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Die touristische Attraktivität des östlichen Europa Methodik und Inhalte einer Karte im Atlas Ost- und Südosteuropa

PETER JORDAN

Ziel und Entstehung dieser Karte Bewertungsmaßstäbe anlegt. Von Ländern Aussageschicht über die internationalen Soeben im Rahmen des Atlasses Ost- mit einer großen Dichte hochwertiger At- Tourismusattraktionen, in der Regel dar- und Südosteuropa, der vom Österrei- traktionen werden oft nur die wichtigsten gestellt durch Kreissignaturen unterschied- chischen Ost- und Südosteuropa-Institut vorgestellt, von Ländern mit wenigen At- licher Farbfüllung und in vier Größenstu- in Wien herausgegeben wird, eine Karte traktionen finden auch die kleinsten noch fen, im Falle der zum Baden und für den zum Thema „Internationale Tourismusat- Erwähnung. Im Unterschied zur bisher Wassersport geeigneten Meeresküsten- traktionen in Mittel- und Südosteuropa“ vorliegenden Literatur kann daher diese und Seeuferabschnitte durch blaue Band- erschienen, die in Kooperation mit dem Karte einzelnen Reisenden und Reisever- signaturen. Institut für Länderkunde Leipzig publi- anstaltern zur länderübergreifenden Rei- Die zweite Aussageschicht der Karte ziert wurde.1 Diese Lieferung des Atlasses seplanung dienen. Sie bietet aber auch bildet eine grobe Klassifikation von Land- enthält außer der diesem Artikel beiliegen- potentiellen Investoren in den Tourismus schaftstypen, dargestellt durch Flächen- den Farbkarte einen erläuternden und ver- eine vergleichende Planungsgrundlage farben. Sie ersetzt eine Landschaftsbewer- tiefenden Begleittext sowie ein umfang- über den Gesamtraum des mittleren und tung unter dem Aspekt der touristischen reiches Verzeichnis und Kurzbeschreibun- südöstlichen Europas. Nutzung, die für ein Gebiet in der Größe gen aller in der Karte enthaltenen Eben dieser länderübergreifende Ver- des in der Karte dargestellten kaum nach Attraktionen. gleich mit seinem Neuigkeitswert ist aber einheitlichen Kriterien durchgeführt wer- Mit der Publikation einer Karte der in- auch das Wagnis dieser Karte. Denn er den kann und auf erhebliche methodische ternationalen Tourismusattraktionen in mußte in Ermangelung einheitlicher Do- Probleme stößt. Mittel- und Südosteuropa wurde das Ziel kumentationen und einheitlicher Erfas- Als dritte Aussageschicht geben grüne verfolgt, über die für einzelne Länder und sungskriterien in einem gewissen Ausmaß Flächenschraffuren Nationalparks einer Teilgebiete verfügbare Reise- und Touris- subjektiv bleiben, auch wenn er durch Größe an, die dem Maßstab der Karte musliteratur hinaus eine vergleichende Gemeinschaftsarbeit einer größeren Ex- entsprechend noch erfaßbar ist. National- Übersicht über eine große und für den pertengruppe zustande kam. Diese Exper- parks haben in erster Linie eine Schutz- Tourismus bedeutende Region Europas zu tengruppe setzte sich aus Tourismusgeo- funktion für erhaltenswerte Gebiete und bieten. Insbesondere sollte ein Vergleich graphen fast aller in der Karte dargestell- werden im Rahmen dieser Karte nicht ent- ermöglicht werden zwischen der Dichte ten Länder zusammen.2 Sie führte ein sprechend der Definition als Tourismusat- und Wertigkeit der noch wenig bekannten Manuskript, das von der Redaktion des traktionen angesehen. Finden sich auf ih- internationalen Tourismusattraktionen in Atlasses Ost- und Südosteuropa auf der rem Territorium tatsächlich internationale den Reformstaaten Mittel- und Südosteu- Grundlage von Reiseführern erstellt wor- Tourismusattraktionen (was häufig vor- ropas und den im westlichen Tourismus- den war, in drei Diskussions- und Korrek- kommt), so sind diese als solche zusätzlich betrieb wohlbekannten und häufig besuch- turrunden zur endgültigen Karte. Der Bei- gekennzeichnet. ten Anziehungspunkten in Italien, Grie- trag der nationalen Experten bestand dabei chenland, der Türkei, Österreich und erstens in der Durchsicht, Korrektur und Internationale Tourismusattraktionen Deutschland. Der Leser soll aus der Karte (zumeist) Verdichtung der Attraktionen Internationale Tourismusattraktionen wer- die relative Wertigkeit von nach der Ost- des eigenen Landes und zweitens in der den in dieser Karte im Prinzip unabhängig öffnung “neuen”, von westlichen Ländern kritischen Kontrolle der Ausarbeitungen davon dargestellt, ob sie bereits internatio- aus nun leichter erreichbaren Attraktionen für die Nachbarländer. Verständlicherwei- nal bekannt sind, in welchem Umfang sie

¼ se fiel die Bewertung der Attraktionen des 1 wie Krakau (Kraków), Lemberg ( vìv), JORDAN, P., K. SCHAPPELWEIN (1999): Internationale Tou- Czernowitz (Cernìvcì), des rumänischen eigenen Landes oft zu günstig aus, so daß rismusattraktionen in Mittel- und Südosteuropa. In: Atlas Herkulesbad (Bãile Herculane) oder des die Kontrolle durch Experten anderer Län- Ost- und Südosteuropa, hg. v. Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Institut, red. v. P. JORDAN, Wien. Nr. bulgarischen Klosters Baèkovo im Ver- der ein wichtiges Korrektiv war. Die letzte 3.4-G6. gleich zu wohlbekannten wie Venedig Entscheidung behielt sich dennoch die 2 Polen: J. WYRZYKOWSKI, L. BARANIECKI, M. DUDA; Deutsch- Redaktion vor, die deshalb auch für alle land: R. PAESLER, G. FRIEDLEIN, F.-D. GRIMM, E. KNAPPE; (Venezia), Salzburg oder Rothenburg ob Österreich: P. JORDAN; Italien: P. JORDAN; Tschechische der Tauber erkennen können. etwaigen Fehler und Fehleinschätzungen Republik: J. VYSTOUPIL; Slowakei: P. MARIOT, D. KOLLÁR; Ein solcher Vergleich ist nämlich aus verantwortlich ist. Ungarn: L. CSORDÁS; Slowenien: M. JERŠIÈ; Kroatien: V. MIKAÈIÆ, Z. PEPEONIK; Bosnien und die Herzegowina: der bisher verfügbaren Reiseliteratur ähn- P. JORDAN; Jugoslawien: P. JORDAN; Makedonien: P. JOR- lichen Detailliertheitsgrades kaum zu ge- Aussageschichten der vorliegenden DAN; Albanien: K. SCHAPPELWEIN, D. DOKA; Griechenland: Karte P. JORDAN, K. SCHAPPELWEIN; Türkei: P. JORDAN, K. SCHAP- winnen, da sie zumeist auf ein bestimmtes PELWEIN; Bulgarien: W. MARINOV; Rumänien: G. NICOLESCU, Land, eine kleinere Ländergruppe oder die Die vorliegende Karte enthält drei Aussa- F.-D. GRIMM; Moldau: K. SCHAPPELWEIN; : O. SHABLIJ, Y. ZINKO, G. FRIEDLEIN; Weißrußland: K. SCHAPPELWEIN, Teilregion eines Landes bezogen ist und geschichten. Die wichtigste und der ei- G. FRIEDLEIN; Litauen: K. SCHAPPELWEIN, E. KNAPPE; Russi- jeweils spezifische und damit wechselnde gentliche Anlaß ihrer Herstellung ist die sche Föderation: K. SCHAPPELWEIN, E. KNAPPE.

