Rochus Lussi

Multiple Ichs Rochus Lussi Multiple Ichs

Arbeiten von 1992 bis 2007

Verlag Martin Wallimann Inhaltsverzeichnis

Ein Vorwort gibt das andere Matthias Burki • 7 Die Eine und die Anderen Ulrich Gerster • 11 Hasenhautleim. Susann Wintsch und Catherine Huth • 49 Ausgesetzt Urs Sibler • 71 Biografie • 138 Abbildungsverzeichnis • 140 Autoren • 142 Fotografen • 142 Dank • 143 Abbildungsnachweis • 144 Impressum • 144

Contents

One Foreword Leads to Another Matthias Burki • 6 One Among the Others Ulrich Gerster • 10 Rabbit-Skin Glue. Susann Wintsch and Catherine Huth • 48 Exposed Urs Sibler • 70 Biography • 138 Photographic index • 140 Authors • 142 Photographer• 142 Thanks to • 143 Photographic credits • 144 Imprint • 144

 Ein Vorwort gibt das andere

Wir heissen uns hier herzlich willkommen. Wir reden jetzt vom Ich. Ein Ich schreibt hier über uns. Wir dürfen uns ruhig Du sagen. Willkommen in der Wirklichkeit von diesen und anderen glei-­ chen Menschen, von Gemsgeisshörnern und Nabelschnüren, von Liegenden, Kauernden und Fliegenden, von Paaren und ein paar Broten, von MenschenMenschenMenschen und HasenHasenHa-­ sen (Susann Wintsch), von Menschen wie Hasen. Willkommen in einem Werk, das wohl nur ein einzelner, mit Hilfe einer digitalen Fräsmaschine, so konsequent schaffen kann: «Multiple Ichs» aus den vergangenen 15 Jahren von Rochus Lussi. Skulpturen aus dem Holz gefräst, mit Farbe versehen, oft zu grossen Gruppen zusam-­ mengestellt. Identische Rohlinge, die vom Künstler wieder indi-­ viduell geformt und gemalt werden. Aus der x-­ten Kopie wird so wieder ein x-­tes Original. Und wir blicken auf das Wesen Mensch als Masse: Was sehen Du und ich, was sehen die anderen? Wir Kunstkenner: Wir treffen bei den Werken des Stanser Künst-­ lers Rochus Lussi auf einen Bildhauer, der sich mit der Traditi-­ on der Skulptur auseinandergesetzt und für sich eine aktuelle Darstellungsform gefunden hat: «Gerade im Medium der Holz-­ skulptur, die im letzten Jahrhundert für die Darstellung von Ur-­ sprünglichem so prädestiniert schien, gelangt der Künstler zu einer unaufgeregten Gegenwärtigkeit». Der Alltag, die Masse, die Anonymität als dominierende Themen verweisen uns auf den «Massencharakter der menschlichen Existenz in der modernen Gesellschaft» (Ulrich Gerster). Wir Kunstfremden: Wir stossen auf Rochus Lussis Figuren auch fern von Museen. In «Begegnungsstätten», wie auch einige Ar-­ beiten heissen. Zum Beispiel in der Stanser Gemeindebibliothek, in einem Surseer Wohn-­ und Tagesheim oder in der Wohnsied-­ lung Turmatthof in . Die Gruppen sind so im Raum instal-­ liert, dass sie für einen Moment in unser Leben greifen und uns fragen lassen: «Sind es Herr und Frau Jedermann» (Urs Sibler), denen wir begegnen? Wir alle, die zugeben, dass wir den Kunstkenner und Kunstfrem- den in uns vereinen: Wenn wir in Rochus Lussis Figurengruppen schauen, erschaudern wir immer etwas. Sie sind irritierend, un-­ heimlich. Auch, weil es so viele fast Gleiche, aber doch individu-­ ell Gestaltete sind. Mensch, es handelt wohl von uns: «Es geht um die schlichte Behandlung der Gestalt Mensch. Mensch mit Alltag. Mensch im Alltag» (Rochus Lussi). Vor uns liegt ein schön unheimliches, ein unheimlich schönes Stück Buch. Wir treffen auf uns selber. Auf Dich und mich. Auf die Anderen. Auf die Masse. Schauen und lesen wir, schauen wir uns alle an. Mit Vergnügen und Schaudern!

Matthias Burki

 Die Eine und die Anderen Skulpturen und Gruppen von Rochus Lussi

Es gibt eine Linie in der Geschichte der modernen Skulptur, ins-­ besondere der figurativen Holzskulptur. Sie heisst Primitivis-­ mus.1 An ihren Anfang kann man Paul Gauguin stellen, der auf Tahiti und auf den Marquesas-­Inseln nicht nur die Bewohner und ihre Mythen zum Thema seiner Kunst machte, sondern auch sei-­ ne plastischen Formfindungen an ihrem Gestalten orientierte. Der Strang lässt sich – vereinfacht betrachtet – zu Pablo Picasso und Ernst Ludwig Kirchner weiterverfolgen, die beide von der Abb. 2 – Rochus Lussi, Ohne Titel, 1994 afrikanischen Skulptur stark beeinflusst waren. In den 80er Jah-­ ren des letzten Jahrhunderts wird der Faden von Künstlern wie-­ der aufgenommen, die auf das Urtümliche der Stammeskunst zu-­ rückgreifen: etwa von Georg Baselitz mit seinen grob behauenen und grob bemalten Figuren oder von Josef Felix Müller, dessen aus Baumstämmen geschlagene Gestalten auf einen vorzivili-­ satorischen, von Sexualität und Gewalt geprägten Zustand des Menschen verweisen (Abb. 1).

Als Rochus Lussi in der ersten Hälfte der 90er Jahre zu einem eigenständigen bildhauerischen Schaffen fand, partizipierte Abb. 3 – Rochus Lussi, Ohne Titel, 1996, er an dieser Traditionslinie. Eine frühe grosse Arbeit, die 1994 je Paar 230 x 60 cm ­entstanden ist, zeigt zum Beispiel ein urzeitliches Totenritu-­ al (Abb. 2). Drei nackte Menschen, zwei Männer und eine Frau, stehen stelengleich vor einem Leichnam. Die Figuren sind unna-­ türlich gelängt, haben grosse paddelförmige Hände und kahle Köpfe, die von Ferne an die monumentalen Skulpturen auf den Osterinseln erinnern. Der ebenfalls nackte Tote ist auf die Erde gebettet, in die er schon ein wenig eingesunken ist. Seine Hän-­ de umschliessen das erigierte Glied. Die Bilder von Vitalität und Tod verbinden sich in einer letzten Erstarrung. «Es würde mich nicht wundern, wenn der sterbende Greis als letzte schwache Handbewegung einen Versuch machte, sein Geschlechtsteil zu ergreifen» 2 , schrieb der deutsche Künstler Anton Räderscheidt, von dem noch die Rede sein wird. Lussis Figuren, die dieses vor-­ zeitige Ritual betreiben (oder ist es nicht viel eher ein Ritual ausserhalb der Zeit), gleichen sich alle. Zwei Jahre später wird aus der Ähnlichkeit eine Vervielfachung. Das Medium hat der Künstler gewechselt. Er arbeitet nun mit dem Holzschnitt, der – wenngleich zweidimensional – der Skulptur wesensverwandt ist (Abb. 3). Wieder sehen wir einen Mann und eine Frau, die mit ihren schlanken Gliedern ähnlich aufgeschossen sind wie die Fi-­ guren der plastischen Installation. Ähnlich stilisiert ist auch die Formensprache. Das Paar, die Frau mit deutlich markiertem Ge-­ schlecht und der Mann mit steifem Penis, vervielfältigen sich als Rapport auf den Wänden des Ausstellungssaals. Sie bilden ein Ornament, das sich rundherum endlos fortzupflanzen scheint.

11 Von heute Von den Vielen zu der Einen. Oder eigentlich zu zweien. Die Skulp-­ tur «Junge Frau» (Abb. 4) von 1997 ist direkt aus dem Baumstamm geholt: am Anfang mit der Motorsäge, dann mit dem Beil, dem Meissel, der Raspel. Bis sie etwas steif vor uns steht, ein wenig un-­ terlebensgross, die Arme angelegt, die Beine parallel. Der untere Teil des Stamms, aus dem sie gelöst wurde, bildet den Sockel der Figur. Sie trägt ein rotes Oberteil mit V-­Ausschnitt, weisse Hosen und schwarze Schuhe. Wo Kleider sind, ist das Holz ein bisschen gröber belassen; es zeigt den Einsatz der Werkzeuge deutlich. Wo wir Haut sehen, ist die Bearbeitung ausgefeilter, und die Bema-­ lung geht mehr ins Detail: das Rot der Lippen, die Augenbrauen und die Augen, die ruhig in die Ferne (oder auf uns) blicken.

Einmal ist die Frau angezogen, einmal ist sie nackt. Das entblöss-­ te Pendant steht auf einem gleichen Sockel neben der Bekleide-­ ten. Sie nimmt eine ähnliche Haltung ein, nur der Kopf ist nach rechts gewandt. Es ist dieselbe Frau, die in zwei Zuständen ge-­ Abb. 5 – Rochus Lussi, Mädchen, 1998, 70 cm zeigt wird. Zwischen 1997 und 2000 entsteht eine ganze Reihe solcher Doppelfiguren.

