigenständigkeit der jeweiligen In- stitutionen – die Zusammenarbeit aller Einrichtungen zur Auch der internationale Kontext der Friedlichen Revolu- Geschichte der Sowjetischen Besatzungszone und der tion wurde thematisiert, so zum Beispiel mit einer inter- DDR gefördert werden. Zugleich soll der Geschichtsver- nationalen Tagung, die die BStU im Mai 2009 zu den bund bewährte Strukturen stärken, neue Wege der Zusam- Umbrüchen in Osteuropa im Jahr 1989 durchführte. Sie menarbeit eröffnen und Kooperationsprojekte ermögli- fand in Berlin im Rahmen des Geschichtsforums „Europa chen. zwischen Teilung und Aufbruch“ statt. In der alltäglichen Praxis verstärkten sich im Berichtszeit- Ausführlich thematisierte die Behörde zudem die Öff- raum die Ansätze, dieser Forderung gerecht zu werden. nung der Stasi-Unterlagen als einen der Erfolge der Fried- Die BStU leistete dazu insbesondere auf dem Gebiet der lichen Revolution. Wichtige Daten waren in diesem Zu- politischen Bildung und in der archivischen Arbeit einen sammenhang das Volkskammergesetz vom 24. August Beitrag. 1990, der (schließlich erfolgreiche) Streit um klare Aus- sagen zur Aktenöffnung im deutsch-deutschen Eini- So hat die Behörde den Austausch mit dem Bundesarchiv gungsvertrag und die Ernennung des Sonderbeauftragten und anderen Archiven bei einzelnen wichtigen Projekten für die Stasi-Unterlagen am 3. Oktober 1990. An diese und mit den Fachhochschulen für Archivwesen bei der Ereignisse wurde im Rahmen der Festveranstaltung „Die Weiterbildung intensiviert. Hervorzuheben ist beispiels- Akten bleiben offen“ im Großen Protokollsaal des Deut- weise die Entscheidung, die künftige Erschließung und schen Bundestages am 1. Oktober 2010 erinnert. Verwaltung des vom MfS hinterlassenen Schriftgutes und der dazugehörigen audio-visuellen Medien mit dem IT- Die öffentliche Resonanz auf all diese Angebote hat ge- System des Bundesarchivs (BASYS 2) in einer für die zeigt, wie groß das Interesse unserer Gesellschaft an der Zwecke der BStU angepassten Version zu realisieren jüngsten Geschichte ist. Die Veranstalter begegneten im- (siehe Kapitel 3.3.2). Im November 2010 wurde dazu mer wieder einer beeindruckenden Bereitschaft zur wa- eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen. BStU und chen Erinnerung, zur wissbegierigen Annäherung und Bundesarchiv gehen davon aus, dass aus dem gemeinsa- kritischen Auseinandersetzung. Zugleich ist die allmähli- men Projekt Synergieeffekte und eine Harmonisierung che Herausbildung eines gesamtdeutschen Geschichtsver- der IT-Landschaft resultieren. ständnisses zu beobachten: Nicht mehr nur die Teilung bestimmt die Erinnerung an die jüngste Geschichte, son- Ferner beteiligt sich die Behörde mit verschiedenen Find- dern auch das Zusammenwachsen Deutschlands und die buchdateien am Archivportal „SED-/FDGB-Archivgut“, Ereignisse, die zur deutschen Einheit führten. Auch aus einem Kooperationsprojekt des Bundesarchivs mit den dem Zusammenwachsen Europas und dem Ringen um ein Landes- und Staatsarchiven der neuen Bundesländer und gemeinsames europäisches Geschichtsbild entstehen neue des Landes Berlin. Die BStU hat hierzu eine Online-Be- – 14 – ständeübersicht zu im MfS-Überlieferungsbereich enthal- Nach diversen Vorarbeiten verfasste die Behörde auf aus- tenen Unterlagen von SED und FDGB erstellt, die seit drücklichen Wunsch des BKM ein Nutzungskonzept für Herbst 2009 in die Website des „Netzwerks SED-/FDGB- Haus 1 und legte dieses im November 2009 vor. Der Archivgut“ eingebunden ist. BKM hat dieses Nutzungskonzept in geringfügig modifi- zierter Form als Grundlage für die Sanierungsplanungen Die schon bestehende Zusammenarbeit zwischen der eingereicht. Grundlage aller Papiere der Behörde ist der Bundeszentrale für politische Bildung, der Bundesstif- Ansatz einer gemeinsamen Ausstellung, wie das Gedenk- tung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der BStU stättenkonzept des Bundes sie vorsieht. Angebote des wurde im Berichtszeitraum bei zahlreichen meist bilatera- BKM zu gemeinsamen Gesprächen über die inhaltliche len Veranstaltungen vertieft. Konzeption des Hauses 1 wurden seitens der ASTAK bis- Die sogenannte trilaterale AG der drei Organisationen hat her nicht genutzt. im Berichtszeitraum einen gemeinsamen Flyer mit Ange- Die Gedenkstättenkonzeption des Bundes sieht vor, die boten und Anregungen für die Ausgestaltung eines Pro- Struktur der Außenstellen der BStU zeitnah zu verändern, jekttages am 9. November produziert. Damit griff die tri- um eine effiziente Arbeit trotz zurückgehenden Personal- laterale AG eine Initiative der Kultusministerkonferenz bestandes gewährleisten zu können. In Abstimmung mit aus dem Jahr 2008 auf, die dazu aufruft, in jedem Jahr am dem BKM wurden im Berichtszeitraum verschiedene Va- 9. November einen Projekttag in Schulen durchzuführen. rianten möglicher Strukturveränderungen in den Bundes- Ziel ist es, die Auseinandersetzung von Jugendlichen mit ländern Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg- der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts anzuregen Vorpommern untersucht und Wirtschaftlichkeitsbetrach- und zu vertiefen und damit zur Demokratieerziehung bei- tungen angestellt. Ziel ist es, mehrere Archivstandorte der zutragen. Mit dem auch im Internet präsenten gemeinsa- BStU aufzulösen und die Bestände in die in diesen Län- men Angebot (www.projekttag-deutsche-geschichte.de) dern verbleibenden Außenstellen zu überführen. An den werden die Aufmerksamkeit für die Bildungsangebote aufzulösenden Standorten sollen sogenannte Präsenzstel- der drei Einrichtungen im schulischen Bereich erhöht, für len eingerichtet werden, um dort weiterhin Dienstleistun- die Interessenten die Orientierung erleichtert und das Mit- gen der BStU anzubieten. einander der drei Institutionen dokumentiert. Um auch die Länderinteressen in die Überlegungen ein- Mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Dikta- beziehen zu können, hat die BStU 2010 im Auftrag des tur pflegt die BStU eine enge und stabile Kooperation, BKM erste Gespräche mit von den betroffenen Ländern ablesbar an zahlreichen gemeinsamen Veranstaltungen. benannten Vertreterinnen und Vertretern geführt. Deren Auf der Basis dieser eingespielten Zusammenarbeit ini- Reaktionen auf das Vorhaben der BStU, Außenstellen zu tiierten die Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Auf- schließen, waren überwiegend verhalten. Vor allem wird arbeitung der SED-Diktatur und die Bundesbeauftragte befürchtet, dass zu erzielende finanzielle Einspareffekte erfolgreich den insbesondere in Polen vielbeachteten erwartete negative Signalwirkungen auf die Aufarbei- Aufruf deutscher Intellektueller und Politiker „Das Jahr tungslandschaft nicht aufwiegen werden. In einem nächs- 1989 feiern, heißt auch, sich an 1939 zu erinnern! Eine ten Schritt soll der Planungsstand mit den Mitgliedern der Erklärung zum 70. Jahrestag des Hitler-Stalin-Pakts am zuständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages be- 23. August“ (siehe auch Kapitel 7.2 und Anhang 18). sprochen werden. Nach den Bestimmungen des Gedenkstättenkonzepts wird in Haus 1 in der Normannenstraße in Berlin-Lich- 1.3 Aktuelle Entwicklung des Stasi- tenberg, dem ehemaligen Dienstsitz des Ministers für Unterlagen-Gesetzes Staatssicherheit der DDR, ein Dokumentations- und Bil- Die siebte Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes, dungszentrum zum Thema „Repression in der SED-Dik- umgesetzt durch Gesetz vom 21. Dezember 2006, ver- tatur“ entstehen. Die BStU soll im Rahmen ihrer gesetzli- folgte im Schwerpunkt zwei Ziele: Zum einen sollte an- chen Aufgabenstellung und unter Einbeziehung der in gesichts des bevorstehenden Auslaufens der gesetzlichen Haus 1 ansässigen Aufarbeitungsinitiativen die Verant- Überprüfungsfrist mit dem 28. Dezember 2006 die wortung für die Einrichtung einer neuen Dauerausstel- Grundlage für eine differenzierte Fortgeltung der Über- lung übernehmen. Als Kooperationspartnerin für die Aus- prüfungsmöglichkeiten für Personen in herausgehobenen stellung nennt das Gedenkstättenkonzept insbesondere Funktionen und Ämtern geschaffen werden. Zum anderen die Antistalinistische Aktion Berlin-Normannenstraße ging es darum, verbesserte Zugangsmöglichkeiten zu den e. V. (ASTAK), die Trägerverein der bisherigen For- Stasi-Unterlagen für die politische und historische Aufar- schungs- und Gedenkstätte Normannenstraße ist. beitung durch Forschung und Medien zu schaffen. Der Deutsche Bundestag hat für die notwendige bauliche Die mit dieser Novellierung einhergehenden Änderungen Sanierung des Hauses 1 Mittel aus dem Konjunkturpaket im Bereich der Zugangsrechte von Forschung und Me- bereitgestellt. Die Sanierung konnte, nachdem der hierfür dien haben sich aus Sicht der BStU in der Praxis vollauf zuständige Beauftragte der Bundesregierung für Kultur bewährt. und Medien (BKM) den Auszug aller Mieter erreicht hatte, im September 2010 beginnen. Die BStU hat im Be- Durch den neu eingeführten § 32 Absatz 1 Satz 1 richtszeitraum damit begonnen, die inhaltlichen Voraus- Nummer 7 StUG wurde für die externe Forschung ein setzungen für die künftige Dauerausstellung zu schaffen. Einsichtsrecht in Originalunterlagen geschaffen. Es kön- – 15 – nen nun Unterlagen mit personenbezogenen Informatio- erloschen ist. Auch bei anderen, noch lebenden Personen, nen ungeschwärzt eingesehen werden, sofern dies für die die in einem engen Verhältnis zu den in den Unterlagen Durchführung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit genannten Personen stehen, sei eine schwerwiegende Be- an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen einträchtigung ihrer Rechte nahezu ausgeschlossen. notwendig ist und wenn eine Nutzung anonymisierter Un- terlagen zu diesem Zweck nicht möglich oder die Anony- Der Neuregelung kommt vor allem bei der Bearbeitung misierung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand ver- von solchen Anträgen größere Bedeutung zu, die die bunden ist. Mit dieser Regelung wurde der Aktenzugang Frühzeit der DDR betreffen: Insbesondere die Schicksale externer Wissenschaftler dem Zugang behördeninterner zahlreicher Verurteilter der Sowjetischen Militärtribunale Mitarbeiter angenähert und damit Beschränkungen des sowie von Personen, die an den Aufständen vom 17. Juni wissenschaftlichen Diskurses zur Aufarbeitung der Tätig- 1953 beteiligt waren, können so einer breiten Öffentlich- keit des MfS verringert. Zur Wahrung von Persönlich- keit erneut ins Gedächtnis gerufen werden. keitsrechten dürfen indes nur solche Personen Einsicht in Unterlagen mit unanonymisierten personenbezogenen In- Im Zuge der siebten Novellierung wurden außerdem die formationen nehmen, die Amtsträger oder nach dem Ver- Zwecke für eine Verwendung von Unterlagen dahingehend pflichtungsgesetz förmlich verpflichtet worden sind. Al- angepasst, dass diese über die politische und historische lerdings kann in ungeschwärzte Unterlagen lediglich Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes Einsicht gewährt werden; vor einer Herausgabe müssen hinaus auch auf die Aufarbeitung der Herrschaftsmecha- die dabei von den Forscherinnen und Forschern ausge- nismen der ehemaligen DDR bzw. der ehemaligen sowje- wählten Seiten entsprechend den gesetzlichen Regelun- tischen Besatzungszone ausgedehnt wurden. Mit der neu gen anonymisiert werden. eingeführten Formulierung wollte der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung tragen, dass der Staatssicherheits- Die neu eingeführte Zugangsregelung wird seit ihrem In- dienst trotz seiner besonderen Funktion und seiner zentra- krafttreten regelmäßig angewandt, wobei die Erfahrungen len Bedeutung nur eines von vielen Elementen des Herr- durchweg positiv sind. Wissenschaftlern kann nun eine schaftsapparates der ehemaligen DDR war. Diese zügigere Einsichtnahme ermöglicht werden. Sie können Erweiterung ist inhaltlich sinnvoll, da die Stasi-Unterla- ohne großen Aufwand zum Teil sehr große Aktenbe- gen auch Berichte und Vorgänge enthalten, die sich auf stände auf das für sie Relevante hin durchsuchen und his- weitere Staatsorgane, wie beispielsweise Partei-, Justiz-, torische Zusammenhänge wesentlich einfacher erkennen, Polizei- und Militärorgane, Bildungs- und Wirtschafts- wodurch der Fortgang der wissenschaftlichen Arbeit ge- institutionen, beziehen bzw. die gesellschaftlichen Institu- fördert wird. Außerdem trägt die Regelung zur Vereinfa- tionen zum Gegenstand haben, denen eine wichtige Rolle chung der Arbeitsabläufe bei, da im Vorfeld der Akten- für das Funktionieren des SED-Systems und die Absiche- einsicht nicht sämtliche zum Thema aufgefundenen Unterlagen kopiert und anonymisiert werden müssen, rung staatlicher Herrschaft zukam. sondern diese Tätigkeiten nur bei den für die Herausgabe Der umfassende Aufarbeitungszweck trägt der Bedeutung ausgewählten Seiten anfallen. Rechnung, die den Stasi-Unterlagen nach wie vor im Eine Erweiterung des Aktenzugangs für Forschung und Rahmen der politischen und historischen Aufarbeitung Medien sowie für Zwecke der politischen Bildung er- der Diktatur insgesamt zukommt. folgte durch die Einfügung des § 32 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StUG, der die Verwendung von Unterlagen Den mit der Novellierung vorgenommenen Änderungen verstorbener Personen nach Ablauf einer bestimmten bei den Vorschriften zur Überprüfung von Personen auf zeitlichen Frist ermöglicht. Durch diese Regelung sollte eine Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst lag verhindert werden, dass immer mehr Unterlagen der Auf- das Ziel zugrunde, hinsichtlich bestimmter, gesellschaft- arbeitung dauerhaft entzogen sind. Denn ein Zugang zu lich und politisch herausgehobener Personengruppen eine Akten Betroffener ist, soweit es sich nicht um Personen Überprüfbarkeit auch über das Auslaufen der ursprüng- der Zeitgeschichte handelt, grundsätzlich nur mit deren lich gesetzlich vorgesehenen 15-Jahres-Frist hinaus wei- Einwilligung möglich. ter zu ermöglichen bzw. neu zu eröffnen. Die eingeführte Vorschrift trägt den Rechten der in den Dementsprechend wurden die Überprüfungsfristen um Unterlagen genannten Personen Rechnung, indem sie fünf Jahre verlängert, verbunden mit einer deutlichen Schutzfristen vorsieht, die sich an den Regelungen des Eingrenzung des überprüfbaren Personenkreises. Auf allgemeinen Archivrechts orientieren, das dafür Zeit- Grundlage der neugefassten §§ 20/21 Absatz 1 Num- räume zwischen zehn und 30 Jahren vorsieht. Sie erlaubt, mer 6d) StUG, die sich auf Beamte und Angestellte bezie- dass personenbezogene Unterlagen zu Betroffenen und hen, die eine Behörde leiten oder eine vergleichbar ver- Dritten 30 Jahre nach deren Tod bzw. 110 Jahre nach der antwortungsvolle Aufgabe wahrnehmen, können leitende Geburt unabhängig vom Vorliegen einer Einwilligung Personen im öffentlichen Dienst sowie in anderen wichti- durch Forschung, politische Bildung sowie durch Presse, gen gesellschaftlichen Bereichen überprüft werden. Diese Rundfunk, Fernsehen und Film verwendet werden dürfen. Klausel umfasst auch die ständigen Stellvertreter von Be- Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der postmortale hördenleitern sowie insbesondere Intendanten, Schullei- Persönlichkeitsschutz 30 Jahre nach dem Tod des Ver- ter oder Hochschulpräsidenten bzw. -rektoren und deren storbenen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vollständig Stellvertreter. – 16 –

Über die Abgeordneten sowie die Angehörigen kommu- Der Beirat der Behörde hat sich im Berichtszeitraum un- naler Vertretungskörperschaften hinaus wurde außerdem ter anderem ausführlich mit weiteren Möglichkeiten zur die Personengruppe der kommunalen Wahlbeamten aus- Novellierung des StUG befasst. Die Ergebnisse der Dis- drücklich in die Klauseln der §§ 20/21 Absatz 1 kussion flossen in einen Brief der Bundesbeauftragten an Nummer 6b) StUG aufgenommen. Diese Erweiterung des die Berichterstatter der Fraktionen im Ausschuss für Kul- Verwendungszwecks hat sich als sehr sinnvoll erwiesen. tur und Medien des Deutschen Bundestages ein, in dem sie Anregungen zu einer Novellierung gab. Der neu eingeführte Verwendungszweck zur Überprüfung von hauptberuflichen wie ehrenamtlichen Richtern wird Aus diesem Grund unterstützt die Bundesbeauftragte die nur in eingeschränktem Umfang genutzt. In der prakti- Initiative aus dem Deutschen Bundestag, dem unverän- schen Anwendung ist diese Vorschrift unproblematisch. dert großen öffentlichen Interesse an der Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes durch eine Von der Möglichkeit der Überprüfung von ausgewählten weitere Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes ge- Soldaten und Offizieren ist bisher nicht Gebrauch ge- recht zu werden. Ein wesentliches Ziel der von den Koali- macht worden. tionsfraktionen getragenen Gesetzesinitiative besteht da- Der neu eingeführte Verwendungszweck zur Überprüfung rin, Überprüfungen auch über den derzeit gesetzlich im Sportbereich hat sich als sinnvoll und auch praktikabel festgelegten Zeitraum hinaus zu ermöglichen und den Zu- erwiesen. Auf diesem Weg sind – im Gegensatz zur Ge- gang zu solchen Unterlagen zu erleichtern, bei denen eine setzeslage bis zum 28. Dezember 2006 – wichtige Mit- Verletzung von Persönlichkeitsrechten nicht bzw. nicht glieder der deutschen Mannschaften für die Olympischen mehr in Betracht kommt. Spiele überprüfbar. Der Deutsche Olympische Sportbund, der sich sehr für die Aufnahme dieses Punktes in das Ge- Vorgesehen ist danach, die Überprüfung der in §§ 20/21 setz eingesetzt hatte, hat diese Zugangsnorm auch ge- Absatz 1 Nummer 6 StUG genannten Personengruppen, nutzt. die u. a. Regierungsmitglieder, Abgeordnete und Behör- denleiter umfassen, bis zum Jahr 2019 möglich zu ma- Auch im Bereich der persönlichen Akteneinsicht haben chen. Außerdem wird von den Fraktionen eine Erweite- sich mit der letzten Novellierung des StUG Zugangs- rung des überprüfbaren Personenkreises um diejenigen rechte erweitert: Als nahe Angehörige im Sinne des § 15 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die eine leitende StUG gelten nun hinsichtlich der leiblichen Eltern auch Position – auch unterhalb der Ebene des Behördenleiters adoptierte Kinder sowie die leiblichen Eltern hinsichtlich und seines Stellvertreters – innehaben, befürwortet. Dies adoptierter Kinder, wenn nicht auszuschließen ist, dass gilt auch für solche Personen, die in privaten Einrichtun- der Staatssicherheitsdienst auf die Adoption oder auf das gen beschäftigt sind, die sich mehrheitlich in öffentlicher Schicksal der leiblichen Eltern Einfluss genommen hat. Hand befinden. Mit dieser Regelung wurde das Gesetz den Vorgaben der Rechtsprechung angepasst. Demgemäß können adoptierte Weiterhin ist eine Erweiterung des Akteneinsichtsrechts Kinder nunmehr Anträge auch zu ihren leiblichen Eltern für nahe Angehörige nach § 15 StUG um den Auskunfts- stellen und umgekehrt, wenn die gesetzlich genannten zweck der „sonstigen berechtigten Interessen“ beabsich- Voraussetzungen vorliegen. tigt. Darunter würde beispielsweise auch die Familien- forschung fallen, die nach derzeitiger Gesetzeslage ein Außerdem wurde der Kreis derjenigen Personen, die als Einsichtsrecht nicht begründet. Unabdingbar wäre es al- nahe Angehörige Vermisster oder Verstorbener einen An- lerdings, im Falle einer solchen Erweiterung des Zu- trag auf Aktenzugang stellen können, auf die Verwandten gangsrechts eine Schutzklausel aufzunehmen, die einen dritten Grades (Onkel, Tanten, Nichten, Neffen) erwei- Zugang nur soweit ermöglicht, wie keine überwiegenden tert, die antragsberechtigt sind, wenn keine näheren Ver- schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt werden. wandten mehr leben. Die tatsächliche Inanspruchnahme dieser Regelung beschränkt sich allerdings auf eine sehr Der Gesetzgeber ist zudem bestrebt, Zugangserleichte- begrenzte Zahl von Fällen. rungen zu solchen Unterlagen einzuführen, die unter per- sönlichkeitsrechtlichen Gesichtspunkten nicht schutzwür- Im Zuge der siebten Novellierung des StUG schuf der neu dig sind. In diesem Zusammenhang ist vorgesehen, die eingefügte § 39a die Institution eines Wissenschaftlichen Zugangsmöglichkeiten nach § 26 StUG insgesamt auf Beratungsgremiums, das die Behörde bei der wissen- solche Unterlagen auszudehnen, die nicht zu einer natür- schaftlichen Aufarbeitung der Tätigkeit des MfS und bei lichen Person angelegt wurden, sondern die typischer- der Konzeption der Forschungsarbeit berät. Dieses Gre- weise ganz überwiegend Sachinformationen enthalten. mium hat sich im Januar 2008 konstituiert und arbeitet Über die in der derzeitigen Gesetzesfassung beispielhaft seitdem sehr erfolgreich (siehe Kapitel 5.1). genannten Unterlagen wie Dienstanweisungen, Organisa- tions- und Stellenpläne hinaus wäre damit für andere Durch Anpassung des StUG an den technischen Fort- sachbezogene MfS-Unterlagen ein Wegfall der Zweck- schritt wurden insbesondere Internetveröffentlichungen bindung möglich, soweit darin keine schutzwürdigen per- von ausgewählten Dokumenten möglich. Diese Neuerung sonenbezogenen Informationen enthalten sind. stieß auf positive Resonanz in der Praxis und wird vor al- lem durch die Abteilung Bildung und Forschung, die Öf- Daneben werden von den Fraktionen weitere Zugangs- fentlichkeitsarbeit und die Archive der BStU genutzt. erleichterungen für die politische und historische Aufar- – 17 – beitung durch Forschung und Medien befürwortet. Es ist Zustand gebündelten Mitarbeiterablagen mit unvollkom- geplant, in das Gesetz eine Klausel aufzunehmen, wonach mener Angabe zur Unterstruktur, die ohne jegliche inhaltli- die Schutzfristen für den Zugang zu Unterlagen Verstor- che Zugriffsfähigkeit vorlagen (Bündel). Zur Überlieferung bener von derzeit 30 Jahren auf zehn Jahre verkürzt wer- gehören drittens auch die übernommenen zerrissenen Un- den können. Eine solche Verkürzung soll nach Maßgabe terlagen aus allen Teilen des Gesamtbestandes, ebenfalls einer Abwägungsklausel ermöglicht werden, wonach ohne wesentliche inhaltliche Anhaltspunkte. Hinzu keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen sonsti- kommt viertens eine große Anzahl an audio-visuellen ger Personen entgegenstehen dürfen. Medien und maschinenlesbaren Daten.

Von der Bundesbeauftragten unterstützt wird auch eine No- Diese Hinterlassenschaft des MfS war mit üblicher archi- vellierung des Kostenrechts durch Schaffung einer neuen vischer Herangehensweise nicht zu bewältigen und stellte Rechtsgrundlage für die Gebühren- und Auslagenerhe- von Beginn der Arbeit der BStU an die Archive vor be- bung. Dies ist für die Arbeit der Behörde von besonderer sondere Herausforderungen. Die Überlieferung von vor praktischer Bedeutung. Das besondere, im Vergleich zum allem personenbezogenen Unterlagen der Geheimpolizei allgemeinen Verwaltungskostenrecht differenziertere einer Diktatur in solcher Geschlossenheit ist historisch Kostenrecht der Stasi-Unterlagen-Kostenordnung stellt und weltweit einmalig. Es mussten Wege gefunden wer- sicher, dass die Bearbeitung von Anträgen zu nutzer- den, in die Arbeitsweise des Staatssicherheitsdienstes und freundlichen Bedingungen möglich ist und insbesondere ebenso in die Inhalte der überaus umfangreichen Unterla- den Opfern der SED-Diktatur grundsätzlich ein kosten- gen und die Verbindungen zwischen den Überlieferungs- freier Aktenzugang ermöglicht werden kann. arten Einblick zu gewinnen. Diese Unterlagen sind das Erbe eines Systems, dessen Ziel darin bestand, mit unter- 1.4 Die Überlieferung des MfS als schiedlichen Mitteln und Methoden über jede in sein archivische Herausforderung Blickfeld geratene Person Bescheid zu wissen. Das er- reichte der Staatssicherheitsdienst, indem er systematisch Im Winter 1989/90 gelang es engagierten DDR-Bürgerin- Menschenrechte verletzte und selbst DDR-Gesetze miss- nen und -Bürgern mit der Besetzung der Dienststellen des achtete. Solcherart beschaffte Informationen bilden den Ministeriums für Staatssicherheit, die massenhaften Ak- Großteil der Unterlagen. Es ist die Aufgabe der Archive tenvernichtungen durch MfS-Mitarbeiter zu stoppen. Seit der BStU, diese Informationen archivisch zu erfassen und das Ende der SED-Diktatur sich ankündigte, hatte der damit für die Nutzung zugänglich zu machen. Staatssicherheitsdienst damit begonnen, die Zeugnisse seiner Tätigkeit zu beseitigen – erst systematisch, später Dabei ist die Archivarbeit sowohl darauf ausgerichtet, immer hektischer. Nachdem die Verkollerungsmaschinen dem Einzelnen Zugang zu den zu seiner Person gespei- überlastet waren, zerrissen MfS-Mitarbeiter die Unterla- cherten Informationen zu ermöglichen – eine im Gesetz gen von Hand. Reichte auch dafür die Zeit nicht mehr, fixierte wesentliche Forderung der Bürgerbewegung wurden Unterlagen, die vor allem den damaligen aktuel- 1989/90 – als auch die historische, politische und juristi- len Dienstablauf dokumentieren konnten, sehr stark in sche Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheits- Unordnung gebracht. dienstes zu unterstützen. Somit muss aus archivischer Sicht einerseits der Zugang zu personenbezogenen Infor- Die von den Besetzern gebildeten Bürgerkomitees sorg- mationen gewährleistet sein und zugleich andererseits un- ten dafür, dass die MfS-Unterlagen gesichert wurden. ter strenger Berücksichtigung des Datenschutzes die Schriftgut aus den Dienstzimmern wurde gebündelt und Überlieferung inhaltlich recherchierbar werden. soweit möglich inventarisiert. Durch diese ersten Siche- rungsaktionen blieben die Unterlagen für die spätere Nut- Entsprechende Nutzungsbegehren gab es bereits unmit- zung erhalten. Davon ausgenommen waren Unterlagen, telbar nach der Auflösung des MfS/AfNS – also noch vor die mit Zustimmung des Runden Tisches vernichtet wur- Inkrafttreten des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUG) am den – eine, wie sich später zeigte, verhängnisvolle Ent- 20. Dezember 1991. Deshalb wurden 1990 durch den da- scheidung. Hierbei handelte es sich vor allem um die maligen Sonderbeauftragten für die Unterlagen des elektronischen Datenträger des MfS mit personenbezoge- Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR mit einer nen Daten und die Sicherungskopien der Zentralen Perso- „Vorläufige(n) Ordnung für die Nutzung personenbezo- nenkartei. Nach der Genehmigung der Arbeitsgruppe Si- gener Unterlagen des ehemaligen MfS/AfNS“ Möglich- cherheit des Runden Tisches wurden auch die Unterlagen keiten geschaffen, Nutzern Auskünfte für bestimmte der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) und ihrer Zwecke zu erteilen. Linienorganisationen (Abteilungen XV) fast vollständig vernichtet. Allein die Unterlagen der Abteilung XV aus Die Archivarbeit berücksichtigt seitdem zumeist zeit- der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig blie- gleich aktuelle Nutzerinteressen und die archivfachlichen ben wegen der Intervention des dortigen Bürgerkomitees Erfordernisse. So richteten sich in den Anfangsjahren die erhalten. Bemühungen vor allem darauf, die archivierten und regis- trierten Schriftgutablagen mit Personenbezug recher- Physisch gesehen hat es die BStU mit einer äußerst hete- chierbar zu machen. Die Recherche erfolgte über die rogenen Überlieferung zu tun: Erstens den nach Perso- weitgehend erhalten gebliebenen zentralen Karteien des nennamen zugriffsfähigen, gebundenen Akten (archi- MfS F 16 (Personenkartei) und F 22 (Vorgangskartei). vierte Ablagen des MfS), zweitens den in ungeordnetem Mit dem anschließenden Aufbau und der Einführung der – 18 –

Datenbank Elektronisches Personenregister (EPR) 1993 Diensteinheit war seit Sommer 2000 die schrittweise konnte auch zu Personen aus dezentral geführten MfS- Rückgabe der verfilmten Personen- und Vorgangskartei Karteien recherchiert werden. Seit Ende 1993 werden zu- („Rosenholz“) durch die USA. Seit 2003 wird sie in den dem Fundstellen zu Personen in die Datenbank aufge- personenbezogenen Rechercheprozess einbezogen. nommen, zu denen Material im Rahmen der Erschließung und Auskunftserteilung gefunden wurde. Damit erweiter- Hinsichtlich der audio-visuellen Medien wurden, wie bei ten sich die Kenntnisse über die Informationen, die zu den elektronischen Datenträgern auch, bereits seit 1994 Einzelnen vom MfS gesammelt worden waren, erheblich. Maßnahmen ergriffen, um akustische Informationen und bewegte Bilder überhaupt nutzbar zu machen und gleich- Mit diesen Etappen waren die wichtigsten Grundsteine für die Recherche nach personenbezogenen Informatio- sam Datenverlusten vorzubeugen. Der Aufbau der beiden nen in den Unterlagen des MfS gelegt. Ton- und Videostudios im Berliner Archiv im selben Jahr diente der Sicherung und archivischen Aufbereitung der Neben dem personenbezogenen Zugang zu den vom MfS vom MfS überlieferten veralteten Standards und half da- archivierten und registrierten Unterlagen war es dringend bei, auch diese Unterlagen benutzerorientiert zugänglich geboten, die Überlieferung auch thematisch recherchier- zu machen. Zu den Aufgaben beider Studios gehörte zu- bar zu machen. Insbesondere auf Anforderung der Straf- dem die Bestandspflege und Generationsüberspielung. verfolgungsbehörden waren vor allem Kenntnisse aus Seit 2003 werden audio-visuelle Medien digitalisiert, wo- dem ungeordneten, nur gebündelten Schriftgut zu gewin- durch sich sowohl deren Erschließung als auch Nutzung nen. Dafür sichtete und protokollierte eine Projektgruppe vereinfacht. Die Ergebnisse der Digitalisierung werden in „Grobsichtung der nicht erschlossenen Bestände“ ab Ok- ein künftiges Archivverwaltungssystem zu integrieren tober 1994 in der Zentralstelle ca. 6 200 lfd. M. Bündel. sein. Die bis 1998 erstellten Grobsichtungslisten gaben schwerpunktmäßig Sachverhalte über Tötungsdelikte, Die Sicherung der Datenträger und Daten sowie deren Er- Rechtsbeugungen, nachrichtendienstliche Tätigkeit gegen schließung ermöglichen heute bereits komfortable Re- die Bundesrepublik Deutschland, Menschenrechtsverlet- cherche- und Nutzungsmöglichkeiten der audio-visuellen zungen sowie Terrorhinweise bis hin zur Vereinigungskri- Medien. Ein wesentlicher Schritt war die Veröffentli- minalität an. Die betreffenden Unterlagen wurden darauf- chung des Aktenverzeichnisses über die Filme und Vi- hin vorrangig archivisch erschlossen. Zudem wurden auf deos des MfS im Jahr 2009. den Grobsichtungslisten knappe Angaben über Struktur- unterlagen und weitere Inhalte vermerkt. Bis heute sind Die Überlieferung der zerrissenen Unterlagen in mehr als unter anderem diese Listen Ausgangspunkt für die Er- 17 000 Säcken erfuhr in mehreren Phasen besondere Be- schließung. Nach ihnen werden strukturelle und inhaltli- achtung. Bereits im März 1991 wurden die mit Papier- che Prämissen festgelegt. Auf den Grobsichtungslisten schnipseln gefüllten Säcke im Archiv der Zentralstelle wurde auch das Vorhandensein von audio-visuellen Me- gesichtet. Bis Oktober desselben Jahres wurden die dien in den Bündeln vermerkt, die auf gleiche Weise in Schnipsel drei Vernichtungsgraden zugeordnet und einer- die Erschließung eingebunden werden. Somit konnten be- seits als leicht rekonstruierbares Material und andererseits reits vorrangig interessierende Unterlagen aus allen Teil- als zerrissenes Schriftgut für eine spätere Rekonstruktion beständen sowohl in der Zentralstelle als auch den Au- ßenstellen der BStU thematisch erschlossen werden und kategorisiert. Als drittes wurde daraufhin nicht rekonstru- stehen seitdem im IT-gestützten Rechercheprozess zur ierbares Material vernichtet. Verfügung. Die durch die Projektgruppe „Manuelle Rekonstruktion Unklar war zu Beginn der 1990er-Jahre auch, was die zerrissener MfS-Unterlagen“ seit Anfang 1996 wieder zu- mehr als 15 000 elektronischen Datenträger des Staatssi- sammengefügten Unterlagen und deren Erschließung bo- cherheitsdienstes enthielten, da diese entweder auf veral- ten im Ergebnis einer Machbarkeitsstudie aus dem Jahr teten Speichermedien überliefert oder die für deren Les- 2003 nachhaltigen Aufschluss darüber, dass es aus histo- barkeit notwendigen ESER-Großrechner zerstört waren. rischer und politischer Sicht wertvoll ist, dieses Schriftgut Es wurden 1993 zunächst veraltete Datenträger auf mo- in einem technischen Verfahren der virtuellen Rekon- derne Medien überspielt, geprüft und gesichert. Die struktion wieder zusammenzusetzen, um Überlieferungs- Magnetbänder und -platten wurden gesichtet und deren lücken zu schließen. 2007 bewilligte der Bundestag Mit- Inhalte, darunter auch die von Magnetbändern der HVA, tel für ein Pilotprojekt, das – basierend auf Forschung und zugänglich gemacht. Entwicklung des Fraunhofer Instituts – die virtuelle Re- konstruktion des Inhalts von 400 Säcken zum Gegenstand Ein Durchbruch gelang 1998 mit der Entschlüsselung des EDV-Projektes SIRA des MfS, wodurch drei Datenban- hat. Damit wird archivisches Neuland betreten. Vorgese- ken der HVA-Abteilungen SWT (Sektor Wissenschaft hen ist, dass ab 2011/2012 bei der BStU damit begonnen und Technik), IX (Äußere Spionage/Gegenspionage) und wird, die virtuell wieder zusammengesetzten Unterlagen VII (Auswertung und Information) rekonstruiert und für zu erschließen. Eine den speziellen Erfordernissen ange- die Auswertung zur Verfügung gestellt wurden. passte Datenbank wird derzeit in der BStU entwickelt. Sie wird über Schnittstellen verfügen, um die gewonne- Ein weiterer Baustein für die Rekonstruktion der Arbeits- nen Informationen in bereits existierende Datenspeicher und Wirkungsweise dieser für die Westarbeit zuständigen zu integrieren und sie damit recherchierbar zu machen. – 19 –

Mit seinen Recherchemöglichkeiten hat sich in den letz- schaft finden sich von der NVA übermittelte Vorkomm- ten Jahren das Internet auch für Forschungszwecke eta- nismeldungen, Tatortuntersuchungen, die Befragung der bliert und mit seinen ausgebauten Informationsangeboten Zeugen, der Hinterbliebenen, unter Umständen Obduk- qualifiziert. Die Archive der BStU reihen sich seit der tionsprotokolle, Ermittlungen zum früheren Leben des siebten StUG-Novellierung, die erst 2006 die Vorausset- Betroffenen. Hunderte Forschungs- und Medienanträge zung für die Veröffentlichung von Findmitteln im Internet haben sich im Laufe der Jahre mit diesem Thema be- bot, in den Trend anderer staatlicher und nichtstaatlicher schäftigt und unter anderem mit den bei der BStU aufge- Archive ein, Erschließungsergebnisse verstärkt auf diesem fundenen Fotos, Filmen und Aktenüberlieferungen sind Weg zu veröffentlichen. Schnell zu aktualisierende Be- viele bemerkenswerte Ausstellungen, Bücher, Diplom- standsinformationen, Aktenverzeichnisse, wie die jüngs- und Doktorarbeiten, Schülerprojekte und Filme entstan- ten über Teilbestände aus den Bezirksverwaltungen des den. So beispielsweise das biografische Handbuch „Die MfS, können dem Nutzer einen ersten Zugang zu den Todesopfer an der Berliner Mauer 1961 – 1989“ oder der Hinterlassenschaften des Staatssicherheitsdienstes der MauerGuide des Berliner Senats, eine reich bebilderte, DDR bieten. multimediale Führung auf den Spuren der Berliner Mauer, über dessen Qualität sich Berlin-Besucher, Berli- 1.5 Bedeutung der Unterlagen des MfS für ner aber auch Pressestimmen aus aller Welt begeistert die externe Forschung, die Medien und zeigten. Einrichtungen der politischen Bildungsarbeit Jegliche oppositionelle Bewegung in der ehemaligen DDR war seitens der Staatsmacht nicht nur verboten, die Neben der quantitativ nach wie vor dominierenden und SED ließ durch das MfS weite Teile der Gesellschaft auch die öffentliche Wahrnehmung der BStU maßgeblich überwachen und kontrollieren, um Opposition bereits im prägenden individuellen Aufarbeitung durch die persönli- Stadium ihrer Entstehung zu ersticken. Daraus folgend che Akteneinsicht sowie der im vergangenen Jahr erneut entwickelten sich oppositionelle Aktivitäten zwangsläu- aktuell diskutierten Überprüfung von Amts- und Man- fig in der Illegalität. Einen „Teilschutz“ erhielten sie unter datsträgern stellt die Bereitstellung von MfS-Unterlagen dem Dach der Kirche. Die Verdienste der oppositionellen für die externe Forschung und für Medien zu Zwecken Bewegungen sind unumstritten, ihre historische Leistung der politischen und historischen Aufarbeitung der DDR- wäre aber ohne die Unterlagen des Staatssicherheitsdiens- Diktatur wie auch der NS-Zeit einen Bereich von heraus- tes der ehemaligen DDR nicht im Einzelnen nachvoll- gehobener Bedeutung dar. ziehbar. Aufgabe der BStU ist es, durch die Herausgabe Die BStU ist insoweit in erster Linie Dienstleister, der dieser Unterlagen an Forscher und Medienvertreter die Antragstellerinnen und Antragsteller berät und in den Aktivitäten der Opposition nachträglich transparent und zahlreichen Beständen der MfS-Überlieferungen recher- öffentlich machen zu helfen und damit zu ihrer Aufklä- chiert, diese themenbezogen zusammenführt sowie dann rung beizutragen. unter Berücksichtigung gegebenenfalls kollidierender Be- lange des Persönlichkeitsrechts und Datenschutzes zur Die oppositionelle Bewegung der DDR hat eine lange Verfügung stellt. Damit werden wesentliche Vorausset- Geschichte, die vom Aufstand des 17. Juni 1953 über die zungen für die erfolgreiche Bearbeitung vieler For- Sympathiebekundungen zu den Entwicklungen in der schungsvorhaben geschaffen – auf Art, Umfang und Qua- ČSSR 1968 und in Polen vor und nach 1980, die Proteste lität der daraus resultierenden Veröffentlichungen hat die gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns und anderer, BStU aber ebenso wenig Einfluss wie auf die Bedeutung, die Friedensbewegung der 1980er-Jahre bis hin zur Fried- die der jeweilige Forscher den hier aufgefundenen Unter- lichen Revolution 1989 reicht. Diese Geschichte ist in lagen beimisst. den Akten des MfS detailliert dokumentiert. Sie zeigen die Informationssammelwut, das Eingreifen in Lebens- Die MfS-Unterlagen sind der entscheidende Quellenbe- schicksale, das Zerbrechen von Lebensläufen, die Ge- stand, wenn es um die Aufarbeitung der Unterdrückung waltbereitschaft, aber auch die Banalität und Hilflosigkeit in der DDR geht, insbesondere wenn der Staatssicher- des MfS, das sich als „Schild und Schwert der Partei“ heitsdienst Instrument dieser Unterdrückung war. Aber verstand. Sie zeigen aber vor allem, mit welchem Mut die auch in Fällen, in denen die Rolle der SED, der Strafjus- Menschen dieser Macht entgegentraten. Die mittlerweile tiz, der Volkspolizei, anderer staatlicher oder beispiels- umfangreich auf der Basis der Unterlagen des Staatssi- weise sowjetischer Stellen im Vordergrund stand, können cherheitsdienstes erschienene Literatur zu diesem Thema die in den Archiven der BStU lagernden Unterlagen Auf- beweist einerseits das Interesse der Öffentlichkeit daran, schlüsse über Tatbestände, Hintergründe und Verantwort- andererseits aber auch die Notwendigkeit der Geschichts- lichkeiten geben. aufarbeitung. Die unter anderem auf der Grundlage der Viele Todesfälle an der Berliner Mauer und der innerdeut- Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in der Literatur schen Grenze mit zum Teil bis dahin unbekannten Opfern beschriebene Rolle von Ibrahim Böhme (Christine wären beispielsweise ohne die Unterlagen des Staats- Baumann: Manfred „Ibrahim“ Böhme: Ein rekonstruier- sicherheitsdienstes nicht aufklärbar gewesen. Für die Un- ter Lebenslauf. Berlin, 2009) ist ein drastisches Beispiel tersuchung und Aufklärung der gegen die Staatsgrenze dafür. So haben uns die Unterlagen des Staatssicherheits- gerichteten „staatsfeindlichen Handlungen“ war das MfS dienstes der ehemaligen DDR exemplarisch in diesem zuständiges Untersuchungsorgan. In dessen Hinterlassen- Fall davor bewahrt, dass ein Mensch, der anderen Men- – 20 – schen Schaden zugefügt hat, politische Verantwortung Die Behörde unterstützt hier sowohl Einzelantragsteller, übernehmen durfte. Behörden als auch Forscher und Medien. Im Lauf der Jahre wurden über 1 000 Anträge zum Thema Sport allein Die BStU bearbeitet Anträge in einer großen Bandbreite: von externen Forschern und Medien gestellt, davon ca. 60 von Hochschulen und Universitäten, Institutionen wie der im Berichtszeitraum. Die Erkenntnisse aus den Stasi-Un- Robert-Havemann-Gesellschaft e. V., von Museen, Pro- terlagen waren auch eine wichtige Grundlage für die Tätig- fessoren, Doktoranden, privaten Forschern bis hin zu keit der Unabhängigen Dopingkommission. Im Jahr 2002 Schülern. Nicht zu vergessen die Anträge kirchlicher Ein- beschloss der Bundestag das Dopingopfer-Hilfegesetz. Aus richtungen aus dem Gebiet der ehemaligen DDR und zu- dem Studium der Akten entstanden zahlreiche Veröffentli- nehmend auch aus den alten Bundesländern. chungen, wie „Doping in der DDR“ von Giselher Spitzer, „Sicherungsvorgang Sport – Das Ministerium für Staats- Auch für die Aufarbeitung der Rolle der Kirche in Ost sicherheit und der DDR-Spitzensport“ innerhalb der und West sind die Akten des Staatssicherheitsdienstes un- Schriftenreihe des Bundesinstituts für Sportwissenschaft, verzichtbar. Zum Beispiel sind bei Partnerschaftstreffen ebenfalls von Giselher Spitzer, oder „Staatsplan Sieg – von Kirchgemeinden auf beiden Seiten ganz unterschied- Die Instrumentalisierung des DDR-Wintersports am Bei- liche Erlebniszusammenhänge in Erinnerung geblieben. spiel Oberhof“ von Thomas Purschke, um nur wenige Die Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme und ge- Beispiele anzuführen. heimdienstlicher Überwachung der Partnerschaftskon- takte werden zwar angesprochen, jedoch führen situa- Aus Anlass des 20. Jahrestages der Friedlichen Revolu- tionsbedingt ähnliche Rücksichtnahmen, wie sie bei tion widmete sich das Zeithistorische Forum Leipzig im damaligen Treffen gepflegt wurden, auch 20 Jahre nach Berichtszeitraum ebenfalls dem komplexen Thema Auflösung der DDR und dem Ende des Staatssicherheits- „Sport und Politik“ und brachte es in einer anschaulichen dienstes zu eher indirekten Erwähnungen. Durch die Be- Ausstellung seinen Besuchern näher. Neben solchen nennung von Mitarbeitern des MfS, wie zum Beispiel des komplexen Fragestellungen werden letztlich auch immer ehemaligen Kirchenjuristen Detlef Hammer, der es in der wieder die Olympischen Spiele verschiedener Jahre oder Kirchenprovinz Sachsen bis zum Konsistorialpräsidenten einzelne deutsch-deutsche Sportbegegnungen von inlän- und als MfS-Mitarbeiter bis zum Major gebracht hatte, dischen wie ausländischen Antragstellern erforscht. So wird anschaulich, dass prinzipiell alle Vorgänge und Ab- entstehen mit Hilfe der Stasi-Unterlagen sowohl eine sprachen zwischen Ost- und Westkirchen den staatlichen Doktorarbeit über die Olympischen Sommerspiele 1972 Organen bekannt geworden sind. Diese Offenlegung leis- wie auch eine wissenschaftliche Abhandlung über die tet einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Ge- Olympischen Spiele von 1952 bis 1989. schichte bzw. Erinnerungskultur dieser Partnerschaften, sowohl auf nationaler Ebene über landeskirchlich gebun- Während das Wirken des Staatssicherheitsdienstes in der dene Vereinigungen bis hin zu Gemeindekontakten oder DDR gut dokumentiert ist, sieht es bei der Westarbeit ge- Treffen von Studentengemeinden. Für die Bestimmung gen die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin von Quantität und Qualität der Kontakte, ihrer Rahmen- deutlich anders aus. Die entsprechenden Unterlagen, vor bedingungen und der möglichen Einflussnahme von allem jene der für Spionage zuständigen Hauptverwal- DDR-Organen und Staatssicherheitsdienst ist es essen- tung Aufklärung (HVA), sind nahezu vollständig ver- ziell, die überlieferten Unterlagen des MfS zu nutzen. nichtet worden. Nicht vergessen werden darf die Rolle der Kirche bei der Zu den wichtigen Überlieferungen zählen zwei Karteien Unterstützung der oppositionellen Bewegung der DDR, der HVA, die sogenannte „Rosenholz“-Datei sowie das vom Bereitstellen kirchlicher Räume und Rechtsberatun- elektronische „Posteingangsbuch“ der HVA, die SIRA- gen durch kirchliche Anwälte bis hin zu finanzieller und Datenbank, in der von Agenten beschaffte Informationen materieller Hilfe durch die westdeutschen Kirchen und verzeichnet sind. Diese Unterlagen erlauben immerhin die Veröffentlichung von Material in bundesdeutschen das Erkennen von Personen und inhaltlichen Konturen Medien. Auch hier wird nur durch die Unterlagen des der Westarbeit der HVA. Vor allem auf diese Überliefe- Staatssicherheitsdienstes die Unterwanderung der Kir- rungen heben Berichte in den Medien und in wissen- chen durch das MfS deutlich. schaftlichen Veröffentlichungen ab, was zuverlässig anzeigt, wie aktuell die Thematik bis heute ist. Überra- Auch für den Bereich des Leistungssports gibt es nach schungen sind jederzeit möglich: Das gilt auch für Perso- wie vor ein seit Jahren ungebrochenes Interesse, war doch nen des öffentlichen Lebens und der Zeitgeschichte. der internationale Sport laut SED „ein wichtiges Feld der Gleichwohl waren die Erwartungen der Öffentlichkeit, Klassenauseinandersetzung“ sowohl im Weltmaßstab als der Medien und Forscher an „Rosenholz“ überzogen. Die auch zwischen den beiden deutschen Staaten. Heute wis- von manchen prognostizierte Enthüllungswelle über bun- sen wir, dass hier nicht nur mit methodischen Trainings- desdeutsche Agenten ist ausgeblieben – nicht nur wegen programmen gearbeitet wurde, sondern auch unerlaubte der lückenhaften Überlieferung, sondern auch, weil die Hilfsmittel genutzt wurden. Dementsprechend ist neben Erwartungen auf teilweise wilde Spekulationen gegründet der Bespitzelung auch das Doping im Sport ein immer waren. An entsprechenden Hinweisen der BStU hatte es wiederkehrendes und die breite Öffentlichkeit interessie- nicht gemangelt. Vielmehr informierte sie bereits sehr rendes Antragsthema. früh darüber, dass es sich bei der überwiegenden Anzahl – 21 – der in „Rosenholz“ verzeichneten Personen um DDR- nuar 2010 hat der Brandenburger Landtag einstimmig die Bürger handelt. Überprüfung der Abgeordneten auf eine Zusammenarbeit mit dem DDR-Staatssicherheitsdienst beschlossen; im Trotz dieser Einschränkung tragen die von der BStU für März 2010 einigten sich alle Parteien des Landtags auf die Erforschung der Westarbeit bereitgestellten Unterla- die Einsetzung einer Enquete-Kommission zur Aufarbei- gen zur Erhellung der faszinierendsten Kapitel der tung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der deutsch-deutschen Geschichte bei. Das bedeutet mitunter SED-Diktatur. für die Behörde personal- und zeitintensive Recherchen wie etwa bei den Untersuchungen zum Einfluss des Auch im Bereich des öffentlichen Dienstes sind zwar Staatssicherheitsdienstes auf die ARD oder das ZDF. vielfach Überprüfungen von Mitarbeitern auf eine frühere Beide Rundfunkanstalten haben mit großen Forschungs- Tätigkeit für das MfS durchgeführt worden, dennoch gibt projekten untersuchen lassen, inwieweit das MfS ver- es immer wieder Fälle, in denen ein bestimmtes Ereignis sucht hat, auf die öffentliche bzw. veröffentlichte Mei- Auslöser für eine weitergehende Aufarbeitung ist. So gab nung einzuwirken. Auch andere Bereiche der Medien wie beispielsweise der Aktenfund zu Karl-Heinz Kurras beispielsweise der Axel Springer Verlag haben entspre- (siehe Kapitel 5.2.2) den Anstoß dafür, dass vom Polizei- chende Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben. Weni- präsidenten des Landes Berlin ein großes Forschungsvor- ger bekannt, gleichwohl nicht von minderer Bedeutung, haben vergeben wurde, um eine mögliche Einflussnahme sind Regionalstudien, in denen die Rolle des MfS etwa in des MfS auf die Westberliner Polizei insbesondere in den Tübingen, Soest oder Münster recherchiert wurde. Zeiten des Kalten Krieges umfassend zu untersuchen.

Noch größere Aufmerksamkeit erlangten die Medien- Seit Bestehen der BStU gehört die Aufarbeitung der Tä- und Forschungsvorhaben, die den Einfluss des Staats- tigkeit des MfS im Zusammenhang mit dem nationalen sicherheitsdienstes auf den Deutschen Bundestag zum und internationalen Terrorismus zu einem der Schwer- Gegenstand haben, wobei die 6. und 10./11. Legislatur- punktthemen in der Antragstellung durch Forscher und periode bislang den größten Stellenwert einnehmen. Ge- Medienvertreter. Durch die Öffnung der Archive des MfS genwärtig fließen diese Rechercheergebnisse in ein vom ergaben sich neue Hintergrundinformationen und Zusam- Deutschen Bundestag 2010 angefordertes Gutachten ein, menhänge zu Terroraktionen sowohl in Deutschland als das alle Legislaturperioden von 1949 bis 1989 umfasst. auch im Ausland. Die im Rahmen der Antragstellung zur Mit diesem Auftrag wird nochmals unterstrichen, dass die Verfügung gestellten Unterlagen führten zu zahlreichen konspirative Arbeit des DDR-Staatssicherheitsdienstes Veröffentlichungen in Presse, Rundfunk und Fernsehen. ein gesamtdeutsches Phänomen war. Genannt seien hier beispielhaft die Dokumentation „Die Landshut-Entführung – Arabischer Terrorismus und Das anhaltende gesellschaftliche und wissenschaftliche RAF“ der MPR Film- und Fernsehproduktion GmbH, der Interesse an den Unterlagen des MfS führte in der Ver- Fernsehfilm „Mogadischu“ und zwei gleichnamige Do- gangenheit zu zahlreichen leidenschaftlichen Debatten in kumentationen bei ZDF und ARTE. allen Bereichen der Gesellschaft. Dabei nahmen auch die Wie aus den überlieferten und zum Teil wieder rekonstru- Themen Kunst und Kultur breiten Raum ein. Oftmals ierten Akten hervorgeht, organisierte die für die Terrorab- sind Erforschung und Aufarbeitung hier von besonderem wehr zuständige Hauptabteilung XXII des MfS 1980 Interesse, weil die vorhandenen Unterlagen auch Infor- bzw. 1982 die Eingliederung von insgesamt zehn RAF- mationen über bekannte Personen des öffentlichen Le- Terroristen in die DDR. Mit einer neuen Identität und ei- bens enthalten. Im Spannungsfeld zwischen dem Recht nem unauffälligen Lebenslauf ausgestattet, lebten sie in der Öffentlichkeit auf Aufklärung und dem Anspruch des verschiedenen Bezirken der DDR, u. a. in Cottbus, Leip- Einzelnen auf Schutz seines Persönlichkeitsrechts muss zig, Neubrandenburg und Frankfurt (Oder), und waren die BStU ihrem gesetzlichen Auftrag fortwährend gerecht zum Teil als inoffizielle Mitarbeiter des MfS tätig. Bereits werden. kurz nach Inkrafttreten des Stasi-Unterlagen-Gesetzes Nicht selten haben Anträge zu einzelnen Personen des öf- wurden im Januar 1992 die ersten Forschungs- und Me- fentlichen Lebens den Anstoß für eine ernsthafte Aufar- dienanträge zu dieser Thematik gestellt. Die überlieferten beitung der DDR-Geschichte gegeben: Nach der Land- Unterlagen der Hauptabteilung XXII geben einen tieferen tagswahl in Brandenburg im September 2009 ist die Einblick in das Alltagsleben dieser Personen in der DDR dortige Landespolitik von Stasi-Fällen in der Linksfrak- und ihre Anpassungsprobleme. tion erschüttert worden. Etliche MfS-Verstrickungen ein- Die Aufarbeitung zu den RAF-Aussteigern zog eine An- zelner Abgeordneter der Linksfraktion sind durch Me- tragswelle zur Geschichte der RAF nach sich, die in drei dienvertreter offengelegt worden. Erst durch deren Generationen unterteilt war und verantwortlich für zahl- Anträge bei der BStU und die sich anschließenden Her- reiche Morde, Banküberfälle und Sprengstoffattentate. ausgaben von entsprechenden Unterlagen an die Medien Auch nach 20 Jahren ist dieses Thema für in- und ausländi- ist die längst überfällige Debatte im Land Brandenburg sche Medien und Forscher von großem Interesse, was sich geführt worden. Im Ergebnis der Veröffentlichungen und anhand der eingehenden Anträge widerspiegelt. der darauf folgenden bundesweiten Diskussionen wurden wichtige Entscheidungen für das Land Brandenburg und Als mit der Öffnung der Archive des Staatssicherheits- letztlich auch für die Aufarbeitung getroffen: Anfang Ja- dienstes sichtbar wurde, dass ein nicht unbedeutender – 22 –

Teil der Bestände Materialien aus der Zeit vor 1945 ent- nen sich diese Berichte des Staatssicherheitsdienstes hielt, war nicht absehbar, welche Bedeutung dies sowohl durch einen hohen Quellenwert aus. Sie informieren über für die Erforschung des Nationalsozialismus als auch für Themen, die ansonsten in der DDR tabu waren: Zu nen- die der Geschichte des Umgangs beider deutscher Staaten nen sind in diesem Zusammenhang die „kritische, oft ab- mit ihrer Vergangenheit haben würde. lehnende Haltung großer Teile der DDR-Bevölkerung ge- genüber der Politik der SED, die Wirkungen fehlender Unterlagen aus der Zeit des Nationalsozialismus, welche demokratischer Legitimation, insbesondere die Tendenz auf dem Gebiet der DDR aufgefunden wurden, sind durch zu politischer Verweigerung, zu Opposition und Wider- das MfS übernommen, archiviert, systematisch erfasst stand“ (Udo Wengst in: Dagmar Unverhau (Hg.): Das und ausgewertet worden. Das MfS instrumentalisierte sie Stasi-Unterlagen-Gesetz im Lichte von Datenschutz und in erheblichem Ausmaß für die Herrschaftssicherung der Archivgesetzgebung, Münster, 2003). SED, nutzte und verfälschte zum Teil die dort enthaltenen Informationen über die NS-Vergangenheit von Politikern In manchen Fällen wäre ohne diese Unterlagen eine histo- der Bundesrepublik zur Durchführung von SED-Kampa- rische Aufarbeitung bisher oder überhaupt unmöglich ge- gnen mit dem Ziel, sich als der wahre konsequent antifa- wesen, entweder weil andere Erkenntnisquellen nur be- schistische Staat darzustellen. Verschwiegen wurde je- dingt zugänglich sind oder gar nicht existieren. doch, dass auch in der DDR in vielen Fällen auf eine Strafverfolgung von NS-Verbrechen verzichtet wurde, 1.6 Aktuelle Schwerpunkte der Forschungs- wenn es zweckmäßig erschien, das gesammelte Material arbeit zu operativen Zwecken zu nutzen, um Personen auf Grundlage belastender Erkenntnisse zur Zusammenarbeit Die Forscher der BStU haben im Berichtszeitraum erheb- mit dem MfS zu veranlassen. Eine objektive, vorbehalt- liche Fortschritte auf dem Gebiet der historischen Grund- lose Nutzung für die zeitgeschichtliche Forschung über lagenforschung gemacht, einem ihrer gesetzlichen Haupt- den Nationalsozialismus war weder gewollt noch zuge- aufgabenfelder, das als Dienstleistung in Wissenschaft lassen. Viele Unterlagen sind als Quelle einmalig, da sie und Öffentlichkeit gleichermaßen Anerkennung findet. keine Entsprechung im Bundesarchiv oder Berlin Docu- Im Vordergrund stand hierbei der Start eines neuen und ment Center haben. wichtigen Projekts, mit dem die BStU im Oktober 2009 Es war nicht zu erwarten, dass diese seit 1990 für die NS- an die Öffentlichkeit trat. Hier erschien der erste Band der Forschung zugänglichen Unterlagen zu grundsätzlich auf 37 Bände angelegten Edition „Die DDR im Blick der neuen Erkenntnissen führen würden. Jedoch konnten Stasi. Die geheimen Berichte an die SED Führung“. Mit viele Detailkenntnisse über Konzentrationslager, Eutha- der Veröffentlichung der geheimen Berichte, die die Zen- nasieverbrechen, Kunstraub, Wehrmacht usw. gewonnen trale Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) des werden. Beispielsweise sei hier die Geschichte eines in Ministeriums für Staatssicherheit zur Information der aller Welt bekannten und für die Verbrechen im War- Partei- und Staatsführung der DDR vom Juniaufstand schauer Ghetto als synonym geltenden Fotos erwähnt: 1953 bis zum Dezember 1989 verfasst hat, wird der For- Ein Kind mit erhobenen Händen wird von einem SS- schung und interessierten Laien eine zeitgeschichtliche Mann mit dem Maschinengewehr bedroht. MfS-Unterla- Quelle von hohem historischen Wert zur Verfügung ge- gen ermöglichten es, diesen Mann als Josef Blösche zu stellt. Die Berichte an die Parteiführung zeigen den be- identifizieren. sonderen Blick des MfS auf und in die DDR: Hinweise auf „oppositionelles“ Verhalten sind dort ebenso zu fin- In jüngster Zeit werden die Unterlagen vermehrt genutzt, den wie die Beschreibung von Problemen in Wirtschaft um auch die NS-Vergangenheit einzelner Institutionen in und Versorgung und Statistiken zum Devisenumtausch, der Bundesrepublik zu untersuchen. Da das NS-Archiv zu Ausreise- und Fluchtfällen. Scheinbar Triviales steht des MfS eine umfangreiche Materialsammlung zur perso- hier neben den größeren und kleineren Schwierigkeiten, nellen Besetzung des Justiz- und Behördenapparates im die sich bei der Etablierung und Aufrechterhaltung der Dritten Reich, der NSDAP sowie der Wehrmacht enthält, SED-Herrschaft und dem Aufbau des „real existierenden kann für diese Zwecke unschätzbares Quellenmaterial zur Sozialismus“ ergaben. Unternommen wird eine Tiefen- Verfügung gestellt werden. bohrung in die DDR-Gesellschaft, geprägt von der ge- heimdienstlichen Sicht, die vor allem darauf bedacht war, Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass am Wert der MfS- Kritik, „politisch-ideologische Diversion“ und „Unter- Akten für die historische Forschung heute kein ernst zu grundtätigkeit“ aufzudecken, zu bekämpfen und mög- nehmender Zweifel mehr bestehen kann. Das MfS war in- lichst im Keim zu ersticken. tegraler Bestandteil der Diktatur und ohne die Auswer- tung seiner Akten ist eine umfassende Aussage darüber, Wie erste positive Besprechungen bereits hervorheben, wie die Herrschaft der SED wirklich funktionierte, nicht wird die Editions-Reihe zu einem Standardwerk zur Ge- möglich. Insbesondere die Sachakten, also solche Unter- schichte der DDR, zum Verhältnis von MfS und SED so- lagen, die nicht zu einer bestimmten Person angelegt wor- wie zur Informationstätigkeit des MfS werden. Für die den waren und die einen gewichtigen Teil der Hinterlas- Edition wurde eine zweigleisige Form der Veröffentli- senschaft ausmachen, sind für die historische Forschung chung gewählt: Buchform plus CD. Im Buch wird eine von großem Wert, denn hier finden sich vor allem die Auswahl der aufschlussreichsten Dokumente publiziert. zahlreichen Berichte über die Stimmung in der Bevölke- Eine ausführliche Einleitung führt die Benutzerinnen und rung. Gegenüber Berichten von Parteidienststellen zeich- Benutzer in die Spezifika des Berichtswesens des jeweili- – 23 – gen Jahres der Publikation ein, ordnet die Berichte in den oder weitere Diensteinheiten, die unbekannt und erklä- allgemeinen zeithistorischen Kontext ein und beschreibt rungsbedürftig sind. Alle diese Gruppen von Interessier- empirisch sowie analytisch die Themenschwerpunkte der ten sollen mit Hilfe der knappen Artikel schnell und zu- Berichterstattung in dem entsprechenden Jahr. Auf der verlässig informiert werden. Das „MfS-Lexikon“ wird im CD-ROM werden alle Dokumente sowie die Beitexte des Frühjahr 2011 erscheinen. jeweiligen Jahrgangs versammelt. Die Dokumente sind in Mit Schreiben vom 28. Oktober 2010 beauftragte der Prä- Form einer Datenbank hinterlegt, die komfortable Re- cherchemöglichkeiten bietet. Mit dieser kombinierten Pu- sident des Deutschen Bundestages die Bundesbeauf- blikationsform beschreitet das Projekt für eine Edition tragte, nach § 37 Absatz 3 StUG ein Gutachten zu erstel- len, das die Einflussnahme des MfS auf die Mitglieder neue Wege. Nach einer Frist von etwa einem Jahr werden die Daten des jeweiligen Jahrgangs in die im Internet zu- des Deutschen Bundestages in den Jahren 1949 bis 1989 gängliche Datenbank eingespeist, sodass der online zur dokumentieren soll. Zuvor hatte der Ältestenrat des Deut- schen Bundestages am 7. Oktober 2010 einem entspre- Verfügung stehende Korpus kontinuierlich erweitert wird. chenden Vorhaben zugestimmt. Der Bundestagspräsident Die Bände 1976 und 1988 sind erschienen, es folgen die griff damit einen Vorschlag der Bundesbeauftragten auf, Jahrgangsbände 1961, 1960 und 1953. dem ein entsprechendes Votum des Wissenschaftlichen Beratungsgremiums bei der BStU vom 13. September Mit der Vorlage weiterer vier Bände des „MfS-Hand- 2010 zugrunde lag. An der Erarbeitung des Gutachtens buch(s). Anatomie der Staatssicherheit“ stehen nun werden sich Mitarbeiter aus mehreren BStU-Abteilungen 24 der geplanten 28 Handbuchteile zur Verfügung. Im beteiligen. Das Gutachten wird besonderen Wert auf die Mittelpunkt der zuletzt erschienenen Bücher stand wie- Interpretation der zumeist nur fragmentarisch überliefer- derum die Beschreibung von Aufgaben, Methoden und ten Akten legen. Einbindung einzelner Arbeitsbereiche des MfS. Beleuch- tet werden die Hauptabteilung III und damit Funkaufklä- 2 Die Behörde der BStU rung und -abwehr sowie die Hauptabteilung VII, die an der Schnittstelle von MfS und Ministerium des Innern ei- 2.1 Organisationsstruktur nen wichtigen Bereich kontrollierte, dem beispielsweise Die Organisationsstruktur der Behörde der Bundesbeauf- auch die Volkspolizei zugeordnet war. Die ZAIG kann als tragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes wichtigste Schaltstelle innerhalb des MfS angesehen wer- der ehemaligen DDR (BStU) hat sich seit der letzten Be- den. Die Edition ihrer Lageberichte machte es nun drin- richterstattung nicht verändert: Neben der in drei Liegen- gend, auch den Handbuchband zu ihrer Struktur und Ar- schaften in Berlin-Mitte und Berlin-Lichtenberg unterge- beitsweise komplementär vorzulegen. Mit dem Band über brachten Zentralstelle unterhält sie Außenstellen in den „Die Staatssicherheit im letzten Jahrzehnt der DDR“ neuen Bundesländern (siehe Anhänge 1 und 2). Damit wurde schließlich ein Handbuchteil vorgelegt, der von kann die BStU ihre Aufgaben im Wesentlichen in densel- der Mikroperspektive abhebt und einen Überblick über ben Strukturen wahrnehmen wie seit Beginn der 1990er- die Entwicklung des Staatssicherheitsdienstes gibt, hier in Jahre. der Endphase der DDR. Sie war nicht erst mit der Erosion der Macht 1989/90 durch massive Änderungen gekenn- Zunehmend problematisch stellt sich jedoch die Personal- zeichnet. Auch vorher galt es, sich im Zuge des KSZE- bestandsentwicklung dar (siehe Anhang 3). Deshalb wa- Prozesses flexibel auf neue Herausforderungen einzustel- ren die letzten beiden Jahre mit intensiven Überlegungen, len. Berechnungen und Diskussionen zur möglichen Ände- rung der Regionalstruktur der Behörde verbunden (siehe Überblickscharakter besitzt auch das „MfS-Lexikon“, das auch Kapitel 1.2). komprimiert das Wissen über den Staatssicherheitsdienst, seine Einheiten, Methoden, aber auch seine Einbindung 2.2 Beirat in den gesellschaftlichen, politischen und staatlichen Kontext sowie die Biografien der wichtigsten führenden Bei der Bundesbeauftragten ist ein Beirat eingerichtet, Mitarbeiter des MfS darbietet. Entstanden ist ein Nach- der sie gemäß § 39 StUG in grundsätzlichen und wichti- schlagewerk, das mit seinen vielfältigen Informationsan- gen Angelegenheiten berät. Ihm gehören acht Mitglieder geboten und dem weiten Spektrum von thematischen Ein- an, die vom Deutschen Bundestag gewählt werden, sowie trägen die Interessen unterschiedlicher Nutzergruppen neun Mitglieder, die von den Landtagen der neuen Bun- zufriedenstellt. Es wendet sich genauso an die interes- desländer gewählt werden (siehe Anhang 4). Die Zusam- sierte Öffentlichkeit, die sich Basisinformationen zum mensetzung des Gremiums trägt dem besonderen Inter- MfS erschließen will, wie an den Historiker und Studen- esse an Aufarbeitung in den neuen Bundesländern ten, der sich rasch über einen bestimmten Sachverhalt Rechnung. oder ein Detail aus der Arbeit des MfS informieren will. Im Berichtszeitraum fanden sechs Beiratssitzungen und Nicht zuletzt wurde bei der Auswahl der Stichworte an eine Sondersitzung statt. den Aktennutzer in der BStU gedacht – gleichgültig, ob er sein Recht auf persönliche Akteneinsicht wahrnimmt Der Beirat beriet die Behörde ausführlich bezüglich einer oder ob eine Wissenschaftlerin oder ein Journalist Sach- Veränderung ihrer Regionalstruktur und diskutierte die verhalte recherchiert. Immer wieder begegnen ihnen allen Vorschläge der BStU zur Novellierung des StUG. Die Er- bei der Nutzung in den Unterlagen spezifische Begriffe gebnisse zum letzteren Punkt flossen in einen Brief der – 24 –

Bundesbeauftragten an die Berichterstatter der Fraktionen Dem höchsten Personalbestand der BStU mit 3 076 Be- im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bun- schäftigten im Jahr 1995 stehen heute 1 825 Beschäftigte destages ein. Inhalt des Briefes waren Anregungen zur gegenüber. Damit ist der Personalbestand in 15 Jahren auf Novellierung des StUG. 59,3 Prozent gesunken. Die Behörde präsentierte dem Beirat umfassend die For- Von den derzeit 1 825 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schungsvorhaben und die politisch-historische Bildungs- sind 1 100 in der Zentralstelle und 725 in den Außenstel- arbeit der BStU, zu denen das Gremium Ratschläge gab. len tätig. Ein weiterer Schwerpunkt der Beiratssitzungen war die Unterrichtung über archivfachliche Themen; im Mittel- Im Berichtszeitraum verringerte sich der Personalbestand punkt standen die Erschließung der MfS-Unterlagen, die der Behörde um 84 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Grundlagen der Bewertung und Kassation von Unterla- gen (siehe auch Kapitel 3.1) sowie die Ergebnisse der Der Altersdurchschnitt der Beschäftigten ist unverändert Grobsichtung der Geheimen Ablage des MfS (siehe auch hoch. 42 Prozent der Beschäftigten sind über 55 Jahre Kapitel 3.2.1). Laufend wurde der Beirat über das Projekt und 20 Prozent über 60 Jahre alt. „Virtuelle Rekonstruktion zerrissener MfS-Unterlagen“, über Probleme bezüglich der Sanierung des Hauses 1 in Bereits in den letzten Berichterstattungen wurde auf die der Normannenstraße und dessen zukünftige Nutzung Problematik der Stellen mit kw-Vermerk hingewiesen. entsprechend dem Gedenkstättenkonzept des Bundes, Derzeit gibt es im Stellenhaushalt der BStU noch über die Öffentlichkeitsarbeit der Behörde zum 20. Jah- 413 Planstellen und Stellen mit einem solchen Vermerk, restag der Friedlichen Revolution sowie über die Grün- der bestimmt, dass diese künftig wegfallen werden und dung und Entwicklung des „Europäischen Netzwerks der somit eine Nachbesetzung nach dem Ausscheiden des für die Geheimpolizeiakten zuständigen Behörden“ infor- miert. bisherigen Stelleninhabers nicht erfolgen darf. In einer Sondersitzung im März 2010 hat sich der Beirat, Derzeit ist davon auszugehen, dass die kw-Vermerke un- auch auf Bitten des Beauftragten der Bundesregierung für ter Berücksichtigung der planmäßigen Personalabgänge Kultur und Medien, intensiv mit der öffentlichen Debatte im gehobenen Dienst nicht vor 2015 und im mittleren über politische Aktivitäten des Direktors der BStU, Hans Dienst nicht vor 2020 abgebaut sein werden. Der Perso- Altendorf, in dessen Studentenzeit in den 1970er-Jahren nalabbau wird sich also fortsetzen, wenn im Haushalts- befasst. Der Beirat stellte fest, dass es für „eine Stasiver- plan keine Änderungen der bisherigen kw-Vermerke er- strickung bzw. kommunistische Aktivitäten … und sich folgen. Auf die Initiative des Beirats der BStU gemäß daraus ergebende Befangenheiten in der Tätigkeit von § 39 Absatz 5 StUG gegenüber dem Deutschen Bundes- Herrn Altendorf als Direktor der BStU keine Anhalts- tag wird verwiesen (siehe Kapitel 2.2). Zum Haushalts- punkte“ gebe (Erklärung des Beirats vom 23. März 2010; plan 2011 sind diese Bemühungen ohne Erfolg geblieben. Pressemitteilung 24/2010 der BStU). Der hohe Altersdurchschnitt spiegelt sich auch in der be- Auf Grundlage des bei der siebten Novellierung des Ge- trächtlichen Anzahl von Verträgen zur Altersteilzeit wi- setzes Ende 2006 veränderten § 39 Absatz 5 StUG der. Insgesamt wurden bei der BStU bisher 678 Verträge wandte sich der Beirat im November 2010 wegen der Per- zur Altersteilzeit abgeschlossen. Gegenwärtig sind es sonalsituation bei der BStU mit einem Brief an den Deut- noch 257 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den schen Bundestag. Aufgrund der vielen mit einem kw-Ver- nächsten Jahren nach Beendigung ihres Altersteilzeitver- merk versehenen Stellen (kw: künftig wegfallend) trages im Block- oder Teilzeitmodell ausscheiden wer- können bei Ausscheiden von Mitarbeiterinnen und Mitar- den. beitern aus der Behörde zahlreiche Stellen nicht nachbe- setzt werden. Das betrifft insbesondere die Abteilung, die Die BStU legt großen Wert auf die Gleichstellung ihrer für die Herausgabe der Unterlagen an Privatpersonen, an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auf die Vereinbar- öffentliche und nicht öffentliche Stellen sowie an Antrag- keit von Beruf und Familie. Dies zeigt sich insbesondere steller aus dem Forschungs- und Medienbereich zustän- in Teilzeitmodellen, die den persönlichen Bedürfnissen dig ist. Der Beirat bat angesichts der weiterhin hohen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter individuell ange- Nachfrage nach den Dienstleistungen der BStU um die passt sind. Von den 184 Beschäftigten, die Teilzeit in An- Einrichtung zusätzlicher Stellen, mindestens aber um spruch nehmen, sind 163 weiblich. Korrektur der kw-Vermerke. Dieser Bitte wurde nicht entsprochen. Zu den Konsequenzen dieser Entscheidung Im Jahr 2010 wurde damit begonnen, die bei Inanspruch- siehe Kapitel 2.3.1 und 4.1.1. nahme von Teilzeit anfallenden sogenannten Stellenreste zu bündeln, um dem Personalabbau entgegenzuwirken. 2.3 Personal Dadurch konnten 15 Bürosachbearbeiter- und fünf Sach- bearbeiterfunktionen neu besetzt werden. 2.3.1 Personalbestand und Personal- entwicklung Ein wichtiges Anliegen ist der BStU ebenfalls, einen ho- hen Anteil an weiblichen Führungskräften zu haben. So Der Trend, dass sich der Personalbestand der BStU von sind fast die Hälfte aller Referatsleiterfunktionen und Berichtszeitraum zu Berichtszeitraum verringert, hat sich 70 Prozent der Sachgebietsleiterstellen mit Frauen be- fortgesetzt. setzt. – 25 –

Der Anteil schwerbehinderter Mitarbeiterinnen und Mit- Der Bereich Personalentwicklung hat im Berichtszeit- arbeiter beträgt derzeit 11,3 Prozent. Die Beschäftigungs- raum weiterhin die Führungskräfte des höheren, gehobe- quote von schwerbehinderten Menschen liegt bereits seit nen und mittleren Dienstes unterstützt. Der Schwerpunkt Mai 2006 dauerhaft über 10 Prozent und damit deutlich lag dabei im Jahr 2009 im Einzelcoaching, an dem über der vorgegebenen Quote. 23 Führungskräfte teilnahmen. Es fanden insgesamt über 60 Coachingsitzungen statt, die durch externe Anbieter 2.3.2 Fort- und Weiterbildung moderiert wurden. Damit wurde dem Wunsch vieler Füh- rungskräfte, in ihrer Leitungsaufgabe individuell unter- Der zielgerichteten mittel- und langfristigen Personalent- stützt zu werden, Rechnung getragen. wicklung kommt angesichts der demografischen Ent- wicklung bei der BStU und der sich gravierend verrin- Außerdem nahmen vier Teams die Möglichkeit wahr, sich gernden personellen Ressourcen nach wie vor sehr große durch ein Teamcoaching begleiten zu lassen und gemein- Bedeutung zu. sam daran zu arbeiten, fachliche Arbeitsabläufe und/oder die Gestaltung ihrer Zusammenarbeit zu verbessern. Im Mittelpunkt der fach- und funktionsbezogenen Fort- bildung standen im Berichtszeitraum Seminare u. a. zu Im August 2009 begann das Führungskräftefeedback, das einer neuen Beurteilungsrichtlinie, zum Dienstrechtsneu- in allen Phasen von einem externen Beratungsunternehmen ordnungsgesetz, zum StUG, für Ausbilderinnen und Aus- begleitet wurde. Rund 1 600 Mitarbeiterinnen und Mitar- bilder und Veranstaltungen zu den Themen Kommunika- beiter hatten zunächst die Möglichkeit, das Führungs- tion, Umgang mit Konflikten und Stressbewältigung. Im verhalten ihrer unmittelbaren Vorgesetzten (177 Füh- Vordergrund stand hierbei eine Stärkung der sozialen rungskräfte des höheren und gehobenen Dienstes) per Kompetenzen. An 48 angebotenen hausinternen Veran- Fragebogen online einzuschätzen. Rund 60 Prozent von staltungen haben insgesamt 603 Mitarbeiterinnen und ihnen nutzten diese Chance. Mitarbeiter teilgenommen. Die Ergebnisse wurden durch den externen Berater in Speziell für die Beschäftigten des Auskunftsbereichs Einzelgesprächen mit allen Führungskräften ausgewer- wurde eine neue Form der Fortbildung angeboten. Seit tet. Insgesamt waren dafür acht Coaches im Einsatz. Im Dezember 2009 finden sich regelmäßig Kolleginnen und sich anschließenden Teamfeedback besprachen 173 Füh- Kollegen zusammen, um durch Supervision Unterstüt- rungskräfte und ihr jeweiliges Team unter Moderation der zung in ihrer täglichen Arbeit mit den Antragstellerinnen externen Coaches die Ergebnisse, arbeiteten Potenziale und Antragstellern zu erfahren. zur Verbesserung der Führungskultur und Zusammenar- beit heraus und betonten auch, wo bereits Erfolge zu ver- Es geht dabei insbesondere darum, Themen, die die zeichnen sind. Dieser Prozess war im Januar 2010 abge- Gruppe in Bezug auf ihre Arbeit bewegen, miteinander zu schlossen. besprechen, sich bereichsübergreifend auszutauschen, emotionale Schwierigkeiten zu erörtern und im Konflikt- In 30 Fällen wurden als Ergebnis des Teamfeedbacks fall gemeinsam nach Lösungen zu suchen. zwischen Coach und Führungskraft bzw. Team Vereinba- Supervision kann in diesen Fällen entlasten, unterstützen, rungen getroffen, dass die Führungskraft und/oder das verbinden, klären, trennen oder gar neue Blickwinkel er- Team in ihrer Rolle und/oder Zusammenarbeit weiterfüh- öffnen. Damit dient sie primär dem Erhalt der Arbeits- rend unterstützt werden sollten. Diese sogenannten Hand- kraft. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erarbeiten lungsbedarfe wurden vom Sachgebiet Personalentwick- sich neue Möglichkeiten im Umgang mit der eigenen Tä- lung aufgegriffen. Die betreffenden Führungskräfte oder tigkeit. Dabei sollen Arbeitsinhalte und Ziele neu defi- Teams werden fortlaufend beraten und durch verschie- niert und positiv umgesetzt und genutzt werden können. dene Personalentwicklungsmaßnahmen betreut. Neun Führungskräfte werden als Folge der Rückmeldungen aus Insgesamt nutzen ca. 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Feedback Unterstützung in Form von Einzelcoa- aus dem Auskunftsbereich der Zentralstelle und der Au- ching nutzen, zwei Bereiche werden ein Teamcoaching in ßenstellen die Supervision als Unterstützung für ihre täg- Anspruch nehmen, weitere Führungskräfte an verschiede- liche Arbeit. nen Führungsseminaren teilnehmen. Für die Beschäftigten des Haussicherungsdienstes wurde Es besteht grundsätzlich Einvernehmen zwischen der eine spezielle Seminarreihe konzipiert, die insbesondere Dienststelle und der Personalvertretung, das Führungs- darauf zielte, die kommunikativen Fähigkeiten dieser kräftefeedback fortzusetzen. Kolleginnen und Kollegen auszubauen und ihnen fachli- ches Grundwissen zum StUG zu vermitteln. An den ins- 2.3.3 Ausbildung gesamt elf dreitägigen Veranstaltungen „Professionell kommunizieren und erfolgreich agieren“ sowie „Einfüh- Die Zahl der Auszubildenden bei der BStU ist seit 2005 rung in das StUG“ nahmen 143 Mitarbeiterinnen und auf kontinuierlich hohem Niveau. Im September 2009 Mitarbeiter des Haussicherungsdienstes teil. waren in der Berliner Zentralstelle und den Außenstellen 104 junge Menschen in der Ausbildung. Darüber hinaus nutzten viele Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter die Fortbildungsangebote der Bundesakademie für Im September 2010 begannen insgesamt 28 junge Frauen öffentliche Verwaltung sowie anderer externer Anbieter und Männer ihre Ausbildung: 20 Fachangestellte für Me- zu Fach- und Führungsthemen. dien- und Informationsdienste (sechs in der Zentralstelle, – 26 –

14 in den Außenstellen) und acht Fachangestellte für Bü- Forderung angepasst, jeder Mitarbeiterin bzw. jedem Mit- rokommunikation (in der Zentralstelle). Insgesamt erler- arbeiter ab einer Fehldauer von sechs Wochen ein Ein- nen damit derzeit 95 Auszubildende einen Beruf bei der gliederungsmanagement anzubieten. Es fand Erweiterung BStU. durch die Einführung eines Mitarbeiterschreibens, das noch während der Erkrankungsphase an die private Die ca. 185 Kolleginnen und Kollegen, die als Ausbilde- Anschrift des Beschäftigten gesandt wird. Ziel dieses rinnen und Ausbilder am Arbeitsplatz fungieren, wurden Schreibens ist, durch eine Kontaktaufnahme mit dem Be- auch in diesem Berichtszeitraum durch Fortbildungen un- schäftigten bereits vor der Rückkehr notwendige Unter- terstützt (Grundseminar „Ausbildende am Arbeitsplatz“ stützungsmaßnahmen einleiten zu können. und Aufbauseminar „Umgang mit und Beurteilung von Auszubildenden“). Hinzu kamen Workshops, die den Im Berichtszeitraum sind die bewährten Maßnahmen der fachlichen Austausch beförderten und Klärung in vielen betrieblichen Gesundheitsförderung fortgesetzt worden. fachlichen Fragen brachten. Wie in den Jahren zuvor sind zentral organisierte Grippe- schutzimpfungen, Blutspenden, Physiotherapieangebote, 2010 beendeten bei der BStU erstmals 20 Fachangestellte Augen- und andere Untersuchungen durch die Betriebs- für Medien- und Informationsdienste ihre Ausbildung, ärztin angeboten und von den Beschäftigten genutzt wor- ebenso zehn Fachangestellte für Bürokommunikation und den. zwei Fachinformatiker. Neben sechs unbefristeten Stellen konnten weitere 15 Stellen für die Dauer eines Jahres für Ferner wurden präventive Kurse der Krankenkassen die ausgelernten Azubis als Anschlussbeschäftigung zur – Yoga und Pilates – außerhalb der Arbeitszeit in der Zen- Verfügung gestellt werden. tralstelle angeboten und angenommen, Gesundheitstage in der Zentral- und einer Außenstelle, ein Fitness-Tag mit 2.3.4 Betriebliche Gesundheitsförderung einer Krankenkasse und anderes mehr durchgeführt. Der 2010 im Archiv der Zentralstelle veranstaltete Gesund- Die betriebliche Gesundheitsförderung ist inzwischen ein heitstag unter dem Motto „Atem holen“ wurde von den fester Bestandteil des Arbeitsalltags der BStU. Die beson- Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit großem Interesse deren Belastungen und Herausforderungen, denen sich angenommen. Die Veranstalter – Krankenkassen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich stellen, ma- Kleinunternehmen – äußerten sich zufrieden sowohl über chen dies immer mehr erforderlich. Die Mitglieder des im die Organisation als auch das Interesse der Belegschaft. Jahr 2004 gebildeten Arbeitskreises Gesundheit, die Be- auftragte für Betriebliche Gesundheitsförderung, der Im Archiv der Zentralstelle ist ein, sich möglicherweise Ausschuss für Arbeitssicherheit, die Betriebsärztin und auf die gesamte Behörde ausweitendes, Projekt zur Ver- die Sozialarbeiterin tragen dazu bei, dass betriebliche Ge- besserung der Arbeitsbedingungen an den Karteipater- sundheitsförderung umgesetzt wird. Dennoch kann die nostern in Zusammenarbeit mit Ergotherapeutinnen als BStU bei allen Bemühungen nicht allen Anforderungen Pilotprojekt realisiert worden. und Wünschen gerecht werden. Die Kolleginnen und Kollegen können sich jederzeit im Der Krankenstand ist im Berichtszeitraum im Vergleich Intranet und an Aufstellern mit Broschüren, Flyern usw. zu den Vorjahren weiterhin leicht gestiegen. So erhöhte er zu unterschiedlichsten Themen mit Gesundheitsbezug in- sich um 0,47 Arbeitstage pro Mitarbeiter von 23,14 im formieren. Jahr 2008 auf 23,61 im Jahr 2009. 2.4 Haushalt Neben anderen Einflussfaktoren erfordern der hohe Al- tersdurchschnitt und die hochsensible Arbeitsmaterie eine Im Haushaltsjahr 2009 lagen die Gesamtausgaben der besondere Fürsorge durch die personalbetreuenden Berei- BStU bei 99 800 000 Euro. Sie setzen sich zusammen aus che. Der Personalabbau der Behörde schreitet voran und 80 497 000 Euro Personalausgaben (80,7 Prozent der Ge- damit die Problematik, mit immer weniger Beschäftigten samtausgaben), 17 184 000 Euro sächlichen Verwal- die gleichbleibend hohe Arbeitsmenge bewältigen zu tungsausgaben (17,2 Prozent) sowie 2 119 000 Euro Aus- müssen. Dies lässt den Druck auf alle Beschäftigten stei- gaben für Investitionen (2,1 Prozent). gen und erfordert in besonderem Maße, großen Wert auf Im Haushaltsjahr 2010 betrugen die Gesamtausgaben gute Arbeitsbedingungen zu legen. 100 448 000 Euro, dabei lagen die Personalausgaben bei Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) 80 745 000 Euro (80,4 Prozent), die sächlichen Verwal- nach § 84 SGB IX greift dann, wenn es darum geht, nach tungsausgaben bei 16 421 000 Euro (16,3 Prozent) und längerer Erkrankung eines Beschäftigten herauszufinden, die Ausgaben für Investitionen bei 3 282 000 Euro ob seine Ausfallzeiten auf Faktoren basieren, auf die die (3,3 Prozent). BStU Einfluss hat und, sollte dies der Fall sein, diese Der Haushaltsplan 2011 sieht ein Volumen von nach Möglichkeit zu beheben. Das Verfahren des BEM 95 888 000 Euro vor, darunter 78 704 000 Euro Personal- wurde im Berichtszeitraum ausgewertet und evaluiert. ausgaben, 16 744 000 Euro sächliche Verwaltungsausga- Überwiegend handelt es sich bei den ergriffenen Maßnah- ben und 440 000 Euro Ausgaben für Investitionen. men um ergotherapeutische (etwa Stehpulte) oder arbeits- organisatorische (z. B. Umorganisieren von Aufgaben, Aufgrund der Sparmaßnahmen der Bundesregierung und Arbeitszeitveränderung), seltener um einen Arbeitsplatz- des Parlaments wird der Etat der BStU im Jahr 2011 um wechsel. Das Verfahren des BEM wurde der gesetzlichen fast 5 Prozent geringer sein als im Jahr 2010. – 27 –