2 EUROPA REGIONAL 7(1999)1 bereits touristisch genutzt werden oder ob und Uferabschnitte” findet das große Seg- sich die Ränge der Einzelattraktionen sum- sie eine touristische Infrastruktur aufwei- ment der reinen Erholungssuchenden ei- mieren. Es kann dadurch vorkommen, daß sen. Die Karte vermeidet es damit, die nen Teil seiner Zielgebiete. Mit der Be- Einzelattraktionen, die an und für sich gar aktuellen Tourismusströme und Images rücksichtigung der Kurorte und Heilbäder nicht zu berücksichtigen gewesen wären, nachzuzeichnen. Sie stellt vielmehr Unbe- bietet die Karte den Kurtouristen und mit im Ensemble und im Verband des Stand- kanntes, Unerschlossenes in gleicher Wei- dem Einbeziehen der Wallfahrtsorte auch orts (z. B. einer Stadt) einen Wert erlan- se dar wie gleichwertige bekannte und dem Segment der Pilger die entsprechen- gen, der als internationale Attraktion gel- vielbesuchte Attraktionen. Sie soll damit den Anziehungspunkte. Die Kategorie ten kann und daher in der Karte (z. B. mit den Blick in die touristisch noch weniger “Sonstige Sehenswürdigkeiten” umfaßt mit Rang 4) dargestellt wird. Es kann dadurch erschlossenen Gebiete des östlichen Euro- Museen, Gedenkstätten (an historische auch der Fall eintreten, daß Städte mit pas lenken und dessen Möglichkeiten für Ereignisse und Personen, auch Konzentra- mehreren Einzelattraktionen des Ranges 4 den Tourismus aufzeigen. tionslager), Freizeitparks, Kulturveranstal- als Standort den Rang 2 erreichen, obwohl Dieses Prinzip ist allerdings nicht auf tungen (Festspiele, Ausstellungen, außer- sie über keine Einzelattraktion dieses Ran- alle Kategorien von Tourismusattraktio- gewöhnliche Kulturszene) und Brauch- ges verfügen. Allerdings ergibt sich der nen strikt anwendbar. So entziehen sich tumsveranstaltungen eine bunte Palette Gesamtrang eines Standorts auch nicht die Attraktionenkategorien “Wallfahrtsor- weiterer Attraktionen, die zusätzliche Tou- einfach durch Addition der Ränge seiner te”, “Kurorte und Heilbäder”, “Gebiete, risteninteressen anspricht. Dennoch wird Einzelattraktionen (z. B. ergeben 4 Attrak- die sich besonders für den Skisport eig- das Segment des Kultur- und Besichti- tionen des Ranges 4 nicht unbedingt einen nen” einer Bewertung, die völlig von der gungstouristen, der auf das Kennenlernen Standort des Ranges 1). Die Zusammen- tatsächlichen touristischen Nutzung und baulich, historisch, volkskundlich, natur- setzung eines Standorts aus verschiedenen der vorhandenen touristischen Infrastruk- kundlich und landschaftlich interessanter Kategorien von Einzelattraktionen, auch tur absieht. Wallfahrtsorte entstehen erst Stätten, Orte und Gebiete orientiert ist, deren relativer Anteil an der Gesamtat- durch touristische Nutzung. Zahlreiche durch diese Karte sicher am besten be- traktivität des Standorts, bleibt in der Kar- Kuranwendungen (Trinkkuren, Wasser- dient. Das Segment des ländlichen Erho- te dennoch durch die Unterteilung des massagen, Physiotherapie u. a.) können lungstouristen hingegen, das kaum beson- Standort-Kreises in Sektoren erkennbar, ubiquitär betrieben werden. Selbst für dere Attraktionen voraussetzt, dürfte in welche die Farbe ihrer jeweiligen Katego- Heilbäder und Skigebiete finden sich zahl- der Karte noch am ehesten in der Aussage- rie tragen. reich bzw. in großer räumlicher Verbrei- schicht über die Landschaftstypen Orien- Mit der Bewertung von architektoni- tung natürliche Voraussetzungen (Mine- tierungshilfe finden. schen Ensembles fließt in die Klassifikati- ral- und Thermalquellen; geneigtes, im Das dritte große methodische Problem on ein ganzheitlicher Aspekt ein. Ein sol- Winter schneebedecktes Gelände). Erst die dieser Aussageschicht bildete die Bewer- cher ist außerdem bei der Bewertung der Existenz einer touristischen Infrastruktur tung der Attraktionen und ihre Zuordnung Kategorie “Attraktive Kulturlandschaft” (Kureinrichtungen; Skipisten, Skilifte, zu 4 Rangstufen (“Weltattraktion”, “Euro- vorherrschend. Diese in der gängigen Rei- Seilbahnen, Sprungschanzen) schränkt das päische Attraktion”, “Wichtige internatio- seliteratur wenig gebräuchliche Klassifi- natürliche Angebot ein und erlaubt touri- nale Attraktion”, “Sonstige internationale zierung bezeichnet eine harmonische Sym- stische Nutzung. Attraktion”). Die Schwierigkeit ergibt sich biose aus natürlichen und anthropogenen Aus der Heterogenität des Reisepubli- nicht nur aus dem Fehlen einheitlicher Elementen wie sie sich z. B. in Form kums, seiner Interessen und Vorlieben, Bewertungskriterien für die meisten der traditioneller Dörfer in hochalpinen Tä- ergibt sich die zweite Schwierigkeit dieser dargestellten Kategorien von Attraktionen lern, auf steilen Küstenhängen angelegter Aussageschicht. Es dürfte kaum möglich über das gesamte von der Karte gezeigte mediterraner Dauerkulturen, gut erhalte- sein, eine repräsentative Auswahl von At- Gebiet hinweg und aus der Einordnung ner Hotel- und Villensiedlungen aus der traktionen zusammenzustellen, die für alle von Attraktionen sehr verschiedener Art Zeit der Jahrhundertwende vor einer Berg- Alters-, Bildungs-, Wohlstands-, Interes- (vom Schloß bis zum Wasserfall) in ein- kulisse bzw. an Küstenhängen oder in Form sens- und sonstigen Segmente auch nur heitliche Rangstufen, sondern auch aus traditioneller Weidewirtschaft in der Puß- des heutigen Reisepublikums (von künfti- der Gesamtbewertung von Standorten (ei- ta zeigt. Auch dabei ist nicht der individu- gen Generationen von Reisenden ganz ner Stadt, eines Gebiets) anstelle der Be- elle Wert der einzelnen Elemente und nicht abgesehen) in gleicher Weise interessant wertung konkreter einzelner Attraktionen die “mathematische” Summe der Werte ist. Umso mehr gilt das für die Bewertung (Schloß, Kirche, Höhle). Eine solche Ge- einzelner Elemente, sondern die Gesamt- der Attraktionen. samtbewertung ist wegen des kleinen Kar- wirkung für die Bewertung maßgebend. In der Karte wird versucht, die Auswahl tenmaßstabs, der im Falle kleinräumiger Die Beschränkung auf nur 4 Rangstu- möglichst offen zu halten. Neben Attrak- Ballungen mehrerer Attraktionen die Wie- fen erfolgte aus praktischen Gründen, weil tionen für den Kultur- und Besichtigungs- dergabe jeder einzelnen Attraktion nicht jede detailliertere Stufung die Schwierig- touristen (“Kunsthistorische und volks- zuläßt, notwendig. Sie wäre selbst dann keiten der Bewertung nur erhöht hätte. kundliche Attraktionen”, “Naturattraktio- eine Sache (subjektiver) Abwägung, wenn Sehr bewußt wurde das Prädikat “Welt- nen”, “Attraktive Kulturlandschaft”) es strenge Kriterien für die Bewertung von attraktion” sparsam verwendet und auf finden sich solche, die den Erlebnis- und Einzelattraktionen gäbe. jene Standorte und Einzelattraktionen im Aktivtouristen ansprechen (“Besonders Das Prinzip der kumulativen Bewer- Gebietsausschnitt der Karte beschränkt, geeignet als Skigebiet”, “Besonders ge- tung aller Einzelattraktionen eines Stand- die es mit den Hauptattraktionen der Welt eignet für Klettern, Bergsteigen, Bergwan- orts bedeutet, daß es Standorte mehrerer aufnehmen können und für die sich Reisen dern”). Mit dem Einbeziehen der “für Ba- internationaler Einzelattraktionen leichter von Kontinent zu Kontinent lohnen. Es den und Wassersport geeigneten Küsten- haben, in höhere Ränge vorzudringen, weil mag sein, daß durch diese strenge Aus-