Die beiden «Mädchen» (Abb. 5), die ein Jahr nach der jungen Frau geschaffen wurden, folgen dem gleichen Prinzip, sind aber klei-­ ner geworden. Mitsamt dem Sockel, auf dem sie nun gemeinsam stehen, messen sie gerade noch 70 Zentimeter. Ihre schiere phy-­ sische Präsenz wird dadurch zurückgenommen. Die Gegenüber-­ stellung der beiden – angezogen und nackt – gewinnt im engen Nebeneinander dafür an Prägnanz. Deutlicher tritt nun auch die unterschiedliche Bearbeitung von gleichsam polierter Haut und dem etwas raueren Stoff zutage.

Was an Lussis Darstellungen auffällt, ist ihr Gegenwartsgehalt. Das Mädchen trägt eine blaue Hose und ein dunkles Oberteil. Man könnte ihm auf der Strasse begegnen, vor dem Kino, am Ki-­ osk. Auch wenn es nackt ist, hat es nichts Archaisches an sich und kaum etwas Erotisches. Seine Nacktheit ist so alltäglich wie sein Angezogensein; als wäre das Mädchen eben der Badewanne ent-­ stiegen. Es gibt entblösst nicht mehr von sich preis als bekleidet. Die junge Frau zeigt in den beiden Zuständen nicht ein Anderes – eher schon die Verdopplung ihrer selbst. Und man wundert sich vielleicht eher darüber, dass sie zweimal, zwillingsschwestern-­ gleich, auf demselben Sockel steht, als dass sie einmal nackt und einmal angezogen ist.

«Es geht», schreibt Rochus Lussi, «um die schlichte Behandlung der Gestalt Mensch. Mensch im Alltag. Mensch mit Alltag.» 3 Ge-­ rade im Medium der Holzskulptur, die im letzten Jahrhundert für die Darstellung von Ursprünglichem so prädestiniert schien, gelangt der Künstler zu einer dezidierten Gegenwärtigkeit. Die 13 schlichte Bearbeitung der Figuren, der jede bildhauerische Ges-­ te fremd ist, korrespondiert dabei mit der Alltäglichkeit der von ihm gezeigten Menschen. Andere Künstler würden so etwas viel-­ leicht mit den modernen Mitteln des Fotoapparats oder der Video-­ kamera festhalten.

1999, als Rochus Lussi schon seit zwei Jahren an seinen Doppel-­ figuren arbeitete, begegnete er erstmals einer grösseren Werk-­ gruppe von Stephan Balkenhol. Das Erstaunen muss gross ge-­ Abb. 7 – Rochus Lussi, Begegnungsstätte II, 2002, wesen sein, dass ein anderer Bildhauer seit den mittleren 80er Nidwaldner Museum, Stans Jahren einen so ähnlichen Weg beschritten hat wie er selber. Stellt man etwa das vorher betrachtete Werk «Junge Frau» neben Balkenhols «Paar» (Abb. 6) von 1998, so springt die Verwandt-­ schaft der gestalterischen Lösungen ins Auge. Auch der deutsche Künstler arbeitet seine Figuren aus dem Stamm heraus, der wie-­ derum den Sockel bildet. Auch er fasst sie farbig. In erster Linie sind seine Männer und Frauen aber ebenso unspektakuläre All-­ tagsmenschen, die Hose und Hemd, Hose und Bluse oder ein ein-­ faches Kleid tragen. Und manchmal sind sie nackt. Es gibt natür-­ lich auch Unterschiede: Balkenhols Behandlung der Oberflächen ist kantiger, fasriger, und seine Figuren scheinen in der Physi-­ ognomie einheitlicher. Vor allem aber behauptet Lussis Werk in einem Punkt, der im Frühwerk bereits angelegt ist und in den Doppelfiguren zu einer ersten stimmigen Lösung gebracht wur-­ de, seine Eigenständigkeit. Der Mensch wird in seiner Verdopp-­ lung und Vervielfachung gezeigt.

Die Masse 37 Frauen begegnen sich, es ist 37-­mal dieselbe Frau (Abb. 7). Sie trägt ein rotes Oberteil und schwarze Hosen – 36-­mal. Und eine, die mitten in der Gruppe steht, ist nackt. Die Frauen sind in einem Schritt begriffen, gehen aufeinander zu. Die Hand ist ausgestreckt. Einige grüssen sich, einige berühren ihre Nachba-­ rin – vertraulich fast – am Arm oder an der Schulter. Bei einigen geht die Geste ins Leere. Suchend wirken sie und etwas verloren in der Gruppe der Gleichen. Doch wer trifft in diesem Werk, das mit «Begegnungsstätte II» betitelt ist, auf wen? Was für Begeg-­ nungen finden statt? Und was macht die Nackte unter all den Be-­ kleideten?

Vor allem treffen die Frauen auf sich selber. Die Szene erinnert an ein Spiegelkabinett, in dem das eigene Bild sozusagen dutzend-­ fach auf einen zurückgeworfen wird. Wollte man psychologisch argumentieren, könnte man auch sagen, dass das Werk die un-­ ausweichliche Konfrontation des Menschen mit sich selbst – Tag für Tag – zum Thema hat.

Bei den Doppelfiguren hatte das Nebeneinander der gleichen Figur, desselben Mädchens und derselben Frau, es können auch 15 Männer sein, etwas Exposéhaftes. Ihr Zusammensein auf dem-­ selben Sockel (oder auf dem Boden) stellte zwei Formen derselben Person dar. Die grosse Gruppe hingegen zeigt, vor allem durch die Handlungs-­ und Bewegungsmotive bedingt, eine Szene. Man könnte auch von einer puppenhaft gestellten Tanz-­ oder Bewe-­ gungs-­Choreographie sprechen. Die nackte Frau inmitten der be-­ kleideten lässt sich aus der Entwicklung von Lussis Werk als ein Überbleibsel der Doppelfiguren lesen. Wichtiger ist aber, dass sie eine kleine spannungsvolle Differenz markiert. Sie ist, obwohl es sich um die gleiche Frau bei der gleichen Tätigkeit handelt, die Andere in der Masse der Gleichen.

Der deutsche Soziologe Siegfried Kracauer beschrieb 1929 erst-­ mals den Menschentyp des Angestellten. Es handelt sich dabei eben nicht um den Proletarier, der bereits früher im Zentrum des analytischen und ideologischen Diskurses stand, sondern um ei-­ Abb. 9 – Katharina Fritsch, Tischgesellschaft, 1988, nen neuen Mittelstandstyp, der unauffällig das Gesicht der mo-­ Museum für Moderne Kunst, Frankfurt a.M. (Dauerlei-­ dernen Städte in Büros, in Kaufhäusern, in Kinos und Vergnü-­ gabe der Dresdner Bank) gungspalästen prägt. Sein vielleicht bestimmendes Merkmal ist seine Uniformiertheit: «Die Angestellten», so Kracauer, «leben heute in Massen, deren Dasein [...] mehr und mehr ein einheit-­ liches Gepräge annimmt. Gleichförmige Berufsverhältnisse und Kollektivverträge bedingen den Zuschnitt der Existenz [...]. Alle diese Zwangsläufigkeiten haben unstreitig zur Heraufkunft ge-­ wisser Normaltypen von Verkäuferinnen, Konfektionären, Ste-­ notypistinnen usw. geführt [...].» Und: «Sprache, Kleider, Ge-­ bärden und Physiognomien gleichen sich an [...].»4

Der Kölner Künstler Anton Räderscheidt, der schon einmal kurz erwähnt wurde, hat diesen Normaltyp der Weimarer Republik zur Darstellung gebracht. Das Bild des «Mannes mit steifem Hut», wie er ihn nannte, entwickelte er zu Beginn der 20er Jahre. Gegen Ende des Jahrzehnts und in den frühen 30er Jahren, also just als Kracauer seine Analyse der Angestellten vorlegte, vermehrte sich der grossstädtische Normbewohner in Räderscheidts Werken dutzendfach (Abb. 8). Abgesehen von kleinen Differenzen, etwa im Muster des Jacketts, ist es der immergleiche Mann (übrigens ein stilisiertes Bild des Künstlers selbst), der die Stadtlandschaft zwischen Häuserschluchten und Fahrwegen bevölkert. Mal von hinten, mal von vorne gesehen. Und als Pendant ist ihm die im-­ mergleiche Frau zur Seite gestellt (ein Bild seiner Gattin Marta Hegemann) . 5

Die Vervielfachung desselben Prototyps ist in der Analyse des So-­ ziologen ebenso wie in der Bildwelt des Künstlers ein Signum des modernen Lebens. Eine zeitgenössische plastische Formulierung fand hierfür Katharina Fritsch, die 1988 32 identische lebens-­ grosse Polyester-­Figuren eines junges Mannes in Reih und Glied an einen Tisch setzte (Abb. 9). Von einer «gnadenlosen, gleich-­ 17 förmigen Realität», die sich in diesem «Ornament der Masse» verkörpere, sprach Bice Curiger in Anlehnung an einen anderen Text von Siegfried Kracauer. 6 Auch Rochus Lussis Werk «Begeg-­ nungsstätte II» lässt sich in diese Reihe stellen. Und um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen, auf wen oder was die Frauen in der vielfigurigen Installation eigentlich träfen: Sie be-­ gegnen sich selbst; sie begegnen aber auch dem Massencharakter der menschlichen Existenz in der modernen Gesellschaft.