Zwar wurden der BStU für 2011 zusätzliche Forschungs- eine Nachnutzung und gemeinsame Weiterentwicklung mittel, insbesondere für das Projekt „Virtuelle Rekon- erfolgen. Eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung struktion zerrissener MfS-Unterlagen“, bereitgestellt, je- zwischen den beiden Häusern wurde im November 2010 doch wurden im weitaus höheren Maße die Ausgaben im unterzeichnet. Die Maßnahmen sind zudem darauf ausge- IT-Bereich und im Bereich der sonstigen sächlichen Ver- richtet, den Beschluss des IT-Rates, des zentralen Gre- waltungsausgaben abgesenkt. Zudem werden Tarif- bzw. miums für die Steuerung aller IT-Fragen auf Bundes- Besoldungserhöhungen (einschließlich der Erhöhung der ebene, umzusetzen, den Energieverbrauch um 40 Prozent Leistungsprämien für Beschäftigte) sowohl im Haushalt zu senken. 2011 als auch in der Finanzplanung künftig nicht mehr berücksichtigt. Die vorgenannten IT-Großprojekte werden wegen ihrer Bedeutung und ihres Umfangs in dem Ende 2007 als Da 80 Prozent des Etats für Personalausgaben vorgesehen Stabsstelle bei der Behördenleitung neu geschaffenen sind, trifft dies die BStU im besonderen Maße. Das wird Projektleitungsbüro mit personeller Unterstützung aus auch zur Folge haben, dass wichtige Projekte der Behörde dem gesamten Haus durchgeführt und durch den Len- zwar nicht aufgegeben werden, aber zeitlich gestreckt kungsausschuss als oberstes Entscheidungsgremium in werden müssen (z. B. die Einführung des elektronischen Projektangelegenheiten gesteuert. Archivs). 2.6 Liegenschaften 2.5 IT-Ausstattung und -Entwicklung Vor dem Hintergrund der Schließung der Außenstelle Die Beschäftigten der BStU sind zu 90 Prozent mit einem Potsdam Ende 2008 mussten im Berichtszeitraum Lösun- persönlichen Arbeitsplatzcomputer ausgestattet. Jede gen gefunden werden, die Präsenz der BStU in der Lan- Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter der Behörde verfügt deshauptstadt Brandenburgs weiterhin zu gewährleisten. über ein eigenes Login. Beschäftigte, die nicht über einen Übergangsweise bot die Behörde zunächst im Abstand Arbeitsplatzcomputer verfügen (z. B. Haushandwerker, von zwei Wochen im Alten Rathaus am Alten Markt in Fahrdienst, Kartei- und Magazinmitarbeiter), haben über Potsdam eine Bürgersprechstunde an. Parallel dazu wur- zentrale Computer u. a. Zugriff auf das Intranet und ihr den in der „Gedenkstätte Lindenstraße 54/55 für die Op- persönliches Postfach. fer politischer Gewalt im 20. Jahrhundert“ Räume baulich Im Ergebnis des in den Jahren 2007 und 2008 durchge- hergerichtet, die die Stadt Potsdam der BStU im Rahmen führten Projekts „IT-Analyse“ kamen auf die Informa- eines Kooperationsvertrages kostenfrei zur Verfügung tionstechnik bei der BStU neue Herausforderungen hin- stellt. Seit Juli 2010 finden dort Ausstellungen und Veran- sichtlich ihrer Infrastruktur und der Softwaretechnologie staltungen der BStU statt, bereits seit Mai 2010 können zu. Die IT-Infrastruktur wurde auf modernere Systeme sich Bürgerinnen und Bürger dort zu festen Zeiten bera- und Netzwerke umgestellt. Softwareseitig werden zurzeit ten lassen. die veralteten Serverbetriebssysteme durch offenere und Für die Liegenschaft in der Mauerstraße in Berlin-Mitte, unabhängigere Lösungen ersetzt. Daneben erfolgen eine in der viele Jahre das Informations- und Dokumentations- Ablösung des bisher verwendeten Datenbanksystems so- zentrum der Zentralstelle mit seiner Dauerausstellung un- wie eine Portierung der alten Datenbank-Bearbeitungs- tergebracht war, ließ die Bundesanstalt für Immobilien- programme auf neue browserbasierte Programme. Gerade aufgaben als Vermieterin im Berichtszeitraum von der hier liegt eine sehr große Herausforderung, da durch die zuständigen Bauverwaltung ein detailliertes Brandschutz- historisch gewachsene, sehr heterogene IT-Landschaft na- gutachten erstellen. Im Ergebnis musste festgestellt wer- hezu alle hausinternen Fachverfahren (ca. 35) betroffen den, dass ein Weiterbetrieb des Zentrums nur durch eine sind. aufwändige und überaus teure Sanierung des Gebäudes Mit diesen Maßnahmen der IT-Infrastruktur-Konsolidie- zur Sicherstellung des Brandschutzes möglich gewesen rung, die im Wesentlichen in einem gesonderten und sehr wäre. Zum 30. April 2010 musste der Ausstellungsbetrieb aufwändigen Großprojekt erfolgt, werden die Vorausset- eingestellt und das Dokumentationszentrum geschlossen zungen geschaffen, um den zukünftigen Herausforderun- werden. gen an die IT-Landschaft der Behörde gewachsen zu sein. Nach der Gedenkstättenkonzeption des Bundes soll die Hierzu zählen insbesondere die langfristige Sicherstel- Berliner Dauerausstellung der BStU langfristig in ein Do- lung der Speicherung und Verfügbarkeit der Daten der kumentations- und Bildungszentrum „Repression in der BStU und die Absicherung sowie Vorbereitung der für die SED-Diktatur“ einfließen, das in den nächsten Jahren im Behörde wichtigen Großprojekte wie das vom Bundestag ehemaligen Dienstsitz des Ministers für Staatssicherheit initiierte Pilotverfahren „Virtuelle Rekonstruktion zerris- in der Normannenstraße in Berlin-Lichtenberg entstehen sener MfS-Unterlagen“ und das „elektronische Archiv wird. (eArchiv)“. Mit dem Projekt „Virtuelle Rekonstruktion zerrissener MfS-Unterlagen“ sollen die Ende 1989 von Für die Unterbringung des Informations- und Dokumen- Stasi-Mitarbeitern per Hand zerrissenen Unterlagen tationszentrums in der Zwischenzeit konnten nach einem schneller rekonstruiert werden, als dies mit dem rein ma- entsprechenden Erkundungsverfahren Räume in der Zim- nuellen Verfahren möglich ist (siehe Kapitel 3.6.2). Beim merstraße 90/91 angemietet werden. Das Gebäude liegt „elektronischen Archiv“ soll auf der Grundlage der Ar- ebenfalls in Berlin-Mitte, in unmittelbarer Nähe zum ehe- chivverwaltungssoftware BASYS 2 des Bundesarchivs maligen Grenzübergang Friedrichstraße „Checkpoint – 28 –

Charlie“. Der Mietvertrag läuft über die Dauer von zwei Ein zeitgemäßer Datenschutz muss mit der technischen Jahren mit der Möglichkeit der Verlängerung um ein Jahr. Entwicklung Schritt halten und den Herausforderungen Anfang Juli 2010 nahm das Informations- und Dokumen- auch auf dieser Ebene begegnen. Ein entsprechendes In- tationszentrum in den neuen Räumen seinen Bildungs- formationssicherheits- und Datensicherheitsniveau erar- und Seminarbetrieb wieder auf. Im Januar 2011 wird eine beitet sich die BStU durch die Etablierung eines Informa- neue Dauerausstellung eröffnet werden, die über Aufbau tionssicherheitsprozesses. Sie folgt damit dem von der und Wirkungsweise des Staatssicherheitsdienstes infor- Bundesregierung zu diesem Thema beschlossenen Um- miert und Einblick in die Lebenswege von Betroffenen setzungsplan. Ziel ist die Erlangung eines Zertifikats nach gewährt. IT-Grundschutz, das vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) beschrieben worden ist. Das Im Zuge der durch die Bundesregierung eingeleiteten umfasst sowohl die Prüfung des bereits vorhandenen Ma- Maßnahmen zur energetischen Sanierung von Bundes- nagementprozesses als auch die Umsetzung von neuen bauten und mit dafür bereitgestellten Haushaltsmitteln Sicherheitsmaßnahmen. Dadurch werden Risiken für die wurde 2009 die Wärmedämmung der Fassade in der Au- verarbeiteten Daten und Informationen frühzeitig erkenn- ßenstelle realisiert. und beherrschbar. Durch die 2010 darüber hinaus bewilligten Mittel des Die Zertifizierung unterstützt die Behörde darin, die sich Konjunkturprogramms war es möglich, auch für das Ar- aus ihrem gesetzlichen Auftrag und aus § 1 Absatz 1 chivgebäude der Zentralstelle in Berlin-Lichtenberg eine BDSG (den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch seit längerem geplante entsprechende Sanierung vorzu- den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in sei- nehmen. Die umfangreichen Arbeiten begannen im nem Recht beeinträchtigt wird, selbst über die Preisgabe Herbst 2010. und Verwendung seiner Daten zu bestimmen) ergebende Als weitere Maßnahme des Konjunkturprogramms Notwendigkeit des Datenschutzes noch besser zu gewähr- konnte der Lesesaal in der Außenstelle Leipzig zu einem leisten. großzügigen multifunktionalen Raum umgebaut und für die Durchführung von Veranstaltungen mit zeitgemäßer Daneben bedarf es der ständigen Aktualisierung eines an- Technik ausgestattet werden. gemessenen Datenschutzbewusstseins bei den Mitarbeite- rinnen und Mitarbeitern, die zugleich auch Betroffene In der Außenstelle wurden mit Konjunkturmit- sind. Durch regelmäßige Dienstberatungen, Datenschutz- teln im Archivbereich Jalousien installiert, sodass das Ar- seminare und umfangreiche Sensibilisierungsmaßnahmen chivgut dauerhaft vor schädlichem Lichteinfall geschützt zu den Belangen der Informationssicherheit ist der hohe wird. Standard bei der Entwicklung neuer Arbeitsabläufe auch im Berichtszeitraum nicht nur weiter abgesichert, sondern 2.7 Datenschutz und Informationssicherheit noch verfeinert worden. So sind z. B. letzte Novellierun- gen des BDSG insbesondere in der Auftragsdatenverar- In Zeiten des Internets, allgegenwärtiger Informations- beitung nach § 11 BDSG, die die verantwortlichen Stellen technik und zunehmend komplexer werdender Datenver- mit bußgeldbewährten Pflichten versehen, bei der BStU arbeitungsprozesse ist für die BStU die Gewährleistung bereits Jahre zuvor schon in regelmäßiger Absprache mit der im StUG und im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) der behördlichen Datenschutzbeauftragten umgesetzt geforderten rechtlichen Sicherheit im Zusammenhang mit worden. Das bedeutet u. a., dass die BStU genaue daten- der Verwendung von Daten eine Selbstverständlichkeit. schutzrechtliche Vorgaben für die jeweiligen Auftragneh- Die in der Anlage zu § 9 BDSG sowie in § 40 StUG – so- mer erteilt, diese ständig kontrolliert und die Kontrollen weit es sich um MfS-Unterlagen handelt – geforderten dokumentiert. Maßnahmen werden ständig überprüft. Das Gleiche gilt für die Einführung neuer Fachanwen- Das bedeutet im Einzelnen, dass Unbefugten der Zutritt dungen und IT-Lösungen im Zusammenhang mit dem zu Räumen mit Datenverarbeitungsanlagen verwehrt ist, Mitarbeiterdatenschutz bis hin zur Umsetzung der Sicher- um das Risiko einer unberechtigten Kenntnisnahme oder heitsanforderungen der BStU, die sich aus den Sicher- Manipulation personenbezogener Daten zu minimieren. heitszielen der Behörde ableiten. Die BStU nutzt zur Diese Sicherheit wird u. a. durch moderne Alarmanlagen Etablierung und Umsetzung des Informationssicherheits- oder Schließsysteme sowie durch das Wachpersonal ge- prozesses die Angebote des BSI, zieht externen Sachver- währleistet. stand zu Rate und setzt konsequent die im BSI-Gesetz Um jeden unberechtigten Zugang zu den Datenverarbei- festgeschriebenen Forderungen um. tungssystemen und jedes Einwirken auf den Verarbei- Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die In- tungsprozess zu verhindern, sind bei der BStU umfang- formationsfreiheit (BfDI) besuchte im Berichtszeitraum reiche Sicherungssysteme installiert. So sind für jedes die Außenstellen Halle und Gera sowie die Zentralstelle Datenbanksystem Zugriffsrechte geregelt, deren Einhal- der BStU. Die Schwerpunkte dieser Besuche waren die tung regelmäßig kontrolliert wird. Kontrolle und Beratung zur Einhaltung datenschutzrecht- Ebenfalls von großer Bedeutung ist die verantwortungs- licher Vorschriften bei der Bearbeitung von Anträgen von volle Auswahl von externen Software- und Beratungs- Forschern und Medien auf Auskunft und Einsicht in MfS- unternehmen, die für die BStU nach den datenschutz- Unterlagen gemäß §§ 32 bis 34 StUG sowie die Siche- rechtlichen Vorgaben der Behörde tätig werden. rung der Liegenschaften nach § 40 StUG. Die Umsetzung – 29 – des gesetzlichen Auftrages durch die BStU war für den sen, verwahrt und verwaltet (§ 37 Absatz 1 Nummern 1 BfDI so interessant, dass drei seiner Beschäftigten im No- und 2 StUG). Im StUG hat der Gesetzgeber festgelegt, vember 2009 mit Gästen der polnischen Datenschutzbe- dass die Unterlagen für darin beschriebene Zwecke zu hörde einen Informationsbesuch im zentralen Archiv der verwenden sind und dafür zugänglich gemacht werden. Behörde durchführten. Durch den BfDI wurde der BStU Unabhängig davon sind die Unterlagen gemäß ihrem his- wieder ein sehr hohes datenschutzrechtliches Verständnis torischen Wert dauernd aufzubewahren. Sie gehören in und Bewusstsein im Umgang sowohl mit den Unterlagen den Kontext der archivalischen Überlieferung aus 40 Jah- des ehemaligen MfS als auch mit den allgemeinen Ver- ren DDR-Geschichte und werden auch künftigen Genera- waltungsunterlagen, die personenbezogene Daten enthal- tionen unentbehrliche Quellen für wissenschaftliche For- ten, bescheinigt. Es wurde wiederholt nicht nur die vor- schungen sein. ausschauende Umsicht, sondern auch das über Jahre manifestierte Bedürfnis der BStU nach Prävention im Von den rund 111 Kilometern Schriftgut – archivierte Ab- Umgang und dem Schutz dieser Daten gelobt. lagen und Unterlagen der Diensteinheiten (siehe Kapitel 3.2) – wurden inzwischen thematisch erschlos- sen: 84 Prozent (50 786 lfd. M.) Unterlagen der Dienst- 2.8 Anträge nach dem Informationsfreiheits- einheiten und 4 Prozent (2 087 lfd. M.) archivierte Abla- gesetz gen. Neben dem Schriftgut sind ca. 1,6 Millionen audio- Mit dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informa- visuelle Medien (z. B. Fotos, Filme, Tondokumente) und tionen des Bundes vom 1. Januar 2006 (IFG) fand ein maschinenlesbare Daten aus wichtigen Datenprojekten Paradigmenwechsel vom vormaligen Prinzip der be- des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) überliefert, schränkten Aktenöffentlichkeit zum voraussetzungslosen deren Erschließungsstand nun bei 53 Prozent liegt (siehe Zugangsanspruch zu amtlichen Informationen statt. Bei Kapitel 3.2.3). Zudem sind dem Umfang mehr als der BStU gingen zwischen April und Dezember 2009 15 000 Behältnisse mit zerrissenen Unterlagen hinzuzu- zwei Anträge nach dem IFG ein, im Jahr 2010 waren es rechnen. elf Anträge. Überwiegend beriefen sich Medienvertreter Aus den oben genannten Eckpunkten ergeben sich so- auf das IFG, um von der BStU – über die Akteneinsichts- wohl permanente als auch aktuelle Schwerpunkte für die rechte nach dem StUG hinaus – Informationen über Per- Archivarbeit. Die mit hoher Priorität versehene konti- sonen der Zeitgeschichte und Informationen über die Ar- nuierliche Kernarbeit ist die Erschließung des Schriftgu- beitsweise der BStU zu erhalten. tes und der audio-visuellen Medien aller Teilbestände – In diesen Fällen treten vielfältige Abgrenzungsprobleme also der Unterlagen der Diensteinheiten. zwischen dem IFG und dem StUG auf. Unstreitig und Im Berichtszeitraum konnte in der Zentralstelle die Er- selbstverständlich sind folgende Grundsätze: MfS-Unter- schließungsarbeit an einigen Teilbeständen beendet wer- lagen im Sinne des § 6 StUG werden nur nach dem StUG den. Dazu gehören der Teilbestand Hauptabteilung eingesehen, allgemeine Verwaltungsvorgänge der BStU (HA) VI (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel) sowie di- unterliegen der Einsichtnahme nach dem IFG. Sobald verse Unterstrukturen aus Teilbeständen der HA XIX aber berechtigterweise personenbezogene Daten und In- (Verkehr, Post- und Nachrichtenwesen), HA XX (Staats- formationen aus den Stasi-Unterlagen in Verwaltungsvor- apparat, Kultur, Kirche, Untergrund), HA Personen- gänge der BStU übernommen werden (z. B. Aufstellun- schutz, HA IX (Untersuchungsorgan) u. a. Daneben sind gen, Tabellen, Vermerke, in denen Informationen aus den thematische Schwerpunkte, die oftmals an konkrete Nut- MfS-Unterlagen verarbeitet, kommentiert und erörtert zerinteressen gebunden sind, gesetzt worden. werden), entstehen Informationen, deren rechtlich sach- gerechte Einordnung schwierig ist. Für diese Informatio- Die in Bündeln und losen Blattsammlungen überlieferten nen hat das Verwaltungsgericht Berlin (Aktenzeichen Unterlagen der Bezirksverwaltungen des MfS Rostock VG 2 A 8.07) den Begriff „Meta-Daten“ gebildet (Infor- und Karl-Marx-Stadt wurden im Berichtszeitraum voll- mationen aus MfS-Unterlagen, die in Verwaltungsakten ständig erschlossen und der Nutzung zugänglich ge- aufgenommen wurden). Demnach erfolgt die Einsicht- macht. Die nun frei gewordenen personellen Ressourcen nahme in Verwaltungsvorgänge zunächst nach dem IFG. werden für den Fortgang der Erschließung von Unterla- Der Zugang zu den sogenannten Meta-Daten hingegen er- gen anderer MfS-Bezirksverwaltungen eingesetzt. Inzwi- folgt in analoger Anwendung der Schutznormen des schen arbeiten vier Außenstellen der BStU für fünf an- StUG. dere in Kooperationen (siehe Kapitel 3.2.2). Die Erschließungsprioritäten beruhen auf konzeptionellen 3 Archivbestände Überlegungen. Regelmäßig finden intensive Diskussio- 3.1 Grundsätzliche Arbeitsschwerpunkte nen über Prioritäten und Erschließungstiefen im Fachbe- reich und abteilungsübergreifende Abstimmungen statt. Die in den Archiven der BStU aufbewahrte Überliefe- Die Erschließungskonzeptionen folgen archivischen so- rung, die die zentrale und regionale Tätigkeit des Staats- wie politischen und gesellschaftlichen Kriterien, wonach sicherheitsdienstes dokumentiert, ist die Grundlage der neben der Prioritätsbestimmung auch Verzeichnungstiefe Arbeit der Behörde. Unter Anwendung der Regelungen und -intensität den fachlichen Erfordernissen für die je- des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUG) werden die Unter- weilige Überlieferung gerecht werden. Gleiches gilt für lagen nach archivischen Grundsätzen bewertet, erschlos- die Erschließung der audio-visuellen Medien und maschi- – 30 – nenlesbaren Daten (siehe Kapitel 3.2.3), die parallel zur Mehr noch als in vergangenen Berichtszeiträumen ver- Schriftguterschließung läuft. schiebt sich die Arbeitsorganisation auf Projekte. Diese sind thematisch breit gefächert, zeitlich eng bemessen Die BStU ist gemäß § 37 Absatz 1 Nummer 2 StUG zur und werden vorrangig mit eigenem Personal bewältigt. Bewertung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes Sie sind teils als sogenannte Großprojekte abteilungs- nach archivischen Grundsätzen verpflichtet. Grundsätz- übergreifend organisiert, teils in der Federführung der lich hält die BStU die Überlieferung als Gesamtbestand Abteilung Archivbestände. Die aktuellen Projekte im Ar- für aufbewahrungswürdig. Gleichwohl gibt es auch hierin chivbereich lassen sich unter drei Schwerpunkten zusam- Unterlagen, die weder für die aktuelle Aufgabenerfüllung menfassen: der BStU noch für heutige und zukünftige Forschungen von Bedeutung sind. In einem seit April 2001 geltenden Ein erster Schwerpunkt umfasst IT-Projekte: Im Rahmen Bewertungskatalog ist festgelegt, für welche Unterlagen- des Projekts „elektronisches Archiv“ (eArchiv, siehe arten eine Bewertung und ersatzlose Kassation durch die Neunter Tätigkeitsbericht, S. 22) wurde die Entscheidung erschließenden Archivare der BStU grundsätzlich mög- getroffen, die künftige Erschließung und Verwaltung des lich ist. Das bedeutet aber nicht, dass die im Bewertungs- Schriftguts und der dazugehörigen audio-visuellen Me- katalog aufgeführten Unterlagen stets kassiert werden. dien mit dem IT-System BASYS 2 des Bundesarchivs in Der Katalog bietet bei der archivarischen Einzelfall- einer den speziellen Bedürfnissen der BStU angepassten prüfung eine Hilfe für die inhaltliche Bewertung von Version zu realisieren. Dieser Beschluss stützt sich auf Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Der Bewer- eine Analyse von BASYS 2 im Vergleich mit grundlegen- tungskatalog regelt auch die Kassation von Mehrfach- den archivischen Prozessen in der BStU, die die Einfüh- überlieferungen, so sie nicht Bestandteil eines Vorgangs rung von BASYS 2 in den Archiven der Bundesbeauf- sind, die in Inhalt, Form und Bearbeitungsstadium iden- tragten als fachlich und wirtschaftlich sinnvoll bewertet tisch sind oder keinen vorgangsbildenden Zusammen- (siehe Kapitel 3.3.2). Von dieser Entscheidung verspre- hang aufweisen und ohne Bearbeitungsspuren des MfS chen sich Bundesarchiv und BStU Synergieeffekte, eine überliefert sind. Kassiert werden zudem Leerformulare, intensivierte Zusammenarbeit und eine Harmonisierung wenn bereits 30 Musterexemplare aufbewahrt sind. Die der IT-Landschaft zwischen beiden Institutionen. Kassationen unterliegen einem einheitlichen Nachweis- und mehrstufigen Zustimmungsverfahren. Im Berichtszeit- Ein weiteres fachspezifisches IT-Projekt ist die Entwick- raum wurden 819 lfd. M. Schriftgut und ca. 31 200 audio- lung einer Audio-Datenbank. Diese kurzfristige Lösung visuelle Medien kassiert. wurde notwendig, da Teile des analogen Tonmaterials in einem sehr schlechten Erhaltungszustand sind und daher In § 39 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 StUG ist festgehalten, schnell digitalisiert werden müssen (siehe Kapitel 3.3.2 dass der Beirat die BStU bei der Festlegung der archivi- und 3.4.4). schen Grundsätze für die Bewertung der Unterlagen be- rät. Dementsprechend hatte der Beirat den Bewertungs- Ein weiterer Schwerpunkt betrifft das Pilotverfahren zur katalog beraten, bevor er 2001 in Kraft trat (er war ferner „Virtuellen Rekonstruktion zerrissener MfS-Unterla- zuvor dem Bundesarchiv zur Kenntnis gegeben worden, gen“, das für die gesamte Behörde von herausragender das mit Inhalt, Zweck und Inkraftsetzung einverstanden Bedeutung ist und in der Öffentlichkeit ein großes Inter- war). Im Berichtszeitraum hat sich der Beirat im Oktober esse erfährt. Das Pilotverfahren schließt an Erfahrungen 2010 ausführlich mit einzelnen Positionen des Bewer- und Ergebnisse der Projektgruppe „Manuelle Rekon- tungskataloges befasst und die Praxis der BStU bestätigt. struktion zerrissener MfS-Unterlagen“ an, die seit 15 Jah- ren besteht. Beide Projektgruppen widmen sich einer Nach erfolgter Bewertung sowie abgeschlossener Ord- Aufgabe, die nach Art und Dimension weltweit einmalig nung und Verzeichnung sind die Unterlagen der Teilbe- ist: der Wiederherstellung von zerrissenen MfS-Unterla- stände und Unterstrukturen sowohl sach- als auch perso- gen (siehe Kapitel 3.6). nenbezogen IT-gestützt recherchierbar und können für die Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Ein dritter Schwerpunkt sind archivische Forschungspro- jekte. Auf archivwissenschaftlichem Gebiet setzte die Ar- Recherchearbeit und Aktenbereitstellung in den Kartei- beitsgruppe für die Untersuchung der Geschichte der Ab- und Magazinbereichen der Archive der BStU sind an den teilung XII des MfS (Zentrale Auskunft/Speicher) ihre Bedarf der Nutzer gebunden. Im Berichtszeitraum gab es Arbeit fort. Eine andere Arbeitsgruppe der Archivabtei- 1,3 Millionen Aktenbewegungen; 845 700 Personen- und lung beschäftigt sich parallel mit dem Institut des Natio- 12 800 Sachrecherchen wurden durchgeführt. nalen Gedenkens in Polen (IPN) mit einem Projekt, das aus aktenkundlicher Sicht die spezifische Archivtermino- Die BStU legt besondere Aufmerksamkeit darauf, neue logie in der Schriftgutverwaltung und Informationsverar- Findmittel möglichst rasch der Öffentlichkeit zur Verfü- beitung des früheren polnischen Geheimdienstes bzw. des gung zu stellen. Im Berichtszeitraum wurden die Akten- Staatssicherheitsdienstes untersucht und darstellt. Die Er- verzeichnisse weiterer 27 Teilbestände im Internet gebnisse werden nach Abschluss der Arbeiten publiziert präsentiert, insgesamt 50 Aktenverzeichnisse und Find- (siehe Kapitel 3.7). bücher. Eine große und positive Resonanz bei den Nut- zern erfuhr das im Juni 2009 veröffentlichte „Verzeichnis Bei allen inhaltlichen und konzeptionellen Aufgaben, die der Filme und Videos des Ministeriums für Staatssicher- die Überlieferung des Staatssicherheitsdienstes mit sich heit“ (siehe Kapitel 3.2.3.1 und 3.3.3). bringt, kommt der Verwaltung des Archivguts eine be- – 31 – sondere Rolle zu. Die Spezifik der verschiedenen Archiv- Schriftgut wie auch einige audio-visuelle Medien sind im gutarten verlangt auch unterschiedliche Formen der Zuge der Auflösung des MfS nach Struktureinheiten (so- Magazineinrichtungen und entsprechende Lagerungsbe- fern erkennbar) gebündelt worden. Diese Bündel sind dingungen. Die Magazinbereiche tragen u. a. Verantwor- nach wie vor aufwändig zu ordnen und in ihren Überliefe- tung für die Ordnung und Sicherheit des Archivguts und rungszusammenhang zu stellen. Ein Zugriff auf sie war der Archive der BStU sowie für die Konservierung und zunächst weder personen- noch sachbezogen möglich. Restaurierung von Unterlagen. Daher wird der Erschließung dieser Unterlagen seit Be- stehen der BStU nach festgelegten Kriterien hohe Priori- Das Bestandserhaltungskonzept wurde im Berichtszeit- tät beigemessen. raum überarbeitet. Bestandserhaltung zielt darauf ab, be- vorstehenden Zerfallsprozessen, die durch den natürli- Inzwischen sind von den Unterlagen der Diensteinheiten chen Alterungsprozess und eine intensive Nutzung der in den Außenstellen und in der Zentralstelle 50 786 lfd. M. Unterlagen hervorgerufen werden, rechtzeitig mit geeig- erschlossen worden – davon im Berichtszeitraum mehr neten Maßnahmen zu begegnen (siehe Kapitel 3.4). als 2 300 lfd. M. Damit erhöht sich der Erschließungs- Gleichzeitig wurden Empfehlungen herausgegeben und stand auf ca. 84 Prozent. Hinzuzurechnen sind die Er- Workshops durchgeführt, die den Nutzern den sorgfälti- schließungsergebnisse für die audio-visuellen Medien gen Umgang mit den Archivunterlagen nahelegen, um und maschinenlesbaren Daten. Von den ca. 1,6 Millionen den einmaligen Bestand dieser geheimdienstlichen Über- Stück wurden im Berichtszeitraum ca. 154 000 Stück zu- lieferung zu erhalten. gänglich gemacht, sodass der Erschließungsstand hier bei insgesamt ca. 53 Prozent liegt. Der Archivbereich steht in regem fachlichem Austausch mit nationalen und internationalen Einrichtungen und Der prozentuale Ausweis des Erschließungsstandes lässt Partnerinstituten. Im nationalen Rahmen zeigten Besu- erkennen, dass das vordringliche Ziel auch für den kom- cher der vierten Nutzerkonferenz der BStU im Juli 2009 menden Berichtszeitraum darin besteht, die Erschließung in Berlin reges Interesse am dort präsentierten Themen- von Unterlagen der Diensteinheiten fortzusetzen. schwerpunkt der Überlieferung und Nutzung audio- Neben der archivfachlich gebotenen Herangehensweise visueller Unterlagen. Vorgestellt wurde u. a. das „Ver- an die Planung und Erledigung der Aufgaben müssen die zeichnis der Filme und Videos des Ministeriums für Archivarinnen und Archivare die Anforderungen berück- Staatssicherheit“. Zum Teilnehmerkreis gehörten auch sichtigen, die sich aus der Verwendung der Unterlagen Medienvertreter und Mitarbeiter von Einrichtungen der nach dem StUG ergeben. Alljährlich stimmen sich die historischen und politischen Bildung. Fachabteilungen und Außenstellen der BStU darüber ab, Für die Archiv-Fachhochschulen in Marburg und Pots- welche Bestände auch aus Sicht der aktuellen Nutzung dam gehört die Zusammenarbeit mit der BStU mittler- prioritär zu erschließen sind. weile zum festen Bestandteil ihrer Ausbildung. Einladun- gen für Vorträge von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 3.2.1 Schriftgut des MfS auf regionalen und überregionalen Fachtagungen sowie auf internationalen Tagungen in Budapest, London, Oslo Im Berichtszeitraum wurde an 19 von den 32 Teilbestän- und Prag zeugen vom Interesse an der Archivarbeit der den, die weiterhin zu erschließen sind, gearbeitet. Diese BStU (siehe Kapitel 3.7). Teilbestände waren: Hauptabteilung (HA) I (Abwehr- arbeit in der Nationalen Volksarmee und den Grenztrup- pen), HA II (Spionageabwehr), HA III (Funkaufklärung, 3.2 Erschließungsergebnisse Funkabwehr), HAVI (Passkontrolle, Tourismus, Interho- Die in den Archiven der BStU aufbewahrte Überlieferung tel), HAVIII (Beobachtung, Ermittlung), HA IX (Unter- des DDR-Geheimdienstes gliedert sich in zwei Bereiche: suchungsorgan), HA XVIII (Sicherung der Volkswirt- Das sind zum einen die archivierten Ablagen (bereits vom schaft), HA XIX (Verkehr, Post- und Nachrichtenwesen), Staatssicherheitsdienst archivierte Unterlagen) und zum HA XX (Staatsapparat, Kultur, Kirche, Untergrund), anderen die Teilbestände der Diensteinheiten, die vor al- HA XXII (Terrorabwehr), HA KuSch (Kader und Schu- lem in Bündeln vorlagen. lung), HA PS (Personenschutz), VRD (Verwaltung Rück- wärtige Dienste), VEB SHB (Volkseigener Betrieb Spe- Die archivierten Ablagen (ca. 51 000 lfd. M.) umfassen zialhochbau), Wachregiment Berlin, ZAIG (Zentrale jene Unterlagen, die bis 1989 vom Ministerium für Auswertungs- und Informationsgruppe), ZKG (Zentrale Staatssicherheit (MfS) und seinen Bezirksverwaltungen Koordinierungsgruppe Übersiedlung), AG XVII (Besucher- (BV) abgelegt wurden. Dabei handelt es sich um eine Ab- büros Westberlin), Abteilung 26 (Telefonüberwachung). lage aus vorwiegend personenbezogenen Akten und for- mierten Vorgängen, die operatives, zumeist über die über- Projektgebundene Tätigkeiten der zuständigen Archiva- lieferten zentralen Personenkarteien (siehe Kapitel 3.3.1) rinnen und Archivare führten dazu, dass die Erschließung recherchierbares Material enthalten. Thematisch sind da- einiger Teilbestände unterbrochen wurde, das betrifft u. a. von bislang 4 Prozent punktuell erschlossen worden. die Abteilungen Finanzen, XIV (Untersuchungshaft, Strafvollzug) und Nachrichten. Zu den Teilbeständen der Diensteinheiten gehören all jene Unterlagen, mit denen bis zum Ende des Staatssicherheits- Da der Erschließungsstand bei den Unterlagen der Dienst- dienstes aktiv gearbeitet wurde (ca. 60 000 lfd. M.). Das einheiten insgesamt weit fortgeschritten ist, wird nun- zum großen Teil in Form von losen Blättern überlieferte mehr auch an der Konzeption für die thematische – 32 –

Erschließung der archivierten Ablagen gearbeitet. Grund- Erkenntnisse können nach einer ersten Auswertung der lage sind die einschlägigen Erfahrungen aus Pilotprojek- Grobsichtung festgehalten werden: ten, wie der Erschließung der Operativen Hauptablage der BV Schwerin (siehe Dritter bis Neunter Tätigkeitsbe- Die GH-Vorgänge betreffen mehrheitlich hauptamtliche richt), der Erschließung der Allgemeinen Sachablage von und inoffizielle Mitarbeiter des MfS, darüber hinaus auch BV und MfS (siehe Dritter Tätigkeitsbericht) sowie seit Mitarbeiter im Partei- und Staatsapparat, Funktionäre, 2001 der Erschließung der vom MfS archivierten Unter- Angehörige der Nationalen Volksarmee (NVA), der Deut- suchungsvorgänge der 1950er-Jahre aus der Operativen schen Volkspolizei (DVP) sowie der Zollverwaltung. Fer- Hauptablage in der Zentralstelle (siehe Sechster bis Ach- ner sind in der DDR lebende Ausländer, Bundesbürger ter Tätigkeitsbericht). und Einwohner aus Westberlin erfasst. Ungefähr ein Drit- tel der in den Vorgängen der GH bearbeiteten Personen Im Berichtszeitraum ist in dieser Hinsicht der Archivbe- war nicht für das MfS tätig. stand 5 des MfS, Geheime Ablage, analysiert worden. Daraus resultierende Erkenntnisse sowie punktuelle Er- Die Vorgänge beinhalten Tatbestände beispielsweise zu schließungsergebnisse dieser Ablage aus den Vorjahren politischen und militärischen Straftaten, Gewalt- und (siehe Siebenter und Achter Tätigkeitsbericht) fließen in Sexualverbrechen, Eigentumsdelikten, Wirtschaftsverbre- die Konzeption ein. chen, Straftaten im Dienstalltag (Amtsmissbrauch, Be- trug, Diebstahl) und besondere operative Personenüber- Darüber hinaus wurde die Erschließung der archivierten prüfungen, u. a. von Generälen der DVP. In diesem Ablagen der HA IX/11 (Aufklärung von Nazi- und Zusammenhang werden Delikte wie staatsgefährdende Kriegsverbrechen) fortgesetzt. Hetze, Beihilfe zur , Verdacht auf NS- und Im Folgenden werden die Ergebnisse der archivischen Kriegsverbrechen, unerlaubter Waffenbesitz, Passverge- Bearbeitung an der Überlieferung des MfS, unterteilt hen oder Brandstiftung ebenfalls abgebildet. nach archivierten Ablagen und den Unterlagen der Diensteinheiten, anhand einiger Beispiele beschrieben. Die Grobsichtung offenbarte, dass die besondere Geheim- haltung vieler Vorgänge eher weniger operativ-geheim- dienstliche Gründe hatte. Vielmehr ging es meist um 3.2.1.1 Archivierte Ablagen Dienstvergehen oder moralisches Fehlverhalten von MfS- Geheime Ablage, Archivbestand 5 Mitarbeitern. Zudem finden sich in der Geheimen Ablage beispielsweise ca. 270 Vorgänge zu Suiziden von Mitar- Die Geheime Ablage (GH) ist eine Mischung verschiede- beitern des Staatssicherheitsdienstes. ner Erfassungsarten (Aktenkategorien), wie Vorgänge in- offizieller Mitarbeiter, Untersuchungs- und Operative Vorgänge, Personalakten und Material aus Personenüber- Hauptabteilung IX/11 prüfungen, deren Bearbeitung im MfS zentralisiert war Eine Besonderheit hinsichtlich des Evidenz- und Infor- und dort als gesperrte Ablage in der Abteilung XII (Zen- mationswertes stellen die in einem Umfang von etwa trale Auskunft/Speicher) gesondert verwahrt wurde. Die 740 lfd. M. überlieferten Unterlagen der Hauptabteilung Bezirksverwaltungen hatten keine GH. Das Registrie- (HA) IX/11 zur Aufklärung von Nazi- und Kriegsverbre- rungsverfahren und der Ablageort der in der GH kategori- chen, zur Ermittlung der NS-Vergangenheit von Personen sierten Unterlagen standen im MfS unter strenger Ge- des öffentlichen Lebens aus der Bundesrepublik, zur pro- heimhaltung. pagandistischen bzw. nachrichtendienstlichen Nutzung Die überlieferten Unterlagen sind in der Regel formierte sowie zu ausgewählten Themen des antifaschistischen und geordnete Aktenvorgänge. Der Zugriff auf sie war ur- Widerstandes dar. Diese Unterlagen sind das Ergebnis ge- sprünglich nur über personenbezogene Findmittel (Kar- heimdienstlicher Auswertung der seinerzeit wesentlich teien) möglich. umfassenderen, allgemein als „NS-Archiv“ bezeichneten archivierten Ablagen der Abteilung 11 der HA IX mit Die GH umfasst 348 lfd. M. Unterlagen mit 2 685 Vor- Schriftgut aus der Zeit vor 1945. Sie kamen im Februar gängen aus den Jahren 1955 bis 1989 zu 3 369 vom MfS 1990 zunächst in die Obhut des Zentralen Staatsarchivs registrierten Personen. Weitere 337 Vorgänge wurden der DDR. Mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober vom MfS „gelöscht“, das heißt vernichtet. 1990 wurden sie dem Bundesarchiv zugeordnet. Die Un- Von Juli 2009 bis April 2010 erfolgte eine Grobsichtung terlagen, die die Handschrift des MfS trugen, wurden aller GH-Vorgänge. Ziel war es, sich einen Überblick nach Inkrafttreten des StUG sukzessive an die BStU zu- über deren Inhalte zu verschaffen. Aktueller Anlass für rückgeführt. Zunächst war der Zugang nur über eine in die Grobsichtung der Unterlagen war der Fall des ehema- der HA IX/11 angelegte und überlieferte Personenkartei ligen Westberliner Polizeibeamten Karl-Heinz Kurras, möglich. der 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschoss und viele Jahre lang inoffiziell für das MfS arbeitete, was Die archivierten Ablagen der HA IX/11 sind zu 2009 durch einen Aktenfund in der Behörde bekannt 82 Prozent thematisch recherchierbar. Im Berichtszeit- wurde (siehe Kapi-tel 4.3.1.3 und 5.2.2). raum wurden die drei Aktenkategorien Rechtshilfeersu- chen (RHE), Personenauskünfte (PA) und Allgemeiner Nach der Grobsichtung wird seit April 2010 die GH auch Schriftverkehr/Allgemeine Vorgänge/Forschungsvorgänge in den Prozess der Sachrecherchen einbezogen. Folgende (AS/AV/FV) bearbeitet. – 33 –

Die Erschließung der 62 lfd. M. umfassenden RHE mit des Warschauer Paktes. Diese Institution entwickelte Länderkürzel (z. B. MfS HA IX/11 RHE 1/72 DDR) neue Techniken und Verfahren für die Funkabwehr. Da- konnte abgeschlossen werden. Hierbei handelt es sich um neben gab es einen direkten Austausch mit dem sowjeti- RHE aus dem In- und Ausland. Inhaltlich geht es in die- schen Geheimdienst KGB über technische Erfahrungen sen Unterlagen vorrangig sowohl um die Überprüfung hinsichtlich der Decodierung des Nachrichtenverkehrs von von RHE, die an den Generalstaatsanwalt der DDR zu US- und NATO-Dienststellen. Ein weiterer Erschließungs- NS-Verbrechen gestellt wurden, als auch um Ermittlungs- schwerpunkt waren die Unterlagen des Bereichs F/3 gesuche osteuropäischer Geheimdienste. (Funkabwehr im KW/UKW-Spektrum) mit ehemaligem Die bisher verzeichneten Vorgänge der Aktenkategorie Dienstsitz in Hohen Luckow bei Bad Doberan. PA enthalten überwiegend Recherchen des Staatssicher- heitsdienstes zu Personen des öffentlichen Lebens der Hauptabteilung VI Bundesrepublik Deutschland. Im Jahr 2010 konnte die Erschließung der Überlieferung Die Aktenkategorie AS/AV/FV – ca. 160 lfd. M. – ist der Hauptabteilung (HA) VI (Passkontrolle, Tourismus, mittlerweile vollständig erschlossen. Interhotel) abgeschlossen werden. In den ca. 630 lfd. M. spiegelt sich vor allem das DDR-Grenzregime an den 3.2.1.2 Unterlagen der Diensteinheiten des MfS Grenzübergangsstellen (GÜST) wider. Die Arbeitsweise der Passkontrolleinheiten des MfS zur Überwachung des Hauptabteilung II Besucherverkehrs sowie zur operativen Fahndung und Die Überlieferung der für die Spionageabwehr zuständi- Aufklärung spionageverdächtiger Personen ist ebenso do- gen Hauptabteilung (HA) II befasst sich schwerpunktmä- kumentiert wie die Überwachungen des Transitverkehrs ßig mit der Westarbeit des MfS. Durch die fast vollstän- und die Arbeit des Zolls. Im Teilbestand sind außerdem dige Vernichtung der Unterlagen der Hauptverwaltung Überlieferungen vorhanden, die die Kontrolle des Aus- Aufklärung (HVA) tragen Teile der hiesigen Überliefe- landstourismus von DDR-Bürgern wiedergeben – hier rung zu diesem Thema den Charakter einer Ersatzüberlie- u. a. die Arbeit der sogenannten Operativgruppen. Opera- ferung. Die HA II wird mit besonderer Priorität erschlos- tivgruppen waren Einheiten des Staatssicherheitsdienstes, sen. Gegenwärtig gehören vorrangig die Unterlagen der die in anderen sozialistischen Ländern eingesetzt waren. Auswertungs- und Kontrollgruppe dazu, u. a. mit um- Daneben werden Überprüfung und Bespitzelung von Be- fangreichen zusammenfassenden Darstellungen und Do- schäftigten und Gästen der Interhotels dokumentiert. Die kumentationen über westliche Nachrichtendienste, auch Überlieferung ermöglicht zudem Rückschlüsse auf den aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Außerdem konnte die inneren Dienstbetrieb der HAVI und auf die Zusammen- Erschließung der Unterlagen aus der Abteilung 16 (Ope- arbeit mit anderen Diensteinheiten des MfS. rative Technik) abgeschlossen werden, die u. a. Informa- tionen zu technischen Mitteln und Methoden für die Spio- Hauptabteilung VIII nageabwehr enthalten. Archivisch bearbeitet wird derzeit die Überlieferung der Arbeitsgruppe Koordinierung. Sie Im Berichtszeitraum konzentrierte sich die Arbeit zu- hatte die Spionageabwehr zu organisieren und arbeitete nächst auf die Territorialkartei der Auswertungs- und zu diesem Zweck mit den Abwehrdiensteinheiten anderer Kontrollgruppe (AKG). Die Ordnung dieser sehr umfang- MfS-Abteilungen zusammen. reichen Kartei mit ca. 62 000 Karteikarten wurde anhand Allen Unterstrukturen gemeinsam ist, dass es Überliefe- einer überlieferten Anwendungsvorschrift aufwändig re- rungsbestandteile gibt, die besonders stark verunordnet konstruiert. Nun liegt ein wesentliches Speichermittel der sind. Offensichtlich hatten MfS-Offiziere bei der Schrift- Hauptabteilung VIII erschlossen vor, dessen Aufbau gutsicherung 1990 diesen Zustand bewusst herbeigeführt. Rückschlüsse auf operativ interessierende Personen und Es zeigt beispielhaft, wie MfS-Mitarbeiter mit den Sachverhalte in Ost- und Westberlin sowie der Bundes- Dienstunterlagen verfuhren, die aufgrund der Kontrolle republik Deutschland zulässt. Am Beispiel dieser Kartei, durch die Bürgerkomitees nicht mehr vernichtet werden die teilweise auf erfasstes Schriftgut der Zentralen Mate- konnten. rialablage verweist, kann ein Ausschnitt aus der Arbeits- weise der Diensteinheit und der Wirkungsmechanismus Hauptabteilung III operativer Beobachtung nachvollzogen werden. Die Erschließung des Teilbestandes Hauptabteilung Anschließend wurde auch die Erschließung der Unterla- (HA) III (Funkaufklärung, Funkabwehr) ist nahezu abge- gen aus den Abteilungen 2 (Ermittlung, Festnahmen und schlossen. Erkenntnisse aus der bisherigen Erschließung Durchsuchungen) und 3 (Beobachtung des grenzüber- flossen in die aktuelle Publikation über die HA III in der schreitenden Reiseverkehrs und von Angehörigen der BStU-Handbuch-Reihe „Anatomie der Staatssicherheit“ Militärinspektionen aller westlichen Alliierten) beendet. ein (siehe Kapitel 5.3.2.4). Im Berichtszeitraum lag ein Neben den dienstlichen Bestimmungen, Berichten und inhaltlicher Schwerpunkt der Erschließung vor allem bei Arbeitsbüchern aus beiden Unterstrukturen gehören ope- Unterlagen der internationalen Zusammenarbeit der rative Aktionsplanungen der Abteilung 2 und Statistiken HA III, u. a. mit dem gemeinsamen Stabsorgan „Apparat der Abteilung 3 über Aufklärungsfahrten der Militär- der Koordination“ von Funkabwehrdiensten aus Staaten inspektionen zu den nun zugriffsfähigen Sachbetreffen. – 34 –

Aus der AKG werden darüber hinaus weiterhin die chro- nung und Gliederung der Unterlagen und Teile der Zen- nologisch vom MfS verfilmten Ermittlungsprotokolle, die tralen Materialablage. Die drei umfangreichsten Karteien ausschließlich auf Rollfilmen überliefert sind, erschlos- gliedern die dazugehörigen Unterlagen chronologisch zu sen. Hauptaugenmerk insbesondere im Interesse der pri- Gruppen mittels einer Buchstabenkennzeichnung, die vaten Akteneinsicht ist das Herstellen des personenbezo- wiederum auf andere Dienststellen des MfS, auf Staats- genen Zugangs zu diesen Unterlagen. und Parteiorgane oder verschiedene Themen hinweist. Beispielsweise geben die mit dem Buchstaben „M“ ge- Hauptabteilung IX kennzeichneten Unterlagen Auskunft über Stellungnah- men der HA XVIII zu Vorlagen des Ministerrates der Seit 2009 werden die Unterlagen der Abteilung Agitation DDR und des Politbüros des Zentralkomitees der SED, der Hauptabteilung IX erschlossen. Diese war bis 1985 die für die Volkswirtschaft relevant waren. für die Öffentlichkeits- und Pressearbeit des Staatssicher- heitsdienstes zuständig. Der Gesamtumfang beträgt Hauptabteilung XIX 25 lfd. M., die Laufzeit umfasst den Zeitraum 1960 bis 1985. Vom dienstlichen Schriftgut der Hauptabteilung XIX (Verkehr, Post- und Nachrichtenwesen) wurden im Be- Die erschlossenen Akten geben Aufschluss über die Be- richtszeitraum die Unterlagen der Abteilung 3 (Sicherung teiligung und den Ablauf einer vom Politbüro der SED ab des Kraftverkehrs und Straßenwesens) abschließend bear- 1960 organisierten Kampagne gegen die Verjährung von beitet. Dokumentiert sind u. a. verhinderte Schleusungen Nazi- und Kriegsverbrechen in der Bundesrepublik wie auch Republikfluchten und Spionage. Darin sind Deutschland. Verantwortlich für die Koordinierung zur Teile Operativer Vorgänge überliefert, die aus Observie- Aufarbeitung von Nazi- und Kriegsverbrechen in der rungen und Untersuchungen im Güter- und Transitver- DDR sowie für Agitation und Propaganda war das Polit- kehr bzw. von dort Beschäftigten herrühren. Darüber büromitglied Albert Norden. Der Minister für Staatssi- hinaus wurden in der Abteilung 3 verkehrswissenschaftli- cherheit, , erhielt den Auftrag, über belas- che Untersuchungen und Informationen ausgewertet und tende Dokumente zu Führungskräften aus den Bereichen operativ eingeschätzt. Sie beschäftigte sich zudem mit der Politik, Wirtschaft und Militär sowie zu ausgewählten Verkehrssicherheit, mit Havarien und Unfällen und dem Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in der Bundes- Bau von Straßen und Brücken. Diese Themen werden in republik Deutschland und Westberlin zu informieren. Die der Überlieferung durch Unterlagen der Büroorganisation Suche nach diesen Unterlagen oblag der Abteilung Agita- und Planung sowie solchen zur Personalentwicklung, in- tion. Zum beruflichen, politischen und militärischen Wer- klusive der IM-Arbeit, ergänzt. degang jener Personen vor 1945 recherchierte sie intensiv in Dokumentationszentren und Archiven der DDR und Ebenso wurde die gesamte Überlieferung der Abteilung 4 des sozialistischen Auslands. Nicht nur die Verjährung (Post- und Fernmeldewesen) archivisch aufbereitet. In- von etwaigen Nazi- und Kriegsverbrechen sollte damit haltliche Aspekte der Überlieferung umfassen technische verhindert werden. Auf diese Personen wurde auch im in- Details über Funk- und Fernsehnetze, über Hava- ternationalen Maßstab aufmerksam gemacht, so auf Pres- rieschutz, zivile und militärische Sicherung sowie über sekonferenzen, in Presse und Medien und durch Publika- die Organisationsstruktur und den Personalbestand. Dar- tionen, wie in mehreren Auflagen des Braunbuches (z. B. unter befinden sich auch Unterlagen zum Berliner Fern- Braunbuch: Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundes- sehturm. Einige dieser Erschließungsergebnisse wurden republik und in Westberlin, Berlin 1968, 3. Aufl.). im Rahmen des Bürgerfestes der BStU am 16. Januar 2010 zum 20. Jahrestag der Besetzung der MfS-Zentrale Hauptabteilung XVIII vorgestellt. Im Fokus der Präsentation standen die Bedeu- tung des Fernsehturms für das MfS und die Überliefe- Wie weit die Einflussnahme des Staatssicherheitsdienstes rungslage zum Dienstobjekt „Fernsehturm“. auf die Volkswirtschaft ging, konnte im Berichtszeitraum durch die Erschließung von weiteren Unterlagen der Aus- Hauptabteilung XX wertungs- und Kontrollgruppe (AKG) der HA XVIII be- legt werden. Sie zeigen, dass die Linie XVIII an entspre- Eine Besonderheit bei der Erschließung dieses Teilbe- chenden Gesetzgebungsverfahren sowie an der Kontrolle standes ist die zeitnahe Bearbeitung der Unterlagen, die und Überprüfung von Forschung, Entwicklung, Produk- in der Projektgruppe „Manuelle Rekonstruktion zerrisse- tion, Absatz und Handel in großem Umfang beteiligt war. ner MfS-Unterlagen“ in Zirndorf rekonstruiert werden Die neu erschlossenen Unterlagen gehören zu einem um- (siehe Kapitel 3.6.1). Im Berichtszeitraum wurde u. a. re- fassenden Informationssystem mit operativer Relevanz, konstruiertes Schriftgut aus fünf Säcken erschlossen. Es das vom MfS aus mehreren Karteien und den dazugehöri- vervollständigt die Überlieferung aus fünf Unterstruktu- gen Unterlagen sowie Ablagekategorien und Dokumen- ren der HA XX. Aus der Auswertungs- und Kontroll- tennummern zusammengestellt wurde. gruppe stammten Sachakten zu Reiseangelegenheiten, wie Reiseberichte, dienstliche Anweisungen oder Infor- Die Karteien dienten der Hauptabteilung (HA) XVIII zur mationen zu Reise- und Auslandskadern. Die Überliefe- Verwaltung ihres Informationsspeichers über abgelegte rung der Abteilung 2 (FDJ und Jugendpolitik, Nazi- und Unterlagen und geben nunmehr Einblick in das Informa- Kriegsverbrechen) enthält Sachakten über Jugendveran- tionssystem der AKG, insbesondere in Findmittel, Ord- staltungen auch im sozialistischen Ausland, z. B. das Mo- – 35 – torradrennen in Brno (damalige ČSSR) sowie Unterlagen umfasst, werden diese personenbezogenen Unterlagen mit Personenüberprüfungen aus der Punkszene. Der über das Elektronische Personenregister (EPR) und eine Abteilung 3 (Sport) sind Personenakten zu Sportlern und BStU-Kartei der hauptamtlichen Mitarbeiter recherchier- Sportfunktionären, z. B. über deren ungesetzliches Ver- bar gemacht. Im Berichtszeitraum galt der Schwerpunkt lassen der DDR, sowie Sachakten über Olympische der Erschließung dieser Arbeit, die bis Jahresende 2010 Spiele zuzuordnen. Ein Großteil der rekonstruierten Un- vollständig abgeschlossen wurde. Daneben wurden aus terlagen aus der Abteilung 9 (Bekämpfung politischer dem sachbezogenen Schriftgut im Berichtszeitraum Un- Untergrundtätigkeit) besteht aus Teilen registrierter Vor- terlagen zu Neueinstellungen im MfS sowie Bewerbungs- gänge (Akten inoffizieller Mitarbeiter, Operative Vor- unterlagen für die Einstellung in nachgeordneten Betrie- gänge, Operative Personenkontrollen), die diesen beige- ben erschlossen. fügt wurden. Hauptabteilung Personenschutz Darüber hinaus begann die archivische Bearbeitung von Bestandteilen der Bündelüberlieferung, die aus Bewer- Zunächst wurden im Berichtszeitraum die Unterlagen der tungsgründen bewusst an das Ende der Erschließung des Abteilung II (Wach- und Objektschutz) erschlossen. Teilbestandes gesetzt wurden. Dabei konnten Mehrfach- Diese Abteilung war durch ein übersichtlich definiertes überlieferungen ausgesondert werden. Dienstliche Be- Aufgabengebiet gekennzeichnet. Repräsentiert sind Un- stimmungen des MfS, Unterlagen aus der Traditions- und terlagen wie Gebäudepläne, Pläne zur Absicherung von Öffentlichkeitsarbeit sowie Sachkarteien (z. B. Inventar- Gebäuden und Veranstaltungen sowie Unterlagen zur karteien über technische Geräte, die in der HA XX ver- dienstlichen Fortbildung. Die Erschließung konnte im Ja- wendet wurden, oder Karteien zu Kfz-Kennzeichen) wur- nuar 2010 beendet werden. den geordnet und verzeichnet. Danach sind die Bündel aus dem Anleitungsbereich des Leiters der Hauptabteilung Personenschutz (HA PS) er- Hauptabteilung XXII schlossen worden. Er umfasste das Büro des Leiters, die Der Erschließungsfokus war auf die Abteilung 1 (Rechts- Arbeitsgruppe des Leiters und die Auswertungs- und extremistisch/neonazistisch-terroristische Organisationen), Kontrollgruppe. Bündel, deren Provenienz allgemein mit Abteilung 4 (Rechtsextrem-konservative Organisationen) „Leiter“ ausgewiesen war, wurden ebenfalls erschlossen. und auf die Abteilung 8 (Internationaler Terrorismus) ge- Aufgabe dieser zentralen Unterabteilungen der HA PS richtet. Diese Abteilungen hatten direkte Verbindungen zur Hauptverwaltung Aufklärung (HVA). Einige ihrer war es, die Informationen der anderen Unterabteilungen Überlieferungsteile gehören heute zur Ersatzüberliefe- zu sammeln, zu verdichten und weiterzugeben. Ihre Über- rung der HVA. Aus der Abteilung 8 sind beispielsweise lieferungen beinhalten Informationen z. B. zur Partei- Materialsammlungen über die RAF und ihre Sympathi- arbeit, zur Speicherung für die Zentrale Personendaten- santen in der DDR überliefert. bank sowie zum Postverkehr. Erwähnenswert sind auch Dokumente über den Aufbau einer Personenschutzabtei- Die Erschließung des Schriftguts aus dem Bereich Lei- lung im mosambikanischen Geheimdienst durch die tung mit den Unterstrukturen Sekretariat des Leiters, HA PS, die Mobilmachungsarbeit des MfS oder die Re- Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG), Arbeitsgruppe gierungsbunker. Die Aufzählung des sehr gemischten In- des Leiters (AGL) und Referat Finanzen sowie aus dem halts lässt sich fortsetzen mit Informationen über Siche- Bereich SED-Parteiorganisation konnte abgeschlossen rungsmaßnahmen bei verschiedenen Staatsbesuchen oder werden. Hier wie dort liegen die Überlieferungsschwer- über die Fluggruppe des MfS. punkte bei Büro-, Planungs- und Dienstorganisations- unterlagen sowie Unterlagen zur Personalentwicklung. Verwaltung Rückwärtige Dienste/ Gegenstand der weiteren Erschließungsarbeit im Jahr VEB Spezialhochbau Berlin 2010 waren die Unterlagen der Abteilungen 10 (Objekt- Im Berichtszeitraum wurden Bau- und Projektierungsun- verwaltung) und 11 (Sicherstellung). terlagen zu MfS-Liegenschaften erschlossen. Diese Er- Die Unterlagen, die das Objekt „Glienicke“ betreffen, schließung aus dem Teilbestand Verwaltung Rückwärtige wurden vollständig erschlossen. Dort wurden die spezi- Dienste (VRD) erfolgte mit dem Ziel, an die BStU gerich- fisch-militärischen Kampfkräfte des MfS als Antiterror- tete Ersuchen zur Klärung von Vermögensangelegenheiten einheit der DDR ausgebildet. im Rahmen der Wiedergutmachung bearbeiten zu können. Die aktuell erschlossenen Unterlagen bezogen sich bei- Hauptabteilung Kader und Schulung spielsweise auf die MfS-Gästehäuser in Dammsmühle (bei Wandlitz) und Zeuthen, auf MfS-Dienstgebäudekomplexe Ein Großteil der Bündelüberlieferung der als Kader und in Berlin-Lichtenberg und Berlin-Hohenschönhausen (hier Schulung bezeichneten Diensteinheit, die für die Perso- die ehemalige Haftanstalt und Strafvollzugseinrichtung), nalangelegenheiten des MfS zuständig war, besteht aus in Berlin-Karlshorst sowie im Umfeld von Berlin. Personalakten. Sie werden im Rahmen der Erschließung vom sachbezogenen Schriftgut separiert und in gesonder- Aus der Überlieferung des VEB Spezialhochbau Berlin ten BStU-Signaturreihen für Kaderakten, Personendos- (SHB) wurden technische Unterlagen zum Wohnungsbau siers und Disziplinarakten aufgestellt. Im Ergebnis dieses in den Berliner Stadtteilen Biesdorf, Friedrichshain und Prozesses, der vor allem aufwändige Ordnungsarbeiten Hohenschönhausen verzeichnet. Auch Unterlagen über – 36 –

Erholungsobjekte des MfS (z. B. in Oberwiesenthal und Daneben wurde Schriftgut zu Fluchthilfeorganisationen Templin) konnten für die Nutzung bereitgestellt werden. geordnet und verzeichnet. Dabei musste aus der Bündel- überlieferung eine Vielzahl von vergleichsweise kleinen Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe Verzeichnungseinheiten gebildet werden, sodass der Er- schließungsaufwand hier recht hoch war. Im Berichtszeitraum wurden aus dem Teilbestand Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) weitere 3.2.2 Unterlagen der Bezirksverwaltungen und Unterlagen aus dem Bereich 1 (Zentrale Auswertungs- und Kreisdienststellen Informationstätigkeit) bearbeitet. Einen Schwerpunkt bil- dete die Ordnung und Verzeichnung von Unterlagen der Die Archivbereiche der Außenstellen der BStU haben die Arbeitsgruppe 3 (Grenzüberschreitender Verkehr, Ausrei- Aufgabe, die Unterlagen der Bezirksverwaltungen (BV), seproblematik, Verteidigung), die beispielsweise den in- der Kreisdienststellen (KD) und der Objektdienststellen nerdeutschen Austausch zu Fragen der Transitkommis- (OD) des Staatssicherheitsdienstes zu verwahren, zu ver- sion und des Zwangsgeldumtausches dokumentieren, walten und zu erschließen. Informationen und Statistiken zum Reiseverkehr über die Wie in der Zentralstelle konzentrierten sich die Archivbe- innerdeutsche Grenze enthalten, aber auch Vorkommnisse reiche der Außenstellen auf die Erschließung der restli- bei den bewaffneten Organen wie Fahnenfluchten oder chen, noch in Bündeln gelagerten Unterlagen aus den Suizide belegen. Diensteinheiten. Deren Erschließung haben im Berichts- Auch die Unterlagen der Arbeitsgruppe 5 (Dokumenta- zeitraum die Außenstelle Gera zu 97 Prozent und die Au- tion) wurden geordnet und verzeichnet. Aus dieser als ßenstellen Chemnitz, Neubrandenburg und Rostock zu Pressearchiv bezeichneten Überlieferung sind die älteren 100 Prozent abgeschlossen. Bevor jedoch dort mit der Berichte zu wichtigen politischen Ereignissen wie dem thematischen Erschließung personenbezogen nutzbarer Mauerbau 1961 oder dem Passierscheinabkommen 1963 Ablagen aus den Archiven der ehemaligen Bezirksver- hervorhebenswert. waltungen begonnen wird, wurden, koordiniert durch die Zentralstelle, mit den genannten Außenstellen BStU-in- Des Weiteren wurde die Erschließung der ZAIG-Doku- terne überregionale Kooperationen eingerichtet. Sie hel- mentenreihen fortgesetzt. Einen inhaltlichen Schwer- fen, die Erschließung der unterschiedlich großen Menge punkt bildete hier u. a. die Erschließung der Ablage nach an Bündelüberlieferung aller Außenstellen zum Ab- GVS 4/85. In dieser wurden, gemäß einer Weisung des schluss zu bringen. Inzwischen kooperieren im Archivbe- Ministers für Staatssicherheit aus dem Jahr 1985 zur „Be- reich neun Außenstellen miteinander: Die Außenstellen kämpfung feindlicher Stellen und Kräfte im Operations- Chemnitz, Gera, Neubrandenburg, Rostock und Schwerin gebiet“, Informationen zu Organisationen aus der Bun- unterstützen die Außenstellen Suhl, Halle, Leipzig und desrepublik Deutschland gesammelt. Berlin. Unterlagen aus der Dokumentenablage des Leiters des Konkrete Ergebnisse, Kooperationen und weitere Vorha- Bereichs 3 (EDV) konnten zugänglich gemacht werden. ben aus den Archivbereichen der Außenstellen sind nach- Die Dokumentenablage beinhaltet neben internen Anwei- folgend nach Bundesländern und darunter nach den sungen der ZAIG auch Materialien zur EDV-Anwendung jeweiligen Beständen der früheren MfS-Bezirksverwal- in westlichen Ländern, die durch den Sektor Wissenschaft tungen aufgeführt. und Technik der HVA beschafft worden waren. Im Berichtszeitraum erschien mit Unterstützung des zu- 3.2.2.1 Land Berlin ständigen Erschließungsbereichs eine Veröffentlichung über die ZAIG in der BStU-Handbuch-Reihe „Anatomie Bezirksverwaltung Berlin der Staatssicherheit“ (siehe Kapitel 5.3.2.3). Die erste der oben erwähnten Kooperationen wurde mit der In Abstimmung mit der Forschungsabteilung der BStU Außenstelle Schwerin organisiert, die die Erschließung der wurden Erschließungsprioritäten für das laufende Edi- Unterlagen der Bezirksverwaltung Berlin unterstützt. tionsprojekt „Die DDR im Blick der Stasi. Die geheimen Dafür wurden im Berichtszeitraum die Teilbestände Zen- Berichte an die SED-Führung“ festgelegt (siehe Kapi- trale Parteileitung und Abteilung III (Funkaufklärung, tel 1.6 und 5.2.5). Funkabwehr) ausgewählt. Das dienstliche Schriftgut der Abteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirche, Untergrund) sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe dagegen Zentrale Koordinierungsgruppe Übersiedlung wird in Berlin bearbeitet. Für den Teilbestand Zentrale Koordinierungsgruppe Aus der Abteilung XX wurde u. a. ein über 30 Jahre ge- (ZKG) Übersiedlung konzentrierte sich die Erschließung führter Komplexvorgang zu den Zeugen Jehovas im auf Verwaltungs- und Organisationsunterlagen sowie per- Großraum Berlin erschlossen. sonenbezogenes Schriftgut zu Fluchten aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland und nach Westberlin. Die Unterlagen der Abteilung III wurden abschließend Hieraus sind spektakuläre Fälle hervorzuheben, wie z. B. verzeichnet. Große Bereiche dieses Teilbestandes enthal- die Grenzüberquerung mittels eines entwendeten Motor- ten Personenerfassungen und -überprüfungen. Unter den flugzeugs über das Erzgebirge und das Vogtland nach DDR-Bürgern waren es hauptsächlich Amateurfunker, Bayern. die ins Visier der Abteilung III geraten sind. Informatio- – 37 – nen über Westdeutsche und Westberliner wurden vorwie- Grund befinden sich in dem Teilbestand zusätzlich die gend mittels Überwachung des Funkverkehrs gesammelt. Unterlagen der Neuererbewegung der Bezirksverwaltung. Inhaltlich hervorzuheben sind Funkaufklärungsergeb- nisse zu linksextremistischen und neonazistischen Szenen Darüber hinaus wurden manuell rekonstruierte Unterla- in Westberlin sowie Dienstgespräche zwischen Behörden. gen der Abteilung VII (Inneres, Deutsche Volkspolizei) erschlossen und deren Überlieferung damit ergänzt. Die Unterstützung durch die Schweriner Außenstelle wird mit der Erschließung des Teilbestandes der Abtei- Bezirksverwaltung Potsdam lung Nachrichten fortgesetzt. Seit der Auflösung der Außenstelle Potsdam der BStU 3.2.2.2 Land Brandenburg zum Januar 2009 werden die Unterlagen der Bezirksver- waltung (BV) Potsdam als eigener Bestand im Archiv der Bezirksverwaltung Cottbus Zentralstelle verwahrt und erschlossen. Aus der Überlieferung der Bezirksverwaltung (BV) Cott- Von den wenigen noch in Bündeln überlieferten Teilbe- bus, die in der Außenstelle Frankfurt (Oder) verwahrt ständen wurden die der Abteilung II (Spionageabwehr) wird, konnten acht Teilbestände abschließend archivisch weiter erschlossen. Ein bemerkenswerter Teil dieser bearbeitet werden. Es handelt sich um Unterlagen der Ab- Überlieferung besteht aus einem sogenannten Hand- teilungen M (Postkontrolle), Nachrichten, Operative schriftenspeicher von Personen, die der Spionage ver- Technik, Rückwärtige Dienste und Medizinischer Dienst, dächtigt wurden, inklusive der dazugehörigen Karteien. des Selbständigen Referats Bewaffnung/Chemischer Dienst sowie um die Überlieferung der Bezirkskoordinie- Im Dezember 2010 wurden die Unterlagen der Kreis- rungsgruppe und der Parteiorganisationsleitung der BV. dienststelle Brandenburg, vorwiegend als loses Schriftgut Ebenso wurde die Erschließung des Bestandes der Kreis- von Ermittlungen zu Personen und Sachverhalten überlie- dienststelle Senftenberg beendet. fert, abschließend erschlossen. Ein Großteil davon konnte Andere Teilbestände wurden durch die Erschließung ma- in die überlieferte Zentrale Materialablage – in der Re- nuell rekonstruierter Unterlagen ergänzt, so die der Abtei- gel vom MfS untergliedert nach Personen und Sachver- lungen II (Spionageabwehr), VII (Inneres, Deutsche halten – eingeordnet werden. Das Material musste zuvor Volkspolizei), VIII (Beobachtung, Ermittlung), XVIII in der Restaurierungswerkstatt behandelt werden, da die (Sicherung der Volkswirtschaft), XIX (Verkehr, Post- und Unterlagen Schimmel- und Stockflecken aufwiesen Nachrichtenwesen), der Bezirkskoordinierungsgruppe so- (siehe Kapitel 3.4.3). wie der Abteilung M. Gleiches traf für die Bestände der Parallel wurde mit der Ordnung und Verzeichnung von Kreisdienststellen Forst und Lübben zu. Dabei seien be- Sachkarteien aus der Abteilung XII (Auskunft/Speicher) und sonders die Observationsfotos der Abteilung VIII er- der Auswertungs- und Kontrollgruppe der BV begonnen. wähnt, die den bereits erschlossenen Teilbestand inhalt- Ein bislang ohne Unterprovenienz überliefertes Konvolut lich ergänzen (siehe auch Neunter Tätigkeitsbericht, aus mehreren, als Handkarteien einzelner BV-Mitarbeiter S. 28). Diese Fotos bilden u. a. den kontrollierten Post- bezeichneten Karteien konnte im Erschließungsprozess verkehr zwischen Bürgern beider deutscher Staaten sowie den entsprechenden Diensteinheiten zugeordnet werden. Beobachtungen zu westdeutschen Touristen und Treffen zwischen Bürgern der DDR und der Bundesrepublik Deutschland auf Autobahnrastplätzen ab oder zeigen Ab- 3.2.2.3 Land Mecklenburg-Vorpommern lichtungen von Personal- und Reisedokumenten. Bezirksverwaltung Neubrandenburg

Bezirksverwaltung Frankfurt (Oder) Nach dem Abschluss der Erschließung aller provenienz- bezogenen Überlieferungsteile aus der Bezirksverwaltung Im Berichtszeitraum wurden in der Außenstelle Frank- (BV) Neubrandenburg und aller Kreisdienststellen (KD) furt (Oder) Unterlagen der Diensteinheiten der Bezirks- im vorangegangenen Berichtszeitraum konzentrierte sich verwaltung Frankfurt (Oder) und deren Kreisdienststellen die Arbeit weiterhin auf Teile der stark verunordneten (KD) erschlossen. Dabei wurden sach- und personenbe- Schriftgutablage mit ungeklärter Provenienz. Dieses nicht zogene Unterlagen von elf Teilbeständen und die Be- formierte Material hatte das MfS im Herbst 1989 für die stände der KD Eberswalde und KD Bad Freienwalde ab- Vernichtung vorgesehen. Seine nunmehr beendete Er- schließend bearbeitet. Bei den elf Teilbeständen handelt schließung musste fast ausschließlich Blatt für Blatt erfol- es sich um die Abteilungen XI (Chiffrierwesen), Kader gen. Im Ergebnis wurden einzelne Unterlagen u. a. den und Schulung, Nachrichten und Operative Technik, ferner Teilbeständen Leiter der BV, Auswertungs- und Kontroll- um die Unterlagen des Medizinischen Dienstes, der Par- gruppe (AKG), Abteilung Nachrichten und Rückwärtige teiorganisationsleitung, der Arbeitsgruppen Geheimnis- Dienste sowie vor allem den KD Anklam und Waren zu- schutz und Sonderbauten sowie die Überlieferung der geordnet und verzeichnet. Selbständigen Referate Abwehrarbeit im Wehrbezirks- kommando der NVA und Personenschutz als auch des Of- Darunter waren für den Teilbestand AKG zum Beispiel fiziers für Sonderaufgaben. Erwähnenswert dabei ist, dass EDV-Ausdrucke zu Personen und „operativ interessanten der letzte Offizier für Sonderaufgaben gleichzeitig auch Hinweisen“ aus der Sachverhaltsdatei der Zentralen Per- der Beauftragte für das Neuererwesen war. Aus diesem sonendatenbank. – 38 –

Die erschlossenen Unterlagen des Leiters der BV enthal- 3.2.2.4 Freistaat Sachsen ten Berichterstattungen einzelner KD und Abteilungen zu Bezirksverwaltung Dresden Schwerpunkten der operativen Arbeit zwischen haupt- amtlichen Mitarbeitern und den Geheimen Informatoren Im Berichtszeitraum wurden in der Außenstelle Dresden aus den 1960er-Jahren. Hier werden die Wirksamkeit in- die Überlieferungen der Abteilung XIX (Verkehr, Post- offizieller Netze deutlich und Strukturveränderungen und Nachrichtenwesen) sowie der Kreisdienststellen (KD) nachgewiesen. Meißen und Dippoldiswalde abschließend erschlossen. Seit April 2010 unterstützt die Außenstelle Neubranden- Dabei sind insbesondere Unterlagen aus der Abtei- lung XIX erwähnenswert, die die Ereignisse im Zu- burg die Erschließung von Unterlagen der BV Halle. sammenhang mit den Zugdurchfahrten der Prager Bot- schaftsflüchtlinge durch den Dresdner Hauptbahnhof im Bezirksverwaltung Rostock Oktober 1989 dokumentieren. Die Außenstelle Rostock beendete im Berichtszeitraum die Die KD Meißen war mit der geheimdienstlichen Siche- Bündelerschließung der schriftlichen Überlieferung der rung des Kreises Meißen, insbesondere der Staatlichen Bezirksverwaltung (BV) Rostock und der nachgeordneten Porzellanmanufaktur und der Städtepartnerschaft zu Fell- Kreisdienststellen. Dabei wurden auch die Unterlagen des bach (Baden-Württemberg) betraut. In den Unterlagen am 6. Dezember 1989 gegründeten Unabhängigen Unter- widerspiegelt sich die Abstimmung zwischen dem Staats- suchungsausschusses zur Sicherung und Überprüfung sicherheitsdienst und den Leitern staatlicher Organe in der Region sowie die Überprüfung der persönlichen Be- von Schriftgut des Bezirksamtes für Nationale Sicherheit ziehungen zwischen Meißener und Fellbacher Bürgerin- (UUA) abschließend bearbeitet. nen und Bürgern. Der UUA, ein Zusammenschluss von bis zu 30 Rostocker Die Unterlagen über die Sicherung der Staatlichen Por- Bürgern, war neben dem Arbeitsstab des Staatlichen Ko- zellanmanufaktur beleuchten sowohl die umfassende mitees zur Auflösung der Bezirksverwaltung Rostock tä- Überwachung des Betriebes durch den Staatssicherheits- tig. Die Aufgaben reichten von der Sicherung, Sichtung dienst als auch die wirtschaftliche Bedeutung der Manu- und Kategorisierung der BV-Unterlagen – in Hinblick auf faktur. Während der archivischen Bearbeitung konnte strafbare Handlungen über das Offenlegen der Struktur eine Fotodokumentation aus der Zeit des Nationalsozia- und Arbeitsweise der BV – bis hin zur Kontrolle über die lismus aus dem Bestand herausgelöst und gemäß § 11 Auflösung der Diensteinheiten. StUG im April 2010 an das Betriebsarchiv der Staatlichen Porzellanmanufaktur übergeben werden. Die Laufzeit seiner Überlieferung erstreckt sich vom 14. Dezember 1989 bis zum 27. April 1990. Die KD Dippoldiswalde war für die geheimdienstliche Sicherung des Kreises Dippoldiswalde, darunter des Im Jahr 1994 nahm die BStU mit der Grobsichtung eine Rennschlitten- und Bobbahnbaus in Altenberg, zuständig. inhaltliche Erfassung sämtlicher Unterlagen dieses Son- Daneben gibt es auch Unterlagen, die die Absicherung derbestandes vor. Ab 1996 wurde er sukzessive erschlos- der Wintersportbahn während internationaler Wettkämpfe sen, die Bearbeitung musste jedoch mehrfach zugunsten dokumentieren. der Unterlagen der BV-Diensteinheiten zurückgestellt Ein weiteres Betätigungsfeld waren die Sportgemein- werden. schaft Dynamo Zinnwald und die Kinder- und Jugend- sportschule „Dr. Richard Sorge“ in Altenberg, zu denen Ursprünglich umfasste der UUA-Bestand ca. 18 lfd. M. es Material über operative Bearbeitungen und Kontrollen Unterlagen. Im Rahmen der Erschließung konnten die gibt. Dabei wird der direkte und indirekte Einfluss des meisten Unterlagen wieder ihrer Provenienz innerhalb der MfS auf die Sportschule deutlich, wie auch Maßnahmen BV-Überlieferung zugeordnet werden, bis auf einen Um- zur Sicherung der Sportler, Trainer und des medizini- fang von 1,28 lfd. M. internen Schriftguts des UUA. Eine schen Personals der Sportgemeinschaft Dynamo Zinn- Konkordanz gibt Auskunft zu den Veränderungen der Si- wald. Dieses Material dient zurzeit als Grundlage für eine gnaturen. neu entstehende Wanderausstellung zum Thema „Ein- fluss des MfS auf die Kinder- und Jugendsportschulen“. Seit März 2010 unterstützt die Außenstelle Rostock die Erschließung der Unterlagen der BV Leipzig. Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt In der Außenstelle Chemnitz wurde im Berichtszeitraum Bezirksverwaltung Schwerin die Erschließung der Unterlagen von weiteren fünf Dienst- Die Unterlagen der Diensteinheiten und Kreisdienststel- einheiten der Bezirksverwaltung (BV) Karl-Marx-Stadt len der Bezirksverwaltung Schwerin sind bereits seit abgeschlossen: der Abteilungen II (Spionageabwehr), Ende der 1990er-Jahre vollständig erschlossen. Seit Feb- VIII (Beobachtung, Ermittlung), Finanzen und Rückwär- tige Dienste sowie der Sportvereinigung Dynamo. ruar 2007 unterstützt die Außenstelle Schwerin die Er- schließung der Teilbestände der BV Berlin (siehe Be- In den Unterlagen der Abteilung II finden sich zahlreiche zirksverwaltung Berlin). Angaben über Ausländer, z. B. chilenische Emigranten – 39 – oder Diplomaten und Journalisten. Besonders hervorhe- Im März 2010 begann die Kooperation mit der Außen- benswert erscheinen Materialien über die Ausbildung li- stelle Rostock, die die Unterlagen der Abteilungen XIX byscher Staatsbürger im Bezirk Karl-Marx-Stadt sowie (Verkehr, Post- und Nachrichtenwesen), M (Postkon- über Kinderferienaktionen der westdeutschen DKP. Auf- trolle) und Medizinischer Dienst erschließt. schlussreich sind auch Unterlagen über die französische Fremdenlegion und ehemalige Legionäre. 3.2.2.5 Land Sachsen-Anhalt In der Abteilung VIII fand sich Material über das soge- Bezirksverwaltung Halle nannte System „Studio“ in Karl-Marx-Stadt. Dabei han- delte es sich um einen Stützpunkt zur Videoüberwachung Der Bezirksverwaltung (BV) Halle waren 23 Kreisdienst- des gesamten inneren Stadtrings der damaligen Bezirks- stellen (KD) nachgeordnet. Diese arbeiteten eng mit der stadt. Kreisparteileitung der SED und staatlichen Einrichtungen zusammen. In ihren Überlieferungen finden sich Schilde- Mit der Überlieferung der Objektverwaltung und späteren rungen über Situationen und Ereignisse des gesellschaftli- Abteilung Wismut, deren Bestehen mit dem Uran-Erz- chen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Lebens bergbau in der Region verbunden war, verfügt die Außen- der Region. Im Berichtszeitraum wurden die Unterlagen stelle Chemnitz über einen einmaligen Bestand, für den der KD Aschersleben, Bernburg, Bitterfeld, Halle-Neu- im Juli 2010 das Aktenverzeichnis im Internet präsentiert stadt, Merseburg und Nebra sachbezogen erschlossen. werden konnte. Das Aktenverzeichnis des Teilbestandes Die Unterlagen der KD Aschersleben beinhalten Perso- Leitung der Parteiorganisation wurde bereits im nenüberprüfungen in strategisch wichtigen regionalen Februar 2010 dort publiziert (siehe Kapitel 3.3.3). Einrichtungen wie dem Flugplatz der sowjetischen Streit- Seit Jahresbeginn 2010 unterstützt die Außenstelle Chem- kräfte in Cochstedt, der Offiziersschule des Ministeriums nitz die Erschließung der Bestände der Bezirksverwal- des Innern in Aschersleben, dem Institut für Phytopatho- tung Suhl. logie und dem Zentralinstitut für Genetik und Kultur- pflanzenforschung Gatersleben.