3 wahl fast gleichwertige Attraktionen wie Unsicherheiten bei der Bewertung einzel- schen Ende von Byzanz (1453) ab dem Budapest, Neapel, München, Berlin oder ner Attraktionen dafür keine Rolle mehr 15. Jahrhundert von Rußland mit Moskau Krakau unberechtigterweise in die nächst- spielen: als Zentrum weitergeführt, allerdings mit niedrigere Rangstufe verwiesen wurden. 1. die abnehmende Dichte von West weit geringerer Ausstrahlung. Selbst die unterste in der Karte darge- nach Ost und von Süd nach Nord, In zweiter Linie ist auch die vom Osma- stellte Rangstufe umfaßt noch Attraktio- 2. die höhere Dichte in Gebirgsräumen nischen Reich ab dem 14. und 15. Jahrhun- nen, die mehr als nur lokales, regionales und Hügelländern im Verhältnis zu dert über die Balkanhalbinsel bis ins Pan- oder nationales, sondern internationales den großen Tiefebenen. nonische Becken und in das nördliche Hin- Interesse verdienen. Es handelt sich bei terland des Schwarzen Meeres getragene den in der Karte dargestellten Attraktionen West-Ost-, Süd-Nord-Kontrast islamische Kultur zu nennen. um eine Auswahl für den internationalen Für die von West nach Ost und von Süd Im Gegensatz zur west-östlichen Kul- Tourismus, die notwendigerweise andere, nach Nord abnehmende Dichte der Attrak- turströmung wirkten diese Strömungen durchaus beachtliche Sehenswürdigkeiten tionen, besonders des großen Anteils kunst- aber zeitlich und örtlich stärker begrenzt unberücksichtigt läßt. historischer und volkskundlicher Attrak- und unter weniger intensiver Durchdrin- tionen von der Prähistorie über die Antike gung des Raumes. Ihre Manifestationen Landschaftstypen und das Mittelalter bis zu und waren ferner mehr als jene in der Mitte und Der Entwurf der in der Karte in Flächen- Barock ist in erster Linie die zeitliche im Westen Europas kriegerischen Zerstö- farben ausgewiesenen Aussageschicht über Abfolge der Ausbreitung des Siedlungs- rungen ausgesetzt. Dazu kommt, daß der die Landschaftstypen erfolgte unter Ver- systems, damit auch von Kulturgütern der byzantinische Kulturkreis selbst etwa vom wendung entsprechender Karten in Natio- Baukunst und der darstellenden Kunst, 11. Jahrhundert an in wachsendem Maße nal- und Regionalatlanten. Die Klassifika- maßgeblich. Sie ging innerhalb des von vom Westen her beeinflußt wurde. tion in 7 Landschaftstypen ist grob, die der Karte erfaßten Gebiets vom ersten vor- Der nordöstliche Teil des in der Karte Konturenführung maßstabbedingt schema- christlichen Jahrtausend bis etwa ins dargestellten Gebiets ist daher in der Regel tisch. 6. Jahrhundert nach Christus, getragen von spät und dünn besiedelt bzw. kulturell Die Aussageschicht soll nicht mehr als den antiken Reichen und Hochkulturen im durchdrungen worden und kann nicht über den Zweck einer Hintergrunddarstellung Mittelmeerraum (Griechenland, Rom, jene räumliche Dichte und zeitliche Viel- zur Aussage über die internationalen Tou- Ostrom) hauptsächlich in süd-nördlicher falt kunsthistorischer Attraktionen verfü- rismusattraktionen erfüllen und diese in Richtung vor sich, wobei sie nach Norden gen wie z. B. die Apeninnenhalbinsel, auf zweifacher Weise unterstützen bzw. er- hin ausdünnte. der Hochkulturen ab der Mitte des ersten gänzen: Etwa vom 6. Jahrhundert an (iroschot- vorchristlichen Jahrtausends ihre deutli- 1. Sie soll die Lagebedingungen und La- tische und angelsächsische Mission, Fran- chen und noch gut erhaltenen Spuren hin- geabhängigkeiten internationaler kenreich) stellte sich der süd-nördlichen terlassen haben. Tourismusattraktionen verdeutlichen Ausbreitungsrichtung eine west-östliche Reliefbedingter Kontrast und damit zur Erklärung von deren zur Seite, die vom 9. Jahrhundert an (Ka- räumlicher Verteilung beitragen (sie- rolinger, etwas später auch Venedig) die Die augenscheinliche Konzentration von he unten). Oberhand gewann, vom 11. (politischer kunsthistorischen und volkskundlichen 2. Sie soll in Ergänzung zu den positi- Niedergang von Byzanz) bis ins 14. Jahr- Attraktionen auf Gebirgsräume und Hü- ons- und linienbezogenen Aussagen hundert (Beginn der osmanischen Expan- gelländer, gerade in weiter östlichen und über die internationalen Tourismus- sion) auch auf kulturelle Kerngebiete des südöstlichen Teilen des Kartenausschnitts, attraktionen auch Anhaltspunkte für byzantinischen Ostens ausstrahlte, aber ist außer auf die durch Versumpfung und die touristische Eignung der “Fläche” auch danach noch vorherrschend wirksam Überschwemmungsgefahr verminderte (von Gebieten und Regionen) geben. war. Auch sie dünnte vom Kernraum (im Besiedelbarkeit der flußnahen Teile der Im Gegensatz zu methodisch oft fragwür- Westen) zur Peripherie (im Osten) hin aus. Tiefländer auf den Umstand zurückzufüh- digen touristischen Landschaftsbewertun- Wohl haben sich zu der ab dem 9. Jahr- ren, daß gerade jene Gebiete der großen gen geschieht letzteres in neutraler Form. hundert vorherrschenden west-östlichen Tiefländer, die mit günstigen Vorausset- Es wird nicht behauptet, daß ein Land- Hauptausbreitungsrichtung auch entgegen- zungen für die Landwirtschaft und durch schaftstyp touristisch interessanter wäre gesetzte Kulturströmungen baulich und in ihre Verkehrsgängigkeit beste Siedlungs- als der andere. Es bleibt dem Leser über- der darstellenden Kunst manifestiert: in bedingungen boten, immer wieder Ver- lassen, ob er ein Kalkhochgebirge einem erster Linie die byzantinische, die in der wüstungen durch Kriegszüge ausgesetzt kristallinen Hochgebirge oder die Tief- Nachfolge Ostroms v. a. von Byzanz selbst waren. Dies läßt sich von den Kriegszügen ebene einem Mittelgebirge vorzieht. und von den fest in byzantinischem Kul- der Hunnen im 4. Jahrhundert über das turgrund wurzelnden, nur politisch mit Eindringen der Slawen und Awaren im Byzanz rivalisierenden Bulgaren- und Ser- 6. und 7. Jahrhundert, der Ungarn im 9. und Zur räumlichen Verteilung der benreichen getragen war. Sie strahlte bis 10. Jahrhundert und der Mongolen im touristischen Attraktionen in Mittel- ins 15. Jahrhundert auf die gesamte Bal- 13. Jahrhundert bis zum Vorstoßen und und Südosteuropa kanhalbinsel, bis ins 11. Jahrhundert auch Zurückgedrängtwerden des Osmanischen Dominierende Raummuster auf den Adriatischen Raum, ab dem Reichs zwischen dem 14. und dem 18. Jahr- Zwei Merkmale der räumlichen Vertei- 10. Jahrhundert zusätzlich auf das Kiewer hundert verfolgen. Die Tiefländer wur- lung touristischer Attraktionen in Mittel- Reich und Rußland, ab dem 14. Jahrhun- den, weil sie wenig Schutz boten, erst und Südosteuropa sind aus der vorliegen- dert auch auf die rumänischen Donaufür- relativ spät besiedelt oder mußten nach den Karte so deutlich zu erkennen, daß stentümer aus. Sie wurde nach dem politi- Zerstörungen, zum Teil mehrmals neu