Interessanterweise spiegelt der technische Entstehungsprozess Abb. 12 – Rochus Lussi, Liegende, 2004 der 37 Figuren ihren Gegenwartsgehalt wieder: Er ist in grossen Teilen automatisiert. Die erste Figur hat Lussi mit aller Kunstfer-­ tigkeit des Schnitzers aus dem Holz geholt. Dieser Prototyp wird in einer CNC-­Maschine digital abgetastet und maschinell nach-­ gefräst. Wie bei jedem Stück der industriellen Produktion ist die Anzahl der Kopien im Grunde beliebig. Die Frau mit dem roten Oberteil wurde 36-­mal reproduziert. An diesem Punkt setzt wie-­ der die handwerkliche Bearbeitung ein. Durch kleine Eingriffe werden die Holzfiguren leicht verändert. Bei den Frauen der «Be-­ gegnungsstätte» ist es etwa die Kopfhaltung oder die zum Gruss ausgestreckte Hand, die unterschiedlich hoch gehalten ist. Und eine wird entkleidet. Die farbige Fassung der Skulpturen wird vom Künstler manuell ausgeführt; er achtet allerdings darauf, dass die Bemalung möglichst einheitlich ist. Betrachtet man den gesamten Produktionsprozess, so zeichnet er sich durch eine Ab-­ folge von handwerklichen und industriellen Arbeitsschritten aus. Der handwerkliche Anteil gibt den Figuren das Gepräge einer klassisch hergestellten Holzskulptur; der maschinelle sorgt für die arbeitsökonomisch optimierte Vervielfachung der Stücke.

Mit diesem Verfahren hat Rochus Lussi in den letzten Jahre ver-­ schiedene mehrteilige Arbeiten geschaffen. In der «Begegnungs-­ stätte III» (Abb. 10) von 2003 sind es 57 weinende oder jammernde Jungen. Sie schwanken zwischen individuellem Schmerz und kollektiver Trauer. Die Gruppe der «Herzen» (Abb. 11) aus dem-­ selben Jahr zeigt 180 menschliche Organe, die je nach Art der Prä-­ sentation an eine medizinische Schausammlung oder – schauer-­ licher noch – an ein Lager von Leichenteilen erinnern; eher zur Entsorgung als zur Wiederverwertung durch Transplantation bestimmt. 7

Die Arbeit «Liegende» (Abb. 12) stammt von 2004. Unschwer ist das Vorbild zu den 50 Figuren auszumachen. Es ist das Gemäl-­ de «Der Leichnam Christi im Grabe» von Hans Holbein d.J., 1521 entstanden. Doch während der Körper von Holbeins Christus ge-­ schunden und ausgemergelt ist – wir also zweifelsohne vor einer Leiche stehen –, halten Lussis Figuren eine nicht ganz auflösbare Zwischensituation. Es lässt sich eigentlich nicht entscheiden, ob die Liegenden schlafen oder ob sie tot sind. Bei dieser Gruppe hat 19 Lussi die individuelle Bearbeitung der Einzelfiguren, die immer auf die maschinelle Produktion der Kopien folgt, weiter getrie-­ ben als in den bisher betrachteten Werken. Zwar liegen im schrein-­ artigen Gestell alle gleich da, es wird aber eine Vielfalt von Indi-­ viduen gezeigt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Junge weisse Männer sind darunter, mit und ohne Bart, Schwarze, Frau-­ en mit verschiedenen Haarfarben und von verschiedenem Alter. Es ist, als würden an diesem seltsamen Schlafplatz Menschen al-­ ler Länder, Kulturen und Generationen zusammenkommen. Oder ist es doch der grosse Gleichmacher Tod, der sie verbindet? Abb. 13 – Rochus Lussi, Fliegende, 2005

Losgelöst 50 Frauen fliegen (Abb. 13). Sie fliegen an den Wänden empor oder sie schweben an der Decke – mit flatternden braunen Hosen und bauschigen weissen Blusen. Ihr Haar spielt im Wind. Flügel ha-­ ben sie nicht; sie scheinen sich eher mit ihren Armen in der Luft zu halten. Bei einigen sind sie nach oben oder seitlich ausgestreckt, bei anderen eng an den Körper gelegt. Das vielfache Nebeneinan-­ der der Stellungen imaginiert den Ablauf der leichten Bewegung. Fast mühelos scheint ihr Tun, wie wenn die Schwerkraft aufge-­ hoben wäre. Sie gleichen einer engelhaften Schar und sind doch ganz von dieser Welt.

Es gibt einen kleinen Film, etwa eine Minute lang, der Lussis Ar-­ beit zeigt. 8 Es ist Sommer. Die Kamera schwenkt etwas verwackelt über den Bahnhofsplatz einer Ortschaft. Wir sehen das Stations-­ schild, das Bahnhofsgebäude, Passanten. Hier steht sie am Kiosk – zufällig. Eine junge Frau in schwarzem Rock und weisser Bluse. Sie könnte in ihrer unauffälligen Alltäglichkeit, die dennoch von körperlicher Präsenz geprägt ist, einem Werk des Künstlers ent-­ sprungen sein (oder eher: für eine seiner Skulpturen Modell ge-­ standen haben). Wir folgen der Kamera in die Bahnunterführung. Hier unten an der Decke schweben die Figuren, 50 -­fach auf blau-­ em Grund. Die Frau von der Strasse. Die Frau am Kiosk. Rochus Lussi lässt sie fliegen.

Ulrich Gerster

1 Vgl. Alan G. Wilkinson: Gauguin to Moore. Primitivism in Modern Sculpture, Au sst .-­Kat., Art Gallery of Ontario, Toronto 1981; Alan G. Wilkinson: Der Primitivismus in der modernen Skulptur, in: Skulptur im 20. Jahrhundert, Au sst .-­Kat., Merian-­Park, Basel 1984, S. 33–44. 2 Anton Räderscheidt: Aus dem Tagebuch (ab 1966), Typoskript, Historisches Archiv der Stadt Köln, S. 11. 3 Rochus Lussi: Skizzenbuch, Manuskript, 21. Juni 1999. 4 Siegfried Kracauer: Die Angestellten. Aus dem neuesten Deutschland, Frankfurt a.M. 1971 (Erstveröf-­ fentlichung 1929), S. 25 u. 65. 5 Vgl. Ulrich Gerster: «Der Mann mit steifem Hut und die hundertprozentige Frau. Anton Räderscheidts Männer- und Paarbilder der zwanziger Jahre, Typoskript, Lizentiatsarbeit, Universität Zürich 1990; Günter Herzog: Anton Räderscheidt, Köln 1991; Ulrich Gerster: «... und die hundertprozentige Frau». Anton Räderscheidt 1925–1930, in : Kritische Berichte, 20. Jg., H. 4, 1992, S. 42–63; Anton Räderscheidt, Ausst.-­ Kat., hg. von Werner Schäfke und Michael Euler-­Schmidt, Josef-­Haubrich-­Kunsthalle, Köln 1993. 6 Bice Curiger: Irreconcilable in Space. How Some of Katharina Fritsch’s Work Gets Under Your Skin, in : Katharina Fritsch, Au sst .-­Kat., hg. von Iwona Blazwick, Tate Modern, London/Ständehaus, Düsseldorf, London 2002, S. 79. Die Autorin bezieht sich dabei auf Siegfried Kracauer: Das Ornament der Masse (1927), in: ders.: Das Ornament der Masse. Essays, Frankfurt a.M. 1977, S. 50–63. 7 Es sei hier noch einmal auf eine Arbeit von Katharina Fritsch verwiesen; die Plastik «Warengestell mit Gehirnen» von 1989 zeigt vergleichbar exponierte menschliche Organe. 8 Rochus Lussi: «Fliegende in Schüpfen», 2005, Video (1’11’’). Der kleine Film kann eingesehen werden unter www.rochuslussi.ch. 21 Hasenhautleim. Oder der Lauf der Dinge.*

Der Schweiss rann ihm von der Stirn in die dunkel umrandeten Augen, verwischte den golden gefärbten Teint, tropfte in die äus-­ seren Winkel des Kussmundes und danach in den Hemdkragen. Die Luft war feucht und stickig. Im Aussenraum drängte sich eine Unzahl von Menschen, die den Geschminkten durch das mit Kondenswasser beschlagene Schaufenster anstarrte, begierig, seine Bewegungen, Gesten und Blicke verfolgen und begreifen zu können. Der Mann jedoch nahm sie nicht wahr. Er schaute auf zwei leblose Tierkörper, die wie schlafend, schlaff und weich, auf seinen Armen lagen. Er wiegte sie, ging langsam im Kreis und sang dabei leise und süss in ihre Ohren. Draussen vor der Tür hörte niemand auch nur ein einziges Wort, weshalb bis heu-­ te zahlreiche Mythen kreisen um die Ohnmacht der Schöpfung. Die Tiere jedoch verstanden den Sinn der Lieder wie von weit her, durch jene undichten Schalllöcher im Windkanal des Todes: Sie selbst sollten begreifen, woher sie kämen, wer sie seien und wo-­ hin sie gehen sollten. Worauf, so tönte das Geflüster, würden sie noch warten? Und also geschah es.