Bezirksverwaltung Leipzig Der Bestand der KD Bernburg verfügt über Quellen zur Überwachung des Instituts für Getreideforschung Bern- Im Berichtszeitraum wurde die Erschließung an den Teil- burg-Hadmersleben, zur Sicherung des Bernburger Ro- beständen Arbeitsgruppe XXII (Terrorabwehr) und Kreis- senfestes und von Veranstaltungen der Opposition in der dienststelle (KD) Leipzig-Stadt beendet. Fortgeführt Zeit der Friedlichen Revolution in Bernburg und Nien- wurde die Bearbeitung der Unterlagen der Abteilung VII burg. Daneben finden sich Informationen zum Bernbur- (Inneres, Deutsche Volkspolizei) und der Auswertungs- ger Friedenskreis „Erdflapse“ sowie zum GSSD-Objekt und Kontrollgruppe (AKG). Im Zusammenhang mit dem Bernburg (Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution konnten aus den Deutschland). Zum Bezirkskrankenhaus für Psychologie genannten Teilbeständen zahlreiche Quellen zur politi- und Neurologie Bernburg ist Material über den geplanten schen Lage im Herbst 1989 in der Region Leipzig genutzt Aufbau einer Mahn- und Gedenkstätte zu Euthanasiever- werden. brechen sowie über Kontakte zur Schweizer Sandoz AG im Zusammenhang mit der Erprobung von Medikamen- Aufgrund vieler Anfragen zu Gebäuden der Bezirksver- ten für Parkinson-Erkrankte überliefert. waltung wurde die Erschließung der Bauakten der Abtei- lung Rückwärtige Dienste fortgesetzt und, ausgenommen Aus der KD Bitterfeld sind Unterlagen über volkswirt- die Karten und Pläne, auch abgeschlossen. Es handelt schaftlich bedeutsame Objekte erschlossen, so u. a. zu sich um Objektunterlagen mit Grundrissen, technischen den Volkseigenen Betrieben (VEB) Fotochemisches Zeichnungen, Gutachten, Rechnungen und Erläuterungs- Kombinat Wolfen, Braunkohlenkombinat, Industrie- und berichten der mit dem Ministerium für Staatssicherheit Kraftwerksrohrleitungen, Kraftverkehr und Bau- und kooperierenden Firmen und um Materialien der Unterab- Montagekombinat Chemie. Unterlagen zu militärisch be- teilung Bauwesen. deutsamen Objekten wie dem Schießplatz der sowjeti- schen Armee in Raguhn, dem NVA-Standortbereich Wol- Die Erschließung der Dienstunterlagen der Abteilung XII fen sowie der Schule für Abschnittsbevollmächtigte in (Auskunft/Speicher) wurde im Berichtszeitraum fortge- Wolfen sind nun ebenfalls zugriffsfähig. führt und im Oktober 2010 beendet. Sie bilden Aufgaben Im Bestand der KD Halle-Neustadt ist eine große Anzahl und Arbeitsweise bestimmter Bereiche dieser Abteilung von Schriftproben überliefert, die im Zusammenhang mit wie Datenerfassung, Registrierungsprozesse, Archiv- den Ermittlungen zum Mord an einem Schüler („Kreuz- arbeit, Mikroverfilmung, das Führen der IM-Vorauswahl- worträtselmord“) vom MfS erhoben wurden. kartei und der Sonderspeicher ab. Bemerkenswert sind die Dokumente zu umfangreichen, überwiegend ersatzlo- Inhaltliche Schwerpunkte der sachlichen Erschließung sen und regelmäßigen Aktenvernichtungen durch das der KD Merseburg bildeten Unterlagen über den VEB MfS. Überliefert sind Listen mit Angaben über Akten, die Kraftverkehr des Kreises, die Technische Hochschule für die Vernichtung vorgesehen waren, sowie Kassations- Leuna-Merseburg und die Außenstelle Merseburg des beschlüsse und Vernichtungsprotokolle des MfS, teils er- Deutschen Zentralarchivs Potsdam. Da von dieser KD gänzt mit Umfangsangaben. keine Zentrale Materialablage – eine von den operativen – 40 –

Diensteinheiten des MfS in der Regel nach Personen und onen, besonders im Grenzgebiet zur Bundesrepublik Sachverhalten untergliederte Ablage – und keine dazuge- Deutschland. hörige dezentrale Personenkartei überliefert sind, wurden Thematisch vorrangig bearbeitet wurden in diesem Rah- im Erschließungsprozess personenbezogene Informatio- men Unterlagen über eine der bedeutsamsten Grenzkon- nen in das Elektronische Personenregister (EPR) der trollstrecken, die Transitstrecke für den Auto- und BStU eingepflegt (siehe Kapitel 3.3.2). Zugverkehr von und nach Westberlin über die Grenzüber- Aus der KD Nebra wurden Unterlagen mit Informationen gangsstelle Marienborn, sowie Unterlagen über die Was- zu kulturellen und kirchlichen Einrichtungen und zu Si- serstraßen der Elbe und den Elbe-Weser-Kanal. cherungseinsätzen anlässlich des jährlichen Winzerfestes Die Unterlagen der KD Oschersleben zur Absicherung in Freyburg sowie Stimmungsberichte über die Ereignisse des in der Grenzregion befindlichen Braunkohleabbaus im Herbst 1989 aus den Städten Balgstädt, Laucha, Lossa am Grenzkohlepfeiler, Tagebau Harbke, sind nunmehr für und Freyburg geordnet und verzeichnet. die Nutzung zugänglich. Seit April 2010 wird in Kooperation mit der Außenstelle Das Augenmerk des Staatssicherheitsdienstes war auch Neubrandenburg der Teilbestand Abteilung Finanzen der auf die Absicherung der militärischen Objekte sowie der BV Halle erschlossen. Darunter sind von besonderem In- Manöver und Truppenübungsplätze der Gruppe der formationswert die Nachweisbücher über vor allem durch Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland gerichtet, wie die Abteilungen M (Postkontrolle) und IX (Untersu- die Unterlagen zum Truppenübungsplatz „Polygon“ in chungsorgan) konfiszierte Zahlungsmittel und Wertge- der Letzlinger Heide verdeutlichen. genstände. Die seit 1965 nachweisbaren Jahreshaushalts- planungen und -analysen geben Aufschluss über die Das überlieferte Schriftgut der KD Wolmirstedt belegt die Struktur und Arbeitsweise der BV. Absicherung und Kontrolle der Volkseigenen Betriebe und Kombinate, wie u. a. des Möbelkombinats Dessau Die weiteren Arbeiten konzentrieren sich auf die Unterla- (Betriebsteil Zerbst), des VEB Asbestzementwerk „Otto gen der KD Naumburg, Saalkreis, Weißenfels und Zeitz. Grotewohl“ (Betriebsteil Gardelegen) sowie des VEB Ceritolwerke Mieste. Bezirksverwaltung Im Berichtszeitraum wurden durch die Projektgruppe Die Außenstelle Magdeburg hat im Berichtszeitraum die „Manuelle Rekonstruktion zerrissener MfS-Unterlagen“ zwei Teilbestände aus der Leitungsebene, Stellvertreter zerrissene Materialien des BV-Archivbestandes 2, Allge- Operativ und Stellvertreter Operative Technik/Sicherstel- meine Sachablage, rekonstruiert und durch die Außen- lung, ebenso vollständig erschlossen wie die der Zentra- stelle archivisch bearbeitet. Hierbei handelt es sich um len Parteileitung und der Abteilungen II (Spionageab- Dokumente aus den 1950er- und 1960er-Jahren wie Be- wehr) und 26 (Telefonüberwachung). Gleiches gilt für die richte und Protokolle von Leitungssitzungen der BV und Überlieferungen der Kreisdienststellen (KD) Gardele- der KD, die die Einsatzstrategien und Personenermittlun- gen, Klötze, Magdeburg, Osterburg, Oschersleben, Schö- gen angesichts historischer Ereignisse wie dem 17. Juni nebeck, Wolmirstedt und Zerbst. 1953, dem 13. August 1961 und dem Prager Frühling in der ČSSR im Bezirk widerspiegeln. Die verzeichneten Unterlagen des Stellvertreters Opera- tiv, zu dessen Anleitungsbereich die Abteilung XVIII (Si- Gegenwärtig werden die Unterlagen der Teilbestände der cherung der Volkswirtschaft) gehörte, geben darüber Aus- Abteilungen III (Funkaufklärung, Funkabwehr), VI kunft, wie das im Bau befindliche Kernkraftwerk (KKW) (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel), des Büros der Lei- Stendal, der Volkseigene Betrieb (VEB) Kalibetrieb tung sowie der KD Genthin und Stendal erschlossen. „Ernst Schneller“ in Zielitz sowie der VEB Minol Mag- deburg abgesichert wurden. Im Falle des KKW Stendal, 3.2.2.6 Freistaat Thüringen dessen Bau 1973 begann, lassen sich die Gründe für das Bauende 1991 u. a. wegen technischer Mängel und Pla- Bezirksverwaltung nungsfehlern in Milliardenhöhe anhand der Überlieferung Im Berichtszeitraum wurden in der Außenstelle Erfurt Un- nachvollziehen. Die Unterlagen lassen zudem Rück- terlagen der Abteilungen XII (Auskunft/Speicher), Opera- schlüsse über den VEB Kalibetrieb in Zielitz zu, der ei- tive Technik und Rückwärtige Dienste erschlossen. Ferner nen Anteil von 23 Prozent an der Gesamtproduktion von wurden die Unterlagen der Wach- und Sicherungseinheit Kalidüngemitteln der DDR hatte, von denen 90 Prozent und der Arbeitsgruppe XXII (Terrorabwehr) wie auch die für den Export bestimmt waren. Unterlagen der Selbständigen Referate Abwehr Wehrbe- Die überlieferten Unterlagen des Stellvertreters Operative zirkskommando der NVA, Bewaffnung/Chemischer Technik/Sicherstellung vermitteln einen Einblick in den Dienst sowie Personenschutz abschließend bearbeitet. Dienstablauf innerhalb der Bezirksverwaltung (BV) Mag- Hervorzuheben ist eine Dokumentation über die fiktive deburg, so z. B. bei der Bereitstellung von Mitteln und Entführung einer Verkehrsmaschine der Interflug, in der Technik für operative Tätigkeiten und bei der Durchfüh- Methoden der Bekämpfung von an Bord befindlichen rung von Baumaßnahmen. Terroristen dargestellt werden. Die bereits erschlossenen Dokumente der Kreisdienststel- Erwähnenswert sind auch Dokumente über Fahnenfluch- len verdeutlichen die lückenlose Überwachung der Regi- ten in den Grenztruppen mit einer Analyse der Hauptab- – 41 – teilung I (Abwehrarbeit in der Nationalen Volksarmee 1990. Wesentlicher Inhalt sind operatives Ausgangsmate- und den Grenztruppen). rial zu Hinweis- und Zielpersonen, Ausbildungsmaterial von inoffiziellen und hauptamtlichen Mitarbeitern sowie Gegenwärtig wird an der Erschließung der verbleibenden zahlreiche Unterlagen zu Doppelgänger- und fiktiven Do- Teilbestände gearbeitet. Hier handelt es sich um Unterla- kumenten. Verschiedene Verzeichniskarten weisen den gen aus den Abteilungen VIII (Beobachtung, Ermittlung), Erhalt und die Ausgabe von operativer Technik, z. B. Ge- Kader und Schulung, Nachrichten sowie Finanzen. heimschreibmitteln oder Containern, und ferner die Aus- bildungen in den Bereichen Chiffrier- und Funkwesen Bezirksverwaltung Gera nach. Das Aktenverzeichnis steht interessierten Nutzern Nahezu alle Unterlagen der Diensteinheiten aus den Ge- auf der Homepage der BStU zur Verfügung. raer Teilbeständen sind erschlossen. Die Bearbeitung des verbleibenden Restes tritt hinter die Notwendigkeit zu- Bezirksverwaltung Suhl rück, die Erschließung substantieller Dokumente aus Die Erschließungsarbeiten der Außenstelle Suhl werden noch unerschlossenen Überlieferungsteilen der Bezirks- von den Außenstellen Gera und Chemnitz unterstützt. Im verwaltung (BV) Suhl des MfS kooperativ voranzubrin- Zuge der Kooperation führte Chemnitz 2010 die Erschlie- gen. So übernahm die Außenstelle Gera ab Mai des ßung der Unterlagen der Abteilung II (Spionageabwehr) Jahres 2010 die Erschließung von Unterlagen der BV und der Bezirkskoordinierungsgruppe fort, die in Suhl be- Suhl. reits begonnen worden war. Daneben wurde das Aktenverzeichnis der Überlieferung In der Außenstelle Gera begann die Erschließungskoope- aus der Abteilung XV (Aufklärung) erstellt. Die Bearbei- ration für die Teilbestände der Abteilung XII (Auskunft/ tungsgeschichte dieses Teilbestandes zeigt exemplarisch, wie heterogen die physische Überlieferung eines Teilbe- Speicher) und des Büros der Leitung. standes sein kann. In der Außenstelle Suhl selbst werden gegenwärtig die Die Abteilung XV, eine der Linienorganisationen der Unterlagen der Kreisdienststelle (KD) Schmalkalden und Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), war für die Aus- die Teilbestände der Abteilungen IX (Untersuchungsor- landsaufklärung im sogenannten Operationsgebiet (West- gan) und XIV (Untersuchungshaft, Strafvollzug) archi- berlin und Bundesrepublik Deutschland) sowie in ande- visch bearbeitet und nutzbar gemacht. ren westlichen Staaten zuständig. Ihre Arbeit wurde vor Hervorzuheben sind die Planungsunterlagen zur neuen allem durch Vorgaben aus der HVA geplant und ge- Untersuchungshaftanstalt in Suhl-Goldlauter (Abtei- steuert. lung XIV). Bei Aufnahme des Dienstbetriebes im Jahr Die archivische Arbeit am Teilbestand begann im Jahr 1990 wäre diese Haftanstalt als letzter Neubau das mo- 1993. Die Überlieferung wurde gesichtet, geordnet und dernste Gefängnisgebäude der DDR gewesen. mit Signaturen versehen. Seit 1998 erfolgte die Erschlie- ßung des Teilbestandes mittels Erstellung einer Kartei zu 3.2.3 Audio-visuelle Medien und Klar- und Decknamen, hauptamtlichen Mitarbeitern, Ob- maschinenlesbare Daten jekten und Sachbezügen. Seit 2006 wurden alle Unterla- Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes sind neben dem gen vollständig in der Datenbank Sachaktenerschließung Schriftgut auch insgesamt mehr als 1,6 Millionen Fotodo- (SAE) verzeichnet. Personenangaben sind einerseits in kumente und ca. 32 500 Film-, Video- und Tondoku- der BStU-Datenbank Elektronisches Personenregister mente (audio-visuelle Medien) sowie maschinenlesbare (EPR), andererseits im Personenindex der SAE nachge- Daten. Die Umfangsangaben beruhen vor der Erschlie- wiesen. Durch die BStU-Projektgruppe „Manuelle Re- ßung zum Teil auf Schätzungen und werden danach kon- konstruktion zerrissener MfS-Unterlagen“ wurden bis kretisiert. Im Zuge der Erschließung werden nach wie vor 2004 zehn Säcke mit zerrissenen Unterlagen der Abtei- Fotodokumente in den Bündeln aus den Unterlagen der lung XV der BV Gera wieder zusammengesetzt, die den Diensteinheiten aufgefunden und den Fotosammlungen Teilbestand ergänzen. übergeben. Auch bei der Anzahl von Tonträgern wird es Das Aktenverzeichnis gibt einen Überblick über das ge- bis zum Abschluss der Erschließung zu Korrekturen kom- samte bisher erschlossene Schriftgut der Abteilung XV men, da erst im Erschließungsprozess festgestellt werden der BV Gera. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt noch als vor- kann, ob die Tonträger überhaupt Informationen enthalten läufig zu bezeichnen, weil noch nicht alle zerrissenen Un- bzw. ob Mehrfachüberlieferungen vorliegen. terlagen der Abteilung XV rekonstruiert und erschlossen sind. So ist zu erwarten, dass nach Abschluss der Pilot- Die Erschließung und Aufbewahrung dieser Medienarten phase des BStU-Projekts „Virtuelle Rekonstruktion zer- bedarf einer besonderen technischen Ausstattung, die in rissener MfS-Unterlagen“, in das die Außenstelle Gera den Außenstellen nicht vorhanden ist. Deshalb sichert, er- u. a. mit dem Teilbestand der Abteilung XV involviert ist, schließt und verwahrt die Zentralstelle der BStU Ton- und weitere Unterlagen in den Bestand einzupflegen sind Filmdokumente sowie Datenprojekte auch aus den Be- (siehe Kapitel 3.6). zirksverwaltungen (BV). Lediglich Fotodokumente wer- den sowohl in den Außenstellen als auch in der Zentral- Der Teilbestand der Abteilung XV umfasst derzeit stelle in den Fotosammlungen erschlossen, aufbewahrt 23,8 lfd. M. Unterlagen mit einer Laufzeit von 1953 bis und recherchiert. – 42 –

Zu den ca. 1,6 Millionen Fotodokumenten gehören neben der Bundesrepublik Deutschland und Westberlins. Das den Fotopositiven die Negative, Dias und Mikrofilme al- Bezahlen an einer Tankstelle auf der Transitstrecke ler üblichen Formate, vielfach lose und ohne schriftlichen Hermsdorfer Kreuz mit Mark der DDR beispielsweise Zusammenhang hinterlassen. Die Tondokumente umfas- wurde von der Untersuchungsabteilung der BV Gera zum sen ca. 29 800 Tonbänder, Tonkassetten, Schallplatten Anlass genommen, eine Befragung eines Bürgers aus und andere Tonaufzeichnungen. Es sind 1 091 Filme und Westberlin zur „Klärung eines Sachverhaltes“ durchzu- 1 663 Videos überliefert. Außerdem werden die Informa- führen und ihn für längere Zeit festzuhalten. Nach Zusage tionen von 44 Datenprojekten des MfS und der BV er- einer „Gegenleistung“ wurde der Befragte „entlassen“. schlossen und die Daten in modernen Speichermedien der Derartige Unterbrechungen im Transitverkehr waren BStU gesichert. keine Seltenheit. Aus konservatorischen Gründen und wegen des teils feh- lenden sachlichen Zusammenhangs zum Schriftgut wur- Im Juli 2009 wurde mit der Erschließung und digitalen den diese Überlieferungen als teilbestandsübergreifende Sicherung von 50 Tondokumenten der Provenienz Wach- Sammlungen angelegt. Nach Möglichkeit werden die regiment Berlin begonnen, da sich diese in einem teils Sammlungen jedoch provenienzbezogen erschlossen. sehr schlechten Erhaltungszustand befinden. Es handelt sich um Aufnahmen aus dem „Tonstudio Wachregiment“ Getrennt nach den Medienarten werden aktuelle Erschlie- aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Sie geben Aufschluss ßungsergebnisse im Folgenden beschrieben. u. a. über Treffen mit dem KGB, Festveranstaltungen, Aufnahmen zur Geschichte und zu kulturellen Ereignis- 3.2.3.1 Filme und Videos sen im Wachregiment. Sie widerspiegeln aber auch ganz alltägliche individuelle Begebenheiten. Die Erschließung dieser Mediensammlung ist seit länge- rer Zeit abgeschlossen. Neben der archivischen Erschließung und Nutzbarma- Im Juli 2009 wurde das Verzeichnis der Filme und Videos chung arbeitet die BStU derzeit daran, technisch nachhal- des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR online ge- tige und stabile Lösungen für die audio-visuellen Medien stellt. Es umfasst die Titel und Kurzangaben sämtlicher zu entwickeln, um die originären Informationen im Sinne archivwürdiger Filme und Videos, die vom Registratur- des StUG zu sichern (siehe Kapitel 3.4.4). bildner MfS, einschließlich der Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen, überliefert sind. Das Verzeichnis bietet 3.2.3.3 Fotodokumente einen Überblick über die archivierten Quellen und einen Einstieg in die Thematik. Das im Jubiläumsjahr der Im Berichtszeitraum konnte die Erschließung der Fotos Friedlichen Revolution 1989 erwartungsgemäß hohe Inte- der Hauptabteilung (HA) VIII (Beobachtung, Ermittlung) resse an diesen Filmen und Videos (200 Nutzeranträge im abgeschlossen werden. Nunmehr steht eine der umfang- Jahr 2008, 344 im Jahr 2009) hielt nicht zuletzt aufgrund reichsten Fotoüberlieferungen einer Hauptabteilung des des verfügbaren Verzeichnisses im Jahr 2010 (280 Nutzer- MfS mit 86 155 Einzelbildern für die Nutzung vollstän- anträge) weiterhin intensiv an. dig zur Verfügung. Die operative Überwachung von Per- sonen, Objekten und Transitwegen zählte zu den Kern- 3.2.3.2 Tondokumente aufgaben der HAVIII. Dies spiegelt sich auch in der fotografischen Überlieferung wider. Die mit versteckter Den Schwerpunkt der Erschließung von Tondokumenten Kamera beobachteten Besucher der Bluesmessen und der des MfS und der Bezirksverwaltungen (BV) bildeten Friedenswerkstatt in der Berliner Erlöserkirche sowie die Tonträger aus Akzessionen sowie Tonträger, die im Zu- Kontrollen von Besuchern vor den Botschaftsgebäuden in sammenhang mit der Erschließung des dazugehörigen Ostberlin seien hierfür exemplarisch genannt. Fotoserien Schriftgutes aus den Bündeln oder den archivierten Abla- zu den auf dem Gebiet der DDR operierenden westlichen gen zugänglich gemacht werden sollten. Militärverbindungsmissionen bilden einen weiteren Schwerpunkt der fotografischen Überlieferung. Daneben Zurzeit werden die Tondokumente der BV Dresden, sind zahlreiche Fotografien zu Fahrzeugblockierungen, Halle, Gera, Leipzig und Suhl erschlossen, die noch ca. 5 100 Tonträger umfassen. Unfällen und Personenbewegungen an den repräsentati- ven Stützpunkten der Militärverbindungsmissionen in Die Überlieferungen beinhalten Aufnahmen von Raum- Potsdam und Neu Fahrland überliefert. überwachungen, Vernehmungen und Prozessen sowie Mitschnitte von Beratungen, Versammlungen, Konferen- Die Erschließung von Fotografien der Teilbestände zen und IM-Berichten. HAVI (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel) und Abtei- lung XII des MfS (Zentrale Auskunft/Speicher) wurde Seit Herbst 2009 wird die Überlieferung der BV Gera be- ebenfalls beendet. Nach wie vor wird an der Erschließung arbeitet. Sie bildet einen inhaltlichen Querschnitt aller der Fotografien der Zentralen Auswertungs- und Informa- Tonüberlieferungen des MfS ab mit historisch relevanten tionsgruppe, des Büros der Leitung, der HA II (Spionage- Aufzeichnungen von Prozessen aus den 1960er-Jahren, abwehr), der HA IX (Untersuchungsorgan) und der IM-Berichten zur Lage und Stimmung in der Bevölke- HA XX (Staatsapparat, Kultur, Kirche, Untergrund) gear- rung und Vernehmungen zu Transitvergehen von Bürgern beitet. – 43 –

3.2.3.4 Maschinenlesbare Daten Karteien mit ca. 17,6 Millionen Karteikarten für Perso- nenrecherchen nutzen können. Der Schwerpunkt der Arbeit an den Beständen maschi- nenlesbarer Daten des MfS lag weiterhin in der bereits im Zur Karteiüberlieferung gehört auch eine Vielzahl von Neunten Tätigkeitsbericht dargestellten einheitlichen Do- dezentralen MfS-Sachkarteien, deren Übersicht behörden- kumentation. Diese soll es künftigen Nutzerinnen und intern zur Verfügung steht. Sachkarteien ergänzen thema- Nutzern sowohl ermöglichen, eine Übersicht über die tische Recherchen, weshalb die Übersicht periodisch er- vorhandenen Bestände zu erhalten, als auch die dort ge- gänzt wird. Im Berichtszeitraum kamen weitere Sachkar- speicherten Informationen im Kontext der sonstigen teien aus den Teilbeständen hinzu. Darunter befinden sich Überlieferung des Staatssicherheitsdienstes richtig zu in- u. a. die Sichtlochkartei mit vom MfS als kriminell einge- terpretieren. Unter anderem wurde eine umfangreiche Be- stuften Sachverhalten aus dem Teilbestand Hauptabtei- standsbeschreibung zur Datenüberlieferung der Haupt- lung (HA) VI (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel), eine verwaltung Aufklärung (HVA) des MfS erarbeitet. Von VS-Nachweiskartei aus der HA XIX (Verkehr, Post- und den 44 Datenprojekten bzw. Archivbeständen maschinen- Nachrichtenwesen) und die Frequenzbelegungskartei aus lesbarer Daten sind nunmehr 15 erschlossen, wobei die der HA III (Funkaufklärung, Funkabwehr). Tiefe der Erschließung der Qualität und Quantität der je- weiligen Datensammlung angepasst wird (siehe Neunter 3.3.2 BStU-Datenbanken in den Archiven Tätigkeitsbericht, S. 35–36). Zu den personenbezogenen Findmitteln gehören neben 3.3 Findmittel den Karteien auch Datenbanken der BStU. Die seit 1993 in Gebrauch befindlichen Elektronischen Personenregis- 3.3.1 Karteien des MfS ter (EPR) sind die umfangreichsten. Die EPR enthalten vor allem Personendaten aus den dezentralen Karteien Findmittel des MfS, mit deren Hilfe personenbezogene und aus Erschließungsarbeiten an Schriftgut, audio-visu- Informationen zugänglich gemacht werden können, ha- ellen Medien und maschinenlesbaren Daten. Sie werden ben für die Recherchen eine hervorragende Bedeutung. als Vorfilter zu weiterführenden Recherchen in den oben Hierfür werden an erster Stelle die vom MfS und seinen beschriebenen Karteien genutzt. In der Zentralstelle um- Bezirksverwaltungen umfangreich überlieferten zentralen fasst diese Datenbank ca. 9 Millionen Datensätze. In den personenbezogenen Karteien genutzt. Diese Karteien, vor Außenstellen haben die EPR einen Umfang von insge- allem die F 16 (Personenkartei) und die F 22 (Vorgangs- samt 13,8 Millionen Datensätzen. kartei), gewährleisten den Zugriff auf die von den Die „Rosenholz“-Datenbank steht seit 2003 für Recher- Abteilungen XII (Auskunft/Speicher) registrierten und chen zur Verfügung. Insgesamt wurden in diesem Datenbe- archivierten Vorgänge. Neben diesen Karteien sind für die stand bisher 149 879 Recherchen zu Personen und Vorgän- Arbeit der BStU weitere zentrale MfS-Karteien wie die gen durchgeführt. In der Datenbank „Rosenholz“ befinden F 77 (Decknamenkartei) und die F 78 (Straßenkartei) un- sich Daten aus der Personenkartei F 16, der Vorgangskartei verzichtbar. F 22 und aus Statistikbögen der Hauptverwaltung Auf- Die MfS-Karteien werden bei der BStU durch Erkennt- klärung (HVA). Es sind Angaben zu 279 228 Personen nisse aus laufenden Aktenbenutzungen und Erschlie- bzw. 57 471 Vorgängen sowie zu 1 702 Statistikbögen ent- ßungsarbeiten unter Wahrung der Authentizität der halten. originalen Bestandteile weiter vervollständigt. In der In der Zentralstelle wurden 1995 die Datenbanken HHO Zentralstelle wurden im Berichtszeitraum 2 317 Ergän- (HVA/HIM/OibE) und HM/WR eingeführt, die bis heute zungen in den Karteien F 16 und F 22, in den Außenstel- ergänzt werden. Die HHO-Datenbank enthält derzeit len analog 2 416, auf speziellen BStU-Karteikarten vor- 204 043 Datensätze zu Personen und Vorgängen mit Be- genommen. zug auf HVA-Erfassungen, zu hauptamtlichen inoffiziel- Neben den zentralen Karteien werden für die personenbe- len Mitarbeitern (HIM) und zu Offizieren im besonderen zogenen Recherchen die zahlreichen dezentralen Karteien Einsatz (OibE). In der Datenbank HM/WR sind Angaben genutzt. Bei diesen handelt es sich um Arbeitskarteien zu hauptamtlichen Mitarbeitern des MfS und Mitarbeitern verschiedener Diensteinheiten des MfS, beispielsweise des Wachregiments „Feliks E. Dzierzynski“, insgesamt die Vorverdichtungs-, Such- und Hinweiskarteien (VSH). zu 277 000 Personen, erfasst. Die Karteibereiche der BStU in der Zentralstelle übernah- Neben den personenbezogenen Findmitteln arbeitet die men, ergänzten und ordneten im Berichtszeitraum weitere BStU mit einer Reihe von IT-Lösungen, die für die sach- 64 dezentrale personenbezogene Karteien, die nun mit ei- bezogenen Recherchen genutzt werden. Die wichtigste nem Umfang von über 13,6 lfd. M. (mehr als 52 237 Kar- unter ihnen ist das Sachaktenerschließungsprogramm teikarten) für Personenrecherchen genutzt werden kön- (SAE), eine speziell für die BStU entwickelte Fachan- nen. Insgesamt stehen im Archiv der Zentralstelle wendung (siehe Fünfter und Sechster Tätigkeitsbericht). 672 dieser Karteien mit einem Umfang von ca. 10,5 Mil- lionen Karteikarten für Recherchen zur Verfügung. In den letzten Jahren zeigte sich die Notwendigkeit, die Analog verfahren die Außenstellen, sodass deren Archiv- archivische IT-Landschaft zu überdenken. Daraus ent- bereiche nunmehr insgesamt ca. 3 640 dezentrale MfS- stand das Projekt elektronisches Archiv (eArchiv) mit – 44 – dem Ziel, eine fachliche und technische Neuausrichtung mit WaveLab, einer professionellen Audiosoftware. Die zu konzipieren. Daten aus der Digitalisierung werden ausschließlich in der Zentralstelle über die Datenbank AudioDigital erfasst Die bei der BStU im Archivbereich vorhandene IT-Fach- und nutzbar gemacht. Diese Anwendung wurde intern anwendungslandschaft ergab sich aus der Abbildung des entwickelt, in Java realisiert und im Februar 2010 tech- vom MfS überlieferten Archivgutes und aus der sukzessi- nisch umgesetzt. In ihr werden formale und technische ven Umsetzung der Fachanforderungen in den Aufbau- Metadaten aus dem Digitalisierungsprozess gespeichert, jahren der BStU. Bei den einzelnen IT-Fachverfahren zu denen es – wie auch zu den archivischen Daten – eine handelt es sich um Hilfsmittel in elektronischer Form, die Such- und Recherchefunktion gibt. Die Daten und Meta- durch die BStU zur Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß daten aus dieser Interimslösung sind bereits so angelegt, StUG genutzt werden. Die IT-Landschaft ist funktional dass es bei der Migration in ein neues System keine in- ausgerichtet und die IT-Fachverfahren basieren zudem haltlichen Probleme geben wird. auf veralteten Technologien, deren Wartbarkeit an Gren- zen stößt. Tonträger, die nicht von akutem Zerfall bedroht sind, wer- den nach der Digitalisierung weiterhin archivgerecht in Ziel des Projekts eArchiv ist die Ablösung der Datenban- ihrer analogen Form aufbewahrt. ken Sachaktenerschließung (SAE) und der Aktenausgabe Magazin (AMAG) durch die beim Bundesarchiv entwi- ckelte integrierte Archivverwaltungssoftware BASYS 2, 3.3.3 Findmittel im Internet die zudem um die Verwaltung von Digitalisat-Informatio- Einen grundlegenden Überblick über die in der BStU ver- nen erweitert und an ein digitales Archivsystem angebun- walteten Bestände vermitteln die Bestandsinformationen, den werden soll. die wesentliche Erkenntnisse aus dem Erschließungspro- Bis Ende 2009 erfolgte durch eine Projektgruppe der zess widerspiegeln und regelmäßig aktualisiert werden. BStU die systematische Beschreibung aller archivischen In diesem Rahmen sei noch einmal auf die online-Einstel- Fachanforderungen an das zukünftige IT-System, die in lung des Verzeichnisses für Filme und Videos aus dem einem Lastenheft (einer detaillierten Anforderungsspezi- Jahre 2009 hingewiesen, das die Informationsmöglichkei- fikation) gebündelt wurden. Darauf aufbauend erstellte ten für die externen Nutzer erweitert (siehe Kapitel 3.2.3.1). die BStU eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und prüfte die beim Bundesarchiv entwickelte und teils bereits ein- Im Berichtszeitraum wurde eine Reihe von Aktenver- gesetzte Archivverwaltungssoftware BASYS 2 auf Nach- zeichnissen zu Diensteinheiten der Bezirksverwaltungen nutzbarkeit. (BV) und Kreisdienststellen (KD) veröffentlicht. Im Ge- gensatz zu gedruckten Findmittelübersichten bieten diese Die Beurteilung erfolgte anhand maßgeblicher archivi- Verzeichnisse eine kurze Einführung in die Thematik und scher Prozesse und wurde in Konsultation mit dem für verzichten dafür auf ein ausführliches Register. BASYS 2 zuständigen Referat im Bundesarchiv reali- siert. Bisher standen die Aktenverzeichnisse der BV Neubran- denburg im Mittelpunkt. Neben zehn Diensteinheiten und Im Ergebnis wurde deutlich, dass BASYS 2 sich grund- der Leitung der Parteiorganisation liegen zu allen Kreis- sätzlich für die Nachnutzung in den Archiven der BStU dienststellen Verzeichnisse vor. eignet. Diese Eignung bezieht sich sowohl auf die Maga- zin- und Nutzerverwaltung als auch auf Erschließungs- Eine Ergänzung fand die Übersicht zu Findmitteln durch und Rechercheprozesse. Eine Ausnahme bilden jene An- die Veröffentlichung von zwölf Aktenverzeichnissen der forderungen, die den Bereich der personenbezogenen Da- BV Rostock. Auch zur Überlieferung der BV Karl-Marx- tenbanken (Kartei) prägen. Für diese IT-Verfahren wer- Stadt, Cottbus, Frankfurt (Oder), Gera und Magdeburg den Schnittstellen innerhalb des zukünftigen Systems zu liegen nun Verzeichnisse im Netz vor. schaffen sein. Neu im Internetauftritt ist die Einstellung von ausgewähl- ten Beispielen personenbezogener MfS-Karteien aus Teil- In einer weiteren Projektphase gilt es zu klären, welche beständen der Zentralstelle mit Abbildungen und Erläute- konkreten Anpassungen des Programms an die speziellen rungen. Der entsprechende Internetlink, der künftig BStU-Arbeitsprozesse nötig sein werden, wobei die BStU ausgebaut wird, umfasst bisher Beispiele aus den Dienst- gleichzeitig ihre bestehenden Arbeitsabläufe analysieren einheiten Abteilung XII (Zentrale Auskunft/Speicher), und gegebenenfalls optimieren wird. Hauptabteilung (HA) VII (Ministerium des Innern, Deut- Gegenwärtig befindet sich das Projekt eArchiv in der Pla- sche Volkspolizei), HA XIX (Verkehr, Post- und Nach- nungsphase zur Umsetzung von BASYS 2 und in der Prü- richtenwesen), HA XXII (Terrorabwehr), HA Kader und fung (vergabe-)rechtlicher Themen. Die bisherige enge Schulung sowie aus dem Büro der Leitung und der Zen- Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv wurde durch eine tralen Auswertungs- und Informationsgruppe. Verwaltungsvereinbarung vom November 2010 auch für Darüber hinaus werden Unterlagen auch außerhalb der die Zukunft fixiert. Internetseiten der BStU online präsentiert. So werden bei- Gleichzeitig wurde im Berichtszeitraum nach einer ra- spielsweise die Bestände der Thüringer Außenstellen im schen Digitalisierungslösung für bestandsgefährdete ana- Archivportal Thüringen, das von der Archivberatungs- loge Audiodokumente gesucht (siehe Kapitel 3.4.4). Die stelle beim Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar be- Digitalisierung der analogen Audioinformationen erfolgt trieben wird, vorgestellt. – 45 –

Die BStU beteiligt sich mit verschiedenen Findbuchda- Auch die voranschreitende Erschließung zieht neue Her- teien am Archivportal „SED-/FDGB-Archivgut“. Bei die- ausforderungen für die Bestandserhaltung nach sich. Erst- sem Portal handelt es sich um ein Kooperationsprojekt mals 2007 wurden beispielsweise Nitratfilme im Bestand des Bundesarchivs mit den Landes- und Staatsarchiven nachgewiesen, die wegen ihrer Gefährlichkeit separat ge- der neuen Bundesländer und des Landes Berlin (siehe lagert und möglichst rasch dupliziert werden müssen Neunter Tätigkeitsbericht, S. 39–40). Die BStU hat (siehe Kapitel 3.4.4). hierzu eine online-Beständeübersicht zu im MfS-Überlie- ferungsbereich enthaltenen Unterlagen von SED und Der BStU obliegt die langfristige Erhaltung der Unterla- FDGB erstellt, die seit Herbst 2009 in den online-Auftritt gen des Staatssicherheitsdienstes, damit auch nachfol- des Netzwerks „SED-/FDGB-Archivgut“ eingebunden gende Generationen diese nutzen können. Unter dieser ist. Den größten Anteil bildet dabei die Überlieferung zur Prämisse wurde die Bestandserhaltungskonzeption der SED-Kreisleitung und zum FDGB-Kreisvorstand im BStU überarbeitet. Dabei begreift das Konzept die Erhal- MfS. Weitere Erschließungsangaben betreffen die Be- tung der Unterlagen nicht als exklusive Aufgabe der Ar- stände Leitung der Parteiorganisation in den MfS-Be- chive, sondern vielmehr als Auftrag an alle Bereiche, die zirksverwaltungen Gera und Neubrandenburg. mit den Unterlagen umgehen – vom inneren Dienst bis Durch die Mitarbeit am Archivportal wurden erstmals zum Nutzer der Unterlagen. Die verantwortliche Archiv- BStU-Findmittel im Verzeichnungs- und Präsentations- abteilung organisiert Schulungen und Informationsveran- standard EAD (Encoded Archival Description) erstellt, staltungen für die Beschäftigten der Behörde; Magazin- welches sich als fachliches Austauschformat im internati- mitarbeiterinnen und -mitarbeiter werden regelmäßig zu onalen Maßstab etabliert hat. unterschiedlichen Fragen des Bestandsschutzes unterrich- tet. Auch den Beschäftigten aus den Erschließungsberei- chen des Archivs obliegt eine besondere Sorgfaltspflicht 3.4 Bestandserhaltung bei der Verpackung der Verzeichnungseinheiten. Für alle 3.4.1 Präventive Maßnahmen Beschäftigten fand im Oktober 2010 eine Veranstaltung unter dem Thema „UNESCO-Welttag des audiovisuellen Der Bestandserhaltung der Hinterlassenschaft des Minis- Erbes: Einblicke in Fotolabor, Tonstudios und Restaurie- teriums für Staatssicherheit wird in den Archiven der BStU die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet. Aus rungswerkstatt“ statt, bei der die aufwändige Sicherung dieser speziellen Sicht konnten seit Bestehen der BStU und Bearbeitung aller Materialien gezeigt und so das Be- sowohl die technische Ausstattung der Archive als auch wusstsein für einen sachgerechten Umgang mit den Un- die Methoden des Aufbereitens der Unterlagen für die terlagen geschärft wurde. Nutzung ständig verbessert werden. Um Folgeschäden von Katastrophen wie dem Hochwas- Die Unterlagen waren 1990 in sehr unterschiedlichen ser an Oder und Elbe, dem Brand in der Weimarer Anna Umgebungen vorgefunden worden. Das Spektrum reichte Amalia Bibliothek 2004 und nicht zuletzt dem Einsturz von zum Teil klimatisierten Magazinen im MfS-Zentral- des Kölner Stadtarchivs im März 2009 wirksam begegnen archiv in Berlin bis zur unsachgemäßen Lagerung in ei- zu können, streben Archive, Bibliotheken und verwandte nem Bunker in Cottbus. Einrichtungen zunehmend Zusammenschlüsse auf lokaler und regionaler Ebene an. Ein Beispiel dafür ist der von Zum Verschleiß des Archivmaterials trugen zusätzlich die Archiven mit Sitz in Magdeburg gegründete Notfallver- vielfache Nutzung und der Transport zwischen den Lie- bund. Vertreter von sechs Magdeburger Archiven unter- genschaften der BStU bei. Selbst dort, wo auf bestehende Magazine zurückgegriffen werden konnte, war ihre Kapa- zeichneten am 3. September 2009 im Gebäude des Land- zität auf die vom MfS bereits archivierten Ablagen ausge- tags eine Vereinbarung zur wechselseitigen Unterstützung richtet, nicht jedoch auf tausende zusätzliche Bündel und im Katastrophenfall. Neben der Außenstelle Magdeburg Säcke mit zerrissenen Unterlagen. der BStU sind das Landeshauptarchiv, das Stadtarchiv, das Landtagsarchiv sowie das Archiv der evangelischen Mit dem Ausbau und der Modernisierung bestehender Kirchenprovinz Sachsen und das Bistumsarchiv an der Liegenschaften oder dem Umzug in geeignetere Räum- Vereinbarung beteiligt. Eine regelmäßig tagende Arbeits- lichkeiten verbesserten sich auch die Lagerungsbedingun- gruppe erarbeitet Notfallpläne für Krisensituationen und gen für das Archivgut. Ein Großteil der Unterlagen wurde stimmt diese mit zuständigen Behörden vor Ort ab. Mit zwischenzeitlich in säurefreie Behältnisse verpackt; in dem Verbund sind so die Voraussetzungen geschaffen den Magazinen wurden klimaverbessernde Lösungen ge- worden, um im Katastrophenfall gefährdetes Archivgut schaffen. durch gegenseitige personelle, technische und räumliche Tondokumente, Kinefilme und Videos werden unter spe- Unterstützung so optimal wie möglich zu schützen. Wie ziellen Bedingungen zentral in Berlin gelagert. Fotos je- ernst die Archivare der BStU ihre diesbezügliche Verant- doch verbleiben – wegen der Möglichkeit der Erschlie- wortung nehmen, zeigt u. a. ihre Beteiligung an einer ßung, da keine weitere Technik benötigt wird – in den Übung zum Katastrophenschutz im Rahmen des Berliner jeweiligen Archiven der Außenstellen. Hier artikuliert Notfallverbundes im September 2010 sowie die Teil- sich eine generelle Herausforderung für die BStU: Es ist nahme am 80. Deutschen Archivtag 2010 in Dresden. notwendig, eine geeignete Lagerung mit zeitgleichem Dieser hatte die Problematik „Archive unter Dach und kurzfristigem Zugriff zu verknüpfen. Fach. Bau, Logistik, Wirtschaftlichkeit“ zum Thema. – 46 –

3.4.2 Schutzverfilmung und Duplizierung Hauptverwaltung Aufklärung, Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung sowie Hauptabteilung IX/11 Eine häufige Nutzung der Aktenbestände und der Karteien für ein Pilotprojekt zur Massenentsäuerung vorbereitet, des MfS führt zum Verschleiß des Papiers und zu Informa- welches bis 2011 aus Mitteln des Konjunkturpaketes II tionsverlusten. Die Schutzverfilmung gefährdeter Unterla- der Bundesregierung umgesetzt wird. gen ermöglicht einen fortwährenden Zugang sowie eine dauerhafte Sicherung derselben. Seit November 2002 wer- Nach ihrer Restaurierung und Konservierung konnten im den die Unterlagen der Hauptabteilung IX/11 (Aufklärung Berichtszeitraum ca. 1 500 Blatt wieder der Nutzung zu- von Nazi- und Kriegsverbrechen) schutzverfilmt; im Be- geführt werden. richtszeitraum betraf das 170 113 Seiten. Karteikarten der Personenkartei F 16 aus der Zentralstelle Die Verfilmung des MfS-Karteibestandes der Zentral- (ca. 2 000 Stück), die starke Beanspruchungsspuren z. B. stelle wurde bereits im Jahr 2000 abgeschlossen. Die an den Griffkanten aufwiesen, wurden ebenfalls restauriert. Schutzverfilmung der in den Außenstellen Chemnitz, Er- Für die Außenstelle Gera wurde eine vom MfS vorvernich- furt, Frankfurt (Oder), Rostock und Suhl überlieferten tete Kerblochkartei aus dem Teilbestand Abteilung VIII Karteien des MfS konnte ebenfalls beendet werden. Zur- (Beobachtung, Ermittlung) mit ca. 2 900 Karteikarten auf- zeit werden die Karteien der Außenstellen Halle, Leipzig gearbeitet. und Neubrandenburg verfilmt. Die Anzahl der verfilmten Sechs Säcke und zwei Koffer stark verschmutzter und mit Karteikarten im Berichtszeitraum beläuft sich auf Schimmelpilz behafteter Unterlagen aus den Beständen 465 697. Es folgen die Beständen Cottbus, Dresden, der Außenstellen Potsdam und Suhl konnten an einer Gera, Magdeburg, Potsdam und Schwerin. Reinraumwerkbank im Labor der Restaurierungswerk- Eine besondere Aufmerksamkeit gilt der Bestandserhal- statt gereinigt und desinfiziert werden. tung der vom MfS gefertigten Mikrofilme. Diese sind durch den häufigen Gebrauch zu Recherchezwecken, 3.4.4 Sicherung audio-visueller Medien und zum Teil auch durch die Anfertigung von Rückkopien, maschinenlesbarer Daten sehr stark beansprucht und in ihrer Substanz gefährdet. Je nach Medienart und Trägermaterial ergeben sich aus Deshalb werden für die Akteneinsicht polaritätsgleiche konservatorischer und nutzungsspezifischer Sicht unter- Duplikatfilme gefertigt. Vor der Duplizierung werden die schiedliche Strategien für die Bestandssicherung. Das be- MfS-Mikrofilme hinsichtlich mechanischer Schäden ge- traf im Berichtszeitraum beispielsweise die gefährdeten prüft. Falls vorhanden, werden Defekte, wie z. B. Ein- analogen Audiodokumente wie auch die feuergefährli- und Durchrisse, und Verschmutzungen beseitigt. chen Nitrofilme. Die Duplizierung der vom MfS überlieferten Mikrofilm- Für den Audio-Bestand ist die Digitalisierung der analo- bestände in den Außenstellen Dresden, Frankfurt (Oder), gen Tonträger die angemessene Methode, um die Infor- Cottbus, Halle, Leipzig, Magdeburg, Neubrandenburg, mationen nutzbar zu halten und perspektivisch langzeitar- Potsdam und Schwerin ist beendet. Gegenwärtig werden chivisch zu sichern. Im Berichtszeitraum konnten dafür die Mikrofilmbestände aus den Außenstellen Chemnitz konzeptionelle Rahmenbedingungen geschaffen werden. und Rostock bearbeitet. Im Berichtszeitraum wurden Dazu wurden u. a. Digitalisierungsparameter sowie Meta- 1 784 Filme dupliziert. Die Sicherung von Mikrofilmen datensets, Speicherformate und Arbeitsabläufe festgelegt. der Außenstelle Gera folgt im Anschluss. Die Daten aus dem Prozess der Digitalisierung sind in der Datenbank AudioDigital zugriffsfähig (siehe Kapi- 3.4.3 Papierrestaurierung und -konservierung tel 3.3.2). Die Restaurierungswerkstatt unterstützt viele Bereiche Wie oben genannt, stellen Filmmaterialien auf Nitratbasis der Behörde mit fachlicher Beratung und gibt Anregun- Archive vor eine hohe Herausforderung. Einerseits ist die gen zur Bestandserhaltung. Die Konservierung der Be- Identifizierung mit nicht destruktiven Mitteln, also sol- stände umfasst diverse präventive Maßnahmen, wie ar- chen, die das Filmmaterial dabei nicht zerstören, ausge- chivgerechte Verpackung, klimatisierte Lagerung und sprochen schwierig, andererseits ist sie unumgänglich, da umsichtige Handhabung in allen Bereichen. Die Unterla- der Gesetzgeber Nitratfilmmaterial zu den Sprengstoffen gen bestehen aus heterogenen Papieren und tragen, oft zählt und dem Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe herstellungsbedingt, den Keim der Zerstörung durch Säu- (Sprengstoffgesetz – SprengG ) unterstellt. Im Laufe der rebildung in sich. Bei der häufigen Nutzung werden sie vergangenen Jahre gelang es sukzessive, die Fotonegative außerdem mechanisch stark beansprucht und auch ge- auf Nitratbasis zu erkennen und aus dem Bestand heraus- schädigt. Eine Konservierungsmöglichkeit für diese Pa- zulösen. piere bietet die Entsäuerung. Im Jahr 2009 wurden für die Für diese derzeit 2 700 Einzelbilder, wie auch für zukünf- Außenstelle Chemnitz ca. 100 Akten mit stark geschädig- tig auftretendes Material auf Nitratbasis, sind Ersatzko- ten Papieren aus den Jahrgängen 1947 bis 1949 im Ein- pien auf Polyesterbasis und Digitalisate für die Nutzung zelblattverfahren entsäuert und anschließend restauriert. vorgesehen. Nach umfänglicher Qualitätskontrolle der Das Massenproblem des schleichenden Papierzerfalls kann Reprografien werden die Originale sachgerecht entsorgt. jedoch nicht in Einzelrestaurierungen bewältigt werden. In der zentralen Restaurierungswerkstatt der BStU wurden Obwohl die Informationen von fast allen überlieferten daher ca. 90 lfd. M. Unterlagen aus den Teilbeständen (nicht gelöschten) Datenträgern des MfS gesichert wur- – 47 – den, existieren noch einige Datenträger in besonders sel- oder Spionage abhanden gekommen oder im Zuge der tenen Formaten, die bisher nicht gelesen werden konnten. Besetzungen von MfS-Dienststellen 1989/90 entwendet Da ohne den physischen Zugriff auf die Datenträger keine worden waren. Des Weiteren gehören dazu Akten, die Ge- sicheren inhaltlichen Aussagen getroffen werden können, richte und Behörden für unterschiedliche Zwecke – etwa bemüht sich die BStU hier weiterhin, Lösungen zu fin- zur Strafverfolgung, Rehabilitierung, Vermögensaufklä- den. Für eine kleine Anzahl sehr seltener Datenkassetten rung, Rentenberechnung – vor Inkrafttreten des StUG aus dem Bereich der Rückwärtigen Dienste des MfS ge- nutzten. Und schließlich fallen darunter Überlieferungen, lang es im Berichtszeitraum, in Zusammenarbeit mit ei- die sich nach 1990 noch in ehemaligen Liegenschaften nem externen Experten die Daten zu sichern, die sich im des MfS fanden sowie Unterlagen, die nach Bestands- Ergebnis aber als bedeutungslos herausstellten. Für einen bzw. Provenienzbereinigungen von anderen Archiven an anderen Datenträgertyp wurden der BStU im Berichts- die BStU abgegeben werden, insbesondere aus Überliefe- zeitraum leihweise zwei inzwischen historische Speicher- rungen anderer bewaffneter Organe der DDR. laufwerke von der Universität Greifswald zur Verfügung gestellt. In Kooperation mit externen Fachleuten wird Die weitere archivische Bearbeitung dieser akzessionier- momentan versucht, diese Geräte für die Sicherung der ten Unterlagen stellt die Archivare vor Herausforderun- Datenträger wieder in Betrieb zu setzen. gen. Teilweise sind sie restaurierungsbedürftig; unautori- sierte Kopien und Digitalisate verlangen aktenkundliche Expertise. Für die Zuordnung sowie sachgerechte Ver- 3.5 Herausgabe und Übernahme von zeichnung sind fundierte Kenntnisse zur Überlieferungs- Unterlagen lage erforderlich. Im Frühjahr 1990 erfolgte die Bergung und Sicherung der Neben Akten wurden auch Disketten, Filme, Videos und umfangreichen schriftlichen Hinterlassenschaften des Tonbänder akzessioniert. Staatssicherheitsdienstes, die sich auf viele – bekannte und geheime – Dienststellen verteilte. Oftmals erfolgte die Sicherung in großer Hast und nur provisorisch. Pro- 3.6 Manuelle und virtuelle Rekonstruktion bleme bereiteten unklare Zuständigkeiten und getarnte zerrissener Unterlagen Dienstobjekte. Es handelte sich hierbei also nicht um eine 3.6.1 Manuelle Rekonstruktion geordnete Übergabe von Registraturen und Archiven. Da- her war es auch nicht möglich, letzte Gewissheit über die Die seit 1995 bestehende Projektgruppe „Manuelle Rekon- Existenz aller noch vorhandenen Unterlagen zu erhalten. struktion zerrissener MfS-Unterlagen“ hat den Auftrag, jene Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes wieder zu- Das Stasi-Unterlagen-Gesetz benennt, was zu den Stasi- sammenzusetzen, die von Angehörigen des MfS 1989/90 Unterlagen zählt, schreibt dafür der BStU das Verwahr- grob per Hand zerrissen, aber nicht mehr endgültig besei- monopol zu und regelt die unterschiedlichen Verwen- tigt werden konnten. Im Einzelnen ist sie zuständig für dungsmöglichkeiten. So erhalten – weil es sich nicht um die Sichtung, Zusammensetzung und erste Formierung Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes handelt – Be- der Unterlagen. Im Anschluss werden die rekonstruierten troffene und Dritte vom Staatssicherheitsdienst wider- Materialien dem jeweils zuständigen Archivbereich der rechtlich weggenommene oder vorenthaltene Gegen- BStU übergeben und dort archivisch erschlossen und stände und Unterlagen zurück (§ 6 Absatz 2 Nummer 4 nutzbar gemacht. StUG). Das betrifft etwa Familienfotos, Tagebücher und Briefe. In gleicher Weise wird verfahren, wenn bei der Inzwischen wurden von der BStU ca. 994 000 Blatt ma- Erschließung Unterlagen fremder Provenienz ermittelt nuell rekonstruiert. Im Berichtszeitraum konnten Einzel- werden, die keine Bearbeitungsspuren des MfS tragen. dokumente, Vorgänge und Aktenteile im Umfang von ca. Diese werden dann, den archivfachlichen Gepflogenhei- 84 600 Blatt manuell erstellt werden, daneben erhebliche ten entsprechend, nach § 11 Absatz 1 StUG an die zustän- Mengen an Blattfragmenten, die erst vervollständigt wer- digen Stellen und Archive abgegeben. Als Beispiel aus den können, wenn in anderen Behältnissen die zugehöri- jüngster Zeit sei ein Fotoalbum der Porzellanmanufaktur gen Teile gefunden worden sind. Meißen aus den 1930er-Jahren genannt, das sich in den Inhaltlich konzentrierten sich die Arbeiten auch in diesem Überlieferungen der BV Dresden fand und am 7. April Berichtszeitraum u. a. auf Unterlagen der Hauptabteilung 2010 an das dortige Unternehmensarchiv abgegeben (HA) XX. Zusammengesetzt wurden Schriftgutteile der wurde. Zwischen 1990 und 2010 wurden insgesamt HA XX/7 (Kultur und Medien) und XX/9 (Bekämpfung 302 lfd. M. Unterlagen abgegeben. politischer Untergrundtätigkeit), beispielsweise weitere Andererseits gibt es auch die Anzeige- und Herausgabe- Unterlagen, die die Überwachung des Schriftstellers pflicht für das Auffinden von Unterlagen des Staats- Stefan Heym aufzeigen. Außerdem konnten Berichte der sicherheitsdienstes gegenüber der BStU (§§ 7 bis 9 Abteilung 26 (Telefonüberwachung) wiederhergestellt StUG). Diese Unterlagen werden dann durch die BStU werden, die Auskunft u. a. über die engmaschige Über- akzessioniert. Im Berichtszeitraum wurden ca. 12 lfd. M. wachung der Berliner Oppositionsbewegung im Jahr Akzessionen eingearbeitet, die sich in verschiedene Her- 1989 geben. kunfts-Gruppen einteilen lassen: Ein weiterer Fokus war auf die zerrissenen Materialien Zum ersten handelt es sich um Unterlagen, die dem aus dem Bereich der Linien II (Spionageabwehr) und Staatssicherheitsdienst bis 1989 durch Geheimnisverrat XIX (Verkehr, Post- und Nachrichtenwesen), vor allem – 48 – aus den Bezirksverwaltungen (BV) Cottbus und Frank- und Konstruktionstechnik (IPK), der sich an eine frühere furt (Oder), gerichtet. Machbarkeitsstudie des Fraunhofer IPK anlehnt. Das Pi- lotverfahren besteht aus zwei Hauptbausteinen. Den ers- Bei den rekonstruierten Unterlagen der Abteilungen XIX ten Hauptbaustein bildet die vom Fraunhofer IPK zu re- aus den BV Cottbus und Frankfurt (Oder) überwogen alisierende technische Entwicklungs- und Testphase. Im Materialien, die zerstörten IM-Vorgängen zuzuordnen sind. zweiten Hauptbaustein werden die virtuell rekonstruier- ten Einzelseiten durch die BStU archivfachlich bearbei- Ebenfalls bearbeitet wurden Überlieferungen der Kreis- tet. Ein Bericht der BStU an den Deutschen Bundestag, dienststellen Eisleben und Meiningen, die unmittelbaren der dem Gesetzgeber eine Entscheidung über die Durch- Aufschluss über den Einfluss des Staatssicherheitsdiens- führung eines möglichen Hauptverfahrens zur virtuellen tes in den Städten und Gemeinden der ehemaligen DDR Rekonstruktion ermöglichen soll, wird das Pilotverfahren geben. Diese Unterlagen werden aktuell weiterbearbeitet beschließen. und nehmen nach erster Einschätzung beispielsweise Be- zug auf das Staatstheater sowie das Staatsarchiv Meinin- Zur fachlichen Begleitung des ersten Hauptbausteins so- gen und widerspiegeln umfassend die Überwachung der wie zur Vorbereitung der Ablauforganisation für den innerdeutschen Grenze und des sogenannten Grenzvor- zweiten Hauptbaustein hat die BStU eine Projektgruppe felds. eingerichtet.

Die Arbeitsergebnisse der Projektgruppe sind ein Nach- Aktuell befindet sich der erste Hauptbaustein des Pilot- weis dafür, welchen Wert die Rekonstruktion zerrissener verfahrens noch in der Entwicklungsphase. Die Entwick- Unterlagen für den einzelnen Antragsteller und für die lung der verschiedenen Module gestaltete sich wesentlich Aufarbeitung der SED-Diktatur durch Forschung, Bil- zeitaufwändiger als der Auftragnehmer bei Projektstart dung und Medien hat. Im Mai 2010 würdigte die Bundes- angenommen hatte. Nach derzeitiger Einschätzung wird beauftragte bei einem Besuch in Zirndorf die Arbeit der es deshalb insgesamt zu einer für Forschungs- und Ent- Projektgruppe anlässlich ihres 15-jährigen Bestehens. wicklungsvorhaben dieser Komplexität nicht ungewöhn- Zahlreiche Schicksale, aber auch Verantwortlichkeiten lichen deutlichen zeitlichen Verzögerung kommen. Abge- konnten erst im Licht der durch die Projektgruppe rekon- sehen davon hat das Fraunhofer IPK bisher die Inhalte struierten Unterlagen geklärt werden. Das betrifft Doku- aller Meilensteine in dem im Forschungsauftrag definier- mente aus der Beobachtung und Verfolgung prominenter ten Umfang sowie in der geforderten Qualität geliefert. Oppositioneller und von Regimekritikern (z. B. Jürgen Da die Leistungen des Fraunhofer IPK erfolgsabhängig Fuchs, Robert Havemann, Stefan Heym). Daneben zu einem Festpreis vergütet werden, entstehen der BStU konnte ehemaligen inoffiziellen Mitarbeitern des MfS mit durch die Verzögerung keine Mehrkosten. Hilfe der zusammengesetzten Unterlagen ihre Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst nachgewiesen werden. Im Berichtszeitraum konnte das virtuelle Rekonstruk- tionsverfahren in lauffähigen Versionen, die unter ande- Die Projektgruppe unterstützt die begleitenden Arbeiten rem die Suchparameter Papierfarbe, Risskante, Hand- der BStU für das Pilotverfahren zur virtuellen Rekons- und Maschinenschrift beinhalten, abgenommen werden. truktion. So wird beispielsweise seit Mitte 2009 gemein- Die derzeitige Planung sieht vor, dass das Fraunhofer IPK sam eine verfeinerte Sichtung der Behältnisse mit den die Entwicklungsphase zum Ende des Jahres 2011 ab- zerrissenen Unterlagen durchgeführt. Dabei ermöglicht schließt. die Option einer künftigen virtuellen Rekonstruktion be- reits jetzt eine differenzierte Bearbeitungszuweisung. Anfang 2010 hat der Deutsche Bundestag entschieden, Demnach können durch die Projektgruppe „Manuelle Re- den aktuellen Forschungsauftrag auszuweiten und weitere konstruktion zerrissener MfS-Unterlagen“ jetzt vorzugs- Module vom Fraunhofer IPK entwickeln und testen zu weise solche Unterlagen bearbeitet werden, die nur lassen. Innerhalb eines integrierten IT-Verfahrens soll die wenige Male zerrissen und daher für die händische Zu- virtuelle Rekonstruktion der Schnipsel zu Einzelseiten sammensetzung besonders geeignet sind. über die IT-gestützte Formierung der Einzelseiten zu Do- Nach Auffassung der BStU ist es für die Rekonstruktion kumenten und Akten bis hin zu deren digitaler Erschlie- großteilig zerrissener Unterlagen auch künftig sinnvoll, ßung erprobt werden. Hierfür hat der Deutsche Bundestag parallel zur virtuellen auch die manuelle Rekonstruktion eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 2 Mio. Euro aufrechtzuerhalten, da letztere neben den Informationen in den Haushalt 2010 eingestellt, die in den Jahren 2011 auch das historische Material selbst wieder herstellt und und 2012 fällig wird. Der entsprechende Erweiterungs- damit zugänglich machen kann. auftrag zum Forschungsauftrag wurde Anfang Dezember 2010 vom Beschaffungsamt des BMI (für die BStU) und 3.6.2 Virtuelle Rekonstruktion von der Zentrale der Fraunhofer Gesellschaft (für das Fraunhofer IPK) unterzeichnet. Im Jahr 2007 bewilligte der Deutsche Bundestag finanzi- elle Mittel für die Durchführung eines Pilotverfahrens zur Nach gegenwärtigem Planungsstand ist vorgesehen, dem virtuellen Rekonstruktion von zerrissenen MfS-Unterla- Parlament 2012 einen Zwischenbericht zum dann erreich- gen. Hierzu erging im Frühjahr 2007 ein Forschungsauf- ten Sachstand sowie zur Machbarkeit der im Rahmen des trag an das Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen erweiterten Forschungsauftrags entwickelten Zusatzmo- – 49 – dule zuzuleiten. Die BStU begleitet fachlich auch die Ent- Treffen von Fachkräften aus den Archiven der osteuro- wicklungsarbeiten, die im Rahmen des erweiterten For- päischen Aufarbeitungsbehörden unter Beteiligung der schungsauftrags durchgeführt werden. BStU fand zudem im Mai 2009 in Prag statt. Als jüngste Beispiele für die Beteiligung der BStU an internationalen 3.7 Archivfachliche Kontakte mit anderen Archivkonferenzen seien die Beiträge auf der 5th Interna- Archiven und Einrichtungen tional Conference on the History of Records and Archives (I-CHORA) in London im Juli 2010 sowie auf der von Die BStU hat im nationalen Rahmen ihre Zusammen- der norwegischen Behörde Statens senter for arkiv, arbeit mit anderen Archiven und Einrichtungen ausge- bibliotek og museum organisierten „ABM-Konferenz“ baut. Zum einen ist sie selbst an fachlichem Austausch in- zur gesellschaftlichen Rolle von Archiven, Bibliotheken teressiert, zum anderen bekommt sie aber auch Anfragen und Museen in Oslo im Oktober 2010 erwähnt. für Kooperationen. Das können sowohl an einem Sach- oder Fachthema orientierte Zusammenarbeiten oder re- Der fachliche Austausch mit dem polnischen Institut des gelmäßige Kooperationen auf institutioneller Ebene sein, Nationalen Gedenkens (IPN) wurde fortgesetzt. Im Jahr etwa wenn mit dem Bundesarchiv an einer gemeinsamen 2008 begann eine Untersuchung der im Archiv des MfS IT-Lösung gearbeitet wird (siehe Kapitel 3.3.2) oder die und des Geheimdienstes der Volksrepublik Polen verwen- Fachhochschulen für Archivwesen in Marburg und Pots- deten Begriffe. Diese Arbeit hat das Ziel, wesentliche Be- dam mit der BStU über Weiterbildungsangebote regelmä- griffe aus der – populär gesehen – „Terminologie der ßig in fachlichem Austausch bleiben. Geheimdienstarchive“ der DDR und der Volksrepublik Polen zusammenzutragen und ihre Bedeutung und Ver- Seit langem existieren zwischen der BStU und regionalen wendung zu beschreiben. Das MfS bediente sich in seiner Archiven regelmäßige Abstimmungen, beispielsweise auf Informationsverarbeitung und Schriftgutverwaltung, dem Gebiet der Bestandssicherung. Hierzu ist auch der beim Anlegen und Führen von Karteien, Akten und Da- im September 2009 von Magdeburger Archiven unter Be- tenbanken einer oft eigentümlichen Terminologie, einer teiligung der Außenstelle der BStU gegründete Notfall- Geheimsprache, die zwar Lehnbegriffe aus der Verwal- verbund zur wechselseitigen Unterstützung im Katastro- tung, der Archivwissenschaft und der Datenverarbeitung phenfall zu rechnen (siehe Kapitel 3.4.1). nutzte, diese aber häufig mit einem veränderten, MfS- spezifischen Inhalt füllte. Hinzu kamen Eigenschöpfun- Die BStU unterstützte im September und Oktober 2010 gen des MfS, insbesondere für die Bezeichnung der viel- mit fünf Archivaren das Historische Archiv der Stadt fältigen Formblätter, Vorgangsarten und Überprüfungs- Köln bei der Sichtung und Erfassung des infolge des Ar- verfahren. Im Nachbarland Polen stellte sich die Situation chiveinsturzes im März 2009 beschädigten Kölner Ar- ähnlich dar. Die Arbeitsgruppen in beiden Ländern haben chivgutes. Ein Einsatz von weiteren fünf Archivaren der ihre wesentlichen Erkenntnisse bereits zusammengefasst. BStU ist für das Jahr 2011 geplant. Dabei kommen deren Inzwischen liegen Manuskripte mit jeweils über 600 Be- Erfahrungen im Umgang mit zerrissenen und losen Un- griffsbeschreibungen vor, die weniger abstrahierend, son- terlagen zum Tragen. Am 30. November 2010 fand hierzu dern eher aktenkundlich informierend sind. Zwischen eine gemeinsame Pressekonferenz des Kölner Stadtar- BStU und IPN wird die Form der Publizierung der Ergeb- chivs und der BStU statt, in dem die positive Resonanz nisse dieses gemeinsamen Projekts gegenwärtig abge- des ersten Einsatzes hervorgehoben wurde. stimmt. Ein weiteres Podium für fachlichen Austausch bilden die Gegenseitiger Austausch ergibt sich in weiter steigendem Archivtage auf Bundes- und regionaler Ebene, an denen Umfang bei Besuchen im Archiv. Archivführungen bie- sich Archivarinnen und Archivare der BStU beispiels- ten den Gästen ein lebendiges Bild der Archivarbeit in der weise durch Referate zu Archivthemen beteiligten. BStU. Zum Besucherkreis zählten Fachkollegen aus dem In zunehmendem Maße werden Archivfachkräfte der Be- Inland, z. B. Mitarbeiter des Internationalen Suchdienstes hörde auch eingeladen, vor internationalem Fachpubli- (ITS) aus Bad Arolsen, Archivarinnen und Archivare des kum Vorträge über die Erfahrungen mit der Archivarbeit Stadtarchivs Köln, Archivinspektorenanwärter und -an- in der BStU und über die Überlieferungslage des MfS zu wärterinnen des Bundesarchivs sowie Fachkollegen aus halten. Hervorzuheben sind Begegnungen mit Kollegen westlichen Demokratien, wie Norwegen und den Nieder- aus den Aufarbeitungsbehörden Polens, Ungarns, Tsche- landen, Südkorea und mehreren Ländern Lateinamerikas. chiens und der Slowakei, die anlässlich des 20. Jahres- Gäste aus Ländern Mittel- und Osteuropas mit vergleich- tages der jeweiligen nationalen Ereignisse 1989/90 im barer Diktaturerfahrung, beispielsweise aus Polen, Lett- Rahmen verschiedener Fachtagungen stattfanden. Bei- land, der Ukraine, dem Kosovo, aber auch aus anderen spielhaft hierfür seien die Veranstaltungen zum 20. Jah- Regionen der Welt, wie Brasilien und dem Irak, wurden restag der Samtenen Revolution im Institut des Nationa- durch das Archiv geführt. Diese Besuche waren von in- len Gedenkens der Slowakei (ÚPN) im November 2009 tensiven Fachgesprächen begleitet, in denen die weltweit in Bratislava sowie die Internationale Konferenz im beachtete Vorreiterrolle der BStU bei der Aufarbeitung Historischen Archiv des Ungarischen Staatssicherheits- von Geheimdienstunterlagen einer untergegangenen Dik- dienstes im September 2010 in Budapest genannt. Ein tatur deutlich wurde. – 50 –