4 EUROPA REGIONAL 7(1999)1 besiedelt werden. Denkmäler älterer Kul- heute sicht- und erlebbare Attraktionen Umgekehrt liegt es nahe anzunehmen, daß turepochen blieben so nur selten erhalten. aus der jeweiligen historischen Epoche Relikte der osmanischen Zeit, die in der Gebirge und Hügelländer hingegen erfaßt sind. Diese Kartenserie zerlegt also Geschichtsschreibung dieser Länder ne- waren wegen ihrer Geländeformen leich- das Thema der Hauptkarte in Zeitschich- gativ besetzt ist, unterbewertet sind. Die ter zu verteidigen und Invasionen nicht so ten, wodurch die Raumwirksamkeit zeit- heute gängige Einstellung zu den histori- schutzlos ausgeliefert. Ihre Siedlungen lich begrenzter Faktoren deutlicher wird. schen Kulturepochen drückt sich vielleicht wurden daher seltener zerstört. Oft zogen Freilich ist nie die gesamte Wirksamkeit auch nicht allein in deren Bewertung aus, sich verfolgte oder unterdrückte Gruppen eines Faktors zu erkennen, weil Kulturgü- sondern ebenso in einem unterschiedli- in sie zurück. Sehr deutlich stechen des- ter, die später wieder verloren gingen, nicht chen Bemühen um das Auffinden und Er- halb die von Mittelgebirgen umgrenzte erfaßt sind. halten von Kulturgütern aus den verschie- “Festung Böhmen”, der Karpatenbogen Die Zuhilfenahme vereinfachender denen Kulturepochen. und die Gebirge der Balkanhalbinsel durch Karten – aus methodischen Gründen – soll eine größere Dichte kunsthistorischer At- aber nicht den Eindruck erwecken, als ob Prähistorische und antike Kulturgüter traktionen aus den umliegenden Tieflän- der räumliche Wirkungsbereich einzelner (Abb. 1) dern hervor. Besonders auffallend ist der politischer, wirtschaftlicher und kulturel- Prähistorische Funde konzentrieren sich Gegensatz zwischen dem kleinen Hügel- ler Faktoren leicht abgrenzbar wäre oder im Bereich des Kartenfeldes auf die Kultu- land der Fruška gora in Sirmien (Srem) als ob es dem Autor darauf ankäme, deut- ren der Illyrer auf dem Gebiet des heutigen und den es umgebenden Tiefländern: es liche Grenzen zwischen verschiedenen Albanien (, Butrint, Bylis, Jergucat, wurde in osmanischer Zeit zu einer Zu- Einflußbereichen zu ziehen. Gerade das Lezhë, Selca e Poshtme), der Thraker auf fluchtstätte der christlichen Bevölkerung Gegenteil ist der Fall. Zumeist handelt es dem Gebiet des heutigen Bulgarien des mit zahlreichen orthodoxen sich auch dann, wenn in den Karten schar- (Bakad• icite, Kabile, Kazanlãk, Madara, Klöstern. Um nicht viel weniger deutlich fe Grenzen zutage zu treten scheinen, um Mezek, Pomorie, Sveštari) und der vor- heben sich aber auch das Heiligenkreuzge- breite Überlappungszonen von verschie- römischen Daker auf dem Gebiet des heuti- birge (Góry Œwiêtokryskie) in Kleinpolen denen Kultureinflüssen, in denen Kultur- gen Rumänien (Corabia, Costeºti, Grãdiºtea (Ma³opolska) oder die ungarischen Mit- güter, die überwiegend der einen Kultur de Munte, Moigrad, Râºnov). Sie wurden telgebirge aus ihrem flacheren Umland zugeordnet werden, auch viele Elemente von den jeweiligen jungen Nationalstaaten hervor. der anderen enthalten. Exemplarisch deut- als Zeugen einer weit in die Geschichte Der Kontrast in der Dichte von Attrak- lich wird das an den im 13. und 14. Jahr- zurückreichenden eigenen Tradition und tionen zwischen Gebirgen und Hügellän- hundert erbauten serbischen Klöstern, die als Ausweis ihrer Identität zumeist sorg- dern einerseits und Tiefländern anderer- – fest in der byzantinischen Tradition ver- sam bewahrt. Nördlich davon handelt es seits wird noch verstärkt durch die vielen ankert – in ihrer Architektur auch markan- sich durchweg um einzelne besonders als Attraktionen bewerteten Burgen und te Einflüsse des lateinischen Kulturkrei- wichtige Fundstätten menschlicher Besied- sonstigen Festungsanlagen, die in der Re- ses, konkret: aus dem südlichen Dalmatien lung aus der Eisenzeit (z. B. Hallstattkul- gel das für Verteidigungszwecke besser und aus , erkennen lassen. tur), der Bronzezeit oder aus noch älteren geeignete bewegte Gelände nutzten, des Durchschreitet man diachron alle histori- Epochen. weiteren durch die Kategorie der Naturat- schen Epochen, so wird ohnedies auch aus Von den antiken Hochkulturen des traktionen, die mit Ausnahme der Auen- der Kartenfolge klar, daß sich das erhalten Mittelmeerraums machte sich randlich die und Sumpfgebiete auch überwiegend im gebliebene Kulturgut fast aller Teilgebiete griechische Kolonisation bemerkbar, be- bewegten Relief zu finden sind (markante Mittel- und Südosteuropas, besonders aber sonders an der albanischen Küste (Apollo- Berge, Aussichtspunkte, Schluchten, Südosteuropas, aus mehreren Schichten nia, Butrint, Bylis, Durrës ()) Klammen, Wasserfälle, Höhlen u. a.) so- zusammensetzt, die zum Teil sehr ver- und an der Küste des Schwarzen Meeres wie durch die Kategorien der für den Ski- schiedenen Kulturströmungen zuzuordnen (Mangalia und Histria in Rumänien, Kìlìja sport und das Bergsteigen besonders ge- sind. in der Ukraine). Den Großteil erhalten eigneten Gebiete, die notwendigerweise Die Schwierigkeiten der Bewertung gebliebener antiker Baudenkmäler steuer- an bewegtes Relief gebunden sind. touristischer Attraktionen wurden in all- te aber die römische Zivilisation bei. Für gemeiner Weise bereits besprochen. Wenn ihre räumliche Verbreitung war im we- Die Ausbreitung kunsthistorischer und es um die Bewertung von Denkmälern aus sentlichen die Ausdehnung des Römischen volkskundlicher Attraktionen nach verschiedenen Kulturepochen geht, kom- Weltreichs bis zur Donau (Donaulimes) historischen Epochen (beschränkt auf men dazu noch jene Probleme, die sich aus im Jahr 10 n. Chr. unter Kaiser die ehemals kommunistischen Länder) der Unausgewogenheit nationaler Histo- maßgebend. Nur im Falle Daziens im heu- riographien ergeben. Sie zu umgehen oder tigen Rumänien wurde die Donaugrenze Im Rahmen der beiden wichtigsten Raum- zu berichtigen ist im Rahmen einer Arbeit zwischen den Jahren 105 und 270 n. Chr. muster trugen in den einzelnen histori- wie dieser kaum möglich, weil diese Un- großräumig überschritten. schen Epochen wechselnde politische, ausgewogenheiten in so gut wie allen Quel- Die römische Zivilisation hinterließ v. a. wirtschaftliche und kulturelle Kräfte zur len, ob in in- oder ausländischen, reprodu- an den Küsten des Adriatischen Meeres Herausbildung des heutigen Verbreitungs- ziert werden. So ist daher z. B. nur zu eindrucksvolle Spuren (Arena von , musters kunsthistorischer und volkskund- vermuten, daß in Albanien illyrische Kul- Diokletian-Palast in Split; Durrës und licher Attraktionen bei. Im folgenden wird turgüter, in Bulgarien thrakische und in in Albanien). Aber auch am versucht, einzelne Faktoren und ihre räum- Rumänien dakische über Gebühr hoch Schwarzen Meer – Varna, Constanþa – liche Wirkung nach historischen Epochen bewertet werden, weil sie wichtige Kom- und im Binnenland – Laibach [Ljubljana] zu analysieren. Zur Dokumentation dient ponenten der nationalen Identität sind. (Emona), Steinamanger [Szombathely] eine Kartenserie (Abb. 1-5), in der noch

