Deutschland

Selbstbewusstsein, sondern von Hilflosig- keit zeugt. UNION Am Freitag beginnt der CSU-Parteitag in Nürnberg. Merkel wird am ersten Tag die Bayerisches Gepolter Hauptrednerin sein. Es soll eine Demon- stration von Einigkeit und Stärke werden. Das könnte schiefgehen. Die CSU will auf ihrem Parteitag in dieser Woche Selbstbewusstsein Die CSU ist eine verunsicherte, gespal- tene Partei. Zwar ist die Stimmung besser demonstrieren. Tatsächlich ist die Partei tief als nach der Kommunalwahl im März, als verunsichert – die Attacken auf die Kanzlerin zeugen davon. die CSU das schlechteste Ergebnis seit über 40 Jahren einfuhr. Doch die absolute Mehr- heit bei der Landtagswahl im Herbst ist un- sicher. In der letzten Umfrage kam die Par- tei auf 50 Prozent, für CSU-Verhältnisse immer noch eine bedrohliche Zahl. In der Parteispitze herrscht keine Einig- keit darüber, wie man darauf reagieren soll. Nach außen haben sich alle Führungs- politiker hinter dem Steuerkonzept Hu- bers versammelt. Der Kampf für die Pend- lerpauschale eint die Partei inhaltlich. Über die Art, wie dieser Kampf zu führen sei, gibt es aber Streit. In der CSU-Spitze empfinden viele eine Unterschriftenaktion für die Pendlerpau- schale, die die Junge Union, die CSU-Ar- beitnehmervereinigung und Bezirksver- bände organisieren, als ungeschickt bis peinlich. Die ganze Aktion sei Unsinn, schimpfte Wirtschaftsminister im kleinen Kreis. „Was soll das brin- gen?“ Unterschriftenaktionen sind eigent-

JÖRG KOCH / DDP JÖRG KOCH lich ein Wahlkampfinstrument der Oppo- CSU-Obere Beckstein, Huber: Wieder einmal uneins sition. Nur opponiert hier die CSU gegen sich selbst. eter Ramsauer ist ein Mann, der den Grund des Ärgers waren die Angriffe Beckstein sagte zwar, er finde die Un- Blick der Politiker für das große des bayerischen Ministerpräsidenten Gün- terschriftenaktion gut. Unterschreiben wol- PGanze schärfen will. In der vergan- ther Beckstein auf Merkel. Er hatte der le er als „aktiver Politiker, der dem Parla- genen Woche führte der Chef der CSU- Kanzlerin mangelnde Bürgernähe unter- ment angehört“, allerdings nicht. Das Landesgruppe im seine Abge- stellt. Seine Partei werde sich der Kanz- klingt auch nicht nach kraftvoller Unter- ordneten für vier Tage nach Athen. Es gab lerin nicht unterwerfen, sagte er. Das war stützung. viele wichtige Gespräche, mit dem Staats- eine ziemlich robuste Attacke, sie machte Noch problematischer ist es für die CSU, präsidenten, dem Regierungschef, mit Wirbel in CDU und CSU. Die Angriffe dass sich ihre beiden Spitzenpolitiker Wirtschaftsführern und Ministern. Es war auf Merkel seien nicht besonders klug, wieder einmal nicht einig sind. Parteichef ein Ausflug in die internationale Politik, fand der baden-württembergische Lan- Huber ärgern die persönlichen Angriffe weg von der deutschen Debatte um Pend- desgruppenchef Georg Brunnhuber, der auf Merkel. Ministerpräsident Beckstein lerpauschale, Mindestlohn oder doppelte sonst ein ausgezeichnetes Verhältnis zur glaubt, sie schweißten die eigene Truppe Staatsbürgerschaft. CSU hat. zusammen. Aber wen die Parteipolitik einmal in Doch die Bayern zeigten sich unbeein- Anfang vergangener Woche warnte Hu- ihren Händen hat, den lässt sie nicht so druckt. Ein paar Tage später legten Münch- ber Beckstein davor, die Kanzlerin zum schnell wieder los. Abends, wenn die Ab- ner Spitzenpolitiker nach. Der bayerische Ziel seiner Attacken zu machen. Es war geordneten beim Essen zusammensaßen, Innenminister Joachim Herrmann nannte nicht das erste Mal, dass beide Politiker redeten sie nicht über das Mazedonien- die Haltung Merkels zur Pendlerpauschale über das Thema sprachen. Beckstein hatte problem, sondern über die Situation in „politisch schwach“. Der Vorsitzende der Merkel während einer gemeinsamen Prä- Bayern und in der Union. Es waren keine Landtagsfraktion, Georg Schmid, erklärte, sidiumssitzung der Unionsparteien im Juni erfreulichen Gespräche. er könne die Kanzlerin nicht verstehen. in Erding bereits öffentlich kritisiert. Huber Viele CSU-Politiker im Bundestag ver- Vielleicht werde sie falsch beraten. machte ihm schon damals klar, dass er das stehen nicht, warum ihre Münchner Par- In Athen kamen diese Äußerungen für wenig sinnvoll hält. teifreunde ausgerechnet nicht gut an. „Unser politischer Gegner Diesmal wurde er deutlicher. Die per- so heftig angreifen. Sie finden es richtig, ist nicht die CDU“, sagt Ramsauer. „Des- manenten Angriffe auf Merkel einten die dass die CSU die alte Pendlerpauschale halb ergeben Angriffe auf die Bundes- CDU, klagte er. Die CSU sei aber darauf fordert. Sie stehen hinter dem Steuer- kanzlerin keinen Sinn.“ Doch nicht nur angewiesen, dass Teile der Schwesterpartei konzept ihrer Partei. „Aber was soll das unter den Berliner CSU-Politikern, auch in ihre Forderungen unterstützten. Merkel sei bringen, wenn wir die beliebteste deutsche der Münchner CSU-Zentrale macht man auch in Bayern außerordentlich beliebt. Politikerin attackieren?“, fragte ein Bun- sich Sorgen. Parteichef Erwin Huber hält Die CSU müsse in der Sache hart bleiben, destagsabgeordneter seine Kollegen beim die Attacken auf Merkel für falsch. Er dürfe aber nicht persönlich werden. griechischen Wein. Die wussten es auch weiß, dass das überlaute Auftreten eini- Huber, der anders als Beckstein auch für nicht. ger bayerischer Spitzenpolitiker nicht von das Bild der Partei in Berlin verantwort-