Im harten Dünengras verborgen, schlugen zwei schneeweisse Hasen kurz nach Mittag, in exakt der gleichen Sekunde, die Au-­ gen auf. Einen kurzen Moment lang blickten sie sich in die Augen, dann hoppelten sie an den Strand. In Felsspalten fanden sie kur-­ ze, schmale Dielenstücke. Darauf positionierten sie sich, verla-­ gerten ihr Gewicht an die vorderste Kante und stiessen beherzt in die See. Bald verschwanden sie, von einer kühlen Brise getrie-­ ben, im Horizont. Hätte sie jemand gesehen, er würde sie für Wattebällchen halten, die auf dem dunkelbraunen Schaum der Wellen ritten, ja geradezu dessen Antithese bildeten, da sie als klar umrissene Silhouetten aus dem zufälligen Gekräusel heraus-­ zusteigen schienen. Doch solche Gedanken kümmerten unsere Protagonisten recht wenig. Zitternd, wenngleich stocksteif wie Reliefs, flogen sie über die Wellenkämme, die sich immer steiler und düsterer gegen sie aufrichteten. Ihre Ohren flogen wild von links nach rechts und rechts nach links, um in die einbrechende Nacht zu horchen, auf das Gemurmel und Gejammer unerkannter Geschöpfe. Da die Hasen ihre Ohren aus leicht verständlichen Gründen nicht zuhalten konnten, versuchten sie wegzuhören und bohrten ihre Krallen apathisch ins morsche Holz, nur noch der nackte Eigensinn zu leben hielt sie in Form. Als der Morgen endlich mit einem grauen Schimmer hereinbrach, wurden sie ans Ufer gespült. Zitternd trockneten sie ihr zerzaustes Fell in der schwachen Sonne und leckten ihre blutenden Pfoten. Wieder tauschten sie stumme Blicke. Dann hinkten sie landeinwärts.

49 Im nächsten Agenblick waren sie im Gänsemarsch aufgereiht. Vor und hinter sich standen identische Artgenossinnen, die wie aus einer einzigen Retorte zu stammen schienen: Abgemagert, still, gewachst und drahtig, mit gesenktem Kopf und gestellten Löffeln verharrten diese wie sie im Spalier. Ein nervöses Zucken überlief den Pelz der Neuankömmlinge, doch dann reckten sie die Hälse, um den Anfang der Schlange auszumachen. Es war un-­ fassbar. Sie sahen auf einen bleichen menschlichen Podex, einen männlichen Modellschinken, dessen Beine knietief, nein viel tiefer, im schlammigen Untergrund eingesunken waren. Und di-­ rekt auf Hasen-­Nasenhöhe präsentierte er den polierten, vor An-­ spannung verengten Spalt. Warteten sie hier etwa, um am Ende einmal daran zu riechen? Oder um dort hineinzukriechen? Und wo kämen sie am Ende wieder heraus? Vorsichtig schauten die Hasen sich um, doch die Kameradinnen, apathisch, dünnhäutig und erschöpft, wie sie waren, schienen von keiner Sache Notiz zu nehmen, offenbar einzig dafür bestimmt, anzustehen. Eine üble Ahnung wucherte in den beiden Hasen auf. Wo kamen diese knochigen Duplikate ihrer selbst überhaupt her? Waren sie etwa soeben diesem Hintern entschlüpft? Gerade eben ausgebrütet? Waren sie gar menschliches Exkrement? Die Fellsträhnen stan-­ den ihnen zu Berge; angewidert strichen sie sie wieder glatt. Da-­ mit wollten sie nichts zu tun haben.

Peinlich berührt rannten sie fort und irrten über die Felder. Doch als sie vor der gläsernen Vitrine ankamen, wurden ihre paranoi-­ den Visionen auf das Unangenehmste bestärkt, denn darin hock-­ te ein zerzauster Kollege mit schematischem, ja gestanztem Kör-­ perbau. Mit angelegten Ohren und auf leisen Pfoten schlichen die Hasen heran, um zu schnuppern. Ein unbeschreibbarer Ekel schreckte sie jäh zurück: Der Kollege bestand ganz und gar aus Karnickelmist! Spriessende Karbunkel klafften aus seiner led-­ rigen Haut, die von unverdauten Strohhalmen und Kotklümp-­ chen übersät war! In seinem durchsichtigen Käfig sass also ein Aussätziger, der vor sich hinwucherte! Nervös kratzten, leck-­ ten und wanden sich die beiden, ehe sie sich davon überzeugten, nichts davon abbekommen zu haben. Ein Strom von Fragen elek-­ trisierte ihr Gehirn: War der im Kasten etwa aus seinem eigenen Dreck geschaffen? Musste er sein Dasein aus der eigenen Aus-­ scheidung ziehen? Oder gründete seine Existenz gar darauf zu verrotten? Eine unkontrollierbare Aversion überkam sie, sie lies-­ sen alles stehen und liegen und stoben davon, denn wer weiss schon, wie der Hase läuft.

Bald schlugen sie ihre Haken wieder vorwitzig querfeldein und hüpften dann, von Neugier angetrieben, beherzt in das dunkel-­ grüne Unterholz eines zauberhaften Waldes. Sie probierten vom grünen Klee, dem Waldmeister und süssem Holz, und so erschra-­ ken sie fürchterlich, als unversehens ein zweibeiniges Wesen – 51 oder war es ein Mensch? – hinter einem Baum hervortrat und sich ihnen in den Weg stellte. Die Langohren duckten sich, und ihre Blicke wanderten scheu von Fuss bis Kopf, von den riesigen pel-­ zigen Hasenpfoten, die aus einer Latzhose hervorquollen, über das karierte Hemd und schliesslich auf den Kopf, der ihnen un-­ heimlich vertraut vorkam, da er mit langen Ohren ausgestattet war. Die Augen des Wesens jedoch waren hinter dunklen Gläsern verborgen. Ob es sich um jenes Karnickel handelte, das einst ein kleines Mädchen in seine Höhle gelockt und in traumatische Un-­ terwelten entführt hatte? Da zog die Chimäre eine Axt hinter ihrem Rücken hervor, steckte die andere Hand in die Hose und sprach sie mit unwirscher, weiblicher Stimme an: «Was macht ihr hier?», und dann streng: «An mir kommt ihr nicht vorbei.» Entgeistert starrten sie die Erscheinung mit offenem Mund an. «Wir sind auf dem Weg», stotterte der eine und der andere hasen-­ herzig hinterher: «Warum hast du so grosse Löffel?» Knapp kam es zurück: «Ich warte auf euch!» Da jagten die Hasen wie vom Leibhaftigen verfolgt davon, rasten durch die Bäume tiefer in den Wald hinein, denn der Hund ist hinter dem Hasen her, der Hase aber hinter der Freiheit!

Da kam ein heftiger Wind auf. Ein gewalttätiger Regen prasselte auf die Baumwipfel, die sich zum Boden neigten und seufzend ihr Blattwerk fahren liessen. Entsetzt starrten die Hasen auf die nackten Äste und Stämme, die sich öffneten und purpurnen und schwefelgrünen Saft herausströmen liessen. Im nächsten Au-­ genblick brach die Erde mit Getöse auf und spie eine höllische Sippe aus, welche in die Täler kroch. Auf den Wolken ritten bel-­ lende Teufel, die feurige Speere in die rauchenden Schluchten warfen, und auf den Bergspitzen turmhohe Monster, aus deren Mäulern giftiger Speichel rann. Doch dann wurde es auf einmal merkwürdig still. Die Hasen sahen einen bärtigen Riesen heran-­ nahen, dessen blaues Gewand um seine fleischarmen Knochen flatterte. Gelassen schritt er über die Ödnis, die unter ihm zu at-­ men begann. Der Mann eilte näher, packte die Hasen im Genick und liess sie in sein Oberhemd fallen – gerade rechtzeitig. Mit namenlosem Entsetzen spähten die Hasen durch die verschlis-­ sene Tunika und sahen die Ausgeburten der Hölle heranfliegen und die Luft mit Stöcken aufwühlen, die sie den toten Bäumen entrissen. Der Wirbel trieb den Alten in die Höhe, und die aus Moder Geschaffenen wirbelten mit und befühlten dabei seine Haare und sein mageres Gerippe. Das Herz darin jedoch – und dies fühlten die Hasen ganz genau – schlug kräftig und ruhig. Und je höher man sie trieb, desto gelassener pochte dieses Herz, und just darob drohte den Angsthasen ein Herzversagen, denn sie bangten, dass dieser Schlag letztendlich vollständig aufhö-­ ren könnte! Das Ende! So begannen sie wild um sich herumzu-­ schlagen. Ihre Krallen zerrissen den altersschwachen Stoff, und so fielen sie ins Nichts. In eine Leere, deren Ausmass wir den Le-­ 53 sern unmöglich vorstellig machen konnten. Die Hasen aber, und hier sind wir glücklich zurück im Feld der Worte, schrien einen langen und hohl klingenden Todesschrei, da sie sanft hernieder-­ segelten ohne jegliches Getier weit und breit. In Radformation umarmt, rollten sie sieben Täler hinab in ein höchst irritiertes Hasenrudel.