4 Verwendung von Unterlagen auf Antrag Verwaltungsgerichts Berlin, das sich erstmals mit dem oder Ersuchen Komplex der sogenannten Gruppe Ralf Forster, einer militärischen Untergrundorganisation der DKP, und in Die Auskunfts- und Herausgabetätigkeit der BStU war im diesem Zusammenhang mit den Voraussetzungen der Ka- Berichtszeitraum in besonderer Weise von drei Ereignis- tegorisierung von Unterlagen als solche zu einem Be- sen gekennzeichnet und beeinflusst: Einem neuen aktuel- günstigten befasst hat. len Höchststand bei den Antragseingängen im Bereich der persönlichen Akteneinsicht, dem unerwartet erstark- Der Erfahrungsaustausch zu Fragen der Verwendung von ten Interesse an der Überprüfung politischer Mandats- Stasi-Unterlagen mit den Partnerorganisationen der östli- und Amtsträger sowie dem 20. Jahrestag der Friedlichen chen Nachbarstaaten sowie im Rahmen internationaler Revolution. Kongresse wurde im Berichtszeitraum fortgesetzt und in- tensiviert. Intensiv waren die Kontakte insoweit beson- Die Zahl der Eingänge im Bereich der Bürgeranträge über- ders mit der bulgarischen Partnerinstitution COMDOS. stieg im Jahr 2009 erneut die Grenze von 100 000. Hiervon Großes Interesse an den Erfahrungen mit der Verwendung entfielen über 65 000 auf Erstanträge. 2010 gingen mehr der Stasi-Unterlagen bestand aber auch bei Vertretern aus als 87 000 Anträge ein, wobei mehr als 54 000 Bürger erst- Ländern, die bisher noch über keine institutionalisierte mals einen Antrag auf Akteneinsicht stellten. Aufarbeitung verfügen (hierzu siehe auch Kapitel 7). Die öffentliche Diskussion über die frühere Verstrickung von Mandats- und Amtsträgern hatte zum wesentlichen 4.1 Anträge von Bürgerinnen und Bürgern Teil ihren Ursprung in der politischen Entwicklung im auf Auskunft, Einsicht in und Heraus- Bundesland Brandenburg, wo 20 Jahre nach dem Ende gabe von Unterlagen sowie auf des SED-Regimes ein später Aufarbeitungsprozess an Bekanntgabe von Namen ehemaliger Dynamik zu gewinnen begann. Damit im Zusammenhang Mitarbeiter des Staatssicherheits- steigerten sich allein die Überprüfungsersuchen zu parla- dienstes mentarischen und kommunalen Mandatsträgern um mehr als 150 Prozent. Auch die Diskussion über eine Novellie- 4.1.1 Antragsaufkommen, Erledigungen, rung des StUG wurde nicht zuletzt vor diesem Hinter- Bearbeitungszeiten grund durch Forderungen nach einer Verlängerung der Das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an der persön- Überprüfungsmöglichkeiten über das Jahr 2011 hinaus lichen Einsicht in die Stasi-Unterlagen ist im Berichts- ausgelöst. zeitraum im Vergleich zu den Vorjahren unverändert hoch geblieben. Im Jahr 2009 gingen mit 102 658 Anträgen Der 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution beflügelte noch einmal rund 15 000 Anträge mehr ein als im Vor- naturgemäß in besonderer Weise die Forschung und die jahr. Im Jahr 2010 lag der Antragseingang mit 87 514 An- Medien, was sich sowohl quantitativ als auch thematisch trägen in etwa wieder auf dem Niveau des Jahres 2008. im Antragsaufkommen in diesem Bereich niederschlug. Insgesamt konnte die BStU bis zum 31. Dezember 2010 In den Jahren 2009 und 2010 konnten mit 1 930 bzw. rund 2,75 Millionen Anträge verzeichnen (siehe An- 1 486 Anträgen die höchsten Eingangszahlen seit 15 Jah- hang 5; zur Verteilung der Antragseingänge auf die Bun- ren verzeichnet werden. Die Zahl eingehender For- desländer siehe Anhang 6). schungs- und Medienanträge pro Mitarbeiter hat sich so seit 2005 praktisch verdoppelt. Bemerkenswert ist auch Die Steigerung im Jahr 2009 ist sicher im Zusammenhang das zu beobachtende zunehmende Interesse an Filmdoku- mit dem 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution zu sehen. menten. So waren etwa MfS-Schulungsfilme Gegenstand Dass sich jedoch die Antragszahlen insgesamt 20 Jahre gesonderter Veranstaltungen und fanden sogar Aufnahme nach Gründung der Behörde noch auf einem derart hohen in ein Kurzfilmfestival. Niveau bewegen würden, ist nicht zu erwarten gewesen. Die bereits im Neunten Tätigkeitsbericht (siehe dort Dabei sind es nicht überwiegend Wiederholungsanträge, S. 10) dargestellte Problematik der den Auskunftsbereich die diese große Menge ausmachen, sondern im Gegenteil: stark überproportional treffenden Nachbesetzungssperre Nach Abzug von Anträgen auf Decknamenentschlüsse- (siehe auch Kapitel 2.3) hat sich – verstärkt durch das an- lungen bzw. auf das Erstellen von Kopien nach erfolgter haltend hohe Arbeitsaufkommen – weiter verschärft. Ob- Akteneinsicht, die in der Gesamtzahl enthalten sind, be- wohl die Erledigungszahl pro Mitarbeiter unter anderem trägt seit dem Jahr 2003 der Anteil der Erstanträge kon- durch verschiedene organisatorische Maßnahmen noch- stant etwa 75 Prozent. mals gesteigert werden konnte, ließ sich eine Verkürzung der maximalen Wartezeiten im Bereich der persönlichen Vereinzelt wird die Vermutung geäußert, zu diesen erst so Akteneinsicht daher nicht erreichen. spät gestellten Anträgen seien bestimmt keine Erfassun- gen vorhanden, denn die Bürgerinnen und Bürger, die im Die im Zusammenhang mit der Herausgabe von MfS-Un- Fokus des MfS standen, hätten ihre Unterlagen doch terlagen getroffenen Entscheidungen hatten bislang in der längst gesehen. Auch das ist keineswegs der Fall: Eben- ganz überwiegenden Zahl der Fälle bei der – nach wie vor falls seit dem Jahr 2003 ergeben die Recherchen konstant sehr selten eingeklagten – rechtlichen Überprüfung durch lediglich bei einem Anteil von 35 Prozent der Anträge Gerichte Bestand. Dies gilt auch für den Berichtszeit- keine Erfassung. Weitere fast gleichbleibende ca. 22 Pro- raum. Von grundsätzlicher Bedeutung für die Aufarbei- zent der Recherchen führen zu Karteierfassungen, die tung eines speziellen Bereichs des Einflusses der ehema- keine Hinweise auf weitere Unterlagen ergeben. Zu eben- ligen DDR auf die Bundesrepublik war das Urteil des falls über die Jahre konstant bleibenden ca. 40 Prozent – 51 – der recherchierten Anträge wird umfangreicheres Mate- gen, z. B. Abkürzungen, Strukturen des MfS und Ähnli- rial gefunden. Durchschnittlich 3 Prozent der Anträge ches, erläutert wird. Außerdem wird darauf hingewiesen, werden zurückgenommen oder müssen als rechtlich un- dass auf Wunsch selbstverständlich zusätzlich eine per- zulässig abgelehnt werden. sönliche Akteneinsicht möglich ist. Von diesem Angebot machen jedoch nur die Wenigsten Gebrauch. Die Entwicklung des Antragsaufkommens korrespondiert in keiner Weise mit dem Personalbestand. Die beim Auf- Im Jahr 2008 führte eine abteilungsübergreifende Ar- bau der Behörde bevorzugt eingestellten lebenserfahre- beitsgruppe komplexe Prüfungen für den Bereich Akten- nen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erreichen nach und einsicht durch, die darauf abzielten, durch die weitere Op- nach das Rentenalter und ihre Stellen können nicht nach- timierung der Arbeitsabläufe die Bearbeitungszeiten so besetzt werden (siehe auch Kapitel 2.2. und 2.3.1). zu straffen, dass bei anhaltend hohem Antragsaufkom- men trotz des sinkenden Personalbestandes in allen Berei- Dennoch konnten bis zum Ende der Jahre 2009 und 2010 chen der Behörde eine angemessen zeitnahe Erledigung fast alle bis einschließlich 2007 bzw. 2008 eingegangenen der eingehenden Anträge möglich ist und damit die War- Anträge im Bereich Akteneinsicht erledigt werden. Hinzu tezeiten zumindest konstant gehalten werden. kamen jeweils Erledigungen aus dem laufenden Jahr aus Gründen der Eilbedürftigkeit sowie die oben geschilder- Diese Untersuchungen bezogen sich schwerpunktmäßig ten Mitteilungen, dass entweder keine oder nur Kartei- auf fachlich-inhaltliche Aspekte der Antragsbearbeitung, erfassungen vorlagen. So wurden im Jahr 2009 insgesamt aber auch auf Aspekte der Führungs- und Leitungstätig- 90 626 Anträge erledigt (siehe Anhang 5), davon keit, der Eigenmotivation und Eigenverantwortung der 77 205 Erst- und Wiederholungsanträge, 11 383 Anträge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. auf Entschlüsselung von Decknamen sowie 2 038 Ko- pienanträge nach erfolgter Akteneinsicht. Im Jahr 2010 wa- Nach Abschluss der Untersuchungen wurden im Frühjahr ren es insgesamt 89 453 Anträge (siehe Anhang 5), davon 2009 die Ergebnisse mit den Verantwortlichen diskutiert 75 788 Erst- und Wiederholungsanträge, 11 886 Anträge und Festlegungen sowie organisatorische Maßnahmen auf Entschlüsselung von Decknamen sowie 1 779 Kopien- beschlossen. In der folgenden Zeit unterstützte die Ar- anträge. Damit konnten im Vergleich zu den Vorjahren beitsgruppe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der trotz sinkenden Personalbestandes die Bearbeitungszeiten Umsetzung der Maßnahmen durch regelmäßige Beratun- und somit auch die Wartezeit von maximal zwei Jahren gen und Erfahrungsaustausche. So konnte im Vergleich für die Bürgerinnen und Bürger konstant gehalten wer- zu den Jahren 2005/2006 eine weitere Steigerung der Er- den. ledigungszahlen um mehr als 10 Prozent erreicht werden. Dazu beigetragen haben verschiedene bereits vor Jahren Neben allen organisatorischen Maßnahmen und der im ergriffene Maßnahmen, über die ausführlicher schon in Laufe der Jahre gewonnenen Routine bei der Antragsbe- vergangenen Tätigkeitsberichten informiert wurde: So arbeitung ist es vor allem dem Engagement der Mitarbei- werden jeweils zu neu eingehenden Anträgen sofort Re- terinnen und Mitarbeiter zu verdanken, dass die Wartezei- cherchen in den Karteien durchgeführt, um diejenigen, ten im Berichtszeitraum trotz des Personalrückgangs die dort gar nicht erfasst sind oder zu denen über eine Er- nicht weiter gestiegen sind. Dabei sind es zum einen die fassung auf Karteikarten hinaus keine Unterlagen vorlie- Akteninhalte selbst, die immer wieder bewusst machen, gen, möglichst schnell hierüber zu informieren. Die Be- mit welch besonderem Material die BStU umgeht. Zum treffenden erhalten so binnen weniger Monate eine anderen wirkt die Begegnung mit den Betroffenen, deren Nachricht, ob sie in den Karteien des Staatssicherheits- Biografien in den Unterlagen festgehalten sind und denen dienstes erfasst waren. Dadurch liegen bei sehr vielen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BStU ver- Anträgen die Wartezeiten erheblich unter den oben ge- pflichtet fühlen, in hohem Maße motivierend. Diese nannten zwei Jahren. Über interne Kooperationen zwi- Begegnung beschränkt sich nicht immer nur auf die schen Außenstellen und Zentralstelle wird zudem eine be- Akteneinsicht und die Antragsbearbeitung selbst. Viele hördenweit einheitliche Bearbeitungsdauer sichergestellt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Bereich Akten- einsicht beteiligen sich an der Repräsentation der Be- Bei geringem Aktenumfang und dann, wenn nach dem hörde bei den verschiedensten Veranstaltungen, um vor Inhalt der aufgefundenen Unterlagen kein Gesprächsbe- Ort die Fragen der interessierten Besucher zu beantwor- darf zu erwarten ist, findet im Allgemeinen keine persön- ten. liche Akteneinsicht mehr statt, sondern es werden den Bürgerinnen und Bürgern Kopien der Unterlagen zuge- 4.1.2 Beweggründe für einen Antrag auf sandt. Erfahrungsgemäß können auf diesem Wege jähr- Akteneinsicht lich etwa 35 Prozent der Erst- und Wiederholungsanträge bearbeitet werden. Da im Anschluss an eine Aktenein- Die Frage nach den Gründen für das anhaltend große In- sicht ohnehin in den meisten Fällen Kopien von den gele- teresse der Bürgerinnen und Bürger an dem, was das MfS senen Seiten beantragt werden, erspart dieses Verfahren über sie dokumentiert hat, durchzieht alle bisherigen Tä- der Behörde den mit einer Akteneinsicht vor Ort verbun- tigkeitsberichte. Grundsätzlich müssen Anträge auf denen erhöhten Arbeits- und Zeitaufwand und den Bürge- Akteneinsicht in die zur eigenen Person angelegten Un- rinnen und Bürgern teilweise erhebliche, mit Zeit und terlagen nicht begründet werden. Abgesehen von den Er- Kosten verbundene Wege. Den versandten Kopien liegt gebnissen einzelner Befragungen ergibt sich aber ein Ge- ein Begleitschreiben bei, mit dem der Inhalt der Unterla- samtbild aus den Eindrücken, die die Sachbearbeiterinnen – 52 – und Sachbearbeiter aus den anlässlich der Akteneinsich- Andere Akteneinsichtsanträge wurden gestellt, weil auf- ten geführten Gesprächen mitnehmen. grund der Mitteilung der BStU an die ersuchenden Stellen eine Opferrente nicht zuerkannt bzw. Entschädigungen Danach sind die Beweggründe sehr vielfältig. Im Be- zurückgefordert wurden. In der Folge wird dann von den richtszeitraum wurde das Interesse an einer persönlichen Betreffenden Einsicht in die Unterlagen beantragt, worauf Akteneinsicht bei vielen Menschen durch die Berichter- sie unter anderen Umständen möglicherweise verzichtet stattung über die Jahrestage im Zusammenhang mit der hätten. Friedlichen Revolution geweckt. Andere fanden mit dem Erreichen des Rentenalters nun die Zeit, sich mit der The- Im Rahmen von Wiederholungsanträgen führt der zeitli- matik zu befassen. Einige wurden von ihren Kindern und che Abstand bei inoffiziellen Mitarbeitern (IM) vermehrt Enkeln, die inzwischen älter und damit politisch bewuss- dazu, dass nun doch Zugang zu den Mitarbeiterunterlagen ter geworden sind, zur Antragstellung angeregt. Auch im begehrt wird, was beim Erstantrag meist noch zurückge- Rahmen der Zweckbegründung zu Anträgen naher Ange- wiesen worden war. In solchen Fällen war bei der ersten höriger von Vermissten und Verstorbenen kommt ver- Antragstellung das Feld „Betroffener“ angekreuzt wor- mehrt zum Ausdruck, dass offenbar mit Voranschreiten den, im Ergebnis der Recherchen stellte sich aber heraus, der Zeit verschiedene bisherige Tabuthemen in Familien dass zu der Person Unterlagen gefunden wurden, die das aufgearbeitet werden. Veranlasst werden Anträge auch MfS zu einem inoffiziellen Mitarbeiter angelegt hatte. durch Archivführungen von Schüler- und Studentengrup- Der Zugang zu den Unterlagen wird damit nicht nur kos- pen sowie insbesondere in den Außenstellen durch Schü- tenpflichtig, sondern der Antrag muss auch nach anderen lerprojekte. Es werden dann häufig Antragsformulare Rechtsgrundlagen bearbeitet werden. mitgenommen mit der Begründung, das Gespräch mit den Immer wieder werden Wiederholungsanträge auf erneute Eltern oder Großeltern suchen zu wollen. Akteneinsicht in bereits eingesehene Unterlagen gestellt Allein das Bewusstsein, dass in jedem Lebensbereich mit der Begründung, „damals“ keine oder zu wenig Ko- eine Überwachung möglich war, bedingte bei vielen eine pien beantragt zu haben oder diese, aus welchen Gründen latente Misstrauensstimmung. Dieses Misstrauen gegenü- auch immer, nicht mehr zu besitzen. Manche haben auch ber Freunden oder innerhalb der Familie wurde zunächst das Gefühl, das schon einmal Gelesene mit dem Abstand häufig verdrängt. Man war in den ersten Jahren nach der von Jahren besser verarbeiten zu können. Wiedervereinigung viel zu sehr damit beschäftigt, sich in Vielfach wird als Begründung für einen Antrag angeführt, den veränderten Lebensumständen zurechtzufinden. Erst neue Erkenntnisse durch Gespräche mit anderen Personen jetzt dringen diese Fragen wieder an die Oberfläche. gewonnen zu haben, die bereits Akteneinsicht hatten. In vielen Fällen ist es aber auch gerade die Belastung Wenn diese Personen in den zu ihnen gefundenen Unter- selbst, die Menschen viele Jahre gehindert hat, die Unter- lagen Berichte über bestimmte Begebenheiten gelesen ha- lagen zu lesen. Es sind dies häufig diejenigen, deren Bio- ben und anderen damals Beteiligten davon erzählen, wer- grafie durch das MfS besonders beeinträchtigt wurde, sei den von diesen häufig Anträge als Dritte gestellt (siehe es durch erlittene Haftzeiten oder anderes Unrecht. Im auch Kapitel 4.1.4.1). Berichtszeitraum sind beispielsweise verstärkt Anträge von ehemaligen Heimkindern eingereicht worden, die 4.1.3 Bürgerberatung aufgrund von Berichterstattungen über Misshandlungen Welche Motivation auch immer die Bürgerinnen und Bür- in Heimen und Jugendwerkhöfen dazu angeregt wurden ger bewegt, einen Antrag auf Einsicht in die Stasi-Unter- und nun ihre verdrängten Erinnerungen aufarbeiten lagen stellen zu wollen: der erste Kontakt mit der Be- möchten. In diesem Zusammenhang spielten auch Fragen hörde kommt häufig über die Bürgerberatung der BStU der Rehabilitierung eine Rolle, nachdem das Bundesver- zustande. Im persönlichen Gespräch, telefonisch oder per fassungsgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2009 (Ak- tenzeichen 2 BvR 718/08) festgestellt hatte, dass auch ein E-Mail können Fragen an die Behörde gestellt werden, sei es nach den Zugangsmöglichkeiten zu den Unterla- erlittener Freiheitsentzug ohne strafrechtliche Verurtei- gen, dem Stand der Bearbeitung von Anträgen oder sons- lung, wie zum Beispiel die Einweisung in einen Jugend- werkhof, rehabilitierungswürdig sein kann. tigen den Aufgabenbereich der BStU betreffenden The- men. Ehemalige Haftinsassen stellen noch häufig im Zusam- Im Laufe der Jahre hat sich eine professionelle Beratung menhang mit der sogenannten Opferrente einen Antrag etabliert, die sich auf genaue Kenntnisse der Arbeit des auf Akteneinsicht. Manchmal geschieht das in dem Glau- Staatssicherheitsdienstes und der von ihm hinterlassenen ben, die sich aus den Unterlagen ergebenden Nachweise Archivbestände sowie deren Verwendung im Rahmen des selbst bei den zuständigen Ämtern vorlegen zu müssen. Stasi-Unterlagen-Gesetzes stützt und die gleichzeitig be- Die Ämter wenden sich jedoch selbst mit entsprechenden müht ist, dem einzelnen Menschen in seiner persönlichen Auskunftsersuchen an die BStU (siehe auch Kapi- Situation gerecht zu werden. tel 4.2.1.2). Die Bearbeitung dieser Ersuchen der Ämter erfolgt in der Regel schneller als die persönliche Akten- Die Berichterstattung über die mit der Friedlichen Revo- einsicht der oder des Betreffenden, weil dabei gezielt lution 1989 verbundenen Ereignisse und die zahlreichen nach relevanten Belegen gesucht wird, während die Filme und Ausstellungen über die DDR und den Staats- Akteneinsicht in alle zur Person vorliegenden Unterlagen sicherheitsdienst führten dazu, dass die Anfragen nach wesentlich umfangreicher sein kann. Beratungen stark anstiegen: Meldeten sich in der Zentral- – 53 – stelle der BStU in Berlin im Jahr 2008 beispielsweise zu den Beratungsangeboten in den Regionen ist ungebro- rund 3 500 Anrufer, waren es 2009 rund 6 400. Die Zahl chen. Diese besondere Bürgernähe wird in den Bera- der E-Mail-Anfragen stieg 2009 mit 686 auf mehr als das tungsgesprächen oftmals lobend erwähnt und als sehr po- Doppelte des Vorjahres. sitiv empfunden. Insgesamt wurden von der Bürgerberatung der Berliner Mehrfach war zu beobachten, dass in den Beratungen zur Zentralstelle im Berichtszeitraum 1 312 persönliche Be- Antragstellung das Bedürfnis vorhanden war zu erklären, ratungsgespräche geführt sowie 10 849 telefonische und warum erst jetzt ein Antrag gestellt wird. Vielfach wurde 1 059 E-Mail-Anfragen aus dem In- und Ausland beant- angeführt, dass zunächst die Neuorientierung im wieder- wortet. vereinten Deutschland im Vordergrund stand und jetzt mit dem nötigen zeitlichen und innerlichen Freiraum und Ab- Dabei nutzten nicht nur Privatpersonen, sondern auch öf- stand dieser Schritt gegangen wird. Viele waren über- fentliche und nicht öffentliche Stellen bzw. Forscher und rascht, dass der Entschluss zur Beantragung der Akten- Medienvertreter das Beratungsangebot der BStU, um sich einsicht nicht nur bei ihnen selbst so lange heranreifen im Vorfeld eines Antrags oder Ersuchens zu informieren. musste, sondern das Interesse immer noch hoch ist und Seit einiger Zeit ist festzustellen, dass sich das Beratungs- wegen der großen Zahl der Anträge deren Bearbeitung interesse der Bürgerinnen und Bürger etwas verschiebt. nach wie vor einen längeren Zeitraum in Anspruch Stand anfangs die Beratung zur eigenen Antragstellung, nimmt. also zum Einzelschicksal, im Vordergrund, geht es mit- Bürgerberatung wird durch die Außenstellen auch bei den tlerweile mitunter um ganze Familiengeschichten. Oft verschiedensten Veranstaltungen angeboten, an denen wird in den Gesprächen auch der Einfluss des Staats- sich die Behörde in der Region beteiligt. So zum Beispiel sicherheitsdienstes auf das eigene Schicksal als Folge von im Rahmen von Ausstellungen und Vorträgen der Be- Repressalien gegen die Eltern thematisiert. Das Interesse hörde, an Tagen der Archive, bei der Beteiligung an Mu- von Angehörigen an eventuell vorhandenen MfS-Unterla- seumsnächten oder an Informationsständen anlässlich gen zu ihren Verwandten hat deutlich zugenommen. großer Veranstaltungen wie zum Tag der Deutschen Ein- Ausgehend von den unterschiedlichen Hintergründen der heit. Anfragen ist eine umfassende Beratung zu den rechtli- Nach Schließung der Außenstelle Potsdam zum Jahres- chen Zugangsmöglichkeiten stets geboten. Nicht jedes ende 2008 bestand die Notwendigkeit, für die Bürgerin- noch so plausibel vorgetragene Interesse zum Familien- nen und Bürger Potsdams und Umgebung eine neue schicksal begründet einen zulässigen Antrag. Anlaufstelle der Bundesbeauftragten zu schaffen. Über- Im Rahmen der Antragstellung werden bei vielen Besu- gangsweise wurden zunächst regelmäßige Beratungster- cherinnen und Besuchern Erinnerungen an vergangene mine im Alten Rathaus am Alten Markt in Potsdam Zeiten, Geschehnisse, Lebensabschnitte wachgerufen. Sie durchgeführt. Seit Mai 2010 bietet die BStU jeweils am nutzen dann das Beratungsgespräch, um zum Teil inten- zweiten und vierten Dienstag im Monat eine Bürgerbera- siv und detailliert auch über sehr persönliche Dinge zu tung in den Räumen der „Gedenkstätte Lindenstraße 54/55 sprechen und Fragen zu stellen, deren Beantwortung für die Opfer politischer Gewalt im 20. Jahrhundert“ an. nicht in den Zuständigkeitsbereich der Behörde fällt. Hier Die hohen Besucherzahlen in der Gedenkstätte und die hilft die Bürgerberatung durch allgemeine Informationen, zentrale Lage des Hauses tragen dazu bei, dass auch das die Vermittlung von Ansprechpartnern, Adressen oder Beratungsangebot der BStU intensiv genutzt wird. Im Be- Telefonnummern. Oft ist ein solches Gespräch für Bürge- richtszeitraum sprachen 271 Bürgerinnen und Bürger vor. rinnen und Bürger auch Anstoß, nächste Schritte zu ge- hen, wie z. B. zu Rehabilitierungsbehörden, Landesarchi- 4.1.4 Einzelne Antragsverfahren ven oder zum Bundesarchiv. Wenn dabei umfassendere Jede Bürgerin und jeder Bürger aus dem In- und Ausland Hilfe oder auch Begleitung benötigt werden, stellt die hat das Recht, die über sie oder ihn durch das MfS doku- BStU Kontakte zu geeigneten Anlaufstellen her, wie bei- mentierten Informationen einzusehen. Eine Begründung spielsweise den Landesbeauftragten für die Unterlagen des entsprechenden Antrags ist nicht erforderlich, er muss des Staatssicherheitsdienstes. lediglich eigenhändig unterschrieben sein. Der Antrag Die Bürgerberatung in den Außenstellen erfolgt nicht nur kann formlos gestellt werden und muss als unabdingbare vor Ort in den Dienststellen der BStU, sondern oft auch in Suchkriterien den vollständigen Namen einschließlich enger Zusammenarbeit und Kooperation mit den verschie- ggf. Geburtsnamen sowie das Geburtsdatum enthalten. densten Institutionen in Städten und Gemeinden im regio- Da aber einige weitere Angaben für die Bearbeitung nalen Umfeld, von denen die Mitarbeiterinnen und Mitar- wichtig sind, ist die Verwendung des entsprechenden For- beiter der BStU in der Regel sehr engagiert unterstützt mulars zu empfehlen, das in allen Dienststellen der Be- werden. Es werden regelmäßig allgemeine Beratungstage hörde erhältlich ist, auf Anforderung zugesandt wird und angeboten, oft gemeinsam mit den Landesbeauftragten für unter www.bstu.de auch im Internet zu finden ist. Bei den die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Die Außen- in dem Formular erfragten Angaben sind zum Beispiel, stelle Rostock hat im Berichtszeitraum erstmals auch jedenfalls bei früherem Wohnsitz in der DDR, die An- Beratungstage in einigen alten Bundesländern, in den Re- schriften sehr wertvoll, an denen die oder der Betreffende gionen Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein, ange- bis 1989 gewohnt hat. So können die für die entsprechen- boten, die sehr gut angenommen wurden. Der Zuspruch den Orte jeweils zuständigen Außenstellen in die Recher- – 54 – chen einbezogen werden. Sollte es andere Gründe als den Der Gesetzgeber hat aber hier auch die Gefahr gesehen, damaligen Wohnsitz geben, im Archiv einer bestimmten dass solche Recherchen in Unterlagen anderer Personen Außenstelle zu recherchieren, so kann dies ebenfalls ver- das vertretbare Maß überschreiten könnten. Die Auskunft merkt werden. Das dem Formular vorgeheftete Merkblatt wird demnach nur erteilt, wenn der dafür erforderliche enthält Hinweise auf Angaben, die die Recherchemög- Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem geltend gemach- lichkeiten und damit die Wahrscheinlichkeit, dass Unter- ten Informationsinteresse steht. Ein solches Missverhält- lagen gefunden werden, erheblich erhöhen können. nis kann sich vor allem bei einer Nennung zahlreicher Besonders bei häufig vorkommenden Vor- und Familien- Namen ergeben, z. B. wenn das komplette damalige Kol- namen sind diese Angaben sehr hilfreich. legium benannt wird. In solchen Fällen werden die Be- treffenden gebeten, den Kreis auf die Personen zu be- Zusätzlich zum Antrag ist die Vorlage einer amtlichen schränken, bei denen es konkrete Anhaltspunkte für eine Identitätsbescheinigung zwingend erforderlich, anhand lohnende Recherche gibt und dies zu begründen. Ande- derer die Behörde sich vergewissern kann, etwaig vor- renfalls steht es im Ermessen der Behörde, eine Auswahl handene Unterlagen wirklich nur der bzw. dem Berech- zu treffen und den Antrag zu den übrigen Personen abzu- tigten zugänglich zu machen. Bei Anträgen, die persön- lehnen. Ein Missverhältnis zwischen Aufwand und Infor- lich bei der Behörde abgegeben werden, wird die Identität mationsinteresse kann sich aber auch aus dem Umfang nach Vorlage des Personalausweises oder Passes direkt des Materials ergeben. In einem aktuellen Fall wurden bestätigt und dies auf dem Antrag vermerkt. Ansonsten zum Antragsteller selbst keine Unterlagen gefunden. Er wird die Bestätigung in dem hierfür im Formular vorgese- hatte aber als Student in Berlin Kontakt zu einer Gruppe henen Feld von der zuständigen Meldebehörde vorge- sogenannter Fluchthelfer und hat beim Graben von Tun- nommen. Ersatzweise kann auch eine amtlich beglaubigte neln geholfen. Das Interesse, in den Unterlagen der ande- Kopie des Personalausweises vorgelegt werden. ren Personen aus der Gruppe nach Informationen zu ihm zu suchen, ist nur allzu erklärlich. In Absprache mit ihm 4.1.4.1 Anträge als Dritte wird zunächst nur in den Unterlagen eines der anderen Beteiligten gesucht, was auch schon das Durchsehen eini- Häufig werden trotz aller Bemühungen keine Unterlagen ger tausend Seiten bedeutet. Eine weitere Möglichkeit, gefunden, die das MfS direkt zu der anfragenden Person den Bearbeitungsaufwand zu reduzieren, ist eine Eingren- angelegt hat. Da das MfS bei beobachteten Personen aber zung des Zeitraums. In dem geschilderten Fall existiert zu regelmäßig auch Informationen über das jeweilige Um- dem anderen Beteiligten aus der Gruppe Material aus ei- feld dokumentiert hat, kommt es häufiger vor, dass über nem wesentlich längeren Zeitraum, als der Antragsteller eine Recherche in eigentlich zu anderen Personen ange- Kontakt zu ihm hatte. Es werden daher von vornherein legten Unterlagen sehr umfangreiches Material zu An- nur die Unterlagen aus der gemeinsamen Zeit gesichtet. tragstellern gefunden wird, die selbst nicht in den Kar- Dennoch bedeutet gerade die Bearbeitung von Anträgen teien erfasst sind. Der Anspruch auf Kenntnis aller vom zu Dritten einen erheblichen Aufwand, der sich nicht im- MfS zur eigenen Person dokumentierten Informationen mer im Vorfeld reduzieren lässt. besteht unabhängig davon, wo diese aufgefunden werden. Umgekehrt finden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Die Recherchen nach solchen Unterlagen setzen einen mitunter gelegentlich des Lesens von Unterlagen Infor- Antrag als sogenannte Dritte voraus. Dieser wird oft mit mationen zu Personen in Akten, die vom MfS zu einer an- der Begründung gestellt, man habe doch aus der Familie deren Person angelegt wurden, die aber für die Betreffen- oder dem Freundeskreis schon gehört, dass über die ei- den von großer Bedeutung sein können. Dazu zählen gene Person so viel dokumentiert sei. Dies ist möglich, beispielsweise Informationen über Maßnahmen des MfS wenn jemand trotz Anonymisierung aus eigener Erinne- mit erkennbar erheblichen Auswirkungen auf den Beruf rung weiß, wer bei bestimmten Begebenheiten anwesend oder das soziale Umfeld dritter Personen oder vielleicht war. Wenn es sich bei den Beteiligten um enge Familien- den Verbleib von damals beschlagnahmten Vermögens- angehörige handelt oder die Personenidentität aus sonsti- werten. Um sicherzustellen, dass diese Informationen im gen Gründen offenkundig ist, werden im Einzelfall bei Fall eines Akteneinsichtsantrags der erwähnten dritten der Akteneinsicht Namen von Dritten aber auch als soge- Person aufgefunden werden, erfolgt in solchen Fällen nannte Beziehungsinformationen offen gelassen. In ei- eine Rückmeldung an das Archiv, das die Daten der Per- nem Fall begründete ein Antragsteller seinen Wiederho- son und die Signatur der Fundakte registriert. lungsantrag etwa damit, er sei im Zusammenhang mit seinen Aktivitäten in der damaligen Jungen Gemeinde 4.1.4.2 Anträge naher Angehöriger von des Ortes vom MfS vernommen worden. Dazu habe sich Vermissten oder Verstorbenen in den bisher eingesehenen Unterlagen nur ein Satz ge- funden. Nun habe er jedoch von einem anderen ehemali- Als einzige Ausnahme von dem Grundsatz, dass jeder gen Mitglied der Jungen Gemeinde umfangreiche Kopien Einzelne nur Informationen zur eigenen Person erhält, zu diesem Vorgang erhalten, die auch, allerdings anony- können unter bestimmten Voraussetzungen nahe Angehö- misiert, seine damalige Aussage beinhalteten. Der An- rige von vermissten oder verstorbenen Personen Auskunft tragsteller wird in einem solchen Fall um die Personenda- aus eventuell zu diesen vorhandenen Unterlagen oder ten der Person gebeten, die ihm diese Informationen auch Einsicht in diese erhalten (§ 15 StUG). Hier gilt es gegeben hat, damit Recherchen eingeleitet werden kön- in jedem Einzelfall abzuwägen, ob die Zweckbegründung nen. des Antrags ein die Auskunft oder sogar Einsichtnahme – 55 – rechtfertigendes Interesse trägt. Einer solchen Begrün- Der für die Bearbeitung eines Antrags notwendige Nach- dung bedarf es für nahe Angehörige immer, weil das Ge- weis des Verwandtschaftsverhältnisses kann durch Vor- setz ihnen nicht die gleichen Einsichtsrechte ermöglicht, lage unbeglaubigter Kopien von Personenstandsurkunden wie die oder der Verstorbene bzw. Vermisste selbst sie ge- erfolgen. Sollte dies nicht möglich sein, können auch an- habt hätte. Es werden Zweckvoraussetzungen genannt, dere Beweismittel, wie Auskünfte oder Zeugen, ausrei- die so konzipiert sind, dass der Anspruch als Wahrneh- chend sein. Der Nachweis ist erbracht bei einer an Sicher- mung der Interessen der oder des Verstorbenen bzw. Ver- heit grenzenden Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit missten zu verstehen ist. Zulässige Zwecke nach dem der Angaben. StUG sind die Rehabilitierung, der Schutz des Persön- lichkeitsrechts und die Aufklärung des Schicksals der 4.1.4.3 Anträge ehemaliger Mitarbeiter oder des Vermissten bzw. Verstorbenen. Gerade zum Schutz des Persönlichkeitsrechts, worunter insbesondere Entsprechend § 1 Absatz 1 Nummer 1 StUG erhält jeder die Klärung des Vorwurfs einer Zusammenarbeit mit dem Einzelne, also auch ein ehemaliger inoffizieller Mitarbei- Staatssicherheitsdienst fällt, kann sich ein Antragserfor- ter (IM), Zugang zu allen vom MfS zu ihr oder ihm ge- dernis jederzeit ergeben. Wenn ein Antrag zu einer oder speicherten Informationen. Gleichzeitig müssen aber alle einem erst kürzlich Verstorbenen beispielsweise damit anderen in den Unterlagen erwähnten Personen davor ge- begründet wird, dass erst aktuell der Vorwurf einer Zu- schützt werden, dass sie durch den Umgang mit den Un- sammenarbeit mit dem MfS erhoben wurde, besteht terlagen in ihren Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt selbstverständlich ein Anspruch auf Auskunft für die An- werden (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 StUG). Dies geschieht im Rahmen aller Akteneinsichten durch entsprechende gehörigen. Schwärzungen in den vorgelegten Unterlagen. Im beson- Problematisch kann es sein, wenn die nahen Angehörigen deren Maße gilt dies jedoch für die in IM-Unterlagen den Zweck der Aufklärung des Schicksals als Begrün- enthaltenen Berichte zu den von ihnen beobachteten Per- dung für ihr Interesse an den Unterlagen zu der oder dem sonen. Entsprechend bestimmt § 16 Absatz 2 StUG aus- Verstorbenen nennen. Wenn der Tod erst in der jüngeren drücklich, dass einem IM zusätzlich zu den Informatio- Zeit lag, stellt sich die Frage, ob die Todesumstände tat- nen zur eigenen Person lediglich eine Auskunft erteilt sächlich im Zusammenhang mit den Inhalten der Unterla- wird, die die Art und Umfang der Tätigkeit, den Perso- gen des MfS stehen. Hier bedarf es häufig einer beson- nenkreis, über den berichtet worden ist, sowie die Häufig- keit der Berichterstattung umschreibt. Darüber hinaus ist ders schwierigen Abwägung über die Zulässigkeit des nur dann eine Auskunft aus den erstellten Berichten oder Antrags. Einsicht in diese möglich, wenn ein rechtliches Interesse Bei der Frage, wer naher Angehöriger im Sinne des StUG glaubhaft gemacht werden kann. Dies kann etwa der Fall ist, hat der Gesetzgeber keinen Ermessensspielraum ge- sein, wenn die oder der IM im Rahmen einer gerichtli- lassen, sondern die Verwandtschaftsgrade explizit formu- chen Auseinandersetzung die Möglichkeit erhalten muss, liert. Danach waren von Beginn an antragsberechtigt Ehe- zu Inhalten der Berichte Stellung zu nehmen. Eine solche gatten, Kinder, Enkelkinder, Eltern und Geschwister. Mit Auskunft wird jedoch äußerst restriktiv erteilt. Damit ist der siebten Novellierung des Gesetzes im Dezember 2006 aber der Teil II der IM-Akte, die Berichtsakte, nicht gänz- wurden auch adoptierte Kinder hinsichtlich ihrer leibli- lich von der Akteneinsicht ausgenommen. Bei mündli- chen Berichten hat beispielsweise der Führungsoffizier chen Eltern antragsberechtigt und umgekehrt, wenn nicht die Informationen im Nachhinein niedergeschrieben und auszuschließen ist, dass der Staatssicherheitsdienst auf darin möglicherweise auch seine Eindrücke beispiels- die Adoption oder das Schicksal der leiblichen Eltern weise über Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit des IM fest- Einfluss genommen hat. Damit wurde einem großen Be- gehalten, was ebenfalls zu den personenbezogenen Infor- dürfnis von Menschen Rechnung getragen, die einen An- mationen gehört. trag stellten, weil sie beispielsweise nach Zwangsadoptio- nen ihre leiblichen Eltern bzw. Kinder suchten und hofften, dass sich aus den Unterlagen des MfS Hinweise 4.1.5 Decknamenentschlüsselung auf die Identität ergeben könnten. Auch in diesem Zu- Ein Antrag auf Auskunft oder Akteneinsicht umfasst zu- sammenhang ist die BStU auf die Informationen aus den nächst den Wunsch, zu erfahren, was das MfS zur eige- überlieferten Unterlagen beschränkt, aber auch dies kann nen Person dokumentiert hat. Da aber die in den Akten im Einzelfall helfen, denn zuvor war bei diesem Perso- enthaltenen Berichte von inoffiziellen Mitarbeitern (IM) nenkreis gar keine Auskunft möglich, weil mit der Adop- zumeist mit deren Decknamen unterschrieben sind, tion die Verwandtschaft nach bürgerlichem Recht endete. schließt sich regelmäßig das Bedürfnis an zu wissen, wer Darüber hinaus wurde mit der Novellierung eine Antrags- sich hinter diesen Decknamen verbirgt. Mit der Kenntnis berechtigung für Verwandte bis zum dritten Grad ermög- der- oder desjenigen, die oder der Berichte an das MfS licht, wenn sie glaubhaft machen, dass keine näheren An- geliefert hat, können eventuell Zweifel und falsche Ver- gehörigen vorhanden sind. In der Praxis der vergangenen dächtigungen ausgeräumt oder aber möglicherweise ein Jahre zeigte sich, dass Anträge von Angehörigen dritten Gespräch gesucht werden. Vielfach haben die Betreffen- Grades überwiegend vor dem Hintergrund von Vermö- den schon eine Vermutung, wer sich hinter dem Deckna- gensfragen gestellt werden. Solche Anträge müssen als men verbergen könnte, einzelne scheuen sich aber, diese nicht zulässig abgelehnt werden. im Antrag zu benennen. Sie haben das Gefühl, mit einer – 56 – falschen Namensnennung jemanden zu denunzieren. und sich darüber hinaus auch aus den Unterlagen belegen Diese Sorge ist unbegründet. Wenn sich im Laufe der Re- lässt, dass sie oder er tatsächlich über die Antragstellerin cherchen herausstellt, dass es nicht die vermutete Person oder den Antragsteller berichtet hat. Beide Schlussfolge- war, sondern jemand anderes, wird dies die genannte Per- rungen müssen sicher aus den Unterlagen möglich sein, son nie erfahren. Es hat für die- oder denjenigen auch weil die Person, deren Name bekannt gegeben wird, hier- sonst keinerlei Folgen. Für die Bearbeitung hingegen über nicht informiert wird. Der Gesetzgeber hat eine sol- kann ein solcher vermuteter Klarname (bürgerlicher che Informationspflicht gegenüber definitiv festgestellten Name) sehr hilfreich sein. IM bewusst nicht vorgesehen, weil sie bezüglich ihres da- maligen Tuns nicht geschützt werden sollten. Basis für die ersten Recherchen sind die Angaben aus den Berichten in den Betroffenenunterlagen. Dort finden sich Behördenweit sind die Antragseingänge im Bereich der neben dem Decknamen selbst auch Hinweise auf den Decknamenentschlüsselung kontinuierlich rückläufig. Führungsoffizier des IM, die Diensteinheit und den Zeit- Waren im Jahr 2006 noch 18 076 Anträge gestellt wor- raum der Berichterstattung. Mit diesen Angaben wird zu- den, so hat sich die Zahl im Jahr 2009 auf 12 901 und im nächst in der vom Staatssicherheitsdienst überlieferten Jahr 2010 auf 11 743 reduziert. Im Jahr 2009 konnten ein- Decknamenkartei recherchiert. Das ideale Ergebnis ist schließlich aller Außenstellen 11 383 Anträge erledigt eine Archivsignatur einer IM-Akte, die sodann aus dem werden, im Jahr 2010 waren es 11 886. Archiv angefordert werden kann. Aus dem Teil I dieser Akte, der sogenannten Personalakte, ergibt sich die Iden- 4.2 Verwendung von Unterlagen durch tität des IM. Der Teil II, die Arbeits- bzw. Berichtsakte, öffentliche und nicht öffentliche Stellen enthält im Idealfall ein Duplikat des Berichts aus der Be- 4.2.1 Ersuchen zur Rehabilitierung von troffenenakte. Es ist dann kein Zweifel mehr möglich und Betroffenen und zur Wiedergutmachung der Klarname kann bekannt gegeben werden. erlittenen Unrechts Häufig gestaltet sich die Suche aber erheblich schwieri- 4.2.1.1 Strafrechtliche Rehabilitierung ger. Das kann zum einen die Identifizierung des IM be- treffen, zum anderen aber auch den erforderlichen Bezug Nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz zu der oder dem Betroffenen. In den Fällen, in denen die (StrRehaG) ist es noch bis zum 31. Dezember 2019 mög- Angaben aus der Betroffenenakte nicht ausreichen, um lich zu beantragen, dass die strafrechtliche Entscheidung die zutreffende IM-Akte zu finden, werden die bereits an- eines Gerichts der ehemaligen DDR für rechtsstaatswid- gesprochenen vom Antragsteller vermuteten Klarnamen rig erklärt und aufgehoben wird. Dies ist als Vorstufe für relevant. Eine Recherche in der Personenkartei setzt aber eventuelle Wiedergutmachungsleistungen nach diesem als Suchkriterium auch die Kenntnis des Geburtsdatums Gesetz (siehe auch Kapitel 4.2.1.2) zwingend erforder- voraus, woran diese Möglichkeit mitunter scheitert. Es lich. beginnt dann eine aufwändige Suche in der Betroffenen- Nachdem die Rehabilitierungs- bzw. Wiedergutma- akte nach Zusammenhängen wie beispielsweise dem da- chungsleistungen für erlittenes SED-Unrecht durch die maligen Kollegium, der Nachbarschaft usw. nach Hin- Regelung vom 21. August 2007 über die Zahlung einer weisen auf weitere Recherchemöglichkeiten. besonderen Zuwendung für Haftopfer (sogenannte Opfer- rente) erweitert wurden, gehen bei der BStU seit 2008 Als weitere Voraussetzung für die Bekanntgabe eines jährlich ca. 2 300 gerichtliche Ersuchen zum Zweck der Klarnamens verlangt das Gesetz, dass es sich um Mitar- strafrechtlichen Rehabilitierung ein. Die Zahl liegt gegen- beiter des Staatssicherheitsdienstes handeln muss, die In- über 2007 um über 40 Prozent höher und hat sich seitdem formationen über die (den Antrag stellenden) Betroffenen nicht verändert (siehe Anhang 5). Offenbar ist also für gesammelt oder verwertet haben. Inoffizielle Mitarbeiter viele ehemals Inhaftierte erst die Opferrente ein Motiv, sind nach der Definition des Gesetzes Personen, die sich die frühere strafrechtliche Entscheidung aufheben zu las- zur Lieferung von Informationen an den Staatssicher- sen. heitsdienst bereit erklärt haben. Es muss also aus den Un- terlagen zu erkennen sein, dass die oder der IM wusste, Um zu prüfen, ob die damalige Entscheidung eines DDR- dass es sich um das MfS handelte, dem sie oder er die In- Gerichts mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitli- formationen gab. Wenn ein Bericht eigenhändig mit ei- chen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar war, wendet nem Decknamen unterzeichnet wurde, ist dies eindeutig sich das für das Rehabilitierungsverfahren zuständige der Fall. Wenn er aber von einer anderen Person, etwa Landgericht an die BStU, um einschlägige Unterlagen dem Führungsoffizier, geschrieben wurde, muss sicherge- aus den Archivbeständen anzufordern. Häufig kann dann stellt sein, dass es sich nicht um eine andere betroffene die seinerzeit dem MfS überlassene Gerichtsakte im Ori- Person handelte oder aber das MfS unter Verwendung ei- ginal bereitgestellt werden. Sind solche Dokumente nicht ner Legende an die Person herangetreten ist. Dies lässt vorhanden, erweitern sich die Recherchen auf alle ande- sich im Einzelfall nur durch gründliches Aktenstudium ren zu der Person gegebenenfalls vorhandenen MfS-Un- herausfiltern. terlagen, um vielleicht dort Hinweise über Verurteilungen und Inhaftierungen zu finden. Das können Angaben in Dieses aufwändige Verfahren ist erforderlich, weil ein Strafkarteien ebenso sein wie sonstige Fundstellen, die Klarname nur dann bekannt gegeben werden darf, wenn über das BStU-eigene Findmittel Elektronisches Perso- sich die Identität eines Mitarbeiters des MfS aus den Un- nenregister (siehe auch Kapitel 3.3.2) ermittelt werden. terlagen des Staatssicherheitsdienstes eindeutig ergibt Auch Vorstrafenlisten oder Dokumente von Strafverfol- – 57 – gungseinrichtungen mit Führungsberichten zu der inhaf- der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR vom tierten Person werden ersatzweise herangezogen, wenn 21. August 2007 hatte die BStU in kürzester Zeit eine eine Gerichtsakte nicht vorhanden ist. sehr hohe Zahl von Ersuchen im Zusammenhang mit der beantragten Zahlung einer besonderen Zuwendung für Generell ist in Rehabilitierungsangelegenheiten die Suche Haftopfer (Opferrente) zu bewältigen (siehe auch Neunter nach Unterlagen fast immer erfolgreich: Im Berichtszeit- Tätigkeitsbericht, S. 50–51). Erwartungsgemäß nahm der raum konnten den Gerichten in 73,5 Prozent der Fälle Umfang dieser Ersuchen im Jahr 2010 spürbar ab. Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Bei der Bearbeitung von Ersuchen wegen beantragter Op- Eine thematisch bemerkenswerte Erweiterung zum Ver- ferrente teilt die BStU Anhaltspunkte mit, die von den er- wendungszweck der strafrechtlichen Rehabilitierung suchenden Stellen als Ausschließungsgrund für Leistun- ergab sich durch den Beschluss des Bundesverfassungs- gen gewertet werden könnten. Dabei geht es vor allem gerichts vom 13. Mai 2009. In der Entscheidung zum Ak- um den Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit tenzeichen 2 BvR 718/08 stellte das Gericht klar, dass die oder Rechtsstaatlichkeit. Hier konnte im Berichtszeit- Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechts- raum eine zuvor bestehende Unklarheit hinsichtlich des staatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen nicht voraus- im Sinne von § 19 Absatz 3 StUG „erforderlichen“ Um- setze, dass der Freiheitsentziehung eine Tat zugrunde ge- fangs der zu übermittelnden Informationen ausgeräumt legen hat, die von der DDR-Justiz als strafrechtlich werden. In der obergerichtlichen Rechtsprechung relevant eingeordnet wurde. Somit können seitdem auch herrschte zunächst Streit darüber, ob es infolge der Tätig- Personen rehabilitiert werden und Wiedergutmachungs- keit als inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheits- leistungen erhalten, die in Kinderheime und sonstige Ein- dienstes zu nachweislichen Schäden für Dritte gekommen richtungen der Jugendhilfe der ehemaligen DDR einge- sein muss. Seit 2009 setzten sich bei den Behörden die wiesen worden waren. Durch das am 9. Dezember 2010 vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom in Kraft getretene Vierte Gesetz zur Verbesserung rehabi- 19. Januar 2006 (Aktenzeichen 3 C 11/05) vertretenen litierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politi- Bewertungsmaßstäbe durch. Maßgebend ist seitdem die schen Verfolgung in der ehemaligen DDR vom Auffassung, dass ein inoffizieller Mitarbeiter keinen Ein- 2. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1744) ist dies inzwischen fluss darauf gehabt habe, ob und wie der Staatssicher- mit der Ergänzung des § 2 Absatz 1 StrRehaG berück- heitsdienst die von ihm gelieferten Informationen gegen sichtigt worden. Die Freiheitsentziehung im Geschlosse- Dritte verwendete. Deshalb genüge es für die Annahme nen Jugendwerkhof Torgau war schon vor längerer Zeit eines Ausschließungsgrundes nach § 16 Absatz 2 derjenigen in einer Haftanstalt gleichgesetzt worden. StrRehaG, dass die Person eine Spitzeltätigkeit begangen Aufgrund des genannten Beschlusses ersuchen die Reha- habe. Unter dem Aspekt der Recherchetiefe hat diese Ge- bilitierungskammern der Landgerichte die BStU auch um richtsentscheidung für die BStU große praktische Bedeu- Angaben zu Fällen der Unterbringung in anderen DDR- tung, weil sie den Aufwand bei der Bearbeitung auf die Heimen, da hier in jedem Einzelfall geprüft werden muss, Auswertung der Unterlagen zur angefragten Person be- ob es sich der Sache nach um eine Freiheitsentziehung grenzt. handelte, die mit den Grundsätzen einer freiheitlichen Ordnung unvereinbar war. Die Recherchen können insbe- Durchschnittlich dauert die Bearbeitung bei dieser Ersu- sondere dann zum Erfolg führen, wenn nicht nur unter chensart 2,8 Monate. In etwa 15 Prozent aller Ersuchen dem Namen des damaligen Kindes gesucht wird, sondern wurden im Berichtszeitraum Anhaltspunkte für das Vor- auch die Personendaten der Eltern einbezogen werden. liegen von Ausschließungsgründen für die Bewilligung einer Opferrente mitgeteilt. 4.2.1.2 Wiedergutmachung Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen die Grundsätze der Der Begriff der Wiedergutmachung, zu deren Zweck Un- Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit als Ausschlie- terlagen des Staatssicherheitsdienstes genutzt werden ßungsgrund für die Gewährung einer Leistung vorliegt, können, ist weit gefasst. Hiervon abgedeckt werden nicht war festzustellen, dass manche Antragsteller auf Opfer- nur soziale Ausgleichsleistungen nach dem Strafrechtli- rente auch wegen schwerer Straftaten wie Tötungs- oder chen Rehabilitierungsgesetz wie die Kapitalentschädi- Sexualdelikten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wor- gung oder die besondere Zuwendung für Haftopfer (soge- den waren. Der Bundesbeauftragten war es vor Inkrafttre- nannte Opferrente). Auch Leistungen an Betroffene aus ten des Vierten Gesetzes zur Verbesserung rehabilitie- einer ganzen Reihe anderer Gesetze fallen hierunter. Für rungsrechtlicher Vorschriften am 9. Dezember 2010 nach die BStU praktisch bedeutsam sind z. B. das Berufliche bisheriger Rechtslage verwehrt, eine Mitteilung zu Hin- und Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz, das weisen aus dem Bereich der allgemeinen (auch schwers- Bundesversorgungsgesetz, das Entschädigungs- und Aus- ten) Kriminalität zu machen. Dies begründete sich aus der gleichsleistungsgesetz, das Häftlingshilfegesetz und das ursprünglichen Überlegung, dass jemand, der soziale Vermögensgesetz. Ausgleichsleistungen für erlittenes politisches Unrecht in Anspruch nehmen will, nicht selbst in ein solches ver- Besondere Zuwendung für Haftopfer (Opferrente) strickt sein darf. Die Würdigkeit, entschädigt zu werden, sollte sowohl für die im Strafrechtlichen Rehabilitie- Nach dem Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Verbes- rungsgesetz von 1992 zu regelnden sozialen Ausgleichs- serung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer leistungen als auch für den Erhalt einer besonderen – 58 –

Zuwendung für Haftopfer nur entfallen, wenn das began- Das betrifft sowohl bewegliches Vermögen als auch gene eigene vorwerfbare Verhalten auch einen Bezug Grundstücke und Immobilien. zum Unrechtssystem aufweist. Restitutionsanträge im Zusammenhang mit der Aufhe- Im neuen Absatz 7 des § 17a StrRehaG ist nun geregelt, bung rechtsstaatswidriger straf- und verwaltungsrechtli- dass Personen, die wegen schwerer, außerhalb des Reha- cher Entscheidungen können auch weiterhin nach bilitierungszusammenhangs begangener Straftaten zu ei- Abschluss von Rehabilitierungsverfahren innerhalb einer ner Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt Frist von sechs Monaten gestellt werden. worden sind, von einer lebenslangen Zuwendung ausge- In der Regel ist die Klärung solcher Anliegen nur mit Be- schlossen sind, sofern die Entscheidung in einer Auskunft teiligung der BStU möglich. In den Archiven der Behörde aus dem Zentralregister enthalten ist. wird dann auf Ersuchen der für Entschädigungen zustän- digen Landesbehörden nach entsprechenden personen- Verwaltungsrechtliche und berufliche Rehabilitierung und sachbezogenen Unterlagen recherchiert, was oft sehr arbeitsintensiv ist. Wer in der DDR infolge staatlicher Repressionsmaßnah- men an der Ausübung seines Berufs oder einer angestreb- Wenn z. B. Angaben zu enteigneten und später vom MfS ten Tätigkeit gehindert wurde, wer einer politischen Ver- genutzten Grundstücken in den Archivablagen des Staats- folgung ausgesetzt war oder durch rechtsstaatswidriges sicherheitsdienstes oftmals nicht unter der Bezeichnung Verwaltungshandeln Schaden erlitt, kann nach den der Adresse auffindbar sind, lässt sich hier versteckt hin- Grundsätzen des Beruflichen oder Verwaltungsrechtli- ter Oberbegriffen wie etwa „Gästehäuser“ oder „Dienst- chen Rehabilitierungsgesetzes entschädigt werden. In objekte“ das Gesuchte – falls überhaupt – erst nach dem diesen Fällen ersuchen die zuständigen Behörden um Un- Lesen größerer Mengen nicht einschlägigen Materials terlagen, die eine politische Verfolgung, eine berufliche finden. Benachteiligung oder rechtsstaatswidriges Verwaltungs- handeln belegen können. Außerdem wird nach Hinweisen Falls es nach abschließender Entscheidung der Ämter zu auf Gründe angefragt, die Leistungen nach diesen Geset- Widerspruchsverfahren und Klagen kommt, ersuchen die zen ausschließen können. In Betracht kommen auch hier Verwaltungsgerichte dann ihrerseits bei der BStU um vorwiegend Verstöße gegen die Grundsätze der Rechts- Mitteilung zu den Sachverhalten. Nicht selten sind hier- staatlichkeit und Menschlichkeit. bei durch veränderte Fragestellungen noch tiefer gehende Recherchen als gegenüber dem Erstersuchen notwendig. Demzufolge erstrecken sich die Archivrecherchen auf sämtliche zu der Person vorhandenen Unterlagen. Aus Im Durchschnitt müssen in Vermögenssachen pro Ersu- diesen ist dann thematisch das für den Verwendungs- chen ca. 2 700 Seiten in den Unterlagen gelesen werden. zweck jeweils Erforderliche herauszusuchen, für eine Während des Berichtszeitraums gingen bei der BStU Mitteilung aufzubereiten sowie mit aussagefähigen Du- 237 Ersuchen zu Vermögensfragen ein, 300 Ersuchen plikaten zu belegen. wurden abschließend bearbeitet.

Häftlingshilfegesetz Ausgleichsleistungsgesetz Die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen reichen Ersuchen auf der Grundlage des Häftlingshilfegesetzes auch auf der Grundlage des Ausgleichsleistungsgesetzes (HHG) beziehen sich in der Mehrzahl der Fälle auf die Ersuchen bei der BStU ein. Danach können natürliche Per- Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung einer sonen oder deren Erben für auf besatzungsrechtlicher Beschädigtenversorgung, d. h. auf die Suche nach Ge- bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage enteignete Ver- sundheitsunterlagen aus der Haftzeit. Daneben dienen die mögenswerte eine Ausgleichsleistung erhalten, wenn der Anfragen bei der BStU der Prüfung, ob Ausschließungs- Berechtigte oder sein Rechtsvorgänger nicht gegen die gründe nach § 2 HHG vorliegen, anhand derer Leistungen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit zu versagen sind. Da auch Angehörige und Hinterblie- verstoßen oder dem kommunistischen System in der sow- bene der geschädigten Personen Anspruch auf Leistungen jetisch besetzten Zone oder in der DDR erheblich Vor- nach dem HHG stellen können, wenden sich die zuständi- schub geleistet hat. Die Recherchen erstrecken sich dem- gen Stellen häufig auch zu diesem Personenkreis zwecks zufolge sowohl auf die Frage der Enteignung als auch auf Prüfung des Vorliegens von Ausschließungsgründen an das Auffinden von Ausschließungsgründen für Leistun- die Bundesbeauftragte. Nicht selten liegen den Ersuchen gen nach diesem Gesetz. der zuständigen Stellen zur Erläuterung persönliche Briefe der Antragsteller bei, in denen diese den Sachver- Im Berichtszeitraum erreichten die BStU hierzu 365 Er- halt zum geltend gemachten Anspruch darlegen. suchen; 437 Ersuchen konnten erledigt werden.

Ersuchen zu Vermögensangelegenheiten im Rahmen 4.2.2 Verwendung für Zwecke der Straf- der Wiedergutmachung verfolgung und Gefahrenabwehr Personen, denen rechtsstaatswidrig Vermögen entzogen In den rund 19 Jahren seit Inkrafttreten des StUG hat sich wurde, konnten nach dem Vermögensgesetz Anträge auf die Zielrichtung der Ersuchen nach § 23 des Gesetzes Rückübertragung, Rückgabe oder Entschädigung stellen. verändert. Während anfangs die Regimestraftaten, ein- – 59 – schließlich der geheimdienstlichen Agententätigkeit, ei- § 27 StUG als Mitteilung ohne Ersuchen an die zustän- nen Schwerpunkt bildeten, also Delikte im Vordergrund dige Verfolgungsbehörde gegeben hatte. standen, die bis 1989 verübt wurden, geht es nunmehr vorrangig um solche, die in der Gegenwart begangen In der Summe ist die Zahl von Ersuchen für Zwecke der wurden. Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes können Strafverfolgung und Gefahrenabwehr im Berichtszeit- auch hier durchaus noch Hinweise geben, die Rück- raum der Tendenz der Vorjahre folgend stark zurückge- schlüsse auf Methoden der Tatbegehung oder auf Zusam- gangen (siehe Anhang 5). menhänge zwischen handelnden Personen zulassen. Die Bearbeitungszeit der Vorgänge hat sich dagegen im Ersuchen werden hierbei zu einer oder mehreren Perso- Vergleich zu den Anfangsjahren der Behörde beträchtlich nen bzw. zu Sachverhalten eingereicht. Oft erweitern sich verlängert. Dies ist zurückzuführen auf eine deutlich ver- die Recherchen dann auf die systematische Auswertung größerte Zahl erschlossener Unterlagen, in denen recher- von Unterlagen zu vielen Personen oder Sachbezügen, chiert werden muss. weshalb der Arbeitsaufwand in diesen Fällen mitunter er- heblich ist. 4.2.3 Verwendung von Unterlagen für Zwecke der Nachrichtendienste In der Sache betreffen die Ersuchen Delikte aus dem Be- reich der allgemeinen Kriminalität, wie Tötungsverbre- Die Nachrichtendienste des Bundes, der Länder und der chen, Urkundenfälschung, gewerbsmäßigen Betrug, Un- Verbündeten haben sich im Berichtszeitraum nur noch in treue, Bestechung oder räuberische Erpressung. In einem wenigen Fällen an die BStU gewandt. Ihre personenbezo- Fall wurde z. B. nach einem seit mehreren Jahren ver- genen Anfragen dienten vorwiegend dem Zweck der Spio- missten Mädchen gesucht. Nachdem die Polizei Hinweise nageabwehr. erhielt, dass das Kind getötet und in einem Bunker eines ehemaligen MfS-Objektes versteckt worden sein könnte, Daneben wurden für aktuelle Lageeinschätzungen auch wurde über die BStU nach entsprechenden Bauunterlagen Anfragen gestellt, zu denen themenbezogen zu recher- gesucht. Zwar konnten diese bereitgestellt werden, jedoch chieren war. brachte die Suche der Polizei kein Ergebnis in Bezug auf Das an die BStU gerichtete Auskunftsanliegen eines das Opfer. Nachrichtendienstes aus dem außereuropäischen Raum Spektakulär war im Berichtszeitraum der Fall der aufge- musste abgelehnt werden, da entsprechende Einrichtun- fundenen Unterlagen zu Karl-Heinz Kurras, einem pen- gen von Staaten, die nicht schon vor 1990 mit Deutsch- sionierten ehemaligen Polizisten aus Westberlin, der dem land verbündet waren, keine Ersuchensberechtigung ha- MfS langjährig als Agent diente (siehe Kapitel 4.3.1.3 ben. und 5.2.2). Die gegen ihn daraufhin eingeleiteten Ermitt- lungsverfahren wegen Verdachts der geheimdienstlichen 4.2.4 Nutzung des Zentralen Einwohner- Agententätigkeit und wegen Tötung des Studenten Benno registers der ehemaligen DDR Ohnesorg sind noch nicht abgeschlossen. Eine Zugangsberechtigung zu den Daten des Zentralen Seit jeher politisch wichtig ist die Verfolgung von Strafta- Einwohnerregisters der ehemaligen DDR (ZER) gemäß ten im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen § 2 Absatz 2 StUG haben für die externe Nutzung aus- Regime. Verschiedene Strafverfolgungsbehörden, wie schließlich die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte. etwa US-Justizbehörden oder auch die Zentralstelle der Darüber hinaus kann die Bundesbeauftragte diese Daten Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg, gehen seit In- als internes Recherchehilfsmittel verwenden. Aufgrund krafttreten des StUG auch Hinweisen aus MfS-Unterla- der Tatsache, dass die letzten Einträge in dieser Daten- gen nach, bei denen der Verdacht gegen Personen begrün- bank nun bereits über 18 Jahre alt sind, haben externe An- det erscheint, dass sie in der NS-Zeit Verbrechen tragsteller kaum noch Gebrauch von ihrem Zugangsrecht begangen hatten. gemacht und lediglich zu fünf Personen angefragt. Bei etwa einem Viertel der im Berichtszeitraum einge- Als internes Recherchehilfsmittel hat das ZER jedoch gangenen 28 Ersuchen zur Aufklärung nationalsozialisti- noch immer einen hohen Stellenwert. Das Alter dieser scher Gewaltverbrechen handelte es sich um Rechtshil- Daten wirkt sich hier nicht negativ aus. Die Angaben des feersuchen. Registers ermöglichen in vielen Fällen eine Ergänzung Weitere Rechtshilfeersuchen ausländischer Strafverfol- unvollständiger Personendaten und helfen bei der Ermitt- gungsbehörden trafen im Berichtszeitraum ein, so etwa lung bisher nicht bekannter weiterer Namen oder Wohn- eines, das die Aufklärung des Terroranschlages auf den orte, unter denen möglicherweise Unterlagen zu den an- Hauptbahnhof von Bologna vom 2. August 1980 zum gefragten Personen abgelegt sein können. Immer wieder Ziel hatte. Dabei ging es um die Suche nach Tätern, von hilfreich ist das ZER bei der Identifizierung der Klar- denen vermutet wurde, dass sie sich auch in der DDR auf- namen inoffizieller Mitarbeiter. So können mit zunächst gehalten haben könnten. bruchstückhaften und nur auf Annahmen beruhenden An- gaben zum Geburtszeitraum, Namen oder zur Wohnan- Manche Ersuchen zu Zwecken der Strafverfolgung und schrift der Person Ansatzpunkte für Folgerecherchen ge- Gefahrenabwehr ergaben sich auch aus vorangegangenen wonnen werden, nach deren Ergebnis dem Decknamen Hinweisen, die die BStU zunächst von sich aus gemäß ein Klarname letztlich eindeutig zugeordnet werden kann – 60 –

(siehe auch Kapitel 4.1.5). Im Berichtszeitraum wurden Eine große politische Dynamik hat sich seit dem Jahr interne ZER-Anfragen zu ca. 1 450 Personen bearbeitet. 2009 im Land Brandenburg entwickelt, besonders nach der Wahl des Landtages am 27. September 2009. Nach in- 4.2.5 Ersuchen zur Überprüfung von tensiven Debatten hat der Landtag mit der Novellierung Personen des Abgeordnetengesetzes am 21. Januar 2010 einstim- mig die Überprüfung seiner Abgeordneten beschlossen. Auch mehr als 20 Jahre nach der Friedlichen Revolution Damit ist in Brandenburg, wie sonst nur noch in Sachsen ist die Überprüfung von Personen auf eine frühere haupt- und in Thüringen, die Überprüfung aller Abgeordneten amtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicher- obligatorisch. Zu allen Landtagsmitgliedern (sofern sie heitsdienst noch immer ein wichtiger Bestandteil der Ar- zum Stichtag 12. Januar 1990 das 18. Lebensjahr vollen- beit der Behörde. Die Intensität der Debatten im det hatten), einschließlich der Nachrücker, sind die Über- öffentlichen Raum über grundsätzliche Fragen der Über- prüfungen abgeschlossen. prüfung wie über konkrete Einzelfälle hat, zumindest in Die intensive und auch kontroverse Debatte um Verstri- manchen Bereichen, in der letzten Zeit eher zugenom- ckungen heutiger Mandatsträger in die Tätigkeit des men. Staatssicherheitsdienstes hat besonders auf der kommu- Wegen des Wegfalls von Verwendungszwecken ab dem nalen Ebene in Brandenburg oftmals zu Auseinanderset- 29. Dezember 2006 durch die siebte StUG-Novellierung zungen um die Frage geführt, ob und in welcher Art hat sich der Fokus im Bereich der Überprüfung immer Überprüfungen von Angehörigen kommunaler Vertre- mehr zu Personen hin verschoben, die höherrangige, all- tungskörperschaften und von kommunalen Wahlbeamten gemein bekannte oder politisch relevante Funktionen ein- durchzuführen sind. Im Ergebnis war bei der BStU eine nehmen. Besonders deutlich wird dies bei den Angehöri- sprunghafte Steigerung der Ersuchen zur Überprüfung gen kommunaler Vertretungskörperschaften. Aufgrund von Personen aus diesen Bereichen zu verzeichnen. Wäh- der weit gediehenen parlamentarischen Diskussionen ist rend im Jahr 2008 noch zu 63 Mandatsträgern angefragt noch in der ersten Hälfte des Jahres 2011 eine Novellie- wurde, sind im Jahr 2009 schon 699 Personen überprüft rung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes durch den Bundestag worden. Im Jahr 2010 ist die Eingangszahl dieser Ersu- zu erwarten, bei der die derzeit noch bis zum chen noch einmal auf 1 697, also auf fast das Zweiein- 31. Dezember 2011 geltende Frist, bis zu der zu einigen halbfache, gestiegen. Verwendungszwecken Überprüfungen erfolgen können, Die heutigen Diskussionen erinnern in mancher Hinsicht voraussichtlich noch einmal bis zum 31. Dezember 2019 an vergleichbare Entwicklungen in den anderen neuen verlängert wird (siehe Kapitel 1.3). Zudem ist vor allem Bundsländern Anfang der 1990er-Jahre: In vielen Ge- im Bereich leitender Tätigkeiten im öffentlichen Dienst meindevertretungen, Stadtverordnetenversammlungen mit einer Ausweitung des Kreises überprüfbarer Funk- und Kreistagen finden Debatten und Beschlussfassungen tionsträger zu rechnen. über die Überprüfung der Mandatsträger seit etwa andert- Unverändert ist die Bundesbeauftragte zu einer Mittei- halb Jahrzehnten zum ersten Mal wieder oder überhaupt lung ohne Ersuchen an die jeweils ersuchensberechtigte zum ersten Mal seit Gründung des Landes Brandenburg Stelle verpflichtet, wenn sie gelegentlich der Erfüllung statt. In einer Reihe von Fällen haben sich die kommuna- ihrer Aufgaben die Tätigkeit einer Person für den Staats- len Vertretungskörperschaften dabei mehrheitlich gegen sicherheitsdienst feststellt. Im Berichtszeitraum gab es eine Überprüfung ausgesprochen. dazu zwei Fälle. Es herrscht insgesamt hoher Klärungsbedarf; viele Infor- mationen zum Verfahren und zu den rechtlichen Voraus- 4.2.5.1 Abgeordnete, Angehörige kommunaler setzungen müssen von Grund auf vermittelt werden. Die Vertretungskörperschaften und Bundesbeauftragte leistet hier, unterstützt von der Bran- kommunale Wahlbeamte sowie denburger Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Fol- Regierungsmitglieder gen der kommunistischen Diktatur, eine intensive Bera- tungstätigkeit. Erwartungsgemäß hat sich ergeben, dass Der im September 2009 gewählte Bundestag hat bisher zu im Vergleich zu den anderen neuen Ländern ein erheblich 375 Abgeordneten um Überprüfung gebeten. In der größerer Anteil der angefragten Personen erstmals über- vorangegangenen Legislaturperiode waren insgesamt prüft wird. 129 Abgeordnete überprüft worden. Im Berichtszeitraum wurde aus den Ländern zu Angehö- Landtage reichten in den laufenden (teilweise schon vor rigen kommunaler Vertretungskörperschaften sowie zu diesem Berichtszeitraum begonnenen) Legislaturperioden kommunalen Wahlbeamten (vor allem zu Bürgermeis- in folgender Aufteilung Ersuchen zur Überprüfung ein: tern, Ortsbürgermeistern, Beigeordneten und Landräten) das Abgeordnetenhaus von Berlin zu 155, der Landtag in folgender Größenordnung um Überprüfung ersucht: Brandenburg zu 74, der Landtag Sachsen zu 98, der Brandenburg 2 117, Sachsen 1 746, Thüringen 1 606, Landtag Thüringen zu 71, der Landtag Sachsen-Anhalt zu Mecklenburg-Vorpommern 827 und Sachsen-Anhalt 73, der Landtag Mecklenburg-Vorpommern zu 43, der 452 Personen. Interessant ist dabei im Ländervergleich Landtag Niedersachsen zu 50, die Bürgerschaft Bremen (für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2009; für zu 28 und der Landtag Nordrhein-Westfalen zu 152 Ab- dieses Jahr ist aufgrund der vorhandenen Daten die ge- geordneten. naueste Übersicht möglich) der relative Anteil derjenigen – 61 –

Personen, zu denen Mitteilungen mit Hinweisen auf eine Funktion ausüben, aber eben nicht den vom Gesetz gefor- Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst erfolgten: Thü- derten Status erfüllen. ringen gut 3 Prozent, Sachsen-Anhalt etwa 4,5 Prozent, in Sachsen etwa 5,5 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern Bei den 40 Personen, zu denen Mitteilungen erfolgten, knapp 6 Prozent und in Brandenburg knapp 7 Prozent. handelte es sich um Schulleiter, Rektoren und Kanzler Diese Zahlen bestätigen, was schon in der öffentlichen von Hochschulen, Intendanten, Vorstandsmitglieder staat- Diskussion der letzten Zeit deutlich geworden ist: In licher Kliniken, einen Landesbeauftragten für Daten- Brandenburg hat es etwa seit Mitte der 1990er-Jahre in schutz, einen Museumsdirektor, den Leiter einer Landes- diesem Bereich kaum Überprüfungen gegeben. Frühere behörde für IT-Dienstleistungen, den Vizepräsidenten inoffizielle Mitarbeiter des MfS mussten daher sehr viel eines Landesrechnungshofes und Leiter einiger weiterer seltener als in den anderen neuen Bundesländern damit Behörden. rechnen, als Mandatsträger ihre MfS-Vergangenheit zur Diskussion stellen zu müssen. 4.2.5.3 Berufsrichter und ehrenamtliche Richter Im Berichtszeitraum wurde zu insgesamt 47 Mitgliedern Um Überprüfung ersucht wurde zu allen acht amtieren- von Landesregierungen, d. h. Ministern und Staatssekre- den Richtern des Verfassungsgerichtes des Landes Bran- tären, um Überprüfung ersucht. Von diesen gehören denburg. Der Ausschuss des Landtages von Mecklen- 22 zur Landesregierung in Brandenburg, zehn zum Senat burg-Vorpommern zur Vorbereitung der Wahl der Richter der Freien und Hansestadt Hamburg, acht zur Regierung des Landesverfassungsgerichtes hat zu drei dafür vorge- des Freistaates Sachsen, fünf zur Landesregierung von sehenen Kandidaten um Mitteilung gebeten. Ersuchen Nordrhein-Westfalen und je eines zur Regierung von wurden ferner eingereicht zu zwei Berufsrichtern aus Sachsen-Anhalt und zum Senat von Berlin. Thüringen sowie zu 39 ehrenamtlichen Richtern des Finanzgerichtes, 37 ehrenamtlichen Richtern des Ober- 4.2.5.2 Beamte und Angestellte, die eine verwaltungsgerichtes und zwei ehrenamtlichen Richtern Behörde leiten oder eine vergleichbar des Berufsgerichtes für Heilberufe von Mecklenburg- verantwortungsvolle Aufgabe Vorpommern. wahrnehmen Wie schon seit Jahren wurde wieder von verschiedenen Während im vorangegangenen Berichtszeitraum noch zu Städten und Gemeinden in Sachsen um die Überprüfung 587 Personen Ersuchen mit Bezug auf den öffentlichen von insgesamt zehn Personen gebeten, die zu Friedens- Dienst eingegangen waren, wurde im aktuellen Berichts- richtern ernannt werden sollten. Da diese Funktionen der zeitraum zu 231 Personen um Überprüfung gebeten. Die- Schiedsgerichtsbarkeit aber nicht zu den ehrenamtlichen ser Rückgang erklärt sich dadurch, dass damals manche Richtern im Sinne des StUG gehören, waren diese Ersu- öffentliche Stellen noch nicht realisiert hatten, dass nach chen abzulehnen. der siebten StUG-Novellierung im Dezember 2006 der Verwendungszweck, nach dem alle Beschäftigten im öf- 4.2.5.4 Leitende Personen im Sport sowie fentlichen Dienst überprüft werden konnten, zum Ende Trainer und Betreuer von Mitgliedern des Jahres 2006 durch Fristablauf entfallen war. Der neu- der deutschen Nationalmannschaften gefasste Verwendungszweck gemäß §§ 20/21 Absatz 1 Nummer 6d) StUG ermöglicht nur noch die Überprüfung Schon für die Olympischen Sommerspiele in Peking 2008 von Beamten und Angestellten, die eine Behörde leiten hatte das Präsidium des Deutschen Olympischen Sport- oder eine vergleichbar verantwortungsvolle Aufgabe bundes (DOSB) zu 288 leitenden Mitgliedern der Mann- wahrnehmen. Dies ist ein relativ kleiner Personenkreis. schaft der Bundesrepublik Deutschland um Überprüfung gebeten – Trainerinnen und Trainer, Betreuerinnen und Von den Ersuchen zu den 231 Personen mussten 182 ab- Betreuer sowie weitere Funktionsträgerinnen und Funk- gelehnt werden, da die rechtlichen Voraussetzungen nicht tionsträger. Daran anknüpfend hat der DOSB zu 146 Mit- vorlagen. Dies entspricht fast 80 Prozent. Bei einem Teil gliedern der deutschen Mannschaft für die Olympischen dieser Vorgänge kam der Verwendungszweck schon von Winterspiele in Vancouver 2010 Mitteilungen erbeten. vornherein nicht in Frage, da es sich zwar um Beschäf- Daneben gab es Ersuchen zu fünf Personen aus einem tigte im öffentlichen Dienst, nicht aber um Personen mit Sportverband und zu einer Person aus einem Olympias- höherer Leitungsfunktion handelte. Bei einem anderen tützpunkt. Teil blieben die Anfragen erfolglos, da die Institution, de- ren Leiter überprüft werden sollte, weder eine Behörde 4.2.5.5 Beiratsmitglieder der BStU und im Sinne des StUG noch eine Einrichtung mit vergleich- Beschäftigte in Aufarbeitungsinitiativen bar verantwortungsvoller Aufgabe war. Ein weiterer Teil der Ablehnungen ergab sich aus der Tatsache, dass die an- Überprüft wurden zwei neu ernannte Mitglieder des Bei- gefragte Person weder die jeweilige Leitungsfunktion in- rats der Bundesbeauftragten. Bei den beiden Beiräten der nehatte noch als ständiger Stellvertreter anzusehen war, Bundesbeauftragten wurden nur noch ergänzend die je- wie es in der Gesetzesbegründung ausgeführt ist. Zu die- weils nachgerückten Mitglieder überprüft. Ersuchen wur- sem Punkt gab es in einigen Fällen Unverständnis bei er- den eingereicht zur Überprüfung von zwei neuen und suchenden Stellen, da die zur Überprüfung eingereichten einer amtierenden Landesbeauftragten für die Stasi-Un- Personen zweifellos in ihrer Institution eine wichtige terlagen sowie von acht bei den Landesbeauftragten Be- – 62 – schäftigten. Von mit der Aufarbeitung der Tätigkeit des gen mit Hinweisen auf eine Tätigkeit für den Staats- Staatssicherheitsdienstes oder der Herrschaftsmechanis- sicherheitsdienst. men der ehemaligen DDR befassten Einrichtungen wurde bis Ende des Jahres 2010 zu 13 Mitarbeiterinnen und Mit- Auf der Grundlage des für Ordensangelegenheiten ein- arbeitern um Überprüfung gebeten. schlägigen Verwendungszwecks gemäß § 20 Absatz 1 Nummer 10 StUG können wegen der Gesetzessystematik zu einer angefragten Person nur Inhalte im Zusammen- 4.2.5.6 Sicherheits- und Zuverlässigkeits- hang mit einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst überprüfungen mitgeteilt werden. Andere sich aus den Unterlagen erge- Im Rahmen der Überprüfungen von Personen nach den bende relevante Informationen dürfen den einreichenden Sicherheitsüberprüfungsgesetzen des Bundes und der Stellen nicht zugänglich gemacht werden, auch wenn es Länder sowie dem Luftsicherheitsgesetz (LSG), dem sich um Sachverhalte handelt, die offensichtlich für die Atomgesetz (AtG) bzw. der Atomrechtlichen Zuverläs- zu treffende Entscheidung über die Verleihung einer Eh- sigkeitsüberprüfungsverordnung (AtZÜV) wird in vielen rung von Bedeutung sind. Vereinzelt gibt es auch Vor- Fällen die Bundesbeauftragte zur Feststellung einer gänge, bei denen die Bundesbeauftragte (erneut) um Mit- hauptamtlichen oder inoffiziellen Tätigkeit für den teilung ersucht wird, weil die Rücknahme eines schon Staatssicherheitsdienst einbezogen. verliehenen Ordens geprüft wird. Die Anzahl der von den für Sicherheits- und Zuverlässig- Durch Teilnahme von Vertretern der Bundesbeauftragten keitsüberprüfungen zuständigen Stellen eingereichten Er- bei der vom Bundespräsidialamt jährlich veranstalteten suchen ist gegenüber dem Jahr 2008 im Jahr 2009 um Fachtagung mit den für Ordensangelegenheiten Verant- 27 Prozent auf 11 587 gestiegen. Davon wurden 683 Er- wortlichen der Bundesländer, des Auswärtigen Amtes suchen im Rahmen der Überprüfungen nach dem LSG und des Bundesministeriums des Innern ist die Zusam- und zwei Ersuchen nach dem AtG bzw. der AtZÜV ein- menarbeit mit diesen Institutionen auf Arbeitsebene in- gereicht. Im Jahr 2010 waren 10 467 Neueingänge zu tensiviert worden. verzeichnen (siehe Anhang 5). 4.3 Anträge für die Forschung zum Zweck Der Anteil der Mitteilungen mit Hinweisen auf eine der politischen und historischen hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit lag 2009 bei Aufarbeitung sowie für Zwecke knapp 8 Prozent und 2010 bei gut 7 Prozent. der politischen Bildung sowie von Presse, Rundfunk und Film 4.2.5.7 Rentenangelegenheiten Die im Berichtszeitraum stattgefundenen Jubiläen dürften Die Stellen, die für die Überführung der Sonder- und Zu- der hauptsächliche Grund dafür sein, dass die Antrags- satzversorgungssysteme der ehemaligen DDR in die ge- zahlen im Bereich der Forschung, der Medien und der po- setzliche Rentenversicherung zuständig sind, sind ver- litischen Bildung weiter zugenommen haben: Während pflichtet, vor der Rentenfestsetzung zu prüfen, ob eine im vorherigen Berichtszeitraum monatlich zwischen hauptamtliche oder verdeckt-hauptamtliche Tätigkeit für 80 bis 100 Anträge bei der BStU eingingen, liegt diese den Staatssicherheitsdienst vorlag. Die Anzahl der dazu Zahl aktuell mit durchschnittlich 125 Anfragen deutlich bei der Bundesbeauftragten eingereichten Ersuchen ist darüber. Diese Steigerung hat auch dazu geführt, dass bei seit Jahren rückläufig. Gegenüber dem Jahr 2008 sind die im Wesentlichen unverändert gebliebener Mitarbeiterzahl Eingänge im Jahr 2009 nochmals um 37 Prozent auf für den Bereich Forschung und Medien die Pro-Kopf-Be- 6 792 gesunken. Im Jahr 2010 lag die Anzahl der Ein- lastung deutlich zugenommen hat: Die Zahl der Anträge gänge bei 5 334 (siehe Anhang 5). pro Mitarbeiter hat sich im Zeitraum 2005 bis 2009 na- hezu verdoppelt. 4.2.5.8 Ordensangelegenheiten Im Berichtszeitraum sind 2 955 Forschungs- und Medien- anträge nach §§ 32 ff. StUG neu gestellt worden, hiervon Die Anzahl der eingereichten Ersuchen zu Ordensangele- kamen 1 665 Anträge von Forschern und 1 290 Anträge genheiten ist weiter gestiegen. In den drei vorangegange- von den Medien. Die beigefügte Übersicht (Anhang 7) nen Berichtszeiträumen waren es 599, 790 und 923. Im gibt Aufschluss über die Gesamtzahlen sowie darüber, aktuellen (verkürzten) Berichtszeitraum sind zu 679 Per- welchen Institutionen bzw. Bereichen die antragstellen- sonen Anfragen gestellt worden. Die weitaus meisten den Forscher und Medienvertreter zuzuordnen sind. Ersuchen werden weiterhin von den Staats- und Senats- kanzleien sowie einzelnen Ministerien der neuen Bundes- Wie in den vergangenen Jahren kommen die Anträge von länder einschließlich Berlin gestellt. Nur ein kleinerer Studenten, Journalisten, Doktoranden und Schriftstellern Anteil von ca. einem Fünftel kommt aus den alten Bun- bis hin zu renommierten Forschern unterschiedlichster desländern, dann in der Regel zu aus der DDR stammen- Wissenschaftszweige. Unter den Antragstellern finden den Personen. In Einzelfällen fragt das Bundespräsidial- sich aber auch Schulen, Organisationen, Vereinigungen amt auch direkt bei der BStU an. Unverändert ist der und Universitäten sowie Mahn- und Gedenkstätten. Die gegenüber anderen Verwendungszwecken deutlich hö- schon im Neunten Tätigkeitsbericht erkennbare Verände- here Anteil von durchschnittlich ca. 9 Prozent Mitteilun- rung der Antragstellerstruktur hat sich im Berichtszeit- – 63 – raum fortgesetzt: Die Zahl derjenigen, die die von der 3 237 Fotos zur Einsicht vorgelegt und 144 auf Antrag BStU verwahrten Unterlagen für ihre Magisterarbeit oder herausgegeben. Dissertation nutzen wollen, nimmt zu. Das verdeutlicht, Auch ausländische Antragsteller beschäftigten sich mit dass auch mehr als 20 Jahre nach dem Ende der DDR das den Ereignissen 1989. So erhielt das Tschechoslowaki- Interesse an der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes sche Dokumentationszentrum in Prag zum Thema der ehemaligen DDR gerade unter jüngeren Antragstel- „Flüchtlinge in der Prager Botschaft 1989“ 1 550 Seiten lern nicht nachlässt, sondern zunimmt. Duplikate von Unterlagen, welche für eine umfangreiche Auch das Interesse von ausländischen Forschern und Me- Publikation genutzt wurden. dienvertretern ist ungebrochen: Waren es im Berichtszeit- Die Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für raum des Neunten Tätigkeitsberichts 264 Anträge, so die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes und der erreichten die Behörde im aktuellen verkürzten Berichts- NDR stellten zur Vorbereitung einer Ausstellung „Auf- zeitraum 262 Anträge. bruch im Norden“ einen Forschungsantrag zum Thema Gerade im Medienbereich ist zu beobachten, dass die An- „Friedliche Revolution im ehemaligen Bezirk Neubran- tragsteller erwarten, dass die BStU trotz aller rechtlichen denburg“. Besonderheiten des Archivzugangs nach kurzen Bearbei- Gelegentlich werden auch neue Wege der Vermittlung be- tungszeiten Materialien herausgeben kann. Im Berichts- schritten: Zwei junge Künstler erhielten zur Erarbeitung zeitraum waren diese kurzfristigen Nachfragen wegen der eines Comics für jugendliche Zielgruppen Unterlagen politisch wichtigen Ereignisse besonders ausgeprägt. zum Thema „Initiative Frieden und Menschenrechte“ und Interessant ist, dass gerade durch die Antragsteller aus zur Zeitschrift grenzfall. Innerhalb von zwei Monaten dem Medienbereich immer öfter ausdrücklich nach Film-, wurde Einsicht in 10 469 Duplikate und 5 704 Fotos ge- Video- und Tonmaterial gefragt wird. Audio-visuelle Me- währt. Es konnten insgesamt 1 810 Kopien und 69 Fotos dien werden für ansprechende publikumswirksame Dar- herausgegeben werden. stellungen immer wichtiger. Der Stadt Dresden wurde umfangreiches Ton- und Video- material (Originalaufzeichnungen des MfS) zur Gestal- 4.3.1 Ausgewählte Themenschwerpunkte tung einer Video-Lichtgrafik-Klang-Installation am Aus organisatorischen Gründen werden in der Regel be- 7. Oktober 2009 im Lichthof des Dresdner Rathauses und stimmte Themenkomplexe bei der Antragsbearbeitung an der Außenwand des Dresdner Hauptbahnhofs zur Ver- immer wieder in den gleichen Arbeitsbereichen erledigt. fügung gestellt. Dieses Projekt wurde begleitet von der Damit kommt Spezialistenwissen bei der Erledigung der Gestaltung und Fahrt eines dem Zug mit den ersten Bot- Anträge zum Tragen, wodurch vor allem die Bearbeitung schaftsflüchtlingen von Prag nach Hof nachgestalteten beschleunigt wird. Dies gilt im Grundsatz auch für die Zuges. Das Projekt „Zug der Freiheit“ vom Kulturaktiv Antragsbearbeitung in den Außenstellen, wenngleich hier e. V. Dresden wurde von der Außenstelle Dresden mit der wegen der deutlich geringeren Zahl von Mitarbeiterinnen Gestaltung eines Waggons unterstützt. und Mitarbeitern, die Anträge aus dem Bereich For- Zu einem Antrag des Stadt- und Kreismuseums Dippol- schung und Medien bearbeiten, nicht immer daran festge- diswalde zum Thema „Das politische Geschehen in Dip- halten werden kann. poldiswalde im Herbst 1989“ wurden 198 Kopien zur Ge- staltung einer Ausstellung herausgegeben. 4.3.1.1 Friedliche Revolution Aus einem Antrag der Landesbeauftragten des Freistaats Der 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution hat im Jahr Thüringen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdiens- 2009 die Öffentlichkeit intensiv beschäftigt. Erwartungs- tes der ehemaligen DDR, zu dem die Außenstelle Erfurt gemäß gingen daher zahlreiche Anträge ein, die einen der BStU umfangreiche Unterlagen bereitgestellt hatte, thematischen Bezug zum Herbst 1989 hatten. Nur bei- entstand eine sogenannte Marktplatz-Ausstellung, die spielhaft sollen die folgenden Anträge erwähnt werden: 2009 in allen größeren Städten Thüringens auf großes In- teresse in der Bevölkerung stieß und anlässlich des Tags Dem Deutschlandfunk wurden nach aufwändiger Anony- misierung 15 Tonträger übergeben, aus denen ein Radio- der offenen Tür der Außenstelle Erfurt am 12. September feature mit dem Titel „Wo sind wir nur hingekommen? – 2010 auf dem Erfurter Petersberg gezeigt wurde. Die letzten Stunden der Stasi im Originalton“ entstand. Anträge der Landesbeauftragten des Freistaats Thüringen Die Evangelische Kirchengemeinde Berlin-Prenzlauer zu einem Quelle-Zeitzeugen-Projekt mündeten 2010 in Berg benötigte in Vorbereitung einer Ausstellung zur Ge- den Film „Feindberührung“. Er zeigt das gemeinsame schichte der Gethsemanekirche im Zusammenhang mit Aktenstudium eines „Täter-Opfer-Paares“ aus der Re- der Friedlichen Revolution 1989 kurzfristig umfangrei- gion. Deutlich werden die infamen Methoden der Ge- ches Material. Zusätzlich zu Unterlagen des MfS in Pa- heimpolizei, aber auch die Schwierigkeiten einer Aussöh- pierform konnten 320 Fotos zur Einsicht vorgelegt und nung zwischen Opfern und Tätern. Der Film wurde Ende 15 Fotos herausgegeben werden. Oktober 2010 im Rahmen der 44. Hofer Filmtage gezeigt. Anlässlich des Festivals des Deutschen Kinos Ende No- Der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn wurden vember 2010 wurde er im Rahmen einer Dokumentar- zum Thema „Demonstrationen und Kundgebungen 1989“ filmreihe als Eröffnungsfilm aufgeführt. – 64 –

Aus einem Medienantrag des MDR entstand die Buchpu- mann-Kreis war eine Gruppe ehemaliger National- blikation von Dr. Rainer Erices und Jan Schönfelder sozialisten um Werner Naumann, den letzten Staatssekre- „Willy Brandt in Erfurt“, die im März 2010 im Ch. Links tär des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels. Verlag erschienen ist. Zu diesem Antrag hatte die Außen- Dieser versuchte 1952/53, die FDP bundesweit zu unter- stelle Erfurt rund 3 600 Seiten durchgesehen und schließ- wandern, mit dem Schwerpunkt im Landesverband Nor- lich 747 Seiten in Kopie herausgegeben. drhein-Westfalen. Bei der Bearbeitung dieses Antrags wurden rund 11 600 Seiten durchgesehen, 648 Seiten Eine Ausstellung des Fördervereins des Stadt- und Regio- konnten zur Akteneinsicht vorgelegt und 43 Seiten in Ko- nalmuseums Lübben, erarbeitet durch die „Kulturland- pie herausgegeben werden. schaft Aktiv“, dokumentiert Informationsberichte des Staatssicherheitsdienstes vom Oktober und November Ein anderer Antrag beschäftigte sich mit dem Thema 1989 über Veranstaltungen des Neuen Forums in Lübben. „Die Grünen und die Alternative Liste in Berlin“. Hierfür In diesem Zusammenhang wurden auch Originale von wurden 694 Seiten durchgesehen, 684 Seiten zur Einsicht Flugblättern mit Hinweisen auf Veranstaltungen der Bür- vorgelegt und schließlich 576 Seiten in Kopie herausge- gerbewegung aufgefunden. geben. Dem 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution war auch Mehrere Anträge untersuchten einen möglichen Einfluss das Buch „Schritte zur Freiheit. Die friedliche Revolution des MfS auf den früheren Ministerpräsidenten Schleswig- 1989/90 in Halle an der Saale“ gewidmet. Herausgegeben Holsteins Dr. Uwe Barschel bzw. die Umstände seines von dem Zeitgeschichtler Patrick Wagner von der Martin- Todes: Für den Antragsteller Dr. Rainer Erices vom MDR Luther-Universität Halle-Wittenberg stützt sich das im wurden zu dieser Fragestellung rund 2 400 Seiten durch- Mitteldeutschen Verlag Halle und Leipzig erschienene gesehen und 812 Seiten herausgegeben; für den thema- Buch ganz maßgeblich auch auf Unterlagen aus dem Be- tisch noch weiter gefassten Antrag von Dr. Heribert stand der BStU. Mit ihrer Hilfe wurde eine Darstellung Schwan vom WDR („Die Bonner Republik“) wurden der politischen und wirtschaftlichen Zustände im wirt- knapp 26 000 Seiten durchgesehen und 2 470 Seiten her- schaftlich wichtigsten Bezirk der DDR, aber auch des Er- ausgegeben. starkens der Opposition ermöglicht. Zugleich war damit eine Rekonstruktion der Ereignisse zwischen Mai 1989 Im Achten Tätigkeitsbericht wurde breit über Medienan- (Fälschung der Kommunalwahlen) und Mai 1990 (erste träge zum Einfluss des Staatssicherheitsdienstes auf die freie Kommunalwahlen) möglich. Die Regionalstudie be- Mitglieder des 6. Deutschen Bundestages informiert. Im legt eindrucksvoll den anwachsenden Konflikt zwischen Berichtszeitraum wurden entsprechende Anträge zum Staat, SED und Blockparteien auf der einen Seite und der 10. und 11. Deutschen Bundestag gestellt. Da die Legisla- wachsenden Opposition bzw. der unzufriedenen Masse turperiode des 11. Deutschen Bundestages mit der Wie- auf der anderen Seite. Deutlich wird, dass das MfS bis zu- dervereinigung endete, handelt es sich hier um eine histo- letzt versuchte, die Macht der SED und ihrer Bündnis- risch besonders interessante Periode. Inzwischen konnten partner zu retten, dann aber als Geheimpolizei selbst nicht dazu Unterlagen mit einem Umfang von 1 204 Seiten zu mehr in der Lage war, seine Besetzung und folgende Auf- 25 Personen herausgegeben werden. lösung zu verhindern. Die Herausgabe der Unterlagen zu den 25 Abgeordneten Für eine Ausstellung des Leipziger Bürgerkomitees „Wir des 10. und 11. Deutschen Bundestages wurde gemäß sind das Volk“ wurde zwischen dem Bürgerkomitee Leip- §§ 32 bis 34 StUG zu ihnen als Person der Zeitgeschichte, zig und der Außenstelle Leipzig eine Kooperationsverein- Inhaber politischer Funktionen oder aufgrund der Offen- barung geschlossen. Für die Ausstellung, die am kundigkeit der in den Unterlagen enthaltenen Informatio- 2. Oktober 2009 eröffnet worden ist, wurden von der Au- nen durchgeführt. Zum besseren Verständnis der vorge- ßenstelle Leipzig zu dem eingereichten Thema insgesamt legten Unterlagen erhielten alle Antragsteller ein 5 863 Seiten in Kopie herausgegeben. entsprechendes Informationsblatt. Da die Aktenlage wie oben erwähnt in diesem Bereich 4.3.1.2 Westarbeit des MfS eher bruchstückhaft ist, stellen Unterlagen zur Westarbeit Der Komplex Westarbeit des Staatssicherheitsdienstes ist des MfS immer besondere Herausforderungen an die Fä- schon seit Jahren ein Schwerpunkt der Arbeit der BStU. higkeit der Rezipienten zur sachgerechten Interpretation Strukturen, Agentennetze und Informationsflüsse konnten und Darstellung. Besondere Schwierigkeiten der Interpre- teilweise rekonstruiert werden, obwohl der Aktenbestand tation dieser besonderen Unterlagen liegen darin, dass das der HVA, der Auslandsabteilung des Staatssicherheits- MfS sowohl mit der Erfassung von Personen als auch al- dienstes, fast vollständig vernichtet wurde. Von den zahl- len weiteren elektronischen Informationssystemen reichen Anträgen zu diesem Themenbereich sollen nur (SIRA-Datenbanken) vor allem dokumentieren wollte, ob einige angeführt werden, die eindrucksvoll die Vielfältig- stabile Informationsbeziehungen zu Personen oder zuver- keit illustrieren: lässige Informationsquellen in Institutionen vorhanden waren. Ob Informationsquellen tatsächlich aktiv als inof- So beantragte Stephan Stracke für die ARD zur Aufarbei- fizielle Mitarbeiter (IM) tätig waren oder in geeigneter tung des Einflusses des MfS auf Mitglieder der FDP die Weise – wie es in der Fachsprache des MfS hieß – „abge- Herausgabe zum sogenannten Naumann-Kreis. Der Nau- schöpft“ wurden, lässt sich aus den Informationsdaten- – 65 – banken und Karteien nur in Ausnahmefällen mit ausrei- der Studentenbewegung für die Geschichte der Bundes- chender Sicherheit entnehmen. Die Unterlagen zeigen oft republik intensiv zu diskutieren. nur an, dass vom MfS als zuverlässig und hochwertig be- Angeregt durch den Aktenfund beauftragte der Polizei- wertete Informationen bestimmte Wege gegangen sind. präsident von Berlin eine Gruppe von Wissenschaftlern Das Stasi-Unterlagen-Gesetz lässt die Bekanntgabe von des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Uni- Namen beteiligter Personen nur zu, wenn deren Status als versität Berlin, über den Fall Kurras hinausgehend die inoffizieller Mitarbeiter den Unterlagen zu entnehmen ist. Einflussnahme des Staatssicherheitsdienstes auf die Poli- Bleibt die Feststellung der IM-Eigenschaft zweifelhaft, zei Westberlins über den gesamten Zeitraum der Existenz können Unterlagen nur unter besonderen Bedingungen des MfS hinweg systematisch zu erforschen. Hierzu hat herausgegeben werden: Entweder nach der Einwilligung die BStU zahlreiche Recherchen durchgeführt und der des Betroffenen oder nach einem Benachrichtigungsver- Forschergruppe eine Vielzahl von Akten zur Verfügung fahren bei Personen der Zeitgeschichte, Amts- oder Funk- gestellt. Die Forschungen dauern derzeit noch an. tionsinhabern. Zahlreiche Medienbeiträge, darunter auch eine Doku- 4.3.1.3 Justiz und Strafvollzug sowie Polizei mentation von Spiegel TV, beschäftigten sich mit den Be- dingungen in der Strafvollzugsanstalt in Hoheneck an- Besondere Aufmerksamkeit hat im Berichtszeitraum das hand des Schicksals verschiedener betroffener Frauen. Auffinden von Unterlagen zum ehemaligen Westberliner Als Ergänzung zu einem früheren Antrag aus dem Jahr Polizisten Karl-Heinz Kurras hervorgerufen: Im Frühjahr 2008 fragte Spiegel TV 2009 nach weiteren Erkenntnis- 2009 fanden Mitarbeiter der Abteilung Bildung und For- sen aus Unterlagen der BStU für eine Fernsehdokumenta- schung der BStU im Rahmen der Recherchen zu einem tion zum Thema „Die Frauen von Hoheneck“. Eine der internen Forschungsprojekt die IM-Unterlagen von Karl- betroffenen Frauen wurde in der Außenstelle Frank- Heinz Kurras (siehe Kapitel 5.2.2). Dieser arbeitete von furt (Oder) bei der Akteneinsicht mit der Kamera beglei- 1955 bis 1967 als inoffizieller Mitarbeiter unter dem tet. Zu weiteren 15 betroffenen Frauen, zwei NS-Täterin- Decknamen „Otto Bohl“ für den Staatssicherheitsdienst. nen und zwei Vollzugsbeamten des Frauengefängnisses In dieser Zeit lieferte Kurras eine Vielzahl von teilweise Hoheneck wurden Recherchen durchgeführt. Die Ergeb- sehr wichtigen Informationen aus dem Bereich der West- nisse verarbeitete Spiegel TV in der Dokumentation berliner Polizei an das MfS. Kurras entwickelte sich im „Eingesperrt, um frei zu sein – das geheime Frauenge- Laufe der Jahre zu einer der wichtigsten Quellen, die der fängnis der DDR“, die am 14. November 2009 bei VOX Staatssicherheitsdienst in Westberlin hatte. Dieser Akten- gezeigt wurde. fund erhielt seine besondere Brisanz vor allem dadurch, dass Karl-Heinz Kurras während einer Demonstration ge- 4.3.1.4 Kinder und Jugendliche gen den Besuch des Schahs von Persien am 2. Juni 1967 in Westberlin den Studenten Benno Ohnesorg erschoss. Vor dem Hintergrund der 2010 bekannt gewordenen Fälle von Misshandlung und Missbrauch von Kindern und Ju- Nach Bekanntwerden dieses Aktenfundes wurden in kür- gendlichen in der Bundesrepublik Deutschland gingen bei zester Zeit etwa 40 Forschungs- und Medienanträge an der BStU vermehrt Anträge zum Umgang mit Kindern die Bundesbeauftragte gerichtet. Den Antragstellern wur- und Jugendlichen in der DDR ein. Dies betraf zum einen den nach den Bestimmungen des Stasi-Unterlagen-Geset- die Strafverfolgung von Sexualstraftaten und Kindes- zes aufbereitete Unterlagen aus 16 der insgesamt missbrauch wie sie in einem Medienantrag des MDR 17 Bände des IM-Vorgangs und die Ergebnisse einer durch die Außenstelle Leipzig bearbeitet wird. In Vorbe- Sachrecherche zur Verfügung gestellt. Dabei handelte es reitung dieses noch laufenden Antrags wurden bis jetzt sich um jeweils etwa 3 800 Duplikate. Hinzu kamen bei 30 048 Seiten gelesen und 531 Seiten zur Einsicht vorge- vielen Anträgen teils umfangreiche Recherchen zum Um- legt. feld von Karl-Heinz Kurras, zur Tat vom 2. Juni 1967 so- wie zu Personen der Studentenbewegung. Der Band 17 Der weitaus größere Teil der insgesamt 13 Anträge be- der IM-Unterlagen war bis in den September 2010 durch fasst sich mit den staatlichen DDR-Kinderheimen, darun- eine Sperrerklärung der Generalbundesanwaltschaft für ter dem Kombinat der Sonderheime für Psychodiagnostik die Nutzung gemäß §§ 32 bis 34 StUG nicht zugänglich, und pädagogisch-psychologische Therapie, den (Ge- weil aufgrund des Aktenfundes gegen Karl-Heinz Kurras schlossenen) Jugendwerkhöfen sowie dem zeitweilig ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde; zwischen- existierenden Jugendarbeitslager Rüdersdorf. Dabei geht zeitlich ist auch dieser Aktenteil frei- und an die Antrag- es unter anderem um die Zuständigkeiten und Gründe für steller herausgegeben worden. die Einweisungen, um die Unterbringung und Lebensum- stände in den Heimen, um die Erzieher, Erziehungsme- Infolge des Aktenfundes wurden zahlreiche Presseartikel thoden und -ziele sowie um Schicksale von einzelnen Be- veröffentlicht, in denen die Umstände des Todes Benno troffenen in solchen Heimen. Im Rahmen dieser Ohnesorgs und die Bedeutung dieser Tat für die Studen- Forschungsarbeiten wurden auch Dokumente zu brutalen tenbewegung im Lichte der nun bekannten Tatsache, dass körperlichen Übergriffen, sexuellem Missbrauch und Ar- Karl-Heinz Kurras zum Tatzeitpunkt auch als inoffizieller retierungen von Kindern aufgefunden. Mitarbeiter für das MfS arbeitete, diskutiert wurden. Bis zum heutigen Tag erschienen zwei Bücher zur Thematik. Da die Einweisungen durch die Jugendhilfeeinrichtungen Der Fall Kurras gab den Anstoß, erneut die Bedeutung vorgenommen wurden und die Heime dem Volksbil- – 66 – dungsministerium unterstanden, beschränken sich die zu Biografien einzelner Sportler, zu Sportclubs ebenso Funde in den Archiven des Staatssicherheitsdienstes auf wie zum Verhalten von Fans bis hin zu bestimmten gro- Unterlagen, die das politisch-operative Zusammenwir- ßen Sportereignissen wie Olympischen Spielen oder ken zwischen Staatssicherheitsdienst, Jugendhilfe und ge- Weltmeisterschaften. Sie beleuchten aber auch das ge- gebenenfalls der Volkspolizei dokumentieren, auf Infor- samte Spektrum deutscher Sportgeschichte wie beispiels- mationen von willigen Zuträgern in den Einrichtungen, weise die Anträge „Deutsch-deutsche Sportbeziehungen“ auf Akten von Heimerziehern oder Zöglingen, die für und „Die Zentrale Steuerung und Kontrolle des DDR- eine inoffizielle Zusammenarbeit gewonnen worden wa- Sports“. ren. Eine direkte Einflussnahme des Staatssicherheits- dienstes sowohl auf die Jugendämter und Jugendhilfeaus- Das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig stellte bereits 2008 schüsse als auch auf die Zustände in den Heimen, einen Antrag zum Thema „Sport und Politik“, der die Jugendwerkhöfen und dem Arbeitslager ist daraus kaum BStU bis weit in das Jahr 2009 hinein beschäftigte. Für zu entnehmen. die Ausstellung „Wir gegen uns. Sport im geteilten Deutschland“, welche vom 25. November 2009 bis zum Genau vor diesem Problem stehen die vielen tausend Be- 5. April 2010 in Leipzig zu sehen war, wurden nicht nur troffenen, die heute eine Rehabilitierung anstreben: Sie Papierkopien, sondern auch zahlreiche Foto-, Ton- und müssen im Einzelfall nachweisen, dass die damalige Ein- Filmmaterialien bereitgestellt. weisung auch sachfremden politischen Zwecken gedient hat und mit den Grundsätzen einer freiheitlichen rechts- 4.3.1.6 Grenzregime, Fluchten, Militär und staatlichen Ordnung nicht vereinbar ist. Militärverbindungsmissionen Die Forschungsanträge der Landesbeauftragten Mecklen- Zum Jubiläumsjahr 2009 standen auch zahlreiche An- burg-Vorpommerns, Sachsen-Anhalts und Brandenburgs träge zum o. a. Themenbereich im Fokus. So ist im Au- zielen deshalb auch darauf, die vielen ehemaligen Heim- gust 2009 das gemeinsame Dokumentationsprojekt „Die kinder des jeweiligen Bundeslandes bezüglich ihrer ver- Todesopfer an der Berliner Mauer 1961–1989“ des Zen- waltungsrechtlichen Rehabilitierung besser beraten zu trums für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) und können und die erworbenen Kenntnisse in Form von Bü- der Stiftung Berliner Mauer nach mehr als vierjähriger chern oder Broschüren zu dokumentieren. Das Thüringer Forschungsarbeit beendet worden. Die Ergebnisse sind Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit hat mit sowohl in der Gedenkstätte in der Bernauer Straße zu be- dem gleichen Anliegen einen „Arbeitskreis Kindesmiss- sichtigen als auch auf der Internetseite www.chronik-der- handlung und Kindesmissbrauch in ehemaligen DDR- mauer.de abrufbar. Zeitgleich ist ein biografisches Hand- Kinderheimen und Jugendwerkhöfen“ gegründet, der buch über 136 an der Berliner Grenze getötete Menschen selbstständig Forschungen betreibt, und darüber hinaus im Ch. Links Verlag erschienen. Insgesamt wurden für einen Forschungsbericht beim Jenaer Zentrum für empiri- dieses Projekt 83 227 Seiten gesichtet, 10 729 Kopien sche Sozial- und Kulturforschung e. V. „Zur sozialen und 606 Fotos herausgegeben. Als hilfreich erwies sich Lage der ehemaligen DDR-Heimkinder in Thüringen“ in dabei, dass die hier forschenden Wissenschaftler und Auftrag gegeben. Wissenschaftlerinnen nach Inkrafttreten des Siebten Ge- Es gab im Berichtszeitraum aber auch einen Forschungsan- setzes zur Änderung des StUG nach § 32 Absatz 1 trag, der sich beispielsweise nur mit dem Heimschicksal ei- Nummer 7 verpflichtet werden konnten und dadurch in ner Person befasste oder den Antrag des Amtsdirektors des nicht anonymisierte Unterlagen Einsicht erhielten. Amtes Gerswalde, der durch seinen Ortschronisten aus Auch durch die Regelung, dass Unterlagen zu Betroffe- eher heimatkundlichem Interesse heraus die Geschichte nen 30 Jahre nach deren Tod ohne Einwilligung verwen- des Spezialkinderheimes, Jugendheimes und späteren Ju- det werden können, weil nach diesem Zeitraum nur noch gendwerkhofes Gerswalde untersuchen lies. Allein zu sehr wenige postmortale Schutzrechte bestehen, konnten diesem, 2009 gestellten und 2010 abgeschlossenen An- zu vielen an der Mauer getöteten Menschen umfangreiche trag wurden 4 238 Seiten durchgesehen, meist aus Akten Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Denn von den inoffizieller Mitarbeiter (IM), die im Heim in ein soge- 136 Todesopfern starben über die Hälfte innerhalb der nanntes Führungs-IM-System integriert waren. 311 Sei- ersten fünf Jahre nach dem Mauerbau 1961. Die meisten ten lagen zur Akteneinsicht vor und 86 Seiten sind in Ko- der Todesopfer waren DDR-Flüchtlinge, die versuchten, pie herausgegeben worden. die Sperranlagen um Westberlin zu überwinden. 98 der Die thematischen Recherchen bzw. die zu Personen wer- Flüchtlinge wurden dabei erschossen, verunglückten den jeweils im Zentralarchiv sowie in den Außenstellen oder nahmen sich in der Folge das Leben (entweder in durchgeführt, in deren Territorium sich die angefragten der U-Haft oder weil sie erkannten, dass der Fluchtver- Personen, Heime bzw. Jugendwerkhöfe befanden. such gescheitert war). Weitere 30 Menschen aus Ost und West kamen ohne Fluchtabsichten an der Grenze zu Tode, 4.3.1.5 Sport ebenso acht DDR-Grenzsoldaten. Durch die Recherchen konnten 164 sogenannte Verdachtsfälle als „Maueropfer“ Gerade wenn größere Sportereignisse anstehen, wie z. B. ausgeschlossen werden. In 16 weiteren Fällen konnten im Berichtszeitraum die Olympischen Winterspiele 2010 die Forscher aufgrund mangelnder Belege keine Ent- in Vancouver, gehen vermehrt Anträge zum Einfluss des scheidung treffen. Dabei handelt es sich um Wasserlei- MfS auf den Sport ein. Die Anträge beinhalten Anfragen chen mit ungeklärter Identität, bei denen es keinen – 67 – eindeutigen Nachweis für einen Bezug zur DDR-Grenz- gerichtet inoffizielle Mitarbeiter geworben. Die Beschäf- sicherung gab. tigten waren Mitarbeiter des Ministeriums des Innern der ehemaligen DDR. Dem genau entgegengesetzten Thema, nämlich „Ver- suchte(n) Grenzübertritte(n) an der Berliner Mauer von 4.3.1.7 MfS West nach Ost“ widmete sich Dr. Martin Schaad vom Einstein Forum Potsdam. Ihm ging es darum, die Motiva- Anträge zum MfS selbst spielen weiterhin eine bedeu- tionen und Handlungsmuster der Grenzübertreter sowie tende Rolle bei der Antragsbearbeitung der Behörde. die Folgen ihrer Handlungen zu untersuchen. Dabei galt Zum Thema „Schulungsfilme des MfS“ wurde im Zeit- es auch, die Reaktionsmuster der DDR-Staatsorgane, ins- raum Mai bis Oktober 2009 ein umfangreicher Medienan- besondere des Ministeriums für Staatssicherheit, in den trag der Interfilm GmbH, Matthias Groll, bearbeitet. Ins- BStU-Unterlagen zu studieren. War doch das MfS in sol- gesamt wurden für den Antrag 37 Filme vorbereitet und chen Fällen federführend bei Befragung, Inhaftierung nach einer mehrtägigen gemeinsamen Sichtung mit dem oder Rückführung der betreffenden Personen. Normaler- Antragsteller insgesamt 31 Filme herausgegeben; einige weise wäre die Bearbeitung dieses Antrags sehr kompli- der Filme wurden bisher noch nicht bzw. nur selten her- ziert gewesen, denn diese Personen sind in der Mehrzahl ausgegeben und sind dementsprechend bisher noch nicht als Betroffene anzusehen. Somit hätten alle Akten zum öffentlich gezeigt worden. Thema zunächst kopiert und die Namen der Betroffenen Die Filme wurden im Rahmen des 25. Internationalen anonymisiert werden müssen, was die Rezeption der Ak- Kurzfilmfestivals, das vom 3. bis zum 8. November 2009 teninhalte deutlich erschwert hätte. Durch die Verpflich- in Berlin stattfand, gezeigt. Diese 1982 ins Leben geru- tung von Dr. Schaad gemäß § 32 Absatz 1 Nummer 7 fene Veranstaltung entwickelte sich im Laufe der Zeit StUG konnten in kurzer Zeit nach Recherchen zu etwa zum zweitgrößten Filmfestival in Berlin und erzielt auch 130 Personen bei 27 Akteneinsichten insgesamt 29 625 Sei- international große Beachtung. Das Festival stand unter ten sowie drei Tonbänder und einige Fotos vorgelegt wer- der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters den. Für die Herausgabe wählte der Forscher 1 107 Seiten von Berlin und wurde durch den Beauftragten der Bun- und ein Foto aus den Stasi-Unterlagen aus. In dem 2009 desregierung für Kultur und Medien gefördert. im Ch. Links Verlag unter dem Titel „Dann geh doch rü- ber. Über die Mauer in den Osten“ erschienenen Buch be- Neben dem regulären Programm, in dem rund 400 Filme aus schreibt der Autor beispielhaft sechs Fälle, die teils mit der ganzen Welt in verschiedenen, thematisch höchst unter- fiktiven Namen versehen oder allgemein bekannt sind schiedlichen Wettbewerben miteinander konkurrierten, oder ihre Einwilligung in die Verwendung der Stasi-Un- wurden außer Konkurrenz verschiedene Spezialprogramme terlagen erteilt hatten. Darüber hinaus wurden der Autor aufgeführt. Anlässlich des Jubiläums der Friedlichen Revo- und das Buch in mehreren Kulturmagazinen wie „Titel, lution stand das umfangreichste Spezialprogramm unter Thesen, Temperamente“ (ARD), „Stilbruch“ (RBB) und dem Titel „Ostfront/Westfront“. In fünf Kurzfilmpro- „artour“ (MDR) vorgestellt. grammen über die Zeit des Kalten Krieges zwischen Mauerbau und dem Ende der DDR wurde auf die Lebens- Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls erarbeitete im Auftrag verhältnisse in Ost und West eingegangen: Unterdrü- der Berliner Wasserbetriebe eine Forscherin eine Sonder- ckung und Widerstand gegen das DDR-Regime auf der ausstellung, die unter dem Titel „Zeugnisse der Spaltung. einen, das Leben in der ummauerten „Frontstadt“ West- Kanalisation im geteilten Berlin“ im Museum des Was- berlin auf der anderen Seite. Das Programm umfasste ins- serwerkes Friedrichshagen gezeigt wurde. Hierzu wurden gesamt 23 Filme, mit wenigen Ausnahmen handelte es nicht nur Beispiele über geglückte oder missglückte sich hierbei um Material aus den Beständen der BStU. Fluchtversuche in den Unterlagen des Staatssicherheits- dienstes recherchiert, sondern auch die zahlreichen Maß- Ein weiteres Vorhaben stand unter dem Titel „Kino der nahmen des MfS sowie der Grenzsicherungskräfte Geheimdienste“. Hierbei handelte es sich um ein Ge- demonstriert, durch den Einbau von immer neuen Sperr- meinschaftsprojekt der BStU, des Centrum Hungaricum anlagen diesen Fluchtweg möglichst komplett zu versie- Berlin, des Zeughauskinos (Deutsches Historisches Mu- geln. Dazu wurden 5 786 Seiten gelesen, der Wissen- seum Berlin) und verschiedenen osteuropäischen Aufar- schaftlerin 1 786 Seiten und 117 Fotos zur Einsicht beitungsinstitutionen (Ungarn, Slowakei, Tschechien) vorgelegt und 337 Seiten und sechs Fotos in Kopie her- und der Kuratorin der Filmreihe, Karin Fritzsche. ausgegeben. Mittlerweile ist über diese Thematik auch Für dieses Projekt wurden über mehrere Wochen hinweg eine kurze Abhandlung unter dem gleichen Titel im 60 Filme gesichtet und dem Antragsteller letztendlich Buchhandel erhältlich. 44 (sowohl Schulungsfilme als auch operatives Material wie Überwachungsfilme) zur Verfügung gestellt. Dane- Ein Student aus den USA untersucht für seine Disserta- ben wurden rund 16 500 Seiten Schriftgut gesichtet und tion die Einflussnahme des Staatssicherheitsdienstes auf dem Kooperationspartner rund 2 700 Seiten übergeben. NATO-Deserteure. Bereits übergebene Unterlagen konn- ten den Nachweis erbringen, dass in den 1960er- und Die herausgegebenen Filme wurden im Rahmen der 1970er-Jahren im Aufnahmeheim Angelenhof bei Brie- Reihe „Kino der Geheimdienste“ im Zeitraum 24. No- sen (Land Brandenburg) NATO-Deserteure auf ihr zu- vember bis 17. Dezember 2009 im Zeughauskino gezeigt. künftiges Leben in der DDR vorbereitet wurden. Unter Die Filmreihe gab erstmals Einblick in die überlieferten den Beschäftigten und NATO-Deserteuren wurden ziel- Filmmaterialien der ehemaligen Geheimdienste der an – 68 – der Kooperation beteiligten Länder. Hierbei lag der Fokus das MfS und die Partei, der vielfältigen territorialen und weniger auf der Geschichte des jeweiligen Geheimdiens- regionalen Zuordnungen der einzelnen Kirchenbeziehun- tes selbst, sondern vielmehr auf dem jeweiligen Umgang gen stehen berechtigte empirische Fragen zur Überwa- mit Wort, Bild und Schrift. Wie stellten sich die Geheim- chung des Kirchenbereichs. Um möglichst aussagekräf- dienste nach innen selbst dar, wie den Gegner? Was tige und umfassende Aufstellungen und Informationen wurde aufgezeichnet und warum? über Art und Umfang der Treffen, die involvierten Perso- nen auf Kirchenleitungsebene, die besprochenen Themen Die einzelnen Programmpunkte (1. „Geheimdienste im und den Ablauf der Kontakte zwischen Kirchenvertretern internationalen Vergleich“, 2. „Von Spionen und Kund- und MfS zu erhalten, musste intensiv in die Tiefe recher- schaftern“, 3. „Genossen, ihr werdet nicht oft besungen“, chiert werden. Die Recherchen in den Unterlagen des 4. „Observation und Rekonstruktion“, 5. „Mit der Ka- Staatssicherheitsdienstes reichten von den Anfängen der mera gegen die Wende“ und 6. „Der Stasi-Film zwischen Bildung einer eigenständigen Evangelischen Kirche in Archiv-Dokument und Kino“) wurden jeweils mit Infor- der DDR über die Zusammenarbeit in den Evangelischen mationen zu den gezeigten Filmen (Entstehungszeit, ver- Akademien, das Evangelische Hilfswerk, die Studenten- wendetes Filmmaterial, Drehbuch etc.) eingeleitet, nach gemeinden bis zur Diakonie. Abschluss jedes Programms erfolgte eine Podiumsdiskus- sion. Im Lauf der Bearbeitung ergaben sich an vielen Stellen weiterführende Hinweise auf neue Sachverhalte. Natür- Die Veranstaltungsreihe hatte eine große und positive Pu- lich muss sich auch die Frage nach der individuellen Be- blikumsresonanz und zog mehrere Folgeanträge öffent- ziehung einzelner Personen zum Staatssicherheitsdienst lich-rechtlicher Fernsehanstalten nach sich. stellen. Aber auch Informationen über die beteiligten inoffiziellen Mitarbeiter, Kontaktpersonen und Ge- 4.3.1.8 Kirche und Religion sprächspartner und damit Fragen nach der individuellen Verantwortung müssen bei einer wirklich umfassenden Schon seit Jahren sind Anfragen zum Bereich der Kirchen Untersuchung berücksichtigt werden. ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der BStU. Das ver- wundert nicht, waren doch die „Kirchen im Sozialismus“ Ebenso ergeben sich viele Hinweise auf Personen, die aus der Sicht der herrschenden Partei ein besonderer Be- vom MfS überwacht wurden und in der Sprache des MfS zugspunkt des Sicherheitsapparats. Dass Forscher und unter operativer Bearbeitung standen. In vielen Fällen Journalisten hier zunächst lange Zeit mit besonderem wurde die für die Verwendung der Unterlagen der Betrof- fenen notwendige Einwilligung erteilt. Nachdruck Anfragen mit Bezug auf die evangelischen Kirchen in der DDR gestellt haben, entsprach der Bedeu- Schon allein die nüchternen Zahlen zu den recherchierten tung und dem besonderen Spannungsverhältnis der evan- und bearbeiteten Seiten sind beeindruckend: Die für die gelischen Kirchen zur SED-Herrschaft. Allerdings waren Bearbeitung des Antrages notwendigen Unterlagen muss- die vielfachen Versuche des MfS, in den Bereich der Kir- ten aus tausenden Seiten Aktenmaterial herausgefiltert chen einzudringen und dort Einfluss zu nehmen, natürlich werden. Nur für diesen speziellen Antrag wurden bisher nicht auf die Kirchen auf dem Gebiet der DDR be- neben den umfangreichen Sachrecherchen auch schränkt. 1 153 Personenrecherchen durchgeführt und 225 582 Sei- ten gesichtet. Im Berichtszeitraum war eine Anfrage der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) einer der umfang- Bisher konnten der Antragstellerin 104 796 Seiten aus reichsten Anträge zu diesem Thema. Mit diesem Vorha- Sach- und Personenakten – teilweise nach umfangreichen ben plant die EKHN die Aufarbeitung des Einflusses des Benachrichtigungsverfahren und Verfahren zur Einho- MfS und der Staatsorgane der DDR auf die Partner- lung von Einwilligungen – zur Akteneinsicht vorgelegt schaftsbeziehungen ihrer Kirche in die DDR, speziell zur und 10 327 Seiten herausgegeben werden. Kirchenprovinz Sachsen. Diese besondere Beziehung er- gab sich aus der Kirchenorganisation: Die Evangelische Die Bearbeitung des Antrags wurde am 1. Juli 2009 auf Kirche in Hessen und Nassau war, ebenso wie die nördli- dem Nutzerforum der BStU anhand einer Präsentation cher gelegene Evangelische Kirche von Kurhessen- vorgestellt. Die anschließende Berichterstattung im Waldeck, mit der ostdeutschen Partnerkirche, der Evan- Rundfunk hat danach möglicherweise dazu beigetragen, gelischen Kirchenprovinz Sachsen, verbunden. Diese dass auch eine zweite große West-Kirche, die ihre Part- Partnerschaften der einzelnen Landeskirchen und Ge- nerbeziehungen in der DDR aufarbeiten möchte, ange- fragt hat. Weitere Kirchen haben bereits ihr Interesse be- meinden gingen auf Hilfsaktionen aus den Jahren nach kundet. 1949 zurück, die vom Evangelischen Hilfswerk als Paket- aktion zwischen West und Ost initiiert worden waren. 4.3.1.9 Herrschaftsmechanismen in der DDR Untersuchungen mit so ehrgeizigen Fragestellungen stel- len entsprechend auch besondere Anforderungen an Bei der siebten Novellierung des Stasi-Unterlagen-Geset- Recherche- und Bearbeitungsaufwand. Schon die Band- zes im Jahr 2006 wurde neben der Tätigkeit des Staats- breite der zu untersuchenden Themen bei solchen Vorha- sicherheitsdienstes erstmalig auch die Aufarbeitung der ben ist breit gefächert: Neben grundlegenden Fragen wie Herrschaftsmechanismen der ehemaligen Deutschen De- der des Verhältnisses von Staat und Kirche, der Einord- mokratischen Republik als Gegenstand der Verwendung nung und Bewertung dieser Kirchenbeziehungen durch der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes benannt. – 69 –