5 RUS LT (baulich v. a. durch die Anlage von Bur- gen und befestigten Orten), während die Minsk östliche Adriaküste noch bis ins 12. Jahr- BY hundert vorwiegend unter byzantinischem Einfluß stand. Selbst das seit dem 9. Jahr- hundert und besonders seit der Jahrtau- PL Warschau sendwende aufstrebende Venedig emp- fing aus Byzanz seine ersten Impulse. In den hier zur Diskussion stehenden Ab- Kiew schnitten der Adriaküste sind Spuren by- Prag CZ UA zantinischer Kultur besonders deutlich in Poreè, Osor, Nin und Zadar zu sehen. Mit dem Rückgang der politischen Kraft von SK Preßburg Byzanz, dem Mißlingen von Versuchen seiner bulgarischen und serbischen Riva- MD Budapest len, die östlichen Küsten des Ionischen H Kischinew und Adriatischen Meeres dauerhaft unter SLO ihre Kontrolle zu bringen, dem Aufstieg Laibach RO Venedigs zur ersten Handelsmacht im öst- HR lichem Mittelmeerraum und dem schließ-

Bukarest lichen Rückzug des Byzantinischen Reichs aus Dalmatien (1187) wendete sich aber BiH Belgrad das Blatt. Das katholische Venedig formte Sarajevo YU nun seinerseits die Hafenstädte und Inseln dieses Küstenstreifens und nutzte sie als Sofia BG Stützpunkte seiner logistischen Kette in die Levante. Skopje Auch im östlichen Mitteleuropa wirkte Tirana MK sich der westliche Kultureinfluß im Hoch- AL mittelalter besonders in der Gründung von Städten (Städte nach deutschem Recht) 0 100 200 km 1 : 13 000 000 und Handelsniederlassungen, daneben auch von Klöstern, aus. Sehr oft spielten Touristische Attraktivität des europäischen Ostens IfL 1999 bei der Ausdehnung des Siedlungsnetzes Entwurf: P. Jordan Prähistorische und antike Kulturgüter Kartographie: M. Zimmermann in heute polnische Gebiete, entlang des griechisch thrakisch wichtige internationale Attraktion Karpatenbogens und bis in den zentralen römisch dakisch sonstige internationale Attraktion Balkan hinein (heutiges Kosovo), aber auch illyrisch sonstige thematisch nicht bearbeitet nach Böhmen und Mähren sowie in den südöstlichen Alpenraum und seine Vor- Abb. 1: Prähistorische und antike Kulturgüter länder im heutigen Slowenien und Kroati- deutsche Siedler als Bauern, Handwer- (Savaria), Budapest (Aquincum), Jajce, reich und vom Heiligen Römischen Reich ker und Bergleute eine bedeutende Rolle. Bitola (Heraclea), am Eisernen Tor (Porþile (deutscher Nation) bzw. von der Republik Für die aus diesen Epochen stammenden de Fier/Ðerdap), in Niš, Plovdiv, Razgrad, Venedig und früh übernommen und wei- Kulturgüter der heutigen südosteuropäi- an etlichen Orten Daziens wie Moigrad tervermittelt von den ersten Staatsbildun- schen Länder Jugoslawien, Makedonien, oder Sarmizegetusa – sind wichtige Bau- gen der Kroaten, Alpenslawen (Karanta- Albanien und Bulgarien, aber auch der öst- denkmäler erhalten geblieben. Neben den nien), Mährer (Großmährisches Reich), licheren Teile der heutigen Ukraine waren vorrömischen, dakischen, werden sie in Tschechen, Polen und Ungarn. Das Chri- neben und nach dem direkten Einfluß des Rumänien als Zeugen lateinischer Traditi- stentum in seiner römischen Form bildete Byzantinischen Reichs in erster Linie die on sehr hoch bewertet und mit Stolz prä- den Kern dieser Kulturströmung. multiethnischen, in ihrer Kultur griechisch sentiert. Vom Südosten her wirkt in diesen Epo- und byzantinisch geprägten Bulgaren- und chen die griechische, orientalische, byzan- Serbenreiche sowie das Kiewer Reich ver- Früh- und hochmittelalterliche Kultur- tinische Kulturströmung, getragen außer antwortlich. In enger Verzahnung von Kir- güter (Abb. 2) vom Byzantinischen Reich selbst von den che und Staat bewirkten sie die Gründung Vom Früh- bis zum Hochmittelalter (Mit- Reichen der Bulgaren und Serben, auch zahlreicher Klöster und Kirchen. Zwar gin- te des 6. Jahrhunderts bis Ende des 13. Jahr- von der ersten Staatsbildung der Ostsla- gen durch die politische Rivalität zwischen hunderts)3 waren im von der Karte darge- wen, dem Kiewer Reich (Kiewer Rus). Den stellten Raum hauptsächlich zwei Kultur- Kern dieser Kulturströmung bildete das 3 Diese und die folgenden Periodisierungen seien als strömungen wirksam: vom Westen und Christentum in seiner byzantinischen Form. methodische Hilfe zur Gliederung und Aufbereitung des Materials verstanden. In der Literatur finden sich äu- Südwesten her die lateinische, abendlän- Die westliche Strömung wirkte zunächst ßerst unterschiedliche Periodisierungen, insbesonders dische, westliche, getragen vom Franken- in erster Linie im östlichen Mitteleuropa über eine so große und kulturell heterogene Region.

6 EUROPA REGIONAL 7(1999)1 schen Gruppen als das Landvolk gestellt RUS LT wurde. Minsk Die wichtigsten Verkehrsrouten verlie- BY fen in west-östlicher Richtung. An der Ostsee betrieb die Hanse Handel zwischen Nordwesteuropa und Rußland. Sie unter- Warschau PL hielt Niederlassungen und Stützpunkte in den wichtigen Ostseehäfen, aber auch bis weit ins Hinterland der Ostseeküste, be- Kiew sonders entlang der großen, schiffbaren Prag CZ UA Flüsse, die in die Ostsee münden – z. B. Krakau an der Weichsel (Wis³a). Nördlich der deutschen Mittelgebirge SK und der Karpaten blühte die “Oberdeut- Preßburg sche Straße” auf. Sie führte von Köln über MD Budapest Leipzig, Breslau (Wroc³aw ) und Krakau

H Kischinew nach Lemberg und von dort zum Schwar- zen Meer. Ihre Bedeutung und damit auch Laibach SLO RO die kulturelle Kraft ihrer großen Etappen- Zagreb HR orte wuchs, als die Route entlang der Do-

Bukarest nau (“Donauweg”) durch das Vordringen des Osmanischen Reichs an die untere Belgrad BiH Donau (Ende des 14. Jahrhunderts) und in Sarajevo YU das Pannonische Becken (16. Jahrhundert) blockiert war.