Der Rest ist rasch erzählt. Nach Minuten des Staunens und Glot-­ zens auf beiden Seiten erkannte man sich gegenseitig wieder: Man gehörte eindeutig zum selben Stamm, zur selben Rasse, ja sicher zur selben Nation, das konnte nun ja jeder sehen: Mit die-­ sem weiss gestrichenen Fell, den groben Ecken in den Flanken, den ungehobelten Ohren, der harten Schnauze und den rot an-­ gemalten Augäpfeln: jeder anders, alle gleich! Die anfängliche Neugierde der Tiere ging schnell in das wärmende Gefühl der Vertrautheit über. Bald grasten alle Hasen friedlich auf fetten Wiesen oder bewegten sich rhythmisch, im Takt der Dekonstruk-­ tion, im Maisfeld. Synchron reckten sie ihre Hälse und rotierten die Ohren, um ihr Umfeld seismographisch zu durchleuchten. Bei Flucht schlugen sie ihre hölzernen Haken parallel, bei An-­ griff starrten sie dem Gegner giftig in die Augen, und auch das Totstellen, wenn man sich über alles im Ungewissen war, stand zur Wahl. In der übrigen Zeit betrachtete man den Wuchs der Rü-­ ben, putzte sein Fell und schlief. All diese Aktivitäten vergrös-­ serten das Gefühl des Aufgehobenseins, welches nur gänzlich Unverständige mit Lethargie verwechseln würden. Die Zeit ver-­ rann dabei recht angenehm. Gar gerne berichteten sie, in immer neuen Variationen, von ihren Reisen, doch insgeheim schämten sie sich vor sich selbst. Doch nein, sie waren doch nicht immerfort gerannt, sondern hätten das Unbekannte bis in die Tiefen ausge-­ lotet. Doch dieser nagende Zweifel blieb und liess sich partout nicht abschütteln. Sicherlich, so sagten sie sich, während sie den Wolken zuschauten, beruhte dieses eigenartige Gefühl auf Er-­ schöpfung, sie waren müde, weiterzugehen. Vielleicht im nächs-­ ten Jahr. Beim Biss in die nächste lampige Rübe sagten sie zu sich selbst, es wäre halt ein regnerisches Jahr gewesen.

Susann Wintsch und Catherine Huth

* Hasenhautleim. Oder der Lauf der Dinge. hat sich an Werken folgender KünstlerInnen (in der Reihenfolge ihrer Erscheinung) inspiriert: Joseph Beuys, Severin Müller, Bettina Thöni, Dieter Roth, Eliane Rutishauser, Martin Schongauer und Rochus Lussi. (Zeichnungen Catherine Huth) 55 Ausgesetzt Über Rochus Lussis Figuren im öffentlichen Raum

Klimatische Voraussetzungen «Kunst im öffentlichen Raum», «Kunst am Bau», «Kunst und Bau», «Öffentliche Kunst», diese Begriffe fallen, wenn Kunst sich nicht auf die Präsenz in Galerien und Museen beschränkt, sondern sich dem Dialog mit Architektur, mit Innen-­ und Aus-­ senräumen stellt. Damit verbunden ist das Heraustreten an eine grössere Öffentlichkeit als jene, die in Ausstellungsinstituten verkehrt. Passanten im öffentlichen Raum, Bewohner und Benut-­ zer von Siedlungen und Institutionen sind mit Kunst konfron-­ tiert. In , der Heimat von Rochus Lussi, besteht die , Annemarie auf dem Weg zur Kirche, 1937 ungeschriebene und nicht verpflichtende Übereinkunft, nicht nur Banken, sakrale und schulische Bauten, sondern auch kom-­ munale und kantonale Verwaltungsgebäude, Brunnen und Plät-­ ze künstlerisch zu gestalten. Kunstwerke, die aus Wettbewerben hervorgingen, aber auch Werke aus der Sammlung des Nidwald-­ ner Museums oder der Gemeinden erscheinen im urbanen Raum. Die grösste Dichte an öffentlicher Kunst weist der Hauptort Stans auf, der die entsprechenden Werke, ob sie sich in öffentlichem oder privatem Besitz befinden, einheitlich beschriftet und ei-­ nen Kunstrundgang anbietet. Konsequent mit Kunst bereichert werden die neu erbauten Stanser Schulanlagen. Hier kann man die Tendenz verfolgen, statt künstlerische Äusserungen der Ar-­ chitektur beizugesellen, sie mit dem Bau zu verschmelzen. Bei-­ spiele finden sich von Paul Lussi im Pestalozziareal, von Christi-­ an Bünter und Jürgen Kleinmann in der Erweiterung Tellenmatt , Die Bewahrfrau, 1942 und als jüngster Beitrag in die Schalung eingelegte Texte von Heini Gut und René Gisler im Schulzentrum Turmatt. Stans bewahrt, auch mit den Arbeiten von Hans von Matt, Albert Schilling, Josef Maria Odermatt, Rudolf Blättler und anderen im öffentlichen Raum, seinen Ruf als Ort der Kunst. Mit der Maler-­ dynastie Obersteg im 18. Jahrhundert, der Schule des Kirchen-­ malers Paul von Deschwanden im 19. Jahrhundert, dem Kreis um den Bildhauer Hans von Matt und die bildnerisch und literarisch herausragende Künstlerin Annemarie von Matt im 20. Jahrhun-­ dert, um nur die prägnantesten Strömungen zu nennen, war die Kunst in Stans etabliert und anerkannt. Der künstlerische Ein-­ zelgänger Paul Stöckli war der Mentor der nachfolgenden Gene-­ rationen von Kunstschaffenden, die heute noch in Stans wirken. Als Rochus Lussi in den Neunzigerjahren nach Stans zurückkehr-­ te, fand er ein förderliches Klima vor, das ihm erlaubte, sich als damals Dreissigjähriger hier zu etablieren und gleichzeitig von Stans aus mit Ausstellungen in der Innerschweiz, im Raum Zü-­ rich, in Bern, aber auch in Tschechien und Berlin Beachtung zu erlangen. Im Nidwaldner Museum im Höfli Stans konnte Rochus Lussi 2003 eine Kabinett-­Ausstellung zeigen.

71 Zweimal eine Frau 1999 kaufte die Kulturkommission der Gemeinde Stans Rochus Lussis Arbeit «Frau» von 1998 an. Die in den Abmessungen be-­ scheidene Doppelfigur aus farbig gefasstem Lindenholz wurde in der Gemeindebibliothek Tellenmatt, auch in der Einschätzung des Künstlers, optimal platziert. Eine nackte und eine bekleidete Frau stehen dicht nebeneinander auf dem als Standfläche übrig-­ gebliebenen Teil des ursprünglichen Holzblocks. Die bekleidete Frau trägt schwarze Schuhe, eine schwarze Hose und ein helles Oberteil. Beide Arme hat sie seitlich angeschlossen. Ihr nacktes Rochus Lussi, Frau, 1998, 70 cm Ebenbild hat den rechten Arm auf den massigen Oberschenkel ge-­ legt. Die Nackte schaut aus blauen Augen auf den Betrachter, die Bekleidete knapp an ihm vorbei. Der elfenbeinerne Hautton und die schlichte blonde Frisur unterstützen das Beiläufige, Selbst-­ verständliche des Paares, das von den Bibliothekarinnen und den Besuchern als ihresgleichen angenommen wurde und wird. Vielleicht ist es die Spannung zwischen öffentlich und privat, die auch die Benützerinnen der Bibliohek erleben, wenn sie an die-­ sem öffentlichen Ort ihre private Lektüre auswählen, wenn sie, wie die gewichtige «Frau» von Rochus Lussi, dazu stehen, was sie haben, beziehungsweise über den Lesestoff zeigen, wer sie sind. Die kleine Arbeit Lussis ist auf der Fensterseite, dem Raum zu-­ gewandt, im über zwei Stockwerke offenen Teil der Bibliothek in einem schmalen Wandstreifen platziert. Das gibt ihr, zusam-­ men mit der realistischen, aber leicht stilisierten Form der Dop-­ pelfigur, die eine Verwandtschaft mit romanischer Bauplastik nicht verleugnet, eine erstaunliche Monumentalität. Spannend ist es, den «Zwillingen» auf verschiedenen Ebenen zu begeg-­ nen, von der Galerie aus in der Aufsicht, vom Zwischenboden der Kaskadentreppe auf gleicher Höhe, aber aus Distanz, und vom Sockelgeschoss aus von der Nähe in leichter Untersicht. Da ha-­ ben die Architekten Battagello und Hugentobler dem Betreuer der Sammlung, Theo Zihlmann, einen attraktiven Raum für den Auftritt der Frauen bereitgestellt. Dieser hat Rochus Lussis Figur mit Arbeiten von Gertrud Guyer Wyrsch, Esther Wicki-­Schallber-­ ger und Hans Küchler ergänzt. Die überlegte und stimmige Prä-­ sentation von Lussis Werk aus dessen freiem Schaffen in einem gegebenen architektonischen Kontext zeigt auf, dass der Ankauf von Kunst für den Künstler, das Gemeinwesen und die Öffent-­ lichkeit Sinn stiftet.