Die Erweiterung der Verwendungszwecke der Unterlagen Medien Anträge zum Thema „Endlager Gorleben – Um- auf den Herrschaftsapparat der DDR muss mehr als eine gang der deutschen Wirtschaft mit dem Atommüll“ (ca. Klarstellung der bisherigen Arbeit der BStU und weniger 20 000 Seiten gesichtet) oder mit Ausblick auf das kom- als inhaltliche Erweiterung verstanden werden. Der no- mende Jahr „25 Jahre Tschernobyl“ (ca. 12 000 Seiten), vellierte Gesetzeswortlaut sollte eindeutig erkennen las- worüber der MDR eine Dokumentation in Spielfilmlänge sen, dass die Verwendung der MfS-Unterlagen für die produziert. Vom NDR wurde zum vergangenen Jahres- Forschung, die Medien und die politische Bildung keines- wechsel ein Beitrag anlässlich des 20. Jahrestages der wegs einseitig auf das Wirken des Staatssicherheitsdiens- Aufdeckung des Waffenlagers Kavelstorf bei Rostock tes beschränkt bleiben sollte. durch Kavelstorfer Bürger produziert. Im Berichtszeitraum wurden vermehrt Anträge auch aus- drücklich zum Thema „Herrschaftsapparat der DDR“ ge- Anlässlich des 100. Geburtstages von Prof. Dr. Heinrich stellt. So forscht die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der Dathe, dem 1991 verstorbenen früheren Leiter des Tier- SED-Diktatur zum Thema „Ausschaltung der parlamen- parks Berlin, stellte der RBB einen Antrag zu dieser pu- tarischen Opposition in den Landtagen der SBZ/DDR – blikumswirksamen Einrichtung. Hier konnten dem Brandenburg und Thüringen (1946–1952)“. Die Studie Antragsteller nach Durchsicht von rund 4 400 Seiten soll die Frage beantworten, welchen Einfluss die „bürger- zahlreiche Unterlagen (90 Seiten) zur Verfügung gestellt lichen“ Fraktionen von CDU und LDP auf den von der werden. SED und der sowjetischen Besatzungsmacht dominierten politischen Kurs nehmen konnten. Zu dem Antrag wur- Eine Ausstellung der Brandenburgischen Landeszentrale den 41 414 Seiten durchgesehen und 395 Seiten heraus- für politische Bildung veranschaulicht Maßnahmen des gegeben. Ministeriums für Staatssicherheit anhand von Unterlagen, die in der Außenstelle Frankfurt (Oder) im Ergebnis der Im Rahmen des Projektverbundes Institut für Zeitge- Forschungen über vietnamesische Vertragsarbeiter in der schichte München-Berlin, Universität Leipzig, Techni- DDR aufgefunden wurden. Die Ausstellung war im sche Universität Chemnitz und Universität Rostock be- Sommer 2009 auch im Rathaus in Frankfurt (Oder) zu se- schäftigt sich Frau Kathy Hannemann von der Universität hen. Leipzig mit einem Forschungsprojekt „Politikspielräume und Interessenskonflikte im Bezirk und Kreis: Die Woh- „Der Einfluss des MfS auf das Staatsjagdgebiet Schorf- nungspolitik im Bezirk Halle 1961–1989“. Hierfür wur- heide“ stellte im Berichtszeitraum ein weiteres umfang- den explizit Unterlagen über die Tätigkeit des SED-Polit- reicheres Forschungsthema dar, das in der Außenstelle büros beantragt. Bis jetzt wurden rund 17 000 Seiten Frankfurt (Oder) bearbeitet wurde. Dabei handelt es sich durchgesehen und 244 Seiten in Kopie herausgegeben. um ein Projekt des Schorfheide Museums e.V. zur Erstel- Im Rahmen des gleichen Projektverbundes bearbeitet lung einer historischen Dokumentation im Jagdschloss Dr. Andreas Malycha vom Institut für Zeitgeschichte Groß Schönebeck. Diese beschäftigt sich mit der Grün- München-Berlin das Thema „Die SED zwischen Mauer- dung, Entwicklung, Jagdbewirtschaftung und Jagdaus- bau und Mauerfall. Strukturen, Eliten und Konflikte übung im ehemaligen Staatsjagdgebiet der DDR. Das For- (1961 bis 1989/90)“. Zu diesem noch laufenden Antrag schungsprojekt ist noch nicht abgeschlossen. Es wurde wurden bislang 54 669 Seiten durchgesehen und 390 Sei- ten herausgegeben. jedoch bereits umfangreiches Schrift- und Fotomaterial (u. a. knapp 20 000 Seiten) gesichtet und dem Antragstel- ler in Kopie zur Verfügung (ca. 800 Seiten) gestellt. 4.3.1.10 Medizin Immer wieder erreichen die Behörde auch Anträge zum Themenkomplex Einfluss des MfS auf Mediziner bzw. 4.3.1.12 Kultur und Kunst medizinische Einrichtungen. Aus Anlass des 300-jähri- Auch kulturelle Themen spielen eine weiterhin große gen Bestehens der Berliner Charité stellte diese Einrich- Rolle: Eine besondere Bedeutung bei der Arbeit der Au- tung einen wegen der Vielzahl der angefragten Personen in der Bearbeitung außerordentlich umfangreichen An- ßenstelle Dresden hatte hierbei der Antrag des Vereins trag, dessen Ergebnisse im Rahmen einer Festschrift, ei- „riesa efau. Kultur Forum Dresden“ zur „Kunst und Al- ner Ausstellung im Abgeordnetenhaus Berlin und eines ternativkultur“ in Dresden. Zu der Kunstausstellung mit gemeinsamen Workshops zwischen der Charité und der dem Titel „ohne uns“ konnten 67 Kopien herausgegeben BStU der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht wurden. werden, die auch Eingang in den umfangreichen Katalog Innerhalb eines halben Jahres wurden allein für diesen der Ausstellung fanden und die facettenreiche Alternativ- Antrag von rund 24 000 gesichteten Seiten ca. 13 800 zur kultur, aber auch deren massive Unterdrückung durch das Einsicht vorgelegt und etwa 2 500 bereits in Kopie über- MfS belegen. geben. Auch nach den Feierlichkeiten zum 300. Jubiläum wird die breit angelegte Forschung zur Charité fortge- Für den MDR Radio Sachsen und den Deutschlandfunk setzt. hat die Außenstelle Dresden maßgeblich mit der Einsicht in mehr als 4 000 Seiten und der Herausgabe von 163 Ko- pien an der Gestaltung einer Dokumentation mit dem Ti- 4.3.1.11 Wirtschaft tel „Am Abend mancher Tage“ über die Rockgruppe Lift In aktuell-politische Debatten sind Anträge aus dem Be- mitgewirkt. Mit bisher unbekannten Fakten zur Ge- reich Wirtschaft einzuordnen. So stellten verschiedene schichte dieser Gruppe ist eine mehr als einstündige Sen- – 70 – dung entstanden, die am 25. November 2009 ausgestrahlt den politischen Umbruch und die Erneuerung an der Uni- wurde. versität darzustellen. Unter den 2010 abgeschlossenen Vorgängen verdient vor allem ein Forschungsantrag zum Thomanerchor Leipzig 4.4 Widersprüche gegen Entscheidungen Erwähnung: Die Antragstellerin hat unter dem Arbeits- der BStU titel „Die Kulturpolitik der DDR im Zusammenhang mit Im Verhältnis zur Gesamtzahl der bearbeiteten Anträge dem Thomanerchor“ den Einfluss des MfS sowohl auf die und Ersuchen ist die Zahl der bei der BStU eingehenden Thomanerschule als auch auf den Chor beleuchtet. Die Widersprüche weiterhin ausgesprochen niedrig. Im Be- Arbeit wurde von der Fachhochschule des Bundes als richtszeitraum wurde in insgesamt 58 Fällen Widerspruch Diplomarbeit angenommen. In Vorbereitung der Akten- gegen einen Bescheid der BStU eingelegt. Im Vergleich einsicht wurden 25 444 Seiten gelesen; 6 915 Seiten wur- zu den vorhergehenden Berichtszeiträumen sind in der den zur Akteneinsicht vorgelegt und schließlich 889 Sei- Tendenz – zahlenmäßig wie inhaltlich – keine nennens- ten in Kopie herausgegeben. werten Abweichungen zu verzeichnen. Das ist auch dar- Die Repression in der DDR-Diktatur wird zunehmend auf zurückzuführen, dass es der BStU ein besonderes An- auch künstlerisch verarbeitet. Damit werden neue Ver- liegen ist, sowohl Privatpersonen, öffentliche und nicht mittlungswege zur Verdeutlichung und Illustration des öffentliche Stellen wie auch Forscher und Medienvertre- Lebens in der Diktatur beschritten. Beispielhaft dafür ter, die sich an die Behörde wenden, über die geltenden sind zwei Theaterprojekte, die mit streng anonymisierten gesetzlichen Grundlagen und deren Anwendung umfas- und zum Teil verfremdeten Kopien von Briefen aus der send zu informieren. Fragen von Antragstellerinnen und Postkontrolle arbeiteten. Diese Briefe hatte der Staats- Antragstellern, beispielsweise über Art und Umfang ihrer sicherheitsdienst wegen politischen Gedankenaustauschs Zugangsrechte zu den Unterlagen, können so bereits im oder Kritik am System, der Mitteilung über geplante Aus- Vorfeld möglicher Rechtsstreitigkeiten geklärt werden. reisen oder Sehnsucht nach zurückgebliebenen Verwand- Der Schwerpunkt der Widerspruchsverfahren lag im Be- ten einbehalten. Schauspieler des Berliner Maxim Gorki richtszeitraum wiederum eindeutig im Bereich der priva- Theaters erzählten in Veranstaltungen zum 20. Jahrestag ten Akteneinsicht. Inhaltlich richteten sich 30 Widersprü- des Falls der Berliner Mauer mit diesen Briefkopien je- che gegen die Ablehnung von Anträgen auf Akteneinsicht weils eine Geschichte, einen Aspekt des Lebens in der in Unterlagen zu verstorbenen oder vermissten nahen An- Diktatur. Im Rahmen des Theaterspektakels „Die Riesen gehörigen gemäß § 15 StUG. Diese Vorschrift ist eine in Berlin“ im Oktober 2009 hatten die Veranstalter der Ausnahme zu dem im StUG geltenden Grundsatz, dass Berliner Festspiele die Idee, die Briefkopien durch die jeder Einzelne nur Einsicht in die vom Staatssicherheits- Riesen symbolhaft an die Menschen zurückzugeben. Dies dienst zu seiner eigenen Person gesammelten Informatio- geschah mit dem Verteilen der anonymisierten und ver- nen erhält. Der Gesetzgeber hat an die Ausnahmerege- fremdeten Kopien durch die Riesen bei ihren Wanderun- lung des § 15 StUG bestimmte Zugangsvoraussetzungen gen durch die Straßen von Berlin. geknüpft, die die Antragstellerinnen und Antragsteller er- füllen müssen. So ist u. a. glaubhaft zu machen, zu wel- 4.3.1.13 Wissenschaft chem Zweck die Auskunft aus den Akten zu verstorbenen oder vermissten nahen Angehörigen benötigt wird. Die In der Außenstelle Halle beschäftigte sich ein For- Auskunftszwecke sind im Gesetz abschließend geregelt, schungsantrag mit dem Ziel einer Dissertation mit der sodass beispielsweise Anträge zwecks Klärung vermö- Überwachung der traditionsreichen Martin-Luther-Uni- gensrechtlicher Angelegenheiten oder Anträge, denen versität Halle-Wittenberg. Die Außenstelle Halle stellte lediglich ein allgemeines Interesse an der Familienge- dafür umfangreiches Material zur Verfügung. Die Arbeit schichte zugrunde liegt, nicht zulässig sind. Zu Irritatio- belegt das Zusammenspiel des Ministeriums für Staats- nen führte bei nahen Angehörigen gelegentlich auch der sicherheit, der SED und der staatlichen Leitung der Uni- Umstand, dass zu der vermissten oder verstorbenen Per- versität im Hinblick auf die Auswahl, Förderung und Be- son zwar Akten aufgefunden wurden, in diesen aber keine günstigung des wissenschaftlichen Personals, aber auch Informationen zum geltend gemachten Auskunftszweck auf die Überwachung von politisch nonkonformen Be- enthalten waren, die dem nahen Angehörigen hätten zur schäftigten – seien es Angehörige des Lehrkörpers oder Verfügung gestellt werden können. Ein Widerspruch rich- der Studentenschaft, ausländische Universitätsangehörige tete sich gegen einen Ablehnungsbescheid, der sich auf oder Personen mit Westkontakten. Deutlich wird im Un- einen vermeintlich entgegenstehenden Willen des Ver- tersuchungszeitraum von 1968 als dem Beginn der Drit- storbenen gründete. Die Zugangsvoraussetzungen für ten Hochschulreform bis 1989 als dem Zeitpunkt der nahe Angehörige werden voraussichtlich Gegenstand der Friedlichen Revolution, wie das MfS seine Aufgabenstel- kommenden StUG-Novellierung sein (siehe Kapitel 1.3). lungen modifizierte und für diese Überwachungsaufga- ben seine inneren Strukturen anpasste – sich aber in Darüber hinaus wandten sich auch in diesem Berichtszeit- einem Punkt treu blieb: die Universität wegen ihres intel- raum elf Bürgerinnen und Bürger mit einem Widerspruch lektuellen Potenzials stets als Gefahr zu begreifen. gegen die archivische Kategorisierung der zu ihnen auf- Schließlich war es mit Hilfe der Unterlagen des Staats- gefundenen Unterlagen als solche von Mitarbeitern des sicherheitsdienstes sowie anderer Archivquellen möglich, Staatssicherheitsdienstes einschließlich der damit verbun- – 71 – denen Kosten. In derartigen Fällen erläuterte die BStU Rechtsstreit wurde in der Berufungsinstanz durch Ver- vor Erlass eines kostenpflichtigen Widerspruchsbeschei- gleich beigelegt. des ausführlich die Sach- und Rechtslage unter Hinweis auf die Besonderheit der archivischen Betrachtungsweise Hierunter wurde in drei Fällen das Verfahren wegen der Unterlagen und die dazu bestehende gefestigte Recht- Klage- bzw. Antragsrücknahme durch Beschluss des Ge- sprechung durch das Verwaltungsgericht Berlin. Dabei richts eingestellt. Diese Rechtsstreitigkeiten hatten den musste in nur einem Fall die Kategorisierung im Rahmen Aktenzugang von Betroffenen, Dritten bzw. Mitarbeitern des Widerspruchsverfahrens zurückgenommen werden. des Staatssicherheitsdienstes zum Gegenstand. Dabei ging es in einem Verfahren um das Zugangsrecht naher Zu weiteren Widerspruchsverfahren kam es unter ande- Angehöriger und die Anforderungen an die Glaubhaftma- rem, weil die Behörde Anträge wegen fehlender Rechts- chung der in § 15 StUG genannten Zwecke. In einem an- grundlage ablehnen musste. Hierbei handelte es sich deren Rechtsstreit machte ein ehemaliger inoffizieller beispielsweise um Anträge von Privatpersonen, die Aus- Mitarbeiter, der als Doppelagent sowohl für das MfS als künfte zu anderen Personen wünschten, etwa um diese auch für einen westdeutschen Landesverfassungsschutz auf eine vermeintliche Tätigkeit für den Staatssicherheits- tätig gewesen war, einen Anspruch auf Decknamenent- dienst überprüfen zu lassen, Familienangehörige zu su- schlüsselung geltend, um zu erfahren, wer ihn seinerzeit chen oder vermögensrechtliche Angelegenheiten zu klä- an das MfS verraten hatte. Das Recht, die Namen der ren. Auch der Umstand, dass die Recherchen in den Mitarbeiter zu erfahren, die über sie berichtet haben, steht Karteien des Staatssicherheitsdienstes keine Hinweise auf nach dem StUG nur Betroffenen und Dritten zu, nicht Unterlagen ergaben, führte in einem Fall zum Wider- aber Personen, die bei formaler Betrachtung nach Akten- spruch. lage als inoffizielle Mitarbeiter des MfS anzusehen sind. Dementsprechend konnte dem Kläger eine Decknamen- Im Arbeitsbereich der Ersuchen öffentlicher und nicht öf- entschlüsselung nicht gewährt werden. Hinweise auf fentlicher Stellen gab es im Berichtszeitraum keine Wi- möglicherweise beteiligte Personen ergaben sich aller- dersprüche. Im Forschungs- und Medienbereich bezogen dings aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu den sich sieben Widersprüche auf Bescheide, mit denen die MfS-Verstrickungen hochrangiger westlicher Geheim- zugrunde liegenden Forschungs- und Medienanträge we- dienstmitarbeiter. Auf einen entsprechenden Hinweis hin gen fehlender Zugangsvoraussetzungen abgelehnt wor- nahm der Kläger die Klage zurück. den waren. In einem Fall wurde der Widerspruch gegen die Kostenerhebung zurückgewiesen. Drei weitere Rechtsstreitigkeiten hatten die Verwendung von Unterlagen durch Forschung und Medien nach In 13 Fällen hob die BStU aufgrund der eingelegten §§ 32 ff. StUG zum Gegenstand. Zum Zweck der politi- Widersprüche die Ausgangsbescheide teilweise oder voll- schen und historischen Aufarbeitung durch Forschung ständig auf. Dazu kam es insbesondere, wenn die Wider- und Medien erlaubt das StUG die Herausgabe von Unter- spruchsführer ihre Anträge erst im Widerspruchsverfah- lagen mit personenbezogenen Informationen über Mitar- ren entsprechend den gesetzlichen Vorgaben glaubhaft beiter bzw. Begünstigte des MfS sowie über Personen der gemacht oder erforderliche Begründungen nachgereicht Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen oder hatten. In den übrigen 45 Fällen wurden die Widersprü- Amtsträger, soweit es sich um Informationen handelt, die che zurückgewiesen, weil die Prüfung ergab, dass die deren zeitgeschichtliche Rolle, Funktions- oder Amtsaus- Entscheidungen der Behörde rechtmäßig ergangen waren übung betreffen. Die Herausgabe erfolgt grundsätzlich bzw. in einem Fall auch, weil der Widerspruch nicht frist- nach Maßgabe einer einzelfallbezogenen Interessenabwä- gerecht innerhalb eines Monats bei der BStU eingegan- gung. Personen der Zeitgeschichte, Funktions- oder gen war. Amtsträger sind zudem vorab rechtzeitig über eine ge- plante Herausgabe zu benachrichtigen, damit sie gegebe- 4.5 Rechtsstreitigkeiten zum Stasi- nenfalls Einwände dagegen geltend machen können. Unterlagen-Gesetz Abhängig davon, ob ein Benachrichtigungsverfahren Im Berichtszeitraum sind bei der Bundesbeauftragten durchzuführen ist oder eine bereits erfolgte Herausgabe 13 Klagen bzw. Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz von Unterlagen zu Mitarbeitern bzw. Begünstigten zu ei- eingegangen, die sich auf die Verwendung von Unterla- nem Rechtsstreit führt, ergeben sich im gerichtlichen Ver- gen des Staatssicherheitsdienstes beziehen. Davon richten fahren unterschiedliche Konstellationen. Während es im sich fünf Klagen gegen einen zuvor ergangenen Wider- ersteren Falle zumeist um vorläufigen und vorbeugenden spruchsbescheid der Behörde. In einem Fall begehrt der Rechtsschutz geht, ist im letzteren Falle in der Regel die Kläger Schadenersatz aus Amtspflichtverletzung wegen Rechtmäßigkeit einer bereits erfolgten Herausgabe Streit- einer vorausgegangenen rechtswidrigen Herausgabe von gegenstand. Unterlagen zu seiner Person. In zwei Klageverfahren aus dem vorhergehenden Berichtszeitraum steht eine ab- In einem Fall wurde der Rechtsstreit um die Verwendung schließende gerichtliche Entscheidung noch aus. von Unterlagen durch Forschung und Medien durch über- einstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten been- Insgesamt sechs bei der Bundesbeauftragten geführte det. Dem zugrunde lag eine bereits erfolgte Herausgabe Verwaltungsstreitverfahren zu Rechtsfragen des Stasi- von Unterlagen, die nach Aktenlage als solche zu einem Unterlagen-Gesetzes wurden im Berichtszeitraum durch inoffiziellen Mitarbeiter anzusehen waren, an die Medien. eine gerichtliche Entscheidung abgeschlossen; ein Hier erklärte der Kläger den Rechtsstreit für erledigt, – 72 – nachdem die Bundesbeauftragte im Hinblick auf die be- eine persönliche Beteiligung der dort erfassten Personen sondere Fallkonstellation zugesichert hatte, ihn bei even- anzunehmen. tuellen zukünftigen Herausgaben von Unterlagen zu sei- ner Person vorab zu benachrichtigen. In seinem Urteil bekennt sich das Verwaltungsgericht Berlin ausdrücklich zu der von der Bundesbeauftragten Mit besonderer Aufmerksamkeit wurden in der Öffent- bei der Kategorisierung zugrunde gelegten archivischen lichkeit zwei Rechtsstreitigkeiten verfolgt, denen die auf Betrachtungsweise. Gleichzeitig definiert es klar die An- Medienanträge hin erfolgte Herausgabe von personenbe- forderungen an die Aktenlage bzw. die tatsächlichen Vor- zogenen Unterlagen als solche zu Begünstigten des MfS aussetzungen, die gegeben sein müssen, um einen Be- gemäß § 32 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit günstigtenstatus zu begründen. Die Bundesbeauftragte § 6 Absatz 6 StUG zugrunde lag. hat das Urteil, in dem sich das Verwaltungsgericht Berlin erstmals zur Auslegung bestimmter Aspekte des Begüns- Die seitens der Bundesbeauftragten vorgenommene Kate- tigtenbegriffs geäußert hat, als eine Grundsatzentschei- gorisierung der Unterlagen stützte sich auf eine Erfassung dung akzeptiert und umgesetzt. Durch die Entscheidung der betreffenden Personen auf einem Sicherungsvorgang besteht in rechtlicher Hinsicht Handlungssicherheit im mit dem Decknamen „Gruppe Aktion“. Auf diesem Son- Hinblick auf künftige, vergleichbar gelagerte Fälle. dervorgang wurden vom MfS Personen registriert, die in Zusammenhang mit der sogenannten Gruppe Ralf Fors- Im Hinblick auf diese Entscheidung wurde in einem par- ter, einer geheimen Militärorganisation der DKP, gestan- allel gelagerten Fall der mit der Klage geltend gemachte den haben sollen. Wie sich aus den Sachinformationen, Unterlassungsanspruch seitens der Bundesbeauftragten die ebenfalls Gegenstand der Herausgabe waren, ergibt, anerkannt. Bereits vor Klageerhebung hatte sie zugesi- wurden die Mitglieder dieser Gruppe überwiegend für chert, bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist im Parallel- spezielle militärische Aufgaben in der Bundesrepublik verfahren vorerst keine Unterlagen in Bezug auf den Klä- vorbereitet. Aus den Unterlagen geht hervor, dass die ger mehr herauszugeben. Gruppe mit Unterstützung des MfS auf dem Gebiet der In den drei letztgenannten Fällen, in denen Unterlagen als DDR militärische Schulungen durchgeführt hat. solche zu einem Mitarbeiter bzw. zu Begünstigten des Die Betreffenden wandten sich gegen die Herausgabe so- MfS herausgegeben worden waren, richteten sich die wie die zugrunde liegende Kategorisierung als Begüns- Klagen zudem gegen Äußerungen zur Aktenlage, die die tigte und machten einen entsprechenden Unterlassungs- Bundesbeauftragte begleitend zur Aktenherausgabe getä- anspruch gerichtlich geltend. Daraufhin erging eine tigt hatte. Die Befugnis zur Bewertung von MfS-Unterla- grundlegende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ber- gen ergibt sich in bestimmtem Umfang aus § 37 Absatz 1 lin zu den Anforderungen des Begünstigtenbegriffs im Nummer 5 StUG, wonach die Bundesbeauftragte die Auf- Sinne des § 6 Absatz 6 StUG, insbesondere wurden hier gabe der Aufarbeitung der Tätigkeit des MfS durch Un- die Anforderungen an die der Kategorisierung zugrunde terrichtung der Öffentlichkeit über Struktur, Methoden liegende Aktenlage konkretisiert (Urteil vom 16. Dezem- und Wirkungsweise des Staatssicherheitsdienstes hat. ber 2009, Aktenzeichen VG 1 K 282.09). Dies schließt grundsätzlich die Befugnis zur Bewertung herausgegebener personenbezogener Informationen ein- Das Gericht führt in diesem Zusammenhang aus, dass die schließlich des archivrechtlichen Status der betreffenden Begünstigteneigenschaft nicht schon dann gegeben sei, Personen ein. wenn es nach Auswertung des verfügbaren MfS-Akten- materials überwiegend wahrscheinlich erscheint, dass die In einem anderen Fall ging es um die vorgesehene Bereit- fragliche Person im Sinne von § 6 Absatz 6 StUG be- stellung von Unterlagen zu einer Person der Zeitge- günstigt wurde. Vielmehr müsse der Begünstigtenstatus schichte auf einen entsprechenden Medienantrag hin. Im auch aus archivischer Sicht zweifelsfrei feststehen. Benachrichtigungsverfahren nach § 32a StUG hatte die betreffende Person Einwände geltend gemacht und gegen Aus den im vorliegenden Fall vorhandenen Unterlagen die beabsichtigte Herausgabe geklagt. sei nicht ersichtlich, dass der Kläger Straftaten gefördert, vorbereitet oder begangen habe, wie es § 6 Absatz 6 Der Rechtsstreit hatte grundlegende Fragen zur Heraus- Nummer 3 StUG voraussetzt. Es gebe in den Akten kei- gabefähigkeit bestimmter MfS-Unterlagen im Zusam- nen tragfähigen Beleg für eine persönliche Verstrickung menhang mit der Anwendung der Grundsätze des zweiten des Klägers in die „Gruppe Aktion“. Zwar lasse sich aus Kohl-Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom den Unterlagen die Absicht des MfS erkennen, den Klä- 23. Juni 2004, BVerwGE 121, 115 ff.) zum Gegenstand, ger in die Aktivitäten dieser Gruppe einzubeziehen. Dies die höchstrichterlich bislang noch nicht entschieden sind. sei aber auch bei archivischer Betrachtungsweise kein Kernpunkt war insofern die im Rahmen der Abwägung hinreichender Beleg dafür, dass dieser tatsächlich an sei- nach § 32 Absatz 1 Satz 2 und 3 StUG maßgebliche ner Einbeziehung in den erfassten Personenkreis mitge- Frage, ob den streitgegenständlichen Unterlagen unbe- wirkt oder sich zu einer Mitarbeit in der genannten denkliche Quellen zugrunde liegen oder die Informations- Gruppe bereit erklärt hatte. erhebung erkennbar auf einer Menschenrechtsverletzung beruht. Dabei ging es insbesondere darum, ob Unterla- Im Ergebnis wurden die Unterlagen zur Erfassung auf gen, die auf IM-Einsatz oder Wohngebietsbefragungen dem Sicherungsvorgang „Gruppe Aktion“ damit vom beruhen, bzw. Unterlagen, deren Quellen sich nur indirekt Verwaltungsgericht als nicht ausreichend angesehen, um erschließen lassen, wie zusammenfassende Berichte und – 73 –

Beurteilungen, auf menschenrechtswidrige Weise erlangt Der privilegierte Zugang zu den Akten verpflichtet die sind. BStU, in ihren Arbeiten solche Schneisen des Wissens zu schlagen, die für nachfolgende Forscher gangbare und Das Verwaltungsgericht Berlin war in seinem erstinstanz- weiterführende Wege eröffnen. Diesem Zweck dienen zu- lichen Urteil der Argumentation der Bundesbeauftragten nächst die Nachschlagewerke wie das Handbuch und das gefolgt und hatte versucht, die vom Bundesverwaltungs- in Kürze erscheinende MfS-Lexikon; aber auch die Mo- gericht im Rechtsstreit Kohl entwickelten Grundsätze nografien markieren als quellengesättigte Arbeiten zu- praktisch handhabbar zu machen. Eine rein theoretische meist den Beginn der Arbeit auf bestimmten Forschungs- Möglichkeit einer Bespitzelung sei für die Annahme einer feldern. menschenrechtswidrigen Informationsbeschaffung nicht ausreichend. Vielmehr müssten konkrete Anhaltspunkte Der besondere Aktenzugang begründet andererseits für eine menschenrechtswidrige Gewinnung ersichtlich selbstverständlich keine Monopolstellung hinsichtlich der sein, um eine Herausgabe von Unterlagen auszuschlie- MfS-Forschung. Bei der breiten Palette von relevanten ßen. Von einer menschenrechtswidrigen Informationsbe- Forschungsfragen mit Bezug auf den Staatssicherheits- schaffung ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich dienst und auf die Repressionsgeschichte der DDR und dann auszugehen, wenn Informationen unter Verletzung den ehemaligen „Ostblock“ sieht die Forschung in der der räumlichen Privatsphäre, des Rechts am gesproche- Stasi-Unterlagen-Behörde gerade in der Kooperation mit nen Wort oder durch Spionage gewonnen wurden. externen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern so- wie Institutionen einen fruchtbaren Weg, dem gesetzli- Dieser Rechtsstreit wurde vor dem Oberverwaltungsge- chen Auftrag zu entsprechen und in größerem Umfang richt mit einem Vergleich beendet. der Öffentlichkeit und der Wissenschaft Erkenntnisse zu- gänglich zu machen. Bei der Vermittlung von zeitge- 5 Forschung und Publikationen schichtlichen Erkenntnissen sind in erster Linie die Bun- Das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) weist der BStU auch desstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die die Aufgabe zu, die Öffentlichkeit über Struktur, Metho- Bundeszentrale für politische Bildung und eine Reihe von den und Wirkungsweise des Staatssicherheitsdienstes der Landeszentralen als Partner zu nennen. Enge Wissen- ehemaligen DDR zu unterrichten. Zu diesem Zweck hat schaftskontakte und Kooperationen bestehen zum Institut die Behörde 1993 die Abteilung Bildung und Forschung für Zeitgeschichte München-Berlin, zum Zentrum für eingerichtet, wodurch auch die damals noch wesentlich Zeithistorische Forschung und zum Militärgeschichtli- größeren Zugangsrestriktionen der wissenschaftlichen chen Forschungsamt, beide in Potsdam. Gemeinsame Aktennutzung ausgeglichen werden sollten. Als Beschäf- Projekte verbinden mit der Robert-Havemann-Gesell- tigte der Behörde haben die Wissenschaftlerinnen und schaft, der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, der Wissenschaftler unbeschränkten Aktenzugang. Bei der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und Veröffentlichung ihrer Arbeitsergebnisse unterliegen sie der politischen Parteien, der Friedrich-Schiller-Universi- jedoch selbstverständlich den gleichen Maßgaben nach tät Jena, der Evangelischen Akademie in Thüringen so- dem StUG wie externe Forscher. wie den Landesbeauftragen für die Stasi-Unterlagen. In- tensiviert hat sich auch der wissenschaftliche Austausch Der weit gefasste Aktenzugang auferlegt den Beschäftig- mit den Partnerbehörden in den mittelosteuropäischen ten eine besondere Verantwortung im Umgang mit den Staaten, mit denen die BStU 2008 ein Netzwerkabkom- Unterlagen, die das Ministerium für Staatssicherheit an- men zur Zusammenarbeit abgeschlossen hat (siehe auch sammelte. Sie stehen besonders in der Pflicht, sich so- Kapitel 7.1). Auch die Verbindungen zu den Universitä- wohl datenschutzrechtlich mit der gebotenen Umsicht als ten sind eng, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der For- auch mit der fachlichen Expertise dem schwierigen Mate- schungsabteilung lehren an der Humboldt-Universität zu rial anzunähern, ihre Ergebnisse im Kollegenkreis und Berlin, der Leibniz-Universität Hannover, der Philipps- mit dem Wissenschaftlichen Beratungsgremium zu disku- Universität Marburg und der Süddänischen Universität tieren, bevor sie sie veröffentlichen und der übliche wis- Odense. senschaftliche Diskurs eine Bewertung ihrer Forschungs- leistung vornimmt. So können die Forscherinnen und Das Gedenken an die Ereignisse der Jahre 1989/90 war Forscher der BStU einen wichtigen Beitrag zur Aufarbei- im Berichtszeitraum sehr intensiv. Es hat – neben anderen tung des SED-Systems leisten, weil sie sich in ihren Ar- aktuellen Anlässen – deutlichen Niederschlag in der beiten mit einem Spezialaspekt, der Wirkungsweise des Tätigkeit des Forschungsbereichs gefunden. Neben wis- Staatssicherheitsdienstes der DDR und seinen Strukturen, senschaftlichen Projekten wurden insgesamt knapp ein- auseinandersetzen. Diese Tätigkeit hat nicht nur akademi- hundert kleinere Publikationen in Zeitungen und Zeit- sche Funktion, sondern beeinflusst auch den öffentlichen schriften veröffentlicht, die vielfach die historischen Diskurs dieser Themen, in denen insbesondere den Stel- Geschehnisse aufgriffen und kontextualisierten. Als Bei- lungnahmen ehemaliger Funktionsträger der DDR sorg- spiel seien hier die Beiträge genannt, die bei dem Rumä- fältig recherchierte Forschungsergebnisse gegenüberge- nienexperten Dr. Georg Herbstritt nach der Verleihung stellt werden. des Literaturnobelpreises an Herta Müller und dem Auf- keimen der Diskussion um die Securitate in den rumäni- Gleichzeitig verstehen die Wissenschaftlerinnen und Wis- endeutschen Literatenzirkeln angefragt wurden. Noch in- senschaftler ihre Arbeit als Grundlagenforschung, die ei- tensiver als die Publikationstätigkeit entwickelte sich im nen Servicecharakter für die Forschung insgesamt besitzt. Berichtszeitraum die Vortragstätigkeit, die mit etwa – 74 –

150 Referaten und Teilnahmen an Podiumsdiskussionen schnur sein müssen, nach denen neue Forschungsfelder im Jahr 2009 eine Dimension erreichte, die von außeror- erschlossen werden sollten, wenn die laufenden Projekte dentlichem Einsatz zeugt. Das umso mehr, als sich solche zu guten Ergebnissen geführt haben. Dass sich auch zu- Verpflichtungen bei den Kolleginnen und Kollegen be- künftige Forschungsarbeiten im Rahmen dessen bewegen sonders konzentrierten, die zu ihrer fachlichen Expertise müssen, was das StUG vorgibt, ist ebenso klar wie die auch noch eine Zeitzeugenschaft besitzen und aktiv die Tatsache, dass die Arbeiten den Standards der Ge- revolutionären Ereignisse vor 20 Jahren unterstützten. schichtswissenschaft genügen müssen. Dass der im Neunten Tätigkeitsbericht ausführlich vorge- stellte Band „Endspiel“ von Ilko-Sascha Kowalczuk im Diese nunmehr dreijährigen Erfahrungen bestätigen die Berichtszeitraum enorm nachgefragt wurde, spiegelt positive Wirkung des Wissenschaftlichen Beratungsgre- ebenfalls das Interesse an den Ereignissen vor 20 Jahren. miums. Die kritischen Diskussionen und Evaluationen er- setzen nicht die öffentliche Debatte um Forschungsergeb- Auch Gedenk- und Bildungsveranstaltungen zu begleiten, nisse, stärken jedoch die Projekte und helfen dabei, die ist Teil der Aufgabe des Forschungsbereichs, der damit Qualität der Forschung in der BStU insgesamt zu sichern. die gesetzliche Informationspflicht der Bundesbeauftrag- Gerade die frühzeitige Spiegelung der Forschungsvorha- ten unterstützt. Gleichzeitig ist diese Art der sachlichen ben mit Vertreterinnen und Vertretern bedeutender Insti- und fundierten Informationsvermittlung aus erster Hand tutionen und Universitäten befördert ihre bruchlose Ein- ein Ausweis dafür, dass die Bereiche Forschung und poli- fügung in die allgemeine Forschungslandschaft. Die tische Bildung innerhalb der BStU sinnvoll miteinander Bezüge in den Wissenschaftsbetrieb hinein werden enger, verbunden sind und sich in ihrer Zusammenarbeit viele der Austausch befruchtet die Arbeit im Forschungsbe- Synergien ergeben. reich. Mit einem semesterbegleitenden wissenschaftlichen Kol- Im Berichtszeitraum hat das Wissenschaftliche Bera- loquium trat die Forschung der BStU auch selbst an die tungsgremium intensiv darüber diskutiert und im Ergeb- Öffentlichkeit. In 14 Veranstaltungen stellten wissen- nis angeregt, dass die BStU vom Deutschen Bundestag schaftliche Mitarbeiter ihre Forschungsprojekte und Teil- mit der Erstellung eines Gutachtens zum Einfluss des ergebnisse daraus vor und luden zur Diskussion darüber Staatssicherheitsdienstes auf die Abgeordneten aller ein. Einmal pro Semester trug ein externer Wissenschaft- Deutschen Bundestage bis 1989 beauftragt werden soll. ler seine Forschungsergebnisse vor, die in der Regel zu- Dieser Vorschlag wurde vom Ältestenrat des Deutschen mindest durch die Nutzung von MfS-Unterlagen einen Bundestages aufgegriffen und die Beauftragung der BStU Bezug zum Forschungsfeld der BStU aufwiesen. Eine ta- mit einer solchen Studie Anfang Oktober 2010 beschlos- bellarische Aufstellung der einzelnen Veranstaltungen ist sen. in Anhang 9 enthalten. 5.2 Forschungsprogramm 5.1 Arbeit des Wissenschaftlichen 5.2.1 Widerstand im Alltag – Alltag des Beratungsgremiums Widerstandes Das vom Bundestag benannte und vom BKM bestellte Im Rahmen der Projektgruppe werden seit 2008 die Ein- Wissenschaftliche Beratungsgremium hat im Berichts- zelprojekte „Wahlen in der DDR 1950 bis 1961“, „SED- zeitraum in unveränderter Besetzung (siehe Anhang 8) Wissenschaftspolitik und Staatssicherheit von 1955 bis die Arbeit des Forschungsbereichs begleitet. Unter der 1975“, „Aktenlandschaft Jürgen Fuchs“, „Die Rolle des Leitung des Vorsitzenden Prof. Dr. Hans-Joachim Veen MfS im Militärgefängnis und der Disziplinareinheit und seines Stellvertreters Prof. Dr. Klaus-Dietmar Henke Schwedt“, „Telefonabhörprotokolle – Wie das MfS die tagte das neunköpfige Gremium im Berichtszeitraum Opposition in den achtziger Jahren bespitzelte“ und – als dreimal. Nach der intensiven Anlaufphase, in der das ge- Hauptprojekt – „Widerstand und Opposition im ‚Ostsee- samte Forschungsprogramm der Abteilung vorgestellt bezirk‘ Rostock 1949 bis 1989“ bearbeitet. Sämtliche und evaluiert wurde, hat sich nun ein regelmäßiger halb- Projekte befinden sich in der Phase der Materialerhebung jährlicher Tagungsrhythmus herausgebildet. und -auswertung. Auch weiterhin beriet das Gremium intensiv neue Pro- jekte, gab wertvolle Anregungen und justierte in Einzel- 5.2.2 Zusammenarbeit des MfS mit den bereichen nach. Gleichzeitig diskutierten seine Mitglieder Sicherheitsdiensten des Ostblocks zur mit den Forscherinnen und Forschern, der Abteilungs- Verhinderung von Flucht und und der Behördenleitung den Fortschritt längerfristiger Opposition/Westarbeit des MfS Projekte im Lichte der bereits vorliegenden Teilergeb- nisse. Gerade bei komplexeren Fragestellungen bieten die Im Projektbereich wird zum einen das Wirken des MfS konstruktiven Gespräche Gelegenheit, mögliche Verände- bei der Verhinderung von Fluchten aus der DDR und zur rungen des Zuschnitts kompetent zu reflektieren. Absicherung ihrer Grenzen sowie die konkrete Zusam- menarbeit mit anderen Sicherheitsdiensten der Staaten Größeren Raum in den Beratungen nahm die Frage der des Warschauer Paktes bei der Unterbindung der Flucht perspektivischen Ausrichtung der Forschung innerhalb von DDR-Bürgern untersucht. Ein zweiter Schwerpunkt der BStU ein. Konsens konnte rasch dahingehend erzielt der Forschungen besteht in der Analyse der Vorgehens- werden, dass Relevanz und Zukunftsfähigkeit die Richt- weise des MfS bei der Bekämpfung grenzüberschreiten- – 75 – der Verbindungen zwischen Oppositionellen der DDR und personelle Unterstützung sicherte, konnte von der und anderen Ostblockstaaten sowie der Unterbindung und SED bis Dezember 1989 und anschließend von der PDS Unterwanderung ihrer Unterstützung aus dem westlichen vor Übergabe des SED-Archivs an die Stiftung Archiv Ausland. der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bun- desarchiv fast restlos vernichtet werden. In der Studie ge- Diesen Themen widmen sich mehrere laufende Einzel- lang es dem Autor Wilhelm Mensing mit Hilfe der zum projekte: Zwei Studien analysieren einerseits den Um- Teil parallelen bzw. ergänzenden Überlieferung in der gang des MfS mit Todesfällen an der Berliner Mauer und BStU, Struktur und Arbeitsweise dieser ZK-Abteilung zu andererseits den Umgang mit bei Fluchtversuchen ver- rekonstruieren. Die Studie ist in der Schriftenreihe „BF letzten Personen. Im Rahmen des ersten Projekts wird informiert“ erschienen. u. a. eine Dokumentation der Entwicklung der Bestim- mungen und Dienstanweisungen des MfS zur Verhinde- Fortgeführt wurden die Forschungen zur Westarbeit des rung der Republikflucht an der innerstädtischen Berliner MfS. Das umfangreiche Manuskript des Handbuchbei- und der innerdeutschen Grenze erarbeitet. trags zur Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) wurde im Bereich inhaltlich weiterentwickelt und aufgrund neu er- Im Zusammenhang mit diesen Recherchen wurde im schlossenen Materials nochmals erheblich ergänzt. Es be- Mai 2009 die IM-Akte des ehemaligen Westberliner Poli- findet sich zur Druckvorbereitung im Lektorat. Aus der zeibeamten Karl-Heinz Kurras untersucht und eine erste fragmentarischen Überlieferung der Akten der HVA Mitteilung über diesen Fund veröffentlicht (Helmut Müller- werden deren Organisationsstrukturen, Leiter von Dienst- Enbergs, Cornelia Jabs: Der 2. Juni 1967 und die Staats- einheiten, deren jeweilige Aufgaben und die jeweils sicherheit, in: Deutschland Archiv, 42 (2009), 3, wichtigsten drei Quellen rekonstruiert. Die Forschungsar- S. 395–400). Kurras, der am 2. Juni 1967 am Rande einer beiten schließen die Vorgängerinstitution der HVA, das Demonstration den Studenten Benno Ohnesorg erschoss, Institut für wirtschaftswissenschaftliche Forschung, ein. war laut dieser Akte bereits seit April 1955 in Westberlin als inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes tätig. Der Zusammenarbeit des Staatssicherheitsdienstes der ČSSR (StB) und des MfS widmeten sich Forschungen zur Fortgesetzt wurden kooperative Forschungen mit den öf- Geschichte der Opposition in der DDR. Fortgesetzt wur- fentlich zugänglichen Archiven der früheren osteuropäi- den Forschungen zur Geschichte der DDR-Opposition, schen Sicherheitsdienste, die auf eine Dokumentation von ihrer Vernetzung mit Oppositionellen in der ČSSR, Ru- Flucht und Fluchtversuchen von DDR-Bürgern über mänien und Ungarn sowie der Bekämpfung dieser Ver- Grenzen von Drittländern zielen. Im Ergebnis soll eine netzung durch das MfS. In einer Einzelstudie zum litera- bereits 1998 vorgelegte BStU-Studie über die „Zusam- rischen Austausch zwischen ungarischen und DDR- menarbeit der Sicherheitsdienste der Warschauer-Pakt- Oppositionellen in den 1980er-Jahren wird die wechsel- Staaten bei der Verhinderung von ‚Republikflucht‘“ er- seitige Anregung ebenso untersucht wie deren Beobach- weitert werden, in der die Tätigkeit der „Operativen tung und Behinderung durch die Staatssicherheitsdienste Gruppen“ des MfS in den Warschauer-Pakt-Staaten und Ungarns und der DDR. Eine weitere Untersuchung be- die der dortigen Partnerdienste in der DDR beschrieben fasst sich mit verdeckten Operationen gegen die Unter- werden. Hierzu zählen u. a. Aktionen der Verschleppung stützung osteuropäischer Oppositioneller durch unabhän- und des offenen Menschenraubs, bei denen das MfS mit gige Organisationen der Bundesrepublik im gleichen verbündeten Diensten kooperierte. Zeitraum. Hierzu wurden erste Arbeitsergebnisse auf ei- Eine durch neu erschlossenes Aktenmaterial erweiterte nem Panel des Historikertages in Berlin 2010 vorgelegt. deutsche Fassung einer Studie zur geheimpolizeilichen Zusammenarbeit zwischen dem MfS und der rumäni- 5.2.3 Das MfS und der KSZE-Prozess. Der schen Securitate bei der Verfolgung Oppositioneller ist Kampf der osteuropäischen Geheim- 2010 abgeschlossen worden. Sie entstand in Zusammen- dienste gegen Modernisierung und arbeit zwischen der BStU, dem Institut zur Untersuchung Globalisierung der kommunistischen Verbrechen in Rumänien (IICCR) und dem Nationalen Rat für das Studium der Archive der Ziel der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit Securitate (CNSAS). Einzelne Aspekte dieser Arbeit in Europa (KSZE) war es, Konfrontation abzubauen und wurden bereits in Aufsätzen publiziert. So konnte die Ob- Brücken zwischen Ost- und Westeuropa zu schlagen. Wie servierung der Literaturnobelpreisträgerin des Jahres die Entwicklung nach 1990 gezeigt hat, entsprach das 2010, Herta Müller, durch Agenten der Securitate und des nicht nur staatlichen Interessen, sondern auch einem tie- MfS mit Aktenmaterial dokumentiert werden. fen Bedürfnis weiter Teile der Bevölkerung im sowjeti- schen Machtbereich. Mittelfristig hat die KSZE dazu bei- Durch den Projektbereich konnte die Fertigstellung einer getragen, die kommunistische Herrschaft zu untergraben externen Studie zur Abteilung Verkehr des ZK der SED und letztlich zu überwinden. Selbstverständlich ist das unterstützt werden. Die Überlieferung der Abteilung Ver- den Geheimdiensten bzw. Geheimpolizeien dieser Staaten kehr, die mit geheimdienstlichen Methoden und in enger nicht verborgen geblieben und sie haben versucht, dem Zusammenarbeit mit dem MfS die Verbindungen der gegenzusteuern. Im Zentrum des Forschungsvorhabens SED zu ihren kommunistischen Partnern in der Bundes- stehen folgende Fragen: Welchen Einfluss hatte das MfS republik absicherte, der KPD und der DKP sowie den ihr auf die Positionen der DDR in der KSZE? Gab es einen nahestehenden Organisationen logistische, finanzielle ostdeutschen Sonderweg bezüglich der KSZE und der – 76 –

Menschenrechte innerhalb des östlichen Bündnisses? Wie pisch sein dürften, in denen es wenig organisierte Opposi- bekämpfte das MfS die Auswirkungen der KSZE hin- tion gab. Das Gesamtergebnis des Projekts soll in Form sichtlich der Menschenrechte in der DDR? Und in zweier umfänglicher Studien veröffentlicht werden. welchen Bereichen arbeitete das MfS mit den anderen osteuropäischen Geheimdiensten zusammen, um Ent- Zu dem methodisch und thematisch eng verwandten Pro- wicklung und Folgen der KSZE einzudämmen? Wie eng jekt „MfS und ‚Ausreiser‘ in den 1970er- und 1980er- war diese Art der Zusammenarbeit mit den einzelnen Jahren. Eine mikrohistorische Studie zum Kreis Halber- „Bruderorganen“? stadt“ des Zentrums für Zeithistorische Forschung Pots- dam bestehen Kooperationsbeziehungen. Im Berichtszeitraum wurden Recherche und Material- erfassung fortgesetzt, deren Haupthindernis ist, dass für An den Projektbereich ist ein weiteres Kooperationspro- den KSZE-Prozess innerhalb des MfS die HVA feder- jekt angeschlossen, das ebenfalls einen regionalen, mi- führend zuständig war, deren Archivbestände bekanntlich krohistorischen Ansatz verfolgt und in Kooperation mit weitgehend, aber keineswegs vollständig vernichtet wor- dem Historischen Institut der Friedrich-Schiller-Universi- den sind. Recherchen in den Archiven der Partnerinstitu- tät Jena bearbeitet wird: „Bühne der Dissidenz und Dra- tionen in Warschau und Prag haben dazu beigetragen, ei- maturgie der Repression – Kulturkampf in der Provinz nige Wissenslücken zu füllen. Neben der Recherche in der späten DDR“. Hierbei geht es um die exemplarische Beständen unterschiedlicher MfS-Diensteinheiten, die in Erforschung des staatlichen Umgangs mit der alternativ- einzelnen Fragen mit dem KSZE-Prozess zu tun hatten, dissidentischen Popularkultur der 1980er-Jahre in der Be- stand die Durchsicht von unerschlossenen Beständen der zirksstadt Gera, wobei sich der BStU-Beitrag auf die spe- für das Außenministerium der DDR zuständigen MfS- zifische Rolle des MfS konzentriert. Die entsprechende Abteilung mit mehreren tausend Akteneinheiten im Vor- Studie liegt zum größten Teil in Manuskriptform bereits dergrund. Vor allem auf Basis der SIRA-Datenbank wur- vor. den einschlägige Informationswege im MfS und bei der Kooperation mit seinen „Bruderorganen“ rekonstruiert. 5.2.5 Die DDR im Blick der Stasi. Die geheimen Erste Arbeitsergebnisse haben sich in der Veröffentli- Berichte an die SED-Führung. Edition chung von Aufsätzen und in Beiträgen auf internationalen und Analyse der Stimmungs- Konferenzen in Berlin, Sofia, Washington und in Madi- und Lageberichte der Zentralen son/Wisconsin niedergeschlagen. Publiziert wurden Auf- Auswertungs- und Informations- sätze über den „KSZE-Prozess der 1970er-Jahre aus der gruppe (ZAIG) des MfS Perspektive der DDR-Staatssicherheit“ und über „Die Wiener KSZE-Folgekonferenz und der Handlungsspiel- Wie bereits in Kapitel 1.6 ausführlich dargelegt, ist die Edi- raum des DDR-Sicherheitsapparates 1989“. Ein Beipro- tion der geheimen Berichte, die die Zentrale Auswertungs- dukt der Arbeit war die inzwischen abgeschlossene Vor- und Informationsgruppe (ZAIG) des Ministeriums für bereitung einer Internetpublikation, für die mit dem Staatssicherheit zur Information der Partei- und Staatsfüh- History and Public Policy Program (HPP) des Woodrow rung der DDR seit dem Juniaufstand 1953 verfasst hat, im Wilson International Center for Scholars (Washington) Oktober 2009 unter dem Titel „Die DDR im Blick der ein Abkommen geschlossen wurde, nach dem Grundsatz- Stasi. Die geheimen Berichte an die SED-Führung“ gestar- dokumente zur Zusammenarbeit von MfS und KGB in tet. Das Projekt verbindet die Edition aller Inlandsberichte deutscher Originalsprache und englischer Übersetzung mit der Präsentation erster Auswertungsergebnisse und auf deren Website ins Netz gestellt werden. Forschungen zum Informations- und Berichtswesen des Staatssicherheitsdienstes. In den Berichten wird ein Tab- 5.2.4 Herrschaft und Gesellschaft in der DDR- leau entfaltet, welches in der Langzeitperspektive deutlich Provinz macht, wie MfS und Staats- und Parteiführung die allge- meine Lage in der DDR einschätzten, welche Schwierig- Das Forschungsprojekt untersucht im überschaubaren keiten und „Bedrohungen“ sie für den Aufbau und die Fes- Rahmen des Landkreises Halberstadt die regionalen tigung ihrer Herrschaft sahen und welche Konsequenzen Strukturen von Herrschaft und Gesellschaft in ihrer Lang- daraus gezogen wurden. Die Berichte sagen darüber hinaus zeitentwicklung. Im Zentrum der Untersuchungen steht auch etwas über das Verhältnis von MfS und Staatsführung das Wirken der lokalen Kreisdienststelle des Staatssicher- sowie den Einfluss des MfS auf die Meinungsbildung der heitsdienstes. höchsten politischen Führungsschicht in der DDR aus. Für Das Projekt zielt auf die umfassende Rekonstruktion der die Pilotphase wurde jeweils ein Jahrgang aus den vier konkreten Herrschaftsausübung im DDR-Alltag. Hierzu Jahrzehnten DDR-Geschichte ausgewählt, um so einen wurden die Akten der Kreisdienststelle Halberstadt und möglichst repräsentativen Überblick über Struktur und In- der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Magdeburg halte der ZAIG-Berichte zu vermitteln. Es handelt sich um sowie die einschlägigen Bestände der SED, der Volkspo- die Jahre 1953, 1960, 1976 und 1988. Zum 50. Jahrestag lizei und des Rates des Kreises gesichtet und teilweise des Mauerbaus im Jahr 2011 wird zusätzlich der Jahrgang auch schon ausgewertet. Erste Teilergebnisse wurden in 1961 publiziert. Die Bände werden in Form einer Auswahl- mehreren Vorträgen und einem Aufsatz bereits vorge- edition (Buch) und einer Komplettedition auf einer CD pu- stellt. Dabei zeichnen sich Schwerpunkte alltäglicher bliziert. Ende 2010 startete auch der Internetauftritt des Überwachung und Repression ab, die für Regionen ty- Projekts – mit der Einspeisung des ersten Jahrgangs 1976. – 77 –

Um auch externen Nutzern einen schnellen inhaltlichen Publikationen beworben und über einen eigenen Publika- Überblick über die nicht durch die Edition erfassten Aus- tionsverkauf – via Buchhandel, Direktversand oder über landsberichte der ZAIG zu ermöglichen, die in großem Büchertische – einer breiten Öffentlichkeit zugänglich Maße Geschehnisse in der Bundesrepublik behandeln, gemacht. Durch die Bereitstellung einer behördeneigenen wird eine Liste der Titel und Signaturen dieser Berichte, ISBN können seit Kurzem die Eigenpublikationen der versehen mit einer Einleitung, zur Veröffentlichung im BStU auch über die klassischen Buchhandelswege ange- Internet vorbereitet. Zu einem späteren Zeitpunkt, nach boten werden. Abschluss der Pilotphase des Gesamtprojekts, ist die Pu- Im Folgenden werden die im Berichtszeitraum erschiene- blikation eines Bandes als Auswahledition dieser Aus- nen Veröffentlichungen vorgestellt. Eine Übersicht über landsberichte in Aussicht genommen. die Gesamtheit der Publikationen der BStU befindet sich in Anhang 10. 5.2.6 Rechtsanwälte in der Ära Honecker In diesem Projekt soll untersucht werden, inwieweit das 5.3.1 Monografien und Sammelbände MfS die Rechtsanwälte in der späten DDR kontrollierte 5.3.1.1 Das MfS-Lexikon. Begriffe, Personen oder sogar steuerte und dies insbesondere im Rahmen po- und Strukturen der Staatssicherheit litischer Prozesse. der DDR Zu untersuchen ist, wie dicht diese Kontrollen waren und Die Forschung zur DDR und zum Ministerium für Staats- wie effektiv das MfS auf die nominelle Selbstverwaltung sicherheit hat sich in den vergangenen 20 Jahren enorm der Anwaltschaft überhaupt einwirken wollte und konnte. ausdifferenziert. In dieser Zeit wurde ein profundes Wis- Die überschaubare Gruppe der Anwälte eignet sich exem- sen darüber erarbeitet, wie der weit verzweigte Apparat plarisch dafür, Mechanismen, Möglichkeiten und Gren- des MfS aufgebaut war und wie er funktionierte, welche zen der Einflussnahme des MfS nachzuzeichnen. seine Methoden waren und welchen Einfluss seine Tätig- Im Bereich der politischen Justiz war das MfS nicht nur keit in der DDR – und darüber hinaus – besaß. Wesentli- sicherndes Organ, sondern bei „staatssicherheitsgefähr- che Arbeiten dazu sind bei der BStU entstanden. Gleich- denden“ Delikten als Untersuchungsorgan auch für die wohl sind die Informationen über viele Werke verstreut Ermittlungen vor dem Strafprozess verantwortlich. und kaum kompakt auffindbar. Es ist davon auszugehen, dass die strafprozessuale Stel- Diese Lücke wird das MfS-Lexikon, das im Frühjahr lung der Verteidigung und die Rolle des Verteidigers seis- 2011 im Ch. Links Verlag erscheint, schließen. Es bündelt mografisch auch Aufschluss über die Stellung des Indivi- das Wissen über Strukturen, Arbeitsweisen und Metho- duums, hier des politisch Verfolgten, gegenüber dem den des Staatssicherheitsdienstes in einem eigenen Kom- Staat in der Honecker-Ära geben kann. pendium in knapper Form. Die Expertinnen und Experten für die einzelnen Themengebiete, vorwiegend Beschäf- Gegenstand eines gesonderten Teiles der Untersuchung tigte der BStU, haben in lexikalischer Form ihre Kennt- ist eine quantitative und qualitative Analyse der Untersu- nisse zusammengetragen und für eine breite Leserschaft chungsvorgänge des MfS. Es wird der Frage nachgegan- zusammengestellt. Das Lexikon bietet grundlegendes gen, ob sich in den 1970er- und 1980er-Jahren die Institu- Wissen zur Staatssicherheit. Es informiert über: die tion der Verteidigung und das Verhalten der Verteidiger Struktur des MfS in seiner historischen Genese; die Bio- sowohl im Vorfeld als auch bei der Durchführung von po- grafien der wichtigsten leitenden Mitarbeiter des MfS; die litischen Verfahren veränderten. Diensteinheiten sowie die jeweils wahrgenommenen Auf- gaben; die Techniken, die die Staatssicherheit anwendete; das engere Umfeld, in dem die Staatssicherheit arbeitete, 5.3 Publikationen um besonders den politischen Kontext, in dem sie agierte, Die Manuskripte der Forschungsabteilung werden im zu verdeutlichen, sowie Aktenarten und Karteien, die den Sachgebiet Publikationen von der Manuskriptbearbeitung wesentlichen Schlüssel dazu darstellen, das Wissen der über Satz und Layout bis hin zur Drucklegung als Ver- Staatssicherheit aus den Akten zu schöpfen. lags- oder Eigenveröffentlichung begleitet. Diese behör- deneigene redaktionelle Schnittstelle ermöglicht die Qua- 5.3.1.2 Die DDR im Blick der Stasi. Die geheimen litätssicherung im Haus sowie die Durchführung von Berichte an die SED-Führung: Kooperationsprojekten und die Realisierung von Buch- 1976 und 1988 handelsausgaben. Hier können je nach Bedarf Dienstleis- tungen vom Lektorat über das Korrektorat bis hin zum Im Oktober 2009 startete die neue Reihe der BStU „Die Erstellen von Registern oder der Gestaltung von Schau- DDR im Blick der Stasi. Die Geheimen Berichte an die bildern und Tabellen in Anspruch genommen werden. SED-Führung“. Die Gesamtreihe wird im Auftrag der Bundesbeauftragten herausgegeben von Daniela Münkel, Die Eigenpublikationen der BStU werden in großen Tei- bei den ersten beiden Bänden zusammen mit Jens len zusätzlich zu den Printausgaben als barrierefreie PDF- Gieseke. Als erster Band erschien der Jahrgang 1976 der Dateien kostenlos online zur Verfügung gestellt. Über den ZAIG-Inlandsberichte. Das Jahr 1976 war eines der er- Internet-Auftritt der Behörde und die dortigen Download- eignisreichsten der DDR-Geschichte. Die KSZE-Be- Möglichkeiten sowie ein regelmäßig aktualisiertes „Ge- schlüsse zeigten innenpolitische Wirkungen: Gewachsen samtverzeichnis der Veröffentlichungen“ werden die war die Bereitschaft der Unzufriedenen zu offenem Pro- – 78 – test, viele stellten Ausreiseanträge. Die Selbstverbren- wurde. Aufgabe des Projekts war es zum einen, sowohl nung von Pfarrer Oskar Brüsewitz und die Ausbürgerung institutions- wie baugeschichtliche Aspekte mit der All- Wolf Biermanns hatten Folgen, die die SED-Führung und tagsgeschichte vor Ort zu verbinden. Zum anderen galt ihren Machtapparat herausforderten. Dieser Band doku- es, den Anforderungen, die sich aus der historisch-politi- mentiert, wie der Staatssicherheitsdienst die neuen Pro- schen Bildungsarbeit ergeben, gerecht zu werden. Heuti- bleme wahrnahm und die Partei- und Staatsführung de- gen Besuchern, insbesondere Jugendlichen, soll der Zu- tailliert über alles informierte, was machtpolitisch wichtig gang zum noch immer unwirtlich wirkenden Gelände des schien. Er ist eine einzigartige Quelle zur politischen, Staatssicherheitsdienstes in Berlin-Lichtenberg erschlos- wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation in der sen werden. Geschichte wird so am konkreten Objekt auf- DDR im Jahr 1976. Den Jahrgangs-Band 1976 hat Sieg- gezeigt. fried Suckut inhaltlich bearbeitet und herausgegeben. Die Publikation „Stasi-Stadt. Die MfS-Zentrale in Berlin- Im Dezember 2010 folgte der Jahrgangs-Band 1988 der Lichtenberg“ wurde im Ch. Links Verlag veröffentlicht ZAIG-Inlandsberichte, bearbeitet von Frank Joestel. Der und ist als „historischer Rundgang“ konzipiert. Der Stadt- Band 1988 versammelt wichtige Dokumente im Vorfeld spaziergang führt über 20 Stationen anhand von histori- der Friedlichen Revolution. 1988 dominierte in den Mel- schen wie aktuellen Fotos und versehen mit detaillierten dungen des MfS das Aufbegehren von Teilen der ostdeut- Informationen durch das übermächtige Bauensemble schen Bevölkerung gegen den vormundschaftlichen Staat rund um die Normannenstraße. Er macht den Leser dabei sowie das zunehmend öffentliche Eintreten für ein selbst- zugleich mit den Praktiken und Strukturen des Staats- bestimmtes Leben. Der Staatssicherheitsdienst infor- sicherheitsdienstes vertraut. mierte über die Proteste auf der Liebknecht-Luxemburg- Demonstration im Januar, über die Aktionen kirchen- Im Lukas-Verlag erschien zudem pünktlich zum 20. Jah- naher Kreise zur Unterstützung von Verhafteten sowie restag der Besetzung der MfS-Zentrale am 15. Januar über die Schulverweise, die Schülerinnen und Schüler der 1990 die Monografie „Mielkes Revier. Stadtraum und Berliner Ossietzky-Schule wegen pazifistischer Tenden- Alltag rund um die MfS-Zentrale in Berlin-Lichtenberg“. zen erhielten. Er berichtete über die spektakuläre Flucht Beschrieben wird hier das unaufhaltsame Wachstum des von drei jungen Männern in einem Lkw über die Glieni- MfS-Hauptquartiers mit allen seinen Auswirkungen auf cker Brücke, von Aktionen Ausreisewilliger im öffentli- den Stadtraum zwischen Rusche-, Gotlinde- und Magda- chen Raum sowie von Besuchen westdeutscher Politiker lenenstraße. Zugleich widmet sich die Abhandlung auch bei DDR-Oppositionellen. den Zwischenfällen, einzelnen Protesten oder auch den Regungen von Opposition und Widerstand, die es im Schatten der MfS-Zentrale ebenso gab. Beide Abhand- 5.3.1.3 Militär und Staatssicherheit lungen Halbrocks, die erstmals den Stadtraum insgesamt in den Fokus nehmen, basieren auf einer umfassenden Mit dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) Archivrecherche, der Auswertung umfangreichen Foto- in Potsdam wurde auf Basis einer gemeinsam organisier- materials sowie auf Zeitzeugeninterviews. ten Tagung ein Sammelband über „Militär und Staats- sicherheit im Sicherheitskonzept der Warschauer-Pakt- Staaten“ in der Herausgeberschaft von Torsten Diedrich 5.3.1.5 Geheimhaltung und Staatssicherheit. und Walter Süß veröffentlicht. In Beiträgen von Experten Zur Kartographie des Kalten Krieges für die Geschichte der Staatssicherheitsdienste sowie Mi- Band 9 der Reihe „Archiv zur DDR-Staatssicherheit“, he- litärhistorikern aus Bulgarien, Deutschland, Rumänien, rausgegeben von Dagmar Unverhau. Teilband 1: Beiträge Serbien, Ungarn und den USA wird das Verhältnis von und Anlagen. Teilband 2: Abbildungen. innerer und äußerer Sicherheit in den Staaten Ost- und Südosteuropas erörtert. Es geht um das Verhältnis zwi- In 21 Beiträgen von Autoren zehn verschiedener Länder, schen der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten, das darunter die damaligen Führungsmächte USA und Agieren der Warschauer-Pakt-Staaten in Krisensituatio- UdSSR, wird die Entwicklung der Kartographie verschie- nen und die Konsequenzen, die sie daraus gezogen haben, dener Gattungen unter den Bedingungen von Geheimhal- sowie um die Auswirkungen der Entspannungspolitik auf tung und Staatssicherheit – verstanden als schützenswer- die innere Stabilität kommunistischer Staaten in den letz- tes Wohl des Staates bzw. als Institution – während dieser ten beiden Jahrzehnten des Sowjetblocks. Damit wird ein Systemauseinandersetzung untersucht. Hiermit wird in tieferes Verständnis der Sicherheitsarchitektur dieser erweiterter Perspektive an die Bände 5 und 7 dieser Reihe Staaten und der Gründe für ihr Scheitern angestrebt. angeknüpft.