Sofia BG Im Süden wurde die osmanische Blok- kade des Donauwegs v. a. durch Venedig

Tirana Skopje mit seinen Besitzungen an der östlichen MK Küste des Adriatischen und des Ionischen AL Meeres sowie mit Handelsniederlassun-

0 100 200 km gen bis in die Levante und ans Schwarze 1 : 13 000 000 Meer umgangen. Am Schwarzen Meer und in dessen Hinterland beteiligte sich Touristische Attraktivität des europäischen Ostens IfL 1999 Entwurf: P. Jordan Früh- und hochmittelalterliche Kulturgüter Kartographie: M. Zimmermann aber auch Genua mit Handelsstützpunkten und durch den Bau von Festungen, von europäische Attraktion lateinisch wichtige internationale Attraktion denen im Gebietsausschnitt der Karte be- byzantinisch sonstige internationale Attraktion thematisch nicht bearbeitet sonders jene entlang des Dnjester (Dnì- ster/Nistru) noch gut erhalten sind (Tighi- Abb. 2: Früh- und hochmittelalterliche Kulturgüter na, Hotin). Von der ersten Hälfte des 16. Jahrhun- diesen Reichen, auf heute ukrainischem Außerhalb des byzantinischen Kulturkrei- derts an wurden in Ostmitteleuropa Refor- Gebiet auch durch die Mongoleneinfälle ses und des osmanischen Herrschafts- mation und Gegenreformation zu bestim- zur Mitte des 13. Jahrhunderts, etliche die- und Einflußbereichs, also in Ostmitteleu- menden Faktoren auch des Kunstgesche- ser Kulturgüter verloren, doch blieben viele ropa, an der östlichen Adriaküste und hens. Sie förderten v. a. den Kirchenbau, gut bewahrt, besonders im westlichen Bul- teilweise auch an der ionischen Küste, aber auch die Einrichtung von Kollegien garien (Rila, Baèkovo), im westlichen Ma- wirkte zunächst v. a. der Fernhandel auf und Universitäten mit ihrer zumeist reprä- kedonien (Jovan Bigorski, , Sveti die Entwicklung von Städten und damit sentativen Architektur und aufwendigen Naum), im südlichen Serbien (Studenica, auf die Schöpfung bedeutender Kultur- künstlerischen Ausgestaltung. Sopoæani), im heutigen Kosovo (Graèani- güter im weltlichen und geistlichen Be- Im Südosten Europas blieb Byzanz ca/Graçanicë, Peæ/Pejë) und in Montene- reich bestimmend ein. Besonders an den (Istanbul) bis zu seiner Eroberung durch gro (Moraèa). wichtigen Verkehrsrouten gediehen Han- die Osmanen (1453) trotz seines politi- del und Gewerbe. Mit ihnen bildete sich schen Verfalls das konkurrenzlose kultu- Kulturgüter des Spätmittelalters und der ein starkes, zum Teil sogar mächtiges und relle Zentrum. Dennoch zeigte sich beson- Renaissance (Abb. 3) von der Landesherrschaft weitgehend ders im Serbischen Reich größere kultu- Auch im Spätmittelalter und in der Renais- autonomes Bürgertum aus. Dieser für die relle Eigenständigkeit, die sich an sance (Ende 13. Jahrhundert bis Mitte Formung einer späteren, bürgerlichen zahlreichen weiteren Klosterbauten bis zur 17. Jahrhundert) blieben das östliche Mit- Gesellschaft entscheidende Prozeß führ- endgültigen osmanischen Landnahme teleuropa und die östliche Adriaküste ei- te östlich der überwiegend deutschspra- nachweisen läßt. Unter osmanischer Herr- nerseits und Südosteuropa und Osteuropa chigen Gebiete zumeist zu einer sozialen schaft konnten die byzantinischen christli- andererseits von unterschiedlichen kultur- Schichtung nach ethnischen Kriterien, chen Kulturen zwar weiterbestehen, sich prägenden Faktoren beeinflußt. indem das Bürgertum von anderen ethni- aber nicht mehr entfalten. Immerhin blie-

7 ben die im Hochmittelalter gegründeten völkerung zum Islam übertrat. Moscheen, kurze Zeit unter osmanischer Kontrolle orthodoxen Klöster auf dem Gebiet des Karawansereien, Koranschulen und tür- standen, besondere Attraktionen, weil sie heutigen Bulgarien, Makedonien, Albani- kische Bäder finden sich daher am häu- zur übrigen Kulturlandschaft reizvoll kon- en und Jugoslawien erhalten und zeugen figsten im mehrheitlich muslimischen Teil trastieren und vom heutigen Besucher dort von der relativen Toleranz des Osmani- Bosniens und der Herzegowina, im von eigentlich gar nicht erwartet werden: die schen Reichs im religiösen Bereich. Muslimen bewohnten Sandschak von Moschee im südungarischen Fünfkirchen Völlig unbelastet konnte sich hingegen Novi Pazar, im unter osmanischer Herr- (Pécs), die türkischen Bäder in Budapest, die byzantinische Kultur in den nicht unter schaft mit zum Islam konvertierten Alba- das Minarett im nordungarischen Erlau direkter osmanischer Kontrolle stehenden nern besiedelten heutigen Kosovo, in (Eger). Donaufürstentümern Moldau und Wala- Makedonien, dessen Städte von Türken chei weiterentwickeln. Besonders das Für- bevölkert wurden, in dem sich einige Sla- Kulturgüter des Barock (Abb. 4) stentum Moldau erlebte im 15. Jahrhun- wen auch zum Islam bekehrten (Torbeši) Das nach der Gegenreformation aufkom- dert eine politische und kulturelle Blüte, und in dessen Nordwesten islamisierte mende Barock (Mitte 17. Jahrhundert bis die sich u. a. in den “Moldauklöstern” Albaner zuwanderten sowie in Bulgari- Ende 18. Jahrhundert) war eine in weiten künstlerisch ausdrückt. en, dem ein starker türkischer Bevölke- Teilen Ostmitteleuropas (und natürlich Über den direkten osmanischen Herr- rungsanteil zuwuchs, dessen slawische auch Westmitteleuropas: besonders Sach- schaftsbereich breitete sich zugleich ein Bevölkerung sich aber zum Teil auch sen, Bayern, Österreich) verbreitete Stil- Schleier osmanisch-islamisch-orientali- zum Islam bekehrte (Pomaken). richtung und prägte ganz besonders den scher Kultur. Er verdichtete sich in Ge- Osmanische Kulturdenkmäler bilden zeitgenössischen Herrschaftsbereich der bieten, die von ethnischen Türken besie- aber gerade auch in den Randgebieten Habsburgermonarchie. Reich an Barock- delt wurden oder deren autochthone Be- osmanischer Herrschaft, die nur relativ bauten sind außerdem die östliche Adria- küste – mit Ausnahme des kargen Kroati- RUS schen Küstenlandes (Hrvatsko primorje) LT im Barock noch nicht zum Habsburger- Minsk reich gehörend –, Schlesien, obwohl der BY größte Teile Schlesiens schon 1742 an Preußen fiel, sowie Galizien und die Bu- PL kowina, die erst 1772 bzw. 1775 vom Warschau Habsburgerreich erworben wurden. Sehr scharf zeichnete das Barock hin- gegen die zeitgenössische Südostgrenze Kiew des Habsburgerreichs zum Osmanischen Prag CZ UA Reich nach, wobei die immer wieder über- rannten und zerstörten Kampfgebiete im SK Bereich der österreichischen Militärgren- Preßburg ze in Kroatien und Slawonien sowie der MD türkischen Militärgrenze (Kapetanja) im Budapest Kischinew nordwestlichen Bosnien (Bosna) auffal- H lend arm an kulturhistorischen Attraktio- Laibach nen sind. RO SLO Zagreb HR Innerhalb des zeitgenössischen Territo- riums der Habsburgermonarchie ist die

Bukarest Dichte hervorstechender Barockbauten in BiH Belgrad solchen Regionen geringer, die zu dieser Sarajevo Zeit wirtschaftlich weniger florierten. YU Unter den barocken Kulturdenkmälern nehmen neben Kirchen und Klöstern be- Sofia BG sonders Residenzbauten des Adels und der höheren Geistlichkeit (Stadtpalais, Schlös- Skopje Tirana MK ser), Bauten von Bildungseinrichtungen AL (Jesuitenkollegien, Universitäten), Garten- anlagen sowie die herrschaftliche Umge- 0 100 200 km IfL 1999 Entwurf: P. Jordan staltung von Stadtgrundrissen, z. B. durch 1 : 13 000 000 Kartographie: M. Zimmermann die Anlage von Prunkstraßen und Befesti- Touristische Attraktivität des europäischen Ostens Kulturgüter des Spätmittelalters und der Renaissance gungen, eine hervorragende Stellung als Tourismusattraktion ein. Weltattraktion lateinisch europäische Attraktion Kulturgüter des Klassizismus, der Grün- byzantinisch wichtige internationale Attraktion osmanisch sonstige internationale Attraktion thematisch nicht bearbeitet derzeit und des Jugendstils (Abb. 5) Obwohl Klassizismus und Gründerzeit Abb. 3: Kulturgüter des Spätmittelalters und der Renaissance vielfach als Epochen angesehen werden,