«Zännibuebe» Das Gleiche lässt sich in Bezug auf das Werk sagen, das die Stadt anlässlich von Rochus Lussis Ausstellung 2004 im Surseer Rat-­ haus ankaufte und nun im neuen Wohn-­ und Tagesheim Mar-­ tinspark der Architekten Hess und Partner installieren liess. Wer das Heim betritt, gelangt in die zentrale Halle. Der Lichthof reicht über drei Stockwerke und lenkt den Blick der Wartenden oder in bequemen Sesseln Ruhenden nach oben. Auf einem schma-­ 73 len Sims, der sich rund um die Öffnung zieht, sitzen 45 Jünglinge der «Begegnungsstätte III» von Rochus Lussi aus dem Jahre 2003. Es ist jedesmal der gleiche «Bueb», wie ihn Lussi im Gespräch be-­ nennt, der sich mit beiden Händen an einem anthrazitfarbenen Sitzwürfel festhält. Bluejeans, ein weisses T-­Shirt und schwarzes Schuhwerk bilden die Bekleidung. Überaus wohl scheint es ihm nicht zu sein. Die Gesichtszüge der individuell nach links, nach rechts gedrehten, nach oben, nach unten geneigten, mit blondem Kurzhaar bedeckten Köpfe sind verzerrt. Weinen sie alle, grinst der eine oder andere? Jedenfalls ist jeder für sich und sind sie alle Rochus Lussi, Begegnungsstätte III, 2003 zusammen auf eindrückliche Art präsent. Sie sitzen da wie Stand-­ bilder aus einem Film, dessen Hauptdarsteller fast unmerklich den Gesichtsausdruck verändert. Sie scheinen Zeit zu haben, sie abzusitzen, stellvertretend für diejenigen, die hier ein-­ und aus-­ gehen, im aktiven Leben stehen. Sie warten zusammen mit jenen, die hier im Heim ihre Zeit verbringen, vielleicht verdämmern, die einen Aufbruch ersehnen, der nicht in Sicht ist. Tröstlich ist, solche Stellvertreter oder Begleiter zu haben, die immer hier sind, die wohl gelegentlich ihre Plätze wechseln, sich neu gruppieren lassen, die stumme Partner bleiben, denen man zurufen möchte: «So, Bueb, s’isch gnueg, hör uf wehliidig tue und packs! Du hesch doch Zuekunft nu vorder.» Auch die Platzierung dieser Figuren lässt verschiedene Blickwin-­ kel zu. Sie thronen von der Halle aus gesehen über uns, sie er-­ scheinen als Visavis vom Gang im ersten Stock, sie bleiben sicht-­ bar aus den weiteren Stockwerken. Durch die Spiegelung im Glas des Lichthofs vervielfachen sie sich weiter, werden entmateria-­ lisiert und verschwinden schliesslich. Möglich machen solche Gedankenspiele Lussis zwanzig Zentimeter hohe Figürchen, die er nach einem von ihm geschnitzten Prototyp maschinell verviel-­ fältigen liess, mit so dickem Hals, dass er anschliessend jedem seine eigene Kopfhaltung geben konnte. Nachdem die Gesichter ihren Ausdruck erhalten hatten, wurden die Figuren mit der Ras-­ pel überarbeitet und erhielten so die pudrige Oberfläche, die den «Filmstills» das Korn, die feine Unschärfe verleiht. Sie fasst die Figur mit einer Rundum-­«Haut» zusammen, nimmt das Abbild-­ hafte zurück und unterstreicht den konzeptuellen Anspruch der Gruppe. Vorbildlich verlief die Suche nach dem passenden Ort für die Begegnungsstätte, weil Rochus Lussi aus verschiedenen Mög-­ lichkeiten auswählen und die Installation im Zusammenwirken mit den Architekten selber vornehmen konnte.

Schrein in der Landschaft Eine andere Gruppe, fünfzehn Liegende aus dem Jahr 2004, zeigte Rochus Lussi im Sommer 2006 im Rahmen der Ausstellung «bodybild» in Heiligkreuz im Entlebuch, die von Roland Heini kuratiert wurde. Bei der Wallfahrtskirche, in der ein Splitter vom Kreuzesholz Christi verehrt wird, stellte Lussi einen gegen die Kirche geschlossenen und zur Landschaft offenen längsrecht-­ 75 eckigen Kasten auf. Darin entdeckte man von Hans Holbeins Basler «Leichnam Christi im Grab» aus dem Jahr 1521 inspirierte Körper. Die vierzig Zentimeter grossen Figuren lagen Kopf an Kopf, Fuss an Fuss oder Kopf an Fuss in ihrer sechs Meter langen Gruft. Analog zur Darstellung Holbeins des Jüngeren ruhten sie auf einem weissen Laken. Anstelle des Lendentuchs trugen sie weisse Slips. Liess Holbein den Mittelfinger seines Christus über den Rand der Grabplatte vorstehen, so ist es bei Lussi der kleine Finger, weil vom heutigen Publikum das Zeigen des Mittelfin-­ gers als obszöne Geste verstanden werden könnte. Rochus Lussi, Liegende, 2006, Heiligkreuz Rochus Lussi hat in der ursprünglichen Fassung der «Liegenden» aus der Serienfigur gar fünfzig Individuen als Altersgenossen Christi geschaffen, verbunden durch die gleiche Stellung, unter-­ schieden im Geschlecht, in den individuellen Gesichtern, ihren männlichen, weiblichen oder androgynen Körpern. Ihre Augen sind geschlossen oder der Blick ist gebrochen. Woran die gesund und schön erscheinenden Menschen gestorben sein könnten, bleibt den Vermutungen der Betrachter überlassen. Die irritie-­ rende Grabstätte im Puppenstubenformat erschien in Heilig-­ kreuz neben der prächtigen barocken Kirche und vor der gross-­ artigen Entlebucher Hügellandschaft in einer zurückhaltenden Barbara Gut, Schützen und Beschützen (Ausschnitt) wie nachhaltigen Weise. Aktuelle, sich auf die Tradition bezie-­ 2006, Heiligkreuz hende Kunst erreichte neben den Kunsttouristen ein weiteres, eher in der Natur als im Museum anzutreffendes Publikum.

Stans macht Figur Bemerkenswert war, dass in der Ausstellung «bodybild» mit rund zwanzig Beteiligten aus der Schweiz gleich drei Kunstschaffen-­ de mit Bezug zu Stans vertreten waren. Mit dabei war die Stanser Künstlerin Barbara Gut. Sie befasst sich seit über dreissig Jahren mit der menschlichen Figur, zuerst als Malerin und in den letz-­ ten zwanzig Jahren vermehrt als Plastikerin. In Gips und Papp-­ maché erschafft sie verstörende wie poetische Wesen, von Por-­ träts und Selbstporträts über sonderbare Heilige bis zu bizarren Mischwesen zwischen Mensch und Tier, die sie zu Szenen oder vielteiligen Installationen arrangiert. An der Ausstellung in Heiligkreuz präsent war der 1926 geborene Luzerner Bildhauer Rolf Brem. Er arbeitete von 1948 bis 1957 im Zürcher Atelier von Karl Geiser. Seit 1976 steht auf der Brunnen-­ säule am Rathausplatz in Stans eines seiner Hauptwerke: «Der Tod und das Mädchen». Rolf Brem schuf damit ein gültiges Zeug-­ nis der naturalistischen Skulptur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Brem war auch in den von Otto Odermatt in seinem Stanser Dabra Verlag herausgegebenen Innerschweizer Almana-­ chen von 1972 und 1976 prominent vertreten. Bis zu seinem Tod 1985 wirkte in Stans der 1899 geborene Bildhau-­ er Hans von Matt. In den Anfängen seines ganz der Darstellung des Menschen verpflichteten Schaffens schuf er expressionisti-­ sche Holzplastiken. Nachher wandte er sich Arbeiten in Terra-­ 77 kotta und Bronze zu, die anfänglich von einer klassizistischen Haltung und im Spätwerk von der abstrahierenden Formenspra-­ che der vorwiegend weiblichen Figuren geprägt waren. Von Matt betätigte sich als Kunstpolitiker und als Kulturvermittler, u. a. des bildnerischen und literarischen Schaffens seiner Ehefrau An-­ nemarie von Matt.

Vater und Sohn Dass Rochus Lussi, 1965 in Stans geboren, nach der Erstausbil-­ dung zum Schreiner Kurse an der damaligen Kunstgewerbeschule Luzern besuchte, Holzbildhauer lernte und ein Jahr an der Kunst-­ akademie in Prag verbrachte, kann eigentlich in diesem Umfeld nicht erstaunen. Dass er, nach Stans zurückgekehrt, Kolumnen für die Lokalzeitung schrieb, fünf Jahre für die Ausstellungen in der örtlichen Galerie Chäslager verantwortlich zeichnete, sich in der Kulturkommission des Kantons Nidwalden und im Vor-­ stand der Künstlervereinigung visarte zentralschweiz engagiert, scheint fast schon folgerichtig. Schliesslich hatte auch der mut-­ terseits verwandte Stanser Eisenplastiker Josef Maria Odermatt Rochus Lussi, Prag, 1995 im Vorstand und als Vizepräsident der Kunstgesellschaft Luzern und als Mitglied der Gottfried-­Keller-­Stiftung gewirkt. An Vor-­ bildern, dass sich ernsthaftes künstlerisches Schaffen und ge-­ sellschaftliches Engagement vereinbaren lassen, fehlte es jeden-­ falls nicht. Doch zurück zum Bildhauer Rochus Lussi. 2002 gelüstete es ihn, aus einem mächtigen Stamm ein Vollporträt seines Sohnes Leander zu schaffen. Ganz eigenartig erscheint der vierjährige, zweieinhalb Meter messende Riese mit dem kindlich grossen Kopf. Das gelbe T-­Shirt steckt in der blauen Latzhose, die auf den schwarzen Schuhen aufsteht und sich bauscht. In der rech-­ ten Hand baumelt ein weisser Hase, wohl ein Plüschtier. Führt man sich aber die mehreren Dutzend Kaninchen vor Augen, von Lussi mit der Motorsäge aus Holz geformt und 2003 als Rudel zur «Begegnungsstätte I» formiert, wird man unsicher, wie harmlos die Situation mit dem Knaben und dem Hasen wirklich ist. Gilt es gar, das Verhältnis von Mensch und Tier zu überdenken? Sol-­ che Überlegungen beeinflussten den Entscheid des Architekten Carlo Egloff wohl kaum, als er sich 2004 entschloss, die Holz-­ skulptur zum Wahrzeichen einer Reihenhaussiedlung in Ober-­ dorf bei Stans zu machen. Hier steht sie seitdem, im Freien zwar, aber etwas geschützt von einer Zeltplane, die über zwei Masten gespannt einen Teil des allgemeinen Bereichs der Siedlung über-­ dacht.