5.3.1.4 Stasi-Stadt und Mielkes Revier 5.3.1.6 SED-Hilfe für West-Genossen. Die Arbeit der Abteilung Verkehr beim Zentral- Im Berichtszeitraum erschienen zwei Publikationen von komitee der SED im Spiegel der Christian Halbrock – „Stasi-Stadt“ und „Mielkes Revier“ –, Überlieferung des Ministeriums für die sich der ehemaligen MfS-Zentrale in Berlin-Lichten- Staatssicherheit der DDR (1946 bis 1976) berg zuwenden. Beide Veröffentlichungen können als Er- gebnis eines zweijährigen Kooperationsprojekts mit der Wie immer die SED sich in Sachen Deutsche Einheit Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ange- während ihrer gut 40-jährigen Herrschaft positionierte – sehen werden, in dessen Verlauf der „Alltag und Wandel“ stets hatte die Partei den Anspruch, Politik für ganz im Stadtquartier nördlich der Frankfurter Allee untersucht Deutschland zu machen. Außerhalb ihres Herrschaftsbe- – 79 – reichs sollte dies mit Hilfe der von ihr unterstützten Kom- den rund 500 Hauptamtlichen in den Bezirksverwaltun- munisten in Westdeutschland gelingen. Dazu unterhielt gen und den über 260 sogenannten Abwehroffizieren sie in ihrer Parteizentrale Apparate, die die politische An- Volkspolizei, die als verlängerter Arm der Abteilung auf leitung und die materielle Ausstattung der Westgenossen der Ebene der Kreisdienststellen auftraten. Die Linie VII zu besorgen hatten. Für Letzteres war vom Beginn bis des MfS stand an der Schnittstelle zwischen dem Ministe- zum Ende der SED-Herrschaft die Abteilung Verkehr des rium des Innern (MdI) und dem Ministerium für Staatssi- Zentralkomitees verantwortlich. Sie organisierte, streng cherheit. Sie überwachte und instruierte das MdI sowie geheim und auf illegalen Wegen, die Reisen der Kader, die ihm unterstellten Bereiche und organisierte zugleich den Transport von Ausrüstung und Propagandamaterial die Kooperation zwischen beiden Organen. Erst im Jahre und vor allem von Geld – und sie betreute die „Westfir- 1959 wurde die Abteilung VII in der Zentrale des Staats- men“ der Partei. sicherheitsdienstes zu einer Hauptabteilung aufgewertet. Ihre „Blütephase“ erlebte die Diensteinheit in der ersten Wilhelm Mensing hat, in Zusammenarbeit mit Georg Hälfte der 1970er-Jahre, als die innerdeutsche Entspan- Herbstritt und Gudrun Weber seitens der BStU, die Arbeit nung und insbesondere der grenzüberschreitende Reise- der Abteilung Verkehr untersucht. Zwar waren alle Akten verkehr aus Sicht des MfS neue Gefahren für die innere der immer konspirativ arbeitenden Abteilung vernichtet Sicherheit der DDR heraufbeschworen. worden, dennoch ließ sich ihre Tätigkeit nun mit Hilfe von Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit re- konstruieren. 5.3.2.3 Die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe 5.3.2 Handbuch Die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe Das MfS-Handbuch „Anatomie der Staatssicherheit“ be- (ZAIG) war das „Funktionalorgan“ des Ministers für steht aus einzelnen Teillieferungen, die sukzessive er- Staatssicherheit und somit die wichtigste Schaltstelle im scheinen und sich mit der Struktur und Arbeitsweise des MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen kon- MfS am Beispiel einzelner Diensteinheiten und bestimm- zentriert waren. Zu den Aufgaben der ZAIG zählten die ter Schwerpunktthemen befassen. Darin wird einem wis- zentrale Auswertung und Information, einschließlich der senschaftlichen Fachpublikum und der interessierten Öf- Berichterstattung an die politische Führung, und die Opti- fentlichkeit ein umfangreiches Grundwissen zum MfS zur mierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Verfügung gestellt. Inzwischen liegen 24 Bände vor, vier Gesamtapparat des MfS. Die ZAIG führte zentrale Kon- Teillieferungen stehen noch aus. Im Berichtszeitraum er- trollen und Untersuchungen durch und analysierte die ge- schienen die folgenden MfS-Handbuchbeiträge als heimpolizeilich-geheimdienstliche Effektivität des MfS Druckexemplar sowie als kostenlose PDF-Datei: auf der Grundlage der bei diesen Kontrolleinsätzen ge- wonnenen Erkenntnisse und der bei ihr ebenfalls zusam- menlaufenden Daten der operativen Statistik. Der von 5.3.2.1 Die Staatssicherheit im letzten Jahrzehnt Roger Engelmann und Frank Joestel gebotene Überblick der DDR über Struktur und Tätigkeit der ZAIG schließt die Aktivi- Walter Süß beschäftigt sich in dieser Überblicksdarstel- täten der Informations- und Auswertungsorgane vor lung mit der Geschichte des Ministeriums für Staats- Gründung der Diensteinheit ein. sicherheit im letzten Jahrzehnt der DDR. Die Entwick- lung des MfS und seiner nachgeordneten Diensteinheiten 5.3.2.4 Hauptabteilung III: Funkaufklärung und wird darin unter drei Aspekten beleuchtet: Erstens die Tä- Funkabwehr tigkeit des MfS im internationalen Umfeld sowohl im Sinne der klassischen Spionage und der Spionageabwehr Die Hauptabteilung III mit den ihr nachgeordneten Abtei- wie auch der Abschirmung gegen äußere Einflüsse, die lungen III in den Bezirken war unter dem Leitbegriff als destabilisierend betrachtet wurden. Zweitens der Bei- „Elektronischer Kampf des MfS“ innerhalb des Staats- trag des Staatssicherheitsdienstes zur Stabilisierung der sicherheitsdienstes für die Funkaufklärung und Funkab- Diktatur im Innern. Und drittens institutionelle Verände- wehr zuständig. Zu ihren Aufgaben gehörte es, aus den rungen im Sicherheitsapparat als Versuche, sich neuen Funk- und Fernmeldeverbindungen der Bundesrepublik Umweltbedingungen anzupassen. Ins Blickfeld geraten und Westberlins möglichst viele und hochwertige Ge- dabei auch die vor dem Hintergrund der KSZE-Folgekon- sprächsinhalte abzuschöpfen. Aber auch auf dem Gebiet ferenzen und des politischen Klimawandels in Ost und der DDR wurde die Abteilung aktiv und sollte etwa ille- West veränderten Aufgabenstellungen für die Geheim- gale Funksendungen aufklären und deren Urheber ermit- polizei bis hin zur Entmachtung und Auflösung des MfS teln. Die von Andreas Schmidt vorgelegte Teillieferung im Winter 1989/90. des MfS-Handbuchs beschreibt die Geschichte dieser Diensteinheit und ihrer Vorläufer von den Gründungsjah- 5.3.2.2 Hauptabteilung VII: Ministerium des ren des MfS bis zu seiner Auflösung. Im Mittelpunkt ste- Innern, Deutsche Volkspolizei hen dabei die Strukturentwicklung der im September 1989 zuletzt etwa 2 400 Mitarbeiter umfassenden Haupt- In dieser Teillieferung des MfS-Handbuchs widmet sich abteilung und die funktechnischen Mittel und Methoden, Tobias Wunschik der Tätigkeit der Hauptabteilung VII die jeweils zum Einsatz kamen. Der Autor hat u. a. quan- mit ihren zuletzt über 300 Mitarbeitern in der Zentrale, tifiziert, wie viele Funk- und Telefonverbindungen poten- – 80 – ziell vom Staatssicherheitsdienst abgehört werden konn- dern. Ilko-Sascha Kowalczuk stellte in seinem Beitrag die ten. Die Lieferung enthält eine Karte, die die räumliche Frage nach dem „Reglement im Inneren“ der DDR und Verteilung der Stützpunkte der HA III auf dem Gebiet der ging auf die „Funktionsumwandlung von Grenzen in ei- DDR anschaulich macht. ner Diktatur“, aber auch auf die semantischen Deutungen der in diesen Grenzen Wohnenden ein. Tomaš Vilimek 5.4 Wissenschaftliche Tagungen (Prag) fragte u. a. danach, warum sich große Bevölke- rungsteile trotz ablehnender Grundhaltung an den politi- 5.4.1 Das Revolutionsjahr 1989. Die schen Ritualen beteiligten. Zudem referierte Krzysztof demokratische Revolution in Osteuropa Ruchniewicz (Wrocław) zu den grenzüberschreitenden als Zäsur der europäischen Geschichte Kontakten zwischen Polen und Ostdeutschen, den von Vom 28. bis 31. Mai 2009 fand in Berlin eine internatio- ostdeutschen Oppositionellen – wie er ausführte – „hier- nale wissenschaftliche Konferenz im Rahmen des „Ge- bei gemachten besonderen Lernerfahrungen“ sowie zur schichtsforums 1989/2009“ der Bundeszentrale für politi- Wahrnehmung der jeweils anderen Seite. Bernd Florath sche Bildung, der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der ging im Folgenden auf das Sozialistische Osteuropakomi- SED-Diktatur und der Kulturstiftung des Bundes statt. In tee in der Bundesrepublik und Westberlin ein, eine Initia- 22 Beiträgen stellten Wissenschaftler und Zeitzeugen aus tive, die sich 1970/71 im Umfeld trotzkistischer Politakti- acht Ländern Untersuchungen über den Zusammenhang visten gründete. Abschließend fragte Helge Heidemeyer, der demokratischen Revolutionen von 1989 vor, die sich dessen Thema die „Flucht aus der DDR“ war, nach den über ein breites Feld von Themen und gesellschaftlichen Flucht- und Abwanderungsgründen und verwies darauf, Bereichen erstreckten. dass Flucht und Übersiedlung nicht nur den SED-Staat, sondern ebenso die Opposition in der DDR geschwächt hätten. 5.4.2 Workshop „The Stasi and its Foreign Intelligence Service“ in Washington Ein wichtiger Bestandteil des Historikertages ist traditio- Vom Deutschen Historischen Institut (GHI) in Washing- nell die begleitende Verlagsausstellung, auf der Fachver- ton und dem Cold War International History Project des lage, wissenschaftliche Verbände, Stiftungen, Bildungs- Woodrow Wilson International Center for Scholars wurde und Kultureinrichtungen ihre Arbeit und ihr aktuelles in Kooperation mit der BStU im April 2010 in Washing- Medienprogramm vorstellen können. Auch die BStU war ton ein Workshop „The Stasi and its Foreign Intelligence hier mit einem eigenen Stand vertreten. Unter anderem Service“ organisiert. Damit verbunden war eine öffentli- wurden Buch und Jahrgangs-CD der Edition der ZAIG- che Filmvorführung mit anschließender Diskussion im Berichte „Die DDR im Blick der Stasi 1976“ (siehe GHI. Von drei wissenschaftlichen Mitarbeitern der BStU 5.3.1.2) präsentiert. Die Behördenpublikationen fanden wurden Referate vorgetragen: Walter Süß „Die SED und ebenso Interesse wie die Bildungsangebote, insbesondere die Staatssicherheit“, Douglas Selvage „Die HVA, der die für Lehrkräfte. Auch wurde oft nach einer möglichen KGB und der Informationsaustausch über den KSZE-Pro- Einsichtnahme in die Stasi-Unterlagen gefragt, sowohl zess im Sowjetblock (1972 bis 1989)“ und Georg für Forschende wie für Privatpersonen. Einige Anträge Herbstritt „Erfolge und Misserfolge der Westarbeit der auf private Akteneinsicht wurden gleich am Stand ge- HVA“. Das Ziel des Workshops war aus Sicht der BStU stellt. die Diskussion mit amerikanischen Wissenschaftlern über diese Forschungsergebnisse und deren eigene Arbeiten, 5.5 Bibliothek darüber hinaus das Bemühen, die Forschungstätigkeit in der BStU einem breiteren Publikum in den USA bekannt Die BStU betreibt eine wissenschaftliche Spezialbiblio- zu machen. thek. Diese wurde im Berichtszeitraum Mitglied im Deut- schen Bibliotheksverband e. V., dort in der Arbeitsge- 5.4.3 Historikertag vom 28. September bis meinschaft der Spezialbibliotheken e. V. Sie sammelt 1. Oktober 2010 in Berlin Veröffentlichungen insbesondere zum Ministerium für Staatssicherheit und anderen Geheimdiensten, zu moder- Die Abteilung Bildung und Forschung der BStU betei- nen Diktaturen, zu Kommunismus und Totalitarismus, ligte sich mit einer eigenen Sektion am Historikertag zur SBZ und zur DDR, zur Deutschlandpolitik und den 2010, der vom 28. September bis 1. Oktober 2010 in Ber- innerdeutschen Beziehungen, zu Entwicklungen in Ost- lin stattfand. Das Motto dieses Historikertages lautete und Mittelosteuropa sowie Biografien und biografische „Über Grenzen“. Unter der Leitung von Helge Heide- Nachschlagewerke. meyer präsentierte sich die BStU mit Vorträgen und mit- tels einer Podiumsdiskussion zum Schwerpunkt „Grenzen Der Bibliotheksbestand in Freihandaufstellung hat sich überwinden – Die Systemgrenzen sprengende Kraft von im Berichtszeitraum auf über 69 000 Bände erweitert, er Opposition und Widerstand in der DDR“. Der Historiker ist über den Online-Katalog recherchierbar. Die Biblio- Gerhard A. Ritter verwies in seinem Einleitungsstatement thek bezieht laufend rund 150 Zeitschriften sowie darauf, dass es „niemals die Chance zur Schaffung einer 14 Tages- und Wochenzeitungen inklusive Nachrichten- demokratischen DDR“ gegeben habe. Das Sondergebilde magazinen. Darüber hinaus verfügt die Bibliothek über DDR litt zudem an der ungeklärten nationalen Frage: die einen Archivbestand von über 200 deutschsprachigen Mauer und die Grenzen im System wurden zu Sinnbil- Zeitschriften. Zu den Serviceleistungen gehört die Aus- – 81 – wertung der laufend gehalten Zeitschriften zu Sammel- hoffentlich auch von Schulen aus den alten Bundeslän- schwerpunkten und die Erfassung der Artikel im Katalog. dern im Rahmen von Exkursionen angenommen werden. Zwar bedient die Bibliothek vorrangig die Anforderungen der Beschäftigten der BStU, darüber hinaus steht sie aber 6.1.1 Veranstaltungen auch allen fachlich Interessierten zur Verfügung. Die Mit einem Angebot von über 750 Veranstaltungen im Be- Neuerwerbungen der Bibliothek werden zweimonatlich, richtszeitraum informierte die Bundesbeauftragte die Öf- eine Bibliografie zum Staatssicherheitsdienst der DDR fentlichkeit über den Staatssicherheitsdienst. Zahlreiche jährlich aktualisiert auf der Internetseite veröffentlicht. dieser Veranstaltungen waren dem 20. Jubiläum des Re- volutionsjahres 1989, der Auflösung des Staatssicher- 6 Bildungs-, Presse- und Öffentlichkeits- heitsdienstes und der Öffnung seiner Akten gewidmet. arbeit Dabei standen neben der Freude über die erkämpfte Frei- heit und Demokratie auch Informationen über die über- 6.1 Die politische Bildungsarbeit der BStU wundene Diktatur im Mittelpunkt. Die Ereignisse der Friedlichen Revolution und ihre Folgen für unsere heu- Das Stasi-Unterlagen-Gesetz definiert als eine der Kern- tige Gesellschaft rief die Bundesbeauftragte durch zahl- aufgaben der BStU die Unterrichtung der Öffentlichkeit reiche Konferenzen, Ausstellungen, Aktionstage, Diskus- über die Struktur, Methoden und Wirkungsweise des sionsrunden, Schülerprojekte, Vorträge, Lesungen und Staatssicherheitsdienstes der DDR. Gedenkveranstaltungen in ganz Deutschland in Erinne- Dieser Aufgabe kommt die BStU mit einem ausdifferen- rung. zierten Katalog an Bildungsangeboten nach. Er umfasst Themenveranstaltungen für die breite Öffentlichkeit, 6.1.1.1 Veranstaltungen der Zentralstelle Wechsel-, Wander- und Dauerausstellungen zur Ge- schichte des MfS, Fortbildungen für Multiplikatoren, Pro- Das Angebot der Zentralstelle war im Berichtszeitraum jekttage für Schülerinnen und Schüler sowie didaktisch thematisch breit gestreut und wurde von mehr als aufbereitete Materialien. 13 000 Personen besucht. Wie oben bereits ausgeführt, stan- den die Ereignisse der Jahre 1989 und 1990 im Mittelpunkt. Mit ihren Angeboten, die inhaltlich und methodisch stets So zeichnete die Zentralstelle mit ihren öffentlichen Veran- weiterentwickelt werden und aktuelle Fragestellungen staltungen in Berlin und Potsdam den Weg aus der SED- wie auch Forschungsergebnisse berücksichtigen, nimmt Diktatur in die Friedliche Revolution und die Auflösung des die BStU einen festen Platz in der Bildungslandschaft der Staatssicherheitsdienstes nach. Die Podiumsdiskussionen Bundesrepublik zur DDR-Geschichte ein. Ausgehend „Frühjahr 1989 – zwischen Unmut und Aufbegehren“, „Ge- von ihrer Anbindung an das MfS-Thema, leistet die BStU fälschtes ‚Zettelfalten‘ – die Kommunalwahlen am 7. Mai damit einen prägnanten Beitrag zur kritischen Auseinan- 1989“ und „Der Einfluss der Ausreisebewegung auf das dersetzung mit der SED-Diktatur. Ende der DDR“ beschäftigten sich mit der Vorgeschichte der Friedlichen Revolution. Die dreitägige internationale Auch der Bereich der politischen Bildung ist mit der Res- wissenschaftliche Tagung „Das Revolutionsjahr 1989“ sourcenknappheit konfrontiert, wobei sich vor allem der weitete anschließend den Blick auf Europa aus und unter- kontinuierlich abnehmende Personalbestand ungünstig suchte im Mai 2009 auf dem Geschichtsforum in Berlin auf die Angebote der BStU in diesem Bereich auswirkt. die demokratischen Revolutionen in Osteuropa als Zäsur Besonders betroffen sind personalintensive Vorhaben wie der europäischen Geschichte. beispielsweise Projekttage, nach denen sich inzwischen auch in den alten Bundesländern eine erfreulich große Die Berliner Hauptveranstaltung zum 20. Jahrestag der Nachfrage entwickelt hat. Längere Anmeldefristen, vor Friedlichen Revolution fand vom 7. bis 9. Oktober 2009 allem für Vor-Ort-Angebote in den alten Bundesländern, unter dem Titel „Revolution in Berlin“ in der Gethsemane- sind bereits jetzt die Folge. Die BStU reagiert auf diese kirche statt. Die Kirche war 1989 einer der Brennpunkte Entwicklung mit einer Akzentverschiebung. Indem sie ei- der Ereignisse in Berlin. Gemeinsam mit der Robert- gene Materialien („Quellen für die Schule“) herstellt, spe- Havemann-Gesellschaft e. V., dem Berliner Landesbeauf- zielle Informationen für Schulen (Unterrichtsfilm, Down- tragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes loads von Foliensätzen etc.) anbietet und vermehrt und der Evangelischen Kirchengemeinde Prenzlauer Multiplikatoren qualifiziert, ermöglicht sie, dass die Aus- Berg-Nord gelang es in einer dreitägigen Veranstaltung einandersetzung mit dem Staatssicherheitsdienst an den mit hunderten von Besuchern, nicht nur die Geschichte Schulen zunehmend durch Lehrkräfte selbst geleistet der Herbstrevolution 1989 in Berlin nachzuzeichnen, son- werden kann. dern auch die Bedrohung der Demokratiebewegung durch MfS und Polizei darzustellen. Eine Podiumsdiskussion Dennoch stellt die direkte Arbeit der BStU mit jungen über das Vermächtnis der Revolution rundete die Veran- Menschen weiterhin eine sehr wichtige Aufgabe dar. Dar- staltungstage ab. aus resultieren Erfahrungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schließlich zu stark praxisorientierten „Kino der Geheimdienste“ lautete der Titel einer zehntei- Bildungsangeboten führen. Dafür werden mit einer spezi- ligen Filmreihe im Zeughauskino, die im November und ellen Projektwerkstatt im neuen Bildungszentrum der Dezember 2009 Einblicke in das filmische Schaffen der BStU in Berlin sehr gute Bedingungen geschaffen, die Staatssicherheitsdienste der DDR, der Tschechoslowakei – 82 – und Ungarns ermöglichte. Die Filmreihe fand in Koope- Prof. Dr. Thomas Lindenberger und die Malerin Cornelia ration mit dem Zeughauskino, dem Collegium Hungari- Schleime. cum und der Medienjournalistin Karin Fritzsche als Kura- torin der Filmreihe statt (siehe auch Kapitel 4.3.1.7). 6.1.1.2 Veranstaltungen der Außenstellen Als Höhepunkt im Berichtszeitraum kann der 20. Jahres- Ähnlich wie in der Zentralstelle war das Veranstaltungs- tag der Besetzung der Berliner Zentrale des MfS und der programm der Außenstellen vom 20. Jahrestag der Fried- daraus folgenden endgültigen Auflösung des Staats- lichen Revolution, der Besetzung und Auflösung der sicherheitsdienstes gesehen werden. Aus diesem Anlass Dienststellen des Staatssicherheitsdienstes sowie von den fand am 15. Januar 2010 eine Festveranstaltung statt, die sich anschließenden Debatten um die Öffnung und Nutz- die Erinnerung an die Opfer der SED-Diktatur in den Mit- barmachung der Akten gekennzeichnet. Im Berichtszeit- telpunkt stellte: Vor 400 Gästen wurde im Maxim Gorki raum fanden rund 700 Veranstaltungen der Außenstellen Theater als gemeinsame Veranstaltung der Bundesbeauf- statt, die insgesamt von mehr als 100 000 Personen be- tragten und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der sucht wurden. SED-Diktatur das Theaterstück „Staatssicherheiten“ (Hans Otto Theater Potsdam) aufgeführt, in dem 13 ehe- Besonders erfreulich war die große Resonanz auf die Ver- malige Stasi-Häftlinge eindrucksvoll von ihrem Schicksal anstaltungen im Jahr 2009 sowie eine starke Vernetzung berichten. mit zahlreichen Kooperationspartnern vor Ort. In etlichen Städten hatten sich lokale Aktionsbündnisse zusammen- Am folgenden Tag, dem 16. Januar, öffnete die Stasi-Un- geschlossen, um gemeinsam an die Ereignisse 1989/90 zu terlagen-Behörde ihre Türen: Im Archiv der Zentralstelle erinnern. In diesen Arbeitskreisen kooperierten oftmals in Berlin-Lichtenberg fand ein Bürgerfest mit knapp Stadtverwaltungen, Museen, Kirchengemeinden, Vereine, 30 öffentlichen Veranstaltungen statt. Eröffnet wurde das Aufarbeitungsinitiativen, Stiftungen und die Außenstellen Fest gemeinsam durch die Bundestagsabgeordnete und der Bundesbeauftragten. Dadurch ist es nicht nur gelun- Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien gen, mit einem breit angelegten Veranstaltungsangebot Prof. Monika Grütters, die Bundesbeauftragte Marianne eine gute Öffentlichkeitswirkung zu erzielen. Für die Birthler und den rumäniendeutschen Schriftsteller Bundesbeauftragte bot sich auch die Möglichkeit, über Richard Wagner. Neben einer international besetzten den Kreis der traditionellen Kooperationspartner hinaus Podiumsdiskussion zur Aufarbeitung der kommunisti- neue Partner für eine künftige Zusammenarbeit zu finden. schen Diktaturen in Europa wurden den Besuchern Filme, Insgesamt konnte durch die verstärkten Kooperationen Lesungen, Ausstellungen, Geländeführungen, Diskussi- erreicht werden, das Thema Staatssicherheit in den Ver- ons- und Vortragsveranstaltungen geboten. Das Archiv anstaltungen und Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der stand zur Besichtigung offen. Abgeschlossen wurde der Friedlichen Revolution zu verankern. Tag mit einem Konzert von Jan Josef Liefers und seiner Band Oblivion, in dem Liefers ausführlich über seine Ju- Neben zentralen Veranstaltungen zu den historischen gend in der DDR berichtete. Etwa 4 000 Personen waren Ereignissen fanden im Berichtszeitraum wie in den Vor- Gäste des Bürgerfestes. jahren eine Vielzahl von Podiumsdiskussionen, Ausstel- lungen, Filmabenden, Theateraufführungen, Lesungen, Mit zwei Veranstaltungen im Jahr 2010 gedachte die Zen- Vorträgen usw. statt. Aus der Vielzahl der Veranstaltun- tralstelle der Öffnung der Stasi-Unterlagen 20 Jahre zu- gen seien einige hier beispielhaft erwähnt: vor: Gemeinsam mit der Robert-Havemann-Gesellschaft Die Außenstelle Rostock war als einer von vielen Koope- e. V. und dem Berliner Landesbeauftragten für die Unter- rationspartnern am Großprojekt „Wir sind das Volk. lagen des Staatssicherheitsdienstes fand zunächst eine 20 Jahre Friedliche Revolution in Rostock“ beteiligt. Hö- Podiumsdiskussion mit dem Titel „‚Meine Akte gehört hepunkt war ein Demonstrationszug auf den Spuren der mir!‘ – Der Kampf um die Öffnung der Stasi-Akten“ statt, Rostocker „Donnerstagsdemonstrationen“ von 1989. Die auf der die Auseinandersetzungen und Diskussionen auf Rostocker Außenstelle präsentierte vor der ehemaligen dem Weg zum geregelten Aktenzugang vor 20 Jahren MfS-Bezirksverwaltung Überwachungsfotos und Ton- nachgezeichnet wurden. Die Bilanz von zwei Jahrzehnten bandmitschnitte des MfS von den Herbstdemonstrationen intensiver Aktennutzung und die Erfordernisse der kom- 1989. An das Ende des Staatssicherheitsdienstes erinner- menden Jahre thematisierte die Veranstaltung „Die Akten ten auch Podiumsdiskussionen mit ehemaligen Besetzern bleiben offen“ am 1. Oktober 2010 im Großen Protokoll- der MfS-Dienststellen in der Stralsunder Jacobikirche so- saal des Deutschen Bundestages. Bundestagspräsident wie in der früheren Rostocker Untersuchungshaftanstalt Prof. Dr. Norbert Lammert hielt die Festrede, in der er des Staatssicherheitsdienstes. Dort konnten Filme, Fotos sich für den Fortbestand der Stasi-Unterlagen-Behörde und Tonaufzeichnungen von den Besetzungen in bis mindestens 2019, dem 30. Jahrestag des Mauerfalls, Rostock, Greifswald, Stralsund und Ribnitz-Damgarten aussprach. In der anschließenden Podiumsdiskussion dis- teilweise erstmals öffentlich präsentiert werden. kutierte die Bundesbeauftragte, Marianne Birthler, mit Gästen über die Nutzung der Stasi-Unterlagen in Wissen- Die Außenstelle Schwerin beteiligte sich an der Schweri- schaft, Kultur, Gesellschaft und Bildung in den kommen- ner Zentralveranstaltung zum 20. Jahrestag der Friedli- den zehn Jahren. Gäste waren u. a. der Fernsehjournalist chen Revolution mit einer „Nacht der Dokumente“ im Roland Jahn, der Präsident der Bundeszentrale für Schweriner Dom. Unter anderem präsentierten dort Schü- politische Bildung, Thomas Krüger, der Historiker lerinnen und Schüler Projektarbeiten, zu denen sie u. a. in – 83 –

Lagefilmen des MfS aus dem Herbst 1989 recherchiert („Runde Ecke“) ein, bei der mehrere tausend Besucher hatten. Ein weiteres Projekt der Schweriner Außenstelle gezählt wurden. waren zwei Tage der offenen Tür im Juli 2010 unter dem Motto „Verlorene Jahre“, die sich mit Heimerziehung, Ju- Die Außenstelle Dresden zeichnete im August 2010 in ei- gendwerkhöfen und dem Einfluss des MfS auf die staatli- ner viel beachteten Zeitzeugen-Diskussion die Auseinan- che Jugenderziehung auseinandersetzten. dersetzungen um die Öffnung der Stasi-Unterlagen vor 20 Jahren nach: Ehemalige Mitglieder des Volkskammer- In Neubrandenburg veranstaltete die Außenstelle im No- Sonderausschusses zur Kontrolle der Auflösung der vember 2009 einen Tag der offenen Tür, der dem Thema Staatssicherheit diskutierten über die Auflösung des Mi- „Staatssicherheit im Revolutionsjahr 1989“ gewidmet nisteriums für Staatssicherheit und die Entstehung des war und neben Vorträgen und Informationen auch zahlrei- Volkskammer-Gesetzes über die Sicherung und Nutzung che Zeitzeugen in Diskussionen versammelte. Auf einer der personenbezogenen Daten des ehemaligen MfS/AfNS großen Podiumsdiskussion im September 2010 zeichne- im Jahr 1990. ten ehemalige Volkskammerabgeordnete des Jahres 1990 die Auseinandersetzungen auf dem Weg zur Öffnung der In Kooperation mit der Sächsischen Landeszentrale für MfS-Unterlagen nach. politische Bildung blickten die drei sächsischen Außen- stellen dann gemeinsam auf einer großen Tagung in Leip- Die zentrale Veranstaltungsreihe der Außenstelle Frank- zig im November 2010 auf die SED-Diktatur zurück: furt (Oder) zur Friedlichen Revolution fand im November „Eine Bilanz nach 20 Jahren Aufarbeitung“ lautete der und Dezember 2009 in Cottbus statt. Höhepunkte waren Titel dieser Veranstaltung. Neben den Podiumsdiskussio- zwei Aufführungen des Theaterstücks „Macht das Tor auf – nen präsentierten Schülerinnen und Schüler aus Hoyers- über das Leben von Michael Gartenschläger“ (Interkunst werda einen Beitrag zum „Geschlossenen Jugendwerkhof e. V.) sowie eine Festveranstaltung in der Oberkirche, auf Torgau 1964–1989“. Eine Ausstellung zur „Rumänischen der die Bundesbeauftragte einen Festvortrag zum Thema Revolution in Bildern“ beendete die Tagung mit beein- „1989 – Aufbruch in die Freiheit“ hielt. druckenden Filmszenen. Wie zahlreiche andere Außenstellen waren auch die Au- Auch die drei Thüringer Außenstellen der BStU in Erfurt, ßenstellen Magdeburg und Halle in lokale Aktionsbünd- Gera und Suhl waren in einen lokalen Arbeitskreis nisse zur Erinnerung an die Ereignisse 1989/90 eingebun- („20 Jahre Friedliche Revolution“) eingebunden und or- den. In Magdeburg thematisierte die Außenstelle mit den ganisierten gemeinsam mit zahlreichen Kooperationspart- „Magdeburger Montagsgesprächen“ über viele Monate nern am 4. Dezember 2009 eine Gedenkveranstaltung an hinweg vielschichtige Aspekte des Revolutionsjahres von der ehemaligen MfS-Bezirksverwaltung Erfurt aus An- der Opposition über die Ausreise bis hin zur Auflösung lass des 20. Jahrestages ihrer Besetzung. Bei einem des Staatssicherheitsdienstes in Magdeburg. In Halle fan- anschließenden Festakt im Thüringer Landtag hielt die den das Theaterstück „Akte R“ des Theaters Strahl, Ber- Bundesbeauftragte einen Festvortrag. Am nächsten Tag lin, über einen vom Staatssicherheitsdienst verfolgten ju- schloss sich ein wissenschaftliches Symposium „Aufar- gendlichen Flüchtling sowie Zeitzeugengespräche zur beitung als Zukunftsgewinn“ mit internationaler Beteili- Auflösung der Hallenser MfS-Dienststelle großen Zu- gung an. So sprachen u. a. Forscher aus Polen, Lettland, spruch. Gemeinsam gingen beide Außenstellen im No- Ungarn, Rumänien und Deutschland zu den jeweiligen vember 2009 in Wittenberg mit der Evangelischen Aka- Aufarbeitungsmodellen ihrer Länder. Die Außenstelle Er- demie Sachsen-Anhalt e. V. und dem Landesbeauftragten furt nahm im Vorfeld verschiedene Themen und Aspekte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in einer der Überwindung der SED-Diktatur in einer Veranstal- Podiumsdiskussion der Frage nach, welchen Wert die tungs- und Vortragsreihe in der Erfurter Kleinen Syna- (un)heimliche Hinterlassenschaft für unsere Gesellschaft goge in den Blick. Die Besetzung und Auflösung der hat: „Fluch oder Segen?“. Dienststellen des MfS war zudem Gegenstand weiterer In Chemnitz beteiligte sich die Außenstelle im Mai 2009 Gedenk- und Informationsveranstaltungen in Thüringen: mit einem vielfältigen Veranstaltungsprogramm an der Die Außenstelle Gera veranstaltete anlässlich des Museumsnacht der Stadt, die unter dem Motto „1989: 20. Jahrestages der Besetzung der MfS-Bezirksverwal- Jetzt oder nie – für Demokratie“ an das Revolutionsjahr tung Gera gemeinsam mit Kooperationspartnern eine öf- vor 20 Jahren erinnerte. Szenische Lesungen aus Stasi- fentliche Podiumsdiskussion unter Mitwirkung zahlrei- Unterlagen zeigten den Blick des Staatssicherheitsdiens- cher Zeitzeugen. Die Außenstelle Suhl erinnerte an drei tes auf die Friedliche Revolution. Die Geheimpolizisten Veranstaltungstagen im Dezember 2009 an die Besetzung selbst wurden schließlich zu „Protokollanten des Unter- der Suhler MfS-Dienststelle am historischen Ort, an dem gangs“ – so der Titel der Lesungen. aus diesem Anlass eine Gedenktafel angebracht wurde. Schüler des Staatlichen Gymnasiums Suhl zeichneten mit Mit dem „Aufbruch Leipzig – 20 Jahre Friedliche Revo- einer szenischen Lesung aus Stasi-Unterlagen die Ereig- lution und Einheit Europas“ gedachte die Stadt Leipzig nisse des Jahres 1989 nach. In einer Podiumsdiskussion des Jubiläums. Daran war auch die Leipziger Außenstelle in der Suhler Innenstadt wurde mit Blick auf die Aufar- der BStU beteiligt. Sie lud während des städtischen Licht- beitung heute der Frage nach den Hinterlassenschaften festes am 9. Oktober 2009 zu einer „Nacht der offenen von MfS und SED 20 Jahre nach dem Ende der Diktatur Tür“ mit zahlreichen Veranstaltungen und Führungen in nachgegangen. Eine Ausstellungseröffnung und ein das Gebäude der ehemaligen MfS-Bezirksverwaltung Kunstprojekt in der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt – 84 – des MfS Suhl bildeten den Abschluss. Diese Veranstal- Eine Übersicht über alle Ausstellungsorte und die Besu- tungen fanden in Kooperation mit der Stadt Suhl statt. cherzahlen gibt Anhang 12.

6.1.2 Informations- und Dokumentations- 6.1.2.2 Ausstellungsprojekte zu den zentren, Gedenkstätten, Ausstellungen Jahrestagen 2009 und 2010 6.1.2.1 Die Wanderausstellung der BStU Im Sommer 2009 endete mit einem großen Fest das sach- senweite Jugendkulturprojekt „DemokratieVersprühen“. Seit Herbst 2008 präsentiert die BStU ihre neue Wander- Der unter Federführung der Außenstelle Leipzig der ausstellung „Feind ist, wer anders denkt“. Die Ausstel- BStU durchgeführte Graffiti-Wettbewerb thematisierte lung beschreibt die Funktion des MfS in der SED-Dikta- Demokratie und Toleranz. Neben den drei sächsischen tur und zeigt seine Struktur, Tätigkeit und Wirkungsweise Außenstellen der BStU engagierten sich die Leipziger auf. Besondere Aufmerksamkeit lässt sie den Menschen Außenstelle der Sächsischen Bildungsagentur, die Uni- zuteil werden, die in das Visier des Staatssicherheits- versität und der Graffitiverein Leipzig sowie die Gedenk- dienstes geraten sind. Ihr Schicksal zeichnet die Ausstel- stätte und der Steinhaus e. V. in Bautzen. Die Preisträger lung exemplarisch in 13 biografischen Sequenzen nach. selbst wählten die besten Exponate in eine Wanderaus- Ausgewählte Daten – in einem sogenannten Zeitstrahl stellung. Diese tourt seit Herbst 2009 durch Sachsen. dargeboten – gewährleisten die zeitgeschichtliche Kon- Vom 8. Juni bis 5. Juli 2010 war sie im Bürgerfoyer des textualisierung der Ausstellungsinformationen. Der be- Sächsischen Landtags in Dresden zu sehen, wo sie der gleitend erschienene Katalog gibt die Ausstellung in kon- Präsident des Sächsischen Landtags, Dr. Matthias Rößler, zentrierter Form wieder. vor zahlreichen Besucherinnen und Besuchern eröffnete. Andere Ausstellungsorte waren Leipzig, Plauen, Bautzen Wie ihre Vorgängerin erfreut sich auch die neue Wander- und Chemnitz (siehe Kapitel 6.1.3.2). ausstellung großer Nachfrage: Nachdem sie im Oktober 2008 in Hamburg eröffnet wurde und anschließend in Ein besonderer Beitrag zum 20. Jubiläum der Friedlichen Berlin, Cottbus und Potsdam zu sehen war, wanderte sie Revolution ist die neue Wanderausstellung „Stasi im Berichtszeitraum durch 18 westdeutsche Städte sowie Ohn(e)Macht“, ein Projekt, an dem alle Außenstellen der ins europäische Ausland. Insgesamt besuchten im Be- BStU beteiligt waren. Im Mittelpunkt stehen die Protest- richtszeitraum 35 685 Menschen die Ausstellung. bewegungen des Herbstes 1989 in den ehemaligen DDR- Bezirken und in Ostberlin sowie die Besetzung und Auf- Zu den Stationen 2009 und 2010 zählten auch Landes- lösung der MfS-Dienststellen. Mit einprägsamen Fotos hauptstädte der alten Bundesländer. Hier wurde die Aus- und Zeitdokumenten werden den Betrachtern die wich- stellung, ergänzt durch themenspezifische Module, expli- tigsten Ereignisse dieser Monate nahegebracht. Die Ge- zit im Kontext des 20. Jahrestages der Friedlichen samtschau setzt sich aus sechs Regionalteilen zusammen Revolution sowie der deutschen Wiedervereinigung prä- (die fünf neuen Bundesländer und Berlin), die jeweils se- sentiert. parat als eigenständige Ausstellungen fortlaufend gezeigt werden. In Berlin wurde die Ausstellung anlässlich des Wie die Ausstellung auf die Besucherinnen und Besucher Bürgerfestes der BStU im Januar 2010 erstmals der Öf- wirkte, zeigen die Einträge ins Gästebuch. Ein Eintrag fentlichkeit präsentiert. aus der Zeit vom 20. bis 30. Mai 2009 in Bremen lautet: „Danke für die beeindruckende deutsch-deutsche jüngere In der Geraer Region erfuhr die Sonderausstellung zum Geschichte. Wir im Schwabenland können uns die dama- 20. Jubiläum des Mauerfalls in den Museen der Schloss- ligen Verhältnisse in der früheren DDR nicht vorstellen. und Residenzstadt Greiz von Oktober 2009 bis März Dass die Vereinigung so friedlich ablief, nach so vielen 2010 große Aufmerksamkeit. Unter dem Titel „verdeckt ‚Eiszeitjahren‘, ist für mich ein Wunder.“ In der Zeit vom und getarnt – die Mittel und Methoden der geheimen Be- 12. bis 28. August 2009 in Garbsen schrieb der Bürger- obachtung des Staatssicherheitsdienstes der DDR“ zog meister: „Ich gratuliere der Birthler-Behörde zu dieser die Ausstellung, an deren Präsentation die Außenstelle vorzüglichen Ausstellung. Es ist auch heute noch wichtig, Gera beteiligt war, mehr als 7 000 Besucher an. Vor allem an die kriminellen Methoden der Stasi zu erinnern. Dies Schulklassen nutzten das Angebot einer Ausstellungsfüh- darf nicht in Vergessenheit geraten. Diese Aufklärungsar- rung der BStU. beit ist vorbildlich für andere Staaten auf dieser Welt.“ Ein nächster Eintrag lautet: „Eine sowohl chronologisch 6.1.2.3 Weitere Ausstellungen wie inhaltlich hervorragend konzipierte Ausstellung – ein Muss für jeden, der nach 1989 geboren wurde. Bei den Die Wanderausstellung „Die Botschaftsflüchtlinge auf ih- Menschen, die den Ablauf der Geschehnisse in den Me- rer Fahrt von Prag nach Hof“ wurde mit tschechischen dien verfolgt haben, werden die Ereignisse wieder aktu- Beiträgen und Fotodokumenten erheblich erweitert. Es ell. Danke.“ Aus Kiew (17. bis 28. September 2009) ist gibt nun neben der deutschsprachigen Ausstellung eine zu lesen: „Eine sehr aufschlussreiche und interessante tschechische Fassung. Zu einer Festveranstaltung am Ausstellung. Das Beeindruckendste für mich ist, dass die 30. September 2009 luden die Sächsische Staatskanzlei Behörde zur Aufarbeitung der Stasiakten quasi ‚von un- und die Deutsche Botschaft in Prag in die Räume der ten‘ gegründet wurde. Dankeschön für die interessante Deutschen Botschaft in Prag ein. Im Herbst 1989 hatten Ausstellung.“ hier rund 4 000 DDR-Bürger bis zu ihrer Ausreise in die – 85 –

Bundesrepublik Zuflucht gesucht. Anwesend waren der Oberkirche Cottbus eröffnet und ergänzten das Festpro- bundesdeutsche Außenminister von 1989, Hans-Dietrich gramm. Genscher, der damalige deutsche Botschafter in Prag, Seit November 2009 stellen namhafte Thüringer Künstler Hermann Huber, der Sächsische Ministerpräsident, ihre Werke zur kommunistischen Diktatur und deren Fol- Stanislaw Tillich, und der amtierende deutsche Botschaf- gen in der Außenstelle Erfurt aus. Die Gemälde und ter in Prag, Johannes Haindl, sowie tschechische Politi- Grafiken wurden von Werner Schubert-Deister, Alfred ker. Die etwa 1 000 geladenen Gäste konnten auf dem Traugott Mörstedt, Gisela Richter, Harald Lange und Gert Botschaftsgelände die Ausstellung „Die Botschaftsflücht- Weber geschaffen. Begleitet wird die Ausstellung von linge auf ihrer Fahrt von Prag nach Hof“ besichtigen. Künstlergesprächen und anderen Veranstaltungen. Als Kooperationspartner wirkte die Außenstelle Dresden Im Berichtszeitraum zeigte die Außenstelle Erfurt elf an der Aktion „Zug der Freiheit“ mit. Der Zug, der 1989 weitere Ausstellungen, die Einblicke in das MfS und die die DDR-Flüchtlinge von Prag in die Bundesrepublik Rolle der Sicherheitsorgane in der ehemaligen DDR ge- brachte, ist heute Geschichts- und Erinnerungsort. Am ben. Eine neue Wanderausstellung präsentierte die Au- 1. Oktober 2009 fuhr er auf historischer Strecke von Prag ßenstelle mit „Im Fokus der Staatssicherheit – Willy nach Hof. Diesmal reisten ehemalige Botschaftsflücht- Brandt in Erfurt“. Diese dokumentiert die Aktivitäten des linge, Zeitzeugen, Künstler, Schüler und prominente Per- Staatssicherheitsdienstes im März 1970 zur Absicherung sönlichkeiten mit. Im Zug konnte die BStU-Wanderaus- des Treffens von Willy Brandt und Willi Stoph in Erfurt. stellung „Die Botschaftsflüchtlinge auf ihrer Fahrt von Neben den zahlreichen Maßnahmen zur Kontrolle und Prag nach Hof“ besichtigt werden. Zu lebhaften Begeg- Observation spiegeln die Fotos der MfS-Mitarbeiter un- nungsstätten wurden die Haltebahnhöfe des Zuges. Im gewollt die große Begeisterung der DDR-Bevölkerung Dresdner Hauptbahnhof richteten der Ministerpräsident für den westdeutschen Gast wider, der offiziell als Reprä- des Freistaates Sachsen, Stanislaw Tillich, die Oberbür- sentant des Klassenfeindes galt. germeisterin Dresdens, Helma Orosz, sowie der General- konsul der Tschechischen Republik in Deutschland, Zur Fußballweltmeisterschaft 2010 zeigte die Außenstelle Tomáš Podivinský, Grußworte an die Mitreisenden. Die Gera die Ausstellung „Doppeltes Spiel – Fußball im Vi- Ereignisse vom 4. Oktober 1989, wie die Zusammenstöße sier der Staatssicherheit“. Im Oktober 2010 lockte das zwischen Polizei und DDR-Bürgern auf dem Dresdner Ausstellungsprojekt „Wollen immer, kriegen nimmer!“ Hauptbahnhof, wurden anhand von Videoprojektionen mit dem Ausstellungsteil der BStU „gut gekauft, gern ge- mit von der BStU bereitgestellten Original-Filmaufzeich- kauft – der überwachte Konsum in der DDR“ im Jenaer nungen des Staatssicherheitsdienstes in der Hauptbahn- Einkaufszentrum Goethe-Galerie zahlreiche Besucher an. hofshalle wieder lebendig. Neben den Außenstellen Gera und Schwerin der BStU waren das Stadtmuseum Gera und das Industrie- und Die Leipziger Außenstelle der BStU zeigte die Ausstel- Filmmuseum Wolfen sowie weitere regionale Partner an lung „Die Botschaftsflüchtlinge auf ihrer Fahrt von Prag dem Projekt beteiligt. nach Hof“ anlässlich der 19. Schulmusik- und Schul- kunst-Begegnung Sachsen – Baden-Württemberg am Tag In Magdeburg erfuhr die Wanderausstellung „Zwischen der Deutschen Einheit 2009 in Karlsruhe. Dem Vortrag Aufbegehren und Anpassen – Jugend in der DDR“ wäh- der Leipziger Außenstellenleiterin zur Friedlichen Revo- rend der Präsentation in der Außenstelle von März bis lution 1989 innerhalb des Rahmenprogramms folgten Juni 2010 großen Zuspruch. Sie wurde insbesondere von 500 Schülerinnen und Schüler. Schulklassen zur Projektarbeit genutzt. Auch die Medien griffen das Ausstellungsthema mehrere Male auf. So Gezeigt wurden die Ausstellungen „Die Botschaftsflücht- wurde am 5. Mai 2010 eine 11. Klasse des Winckelmann- linge auf ihrer Fahrt von Prag nach Hof“ sowie „Jugend Gymnasiums Stendal bei ihrem Besuch der Außenstelle zwischen Aufbegehren und Anpassen“ von November Magdeburg von einem MDR-Fernsehteam begleitet. Der 2009 bis Februar 2010 auch in der französischen Stadt entsprechende Beitrag wurde am Folgetag in der MDR- Brest. Sie wurden von mehreren Podiumsdiskussionen Rubrik „Sachsen-Anhalt heute“ gesendet. und Vorträgen an drei Brester Gymnasien begleitet, die die Jugendlichen sehr interessiert aufnahmen. Die Neubrandenburger Außenstelle der BStU erreichte mit Ergänzungstafeln zu der Ausstellung „Von der Fried- Die von der Außenstelle Frankfurt (Oder) erstellten Wan- lichen Revolution in der DDR bis zur Auflösung der derausstellungen „Die Arbeit am Feind …“ und „Postge- Stasi“, die im Herbst 2009 im Neubrandenburger Rathaus heimnis? Die Stasi und die Cottbuser Briefe“ fanden im gezeigt wurde, ein breites Publikum. Die hier dokumen- Berichtszeitraum erneut großen Zuspruch. Auch aus den tierte Rolle des MfS im Herbst 1989 in Neubrandenburg alten Bundesländern gab es Anfragen. So konnte die Aus- stieß insbesondere bei Jugendlichen auf großes Interesse. stellung „Die Arbeit am Feind …“ in den Monaten April/ Zahlreiche Schulklassen nutzten Führungen, die in Dis- Mai 2010 in einer Schule in Frankenberg bei Kassel und kussionsrunden mit Neubrandenburger Zeitzeugen mün- im Juni in einer Schule in Dieburg bei Darmstadt gezeigt deten. werden. Im Berichtszeitraum war die Außenstelle Rostock mit Teile der neuen Wanderausstellung „Stasi Ohn(e)Macht“ insgesamt drei Wanderausstellungen im ehemaligen mit Bezug zum Land Brandenburg wurden anlässlich der DDR-Ostseebezirk sowie in den Bundesländern Schles- Festveranstaltung zum 20. Jahrestag des Mauerfalls in der wig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Bremen prä- – 86 – sent. „Stasi im Ostseeraum“, „Eigentor. Der F. C. Hansa mit dem Künstlerverband e. V., dem Schlossbergmuseum Rostock und die Stasi“ und „Stasi Ohn(e)Macht“ wurden Chemnitz und ehemaligen Mitgliedern von Bürgerinitiati- an insgesamt 13 Orten gezeigt. Sowohl die Ausstellungen ven entstanden war und Plakate, Transparente und Expo- selbst als auch die dazugehörigen thematischen Eröff- nate der Demonstrationen von 1989 zeigte. Während der nungsvorträge fanden große Resonanz. 11. Chemnitzer Museumsnacht am 8. Mai 2010 rückte unter dem Motto „Jugend unangePASST“ die Punk- und Seit vielen Jahren gepflegt wird die Kooperation mit dem Hip Hop-Szene der DDR in den 1980er-Jahren in den Verein „Über die Ostsee in die Freiheit“. Dessen Ausstel- Mittelpunkt. Sie war für Jugendliche eine Alternative lung „Über die Ostsee in die Freiheit. Maritime Fluchten zum reglementierten DDR-Freizeitangebot und wurde aus der DDR“ thematisiert in anschaulicher Weise vor al- folglich von SED und MfS intensiv beobachtet. Vorträge lem anhand von Einzelschicksalen ein dramatisches Ka- zu den Themen „Hip Hop in der DDR – Breakdance, pitel jüngerer Zeitgeschichte und übt eine starke Anzie- Graffiti und Mode“ und „Hip Hop in der DDR – Rap und hungskraft auch auf jüngeres Publikum aus. Djing“ sorgten für die fachliche Information. Die künstle- Unter dem Motto der Veranstaltungsreihe „20 Jahre Auf- rische Umrahmung setzte die Breakdancegruppe „Wild bruch 1989 – Tage der Erinnerung im Schweriner Dom“ Juniorz“ aus Chemnitz. Ein Höhepunkt des Abends war schrieb die Bundesbeauftragte Marianne Birthler gemein- die Präsentation der Siegertafeln des sachsenweiten Ju- sam mit Pastor Volker Mischok von der Domgemeinde gendwettbewerbes „DemokratieVersprühen“. Schwerin an der Design Schule Schwerin im März 2009 Die Außenstelle Halle zeigte im Rahmen der Museums- einen Plakat-Wettbewerb aus. Die Exponate sollten Er- nächte 2009 und 2010 eine Reihe von Sonderausstellun- eignisse der Friedlichen Revolution in Schwerin 1989/90 gen. Hierzu zählten u. a. die sachsen-anhaltinischen Teile thematisieren. Eine Jury wählte im Juni 2009 das Exponat der Ausstellung „Stasi Ohn(e)Macht“ und die Ausstel- der Studentin Daniela Scharffenberg zum Siegerplakat. lung „‚Macht-los‘ – Das Ende der Stasi in Eisleben“. Es zeigt ein Meer von Kerzen – das Symbol der Friedli- chen Revolution 1989. Alle Wettbewerbsbeiträge konnten Eine Übersicht über die regionalen Ausstellungen der anschließend im Schweriner Dom in einer Ausstellung BStU findet sich in Anhang 13. präsentiert werden. Als Wanderausstellung der Schweri- ner Außenstelle wurden die Exponate danach in der 6.1.2.4 Informations- und Dokumentations- Paulskirche Schwerin und im „Dat lütt Museum“ in Alt zentren, Gedenkstätten Jabel gezeigt. Die Informations- und Dokumentationszentren in Berlin, „Das war’s“ ist der Titel einer Wanderausstellung der Au- Dresden, Erfurt, Frankfurt (Oder), Halle und Rostock neh- ßenstelle Suhl. Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe men die in § 37 Absatz 1 Stasi-Unterlagen-Gesetz formu- wurde sie am 6. Dezember 2009 in der ehemaligen Unter- lierte Aufgabe wahr, die Öffentlichkeit über Geschichte, suchungshaftanstalt des MfS in Suhl mit einer Klangin- Struktur und Wirkungsweise des Staatssicherheitsdienstes stallation und Lesungen eröffnet. Die Ausstellung widmet der DDR durch Ausstellungen, Veranstaltungen unter- sich der Historie des Gebäudes und zeigt die unmenschli- schiedlicher Formate und schulspezifische Bildungsange- chen Haftbedingungen und den Haftalltag. Besonders be- bote zu informieren. Diesem Bildungs- und Informations- eindruckend begegnen den Besucherinnen und Besuchern auftrag kommt die BStU auch in der Dokumentations- die Biografien ehemaliger Untersuchungshäftlinge. Die und Gedenkstätte „Opfer politischer Gewaltherrschaft“ in Ausstellung wurde auch zur Geschichtsmesse der Bun- Frankfurt (Oder) und in der Dokumentations- und Ge- desstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Suhl denkstätte in der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt vom 25. bis 27. Februar 2010 gezeigt. Es folgten die Au- des MfS in Rostock (DuG) nach. Die Adressen der Infor- ßenstelle Suhl und die Gedenkstätte Berlin-Hohenschön- mations- und Dokumentationszentren sowie Gedenkstät- hausen im Juli und August 2010. ten enthält Anhang 14. Sehr gefragt im Jahr 2009 war die Leihausstellung Neben Dauerausstellungen über die Struktur und Wir- „Wende ’89 im Bezirk Suhl – Die Friedliche Revolution“. kungsweise des Staatssicherheitsdienstes mit besonderen Ausstellungsorte waren u. a. die ehemalige Untersu- Schwerpunkten auf regionalen Besonderheiten werden an chungshaftanstalt des MfS in Suhl, das Landratsamt Hild- diesen Orten Wechselausstellungen zu zeitgeschichtli- burghausen und die Stadtverwaltung Sonneberg. chen Themen sowie Kunstausstellungen präsentiert. Die Ausstellung „Zwangsaussiedlung. Ein dunkles Kapi- Im Informations- und Dokumentationszentrum Berlin tel deutscher Geschichte“ erfuhr aus den neuen wie alten wurde 2009 gemeinsam mit dem Tschechischen Zentrum Bundesländern wieder großen Zuspruch. Sie wurde 2009 Berlin die Ausstellung „Einige von uns … Einige von den z. B. auf der Feste Kronach und im Grenzturm bei Wen- vielen, die zum Jahrestag des Umsturzes in der Tschecho- dehausen gezeigt, 2010 war sie im Dorfgemeinschafts- slowakei von 1948 in Erinnerung gebracht werden soll- haus in Lautertal zu sehen. ten“ gezeigt. Die biografische Ausstellung erinnert an Traditionell beteiligten sich viele Außenstellen der BStU Schriftsteller, Geistliche und weitere Bürgerinnen und an den Langen Nächten der Museen, so die Chemnitzer Bürger, die in den 1950er-Jahren Widerstand gegen das Außenstelle an der 10. Chemnitzer Museumsnacht am kommunistische Regime leisteten. Sie wurde von dem 16. Mai 2009. „1989: Jetzt oder nie – für Demokratie“ tschechischen Bürgerverein Post Bellum recherchiert, ei- war der Titel einer Ausstellung, die im Zusammenwirken ner Vereinigung unabhängiger Journalisten und Histori- – 87 – ker, und stand unter der Schirmherrschaft des geschäfts- Biografien der Künstler in einem Ausstellungskatalog do- führenden Ministerpräsidenten der Tschechischen kumentiert. Kuratorin der Ausstellung war Anna Schäd- Republik, Mirek Topolánek. lich. Während der Langen Nacht der Museen im August 2009, Die Informations- und Dokumentationszentren sowie die an der sich das Informations- und Dokumentationszen- von Außenstellen der BStU mitbetreuten Gedenkstätten trum Berlin beteiligte, lud die BStU zur Veranstaltung in Frankfurt (Oder) und Rostock erfreuen sich einer „Ein Sandsack zuviel“ ein. Ulrich Gumpert (Piano) und wachsenden Resonanz. Dabei war die ausgeprägte media- Dietmar Diesner (Saxofon), Vertreter des europäischen le und öffentliche Aufmerksamkeit zum 20. Jahr der Jazz und der DDR-Jazzavantgarde, unterhielten das Pu- Friedlichen Revolution offensichtlich für Viele ein Im- blikum musikalisch und berichteten von ihren Erfahrun- puls, die Ausstellungen der BStU aufzusuchen. gen mit dem Staatssicherheitsdienst. Die Bedeutung der Dokumentations- und Gedenkstätte In der langen Berliner Museumsnacht im Januar 2010 nä- (DuG) in Rostock für die historisch-politische Bildungs- herte sich die BStU der MfS-Thematik mit einer szeni- arbeit spiegelte sich auch in den Besucherzahlen wider. schen Lesung aus der Akte „Romeo“, einem Vorgang, Jährlich kamen rund 13 000 deutsche und ausländische den die Geheimpolizei in den 1980er-Jahren über den bri- Besucher in die Gedenkstätte, die BStU realisierte etwa tischen Historiker Timothy Garton Ash angelegt hatte. 390 deutsch- und englischsprachige Führungen durch den Ash hielt sich damals im Rahmen eines Forschungssti- historischen Ort und die Ausstellungen. Im Rahmen des pendiums in Ostberlin auf. Er wurde vom MfS überwacht „Greifswald International Students Festival“ wurden bei- und 1982 schließlich wegen kritischer Veröffentlichungen spielsweise einer international zusammengesetzten Besu- aus der DDR ausgewiesen. Die szenische Lesung wurde chergruppe im Zellentrakt die Haftbedingungen für politi- von den Schauspielern Silvia Voigt und Alexander Unger sche Gefangene erläutert, eine anwesende Zeitzeugin aufgeführt. schilderte ihre persönlichen Hafterfahrungen. Eine Teil- nehmerin schrieb der Zeitzeugin später: „Ihre Lebensge- Das Informations- und Dokumentationszentrum Berlin schichte war für uns – ich spreche für alle Teilnehmer des musste im April 2010 seinen bisherigen Standort in der Workshops – inspirierend. Dank solcher Menschen wie Französischen Straße/Mauerstraße aufgrund bautechni- Ihnen können wir heute über Freiheit, Brüderlichkeit und scher Mängel aufgeben. In dieser Liegenschaft war das Gleichheit sprechen.“ Informationszentrum seit dem 9. November 1998 unter- gebracht. Bis 2010 kamen über 364 000 Besucher, um die Die Hauptausstellung in dem ehemaligen Rostocker Un- Doppelausstellung „Staatssicherheit – Machtinstrument tersuchungsgefängnis des MfS wurde punktuell ergänzt. der SED-Diktatur“ und „Ein offenes Geheimnis – Post- Zentrale Informationen werden nun auch in englischer und Telefonkontrolle in der DDR“ zu sehen. Allein im Sprache angeboten. Beeindruckt zeigen sich Besucherin- Jahr 2009 waren es mehr als 50 000 Gäste, darunter nen und Besucher besonders von Exponaten, die die rigi- 350 Besuchergruppen aus dem In- und Ausland. den Haftbedingungen veranschaulichen. Dazu zählen ein selbst gebasteltes Kartenspiel, Notizen und Skizzen zum Seit Juli 2010 hat das Informations- und Dokumentations- Haftalltag oder ein Kassiber auf Toilettenpapier. Spekta- zentrum Berlin seinen neuen Standort in der Zimmer- kulär ist die Präsentation eines nachgebauten Ein-Perso- straße 90/91, nahe dem ehemaligen Kontrollpunkt der nen-U-Bootes des Rostocker Ingenieurs Walter Gerber, West-Alliierten „Checkpoint Charlie“. Für Seminar- und mit dem er 1980 über die Ostsee fliehen wollte. Projekttage mit Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern stehen eigens hergerichtete Räume bereit. Mit Die jährlich etwa 2 400 Schülerinnen und Schüler stellen dem neuen Namen Bildungszentrum wird den verstärkten eine große Gruppe unter den Gästen. Über 50 Projekttage, Anstrengungen an diesem Ort bei der Vermittlung im Be- teilweise unter Einbindung von Zeitzeugen, wurden im reich der politischen Bildungsarbeit Rechnung getragen. Berichtszeitraum mit Schülergruppen abgehalten. Beson- Am 15. Januar 2011 wird im Bildungszentrum die neue dere Bedeutung für das forschende Lernen hat bei diesen Dauerausstellung „STASI – Die Ausstellung zur DDR- Projekttagen die Einbeziehung des historisch-authenti- Staatssicherheit“ eröffnet. schen Ortes sowie der Ausstellung. Die Gedenkstätte in Rostock bot mehrfach den Rahmen Am neuen Standort wurden neue Voraussetzungen ge- für Fotoausstellungen. So wurden in der Ausstellung „In schaffen, Wechselausstellungen zu präsentieren. Zunächst einem stillen Land“ fotografische Arbeiten von Roger wurden eine Sonderausstellung der BStU zur Auflösung Melis gezeigt, die Fotoausstellung von Roland Hartig vi- des Staatssicherheitsdienstes im Winter 1989/90 sowie sualisierte „Die Friedliche Revolution in Rostock 1989/ eine Dokumentation zur Arbeit der BStU gezeigt. Am 90“. Wie kaum eine andere Ausstellungsform dokumen- 5. Oktober 2010 eröffnete die BStU eine Wechselausstel- tieren diese unverstellten historischen Fotos sachlich und lung mit Kunstobjekten und Bildern, die von in der DDR zugleich atmosphärisch die innere Verfassung der DDR. verfolgten und inhaftierten Künstlern geschaffen wurden. Diese Ausstellung, die auf ein Vorgängerprojekt des Men- Das Informationszentrum der Außenstelle Halle zeigte schenrechtszentrums Cottbus e. V. zurückgeht, trägt den eine Fotoausstellung von Harald Hauswald. Er beobach- Titel „Künstler in Gefangenschaft – Gefangene, die zu tete sehr einfühlsam die Jugendkultur in der DDR und Künstlern wurden“. Neben der Präsentation von Werken überschrieb seine Ausstellung mit „VEB Nachwuchs – u. a. von Roger Loewig und Bärbel Bohley wurden die Jugend in der DDR“. Detlev Vreisleben, der die techni- – 88 – schen Methoden des MfS erforscht, präsentierte und er- Demokratie muss von Generation zu Generation neu er- läuterte die „Observations- und Abhörtechnik des Staats- worben werden. Die Etablierung der Demokratie als sicherheitsdienstes“. Herrschafts- und als Lebensform in Thüringen verlangt danach, sich klar und kritisch mit Diktaturen auseinander- Das Informations- und Dokumentationszentrum der Au- zusetzen. Es kommt aber auch darauf an, demokratisches ßenstelle Dresden zeigt im Rahmen von Kooperationen re- Schulleben herauszufordern und zu fördern.“ Aufgrund gelmäßig Gast-Ausstellungen zu Themen der Aufarbeitung der Vereinbarung wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe der DDR-Diktatur. Neben einer Plakat-Ausstellung unter dem Titel „DENKMALnach-DENKMALjetzt“ von Bernd gebildet, die regelmäßig zusammenkommt und im Be- Hanke fand die Dokumentation zum „Abzug der West- richtszeitraum folgende drei Themen beriet: Ausbau und gruppe der sowjetisch-russischen Truppen 1990–1994 Verbesserung der Kommunikation mit den Schulen, Rea- aus Deutschland“ von Bernhard Mroß beachtliches Inter- lisierung von Informations- und Bildungsangeboten so- esse. wie Erfahrungsaustausch zur Zusammenarbeit im „Jahr der Demokratie 2009“ in Thüringen. Auch die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung „War after war – Der bewaffnete antisowjetische Wider- Auf die Tätigkeit der Arbeitsgruppe ist zurückzuführen, stand in Litauen 1944–1953“ in der Außenstelle Erfurt dass die Thüringer Außenstellen der BStU bei Schüler- zeigten sich beeindruckt. Der breite antisowjetische Wi- wettbewerben und in den Veranstaltungen des Förderpro- derstand in Litauen stellte sich gegen den stalinistischen gramms „Demokratisch handeln“ präsent waren. Dane- Terror und gegen die Sowjetisierung der multiethnischen ben haben sie mitgearbeitet in der Steuergruppe zum Gesellschaft. Die Ausstellung wurde erstellt vom Wider- „Jahr der Demokratie 2009“ und bei der Erstellung eines stands- und Genozid-Museum der Republik Litauen in Medienkoffers für Schulen. Vilnius. Zur Eröffnung am 12. Oktober 2009 sprachen Rasa Balcikonyte, Kulturattaché der Botschaft der Repu- Am 2. September 2009 unterzeichneten die Bundesbeauf- blik Litauen in Deutschland, und Bernd Moser, Honorar- tragte und der Minister für Bildung, Wissenschaft und konsul der Republik Litauen für Thüringen und Sachsen- Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Henry Anhalt. Vilnius ist Partnerstadt von Erfurt. Tesch, eine gemeinsame Erklärung im Bildungsministe- rium in Schwerin (siehe Anhang 16). Ziel ist es, die be- Die Angebote der Informationszentren und Gedenkstätten stehende erfolgreiche Zusammenarbeit auf dem Gebiet sind fester Bestandteil der jährlichen Kulturkalender der der Aufarbeitung der SED-Diktatur zu verstetigen und Regionen. Zu den relevanten Terminen gehören die Mu- auszubauen. In der Erklärung wird hervorgehoben, dass seumsnächte (Berlin, Dresden, Halle, Rostock) oder der die Außenstellen der BStU in Schwerin, Neubrandenburg bundesweite Tag des offenen Denkmals (Rostock). und Rostock die Aufarbeitung der Tätigkeit des Staats- Nach der Schließung der Außenstelle Potsdam bezog die sicherheitsdienstes im Schulunterricht, bei Schülerprojek- BStU zunächst ein Zwischenquartier im Potsdamer Rat- ten und bei der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte un- haus, bevor sie im Juli 2010 in der Potsdamer „Gedenk- terstützen. Wie in Thüringen ist eine Arbeitsgruppe stätte Lindenstraße 54/55 für die Opfer politischer Gewalt gebildet worden, um diese Ziele umzusetzen. Der Minis- im 20. Jahrhundert“ einen Informationspunkt mit Bera- ter sagte: „Mit der heute unterzeichneten Vereinbarung tungsstelle eröffnen konnte (siehe Kapitel 2.6 und 4.1.3). mit der Bundesbeauftragten haben wir einen verlässlichen Partner dazubekommen. Der bereits vorhandene sehr gute 6.1.3 Bildungsarbeit für junge Menschen und Kanon an Angeboten in Mecklenburg-Vorpommern, auch Multiplikatoren der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen sowie der Landeszentrale für politische Bildung, kann so weiter 6.1.3.1 Zusammenarbeit mit Bildungs- ausgebaut werden.“ ministerien Eine weitere Vertiefung der bisher schon guten Zusam- Im Berichtszeitraum unterzeichnete die Bundesbeauf- menarbeit vereinbarte die Bundesbeauftragte auch mit tragte mit drei Landesbildungsministern gemeinsame Er- dem Berliner Senator für Bildung, Wissenschaft und For- klärungen. In ihnen wurde die bestehende Zusammenar- schung, Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner, in einer gemeinsamen beit bekräftigt und das Ziel vereinbart, zukünftig die Erklärung, die sie am 16. März 2010 im Berliner Archiv Auseinandersetzung mit dem Staatssicherheitsdienst in der BStU unterzeichneten (siehe Anhang 17). Beide Sei- der Bildungsarbeit gemeinsam stärker zu fördern. ten rufen darin zur verstärkten und kontinuierlichen Be- Am 6. August 2009 gaben die Bundesbeauftragte Mari- schäftigung mit der Geschichte der DDR und der Rolle anne Birthler und der damalige Thüringer Minister für des Ministeriums für Staatssicherheit für den Machterhalt Bildung, Wissenschaft und Kultur, Bernward Müller, eine der SED-Diktatur auf. Senator Zöllner: „Freiheits- und gemeinsame Erklärung in diesem Sinne ab (siehe Demokratiebewusstsein sollen junge Menschen sensibili- Anhang 15). In dieser wird herausgehoben, dass die Au- sieren und motivieren, an der Gestaltung von Demokratie ßenstellen der BStU in Erfurt, Gera und Suhl eine beson- mitzuwirken und sich für die Wahrung von Rechtsstaat- dere Verantwortung bei der Vermittlung des Themas lichkeit, Menschen- und Freiheitsrechten einzusetzen.“ Staatssicherheit im Schulunterricht, bei Schülerprojekten Schwerpunkte der Zusammenarbeit zwischen der BStU sowie bei der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte tragen. und der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Kultusminister Bernward Müller betonte: „Der Geist der Forschung sind die Entwicklung von unterrichtsbezoge- – 89 – nen Materialien und die Beratung sowie Fortbildung von in die gesamtdeutsche Bildungslandschaft gefunden hat Lehrkräften. und welche Fragen und Kontroversen sich dabei ergaben. Neben Lehrkräften, politischen Bildnern und Vertretern Damit hat die BStU seit 2002 mit allen Bildungsministe- von Lehrerbildungsinstitutionen nahmen auch Schülerin- rien der neuen Bundesländer und feste Vereinba- nen und Schüler an der Veranstaltung teil. rungen getroffen. Diese gehen auf eine Initiative der Bun- desbeauftragten zurück, die im Jahr 2001 zu einer auch Lust machen auf Geschichte, Politik und Kultur – vor al- durch formale Erklärungen gefestigten Zusammenarbeit lem jungen Menschen: Das Projekt „DemokratieVersprü- mit den Bildungsministerien in den neuen Bundesländern hen“ rief zum 20. Jahr der Friedlichen Revolution Ju- aufgerufen hatte. gendliche auf, die jüngste deutsche Vergangenheit zu erkunden (siehe Kapitel 6.1.2.2). In Leipzig, Dresden, 6.1.3.2 Besondere Projekte in den Jahren 2009 Plauen, Chemnitz und Bautzen beschäftigten sich Ju- und 2010 gendliche mit der Adaption von Jugendkulturen in der DDR, sprachen mit Zeitzeugen über deren kulturelle Pra- Ein wichtiges Vorhaben zum 20. Jahr der Friedlichen Re- xis und Versuche der Beeinflussung seitens der Staats- volution war die Produktion eines auf den Schulunterricht macht. Die dabei gewonnenen Eindrücke lieferten ihnen zugeschnittenen Films über die wichtigste Machtstütze die Ideen zur kreativen Auseinandersetzung mit Ge- der SED-Diktatur, das Ministerium für Staatssicherheit. schichte. Das Projekt „DemokratieVersprühen“ wurde im Der Film mit dem Titel „Ein Volk unter Verdacht. Die Rahmen des Wettbewerbes „Aktiv für Demokratie und Staatssicherheit der DDR“ wurde für die BStU von der Toleranz 2009“ als vorbildlich eingestuft und ist Preisträ- Berliner Firma Facts and Files produziert, Regisseurin ist ger des Bündnisses für Demokratie und Toleranz. Über Franziska Schlotterer. Im Mittelpunkt stehen die Betrof- die erste Phase des Projekts ist im Neunten Tätigkeitsbe- fenen der Aktivitäten des Staatssicherheitsdienstes. Be- richt der BStU nachzulesen. Die zweite Phase begann im wusst soll so die MfS-Perspektive der Akten durch die Sommer 2009 mit einer zweitägigen Kombination von Perspektive der Bespitzelten ergänzt werden. Zentraler Geschichtsworkshop und Graffitibattle an fünf aufeinan- Bestandteil sind Interviews mit fünf Zeitzeuginnen und derfolgenden Wochenenden (bzw. Feiertag/Samstag) je- Zeitzeugen, die bereits als Jugendliche ins Visier des weils in den Städten Bautzen, Dresden, Chemnitz, Plauen Staatssicherheitsdienstes geraten waren. Durch seine auf und Leipzig. Zunächst wurden die Jugendlichen mit einer ein jugendliches Publikum zugeschnittene Bildsprache Führung durch die Gedenkstätte Bautzen bzw. durch die eignet sich der Film gut für die Unterrichtsgestaltung ab Archive der sächsischen Außenstellen der BStU und Ge- der 9. Klassenstufe. Zusätzlich zu dem 40-minütigen Un- spräche mit Zeitzeugen für die DDR-Geschichte sensibi- terrichtsfilm enthält die DVD Materialien zur Vor- und lisiert. Dann konnten sie sich bei Aktenstudien vertieft Nachbereitung der Thematik im Unterrichtsgespräch. mit dem System der SED-Diktatur auseinandersetzen. Premiere war am 11. Januar 2010 im Berliner Zeughaus- Höhepunkt des Projekts war die Gestaltung einer Haus- kino. Weitere größere Aufführungen des Films mit an- fassade in der Leipziger Innenstadt durch Preisträger aus schließenden Podiumsdiskussionen für Schülerinnen und Plauen, Chemnitz, Dresden, Leipzig und Bautzen. Beim Schüler folgten in Kooperation mit dem Landesinstitut Abschlussfest am 25. Juni 2009 wurde das Ergebnis der für Schule und Medien Berlin-Brandenburg im Filmmu- Öffentlichkeit präsentiert. Die Bundesbeauftragte und seum in Potsdam sowie dem Kino Arsenal in Berlin. Ein Vertreter aus Kommunal- und Landespolitik beglück- besonderer Präsentationsort war das Jugendwiderstands- wünschten alle Teilnehmenden und riefen zu couragier- museum in der Galiläa-Kirche in Berlin-Friedrichshain, tem und demokratischem Handeln im Alltag auf. wo die Aufführung im Mai 2010 mit einem Podiumsge- spräch und anschließendem Punk-Konzert verbunden 6.1.3.3 Projekttage und andere Veranstaltungen wurde. mit Schülerinnen und Schülern Das Ende des Staatssicherheitsdienstes und die Debatte Zentralstelle um die Öffnung der Akten vor 20 Jahren waren der An- Die Zentralstelle der BStU führte im Berichtszeitraum lass für eine zweitägige Bildungskonferenz Ende März insgesamt 140 Projekttage und Seminare mit 8 803 Schü- 2010 in Berlin. Die Tagung wurde von der BStU gemein- lerinnen und Schülern durch, davon 76 Veranstaltungen sam mit dem Berliner Landesbeauftragten für die Unter- an Schulen in den alten Bundesländern. Ein Veranstal- lagen des Staatssicherheitsdienstes und dem Landesinsti- tungsschwerpunkt blieb dabei aufgrund der guten Zusam- tut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg menarbeit mit der Hessischen Landeszentrale für politi- veranstaltet. Ziele der Veranstaltung waren eine bilanzie- sche Bildung das Land Hessen. Im Berichtszeitraum rende Betrachtung der Aufarbeitung der SED-Diktatur in wurden dort gemeinsam 25 Projekttage an wechselnden der historisch-politischen Bildung und die Entwicklung Schulen realisiert, an denen 2 095 Schülerinnen und neuer Perspektiven. Zunächst wurde diskutiert, welche Schüler teilnahmen. Zusätzlich wurden fünf Projekttage Rolle die Auflösung des Staatssicherheitsdienstes im De- mit 194 Schülern in Berlin durchgeführt. mokratisierungsprozess in der DDR gespielt hat und in welchem Maße die Aktenöffnung die gesellschaftlichen Auch an vielen Gymnasien, Gesamtschulen und berufs- und politischen Diskurse über die DDR prägte. Anschlie- bildenden Schulen anderer alter Bundesländer, wie bei- ßend wurde aufgezeigt, wie die Thematik „DDR und spielsweise Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Staatssicherheit“ in den vergangenen 20 Jahren Eingang Bayern, konnte ein erfreuliches Interesse an Schulpro- – 90 – jekttagen verzeichnet werden. Im Berichtszeitraum gab es Insgesamt wurden im Berichtszeitraum in den Außenstel- neben den Projektwochen an hessischen Schulen u. a. len 159 Projekttage und Seminare mit 4 493 Teilnehmern Schülerprojekttage in Oldenburg, Vechta, Bersenbrück, durchgeführt. Die Schülerinnen und Schüler vertieften Löningen, Lüneburg, Hamburg, Bad Tölz, Erlangen, sich in Aktenauszüge und Arbeitsbögen. Sie holten sich Duisburg, Unna, Düsseldorf und Germering. an historischen Orten Informationen über geschichtliche Ereignisse oder sprachen mit Zeitzeugen. Die „Materia- In einer Veranstaltungsreihe zum 20. Jahrestag des Mau- lien für Schulen“ der Außenstellen spielten dabei eine be- erfalls führte die BStU im September 2009 im Tattersall sondere Rolle. Zunehmend wurden Mitarbeiter der Au- von Bad Kissingen ein zweitägiges Schülerprojekt durch. ßenstellen zu Projekttagen auch in die alten Bundesländer Am ersten Tag beschäftigten sich die Schülerinnen und eingeladen, was trotz der personell engen Kapazitäten er- Schüler mit Auszügen aus MfS-Akten. Am zweiten Tag möglicht wurde. So waren Mitarbeiter der Außenstelle stand ein Zeitzeugengespräch mit dem ehemaligen Pfar- Gera bei Projekttagen in Landstuhl (Baden-Württem- rer der Leipziger Nikolaikirche, Christian Führer, und berg), Osnabrück (Niedersachsen), Püttlingen (Saarland), dem ehemaligen Bürgerrechtler Dr. Martin Böttger im Kronach (Bayern) und Leverkusen (NRW). Mittelpunkt. Ebenfalls anlässlich des Jubiläumsjahres 1989 gestaltete Im niedersächsischen Osterholz-Scharmbeck begleitete die BStU in Kooperation mit der Bundestagsabgeordne- die Außenstelle Erfurt Ende 2009 eine Aufführung der ten Beatrix Philipp im Dezember 2009 eine mehrtägige „Stasi-Stücke: Szenische Umsetzungen von Fällen aus Projektreihe für sechs Düsseldorfer Gymnasien. Diese MfS-Akten“, die auf einer BStU-Publikation beruht, Veranstaltungen sollen auf Wunsch von Düsseldorfer durch Gymnasiasten. Die Veranstaltung fand große Reso- Schulen im Jahr 2011 fortgesetzt werden. nanz in den lokalen Medien, die Darsteller lobten die an- dere Art des Geschichtsunterrichts. Eine vergleichbare Darüber hinaus besuchten insgesamt 75 Jugendliche aus Veranstaltung mit den „Stasi-Stücken“, die seit Jahren niedersächsischen und Bremer Kinder- und Jugendhei- sehr intensiv nachgefragt werden, führte die Außenstelle men die BStU in Berlin. Sie erhielten anhand von ziel- Erfurt im fränkischen Marktbreit durch. gruppenorientierten Kurzvorträgen und spielerischer Gruppenarbeit Einblick in Struktur und Methoden des Die Ausstellung „Die Arbeit am Feind“ der Außenstelle Staatssicherheitsdienstes. Frankfurt (Oder) war Grundlage für ein Projekt in Fran- kenberg, Hessen. Die Jahrgangsstufe 12 der Edertalschule Auch etliche Berliner Schulen nutzten wieder die Bil- in Frankenberg hatte sich intensiv mit dem Thema DDR dungsangebote der BStU, wie die Paul-Natorp-Ober- befasst und die Ausstellung aus Frankfurt (Oder) angefor- schule Friedenau. Hier gestaltete die BStU am 9. Novem- dert. Die 19 Jugendlichen des Leistungskurses Ge- ber 2009 einen Projekttag für 200 Schülerinnen und schichte stellten ihren Mitschülern die Ausstellung vor Schüler zum Thema „Feind war, wer anders dachte“. und berichteten von ihren Lernergebnissen. Die bei den Nach einer kurzen Einführung in das Thema erfuhren die meisten Schülern sehr eng begrenzten Kenntnisse über Jugendlichen anhand von Fallbeispielen aus Unterlagen die DDR wurden so durch tiefer gehende Informationen des Staatssicherheitsdienstes, wie Menschen in der DDR erweitert. vom MfS verfolgt wurden. Die Schüler arbeiteten parallel in 13 kleinen Gruppen. Anschließend gestaltete jede Zudem hat die Außenstelle Frankfurt (Oder) die enge Gruppe Lernplakate, die in der Aula ausgestellt wurden. Zusammenarbeit mit der Zivildienstschule Schleife fort- Abschließender Höhepunkt des Projekttages war eine Le- gesetzt. Im Berichtszeitraum fanden erneut zehn Veran- sung mit der Zeitzeugin Uta Franke aus ihrem Buch staltungen vor Ort statt, in denen mehr als 250 Zivil- „Sand im Getriebe“. Ein norwegisches Kamerateam dienstleistende zur Thematik des Ministeriums für filmte den Projekttag, um über die Grenzen Deutschlands Staatssicherheit und seiner Repressionsarbeit informiert hinaus Bildungsangebote zum Thema Staatssicherheit wurden. vorzustellen. In der Außenstelle Leipzig trafen sich im Februar 2010 Zum zweiten Mal nach 2009 unterstützte die BStU im – wie in jedem Jahr seit 2004 – Oberschüler des Städti- August 2010 eine Initiative der Ferien-Aktion des Berli- schen Gymnasiums Odenkirchen aus Mönchengladbach ner Jugendkulturservice und ergänzte den Berliner Feri- (NRW) mit Leipziger Gymnasiasten zu einem gemeinsa- enpass mit einem Angebot zum Thema Staatssicherheits- men Projekt. Mit dem Ziel „Nachhaltige Geschichte – dienst. Auf den „Spuren der Stasi“ führte eine Bustour Die Arbeit und die Methoden von Geheimdiensten in un- von Berlin nach Potsdam in das ehemalige Untersu- terschiedlichen Diktaturen als Unterdrückungsapparate chungsgefängnis des MfS in die Lindenstraße. Hartmut nach Innen“ sollten die Schülerinnen und Schüler anhand Richter begleitete als Zeitzeuge die Tour und zeigte u. a., der Arbeit mit Originalakten sowohl des Staatssicher- wo seine spektakuläre Flucht aus der DDR als 18-Jähriger heitsdienstes als auch der Gestapo (Staatsarchiv Düssel- begann. Zum Abschluss der Exkursion lud die Gedenk- dorf) Eindrücke über die systematische Bespitzelung und stätte die Schüler zu einer Führung ein. Verfolgung von Andersdenkenden in den beiden deut- schen Diktaturen gewinnen und diese in die zeitge- Außenstellen schichtlichen Ereignisse einordnen lernen. In wachsender Zahl nehmen Schulen die Angebote der Auch junge Besucher aus Israel wurden in der Außen- Außenstellen für Schülerseminare und Projekttage an. stelle Leipzig begrüßt: Im April 2010 war eine Gruppe – 91 –

Schülerinnen einer 11. Schulklasse aus Herzliya von der che des Rostocker Ingenieurs Walter Gerber, der 1980 mit dortigen Rishonim-High School zu Gast. Zusammen mit einem selbst gebauten Mini-U-Boot aus der DDR fliehen den Schülerinnen und Schülern des Anton-Philipp- wollte. Die naturwissenschaftlichen Fächer wurden ein- Reclam-Gymnasiums Leipzig haben sie die Gelegenheit bezogen, indem die Schüler die Ursachen für das techni- genutzt, Wissenslücken aufzufüllen. Auf der Basis von sche Versagen des Bootes bei der Flucht ermittelten. Als Quellen wie historischen Zeitungsartikeln, Lexikonein- Höhepunkt des Projekts bauten die Schüler in Koopera- trägen, Foto- und Filmdokumenten, Texten von Mitarbei- tion mit der Bootsbaufirma „Eikboom“ das U-Boot im tern des MfS, Musik und Zeitzeugenberichten erweiterten Maßstab 1:1 nach. Die Ergebnisse des Projekts sind seit die Schüler in Gruppenarbeit und abschließender Ergeb- Herbst 2009 in der ständigen Ausstellung in der DuG in nispräsentation ihr Wissen über den Staatssicherheits- Rostock zu sehen. Der damalige Bundesminister für Ver- dienst und dessen Stellung zu Israel. kehr, Bau und Stadtentwicklung, gleichzeitig Beauftrag- ter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Die Außenstelle Halle betreute eine Projektgruppe im Rahmen der jährlichen Schülerakademie im Nachwuchs- Wolfgang Tiefensee, zeichnete im Juni 2009 die Schüler forum der Franckeschen Stiftungen (Umwelt). Ebenso für ihr Projekt mit dem ersten Preis im bundesweiten Ju- gestaltete sie den jährlichen Workshop im Rahmen des gendgeschichtswettbewerb „20 Jahre Friedliche Revolu- Jugendgeschichtstages Sachsen-Anhalt „Die ‚andere Ju- tion“ aus. gend‘ und das MfS“ mit. Im Zusammenhang mit dem von der Kultusministerkon- In der Außenstelle Rostock wurden mehrere herausra- ferenz ins Leben gerufenen jährlichen deutschlandweiten gende Projekte vor allem in der Dokumentations- und Ge- Projekttag am 9. November hat die Außenstelle Neubran- denkstätte (DuG) durchgeführt. Zu einer guten Partner- denburg im Berichtszeitraum Schulen spezielle Veranstal- schaft entwickelte sich die Zusammenarbeit der tungen angeboten, die auf großes Interesse stießen. 2009 Außenstelle mit dem Innerstädtischen Gymnasium Ros- wurden in einem Neubrandenburger Kino Filme aus der tock. Die Aufarbeitung der DDR-Geschichte und die Tä- Sendereihe „Zeitreise“ des Norddeutschen Rundfunks tigkeit und Wirkungsweise des Staatssicherheitsdienstes zum Thema „Friedliche Revolution in der DDR und Mau- wurden zu Schwerpunktthemen dieser Schule. Das Gym- eröffnung“ gezeigt. Anschließend diskutierten Zeitzeugen nasium ist als UNESCO-Projektschule mit 7 000 Schulen aus der Region mit über 500 Schülern über den Herbst verbunden, sodass diese Themen weltweit ausstrahlen. 1989. Im Jahr 2010 hat die Autorin Grit Poppe in der Eine Mitarbeiterin der Außenstelle erarbeitete gemeinsam Aula des größten städtischen Gymnasiums in zwei Veran- mit einer Lehrerin der Schule eine didaktisch-methodi- staltungen aus ihrem Buch „Weggesperrt“ gelesen. Im sche Handreichung zur Arbeit mit der 2007 von der BStU Anschluss fanden sehr intensive Gespräche zwischen den herausgegebenen CD „Das Ministerium für Staatssicher- Schülern, Grit Poppe und dem Zeitzeugen Stefan Lauter heit. Materialien für den Unterricht“. Diese Handreichung statt. Die beiden Veranstaltungen wurden von insgesamt wurde bei einem Workshop der 44. Bundestagung der etwa 300 Schülerinnen und Schülern besucht. UNESCO-Projektschulen in der Lutherstadt Wittenberg im September 2009 vorgestellt. Seit Herbst 2010 steht sie 6.1.3.4 Weiterbildungen für Lehrkräfte und den Lehrern der deutschsprachigen UNESCO-Projekt- Multiplikatoren schulen sowie den Schulen auf dem Gebiet des ehemali- gen DDR-Bezirks Rostock zur Verfügung. Die 20. Jahrestage des Mauerfalls und der Deutschen Ein- Auf Initiative der Außenstelle Rostock wurde im Sommer heit führten im Berichtszeitraum zu einem sehr starken 2008 das schulübergreifende Filmprojekt „Die Deutsche Anstieg der Anfragen nach Weiterbildungsveranstaltun- Revolution 1989. Was war – Was ist – Was bleibt?“ ins gen bei der BStU. So hat sich die Anzahl der Fortbildun- Leben gerufen und fachlich begleitet. In Zusammenarbeit gen für Lehrkräfte und Multiplikatoren seit Januar 2009 mit dem Staatlichen Schulamt, dem Rostocker Bürger- mehr als verdoppelt. fernsehen rok-tv, dem „institut für neue medien“ und sie- Die Außenstellen führten im Berichtszeitraum 30 Fortbil- ben Schulen aus dem Schulamtsbezirk Rostock entstan- dungen durch. Die Außenstelle Magdeburg beteiligte sich den im Zeitraum 2008 bis 2009 sieben Dokumentarfilme. beispielsweise an dem Fortbildungskurs „Deutsch-deut- Darin setzen sich Schüler sehr unterschiedlich mit den Er- sche Zeitgeschichte und ihre Behandlung im Geschichts- eignissen, Motiven, Zielen und Erfahrungen aus dem unterricht“, der vom Landesinstitut für Schulqualität und Herbst 1989 in ihrer Heimatstadt auseinander. Das Film- Lehrerbildung Sachsen-Anhalt (LISA) und der Otto-von- projekt erhielt beim Filmfestival „FISH X“ in Rostock im Guericke-Universität Magdeburg initiiert worden war. Frühjahr 2010 den „Medienkompetenzpreis Schule“ des Dabei informierten Beschäftigte der Außenstelle die Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Lehrkräfte über die Angebote der BStU für Schulen und Mecklenburg-Vorpommern. die Möglichkeiten des Aktenzugangs für Forschungsar- Das Projekt „Delphin“ der Außenstelle und des Käthe- beiten. Der Erfolg dieses Projekts spiegelte sich nicht zu- Kollwitz-Gymnasiums Rostock nähert sich dem Thema letzt in schulischen Forschungsarbeiten wider, die im SED-Diktatur über die naturwissenschaftlichen Fächer. Nachgang zum Beispiel an einem Halberstädter Gymna- Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse erforschten über sium zum „17. Juni 1953“ eingereicht wurden, und in ein Schuljahr lang auf der Grundlage von Akten des MfS halbtägigen Fortbildungsveranstaltungen ganzer Lehrer- und Zeitzeugeninterviews die gescheiterten Fluchtversu- kollegien. – 92 –

In Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Schulamt Neu- Rechtsbeugung und der menschenrechtswidrige Umgang brandenburg und dem Institut für Qualitätsentwicklung mit Gegnern der SED-Diktatur sowie Fragen der Aufar- Mecklenburg-Vorpommern hat die Neubrandenburger beitung und der dafür notwendigen gesetzlichen Grundla- Außenstelle im Juni 2010 eine erste Fortbildungsveran- gen. staltung für Lehrer mit dem Themenschwerpunkt Staats- sicherheitsdienst durchgeführt. Führungen durch das Ar- Als dauerhafte Zusammenarbeit hat sich die deutsch-pol- chiv, Vorträge, Videobeiträge und intensive Gespräche nische Lehrkräftefortbildung etabliert, die seit 2003 fast haben dazu beigetragen, dass die teilnehmenden Lehr- jährlich angeboten wird. Sie wird zusammen mit dem Mi- kräfte in ihrem Unterricht künftig kompetenter mit die- nisterium für Bildung, Jugend und Sport des Landes sem Thema umgehen können. Brandenburg durchgeführt und ist eine direkte Konse- quenz der gemeinsamen Erklärung der Bundesbeauftrag- Die Zentralstelle führte Fortbildungsseminare vorrangig ten mit dem Brandenburgischen Bildungsminister aus für Lehrkräfte aus Berlin, dem westlichen Brandenburg dem Jahr 2002. Im Oktober 2009 stand in Słubice die Be- und den alten Bundesländern durch. Die Weiterbildungs- schäftigung mit dem Thema „20 Jahre danach: Die demo- seminare fanden sowohl bei der BStU als auch an den je- kratischen Revolutionen in Deutschland, Polen und weiligen Schulstandorten statt. Zur Weiterbildung nach Tschechien als Herausforderungen für die Bildung“ auf Berlin kamen 24 Lehrergruppen mit 652 Teilnehmern. der Tagesordnung. Nach Einladungen von vielen Schulleitungen, von Lan- desschulbehörden und einzelnen Volkshochschulen 6.1.3.5 Betreuung von Facharbeiten (Celle, Oldenburg, Löhne, Bergisch-Gladbach und Traun- Die individuelle Betreuung von Facharbeiten, Jahres- reut) wurden im Berichtszeitraum 49 Fortbildungsveran- arbeiten, besonderen Lernleistungen und Seminarfachar- staltungen mit insgesamt 1 485 Teilnehmerinnen und beiten, vornehmlich in den Fächern Geschichte, Politische Teilnehmern in den alten Bundesländern durchgeführt. Bildung und Sozialkunde, nahm im Berichtszeitraum Besonders bemerkenswert ist an dieser Stelle eine Initia- wiederum einen wichtigen Platz ein. Dabei arbeiten tive der Niedersächsischen Landesschulbehörde, Bereich Schülerinnen und Schüler an einem meist selbst gewähl- Fachberatung für das Unterrichtsfach Politik an berufsbil- ten Thema anhand von Aktenauszügen, Sekundärliteratur denden Schulen. Die BStU erhielt das Angebot, in oder Zeitzeugeninterviews. Die Ergebnisse werden in den Dienstberatungen der Fachgruppenleiter Politik an den Schulen als schriftliche Ausarbeitung eingereicht oder als berufsbildenden Schulen das Thema „DDR und MfS“ so- Referat präsentiert. wie die dazugehörenden Angebote für die Unterrichtsge- staltung vorzustellen. In acht Ganztagsveranstaltungen Insgesamt wurden von der BStU 20 Schülerprojektarbei- wurden die 221 Obleute aller 136 berufsbildenden Schu- ten betreut. Darüber hinaus wurden elf Studentinnen und len Niedersachsens mit der Thematik vertraut gemacht. Studenten bei der Anfertigung ihrer Examensarbeiten Die Obleute haben als Multiplikatoren die Aufgabe, die fachlich beraten und betreut. Informationen und Materialien im Kollegium ihrer Schu- len in Umlauf zu bringen, sodass damit etwa 4 000 Lehr- 6.1.3.6 Materialien kräfte nahezu direkt erreicht werden konnten. Inzwischen haben sich mehrere berufsbildende Schulen aus Nieders- Neben dem bereits erwähnten Unterrichtsfilm entwickelte achsen an die BStU gewandt und um Materialien sowie die BStU weitere neue schulverwendbare Materialien, Unterstützung bei Schülerprojekten gebeten. darunter auch solche mit regionalem Bezug. Die von der BStU seit 2003 herausgegebene Broschürenreihe „Quel- Ebenso hervorzuheben ist die Zusammenarbeit mit der len für die Schule“ ist inzwischen zu einem in vielen Volkshochschule Celle. Auf Initiative der Volkshoch- Schulen gern genutzten Arbeitsmaterial geworden. Das schule führte die BStU in Celle eine Veranstaltungsreihe beweisen sowohl die ausnahmslos positiven Meldungen über das Leben in der DDR und das MfS durch. An den von Geschichts- und Politiklehrkräften aus der gesamten drei Veranstaltungen nahmen 105 Personen teil. Republik als auch die gleichbleibend hohen Bestellzahlen Auch die Anzahl der Studienseminare, die für ihre Lehr- der Broschüren. Aus diesem Grund mussten beispiels- amtsreferendare die Angebote der BStU nutzen wollen, weise die Quellen 1 bis 3 im Berichtszeitraum zum drit- hat deutlich zugenommen. So fanden im Berichtszeit- ten Mal neu aufgelegt werden. Gleichzeitig wurde die raum 15 Weiterbildungsveranstaltungen für Lehramtsre- Reihe um eine weitere Broschüre ergänzt. Im Oktober ferendare statt. Einzelne Studienseminare haben die Wei- 2010 erschien die Quelle Nr. 6, in der der Fall von vier im terbildungen zur Behandlung des Themas „DDR und MfS Jahr 1988 in der Berliner Carl-von-Ossietzky-Schule rele- im Unterricht“ inzwischen als regelmäßige Veranstaltun- gierten Schülern vorgestellt wird. Die Jugendlichen wur- gen in ihr Programm aufgenommen. den von der Schule verwiesen, weil sie sich offen gegen Militärparaden und Rechtsextremismus in der DDR aus- Die seit 2003 regelmäßig durchgeführten Eintagesveran- gesprochen hatten. Der Fall wurde öffentlich und rief eine staltungen für Rechtsreferendare des Berliner Kammerge- bis dahin nicht gekannte Welle der Solidarität hervor. In richts zum Thema „Politische Justiz in der DDR“ fanden Verbindung mit der Quelle Nr. 5 ermöglicht die neue Bro- im Berichtszeitraum weiterhin zweimal jährlich statt. In- schüre den Lernenden den Vergleich zwischen Repres- haltliche Schwerpunkte waren die Rolle des MfS als Er- sionsmaßnahmen gegen Schüler in der DDR in den mittlungs- und Untersuchungsorgan, Fallbeispiele für 1960er- und 1980er-Jahren. – 93 –