8 EUROPA REGIONAL 7(1999)1 tur- und Städtetouristen sehr geschätzte RUS LT Variante des Jugendstils oder der Sezessi- Minsk on, v. a. wenn sie wie in Kecskemét kon- BY zentriert in Erscheinung tritt. In der Karte kommen aber auch die eindrucksvollsten gründerzeitlichen Industrieensembles – PL Warschau Kattowitz (Katowice), Lodz (£ódz) – zur Geltung. In Südosteuropa, also südöstlich der Kiew Habsburgermonarchie, charakterisieren Prag CZ UA repräsentative Bauten des späten 19. Jahr- hunderts und der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg das Selbstbewußtsein und SK Selbstverständnis der jungen Nationalstaa- Preßburg MD ten. Sie konzentrieren sich auf die jungen Budapest Kischinew Hauptstädte (Bukarest, Belgrad, Sofia, H Tirana, Cetinje) und folgen in ihren stilisti- schen Modifikationen den kulturellen und Laibach RO politischen Orientierungen ihrer jeweili- SLO Zagreb HR gen Länder: in Rumänien und Serbien dem Vorbild Frankreichs (in erster Linie des Bukarest von Georges-Eugène Haussmann zwischen Belgrad BiH 1850 und 1870 umgestalteten Paris), in Sarajevo YU Bulgarien dem Vorbild Rußlands, z. T. auch Österreich-Ungarns und Deutsch- Sofia BG lands (JOKIMOV 1998).

Skopje Kommunistische Ära Tirana MK Die kommunistische Ära hat die Länder AL Ostmittel- und Südosteuropas architekto- nisch ebenfalls entscheidend geprägt und 0 100 200 km 1 : 13 000 000 ihnen vielleicht sogar den größten Anteil ihrer heute sichtbaren Bausubstanz be- Touristische Attraktivität des europäischen Ostens IfL 1999 Entwurf: P. Jordan schert. Sie tat es massiv durch die Anlage Kulturgüter des Barock Kartographie: M. Zimmermann großer sozialer Wohnhausanlagen an den Weltattraktion wichtige internationale Attraktion gründer- und zwischenkriegszeitlichen europäische Attraktion sonstige internationale Attraktion thematisch nicht bearbeitet Stadträndern, durch Wochenendhaussied- lungen im Weichbild besonders der gro- Abb. 4: Kulturgüter des Barock ßen Städte und durch einzelne monumen- tale Verwaltungs- und Kulturgebäude. Sie denen es an innovativer künstlerischer gelten heute bereits als touristisch attrak- griff jedoch relativ wenig in den histori- Ausdruckskraft mangelte und die sich le- tiv. schen Baubestand der Städte ein, selbst diglich in einer Wiederholung älterer Stil- In der Karte wurde klassizistischer und dort nicht, wo sich wie in Warschau oder richtungen ergingen, hinterließen sie doch gründerzeitlicher Baubestand dennoch nur Danzig (Gdañsk) durch die Zerstörung auch originelle Werke, besonders in Form sehr selektiv als internationale Tourismus- von Altstädten im Zweiten Weltkrieg Ge- des Jugendstils und der Ingenieurkunst attraktion bewertet, in erster Linie im Falle legenheit dazu geboten hätte. Umso mehr (technische Bauwerke wie Brücken, Bahn- ganzheitlich konzipierter Stadtumgestal- gilt das für jene Gebiete Ostmittel- und höfe, Ausstellungshallen etc.). Für den tungen und -erweiterungen (z. B. Reprä- Südosteuropas, die von Kriegszerstörun- heutigen Tourismus kann dennoch auch sentationsstraßen anstelle alter Befesti- gen kaum betroffen waren. Die einzige das eklektizistische, historistische Schaf- gungsanlagen), ensemblehaft harmonieren- große Ausnahme bildet Bukarest, in des- fen dieser Epoche attraktiv sein, wie es der Kurorte oder einzelner hervorragender sen historischen Baubestand ein dem Cä- sich v. a. in Verwaltungs-, Kultur- und Bil- Repräsentations- und Ingenieurbauten. Dies sarenwahn verfallener Diktator eine Bre- dungsbauten (Opernhäuser und Theater, trifft z. B. auf städtische Ensembles in sche schlagen ließ, um sich eine Pracht- Schulen, Universitäten), Verkehrsbauten Budapest, Prag, Lemberg, Cernowitz, straße und einen Palast zu errichten. Das (Bahnhöfe, Stationen städtischer Verkehrs- Laibach, Zagreb, Pula oder Sarajevo zu, historische Erscheinungsbild der Stadtker- mittel, Brücken), Sozialbauten (Kranken- auf Kurorte wie Karlsbach oder Franzens- ne, besonders von kleineren Städten, blieb anstalten) und Tourismusbauten (Hotels, bad (Františkovy Láznì) oder auf die aus dadurch in den ehemals kommunistischen Kurhäuser, Landvillen) sowie in Straßen- Eisen konstruierte Donaubrücke von Cer- Ländern oft besser bewahrt als in den und Parkanlagen manifestierte. Selbst grün- navodã in Rumänien. Besonderen Anlaß kriegszerstörten Städten des westlichen derzeitliche Wohnhausensembles wie zur Berücksichtigung von Kulturgütern Deutschlands und Österreichs, in denen großbürgerliche städtische Miethäuser dieser Epoche gab natürlich die von Kul- der “Wiederaufbau” von den historischen

9 RUS LT von durchaus gleichwertigen Attraktionen im Osten oft weniger angezogen. Diesem Minsk Umstand steht die Tatsache gegenüber, BY daß Ostmitteleuropa und teilweise auch Südosteuropa feste Bestandteile der PL “abendländischen” Kultur sind, die erst Warschau durch die politische Teilung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg im Bewußtsein der Bewohner des europäischen Westens Kiew Prag zu einer fremden Welt wurden. Mit der CZ UA politischen und wirtschaftlichen Reinte- gration Europas wird dieses Bewußtsein sicherlich seine gebührende Korrektur er- SK Preßburg fahren. MD Ostmittel- und Südosteuropa verfügt Budapest Kischinew außerdem über herausragende einzelne H Naturattraktionen wie das Donaudelta (Delta Dunarii), das Eiserne Tor (Porþile Laibach SLO Zagreb RO de Fier/Ðerdap), die Plitvicer Seen (Plit- HR vièka jezera), die Adelsberger Grotte (Postojnska jama), das bizarre und zum Bukarest Klettern prädestinierte Kalkgebirge der Ju- BiH Belgrad Sarajevo lischen Alpen (Julijske Alpe) in Slowenien, YU die Hohe Tatra, die Urwälder von Bia³o- wie¿a, um nur die wichtigsten zu nennen. Es Sofia BG bietet auch Großlandschaften von außer- ordentlichem natürlichen Reiz wie die kar-

Tirana gen und steinigen Steilabfälle der Gebirge MK zu den Adriaküsten Kroatiens und Monte- AL negros mit der der kroatischen Küste vor-