Holz bleibt Holz Die Situation zeigt das Dilemma auf, dass Holzplastiken, gar mo-­ numentale, im Freien zwar ausgezeichnet zur Wirkung gelangen, aber zwangsläufig verwittern oder gar verfaulen, einem Verän-­ derungs-­ und schliesslich Auflösungsprozess unterworfen sind. 79 Natürlich lässt sich die beschränkte Lebensdauer bei der Preis-­ politik in Rechnung stellen. Trotzdem neigen Auftraggeber und Besitzer verständlicherweise dazu, konservatorische Massnah-­ men zu ergreifen, die das Erscheinungsbild der Holzskulpturen nachhaltig und unvorteilhaft verändern. Ob der Abguss in Bron-­ ze die Lösung bringt, sei es aus Gründen der Verlängerung der Le-­ bensdauer oder um mit mehreren Güssen der gleichen Figur die Nachfrage zu befriedigen, darf zumindest bezweifelt werden. Rühmlich ist es, wenn Käufer sich auch durch den klaren Hin-­ weis des Künstlers auf die begrenzte Zeit, die den Holzplastiken im Freien gegeben ist, nicht davon abhalten lassen, sie öffentlich zu präsentieren. Schliesslich sind Performances oder zeitlich be-­ fristete Installationen, die neustens häufig aus Kunst-­am-­Bau-­ Krediten finanziert werden, viel schneller und unwiederbring-­ licher vorbei.

Siedler im Turmatthof Die Nidwaldner Sachversicherung NSV integrierte 2005 zwei Ar-­ beiten von Rochus Lussi in ihre Wohnsiedlung Turmatthof an der Robert-­Durrer-­Strasse in Stans. In der Mustersiedlung aus den Sechzigerjahren des Zürcher Architekturprofessors Walter Custer und des Stanser Architekten Arnold Stöckli wurde die Tiefgarage saniert, was die Neugestaltung des verkehrsfreien In-­ nenhofes mit sich brachte. Gleichzeitig wurde eine zu mächtig gewordene Linde gefällt, deren Wurzelwerk den Heizöltank in Mitleidenschaft gezogen hatte. Rochus Lussi erhielt den Auftrag, aus dem Stamm ein Erinne-­ rungswerk zu schaffen. Er schlug einen Mann und eine Frau vor, schlichte Alltagsfiguren, je einen Meter und vierzig Zentimeter gross, so, wie sie der Stamm hergab. Es bot sich nun an, die Irri-­ tation durch die Grösse weiterzutreiben oder je nach Blickpunkt aufzuheben, indem die Beiden vis-­à-­vis auf den Flachdächern von zwei in den Hof vorspringenden Gebäudeteilen platziert wurden. Der Mann steht auf dem zweiten Stockwerk schräg gegenüber der Frau, die breitbeinig das dritte Stockwerk besetzt. Sind es Herr und Frau Jedermann, stellvertretend für die heterogene Mieter-­ schaft, die hier über den zentralen Durchgang im Hof zwischen Gemeinschaftsräumen und Wohnungen einander zugewendet Kontakt aufnehmen? Oder konnten sie zusammen nicht kommen, weil der Hof sie trennt statt verbindet? Wachen sie gar als Schutz-­ patrone über die verwandtschaftlichen und anderen Bande, die aus dem Turmatthof weit mehr als nur eine Wohnmaschine ma-­ chen? Als die beiden ruhigsten Bewohner der Siedlung sich im Bewer-­ bungsverfahren um ihren luftigen Aufenthalt befanden, kehrten gerade Wilhelm Josef Müller und die ihn flankierenden zwei mo-­ numentalen Äpfel von ihrer Tournee zurück, die sie von Berlin über Sursee und Altdorf nach Stans geführt hatte. Weil sie als an-­ ekdotische Konstellation wohl gefielen, erhielten sie eine Bleibe 81 vor dem Turmatthof an der Robert-­Durrer-­Strasse. Wilhelm Josef Müller ist das zwei Meter und achtzig Zentimeter grosse Abbild eines Nachbarn von Rochus Lussi. Er porträtierte ihn als Haupt-­ person der 1.-­Augustfeier 2005 der Schweizer Botschaft in Berlin. Wilhelm Müller repräsentierte als zeitgenössisches Pendant zu Wilhelm Tell die Gastregion Luzern-­Zentralschweiz. Lussi hatte sich erfolgreich geweigert, den sagenhaften Schützen Tell dar-­ zustellen.

Äpfel für Adam, Tell oder Schneewittchen? Der Apfel hingegen, der Tell auf dem Kopf seines Sohnes als Ziel diente, hatte es Rochus Lussi schon länger angetan. So gibt es Rochus Lussi, Eva, 2001, 85 cm mehrere Figuren männlichen oder weiblichen Geschlechts, para-­ diesisch nackt oder bekleidet, die einen Apfel als Attribut in der Hand tragen. Eine Gruppe dreier Evas war 2001 in Lussis Raum im Rahmen der Ausstellung «Projekt Zentralschweiz» im Kunstmu-­ seum Luzern zu sehen. In einer Serie roter Holzdrucke von 2000 mit dem Titel «Mensch und Alltag» war einer Figurensilhouette jeweils ein auf Menschengrösse aufgeblasener Gegenstand beige-­ sellt, beispielsweise ein Kamm, ein Stiefel, eine Wäscheklammer oder eben ein Apfel. Diese Idee aktivierte Lussi für den Berliner Auftrag, indem er aus Balken zwei Holzäpfel herstellen liess, die nach seinem Modell CAD-­gefräst, verleimt und verschraubt wur-­ den. Schliesslich rundete er sie mit Motorsäge und Trennscheibe Rochus Lussi, Transport Wilhelm Josef Müller, 2005 und bemalte sie mit Acrylfarbe. Das Serielle, das Lussi in den letzten Jahren beschäftigt und das wir bei den «Sitzenden» in Sursee und den «Liegenden» in Hei-­ ligkreuz feststellten, ist mit zwei Äpfeln als «Begleiter» Wilhelm Müllers zumindest angedeutet. Der Held Tell wird durch die Kür des unspektakulären Wilhelm Müller demontiert, seine Helden-­ tat mit den zwei Riesenäpfeln ins Komische gewendet. Beden-­ kenswert ist auch, dass der heutige Wilhelm nicht auf einem idyllischen Platz den Apfelschuss probt oder in der Hohlen Gasse Gessler niederstreckt, sondern von seinem Standort auf die nicht mit Gewalt, höchstens mit Vernunft aufzuhaltende Bedrohung durch den motorisierten Verkehr blickt. Seine Opfer erlegt der Moloch gleich selber. Tellen zielen heute zu kurz. Die abgasge-­ schwängerten Riesenäpfel bleiben uns wie weiland Schneewitt-­ chen im Hals stecken. Müller pflanzt in seinem Garten Apfel-­ bäume. Rochus Lussi, Wilhelm Josef Müller, 2005, 280 cm, Turmatthof Stans Urs Sibler

83 Biografie

Seit 1992 arbeitet Rochus Lussi als freischaffender Bildhauer in Stans (Nidwalden) sowie als Werk-­ und Zeichnungslehrer.

Rochus Lussi, *1965, Stans, lebt und arbeitet in der Zentral-­ schweiz. 1988 bis 1995 gestalterische Ausbildung zum Bildhauer in Brienz (Bern), Weiterbildungen an der Kunstgewerbeschule Luzern und ein Studienjahr an der Kunstakademie in Prag (Tsche-­ chien) bei Jan Hendrych.

Vorstand visarte zentralschweiz, bvk Leitung Ausstellungsgruppe, Galerie Chäslager, Stans Mitglied Kantonale Kulturkommission Nidwalden

Biography

Rochus Lussi has worked as an independent sculptor in Stans (Nidwalden), as well as a woodwork and art teacher, since 1992.

Rochus Lussi, *1965, Stans, lives and works in Central . 1988 – 1995 Formal studies as sculptor in Brienz (Bern), further courses at the Art School in and one year of studies with Jan Hendrych at the Academy of Arts in Prague (Czech Republic).