Die BStU kann die Durchführung von Seminaren und beim „Quellen-Zeitzeugen-Projekt“ für Schulklassen zu- Fortbildungsveranstaltungen für Lernende und Lehrkräfte sammen. Dabei können die Schüler auch die Diskussion aus Gründen der Personalkapazität nur noch begrenzt eines ehemaligen inoffiziellen Mitarbeiters mit einem ausbauen. Daher entwickelt sie neben ihrer Arbeit mit durch seine Berichte zu mehreren Jahren Gefängnis Ver- Multiplikatoren auch praxisorientierte Angebote, die ei- urteilten verfolgen. Im Rahmen dieses Projekts entstand nen großen Kreis interessierter Lehrkräfte erreichen und auch der Dokumentarfilm „Feindberührung“, der bei Ver- ihnen gesicherte Informationen an die Hand geben. Aus anstaltungen in der Außenstelle verwendet wird. diesem Grund stellt die BStU Unterrichtsmaterialien wie die „Quellen für die Schule“ oder einen Foliensatz auch Eine herausragende Zusammenarbeit besteht nach wie als Downloads ins Internet, das zukünftig noch stärkere vor mit der hessischen Landeszentrale für politische Bil- Bedeutung für die Verbreitung der Bildungsangebote er- dung. Dabei ist besonders erwähnenswert, dass viele un- halten wird. terschiedliche Schulen erreicht werden. Das Thema wird so sehr breit und nachhaltig „gestreut“, weil die projekt- Die Materialien der BStU für die historisch-politische begleitenden Lehrkräfte in der Folgezeit das Thema auf Bildungsarbeit sind im Anhang 11 aufgeführt. der Grundlage von Bildungsmaterialien der BStU eigen- ständig umsetzen können. Dies rechtfertigt auch den Mit- 6.1.3.7 Kooperationspartner arbeitereinsatz der BStU, der nicht den Geschichtsunter- richt an einer einzigen Schule dauerhaft ersetzt, sondern Für überregionale Vorhaben hat sich die Zusammenarbeit flächendeckend Impulse für die weitere Arbeit zum in der sogenannten trilateralen Arbeitsgemeinschaft aus Thema Staatssicherheitsdienst durch die Lehrkräfte vor BStU, der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED- Ort gibt. Bereits zum siebten Mal in Folge konnte in Koo- Diktatur und der Bundeszentrale für politische Bildung peration von BStU und hessischer Landeszentrale eine bewährt. Im Jahr 2010 reagierte diese Arbeitsgruppe auf viertägige Lehrkräftefortbildung in Berlin angeboten wer- einen Beschluss der Kultusministerkonferenz vom den. Die Resonanz ist so positiv, dass eine Wiederholung 18. Juni 2009, der festlegt, dass in jedem Jahr am 9. No- für 2011 bereits feststeht. Vier eintägige Fortbildungen vember ein Projekttag in Schulen durchgeführt wird. Ziel für hessische Lehrkräfte ergänzen dieses Bild. dieses Projekttages ist es, eine vertiefte Auseinanderset- zung mit dem „Zeitalter der Extreme“ in Deutschland im Eine für die Bildungsarbeit der BStU möglicherweise 20. Jahrhundert anzuregen und damit zur Demokratieer- richtungweisende Zusammenarbeit hat sich in den Au- ziehung beizutragen. Das Datum des 9. November steht ßenstellen Rostock und Gera entwickelt. Die staatlichen im 20. Jahrhundert zugleich für die verhängnisvollen und Schulämter Rudolstadt/Ilmkreis, Jena/Stadtroda und die glücklichen Momente der deutschen Geschichte, vor Gera/Schmölln haben sich bereit erklärt, für einen befris- allem für die Pogromnacht vom 9. November 1938 und teten Zeitraum Lehrkräfte zur BStU abzuordnen. Ebenso die Maueröffnung am 9. November 1989. Die drei Ein- hat das staatliche Schulamt Rostock zunächst für ein Jahr richtungen stellten einen Flyer mit Angeboten und Anre- eine Lehrerin abgeordnet, die als Unterstützungslehrerin gungen für die Ausgestaltung eines Projekttages am in der Dokumentations- und Gedenkstätte tätig wird. Ziel 9. November zusammen. Dieser soll sich mit Fragen von ist es, zusammen mit den Außenstellen Bildungsangebote Mut und Zivilcourage im Großen wie im Kleinen be- zum Thema Staatssicherheitsdienst zu entwickeln und schäftigen. Vorgestellt wurden die Angebote in einem diese in die Schulen zu bringen. Darin liegt eine große Workshop am 28. Juni 2010 in den Räumen der Bun- Chance, den Schulen in der Region regionalspezifische desstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Das und unterrichtspraktische Materialien zur Verfügung zu Online-Angebot ist unter www.projekttag-deutsche- stellen und Lehrkräfte zu qualifizieren. geschichte.de zu finden. Auch die Zusammenarbeit mit dem Verband der Ge- 6.2 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit schichtslehrer Deutschlands e. V. wurde ausgebaut. Auf 6.2.1 Pressearbeit Einladung des Landesverbands Hessen konnte ein Mitar- beiter der BStU im Mai 2010 auf dem dortigen Histori- Mit großem Interesse nahmen in- und ausländische Me- kertag über die Funktion des MfS zur Sicherung der dien im Berichtszeitraum die Arbeit der Stasi-Unterlagen- SED-Diktatur referieren und die Angebote der BStU für Behörde zur Kenntnis. Ereignisse wie die 20. Jahrestage den Unterricht vorstellen. Der Landesverband Branden- der Friedlichen Revolution, der Besetzung der Dienststel- burg lud gemeinsam mit dem Verband der Politiklehrer len des MfS in den Regionen und in Berlin, des Volks- Deutschlands e. V., Landesverband Brandenburg, zu einer kammer-Gesetzes über die Sicherung und Nutzung der eintägigen Lehrkräftefortbildung zum Thema Staats- personenbezogenen Daten des ehemaligen MfS/AfNS, sicherheit nach Berlin ein. des Mauerfalls und nicht zuletzt der Gründung der Stasi- Unterlagen-Behörde bildeten den Schwerpunkt der Pres- Die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Landesbeauf- searbeit. Zahlreiche Interview-, Dreh- und Auskunfts- tragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes anfragen an die Pressestelle – deutlich mehr als in vergan- gehört im Bildungsbereich zur Selbstverständlichkeit. genen Jahren – dokumentieren dies. Gemeinsame Tagungen wie die unter Kapitel 6.1.3.2 „Be- sondere Projekte“ genannte in Berlin stehen dabei neben Die sehr große Zahl von Eigen- und Kooperationsveran- regionalen Kooperationen. So arbeitet die Außenstelle staltungen, Ausstellungen und Publikationen im Zusam- Erfurt regelmäßig mit der Thüringer Landesbeauftragten menhang mit den Ereignissen der Friedlichen Revolution, – 94 – von den Kommunalwahlen in der DDR am 7. Mai 1989 Mit einer eigenen kleinen Website im Internetauftritt der bis zur Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990, mündeten BStU unter der Domain www.demokratie-verspruehen.de in eine verstärkte Pressearbeit. Beispielhaft seien die wurde das von der Außenstelle Leipzig initiierte Projekt Festveranstaltungen zu den 20. Jahrestagen der Beset- „DemokratieVersprühen“ unterstützt (siehe Kapitel 6.1.2.2 zung der MfS-Dienststellen in den ehemaligen Bezirken und 6.1.3.2). Hier konnten sich die Jugendlichen über das der DDR und der Zentrale des Ministeriums für Staats- sachsenweite Projekt informieren, sich anmelden und die sicherheit in Berlin zu nennen. Für die Veranstaltungen Ergebnisse der einzelnen Workshops anschauen. Ein Son- am 15. und 16. Januar 2010 in Berlin konnten die Tages- derprojekt auf der Internetseite mit dem Titel „Am Vor- zeitung Der Tagesspiegel und der Rundfunk Berlin-Bran- abend der Friedlichen Revolution“ dokumentiert wegwei- denburg als Medienpartner gewonnen werden. sende Ereignisse in den vorrevolutionären Jahren 1987/88 aus der Perspektive des Staatssicherheitsdienstes. Der Be- Auch die alltägliche Pressearbeit überstieg den sonst übli- reich behandelt ausgewählte Ereignisse in chronologi- chen Umfang. Anfragen von Journalisten aus dem In- und scher Reihenfolge, die für die Entwicklung zur Revolu- Ausland von Europa über Nord- und Südamerika bis tion eine bedeutende Rolle gespielt haben. Hunderte Asien waren zu beantworten, Interviews der Bundesbe- Dokumente aus den Archiven der BStU unterlegen die auftragten, des Direktors der Behörde, leitender und wis- historischen Zusammenhänge. senschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorzu- bereiten und zu begleiten. Interviewanfragen waren Im Archivbereich lag ein Schwerpunkt auf der Einstel- häufig mit Drehanfragen verbunden, die von der Presse- lung weiterer Findmittel für die erschlossenen Unterlagen stelle betreut wurden. des Staatssicherheitsdienstes. Auch der Ausbau der Ar- chivseiten der Außenstellen wurde fortgesetzt. Im Be- Als Dienstleistung für die Medien konzipiert waren die richtszeitraum wurde eine Reihe von Aktenverzeichnis- Pressemitteilungen der 14-teiligen Serie „Kennen Sie die- sen zu Diensteinheiten der Bezirksverwaltungen und ses Dokument zur Friedlichen Revolution?“ Zu bedeutsa- Kreisdienststellen des MfS veröffentlicht. Im Gegensatz men Daten des Revolutionsjahres 1989 bis zum Ende des zu gedruckten Übersichten bieten diese Verzeichnisse Staatssicherheitsdienstes 1990 wurden Text- und audio- knappe Einleitungstexte zu den betreffenden Unterlagen visuelle Dokumente aus den Archiven der BStU ausge- und verzichten auf ausführliche Register. Neu aufgenom- wählt, vor allem um die Entwicklungen aus der Sicht- men in den Internetauftritt des Archivs wurden ausge- weise des Staatssicherheitsapparates in der regionalen wählte Beispiele personenbezogener Karteien von Teilbe- oder auf der Führungsebene darzustellen bzw. in Erinne- ständen der Zentralstelle. Die Darstellung besteht aus rung zu rufen. Abbildungen repräsentativer Karteikarten und einem be- Viele Anfragen an die Pressestelle bezogen sich auf den schreibenden Text. Aktenfund zu dem ehemaligen Westberliner Polizisten Karl-Heinz Kurras, der 1967 Benno Ohnesorg erschoss Zum Thema „20 Jahre Friedliche Revolution“ ging im und der für den Staatssicherheitsdienst gearbeitet hatte März 2009 die Internetseite www.friedlicherevolution.de (siehe Kapitel 4.3.1.3 und 5.2.2). Darüber hinaus waren online. Das vom Netzwerk „Kooperative Berlin“ betreute für die Medien von großem Interesse: die Debatte um den Internet-Portal wurde mit Mitteln der BStU, der Bundes- Verbleib ehemaliger Mitarbeiter des Staatssicherheits- stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, des Freistaa- dienstes in den Verwaltungen und die Diskussionen um tes Sachsen und in Kooperation mit dem Zentrum für die Überprüfung des 2009 neu gewählten Brandenburger Zeithistorische Forschung Potsdam konzipiert und reali- Landtags auf eine mögliche Zusammenarbeit der Abge- siert. In einem umfangreichen Kalender wurden weit über ordneten mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR. 1 000 Veranstaltungen rund um das Thema in ganz Deutschland zusammengetragen und interessierten Zusammenfassend lässt sich einschätzen, dass die starke Bürgerinnen und Bürgern übersichtlich zugänglich ge- Aufmerksamkeit, die im Berichtszeitraum auf die Arbeit macht. Mit vielen Interviews, Besprechungen, Themen- der Behörde gerichtet wurde, die Anerkennung seitens paketen, einem Medienmonitor und einem wöchentlich der Medien unterstreicht, dass die Stasi-Unterlagen-Be- erscheinenden Radioformat wurden unterschiedlichste hörde eine wichtige Säule der Aufarbeitung der jüngeren Aspekte anschaulich und lebendig aufbereitet. Das „Ar- deutschen Geschichte ist. chiv der Auseinandersetzung“ bot Veranstaltern die Mög- lichkeit, Mitschnitte und Berichte eigener Veranstaltun- 6.2.2 Öffentlichkeitsarbeit gen zu veröffentlichen und so einem breiten Publikum vorzustellen. Die Website konnte bis Dezember 2010 6.2.2.1 Internet rund 280 000 Seitenaufrufe und rund 120 000 Besuche Die Internetseite www.bstu.de erfreute sich eines regen verzeichnen. Interesses. Im Berichtszeitraum wurden rund 64 000 Be- suche und rund 380 000 Seitenaufrufe pro Monat gezählt. 6.2.2.2 Seminare und Besuchsprogramme für Journalistinnen und Journalisten Mit einem umfangreichen Relaunch des Internetauftritts ist begonnen worden. Für die Pflege der Webseiten nutzt Zum festen Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit der die BStU das einheitliche Content-Management-System BStU gehören Seminarangebote und Besuchsprogramme für die Bundesverwaltung aus der E-Government-Initia- für Journalistinnen und Journalisten. Die Programme tive BundOnline: den Government Site Builder (GSB). werden aus einzelnen Modulen je nach Interesse der – 95 –

Gruppe zusammengestellt. Zu den Gästen der BStU zähl- Im Berichtszeitraum besuchten verstärkt Gruppen aus ten im Berichtszeitraum u. a. die Medienakademie von dem Ausland das Archiv. So kamen Journalisten aus ARD und ZDF, die Volontäre des NDR aus allen Landes- 20 Ländern Europas, Asiens und Nordamerikas über den funkhäusern, die Axel-Springer-Akademie sowie das Verein der Ausländischen Presse in Deutschland in die Journalistische Seminar der Universität Mainz. BStU. Journalisten aus der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS), Menschenrechtsexperten aus Lateiname- Die Angebote der BStU richten sich an Journalisten, vor rika sowie Mitglieder des Europäischen Parlaments infor- allem Volontäre und Studierende der Publizistik/Journa- mierten sich über die Arbeit der Behörde und des Ar- listik, die sich einen Überblick über die Entstehung der chivs. Im Juli 2010 wurde die erste Archivführung für Behörde und ihre Aufgaben verschaffen möchten. Wäh- Gehörlose mit Hilfe von Gebärdendolmetschern organi- rend in der Vergangenheit vor allem Fachvorträge nach- siert. Der anschließende Bericht im Internet führte zu ver- gefragt wurden, richtete sich das Interesse im Berichts- mehrten Anfragen nach Wiederholungsterminen. zeitraum stärker auf Grundinformationen zum MfS, zum Archiv und zu den journalistischen Arbeitsmöglichkeiten Die BStU hat auch 2010 am bundesweiten „Tag der Ar- bei der BStU. chive“ teilgenommen, der unter dem Motto „Dem Ver- borgenen auf der Spur“ stand. Neben dem Archiv der Insgesamt führte die BStU im Berichtszeitraum sieben Zentralstelle in Berlin-Lichtenberg beteiligten sich die Programme unterschiedlicher Länge mit rund 175 Teil- Außenstellen in Erfurt, Frankfurt (Oder), Leipzig, Mag- nehmerinnen und Teilnehmern durch. deburg, Rostock und Schwerin mit Archiv- und Gelände- führungen, Ausstellungen, Lesungen, Musterakten, Präsentationen und Vorträgen – teils im Verbund mit wei- 6.2.2.3 Weitere Angebote teren Archiven der Region. Ein Publikumsmagnet in Ber- Im Jahr 2009 legte die Behörde in Zusammenarbeit mit lin war eine Präsentation des Landeskriminalamtes. Die Experten zeigten, wie vom MfS geschwärzte Unterlagen der Autorin und Literaturwissenschaftlerin Prof. Ines mit Hilfe spektralselektiver Untersuchungen – also Be- Geipel, der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst strahlung mit Licht verschiedener Wellenlängen – wieder Busch“ Berlin und dem Verlag Büchergilde Gutenberg lesbar gemacht werden können. eine Reihe szenischer Lesungen mit dem Titel „Unter Verschluss“ auf. In einer Collage wurden Texte in Szene Die Außenstelle Dresden beteiligte sich am 80. Deut- gesetzt, die der staatlich geduldeten Ästhetik in der DDR schen Archivtag, der 2010 in Dresden stattfand. Mit re- nicht gehorchten und vom Staatssicherheitsdienst oder gem Interesse an den Archiven der BStU nahmen die den unterschiedlichen Zensurstellen als schädlich oder Teilnehmer des Archivtages die Angebote zu Führungen systemzersetzend eingestuft worden waren. Dieser unver- im Archiv der Außenstelle Dresden wahr. Gleiches gilt öffentlichten Literatur wurden Auszüge aus den Stasi-Un- für die Beteiligung an den Veranstaltungen des Freistaates terlagen der Autoren und Dokumenten des MfS, wie z. B. Sachsen zum Tag der Deutschen Einheit. An diesem Tag Dienstanweisungen, gegenübergestellt. Die szenische Le- informierten sich über 700 Besucherinnen und Besucher sung „Unter Verschluss“ wurde im Jahr 2009 in elf Städ- über die Arbeit der Behörde, die Möglichkeiten der per- ten, u. a. in Dresden, Rostock, Karlsruhe und Oldenburg, sönlichen Akteneinsicht sowie die Publikationen der insgesamt 13-mal aufgeführt. Ebenso war das Stück am BStU. 16. Januar 2010 auf dem Bürgerfest zum 20. Jahrestag Bei den zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen der Besetzung der Zentrale des MfS in der Berliner Nor- Einheit in Saarbrücken (2009) und Bremen (2010) war die mannenstraße zu sehen. Rund 1 600 Besucherinnen und Behörde jeweils mit einem Informationsstand vertreten. Besucher konnten insgesamt gezählt werden. Gefördert Großer Andrang herrschte auch am Informationsstand der wurde das Projekt u. a. vom Deutschen Literaturfonds. BStU am Mecklenburg-Vorpommern-Tag in Schwerin (14./15. August 2010) und am Tag der offenen Tür der Nach wie vor ziehen die Archive der Zentralstelle und der Bundesregierung im Bundespresseamt (21./22. August Außenstellen besonders große öffentliche Aufmerksam- 2010). Den Besuchern standen umfangreiches Informa- keit auf sich. Im Jahr 2009 hatten sich insgesamt tionsmaterial sowie Beratungsangebote zum Thema 296 Gruppen mit rund 3 400 Besucherinnen und Besu- Akteneinsicht zur Verfügung. chern allein im Archiv der Zentralstelle angemeldet. 2010 waren es 328 Gruppen mit 3 893 Besuchern. Neben den Führungen für angemeldete Gruppen finden in den Archi- 6.2.2.4 Broschüren und Informationsmaterialien ven in der Regel an einem Abend im Monat Führungen Die Standard-Flyer der Behörde mit Grundinformationen für interessierte Einzelbesucherinnen und -besucher statt. zu einzelnen Dienstleistungsangeboten sind weiterhin Das Archiv der Zentralstelle der BStU in Berlin bietet stark nachgefragt und wurden aktualisiert nachgedruckt. darüber hinaus monatlich zwischen April und Oktober, Das Layout für Flyer, Einladungskarten und Plakate für bei Bedarf auch zusätzlich, öffentliche Geländeführungen Veranstaltungen wurde neuen Anforderungen angepasst. an. Durch den Hinweis im Internet stieg die Nachfrage Für die Herausgabe von digitalisierten Materialien des der Besucher, die auch aus dem Ausland kamen, an. Die Archivs wie Filme oder Tonaufzeichnungen wurde ein Interessierten können sich einen Eindruck von der Ent- einheitliches Design entwickelt. Damit ist nun auch die- wicklung des Stadtraumes rund um die MfS-Zentrale in ser Bereich ins Corporate Design der Behörde integriert. Berlin-Lichtenberg zwischen 1945 und 1989 verschaffen. Zu Werbezwecken wurden ganzseitige Anzeigen entwi- – 96 – ckelt und in regionalen Broschüren und im „Berliner Bereits mit seiner Entschließung vom 2. April 2009 for- Fenster“, einem Werbemedium in den Berliner U-Bah- derte das Europäische Parlament die Errichtung einer nen, geschaltet. Plattform für das Gedächtnis und das Gewissen Europas, um die Vernetzung und die Zusammenarbeit nationaler Für das sachsenweite Projekt „DemokratieVersprühen“ Forschungsinstitute zu unterstützen, deren Fachgebiet die entwarf die Öffentlichkeitsarbeit ein Gesamtpaket an Geschichte des Totalitarismus ist. Ziel ist außerdem die Werbemitteln, darunter eine Broschüre, die das Projekt Errichtung eines gesamteuropäischen Dokumentations- vorstellt und dokumentiert, sowie Flyer, Plakate und Auf- zentrums bzw. einer gesamteuropäischen Gedenkstätte kleber für die verschiedenen Veranstaltungsorte. Für die für die Opfer aller totalitären Regime. In der Zeit der „Runde Ecke“ in Leipzig wurde ein großes Werbebanner tschechischen Ratspräsidentschaft wurde der Initiative für die Außenfassade des Hauses gestaltet und produziert. mit einem Hearing am 18. April 2009 in Brüssel weitere Für die Reihe szenischer Lesungen „Unter Verschluss“ Tragweite verliehen. wurde ebenfalls eine Palette von Werbematerialien erar- Ende April 2010 waren Mitarbeiter der BStU zu einer Ta- beitet. In Kooperation mit dem Verlag Büchergilde Gu- gung des Centro Documental de la Memoria Historica, tenberg entstanden zwei Programmhefte sowie Einla- dem Archiv des spanischen Bürgerkrieges, eingeladen. dungskarten, Flyer und Plakate. Insgesamt wurden im Auch andere Einrichtungen aus dem Netzwerk der Aufar- Berichtszeitraum rund 360 Veranstaltungen der Behörde beitungsbehörden waren vertreten. Ziel des spanischen mit Werbematerialien unterstützt. Archivs ist eine multinationale Vernetzung mit Institutio- nen, die sich allgemein mit dem Erbe totalitärer Regime 7 Internationalisierung der Aufarbeitung befassen (siehe auch Ausführungen zu Spanien in Kapi- Im Neunten Tätigkeitsbericht wurde ausführlich über die tel 7.2). Gründung des „Europäischen Netzwerkes der für die Ge- Beide Modelle befinden sich noch im Anfangsstadium heimpolizeiakten zuständigen Behörden“ informiert. In und es wird sicherlich noch größeren Abstimmungsbedarf der Gründungsveranstaltung wurde die BStU einstimmig auf verschiedenen Ebenen erfordern, bis die konkrete Ar- mit der Geschäftsführung für das erste Arbeitsjahr (2009) beit aufgenommen werden kann. beauftragt. Der Behörde oblag es damit, neben der Ein- richtung von Arbeitsstrukturen auch ein erstes für die Öf- 7.1 Die Arbeit des Netzwerkes 2009/2010 fentlichkeit interessantes Projekt zu realisieren. Der ent- standene Reader gibt einen vergleichenden Überblick Nach der Gründungsphase des „Europäischen Netzwer- über den Zugang zu den Akten, die Rechtsgrundlagen kes der für die Geheimpolizeiakten zuständigen Behör- und die jeweiligen Dienstleistungen der im Netzwerk zu- den“ nahm die BStU zu Beginn des Jahres 2009 die Pla- sammengeschlossenen Behörden (siehe Kapitel 7.1). nungen für das Jahr des Vorsitzes im Netzwerk auf. Ab Februar 2009 konstituierte sich die Koordinierungs- Darüber hinaus erfreute sich die Behörde weiterhin eines gruppe. Dieses Gremium stellt die Arbeitsebene dar, wel- regen Interesses von Gästen und Institutionen außerhalb che die öffentlichkeitswirksamen Auftritte des Netzwer- der im Netzwerk vertretenen Länder. Wiederholt zeigte kes abstimmt und vorbereitet. Gleichzeitig gewährleistet sich bei Besuchen und Gesprächen, dass die Arbeit der es einen steten Nachrichtenaustausch zu den Leitungen BStU international anerkannt und Expertenrat aus den der Einrichtungen. verschiedenen Abteilungen des Hauses nachgefragt wird. Vermittler solcher Begegnungen sind u. a. die parteinahen Die Koordinierungsgruppe erarbeitete Vorschläge, wie Stiftungen, die Goethe-Institute, die Deutsche Gesell- das oben schon erwähnte erste gemeinsame Projekt der schaft für Auswärtige Politik e. V., die Robert Bosch Stif- Netzwerkbehörden (Reader) zu gestalten wäre. Auf ihrer tung, das Auswärtige Amt, die Europäische Akademie Tagung im April 2009 in Berlin stimmte die Koordinie- Berlin. Sie sind oftmals selbst Gastgeber und fragen bei rungsgruppe u. a. die Inhalte der ersten jährlichen Konfe- der BStU an bzw. reagieren auf den gezielten Besuchs- renz des Netzwerkes ab, die im Sitzland der jeweils ge- wunsch der ausländischen Gäste entsprechend. schäftsführenden Behörde stattfindet. Eine Auswahl der Besuche und Gespräche aus dem Be- Am 23. Juni 2009 trafen sich die Netzwerkvertreter nach richtszeitraum ist in Kapitel 7.2 beschrieben. der Gründungsveranstaltung ein weiteres Mal in der Ver- Interessant sind weitere Initiativen aus dem Ausland, die tretung der Europäischen Kommission (Europäisches sich mit der Aufarbeitung von Diktatur-Vergangenheit in Haus) in Berlin in unmittelbarer Nähe des Brandenburger europäischer bzw. internationaler Perspektive befassen. Tors. Auf ihrer ersten jährlichen Konferenz berieten sie Die Ansätze sind dabei unterschiedlich. über gemeinsame Strategien zur Aufarbeitung auf euro- päischer Ebene. Unter anderem stellten die Vertreter aus Das tschechische Institut für das Studium totalitärer Re- Prag ihre Planungen für das weitere Vorgehen nach der gime – ÚSTR – hat eine Arbeitsgruppe zur Bildung einer am 2. April 2009 verabschiedeten Resolution des Europä- Plattform gegründet, die einen breiten Ansatz hat (Plat- ischen Parlaments vor. Andere mögliche gemeinsame Li- form of European Memory and Conscience). Sie soll auf nien wurden diskutiert. Für die Geschäftsführung im europäischer Ebene Ursachen und Auswirkungen totalitä- Netzwerk im Jahr 2010 wählten die Behördenleiter ein- rer Regime untersuchen, die Öffentlichkeit unterrichten stimmig das polnische Institut des Nationalen Gedenkens und gegen Intoleranz und Extremismus gerichtet sein. (IPN). – 97 –

Der zweite Teil der Konferenz hatte öffentlichen Charak- des mit der polnischen Präsidentenmaschine am 10. April ter und stand unter dem Titel „Was sollen unsere Kinder 2010 verunglückten Leiters des IPN, Prof. Kurtyka, und wissen? Historisch-politische Bildung zu Geheimpoli- Ausführungen über das zehnjährige Bestehen des IPN. Im zeien in kommunistischen Diktaturen“. Vertreter aus ver- Rahmen einer Panel-Diskussion unter dem Titel „How schiedenen Ländern berichteten vor allem zu Bildungsan- the functioning of the institutes of remembrance influ- geboten und über die Reflexion der Vergangenheit ences the social conscience“ hatten Vertreter aller Netz- insbesondere unter der Jugend. werkbehörden Gelegenheit, die Sicht aus ihrem jeweili- gen Land darzustellen. Im dritten Teil konnte im Verbund mit dem Journalisten- netzwerk n-ost und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Neben der Arbeit des gesamten Netzwerkes sei an dieser eine Podiumsdiskussion angeboten werden, die unter dem Stelle auf einige Veranstaltungen hingewiesen, die ein- Titel „Wir müssen alles wissen. Aufarbeitung der Ge- zelne Netzwerkpartner unter Beteiligung der BStU orga- heimdienstakten im östlichen Europa“ nicht nur die sie- nisierten: ben Netzwerkländer umfasste. Die Veranstaltung wurde Mitte April 2009 veranstaltete die bulgarische COMDOS von der Robert Bosch Stiftung und dem Polnischen Insti- in Sofia eine internationale Tagung, zu der sie anlässlich tut Berlin unterstützt. ihres zweijährigen Bestehens eine Arbeitsbilanz präsen- Anfang 2010 konnte das erste Exemplar des Readers über tierte. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Die Ar- die Netzwerkorganisationen der Öffentlichkeit präsentiert chive der früheren Geheimpolizeien – eine geschichtliche werden. Mit dem gedruckt und auch via Internet in deut- Wissensquelle“. Zum Panel „Archive: Verschiedene scher und englischer Sprache vorliegenden Kompendium Wege zur Nutzung und Interpretation geschichtlicher Er- existiert nun erstmals eine handliche und allgemeinver- eignisse“ sprach der Leiter der Abteilung Verwendung ständliche, nach festen Strukturebenen (Geschichte, Auf- der Unterlagen der BStU. gaben, Struktur, Archiv, Aktenzugang, Kooperationen, Ende Mai 2009 organisierte das Prager Institut für das Perspektiven) gegliederte Übersicht zu den im Netzwerk Studium totalitärer Regime (ÚSTR) einen Archiv-Work- zusammengeschlossenen Behörden, die auch die jeweili- shop. Spezialisten aus den Partnereinrichtungen berichte- gen nationalen Gesetze zum Zugang und zur Nutzung der ten in vier Panels über ihre besonderen Erfahrungen mit Geheimpolizeiakten in autorisierter englischer Überset- den Geheimpolizeihinterlassenschaften, über die Zu- zung abbildet. Jede der Einrichtungen kann den Reader in gangsmöglichkeiten für die Öffentlichkeit, Findmittel die Landessprache übersetzen lassen und für ihre Arbeit und Digitalisierungsansätze. nutzen. Nicht nur in Deutschland erfreut sich die Publika- tion großen Zuspruchs, auch aus Polen und Rumänien er- Das slowakische Institut des Nationalen Gedenkens reichte die BStU positive Resonanz. Vor allem in Buka- (ÚPN) hatte anlässlich der Erinnerung an die Samtene rest gab es bereits eine hohe Nachfrage seitens der Revolution vor 20 Jahren mehrere Veranstaltungen orga- Universitäten und Hochschulen. nisiert. Eine davon war eine wissenschaftliche internatio- nale Konferenz am 12. November 2009 in Bratislava. Ex- Mit Beginn des Jahres 2010 ging der Vorsitz im Netzwerk perten der BStU sprachen zum Thema der zerrissenen an das IPN über. Der damalige Leiter, Prof. Janusz Stasi-Unterlagen und deren mögliche Rekonstruktion. Kurtyka, stellte erste Pläne für die Zeit der polnischen Geschäftsführung vor. Präzisiert wurden diese Planungen Vom 24. bis 26. Februar 2010 fand in Prag eine Konfe- während der internen Klausurtagung des Netzwerkes am renz mit internationalen Gästen zum Thema „Crimes of 30. März 2010 in Warschau. So soll im Jahr 2011 als ge- the Communist Regimes“ in der Senatshalle des Parla- meinsames Projekt unter Federführung des IPN eine Pu- ments statt. Der Direktor der BStU war dort mit einem blikation erscheinen, in der alle Netzwerkeinrichtungen Vortrag vertreten. Neben dem Senat war das ÚSTR Aus- auf ihre Archive fokussiert berichten. richter der Konferenz. Zusätzlich gab es dort ein Treffen der Arbeitsgruppe, die sich mit der Schaffung einer „Plat- Die jährliche Konferenz der Netzwerkbehörden fand, ver- form of European Memory and Conscience“ befasst. bunden mit einer internen Klausurtagung, am 7. und 8. Oktober 2010 in Warschau statt. Begleitend wurde eine 7.1.1 Bilaterale Kooperationen innerhalb Ausstellung über die Geheimpolizeiakten aus dem frühe- des Netzwerkes ren Ostblock gezeigt, die unter Mitwirkung der Partner- behörden entstanden ist. Während der internen Klausurta- Neben der Vereinbarung über die Zusammenarbeit der gung wurden verschiedene Aspekte der gemeinsamen sieben Partnerbehörden im Netzwerk gibt es mittlerweile Arbeit besprochen und der Arbeitsstand des Publikations- verschiedene bilaterale Kooperationsvereinbarungen zwi- projekts zu den Aufgaben und Tätigkeiten der Archive schen den einzelnen Einrichtungen. Für die BStU waren vorgestellt. Beschlossen wurde, dass nach dem polni- im Berichtszeitraum folgende von Bedeutung, für die die schen IPN der rumänische CNSAS den Vorsitz im Netz- Initiativen von den jeweils genannten Ländern ausgingen. werk übernehmen sollte. Ihm wird die bulgarische soge- nannte Kostadinov-Kommission (amtlich: COMDOS) Bulgarien folgen. Die bulgarische COMDOS wandte sich mit der Bitte um Im Mittelpunkt des öffentlichen Teils der Netzwerkkonfe- Abschluss eines Kooperationsvertrages an die BStU, der renz standen am zweiten Veranstaltungstag die Ehrung am 4. Dezember 2009 im Beisein des Ständigen Vertre- – 98 – ters der Deutschen Botschaft in Sofia, Dietrich Becker, Salamanca das zweite internationale Treffen von Erinne- unterzeichnet wurde. Die bulgarische Presse nahm das rungszentren statt. Die Palette der Teilnehmer reichte von Treffen der Partner interessiert auf und es gab diverse Vertretern der Résistance-Vereinigungen bis zu solchen Fragen, die sich auf die Zusammenarbeit der kommunisti- von Yad Vashem. Neben einem Vertreter der BStU waren schen Geheimpolizeien bis 1989 bezogen. Das Abkom- weitere Gäste aus den im Netzwerk der Geheimpolizeiar- men hat eine Laufzeit von zunächst drei Jahren. chive vertretenen Einrichtungen zugegen. Verschiedenste Ansätze des Umgangs mit diktatorischer Vergangenheit Aufbauend auf diese Kooperationsvereinbarung weilte wurden vorgestellt. Weitergehendes Ziel der Veranstalter eine fünfköpfige Delegation von COMDOS zwischen war es, ein Netzwerk der einschlägigen Institutionen zu dem 25. und 29. Oktober 2010 bei der BStU in Berlin. Im schaffen. Zu diesem Zweck erarbeiteten sie eine „Sala- Vordergrund des Interesses der bulgarischen Gäste stan- manca Charta“. Sie fordert alle Institutionen, die über ent- den Sachfragen aus der Arbeit mit den Unterlagen der sprechende Aktenbestände verfügen, demokratisch ver- Geheimpolizeien und archivfachliche Themen, da man in fasst sind und sich der Aufarbeitung der Totalitarismen Sofia aktuell mit dem Aufbau des Archivs befasst war. des 20. Jahrhunderts stellen, zur Zusammenarbeit auf. Die verschiedenen Teilbestände werden künftig zentral Die BStU unterstützt diese Charta. Ziel ist insbesondere, verwahrt. der Öffentlichkeit und speziell der Jugend die jüngere Ge- schichte näherzubringen. Tschechien Eine Übereinkunft zwischen dem tschechischen ÚSTR Niederlande und der BStU wurde am 7. September 2009 abgeschlos- sen. Der deutsche Botschafter, Johannes Haindl, war bei Wie schon erwähnt, unterhält die BStU enge Arbeits- den Gesprächen mit den tschechischen Experten sowie beziehungen zu den Goethe-Instituten. Die Bundes- Journalisten und auch bei einer Führung durch das Institut beauftragte folgte im April 2009 einer Einladung nach zugegen. Er umriss den geschichtlichen Bogen, der sich Amsterdam, die vom Duitsland Instituut an der dortigen von der Besetzung der Botschaft der Bundesrepublik Universität unter Mitwirkung des Goethe-Instituts ausge- Deutschland in Prag 1989 durch DDR-Flüchtlinge bis hin sprochen wurde. Das Duitsland Instituut lädt regelmäßig zur Zusammenarbeit zweier Aufarbeitungseinrichtungen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ein, um über 20 Jahre später spannt. persönliche Erfahrungen zu politisch interessanten The- men berichten zu lassen. Hier ging es um Betrachtungen Das Abkommen hat eine Dauer von fünf Jahren und ist zur deutschen Wiedervereinigung und den deutschen fokussiert auf Bereiche der Bildungsarbeit, der Archive Umgang mit der jüngsten Vergangenheit. Eine Diskus- und den Austausch von Publikationen. sionsveranstaltung im Goethe-Institut rundete das Pro- gramm ab. Außerdem wurde die Reise mit einem Vortrag Rumänien der Bundesbeauftragten im niederländischen Außenmi- nisterium (Den Haag) verbunden. Am 24. September 2009 wurde in Berlin eine Veranstal- tung des rumänischen Nationalen Rates für das Studium Über die Arbeit der Stasi-Unterlagen-Behörde informier- der Archive der Securitate (CNSAS) und der BStU in der ten sich am 11. Juni 2010 Mitglieder des Lions-Clubs Landesvertretung Schleswig-Holsteins durchgeführt. Sie „Land van Heusden en Altena“ bei der Bundesbeauftrag- gründete sich auf eine projektbezogene Kooperation mit ten. der rumänischen Partnerbehörde. Das Projekt zum Thema „Geschichte durch Erfahrungen Frankreich aus der Vergangenheit erlernen. Die Überwachung einfa- Gäste aus Frankreich wurden im Rahmen des „Deutsch- cher Bürger durch die Securitate in den 1970er- und Französischen-Zukunftsdialogs“ der Robert Bosch Stif- 1980er-Jahren“ war von der Europäischen Union geför- tung am 9. Juli 2009 empfangen. Dieses 2007 ins Leben dert worden. Projektpartner war darüber hinaus die Uni- gerufene Projekt richtet sich an Nachwuchsführungs- versität in Klausenburg (Cluj-Napoca). Es entstanden ein kräfte aus beiden Ländern. Das Gespräch beschäftigte Dokumentarfilm und ein Begleitband für die Bildungs- sich überwiegend mit Fragen nach dem Leben in der arbeit in rumänischer und englischer Sprache. DDR-Diktatur sowie den Einflüssen des Staatssicher- heitsdienstes und politischer Organisationen auf den All- 7.2 Weitere internationale Kontakte tag der Menschen. Schon wenige Tage vorher hatten fran- Spanien zösische Nachwuchsjournalisten bei einem Besuch der Behörde aktuelle Probleme bei der Aufarbeitung der In Spanien setzt sich u. a. das Centro Documental de la DDR-Vergangenheit hinterfragt. Memoria Histórica für die Dokumentation und Aufarbei- tung der Franco-Ära ein. Es ermöglicht beispielsweise Griechenland mit einem Archiv des Bürgerkrieges (organisatorisch im Kultusministerium angesiedelt) eine Einsicht in diverse Das Goethe-Institut in Thessaloniki veranstaltete im Zu- vom Franco-Regime gesammelte Unterlagen zu Oppositi- sammenhang mit dem 20. Jahrestag des Falls der Berliner onellen und Widerstandsgruppen. Im April 2010, wäh- Mauer einige Termine für die griechische Öffentlichkeit, rend der spanischen EU-Ratspräsidentschaft, fand in die unter dem Titel DE.FORUM2009 liefen. Der Leiter – 99 – der Abteilung Bildung und Forschung der BStU war im Wenige Tage zuvor war die Wanderausstellung der Be- Oktober 2009 beim Goethe-Institut zu einer Vortragsver- hörde von der Bundesbeauftragten in der Comenius-Uni- anstaltung eingeladen. Mit ihm zusammen diskutierte versität von Bratislava eröffnet worden. Anwesend waren eine Vertreterin aus dem griechischen Staatsarchiv über der Deutsche Botschafter, Dr. Axel Hartmann, und der einen möglichen Vergleich der Epoche der griechischen Direktor der slowakischen Partnereinrichtung ÚPN, Militärjunta und der SED-Diktatur. Ein Jahr später sprach Dr. Ivan Petransky. die Bundesbeauftragte auf Einladung des Goethe-Instituts Thessaloniki und der Deutschen Botschaft in der Juristi- Ukraine schen Fakultät der Aristoteles-Universität in Thessaloniki über die Arbeit mit den MfS-Akten unter Berücksichti- Am 16. und 17. Dezember 2009 war die BStU zusammen gung der Aspekte Öffentlichkeit, öffentliches Recht und mit der Heinrich-Böll-Stiftung, der Bundesstiftung zur Politik. Im Goethe-Institut hielt sie eine Rede im Rahmen Aufarbeitung der SED-Diktatur und dem Europäischen einer Veranstaltung zum Thema „Erinnern, nicht verdrän- Austausch Veranstalter für ein Fachgespräch unter dem gen“. In Athen hatte die Botschaft eine Veranstaltung mit Dach der Veranstaltungsreihe „Kiewer Gespräche“ in der der Deutschen Schule organisiert. Über 100 Schüler der ukrainischen Botschaft in Berlin. Bei den „Kiewer Ge- 11. und 12. Klassen hatten sich auf das Gespräch mit der sprächen“ handelt es sich um ein deutsch-ukrainisches Bundesbeauftragten mit Hilfe des von der BStU heraus- Gesprächsforum, das seit 2005 durchgeführt wird. Ukrai- gegebenen Unterrichtsfilms „Ein Volk unter Verdacht: nische und deutsche Experten aus Verwaltung, Zivilge- Die Staatssicherheit der DDR“ vorbereitet. sellschaft und Wissenschaft diskutierten eine Reihe von Schlüsselfragen des Aktenzugangs und erwogen mögli- Polen che ukrainische Handlungsoptionen, auch im Vergleich zu Deutschland. Als im Jahre 2009 vieler wichtiger politischer Ereignisse aus dem 20. Jahrhundert gedacht wurde, initiierten die In einem Fachgespräch über „Datenschutz vs. Recht auf BStU und die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED- Zugang zu Informationen“ legte der Leiter der Abteilung Diktatur eine Erklärung zum 70. Jahrestag des Hitler-Sta- Verwendung der Unterlagen der BStU die Erfahrungen lin-Paktes. Die im August 2009 in der Wochenzeitung der Behörde dar. Vsevolod Rechitski und Jewhen DIE ZEIT erschienene Erklärung mit dem Titel „Das Jahr Zakharov vom Kharkow Human Rights Center brachten 1989 feiern, heißt auch, sich an 1939 zu erinnern“ (siehe ihre Sichtweise auf das Thema ein. Anhang 18) richtete sich an die deutsche und insbeson- Prof. Manfred Wilke vom Institut für Zeitgeschichte dere an die Öffentlichkeit der östlichen Nachbarländer. München und Volodymyr Viatrovych vom SBU Kiew Sie erinnerte daran, dass der von Deutschland 1939 be- (Sluschba bespeky Ukrajiny; Sicherheitsdienst der Uk- gonnene Zweite Weltkrieg die Ursache der europäischen raine) diskutierten die „Institutionalisierung der Erinne- Teilung war und würdigte zugleich die Freiheitsbewegun- rungsarbeit“. gen in den kommunistischen Diktaturen, die in die friedli- chen Revolutionen des Jahres 1989 mündeten und die Anlässlich der Eröffnung der BStU-Wanderausstellung Voraussetzungen zur Überwindung der Teilung Deutsch- am 16. September 2010 in Kiew nahm die Bundesbeauf- lands und Europas schufen. Die Unterzeichner forderten tragte an einer Podiumsdiskussion mit Zeitzeugen und eine aktive und verantwortungsbewusste Erinnerungskul- Historikern des Landes zum Thema „Was bedeutet Stasi tur in Europa. Die Erklärung ist auf außergewöhnlich heute“ teil. 247 Gäste konnte die Bundesbeauftragte ge- große Resonanz im In- und Ausland gestoßen. Insbeson- meinsam mit dem deutschen Botschafter in der Ukraine, dere alle wichtigen polnischen Medien nahmen Bezug auf Dr. Hans Jürgen Heimsoeth, bei der Eröffnung der BStU- den Text und würdigten ihn als eine der bedeutendsten Wanderausstellung in Kiew begrüßen. Wegmarken im deutsch-polnischen Vergangenheitsdis- kurs. Russland Im Mai 2009 besuchte eine fast 20 Gäste umfassende Für fünf russische Stipendiaten hatte die Konrad-Ade- Gruppe aus Polen die Behörde. Die Konrad-Adenauer- nauer-Stiftung im August 2009 einen Besuch bei der Stiftung hatte ein Programm für junge Politiker und poli- BStU organisiert. Die Teilnehmer waren vorher mehrere tische Berater aufgelegt, die sich u. a mit der Arbeits- Wochen in Stadtverwaltungen deutscher Kommunen ein- weise der BStU vertraut machen wollten und Vergleiche gesetzt. Bei der BStU informierten sie sich über das Ver- zur Arbeit des polnischen IPN zogen. hältnis zwischen DDR und UdSSR, insbesondere über die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, die Slowakei Überwachung von DDR-Bürgern und die mit der sowjeti- schen Perestroika verbundenen Hoffnungen in den späten Im Rahmen eines von der Konrad-Adenauer-Stiftung or- 1980er-Jahren in der DDR. ganisierten Dialogprogramms war eine Politikerdelega- tion der slowakischen christlich-demokratischen Partei Über die internationale Menschenrechtsorganisation KDH am 1. Dezember 2009 in der Behörde zu Gast. Be- MEMORIAL Deutschland e. V. und in Zusammenarbeit sonders interessiert zeigten sich EU-Kommissar und Par- mit der Heinrich-Böll-Stiftung besuchten interessierte rus- teichef Jan Figel und der Oberbürgermeister der Stadt sische Studenten während einer Studienreise zur Gedenk- Bratislava, Andrej Durkowsky, an der Arbeit der BStU. stättenkultur in Deutschland Ende November 2009 Orte – 100 – wie das Jüdische Museum in Berlin, die Begegnungsstätte Eine Gruppe von Stipendiaten aus diesem Länderbereich Leistikowstraße in Potsdam, das Haus der Wannseekonfe- besuchte im Mai 2010 die BStU im Rahmen des Pro- renz in Berlin, das Museum in der Runden Ecke in Leipzig gramms „Politische Bildung in Aktion“, das mit der Ro- und den ehemaligen MfS-Komplex Normannenstraße in bert Bosch Stiftung und der Bundeszentrale für politische Berlin mit dem zentralen Archiv der BStU. Bildung organisiert wurde. Die Gäste waren in ihren Hei- matländern selbst im Bereich der politischen Bildung tä- Der Deutsch-Russische Austausch e. V. organisierte im tig und gewannen in Deutschland Einblicke in die Arbeit Februar 2010 mit anderen Einrichtungen einen Jugend- hiesiger Einrichtungen. austausch für die Gewinner eines Essaywettbewerbs. Die Essays befassen sich mit dem Blick von Russland aus auf Zu einem Workshop vom 27. bis zum 29. April 2009 über das wiedervereinigte Deutschland. Ein während des Be- den Entwurf eines mazedonischen Geheimdienst-Unterla- suchs kontrovers diskutiertes Thema war die Bewältigung gen-Gesetzes hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung nach der kommunistischen Vergangenheit in beiden Ländern. Cadenabbia (Italien) auch eine Juristin aus der BStU ein- Ebenfalls über den Deutsch-Russischen Austausch e.V. geladen, die dort über Vergangenheitsaufarbeitung und diskutierten russische Stipendiaten mit BStU-Vertretern Lustration im Vergleich zwischen Deutschland und dem Ende Oktober 2010 über die DDR im Zusammenhang mit Balkan referierte. Gleichzeitig waren Parlamentarier und diktaturtypischen Einflussnahmen auf die Zivilgesell- Juristen aus Mazedonien anwesend, um über die seit Be- schaft. ginn des Jahres 2008 eingesetzte Lustrationskommission in Skopje zu berichten. Weißrussland Der mazedonische Staatspräsident, Prof. Dr. Gjorge Iva- Im Rahmen eines Studien- und Dialogprogramms der nov, war im Rahmen eines Staatsbesuches in Berlin am Konrad-Adenauer-Stiftung für eine Journalistengruppe 14. September 2009 zu Gast bei der BStU. Die Bundesbe- aus Weißrussland wurde eine halbtägige Informationsver- auftragte empfing ihn, seine Delegation sowie Journalis- anstaltung in der BStU organisiert. Neben vielen anderen ten aus Mazedonien im Berliner Archiv der Behörde. Bis Programmpunkten ging es um die Erinnerungsarbeit in zu diesem Zeitpunkt war in Mazedonien die erste Phase Deutschland, zu der die Behörde mit ihrer Arbeit beiträgt. des Lustrationsgesetzes angelaufen, nach der Amts- und Funktionsträger der verschiedenen staatlichen Hierarchie- Kasachstan stufen Erklärungen für eine Wahrheitskommission vorle- gen sollten. Problematisch war u. a., dass nicht alle Akten Vom Bundesministerium der Justiz wurde die BStU ein- aus Geheimdienstarchiven des ehemaligen Jugoslawien geladen, einer Delegation aus dem Justizministerium der zugänglich waren. Republik Kasachstan die Erfahrungen der strafrechtlichen Aufarbeitung mit Hilfe der MfS-Unterlagen darzulegen. Am 27. Mai 2010 fand in Skopje eine Fachdiskussion In einer Gesprächsrunde am 18. November 2009 infor- zum Thema der Implementierung eines Lustrationsgeset- mierte die BStU zum Thema Menschenrechtsverletzun- zes als Schritt zur Aufarbeitung und Demokratisierung gen durch die DDR-Repressionsorgane. der mazedonischen Gesellschaft statt. Ein Experte der BStU war zu der Konferenz eingeladen. Teilnehmer wa- Georgien ren vor allem Abgeordnete, Mitglieder der Lustrations- Eine Gruppe von jungen Historikern aus Tiflis nutzt die kommission und Journalisten. Das Medieninteresse war Zugänglichkeit der Archive im Land, um das Thema groß. Eine Diplomatengruppe aus dem Kosovo infor- „Aufarbeitung des Stalinismus“ in Georgien voranzutrei- mierte sich am 2. März 2010 nach einer Archivführung ben. 2009 gründeten sie das unabhängige „Soviet Past über den gesetzlichen Auftrag und die Arbeitsweise der Research Laboratory“. In mühsamer Kleinarbeit in staat- Behörde. lichen und privaten Archiven sowie durch Interviews mit Das Auswärtige Amt in Berlin begleitete am 21. Septem- Zeitzeugen schafft das von der Heinrich-Böll-Stiftung un- ber 2009 eine Gruppe von elf Nachwuchsdiplomaten aus terstützte „Laboratorium“ Grundlagen für die differen- Bosnien und Herzegowina zu einem Gespräch über die zierte Erforschung des Phänomens Stalinismus und des- Arbeit der BStU. sen Auswirkungen auf die georgische Gesellschaft. Dieses Projekt wurde der Bundesbeauftragten am 30. No- In Kooperation mit dem Osteuropazentrum Berlin, der vember 2010 im zentralen Archiv der BStU vorgestellt. Universität Wien und der Deutschen Welle gab es am Gleichzeitig diskutierte man über die Möglichkeit einer 15. Dezember 2009 im Berliner Rathaus eine Podiums- Aufarbeitung mittels einer staatlichen Behörde und zivil- diskussion mit dem Vorsitzenden des Verbandes der ehe- gesellschaftlicher Einrichtungen. maligen Gefangenen aus Tirana. Diskutiert wurde über die Öffnung von Geheimdienstakten in Albanien, denn Mittel- und Südosteuropa das Verfassungsgericht hatte ein Lustrationsgesetz we- nige Wochen nach seinem Inkrafttreten gestoppt. Wiederholt vermittelte die Robert Bosch Stiftung junge Führungspersönlichkeiten aus der Verwaltung verschie- Eine Gruppe von jungen Historikern und Aktivisten aus dener mittel- und südosteuropäischer Länder zur BStU, der Zivilgesellschaft Serbiens war auf Initiative der Euro- die zum Thema DDR und im Rückblick auf die Zeit päischen Akademie Berlin zu einem Workshop „Facing 1989/90 Seminare abhielten und angeregt diskutierten. the Past“ u. a. zu einem Dialog mit Behördenmitarbeitern – 101 – eingeladen. Die Arbeit des Archivs der Behörde wurde Irak gesondert und vor Ort dargestellt. Das Auswärtige Amt hatte in Zusammenarbeit mit der Die Bundesbeauftragte nahm am 24. und 25. Oktober Europäischen Akademie Berlin ein umfassendes Be- 2010 in Kroatien an der Konferenz „Towards Reconcilia- suchsprogramm für eine mit Richtern und Parlamentsmit- tion. Experiences, Techniques and Opportunities for gliedern besetzte Gruppe aus dem Irak vorbereitet. In die Europe“ mit einem eigenen Beitrag teil. Die Konferenz Planungen wurde die BStU frühzeitig einbezogen, da der wurde von der Bertelsmann-Stiftung und der Robert Umgang mit den Akten des Baath-Regimes weiterhin Bosch Stiftung in Zusammenarbeit mit dem European nicht geregelt ist. Seit dem Jahr 2004 gab es immer wie- Council on Tolerance and Reconciliation in Dubrovnik der Besuche aus dem Irak und es wurden Erfahrungen ausgerichtet. zum Umgang mit den MfS-Akten in Deutschland mit den Möglichkeiten im Irak abgeglichen. Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik bat die Bundesbeauftragte um ein Gespräch mit Gästen aus Bos- Vor den irakischen Parlamentswahlen im Januar 2010 nien und Herzegowina am 15. Dezember 2010, welches wollten die Befürworter einer gesetzlich geregelten Auf- leitende BStU-Mitarbeiter wahrnahmen. Bei den Gästen arbeitung einen entsprechenden Entwurf mit Aktennut- handelte es sich um Vertreter einer Expertengruppe des zungsbestimmungen erarbeiten. Auch deshalb war für die Ministerrates (mit Mitgliedern aus dem bosnischen Parla- Besuchergruppe ein ausführliches Tagesprogramm bei ment, Ministerien sowie der Zivilgesellschaft), die ge- der BStU geplant, bei dem sämtliche Arbeitsschritte vom meinsam eine nationale Strategie für „Transitional Ju- Antragseingang bis zur Akteneinsicht und die Aufgaben stice“ in Bosnien erarbeiten soll. Während ihres Besuches der verschiedenen Abteilungen präsentiert wurden. Die in Deutschland sollten sie sich mit verschiedenen Mecha- achtköpfige Delegation (u. a. Richter, Mitglieder des nismen der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland Auswärtigen Ausschusses, des Ausschusses für nationale vertraut machen. Versöhnung, der Versöhnungskommission und der Kom- mission für Debaathifizierung) wurde am 21. Oktober Baltikum 2009 von der BStU begrüßt; alle Abteilungsleiter der Be- hörde stellten die Verantwortlichkeiten ihres Zuständig- Der Botschafter Estlands, Mart Laanemäe, wandte sich keitsbereichs dar. Außerdem spielten datenschutzrechtli- mit einer Einladung für eine internationale Konferenz in che Belange und das Projekt „Virtuelle Rekonstruktion Tallinn an die BStU. Er hatte Anfang Mai 2009 die Au- zerrissener MfS-Unterlagen“ eine wesentliche Rolle. ßenstelle Frankurt (Oder) besucht und sich ein Bild über die Arbeit der BStU in der Region gemacht. Die Konfe- Einen Folgetermin gab es noch im Dezember 2009, als renz wurde vom Parlamentarischen Komitee für die Auf- der außenpolitische Berater des irakischen Premiers und sicht über die Geheimdienste in den EU-Staaten am weitere Regierungsvertreter zu einem Gespräch über Op- 25. und 26. Mai 2009 organisiert. Dabei behandelte ein ferentschädigung und Rechtsprechung zu Gast waren. Tagesordnungspunkt die Problematik der Geheimdienste Im Rahmen eines Besucherprogramms hatten die deut- in nicht-demokratischen Staaten als ein Werkzeug des sche Botschaft in Bagdad und das Generalkonsulat Erbil Rechtsbruchs, zu der der Leiter der Außenstelle Frank- vier Gäste aus dem Irak und Kurdistan nach Deutschland furt (Oder) der BStU vortrug. eingeladen. Während ihrer Reise sollten den Teilnehmern Über den Deutschen Akademischen Austauschdienst und Fachgespräche und Führungen bei den wichtigsten Insti- auf Initiative eines Professors der Universität Lettlands, tutionen zur Vergangenheitsaufarbeitung in Deutschland Fakultät für Geschichte und Philosophie, empfing die Be- ermöglicht werden. hörde am 30. Juni 2009 eine Gruppe von zehn lettischen Eingeladen wurden der Generaldirektor des Archivs der Historikern. Die thematischen Schwerpunkte des Besuchs irakischen Nationalbibliothek sowie Mitarbeiterinnen und lagen im Bereich der politisch-historischen Bildungsar- Mitarbeiter des Ministeriums für Anfal- und Märtyreran- beit, bei den Forschungsvorhaben und der Ausstellungs- gelegenheiten. Sie sind maßgeblich an der baldigen Ein- tätigkeit der Behörde. richtung zentraler Gedenkstätten und Archive im Irak und in Kurdistan beteiligt. Das Gespräch mit leitenden Mitar- Europäisches Parlament beitern der BStU, bei dem es überwiegend um die Ver- wendung der Akten nach Maßgabe des Stasi-Unterlagen- Die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten Gesetzes ging, fand am 29. November 2010 in Berlin für Europa im Europäischen Parlament besuchte die Be- statt. Gleichzeitig wurde von den Gästen thematisiert, hörde mit einer Delegation von 40 Gästen im Oktober welche Probleme hinsichtlich der Debatte um eine zen- 2009. Bei einem Gespräch stellte der Direktor der BStU trale bzw. dezentrale Lagerung der Dokumente bestehen, die grundsätzlichen Aufgaben der Behörde dar und skiz- um diese für bestimmte Nutzungszwecke bereitzustellen. zierte die Entwicklung des Hauses von der Einzelstellung in Europa hin zum Netzwerk Europäischer Aufarbei- Korea tungseinrichtungen. Im Vergleich zu anderen Mitgliedern des Netzwerkes kamen auch die unterschiedliche Heran- Eine zunehmend bedeutende Rolle spielen die Erfahrun- gehensweise an datenschutzrechtliche Aspekte und der gen Deutschlands bei der Wiedervereinigung für viele jeweils verschiedene Zugang zu den Unterlagen der ehe- Besuchsgruppen aus Südkorea. So ließ sich eine Gruppe maligen Geheimdienste zur Sprache. von Beamten und Politikexperten, die von der Friedrich- – 102 –

Ebert-Stiftung mehrere Wochen durch Deutschland be- nehmen können. Die Gruppe wurde durch die Friedrich- gleitet wurde, im April 2009 über verschiedene Aspekte Ebert-Stiftung betreut. der Wiedervereinigung Deutschlands unterrichten. Das Thema „Staatssicherheitsdienst und SED“ wurde durch USA die BStU im Berliner Informations- und Dokumentations- zentrum in einer mehrstündigen Diskussion behandelt. Im Das 20. Jubiläum der Friedlichen Revolution in der DDR Mai 2009 kamen Beamte aus sicherheitsrelevanten nahm das Baker Institute an der Rice University Houston, Dienststellen Südkoreas nach Berlin, die sich über die Texas, Ende Oktober 2009 zum Anlass, Persönlichkeiten Zugangsmöglichkeiten zu den MfS-Akten für Privatper- einzuladen, die in die Ereignisse involviert waren und aus sonen informieren ließen. ihrer persönlichen Perspektive berichten sollten. Aus Deutschland waren das neben der Bundesbeauftragten Eine weitere Delegation aus verschiedenen mit der Wie- unter anderen Horst Teltschik wegen seiner Funktion als dervereinigung befassten Einrichtungen besuchte im damaliger Vize-Kanzleramtschef und Ingrid Matthäus- März 2010 die Außenstelle Leipzig der BStU. Im Mai, Maier, die sich im Januar 1990 für eine zügige Währungs- Juni und Juli 2010 folgten fünf weitere Gästegruppen aus union einsetzte, um die Abwanderung aus der DDR zu Südkorea, die sich beispielsweise über grundsätzliche stoppen. Dem Termin vorausgegangen waren ein Vortrag Fragen der deutschen Wiedervereinigung, die Politik der der Bundesbeauftragten im Rahmen einer Podiumsdis- Annäherung, die Gestaltung des gemeinsamen Lebens kussion beim Goethe-Institut in Boston und eine Diskus- nach der Friedlichen Revolution, die Themen Versöhnung sionsrunde mit Studierenden im Harvard Forum der und Aufarbeitung, aber auch die verwaltungstechnische John F. Kennedy School. Organisation der BStU informierten. Über spezifische und persönliche Aspekte der Friedlichen Revolution 1989 und den Prozess des Zusammenwach- Kambodscha sens von Ost- und Westdeutschland informierte sich am Die Menschenrechtsaktivistin und Direktorin des Center 15. Juni 2010 der US-amerikanische Gesandte Bot- for Justice and Reconciliation, Theary Seng, war auf Ein- schaftsrat für politische Angelegenheiten der Botschaft in ladung der Friedrich-Naumann-Stiftung zu einem Infor- Berlin, George Glass, bei der Bundesbeauftragten. Die- mationsaustausch bei der BStU. Sie berichtete über das sem Termin schloss sich am 26. November 2010 der Be- Kriegsverbrechertribunal in Kambodscha und die Arbeit such des Botschafters der Vereinigten Staaten von Ame- des Documentation Center Cambodia. Sie hatte Interesse rika in Deutschland, Philip Dunton Murphy, im Berliner daran zu erfahren, wie die Erkenntnisse aus den MfS-Ak- Archiv der BStU an. Neben den Archiv- und Karteisälen ten in Deutschland in die Gesellschaft transportiert wer- sahen die Gäste auch Videos von Observationen des Mi- den. In Kambodscha plant sie die Einrichtung lokaler In- nisteriums für Staatssicherheit vor der damaligen Ostber- formationszentren in den einzelnen Provinzen, um der liner Botschaft der USA. jungen Generation die furchtbare Vergangenheit der „kil- ling fields“ näher zu bringen und damit auch gegen ein Kanada aufkommendes Verschweigen und Vergessen anzukämp- fen. Vom 14. bis 16. November 2010 war die Bundesbeauf- tragte durch das Goethe-Institut nach Toronto eingeladen. Im Juni 2010 bat die Internationale Weiterbildung und Im Rahmen des dortigen Film-Festivals wurde als einer Entwicklung gGmbH um ein Zeitzeugengespräch mit ei- der erfolgreichsten Beiträge auch der deutsche Film „Das nem Beschäftigten der BStU, der die Zeit der Friedlichen Leben der Anderen“ gezeigt. Die Bundesbeauftragte gab Revolution miterlebt hat, und eine Archivführung. Die einleitende Erläuterungen zum historischen Hintergrund Gäste, u. a. beschäftigt im Toul Sleng Museum, beim Do- für das kanadische Publikum. Im Anschluss konnten die cumentation Center Cambodia, an der Universität Phnom Gäste im Rahmen eines Diskussionsabends ihre Fragen Penh und in Nichtregierungsorganisationen, engagieren zum Thema stellen. sich in Kambodscha für die Aufarbeitung des Terrors der Roten Khmer, unter dem mindestens 1,7 Millionen Men- Latein- und Südamerika schen starben. Besonderes Interesse zeigten sie an der Verwendung der MfS-Unterlagen für die gesellschaftliche In Brasilien hat das Nationalarchiv auf Initiative der Re- Aufarbeitung. gierung ein Projekt gestartet, das sich mit den nationalen politischen Konflikten zwischen 1964 und 1985 beschäf- China tigt (Memorias Reveladas). Bisher geheime Unterlagen des Militärregimes und des Widerstandes aus dieser Zeit Eine chinesische Delegation der Stiftung zur Förderung werden nun katalogisiert, beschrieben und über eine der Menschenrechte besuchte im Juni 2009 die BStU. Die Datenbank und das Internet zugänglich gemacht. Die Be- Bundesbeauftragte berichtete über die Rolle der Aufar- völkerung ist aufgerufen, durch Zulieferung eigener Un- beitung für die Förderung von Demokratie und Men- terlagen, wie Briefe, Fotos und Dokumente, die Überlie- schenrechten. Die Funktion von staatlichen und nicht- ferungslage zu vervollständigen. Ein Spezialist dieses staatlichen Organisationen in Deutschland wurde Projekts, Marques da Fonseca, gleichzeitig Vizepräsident diskutiert. Hierbei interessierte die Gäste, welchen Ein- des Committee of Best Practices and Standards of the In- fluss diese Einrichtungen auf die politischen Debatten ternational Council of Archives, ließ sich bei einem Be- – 103 – such am 29. Mai 2009 im Berliner Archiv der BStU über und transparenter gemacht werden sollte. Vorausgegan- die Eigenheiten des Bestandes, Erhaltungsarbeiten und gen waren Abhör- und Korruptionsskandale sowie grund- Fragen der Digitalisierung sowie zu den gesetzlichen Be- sätzliche strukturelle Probleme des Dienstes. Über das stimmungen über die Nutzung der Unterlagen informie- Bundesministerium des Innern erhielt im Februar 2010 ren. eine kolumbianische Delegation die Möglichkeit, sich über die parlamentarische Kontrolle von Nachrichten- Die Universität von Sao Paulo lud im August 2009 zu ei- diensten und den Umgang mit den MfS-Unterlagen zu in- nem internationalen Symposium zum Thema „30 Jahre formieren. Amnestie in Brasilien“ ein. Weder Opfer noch Hinterblie- bene der viele Jahre währenden Militärdiktatur wurden Am 18. Oktober 2010 absolvierte Raúl Castro, Projektlei- bisher entschädigt, Verantwortliche nicht bestraft. Da- ter in der nationalen Kommission zur Förderung und zum rüber hinaus sind die Akten des Militärs gesperrt. Der un- Aufbau der Erinnerungsstätte für die Opfer des Terroris- terschiedliche Umgang mit Diktaturerfahrungen im Ver- mus in Peru, einen ganztägigen Fachbesuch bei der BStU. gleich zu anderen Ländern, überwiegend Südamerikas, Er sammelte in Deutschland Erfahrungen für die zukünf- war Hauptthema der Konferenz. Die Bundesbeauftragte tige Arbeit der Erinnerungsstätte, die Schwerpunkte wie wurde gebeten, den Umgang mit den Akten des MfS zu Ausstellung, pädagogische Arbeit und Archivarbeit be- schildern und über die Geschehnisse seit dem Mauerfall inhalten soll. vor 20 Jahren aus der Sicht der Aufarbeitung zu sprechen. Der „deutsche Weg“ stand im Vergleich zu Wahrheits- kommissionen oder Zeitzeugenprojekten. Das Publikum Afrika setzte sich aus Juristen und Aktivisten verschiedener Ver- Das Zentrum für Konfliktforschung der Philipps-Univer- eine und Verbände zusammen, z. B. dem „Verein der An- sität in Marburg organisierte in Kooperation mit der Ma- gehörigen von Verschwundenen“ in Brasilien. kerer Universität in Kampala (Uganda) eine Studienreise Das Nürnberger Menschenrechtszentrum ermöglichte im zum Thema Konfliktbewältigung. Die BStU wurde gebe- September 2009 einer Gruppe von lateinamerikanischen ten, im Rahmen des Themenkreises „Umgang mit der Menschenrechtsexperten einen Besuch bei der BStU, die Vergangenheit unter Berücksichtigung der Aufarbeitung auf ihrer Deutschland-Reise erinnerungspolitische Erfah- des Nationalsozialismus und des Kalten Kriegs“ über Er- rungen an authentischen Orten sammeln wollten. innerungskultur und Alltagsleben in der DDR vorzutra- gen. Das Seminar fand am 23. Juli 2009 statt. Uganda Im zeitlichen Vorfeld der Parlamentswahlen in Venezuela hatte seit einem Militärputsch 1971 unter verschiedenen hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung im Oktober 2009 ein Wellen von brutalen Gewaltakten zu leiden. Erst 1996 Besuchsprogramm für junge Politiker von fünf verschie- fanden erstmals demokratische Präsidentschaftswahlen denen Parteien aufgelegt, die bei ihrem Besuch der BStU statt, doch die Gäste berichteten, dass durch die lange Zeit auch über die angestrebte juristische Aufarbeitung der der Herrschaft eines Einparteiensystems politisch An- Staatsverbrechen aus den 1980er-Jahren berichteten. dersdenkende noch immer unterdrückt werden. Zu Guatemala hat die Behörde schon seit 2007 Kontakt, nachdem man dort im Jahr 2005 das umfangreiche Archiv Internationales Diplomatenprogramm der früheren politischen Polizei aufgefunden hatte (siehe Neunter Tätigkeitsbericht, S. 88). Ende Januar 2010 war Das Auswärtige Amt in Berlin organisiert regelmäßig ein Maria Carrera aus Guatemala im BStU-Archiv in Berlin internationales Diplomatenprogramm bzw. Kolleg für zu Gast und berichtete über die fortgesetzte Arbeit am junge Diplomatinnen und Diplomaten, die in dessen Ver- teils erheblich beschädigten Bestand des alten Polizeiar- lauf Institutionen besuchen und Einblicke in aktuelle The- chivs. Sie ist beim Centro de Analisis Forense y Ciencia men bekommen, einen interkulturellen Dialog führen und Aplicadas beschäftigt, das eng mit dem Polizeiarchiv zu- bürgerschaftliches Engagement kennenlernen. Ende 2009 sammenarbeitet. Anhand der Datenbestände wird ver- war es für Diplomaten aus dem Nahen und Mittleren Os- sucht, schwerste Menschenrechtsverletzungen aufzude- ten, Nordafrika, Süd- und Südostasien aufgelegt worden. cken. Zu diesem Thema interessierte sich die Besucherin Im November 2009 hatten die Bundesbeauftragte und dafür, wie deutsche Straf- und Arbeitsgerichte die Akten mehrere Fachkollegen Gelegenheit, über die Aufgaben des Staatssicherheitsdienstes bewerten. der Behörde zu sprechen. Diskutiert wurde auch über die virtuelle Rekonstruktion von zerrissenen MfS-Unterlagen Im März 2010 war auf Einladung des Auswärtigen Amtes und den derzeitigen Forschungsstand dazu. Innerhalb des Luz Mendez, Präsidentin des Beratungsausschusses der Programms folgte ein weiterer Diplomatenlehrgang für nationalen Frauenrechtsorganisation in Guatemala, bei Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Mittel- und Ost- der BStU zu Gast. Thema des Gesprächs war der deut- europa, China sowie Russland im Juni 2010. Diplomatin- sche Umgang mit dem Thema Aufarbeitung der Vergan- nen und Diplomaten aus den Regionen Naher Osten, genheit. Nordafrika sowie Süd- und Südostasien wurde am 4. No- Eine interessante Entwicklung zeichnet sich in Kolum- vember 2010 ein Informationsbesuch im Berliner Archiv bien ab, wo der zivile Nachrichtendienst DAS reformiert der BStU angeboten.

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Anhang Seite Seite Anhang 1 Organisationsplan ...... 106 Anhang 2 Anschriftenverzeichnis ...... 107 Anhang 3 Entwicklung des Personalbestandes ...... 109 Anhang 4 Mitglieder des Beirats ...... 110 Anhang 5 Eingang und Erledigung von Anträgen und Ersuchen ...... 111 Anhang 6 Bürgeranträge – Verteilung der Antragseingänge ...... 113 Anhang 7 Anträge gemäß §§ 32 und 34 StUG – Antragseingänge, Themenkomplexe, Struktur der Antragsteller ...... 114 Anhang 8 Mitglieder des Wissenschaftlichen Beratungsgremiums . . . . 117 Anhang 9 Veranstaltungen des wissenschaftlichen Kolloquiums der Abteilung Bildung und Forschung im Berichtszeitraum . . . . 118 Anhang 10 Publikationsreihen ...... 119 Anhang 11 Materialien der BStU für die historisch-politische Bildungsarbeit ...... 125 Anhang 12 Wanderausstellung ...... 127 Anhang 13 Regionale Ausstellungen der Außenstellen ...... 128 Anhang 14 Das Bildungszentrum Berlin, die Informations- und Dokumentationszentren der BStU sowie Gedenkstätten . . . . 130 Anhang 15 Gemeinsame Erklärung des Thüringer Kultusministers und der BStU ...... 131 Anhang 16 Gemeinsame Erklärung des Ministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern und der BStU ...... 133 Anhang 17 Gemeinsame Erklärung des Senators für Bildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Berlin und der BStU ...... 136 Anhang 18 Das Jahr 1989 feiern, heißt auch, sich an 1939 zu erinnern! Eine Erklärung zum 70. Jahrestag des Hitler-Stalin-Pakts . . 139 Anhang 19 Abkürzungsverzeichnis ...... 143 – 106 –

Anhang 1 Suhl Personal- Personal- beauftragte vertretungen Gesamtschwer- Gleichstellungs- Gleichstellungs- Monika Aschenbach behindertenvertretung Wissenschaftliche Ausstellungen und Abteilung BF Forschungsprojekte Fachbereich BF3 Bibliothek; Publikationen; Staatssicherheitsdienstes Servicebereich BF 2 Servicebereich BF Dr. HelgeDr. Heidemeyer und Dokumentationszentren; Information der Öffentlichkeit Veranstaltungen; Informations- Forschungsbereich BF 1 Forschungsbereich BF historisch-politische Bildung und Verwaltungsangelegenheiten BF Wissenschaftliche Forschung und zur Aufarbeitung der Tätigkeit des historisch-politische Bildungsarbeit Schwerin Corinna Kalkreuth Corinna Rostock Dr. VolkerHöffer und Film und Film Neubrandenburg Holm-Henning Freier überprüfungen Referat AU 4 Referat AU 5 Referat AU Referat AU 6 Referat AU angelegenheiten sowie zu Anträge Einzelner auf Akten- einsicht; Ersuchen zu zu Renten- Ersuchen einsicht; und der politischen Bildung sowie und der politischen Bildung sowie Sicherheits- und Zuverlässigkeits- Innenrevision von Presse, Rundfunk, Fernsehen von Presse, Rundfunk, Fernsehen Anträge für Zwecke der Forschung Anträge für Zwecke der Forschung Projektleitungsbüro Datenschutzbeauftragte Beratungsgremium Wissenschaftliches IT-Sicherheitsbeauftragte Jörg Stoye Magdeburg Joachim Förster Abteilung AU Verwendung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes lling AU AU lling Leipzig Regina Schild und für Nachrichten- zu Ersuchen zu Ersuchen Referat AU 1 Referat AU 3 Referat2 AU Referat AU G Referat AU machung,Zwecke für und Ersuchen zu offenen einsicht; Verwendung von tungen und Sport sowie zu einsicht; Ersuchen aus den Grundsatzangelegenheiten, Anträge Einzelner auf Akten- Anträge Einzelner auf Akten- Anträge Einzelner auf Akten- Dienst, Aufarbeitungseinrich- Bereichen Politik, öffentlicher dienste; Aufklärung,Erfassung UnterlagenStrafverfolgung, für und Sicherung des Vermögens Rehabilitierung und Wiedergut- und Verfahrensangelegenheiten Fachaufsicht und Contro ausschüsse ausschüsse Ordensangelegenheiten; Rechts- Vermögensfragen der ehem. DDR einsicht; Bekanntgabe von Namen parlamentarischer Untersuchungs- Halle Direktor Hans Altendorf Uta Leichsenring Marianne Birthler Außenstellen Die Bundesbeauftragte Gera Andreas Bley Medien Karteien Magazine Rüdiger Sielaff Pressestelle Archivbestände Leitungsbüro Frankfurt (Oder) Referat AR 1 Referat AR 2 Referat AR 3 Referat AR 4 Referat AR 5 Referat AR 6 Referat AR 7 Referat AR Kartensammlung Birgit Salamon Abteilung AR Öffentlichkeitsarbeit Schriftguterschließung Schriftguterschließung Beirat der BStU Schriftguterschließung; Bearbeitung audio-visueller Erschließung und technische Fachaufsicht AR; Rückführung Grundsatzangelegenheiten und Erfurt Wolfgang Brunner Dresden Konrad Felber Beauftragte für Gesundheitsförderung Fachkraft für Arbeitssicherheit aufgaben Justitiariat Organisation Jens Boltze Innerer Dienst Chemnitz Referat2 ZV Referat3 ZV Referat4 ZV Referat5 ZV Referat1 ZV Referat6 ZV Informations- und Abteilung ZV Haushalt; Beschaffung Personalangelegenheiten Zentral- und Verwaltungs- Dr. Clemens Heitmann Telekommunikationstechnik Berlin Die Bundesbeauftragte für die Die Unterlagen Bundesbeauftragte der ehemaligen Staatssicherheitsdienstes des Republik Demokratischen Deutschen Organisationsplan Stand: Dezember 2010 Birgit Salamon Birgit – 107 –

Anhang 2 Anschriftenverzeichnis

Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik

Anschriften/Telefon- und Faxnummern der Zentralstelle der BStU Postanschrift: 10106 Berlin

Hausanschrift/Akteneinsichtsbereich/Lesesäle/Antragstellung:

Karl-Liebknecht-Str. 31/33 Telefon 030 2324-50 10178 Berlin Telefax 030 2324-7799 Telefon 030 18 665-0 Telefax 030 18 665-7799

Bürgerberatung:

Telefon 030 2324-7000 Telefon 030 18 665-7000 Für persönliche Beratungsgespräche wird um vorherige Terminvereinbarung gebeten. E-Mail: [email protected] Internet-Adresse: http://www.bstu.de

Anschrift/Telefon- und Faxnummer der Außenstelle in Brandenburg Frankfurt (Oder)

Fürstenwalder Poststraße 87 Telefon 0335 6068-0 15234 Frankfurt Telefax 0335 6068-2419 E-Mail [email protected]

Anschriften/Telefon- und Faxnummern der Außenstellen in Mecklenburg-Vorpommern Neubrandenburg

Neustrelitzer Straße 120 Telefon 0395 7774-0 17033 Neubrandenburg Telefax 0395 7774-1619 E-Mail [email protected]

Rostock

Hohen Tannen 11 Telefon 038208 826-0 18196 Waldeck-Dummerstorf Telefax 038208 826-1219 E-Mail [email protected]

Schwerin

19065 Görslow Telefon 03860 503-0 Telefax 03860 503-1419 E-Mail [email protected] – 108 – n o c h Anhang 2

Anschriften/Telefon- und Faxnummern der Außenstellen in Sachsen Chemnitz

Jagdschänkenstraße 52 Telefon 0371 8082-0 09117 Chemnitz Telefax 0371 8082-3719 E-Mail [email protected]

Leipzig

Dittrichring 24 Telefon 0341 2247-0 04109 Leipzig Telefax 0341 2247-3219 E-Mail [email protected]

Dresden

Riesaer Straße 7 Telefon 0351 2508-0 01129 Dresden Telefax 0351 2508-3419 E-Mail [email protected]

Anschriften/Telefon- und Faxnummern der Außenstellen in Sachsen-Anhalt Halle

Blücherstraße 2 Telefon 0345 6141-0 06122 Halle (Saale) Telefax 0345 6141-2719 E-Mail [email protected]

Magdeburg

Georg-Kaiser-Straße 4 Telefon 0391 6271-0 39116 Magdeburg Telefax 0391 6271-2219 E-Mail [email protected]

Anschriften/Telefon- und Faxnummern der Außenstellen in Thüringen Erfurt

Petersberg Haus 19 Telefon 0361 5519-0 99084 Erfurt Telefax 0361 5519-4719 E-Mail [email protected]

Gera

Hermann-Drechsler-Straße 1 Telefon 0365 5518-0 07548 Gera Telefax 0365 5518-4219 E-Mail [email protected]

Suhl

Weidbergstraße 34 Telefon 03681 456-0 98527 Suhl Telefax 03681 456-4519 E-Mail [email protected] – 109 –

Anhang 3 (nach Aufgabenbereichen) Entwicklung des Personalbestandes der BStU des Personalbestandes Entwicklung 7268 7073 81 8685 89 8894 92 643 653 839 622 819 608 809 596 777 562 756 550 708 528 704 521 671 524 655 515 627 614 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 1 132060 1 1 010 939 875815 779737 690 645604 0 800 600 400 200 1 200 1 000 besetzte besetzte Planstellen und Stellen Auskünfte/Ersuchen Archiv Bildung/Forschung Leitung/Verwaltung – 110 –

Anhang 4

Mitglieder des Beirats Stand: Dezember 2010

Vom Deutschen Bundestag gewählte Mitglieder des Beirats: 1. Prof. Dr. Richard Schröder Vorsitzender des Beirats 2. Ulrike Poppe erste stellvertretende Vorsitzende 3. Markus Meckel 4. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Möller 5. Beatrix Philipp, MdB 6. Christoph Waitz 7. Prof. Dr. Manfred Wilke 8. Jörn Wunderlich, MdB

Von den Ländern benannte Mitglieder des Beirats: 9. Brandenburg zweiter stellvertretender Vorsitzender 10. Wolf-Dieter Beyer Sachsen 11. Ludwig Große Thüringen 12. André Gursky Sachsen-Anhalt 13. Martin Gutzeit Berlin 14. Dr. Ulrike Höroldt Sachsen-Anhalt 15. Prof. Dr. Georg Machnik Thüringen 16. Jörn Mothes Mecklenburg-Vorpommern 17. Hansjörg Weigel Sachsen

Im Berichtszeitraum ergaben sich im Beirat folgende personelle Entwicklungen: Peter Oleikiewitz, der das Land Sachsen-Anhalt fünf Jahre im Beirat vertreten hatte, schied aus dem Gremium aus. Als sein Nachfolger wurde im Oktober 2009 André Gursky vom Landtag Sachsen-Anhalt benannt. Als Mitglied des Beirats für weitere fünf Jahre bestellt wurde Martin Gutzeit, wiederbenannt vom Berliner Abgeordne- tenhaus. – 111 –

Anhang 5 11 891 11 95 081 12 908 24 799 206 508 220 918 161 476 220 106 476 663 gesamt Eingänge 1 754 311 2 749 483 1 141 677 3 323 414 6 574 359 76 302 910 576 5 334 6 393 2 240 6 968 9 510 1 486 2010 87 514 10 606 22 409 120 919 175 373 893 6 792 3 087 2 368 8 678 1 037 1 930 2009 11 419 11 11 587 11 21 641 102 658 137 648 345 250 851 567 9 120 1 561 2 246 1 418 2008 87 366 10 734 21 760 29 712 32 208 . 142 752 523 761 1 311 9 032 1 593 7 128 9 482 1 387 2007 27 010 37 876 101 521 150 266 917 534 2 642 6 648 3 071 1 435 853 2 352 64 133 23 896 10 640 12 361 111 014 177 642 209 683 402 038 2005/2006 989 7 113 3 940 8 072 6 630 1 365 2 354 79 495 21 182 18 642 189 010 167 132 274 922 484 928 Stand: Dezember 2010 Stand: 2003/2004 958 Eingang von Anträgen und Ersuchen Eingang von Anträgen und ng an Ersuchen des Jahres 1999 um 35 017 Personen verringert Personen 017 um 35 1999 Jahres des an Ersuchen ng 2 211 9 066 8 027 1 253 29 222 29 434 10 542 13 948 32 517 210 303 126 902 194 624 439 655 2001/2002 5 204 6 457 11 661 11 91 651 69 510 80 322 2000 686 759 181 747 200 692 350 524 1990/91 – 1 793 469 1 580 342 2 540 499 4 696 153 3 pienherausgabe und Decknamenentschlüsselung und pienherausgabe 3 2

1 tsträger, Ordens- tsträger, itsüberprüfungen/ ng undpolitische tlicher Dienst Verwendungszweck 3 Im Ergebnis der 2002 durchgeführten Bestandszählung wurde der Einga wurde Bestandszählung durchgeführten 2002 der Ergebnis Im Bildung Sonstige Ersuchen (Überprüfung parla- Manda mentarischer angelegenheiten u. a.) Ersuchen Strafverfolgung Anträge Forschu Ersuchen öffen Ersuchen Sicherhe Zuverlässigkeitsüberprüfungen Ersuchen Rehabilitierung Bürgeranträge gesamt Ersuchen Überprüfung gesamt gesamt Ersuchen Reha/WGM/StV Anträge Forschung/Medien gesamt Summe Ersuchen Rentenangelegenheiten Ersuchen Wiedergutmachung Ersuchen Wiedergutmachung Anträge Presse, RundfunkFilm und umfasst Anträge auf Einsicht,Auskunft, Ko Themen der beantragten nur Zählung 1 2 3 – 112 – n o c h Anhang 5 11 716 11 470 11 94 032 23 186 205 546 218 300 159 222 219 895 473 149 2 672 467 1 754 307 1 140 405 3 318 558 6 487 360 Erledigun- gen gesamt 9 768 1 597 2010 89 453 23 931 124 749 203 78 532 260 798 666 2 179 5 047 2 008 2 433 1 025 931 1 823 2009 11 12111 506 11 90 626 12 697 7 300 26 200 12 657 7 075 15 197 133 846 332 878 587 8 590 1 558 2 673 5 023 1 465 tandszählung wurde die Summe der Jahre 1992 bis 2002 um bis 2002 Jahre 1992 der die Summe wurde tandszählung 2008 89 812 14 336 24 816 28 940 36 636 152 729 508 877 595 1 311 8 915 1 185 1 339 4 070 6 720 1 472 2007 98 387 43 514 54 122 160 701 2 518 7 295 6 839 1 742 1 100 2 842 25 132 13 897 16 652 117 942 117 420 117 193 874 274 391 487 759 2005/2006 6 152 4 256 5 075 1 563 1 107 2 670 11 427 29 504 22 800 20 758 223 105 178 861 237 317 483 850 Stand: Dezember 2010 2003/2004 nentschlüsselung. Im Ergebnis der 2002 durchgeführten Bes durchgeführten 2002 der Ergebnis Im nentschlüsselung. 7 031 1 316 1 043 2 359 Erledigung von Anträgen und Ersuchen Erledigung von 37 791 31 337 13 912 16 693 13 693 37 417 270 774 166 897 249 937 560 487 2001/2002 3 384 5 574 8 958 86 145 71 774 71 065 599 380 174 370 187 162 330 001 1 640 883 1 567 949 2 427 844 4 407 686 1991 – 2000 2 opienherausgabe und Deckname und opienherausgabe 2 1 tsträger, Ordens- tsträger, itsüberprüfungen/ ng undpolitische tlicher Dienst Verwendungszweck 2 24verringert. Erledigungen 447 Bildung Sonstige Ersuchen (Überprüfung parla- Manda mentarischer angelegenheiten u. a.) Ersuchen Strafverfolgung Anträge Forschu Ersuchen öffen Ersuchen Rentenangelegenheiten Ersuchen Sicherhe Zuverlässigkeitsüberprüfungen Ersuchen Rehabilitierung Bürgeranträge gesamt Ersuchen Überprüfung gesamt gesamt Ersuchen Reha/WGM/StV Anträge Forschung/Medien gesamt Summe Anträge Presse, RundfunkFilm und Ersuchen Wiedergutmachung Ersuchen Wiedergutmachung umfasst Anträge auf Auskunft, Einsicht, K Themen der abgearbeiteten nur Zählung 1 2 – 113 –

Anhang 6

Bürgeranträge Verteilung der Antragseingänge auf die Bundesländer Stand: Dezember 2010

Bundesland Anträge davon Standort Berlin Zentralstelle 646 085 Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern 297 489 – Neubrandenburg 71 105 – Rostock 115 284 – Schwerin 111 100 Brandenburg 280 646 – Frankfurt (Oder) 162 322 –Potsdam* 118 324 Sachsen-Anhalt 342 984 – Halle 147 163 – Magdeburg 195 821 Thüringen 456 297 – Erfurt 216 132 – Gera 123 523 – Suhl 116 642 Sachsen 725 982 – Chemnitz 277 853 – Dresden 249 662 – Leipzig 198 467 Gesamt BStU 2 749 483 * bis 31.12.2008 – 114 –

Anhang 7

0

201

9

00

2

8 0

Stand: Dezember 2010 20

2007

6

200

5

00

2

4

00

§ 34 2

2003 2002

§ 32

1

200

0

00

2

9

9

19

1998

7

199

6

99

1

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 5

99 1 900 800 700 600 500 400 300 200 § 32 587 533 577 584 618 651 659 594 711 654 649 786 853 8511 037 910 037 576 893 8511 567 853 534 786 487 649 430 654 405 711 584 594 429 659 529 651 551 618 488 584 476 577 480 533 602 587 32 881 34 § § 1 100 1 000 Eingänge von Anträgen gemäß für Anträgen von §§ 32 und 34 StUG Eingänge den Zeitraum 1995 bis 2010 – 115 –

n o c h Anhang 7

Antragseingänge gemäß §§ 32 und 34 StUG Stand: Dezember 2010

Themenkomplexe Eingänge gesamt § 32 § 34 Wissenschaft/Wirtschaft 2 679 1 381 1 298 Bildung/Familie/Jugend/Sport/Medizin 2 369 1 006 1 363 Religion 1 862 1 031 831 Recht/Justiz/Polizei 1 407 745 662 Internationale Beziehungen 1 171 522 649 Politik/Parteien/Organisationen 4 964 2 772 2 192 Nationalsozialismus 2 047 1 607 440 Militär/Grenze/Republikflucht 1 586 815 771 MfS 2 407 980 1 427 Kunst/Kultur/Medien 3 553 1 799 1 754 Geheimdienste/Terrorismus 754 250 504 gesamt 24 799 12 908 11 891