0 100 200 km gelagerten Inselwelt, den schluchtenrei- 1 : 13 000 000 chen Dinarischen Gebirgsraum, aber auch die weiten Ebenen – z. B. Großes Ungari- Touristische Attraktivität des europäischen Ostens Kulturgüter des Klassizismus, Jugendstils und der Gründerzeit sches Tiefland (Alföld) –, die mit ihrem weiten Horizont besondere Stimmungen europäische Attraktion zu vermitteln vermögen. Es besitzt ferner wichtige internationale Attraktion IfL 1999 Entwurf: P. Jordan sonstige internationale Attraktion thematisch nicht bearbeitet Kartographie: M. Zimmermann viele und zum Teil große und alte Natio- nalparks und andere Schutzgebiete, weil es zur Zeit der autoritären Regime und Abb. 5: Kulturgüter des Klassizismus, der Gründerzeit und des Jugendstils staatlich geregelter Bodennutzung leicht Stadtkernen manchmal nicht viel mehr als Prachtstraßenkomplex in Bukarest als Ku- war, solche auszuweisen. den Straßengrundriß übernahm. riosität Touristen anziehen. Nicht zu unterschätzen ist ferner der Können die oben erwähnten Typen des Bestand an Heilbädern und Kurorten, die Bauens in kommunistischer Zeit am ehe- Schluß zu einem guten Teil architektonisch und sten noch wegen ihrer Monumentalität, Was die Zahl und Dichte kunsthistorischer atmosphärisch in der Epoche vor dem Er- Größe und oft frappierenden Uniformität Attraktionen anbelangt, sind Teile Ostmit- sten Weltkrieg geprägt wurden. Sie verfü- das Interesse eines sehr spezifischen tou- tel- und Südosteuropas mit anderen Re- gen teilweise noch über den alten, reizvol- ristischen Segments erwecken, so hinter- gionen Europas also durchaus konkurrenz- len Baubestand und ein Ambiente, das den ließ die kommunistische Periode doch fähig. Hinderlich für die touristische In- damaligen, von den heutigen nicht so ent- auch Bauwerke, die in der Architekturge- wertsetzung wirkt jedoch die Tradition fernten Bedürfnissen des Publikums nach schichte vermutlich Bestand haben wer- des westeuropäischen Bildungswesens, wohltuender Körperpflege und gehobe- den. Dazu zählen v. a. einige den ideolo- dem östlichen Europa und seinen kulturel- nem gesellschaftlichem Umgang ent- gischen Prinzipien einer Arbeiterkultur len Ausdrucksformen weit geringere Be- sprach: das böhmische Bäderdreieck Karls- entsprechende Stadtanlagen wie die stern- achtung zu schenken als etwa dem Mittel- bad, Marienbad (Mariánské Láznì), Fran- förmig angelegte und mit einer ihrer meerraum, dessen politische und Kultur- zensbad, viele einst ungarische, heute zum Hauptstraßen auf das Stahlwerk ausge- geschichte von der Antike an als Grundlage Teil slowakische Kurorte, Kurorte in Po- richtete Stahlarbeiterstadt Nowa Huta bei und Voraussetzung für das heutige gesell- len (Szczawnica, Krynica), Rumänien (Bãi- Krakau oder das als Arbeiterfestung kon- schaftliche und kulturelle Erscheinungs- zipierte Poruba bei Ostrau (Ostrava). Frei- bild des westlichen Europas gilt. Das Gros 4 Alle für den Bau notwendigen Arbeitskräfte wurden in die Armee einberufen, mußten also eine Art Frondienst lich kann auch der monströse und unter des Reisepublikums orientiert sich an die- leisten und standen der “normalen” Wirtschaft nicht zur skandalösen Umständen4 errichtete sen Überlieferungen und fühlt sich daher Verfügung.

10 EUROPA REGIONAL 7(1999)1 IONESCU, G. (1982): Arhitectura pe teritoriul Absehbare Potentiale für Tourismus on Ostmittel- und Südosteuropas (für ein- aus westlichen Ländern zelne Länder kann die Beurteilung unter- României de-a lungul veacurilor (Die Archi- schiedlich ausfallen) auf den für diese tektur auf dem Gebiet Rumäniens im Ver- Badetourismus Region maßgeblichen Reisemärkten West- lauf der Jahrhunderte). Bucureºti. Ländlicher Erholungstourismus Istanbul. Tor zum Orient, editio 4, ed. Orient mittel- und Westeuropas die besten Chan- Verlag. Istanbul 1993. Winter(sport)tourismus cen in den Marktsegmenten Studien- und Naturtourismus und naturnaher JESTAZ, B. (1985): Die Kunst der Renaissance. Erlebnistourismus Themenreisen, Städte- und Kulturtouris- Freiburg i. Br. Gesundheitstourismus mus, Gesundheitstourismus und Naturtou- JOKIÈ, G. u. G. VRTUNIÈ (1980): Jugoslavija. Städte- und Kulturtourismus rismus sowie naturnaher Erlebnistouris- Turistièni vodnik (Jugoslawien. 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11 stils. Die Überwindung des Historismus in TKÁÈ, V. (1995): Mähren, Schlesien. (Opava). Jahrhunderts. Frankfurt a. M., Berlin, Wien. Europa und Nordamerika. Stuttgart. TOMASEVIÆ, N. (ed.) (1980): Treasures of Yu- SEMENZATO, C. (1991): Die große Kunstge- goslavia. Beograd. schichte der Welt. Malerei, Architektur und VERINA, V. (1980): Pamjatniki prirody Molda- Autor: Plastik aller Kulturkreise. München. vii (Naturdenkmäler der Moldau). Kišinev. Univ.-Doz. Dr. PETER JORDAN, SOURDEL-THOMINE, J. u. B. SPULER (1973): Die VOLLBACH, W. F. u. J. LAFONTAINE-DOSOGNE Österreichisches Ost- und Kunst des Islam. Frankfurt a. M., Berlin, (edd.) (1968): Byzanz und der christliche Südosteuropa-Institut, Wien. Osten. Frankfurt a. M., Berlin, Wien. Josefsplatz 6, SYSKOWSKI, H. M. F. (1994): Königsberg und WEBSTER, T. B. L. (1966): Hellenismus. Baden- A-1010 Wien, das Königsberger Gebiet. Reiseführer Ost- Baden. Österreich. preußen. Würzburg. ZEITLER, R. (ed.) (1960): Die Kunst des 19.

Atlas Ost- und Südosteuropa (bisher erschienene Nummern mit Erscheinungsjahr) Jede Nummer besteht aus einer oder mehreren farbigen Kartenblättern im Format 74x59 cm und einem Begleitheft.

1 Ökologie 3 Wirtschaft 1.1-PL 1 Luftverschmutzung in Südpolen (1991) 3.1-H1 Der Aufschwung des Fremdenverkehrs aus west- 1.2-G4 Nutzung und Probleme der Umwelt im mittle- lichen Ländern nach Ungarn in den 80er Jahren ren und östlichen Europa (1992) (1989) 1.3-M Topoklimatische Typen in Mitteleuropa (1992) 3.2-G2 Energiewirtschaft Ost- und Südosteuropas (1990) 1.4-M Ökologie der Landnutzung in Mitteleuropa 3.3-O2 Erste sozio-ökonomische Effekte der Transfor- (1996) mation im mittleren und östlichen Europa (1994) 3.4-G5 Internationale Tourismusattraktionen in Mittel- 2 Bevölkerung und Südosteuropa (1999) 2.1-R1 Bevölkerungsverteilung in den ländlichen Ge- meinden Rumäniens (1990) 4 Verkehr 2.2-R3 Sprachenverteilung in Siebenbürgen (1990) – 2.3-YU1 Entwicklung des Hochschulwesens in Jugoslawi- en (1991) 5 Raumplanung, Raumentwicklung 2.4-PL2 Bevölkerungsentwicklung in Polen 1980-1990 5.1-G1 Verwaltungsgliederung Ost- und Südosteuropas (1992) am 1.1.1989 (1989) 2.5-O1 Ethnische Struktur des östlichen Europas und 5.2-R2 Ausstattung der ländlichen Siedlungen in Sieben- Kaukasiens um 1990 (1993) bürgen mit zentralen Einrichtungen (1990) 2.6-PL3 Polen als Quelle von Wanderungen und Reisen 5.3-MO1 Zentrensysteme in Mittel- und Osteuropa (1997) (1993) 2.7-S1 Ethnische Struktur Südosteuropas um 1992 (1995) 6 Sonstiges 2.8-H/R/YU1 Entwicklung der ethnischen Struktur des Banats 6.1-G3 Die Wahlen des Jahres 1990 in Mittel-, Ost- und 1890-1992 (1999) Südosteuropa (1991) 6.2-G5 Die Wahlen der Jahre 1994-1997 in Mittel- und Die Nummern des Atlasses werden einzeln ausgeliefert und können im Südosteuropa (1998) Abonnement (DM 30,-) oder einzeln (DM 40,-) bezogen werden. Bestelladresse: Gebrüder Borntraeger Verlagsbuchhandlung Berlin-Stuttgart, Johannes- straße 3A, D-70176 Stuttgart, Tel. (0711) 62 50 01, Fax (0711) 62 50 05

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