der spiegel 29/2008 35 Deutschland lich gemacht wird, kennt die Stimmung in mut Kohl 1976 attestierte, er sei zur Kanz- gentlich war das als Wahlkampfhilfe für der Landesgruppe. Er redet regelmäßig mit lerschaft unfähig, dann zeigte das vor allem die CSU gedacht. Jetzt fürchtet man in den Ramsauer und anderen Abgeordneten. Sie die Sorge des CSU-Chefs, dass Kohl ihn Spitzen beider Parteien, dass dann die Un- haben ihm klargemacht, was sie von den überflügeln könnte. einigkeit der Schwestern erneut manifest Bemerkungen aus München halten. Wenn Oder beim letzten großen Konflikt zwi- wird. diese nicht eingestellt würden, werde man schen den Unionsparteien im Jahr 2004: Zunächst aber müssen die Planer näher- auch öffentlich widersprechen. Einen offe- Edmund Stoiber, knapp zwei Jahre zuvor liegende Probleme bewältigen: Merkels nen Streit in der Partei will Huber auf jeden als Kanzlerkandidat gescheitert, rechnete Auftritt beim Parteitag. In den Zentralen Fall vermeiden. sich Chancen auf eine zweite Kandidatur sucht man nach einer Geste Merkels, die Beckstein versprach Zurückhaltung. Im aus. Merkel bezeichnete er als Leichtma- die CSU als Zugeständnis auslegen könn- Kern verteidigte er aber sein Vorgehen. trosin – und sorgte dafür, dass dies auch te, ohne dass die Kanzlerin von ihrer Posi- Die CSU müsse demonstrieren, dass sie tion abweichen müsste. Aber was könnte eine eigenständige Kraft sei. Es schade Was passiert, wenn das sein? Die Pendlerpauschale kommt nicht, auch der Kanzlerin mal eins mitzu- die CSU-Basis die Kanzlerin nicht in Frage, Merkel hat sich zu eindeu- geben. kühl abfertigt? tig festgelegt. Viel weniger aber will die Anders als Huber glaubt Beckstein, dass CSU nicht akzeptieren. Kritik an Merkel nicht zuerst die CDU, So könnte es zum Alptraum jedes Par- sondern die CSU eint. Zwar sieht auch er, bekannt wurde. Merkel wurde im Jahr dar- teitagsplaners kommen: ein Parteitag, des- dass die Bayern Merkel mögen. Dass dies auf Kanzlerin, Stoiber später von den ei- sen Ablauf man nicht vorhersagen kann. der CSU im Wahlkampf hilft, glaubt er genen Leuten gestürzt. Was passiert, wenn die CSU-Basis, befeu- allerdings nicht. Schließlich stehe ja auch Merkel fürchtet, dass der Konflikt zwi- ert durch den Ministerpräsidenten, die die CDU trotz Merkels Popularität nicht schen CDU und CSU wieder eskalieren Kanzlerin kühl abfertigt? Das wären Bilder, besonders gut da. Im Übrigen habe es auch könnte. Das würde der Union insgesamt die keine der Unionsparteien gebrauchen Edmund Stoiber und Franz Josef Strauß schaden. Die Sorge ist berechtigt. Mehrere könnte. nicht geschadet, sich mit CDU-Vorsitzen- CSU-Bundestagsabgeordnete wie der Fa- Aber auch ein umjubelter Auftritt Mer- den anzulegen. milienpolitiker oder kels wäre nicht unproblematisch. Sie könn- Doch die Vergangenheit war nie so, wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende te und würde ihn wohl auch als Ermunte- viele Christsoziale sie gern sehen. Die CSU Hans-Peter Friedrich haben intern damit rung verstehen, der CSU nicht nachzuge- hat selten einen Konflikt mit der CDU gedroht, dass es am 10. September richtig ben. „Wir haben uns da in eine Situation angezettelt, wenn sie stark war. Das Poltern Krach geben werde, wenn Merkel der CSU manövriert“, sagt ein Mitglied der CSU- in Bayern war meist ein Zeichen der nicht entgegenkomme. Führung, „von der ich nicht weiß, wie wir Schwäche. Wenn Franz Josef Strauß dem An diesem Tag findet eine Klausur des wieder herauskommen sollen.“ damaligen CDU-Oppositionsführer Hel- Fraktionsvorstands in München statt. Ei- Ralf Neukirch