Grafische Darstellung - Eingänge gesamt nach Thema

Geheimdienste/ Wissenschaft/ Terrorismus Wirtschaft

Kunst/Kultur/Medien

Bildung/Familie/ Jugend/Sport/Medizin

MfS

Religion

Militär/Grenze/ Recht/Justiz/Polizei Republikflucht

Internationale Nationalsozialismus Beziehungen

Politik/Parteien/ Organisationen – 116 – n o c h Anhang 7

Struktur der Antragsteller Eingang von Anträgen im Berichtszeitraum

§ 32 StUG Eingang davon Anträge aus dem Ausland Universitäten/Hochschulen 520 110 Privatpersonen 496 61 Vereine/Verbände/Institutionen 97 6 Stiftungen 59 1 Kirchen und Glaubensgemeinschaften 31 – Parteien/Organisationen 6 – Museen 71 1 Landesbeauftragte 63 – Aufarbeitungsinitiativen 17 – Sonstige 305 19 gesamt 1 665 198

§ 34 StUG Eingang davon Anträge aus dem Ausland Tageszeitungen 361 14 Wochenmagazine 129 2 Freie Journalisten 109 11 Medien, öffentlich-rechtlich 436 7 Medien, privat 47 12 Produktionsgesellschaften 106 10 Wochenzeitungen 28 1 Agenturen 39 2 Sonstige 35 5 gesamt 1 290 64 – 117 –

Anhang 8

Mitglieder des Wissenschaftlichen Beratungsgremiums der BStU Stand: Dezember 2010

Vom Bundestag benannte Mitglieder: Prof. Dr. Hans-Joachim Veen Vorsitzender Politikwissenschaftler, seit 2002 Vorsitzender des Vorstands der Stiftung Ettersberg Weimar Prof. Dr. Klaus-Dietmar Henke stellvertretender Vorsitzender Historiker, seit 1997 Universitätsprofessor an der Technischen Universität Dresden Dr. Hubertus Knabe Historiker, seit 2000 Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen Prof. Dr. Thomas Lindenberger Historiker, seit 2009 Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Europäische Geschichte und Öffentlichkeit, Wien Dr. Ulrich Mählert Politikwissenschaftler, seit 1999 Leiter des Arbeitsbereichs Wissenschaft der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Berlin Prof. Dr. Angelika Menne-Haritz Historikerin, seit 2006 Vizepräsidentin des Bundesarchivs, Berlin Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Möller Historiker, seit 1992 Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, München Dr. Wilfriede Otto Historikerin, Berlin Prof. Dr. Alexander Vatlin Historiker, seit 2006 Professor für neue und neueste Geschichte an der Histori- schen Fakultät der Lomonossow-Universität, Moskau – 118 –

Anhang 9

Veranstaltungen des wissenschaftlichen Kolloquiums der Abteilung Bildung und Forschung im Berichtszeitraum

Datum Referent Thema 22.04.2009 Dr. Christian Halbrock Stasi-Stadt. Berlin-Lichtenberg nördlich der Frankfurter Allee als Stadtraum und Sitz der MfS-Zentrale 10.06.2009 Dr. Georg Herbstritt Über die Zusammenarbeit des MfS und der rumänischen Securi- tate 07.10.2009 Michael Bienert (Historisches Parlamentarismus in der sowjetischen Besatzungszone? Grenzen Institut, Universität Potsdam) und Möglichkeiten des politischen Handelns in den Landtagen von Brandenburg und Thüringen, 1946 bis 1950 04.11.2009 Andreas Schmidt Jürgen Fuchs und Gerhard Hieke – Eine einfache Geschichte? 09.12.2009 Hans-Jürgen Rother „Dreiländerspiel“. Verbindungen ungarischer Oppositioneller in das geteilte Deutschland in den 1970er- und 1980er-Jahren 26.01.2010 Tobias Scheufele Integration einer heterogenen Bewegungspartei. Politische Kom- munikationsformen der GRÜNEN in ihrer ersten Legislaturpe- riode im Bundestag 1983 bis 1987 24.02.2010 Prof. Dr. Daniela Münkel Das Ende der Vollkollektivierung der Landwirtschaft im Spiegel der ZAIG-Berichte des Jahres 1960 05.05.2010 Dr. Roger Engelmann-Moock Staatssicherheit in der Provinz. Rolle und Struktur einer MfS- Kreisdienststelle in den 1980er-Jahren am Beispiel Halberstadt 19.05.2010 Christian Booß Der Schlüssel zu Kerbloch- und anderen interessanten Karteien – Vorüberlegungen zu den kartei- und dateigeschützten Informa- tionsverarbeitungssystemen des MfS 09.06.2010 Dr. Matthias Braun Dramaturgie der Repression. Eine Studie zum Kulturkampf in der DDR-Provinz der 1980er-Jahre 07.07.2010 Dr. Thomas Klein (Historiker in Sisyphos in Westberlin oder warum die SEW nie über die Mühen Berlin) der Ebenen hinauskam 20.10.2010 Arno Polzin Die Disziplinareinheit Schwedt und das MfS 17.11.2010 Susanne Muhle M.A. Menschenraub. Die Entführungsaktionen des Ministeriums für (Stiftung Berliner Mauer) Staatssicherheit 08.12.2010 Reinhard Buthmann Der Einfluss der Staatssicherheit auf die Umsetzung der Wissen- schaftspolitik der DDR. Ein Zwischenbericht – 119 –

Anhang 10

Publikationsreihen politische Prozesse in der DDR 1953–1956, 359 S., Ber- lin 1998, 19,50 Euro, ISBN 3-86153-147-X Wissenschaftliche Reihe der Bundesbeauftragten – Analysen und Dokumente Band 12: Reinhard Buthmann: Kadersicherung im Kom- binat VEB Carl Zeiss Jena. Die Staatssicherheit und das Über den Buchhandel zu beziehen Scheitern des Mikroelektronikprogramms. Mit einem Erschienen im Ch. Links Verlag, Berlin (zahlreiche Titel Vorwort von Walter Süß, 256 S., Berlin 1997, 12,50 Euro, sind auch als digitale Bücher verfügbar unter www.links ISBN 3-86153-153-4 verlag.de) Band 13: Clemens Vollnhals: Der Fall Havemann. Ein Lehrstück politischer Justiz, 312 S., 2., akt. Aufl., Berlin Band 1: Klaus-Dietmar Henke und Roger Engelmann (Hg.): 2000, 15,50 Euro, ISBN 3-86153-215-8 Aktenlage. Die Bedeutung der Unterlagen des Staatssi- cherheitsdienstes für die Zeitgeschichtsforschung, 244 S., Band 14: Sonja Süß: Politisch mißbraucht? Psychiatrie 2. Aufl., Berlin 1996, 15,50 Euro, ISBN 3-86153-098-8 und Staatssicherheit in der DDR, 773 S., 3. Aufl., Berlin 2000, 29,50 Euro, ISBN 3-86153-173-9 Band 2: Karl Wilhelm Fricke: Akten-Einsicht. Rekonstruk- tion einer politischen Verfolgung. Mit einem Vorwort Band 15: Walter Süß: Staatssicherheit am Ende. Warum von Joachim Gauck, 264 S., 4., akt. Aufl., Berlin 1997, es den Mächtigen nicht gelang, 1989 eine Revolution zu 17,50 Euro, ISBN 3-86153-099-6 verhindern, 815 S., 2. Aufl., Berlin 1999, 29,50 Euro, ISBN 3-86153-181-X Band 3: Helmut Müller-Enbergs (Hg.): Inoffizielle Mitar- beiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Richtlinien Band 16: Roger Engelmann und Clemens Vollnhals (Hg.): und Durchführungsbestimmungen, 544 S., 4., durchges. Justiz im Dienste der Parteiherrschaft. Rechtspraxis und Aufl., Berlin 2010, 20,50 Euro, ISBN 3-86153-101-1 Staatssicherheit in der DDR, 574 S., Berlin 1999, 24,50 Euro, ISBN 3-86153-184-4 Band 4: Matthias Braun: Drama um eine Komödie. Das Ensemble von SED und Staatssicherheit, FDJ und Kultur- Band 17: Thomas Auerbach: Einsatzkommandos an der ministerium gegen Heiner Müllers „Die Umsiedlerin oder unsichtbaren Front. Terror- und Sabotagevorbereitungen Das Leben auf dem Lande“ im Oktober 1961, 170 S., des MfS gegen die Bundesrepublik Deutschland. Mit ei- 2., durchges. Aufl., Berlin 1996, 12,00 Euro, ISBN 3-86153- nem Vorwort von , 192 S., 5. Aufl., Ber- 102-X lin 2004, 10,00 Euro, ISBN 3-86153-183-6 Band 18: Hubertus Knabe: West-Arbeit des MfS. Das Zu- Band 5: Siegfried Suckut (Hg.): Wörterbuch der Staatssi- sammenspiel von „Aufklärung“ und „Abwehr“, 597 S., cherheit. Definitionen zur „politisch-operativen Arbeit“, 2. Aufl., Berlin 1999, 24,50 Euro, ISBN 3-86153-182-8 472 S., 3., durchges. Aufl., Berlin 2001, 20,50 Euro, ISBN 3-86153-111-9 Band 19: Wolfgang Buschfort: Parteien im Kalten Krieg. Die Ostbüros von SPD, CDU und FDP, 260 S., Berlin Band 6: Joachim Walther: Sicherungsbereich Literatur. 2000, 15,50 Euro, ISBN 3-86153-226-3 Schriftsteller und Staatssicherheit in der Deutschen De- mokratischen Republik, 888 S., Berlin 1996, 34,80 Euro, Band 20: Jens Gieseke: Die hauptamtlichen Mitarbeiter ISBN 3-86153-121-6 der Staatssicherheit. Personalstruktur und Lebenswelt 1950–1989/90, 615 S., Berlin 2000, 24,50 Euro, ISBN 3- Band 7: Clemens Vollnhals (Hg.): Die Kirchenpolitik von 86153-227-1 SED und Staatssicherheit. Eine Zwischenbilanz, 464 S., 2., durchges. Aufl., Berlin 1997, 24,50 Euro, ISBN Erschienen im Verlag Edition Temmen, Bremen 3-86153-122-4 Band 21: Ehrhart Neubert und Bernd Eisenfeld (Hg.): Band 8: Siegfried Suckut und Walter Süß (Hg.): Staatspartei Macht – Ohnmacht – Gegenmacht. Grundfragen zur poli- und Staatssicherheit. Zum Verhältnis von SED und MfS, tischen Gegnerschaft in der DDR, 457 S., Bremen 2001, 351 S., Berlin 1997, 19,50 Euro, ISBN 3-86153-131-3 24,90 Euro, ISBN 3-86108-792-8 Band 9: Silke Schumann: Parteierziehung in der Geheim- Band 22: Hans-Peter Löhn: Spitzbart, Bauch und Brille – polizei. Zur Rolle der SED im MfS der fünfziger Jahre, sind nicht des Volkes Wille! Der Volksaufstand am 218 S., Berlin 2000, 10,00 Euro, ISBN 3-86153-146-1 17. Juni 1953 in Halle an der Saale, 212 S., Bremen 2003, Band 10: Helmut Müller-Enbergs (Hg.): Inoffizielle Mit- 10,90 Euro, ISBN 3-86108-373-6 arbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Anleitun- Band 23: Georg Herbstritt und Helmut Müller-Enbergs gen für die Arbeit mit Agenten, Kundschaftern und Spio- (Hg.): Das Gesicht dem Westen zu … DDR-Spionage ge- nen in der Bundesrepublik Deutschland, 1 118 S., 2. Aufl., gen die Bundesrepublik Deutschland, 458 S., Bremen Berlin 1998, 34,80 Euro, ISBN 3-86153-145-3 2003, 22,90 Euro, ISBN 3-86108-388-4 Band 11: Karl Wilhelm Fricke und Roger Engelmann: Band 24: Karl Wilhelm Fricke und Roger Engelmann: „Konzentrierte Schläge“. Staatssicherheitsaktionen und Der „Tag X“ und die Staatssicherheit. 17. Juni 1953 – Re- – 120 – n o c h Anhang 10 aktionen und Konsequenzen im DDR-Machtapparat, 347 S., Band 3: Dietmar Riemann: Laufzettel. Tagebuch einer Bremen 2003, 17,90 Euro, ISBN 3-86108-386-8 Ausreise, 512 S., Göttingen 2005, 29,90 Euro, ISBN 3-525-35800-8 Band 25: Bernd Eisenfeld, Ilko-Sascha Kowalczuk und Ehrhart Neubert: Die verdrängte Revolution. Der Platz des 17. Juni 1953 in der deutschen Geschichte, 847 S., Die DDR im Blick der Stasi. Die geheimen Berichte zahlr. Abb., Bremen 2004, 29,90 Euro, ISBN 3-86108- an die SED-Führung 387-6 Über den Buchhandel zu beziehen Band 26: Matthias Braun: Die Literaturzeitschrift „Sinn Erschienen im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, und Form“. Ein ungeliebtes Aushängeschild der SED- Göttingen Kulturpolitik, 229 S., Bremen 2004, 11,90 Euro, ISBN 3-86108-398-1 Siegfried Suckut (Hg.): Die DDR im Blick der Stasi 1976. Die geheimen Berichte an die SED-Führung, 320 S., mit Erschienen im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Datenbank auf CD-ROM, Göttingen 2009, 29,95 Euro, Göttingen ISBN 978-3-525-37300-2 Band 27: Roger Engelmann und Ilko-Sascha Kowalczuk Frank Joestel (Bearb.): Die DDR im Blick der Stasi 1988. (Hg.): Volkserhebung gegen den SED-Staat. Eine Be- Die geheimen Berichte an die SED-Führung, 320 S., mit standsaufnahme zum 17. Juni 1953, 478 S., Göttingen Datenbank auf CD-ROM, Göttingen 2010, 29,95 Euro, 2005, 32,90 Euro, ISBN 3-525-35004-X ISBN 978-3-525-37502-0 Band 28: Henry Leide: NS-Verbrecher und Staatssicher- heit. Die geheime Vergangenheitspolitik der DDR, 448 S., Einzelveröffentlichungen 3. Aufl., Göttingen 2007, 29,90 Euro, ISBN 3-525- Über den Buchhandel zu beziehen 35018-X Klaus-Dietmar Henke (Hg.): Wann bricht schon mal ein Band 29: Georg Herbstritt: Bundesbürger im Dienst der Staat zusammen! Die Debatte über die Stasi-Akten auf DDR-Spionage. Eine analytische Studie, 459 S., Göttin- dem 39. Historikertag 1992, München 1993 (vergriffen) gen 2007, 29,90 Euro, ISBN 978-3-525-35021-8 Arbeitsgebiet I der Kriminalpolizei. Aufgaben, Struktur Band 30: Jens Gieseke (Hg.): Staatssicherheit und Gesell- und Verhältnis zum MfS, 56 S., Berlin 1994 (vergriffen) schaft. Studien zum Herrschaftsalltag in der DDR, 383 S., Göttingen 2007, 27,90 Euro, ISBN 978-3-525-35083-6 Clemens Vollnhals: Das Ministerium für Staatssicherheit. Band 31: Matthias Braun: Kulturinsel und Machtinstru- Ein Instrument totalitärer Herrschaftsausübung, 24 S., ment. Die Akademie der Künste, die Partei und die Berlin 1995 (vergriffen) Staatssicherheit, 446 S., Göttingen 2007, 31,90 Euro, Bernd Eisenfeld und Roger Engelmann: 13. August 1961: ISBN 978-3-525-35049-2 Mauerbau. Fluchtbewegung und Machtsicherung. Mit ei- Band 32: Roger Engelmann, Thomas Großbölting, nem Vorwort von Marianne Birthler, 120 S., Berlin 2001, Hermann Wentker: Kommunismus in der Krise. Die Ent- Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-87-5 stalinisierung 1956 und die Folgen, 478 S., Göttingen Ilko-Sascha Kowalczuk: 17. Juni 1953. Volksaufstand in 2008, 34,90 Euro, ISBN 978-3-525-35052-2 der DDR. Ursachen – Abläufe – Folgen, 312 S., Audio- Band 33: Łukasz Kamiński, Krzysztof Persak und Jens CD, Bremen 2003, Schutzgebühr 10,00 Euro, ISBN 978- Gieseke (Hg.): Handbuch der kommunistischen Geheim- 3-942130-86-8 dienste in Osteuropa 1944–1991, 583 S., Göttingen 2009, Jens Gieseke: Der Mielke-Konzern. Die Geschichte der 39,90 Euro, ISBN 978-3-525-35100-0 Stasi 1945–1990, 320 S., 3., erw. und akt. Aufl., München Unterreihe: Biografische Quellen im Verlag Edition Tem- 2006, 24,90 Euro, ISBN 3-421-05952-7 men, Bremen Helmut Müller-Enbergs unter Mitarbeit von Susanne Band 1: Peter Eisenfeld: „… rausschmeißen …“. 20 Jahre Muhle: Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für politische Gegnerschaft in der DDR, 504 S., zahlr. Abb., Staatssicherheit. Teil 3: Statistiken, 1 024 S., Berlin 2008, Bremen 2002, 24,90 Euro, ISBN 3-86108-342-6 39,30 Euro, ISBN 978-3-86153-441-9 Band 2: Wolfgang Schollwer: „Gesamtdeutschland ist Feind ist, wer anders denkt. Eine Ausstellung über die uns Verpflichtung“. Aufzeichnungen aus dem FDP-Ost- Staatssicherheit der DDR, 88 S., Berlin 2008, Schutzge- büro 1951–1957, 298 S., Bremen 2004, 15,90 Euro, bühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-89-9 ISBN 3-86108-043-5 Ilko-Sascha Kowalczuk: Endspiel. Die Revolution von Unterreihe: Biografische Quellen im Verlag Vandenhoeck 1989 in der DDR, 602 S., München 2009, 24,90 Euro, & Ruprecht, Göttingen ISBN 978-3-406-58357-5 – 121 –

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Ilko-Sascha Kowalczuk: Die 101 wichtigsten Fragen – Johannes Beleites: Abteilung XIV: Haftvollzug, 65 S., DDR, 159 S., München 2009, 9,95 Euro, ISBN 978-3- Berlin 2004 (vergriffen), ISBN 978-3-942130-11-0 406-59232-4 Stephan Wolf: Hauptabteilung I: NVA und Grenztruppen, Teil III/13, 102 S., 2., durchges. Aufl., Berlin 2005, MfS-Handbuch Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-04-2 Anatomie der Staatssicherheit – Geschichte, Struktur, Hanna Labrenz-Weiß: Abteilung M, Teil III/19, 48 S., Methoden Berlin 2005, Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3- Über den Buchhandel bzw. die BStU zu beziehen 942130-17-2 Roland Wiedmann (Bearb.): Die Organisationsstruktur Monika Tantzscher: Hauptabteilung VI: Grenzkontrollen, des Ministeriums für Staatssicherheit 1989, Teil V/1, 403 S., Reise- und Touristenverkehr, Teil III/14, 109 S., Berlin 2005, Berlin 1995, Schutzgebühr 10,00 Euro, ISBN 978-3- Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-07-3 942130-27-1 Angela Schmole: Abteilung 26: Telefonkontrolle, Abhör- Jens Gieseke: Die hauptamtlichen Mitarbeiter des Minis- maßnahmen und Videoüberwachung, Teil III/19, 66 S., teriums für Staatssicherheit, Teil IV/1, 107 S., 2. Aufl., 2. Aufl., Berlin 2009, Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN Berlin 1996, Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3- 978-3-942130-19-6 942130-25-7 Thomas Auerbach, Matthias Braun, Bernd Eisenfeld, Bernd Eisenfeld: Die Zentrale Koordinierungsgruppe. Gesine von Prittwitz und Clemens Vollnhals: Hauptabtei- Bekämpfung von Flucht und Übersiedlung, Teil III/17, 52 lung XX: Staatsapparat, Blockparteien, Kirchen, Kultur, S., 2. Aufl., Berlin 1996, Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN „politischer Untergrund“, 179 S., Berlin 2008, Schutzge- 978-3-942130-16-5 bühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-13-4 Tobias Wunschik: Die Hauptabteilung XXII: „Terrorab- Helmut Müller-Enbergs: Die inoffiziellen Mitarbeiter, 53 S., wehr“, Teil III/16, 56 S., 2. Aufl., Berlin 1995, Schutzge- Berlin 2008, Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3- bühr 2,50 Euro, ISBN 978-3-942130-14-1 942130-26-4 Günter Förster: Die Juristische Hochschule des Ministe- Tobias Wunschik: Hauptabteilung VII: Ministerium des riums für Staatssicherheit, Teil III/6, 42 S., Berlin 1996, Innern, Deutsche Volkspolizei, 99 S., Berlin 2009, Schutzge- Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3-942130-22-6 bühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-08-0 Maria Haendcke-Hoppe-Arndt: Die Hauptabteilung XVIII: Volkswirtschaft, Teil III/10, 130 S., Berlin 1997, Roger Engelmann und Frank Joestel: Die Zentrale Aus- Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-12-7 wertungs- und Informationsgruppe, 100 S., Berlin 2009, Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-20-2 Hanna Labrenz-Weiß: Die Hauptabteilung II: Spionage- abwehr, Teil III/7, 79 S., 2., durchges. Aufl., Berlin 2001, Walter Süß: Die Staatssicherheit im letzten Jahrzehnt der Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-05-9 DDR. Geschichte der Staatssicherheit, 114 S., Berlin 2009, Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-03-5 Silke Schumann: Die Parteiorganisation der SED im MfS, Teil III/20, 89 S., 3. Aufl., Berlin 2002, Schutzgebühr Andreas Schmidt: Hauptabteilung III: Funkaufklärung und 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-23-3 Funkabwehr, 238 S., mit Beilagekarte zum Stützpunkt- system der HA III, Berlin 2010, Schutzgebühr 5,00 Euro, Jens Gieseke (Hg.): Wer war wer im Ministerium für ISBN 978-3-942130-06-6 Staatssicherheit. Kurzbiographien des MfS-Leitungsper- sonals 1950 bis 1989, Teil V/4, 84 S., Berlin 1998, Die bereits erschienenen Handbuch-Lieferungen sind zum Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-30-1 Teil auch online verfügbar unter www.bstu.de. Dort findet sich auch eine aktuelle Übersicht über das Gesamtwerk. Reinhard Buthmann: Die Objektdienststellen des MfS, Teil II/3, 25 S., Berlin 1999, Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3-942130-24-0 Dokumente (Reihe A) Hubertus Knabe: Die Rechtsstelle des MfS, Teil III/4, 21 S., Über den Buchhandel bzw. die BStU zu beziehen Berlin 1999, Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3- Günter Förster: Die Dissertationen an der „Juristischen 942130-21-9 Hochschule“ des MfS. Eine annotierte Bibliographie, 143 S., Reinhard Buthmann: Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle 2. Aufl., Berlin 1997, Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN Koordinierung, Teil III/11, 67 S., 2. Aufl., Berlin 2004, 978-3-942130-35-6 Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-18-9 Silke Schumann: Vernichten oder Offenlegen? Zur Entste- Roger Engelmann und Frank Joestel (Bearb.): Grundsatz- hung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes. Dokumentation der dokumente des MfS, Teil V/5, 508 S., Berlin 2004, öffentlichen Debatte 1990/1991, 349 S., 2. Aufl., Berlin Schutzgebühr 10,00 Euro, ISBN 978-3-942130-31-8 1997, Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-36-3 – 122 – n o c h Anhang 10

Günter Förster: Bibliographie der Diplomarbeiten und Helmut Müller-Enbergs: Das Zusammenspiel von Staats- Abschlußarbeiten an der Hochschule des MfS, 577 S., sicherheit und SED nach der Selbstverbrennung des Pfar- Berlin 1998, Schutzgebühr 10,00 Euro, ISBN 978-3- rers Oskar Brüsewitz aus Rippicha am 18. August 1976, 942130-37-0 Berlin 1993 (vergriffen) Frank Joestel (Hg.): Strafrechtliche Verfolgung politi- Monika Tantzscher: Maßnahme „Donau“ und Einsatz scher Gegner durch die Staatssicherheit im Jahre 1988. „Genesung“. Die Niederschlagung des Prager Frühlings Der letzte Jahresbericht der MfS-Hauptabteilung Unter- 1968/69 im Spiegel der MfS-Akten, 145 S., 2. Aufl., Ber- suchung, 128 S., 2. Aufl., Berlin 2004, Schutzgebühr lin 1998 (vergriffen) 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-38-7 Verfolgung und die Folgen. Über den Umgang mit den MfS und Leistungssport. Ein Recherchebericht, 209 S., Opfern (öffentliche Veranstaltung am 27. Oktober 1994), Berlin 1994 (vergriffen) 98 S., Berlin 1995 (vergriffen) Die „Dokumente (Reihe A)“ werden fortgeführt in der Die „Analysen und Berichte (Reihe B)“ werden fortge- Reihe „BF informiert“. führt in der Reihe „BF informiert“.

Analysen und Berichte (Reihe B) BF informiert Über den Buchhandel bzw. die BStU zu beziehen Über den Buchhandel bzw. die BStU zu beziehen Thomas Auerbach unter Mitarbeit von Wolf-Dieter Sailer: Walter Süß (Edition): Erich Mielke und KGB-Vize Vorbereitung auf den Tag X. Die geplanten Isolierungsla- Leonid Schebarschin über den drohenden Untergang des ger des MfS, 154 S., 3., durchges. Aufl., Berlin 2000 Sozialistischen Lagers. Mitschrift eines Streitgesprächs (vergriffen) am 7. April 1989, 41 S., (1/1993) (vergriffen) Bodo Wegmann und Monika Tantzscher: SOUD. Das ge- Joachim Walther und Gesine von Prittwitz: Staatssicher- heimdienstliche Datennetz des östlichen Bündnissystems, heit und Schriftsteller. Bericht zum Forschungsprojekt, 30 S., 104 S., Berlin 1996, Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978- (2/1993) (vergriffen) 3-942130-44-8 Helmut Müller-Enbergs: IM-Statistik 1985–1989, 64 S., Walter Süß: Zu Wahrnehmung und Interpretation des (3/1993) (vergriffen), ISBN 978-3-942130-50-9 Rechtsextremismus in der DDR durch das MfS, 106 S., 3. Aufl., Berlin 2000, Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3- Jens Gieseke: Die Hauptamtlichen 1962. Zur Personalstruk- 942130-42-4 tur des Ministeriums für Staatssicherheit, 63 S., (3/1994) (vergriffen), ISBN 978-3-942130-51-6 Monika Tantzscher: Die verlängerte Mauer. Die Zusam- menarbeit der Sicherheitsdienste der Warschauer-Pakt- Jürgen Fuchs: Unter Nutzung der Angst. Die „leise Form“ Staaten bei der Verhinderung von „Republikflucht“, 161 S., des Terrors – Zersetzungsmaßnahmen des MfS, 40 S., (2/1994) 2., durchges. Aufl., Berlin 2001, Schutzgebühr 5,00 Euro, (vergriffen) ISBN 978-3-942130-45-5 Roger Engelmann: Zu Struktur, Charakter und Bedeutung Reinhard Buthmann: Hochtechnologien und Staatssicher- der Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit, 63 S., heit. Die strukturelle Verankerung des MfS in Wissen- (3/1994), Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3-942130- schaft und Forschung der DDR, 311 S., 2., durchges. 52-3 Aufl., Berlin 2000, Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3- Walter Süß: Entmachtung und Verfall der Staatssicherheit. 942130-46-2 Ein Kapitel aus dem Spätherbst 1989, 75 S., (5/1994), Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3-942130-53-0 Aus der Veranstaltungsreihe der Bundesbeauftragten: Jens Gieseke: Doktoren der Tschekistik. Die Promoven- Ausreisen oder dableiben? Regulierungsstrategien der Staats- den der „Juristischen Hochschule“ des MfS, 29 S., (6/1994) sicherheit (öffentliche Veranstaltung am 26. Oktober 1995), (vergriffen), ISBN 978-3-942130-54-7 129 S., 2. Aufl., Berlin 1998, Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-43-1 Roger Engelmann und Silke Schumann: Kurs auf die ent- wickelte Diktatur. Walter Ulbricht, die Entmachtung Ernst Bearbeiten – Zersetzen – Liquidieren; Die Inoffiziellen Wollwebers und die Neuausrichtung des Staatssicherheits- Mitarbeiter; Freiheit für meine Akte, Berlin 1993 (ver- dienstes 1956/57, 81 S., (1/1995), Schutzgebühr 5,00 Euro, griffen) ISBN 978-3-942130-55-4 Tobias Hollitzer: „Wir leben jedenfalls von Montag zu Andreas Niemann und Walter Süß: „Gegen das Volk kann Montag“. Zur Auflösung der Staatssicherheit in Leipzig. nichts mehr entschieden werden“. MfS und SED im Be- Erste Erkenntnisse und Schlußfolgerungen, 321 S., 2. durch- zirk Neubrandenburg 1989. (Die Entmachtung der Staats- ges. Aufl., Berlin 2000 (vergriffen) sicherheit in den Regionen, Teil 1), 71 S., (12/1996), 2. Aufl., – 123 –

n o c h Anhang 10

Berlin 1997, Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3- Gudrun Weber: Stille Post. Neue Wege der Westarbeit in 942130-56-1 der Vertriebsorganisation des Ministeriums für Staatssi- cherheit in den sechziger Jahren, 65 S., (25/2005), Schutz- Hans-Peter Löhn: „Unsere Nerven lagen allmählich blank“. gebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3-942130-66-0 MfS und SED im Bezirk Halle. (Die Entmachtung der Staatssicherheit in den Regionen, Teil 2), 66 S., (13/1996), Arno Polzin: Der Wandel Robert Havemanns vom Inoffi- 2. Aufl., Berlin 1997, (vergriffen) ziellen Mitarbeiter zum Dissidenten im Spiegel der MfS- Akten, 59 S., (26/2005), 2., überarb. Aufl., Berlin 2006, Stephan Fingerle und Jens Gieseke: Partisanen des Kalten Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3-942130-67-7 Krieges. Die Untergrundtruppe der Nationalen Volksar- mee 1957 bis 1962 und ihre Übernahme durch die Staats- Joachim Granzow: Die Löwengrube. Als Arzt in DDR- sicherheit, 70 S., (14/1996), Schutzgebühr 2,50 Euro, Haftanstalten Mitte der fünfziger Jahre. Ein Erlebnisbe- ISBN 978-3-942130-57-8 richt, 215 S., 2. Aufl., Berlin 2006, Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-70-7 Bibliographie zum Staatssicherheitsdienst der DDR, zusam- mengestellt von Hildegard von Zastrow, 124 S., (15/1996), Regina Teske: Staatssicherheit auf dem Dorfe. Zur Über- 2., erw. Aufl. (vergriffen) wachung der ländlichen Gesellschaft vor der Vollkollekti- vierung 1952 bis 1958, 109 S., (27/2006) (vergriffen), Clemens Vollnhals: Die kirchenpolitische Abteilung des ISBN 978-3-942130-68-4 Ministeriums für Staatssicherheit, 43 S., (16/1997), 2. Aufl., Berlin 1997, Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3- Helmut Müller-Enbergs: „Rosenholz“. Eine Quellenkritik, 942130-58-5 234 S., (28/2007), Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3- 942130-69-1 Walter Süß: Das Verhältnis von SED und Staatssicherheit. Eine Skizze seiner Entwicklung, 36 S., (17/1997), 2. Aufl., Wilhelm Mensing: SED-Hilfe für West-Genossen. Die Ar- Berlin 1998, Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3- beit der Abteilung Verkehr beim Zentralkomitee der SED 942130-59-2 im Spiegel der Überlieferung des Ministeriums für Staats- sicherheit der DDR (1946–1976), 320 S., (29/2010), Tobias Wunschik: Die maoistische KPD/ML und die Zer- Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN 978-3-942130-71-4 schlagung ihrer „Sektion DDR“ durch das MfS, 45 S., (18/1997), 2. Aufl., Berlin 1998, Schutzgebühr 2,50 Euro, Kooperationsprojekte ISBN 978-3-942130-60-8 Über den Buchhandel bzw. die BStU zu beziehen Holger Horsch: „Hat nicht wenigstens die Stasi die Stim- mung im Lande gekannt?“ MfS und SED im Bezirk Karl- Akademie für politische Bildung Tutzing/BStU: Marx-Stadt. (Die Entmachtung der Staatssicherheit in den Siegfried Suckut und Jürgen Weber (Hg.): Stasi-Akten zwi- Regionen, Teil 3), 59 S., (19/1997), 2. Aufl., Berlin 1998, schen Politik und Zeitgeschichte. Eine Zwischenbilanz, 338 S., Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3-942130-61-5 München 2003, 19,80 Euro, ISBN 978-3-7892-8135-8 Volker Höffer: „Der Gegner hat Kraft“. MfS und SED im Bezirk Rostock. (Die Entmachtung der Staatssicherheit in Militärgeschichtliches Forschungsamt Potsdam/BStU: den Regionen, Teil 4), 63 S., (20/1997), Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3-942130-62-2 Torsten Diedrich und Ilko-Sascha Kowalczuk: Staatsgrün- dung auf Raten?, 435 S., Berlin 2005, 29,90 Euro, ISBN Jens Gieseke: Das Ministerium für Staatssicherheit 1950– 3-86153-380-4 1989/90. Ein kurzer historischer Abriß, 56 S., (21/1998) (vergriffen) Torsten Diedrich und Walter Süß (Hg.): Militär und Staats- sicherheit im Sicherheitskonzept der Warschauer-Pakt- Eberhard Stein: „Sorgt dafür, daß sie die Mehrheit nicht Staaten, 372 S., Berlin 2010, 34,90 Euro, ISBN 3-86153- hinter sich kriegen“. MfS und SED im Bezirk Erfurt. (Die 610-9 Entmachtung der Staatssicherheit in den Regionen, Teil 5), 57 S., (22/1999), Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3- Bundeszentrale für politische Bildung/BStU: 942130-63-9 Jens Gieseke unter Mitarbeit von Doris Hubert: Die DDR- Andrzej Paczkowski: Terror und Überwachung. Die Funk- Staatssicherheit. Schild und Schwert der Partei, 120 S., tion des Sicherheitsdienstes im kommunistischen System Bonn 2001, Schutzgebühr 2,00 Euro in Polen von 1944–1956, 37 S., (23/1999), Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3-942130-64-6 Jens Gieseke (with Doris Hubert): The GDR State Secu- rity. Shield and Sword of the Party, translated by Mary Joachim Lampe: Juristische Aufarbeitung von Westspio- Carlene Forszt, 120 S., Berlin 2004, Schutzgebühr nage, 35 S., (24/1999), 3., durchges. Aufl., Berlin 2002, 2,00 Euro, Versand von Einzelexemplaren ins Ausland Schutzgebühr 2,50 Euro, ISBN 978-3-942130-65-3 kostenlos – 124 – n o c h Anhang 10

Landesbeauftragter für Mecklenburg-Vorpommern das Thema Einflußnahme der Staatssicherheit auf das für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Kartenwesen der DDR, 304 S., 3., durchges. Aufl., Müns- ehemaligen DDR/BStU: ter 2006, 19,90 Euro, ISBN 3-8258-5964-9 Johannes Beleites: Schwerin, Demmlerplatz. Die Untersu- Band 6: Dagmar Unverhau (Hg.): Hatte „Janus“ eine Chance? chungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit, Das Ende der DDR und die Sicherung einer Zukunft der 239 S., Schwerin 2001, Schutzgebühr 5,00 Euro, ISBN Vergangenheit, 448 S., Münster 2003, 19,90 Euro, ISBN 978-3-933255-12-9 3-8258-7120-7 Band 7: Dagmar Unverhau (Hg.): State Security and Map- Robert-Havemann-Gesellschaft e. V./BStU: ping in the GDR. Map Falsification as a Consequence of Werner Theuer und Arno Polzin unter Mitarbeit von Excessive Secrecy? Lectures to the conference of the Bernd Florath: Aktenlandschaft Havemann. Nachlass und BStU from 8th-9th March 2001 in Berlin, 304 S., Berlin Archivbestände zu Robert Havemann in der Robert- 2006, 29,90 Euro, ISBN 3-8258-9039-2 Havemann-Gesellschaft und bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehe- Band 8: Dagmar Unverhau (Hg.): Vorläufiges Findbuch zur maligen Deutschen Demokratischen Republik, 576 S., Abteilung X: „Internationale Verbindungen“ des Ministe- Berlin 2008, 25,00 Euro, ISBN 978-3-938857-07-6 riums für Staatssicherheit der DDR, bearb. von Marko Pollack und Doreen Bombitzki, 335 S., Münster 2005, 19,90 Euro, ISBN 3-8258-9018-x Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur/BStU: Band 9: Dagmar Unverhau (Hg.): Geheimhaltung und Staats- Christian Halbrock: „Stasi-Stadt“ – Die MfS-Zentrale in sicherheit. Zur Kartographie des Kalten Krieges, 600 S., Berlin-Lichtenberg. Ein historischer Rundgang um das Münster 2009, 29,90 Euro, Teilband 1: Beiträge und Anla- ehemalige Hauptquartier des DDR-Staatssicherheitsdiens- gen, Teilband 2: Abbildungen, ISBN 978-3-643-10070-2 tes. Mit einem Vorwort von Marianne Birthler, 75 S., Ber- lin 2009, 12,90 Euro, ISBN 978-3-86153-520-1 Band 10: Abteilung Archivbestände der BStU (Hg.): Vor- Christian Halbrock: Mielkes Revier. Stadtraum und Alltag läufiges Findbuch Sekretariate der Stellvertreter des Minis- rund um die MfS-Zentrale in Berlin-Lichtenberg, 256 S., ters Neiber, Mittig und Schwanitz im Ministerium für mit zahlreichen bisher unveröffentlichten Fotos und Kar- Staatssicherheit der DDR. Bearbeitet von Elisabeth ten, Berlin 2010, 19,80 Euro, ISBN 978-3-86732-073-3 Larssen und Jana Florczak, 400 S., Münster 2008, 19,90 Euro, ISBN 978-3-8258-1106-8 Archivwissenschaftliche Veröffentlichungen Kostenlos erhältliche Behördenpublikationen Archiv zur DDR-Staatssicherheit Über die BStU zu beziehen Wissenschaftliche Reihe der Bundesbeauftragten im LIT Verlag, Münster Zweiter bis Neunter Tätigkeitsbericht der Bundesbeauf- tragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Band 1: Dagmar Unverhau: Das „NS-Archiv“ des Minis- ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik teriums für Staatssicherheit. Stationen einer Entwicklung, 258 S., 2., durchges. Aufl., Münster 2004, 19,90 Euro, Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ISBN 3-8258-3512-X ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi- Unterlagen-Gesetz – StUG) Band 2: Dagmar Unverhau (Hg.): Das Stasi-Unterlagen- Gesetz im Lichte von Datenschutz und Archivgesetz- ACT REGARDING THE RECORDS OF THE STATE gebung, 312 S., 2., durchges. Aufl., Münster 2003, SECURITY SERVICE OF THE FORMER GERMAN 20,90 Euro, ISBN 3-8258-3924-9 DEMOCRATIC REPUBLIC (STASI RECORDS ACT) Band 3: Dagmar Unverhau (Hg.) unter Mitarbeit von Ro- Abkürzungsverzeichnis: Häufig verwendete Abkürzungen land Lucht: Lustration, Aktenöffnung, demokratischer und Begriffe des Ministeriums für Staatssicherheit, 130 S., Umbruch in Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn, 9., ergänzte und korrigierte Aufl., Berlin 2009 408 S., 2. Aufl., Münster 2005, 19,90 Euro, ISBN 3-8258- 4515-X Zehn Jahre Stasi-Unterlagen-Gesetz – Zehn Jahre Aufar- beitung, 73 S., Berlin 2002 Band 4: Abteilung Archivbestände der BStU (Hg.): Find- buch zum „Archivbestand 2: Allgemeine Sachablage“ des Entscheidungen gegen das Schweigen. 15 Jahre Einsicht Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, bearb. von in die Stasi-Unterlagen, 43 S., Berlin 2007 Joachim Franke u. a., 328 S., Münster 2001, 12,90 Euro, ISBN 3-8258-5543-0 Das „Europäische Netzwerk der für die Geheimpolizeiak- ten zuständigen Behörden“ – Ein Reader zu ihren gesetz- Band 5: Dagmar Unverhau (Hg.): Kartenverfälschung als lichen Grundlagen, Strukturen und Aufgaben, 88 S., Ber- Folge übergroßer Geheimhaltung? Eine Annäherung an lin 2010 – 125 –

Anhang 11

Materialien der BStU für die historisch-politische Die Mappe ist kostenfrei über die Außenstelle zu be- Bildungsarbeit ziehen. Reihe „Quellen für die Schule“ – BStU (Hg.) Arbeits- und Informationsmappe „Ange- bote und Materialien für Schulen“ der Außenstelle – BStU (Hg.): Jugendliche Inoffizielle Mitarbeiter (IM) Dresden für Lehrer am Beispiel des IM „Shenja“. Auszug aus einer Akte des MfS mit Arbeitsbögen. 3., korrigierte Auflage, Spezielle Materialien für Lehrer mit umfangreichen Berlin 2009 (BStU für Schulen – Quellen für die Informationen zur Struktur und Arbeitsweise des MfS, Schule 1). Abgabe kostenfrei. Seminarangeboten der Außenstelle sowie Aktenauszü- gen. Mit methodisch-didaktischen Hinweisen für die – BStU (Hg.): Flucht aus der DDR am Beispiel „Ver- Unterrichtsgestaltung und die Lernzielerreichung. suchter Grenzdurchbruch zweier Schüler“. Auszug Dresden 2008. Die Mappe ist kostenfrei über die Au- aus einer Akte des MfS mit Arbeitsbögen. 3., korri- ßenstelle zu beziehen. gierte Auflage, Berlin 2009 (BStU für Schulen – Quel- len für die Schule 2). Abgabe kostenfrei. – BStU (Hg.): Arbeits- und Informationsmappe „Ange- – BStU (Hg.): „DDR – eingesperrt“: Jugendliche im bote und Materialien für Schulen“ der Außenstelle Er- Stasi-Visier am Beispiel des Operativen Vorgangs (OV) furt für Lehrer „Signal“. Auszug aus einer Akte des MfS mit Arbeits- Spezielle Materialien für Lehrer mit Informationen und bögen. 3., korrigierte Auflage, Berlin 2009 (BStU für ausgewählten Dokumenten zur MfS-Arbeitsweise, Aus- Schulen – Quellen für die Schule 3). Abgabe kosten- stellungs- und Seminarangeboten der Außenstelle so- frei. wie Aktenauszügen. Mit methodisch-didaktischen – BStU (Hg.): Schülerprotest 1961: Wie die Stasi gegen Hinweisen für die Unterrichtsgestaltung und die Lern- eine Abiturklasse der Erweiterten Oberschule in An- zielerreichung. Erfurt 2008. Die Mappe ist kostenfrei klam vorging. Auszug aus einer Akte des MfS mit Ar- über die Außenstelle zu beziehen. beitsbögen. Berlin 2009 (BStU für Schulen – Quellen – BStU (Hg.): Arbeits- und Informationsmappe „Mate- für die Schule 5). Abgabe kostenfrei. rialien für Lehrkräfte – Region Potsdam“ – BStU (Hg.): Von der Schule verwiesen: Schülerprotest Spezielle Materialien aus der Region Potsdam mit In- an der Berliner Carl-von-Ossietzky-Schule 1988. Aus- formationen, Aktenauszügen und ausgewählten Doku- zug aus einer Akte des MfS mit Arbeitsbögen. Berlin menten zur MfS-Arbeitsweise. Mit methodisch-didak- 2010 (BStU für Schulen – Quellen für die Schule 6). tischen Hinweisen für die Unterrichtsgestaltung und Abgabe kostenfrei. die Lernzielerreichung. Berlin 2010. Die Mappe wird kostenfrei abgegeben. Arbeits- und Informationsmappen der Außenstellen – Petra Saar, Marion Wagner: Stasi-Stücke. Szenische Materialien auf CD und DVD Umsetzungen von Fällen aus MfS-Akten zum Lesen – BStU (Hg.): Die Stasi im Jahr 1989. Eine CD-Dokumen- und Nachspielen für Schüler. Erfurt 2004. Schutzge- tation des gleichnamigen BStU-Internetprojekts unter bühr 2,00 Euro. der Leitung von Walter Süß, Berlin 2005. Schutzge- – BStU (Hg.): Arbeits- und Informationsmappe „Ange- bühr 2,00 Euro. bote und Materialien für Schulen“ der Außenstelle – BStU (Hg.): Das Ministerium für Staatssicherheit. Mate- Frankfurt (Oder) für Lehrer rialien für den Unterricht: eine Bildungs-CD, Rostock Spezielle Materialien für Lehrer mit Informationen zur 2007. Abgabe kostenfrei. MfS-Arbeitsweise, Ausstellungs- und Seminarange- – BStU (Hg.): „Revisor“: Überwachung, Verfolgung, In- boten der Außenstelle sowie Fallbeispielen mit Bei- haftierung durch das MfS. Ein Fallbeispiel für den Un- spieldokumenten aus dem Raum Frankfurt (Oder). Mit terricht. Film-DVD mit einem Original-Lehrfilm des Aktenauszügen und methodisch-didaktischen Hinwei- MfS und Bildungs-DVD mit didaktischen Hinweisen sen für die Unterrichtsgestaltung und Lernzielerrei- und einem Aktenauszug, Berlin 2007 (BStU für Schu- chung. Frankfurt (Oder) 2005. Die Mappe ist kosten- len – Quellen für die Schule 4). Schutzgebühr frei über die Außenstelle zu beziehen. 4,00 Euro. – BStU (Hg.): Arbeits- und Informationsmappe „Ange- bote für Schulen“ der Außenstelle Gera für Lehrer – BStU (Hg.): Ein Volk unter Verdacht: Die Staatssicher- heit der DDR. Ein Unterrichtsfilm für Schülerinnen Spezielle Materialien für Lehrer, Ausstellungs- und Se- und Schüler aller Schultypen ab Klassenstufe 9. Die minarangebote der Außenstelle sowie Aktenbeispiele. DVD enthält zusätzlich Materialien zur Vor- und Mit methodisch-didaktischen Hinweisen für die Unter- Nachbereitung des Themas im Unterricht. Berlin 2010. richtsgestaltung und die Lernzielerreichung. Gera 2007. Schutzgebühr 5,00 Euro. – 126 – noch Anhang 11

Materialien für die Bildungsarbeit, herausgegeben von Die Materialien sind – soweit nicht anders der BStU gemeinsam mit Kooperationspartnern: angegeben – erhältlich über: – Christoph Hamann, Axel Janowitz: Feindliche Jugend? BStU – Abteilung Bildung und Forschung, BF 3, Sachge- Verfolgung und Disziplinierung Jugendlicher durch biet für historisch-politische Bildungsarbeit das Ministerium für Staatssicherheit. Unterrichtsein- Postanschrift: 10106 Berlin heiten zu ausgewählten Fällen. Im Auftrag der BStU und des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin- E-Mail: [email protected] Brandenburg (LISUM). 3., korrigierte Auflage, Berlin 2010. Abgabe kostenfrei. – 127 –

Anhang 12

Wanderausstellung „Feind ist, wer anders denkt“

Ort Eröffnung Zeitraum Besucher München 21.04.2009 22.04. – 14.05.2009 3 295 Bremen 19.05.2009 19.05. – 30.05.2009 1 012 Düsseldorf 09.06.2009 09.06. – 28.06.2009 2 515 Garbsen 12.08.2009 12.08. – 28.08.2009 1 415 Lübeck 03.09.2009 03.09. – 27.09.2009 3 343 Flensburg 01.10.2009 01.10. – 16.10.2009 1 063 Den Haag (NL) 22.10.2009 23.10. – 13.11.2009 1 009 Bratislava (SK) 19.11.2009 20.11. – 12.12.2009 1 741 2010 Cloppenburg 07.01.2010 08.01. – 27.01.2010 2 131 London (GB) 04.02.2010 04.02. – 17.02.2010 534 Wiesbaden 24.02.2010 24.02. – 12.03.2010 1 248 Völklingen/Saarbrücken 26.05.2010 26.05. – 18.06.2010 1 687 Antwerpen (B) 24.06.2010 25.06. – 23.07.2010 253 Hildesheim 11.08.2010 12.08. – 01.09.2010 4 897 Kiew (UA) 16.09.2010 16.09. – 28.09.2010 1 370 Stuttgart 21.10.2010 22.10. – 17.11.2010 2 267 Mainz 24.11.2010 25.11. – 17.12.2010 2 143

Wanderausstellung „Staatssicherheit – Garant der SED-Diktatur“

Ort Eröffnung Zeitraum Besucher Marienborn 05.08.2009 05.08. – 01.11.2009 55 017 2010 Langelands (DK) 08.07.2010 08.07. – 31.10.2010 31 832

Vorträge im Begleitprogramm der Wanderausstellung „Feind ist, wer anders denkt“ – Die Zusammenarbeit der kommunistischen Geheimdienste – „Feind ist, wer anders denkt“ – Endspiel – Die Revolution von 1989 in der DDR – Der Staatssicherheitsdienst der DDR – wie er die Bürger überwachte – Die Hinterlassenschaft des MfS – „Die Stasi hatte nicht nur Papier“ – Bilder, Töne, Datenträger aus dem Archiv des MfS – Die Hinterlassenschaft des MfS als Herausforderung für die Archivare – 128 –

Anhang 13

Regionale Ausstellungen der Außenstellen Außenstelle Frankfurt (Oder) (in Klammern: Jahr und Ort/Orte der Präsentation) Die Arbeit am Feind (2009: Wittstock, Rüdersdorf, Groß- räschen, Belzig; 2010: Hohen Neuendorf, Gröden, Storkow, Außenstelle Chemnitz Frankenberg/Eder, Bad Freienwalde, Dieburg, Schwedt/Oder, Mühlenbecker Land, Hennigsdorf, Elsterwerda) Plakate, Transparente … und ein Sarg: Gegenständliches aus der Demo-Zeit (2010: Chemnitz) Postgeheimnis? Die Stasi und die Cottbuser Briefe (2009: Hoyerswerda, Rüdersdorf, Großräschen, Petershagen-Eg- Zivilcourage. 40 Jahre SED-Diktatur – 40 Jahre Bürger- mut und Widerstand (2009: Flöha, Freiberg) gersdorf, Belzig; 2010: Cottbus, Hohen Neuendorf, Herz- berg, Jüterbog, Eberswalde, Rathenow, Hennigsdorf) Bürger im Visier. Wie das MfS Bürger zu Feinden er- klärte (2009: Chemnitz, Bockau/Erzg.) Stasi Ohn(e)Macht – Die Auflösung der DDR-Geheim- polizei (2009: Cottbus; 2010: Frankfurt (Oder), Schwedt/ Die Botschaftsflüchtlinge auf ihrer Fahrt von Prag nach Oder, Dresden, Eberswalde) Hof (2009: Halle, Erfurt, Meerane) Doppeltes Spiel. Fußball im Visier der Staatssicherheit Außenstelle Gera (2009: Lichtenstein; 2010: Eichsfeld) Verdeckt und getarnt. Mittel und Methoden der geheimen Stasi Ohn(e)Macht – Die Auflösung der DDR-Geheim- Beobachtung (2009: Greiz; 2010: Greiz, Halle, Fried- polizei (2009: Chemnitz; 2010: Hof/Saale) richshafen)

Außenstelle Dresden Fluchtschicksale (2009: Zeulenroda, Malchin; 2010: Nord- halben, Leverkusen, Rostock) Die Botschaftsflüchtlinge auf ihrer Fahrt von Prag nach Hof (2009: Flensburg, Freiberg, Dresden, Saale-Orla) Leben im Überwachungsstaat – Feind konnte jeder sein (2009: Landstuhl, Lichtenstein; 2010: Osnabrück, Lever- Die Botschaftsflüchtlinge auf ihrer Fahrt von Prag nach kusen) Hof, zweisprachige erweiterte Fassung (2009: Prag, Zug der Freiheit, Dresden, Karlsruhe, Berlin; 2010: Brest) Überwacht und abgeschottet – Überwachung des Uran- bergbaus in Ronneburg (2010: Püttlingen) Doppeltes Spiel. Fußball im Visier der Staatssicherheit (2009: Pirna; 2010: Pforzheim) Stasi Ohn(e)Macht – Die Auflösung der DDR-Geheim- Zwischen Aufbegehren und Anpassen – Jugend in der DDR polizei (2009: Hermsdorf, Jena, Gera, Schmalkalden, Suhl, (2009: Pirna, Dresden, Neckartenzlingen; 2010: Brest, Erfurt; 2010: Berlin, Gera, Suhl, Dresden, Erfurt) Magdeburg, Radeberg, Rostock, Osnabrück, München) Stasi – Schattenarmee einer Diktatur (2010: Gera) Stasi Ohn(e)Macht – Die Auflösung der DDR-Geheim- polizei (2009: Dippoldiswalde; 2010: Berlin, Hof) Außenstelle Halle DemokratieVersprühen (2010: Dresden) Observations- und Abhörtechnik des MfS (2009: Halle)

Außenstelle Erfurt Postgeheimnis? Die Stasi und die Cottbuser Briefe (2010: Halle) Die verfolgte Idee – Die Staatssicherheit im Kampf gegen einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz (2009: Bad Stasi Ohn(e)Macht – Die Auflösung der DDR-Geheim- Sooden-Allendorf; 2010: Bernau bei Berlin) polizei (2010: Halle) Aus ist’s mit deiner Macht, wenn das Volk erwacht (2009: Bad Sooden-Allendorf, Ammern, Annweiler, Ansbach; Außenstelle Leipzig 2010: Wendehausen) Freiheit für meine Akte (2009: Leipzig, Altenburg, Tor- MfS und Schule (2009: Osnabrück, Kronach, Eisenach, Am- gau, Eilenburg, Wurzen; 2010: Leipzig, Bad Lausick) mern, Neckartenzlingen, Sangerhausen, Torgau, Osterholz- Die Botschaftsflüchtlinge auf ihrer Fahrt von Prag nach Scharmbeck, Kusey; 2010: Berlin-Hohenschönhausen, Hof (2009: Leipzig, Karlsruhe, Hof; 2010: Hattersheim, Meißen, Eisleben) Marktredwitz, Oelsnitz) Staatssicherheit in der Andreasstraße (2009: Klettenberg; 2010: Erfurt) Spionage im „Goldenen Westen“ (2009: Schwerin) Im Fokus der Staatssicherheit – Willy Brandt in Erfurt Doppeltes Spiel – Fußball im Visier der Staatssicherheit (2010: Erfurt) (2009: Leipzig, Freiburg; 2010: Gera, Friedensau) Stasi Ohn(e)Macht – Die Auflösung der DDR-Geheim- DemokratieVersprühen (2009: Leipzig, Plauen, Bautzen; polizei (2009/2010: Erfurt) 2010: Chemnitz, Dresden) – 129 –

n o c h Anhang 13

„Grau in Grau“. Die Umweltsituation im Bezirk Leipzig – Eigentor. Der F. C. Hansa Rostock und die Stasi (2009: die Stasi und der „Grüne Feind“ (2009: Leipzig, Mark- Stralsund, Malchin, Lambrechtshagen; 2010: Gessin, ranstädt; 2010: Leipzig) Baabe/Rügen, Ribnitz-Damgarten, Wolgast) Stasi Ohn(e)Macht – Die Auflösung der DDR-Geheim- Stasi Ohn(e)Macht – Die Auflösung der DDR-Geheim- polizei (2009/2010: Leipzig) polizei (2009: Stralsund; 2010: Waldeck)

Außenstelle Magdeburg Außenstelle Schwerin Kernkraftwerk Stendal – Stasi bewacht Milliardengrab (2009: Stendal) Grenzgebiet. Ereignisse an der innerdeutschen Grenze zwischen Rehna und Cumlosen, an Elbe und Schaalsee Wir sind überall. Die Stasi im ehemaligen Bezirk Magde- (2009: Lüchow, Hagenow, Büchen, Pasewalk, Schönberg) burg (2009: Haldensleben, , Salzwedel, Wer- nigerode) 20 Jahre Aufbruch 1989 – Tage der Erinnerung (2010: Schwerin, Görslow) Herbst 1989 (2009: Thale, Magdeburg, Burg, Friedensau, Heide) Stasi Ohn(e)Macht – Die Auflösung der DDR-Geheim- polizei (2010: Görslow, Crivitz, Schwerin) Spiele der Macht – Sport im Focus der Magdeburger Stasi (2010: Torgau, Magdeburg) Gut gekauft, gern gekauft (2010: Jena, Erfurt) Die Firma im Betrieb – Stasi in der Volkswirtschaft (2009: Oschersleben, Schönebeck, Lehrte; 2010: Haldensleben) Außenstelle Suhl Stasi Ohn(e)Macht – Die Auflösung der DDR-Geheim- Ausreis(ß)en oder Dableiben (2009: Lautertal) polizei (2009: Magdeburg; 2010: Berlin, Magdeburg) Zwangsaussiedlung – Ein dunkles Kapitel deutscher Ge- Außenstelle Neubrandenburg schichte (2009: Kronach, Wendehausen, Kusey; 2010: Lautertal) Von der Friedlichen Revolution in der DDR bis zur Auf- lösung der Stasi (2009/2010: Neubrandenburg) Wende ’89 im Bezirk Suhl – Die Friedliche Revolution (2009: Meiningen, Suhl, Hildburghausen, Sonneberg) Außenstelle Rostock Das war’s – Die Untersuchungshaftanstalt der Bezirks- Stasi im Ostseeraum (2009: Lambrechtshagen, Wismar, verwaltung für Staatssicherheit Suhl (2009: Suhl; 2010: Osnabrück, Lübeck-Schlutup; 2010: Flensburg, Rostock) Meiningen, Suhl, Berlin-Hohenschönhausen, Berlin) – 130 –

Anhang 14

Das Bildungszentrum Berlin, die Informations- und geöffnet Montag bis Sonntag von 9:00 bis 17:00 Uhr Dokumentationszentren der BStU sowie Gedenkstätten Telefon 0335 6068-2510 Telefax 0335 6068-2419 Bildungszentrum Berlin E-Mail [email protected] (vormals Informations- und Dokumentationszentrum) Zimmerstraße 90/91 (am ehemaligen Checkpoint Charlie) Informations- und Dokumentationszentrum Halle 10117 Berlin Blücherstraße 2 geöffnet Montag bis Samstag von 10:00 bis 18:00 Uhr 06122 Halle (Saale) Telefon 030 2324-7951 geöffnet Montag, Mittwoch und Donnerstag von 8:00 bis Telefax 030 2324-7959 17:00 Uhr, Dienstag von 8:00 bis 18:00 Uhr, Freitag von E-Mail [email protected] 8:00 bis 14:00 Uhr

Informations- und Dokumentationszentrum Dresden Telefon 0345 6141-2711 Telefax 0345 6141-2719 Riesaer Straße 7, Seiteneingang C E-Mail [email protected] 01129 Dresden geöffnet Montag bis Donnerstag von 8:00 bis 17:00 Uhr, Dokumentations- und Gedenkstätte in der ehemaligen Freitag von 8:00 bis 14:00 Uhr, Samstag nach Vereinba- Untersuchungshaftanstalt des MfS in Rostock rung Hermannstraße 34 b (Zugang über Augustenstraße/Grü- Telefon 0351 2508-0 ner Weg) Telefax 0351 2508-3419 18055 Rostock E-Mail [email protected] geöffnet (März – Oktober) Dienstag bis Freitag von 10:00 bis 18:00 Uhr, Samstag von 10:00 bis 17:00 Uhr Informations- und Dokumentationszentrum Erfurt geöffnet (November – Februar) Dienstag bis Freitag von Petersberg Haus 19 99084 Erfurt 9:00 bis 17:00 Uhr, Samstag von 10:00 bis 17:00 Uhr geöffnet Montag bis Sonntag von 9:00 bis 18:00 Uhr An Sonn- und Feiertagen geschlossen. Öffentliche Füh- rungen (auch in englischer Sprache) Mittwoch und Sams- Telefon 0361 5519-4711 tag 14:00 Uhr Telefax 0361 5519-4719 E-Mail [email protected] Telefon 0381 498-5651/52 Fax 0381 498-5650 E-Mail [email protected] Gedenk- und Dokumentationsstätte „Opfer politischer Gewaltherrschaft“ in Frankfurt (Oder) Informationspunkt und Bürgerberatung Potsdam Collegienstraße 10 15230 Frankfurt (Oder) in der Gedenkstätte Lindenstraße 54/55 für die Opfer po- litischer Gewalt im 20. Jahrhundert geöffnet Dienstag und Donnerstag von 10:00 bis 17:00 Uhr, Mittwoch und Freitag für Besuchergruppen nach Vor- Lindenstraße 54 anmeldung 14467 Potsdam Telefon 0335 6802712 geöffnet (Informationspunkt) Dienstag bis Sonntag von 0335 6068-2411 (BStU) 10:00 bis 18:00 Uhr 0335 401560 (Museum Viadrina) geöffnet (Bürgerberatung) jeden 2. und 4. Dienstag im Telefax 0335 6068-2419 (BStU) Monat von 10:00 bis 18:00 Uhr E-Mail [email protected] [email protected] Telefon 0331 2011420 Telefax 0331 2011063 Informations- und Dokumentationszentrum Frankfurt (Oder) Der Besuch des Bildungszentrums, der Informations- und Dokumentationszentren sowie Gedenkstätten (BStU- Fürstenwalder Poststraße 87 Bereiche) ist kostenfrei. Für Gruppenführungen wer- 15234 Frankfurt (Oder) den Voranmeldungen erbeten. – 131 –

Anhang 15 – 132 – n o c h Anhang 15 – 133 –

Anhang 16 – 134 – n o c h Anhang 16 – 135 –

n o c h Anhang 16 – 136 –

Anhang 17 – 137 –

n o c h Anhang 17 – 138 – n o c h Anhang 17 – 139 –

Anhang 18

Das Jahr 1989 feiern, heißt auch, sich an 1939 zu erinnern! Eine Erklärung zum 70. Jahrestag des Hitler-Stalin-Pakts am 23. August

In diesen Wochen und Monaten erinnern sich die Menschen in ganz Europa an die Überwindung der kommunistischen Diktaturen in Ostmitteleuropa vor 20 Jahren. Festveranstaltungen und Konferenzen, Ausstellungen und Filme rufen den Bürgermut der Vielen in Erinnerung, die mit ihrem friedlichen Protest nicht nur die Diktaturen überwanden, sondern auch die Voraussetzungen für die Errichtung der Demokratie und für die Überwindung der europäischen und deutschen Teilung schufen. Am Beginn dieser Teilung und der mehr als vier Jahrzehnte währenden kommunistischen Herrschaft in Ostmitteleuropa stand der Zweite Weltkrieg. Und so erinnern wir mit Scham und Trauer an den 1. September vor 70 Jahren, als das nationalsozialistische Deutschland Polen überfiel. Acht Tage zuvor hatten Deutschland und die Sowjetunion den unseligen „Hitler-Stalin-Pakt“ abgeschlossen, mit dem die beiden totalitären Diktaturen das Baltikum und Polen, Finnland und Rumänien unter sich aufteilten. Der Überfall auf Polen durch Deutschland und die Sowjetunion im September 1939 war der Auftakt zu einem beispiellosen Eroberungs- und Vernichtungskrieg. Mit diesem Krieg brachte Deutschland unermessliches Leid über seine Nachbarn in ganz Europa, namentlich in Polen und schließlich auch in der Sowjetunion.

Nach der Befreiung Europas und Deutschlands vom Nationalsozialismus hofften die Menschen in allen europäischen Ländern auf eine Zukunft in Freiheit und Demokratie. Doch diese Hoffnung wurde für viele bitter enttäuscht. In den von Krieg und Naziherrschaft geschwächten ostmitteleuropäischen Staaten und in einem Teil Deutschlands setzte die Sowjetunion neue diktatorische Regime durch: mit verheerenden Folgen für die Gesellschaften, für Wirtschaft und Kultur und für zahllose Menschen, die als politische Gegner verfolgt wurden oder ihr Leben verloren, weil sie den Machthabern im Wege standen. Und so tragen die Deutschen nicht nur schwer an ihrer Verantwortung für die Vernichtung der europäischen Juden, die Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma, Homosexueller, Behinderter, als asozial Stigmatisierter und politisch Andersdenkender sowie der Abermillionen Menschen, die dem Krieg zum Opfer fielen. Uns ist zudem schmerzlich bewusst, dass es ohne den von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg weder die kommunistischen Diktaturen in Ostmitteleuropa noch die Teilung des Kontinents und Deutschlands gegeben hätte.

Wenn wir heute, im Jahre 2009, auf die Geschichte Europas und Deutschlands im 20. Jahrhundert zurückblicken, dann tun wir dies eingedenk des nationalsozialistischen Unheils, und wir sind froh, dass Deutschland heute ein gleichberechtigtes und geachtetes Mitglied der europäischen Völkerfamilie ist.

Mit Dankbarkeit und Respekt denken wir zugleich an die Menschen, die in den vier Jahrzehnten nach 1945 unter hohem persönlichem Risiko immer wieder den Mut aufbrachten, die kommunistischen Diktatoren herauszufordern und für Freiheit und Demokratie einzutreten. Nicht wenige bezahlten für ihren Mut mit dem Leben. Die Aufstände und Freiheitsbewegungen in der DDR, in Ungarn, in der Tschechoslowakei und immer wieder in Polen haben die Hoffnung der Menschen auf Freiheit und Demokratie über die Jahrzehnte aufrechterhalten. – 140 – n o c h Anhang 18

Wir werden nicht vergessen, dass es vor allem Polen waren, die für ihre und unsere Freiheit als erste Breschen in das kommunistische Machtsystem geschlagen haben. Wir danken zugleich den Anhängern der tschechoslowakischen Charta 77, die uns ermutigt haben, in der Wahrheit zu leben. Wir erinnern auch all jene, die in Ungarn den Weg zur Demokratie frei machten und im Sommer 1989 den Eisernen Vorhang öffneten. Sowjetische Dissidenten haben sich lange vor und Perestroika für die Wahrung der Menschenrechte eingesetzt. Und schließlich danken wir – und nicht zuletzt – jenen im Westen, die sich nie mit dem Eisernen Vorhang und den kommunistischen Diktaturen abgefunden, auf die Einhaltung der Menschenrechte gedrungen und die Opposition gegen die Regime unterstützt haben.

Mit ihren friedlichen Revolutionen gewannen die Völker Ostmitteleuropas ihre Freiheit, ihre staatliche Unabhängigkeit und Selbstbestimmung wieder, die sie fünf Jahrzehnte zuvor verloren hatten. Diese Revolutionen waren die entscheidende Voraussetzung, um die europäische und die deutsche Teilung zu überwinden. Als wir nach der Überwindung der SED-Diktatur den Weg zur Deutschen Einheit beschritten, war uns das Vertrauen unserer europäischen Nachbarn ein kostbares Geschenk. Als Folge der friedlichen Revolutionen können nun alle Deutschen zum ersten Mal in ihrer Geschichte in Freiheit und Demokratie, in Wohlstand, in anerkannten Grenzen und in wechselseitiger Achtung und Freundschaft mit ihren Nachbarn leben.

Wie das Jahr 1939 ist 1989 – wenn auch auf gegensätzliche Weise – zum europäischen Schicksalsjahr geworden. Ein freies und demokratisches Europa muss sich seiner Geschichte bewusst sein. Es braucht die Erinnerung an die kommunistische Ära und an ihre Überwindung. Ein erster Schritt ist getan: Im April hat sich das Europäische Parlament erstmalig zu dieser Verantwortung bekannt. Dieser Weg ist weiter zu gehen: Europa braucht eine aktive, verantwortungsbewusste Erinnerungskultur, die die nachwachsenden Generationen für neu aufkommende autoritäre und diktatorische Entwicklungen sensibilisiert.

Marianne Birthler, Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen (BStU) (Berlin), Dr. h.c. Joachim Gauck, Gegen Vergessen – Für Demokratie (Berlin), Dr. Anna Kaminsky, v.i.S.dP., Bundesstiftung Aufarbeitung (Berlin), Hans Altendorf, BStU (Berlin), Prof. Dr. Jörg Baberowski, Humboldt-Universität zu Berlin (Berlin), Prof. Dr. Arnulf Baring, Historiker, Publizist (Berlin), Michael Beleites, Landesbeauftragter für die Stasiunterlagen (Dresden), Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Christoph Bergner, Bundesministerium des Innern (Berlin), Prof. Dr. Dieter Bingen, Deutsches Polen-Institut (Darmstadt), Heidi Bohley, Verein Zeit-Geschichte(n) (Halle/Saale), Staatssekretär a.D. Klaus Bölling, Publizist (Berlin), Hansgeorg Bräutigam, Richter i. R. (Berlin), Dr. Karl Corino, Journalist, Literaturkritiker (Tübingen), Michael Cramer, Mitglied des Europaparlaments (Berlin), , Regierender Bürgermeister a.D., Gegen Vergessen – Für Demokratie (Berlin), Dr. Lothar Dittmer, Körber-Stiftung (Hamburg), Prof. Dr. Rainer Eckert, Zeitgeschichtliches Forum (Leipzig), Oberst Dr. Hans Ehlert, Militärgeschichtliches Forschungsamt (Potsdam), Ruth Ellerbrock, Landeszentrale für politische Bildung Berlin (Berlin), Jürgen Engert, Journalist (Berlin), Rainer Eppelmann, Bundesstiftung Aufarbeitung (Berlin), Prof. Dr. Bernd Faulenbach, Bundesstiftung Aufarbeitung (Bochum), Prof. Wieland Förster, – 141 –

n o c h Anhang 18

Künstler (Oranienburg), Annemarie Franke, Stiftung Kreisau (Breslau), Dr. h.c. Karl Wilhelm Fricke, Publizist (Köln), Christian Führer, Pfarrer i. R. (Leipzig), Prof. Dr. Hansjörg Geiger, Staatssekretär a.D. (Berlin), Prof. Ines Geipel, Schriftstellerin (Berlin), Ute Gramm, Bürgerkomitee Sachsen-Anhalt e.V. (Magdeburg), Prof. Hans Hendrik Grimmling, Maler (Berlin), Dr. Robert Grünbaum, Bundesstiftung Aufarbeitung (Berlin), Prof. Monika Grütters, MdB, Stiftung Brandenburger Tor (Berlin), Martin Gutzeit, Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen (Berlin), Dr. Helge Heidemeyer, BStU (Berlin), Oberst Dr. Winfried Heinemann, Militärgeschichtliches Forschungsamt (Potsdam), Prof. Dr. Hans-Olaf Henkel, Bank of America (Berlin), Prof. Dr. Günter Heydemann, Universität Leipzig (Leipzig), Helga Hirsch, Publizistin (Berlin), Jan Hoesch, Roger Loewig Gesellschaft e.V. (Berlin), Irmtraut und Siegfried Hollitzer, Bürgerkomitee Leipzig e.V. (Leipzig), Prof. Dr. Hans Walter Hütter, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Bonn), Dr. Jens Hüttmann, Bundesstiftung Aufarbeitung (Berlin), Maybrit Illner, Journalistin (Berlin), Margot Jann, Frauenkreis der ehemaligen Hoheneckerinnen (Teltow), Günter Jeschonnek, Regisseur und Autor (Berlin), Prof. Dr. Ralf Jessen, Historiker (Köln), Dr. Carlo Jordan, Forschungs- und Gedenkstätte Normannenstraße (Berlin), Matthias Jung, Wahlforscher (Mannheim), Prof. Dr. Friedrich P. Kahlenberg, Archivar (Boppard), Siegfried T. Kasparick, Amt. Bischof in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (Wittenberg), Bettina Kielhorn, Beratungsstelle „Gegenwind“ (Berlin), Dr. Axel Klausmeier, Stiftung Berliner Mauer (Berlin), Prof. Dr. Christoph Kleßmann, Historiker (Potsdam), Freya Klier, Schriftstellerin und Dokumentarfilmerin (Berlin), Uwe Kolbe, Schriftsteller (Berlin), Klaus Kordon, Schriftsteller (Berlin), Hartmut Koschyk, MdB, Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag (Goldkronach), Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk, BStU (Berlin), Dr. Günter Kröber, Rechtsanwalt (Leipzig), Thomas Krüger, Bundeszentrale für politische Bildung (Bonn), Dr. Hanna-Renate Laurien, Senatorin a.D. (Berlin), Dr. Peter Lautzas, Verband der Geschichtslehrer Deutschlands (Mainz), Robert Lebegern, Deutsch-Deutsches Museum Mödlareuth (Mödlareuth), Doris Liebermann, Publizistin (Berlin), Dr. h.c. Erich Loest, Schriftsteller (Leipzig), Bernd Lüdkemeier, Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt (Magdeburg), Dr. Ulrich Mählert, Bundesstiftung Aufarbeitung (Berlin), Prof. Dr. Peter Maser, Historiker (Bad Kösen), Markus Meckel, MdB, Bundesstiftung Aufarbeitung (Berlin), Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Horst Möller, Institut für Zeitgeschichte (München), Helmut Morsbach, DEFA-Stiftung (Berlin), Dr. Daniela Münkel, BStU (Berlin), Dr. Ehrhart Neubert, Historiker (Erfurt), Hildigund Neubert, Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen (Erfurt), Uwe Neumärker, Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas (Berlin), Günter Nooke, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung (Berlin), Dr. Marc-Dietrich Ohse, Deutschland Archiv (Hannover), Hans-Joachim Otto, MdB, Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages (Frankfurt am Main), Marita Pagels-Heineking, Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen (Schwerin), Martin-Michael Passauer, Generalsuperintendent a.D. (Berlin), Prof. Dr. Alexander von Plato, Historiker (Stade), Gerd Poppe, Bundesstiftung Aufarbeitung (Berlin), Ulrike Poppe, Evangelische Akademie zu Berlin (Berlin), Lutz Rathenow, Schriftsteller (Berlin), Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhard A. Ritter, Historiker (Berlin), Dr. Volker Rodekamp, Stadtgeschichtliches Museum (Leipzig), Prof. Lea Rosh, Kommunikation und Medien GmbH (Berlin), Robert Rückel, DDR-Museum (Berlin), Prof. Dr. Reinhard Rürup, Historiker (Berlin), Christoph Schaefgen, Generalstaatsanwalt a.D (Berlin), Dr. Dieter Schiffmann, Landeszentrale für – 142 – n o c h Anhang 18

politische Bildung Rheinland-Pfalz (Mainz), Franz-Josef Schlichting, Landeszentrale für politische Bildung Thüringen (Erfurt), Cornelia Schmalz-Jacobsen, Gegen Vergessen – Für Demokratie (Berlin), Jochen Schmidt, Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern (Schwerin), Dr. Jürgen Schmude, Bundesminister a.D (Moers), Peter Schneider, Schriftsteller (Berlin), Andreas Schönfelder, Umweltbibliothek (Großhennersdorf), Prof. Dr. Richard Schröder, Humboldt Universität zu Berlin (Berlin), Werner Schulz, Mitglied des Europaparlaments (Berlin), Uwe Schwabe, Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V (Leipzig), Ulrich Schwarz, Journalist (Berlin), Dr. Hannes Schwenger, Autor (Berlin), Dr. h.c. Rudolf Seiters, Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Bundesminister a.D. (Berlin), Tom Sello, Robert Havemann-Gesellschaft (Berlin), Ilse Spittmann-Rühle, Journalistin (Köln), Friede Springer, Verlegerin (Berlin), Prof. Dr. Peter Steinbach, Universität Mannheim (Mannheim), Prof. Dr. Eckart D. Stratenschulte, Europäische Akademie Berlin (Berlin), Dr. Walter Süß, BStU (Berlin), Prof. Dr. Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin a.D. (Berlin), Wolfgang Templin, Publizist (Berlin), Joachim Trenkner, Journalist (Berlin), Prof. Dr. Stefan Troebst, Geisteswissenschaftliches Zentrum für Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (Leipzig), Prof. Dr. Johannes Tuchel, Gedenkstätte Deutscher Widerstand (Berlin), Prof. Dr. Hans-Joachim Veen, Stiftung Ettersberg (Weimar), Friedrich Veitl, Verleger (Berlin), Siegfried Vergin, Politiker (Mannheim), Dr. Hans-Jochen Vogel, Gegen Vergessen – Für Demokratie (München), Rainer Wagner, Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (Berlin), Joachim Walther, Schriftsteller (Berlin), Matthias Waschitschka, Verein Zeit-Geschichte(n) (Halle), Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Weber, Universität Mannheim (Mannheim), Konrad Weiß, Publizist (Berlin), Reinhard Weißhuhn, Robert-Havemann-Gesellschaft (Berlin), Prof. Dr. Manfred Wilke, Historiker (Berlin), Prof. Dr. Heinrich August Winkler, Humboldt-Universität zu Berlin (Berlin), Hans-Eberhard Zahn, Bund Freiheit der Wissenschaft (Berlin)

V.i.S.d.P.: Dr. Anna Kaminsky, Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Kronenstraße 5, 10117 Berlin, [email protected] – 143 –

Anhang 19 Abkürzungsverzeichnis

A AfNS Amt für Nationale Sicherheit der DDR (Nachfolger des MfS) AG – Arbeitsgruppe – Aktiengesellschaft AMAG Aktenausgabe Magazin (IT-Verfahren der BStU) AR Abteilung Archivbestände der BStU ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutsch- land ARTE Association Relative à la Télévision Européenne; Fernsehsender in deutsch-französischer Ko- operation AS Allgemeiner Schriftverkehr (Aktenkategorie im Bestand der HA IX/11 des MfS) ASTAK Antistalinistische Aktion Berlin-Normannenstraße e. V. AtG Atomgesetz AtZÜV Atomrechtliche Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung AU Abteilung Verwendung von Unterlagen der BStU AV Allgemeine Vorgänge (Aktenkategorie im Bestand der HA IX/11 des MfS)

B BASYS 2 Bundesarchiv-IT-System BDSG Bundesdatenschutzgesetz BEM Betriebliches Eingliederungsmanagement BF Abteilung Bildung und Forschung der BStU BfDI Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit BGBl. Bundesgesetzblatt BKM Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien BMI Bundesministerium des Innern BSI Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik BStU Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deut- schen Demokratischen Republik BV Bezirksverwaltung (des MfS) BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung

C CD Compact Disk (Speicher für digitale Daten) CD-ROM Compact Disc Read-Only Memory (Speicher für digitale Daten) CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands CNSAS Consiliul Naţional pentru Studierea Arhivelor Securităţii – Nationaler Rat für das Studium der Archive der Securitate (Rumänien) – 144 – n o c h Anhang 19

COMDOS Kommission zur Deklassifizierung der Dokumente und Offenlegung der Beziehungen bulgari- scher Bürger zum früheren Staatssicherheits- und Nachrichtendienst der Bulgarischen Volks- armee; auch: Kostadinov-Kommission (Republik Bulgarien) ČSSR Tschechoslowakische Sozialistische Republik (1948 bis 1993) CSU Christlich Soziale Union Deutschlands

D DAS Departamento Administrativo de Seguridad (Nachrichtendienst Kolumbiens) DDR Deutsche Demokratische Republik (1949 bis 1990) DKP Deutsche Kommunistische Partei DOSB Deutscher Olympischer Sportbund DuG Dokumentations- und Gedenkstätte in der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt des MfS in Rostock DVD Digital Versatile Disk (digitales Speichermedium) DVP Deutsche Volkspolizei (DDR)

E EAD Encoded Archival Description (archivischer Verzeichnungs- und Präsentationsstandard) eArchiv elektronisches Archiv (IT-Verfahren der BStU) EDV elektronische Datenverarbeitung EKHN Evangelische Kirche in Hessen und Nassau EPR Elektronisches Personenregister (IT-Verfahren der BStU) EU Europäische Union e. V. eingetragener Verein

F F … Formblatt … (des MfS), z. B. bei Karteien F 16 Zentrale Personenkartei/Klarnamenkartei (des MfS) F 22 Vorgangskartei (des MfS) F 77 Decknamenkartei (des MfS) F 78 Straßenkartei (des MfS) F. C. Fußball-Club FDGB Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (Dachverband der Einzelgewerkschaften in der DDR) FDJ Freie Deutsche Jugend (Jugendverband der DDR) FDP Freie Demokratische Partei FV Forschungsvorgang (Aktenkategorie im Bestand der HA IX/11 des MfS)

G GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GH Geheime Ablage (Archivbestand des MfS) GHI German Historical Institute – Deutsches Historisches Institut (in Washington) – 145 –

n o c h Anhang 19

GSB Government Site Builder (zentrale Content Management Lösung für die Webangebote der Bundesverwaltung) GSSD Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland GUS Gemeinschaft Unabhängiger Staaten GÜST Grenzübergangsstelle (DDR) GVS Geheime Verschlusssache

H HA Hauptabteilung (MfS) Hg. Herausgeber HHG Häftlingshilfegesetz HHO Datenbank HVA/HIM/OibE (IT-Verfahren der BStU) HIM Hauptamtlicher Inoffizieller Mitarbeiter (MfS) HM/WR Datenbank Hauptamtliche Mitarbeiter/Mitarbeiter Wachregiment (IT-Verfahren der BStU) HVA Hauptverwaltung Aufklärung (MfS)

I IFG Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz) IICCR Institutul de investigare a Crimelor Comunismului în România – Institut zur Untersuchung der kommunistischen Verbrechen in Rumänien IM Inoffizieller Mitarbeiter (MfS) IPK Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPN Instytut Pamięci Narodowej – Institut des Nationalen Gedenkens (Republik Polen) ISBN Internationale Standardbuchnummer – International Standard Book Number IT Informationstechnik ITS International Tracing Service – Internationaler Suchdienst Bad Arolsen

K KD Kreisdienststelle (MfS) KDH Krest’anskodemokratické hnutie – Christlich-demokratische Bewegung (Partei; Slowakische Republik) KGB Komitet Gossudarstwennoi Besopasnosti – Komitee für Staatssicherheit (Geheimdienst der ehemaligen Sowjetunion) KKW Kernkraftwerk KPD Kommunistische Partei Deutschlands KSZE Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa KW Kurzwelle kw-Vermerk Haushaltsvermerk im Stellenplan, der vorsieht, dass Planstellen oder andere Stellen künftig wegfallen (Stellen mit kw-Vermerk können nicht nachbesetzt werden) KZ Konzentrationslager – 146 – n o c h Anhang 19

L LDP Liberal-Demokratische Partei Deutschlands; ab 1951: LDPD (DDR) lfd. M. laufende(r) Meter LISA Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt LISUM Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg LSG Luftsicherheitsgesetz

M MdB Mitglied des Deutschen Bundestages MdI Ministerium des Innern (DDR) MDR Mitteldeutscher Rundfunk MfS Ministerium für Staatssicherheit (DDR) MGFA Militärgeschichtliches Forschungsamt der Bundeswehr

N NATO North Atlantic Treaty Organization (Organisation der Signatarmächte des Nordatlantikpakts; Militärbündnis) NDR Norddeutscher Rundfunk NRW Nordrhein-Westfalen NS Nationalsozialismus NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (1920 bis 1945) NVA Nationale Volksarmee (DDR)

O OD Objektdienststelle (MfS) OibE Offizier im besonderen Einsatz (MfS) OV Operativer Vorgang (MfS)

P PA Personenauskünfte (Aktenkategorie im Bestand der HA IX/11 des MfS) PDF Portable Document Format ((trans)portables Dokumentenformat); plattformübergreifendes Dateiformat für Dokumente PDS Partei des Demokratischen Sozialismus

R RAF Rote Armee Fraktion RBB Rundfunk Berlin Brandenburg RHE Rechtshilfeersuchen (Aktenkategorie im Bestand der HA IX/11 des MfS)

S SAE Sachaktenerschließung (IT-Verfahren der BStU) SBU Sluschba bespeky Ukrajiny – Sicherheitsdienst der Ukraine SBZ Sowjetische Besatzungszone – 147 –

n o c h Anhang 19

SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (DDR) SGB Sozialgesetzbuch SIRA System der Informationsrecherche der HVA (Datenbank der HVA) SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SprengG Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) SS Schutzstaffel der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) StB Státní bezpečnost – Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Tschechoslowakei (1949 bis 1989) StrRehaG Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafver- folgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz) StUG Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokra- tischen Republik (Stasi-Unterlagen-Gesetz)

U UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (1922 bis 1991) UKW Ultrakurzwelle UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization – Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation ÚPN Ústav pamäti národa – Institut des Nationalen Gedenkens (Slowakische Republik) ÚSTR Ústav pro studium totalitních režimů – Institut für das Studium totalitärer Regime (Tschechi- sche Republik) UUA Unabhängiger Untersuchungsausschuss zur Sicherung und Überprüfung von Schriftgut des Bezirksamtes für Nationale Sicherheit in Rostock

V VEB Volkseigener Betrieb (DDR) VS Verschlusssache

W WDR Westdeutscher Rundfunk

Z ZDF Zweites Deutsches Fernsehen ZER Zentrales Einwohnerregister (DDR) ZK Zentralkomitee (der SED) ZV Abteilung Zentral- und Verwaltungsaufgaben der BStU ZZF Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam – 148 – n o c h Anhang 19

Erläuterungen zu den im Text genannten Diensteinheiten des MfS Abt. Abteilung Abt. II Spionageabwehr (in den BV; entspricht im MfS: HA II) Abt. III Funkaufklärung, Funkabwehr (in den BV; entspricht im MfS: HA III) Abt. VI Passkontrolle, Tourismus, Interhotel (in den BV; entspricht im MfS: HA VI) Abt. VII Inneres, Deutsche Volkspolizei (in den BV; entspricht im MfS: HA VII) Abt. VIII Beobachtung, Ermittlung (in den BV; entspricht im MfS: HA VIII) Abt. IX Untersuchungsorgan (in den BV; entspricht im MfS: HA IX) Abt. XI Chiffrierwesen (in den BV und im MfS) Abt. XII Zentrale Auskunft/Speicher (im MfS) bzw. Auskunft/Speicher (in den BV) Abt. XIV Untersuchungshaft, Strafvollzug (in den BV und im MfS) Abt. XV Aufklärung (in den BV; entspricht im MfS: HVA) Abt. XVIII Sicherung der Volkswirtschaft (in den BV; entspricht im MfS: HA XVIII) Abt. XIX Verkehr, Post- und Nachrichtenwesen (in den BV; entspricht im MfS: HA XIX) Abt. XX Staatsapparat, Kultur, Kirche, Untergrund (in den BV; entspricht im MfS: HA XX) Abt. 26 Telefonüberwachung (in den BV und im MfS) Abt. KuSch Kader und Schulung (in den BV; entspricht im MfS: HA KuSch) Abt. M Postkontrolle (in den BV und im MfS) AG Arbeitsgruppe AG XVII Besucherbüro Westberlin AG XXII Terrorabwehr (in den BV; entspricht im MfS: HA XXII) AGL Arbeitsgruppe des Leiters AKG Auswertungs- und Kontrollgruppe (in den BV und im MfS) BV Bezirksverwaltung HA Hauptabteilung HA I Abwehrarbeit in der Nationalen Volksarmee und den Grenztruppen HA II Spionageabwehr HA III Funkaufklärung, Funkabwehr HAVI Passkontrolle, Tourismus, Interhotel HAVII Abwehrarbeit Ministerium des Innern/Deutsche Volkspolizei HAVIII Beobachtung, Ermittlung HA IX Untersuchungsorgan HA IX/11 Aufklärung von Nazi- und Kriegsverbrechen HA XVIII Sicherung der Volkswirtschaft HA XIX Verkehr, Post- und Nachrichtenwesen HA XX Staatsapparat, Kultur, Kirche, Untergrund HA XXII Terrorabwehr HA KuSch Kader und Schulung HA PS Personenschutz – 149 –

n o c h Anhang 19

HVA Hauptverwaltung Aufklärung HVA SWT Sektor Wissenschaft und Technik; Wissenschaftlich-technische Auswertung HVA Abt. VII Auswertung und Information HVA Abt. IX Äußere Spionageabwehr, Gegenspionage KD Kreisdienststelle OD Objektdienststelle SWT Sektor Wissenschaft und Technik, Struktureinheit der HVA, siehe HVA SWT VEB SHB Volkseigener Betrieb Spezialhochbau VRD Verwaltung Rückwärtige Dienste ZAIG Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe ZKG Zentrale Koordinierungsgruppe Übersiedlung