Der Landesvater. Die NS-Vergangenheit Franz-Josef
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Der Landesvater Die NS-Vergangenheit Franz-Josef Röders Von Erich Später Im März 2013 veröffentlichte die saarlän- die Legalisierung des Alltagsterrors gegen dische Linkspartei die Studie des Historikers alle saarländischen NS-Gegner und der Be- Hans-Peter Klausch Braune Spuren im Saar- ginn systematischer Gewalt gegen die jüdische Landtag. Die NS-Vergangenheit saarländischer Minderheit. Als Mitglied der NSDAP und drei Abgeordneter. Klauschs Forschungen fanden ihrer Bereichsorganisationen hat sich Röder jedoch kaum öffentliche Resonanz. Der Lin- aktiv und ohne irgendwelchen Zwang für den ken-Fraktion schien die Sache eher peinlich. Es Nationalsozialismus und Adolf Hitler einge- wurde sogar darauf verzichtet, den Autor nach setzt. Saarbrücken einzuladen, was wohl ganz im Er trägt politisch auch Mitverantwortung Sinne des Linken-Übervaters Oskar Lafontai- für die Zerschlagung der saarländischen ne war. Der ging in seinem Vorwort nämlich Demokratie und der Organisationen der auf Distanz zu den Ergebnissen der Studie. saarländischen Arbeiterbewegung sowie des Ein besonderes Anliegen war ihm die Vertei- katholischen Widerstandes nach dem 13. digung des ehemaligen langjährigen Minister- Januar 1935. Für Lafontaines Beurteilung präsidenten Franz-Josef Röder. Röders spielt dieses Engagement jedoch keine Klausch hatte in diesem Fall noch einmal Rolle. Ohne Beleg spricht er den früheren Mi- meine Forschungen über Röders Nazi-Ver- nisterpräsidenten von jeder politischen Verant- gangenheit rekapituliert, die vor zehn Jahren wortung frei und bekennt, von der NSDAP- in den Saarbrücker Heften in dem Aufsatz Hein- Mitgliedschaft schon zu Röders Lebzeiten rich Schneider – ein deutscher Patriot publiziert gewußt zu haben. Warum er darüber nicht die worden waren.1 Zunächst nimmt Lafontaine saarländische Öffentlichkeit informierte und die »Gnade der späten Geburt« für sich und von Röder Aufklärung verlangte, bleibt sein andere in Anspruch. Dann entschuldigt er den Geheimnis. politischen Einsatz für die deutschen Radikal- Ich begegnete Franz-Josef Röder anfänglich mit faschisten: Misstrauen und zweifelte an seiner Versicherung, Aber keiner von uns Jungen konnte sich wirklich dass er sich in den Jahren der Naziherrschaft nichts sicher sein, ob er in einer anderen Zeit, unter ande- habe zu schulden kommen lassen. Als ich ihn dann ren gesellschaftlichen Umständen und mit einer an- näher kennen lernte, wurde mir klar, dass seine deren Erziehung nicht auch selber den Versuchungen NSDAP-Mitgliedschaft nicht auf innerer Über- des Naziregimes erlegen wäre. zeugung beruhen konnte. Schon seine Hinwendung Daraufhin kommt er zu seinem eigentlichen zu fremden Sprachen und zur romanischen Lite- Thema, der NSDAP-Mitgliedschaft Röders im ratur zeugt nicht gerade von einem arisch-germa- Jahr 1933. nischen Weltbild oder einem bornierten völkischen Röder war der NSDAP, dem NS-Lehrer- Nationalismus. bund und dem NS-Kraftfahrerkorps Neunkir- Also können deutsche Akademiker keine chen im Verlauf des Jahres 1933 beigetreten Nazis sein, so die Quintessenz von Lafon- und hatte sich am Kampf zur Errichtung der taines Nachdenken über Röder. Gerade in NS-Herrschaft an der Saar aktiv beteiligt, u. a. Röders Amtszeit werden hunderte ehemalige als Mitglied im Ordnerdienst der »Deutschen NSDAP-Kader, SS-Mitglieder aller Diensträn- Front«.2 In diesem sammelten sich ab 1934 ge und Schreibtischtäter aus Justiz und Ver- die Schlägertrupps der saarländischen SA waltung in die saarländische Politik, Verwal- und SS, die nach dem Verbot durch die Re- tung und Kultur integriert. Gleichzeitig wird gierungskommission des Völkerbundes im jede juristische und politische Aufklärung der Jahr 1932 in der Illegalität agieren mußten. NS-Herrschaft an der Saar systematisch ver- Die Zulassung des Ordnerdienstes bedeutete hindert. Diese Politik wird seit 1957 mit der Zeitgeschichte 7 » politischen Ächtung der saarländischen Anti- in den Jahren 1941 bis 1945 das Leben Franz- faschisten verbunden, die durch die Mehrheit Josef Röders kaum berührt. der Bevölkerung als »Vaterlandsverräter« und Gegen Ende des Jahres 1979 erscheint dann »Separatisten« verunglimpft werden. als krönender Abschluß Röders Würdigung Keine der im Landtag vertretenen Parteien im Dillinger Queißer-Verlag, die vom stell- hat bis heute ein wirkliches Interesse daran vertretenden Chefredakteur der Saarbrücker gezeigt, die Reintegration der NS-Eliten Zeitung und Röder-Vertrauten Erich Voltmer im Saarland und die damit einhergehende verfaßte Biographie Franz-Josef Röder – ein Unterdrückung einer antifaschistischen Er- Leben für die Saar.4 Über die Konzeption seines innerungskultur nach 1955 im Sinne einer Buches schreibt Voltmer: historischen Selbstaufklärung zu erforschen [N]ach wenigen Minuten bereits war ich ent- und dafür die nötigen Mittel zur Verfügung schlossen, das Buch unter der Bedingung zu schrei- zu stellen. Statt dessen predigt man eine »saar- ben, daß mir die Familie Röder – vor allem Frau ländische Identität« und ruft dazu auf, die po- Magdalene Röder – und die Saarbrücker Staats- litische Eigenständigkeit des bankrotten Lan- kanzlei ihre Bereitschaft zusagten, notwendiges des zu verteidigen. Zu dieser Eigenständigkeit Material zur Verfügung zu stellen. Dies geschah gehört allerdings einmalig in der Bundesrepu- innerhalb kurzer Frist, so daß ich an erster Stelle blik Deutschland die öffentliche Würdigung Frau Röder, den Geschwistern des Verstorbenen von NS-Kriegsverbrechern wie in Völklingen und der Saarbrücker Staatskanzlei hier meinen und die ungebrochene Verehrung der Nazi- Dank sage für die sehr hilfreiche Unterstützung.5 Gründungsväter des deutschen Bundeslandes Die Unterstützung war gegenseitig. Das Saarland. Buch, das Ende November 1979 erschien, wurde ein saarländischer Bestseller und er- reichte innerhalb kürzester Zeit eine Auflage Ein Leben für die Saar von 5000 Exemplaren.6 Das Bild Röders als gütigem Landesvater mit untadliger politi- Am 26. Juni 1979 verstarb überraschend we- scher Vergangenheit wurde von Voltmer unter nige Tage vor seinem siebzigsten Geburtstag Mithilfe der saarländischen Regierungszen- der saarländische Ministerpräsident Franz-Jo- trale, der CDU Saar und der Familie Röder in sef Röder. Am Tag zuvor hatte er nach 20jäh- den schönsten Farben gemalt. Über die Jahre riger Amtszeit seinen Rücktritt erklärt. Der bis 1945 im von NS-Deutschland unterwor- von Teilen der saarländischen Bevölkerung als fenen Holland schreibt Voltmer im 4. Kapitel »Landesvater« verehrte CDU-Politiker wurde unter der Überschrift Die sieben niederländischen in den veröffentlichten Nachrufen und Trauer- Jahre: reden als »Pädagoge«, als »verdienter Politi- Für Franz-Josef Röder selbst und seine Frau ker«, als »Staatsmann« gefeiert. Magdalene gehörten die sieben Jahre der Lehrtätig- Die Saarbrücker Zeitung, die Röders Leben keit an der deutschen Schule in der niederländischen und Nachruhm über Wochen nach seinem Hauptstadt [sic] Den Haag zu ihren schönsten Tod viele Seiten widmete, schrieb über die Jahren überhaupt. Er wollte dieses sowohl für die Jahre 1932–45: Tätigkeit als Lehrer, als auch für die Beziehungen 1932: Nach dem Studium der Philologie an den zu deutschen und auch vielen holländischen Freun- Universitäten Freiburg, Innsbruck und Münster den und Bekannten verstanden wissen. Mitte 1937, Promotion zum Dr. Phil., anschließend Eintritt in damals noch nicht verheiratet, begann er an der den höheren Schuldienst, 1937 bis 1945: Röder ist deutschen Auslandsschule in Den Haag und blieb im Auslandsschuldienst tätig und ab 1940 zugleich auch während der Kriegsjahre bis zur Evakuierung Zweigstellenleiter des Deutschen Akademischen der Schule nach Niedersachsen im Jahre 1944 als Austauschdienstes in den Niederlanden.3 Lehrer tätig. Folgt man der Darstellung der Saarbrücker Magdalene Röder, von Voltmer befragt, be- Zeitung, so hat die Errichtung des NS-Systems stätigte, daß ihr Mann sich zu keiner Stunde im Saarland, die deutsche Besatzungsherr- belastet fühlte wegen seiner Lehrtätigkeit schaft in den Niederlanden und die damit ver- an der genannten Schule.7 Auch ehemalige bundene Ermordung von über einhunderttau- Schüler treibt Voltmer auf, die Röders untad- send jüdischen Männern, Frauen und Kindern lige Gesinnung und seinen Widerstandsgeist gegen die NS-Ideologie bestätigen sollen: 8 Nach dem empörenden Überfall auf die neutralen Als Leiter des Deutschen Akademischen Austausch- Niederlande wuchsen die Gleichschaltungstenden- dienstes in Den Haag war er unter anderem für zen im Realgymnasium, das dann zur deutschen die ›weltanschauliche‹ Beurteilung holländischer Oberschule in Den Haag wurde. In der Aula stand Studenten zuständig, die als Nazi-Sympathi- bei ›Feierstunden‹ zu den sich häufenden nationalen santen einen Studienaufenthalt in Deutschland Anlässen eine Bronze-Büste Hitlers auf der Bühne, beantragten.10 über die Dr. Röders abfällige Bemerkungen nicht Röder begann als Lehrer am deutschen Re- zu überhören waren. Er setzte sich dann auch nicht algymnasium in Den Haag. Die deutschen vorn in die erste Reihe zum Lehrkörper, sondern Schulen in den Niederlanden wurden nach der hielt sich im Hintergrund. Dabei zeigte er einen Machtübernahme der NSDAP zunehmend belustigt-unverkennbar herablassenden Blick mit zu Multiplikatoren der nationalsozialistischen leicht zur Seite geneigtem Kopf und demonstrierte, Ideologie. In einem Erlaß über die Zuständig- was er von all dem verlogenen Pathos, der großen keit der Vermittlung von Lehrkräften ins Aus- Zeit, dem Wesen, an dem die Welt genesen sollte, land vom 24. Februar