Board member of visarte central switzerland (visual arts association, switzerland) Head of exhibition group, Galerie Chäslager, Stans Member of the Culture Commission, canton of Nidwalden

138 Einzelausstellungen (Auswahl) 2007 Galerie Hofmatt, Sarnen (Buch: Multiple Ichs) 2006 Galerie Ding, Luzern 2005 Galerie Christine Brügger, Bern, «Ereignisse» 2005 Schweizer Botschaft, Berlin 2004 Ausstellungsraum Stadt Sursee 2003 Nidwaldner Museum, im Kabinett Höfli, Stans 1998 StadtGalerie Sternberg, Tschechien 1996 Galerie Ermitage, 1994 Nidwaldner Museum, Stans 1994 Galerie Vogelsang, Altdorf

Gruppenausstellungen (Auswahl) 2006 • Galerie Christine Brügger, Bern • Heiligkreuz, Bodybild Skulpturenausstellung (Katalog) 2005 • Kornschütte Luzern, «Aus dem Wachkoma», visarte zentralschweiz • Kunsthalle Arnstadt, Deutschland, «Blue Hall – Marktplatz Europa» • Schüpfen, Bern , Schweizerische Skulpturen-­ ausstellung (Katalog) 2003 • Atelierhaus Panzerhalle, Berlin, «Blue Hall – Marktplatz Europa» (Katalog) 2002 • Talmuseum Engelberg, «Out-­look-­-­In-­sight» • Galerie Hegetschweiler, Ottenbach ZH 2001 • Neues Kunstmuseum Luzern, «Projekt Zentralschweiz» 1997 • Lützelflüh Bern, Skulpturenweg, «200 Jahre Jeremias Gotthelf» • Einsiedelei, Düdingen 1996 • Haus Wyden, Sarnen, mit Hampi Krähenbühl, «Dorothea» 1993 • Kloster Muri, «Skulptur im sakralen Raum» 1992 • Kunsthalle Auxerre, Frankreich

Verschiedene jurierte Jahresausstellungen in Luzern und Nidwalden

Arbeiten im öffentlichen Raum 2006 Turmatthof Stans, Nidwaldner Sachversicherung NSV 2005 Stadt Sursee 2003 Museum Kanton Nidwalden 1999 Gemeinde Stans 1993 SUVA, Luzern

Stipendien und Preise 1994 Schindler Kulturstiftung; Akademie Prag Bildhauer Hans von Matt-­Stiftung; Akademie Prag 1993 Lion-­Kulturförderungspreis

139 Abbildungsverzeichnis

Alle Arbeiten sind aus Holz in Farbe gefasst.

rochus-buch-UG-.indd 1 14.1.2007 10:22:33 Uhr Umschlag Gemshörner, 2004, 200 x 100 cm, Seite 2 Atelier von Rochus Lussi, 2006 Seite 8/9 Ohne Titel, 1994, 400 x 250 x 190 cm, Privatbesitz Galerie Vogelsang, Altdorf, Privatbesitz

Seite 22/23 Begegnungsstätte II, 2002, Seite 29 Skizze Begegnungsstätte II, 2002, Seite 30/31 Herzen, 2003, 250 x 250 x 15 cm 150 x 150 x 35 cm, Besitz Nidwaldner Museum 31 x 22 c m

Seite 38/39 Liegende, 2004, 420 x 65 x 16 cm Seite 42/43 Fliegende, 2005, 300 x 300 x 8 cm Seite 56/57 Ausstellungsraum Rathaus Sursee, 2 0 03

Seite 58/59 Begegnungsstätte I, 2003, Seite 61 Skizze, Begegnungsstätte I, 2003, Seite 63 Skizze, Selbstbildnis, Berlin 2003, 400 x 300 x 35 cm, Privatbesitz 21 x 15 c m 21 x 15 c m

Seite 66/67 Nabelschnüre, 2004, Seite 86/87 Frau, 1998, 70 x 40 x 20 cm, Seite 89 Skizze, 2000, 31 x 22 cm 300 x 150 x 90 cm Gemeindebibliothek Stans, Besitz Gemeinde St a n s

140 Seite 91 Skizze Begegnungsstätte III, 2002, Seite 92/93 Begegnungsstätte III, 2003, Seite 98 und 99 Liegende, temporäre Arbeit 21 x 15 c m 350 x 280 x 35 cm, Wohn-­ u nd Tage sheim in Heiligkreuz, Luzern, 2006, 600 x 110 x 30 cm Martinspark Sursee, Besitz Stadt Sursee

Seite 100/101 Frau und Mann, 2005, Seite 104/105 Wilhelm Josef Müller, 2005, Seite 106 und 107 K auer nde , 2 0 05, je 120 x 40 x 30 cm, Turmatthof Stans, 700 x 500 x 280 cm, Turmatthof Stans, 230 x 100 x 20 cm, Privatbesitz Besitz Nidwaldner Sachversicherung NSV Besitz Nidwaldner Sachversicherung NSV

Seite 108/109 Babys, 2007, 133 x 133 x 10 cm Seite 110/111 Babys, 2007, 133 x 133 x 12 cm Seite 112/113 Babys, 2007, 133 x 133 x 15 cm

Seite 114/115 Babys, 2007, 133 x 133 x 23 cm Seite 117 Skizze, Brote, 2004, 24 x 16 cm Seite 122/123 Brote, 2006, 500 x 300 x 15 cm, Verwaltungsgebäude Hostett, Sarnen, Privatbesitz KunstTreff 13 Obwalden

Seite 126/127 Gem shör ner, 2 0 04 , Seite 136/137 Füsse, 2005, 1300 x 400 x 40 cm, 200 x 100 x 17 cm, Privatbesitz Ausstellungsraum Kornschütte Luzern

141 Autoren

Matthias Burki *1972 Studium der Ethnologie Mitinitiant des Spoken-­Word-­Verlags Der gesunde Menschen-­ versand Redaktionsleiter des Kulturmagazins Luzern

Ulrich Gerster *1961 Studium der Kunstgeschichte an der Universität Zürich Kunsthistoriker, Kunstkritiker und Kurator

Susann Wintsch *1967 Studium der Kunstgeschichte an der Universität Zürich Dozentin für Kunsttheorie an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich, F+F Schule für Kunst und Mediendesign. Herausgeberin von Treibsand, DVD Magazine on Contemporary Art.

Catherine Huth *1973 Künstlerin Zusammenarbeit mit Pia Frey unter dem Label HUTH UND FREY Vorstandsmitglied der IG Kultur Luzern

Urs Sibler *1947 Kunstvermittler, freischaffender Kurator und Autor Juror für Ausstellungen, Werkbeiträge und Kunst am Bau Mitglied Kantonale Kulturkommission Nidwalden Ankaufsgremium für die Kunstsammlung des Kantons Schwyz

Fotografen

Hampi Krähenbühl, Fürigen Rochus Lussi, Stans Georg Anderhub, Luzern Andrea Capella, Luzern

142 Dank

Folgenden Kommissionen, Stiftungen, Firmen und Privatper-­ sonen danke ich herzlich für ihre wertvolle Unterstützung meines Buchprojekts. Mit ihrem Beitrag haben sie es ermöglicht, dass «Multiple Ichs» nun entstanden ist, und fördern mich we-­ sentlich in meiner weiteren künstlerischen Entwicklung.

Rochus Lussi

Kanton Nidwalden Gemeinde Stans Bildhauer Hans von Matt-­Stiftung, Stans Leonard von Matt-­Stiftung, Buochs Schindler Kulturstiftung, Hergiswil Sarna Jubiläums-­Stiftung, Sarnen

Luzia Amrein Lussi, Stans Ruedi Amrein-­Stofer, Stadtpräsident Sursee Kreative Metallgestaltung Christen, Wolfenschiessen Gesellschaft Nidwaldner Volksblatt, Stans Claudia und Andreas Gräni-­Steiner, Stans Helvetia Versicherungen, Stans, Edy Gander Hampi Krähenbühl-­Budmiger, WerbeTypoGrafik, Fürigen Sharon Kroska, Translatio, Luzern Willi Lussi Sanitäre Anlagen, Stans Maria Lussi-­Gut, Stans Bücher von Matt, Stans Nidwaldner Sachversicherung NSV, Stans, Michael Kohler Druckerei Odermatt, Dallenwil Odermatt Haustechnik AG, Stans, Erwin Odermatt Dr. Annemarie S. Reynolds, Emmetten RHABARBER, Altdorf, Peter Marty Vreni und Otto Schlumpf-­Odermatt, Ennetbürgen Urs Sibler, Stans Rosmarie und Jürg Stuber-­Fuhrimann, Obbürgen Regula Wyrsch und Luzi Caviezel, Beckenried

143 Abbildungsnachweis

Abb. 1/Seite 10: Josef Felix Müller. Skulpturen/Sculptures, Aus-­ st.-­Kat., Museum für Gegenwartskunst, Basel, 1985, S. 15; Abb. 6/Seite 14: Andreas Franzke: Stephan Balkenhol. Vor Ort, Ost-­ fildern-­Ruit, 2001, S. 55; Abb. 8/Seite 16: Günter Herzog: Anton Räderscheidt, Köln, 1991, S. 49 (r.); Abb. 9/Seite 17: Katharina Fritsch, Ausst.-­Kat., hg. von Iwona Blazwick, Tate Moderne, Lon-­ don/Ständehaus, Düsseldorf, London, 2002, S. 26; Seite 70/71: Nidwaldner Museum, Stans. Alle Fotografien von C Hampi Krähenbühl, ausser Seiten 11 (u.), 21, 76, 83 (m.), 99 von Rochus Lussi; Seiten 77, 98 von Georg Anderhub und Seite 135 von Andrea Capella. Sämtliche Skizzen von Rochus Lussi ausser Seiten 49 bis 55 von Catherine Huth.

Impressum

Das Buch «Rochus Lussi Multiple Ichs» erscheint zur ­Ausstellung in der Galerie Hofmatt, Sarnen, im März 2007

C 2007 Rochus Lussi, Stans, Switzerland C 2007 für die Texte bei den Autoren

Homepage www.rochuslussi.ch Konzept Rochus Lussi, Hampi Krähenbühl Gestaltung und Realisation WerbeTypoGrafik, Hampi Krähenbühl SGD, Fürigen, www.wtg.ch Übersetzung Translatio, Sharon Kroska, Luzern Korrektorat Wortart, Sonja Hablützel, Weggis Papier Munken Lynx, 150 gm 2 Schriften Lexicon von The Enschedé Font Foundry TradeGothic von Linotype Druck Druckerei Odermatt, Dallenwil Bindung Schumacher AG, Schmitten Verlag Martin Wallimann, Alpnach www.martin-­wallimann.ch

ISBN 978-­3-­908713-­68-­5

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